title
stringlengths
13
306
content
stringlengths
1
874k
type
stringclasses
1 value
author
stringlengths
1
203
datePublished_at
unknown
dateCreated_at
unknown
dateModified_at
unknown
url
stringlengths
33
344
description
stringlengths
0
258
keywords
sequencelengths
1
70
__index_level_0__
int64
0
31.3k
Lass Dich nicht manipulieren! | Themen | bpb.de
Diese Bilderserie ist zuerst auf dem Externer Link: Instagram-Kanal der bpb erschienen. Weiterführende Informationen zum Thema Fake News finden Sie hier: Interner Link: Spezial "Fake News" Interner Link: Dossier „Digitale Desinformation“ Fake News – Medien und Links zur Medienkompetenz
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2021-06-23T00:00:00"
"2020-04-29T00:00:00"
"2021-06-23T00:00:00"
https://www.bpb.de/themen/medien-journalismus/stopfakenews/308573/lass-dich-nicht-manipulieren/
Oft sollen Menschen durch Fake News zu bestimmten Handlungen oder Denkweisen animiert werden. Nicht immer ist das Ziel dahinter gleich erkennbar.
[ "Fake News", "Sensibilisieren für Fake News" ]
30,700
Rachel Shneiderman: Erinnerungen der ehemaligen Gemeindeschwester und Pflegedienstleiterin der Jüdischen Gemeinde zu Berlin | Deutschland Archiv | bpb.de
Das Interview mit Rachel Shneiderman führte Sharon Adler für das Deutschland Archiv. Sharon Adler: Rachel, du wurdest in der Sowjetunion geboren, hast 1972 mit deiner Familie Aliya nach Israel gemacht und bist 1978 aus Israel nach Westberlin eingewandert. Wie war die erste Zeit in Berlin? Wie bist du zurechtgekommen? Rachel Shneiderman: Als ich nach Berlin gekommen bin, war mein Mann schon seit eineinhalb Jahren hier und stand auf beiden Beinen, hatte aber noch keine eigene Wohnung. Aus dem kleinen Zimmerchen, in dem er zur Untermiete lebte, sind wir in ein Apartmenthotel gezogen, in dem wir etwa ein halbes Jahr wohnten, bis wir eine Wohnung fanden. Ich hatte eigentlich keine großen Schwierigkeiten mich einzuleben, weil ich aus der Sowjetunion und aus Israel das Leben in einer Großstadt kannte und das insofern kein großer Unterschied war. Aber ich hatte am Anfang große Schwierigkeiten mit der Sprache und habe jeden Tag, acht Stunden lang, in der Hartnackschule Deutsch gelernt. In Berlin habe ich mich gleich wohl und heimisch gefühlt. Ich kann es nicht erklären, warum das so war, aber ich habe die Stadt damals geliebt und liebe sie auch heute noch. Sharon Adler: War dir die NS-Geschichte Berlins bewusst? Rachel Shneiderman: Ich habe natürlich gewusst, wohin ich komme, denn die NS-Geschichte Deutschlands wurde in Russland an jeder Ecke gepredigt, wobei aber über die Ermordung der Juden nicht gesprochen wurde. Ich habe erst in Israel durch meine Arbeit im Krankenhaus und durch den Kontakt mit – meist älteren – Menschen, die aus Deutschland, Polen oder Ungarn kamen, davon erfahren. Aber das Thema war immer noch sehr weit von mir persönlich entfernt. Als ich nach Israel kam, bin ich von Beer-Sheva, wo wir zuerst untergebracht wurden, nach Tel Aviv gegangen und habe in einem Versicherungsbüro für Bauwesen gearbeitet. Mein Chef war David Elefant, ein bulgarischer Jude, der mit 17 Jahren aus dem KZ befreit worden war. Bei ihm und bei seiner Mitarbeiterin Irene aus Polen habe ich das erste Mal die eintätowierte Nummer auf dem Arm gesehen. Wir hatten ein sehr gutes Verhältnis miteinander und ich habe ihn sehr verehrt. Als er erfahren hat, dass ich nach Deutschland gehen würde, hat er den Kontakt zu mir abgebrochen. Das hat mich damals sehr betroffen gemacht, und es tut mir heute noch weh, dass ich ihn enttäuscht habe. Aber für mich hatte die Familiengründung Priorität, und so bin ich nach Berlin gegangen. Sharon Adler: Was waren die großen Herausforderungen für dich in dieser Zeit? Rachel Shneiderman: Ich bin, genau wie mein Mann, als Gastarbeiterin nach Deutschland gekommen. Daher durfte ich zwar einreisen, aber nicht unbegrenzt bleiben oder arbeiten. Da ich aber Krankenschwester war und weil das Thema Pflegekräftemangel Ende der 1970er-Jahre in Deutschland auch schon sehr aktuell war (was sich in den letzten 40 Jahren nicht groß verändert hat!), war es für mich kein Problem, eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis zu bekommen, als ich noch in Israel gelebt habe. Damals, im Sommer 1977, hatte man ja auch 200 Krankenschwestern und Pflegekräfte aus Südkorea nach Deutschland geholt. Aber es war trotzdem sehr schwer, eine Arbeit zu finden, weil ich die Sprache noch nicht gut genug beherrschte. Obwohl ich schon viel verstanden habe, konnte ich auch nach zwei Monaten noch nicht besonders gut sprechen und kein Wort rausbringen, es war wie eine Mauer. Such mal eine Arbeit, ohne die Sprache zu sprechen! Und ohne die Stadt zu kennen und zu wissen, welches Krankenhaus wo und wie ist, ging das gar nicht. Aber um überhaupt bleiben zu können, brauchte ich dringend eine Arbeit. So kam ich zur Jüdischen Gemeinde. Erinnerungen an die Jüdische Gemeinde in den 1980er-Jahren. Der erste Zuzug der russischen Jüdinnen und Juden Sharon Adler: Wie hoch (oder niedrig) war der Anteil der Jüdinnen und Juden aus der ehemaligen Sowjetunion zu dieser Zeit in der Jüdischen Gemeinde? Rachel Shneiderman: Als ich nach Berlin kam, hatte die Gemeinde etwa 3.500 alteingesessene Mitglieder. Der Anteil der Juden aus der UdSSR war sehr gering. Es gab sie, aber sie waren nicht sichtbar. Weil Deutschland die Juden aus der Sowjetunion Ende der 1970er-Jahre noch nicht legal aufgenommen hat, kamen sie über Umwege, aus Israel oder über Wien. Die meisten wurden zuerst im Aufnahmelager Marienfelde untergebracht. Dort waren auch Menschen aus der DDR. 2010 gab es eine Ausstellung darüber, das Lager gibt es nicht mehr. Sharon Adler: Wie wurden die Jüdinnen und Juden aus der ehemaligen Sowjetunion in der Jüdischen Gemeinde in Berlin aufgenommen? Rachel Shneiderman: Mit offenen Armen wurden ‚die Russen‘ nicht aufgenommen. Aber man hat trotzdem geholfen, denn ich vermute, dass es ein ungeschriebenes Gesetz ist, dass ein Jude dem anderen helfen muss. Auch [der damalige Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin] Heinz Galinski war erst gegen die Aufnahme, ich nehme an, aus Solidarität Israel gegenüber. Aber er hat dann eine Frau in der Sozialabteilung angestellt, die sich um die Menschen mit ihren Problemen, auch den Behörden gegenüber, gekümmert hat. Sharon Adler: Wann und wie hat sich diese Haltung verändert, ab wann haben die Jüdinnen und Juden aus der ehemaligen Sowjetunion mehr Mitspracherechte bekommen? Rachel Shneiderman: Mit der Zeit kamen immer mehr russischsprachige Juden, und die Ansprüche und auch die Empörung wuchsen. Die Menschen waren nicht zufrieden mit dem, was sie bekommen haben, sie haben mehr erwartet. Mitte der 1980er-Jahre musste der Vorstand neu gewählt werden und Moishe Waks , Artur Süsskind und andere haben bei der Wahl der Repräsentantenversammlung die Demokratische Liste gegründet. Das war die eigentliche Revolution in der Gemeinde. Dann haben sich auch einige russischsprachige Leute in der Gemeinde betätigt und wurden im Gemeindeleben aktiv. Sharon Adler: Wie hat man dir in der Jüdischen Gemeinde geholfen, anzukommen; womit und von wem wurdest du unterstützt? Rachel Shneiderman: Die Gemeinde hat damals viele Menschen, die nicht gleich eine Arbeit gefunden haben, bei Bedarf mit einer kleinen Summe unterstützt. Das mussten wir zum Glück nicht in Anspruch nehmen, denn wir sind allein zurechtgekommen. Wir haben zwar ab und an mal um Hilfe gebeten, wenn es um die Unterstützung bei Formularen für Behörden wie bei der Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis ging, die jedes Jahr erneuert werden mussten, aber finanzielle Hilfe brauchten wir nicht. Die Odyssee bei der Suche nach Arbeit Rachel Shneiderman: Damals habe ich zunächst einmal die Adressen von Pflegeheimen und Altersheimen der Jüdischen Gemeinde herausgesucht. Das Altersheim war damals in der Invalidenstraße, gegenüber dem Jüdischen Krankenhaus, und das Pflegeheim befand sich auf dem Gelände vom Jüdischen Krankenhaus. Heimleiter im Altersheim war das Ehepaar Lustig. Wir haben uns mit Händen und Füßen unterhalten, ein bisschen Hebräisch, etwas Deutsch. Es gab damals in der Gemeinde noch nicht so viele Leute, die Russisch sprachen. Jedenfalls habe ich mich irgendwie verständlich gemacht und erzählt, dass ich Krankenschwester bin und Arbeit suche. Ich werde nie vergessen, wie mich Herr Lustig ganz freundlich angeschaut hat und dann sagte: „Wir haben leider keine Arbeit für Sie.“ Das war natürlich sehr enttäuschend für mich. Auch bei der nächsten Vorstellung hatte ich kein Glück, was ich heute verstehen kann, denn damals war ich ein schüchternes Mädchen, das kaum ein Wort herausbrachte. Ich hatte große Angst davor, dass man mich abschieben würde. Man sagte mir dann, ich solle doch mal zur Sozialabteilung gehen. Dort traf ich Hanna Schulze. Sie war damals Abteilungsleiterin und sprach auch Hebräisch. Obwohl ich einen schlechten Eindruck hinterlassen habe, weil ich vor lauter Nervosität nicht nur mein Deutsch, sondern auch mein Hebräisch vergessen hatte, hat sich eine tiefe und jahrelange Freundschaft zwischen uns entwickelt. Sie ist leider am 7. Februar 2021 mit 95 Jahren verstorben. Sie fehlt mir schon jetzt. Für die Gemeindezeitung jüdisches berlin habe ich einen Nachruf auf sie geschrieben: HANNA SCHULZE SEL.A. 10.1.1926 – 7.2.2021 Am 7. Februar 2021 ist Hanna Schulze im Alter von 95 Jahren von uns gegangen. Seit Ende der 1950er-Jahre bis 1986 arbeitete Hanna bei der Jüdischen Gemeinde zu Berlin. Als Leiterin des Jugendzentrums hat sie dieses mitaufgebaut. Sie hat die Kinder, die ins Jugendzentrum zu ihr kamen, immer »meine Kinder« genannt. Viele dieser Kinder, die in alle Welt verstreut sind, hielten bis heute Kontakt zu ihr: schrieben ihr Briefe und Ansichtskarten, riefen sie an und besuchten sie, so oft es ihnen möglich war. Für jeden hatte sie ein offenes Ohr, schenkte jedem ihre Aufmerksamkeit und ihre Herzlichkeit. Einige Jahre später übernahm sie die Leitung der Sozialabteilung und arbeitete dort bis sie 1986 in Rente ging. Es war keine leichte Aufgabe, die sie da hatte. Fast alle Menschen, die mit ihren Problemen hilfesuchend zu ihr kamen waren Shoah-Überlebende, wie sie selbst auch. Sie hat niemanden im Stich gelassen. Jedem hat sie ihre helfende Hand ausgestreckt. So habe auch ich sie vor 42 Jahren kennen und lieben gelernt. Mit den Jahren hat sich unsere Freundschaft vertieft. Nicht nur ich, sondern meine Familie, besonders meine Tochter, ihr Ehemann und ihre Kinder, hatten einen engen Kontakt mit ihr. Bis zum Schluss hat Hanna ihre Selbstständigkeit und ihren klaren Kopf behalten. Daphna , ihre Tochter, hat sie die letzten Jahre unterstützt und war immer für sie da. Ganz besonders im letzten Jahr. Wir haben uns immer in ihrer Nähe wohl gefühlt. Sie wird uns allen sehr fehlen. Und wir trauern mit ihrer Familie. In Liebe und großer Dankbarkeit bleibt sie für immer in unserer Erinnerung. Sichrona le Bracha – möge ihre Seele in Frieden ruhen. Sharon Adler: Durch die Hilfe von Hanna Schulze hast du 1984 bei der Jüdischen Gemeinde eine Anstellung als Gemeindeschwester bekommen. Wie kam es dazu? Das Buch mit den Kurzberichten, die Rachel Shneiderman vom 2.1.86 bis 31.12.87 geführt hat. (© Sharon Adler/PIXELMEER) Rachel Shneiderman: Ich hatte damals schon sechs Jahre lang im Krankenhaus Moabit in der Geriatrie und Urologie gearbeitet und wollte da weg. Inzwischen hatte ich viel über die Nazizeit gelesen und gehört, und es hat mich belastet, dass ich dort mit Menschen gearbeitet habe, die potenziell Täter gewesen sein könnten. Es konnte sogar passieren, dass sich Täter und Opfer begegneten. Damals lief die TV-Serie Holocaustim Fernsehen, das hat mich fix und fertig gemacht. Besonders dann, wenn ich im Krankenhaus zur Nachtwache musste. Meine kleine ‚Rache‘ war es, dass ich den [nicht-jüdischen] Patienten auf ihre Frage danach, woher ich käme, erzählt habe, ich käme aus Israel, über Russland. Viele der Männer haben sich dann verplappert und sich als ehemalige, natürlich ‚einfache‘ Soldaten zu erkennen gegeben. Damals arbeitete ein jüdischer Arzt im Krankenhaus, der mich gebeten hatte, niemandem zu erzählen, dass er jüdisch sei. So ein Klima war das. In der Zeit sind die Sozialstationen entstanden, von der Caritas und anderen Verbänden. Ich habe Hanna darauf angesprochen, ob nicht auch die Jüdische Gemeinde eine Sozialstation habe. Das gab es damals noch nicht, es gab nur eine Gemeindeschwester, die die Menschen zuhause und im Krankenhaus besucht hat. Hanna, die wusste, dass meine finanzielle Situation damals nicht sehr rosig war – mein Mann war arbeitslos, und wir hatten zwei kleine Kinder – rief mich sofort an, als kurz darauf die Gemeindeschwester in Rente ging. Und eine Woche später hatte ich den Job. Dafür werde ich Hanna immer dankbar sein. So fing alles an. Blick in das Buch mit den Kurzberichten, die Rachel Shneiderman vom 2.1.86 bis 31.12.87 geführt hat. (© Sharon Adler/PIXELMEER) Sharon Adler: Bitte erzähle von deinen Erinnerungen an die Pflege von Shoah-Überlebenden in dieser Zeit. Hattest du schon vorher einmal so direkten Kontakt mit Überlebenden? Rachel Shneiderman: Damals waren alle älteren Mitglieder der Gemeinde Shoahüberlebende. Ob KZ, Ghetto, Versteck oder Emigration, sie waren alle geprägt von ihrer Vergangenheit. Die meisten haben versucht, ein ‚normales‘ Leben zu führen, und haben versucht zu vergessen. Aber mit dem Alter kam die Erinnerung und damit kamen sie nicht mehr zurecht. Und da kam ihnen die Gemeinde zur Hilfe. Wir haben versucht, sie aufzufangen, ihre Probleme zu lösen, einfach für sie da zu sein. Ich hatte bis zu dieser Zeit keine enge Berührung mit Shoahüberlebenden. Für mich war es wie ein Sprung ins eiskalte Wasser. Die Begegnung mit den Überlebenden war ein Schock für mich. Es war keine leichte Aufgabe. Aber ich bin froh, dass ich sie erfüllen durfte. Ich sehe sie als die Berechtigung dafür, dass ich in Deutschland lebe. Unter den Menschen, die ich im Jüdischen Seniorenzentrum, im Hermann-Strauß-Pflegeheim, im Jeanette-Wolff-Haus und im Leo-Baeck-Haus betreut habe, war ein ganz schwerer Fall, den ich übernommen habe. Eine ältere Dame, die mit niemandem sprechen wollte; niemand durfte sie baden oder duschen. Allmählich fasste sie Vertrauen zu mir und die Behandlung schlug an. Aber sie hatte noch immer regelmäßig depressive Schübe und hat sich dann doch eines Tages das Leben genommen. Das war sehr schwer für mich, denn wir hatten ein gutes Verhältnis zueinander aufgebaut. Es gab vieler solcher Fälle. Man müsste sie alle aufschreiben. Sharon Adler: Haben die Überlebenden mit dir über ihr Überleben gesprochen? Rachel Shneiderman: Ich habe nicht gefragt, weil ich keine alten Wunden aufreißen wollte. Die Menschen haben nicht gleich darüber gesprochen, aber nach und nach doch etwas erzählt. Vor allem die Frauen. Darüber, wie sie im Versteck missbraucht wurden. Wie sie sich aus Mülleimern ernähren mussten. Ganz furchtbare Dinge. Das alles hat mich sehr mitgenommen. Wir haben auch manchmal miteinander gestritten, wenn sie meine Hilfe nicht annehmen wollten, aber ich habe sie alle gemocht. Sharon Adler: Wie hast du diese Arbeit verkraftet, was hat das mit dir gemacht? Rachel Shneiderman: Die Arbeit war sehr schwer, mental gesehen. Ich habe nicht abschalten können, habe alles mit mir rumgeschleppt, Tag und Nacht. Die Arbeit ging für mich immer vor, denn mir war klar, dass die Menschen mich brauchten. Sogar meine Familie habe ich darüber vernachlässigt. Ich hatte auch keinen Arbeitszeitrahmen. Am Anfang war ich halbtags angestellt, aber ich hatte kein Büro, kein Telefon, kein gar nichts. Ich musste alles von zuhause aus regeln. Es war ein 24-Stunden-Job, denn jeder konnte mich jederzeit anrufen, auch in der Nacht oder am Wochenende. Auch den Schreibkram musste ich ja erledigen, die Berichte über meine Tätigkeiten. Das habe ich damals alles noch mit der Schreibmaschine erledigt. Sharon Adler: Welchen Status hatte deine Tätigkeit? Rachel Shneiderman: Etwa zweieinhalb Jahre später wurde meine Stelle auf offiziell 30 Stunden erhöht, was im Prinzip auch noch viel zu wenig war. Denn es kamen immer mehr Menschen aus Russland, die auch Hilfe benötigt haben, zum Beispiel bei Übersetzungen. Das habe ich dann auch übernommen. Erst 1990 habe ich die volle Stelle bekommen. Bis dahin habe ich halbtags gearbeitet, denn die Gemeinde hatte lange nicht eingesehen, dass mehr Arbeitsstunden nötig sind. Sharon Adler: Die Sozialdezernentin der Jüdischen Gemeinde war Maria Brauner. Wie war eure Zusammenarbeit? Rachel Shneiderman: Wir haben wunderbar zusammengearbeitet. Sie hat verstanden, dass ich die Menschen nicht mitten in ihrer Geschichte unterbrechen kann, wenn sie von ihrer Zeit in Auschwitz erzählten. Sie war auch eine, die selber mit angepackt hat. Es gab nach ihr keine Sozialdezernenten, die annähernd so tatkräftig und hilfsbereit waren wie sie. Dazu nur ein Beispiel: Als sie gehört hat, dass ein Patient keine Waschmaschine besaß, hat sie mich damit beauftragt, seine Wäsche zu ihr nach Hause zu bringen, wo sie gewaschen, getrocknet und gebügelt wurde. Jede Woche hat sie das Seniorenheim und das Pflegeheim besucht. Jede Woche Mittwoch hatte sie eine Sprechstunde in der Sozialabteilung. Sie war eine tolle Sozialdezernentin und ein ganz großes Beispiel für Menschlichkeit und Mizwoth. Sharon Adler: 1989 wollte die Gemeinde eine Sozialstation einrichten, und doch kam es erst 1997 dazu. Wie kam das, auf wessen Initiative ging das zurück und warum hat das so lange gedauert? Rachel Shneiderman: Da beinahe alle Wohlfahrtsverbände schon überall Sozialstationen hatten, kam ein Mitarbeiter der Gemeinde auf die Idee, es sei nicht verkehrt, ebenfalls eine einrichten. Also kam die Personalabteilung der Gemeinde auf mich als einzige Gemeindeschwester zu, und fragte mich, was ich davon halten würde, eine Sozialstation einzurichten. Natürlich war ich gleich Feuer und Flamme. Daraufhin hat man mich 1989 zu einer Weiterbildung vom Berliner Senat für die Anleitung von Mitarbeitern geschickt und mich danach aufgefordert, ein Konzept für eine Sozialstation zu schreiben. Dieses Konzept hat Frau Brauner 1990 bei einer Vorstandssitzung vorgelegt, aber wegen der Wiedervereinigung wurde es erstmal auf Eis gelegt. Ich arbeitete weiter als Gemeindeschwester und hatte wie immer viel zu tun. So ging es weiter bis 1997. Ich habe in diesen sieben Jahren bestimmt noch drei weitere Konzepte geschrieben, die aber auch alle abgelehnt wurden. Es kam erst zustande, als irgendwann, auch auf Druck der Krankenkassen wegen der Einführung der Pflegeversicherung im Jahr 1995, neue Kriterien zur Führung der Pflege- und Seniorenheime beschlossen wurden. Sharon Adler: 1997 hat die Jüdische Gemeinde einen Ambulanten Pflegedienst eingerichtet, den du bis zu deiner Pensionierung im Jahr 2011 geführt hast: als Pflegedienstleiterin, als Qualitätsbeauftragte und die letzten sieben Jahre als Geschäftsführerin. Bitte erzähle doch etwas über deine Arbeit. Was gehörte zu deinen Aufgaben? Das Buch mit den Kurzberichten, die Rachel Shneiderman vom 2.1.86 bis 31.12.87 geführt hat. (© Sharon Adler/PIXELMEER) Blick in das Buch mit den Kurzberichten, die Rachel Shneiderman vom 2.1.86 bis 31.12.87 geführt hat. (© Sharon Adler/PIXELMEER) Rachel Shneiderman: Ja, nach diesen vielen Anläufen kam dann endlich der Anruf: ‚Frau Shneiderman, Sie dürfen den Pflegedienst leiten.‘ Der Pflegedienst war quasi eine Unterabteilung der Sozialabteilung, und er bestand aus drei Personen, einer Krankenschwester und einer Pflegehelferin und mir als Pflegedienstleiterin. Unser Büro hatten wir im Leo-Baeck-Haus, da, wo früher der Kiddusch gemacht wurde. Wir drei haben die Menschen, anfangs waren es drei Patienten, zuhause besucht, sie gewaschen, gekocht, geputzt, für sie eingekauft und nebenbei auch das Büro geführt. Aber es wurden immer mehr Patienten. Und das waren keine leichten Fälle, sondern Menschen, die zwei- bis dreimal am Tag Hilfe brauchten, auch am Wochenende. Und das überall in Berlin. Aber wir konnten nicht Nein sagen, wenn sich jemand an uns gewandt hat. Bei uns standen die Menschen, die sich uns anvertraut haben, und dass sie versorgt sind, an erster Stelle. Wir drei haben in die Wege geleitet, dass der Pflegedienst ausgebaut wurde. Aber es war ein ständiger Kampf um die Genehmigung von Pflegekräften. Die Gemeinde wollte uns nicht mehr Personal geben, man ging davon aus, dass wir es schon schaffen würden, zu dritt zehn oder mehr Patienten zu betreuen. Es hat ewig gedauert, bis sie eine Stelle genehmigt haben, für jede musste ich wochenlang kämpfen. Die Gemeinde hat sich nicht wirklich für unsere Arbeit interessiert. Sie haben es nicht verstanden, dass wir es ernst nehmen. Im Mai 1999 wurde der Pflegedienst in eine gemeinnützige GmbH umgewandelt: Sozialwerk Ambulanter Pflegedienst. Unsere Situation hat sich dadurch nicht verbessert, denn die Jüdische Gemeinde hatte als Träger weiter das Sagen. Ich habe all die Jahre gekämpft, aber am Ende habe ich den Kampf um den Pflegedienst gewonnen. Nach all den Schwierigkeiten haben wir es endlich geschafft, auf den grünen Zweig zu kommen. Als der ‚Kampf‘ zu Ende war, war es dann auch für mich Zeit, zu gehen. Meine Mission war beendet, so wie ich es wollte. Und darüber bin ich froh und stolz. Sharon Adler: Was hat dich damals trotz dieser schwierigen Umstände und Mühen motiviert, was lag dir besonders am Herzen? Rachel Shneiderman: Damals habe ich natürlich nicht an Motivation oder ähnliches gedacht. Es war diese große Verantwortung für diese alten, hilflosen und gleichzeitig anspruchsvollen Menschen, die auf meinen Schultern lag. Was mich antrieb, war, gut zu sein und weiterzukämpfen und den Pflegedienst weiter zu erhalten. Deswegen habe ich auch nicht aufgegeben. Ich habe meine Arbeit trotz all dieser Schwierigkeiten geliebt und mich an der richtigen Stelle gefühlt. Jahre später kam mir auch die Antwort darauf in den Sinn, warum ich ausgerechnet nach Deutschland gekommen bin und mit Menschen, die Nazi-Deutschland überlebt haben, gearbeitet habe: Es ist wahrscheinlich meine Berufung, meine Aufgabe. Vielleicht hat auch der liebe G'tt mich geschickt, um für diese Menschen da zu sein. Aber irgendwann bin ich auch an meine Grenzen gekommen und ich konnte nicht mehr. Ich war psychisch am Ende. Der jahrelange Kampf um den Erhalt des Pflegedienstes war einfach zu zermürbend gewesen. Ob als Pflegedienstleiterin, als Qualitätsbeauftragte oder die letzten sieben Jahre als Geschäftsführerin: Trotz aller Schwierigkeiten lag mir der Pflegedienst immer am Herzen, er war mein ‚Baby‘ und ist es bis heute noch. Selbst zehn Jahre später sage ich noch ‚Wir‘, wenn ich vom Pflegedienst spreche. Die Rettung des betreuten Wohnens 2008 kam dann endlich die Zusammenlegung vom Pflegeheim ‚Hermann Strauß‘ und dem Haus Jeanette Wolff/Seniorenzentrum zustande. Da viele der Menschen aus dem Haus Jeanette Wolff sehr pflegebedürftig waren, sind sie im Hermann-Strauß-Pflegeheim untergebracht worden. Das Jeanette-Wolff-Haus wurde in eine Einrichtung für betreutes Wohnen umgewandelt. Aber im betreuten Wohnen gibt es eigentlich keine Nachtwachen. Unsere Sorge war, dass nun alle Bewohner weggehen könnten, denn sie waren ja an Nachtwachen gewöhnt. Ohne zu zögern, ohne mir zu überlegen, welche Konsequenzen es für mich haben könnte, habe ich sofort zugesagt, dass wir die Nachtwachen übernehmen, als die Frage danach aufkam. Das war und ist bis heute eine reine Serviceleistung, dafür haben wir keinen Cent mehr bekommen. Und es musste mehr Personal dafür eingestellt werden. Die Kosten hat der Pflegedienst getragen. Damit wurde das betreute Wohnen gerettet. Sharon Adler: Neben all diesen verantwortungsvollen Tätigkeiten hast du angefangen zu schreiben. In einer Geschichte erzählst du von einer Auschwitzüberlebenden, die du während deiner Zeit als Gemeindeschwester kennengelernt hast, Charlotte Hermann. Wie entwickelte sich der Schreibprozess und was hat dich so an ihr berührt? Rachel Shneiderman: Darüber, was sie in mir bewegt hat, habe ich zuerst 2009 eine Geschichte geschrieben. Ich wollte aber mehr über sie erzählen, ich wollte nicht, dass sie vergessen wird. Die Chance dazu bekam ich 2012, als ich eine E-Mail mit folgendem Inhalt erhielt: „Jüdische Frauengeschichte(n) in Berlin – Writing Girls – Journalismus in den Neuen Medien. Teilnehmerinnen gesucht. Ab sofort startet AVIVA ihr von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft und der Stiftung Zurückgeben gefördertes Projekt zur Entdeckung verborgener Frauenbiographien in Berlin.“ Noch während ich die E-Mail las, wusste ich: Das ist es. Jetzt ist die Zeit gekommen, die ganze Geschichte zu erzählen. Es war ein Wink des Himmels! Ich konnte es kaum fassen, dass sich mir eine solche Möglichkeit eröffnete. Rachel Shneiderman, Sommer 2012 (© Sharon Adler/PIXELMEER) 25 Jahre nach ihrem Tod habe ich mich also für das Schreibprojekt auf die Suche nach Spuren von Charlottes Leben nach dem Überleben gemacht und konnte schließlich doch noch etwas mehr über sie erfahren und schreiben. Nicht nur auf AVIVA-Berlin, sondern sogar im Fernsehen [ARD], der Berliner Morgenpost und im Radio konnte ich von Charlotte erzählen. Sie ist nicht vergessen. Und dennoch ist ihre Geschichte noch nicht zu Ende erzählt. Es gibt noch so viele Mosaiksteinchen aus meiner Recherche, die ich in einer Geschichte zusammenfügen muss. Zitierweise: "Rachel Shneiderman: Erinnerungen der ehemaligen Gemeindeschwester und Pflegedienstleiterin der Jüdischen Gemeinde zu Berlin", Interview mit Rachel Shneiderman in: Deutschland Archiv, 8.4.2021, Link: www.bpb.de/330985 Interner Link: Hier gibt es die Vita von Rachel Sneiderman zum Nachlesen >> Rachel Shneiderman, Sommer 2012 (© Sharon Adler/PIXELMEER) Aliya, die Einwanderung (wörtlich: Aufstieg) nach Israel, https://embassies.gov.il/bern/AboutIsrael/Pages/Aliya.aspx, zuletzt aufgerufen am 8.2.2021. 1990 hat die DDR Jüdinnen und Juden aus der früheren Sowjetunion aufgenommen. Initiiert durch die Arbeitsgruppe „Ausländerfragen“ am Zentralen Runden Tisch, deren Antrag ‚Aufruf zur Aufnahme sowjetischer Juden in der DDR‘ am 12.2.1990 ohne Gegenstimmen angenommen wurde. Nach der deutschen Vereinigung wurde die Einwanderung aus dem Gebiet der Sowjetunion unter dem Begriff ‚Kontingentflüchtlinge" fortgesetzt. Die Aufnahmestelle befand sich an der Marienfelder Allee 66/80 in Berlin-Tempelhof. Ausstellung über Aussiedler_innen: „Alles auf Anfang“ in der Erinnerungsstätte Notaufnahmelager Marienfelde, dem ‚zentralen Museum in Deutschland zum Thema Flucht und Ausreise aus der DDR‘, www.bpb.de/239167, www.dw.com/de/ausstellung-%C3%BCber-aussiedler-alles-auf-anfang/a-5475732 (https://p.dw.com/p/MyUG) und https://notaufnahmelager-berlin.de/de/der-historische-ort-3.html, zuletzt aufgerufen am 8.3.2021. Detlef David Kauschke, in: Jüdische Allgemeine, 1.10.2009, Zum Tod von Moishe Waks sel. A., https://www.juedische-allgemeine.de/allgemein/engagiert-und-stets-praesent/, zuletzt aufgerufen am 15.3.2021. Lala Süsskind war von 2008 bis 2012 Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Berlin. www.bpb.de/317886, zuletzt aufgerufen am 12.3.2021. www.jg-berlin.org/institutionen/seniorenzentrum.html, zuletzt aufgerufen am 16.3.2021.. www.jg-berlin.org/institutionen/soziales/sozialabteilung.html, zuletzt aufgerufen am 16.3.2021. Hanna Schulze, geborene Rosenthal, arbeitete über viele Jahre in der Sozialabteilung der Jüdischen Gemeinde zu Berlin und leitete diese auch. Das jüdische berlin, 24. Jahrgang Nr. 232, www.jg-berlin.org/fileadmin/redaktion/jb232_marz2021.pdf, zuletzt aufgerufen am 3.3.2021. Daphna Rosenthal, Schauspielerin, 1946 in Israel geboren, ging in Haifa zur Schule, bevor sie 1956 mit ihrer Mutter nach Berlin zog. Maria Ugoljew, „Ich wollte auf die Bühne“, in: Jüdische Allgemeine, 26.7.2020, www.juedische-allgemeine.de/unsere-woche/ich-wollte-auf-die-buehne/, zuletzt aufgerufen am 7.3.2021. Wie 'Holocaust' ins Fernsehen kam, zeigt ein Dokumentarfilm. Er beleuchtet die Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte der US-amerikanischen Familiensaga 'Holocaust', die 1979 erstmals in der Bundesrepublik ausgestrahlt wurde. www.bpb.de/319135, zuletzt aufgerufen am 12.3.2021. Maria Brauner, 1925 in Lemberg geboren, überlebte mehrere deutsche Arbeitslager mit polnischen Papieren, verlor wie ihr Ehemann Artur fast ihre gesamte Familie während der Shoah. In der Jüdischen Gemeinde Berlin war sie Sozialdezernentin, Gemeinderepräsentantin, in Ehrenämtern und als Patientensprecherin im Jüdischen Krankenhaus aktiv. Im Jüdischen Pflegeheim wechselte die ‚Grande Dame des Berliner Westens‘ auch mal die Bettwäsche und war auch auf dem ganz großen Parkett zuhause, siehe www.juedische-allgemeine.de/unsere-woche/trauer-um-maria-brauner/, zuletzt aufgerufen am 16.3.2021. Mizwoth, (Singular: Mizwa), Hebräisch für Gebot/Pflicht. Siehe www.bpb.de/197720, zuletzt aufgerufen am 15.3.2021. Kiddusch, abgeleitet vom hebräischen Wort kadosch (heilig). Kiddusch ist ein Gebet, das in der Synagoge oder zuhause über einem Becher Wein gesprochen wird, um den Schabbat oder die Feiertage zu heiligen. www.juedische-allgemeine.de/glossar/kiddusch/, zuletzt aufgerufen am 18.3.2021. Die Auschwitzüberlebende Charlotte Hermann litt bis zu ihrem Lebensende unter Depressionen durch ihre psychischen und physischen Verletzungen. Für ihre Recherche reiste Rachel Shneiderman u.a. nach Dresden und Prag, forschte trotz Sprachbarrieren in dortigen Archiven und suchte die Lebensorte von Charlotte Hermann auf. Rachel Shneiderman, Charlotte Hermann. Ein Leben auf der Suche nach Liebe und Geborgenheit, in: AVIVA-Berlin, 15.7.2012, https://www.aviva-berlin.de/aviva/content_Juedisches%20Leben_Writing%20Girls.php?id=141264, zuletzt aufgerufen am 8.2.2021.
Article
Rachel Sneiderman, Sharon Adler
"2022-08-18T00:00:00"
"2021-04-08T00:00:00"
"2022-08-18T00:00:00"
https://www.bpb.de/themen/deutschlandarchiv/330985/rachel-shneiderman-erinnerungen-der-ehemaligen-gemeindeschwester-und-pflegedienstleiterin-der-juedischen-gemeinde-zu-berlin/
Seit 1984 arbeitete Rachel Shneiderman als Gemeindeschwester bei der Jüdischen Gemeinde zu Berlin und hat sich viele Jahre lang um Shoah-Überlebende gekümmert. Besonders das Schicksal einer Auschwitzüberlebenden, die sie in dieser Zeit betreute, hat
[ "Jüdinnen in Deutschland", "Bundesrepublik Deutschland", "Berlin" ]
30,701
Statistik: Kennzahlen und Indizes geschlechterspezifischer Ungleichheit | Russland-Analysen | bpb.de
Kennzahlen und Indizes geschlechterspezifischer Ungleichheit
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2023-03-28T00:00:00"
"2023-03-22T00:00:00"
"2023-03-28T00:00:00"
https://www.bpb.de/themen/europa/russland-analysen/nr-434/519360/statistik-kennzahlen-und-indizes-geschlechterspezifischer-ungleichheit/
In Russland wie auch anderen postsowjetischen Staaten existiert eine Liste für Frauen verbotener Berufe. Einige Verbote wurden 2019 aufgehoben, darunter Lockführerin.
[ "Russland", "Gender (Geschlechterrollen)" ]
30,702
Theaterhaus Jena: Der Report der Magd | 7. Festival // ECHT! – Köln 2008 | bpb.de
Der Zeugungsakt wird zum religiösen Ritual, Frauen werden zum Regierungseigentum. Ihre unveränderliche soziale Stellung wird von ihrer Gebärfähigkeit bestimmt. Sie gelten entweder als unfruchtbare "Ehefrauen" oder werden als "Mägde" zu unmündigen Gebärmaschinen degradiert. Diejenigen, die sich widersetzen, schiebt man als "Unfrauen" in die Kolonien zur Giftmüllbeseitigung ab. "Der Report der Magd", nach der Romanvorlage von Margaret Atwood, ist ein Gedankenexperiment über Rollenverständnis, demografischen Wandel, religiösen Fundamentalismus und Selbstbestimmung. Following a drastic decline in the birth rate, a Christian fundamentalist sect succeeds in establishing a dictatorship whose primary aim is to guarantee human reproduction. The inalterable social status of women is determined by their ability to birth – sorting women into infertile "wives", child-bearing "maids" or oppositional "unwomen". "Der Report der Magd" is a thought experiment about role perceptions, demographic change, religious fundamentalism and self-determination. Regie: Regina Wenig Dramaturgie: Marcel Klett Bühne, Kostüme: Jan Freese Maske: Hanna Iberer Technische Leitung: Mario Müller Licht: Steffen Prietzsch, Steffen Laute Ton: Wolfgang Wackernagel Mit: Saskia Taeger, Andrea Schmid, Ulrich Reinhardt, Mathis Julian Schulze, Stefan Düe, Linda Best, Martin Wigger, Lina Cramer, Paula Cramer Regieassistenz, Inspizienz: Linda Best Ankleidung, Requisite: Anni Steinhagen Technik Alte Feuerwache: Marcus Müller, Garlef Kessler, Christian Herbert Ort Alte Feuerwache Datum Fr 21.11.2008, 20:00 Sa 22.11.2008, 20:00 (Samstag mit Publikumsgespräch) Dauer 115 min Preis 12 Euro / 8 Euro Externer Link: www.theaterhaus-jena.de
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2021-12-17T00:00:00"
"2012-07-13T00:00:00"
"2021-12-17T00:00:00"
https://www.bpb.de/pift2022/140661/theaterhaus-jena-der-report-der-magd/
Nachdem die Geburtenrate drastisch zurückgegangen ist, gelingt es einer christlich-fundamentalistischen Sekte, eine Diktatur zu errichten, deren oberstes Ziel die Sicherung der Fortpflanzung ist. "Der Report der Magd", nach der Romanvorlage von Marga
[ "" ]
30,703
"Unser Verhältnis zur Umwelt ist durch Mode geprägt" | Fashion@Society: Mode trifft Moral | bpb.de
Wie wird aus Kleidung Mode? Die Dinge werden zunächst als Kleidungsstücke hergestellt und als Mode angeboten. Doch zu Mode werden sie, weil eine ganze Industrie daran arbeitet, sie als Mode akzeptabel zu machen. Ich meine mit Modeindustrie oder Modesystem die Gesamtheit der Institutionen, die daran beteiligt sind, Mode zu kreieren. Dazu gehören die Designer/-innen, Produktionsbetriebe, Werbung, die Modenschauen der High Fashion als eigene Kunstwerke, Modezeitschriften, Blogs, Einkäuferinnen und Einkäufer. All diese zusammen sorgen dafür, dass die Sachen bekannt, anerkannt und gekauft werden. Dann kommen die Konsumenten/-innen ins Spiel, die ich als Kollaborateure/-innen des Systems bezeichne. Ohne sie würde das System nicht funktionieren. Man kann sagen, dass es Zuschreibungspraktiken sind, die aus Kleidung Mode machen. Prof. Dr. Gertrud Lehnert (© Sabine Dengel) Welche Rolle spielen die Konsumenten/-innen? Sind sie in ihren Kaufentscheidungen wirklich frei? Man kann zum Teil von Schein-Entscheidungen sprechen. Die Konsumenten/-innen müssen mitmachen in dem System. Ich denke, hier wird eine Sucht-Struktur erzeugt. Als Konsument/-in hat man begrenzte Möglichkeiten frei zu entscheiden. Es wird immer von der Demokratisierung der Mode gesprochen. Was bedeutet das denn? Natürlich werden Konsumenten/-innen "gechannelt". Sie können nur aus dem wählen, was angeboten wird. Und es wird im Überfluss angeboten. Das System überschlägt sich. Insofern ist die Freiheit der Entscheidung sehr begrenzt – und auch vom Finanziellen abhängig. Hier kommt die Fast Fashion ins Spiel, die behauptet: "Wir sind so demokratisch, Alle können sich das leisten". Fast Fashion-Ketten wie Primark leben von diesem Versprechen. Aber wer sind "Alle"? Sicher nicht diejenigen, die die Mode in China oder Bangladesch herstellen. Heute tragen ja Milliardäre ebenso wie Jugendliche lässige Kapuzenshirts (Hoodies) – kann man hier von einer Demokratisierung der Mode sprechen, von Angleichungen oder von Nivellierungen? Oder sieht man dem Hoodie an, ob er mehrere Tausend oder zehn Euro gekostet hat? Ein gut geschulter Blick erkennt den Unterschied. Ansonsten ist es das alte Prinzip der Dandys. Die Dandys im 19. Jahrhundert waren nicht mehr exzentrisch. Sie trugen, was alle Männer trugen, nur viel besser. Leider kann man beobachten, dass die Produkte der bekannten Labels in den letzten Jahren an Qualität verlieren. Handtaschen aus bedrucktem Plastik werden für 500-600 Euro und mehr verkauft. Die Labels leben von der Zuschreibung – davon, dass sie es geschafft haben, sich am Markt zu positionieren. Qualität von Materialien oder Verarbeitung stehen nicht mehr unbedingt im Vordergrund. Wie sehen Sie die Entwicklungschancen von Slow- oder Green Fashion-Labels, die bewusst nach sozialen und ökologischen Kriterien produzieren? Ich bin etwas pessimistisch und denke, Slow Fashion wird ein Nischenmarkt bleiben. Denn um zu überleben und marktfähig zu bleiben, müssen die Labels sich den gängigen Mechanismen anpassen. Einige expandieren bereits. Ich vermute, dass sie relativ schnell auf derselben Rutschbahn sein werden wie die konventionellen Labels. Ich hoffe, dass mich jemand vom Gegenteil überzeugen kann. Es gibt auch bereits große Labels und Designer, die bestimmte soziale und ökologische Kriterien beachten, wie Stella McCartney, die als Tierschützerin zum Beispiel keine Pelze verwendet. Ich finde das wichtig und gut, und ich hoffe, dass der Druck so groß ist, dass zukünftig mehr Labels sozial und ökologisch nachhaltig, menschen- und tierfreundlich produzieren. Bisher sind solche Ansätze meist eher symbolisch. Die erfolgreichen Labels könnten sich es jedoch leisten, da sie durch die Markenbindung, die sie schon geschaffen haben, größere finanzielle Spielräume haben. Ich hoffe zwar immer noch, dass sich Slow Fashion durchsetzt, ich kann nur nicht in den Jubel einstimmen, wir seien bereits auf dem Weg dorthin. Ein guter Weg wäre vielleicht, dass Slow Fashion Labels kleiner bleiben und nicht auf starke Expansion setzen. Der ästhetische Mehrwert von Mode – dieser "Kick", den viele Menschen erleben, wenn sie Designer- Mode kaufen, so dass sie gern viel Geld dafür zahlen – scheint bei Öko-Labels nicht im Vordergrund stehen. Muss man sich entscheiden für entweder "öko und fair hergestellt" oder modisch? Die Labels, die nachhaltig arbeiten wollen, täten gut daran, stärker auf Design zu setzen. Und leider müssen sie wohl mit den gleichen Marketing-Methoden und Strategien arbeiten wie die großen Marken. Das System funktioniert einfach so und die Konsumenten/-innen sind daran gewöhnt. Über die Ratio kommt man nicht heran. Es gibt bereits einige Firmen, die sagen: "Wir wollen über das Design leben, wir produzieren nur eben anders." Sie sagen, dass Mode sehr viel aussagt über eine Kultur und ihr Selbstverständnis. Im Moment erleben wir mit der Flüchtlingskrise und starken rechtspopulistischen Tendenzen sehr turbulente Zeiten in Europa. Vieles wird in Frage gestellt, viele Menschen haben Ängste. Schlägt sich dies bereits in der Mode nieder? Ich finde es schwierig, Mode mit politischen oder gesellschaftlichen Ereignissen direkt in Verbindung zu bringen. Es gibt sicherlich Moden, die darauf Wert legen. Doch ich glaube nicht, dass Modemacher/-innen sofort darauf reagieren. Was man seit etwa zwei Jahren verstärkt beobachten kann, ist ein Bedürfnis nach Sich-Einkuscheln, in der Mode zeigt es sich in üppigen Pelzen oder dicken Strickjacken. Möglicherweise könnte man sagen, dass dieser Trend mit der politischen und gesellschaftlichen Lage zusammenhängt. Aspekte wie Bedürfnisse nach Sicherheit und Privatsphäre spielen hier vielleicht indirekt eine Rolle. Es wäre jedoch zu einfach zu sagen, Mode drückt aus, dass wir in Europa eine Flüchtlingskrise haben. Das kann sie gar nicht. Ich gehe davon aus, dass Moden Verhaltensweisen und Lebensstile prägen. Ich denke nicht, dass der Lebensstil zuerst da ist und entsprechend die Mode gewählt wird. Das Tragen von Hoodies oder Sneakers zum Beispiel wirkt sich auch in Körperhaltung und Verhalten aus. Man gibt sich locker und lässig. Auch diese Moden schaffen Gemeinschaften. Menschen wählen Kleidung, erkennen, dass andere ihnen ähnlich sind, und sie entwickeln bestimmte Verhaltensweisen und Körpertechniken. Warum kann Mode ein wichtiges Thema für die politische Bildung sein? Weil Mode als Dynamik uns durch und durch prägt. Unser Zeitempfinden, unser Verhältnis zur Umwelt ist meiner Ansicht nach komplett durch Mode geprägt. Kleidung ist ein wesentlicher Teil davon, weil wir sie täglich sehen und auf dem Körper tragen, weil wir ständig in irgendeiner Weise modisch oder unmodisch gekleidete Menschen sehen und unsere Urteile fällen. Gleichzeitig ist dieser sich überschlagende Rhythmus der Modeindustrie einer, der sich auch in anderen Bereichen findet. Die Moderne ist von einer Dynamik geprägt, die immer schneller wird. Dabei ist die Mode ganz zentral, besonders auch die Kleider-Mode mit ihren Praktiken. Insofern ist Mode ein extrem politisches und auch ein extrem moralisches Thema. Mode wurde lange Zeit als Gesellschaftsfaktor nicht ernstgenommen und konnte dadurch immer mächtiger werden. Mode ist das Ergebnis diskursiver Handlungen und kultureller Zuschreibungen. Darin liegen gleichzeitig Chancen und Gefahren. Denn Mode ermöglicht einerseits eine aktive Selbstgestaltung, Geschmacksbildung durch Spiele mit dem Stil – sie bietet Chancen für Vielfalt, zum Beispiel in Geschlechterrollen oder mit kulturellen Identitäten. Doch gleichzeitig kann man von Mode erst sprechen, wenn viele sich ähnlich kleiden und verhalten – Mode erzeugt also weniger Individualisierung als sie verspricht. Interview: Katharina Reinhold Prof. Dr. Gertrud Lehnert (© Sabine Dengel)
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2021-06-23T00:00:00"
"2016-03-31T00:00:00"
"2021-06-23T00:00:00"
https://www.bpb.de/lernen/kulturelle-bildung/223860/unser-verhaeltnis-zur-umwelt-ist-durch-mode-gepraegt/
Die Modeexpertin Prof. Dr. Gertrud Lehnert spricht im Interview über die Rolle der Konsumenten/-innen und Sucht-Strukturen im Modesystem, über die Entwicklungschancen von Slow Fashion und über die Bedeutung des Themas Mode für die politische Bildung.
[ "Mode", "Kultur", "Kleidung", "Kunst", "Medien", "Konsum", "fashion", "Deutschland" ]
30,704
2:2 gegen den Bundestag | Deutschland Archiv | bpb.de
Mit jedem Tag der fortschreitenden Entwicklung 1989 in der DDR hatte man größere Angst um das Leben des reformfreudigen sowjetischen Staats- und Parteichefs Michail Gorbatschow. Die fehlende Unterstützung der sowjetischen Regierung zum Erhalt des DDR-Machtapparats spürte auch die Bevölkerung. Damit wich die Angst einer immer größer werdenden Euphorie. In vielen Orten entstanden »Runde Tische«. Hier wurde über das weitere Vorgehen beraten. Die einzelnen Vertreter waren zum einen selbst ernannte Patrioten und zum anderen Menschen, die mit Sachverstand eine andere DDR wollten. Es gab auch fanatische Besserwisser, die in keiner Gesellschaft gern gelitten sind. Inzwischen wurden sie so lange weggelobt, bis sie an der Stelle angekommen waren, an der man glaubt, sie verkraften zu können. Auch in der CDU hatten wir im Vorstand so einen Mitstreiter. Wenn es nicht nach seinem Willen ging, weinte er. Die CDU hielt im November 1989 in Berlin einen Parteitag ab. Ich war einer der Delegierten. Unter anderem wurde Lothar de Maizière zum Vorsitzenden gewählt. Sehr positiv kam der Besuch des CSU-Generalsekretärs Erwin Huber bei den Anwesenden an. Obwohl man im Vorfeld gegen ihn eher etwas Abneigung empfand, wurde er nach seiner Rede mit viel Beifall bedacht. Ein Vertreter der westdeutschen CDU ließ sich leider nicht blicken. Hier wurde erstmals die anfängliche Fehleinschätzung der Arbeit der CDU in der DDR durch einige westdeutsche CDU-Führungsgremien deutlich. Ein CDU-Mitglied in der DDR hatte sich mit dem Eintritt in diese Partei eindeutig von den Statuten der SED distanziert und war damit im Denken der Machthaber eher feindlich gesinnt. Das wussten auch die vielen neuen Mitglieder der CDU, die erst nach der „Wende“ den Weg in diese Partei suchten. In der DDR hatten sie nicht den Mut dazu oder konnten sich keinen Vorteil in irgendeiner Art erhoffen. Ich glaube, dass zu dieser Zeit die ersten Bilder der Regierungswohnsiedlung Wandlitz veröffentlicht wurden. Man möge es mir nachsehen, ich war über das bescheidene Wohnniveau unserer Oberen ziemlich betroffen. Da wohnte jeder westdeutsche Manager deutlich komfortabler. Entsprechend fielen ihre Witze zu diesem Thema bei späteren Treffen aus. Hans Modrow, Wolfgang Berghofer und einige andere SED-Genossen, die als reformwilliger galten, versuchten, ein System zu retten, was nicht mehr zu retten war. Komischerweise hofierten auch verschiedene westdeutsche Institutionen diese Herren. Vermutlich konnte sich auch die Bundesregierung noch nicht vorstellen, dass die Sowjetunion dem Lauf der Dinge in der DDR tatenlos zusehen würde. „Niemand hatte in den letzten 45 Jahren einen Wahlkampf organisiert“ Nachdem alle Versuche der SED zur Machterhaltung scheiterten, wurden für den 18. März 1990 erstmals freie Wahlen in der DDR vereinbart. Das war eine gänzlich neue Erfahrung. Niemand hatte in den letzten 45 Jahren einen Wahlkampf organisiert. Wir hatten es noch etwas einfacher als die neugegründeten Parteien wie der DA, die DSU, die SPD und „Demokratie jetzt“. Wir hatten bereits flächendeckende Strukturen. Mein Kollege konnte mich auf der sächsischen Kandidatenliste zur Volkskammer auf der 15. Stelle platzieren. Das war eine große Leistung, war doch der Andrang sehr groß. Diese Position war sehr aussichtsreich, denn dass die CDU die Wahl in Sachsen deutlich gewinnen würde, war uns aufgrund der Stimmungslage im Vorfeld klar. Doch wieder kam aus den westdeutschen Reihen der CDU, vermutlich von Mitgliedern, die keine Verwandten in der DDR hatten, einiges Störfeuer. Der Begriff der »Blockflöten« für die Mitglieder der bisher bestehenden Parteien wurde in den alten Bundesländern kreiert und sollte die Arbeit dieser Parteimitglieder diskreditieren. Aber auch in der DDR gab es genug Leute, die sich zu keiner Zeit für die Arbeit der Parteien außerhalb der SED interessierten und nun plötzlich ziemlich arrogant als Insider agierten. Viele Bürger, die sich zu Wortführern während der Demos aufschwangen, sind heute in der Versenkung verschwunden. Dabei spielten auch krasse Fehleinschätzungen der eigenen Wertschätzung in der Bevölkerung der DDR eine wesentliche Rolle. Vielfach galt auch in diesem Prozess der Spruch: Die Revolution frisst ihre Kinder. In einem Telex im Dezember 1989 bat ich den bundesdeutschen CDU-Vorsitzenden Helmut Kohl, doch bitte seine Leute, die sich in ihrer Fehleinschätzung zur DDR-CDU hervortaten, sofort zurückzupfeifen. Wenn er diese Maßnahme durchziehe, sagte ich ihm ein hervorragendes Wahlergebnis voraus. In der Praxis habe ich mich nur um wenige Zehntel geirrt. Den neuen Parteien standen viele, so auch ich, eher skeptisch gegenüber. Es musste jedem denkenden DDR-Bürger klar gewesen sein, dass die Stasi bei den Gründungen ihre Hände im Spiel hatte. Die westdeutschen Geheimdienste wussten wieder mal nichts, denn sonst hätten sie vor dem Rechtsanwalt Wolfgang Schnur gewarnt, dem Mitbegründer des Demokratischen Aufbruchs (DA), der zehn Tage vor der Volkskammerwahl als „IM Torsten“ aufflog. Für die Stasi wäre es noch einmal eine Gelegenheit der intensiven Einflussnahme gewesen. Grundsätzlich war es aber dafür zu spät. Hier und da meinte man, die SPD könne die Wahl gewinnen. Das war für mich zu keinem Zeitpunkt nachvollziehbar, schon gar nicht in Sachsen. Vor allem aber konnte sich die SPD noch nicht zur deutschen Einheit bekennen, zu gegensätzlich waren die Positionen in der Partei. Große Teile der Bevölkerung waren da schon weiter. Meine Vorbehalte gegenüber Wolfgang Schnur vom DA waren, vom schlechten Gefühl her, größer als bei SPD-Geschäftsführer Ibrahim Böhme, der sich später ebenfalls als Stasi-IM herausstellte. Nach und nach erkannten auch einige Leute aus der CDU der alten Bundesländer die Gefahr und favorisierten dann doch die Mannschaft um Lothar de Maizière. Der Wahlkampf verlief für die CDU sehr erfolgreich, da man bei den meisten Menschen offene Tore einrannte. Prognosen, dass es zu einer großen Arbeitslosigkeit kommen würde, da eine hohe Zahl der Unternehmen der DDR nicht konkurrenzfähig war, wurden weitgehend in den Wind geschlagen. Ich kann mich an eine Veranstaltung in unserer Kreisstadt erinnern, als der regionale CDU-Vorsitzende des Bezirkes die Zuhörer bat, nicht sofort ein neues Auto zu kaufen und größere Urlaubspläne erst mal zu verschieben. Das hielt man für Schwarzmalerei, er wurde ausgepfiffen. Der Wahlsieg des Bündnisses CDU/DSU/DA war am 18. März 1990 überwältigend. In Sachsen entfielen auf die CDU 17 bis 18 Mandate für die Volkskammer. Damit hatte ich den Einzug in das erste frei gewählte Parlament der DDR geschafft. Jetzt musste man aufpassen, um nicht noch in de Maizières Regierungsmannschaft zu kommen, denn in der Wirtschaft tätige Parlamentarier waren knapp. Ich meldete mich für den Finanzausschuss, weil mir in diesem Bereich die anstehenden Probleme besonders groß erschienen. Dabei war mir klar, dass diese Tätigkeit nur relativ kurz sein würde. Mein Ausflug in die große Politik Nachdem die Regierung um Ministerpräsident de Maizière stand, musste noch der Volkskammerpräsident, der auch gleichzeitig Präsident der DDR war, bestimmt und gewählt werden. Hier tat sich de Maizière schwer, da er aufgrund der anstehenden außerordentlich schwierigen Aufgaben die Last der Verantwortung gern etwas verteilt hätte. Dabei schwebte ihm als Kandidat offensichtlich Herr Stolpe von der SPD vor. Es folgte eine lange Diskussion zu diesem Thema. Um die immer länger andauernde Beratung abzukürzen, schlug ich die zufällig neben mir sitzende Frau Dr. Bergmann-Pohl aus Berlin für die Funktion des Volkskammerpräsidenten vor, obwohl ich die Frau bisher kaum kannte. Sie war auch über meinen Vorschlag ziemlich erschrocken – und wurde mit überraschend großer Mehrheit gewählt. Bei den sächsischen Mandatsträgern brachte mir mein Vorschlag herbe Kritik ein. Während der Beratungen des Parlamentes erschien auch ab und zu die junge Angela Merkel und brachte Unterlagen für die Präsidiumsmitglieder. Ich glaube, sie war stellvertretende Pressesprecherin. Damals hat noch kein Mensch in ihr die erste deutsche Kanzlerin gesehen. Die Sitzungen der Volkskammer zogen sich wegen der großen Anzahl notwendiger Gesetzesvorlagen oft bis weit nach Mitternacht hin. Anschließend nächtigten wir in einem ehemaligen Stasihotel in Niederschönhausen oder fuhren nach Hause, um am nächsten Morgen pünktlich am Arbeitsplatz zu erscheinen. Es war in jedem Fall eine außerordentlich interessante, aber auch anstrengende Zeit. Ich verlor bis Jahresende sechs Kilogramm Gewicht, obwohl ich schon schlank war. Die vielen Fahrten nach Berlin und zurück waren nicht ungefährlich. Vor allem, weil man oft übermüdet war. Andererseits konnte man damals auf der Autobahn Dresden – Berlin kaum einschlafen, weil der holprige Plattenversatz den heute zum Einsatz kommenden Spurassistenten ersetzte. Zum Mittagessen suchten wir jeweils ein Restaurant im Palast der Republik auf. Dort standen wir dann wie in der Mensa in der Schlange. Am Brett der Speiseankündigung wurde unter anderem Teufelsbraten angeboten. Ich sagte zu meinem CDU-Kollegen, dass wir so etwas wohl nicht essen dürfen. Da drehte sich Gregor Gysi um und meinte, dass er dafür zweimal essen werde. Als PDS-Mitglied schien ihm der Teufel egal zu sein. Da ich mit Stanislaw Tillich aus der sächsischen CDU zu Beginn der Volkskammersitzungen hin und wieder ein Zimmer teilte, nutzte er die Gelegenheit, in unserem Unternehmen für Erzeugnisse seiner mit einem Kollegen damals betriebenen GmbH zu werben. Reiner Schneider verfasste 2010 eine Autobiografie, aus der dieser Text entnommen worden ist: "Seiltanz - Leben, wohnen und arbeiten in der DDR und 20 Jahre in Deutschland", Remscheid 2010. Während der Sitzungen der Volkskammer hatte ich auch öfter Gelegenheit, einen Plausch mit dem ehemaligen Radrennfahrer und nunmehr Volkskammerabgeordneten Täve Schur von der PDS zu machen. Ein anderer Mandatsträger hatte es fertiggebracht, ihm nach der „Wende“ noch einen PKW »Wartburg« aufzuschwatzen. Außer der Speerwerferin Ruth Fuchs sah ich keine weiteren verdienten Sportler der DDR im Gremium. Sie wirkte auf mich etwas überdiszipliniert. Mir fiel der erhöhte Alkoholkonsum eines verdienten Wissenschaftlers im Parlament auf. Da wurde mir klar, dass auch nachgewiesene Intelligenz keine Garantie für ein suchtfreies Leben sein muss. Es ist und bleibt eine Willensfrage. Im Palast der Republik fühlten wir uns sehr wohl. Von einer Asbestverseuchung war uns nichts bekannt. Mitte des Jahres 1990 stand die Währungsunion an. Ich erklärte meinen Mitarbeitern im Unternehmen die Folgen der D-Mark-Einführung für die DDR-Wirtschaft. Das Wegbrechen der osteuropäischen Märkte würde für viele Betriebe, trotz einer hoch motivierten Belegschaft, das Ende bedeuten. Diese Argumente wollte niemand hören. Die D-Mark musste her, koste es, was es wolle. Natürlich fühlte auch jeder, dass damit ein wichtiger Schritt zur deutschen Einheit getan wäre. Nachdem wir auch in Ostdeutschland die D-Mark hatten, riefen täglich irgendwelche Spekulanten und Broker aus der ganzen Welt an, um uns eine Schiffsladung Mais oder Ähnliches anzudrehen. Einmal bedrängte mich ein Anrufer aus Los Angeles außerordentlich hartnäckig zu einem Einstieg in eines seiner Angebote. Als ich ihm klarmachte, dass wir dafür kein Geld haben, verlor er die Nerven und schrie mich plötzlich in bestem Deutsch an, obwohl er vorher nur Englisch sprach: „Eure Armut da drüben kotzt mich an!“ Meine große Ähnlichkeit mit dem seinerzeitigen SPD-Vorsitzenden Böhme brachte mir den Spitznamen »Ibrahim« ein. Selbst die Damen von der SPD-Fraktion grüßten mich in der Mittagspause artig. Zum Glück konnte Böhme im Frühjahr 1990 als IM enttarnt werden, sodass er in der Folge kein Thema mehr war. Die Integration der Mitglieder der neuen Parteien DA und DSU in die CDU war eine folgerichtige Konsequenz. Der spätere Wechsel von Mitgliedern der Partei Bündnis 90 zur CDU war schon eher außergewöhnlich. Zu Hause hatte meine Frau mit der Gattin unseres Marketingchefs eine Boutique mit Sonnenstudio eröffnet. Die Bürger hatten aber damals andere Probleme, als Klamotten zu kaufen oder sich bräunen zu lassen. Nachdem ein Überleben der Boutique nicht gewährleistet war, übernahm meine Frau wieder ihre ehemalige Arbeit der Dokumentationserstellung in unserem Unternehmen. »Miteinander-Füreinander – nie wieder gegeneinander« Trotz der umfangreichen Arbeit in der Volkskammer und im Betrieb war ich auch einer der Fußballer, die für ein Spiel gegen die Mannschaft des Bundestages trainierten. Das machte nach den stressigen Sitzungen viel Spaß. Unter dem Motto »Miteinander-Füreinander – nie wieder gegeneinander« fand am 21. September 1990 das historische Fußballspiel »Volkskammer gegen Bundestag« in Berlin statt. Mit diesem Slogan bekam jeder Spieler einen entsprechenden Wimpel zum Andenken an diese einmalige Begegnung. Ich war als linker Verteidiger aufgeboten und spielte anfänglich gegen den damaligen Umweltminister Klaus Töpfer, den ich mit meiner Laufarbeit und mit sportlicher Härte beeindruckten konnte. Nach seiner Auswechselung war der Oberbürgermeister Bonns, Dr. Hans Daniels, mein Gegenpart. Er schien mir nicht so robust, deshalb schonte ich ihn etwas. Das Spiel endete 2:2. Leider nahm mir der vor mir stehende Spieler die Ehre, zum Ausgleich einzuköpfen. Das Spiel fand im Stadion des Berliner Fußball-Clubs „BFC Dynamo“ statt, also bei Stasichef Mielkes ehemaliger Truppe. Immerhin hatte man uns für das Spiel Fußballschuhe, Dress, Stutzen, Hose, Wetterjacke und ein großes Handtuch gesponsert. Ein Dress von der Volkskammer und dem Bundestag hängt in meinem Arbeitszimmer. Auch damit bleiben die Erinnerungen an diese ereignisreiche Zeit immer wach. Zitierweise: Reiner Schneider, „2:2 gegen den Bundestag", in: Deutschland Archiv, 17.07.2020, Link: www.bpb.de/315714. Weitere "Ungehaltene Reden" ehemaliger Parlamentarier und Parlamentarierinnen aus der ehemaligen DDR-Volkskammer werden nach und nach folgen. Eine öffentliche Diskussion darüber ist im Lauf des Jahres 2021 geplant. Es sind Meinungsbeiträge der jeweiligen Autorinnen und Autoren, sie stellen keine Meinungsäußerung der Bundeszentrale für politische Bildung dar. In dieser Reihe bereits erschienen: - Sabine Bergmann-Pohl, Interner Link: "Ein emotional aufgeladenes Parlament" - Rüdiger Fikentscher, Interner Link: "Die 10. Volkskammer als Schule der Demokratie" - Hinrich Kuessner Interner Link: „Corona führt uns die Schwächen unserer Gesellschaft vor Augen“ - Klaus Steinitz, Interner Link: "Eine äußerst widersprüchliche Vereinigungsbilanz" - Richard Schröder -Interner Link: "Deutschland einig Vaterland" - Maria Michalk, Interner Link: "Von PDS-Mogelpackungen und Europa?" - Markus Meckel, Interner Link: "Eine Glücksstunde mit Makeln" - Hans-Peter Häfner, Interner Link: "Brief an meine Enkel" - Konrad Felber, Interner Link: "Putins Ausweis" - Walter Fiedler, Interner Link: "Nicht förderungswürdig" - Hans Modrow, Interner Link: "Die Deutsche Zweiheit" - Joachim Steinmann, "Interner Link: Antrag auf Staatsferne" - Christa Luft, Interner Link: "Das Alte des Westens wurde das Neue im Osten" - Dietmar Keller, "Interner Link: Geht alle Macht vom Volke aus?" - Rainer Jork, Interner Link: "Leistungskurs ohne Abschlusszeugnis" - Jörg Brochnow, Interner Link: "Vereinigungsbedingte Inventur" - Gunter Weißgerber, "Interner Link: Halten wir diese Demokratie offen" - Hans-Joachim Hacker, Interner Link: "Es gab kein Drehbuch" - Marianne Birthler - Interner Link: "Das Ringen um Aufarbeitung und Stasiakten" - Stephan Hilsberg - Interner Link: "Der Schlüssel lag bei uns" - Ortwin Ringleb - Interner Link: "Mensch sein, Mensch bleiben" - Martin Gutzeit, Interner Link: "Gorbatschows Rolle und die der SDP" - Reiner Schneider - Interner Link: "Bundestag - Volkskammer 2:2" - Jürgen Leskien - Interner Link: "Wir und der Süden Afrikas" - Volker Schemmel - Interner Link: "Es waren eigenständige Lösungen" - Stefan Körber - "Interner Link: Ausstiege, Aufstiege, Abstiege, Umstiege" - Jens Reich - Interner Link: Revolution ohne souveränes historisches Subjekt - Carmen Niebergall - Interner Link: "Mühsame Gleichstellungspolitik - Eine persönliche Bilanz" - Susanne Kschenka - Interner Link: "Blick zurück nach vorn" - Wolfgang Thierse - Interner Link: "30 Jahre später - Trotz alldem im Zeitplan" - u.a.m. Mehr zum Thema: - Die Interner Link: Wahlkampfspots der Volkskammerwahl - Die Interner Link: Ergebnisse der letzten Volkskammerwahl - Film-Dokumentation Interner Link: "Die letzte Regierung der DDR" - Analyse von Bettina Tüffers: Interner Link: Die Volkskammer als Schule der repräsentativen Demokratie, Deutschland Archiv 25.9.2020 Reiner Schneider verfasste 2010 eine Autobiografie, aus der dieser Text entnommen worden ist: "Seiltanz - Leben, wohnen und arbeiten in der DDR und 20 Jahre in Deutschland", Remscheid 2010.
Article
Reiner Schneider
"2023-01-03T00:00:00"
"2020-09-17T00:00:00"
"2023-01-03T00:00:00"
https://www.bpb.de/themen/deutschlandarchiv/315714/2-2-gegen-den-bundestag/
Erinnerungen an die Demokratisierung der DDR. Diesmal von Reiner Schneider, der 1990 den Wahlkreis Karl-Marx-Stadt (heute wieder Chemnitz) für die CDU in der Volkskammer vertrat.
[ "Volkskammer", "Schneider", "Karl-Marx-Stadt", "DDR", "Bundestag" ]
30,705
Das Programm des Jugendengagementkongress 2023 | Jugendengagementkongress | bpb.de
21. Mai - Phase I (10.15 - 13.15 Uhr) WS 1: Islamische Jugendkulturen in Deutschland Raum: Neue Mälzerei - Seminar I Welche Assoziationen kommen Dir in den Sinn, wenn du an das Thema Islam denkst? Eher stereotype Muster oder eine Vielfalt an Lebensstilen? Muslimische Jugendliche in Deutschland leben eine Vielfalt an Jugendkulturen. In dem Workshop beschäftigen wir uns anhand vieler Beispiele mit den verschiedenen Erscheinungsformen und Identitätskonzepten islamisch geprägter Jugendkulturen. Wir gehen dabei unter anderem folgenden Fragen nach: Welche Rolle spielt Religion im Leben muslimischer Jugendlicher? Welche Identitätskonzepte bieten islamische Jugendkulturen in einer modernen Gesellschaft? Wie passen Rap und Islam zusammen? Welche Styles, Musik, Modeerscheinungen gibt es unter muslimischen Jugendlichen? Moderation: Abdurrahim Dottermusch, Archiv der Jugendkulturen e. V., Berlin WS 2: Argumentationstraining „Streiten erlaubt!“ Raum: Neue Mälzerei - Seminar III „Ich will mich nicht mit Dir streiten!“ – „Streiten bringt doch nichts!“ Doch! Aber respektvoll und auf Augenhöhe sollte der Streit sein. Denn: Demokratie heißt auch eine Lösung zu finden, die möglichst viele „mitnimmt“. Das funktioniert nur, wenn wir eine Vielfalt von Meinungen zulassen und uns mit diesen unterschiedlichen Meinungen argumentativ auseinandersetzen. In unserem Workshop findet Ihr Antworten auf die Fragen: Was ist ein gutes Argument? Wie halte ich eine überzeugende Rede? Wie begegne ich unfairen Diskussionstechniken und wie streiten wir also respektvoll miteinander? Moderation: Amelie von Trott, Trainerin, Hamburg und Paula von Jagow, Trainerin, Münster WS 3: (Cyber-)Mobbing – Hochfahren zum Runtermachen Raum: Umweltforum - Seminar 11 Beschimpfung, offene Feindseligkeit und Ausgrenzung – jede*r von Euch hat vermutlich schon einmal eine Situation miterlebt, in der Jugendliche eine*n anderen gezielt gemobbt haben. Statistisch gesehen ist Mobbing eine der am häufigsten unter Jugendlichen auftretende Form von Gewalt. Seit es Facebook, Instagram, TikTok und zahlreiche Messenger-Dienste gibt, ist Mobbing kein bloßes Schulhof-Phänomen mehr. Auch im Netz werden Jugendliche Opfer von psychischer Gewalt. Wie entsteht Gewalt? Welche Folgen hat (Cyber-)Mobbing? Und was könnt Ihr tun – in der Situation oder vorher, damit es gar nicht erst zu Mobbing kommt? Neben einer Einführung in das Thema möchten wir durch Lernexperimente und Austausch, in denen man die Perspektiven von Täter*innen und Opfern einnimmt, für ein gezieltes Hinterfragen von Mobbingsituationen sensibilisieren. Zudem wollen wir Eure Kompetenzen für einen bewussteren Umgang mit Sozialen Medien stärken und gemeinsam erste Handlungsstrategien entwickeln. Moderation: Marion Nagel, freie Trauma- /Medienpädagogin, Leipzig WS 4: Ein Weg durch den Fördermittel-Dschungel Raum: Umweltforum - Seminar 10 Ohne Geld lassen sich die meisten Projekte nicht realisieren. Doch wie kommt Ihr an Geld ran? Es gibt eine Vielzahl an Fördermöglichkeiten – für viele ein undurchsichtiger Dschungel an Angeboten. Wir wollen uns einen Weg durch diesen Fördermittel-Dschungel bahnen, konkrete Möglichkeiten für eure Projekte recherchieren und uns mit dem 1x1 erfolgreicher Fördermittelanträge beschäftigen. Moderation: Nicole Herrenkind, Fundraiserin und Beraterin, Gadebusch WS 5: Planspiel „Demokratie und Extremismus“ Raum: Umweltforum - Seminar 8 In einer Stadt wurde bekannt, dass über Social-Media-Kanäle zu einer Demonstration unter dem Titel „Vereintes Deutschland – Geschütztes Europa“ von Rechtsextremist*innen aufgerufen wird. Dagegen organisiert sich starker Protest aus dem linksextremistischen Lager. Neben extremistischen Kräften melden auch einige zivilgesellschaftliche Organisationen eine Gegendemonstration an. Es ist damit zurechnen, dass es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kommt. Die Stadt ist beunruhigt und fragt sich, wie mit demokratischen Mitteln das Problem angegangen werden kann. Eine Bürger*innensitzung soll sich dem Thema widmen. Seid ihr dabei? Moderation: Lisa Borchardt, Kriminologin und Gewaltforscherin, Hannover WS 6: Ein Nationalspieler verschwindet- Theaterspielen auf den Spuren von Julius Hirsch Raum: Neue Mälzerei - Plenarsaal Mit Übungen, Improvisationen und Kurzperformances nähern wir uns dem Leben des deutschen Fußballnationalspielers Julius Hirsch an, der vom NS-Regime ermordet wurde. Dann wenden wir den Blick auf Diskriminierung in der heutigen Fußballwelt. Auf Basis von Zeitungsberichten untersuchen wir einen aktuellen Fall von Diskriminierung und suchen theatralen Ausdruck für Beweggründe von Opfern und Tätern. Für diesen Workshop musst Du keinesfalls auch nur fußball- oder theatererfahren sein. (Es ist natürlich durchaus nicht verboten, aus unbändiger Theaterlust oder flammender Fußballbegeisterung zu kommen.) Moderation: Bettina Frank, Dipl- Theaterpädagogin, HeldenFabrikBerlin, Berlin WS 7: Wer liebt hier eigentlich wen …? Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt, Beziehungen und Identität Raum: Neue Mälzerei - Kuppelsaal Süd Welche verschiedenen sexuellen und geschlechtlichen Identitäten gibt es? Kann man einem Menschen ansehen, wie er fühlt, wie er liebt oder ob sein gelesenes Geschlecht passt? Welche Klischeevorstellungen hast Du dazu im Kopf und stimmen diese? Was kannst Du dafür machen, dass sich in deinem Umfeld Vorurteile abbauen? Wie lässt sich diskriminierungsfreies Leben gewährleisten? In diesem Workshop kannst Du alle Fragen loswerden zum Thema sexuelle und geschlechtliche Vielfalt! Moderation: Fluky, Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg e. V. WS 8: Wie demokratisch sind Abstimmungen wirklich? – In (großen) Gruppen Entscheidungen demokratisch treffen Raum: Neue Mälzerei - Seminar II In Gruppen müssen öfters Mal in Entscheidungen getroffen werden. Meistens werden Entscheidungen in großen Gruppen am Ende per Abstimmung getroffen. Damit sind manchmal nicht alle zufrieden und es kommt zu Missmut. Dieser Workshop soll sich darum drehen, welche alternativen Möglichkeiten es gibt, um Entscheidungen zu treffen. Ziel ist es, dabei passende Möglichkeiten für Gruppen kennenzulernen und diese anwenden zu können. Moderation: Robin Law & Harry Gale, Gemeinnützige Bildungsinitiative mehr als lernen e. V., Berlin WS 9: Zurück in die Zukunft – Wie sieht das moderne Ehrenamt aus? Raum: Neue Mälzerei - Kuppelsaal Nord Ehrenamt hat viele Facetten – Sportvereine, Schüler*innnenvertretung und Geflüchtetenhilfe. Von der kurzfristigen Nachbarschaftshilfe bis zum langfristigen Ehrenamt in der Freiwilligen Feuerwehr, das Gestalten in kleinen Vereinen und das Unterstützen bei großen Organisationen – so vielfältig kann dein Engagement sein. Und es gibt mindestens eben so viele gute Gründe, die eigene Zeit für den guten Zweck zu spenden. Wie gestalten wir mit unserem Ehrenamt die Gesellschaft? Und wie sieht unsere junge Vision für moderne Engagementformate aus? Mit der Kreativmethode LEGO® Serious Play® wollen wir uns diese Fragen stellen und Antworten in unseren Modellen finden. Moderation: Elina Hennigs und Sören Etler, JETZT e. V, Magdeburg AF A: Jüdisches Leben gestern & heute Treffpunkt: 09:05 Uhr a&o Hostel Berlin Kolumbus Das Außenforum besteht aus zwei Teilen. Zuerst werdet Ihr die Neue Synagoge Berlin kennenlernen. Die Neue Synagoge Berlin in der Oranienburger Straße wurde 1866 eröffnet und war damals einer der berühmtesten jüdischen Sakralbauten in Deutschland. Neu für eine Synagoge waren z. B. die Orgel, der gemischte Chor, ein Gebetbuch auch auf Deutsch und in den 1930er Jahren die weltweit erste Rabbinerin. Auch heute wird nur ein Raum des noch erhaltenen Gebäudeteils als Synagoge genutzt. In einer Stunde erforscht Ihr sowohl die aktuell genutzte Synagoge als auch die Dauerausstellung und beschäftigt euch dabei mit den Fragen von Tradition und Moderne. Nach dieser Führung sprecht Ihr mit zwei jüdischen Jugendlichen des Projekts „Meet a Jew" über das jüdische Leben in Deutschland heute. Ihr gewinnt einen Einblick in ihren persönlichen Alltag, einen Überblick über die Vielfalt der jüdischen Lebensrealitäten und könnt Fragen zu allen Lebensbereichen stellen. Moderation: Meet a Jew, Zentralrat der Juden in Deutschland, Berlin und Stiftung Neue Synagoge Berlin - Centrum Judaicum AF B: Kiezspaziergang „Leben an der Mauer: Die Oderberger Straße" und Führung durchs Museum Kulturbrauerei „Alltag in der DDR" Treffpunkt: 08.45 Uhr a&o Hostel Berlin Kolumbus Die heute touristisch attraktive Oderberger Straße war bis 1989 eine Sackgasse, die an der Mauer endete. Wegen ihrer Aussichtsplattform auf der West-Seite wurde sie nicht nur zum „Schaufenster in den Osten“, sondern stand auch durch das SED-Regime unter besonderer Beobachtung. Viele Aspekte des alltäglichen Lebens der 1970er und 1980er Jahre in der DDR lassen sich heute noch entlang der Straße nachzeichnen. Ladengeschäfte und Fleischerei erzählen von Versorgung und Schlange stehen, Kneipen und Badeanstalt von Treffpunkten der Kiezbewohner, Altbauten von desolaten Wohnungszuständen, geheimen Treffen der Ost-Berliner Bohème und Bespitzelung durch die Stasi. Der Spaziergang beginnt am Museum in der Kulturbrauerei und endet am Standort der ehemaligen Aussichtsplattform. Moderation: Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland - Museum in der Kulturbrauerei Berlin AF C: Kolonialer Wedding Treffpunkt: 08.50 Uhr a&o Hostel Berlin Kolumbus Wieso gibt es in Tsingtao noch immer deutsches Bier? Was machte Bismarck in Neuguinea? Wo liegt die Perle der Südsee? Und warum gibt es ein Afrikanisches Viertel in Berlin? Unser Stadtspaziergang thematisiert vor allem die alltagsgeschichtlichen Ausprägungen des deutschen Kolonialismus im Berliner Norden. Wir erkunden die Kontinuitäten der deutschen Kolonialmedizin, beschäftigen uns mit den zahlreichen kolonialen Gewalttaten und Skandalen und hinterfragen das Traditionsverständnis mancher Berliner Kleingartenvereine. Dabei lernen wir auch eine originelle Methode der Vergangenheitsentsorgung kennen. Unser Rundgang beginnt an der Ecke Samoastraße/Kiautschoustraße und endet etwa 120 Minuten später an der Kameruner Straße. Moderation: Stefan Zollhauser, Berliner Spurensuche, Berlin 21. Mai - Phase II (14.45 - 17.45 Uhr) WS 10: Fundraising ist „Friendraising“ Raum: Neue Mälzerei - Seminar II „Ich geh doch nicht um Almosen betteln!“ Wie oft hört man diesen ablehnenden Spruch, wenn Spenden eingeworben werden sollen. Warum das Spenden einen Mehrwert bietet und deshalb Spaß macht und warum Fundraising „Friendraising“ ist, damit wollen wir uns in diesem Workshop beschäftigen. Welche Spenden-Instrumente gibt es und welche passen zu Euren Projekten? Was müsst Ihr bei Crowdfunding beachten und wo ist der Unterschied zwischen Spenden und Sponsoring? Moderation: Nicole Herrenkind, Fundraiserin und Beraterin, Gadebusch WS 11: Hass und Hetze – Was ist Antifeminismus? Raum: Neue Mälzerei - Kuppelsaal Nord Angriffe auf Gleichstellungsbeauftragte, Politiker*innen und feministische Aktivist*innen gehören in Deutschland zum Alltag. So erleben Politiker*innen, wie Annalena Baerbock, oder Aktivist*innen, wie Greta Thunberg, dass sie dafür angefeindet werden, dass sie feministische Positionen einnehmen und vertreten. Dass sich hinter Hate Speech gegen Thunberg oder Baerbock auch Antifeminismus verbirgt, bleibt oft unerkannt oder unbenannt. Antifeminismus als organisierte Gegner*innenschaft gegen feministische Bewegungen und Bestrebungen richtet sich dabei nicht nur gegen Frauen, sondern auch gegen queere Menschen und alle Personen, die sich für die Befreiung von engen und konservativen Vorstellungen von Geschlechterrollen und Sexualität einsetzen. Dabei kursieren regelrecht wahnhafte Vorstellungen von einem übermächtigen Feminismus – Stichwort „Feminismus Elite“ oder „Gender-Wahn“. Im Workshop klären wir gemeinsam: Was genau ist Antifeminismus? Wie äußert sich dieser und wie könnt Ihr antifeministische Argumentationen erkennen? Außerdem schauen wir auf die Verbindung zwischen Verschwörungsideologien und Antifeminismus. Moderation: Marie Künne, Amadeu Antonio Stiftung, Leipzig WS 12: Kinderarmut in Deutschland Raum: Umweltforum - Seminar 11 Kinder und junge Erwachsene sind die am stärksten von Armut betroffene Gruppe. Die Corona-Pandemie hat die Situation deutlich verschärft. Aktuell gilt jedes 5. Kind in Deutschland als armutsgefährdet. Ausgehend von Euren eigenen biografischen Erfahrungen wollen wir uns der vielfältigen Gesichter von (Kinder-)Armut in der Bundesrepublik bewusst werden und über Ursachen, Folgen und unsere eigene Verantwortung zum Handeln diskutieren. Hinweis: Zahlen und die Aus- und Bewertung wissenschaftlicher Studien zum Thema werden dabei nur am Rand eine Rolle spielen. Moderation: Marion Nagel, freie Trauma- /Medienpädagogin, Leipzig WS 13: Lesen ist politisch: Wie Bücher uns toleranter machen! Raum: Neue Mälzerei - Seminar I Menschen werden durch Erfahrungen, Geschichten, Gedanken und Mitmenschen geprägt. Jede*r von uns lebt in einer ganz eigenen Realität. Lesen ist ein Weg, in die Gedanken- und Gefühlswelt anderer einzutauchen, sie zu erleben und mit ihnen zu fühlen. Doch kann man wirklich von fiktionalen Figuren lernen? Hat Lesen gesellschaftliche Relevanz? Und kann es für mehr Toleranz sorgen und eine politische Wirkung entfalten? Im Volunteer Book Club lesen wir Romane und Sachbücher rund um gesellschaftliche Themen. Ob „Dschinns”, eine deutsch-türkische Familiengeschichte von Fatma Aydemir, oder „Mädchen, Frau etc.”, ein Roman mit 12 Geschichten von Schwarzen Frauen in Großbritannien. In diesem Workshop möchten wir einen Einblick geben, wie Bücher einen anderen Zugang zu Themen und Lebensrealitäten geben können und machen dies anhand von konkreten Beispielen für Euch erlebbar. Moderation: Nele Bösing uns Hannah Steinberg, JETZT e. V. WS 14: Planspiel „Demokratie und Extremismus“ Raum: Umweltforum - Seminar 8 In einer Stadt wurde bekannt, dass über Social-Media-Kanäle zu einer Demonstration unter dem Titel „Vereintes Deutschland – Geschütztes Europa“ von Rechtsextremist*innen aufgerufen wird. Dagegen organisiert sich starker Protest aus dem linksextremistischen Lager. Neben extremistischen Kräften melden auch einige zivilgesellschaftliche Organisationen eine Gegendemonstration an. Es ist damit zurechnen, dass es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kommt. Die Stadt ist beunruhigt und fragt sich, wie mit demokratischen Mitteln das Problem angegangen werden kann. Eine Bürger*innensitzung soll sich dem Thema widmen. Seid ihr dabei? Moderation: Lisa Borchardt, Kriminologin und Gewaltforscherin, Hannover WS 15: Projektmanagement – Von der Idee zum Projekt Raum: Neue Mälzerei - Seminar III Du engagierst Dich und möchtest ein Projekt auf die Beine stellen? Du wolltest schon immer erfahren, was bei der Organisation zu beachten ist und möchtest Dich mit anderen Menschen austauschen? In unserem Workshop bekommst Du das notwendige Handwerkszeug, um Deine Projektidee erfolgreich umzusetzen. Wir geben Dir Tipps und Tricks für die Konzepterstellung, die Begeisterung von möglichen Geldgeber*innen und die strukturierte Projektplanung. Außerdem findet eine gegenseitige Projektberatung statt. In unserem Workshop geht es also um die Beantwortung der Frage, wie man von der Idee zum eigentlichen Projekt kommt. Vorerfahrungen zum Thema Projektmanagement sind nicht erforderlich. Bitte bring bereits eine grobe Projektidee mit in den Workshop. Moderation: Matti Ueberschär & Mareike Zirkel, Gemeinnützige Bildungsinitiative mehr als lernen e. V., Berlin WS 16: Rhetorik – Unser Auftreten vor Gruppen Raum: Neue Mälzerei - Kuppelsaal Süd Vor Gruppen stehen, sprechen und sich dabei sicher fühlen – Aber wie? Im Laufe unseres Lebens gewöhnen wir uns ganz individuelle Sprach- und Bewegungsmuster an, die uns in den wenigsten Fällen bewusst sind und die uns dennoch ständig begleiten. Manche davon können tatsächlich hinderlich sein und erschweren uns ein sicheres Auftreten vor Gruppen. Gemeinsam wollen wir solche Muster offenlegen und Möglichkeiten finden, diese in der Zukunft abzulegen. Wir beschäftigen uns mit wichtigen Grundlagen der Rhetorik und geben uns gegenseitig Tipps, um gemeinsam besser zu werden. Moderation: Robin Law & Annika Etzkorn, Gemeinnützige Bildungsinitiative mehr als lernen e. V., Berlin WS 17: Was haben Erinnerung und Geschichte mit mir persönlich zu tun? Raum: Umweltforum - Seminar 10 Daran zu erinnern, welche grauenhaften Taten in den Jahren 1939 bis 1945 geschehen sind, ist grundlegend dafür, dass so etwas nie wieder passieren wird. Wie nehmt Ihr die Erinnerungskultur an Schulen und in der Öffentlichkeit wahr und wo seht Ihr Verbesserungspotential, zum Beispiel bei digitalen Angeboten? Der Fantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt, denn es geht vor allem darum kreativ zu werden. Die gemeinsam erarbeiteten Ergebnisse wollen wir in unsere Aufklärungsarbeit integrieren und auch Ihr könnt die Ideen in Euer Umfeld weitertragen. Es geht um Euch und Eure Visionen, wie das Gedenken von morgen aussehen soll. Moderation: Nicole Mattern, Vereinsvorsitzende Kinder vom Bullenhuser Damm e. V., Stela Vitalosova, Kinder vom Bullenhuser Damm e. V., Hamburg Jonas Felix Schultz, Brecht-Schule Hamburg, Hamburg WS 18: Wer in der Demokratie einschläft, wacht in der Diktatur auf – Handlungsspielräume in der SED-Diktatur Raum: Neue Mälzerei - Plenarsaal Mit einem Dokumentarfilm über das „Aufwachsen in der DDR“ denken wir uns in die Zeit vor 1989 hinein und sprechen darüber. Anschließend spielen wir „Theater“ in einem DDR-Klassenzimmer und führen eine Heimatkundestunde aus dem Jahr 1985 auf. Die Lehrerin und die Teilnehmenden dieses Rollenspiels verkleiden sich und verabreden entsprechende Regeln, die damals von den meisten Schülerinnen und Schülern tatsächlich so eingehalten wurden. Trotzdem bleiben gewisse Handlungsspielräume. Muss der Nichtpionier unbedingt ausgegrenzt werden? Kann ich Kritik äußern? Wie weit reicht aber der Mut, allein gegen den Strom zu schwimmen? Wie stark ist die Sogwirkung, immer zu den Guten gehören zu wollen und deshalb lieber zu schweigen, wenn einer gemobbt wird? Ihr erlebt Mechanismen, die einer jeden Diktatur zugrunde liegen und erfahrt, wie schnell man als Rädchen im Getriebe funktioniert, wie schwer es ist, Zivilcourage zu zeigen und für Außenseiter einzustehen. Moderation: Elke Urban, Leipzig AF D: Anne Frank – hier & heute. Auf den Spuren jüdischen Lebens rund um den Hackeschen Markt Treffpunkt: 14.00 Uhr Umweltforum Das Anne Frank Zentrum befindet sich im Herzen Berlins, in der sogenannten Spandauer Vorstadt im Bezirk Mitte. Hier wird die Ausstellung „Anne Frank. hier & heute" gezeigt. Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen das Tagebuch und die Lebensgeschichte Anne Franks. Über Hörstationen und kurze Filmporträts kommen auch Berliner Jugendliche zu Wort, die sich mit aktuellen Fragen beschäftigen und eine Verbindung von der Geschichte in die Gegenwart herstellen. Nach einer Führung durch die Ausstellung gehen wir auf Entdeckungstour rund um den Hackeschen Markt: Dieses Viertel wurde vor allem durch seine jüdischen Bewohnerinnen und Bewohner geprägt. Der Rundgang führt zu verschiedenen Orten der wechselvollen Geschichte jüdischen Lebens in Berlin. Doch was erinnert heute noch an die Verfolgung und Deportation Berliner Jüdinnen und Juden? Moderation: Anne Frank Zentrum, Berlin AF E: Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen Treffpunkt: 13.30 Uhr Umweltforum Die Gedenkstätte Sachsenhausen bei Berlin ist ein Ort mit zweifacher Vergangenheit: Im „Dritten Reich“ nahm das KZ Sachsenhausen als Modell- und Schulungslager in unmittelbarer Nähe der Reichshauptstadt eine Sonderstellung im System der nationalsozialistischen Konzentrationslager ein. Nach Kriegsende wurden die meisten Gebäude des Lagerzentrums – mit Ausnahme des Krematoriums und der Vernichtungsanlagen – von den sowjetischen Besatzern in derselben Funktion weitergenutzt. Ihr werdet zunächst eine Führung durch das Lager machen, seine Geschichte und die Besonderheiten der zweifachen Vergangenheit kennenlernen und anschließend Gelegenheit haben, gemeinsam darüber zu sprechen. Neben der Führung erschließt Ihr Euch selbstständig Themen in verschiedenen Ausstellungen, wie Medizin und Verbrechen, Strafen und Mord, die Vielfalt der verschiedenen Haftbegründungen und Bedingungen im sowjetischen Speziallager. Moderation: Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen AF F: Kreuzberg behind the Scenes: The Making of a Diverse Neighbourhood Treffpunkt: 14.00 Uhr Umweltforum Auf seiner Tour zeigt euch Muhammed Lamin Jadama „sein“ Kreuzberg – aus der Perspektive eines politischen Aktivisten, Fotografen, Streetworkers und Kiezkenners. Er erklärt, wie die Drogenproblematik im Görlitzer Park mit dem europäischen Asylsystem zusammenhängt, was es für das eigene Leben bedeutet, keinen Aufenthaltsstatus zu haben und wie Streetworker versuchen, Betroffene zu unterstützen. Unterwegs stellt Muhammed einige der vielen Kreuzberger Initiativen und Vereine vor, in denen Menschen mit und ohne Migrationsgeschichte das Zusammenleben im Kiez gemeinsam gestalten. Seine Tour führt zu wichtigen Treffpunkten des Stadtteils wie dem Restaurant Senegambia, anhand dessen Namen man einiges über Muhammeds Geburtsort und dessen Kolonialgeschichte lernen kann. Im Studio von „We are born free! Empowerment Radio" erzählt er schließlich davon, wie fehlende Pressefreiheit ihn selbst gezwungen hat, Gambia zu verlassen, und von seinem eigenen Engagement für die Selbstorganisation migrantischer Communities. Hinweis: Diese Tour findet in englischer Sprache statt! Grundkenntnisse sind erwünscht. Moderation: Muhammed Lamin Jadama, querstadtein e. V., Berlin AF G: Verschiedenen Rassismen aus Rom*nja Perspektive von früher und heute: Was macht es mit uns? Treffpunkt: 13.55 Uhr Umweltforum In diesem Außenforum besucht Ihr das Archiv von Romani Phen e. V. Dort erwartet Euch ein spannender Workshop rund um Diskriminierung der Rom*nja in der Vergangenheit und heute. Wie erleben Betroffene diskriminierende Situationen im Alltag? Welche Formen des Rassismus sind in der Gesellschaft besonders präsent? Wie kann man sich als Einzelperson beim Auftreten von diskriminierenden Rassismen verhalten? Mit Blick auf die aktuellen und Jahrhunderte alten Vorurteile und Anfeindungen Rom*nja gegenüber stellt der Workshop insbesondere die Frage: Was machen diese mit uns? Unterhaltet Euch zusammen mit jungen Rom*nja zu aktuellen Entwicklungen und lernt ihre Sicht kennen. Moderation: Estera Iordan und Gabi Zekić, Romani Phen e. V. 22. Mai - Phase III (10.15 - 13.15 Uhr) WS 19: „Alle Muslime sind …“ Über Bilder im Kopf, Diskriminierung und antimuslimischen Rassismus Raum: Neue Mälzerei - Kuppelsaal Süd Menschen, die als Muslim*innen eingeordnet werden, sind immer wieder mit Stereotypen und rassistischen Zuschreibungen konfrontiert. Aber auch andere Personengruppen werden aufgrund ihres Aussehens, ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Herkunft diskriminiert. Doch was sind überhaupt Diskriminierung und Rassismus? Und wie kann man damit umgehen? In diesem Workshop arbeitet Ihr zu Mechanismen von Diskriminierung und Rassismus. Ihr tauscht Euch über Eure Erfahrungen aus und diskutiert gemeinsam, welche Möglichkeiten es gibt, gegen Diskriminierung und Rassismus vorzugehen. Moderation: Danja Ahmed und Elisabeth Okunrobo, ufuq.de, Berlin WS 20: Allyship! Solidarisch gegen Rassismus Raum: Neue Mälzerei - Seminar II Viele möchten sich als Angehörige der privilegierten weißen Mehrheitsgesellschaft gerne mit Menschen solidarisieren, die Rassismus erfahren und für sie Ally, also Verbündete*r sein. Aber was heißt es genau, Ally zu sein? Was macht mich zum Ally? Und aus welchem Grund möchte ich Ally sein? Will ich nur Gutes tun? Spreche ich für eine Person, über sie oder mit ihr? Wen unterstütze ich? Was erwarte ich? Und welche Bedeutung hat mein Weißsein für mein Engagement und meine anti-rassistische Haltung? Diesen Fragen wollen wir im Workshop gemeinsam anhand von kleinen Übungen auf den Grund gehen. Dieser Workshop richtet sich an Menschen, die sich selbst als Teil der weißen privilegierten Mehrheitsgesellschaft verstehen. Moderation: Rita Zobel, Facilitatorin, interkulturelle Beraterin, Berlin, Aşkın-Hayat Doğan, Diversity- & Empowerment-Trainer, Sensitivity Reader, Übersetzer, Berlin WS 21: Ein starkes Selbst Raum: Neue Mälzerei - Kuppelsaal Nord Ein starkes Selbst – Was ist das genau und wie geht das? In dem Workshop lernt Ihr die ressourcenorientierte Reflektion des eigenen Selbstwerts. Es werden Anregungen zum differenzierten Umgang mit Quellen des Selbst(-werts) gegeben, sich die persönlichen Werte bewusst gemacht und auf Wertkonflikte eingegangen. Der Workshop wird durchgeführt von Kopfsachen e. V., einem Verein zur Förderung der mentalen Gesundheit junger Menschen. Dieser vermittelt in verschiedenen Bildungsformaten – insbesondere in Form von wissenschaftlich fundierten Workshops – die Grundlagen der psychischen Gesundheitskompetenz. Moderation: Sofia Weiß, Kopfsachen e. V., Berlin WS 22: Fake-News – Was ist das, warum werden sie verbreitet und wie lässt sich Fake von Fakt oder Nachricht unterscheiden? Raum: Neue Mälzerei - Seminar I Auf einer Internetplattform steht: Die USA haben North Stream gesprengt. Bei Twitter wird behauptet, dass Annalena Baerbock Russland den Krieg erklärt habe. Und in einer Telgram-Gruppe heißt es, dass bereits Hunderttausend Menschen in Deutschland an der Corona-Impfung gestorben seien. Im Alltag erreichen uns jeden Tag viele solcher Meldungen. Oft haben wir dann nicht die Zeit, jede Nachricht auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen. Klar, manche Meldungen lassen sich bereits durch das Erscheinungsbild oder den Wortlaut als wahrscheinlich unwahr erkennen. Aber längst nicht alle! Falsch-Nachrichten zu verbreiten ist inzwischen ein professionelles Geschäft. Dahinter können ökonomische oder politische Absichten stehen. Unser Workshop klärt auf und hilft Euch, die eigene Fähigkeit zu verbessern, Fake und Fakt zu unterscheiden. Moderation: Benjamin Winkler, Amadeu Antonio Stiftung, Leipzig WS 23: Gewalt in der Öffentlichkeit – Muss ich helfen? Wie kann ich helfen? Raum: Umweltforum - Seminar 8 Täglich erreichen uns Schlagzeilen von (Jugend-)Gewalt im Alltag, ob auf der Straße, in öffentlichen Verkehrsmitteln oder in der Schule. Vielleicht habt Ihr selbst schon mal eine Gewalttat beobachtet und Euch gefragt, wie Ihr jetzt hier helfen könnt? Viele Menschen haben Angst zu helfen, sind überfordert und wissen nicht, wie sie helfen sollen. Sie unterlassen es dadurch zu helfen oder helfen falsch. In nicht wenigen Fällen werden Zeug*innen, die helfen wollen, daher selbst zum Opfer. Daher ist es wichtig zu wissen, was ich tun sollte, wenn ich so eine Situation als Zeug*in oder Beobachter*in erlebe. Reicht es, mich in Sicherheit zu bringen und das Geschehen einfach zuzulassen? Bin ich aufgefordert, mich einzumischen, etwas zu tun? Der Workshop soll durch die gemeinsame Beantwortung dieser und weiterer Fragen dazu beitragen, Unsicherheit zu nehmen und erläutern, wie Ihr Zivilcourage im Alltag zeigen könnt, ohne selbst ein zu großes Risiko einzugehen. Moderation: Wulf Dornblut und Markus Jansen, Polizeihauptkommissare, Polizei Berlin WS 24: Masel Tov Cocktail Raum: Neue Mälzerei - Seminar III Wie sieht jüdisches Leben heute in Deutschland aus? Welche Formen von Antisemitismus oder auch positiven Stereotypen gibt es? Zunächst schaut ihr euch den Kurzfilm „Masel Tov Cocktail“ (2020) an. Hier anknüpfend erarbeitet ihr interaktiv Handlungsmöglichkeiten für den Alltag. Dabei geht es auch darum, dass Opfer plötzlich als Täter dargestellt werden können. Neben den Erfahrungen der Hauptfigur des Films lernt ihr interessante Fakten über das Judentum und die Geschichte von Jüd*innen in Deutschland kennen. Auch die Themen Identität, Vielfalt, Zugehörigkeit und das deutsch-jüdische Verhältnis werden in Gruppenarbeiten, über ein Quiz oder Postionierungsübungen vertieft. Moderation: Natascha Höhn & Ricardo Zürn, Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus KIgA e. V. WS 25: „Oh what a world“ – Zum Einstieg in die Auseinandersetzung mit Verschwörungsdenken Raum: Umweltforum - Seminar 10 Zunächst reflektiert Ihr in einer stillen Diskussion anhand von mehreren Fragen Euer Verständnis der Welt und ihren Umgang mit Komplexität und Unwissen. Nach einer Auswertung der stillen Diskussion werdet Ihr mit einer fiktiven Verschwörungserzählung konfrontiert, bzw. entwickelt selbst eine offensichtlich absurde Theorie, die angeblich Einfluss auf unser Alltagsleben hätte. In einem Rollenspiel diskutiert Ihr in Gruppen darüber und versucht Euch gegenseitig von der Wahrheit bzw. Falschheit der Theorie zu überzeugen. Bei einer anschließenden Auswertung der Diskussion werden erste Merkmale und Funktionen von Verschwörungsmythen sowie Schwierigkeiten in der Auseinandersetzung mit Verschwörungserzählenden herausgearbeitet. Es werden Argumentationshilfen aufgezeigt, um sich dagegen positionieren zu können. Moderation: Devrim Eren & Timon Strnad, Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus e. V. WS 26: #Online-Extremismus Raum: Umweltforum - Seminar 11 Die rasante Ausbreitung von Hassbotschaften, Hetze und menschenverachtenden Beiträgen im Netz führt nicht selten dazu, dass sich Nutzer*innen radikalisieren. Immer häufiger werden vor allem in den sozialen Netzwerken (rechts-)extreme Beiträge verbreitet, geliked und kommentiert. Extremist*innen nutzen die große Reichweite dieser Plattformen zur weltweiten Vernetzung und Verbreitung ihrer extremistischen Ansichten. Eine große Rolle spielt dabei die Gewinnung weiterer Anhänger*innen. In dem Workshop #Online-Extremismus gehen wir insbesondere den Fragen nach: Wie erkennt man Extremismus im Netz und welche Umgangsmöglichkeiten gibt es? Moderation: Marie-Theres Ueberlein und Luca Kandler, "Goodbye Hate Speech", Aktion Zivilcourage e. V., Sachsen WS 27: Wer in der Demokratie einschläft, wacht in der Diktatur auf – Handlungsspielräume in der SED-Diktatur Raum: Neue Mälzerei - Plenarsaal Mit einem Dokumentarfilm über „Aufwachsen in der DDR“ denken wir uns in die Zeit vor 1989 hinein und sprechen darüber. Anschließend spielen wir „Theater“ in einem DDR-Klassenzimmer und führen eine Heimatkundestunde aus dem Jahr 1985 auf. Die Lehrerin und die Teilnehmenden dieses Rollenspiels verkleiden sich und verabreden entsprechende Regeln, die damals von den meisten Schülerinnen und Schülern tatsächlich so eingehalten wurden. Trotzdem bleiben gewisse Handlungsspielräume. Muss der Nichtpionier unbedingt ausgegrenzt werden? Kann ich Kritik äußern? Wie weit reicht aber der Mut, allein gegen den Strom zu schwimmen? Wie stark ist die Sogwirkung, immer zu den Guten gehören zu wollen und deshalb lieber zu schweigen, wenn einer gemobbt wird? Ihr erlebt Mechanismen, die einer jeden Diktatur zugrunde liegen und erfahrt, wie schnell man als Rädchen im Getriebe funktioniert, wie schwer es ist Zivilcourage zu zeigen und für Außenseiter einzustehen. Moderation: Elke Urban, Leipzig AF H: Der Stasi auf der Spur – Museumsbesuch und Zeitzeugengespräch Treffpunkt: 09.20 Uhr a&o Hostel Berlin Kolumbus Am Abend des 15. Januar 1990 nahmen Demonstrierende die Zentrale des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) in Berlin-Lichtenberg in Besitz. Das Berliner Bürgerkomitee begann hier seine Arbeit zur Auflösung des MfS. Die Büros des letzten Ministers für Staatssicherheit, Erich Milke, und seiner engsten Mitarbeitenden wurden durch den Militärstaatsanwalt versiegelt. Eine Woche später beschloss der Zentrale Runde Tisch, dass im Haus 1 der Stasi-Zentrale eine „Gedenk- und Forschungsstelle zum DDR-Stalinismus" eingerichtet werden soll. In diesem Außenforum werdet Ihr durch das Stasimuseum geführt. Die Dokumente und beispielhaften Fälle in der Ausstellung werden Euch einen Überblick über die Ideologie und die Praxis der SED-Diktatur sowie über ihre Geheimpolizei geben. Im Anschluss könnt Ihr offene Fragen in einem Zeitzeugengespräch mit Betroffenen des Stasisystems erörtern. Moderation: Stasimuseum Berlin - Gedenkstätte Normannenstraße 20 AF I: Frauen als „Täter – Opfer – Zuschauer“ im Nationalsozialismus Treffpunkt: 08.50 Uhr a&o Hostel Berlin Kolumbus Entsprach das NS-Propagandabild von Mutter und Hausfrau der Realität? Welchen Wandlungen unterlag das Frauenbild während der NS-Herrschaft? Welche Aktionsräume öffneten sich den Frauen im Alltag? Wo traten sie als Akteurinnen auf? An ausgewählten Beispielen setzt Ihr Euch aktiv mit diesen Fragen auseinander, bezieht sie auf die Kategorien von Zuschauen, Denunzieren, Profitieren, Täter- und Opferschaft und Widerstand, um im Nachhinein die verschiedenen Lebensperspektiven und ihre Bedingungen zu diskutieren. Die Ergebnisse können in einer Wandzeitung festgehalten werden. Moderation: Topographie des Terrors, Kulturprojekte Berlin AF J: Freiheit im Sozialismus? Die DDR und die Menschenrechte Treffpunkt: 10.00 Uhr a&o Hostel Berlin Kolumbus Wie stand es um die Menschenrechte in der DDR in den 1970er und 1980er Jahren? Von dieser historischen Perspektive aus schärft Ihr Euer Bewusstsein für die Bedeutung von Menschenrechten und Demokratie unter gleichzeitiger Vergegenwärtigung der Ideologie und Wirkmechanismen der kommunistischen Staatsführung. Mit Rückbezug auf die Artikel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte wird Euch exemplarisch aufgezeigt, wie sich das Leben und der Alltag für die Bürgerinnen und Bürger in der DDR gestaltete, die auf ihr Recht auf Meinungsfreiheit bestanden, sich ihre eigenen Freiräume schaffen oder die DDR verlassen wollten. Im Anschluss an das Seminar erhaltet Ihr eine Führung durch die ehemalige Stasi-Untersuchungshaftanstalt. Moderation: Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen AF K: Stadtspaziergang „Berlin als Erinnerungslandschaft" Treffpunkt: 09.20 Uhr Uhr a&o Hostel Berlin Kolumbus Während des dialogischen Stadtspaziergangs besucht Ihr die von der Stiftung betreuten Denkmäler Gedenkort für „Euthanasie"-Opfer, das Holocaust-Denkmal, das Homosexuellen-Denkmal und das Sinti und Roma-Denkmal. Ihr erhaltet Informationen zum historischen Hintergrund der jeweiligen Denkmäler und der mit ihrer Entstehung verbundenen gesellschaftlichen Debatten. Ihr diskutiert verschiedene erinnerungskulturelle Fragen wie: Wem wird gedacht und wem nicht? Wie sind die Denkmäler gestaltet? Wie sind die Denkmäler im Stadtraum verortet? Welchen Stellenwert hat die Erinnerung an die nationalsozialistischen Verbrechen noch heute? Moderation: Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, Berlin AF L: Zwei Flaschen sind ein Brötchen – Obdachlosigkeit in Berlin Treffpunkt: 09.00 Uhr Uhr a&o Hostel Berlin Kolumbus Zwischen 2002 und 2009 legte Klaus Seilwinder jeden Tag viele Kilometer zu Fuß zurück. Er sammelte Flaschen, um das Geld zum Überleben zusammenzubekommen. Auf seiner Tour entlang seiner damaligen Route beschreibt Klaus, warum er sich auf der Straße lieber allein durchschlug als in der Gruppe und versuchte, im öffentlichen Raum unsichtbar zu bleiben. Und er erzählt, warum es gut war, dass er eines Tages doch von jemandem entdeckt wurde. Moderation: Klaus Seilwinder, querstadtein e. V. 22. Mai - Phase IV (14.45 - 17.45 Uhr) WS 28: Antisemitismus – Was ist das, welche Erscheinungsformen gibt es und was hilft gegen Antisemitismus? Raum: Neue Mälzerei - Seminar I Antisemitismus ist eine uralte Ideologie. Sie erzählt eine unwahre Geschichte über Jüdinnen und Juden, die diese wahlweise als reich, mächtig und einflussreich oder als Verschwörer*innen gegen den Rest der Menschheit darstellt. Antisemitismus erzählt dagegen nichts über das reale Leben und die Kultur von Jüdinnen und Juden. Antisemitismus zeichnet ein Ressentiment des Jüdischen oder des jüdisch-Sein. In der Geschichte führte dies immer wieder zu Verfolgungen, Vertreibungen oder Tötungen von Jüdinnen und Juden. Mit dem Nationalsozialismus in Deutschland erreichte der Antisemitismus einen traurigen Höhepunkt, der im Versuch der Vernichtung von Jüdinnen und Juden endete. Sechs Millionen Jüdinnen und Juden wurden durch die Nationalsozialisten und ihre Helfer*innen getötet. Doch der Antisemitismus scheint nicht tot zu kriegen. Auch heute noch verbreiten sich anti-jüdische Geschichten oder Ressentiments und führen zu Hass gegen Jüdinnen und Juden und andere Gruppen. Der Workshop gibt einen Überblick zum Antisemitismus, zeigt seine gegenwärtige Erscheinung und motiviert zur kritischen Auseinandersetzung mit Antisemitismus. Moderation: Benjamin Winkler, Amadeu Antonio Stiftung, Leipzig WS 29: Antiziganismus: Geschichte, Gegenwart und Gegenstrategien Raum: Neue Mälzerei - Kuppelsaal Süd Antisemitismus ist eine uralte Ideologie. Sie erzählt eine unwahre Geschichte über Jüdinnen und Juden, die diese wahlweise als reich, mächtig und einflussreich oder als Verschwörer*innen gegen den Rest der Menschheit darstellt. Antisemitismus erzählt dagegen nichts über das reale Leben und die Kultur von Jüdinnen und Juden. Antisemitismus zeichnet ein Ressentiment des Jüdischen oder des jüdisch-Sein. In der Geschichte führte dies immer wieder zu Verfolgungen, Vertreibungen oder Tötungen von Jüdinnen und Juden. Mit dem Nationalsozialismus in Deutschland erreichte der Antisemitismus einen traurigen Höhepunkt, der im Versuch der Vernichtung von Jüdinnen und Juden endete. Sechs Millionen Jüdinnen und Juden wurden durch die Nationalsozialisten und ihre Helfer*innen getötet. Doch der Antisemitismus scheint nicht tot zu kriegen. Auch heute noch verbreiten sich anti-jüdische Geschichten oder Ressentiments und führen zu Hass gegen Jüdinnen und Juden und andere Gruppen. Der Workshop gibt einen Überblick zum Antisemitismus, zeigt seine gegenwärtige Erscheinung und motiviert zur kritischen Auseinandersetzung mit Antisemitismus. Moderation: Camilla Gläske und Sevin Begovic, Bildungsforum gegen Antiziganismus, Berlin WS 30: Barrierefreie Kommunikation Raum: Umweltforum - Seminar 10 Wie könnt Ihr mit euren Botschaften noch mehr Menschen erreichen und weniger Menschen ausschließen? In diesem Workshop mit Simone Katter des Sozialhelden e. V. erfahrt Ihr, wie Ihr mithilfe von barrierefreier Kommunikation mehr Menschen erreicht und mit welchen Tools und Tipps diese umzusetzen sind (z. B. Untertiteln in Videos, Alternativtexte in Bildern, einfache Sprache). Moderation: Simone Katter, Sozialheld*innen e. V., Berlin WS 31: Demokratie und TikTok Raum: Neue Mälzerei - Seminar II Eine demokratische Wertehaltung auf Sozialen Medien sowie die Bereitschaft, gesellschaftspolitische Verantwortung im Netz zu übernehmen, ist kein Selbstverständnis mehr. Der Zivilgesellschaft kommt hier eine besondere Verantwortung zu. Während die Bedeutung von Meinungsführer*innen wie Influencer*innen steigt, ist die digitale Partizipation zivilgesellschaftlicher Akteur*innen am Diskurs umso wichtiger. Ihr wollt Eure empowernden Botschaften auch auf TikTok zu platzieren? Wir entwickeln gemeinsam Formatideen für Eure Themen und erproben diese im Videodreh. Moderation: Lynn Giersberg und Lucienne Pritzkau, Stiftung für Engagement und Bildung e. V. WS 32: Empowerment für BIPoC Raum: Neue Mälzerei - Kuppelsaal Nord Für viele in Deutschland lebende People of Color gehört Rassismus zum Alltag. Diese schmerzvollen und kräftezehrenden Erfahrungen werden mit der Zeit leider als Normalität empfunden und erfordern Umgangsmechanismen im Alltag. Empowerment bedeutet in diesem Zusammenhang die Stärkung des Selbst und der Gemeinschaft. Dafür tauschen wir uns über Erfahrungen und Umgangsweisen aus, schaffen einen Raum des Wohlwollens mit sich selbst und miteinander und entwickeln gemeinsam wohltuende Handlungs- und Widerstandsstrategien. Im Mittelpunkt steht dabei der Blick auf eigene und kollektive Kraftquellen, Bewältigungsmechanismen und Stärken. Dieser Empowerment-Workshop richtet sich ausschließlich an People of Color, die aufgrund der Hautfarbe, der ethnischen und/oder religiösen Zugehörigkeit, des Namens und der Sprache Benachteiligung, Ausgrenzung und Gewalt erfahren. Moderation: Aşkın-Hayat Doğan, Diversity- & Empowerment-Trainer, Sensitivity Reader, Übersetzer und Weena Mallmann,Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Alice Salomon Hochschule und Freiberuflerin in der Bildungsarbeit, Berlin WS 33: Gewalt in der Öffentlichkeit – Muss ich helfen? Wie kann ich helfen? Raum: Umweltforum - Seminar 8 Täglich erreichen uns Schlagzeilen von (Jugend-)Gewalt im Alltag, ob auf der Straße, in öffentlichen Verkehrsmitteln oder in der Schule. Vielleicht habt Ihr selbst schon mal eine Gewalttat beobachtet und Euch gefragt, wie ihr jetzt hier helfen könnt? Viele Menschen haben Angst zu helfen, sind überfordert und wissen nicht, wie sie helfen sollen. Sie unterlassen es dadurch zu helfen oder helfen falsch. In nicht wenigen Fällen werden Zeug*innen, die helfen wollen, daher selbst zum Opfer. Daher ist es wichtig zu wissen, was ich tun sollte, wenn ich so eine Situation als Zeug*in oder Beobachter*in erlebe. Reicht es, mich in Sicherheit zu bringen und das Geschehen einfach zuzulassen? Bin ich aufgefordert, mich einzumischen, etwas zu tun? Der Workshop soll durch die gemeinsame Beantwortung dieser und weiterer Fragen dazu beitragen, Unsicherheit zu nehmen und erläutern, wie Ihr Zivilcourage im Alltag zeigen könnt, ohne selbst ein zu großes Risiko einzugehen. Moderation: Wulf Dornblut und Markus Jansen, Polizeihauptkommissare, Polizei Berlin WS 34: Gospel – „Grundgesetz spirit move" Raum: Neue Mälzerei - Plenarsaal In der Gospelmusik kommen Menschen zusammen, die im gemeinsamen Singen ihrem Lebensgefühl Ausdruck geben und dabei den „Spirit" der Musik erfahren und ihre tiefen spirituellen Wurzeln verstehen. Beim Jugendengagementkongress ist eine ähnliche Basis der Grund für das Zusammenkommen vieler junger Menschen – der „Spirit" unseres Grundgesetzes. Das Grundgesetz, unsere Verfassung, garantiert uns, dass wir in einer Demokratie leben können. Es ist sicher gut, wenn man sich gemeinsam immer wieder auf diese Idee besinnt und sie gesellschaftlich aktiv hinterfragt und neu belebt. Viele der heutigen und traditionellen Gospel-Songs haben genau diese aktive Auseinandersetzung zum Thema: das „alte Gesetz" mit Leben erfüllen! Gemeinsam werdet Ihr aktiv in die Gospel- und Soulmusik eintauchen und erfahren, wie der Spirit dieser Songs christliche Glaubensüberzeugung mit politischen Anliegen für Freiheit und Demokratie vereint, eine Botschaft, die scheinbar in unserer Welt an Aktualität nie verliert. Hinweis: Wer hier teilnimmt, ist sehr herzlich eingeladen, am 23. Mai anlässlich des Interreligiösen Festgottesdienstes um 11 Uhr in der Parochialkirche in Mitte den Gottesdienst mitzugestalten! Moderation: Hanjo Krämer, Gospelchorleiter, Unchained Gospel Choir, Ev. Kirchengemeinde Berlin-Mariendorf WS 35: #Hate Speech Raum: Neue Mälzerei - Seminar III Hate Speech bzw. Hassrede ist ein Phänomen, das sich in den letzten Jahren rasant im digitalen Raum ausgebreitet hat. Insbesondere in den sozialen Netzwerken ist die Zahl der Hassbotschaften enorm gestiegen. Facebook, Instagram, TikTok und Co. verkommen zunehmend zu Plattformen, in denen man seinem Unmut freien Lauf lassen kann. In dem Workshop #Hate Speech diskutieren wir insbesondere die Fragen: Woran erkenne ich Hate Speech und wie kann ich dem Hass im Netz etwas entgegensetzen? Moderation: Marie-Theres Ueberlein und Luca Kandler, goodbye hatespeech, Aktion Zivilcourage e. V., Pirna WS 36: Konfliktmanagement – Gewappnet sein für zukünftige Konflikte Raum: Umweltforum - Seminar 11 Du hast manchmal das Gefühl in einem Konflikt völlig kopflos zu sein oder Dich nicht richtig zu verhalten? Mit diesem Workshop geben wir Dir die Möglichkeit, einen besseren Umgang mit Konflikten zu finden und Methoden zu lernen, um Konfliktsituationen leichter anzusprechen. Unser Fokus liegt auf dem Ansatz der Gewaltfreien Kommunikation. Die GfK ist ein von Marshall Rosenberg entwickelter Kommunikations- und Konfliktlösungsprozess, der uns darin unterstützt, mit sich selbst und anderen in eine einfühlsame Verbindung zu gehen. Dabei wird davon ausgegangen, dass alles, was wir Menschen tun, getan wird, um uns Bedürfnisse zu erfüllen. Manchmal wählen wir dazu Strategien, die nicht von allen gut geheißen werden. In diesem Workshop versuchen wir dies aufzulösen. Moderation: Robin Law & Konstantin Lemke, Gemeinnützige Bildungsinitiative mehr als lernen e. V., Berlin AF M: Einmal Bundestag, bitte! Treffpunkt: 13.40 Uhr Umweltforum Einmal Bundestag, bitte! Der Bundestag – das meistbesuchte Parlament der Welt – lockt jedes Jahr unzählige Besucher*innen in die Hauptstadt. Ihr werdet vom bpb-Jurymitglied, dem Bundestagsabgeordneten Helge Lindh (SPD), empfangen. Herr Lindh ist Mitglied und Obmann im Ausschuss für Kultur und Medien sowie Mitglied Im Ausschuss für Inneres und Heimat und im Unterausschuss für bürgerschaftliches Engagement. Zudem ist er stellvertretendes Mitglied im Familienausschuss. Ihr könnt ihm Fragen rund um diese Schwerpunktthemen und natürlich auch zum aktuellen politischen Geschehen stellen und mit ihm diskutieren. Zuvor erwartet Euch eine Führung zur Geschichte, Architektur sowie zum Aufbau und zur Arbeit des Parlaments, bevor Ihr die Möglichkeit habt, Euren Blick von der Kuppel des Reichstagsgebäudes über Berlin schweifen zu lassen. Bitte denkt daran, Euren Personalausweis mitzubringen! Moderation: Helge Lindh, Mitglied des Deutschen Bundestages, Berlin AF N: Interreligiös gegen Antisemitismus – Wie(so) kann Glauben Berge versetzen und das House of One Frieden stiften? Treffpunkt: 14.10 Uhr Umweltforum Was wissen wir voneinander fernab von Schawarma, Schinkenbrot und Shakshuka? Leben wir nur miteinander oder verstehen wir uns wirklich? Wir leben in einer zunehmend globalisierten, interkulturellen und interreligiösen Welt. Das House of One versucht in die religiöse Welt der Anderen einzutreten und sie als Teil unserer Glaubenswelt zu erfassen. Welchen Stellenwert hat das House of One für den gesellschaftlichen Frieden und Zusammenhalt in der Welt? Wie können wir interreligiös, mit Vielfalt und gelebtem Glauben gegen Antisemitismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit wirken? Wie kann ein solches Miteinander gut gelingen und wie in unsere Gesellschaft hineinwirken? Welche Herausforderungen gilt es zu überwinden und zu beachten? Was braucht es neben dem House of One von jedem von uns? Moderation: Ester Hirsch und Osman Oers, Stiftung House of One AF O: Verfolgt – Verschont – Integriert? NS-Täter nach 1945 Treffpunkt: 13.50 Uhr Umweltforum Nur die wenigsten Täter wurden nach dem Krieg strafrechtlich zur Verantwortung gezogen. Die meisten konnten sich problemlos in die deutsche Nachkriegsgesellschaft einfügen. Wie war dies angesichts der massenhaften NS-Verbrechen möglich? Anhand ausgewählter Beispiele nähert Ihr Euch den vielschichtigen Hintergründen und gewinnt Einblicke in den komplexen Bereich der deutschen Erinnerungskultur. Außerdem werdet Ihr in diesem Angebot auch einen Geländerundgang vor Ort machen. Moderation: Topographie des Terrors, Kulturprojekte Berlin AF P: Zeichensetzung im urbanen Raum: Streetart, Graffiti und Co. Treffpunkt: 13.50 Uhr Umweltforum Auf einer Exkursion durch Kreuzberg und zur East Side Gallery lernt Ihr Graffiti- und Streetart-Kultur in Berlin kennen. Ihr erfahrt, welche Motivationen ihre Urheber*innen angetrieben haben, und wie ihre Kunst kommerzialisiert wird. Ihr bekommt Erklärungen zu illegalen und legalen Graffiti-Wänden und erkundet die Frage nach der Auf- bzw. Abwertung von Stadtvierteln durch Straßenkunst. Moderation: Catrin Gruner, Archiv der Jugendkulturen e. V., Berlin AF Q: Zivilcourage und aktiv werden Treffpunkt: 14.00 Uhr Umweltforum Sich einmischen, wenn andere beleidigt werden? Einem anderen Menschen beistehen, wenn er bedroht wird? Helfen, wenn es nötig erscheint? Das ist manchmal gar nicht so leicht. Zivilcourage ist nichts, was jede*r eh schon kann. Aber man kann sie erlernen. Und es gibt eine Menge Möglichkeiten, um aktiv zu werden für ein demokratisches und weltoffenes Gemeinwesen. Selbst handeln, sich einmischen und dabei auch mal aus der Reihe tanzen – und zwar, um demokratische Strukturen zu stärken. Everybody can be a Change Agent! Im Workshop lernt Ihr Menschen kennen, die etwas bewegt haben – aus Geschichte und Gegenwart, aus dem öffentlichen und privaten Leben, in ganz großen und in kleinen Beispielen. Doch was haben diese Change Agents mit uns selbst zu tun? Wie hätten wir gehandelt, oder: Wie haben wir schon gehandelt? Wo möchten wir etwas bewegen, vielleicht auch gemeinsam als Gruppe? Und wo wünschen wir uns einen Change Agent in unserem Leben? Moderation: Gesicht zeigen e. V., Berlin Raum: Neue Mälzerei - Seminar I Welche Assoziationen kommen Dir in den Sinn, wenn du an das Thema Islam denkst? Eher stereotype Muster oder eine Vielfalt an Lebensstilen? Muslimische Jugendliche in Deutschland leben eine Vielfalt an Jugendkulturen. In dem Workshop beschäftigen wir uns anhand vieler Beispiele mit den verschiedenen Erscheinungsformen und Identitätskonzepten islamisch geprägter Jugendkulturen. Wir gehen dabei unter anderem folgenden Fragen nach: Welche Rolle spielt Religion im Leben muslimischer Jugendlicher? Welche Identitätskonzepte bieten islamische Jugendkulturen in einer modernen Gesellschaft? Wie passen Rap und Islam zusammen? Welche Styles, Musik, Modeerscheinungen gibt es unter muslimischen Jugendlichen? Moderation: Abdurrahim Dottermusch, Archiv der Jugendkulturen e. V., Berlin Raum: Neue Mälzerei - Seminar III „Ich will mich nicht mit Dir streiten!“ – „Streiten bringt doch nichts!“ Doch! Aber respektvoll und auf Augenhöhe sollte der Streit sein. Denn: Demokratie heißt auch eine Lösung zu finden, die möglichst viele „mitnimmt“. Das funktioniert nur, wenn wir eine Vielfalt von Meinungen zulassen und uns mit diesen unterschiedlichen Meinungen argumentativ auseinandersetzen. In unserem Workshop findet Ihr Antworten auf die Fragen: Was ist ein gutes Argument? Wie halte ich eine überzeugende Rede? Wie begegne ich unfairen Diskussionstechniken und wie streiten wir also respektvoll miteinander? Moderation: Amelie von Trott, Trainerin, Hamburg und Paula von Jagow, Trainerin, Münster Raum: Umweltforum - Seminar 11 Beschimpfung, offene Feindseligkeit und Ausgrenzung – jede*r von Euch hat vermutlich schon einmal eine Situation miterlebt, in der Jugendliche eine*n anderen gezielt gemobbt haben. Statistisch gesehen ist Mobbing eine der am häufigsten unter Jugendlichen auftretende Form von Gewalt. Seit es Facebook, Instagram, TikTok und zahlreiche Messenger-Dienste gibt, ist Mobbing kein bloßes Schulhof-Phänomen mehr. Auch im Netz werden Jugendliche Opfer von psychischer Gewalt. Wie entsteht Gewalt? Welche Folgen hat (Cyber-)Mobbing? Und was könnt Ihr tun – in der Situation oder vorher, damit es gar nicht erst zu Mobbing kommt? Neben einer Einführung in das Thema möchten wir durch Lernexperimente und Austausch, in denen man die Perspektiven von Täter*innen und Opfern einnimmt, für ein gezieltes Hinterfragen von Mobbingsituationen sensibilisieren. Zudem wollen wir Eure Kompetenzen für einen bewussteren Umgang mit Sozialen Medien stärken und gemeinsam erste Handlungsstrategien entwickeln. Moderation: Marion Nagel, freie Trauma- /Medienpädagogin, Leipzig Raum: Umweltforum - Seminar 10 Ohne Geld lassen sich die meisten Projekte nicht realisieren. Doch wie kommt Ihr an Geld ran? Es gibt eine Vielzahl an Fördermöglichkeiten – für viele ein undurchsichtiger Dschungel an Angeboten. Wir wollen uns einen Weg durch diesen Fördermittel-Dschungel bahnen, konkrete Möglichkeiten für eure Projekte recherchieren und uns mit dem 1x1 erfolgreicher Fördermittelanträge beschäftigen. Moderation: Nicole Herrenkind, Fundraiserin und Beraterin, Gadebusch Raum: Umweltforum - Seminar 8 In einer Stadt wurde bekannt, dass über Social-Media-Kanäle zu einer Demonstration unter dem Titel „Vereintes Deutschland – Geschütztes Europa“ von Rechtsextremist*innen aufgerufen wird. Dagegen organisiert sich starker Protest aus dem linksextremistischen Lager. Neben extremistischen Kräften melden auch einige zivilgesellschaftliche Organisationen eine Gegendemonstration an. Es ist damit zurechnen, dass es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kommt. Die Stadt ist beunruhigt und fragt sich, wie mit demokratischen Mitteln das Problem angegangen werden kann. Eine Bürger*innensitzung soll sich dem Thema widmen. Seid ihr dabei? Moderation: Lisa Borchardt, Kriminologin und Gewaltforscherin, Hannover Raum: Neue Mälzerei - Plenarsaal Mit Übungen, Improvisationen und Kurzperformances nähern wir uns dem Leben des deutschen Fußballnationalspielers Julius Hirsch an, der vom NS-Regime ermordet wurde. Dann wenden wir den Blick auf Diskriminierung in der heutigen Fußballwelt. Auf Basis von Zeitungsberichten untersuchen wir einen aktuellen Fall von Diskriminierung und suchen theatralen Ausdruck für Beweggründe von Opfern und Tätern. Für diesen Workshop musst Du keinesfalls auch nur fußball- oder theatererfahren sein. (Es ist natürlich durchaus nicht verboten, aus unbändiger Theaterlust oder flammender Fußballbegeisterung zu kommen.) Moderation: Bettina Frank, Dipl- Theaterpädagogin, HeldenFabrikBerlin, Berlin Raum: Neue Mälzerei - Kuppelsaal Süd Welche verschiedenen sexuellen und geschlechtlichen Identitäten gibt es? Kann man einem Menschen ansehen, wie er fühlt, wie er liebt oder ob sein gelesenes Geschlecht passt? Welche Klischeevorstellungen hast Du dazu im Kopf und stimmen diese? Was kannst Du dafür machen, dass sich in deinem Umfeld Vorurteile abbauen? Wie lässt sich diskriminierungsfreies Leben gewährleisten? In diesem Workshop kannst Du alle Fragen loswerden zum Thema sexuelle und geschlechtliche Vielfalt! Moderation: Fluky, Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg e. V. Raum: Neue Mälzerei - Seminar II In Gruppen müssen öfters Mal in Entscheidungen getroffen werden. Meistens werden Entscheidungen in großen Gruppen am Ende per Abstimmung getroffen. Damit sind manchmal nicht alle zufrieden und es kommt zu Missmut. Dieser Workshop soll sich darum drehen, welche alternativen Möglichkeiten es gibt, um Entscheidungen zu treffen. Ziel ist es, dabei passende Möglichkeiten für Gruppen kennenzulernen und diese anwenden zu können. Moderation: Robin Law & Harry Gale, Gemeinnützige Bildungsinitiative mehr als lernen e. V., Berlin Raum: Neue Mälzerei - Kuppelsaal Nord Ehrenamt hat viele Facetten – Sportvereine, Schüler*innnenvertretung und Geflüchtetenhilfe. Von der kurzfristigen Nachbarschaftshilfe bis zum langfristigen Ehrenamt in der Freiwilligen Feuerwehr, das Gestalten in kleinen Vereinen und das Unterstützen bei großen Organisationen – so vielfältig kann dein Engagement sein. Und es gibt mindestens eben so viele gute Gründe, die eigene Zeit für den guten Zweck zu spenden. Wie gestalten wir mit unserem Ehrenamt die Gesellschaft? Und wie sieht unsere junge Vision für moderne Engagementformate aus? Mit der Kreativmethode LEGO® Serious Play® wollen wir uns diese Fragen stellen und Antworten in unseren Modellen finden. Moderation: Elina Hennigs und Sören Etler, JETZT e. V, Magdeburg Treffpunkt: 09:05 Uhr a&o Hostel Berlin Kolumbus Das Außenforum besteht aus zwei Teilen. Zuerst werdet Ihr die Neue Synagoge Berlin kennenlernen. Die Neue Synagoge Berlin in der Oranienburger Straße wurde 1866 eröffnet und war damals einer der berühmtesten jüdischen Sakralbauten in Deutschland. Neu für eine Synagoge waren z. B. die Orgel, der gemischte Chor, ein Gebetbuch auch auf Deutsch und in den 1930er Jahren die weltweit erste Rabbinerin. Auch heute wird nur ein Raum des noch erhaltenen Gebäudeteils als Synagoge genutzt. In einer Stunde erforscht Ihr sowohl die aktuell genutzte Synagoge als auch die Dauerausstellung und beschäftigt euch dabei mit den Fragen von Tradition und Moderne. Nach dieser Führung sprecht Ihr mit zwei jüdischen Jugendlichen des Projekts „Meet a Jew" über das jüdische Leben in Deutschland heute. Ihr gewinnt einen Einblick in ihren persönlichen Alltag, einen Überblick über die Vielfalt der jüdischen Lebensrealitäten und könnt Fragen zu allen Lebensbereichen stellen. Moderation: Meet a Jew, Zentralrat der Juden in Deutschland, Berlin und Stiftung Neue Synagoge Berlin - Centrum Judaicum Treffpunkt: 08.45 Uhr a&o Hostel Berlin Kolumbus Die heute touristisch attraktive Oderberger Straße war bis 1989 eine Sackgasse, die an der Mauer endete. Wegen ihrer Aussichtsplattform auf der West-Seite wurde sie nicht nur zum „Schaufenster in den Osten“, sondern stand auch durch das SED-Regime unter besonderer Beobachtung. Viele Aspekte des alltäglichen Lebens der 1970er und 1980er Jahre in der DDR lassen sich heute noch entlang der Straße nachzeichnen. Ladengeschäfte und Fleischerei erzählen von Versorgung und Schlange stehen, Kneipen und Badeanstalt von Treffpunkten der Kiezbewohner, Altbauten von desolaten Wohnungszuständen, geheimen Treffen der Ost-Berliner Bohème und Bespitzelung durch die Stasi. Der Spaziergang beginnt am Museum in der Kulturbrauerei und endet am Standort der ehemaligen Aussichtsplattform. Moderation: Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland - Museum in der Kulturbrauerei Berlin Treffpunkt: 08.50 Uhr a&o Hostel Berlin Kolumbus Wieso gibt es in Tsingtao noch immer deutsches Bier? Was machte Bismarck in Neuguinea? Wo liegt die Perle der Südsee? Und warum gibt es ein Afrikanisches Viertel in Berlin? Unser Stadtspaziergang thematisiert vor allem die alltagsgeschichtlichen Ausprägungen des deutschen Kolonialismus im Berliner Norden. Wir erkunden die Kontinuitäten der deutschen Kolonialmedizin, beschäftigen uns mit den zahlreichen kolonialen Gewalttaten und Skandalen und hinterfragen das Traditionsverständnis mancher Berliner Kleingartenvereine. Dabei lernen wir auch eine originelle Methode der Vergangenheitsentsorgung kennen. Unser Rundgang beginnt an der Ecke Samoastraße/Kiautschoustraße und endet etwa 120 Minuten später an der Kameruner Straße. Moderation: Stefan Zollhauser, Berliner Spurensuche, Berlin Raum: Neue Mälzerei - Seminar II „Ich geh doch nicht um Almosen betteln!“ Wie oft hört man diesen ablehnenden Spruch, wenn Spenden eingeworben werden sollen. Warum das Spenden einen Mehrwert bietet und deshalb Spaß macht und warum Fundraising „Friendraising“ ist, damit wollen wir uns in diesem Workshop beschäftigen. Welche Spenden-Instrumente gibt es und welche passen zu Euren Projekten? Was müsst Ihr bei Crowdfunding beachten und wo ist der Unterschied zwischen Spenden und Sponsoring? Moderation: Nicole Herrenkind, Fundraiserin und Beraterin, Gadebusch Raum: Neue Mälzerei - Kuppelsaal Nord Angriffe auf Gleichstellungsbeauftragte, Politiker*innen und feministische Aktivist*innen gehören in Deutschland zum Alltag. So erleben Politiker*innen, wie Annalena Baerbock, oder Aktivist*innen, wie Greta Thunberg, dass sie dafür angefeindet werden, dass sie feministische Positionen einnehmen und vertreten. Dass sich hinter Hate Speech gegen Thunberg oder Baerbock auch Antifeminismus verbirgt, bleibt oft unerkannt oder unbenannt. Antifeminismus als organisierte Gegner*innenschaft gegen feministische Bewegungen und Bestrebungen richtet sich dabei nicht nur gegen Frauen, sondern auch gegen queere Menschen und alle Personen, die sich für die Befreiung von engen und konservativen Vorstellungen von Geschlechterrollen und Sexualität einsetzen. Dabei kursieren regelrecht wahnhafte Vorstellungen von einem übermächtigen Feminismus – Stichwort „Feminismus Elite“ oder „Gender-Wahn“. Im Workshop klären wir gemeinsam: Was genau ist Antifeminismus? Wie äußert sich dieser und wie könnt Ihr antifeministische Argumentationen erkennen? Außerdem schauen wir auf die Verbindung zwischen Verschwörungsideologien und Antifeminismus. Moderation: Marie Künne, Amadeu Antonio Stiftung, Leipzig Raum: Umweltforum - Seminar 11 Kinder und junge Erwachsene sind die am stärksten von Armut betroffene Gruppe. Die Corona-Pandemie hat die Situation deutlich verschärft. Aktuell gilt jedes 5. Kind in Deutschland als armutsgefährdet. Ausgehend von Euren eigenen biografischen Erfahrungen wollen wir uns der vielfältigen Gesichter von (Kinder-)Armut in der Bundesrepublik bewusst werden und über Ursachen, Folgen und unsere eigene Verantwortung zum Handeln diskutieren. Hinweis: Zahlen und die Aus- und Bewertung wissenschaftlicher Studien zum Thema werden dabei nur am Rand eine Rolle spielen. Moderation: Marion Nagel, freie Trauma- /Medienpädagogin, Leipzig Raum: Neue Mälzerei - Seminar I Menschen werden durch Erfahrungen, Geschichten, Gedanken und Mitmenschen geprägt. Jede*r von uns lebt in einer ganz eigenen Realität. Lesen ist ein Weg, in die Gedanken- und Gefühlswelt anderer einzutauchen, sie zu erleben und mit ihnen zu fühlen. Doch kann man wirklich von fiktionalen Figuren lernen? Hat Lesen gesellschaftliche Relevanz? Und kann es für mehr Toleranz sorgen und eine politische Wirkung entfalten? Im Volunteer Book Club lesen wir Romane und Sachbücher rund um gesellschaftliche Themen. Ob „Dschinns”, eine deutsch-türkische Familiengeschichte von Fatma Aydemir, oder „Mädchen, Frau etc.”, ein Roman mit 12 Geschichten von Schwarzen Frauen in Großbritannien. In diesem Workshop möchten wir einen Einblick geben, wie Bücher einen anderen Zugang zu Themen und Lebensrealitäten geben können und machen dies anhand von konkreten Beispielen für Euch erlebbar. Moderation: Nele Bösing uns Hannah Steinberg, JETZT e. V. Raum: Umweltforum - Seminar 8 In einer Stadt wurde bekannt, dass über Social-Media-Kanäle zu einer Demonstration unter dem Titel „Vereintes Deutschland – Geschütztes Europa“ von Rechtsextremist*innen aufgerufen wird. Dagegen organisiert sich starker Protest aus dem linksextremistischen Lager. Neben extremistischen Kräften melden auch einige zivilgesellschaftliche Organisationen eine Gegendemonstration an. Es ist damit zurechnen, dass es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kommt. Die Stadt ist beunruhigt und fragt sich, wie mit demokratischen Mitteln das Problem angegangen werden kann. Eine Bürger*innensitzung soll sich dem Thema widmen. Seid ihr dabei? Moderation: Lisa Borchardt, Kriminologin und Gewaltforscherin, Hannover Raum: Neue Mälzerei - Seminar III Du engagierst Dich und möchtest ein Projekt auf die Beine stellen? Du wolltest schon immer erfahren, was bei der Organisation zu beachten ist und möchtest Dich mit anderen Menschen austauschen? In unserem Workshop bekommst Du das notwendige Handwerkszeug, um Deine Projektidee erfolgreich umzusetzen. Wir geben Dir Tipps und Tricks für die Konzepterstellung, die Begeisterung von möglichen Geldgeber*innen und die strukturierte Projektplanung. Außerdem findet eine gegenseitige Projektberatung statt. In unserem Workshop geht es also um die Beantwortung der Frage, wie man von der Idee zum eigentlichen Projekt kommt. Vorerfahrungen zum Thema Projektmanagement sind nicht erforderlich. Bitte bring bereits eine grobe Projektidee mit in den Workshop. Moderation: Matti Ueberschär & Mareike Zirkel, Gemeinnützige Bildungsinitiative mehr als lernen e. V., Berlin Raum: Neue Mälzerei - Kuppelsaal Süd Vor Gruppen stehen, sprechen und sich dabei sicher fühlen – Aber wie? Im Laufe unseres Lebens gewöhnen wir uns ganz individuelle Sprach- und Bewegungsmuster an, die uns in den wenigsten Fällen bewusst sind und die uns dennoch ständig begleiten. Manche davon können tatsächlich hinderlich sein und erschweren uns ein sicheres Auftreten vor Gruppen. Gemeinsam wollen wir solche Muster offenlegen und Möglichkeiten finden, diese in der Zukunft abzulegen. Wir beschäftigen uns mit wichtigen Grundlagen der Rhetorik und geben uns gegenseitig Tipps, um gemeinsam besser zu werden. Moderation: Robin Law & Annika Etzkorn, Gemeinnützige Bildungsinitiative mehr als lernen e. V., Berlin Raum: Umweltforum - Seminar 10 Daran zu erinnern, welche grauenhaften Taten in den Jahren 1939 bis 1945 geschehen sind, ist grundlegend dafür, dass so etwas nie wieder passieren wird. Wie nehmt Ihr die Erinnerungskultur an Schulen und in der Öffentlichkeit wahr und wo seht Ihr Verbesserungspotential, zum Beispiel bei digitalen Angeboten? Der Fantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt, denn es geht vor allem darum kreativ zu werden. Die gemeinsam erarbeiteten Ergebnisse wollen wir in unsere Aufklärungsarbeit integrieren und auch Ihr könnt die Ideen in Euer Umfeld weitertragen. Es geht um Euch und Eure Visionen, wie das Gedenken von morgen aussehen soll. Moderation: Nicole Mattern, Vereinsvorsitzende Kinder vom Bullenhuser Damm e. V., Stela Vitalosova, Kinder vom Bullenhuser Damm e. V., Hamburg Jonas Felix Schultz, Brecht-Schule Hamburg, Hamburg Raum: Neue Mälzerei - Plenarsaal Mit einem Dokumentarfilm über das „Aufwachsen in der DDR“ denken wir uns in die Zeit vor 1989 hinein und sprechen darüber. Anschließend spielen wir „Theater“ in einem DDR-Klassenzimmer und führen eine Heimatkundestunde aus dem Jahr 1985 auf. Die Lehrerin und die Teilnehmenden dieses Rollenspiels verkleiden sich und verabreden entsprechende Regeln, die damals von den meisten Schülerinnen und Schülern tatsächlich so eingehalten wurden. Trotzdem bleiben gewisse Handlungsspielräume. Muss der Nichtpionier unbedingt ausgegrenzt werden? Kann ich Kritik äußern? Wie weit reicht aber der Mut, allein gegen den Strom zu schwimmen? Wie stark ist die Sogwirkung, immer zu den Guten gehören zu wollen und deshalb lieber zu schweigen, wenn einer gemobbt wird? Ihr erlebt Mechanismen, die einer jeden Diktatur zugrunde liegen und erfahrt, wie schnell man als Rädchen im Getriebe funktioniert, wie schwer es ist, Zivilcourage zu zeigen und für Außenseiter einzustehen. Moderation: Elke Urban, Leipzig Treffpunkt: 14.00 Uhr Umweltforum Das Anne Frank Zentrum befindet sich im Herzen Berlins, in der sogenannten Spandauer Vorstadt im Bezirk Mitte. Hier wird die Ausstellung „Anne Frank. hier & heute" gezeigt. Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen das Tagebuch und die Lebensgeschichte Anne Franks. Über Hörstationen und kurze Filmporträts kommen auch Berliner Jugendliche zu Wort, die sich mit aktuellen Fragen beschäftigen und eine Verbindung von der Geschichte in die Gegenwart herstellen. Nach einer Führung durch die Ausstellung gehen wir auf Entdeckungstour rund um den Hackeschen Markt: Dieses Viertel wurde vor allem durch seine jüdischen Bewohnerinnen und Bewohner geprägt. Der Rundgang führt zu verschiedenen Orten der wechselvollen Geschichte jüdischen Lebens in Berlin. Doch was erinnert heute noch an die Verfolgung und Deportation Berliner Jüdinnen und Juden? Moderation: Anne Frank Zentrum, Berlin Treffpunkt: 13.30 Uhr Umweltforum Die Gedenkstätte Sachsenhausen bei Berlin ist ein Ort mit zweifacher Vergangenheit: Im „Dritten Reich“ nahm das KZ Sachsenhausen als Modell- und Schulungslager in unmittelbarer Nähe der Reichshauptstadt eine Sonderstellung im System der nationalsozialistischen Konzentrationslager ein. Nach Kriegsende wurden die meisten Gebäude des Lagerzentrums – mit Ausnahme des Krematoriums und der Vernichtungsanlagen – von den sowjetischen Besatzern in derselben Funktion weitergenutzt. Ihr werdet zunächst eine Führung durch das Lager machen, seine Geschichte und die Besonderheiten der zweifachen Vergangenheit kennenlernen und anschließend Gelegenheit haben, gemeinsam darüber zu sprechen. Neben der Führung erschließt Ihr Euch selbstständig Themen in verschiedenen Ausstellungen, wie Medizin und Verbrechen, Strafen und Mord, die Vielfalt der verschiedenen Haftbegründungen und Bedingungen im sowjetischen Speziallager. Moderation: Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen Treffpunkt: 14.00 Uhr Umweltforum Auf seiner Tour zeigt euch Muhammed Lamin Jadama „sein“ Kreuzberg – aus der Perspektive eines politischen Aktivisten, Fotografen, Streetworkers und Kiezkenners. Er erklärt, wie die Drogenproblematik im Görlitzer Park mit dem europäischen Asylsystem zusammenhängt, was es für das eigene Leben bedeutet, keinen Aufenthaltsstatus zu haben und wie Streetworker versuchen, Betroffene zu unterstützen. Unterwegs stellt Muhammed einige der vielen Kreuzberger Initiativen und Vereine vor, in denen Menschen mit und ohne Migrationsgeschichte das Zusammenleben im Kiez gemeinsam gestalten. Seine Tour führt zu wichtigen Treffpunkten des Stadtteils wie dem Restaurant Senegambia, anhand dessen Namen man einiges über Muhammeds Geburtsort und dessen Kolonialgeschichte lernen kann. Im Studio von „We are born free! Empowerment Radio" erzählt er schließlich davon, wie fehlende Pressefreiheit ihn selbst gezwungen hat, Gambia zu verlassen, und von seinem eigenen Engagement für die Selbstorganisation migrantischer Communities. Hinweis: Diese Tour findet in englischer Sprache statt! Grundkenntnisse sind erwünscht. Moderation: Muhammed Lamin Jadama, querstadtein e. V., Berlin Treffpunkt: 13.55 Uhr Umweltforum In diesem Außenforum besucht Ihr das Archiv von Romani Phen e. V. Dort erwartet Euch ein spannender Workshop rund um Diskriminierung der Rom*nja in der Vergangenheit und heute. Wie erleben Betroffene diskriminierende Situationen im Alltag? Welche Formen des Rassismus sind in der Gesellschaft besonders präsent? Wie kann man sich als Einzelperson beim Auftreten von diskriminierenden Rassismen verhalten? Mit Blick auf die aktuellen und Jahrhunderte alten Vorurteile und Anfeindungen Rom*nja gegenüber stellt der Workshop insbesondere die Frage: Was machen diese mit uns? Unterhaltet Euch zusammen mit jungen Rom*nja zu aktuellen Entwicklungen und lernt ihre Sicht kennen. Moderation: Estera Iordan und Gabi Zekić, Romani Phen e. V. Raum: Neue Mälzerei - Kuppelsaal Süd Menschen, die als Muslim*innen eingeordnet werden, sind immer wieder mit Stereotypen und rassistischen Zuschreibungen konfrontiert. Aber auch andere Personengruppen werden aufgrund ihres Aussehens, ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Herkunft diskriminiert. Doch was sind überhaupt Diskriminierung und Rassismus? Und wie kann man damit umgehen? In diesem Workshop arbeitet Ihr zu Mechanismen von Diskriminierung und Rassismus. Ihr tauscht Euch über Eure Erfahrungen aus und diskutiert gemeinsam, welche Möglichkeiten es gibt, gegen Diskriminierung und Rassismus vorzugehen. Moderation: Danja Ahmed und Elisabeth Okunrobo, ufuq.de, Berlin Raum: Neue Mälzerei - Seminar II Viele möchten sich als Angehörige der privilegierten weißen Mehrheitsgesellschaft gerne mit Menschen solidarisieren, die Rassismus erfahren und für sie Ally, also Verbündete*r sein. Aber was heißt es genau, Ally zu sein? Was macht mich zum Ally? Und aus welchem Grund möchte ich Ally sein? Will ich nur Gutes tun? Spreche ich für eine Person, über sie oder mit ihr? Wen unterstütze ich? Was erwarte ich? Und welche Bedeutung hat mein Weißsein für mein Engagement und meine anti-rassistische Haltung? Diesen Fragen wollen wir im Workshop gemeinsam anhand von kleinen Übungen auf den Grund gehen. Dieser Workshop richtet sich an Menschen, die sich selbst als Teil der weißen privilegierten Mehrheitsgesellschaft verstehen. Moderation: Rita Zobel, Facilitatorin, interkulturelle Beraterin, Berlin, Aşkın-Hayat Doğan, Diversity- & Empowerment-Trainer, Sensitivity Reader, Übersetzer, Berlin Raum: Neue Mälzerei - Kuppelsaal Nord Ein starkes Selbst – Was ist das genau und wie geht das? In dem Workshop lernt Ihr die ressourcenorientierte Reflektion des eigenen Selbstwerts. Es werden Anregungen zum differenzierten Umgang mit Quellen des Selbst(-werts) gegeben, sich die persönlichen Werte bewusst gemacht und auf Wertkonflikte eingegangen. Der Workshop wird durchgeführt von Kopfsachen e. V., einem Verein zur Förderung der mentalen Gesundheit junger Menschen. Dieser vermittelt in verschiedenen Bildungsformaten – insbesondere in Form von wissenschaftlich fundierten Workshops – die Grundlagen der psychischen Gesundheitskompetenz. Moderation: Sofia Weiß, Kopfsachen e. V., Berlin Raum: Neue Mälzerei - Seminar I Auf einer Internetplattform steht: Die USA haben North Stream gesprengt. Bei Twitter wird behauptet, dass Annalena Baerbock Russland den Krieg erklärt habe. Und in einer Telgram-Gruppe heißt es, dass bereits Hunderttausend Menschen in Deutschland an der Corona-Impfung gestorben seien. Im Alltag erreichen uns jeden Tag viele solcher Meldungen. Oft haben wir dann nicht die Zeit, jede Nachricht auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen. Klar, manche Meldungen lassen sich bereits durch das Erscheinungsbild oder den Wortlaut als wahrscheinlich unwahr erkennen. Aber längst nicht alle! Falsch-Nachrichten zu verbreiten ist inzwischen ein professionelles Geschäft. Dahinter können ökonomische oder politische Absichten stehen. Unser Workshop klärt auf und hilft Euch, die eigene Fähigkeit zu verbessern, Fake und Fakt zu unterscheiden. Moderation: Benjamin Winkler, Amadeu Antonio Stiftung, Leipzig Raum: Umweltforum - Seminar 8 Täglich erreichen uns Schlagzeilen von (Jugend-)Gewalt im Alltag, ob auf der Straße, in öffentlichen Verkehrsmitteln oder in der Schule. Vielleicht habt Ihr selbst schon mal eine Gewalttat beobachtet und Euch gefragt, wie Ihr jetzt hier helfen könnt? Viele Menschen haben Angst zu helfen, sind überfordert und wissen nicht, wie sie helfen sollen. Sie unterlassen es dadurch zu helfen oder helfen falsch. In nicht wenigen Fällen werden Zeug*innen, die helfen wollen, daher selbst zum Opfer. Daher ist es wichtig zu wissen, was ich tun sollte, wenn ich so eine Situation als Zeug*in oder Beobachter*in erlebe. Reicht es, mich in Sicherheit zu bringen und das Geschehen einfach zuzulassen? Bin ich aufgefordert, mich einzumischen, etwas zu tun? Der Workshop soll durch die gemeinsame Beantwortung dieser und weiterer Fragen dazu beitragen, Unsicherheit zu nehmen und erläutern, wie Ihr Zivilcourage im Alltag zeigen könnt, ohne selbst ein zu großes Risiko einzugehen. Moderation: Wulf Dornblut und Markus Jansen, Polizeihauptkommissare, Polizei Berlin Raum: Neue Mälzerei - Seminar III Wie sieht jüdisches Leben heute in Deutschland aus? Welche Formen von Antisemitismus oder auch positiven Stereotypen gibt es? Zunächst schaut ihr euch den Kurzfilm „Masel Tov Cocktail“ (2020) an. Hier anknüpfend erarbeitet ihr interaktiv Handlungsmöglichkeiten für den Alltag. Dabei geht es auch darum, dass Opfer plötzlich als Täter dargestellt werden können. Neben den Erfahrungen der Hauptfigur des Films lernt ihr interessante Fakten über das Judentum und die Geschichte von Jüd*innen in Deutschland kennen. Auch die Themen Identität, Vielfalt, Zugehörigkeit und das deutsch-jüdische Verhältnis werden in Gruppenarbeiten, über ein Quiz oder Postionierungsübungen vertieft. Moderation: Natascha Höhn & Ricardo Zürn, Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus KIgA e. V. Raum: Umweltforum - Seminar 10 Zunächst reflektiert Ihr in einer stillen Diskussion anhand von mehreren Fragen Euer Verständnis der Welt und ihren Umgang mit Komplexität und Unwissen. Nach einer Auswertung der stillen Diskussion werdet Ihr mit einer fiktiven Verschwörungserzählung konfrontiert, bzw. entwickelt selbst eine offensichtlich absurde Theorie, die angeblich Einfluss auf unser Alltagsleben hätte. In einem Rollenspiel diskutiert Ihr in Gruppen darüber und versucht Euch gegenseitig von der Wahrheit bzw. Falschheit der Theorie zu überzeugen. Bei einer anschließenden Auswertung der Diskussion werden erste Merkmale und Funktionen von Verschwörungsmythen sowie Schwierigkeiten in der Auseinandersetzung mit Verschwörungserzählenden herausgearbeitet. Es werden Argumentationshilfen aufgezeigt, um sich dagegen positionieren zu können. Moderation: Devrim Eren & Timon Strnad, Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus e. V. Raum: Umweltforum - Seminar 11 Die rasante Ausbreitung von Hassbotschaften, Hetze und menschenverachtenden Beiträgen im Netz führt nicht selten dazu, dass sich Nutzer*innen radikalisieren. Immer häufiger werden vor allem in den sozialen Netzwerken (rechts-)extreme Beiträge verbreitet, geliked und kommentiert. Extremist*innen nutzen die große Reichweite dieser Plattformen zur weltweiten Vernetzung und Verbreitung ihrer extremistischen Ansichten. Eine große Rolle spielt dabei die Gewinnung weiterer Anhänger*innen. In dem Workshop #Online-Extremismus gehen wir insbesondere den Fragen nach: Wie erkennt man Extremismus im Netz und welche Umgangsmöglichkeiten gibt es? Moderation: Marie-Theres Ueberlein und Luca Kandler, "Goodbye Hate Speech", Aktion Zivilcourage e. V., Sachsen Raum: Neue Mälzerei - Plenarsaal Mit einem Dokumentarfilm über „Aufwachsen in der DDR“ denken wir uns in die Zeit vor 1989 hinein und sprechen darüber. Anschließend spielen wir „Theater“ in einem DDR-Klassenzimmer und führen eine Heimatkundestunde aus dem Jahr 1985 auf. Die Lehrerin und die Teilnehmenden dieses Rollenspiels verkleiden sich und verabreden entsprechende Regeln, die damals von den meisten Schülerinnen und Schülern tatsächlich so eingehalten wurden. Trotzdem bleiben gewisse Handlungsspielräume. Muss der Nichtpionier unbedingt ausgegrenzt werden? Kann ich Kritik äußern? Wie weit reicht aber der Mut, allein gegen den Strom zu schwimmen? Wie stark ist die Sogwirkung, immer zu den Guten gehören zu wollen und deshalb lieber zu schweigen, wenn einer gemobbt wird? Ihr erlebt Mechanismen, die einer jeden Diktatur zugrunde liegen und erfahrt, wie schnell man als Rädchen im Getriebe funktioniert, wie schwer es ist Zivilcourage zu zeigen und für Außenseiter einzustehen. Moderation: Elke Urban, Leipzig Treffpunkt: 09.20 Uhr a&o Hostel Berlin Kolumbus Am Abend des 15. Januar 1990 nahmen Demonstrierende die Zentrale des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) in Berlin-Lichtenberg in Besitz. Das Berliner Bürgerkomitee begann hier seine Arbeit zur Auflösung des MfS. Die Büros des letzten Ministers für Staatssicherheit, Erich Milke, und seiner engsten Mitarbeitenden wurden durch den Militärstaatsanwalt versiegelt. Eine Woche später beschloss der Zentrale Runde Tisch, dass im Haus 1 der Stasi-Zentrale eine „Gedenk- und Forschungsstelle zum DDR-Stalinismus" eingerichtet werden soll. In diesem Außenforum werdet Ihr durch das Stasimuseum geführt. Die Dokumente und beispielhaften Fälle in der Ausstellung werden Euch einen Überblick über die Ideologie und die Praxis der SED-Diktatur sowie über ihre Geheimpolizei geben. Im Anschluss könnt Ihr offene Fragen in einem Zeitzeugengespräch mit Betroffenen des Stasisystems erörtern. Moderation: Stasimuseum Berlin - Gedenkstätte Normannenstraße 20 Treffpunkt: 08.50 Uhr a&o Hostel Berlin Kolumbus Entsprach das NS-Propagandabild von Mutter und Hausfrau der Realität? Welchen Wandlungen unterlag das Frauenbild während der NS-Herrschaft? Welche Aktionsräume öffneten sich den Frauen im Alltag? Wo traten sie als Akteurinnen auf? An ausgewählten Beispielen setzt Ihr Euch aktiv mit diesen Fragen auseinander, bezieht sie auf die Kategorien von Zuschauen, Denunzieren, Profitieren, Täter- und Opferschaft und Widerstand, um im Nachhinein die verschiedenen Lebensperspektiven und ihre Bedingungen zu diskutieren. Die Ergebnisse können in einer Wandzeitung festgehalten werden. Moderation: Topographie des Terrors, Kulturprojekte Berlin Treffpunkt: 10.00 Uhr a&o Hostel Berlin Kolumbus Wie stand es um die Menschenrechte in der DDR in den 1970er und 1980er Jahren? Von dieser historischen Perspektive aus schärft Ihr Euer Bewusstsein für die Bedeutung von Menschenrechten und Demokratie unter gleichzeitiger Vergegenwärtigung der Ideologie und Wirkmechanismen der kommunistischen Staatsführung. Mit Rückbezug auf die Artikel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte wird Euch exemplarisch aufgezeigt, wie sich das Leben und der Alltag für die Bürgerinnen und Bürger in der DDR gestaltete, die auf ihr Recht auf Meinungsfreiheit bestanden, sich ihre eigenen Freiräume schaffen oder die DDR verlassen wollten. Im Anschluss an das Seminar erhaltet Ihr eine Führung durch die ehemalige Stasi-Untersuchungshaftanstalt. Moderation: Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen Treffpunkt: 09.20 Uhr Uhr a&o Hostel Berlin Kolumbus Während des dialogischen Stadtspaziergangs besucht Ihr die von der Stiftung betreuten Denkmäler Gedenkort für „Euthanasie"-Opfer, das Holocaust-Denkmal, das Homosexuellen-Denkmal und das Sinti und Roma-Denkmal. Ihr erhaltet Informationen zum historischen Hintergrund der jeweiligen Denkmäler und der mit ihrer Entstehung verbundenen gesellschaftlichen Debatten. Ihr diskutiert verschiedene erinnerungskulturelle Fragen wie: Wem wird gedacht und wem nicht? Wie sind die Denkmäler gestaltet? Wie sind die Denkmäler im Stadtraum verortet? Welchen Stellenwert hat die Erinnerung an die nationalsozialistischen Verbrechen noch heute? Moderation: Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, Berlin Treffpunkt: 09.00 Uhr Uhr a&o Hostel Berlin Kolumbus Zwischen 2002 und 2009 legte Klaus Seilwinder jeden Tag viele Kilometer zu Fuß zurück. Er sammelte Flaschen, um das Geld zum Überleben zusammenzubekommen. Auf seiner Tour entlang seiner damaligen Route beschreibt Klaus, warum er sich auf der Straße lieber allein durchschlug als in der Gruppe und versuchte, im öffentlichen Raum unsichtbar zu bleiben. Und er erzählt, warum es gut war, dass er eines Tages doch von jemandem entdeckt wurde. Moderation: Klaus Seilwinder, querstadtein e. V. Raum: Neue Mälzerei - Seminar I Antisemitismus ist eine uralte Ideologie. Sie erzählt eine unwahre Geschichte über Jüdinnen und Juden, die diese wahlweise als reich, mächtig und einflussreich oder als Verschwörer*innen gegen den Rest der Menschheit darstellt. Antisemitismus erzählt dagegen nichts über das reale Leben und die Kultur von Jüdinnen und Juden. Antisemitismus zeichnet ein Ressentiment des Jüdischen oder des jüdisch-Sein. In der Geschichte führte dies immer wieder zu Verfolgungen, Vertreibungen oder Tötungen von Jüdinnen und Juden. Mit dem Nationalsozialismus in Deutschland erreichte der Antisemitismus einen traurigen Höhepunkt, der im Versuch der Vernichtung von Jüdinnen und Juden endete. Sechs Millionen Jüdinnen und Juden wurden durch die Nationalsozialisten und ihre Helfer*innen getötet. Doch der Antisemitismus scheint nicht tot zu kriegen. Auch heute noch verbreiten sich anti-jüdische Geschichten oder Ressentiments und führen zu Hass gegen Jüdinnen und Juden und andere Gruppen. Der Workshop gibt einen Überblick zum Antisemitismus, zeigt seine gegenwärtige Erscheinung und motiviert zur kritischen Auseinandersetzung mit Antisemitismus. Moderation: Benjamin Winkler, Amadeu Antonio Stiftung, Leipzig Raum: Neue Mälzerei - Kuppelsaal Süd Antisemitismus ist eine uralte Ideologie. Sie erzählt eine unwahre Geschichte über Jüdinnen und Juden, die diese wahlweise als reich, mächtig und einflussreich oder als Verschwörer*innen gegen den Rest der Menschheit darstellt. Antisemitismus erzählt dagegen nichts über das reale Leben und die Kultur von Jüdinnen und Juden. Antisemitismus zeichnet ein Ressentiment des Jüdischen oder des jüdisch-Sein. In der Geschichte führte dies immer wieder zu Verfolgungen, Vertreibungen oder Tötungen von Jüdinnen und Juden. Mit dem Nationalsozialismus in Deutschland erreichte der Antisemitismus einen traurigen Höhepunkt, der im Versuch der Vernichtung von Jüdinnen und Juden endete. Sechs Millionen Jüdinnen und Juden wurden durch die Nationalsozialisten und ihre Helfer*innen getötet. Doch der Antisemitismus scheint nicht tot zu kriegen. Auch heute noch verbreiten sich anti-jüdische Geschichten oder Ressentiments und führen zu Hass gegen Jüdinnen und Juden und andere Gruppen. Der Workshop gibt einen Überblick zum Antisemitismus, zeigt seine gegenwärtige Erscheinung und motiviert zur kritischen Auseinandersetzung mit Antisemitismus. Moderation: Camilla Gläske und Sevin Begovic, Bildungsforum gegen Antiziganismus, Berlin Raum: Umweltforum - Seminar 10 Wie könnt Ihr mit euren Botschaften noch mehr Menschen erreichen und weniger Menschen ausschließen? In diesem Workshop mit Simone Katter des Sozialhelden e. V. erfahrt Ihr, wie Ihr mithilfe von barrierefreier Kommunikation mehr Menschen erreicht und mit welchen Tools und Tipps diese umzusetzen sind (z. B. Untertiteln in Videos, Alternativtexte in Bildern, einfache Sprache). Moderation: Simone Katter, Sozialheld*innen e. V., Berlin Raum: Neue Mälzerei - Seminar II Eine demokratische Wertehaltung auf Sozialen Medien sowie die Bereitschaft, gesellschaftspolitische Verantwortung im Netz zu übernehmen, ist kein Selbstverständnis mehr. Der Zivilgesellschaft kommt hier eine besondere Verantwortung zu. Während die Bedeutung von Meinungsführer*innen wie Influencer*innen steigt, ist die digitale Partizipation zivilgesellschaftlicher Akteur*innen am Diskurs umso wichtiger. Ihr wollt Eure empowernden Botschaften auch auf TikTok zu platzieren? Wir entwickeln gemeinsam Formatideen für Eure Themen und erproben diese im Videodreh. Moderation: Lynn Giersberg und Lucienne Pritzkau, Stiftung für Engagement und Bildung e. V. Raum: Neue Mälzerei - Kuppelsaal Nord Für viele in Deutschland lebende People of Color gehört Rassismus zum Alltag. Diese schmerzvollen und kräftezehrenden Erfahrungen werden mit der Zeit leider als Normalität empfunden und erfordern Umgangsmechanismen im Alltag. Empowerment bedeutet in diesem Zusammenhang die Stärkung des Selbst und der Gemeinschaft. Dafür tauschen wir uns über Erfahrungen und Umgangsweisen aus, schaffen einen Raum des Wohlwollens mit sich selbst und miteinander und entwickeln gemeinsam wohltuende Handlungs- und Widerstandsstrategien. Im Mittelpunkt steht dabei der Blick auf eigene und kollektive Kraftquellen, Bewältigungsmechanismen und Stärken. Dieser Empowerment-Workshop richtet sich ausschließlich an People of Color, die aufgrund der Hautfarbe, der ethnischen und/oder religiösen Zugehörigkeit, des Namens und der Sprache Benachteiligung, Ausgrenzung und Gewalt erfahren. Moderation: Aşkın-Hayat Doğan, Diversity- & Empowerment-Trainer, Sensitivity Reader, Übersetzer und Weena Mallmann,Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Alice Salomon Hochschule und Freiberuflerin in der Bildungsarbeit, Berlin Raum: Umweltforum - Seminar 8 Täglich erreichen uns Schlagzeilen von (Jugend-)Gewalt im Alltag, ob auf der Straße, in öffentlichen Verkehrsmitteln oder in der Schule. Vielleicht habt Ihr selbst schon mal eine Gewalttat beobachtet und Euch gefragt, wie ihr jetzt hier helfen könnt? Viele Menschen haben Angst zu helfen, sind überfordert und wissen nicht, wie sie helfen sollen. Sie unterlassen es dadurch zu helfen oder helfen falsch. In nicht wenigen Fällen werden Zeug*innen, die helfen wollen, daher selbst zum Opfer. Daher ist es wichtig zu wissen, was ich tun sollte, wenn ich so eine Situation als Zeug*in oder Beobachter*in erlebe. Reicht es, mich in Sicherheit zu bringen und das Geschehen einfach zuzulassen? Bin ich aufgefordert, mich einzumischen, etwas zu tun? Der Workshop soll durch die gemeinsame Beantwortung dieser und weiterer Fragen dazu beitragen, Unsicherheit zu nehmen und erläutern, wie Ihr Zivilcourage im Alltag zeigen könnt, ohne selbst ein zu großes Risiko einzugehen. Moderation: Wulf Dornblut und Markus Jansen, Polizeihauptkommissare, Polizei Berlin Raum: Neue Mälzerei - Plenarsaal In der Gospelmusik kommen Menschen zusammen, die im gemeinsamen Singen ihrem Lebensgefühl Ausdruck geben und dabei den „Spirit" der Musik erfahren und ihre tiefen spirituellen Wurzeln verstehen. Beim Jugendengagementkongress ist eine ähnliche Basis der Grund für das Zusammenkommen vieler junger Menschen – der „Spirit" unseres Grundgesetzes. Das Grundgesetz, unsere Verfassung, garantiert uns, dass wir in einer Demokratie leben können. Es ist sicher gut, wenn man sich gemeinsam immer wieder auf diese Idee besinnt und sie gesellschaftlich aktiv hinterfragt und neu belebt. Viele der heutigen und traditionellen Gospel-Songs haben genau diese aktive Auseinandersetzung zum Thema: das „alte Gesetz" mit Leben erfüllen! Gemeinsam werdet Ihr aktiv in die Gospel- und Soulmusik eintauchen und erfahren, wie der Spirit dieser Songs christliche Glaubensüberzeugung mit politischen Anliegen für Freiheit und Demokratie vereint, eine Botschaft, die scheinbar in unserer Welt an Aktualität nie verliert. Hinweis: Wer hier teilnimmt, ist sehr herzlich eingeladen, am 23. Mai anlässlich des Interreligiösen Festgottesdienstes um 11 Uhr in der Parochialkirche in Mitte den Gottesdienst mitzugestalten! Moderation: Hanjo Krämer, Gospelchorleiter, Unchained Gospel Choir, Ev. Kirchengemeinde Berlin-Mariendorf Raum: Neue Mälzerei - Seminar III Hate Speech bzw. Hassrede ist ein Phänomen, das sich in den letzten Jahren rasant im digitalen Raum ausgebreitet hat. Insbesondere in den sozialen Netzwerken ist die Zahl der Hassbotschaften enorm gestiegen. Facebook, Instagram, TikTok und Co. verkommen zunehmend zu Plattformen, in denen man seinem Unmut freien Lauf lassen kann. In dem Workshop #Hate Speech diskutieren wir insbesondere die Fragen: Woran erkenne ich Hate Speech und wie kann ich dem Hass im Netz etwas entgegensetzen? Moderation: Marie-Theres Ueberlein und Luca Kandler, goodbye hatespeech, Aktion Zivilcourage e. V., Pirna Raum: Umweltforum - Seminar 11 Du hast manchmal das Gefühl in einem Konflikt völlig kopflos zu sein oder Dich nicht richtig zu verhalten? Mit diesem Workshop geben wir Dir die Möglichkeit, einen besseren Umgang mit Konflikten zu finden und Methoden zu lernen, um Konfliktsituationen leichter anzusprechen. Unser Fokus liegt auf dem Ansatz der Gewaltfreien Kommunikation. Die GfK ist ein von Marshall Rosenberg entwickelter Kommunikations- und Konfliktlösungsprozess, der uns darin unterstützt, mit sich selbst und anderen in eine einfühlsame Verbindung zu gehen. Dabei wird davon ausgegangen, dass alles, was wir Menschen tun, getan wird, um uns Bedürfnisse zu erfüllen. Manchmal wählen wir dazu Strategien, die nicht von allen gut geheißen werden. In diesem Workshop versuchen wir dies aufzulösen. Moderation: Robin Law & Konstantin Lemke, Gemeinnützige Bildungsinitiative mehr als lernen e. V., Berlin Treffpunkt: 13.40 Uhr Umweltforum Einmal Bundestag, bitte! Der Bundestag – das meistbesuchte Parlament der Welt – lockt jedes Jahr unzählige Besucher*innen in die Hauptstadt. Ihr werdet vom bpb-Jurymitglied, dem Bundestagsabgeordneten Helge Lindh (SPD), empfangen. Herr Lindh ist Mitglied und Obmann im Ausschuss für Kultur und Medien sowie Mitglied Im Ausschuss für Inneres und Heimat und im Unterausschuss für bürgerschaftliches Engagement. Zudem ist er stellvertretendes Mitglied im Familienausschuss. Ihr könnt ihm Fragen rund um diese Schwerpunktthemen und natürlich auch zum aktuellen politischen Geschehen stellen und mit ihm diskutieren. Zuvor erwartet Euch eine Führung zur Geschichte, Architektur sowie zum Aufbau und zur Arbeit des Parlaments, bevor Ihr die Möglichkeit habt, Euren Blick von der Kuppel des Reichstagsgebäudes über Berlin schweifen zu lassen. Bitte denkt daran, Euren Personalausweis mitzubringen! Moderation: Helge Lindh, Mitglied des Deutschen Bundestages, Berlin Treffpunkt: 14.10 Uhr Umweltforum Was wissen wir voneinander fernab von Schawarma, Schinkenbrot und Shakshuka? Leben wir nur miteinander oder verstehen wir uns wirklich? Wir leben in einer zunehmend globalisierten, interkulturellen und interreligiösen Welt. Das House of One versucht in die religiöse Welt der Anderen einzutreten und sie als Teil unserer Glaubenswelt zu erfassen. Welchen Stellenwert hat das House of One für den gesellschaftlichen Frieden und Zusammenhalt in der Welt? Wie können wir interreligiös, mit Vielfalt und gelebtem Glauben gegen Antisemitismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit wirken? Wie kann ein solches Miteinander gut gelingen und wie in unsere Gesellschaft hineinwirken? Welche Herausforderungen gilt es zu überwinden und zu beachten? Was braucht es neben dem House of One von jedem von uns? Moderation: Ester Hirsch und Osman Oers, Stiftung House of One Treffpunkt: 13.50 Uhr Umweltforum Nur die wenigsten Täter wurden nach dem Krieg strafrechtlich zur Verantwortung gezogen. Die meisten konnten sich problemlos in die deutsche Nachkriegsgesellschaft einfügen. Wie war dies angesichts der massenhaften NS-Verbrechen möglich? Anhand ausgewählter Beispiele nähert Ihr Euch den vielschichtigen Hintergründen und gewinnt Einblicke in den komplexen Bereich der deutschen Erinnerungskultur. Außerdem werdet Ihr in diesem Angebot auch einen Geländerundgang vor Ort machen. Moderation: Topographie des Terrors, Kulturprojekte Berlin Treffpunkt: 13.50 Uhr Umweltforum Auf einer Exkursion durch Kreuzberg und zur East Side Gallery lernt Ihr Graffiti- und Streetart-Kultur in Berlin kennen. Ihr erfahrt, welche Motivationen ihre Urheber*innen angetrieben haben, und wie ihre Kunst kommerzialisiert wird. Ihr bekommt Erklärungen zu illegalen und legalen Graffiti-Wänden und erkundet die Frage nach der Auf- bzw. Abwertung von Stadtvierteln durch Straßenkunst. Moderation: Catrin Gruner, Archiv der Jugendkulturen e. V., Berlin Treffpunkt: 14.00 Uhr Umweltforum Sich einmischen, wenn andere beleidigt werden? Einem anderen Menschen beistehen, wenn er bedroht wird? Helfen, wenn es nötig erscheint? Das ist manchmal gar nicht so leicht. Zivilcourage ist nichts, was jede*r eh schon kann. Aber man kann sie erlernen. Und es gibt eine Menge Möglichkeiten, um aktiv zu werden für ein demokratisches und weltoffenes Gemeinwesen. Selbst handeln, sich einmischen und dabei auch mal aus der Reihe tanzen – und zwar, um demokratische Strukturen zu stärken. Everybody can be a Change Agent! Im Workshop lernt Ihr Menschen kennen, die etwas bewegt haben – aus Geschichte und Gegenwart, aus dem öffentlichen und privaten Leben, in ganz großen und in kleinen Beispielen. Doch was haben diese Change Agents mit uns selbst zu tun? Wie hätten wir gehandelt, oder: Wie haben wir schon gehandelt? Wo möchten wir etwas bewegen, vielleicht auch gemeinsam als Gruppe? Und wo wünschen wir uns einen Change Agent in unserem Leben? Moderation: Gesicht zeigen e. V., Berlin
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2023-06-05T00:00:00"
"2023-02-16T00:00:00"
"2023-06-05T00:00:00"
https://www.bpb.de/veranstaltungen/reihen/juko/518363/das-programm-des-jugendengagementkongress-2023/
Hier ist das Programm des Jugendengagementkongress zu finden.
[ "Jugendengagement" ]
30,706
Wie ein Fluss zum Mythos wurde | Geschichte im Fluss. Flüsse als europäische Erinnerungsorte | bpb.de
Die multiethnische Weichsel Das Leben am Fluss hat die Menschen seit jeher geprägt. Die Weichsel war wie andere ostmitteleuropäische Flüsse in der vornationalen Zeit Lebensader und Handelsraum für Polen, Deutsche und Litauer. Ungeachtet der ethnischen Vielfalt war der Interner Link: Fluss für die Menschen in erster Linie Heimat. Im Umgang mit den natürlichen Ressourcen entwarfen sie Überlebensstrategien, die sich nicht sonderlich voneinander unterschieden. Seit dem frühen Mittelalter waren schließlich alle Niederungslandschaften Ostmitteleuropas zwischen Oder, Weichsel und Memel einem Landesausbau slawischer, vor allem polnischer, aber auch deutscher und westeuropäischer Siedler unterworfen. Landesausbau bedeutet die Umwandlung einer Natur- zu einer Kulturlandschaft. An den Ufern der Weichsel entstanden Wohnstätten, Siedlungen, später Städte, die die Kernlandschaft des mittelalterlichen polnischen Königreiches bildeten. Die Gründung der Weichselstädte steht im Zusammenhang mit der Interner Link: Ausbreitung des deutschen Stadtrechtes in Polen. Krakau ist 1257, Sandomir 1244 zum ersten Mal als deutschrechtliche Siedlung erwähnt, Płock besitzt 1237 das deutsche Recht, Thorn 1231. Die Weichsel war also bereits im Mittelalter eine wichtige Ader im europäischen Warentausch. Es handelten hier nicht vorwiegend deutsche Bürger, wie die ältere deutsche Forschung lange Zeit behauptet hat. Polnische und jüdische Kaufleute waren etwa im Weinhandel aktiv und handelten mit Litauern, Ungarn und Russen im Osten sowie mit Holländern und Flamen im Westen. An der unteren Weichsel übte jedoch der Deutsche Orden seine Macht mit immer größerer Willkür aus, was zu ständigen Konflikten mit den Nachbarstaaten und dem städtischen Bürgertum führte. Die Situation änderte sich am Anfang des 15. Jahrhunderts zugunsten der polnischen Krone, als es ihr gelang, den Deutschen Orden zu schlagen. Im Zweiten Thorner Frieden von 1466 musste der Orden Pommerellen, das Kulmer Land und das Ermland samt seiner Städte an das polnische Königreich abtreten. Damit setzte das Interner Link: goldene Zeitalter der Weichsel ein. Für den Aufstieg Polens zum großen Getreideproduzenten und -exportland bildete die Weichsel eine entscheidende Voraussetzung. Das goldene Zeitalter Bei der Vorstellung eines internationalen, europaweiten Warentausches muss jedoch berücksichtigt werden, dass das Königreich an der Weichsel seit Mitte des 16. Jahrhunderts eine Adelsrepublik war, deren König gewählt wurde und in der die szlachta, also der Adel, eine sehr starke Position hatte. Die Getreide- und Holzproduktion lag weitgehend in der Hand der Adligen, die vom Handel damit bestmöglich profitieren wollten. Daher sicherten sie sich das Privileg, selbst produzierte Waren zollfrei verkaufen zu können. Darüber hinaus verfügten sie mit den Leibeigenen über Arbeitskräfte, die unter anderem zum Transport der Güter eingesetzt wurden. Fast der gesamte Holz- und Getreidehandel auf der Weichsel wurde von der szlachta abgewickelt. Ein alter Stich des mittelalterlichen Thorn/Toruń (Externer Link: Wikimedia Commons) Lizenz: cc publicdomain/zero/1.0/deed.de Zwar gelang es manchen Städten an der mittleren Weichsel (Warschau und Włocławek) und am unteren Lauf des Flusses (Thorn, Elbing und Danzig), ebenfalls eine Zollbefreiung für den Weichselhandel zu bekommen und damit ihre Einkünfte wesentlich zu vergrößern, alle anderen Städte waren aber gezwungen, Zoll zu zahlen. Ihre Entwicklung ging vergleichsweise langsam. Diese Bevorzugung des Adels trug auch dazu bei, dass außer in den oben erwähnten Städten das Bürgertum in der Adelsrepublik im Vergleich zu Westeuropa schwach war. In dieser Zeit veränderte sich die Silhouette vieler Weichselstädte durch den Bau von hohen Speichern an den Flussufern, die zuerst noch im gotischen Stil (zum Beispiel in Graudenz), dann aber im Geist der Renaissance-Kunst (etwa in Kazimierz Dolny) gebaut wurden. Andrzej Piskozub, der Herausgeber der 1982 erschienenen Weichsel-Monografie, schreibt dazu: "Das goldene Zeitalter der Weichsel – das ist die Periode, aus der die Erinnerung an eine Zeit geblieben ist, als Hunderte und Tausende von Schiffen land- und forstwirtschaftliche Produkte der Weichselgebiete nach Danzig brachten […]. Von der Weichsel her strömte das Getreide, das Westeuropa ernährte. Es gab noch keine Getreidemärkte in Übersee, und den polnischen Gebieten fiel die Funktion eines Speichers zu, der die atlantischen Seemächte belieferte. Neben Getreide kamen die wichtigsten Rohstoffe für den damaligen Schiffbau von hier: Holz für die Schiffe, hohe Fichten für die Masten, Leinen für die Segel und Hanf für die Taue, Teer und Pottasche für die Abdichtung der Schiffsrümpfe. Der Höhepunkt des Weichselhandels fiel in die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts, als der in den Dreißigjährigen Krieg verwickelte Westteil des Kontinents seine Importe von der Weichsel auf eine maximale Größe brachte. Wenn man die Bedeutung des Flusses an seinen Transportaufgaben messen sollte, so war die Weichsel damals der wirtschaftlich wichtigste Fluss der Welt.” Auch eine relativ schwache Position des Königs gegenüber den Vertretern des Adelsstandes brachte den Adligen Vorteile aus dem Getreide- und Holzhandel. Der große Reichtum des Adels zeigte sich in zahlreichen Residenzen, die im 16. Jahrhundert im Einzugsgebiet der Weichsel entstanden, beispielsweise die Renaissance-Residenz von Krzyżtopór in Ujazd bei Sandomir. Deren Erbauer Krzysztof Ossolinski schuf mit Hilfe des schweizerischen Architekten Laurentius de Sent (polnisch Wawrzyniec Sent) eine Anlage, die ein halbes Jahrhundert vor der Erbauung des Schlosses von Versailles zu den größten und prachtvollsten in Europa zählte. Leider wurde es 1657 von den Schweden geplündert und verfiel. Von den Schlössern, die bis heute existieren und mit ihrer Architektur und Geschichte beeindrucken, sind insbesondere das von Sandomir und das von Baranów Sandomierski erwähnenswert. Letzteres wird oft auch als kleiner Wawel bezeichnet, da es vor allem wegen der Renaissance-Arkaden an das Königsschloss in Krakau erinnert. Das goldene Zeitalter an der Weichsel endete, als der schwedische König Gustav II. Adolf 1626 einen Krieg mit der Adelsrepublik begann, der mit enormen Plünderungen und Zerstörungen einherging, von denen sich der polnische Staat nicht mehr erholen konnte. Der politische Zerfall der Adelsrepublik verlief zeitgleich mit großen wirtschaftlichen Verschiebungen. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts kamen erste bedeutende Getreidelieferungen aus Amerika nach Europa. Im Jahre 1783 eroberte Russland die Krim, während der zweiten Teilung eignete es sich die ukrainischen Gebiete der Adelsrepublik an, 1794 entstand der Hafen von Odessa. Seitdem wurde das Getreide von den fruchtbaren Böden der Ukraine über den südlichen Seeweg nach Europa befördert, und die Weichsel verlor ihre Bedeutung als Transportader. Die Teilungen der polnisch-litauischen Adelsrepublik änderten die bisherige Funktion der Weichsel grundsätzlich. Wie das Land wurde auch der Fluss geteilt. Der Oberlauf kam zu Habsburg. Der mittlere Teil wurde zuerst preußisch, dann aber russisch, und den unteren Lauf übernahm der preußische Staat. Die erfundene Weichsel Das Rodło als Symbol Polens ist dem stilisierten Weichsellauf nachempfunden. (Pernambuko; Externer Link: Wikimedia Commons) Lizenz: cc by-sa/4.0/deed.de Infolge der Teilungen verschwand der polnische Staat von der Landkarte Europas. Polen, das als Staat nicht mehr existierte, hatte – könnte man sagen – Interner Link: kein eigenes 19. Jahrhundert. Diese "Geschichtslücke" ist nicht nur an der mangelnden Industrialisierung des Landes, sondern auch an den polnischen Wasserstraßen zu erkennen. Da während der Teilungen keine Rede von Tourismus, Transport oder komplexen Regulierungsarbeiten an der Weichsel sein konnte, wurde der Fluss über 150 Jahre lang zum Symbol des zerrissenen polnischen Staates, was in einem außergewöhnlich reichen literarischen Schaffen zum Ausdruck kam. Man hob die mythologisierte Geschichte des Flusses hervor, die im Verlauf der Jahrhunderte stark mit heroischen oder tragischen Etappen der polnischen Geschichte verwoben war. Der Fluss selbst wurde zum Helden stilisiert, zum unsterblichen Element der nationalen Landschaft, zum schweigenden, aber äußerst beredten Zeugen der Vergangenheit, zum Garanten der Beständigkeit und Einheit des Vaterlandes. Die Weichsel wurde zu einer Art ethnischem Symbol, das gern in der nationalen Rhetorik zitiert und in der patriotischen Grafik abgebildet wurde. In diesem Ringen um den Erhalt ihrer nationalen Identität begannen die Polen, die Bezeichnung "Weichsel" als eine Metapher für alle polnischen Gebiete zu gebrauchen. Als Beispiel dafür, wie die Weichsel zum Äquivalent Polens wurde, kann der Titel einer der führenden landeskundlichen Zeitschriften dienen, die an der Wende des 19. zum 20. Jahrhundert erschien: die Monatszeitschrift Wisła, die Jan Karłowicz in Warschau herausgab. Das Periodikum präsentierte ethnografisches, anthropologisches und folkloristisches Material über polnische Gebiete, aber auch andere Provinzen der alten Adelsrepublik. So wurde Wisła zu einer Zeitschrift, die sich der polnischen Volkskultur widmete. Diese hat man im 19. Jahrhundert gerne mit den wichtigsten nationalen Werten gleichgesetzt. Wie Jacek Kołbuszewski treffend anmerkte, wurde die Weichsel bewusst als Äquivalent Polens in die Lehrbücher eingeführt, insbesondere im österreichischen Teilungsgebiet. Auf den Territorien der russischen und preußischen Teilungsgebiete war das aufgrund der Repressionen ein viel schwierigeres Unterfangen, aber auch hier wurde das Motiv der Weichsel für die Zwecke patriotischer Propaganda genutzt. Die Weichsel in der Literatur Dem Zeitgeist der Romantik entsprechend wurde die Weichsel auch zur Protagonistin im literarischen Schaffen der Polen. Ihre literarischen Beschreibungen hatten eine Tradition, die älter als die anderer Flüsse ist. Bereits mittelalterliche Chronisten begründeten eine eigene Weichselthematik, die viele Autoren – unter ihnen so herausragende wie beispielsweise Jan Kochanowski, Wacław Potocki, Adam Naruszewicz und Ignacy Krasicki – fortführten. Die Festung in Modlin am Zufluss der Narew. (Wojsyl; Externer Link: Wikimedia Commons) Lizenz: cc by-sa/3.0/de An der Schwelle des 17. Jahrhunderts entstand das erste Poem über polnische Flüsse, das berühmte Werk von Sebastian Klonowic unter dem Titel Flis, to jest spuszczanie statków Wisłą i inszymi rzekami do niej przypadającymi (Die Flößerei auf der Weichsel und den angrenzenden Flüssen, Krakau 1595). Von den Vertretern späterer Schriftstellergenerationen wurde die Weichsel als die "Königin der polnischen Flüsse" bezeichnet. Werke widmeten ihr zum Beispiel Maria Konopnicka, Wacław Rolicz-Lieder, Interner Link: Stanisław Wyspiański, Leopold Staff. In dem Roman Wierna rzeka (Der getreue Strom) von Stefan Żeromski aus dem Jahr 1912 findet sich das Motiv der Flusslandschaft als Ort des polnischen Märtyrertums wieder. Darin wird der Aufstand von 1863 im Weichselland gegen die russische Besatzungsmacht thematisiert und das Trauma der Teilungen aufgezeigt, das sich in der Flusslandschaft widerspiegelt. Żeromski lässt den Fluss als Titelhelden zum stummen Zeugen der Geschichte werden. Mit schweren Verletzungen nach der Schlacht bei Małogoszcz kehrt Fürst Józef Odrowąż hinkend nach Hause. Als er an den Fluss kommt, sieht er sich gezwungen, ihn trotz der winterlichen Kälte schwimmend zu überqueren. Überraschend mildert aber das eiskalte Wasser die Schmerzen des Aufständischen: "Das dunkle Wasser um ihn herum verfärbte sich rot, es brodelte, der Strom schien aufzustöhnen aus seinen Tiefen. Zärtlich umströmte ihn das Wasser, spritzte in Tausend Tropfen und wusch seine Wunden, eine nach der anderen, wie eine Mutter, die mit ihren eigenen Lippen grimmigen Schmerz wegküssen möchte. Der uralte und ewig neue Fluss nahm das reich vergossene Blut des Aufständischen in sich auf, nahm es mit in seine Tiefe, löste jeden Tropfen in sich auf und führte es hinweg." Diese Personifizierung des Flusses in Gestalt einer Mutter, die am besten weiß, wie ihr verwundeter Sohn zu pflegen ist, erklärt wohl den Titel dieses Romans: Der getreue Strom. An einer anderen Stelle nimmt der Fluss eine wertvolle Aktentasche entgegen. Der Offizier Hubert Ołbromski wird von russischen Soldaten gejagt, und als er keinen Ausweg mehr sieht, entscheidet er sich, geheime Dokumente lieber in den Strom zu werfen als sie dem Feind preiszugeben. Der Fluss wird damit zum getreuen Komplizen, dem man einen Schatz anvertrauen kann. In vielen Werken des 19. Jahrhunderts, die dem größten polnischen Fluss gewidmet sind, wird ein anderes Bild der Weichsel präsentiert: vom Eis bedeckt und in Bewegungslosigkeit erstarrt. Der Fluss erscheint dort meist als unschuldiges Mädchen, voller Hoffnung, dass das Eis im Frühjahr schmelzen und es von den aufgezwungenen Fesseln befreit werde. Eine politische Botschaft gegen die Fremdherrschaft. Ähnliche Motive tauchen in zahlreichen zu jener Zeit entstandenen patriotischen Liedern auf, wie etwa in Pieśń flisaków (Lied der Flößer) oder in einem populären Lied, das mit den Worten beginnt: "Płynie Wisła, płynie po polskiej krainie, a dopóki płynie, Polska nie zaginie." ("Es fließt die Weichsel durch polnisches Land, und solange sie fließt, wird Polen nicht verloren sein.") Jenes symbolische Denken an den Fluss hat gerade in den Liedern die Zeit bis heute überdauert. Am Ende des Mythos Bis heute findet man an der Ufern der Weichselstädte Gedenksteine oder Obelisken, die an die Geschichte der Polen erinnern und damit auch die Geschichte des Flusses als nationales Symbol. Doch scheint es seit dem Ende des 20. Jahrhunderts eine neue kulturelle Akzentuierung des Stromes zu geben. Entscheidend dabei sind das gewachsene ökologische Bewusstsein und die Tatsache, dass die heutige Weichsel einer der längsten wild fließenden Flüsse Europas ist. Im gemeinsamen Europa von heute knüpft man wieder an das unmittelbare Verhältnis von Mensch und Fluss an. Zwar leben die Mythen weiter, sie bleiben Teil der Flussgeschichte und wichtiger Bestandteil des Kulturraumes. Die nationale Ideologie steht für den Großteil der polnischen Gesellschaft jedoch nicht mehr im Vordergrund. So wird auch die Weichsel säkularisiert, ihr national-mythologisches Potenzial lässt nach. Vielmehr werden andere, eher profane Eigenschaften des Flusses betont. Das lässt sich sehr gut am 1980 gegründeten Weichselmuseum in Tczew/Dirschau beobachten. Viele Jahre lang wurde dort eine Ausstellung gezeigt, die der Bedeutung der Weichsel in der Zivilisations-, Wirtschafts-, Politik- und Kulturgeschichte Polens gewidmet war. Vor kurzem aber wurde sie durch eine neue Dauerausstellung über die Geschichte der Weichselschifffahrt ersetzt. Die Erzählung der neuen Schau basiert auf dem Poem von Sebastian Klonowic Die Flößerei auf der Weichsel und den angrenzenden Flüssen vom Ende des 16. Jahrhundert. Sie gibt daher vor allem ein Bild des Flusses aus dem "Goldenen Zeitalter" der Adelsrepublik wieder. Die Festlegung des Narrativs dieser Ausstellung auf die Frühe Neuzeit ermöglichte, die nationale Mythologie zu umgehen und den Schwerpunkt auf die Lebenswelt des Einzugsgebietes der Weichsel zu setzten. So konnte man wieder an das unmittelbare Verhältnis von Mensch und Fluss anknüpfen. Zwar ist damit die Komplexität des Themas Weichsel längst nicht erschöpft, die neue Ausstellung ist aber ein guter Anfang, ein Gerüst, das mit der Zeit erweitert werden soll. Möge dieses Museum zu einem Knotenpunkt werden, an dem ein Netzwerk von Historikern, Kulturwissenschaftlern und Vertretern von Bürgerinitiativen zusammen an einer Weichselgeschichte arbeiten, die nicht mehr ideologisch determiniert werden muss, sondern konkrete Spurensuche bedeutet. Eine Spurensuche, die verschiedene Stimmen zusammenfügt zu einer kollektiven Erzählung von einem europäischen Fluss Mythos – und als Lebenswelt. Ein alter Stich des mittelalterlichen Thorn/Toruń (Externer Link: Wikimedia Commons) Lizenz: cc publicdomain/zero/1.0/deed.de Das Rodło als Symbol Polens ist dem stilisierten Weichsellauf nachempfunden. (Pernambuko; Externer Link: Wikimedia Commons) Lizenz: cc by-sa/4.0/deed.de Die Festung in Modlin am Zufluss der Narew. (Wojsyl; Externer Link: Wikimedia Commons) Lizenz: cc by-sa/3.0/de
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2021-12-07T00:00:00"
"2013-05-07T00:00:00"
"2021-12-07T00:00:00"
https://www.bpb.de/themen/europaeische-geschichte/geschichte-im-fluss/159602/wie-ein-fluss-zum-mythos-wurde/
Noch im 16. Jahrhundert spielte es keine Rolle, ob einer an der Weichsel Pole war, Deutscher oder Litauer. Alle zusammen haben sie den Naturstrom zum Kulturstrom umgewandelt. Erst mit den Teilungen des polnischen Staates und dem Kampf der Polen um di
[ "Mythos Weichsel", "multiethnisch", "Deutscher Orden", "Stadtrecht", "Bürgertum", "Adelsrepublik", "polnische Teilung", "Flößerei", "Polen", "Krakau", "Sandomir", "Płock", "Thorn", "Warschau", "Elbing", "Danzig" ]
30,707
Gender Mainstreaming - ein unterschätztes Konzept | Geschlechter-Gerechtigkeit / Gender | bpb.de
Einleitung Als die Frauenbewegung der siebziger Jahre in den achtziger Jahren ihren Marsch durch die Institutionen begann, stießen Gleichstellungsbeauftragte, Frauenministerinnen und frauenpolitische Ausschüsse der Parlamente bald an Grenzen. Die Impulse, die von ihnen ausgingen, wurden vom politischen Mainstream bestenfalls zögerlich aufgenommen, auch als "Gedöns" von eher marginaler Bedeutung von der Tagesordnung geschoben. Selbst erfolgreiche Bilanzen, die von Repräsentantinnen des institutionalisierten Feminismus vorgelegt werden, sind die Summe vieler kleiner, oft mühsam errungener Schritte. Die Aufgabe, sozusagen als feministische Anstandsdamen den patriarchalen Alltagstrott von Regierungen, Parlamenten und Verwaltungen zu kontrollieren und wenn möglich zu Gunsten von Frauen zu beeinflussen, überstieg und übersteigt meist die personalen und finanziellen Ressourcen separater frauenpolitischer Institutionen. Der Gedanke, Frauenpolitik als Querschnittsaufgabe in allen Ressorts und Verwaltungen zu integrieren, erschien daher folgerichtig. Die Gegenargumente kamen jedoch eben so schnell zum Vorschein: Es wurde befürchtet - zumindest in der deutschen Diskussion -, dass die Rückverlagerung frauenpolitischer Anliegen in die Fachressorts dazu führen würde, dass Frauenpolitik im politischen male stream sang- und klanglos untergehen würde. In der internationalen frauenpolitischen Debatte tauchte in den neunziger Jahren der Begriff Gender Mainstreaming immer häufiger auf. Vor allem in der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit wurde deutlich, dass Frauen zunehmend zu Verliererinnen der Globalisierung wurden, Modernisierungsprozesse ohne die Beteiligung von Frauen und ihr Empowerment aber zum Scheitern verurteilt waren. Die auf der Vierten Weltfrauenkonferenz 1995 in Peking verabschiedete Aktionsplattform unterstützte daher ausdrücklich die Strategie des Gender Mainstreaming. Die Europäische Union nahm den Ball auf und verpflichtete im Vertrag von Amsterdam 1997 die Mitgliedstaaten, Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern zu beseitigen und die Gleichstellung von Frauen und Männern in allen Lebensbereichen zu fördern. Die von Bundeskanzler Gerhard Schröder geführte rot-grüne Regierungskoalition legte in einem Kabinettsbeschluss vom 23. Juni 1999 fest, "die Gleichstellung von Frauen und Männern zum durchgängigen Leitprinzip" der Bundesregierung zu machen und "diese Aufgabe als Querschnittsaufgabe unter dem Begriff Gender Mainstreaming zu fördern" . Stehen wir an einem grundlegenden Wendepunkt, einem Meilenstein frauenpolitischen Fortschritts? Einen Aufschrei der Begeisterung vernahm man jedenfalls seitens engagierter Frauen nicht. Vielleicht deshalb nicht, weil das neue Konzept der deutschen frauenpolitischen Szene eher wie ein Geschenk "von oben" erschien, weniger als selbstständig erkämpfte Errungenschaft. Oder vielleicht deshalb nicht, weil Frauenbeauftragte auf allen Ebenen und die feministisch gesonnene Öffentlichkeit in Frauenprojekten und Hochschulen wissen, welche enorme Selbstverpflichtung sich die Regierenden damit auferlegt haben - und entsprechend skeptisch reagieren. Die Strategie des Gender Mainstreaming bedeutet zunächst, dass staatliches Handeln auf allen Ebenen und in allen Bereichen ständig auf seine geschlechtsspezifischen Auswirkungen überprüft und die Benachteiligung von Frauen (und Männern, soweit sie sich ergibt) beseitigt wird. Das ist bereits ein hoher Anspruch, geht es doch zunächst einmal um gründliche Bestandsaufnahmen der unterschiedlichen Situation von Männern und Frauen in allen Lebensbereichen. Es genügt, um ein Beispiel zu nennen, in Zukunft nicht mehr, wenn ein Kultusministerium zwar über die Aufteilung von Männern und Frauen nach Besoldungsgruppen Auskunft geben kann, aber über keinerlei Unterlagen verfügt, aus denen hervorgeht, ob Lehrerinnen und Lehrer in gleichem Ausmaß aus "wichtigen Gründen" von Unterrichtsstunden entlastet werden. Schwerwiegender als quantitative Aspekte sind jedoch die qualitativen. Konsequent zu Ende gedacht, bedeutet Gender Mainstreaming weit mehr als den Versuch, durch antidiskriminatorische Politik Gleichheit für Frauen durchzusetzen: Die Strukturen selbst, welche die Ungleichheit immer wieder produzieren, sollen umgestaltet werden. Kein Bereich staatlichen Handelns kann dabei ausgeschlossen werden: weder die immer noch auf dem Ernährermodell - das heißt, auf der Abhängigkeit von Frauen - basierenden Sozialversicherungssysteme, noch das Finanz- und Steuerrecht; weder die Bildungspolitik noch die Regularien des Arbeitsmarktes. Aber auch scheinbar geschlechtsneutrale Ressorts wie Wirtschafts- , Finanz- oder Strukturpolitik müssen auf gender bias, d. h. auf geschlechterspezifische "Schieflagen", hin überprüft werden. Was bedeutet zum Beispiel die Tatsache, dass Frauen weniger häufig über ein Auto verfügen, für die Verkehrs- und Strukturpolitik in ländlichen Gebieten? Welche Auswirkungen hat die finanzielle Austrocknung der Kommunen auf Frauen? Wie wirkt sich die Subventionierung der Kohleförderung auf Erwerbsmöglichkeiten für Frauen im Ruhrgebiet aus? Warum steht in manchen kommunalen Etats mehr Geld für Sportstadien als für den Unterhalt von Kindertagesstätten zur Verfügung? Neoliberale Deregulierungsstrategien, die zur Einsparung öffentlicher Dienstleistungen oder ihrer Ersetzung durch private Anbieter führen, müssen ebenso nach Kriterien der Geschlechtergerechtigkeit überprüft werden wie die Personalentwicklungsplanung öffentlicher Verwaltungen. Wenn unter der Ägide des Gender Mainstreaming in den kommenden Jahren diese und ähnliche Fragen tatsächlich diskutiert werden, kommt man natürlich um eine weitere Frage nicht herum, nämlich wie das Frauenleitbild aussieht, an dem sich die Umgestaltung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen orientiert. Bedeutet "Gleichstellung" in allen Lebensbereichen auch die Einebnung der Arbeitsteilung nach Geschlecht? Wenn ja, wird man sich von allen differenztheoretischen oder traditionell konservativen Vorstellungen von "Weiblichkeit" verabschieden müssen und beide Sphären gesellschaftlicher Tätigkeit - Erwerbsarbeit und Reproduktion - für beide Geschlechter öffnen müssen. Das heisst ganz klar: die Übernahme von Haus- und Familienarbeit auch durch Männer. Die jetzt angepeilte "Kappung" oder vorsichtige "Umgestaltung" des Ehegatten-Splittings im Steuerrecht wird dem Gender Mainstreaming ebenso wenig gerecht werden wie die geschlechtsspezifische Vermittlung von Lehrstellen durch die Arbeitsämter. Die weitreichenden Konsequenzen der neuen Strategie scheinen vielen Verantwortlichen nicht bewusst zu sein. Auf Bundesebene existiert zwar eine interministerielle Arbeitsgruppe, nach deren Vorgabe jedes Ressort mindestens ein Modellprojekt durchführen soll. Nicht alle Häuser sind aber so weit wie das Bundesumweltministerium, das eine Gender-Checkliste für alle Geschäftsbereiche entwickelt hat und die Novellierung der Strahlenschutzverordnung zum Anlass nahm, den Konflikt zwischen Gesundheitsschutz und Chancengleichheit zu lösen, indem Frauen in Anlagen, in denen sie mit Strahlung zu tun haben, auch im Falle einer Schwangerschaft nicht auf qualifizierte Arbeitsplätze verzichten müssen. Ansonsten gilt wohl die Parole "Verbale Aufgeschlossenheit bei weitgehender Verhaltensstarre" (Ulrich Beck). Wenn Gender Mainstreaming mehr als modisches Wortgeklingel sein soll, aus dem sich hier und da ein paar Modellprojekte ergeben, muss die Top-down-Strategie durch eine engagierte frauenpolitische Basis begleitet werden. In der deutschen Frauenöffentlichkeit stößt das Konzept aber, wie bereits erwähnt, auf abwartende Skepsis. Die Berliner Philosophin Christina Thürmer-Rohr steht nicht allein mit ihrer Frage, ob nicht Feminismus als eine per se gegen den Strom gerichtete Denkweise zu sehen sei: "Mainstream ist ein erbärmliches, kein harmloses Gewässer." Nicht wenige Frauen befürchten, dass sich hinter dem neuen Konzept eine Umdeutung, wenn nicht gar die Abschaffung der Frauenpolitik verberge. Einige Entwicklungen scheinen ihnen Recht zu geben. So wird in manchen Kommunen argumentiert, man brauche jetzt keine Frauenbeauftragte mehr, da man ja Gender Mainstreaming als Konzept verankert habe. Finanzmittel und Personalressourcen für frauenspezifische Institutionen oder Projekte werden in Frage gestellt. Gender Mainstreaming und Frauenförderung schliessen sich aber keineswegs aus. Gleichstellungsbeauftragte und Frauenministerien sind mindestens so lange notwendig, bis neue Steuerungs- und Kontrollmöglichkeiten für die Implementierung des Gender-Ansatzes gefunden und etabliert sind. Das ist in der Bundesrepublik bisher kaum der Fall. Andere Länder sind weiter, beispielsweise Südafrika, wo sich 1995 Parlamentarierinnen und Frauen aus Nichtregierungsorganisationen zur "Women's Budget Initiative" zusammenschlossen. Die Initiative analysiert jährlich den südafrikanischen Staatshaushalt unter dem Aspekt, wie sich das Budget auf das Geschlechterverhältnis auswirkt. Aus dem Ergebnis leitet sie ihre Forderungen zur Re-Allokation der Finanzmittel im Sinne einer grösseren Geschlechtergerechtigkeit ab. Ähnliche Initiativen gibt es in Kanada, Australien und Sri Lanka. Die geschlechtsspezifische Perspektive auf öffentliche Haushalte und Investitionen, auf Handelsbilanzen und Finanzströme fehlt in Deutschland noch weitgehend. Dabei sind sicher nicht alle staatlichen Verwaltungen gegenüber Gender Mainstreaming so ignorant wie die Berliner Senatsverwaltung, deren Einstellung eine Verkehrsplanerin so umreißt: "Die wissen nicht, was das ist und haben daher auch keine Einwände." Internetverweis der Autorin: Externer Link: www.gender-mainstreaming.net Zit. nach Monika Barz, Gender-Mainstreaming - Eine europäische Perspektive, in: Christiane Burbach/Heike Schlottau (Hrsg.), Abenteuer Fairness. Ein Arbeitsbuch zum'Gendertraining, Göttingen 2001, S. 76. Vgl. auch das "Internetportal der Bundesregierung (www.gender-main"streaming.net). Vgl. Interview mit der Parlamentarischen Staatssekretärin Gila Altmann, in: zwd-Zweiwochendienst Frauen und Politik, (2002)183, S. 19. Christina Thürmer-Rohr auf einer Veranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung am 3. 11. 2000 in Berlin. Vgl. Engendering der Makroökonomie, in: femina politica, Zeitschrift für feministische Politik-Wissenschaft, 11 (2002) 1. Der Spiegel, (2002) 18, S. 76.
Article
Pinl, Claudia
"2021-12-07T00:00:00"
"2011-10-04T00:00:00"
"2021-12-07T00:00:00"
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/26762/gender-mainstreaming-ein-unterschaetztes-konzept/
Claudia Pinl bezweifelt, dass die weitreichenden Konsequenzen der neuen Strategie den Verantwortlichen tatsächlich bewusst sind. Es gehe doch um die Umgestaltung der Strukturen, die Ungleichheit reproduzierten.
[ "" ]
30,708
Party & Politics | bpb.de
22 Uhr - 5 Uhr Festivalzentrum (© Tante Kante) Die seit dem Frühjahr 2022 durch den Verein Offenes Haus der Kulturen veranstaltete Reihe Party & Politics verbindet zwei Welten, die ansonsten eher getrennt voneinander existieren: die anspruchsvolle politische Diskussion und die Party mit DJs oder Live-Musik. Am 7. Oktober steht der Campus Bockenheim im Fokus der Reihe. Seit über zwanzig Jahren ist die Universität auf dem Rückzug - und die Realisierung eines Kulturcampus, der hier einmal entstehen soll, ist noch in weiter Ferne. Doch in den Ritzen des vor sich hin dämmernden Campus treibt rund um das Studierendenhaus der Goethe-Universität Frankfurt ein (sub-)kulturelles und nachbarschaftliches Leben seine Blüten. Gäste verschiedener Initiativen diskutieren von 22 bis 23 Uhr über Ideen für den Campus und die Gestaltung von Räumen in der Stadt von morgen. Im Anschluss ab 23 Uhr Party mit Tante Kante und Laurine Philippe. Tante Kante Obacht! Die Tante kommt zu Besuch - jetzt noch schnell die Tischdecke bügeln und dann serviert sie euch beste Deep House, Minimal und Elektro Sounds aus den letzten drei Jahrzehnten. Früh beeinflusst durch den Techno der 90er-Jahre in Frankfurt, kehrte sie nach einer langen Pause in die Szene zurück und steht hier nun vor allem für die mutige Ambivalenz zwischen Mutterschaft und Club-Leben. Sich selbst oder all das aufgeben für die von der Gesellschaft gezeichneten Rollenbilder? Nicht bei Tante Kante. Laurine Philippe Laurine Philippe wuchs in Antwerpen auf und begann ihre musikalische Reise vor 20 Jahren in der klassischen Musik. Ihr Fokus liegt auf Vinyl sowie Italo House, Dark Disco und Techno. Laurine ist Teil des Mitte der Gesellschaft-Kollektivs und des Tanzhaus West Resident-Teams. Vor Kurzem hat sie zusammen mit Julia Meier die FLINTA*-Veranstaltungsreihe „clubcherry" ins Leben gerufen, mit dem Ziel, FLINTA*-Personen einen ,,Safer Space" und eine Plattform innerhalb der elektronischen Musikszene zu bieten. Eintritt auf Spendenbasis: 1 - 5 € (© Tante Kante) Obacht! Die Tante kommt zu Besuch - jetzt noch schnell die Tischdecke bügeln und dann serviert sie euch beste Deep House, Minimal und Elektro Sounds aus den letzten drei Jahrzehnten. Früh beeinflusst durch den Techno der 90er-Jahre in Frankfurt, kehrte sie nach einer langen Pause in die Szene zurück und steht hier nun vor allem für die mutige Ambivalenz zwischen Mutterschaft und Club-Leben. Sich selbst oder all das aufgeben für die von der Gesellschaft gezeichneten Rollenbilder? Nicht bei Tante Kante. Laurine Philippe wuchs in Antwerpen auf und begann ihre musikalische Reise vor 20 Jahren in der klassischen Musik. Ihr Fokus liegt auf Vinyl sowie Italo House, Dark Disco und Techno. Laurine ist Teil des Mitte der Gesellschaft-Kollektivs und des Tanzhaus West Resident-Teams. Vor Kurzem hat sie zusammen mit Julia Meier die FLINTA*-Veranstaltungsreihe „clubcherry" ins Leben gerufen, mit dem Ziel, FLINTA*-Personen einen ,,Safer Space" und eine Plattform innerhalb der elektronischen Musikszene zu bieten.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2022-09-18T00:00:00"
"2022-09-14T00:00:00"
"2022-09-18T00:00:00"
https://www.bpb.de/pift2022/rahmenprogramm/513089/party-politics/
Die Reihe Party & Politics verbindet zwei Welten, die ansonsten eher getrennt voneinander existieren: die anspruchsvolle politische Diskussion und die Party mit DJs oder Live-Musik.
[ "Macht der Politik", "macht Party" ]
30,709
Ergebnisse und Wahlverhalten | Wahlen in Deutschland: Grundsätze, Verfahren, Analysen | bpb.de
Die Wahlbeteiligung bei Landtagswahlen ist in der Regel geringer als bei Bundestagswahlen. Der Durchschnitt aller Landtagswahlen in Deutschland lag im Zeitraum von 2016 bis 2020 bei 64,0 Prozent und ist damit jedoch in fast allen Bundesländern kontinuierlich gestiegen. Die östlichen Bundesländer weisen im Schnitt eine deutlich niedrigere Wahlbeteiligung als die westlichen Länder auf. Bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt 2006 wurde mit 44,4 Prozent ein Negativrekord aufgestellt. Bei dieser Wahl war somit erstmals die Zahl der Nichtwählenden größer als die der Wählenden. Inwieweit bundespolitische Einflüsse für Landtagswahlen entscheidend sein können, ist in der politikwissenschaftlichen Forschung umstritten (Völkl 2009). Eine Regel besagt, dass Parteien, die auf Bundesebene an der Regierung beteiligt sind, bei Landtagswahlen oft schlechter abschneiden als die Oppositionsparteien in Berlin. Dies ist eine Folge der unterschiedlichen Mobilisierungschancen der Parteien und hat Folgen für die Wahlbeteiligung und für die Stimmverhältnisse. Während die Anhängerschaft der Regierungsparteien im Bund meist aufgrund nicht eingehaltener Wahlversprechen enttäuscht ist und am Tag der Landtagswahl vermehrt zu Hause bleibt, ist die Anhängerschaft der Oppositionsparteien besonders motiviert, ihren Unmut über die Bundesregierung an der Wahlurne zu äußern. Zudem hat sich in der Öffentlichkeit zunehmend der Eindruck verfestigt, dass Landtagswahlen immer mehr den Charakter von "Zwischen-" bzw. "Testwahlen" angenommen haben und als Stimmungsbarometer für die Bundespolitik fungieren. In der Wahlforschung wird in diesem Zusammenhang auch von einer "Wahlverflechtungsfalle" (Martin Florack / Markus Hoffmann 2006) gesprochen. Danach nehmen die Wählerinnen und Wähler eine Landtagswahl – durch den Mangel an direktdemokratischen Elementen auf Bundesebene – als einzige Chance wahr, zwischen zwei Bundestagswahlen die Arbeit der Bundesregierung durch ihr Wahlverhalten bei einer Landtagswahl zu bewerten. Dieses Verhalten wird mitunter durch das strategische Handeln politischer Akteure verstärkt, die Landtagswahlen häufig zu Abstimmungen über bundespolitische Personal- und Sachfragen ausrufen. Das Ergebnis können so ein auch auf die Bundespolitik abzielendes Wahlverhalten bei Landtagswahlen und dadurch ein durch quasiplebiszitäre Zwischenwahlen verstärkter Dauerwahlkampf auf Bundesebene sein. Die Geschichte der deutschen Landtagswahlen beweist allerdings, dass auch landespolitische Themen für einen Wahlausgang entscheidend sein können, besonders in Zeiten von Großen Koalitionen. Politikwissenschaftliche Untersuchungen bestätigen diesen Eindruck auch empirisch: So schätzen besonders die Wählerinnen und Wähler in Westdeutschland die Landespolitik für ihre Wahlentscheidung bei Landtagswahlen als deutlich wichtiger als die Bundespolitik ein (Ivar Krumpal / Heiko Rauhut 2008). Die "bundespolitische Durchdringung von Landtagswahlen" (Frank Decker / Julia von Blumenthal 2002) hat auch mit der Tatsache zu tun, dass die Landesregierungen über den Bundesrat an der Gesetzgebung des Bundes beteiligt sind. In der Vergangenheit stand der Bundesregierung im Bundesrat oftmals eine Mehrheit der Oppositionsparteien gegenüber. Diese Situation hat sich beispielsweise nach der Landtagswahl 2013 in Niedersachen ergeben. Durch den Einzug der Linken in einige westdeutsche Landtage etablieren sich auch auf der Ebene der Bundesländer immer stärker asymmetrische, changierende Fünf- und Sechsparteiensysteme mit neuer Qualität. Diese verlangen neue Formeln zur Macht: So sind bunte Zweier- und Dreierkoalitionen – von Jamaika (Schwarz-Grün-Gelb oder Schwarz-Gelb-Grün) über Kenia (Schwarz-Rot-Grün oder Schwarz-Grün-Rot) und die sogenannte Ampelkoalition (Rot-Gelb-Grün) bis Rot-Rot-Grün bzw. Rot-Grün-Rot – unter den Bedingungen von Vielparteienparlamenten und zeitgleich immer kleiner werdenden Volksparteien die Zukunft. Mitunter tun sich die Parteien aber noch schwer, auf diese neue Situation angemessen zu reagieren. Ein erstes Beispiel dafür war die politische Lage in Hessen im Jahr 2008. Durch den Einzug der Linken in den Hessischen Landtag hatten nach der Landtagswahl im Januar weder CDU und FDP noch SPD und die Grünen eine Mehrheit. Der Versuch der SPD, eine rot-grüne Minderheitsregierung unter Tolerierung der Linken zu bilden, scheiterte, sodass Ministerpräsident Roland Koch (CDU) vorerst geschäftsführend im Amt blieb. Als die Regierungsbildung im November 2008 erneut fehlschlug, einigten sich alle fünf im Hessischen Landtag vertretenen Parteien auf Neuwahlen im Januar 2009, bei der CDU und FDP gemeinsam eine sichere Mehrheit erreichten. Instabile Verhältnisse brachte auch die Landtagswahl 2010 in Nordrhein-Westfalen hervor. Hier regierte Hannelore Kraft (SPD) in einer rot-grünen Minderheitsregierung. Im Mai 2012 kam es schließlich aufgrund einer Auflösung des Landtags infolge eines abgelehnten Haushalts zu Neuwahlen, bei denen Rot-Grün eine stabile Mehrheit erzielte. Die Landtagswahl in Thüringen im Jahr 2019 ist schließlich das jüngste Beispiel. Zunächst wurde Thomas Kemmerich (FDP) mit den Stimmen von FDP, CDU und AfD zum Ministerpräsidenten gewählt. Diese Wahl läutete jedoch eine Regierungskrise ein, da erstmals ein Ministerpräsident mit den Stimmen der rechtspopulistischen AfD gewählt wurde. Kemmerich verkündete daraufhin seinen Rücktritt und Bodo Ramelow (Die Linke) wurde zum neuen Ministerpräsidenten gewählt. Er führt die erste Minderheitsregierung Thüringens an und regiert nun gemeinsam mit SPD und Grünen. In Hessen und in Baden-Württemberg regieren CDU und Grüne in einer gemeinsamen Koalition. Mit Winfried Kretschmann stellen sie in Baden-Württemberg erstmals einen Ministerpräsidenten. In Bayern regiert seit 2018 eine schwarz-orangene Koalition, bestehend aus CSU und den Freien Wählern.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2022-01-07T00:00:00"
"2021-06-28T00:00:00"
"2022-01-07T00:00:00"
https://www.bpb.de/themen/politisches-system/wahlen-in-deutschland/335657/ergebnisse-und-wahlverhalten/
Taugen Landtagswahlen als Stimmungsbarometer für den Bund? Oder sind den Wählern landespolitische Themen wichtiger? Hierzu gehen die Meinungen in der politikwisschenschaftlichen Forschung auseinander.
[ "Wahlbeteiligung", "bundespolitischer Einfluss", "Wählermobilisierung", "Stimmungsbarometer", "Zwischenwahl", "Koalition", "Regierungsbildung", "Bundesrepublik Deutschland", "Bundesländer" ]
30,710
Publikum als Zielgruppe | Deutsche Fernsehgeschichte in Ost und West | bpb.de
Frau beim Abstauben des Fernsehers. Das Fernsehpublikum gibt es nicht, jedoch spielt die sogenannte werberelevante Zielgruppe, also alle Jugendlichen und Erwachsenen zwischen 14 und 49 Jahren, eine wichtige Rolle. (© picture-alliance, Mary Evans Picture Library) Die werberelevante Zielgruppe Das Fernsehpublikum gibt es nicht. Die Zuschauer wurden schon immer nach sozialstatistischen oder demographischen Merkmalen unterschieden. Seit den 1980-er Jahren haben sich weitere Einteilungen ergeben, die vor allem mit der Einführung des privat-kommerziellen Fernsehens verbunden sind. Da sich die privaten Sender über Werbung finanzieren, spielt die sogenannte werberelevante Zielgruppe, also alle Jugendlichen und Erwachsenen zwischen 14 und 49 Jahren, eine wichtige Rolle. Die Anzahl der Zuschauer in dieser Gruppe ist für die privaten Sender die Währung gegenüber der werbetreibenden Industrie. Denn nach der Höhe der Einschaltquote und dem Marktanteil richtet sich der Preis, der für die Platzierung eines Werbespots zu zahlen ist.  Die Zielgruppe der "Babyboomer"  Die Jugendlichen und Erwachsenen zwischen 14 und 49 Jahren werden als besonders werberelevant angesehen, weil sie selbstständig über ein Budget verfügen und – so die Annahme – in ihren Kaufentscheidungen (im Gegensatz zu den Älteren) noch leicht zu beeinflussen sind. Doch die Festlegung der 14- bis 49-Jährigen als wichtigste Zielgruppe ist nicht vom Himmel gefallen. Wie so vieles im Fernsehbereich ist diese Definition eine US-amerikanische Erfindung. In den 1970er Jahren hatte das US-Network ABC, neben CBS und NBC der größte US-Sender, Probleme durch geringer werdenden Zuschauerzuspruch, durch den die Marktführerschaft ins Wanken geriet. Man überlegte, wie man den anderen Sendern überlegen sein könnte. Die Zuschauer- und Marktforscher verglichen Marktanteile und Einschaltquoten. Dabei stellten sie fest, dass der Sender nur in der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen den Konkurrenten überlegen war. Außerdem wurde für diese Gruppe ein Name gefunden, der bis heute in der Diskussion ist, obwohl die Angehörigen dieser Generation sehr viel älter geworden sind: Die Babyboomer. Nach und nach hat sich dann auch international die Ansicht durchgesetzt, dass diese Zielgruppe die wichtigste für jene Sender ist, die sich durch Werbung finanzieren.  Typenbildung nach Konsumverhalten und Mediennutzung   In den Sozialwissenschaften wird zu Beginn des 21. Jahrhunderts davon ausgegangen, dass sich die Gesellschaft nicht einfach mit Hilfe der sozialstatistischen Daten wie z. B. das Alter beschreiben lässt, sondern dass sie sich in verschiedene Lebensstile und Milieus unterteilt. Diese Erkenntnis war in der Werbe- und Marktforschung bereits länger verbreitet. In den 1960er und 1970er Jahren waren es zunächst die Zeitschriftenverlage, die Frauen als Zielgruppe bestimmten, denn damals war die Frau die wichtigste Ansprechpartnerin für die Werbung – sie brachte, so die grundlegende Annahme, das Geld unter die Leute, das der Mann verdiente.  Der Verlag Gruner + Jahr entwickelte ebenso wie der Springer- und der Burda-Verlag Typologien, die die konsumierende (Haus-)Frau beschreiben sollten. In der "Typologie der Wünsche" des Burda-Verlages aus dem Jahr 1973 wurden sechs Frauentypen beschrieben: Die "offenherzig Unbeschwerte", die "gepflegte Lebenspartnerin", die "solide Hausfrau", die "lebenslustige Hausfrau", die "alleinstehende alte Dame" und die "junge Emanzipierte". Diese Typen unterschieden sich in ihrem Konsumverhalten und in ihrer Mediennutzung. Nach diesen Typen waren dann "Marktsegmente" benannt, die für die strategische Werbeplanung von Bedeutung waren.  Modelle der Zielgruppendefinition Im Fernsehen spielen solche Zielgruppendefinitionen erst nach Einführung des Privatfernsehens eine Rolle. Die privaten Sender müssen mit ihren Programmen spezifische Zielgruppen mit besonderem Konsumverhalten ansprechen. Sie müssen ihre Werbestrategien optimieren. Allerdings ist man davon abgekommen, Typen nur nach deren Konsumverhalten zu bilden. Typen werden jetzt nach Werten und Lebenseinstellungen, zu der auch das Konsum- und Medienhandeln gehört, gebildet. Das bekannteste Modell sind die sogenannten Sinus-Milieus. Danach werden zehn Milieus unterschieden:  Frau beim Abstauben des Fernsehers. Das Fernsehpublikum gibt es nicht, jedoch spielt die sogenannte werberelevante Zielgruppe, also alle Jugendlichen und Erwachsenen zwischen 14 und 49 Jahren, eine wichtige Rolle. (© picture-alliance, Mary Evans Picture Library) Unterscheidungskriterien und weitere Typologien  Diese Milieus unterscheiden sich nicht nur nach Werten, sondern auch nach Lebens- und Konsumstil sowie Mediennutzung. Seit dem Jahr 2001 sind die Sinus-Milieus in das sogenannte AGF/GfK-Fernsehpanel integriert, mit dem die Einschaltquoten der deutschen Sender ermittelt werden.  Neben den Sinus-Milieus gibt es weitere Typologien, die Zielgruppen bestimmen, z.B. die Roper-Consumer-Styles der GfK, das Semiometrie-Modell von TNS Infratest, die Zielgruppen-Galaxie der GIM, die Medien-Nutzer-Typologie der ARD, die Typologie kindlicher Mediennutzer usw. Diese Typologien gehen alle davon aus, dass es zwar 'das' Publikum nicht gibt, aber auch nicht jeder Zuschauer einen ganz individuellen Lebens-, Konsum- und Mediennutzungsstil pflegt, sondern es letztlich in der Gesellschaft größere Gruppen gibt, die sich durch gemeinsame Wertvorstellungen, Einkommens- und Bildungsniveaus sowie Konsummuster auszeichnen. Quellen / Literatur Interner Link: Zielgruppen, Nutzertypologien Interner Link: Zielgruppen, Nutzertypologien
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2022-07-04T00:00:00"
"2017-04-03T00:00:00"
"2022-07-04T00:00:00"
https://www.bpb.de/themen/medien-journalismus/deutsche-fernsehgeschichte-in-ost-und-west/245872/publikum-als-zielgruppe/
Das Fernsehpublikum gibt es nicht. Die Zuschauer wurden schon immer nach Alter und Geschlecht, Bildung und Einkommen, Haushaltsgröße und Wohnort unterschieden. Seit den 1980er Jahren spielt die sogenannte werberelevante Zielgruppe eine wichtige Rolle
[ "Tele-Visionen", "Fernsehen", "Werbung", "Zielgruppendefinition", "werberelevante Zielgruppe" ]
30,711
Wie kann man im Internet das Persönlichkeitsrecht verletzen? | Persönlichkeitsrechte | bpb.de
Statt jemandem ins Gesicht zu sagen, was man von ihm denkt, geschieht das jetzt vermehrt in Foren oder Kommentarspalten. Boulevardzeitungen verbreiten schon seit Jahrzehnten unbefugt unvorteilhafte Aufnahmen, intime Details oder unwahre Behauptungen. Genau dafür können nun Plattformen wie Facebook, Tumblr, Twitter und so weiter missbraucht werden. Damals wie heute werden Fotos manipuliert oder negative Bewertungen beziehungsweise Kritiken veröffentlicht. Menschen werden nicht mehr wie im Mittelalter an den Pranger gestellt, sondern auf sogenannten "Racheseiten". Mit erlangten Dokumenten oder großer Schauspielkunst konnte man sich auch schon vor dem Internet als jemand anderes ausgeben. Heute besorgt man sich mal eben eine kostenlose Mail-Adresse und legt damit ein Fake-Profil an. Was sich jedoch geändert hat, sind die Umstände und damit einhergehend der wirtschaftliche und organisatorische Aufwand der Verletzungshandlung. Es ist viel einfacher geworden, Persönlichkeitsrechte zu verletzen. Man muss dafür nicht einmal mehr das Bett verlassen oder kann dank des mobilen Internets von fast jedem Ort der Welt und zu jeder Zeit tätig werden, Smartphones und Tablets machen es möglich. Außerdem ist der erforderliche Aufwand, um einen verletzenden Beitrag zu erstellen – auf welcher Internetseite oder Plattform auch immer – äußerst gering. Nach wenigen Sekunden oder Minuten ist man fertig. Viel Zeit, um über das eigene Handeln nachzudenken, nimmt man sich häufig nicht. Ganz zu schweigen von Kontrollen, wie sie beispielsweise Redaktionen praktizieren, ob nun aus rechtlicher oder moralischer Sicht. Oftmals handeln die Täter anonym oder verstecken sich hinter Benutzernamen. Sie fühlen sich sicher und unangreifbar, das lässt die Hemmschwelle zu solchen Taten deutlich absinken. Weil sie meist nicht sehen, was für Schmerzen sie ihrem Opfer zufügen, kommt kein Mitleid bei ihnen auf. So fehlt ihnen ein wichtiger Anreiz, damit aufzuhören. Hinzu kommt, dass im Internet begangene Verletzungshandlungen einen viel massiveren Schaden anrichten, als ihr analoges Pendant. Plattformen bieten zahlreiche Möglichkeiten, einen Beitrag mit seinen Follower oder eben öffentlich zu teilen. Verletzungen können sich dadurch wie ein Lauffeuer verbreiten. Gleichzeitig ist für die Opfer nicht überschaubar, wer die Anwürfe mitbekommen und jetzt ein schlechtes Bild von ihnen hat. Während Geschehnisse in der analogen Welt schnell in Vergessenheit geraten und höchstens in staubigen Archiven ruhen, bleibt die digitale Welt immer gegenwärtig. Suchmaschinen spülen jede noch so alte Geschichte in Sekundenschnelle wieder nach oben. Was einmal im Internet ist, bekommt man nur schwer wieder heraus – wenn überhaupt. Wird eine Internetseite von einem anderen Land aus betrieben, ist der Verletzer vor den deutschen Gerichten und Strafverfolgungsbehörden weitgehend sicher. Schafft es der Betroffene überhaupt einmal, dass ein Beitrag gelöscht wird, ist der Ruf damit noch nicht unbedingt gerettet. Es kann immer sein, dass ihn jemand noch auf seiner Festplatte (oder in seiner Cloud) gespeichert hat und ihn auf einer anderen Seite wieder hochlädt.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2022-02-01T00:00:00"
"2017-03-17T00:00:00"
"2022-02-01T00:00:00"
https://www.bpb.de/themen/recht-justiz/persoenlichkeitsrechte/244857/wie-kann-man-im-internet-das-persoenlichkeitsrecht-verletzen/
Persönlichkeitsbezogene Interessen wurden schon verletzt, lange bevor sie als solche definiert waren und den Menschen die sogenannten "subjektiven Rechtspositionen" zustanden. Das Internet hat daran nichts geändert. In den meisten Fällen verlagerte s
[ "Netzpolitik", "Internet", "Recht", "Ratgeber", "Persönlichkeitsrecht", "Persönlichkeitsrechte" ]
30,712
Afeefa: Good Practice-Projekt | Open Space: Engagement im Netz und vor Ort | bpb.de
Michael Hengsteler ist Rechtsanwalt und bei Afeefa zuständig für Öffentlichkeitsarbeit, Kooperationen und Rechtsfragen. Im Video stellt sie das Projekt vor. Für einen schnellen Überblick: 0:36 - Idee 1:30 - Organisation 2:28 - Arbeit 3:13 - Hürden 4:10 - Ausblick Hintergrundinformationen zum Interview Das Video ist Teil einer Serie von Projektvorstellungen im Vorlauf der Veranstaltung Open Space 2018: Engagement im Netz und vor Ort. Die Werkstatt der Bundeszentrale für politische Bildung porträtiert sechs zivilgesellschaftliche Projekte, die sich an der Schnittstelle von digitalen und analogen Strukturen für eine Gesellschaft der Vielfalt einsetzen. Mehr Informationen zur Veranstaltung Open Space 2018: Engagement im Netz und vor Ort finden Sie hier. Die anderen Videos der Serie Interner Link: finden Sie hier. Michael Hengstler ist Rechtsanwalt und bei Afeefa – Digitaler Zusammenhalt e.V. zuständig für Öffentlichkeitsarbeit und Rechtsfragen. Das Video ist Teil einer Serie von Projektvorstellungen im Vorlauf der Veranstaltung Open Space 2018: Engagement im Netz und vor Ort. Die Werkstatt der Bundeszentrale für politische Bildung porträtiert sechs zivilgesellschaftliche Projekte, die sich an der Schnittstelle von digitalen und analogen Strukturen für eine Gesellschaft der Vielfalt einsetzen. Mehr Informationen zur Veranstaltung Open Space 2018: Engagement im Netz und vor Ort finden Sie hier. Die anderen Videos der Serie Interner Link: finden Sie hier. Michael Hengstler ist Rechtsanwalt und bei Afeefa – Digitaler Zusammenhalt e.V. zuständig für Öffentlichkeitsarbeit und Rechtsfragen.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2022-01-13T00:00:00"
"2018-05-03T00:00:00"
"2022-01-13T00:00:00"
https://www.bpb.de/lernen/digitale-bildung/werkstatt/268672/afeefa-good-practice-projekt/
Afeefa – Digitaler Zusammenhalt e.V. ist ein mehrsprachiges, digitales Informationstool, dass in verschiedenen Städten Angebote zu Migration und Integration sichtbar und zugänglich macht. Eine Projektvorstellung im Vorlauf der Veranstaltung "Open Spa
[ "OpenSpace", "digital", "analog", "Engagement" ]
30,713
Digitale Spiele als Werkzeug der politischen Bildung und Demokratiearbeit | Digitale Spiele | bpb.de
Zum Teil haben digitale Spiele den Anschein der nutzlosen oder sogar gefährlichen Zeitverschwendung hinter sich gelassen. Manchen gelten sie sogar als eine der großen pädagogischen Hoffnungen des 21. Jahrhunderts. Immer wieder, immer öfter und immer selbstverständlicher taucht das Spiel(en) als Leitprinzip von Bildungsbestrebungen auf – sei es als didaktisches Werkzeug im Schulunterricht, als motivierender Aufhänger für außerschulische Lern- und Reflexionsprozesse oder als Vorlage für die Gestaltung weitreichender spielebasierter Unterrichtsstrategien. Das Gespräch über das Spiel ist dabei häufig an dessen äußeren Eigenschaften orientiert, also daran, was Außenstehende an den Spielenden (und gar nicht so sehr am Spiel selbst) erkennen können. So lässt sich beobachten, dass Spiele ganz offensichtlich ziemlich viel Spaß machen können oder feststellen, dass ihre Interaktivität ein ganz neues Rezeptionsverhalten zutage fördert. Ebenfalls von außen lässt sich erkennen, dass digitale Spiele fester Bestandteil der Lebenswelt von Kindern, Jugendlichen und inzwischen auch Erwachsenen geworden sind. Betrachtet man aber genau, wodurch sich Spiele denn nun aufgrund ihrer ganz besonderen Funktionsweise von anderen Medien unterscheiden können, wird deutlich, dass das digitale Spiel (Externer Link: sofern seine spezifischen medialen Eigenschaften auch entsprechend genutzt werden) ganz besonders dazu geeignet wäre, politische Bildungsprozesse zu ermöglichen. Darüber hinaus kann es ein Medium sein, das wie kein anderes demokratische Prinzipien greifbar und erlebbar machen kann – und zwar nicht aufgrund der jeweiligen Spielinhalte, sondern wegen seiner formalen Struktur und der spezifischen Funktionsweise des Mediums selbst. Oft bleiben diese Möglichkeiten ungenutzt – manchmal aus fehlendem Verständnis für das Medium, häufig aus kommerziellen Gründen und viel zu oft aus Bequemlichkeit. Immerhin ist es viel leichter, SpielerInnen mit unmittelbaren Belohnungen zufriedenzustellen, als ihre Überzeugungen infrage zu stellen, ihre Bereitschaft zum Diskurs und ihre Fähigkeit zu kritischem Denken zu fördern. Umso wichtiger ist es, sich diese Möglichkeiten bewusst zu machen, sei es, um jene Spiele zu erkennen, die dieses Potenzial ausschöpfen und um dieses Potenzial auch für Bildungszwecke nutzbar zu machen, sei es, um gezielt die Entwicklung solcher Spiele einzufordern oder sie vielleicht sogar selbst zu entwickeln. Digitale Spiele, die ihr medienspezifisches Potenzial ausschöpfen, können uns erlauben, unseren eigenen Zugang zu einem Thema zu finden und komplexe Systeme in all ihrer Widersprüchlichkeit zu erleben. Sie können uns ermächtigen, Strategien zur Verwirklichung unserer eigenen Interessen zu entwickeln. Ebenso wie die Bereitschaft, Gegenpositionen zu hören und zu beachten, eine unabdingbare Voraussetzung für Demokratie ist, so gibt es auch kein Spielen ohne jene strukturierte Freiheit, die wir selbst nur beanspruchen können, wenn wir sie auch anderen zugestehen. Das gilt nicht nur, wenn wir mit anderen, sondern auch wenn wir allein spielen: Die grundlegendste Erfahrung des Spiels liegt darin, dass unsere Bestrebungen auf Widerstände stoßen. Diese Widerstände werden nicht einfach ohne weiteren Aufwand aus dem Weg geräumt (das wäre Schummelei), stattdessen müssen wir uns mit ihnen auseinandersetzen, sie verstehen und Strategien entwickeln, unsere Ziele unter Einbeziehung dieser Widerstände zu erreichen. Das beginnt mit den scheinbar trivialsten Aspekten des Spiels: Mario (Super Mario Bros., Nintendo, 1985) läuft nicht einfach gemütlich in Richtung seines Ziels, er muss rechtzeitig springen, um auf die vielen Hindernisse zu reagieren, die sich ihm in den Weg stellen, und schafft damit Raum für Dinge, die seinen Interessen zunächst entgegenstehen. Schon in diesem Sinn bedeutet Spielen immer Dialog, Rücksichtnahme auf unsere Umgebung und eine grundlegende Bereitschaft zum Kompromiss. Der Beutelsbacher Konsens und das (digitale) Spiel Seit mehr als vierzig Jahren gilt der Interner Link: Beutelsbacher Konsens (vgl. Wehling 1977) als weithin anerkannter Minimalkonsens der politischen Bildung in einer demokratischen Gesellschaft. Während seine Grundprinzipien (das Überwältigungsverbot, die Forderung nach kontroverser Darstellung kontroverser Inhalte und der Ermächtigungsanspruch) grundsätzlich unabhängig von den Medien sind, mit deren Hilfe sie verwirklicht werden, so lässt sich doch eine besondere Affinität zwischen diesen Prinzipien und bestimmenden Merkmalen des Spiels feststellen. Da ist zunächst einmal der kontingente Charakter des Spiels, also der Umstand, dass im Spiel eben nicht der "eine, richtige Weg" zählt, nicht die "beste" Antwort oder die Frage, wer nun "im Recht" ist. Als Spielende können wir ausprobieren, neue Wege gehen, und zwar ganz ohne Angst davor, Fehler zu machen (vgl. Gee 2003). Im Spiel ist es nämlich gar nicht so wichtig, ob wir gewinnen oder verlieren, denn selbst dem Scheitern folgt kein schreckliches Ende, sondern die nächste Runde und damit eine weitere Chance, neue Strategien zu erproben und die Spielwelt von einer anderen Seite kennenzulernen. Wer Inhalte auf diese Weise erfahrbar macht – in Form eines Spiels, das auch wirklich Raum für das Spielen mit Gedanken, Positionen, Zugängen lässt –, läuft wohl am wenigsten Gefahr, den Erfahrenden im Sinne einer Überwältigung die eigene Position aufzuzwingen. Denn nicht zu überwältigen bedeutet ja nicht, die eigene Position möglichst sanft und behutsam anzubringen. Sondern es heißt, ganz grundsätzlich, statt fertiger Antworten (Spiel-)Raum für Fragen und eigene Positionierungen zu lassen. SchülerInnen wird so die Möglichkeit gegeben, eigene Antworten zu finden und auszuprobieren, sie vielleicht wieder zu verwerfen und dabei immer besser zu verstehen, was es bedeutet, sich einem Thema neugierig, kritisch und frei von äußerem Druck zu nähern. Dadurch kann der Modus des Spiels ganz besonders den Lehrpersonen entgegenkommen. Denn es ist ja nicht immer leicht, die eigene Überzeugung außen vor zu lassen. Das Spiel kann einen Freiraum schaffen, in dem wir uns wichtigen Themen stellen können, ohne sie ganz so wichtig zu nehmen, wie sie uns außerhalb des Spiels vielleicht sind. Die eigene, oft so schwer erkämpfte Überzeugung erscheint nicht ganz so drängend, sodass man sich auch als Lehrperson leichter auf andere Positionen einlassen kann. Hier zeigt sich die ganz besondere Kraft des digitalen Spiels: Während die Regeln des analogen Spiels von den beteiligten Personen aktiv angewendet werden müssen, schafft der Computer ein weitgehend unbestechliches Gegenüber, das es uns erlaubt, uns ganz auf das Spielen einzulassen, ohne allzu viel Energie darauf verwenden zu müssen, die "Illusion des Spiels" weiter aufrechtzuerhalten. SpielerInnen / SchülerInnen stehen gemeinsam mit der Lehrperson den Gegebenheiten der Software gegenüber, die eine künstliche Wirklichkeit erschafft, die akzeptiert, reflektiert und kritisiert, aber zunächst nicht verändert werden kann. Das hat einerseits das Potenzial, Spielerfahrungen zu ermöglichen, die nicht von Beginn an durch die Lehrperson, sondern eben durch die Software vorbestimmt sind, und macht es Lehrpersonen damit leichter, der "Realität des Spiels" gemeinsam mit den SchülerInnen zu begegnen und so die Rolle des Lernbegleiters / der Lernbegleiterin authentischer zu erfüllen. Andererseits können damit Fragen nach Autoritäten und Ideologien leichter thematisiert werden: Was sind die scheinbar unumstößlichen Bedingungen, unter denen unser Handeln im Spiel und in der Wirklichkeit möglich wird, woher kommen diese, und wie können wir Alternativen und andere Deutungsmuster entwickeln? Mit dem (potenziellen) Verzicht auf Wahrheitsanspruch und Deutungshoheit können Spiele in der Folge ermöglichen, dass an die Stelle der Vermittlung einer "Botschaft" die Erfahrung komplexer Zusammenhänge tritt. Spiele können uns erlauben, verschiedene Wege zu gehen, verschiedene Positionen auszuprobieren, in verschiedene Rollen zu schlüpfen – auch in jene, die so gar nicht unserer eigenen Persönlichkeit oder unseren Werthaltungen entsprechen. Wenn wir im Spiel die Rolle eines profitgierigen "Railroad Tycoons" (MicroProse, 1990), eines auftragsmordenden "Hitman" (IO Interactive, 2000) oder des Diktators eines Inselstaates ("Tropico", PopTop Software, 2001) übernehmen, dann sind wir deshalb noch lange keine moralisch fragwürdigen Persönlichkeiten. Ganz im Gegenteil: Der besondere Reiz dieser Spiele erschließt sich vielmehr auf der Grundlage konventioneller Moralvorstellungen. Die Perspektive, die wir im Spiel einnehmen, ist nämlich nie einseitig, sondern lebt davon, dass jede Handlung, jede Entscheidung, jede Werthaltung auf Widerspruch stößt und sich gegen Widerstände behaupten muss. Dem Tycoon steht eine Gesellschaft gegenüber, die sich gegen Ausbeutung wehrt, die Aufgabe des Meuchelmörders besteht mehr darin, der Verfolgung zu entgehen, als zu morden. Und über dem Diktator schwebt stets das Damoklesschwert des Aufstands einer Bevölkerung, die sich nicht länger unterdrücken lässt. Darin liegt die Herausforderung, die "Challenge" des Spiels. Auf jede Bewegung folgt eine Gegenbewegung, und so drängt uns das Spiel dazu, mit jeder eigenen Positionierung auch die Gegenposition mitzudenken, die dem Spiel und den Spielhandlungen erst Bedeutung gibt. Spiele können also Medien der Kontroverse sein, in denen Gegensätze und Widersprüche nicht nur möglich, sondern notwendig sind. Spiele erlauben, ja fordern, dass kontroverse Positionen kontrovers dargestellt werden. Nun können kontroverse Positionen zwar auch in anderen Medien dargestellt werden, und kaum eine Narration kommt ohne Konflikte und Kontroversen aus. Während narrative Medien aber eben nur von und über Kontroversen und Konflikte erzählen können, verlangen Spiele von uns, dass wir uns selbst in den Konflikt begeben und kontroverse Entscheidungen treffen: Sie machen Kontroversität als handlungsleitendes Motiv spürbar und erlebbar. Denn Spielentscheidungen sind nie eindeutig. Natürlich ist es etwas Gutes, wenn man sich zu Hause um das kranke Kind kümmert, aber es kann auch etwas Schlechtes sein, wenn man dadurch seinen Job riskiert und keine Medikamente mehr kaufen kann – wie im Onlinespiel "Externer Link: Spent" (McKinney, 2011). Und wenn man als ModeratorIn eines sozialen Netzwerks diskriminierende Kommentare löscht, dann kann das zwar durchaus im Sinne einer zivilisierten Diskussionskultur sein – im Einzelfall ist es aber oft gar nicht so leicht abzuwägen, ob das noch mit dem Grundsatz der Meinungsfreiheit zusammengeht, wie das "Externer Link: Moderate Cuddlefish" (bpb, 2016) zeigt. In vielen Spielen ist diese Mehrdeutigkeit und Widersprüchlichkeit nicht gleich sichtbar. Manchmal ist sie abstrakt wie in "Tetris" (Sega, 1984), wo ein Konflikt zwischen Tempo und Präzision das Spiel bestimmt. Und manchmal ist sie nur subtiler Teil der Spielerfahrung wie in vielen Shooter-Games, an deren Oberfläche der scheinbar eindeutige Auftrag steht, Gegner zu töten, anhand derer aber gleichzeitig der Konflikt zwischen Töten und dem Risiko, selbst getötet zu werden, und damit die Perpetuierung von Gewalt spürbar gemacht wird. In diesen Fällen braucht es einen umso klareren pädagogischen Rahmen, um die dahinterliegende Ambiguität sichtbar und reflektierbar zu machen. Diese Erfahrung der Uneindeutigkeit wird durch ein weiteres Wesensmerkmal des Spiels verstärkt: Spiele werden nicht erzählt, sondern gespielt. Im Spiel sehen wir nicht zu, wie jemand anderes handelt. Wir müssen selbst handeln und erleben dabei die inneren Konflikte und Gründe, die hinter diesen Handlungen stehen. Denn Spiele sagen uns nicht, was "zu tun" ist, sondern sie lassen uns spüren, wie es ist, selbst "bedeutungsvolle Handlungen zu setzen und die Folgen unserer Entscheidungen zu erleben" (Murray 1997, S. 126). Spiele können die Grundlage für jene Ermächtigung schaffen, die auch im Beutelsbacher Konsens gefordert wird. SchülerInnen soll es ermöglicht werden, politische Zusammenhänge zu verstehen, die eigene Interessenslage zu erkennen und darauf aufbauend zielgerichtete, an ihren Interessen orientierte Handlungsstrategien zur Veränderung der Situation zu entwickeln. Ein Spiel zu spielen, das bedeutet zunächst genau das: Die (Spiel-)Welt zu beobachten, um herauszufinden, wie sie funktioniert, sich Ziele zu setzen und nach Strategien zu suchen, um diese Ziele zu erreichen. Das Spiel geht sogar noch einen Schritt weiter, indem es uns erlaubt, unsere Strategien gleich auszuprobieren und die Folgen unserer Handlungen zu beobachten (und natürlich gleich wieder infrage zu stellen). Da die Entscheidungen immer unsere eigenen sind, werden wir im Spiel auch mit der Fragen der Verantwortung konfrontiert. (Digitales) Spiel und Demokratiearbeit So viel zur demokratiegerechten Auseinandersetzung mit Fragen der politischen Bildung in Form von Spielen. Aber was ist mit der Demokratie selbst? Kann das digitale Spiel vielleicht selbst die Erfahrung von Prinzipien, die für das Entstehen und Bestehen von Demokratie unverzichtbar sind, in sich tragen? Das kann es vor allem dann, wenn wir Demokratie nicht als die Herrschaft der Mehrheit über die Minderheit missverstehen, sondern als den komplexen und nie abgeschlossenen Prozess der Ausgleichsfindung zwischen verschiedenen, einander oft entgegenstehenden Interessen. Schon aus Schillers Überlegungen zum Spieltrieb als ausgleichende Kraft zwischen Gegensätzen (vgl. Pias 2007) lässt sich ableiten, dass der Wert des Spiel(en)s im produktiven Kompromiss liegt, im Zusammenführen des scheinbar Unvereinbaren und damit letztlich in der Abkehr von autoritären Diskurs- und Gesellschaftsformen. Im Spiel betreten wir einen Ausverhandlungsraum, in dem es darum geht, einen gangbaren Weg zwischen den Gegensätzen zu finden. Denn Spiele sind keine Medien der klaren Antworten, des "Ja" und "Nein", sondern des "Ja, aber …" Das Besondere am Spiel ist, wie diese Ausverhandlung stattfindet, unter welchen Bedingungen also versucht wird, einen Ausgleich herzustellen. Hier lässt sich erkennen, dass sich Spiel und Demokratie sehr ähnlich sind, ja, dass das Spiel vielleicht als Modell unserer modernen Demokratie gelten kann. So ist das Spiel ebenso wie die Demokratie nicht naturgegeben, sondern von Menschen ausgedacht, um anstelle des Rechts der oder des Stärkeren durch gemeinsame Regeln ein besseres Miteinander zu gewährleisten (vgl. Huizinga 1955). Im Spiel wie in der Demokratie bauen diese Regeln auf der Idee der Gleichwertigkeit auf: Jede Stimme soll gleich viel zählen, alle haben die gleichen Chancen auf Gewinn, und selbst wenn wir in einem Online-Roleplaying-Game wie "World of Warcraft" (Blizzard Entertainment, 2004) aus einer großen Anzahl unterschiedlicher Charakterklassen mit jeweils unterschiedlichen Fähigkeiten auswählen können, so wird im Gamedesign penibel darauf geachtet, dass diese Klassen zwar nicht gleich, aber immer gleichwertig sind. Darüber nachzudenken, wieso ein solcher Ausgleich anderen Formen der Machtverteilung vorzuziehen ist, warum zum Beispiel die Spielfiguren besonders reicher oder starker SpielerInnen nicht mehr Felder ziehen dürfen als andere, kann an sich schon ein Beitrag zu demokratischer Bewusstseinsbildung sein. Um das zu thematisieren, kann ein Blick auf die inzwischen recht häufigen "Pay2Win"-Spiele helfen (also Spiele, in denen man sich für echtes Geld Vorteile im Spiel erkaufen kann), wo genau das Gegenteil geschieht und die finanziellen Möglichkeiten des echten Lebens die Balance im Spiel verändern. Für die praktische Demokratiearbeit kann das Spiel helfen, die Grundlagen eines demokratisch orientierten Miteinanders zu erleben und zu verstehen, aber auch, diese auf der Suche nach der eigenen Werthaltung zu hinterfragen. So lässt sich selbst in digitalen Spielen, deren Regelsysteme auf den ersten Blick starr und unveränderbar wirken, leicht erkennen, dass auch diese Systeme Mechanismen der sozialen Aushandlung unterworfen sind. Das reicht von der sozialen Prägung der DesignerInnen über das Feedback der Community in Onlineforen und Petitionen bis hin zur subversiven Ermächtigung durch Externer Link: Modding oder diverse Cheating-Strategien (vgl. Consalvo 2009). Regeln sind Einschränkungen unserer Handlungsmöglichkeiten, die faires, gemeinsames – demokratisches – Handeln erst möglich machen. Das gilt so lange, wie diese Regeln nicht zu absoluten Handlungsanweisungen werden, sondern lebendiger, diskursiv veränderbarer Ausdruck gesellschaftlichen, demokratischen Zusammenwirkens sind. Spielerfahrungen können uns bewusst machen, wie stark unser Handeln von Regeln bestimmt ist und wie wichtig es deshalb ist, darauf zu achten, ob die im Spiel akzeptierten Regeln auch wirklich unsere demokratischen Überzeugungen widerspiegeln, oder ob sie Werte beinhalten, die diesen Überzeugungen widersprechen. Oder ob vielleicht ihr Zustandekommen nicht das Ergebnis eines gemeinsamen Entscheidungsprozesses ist, sondern sie von außen verordnet werden – was wieder als die Frage nach autoritären Tendenzen in Spiel und Gesellschaft thematisiert werden kann. Hürden und Hinweise Obwohl die beschriebenen Stärken des Spiels nahelegen, dass das Spiel ganz grundsätzlich das demokratische Bewusstsein der Spielenden fördern kann, sind spielbasierte Ansätze in der politischen Bildung noch keine Selbstverständlichkeit. Das liegt zum einen daran, dass nicht alle Spiele wirklich die spezifischen Möglichkeiten dieses Mediums ausschöpfen. Stattdessen fordern viele kommerziell erfolgreiche Spiele das Befolgen von Anweisungen, das Ausklammern von Bedenken und die Suche nach (Selbst-)Optimierung und sind damit mehr von autoritären als von demokratischen Prinzipien geprägt. Das ist kein grundsätzliches Hindernis für den Einsatz digitaler Spiele als Werkzeuge der politischen Bildung und Demokratiearbeit. Es stellt aber besondere Ansprüche an Lehrpersonen, die eine umfassende "Gaming Literacy" entwickeln müssen, um Spielmechaniken hinsichtlich ihrer Bedeutung für politische Bildungsprozesse bewerten und diese Prozesse kompetent anleiten zu können. Gaming Literacy Gaming Literacy (Spielkompetenz) fasst Fähigkeiten zusammen, die notwendig sind, um Spiele verstehen, bewerten und benutzen zu können. Dazu zählt das Denken in Systemen, die Bereitschaft zur spielerischen Interaktion und ein grundlegendes Verständnis dafür, wie Spieledesign Bedeutung erzeugt. Das Konzept legt nahe, dass diese Kompetenz im 21. Jahrhundert wichtig für die Medienkompetenz insgesamt wird – vergleichbar mit dem Lesen und Schreiben (vgl. Zimmerman 2008). So wie spielbasierte Lernerfahrungen kann auch politische Bildung nicht auf eine geeignete pädagogische Rahmung verzichten. Das ist fordernd für Lehrpersonen, es beinhaltet aber zumindest zwei gute Nachrichten: Erstens, dass man nicht auf die Verfügbarkeit des "perfekten" Demokratiespiels angewiesen ist, weil Lerneffekte nicht nur innerhalb des Spiels, sondern vor allem im Rahmen des pädagogischen Settings stattfinden, und zweitens, dass Lehrpersonen inzwischen auf Externer Link: bereits vorhandene Angebote und Externer Link: Anregungen zugreifen können, um ihr Verständnis des Mediums Spiel zu verfeinern und didaktische Szenarien für den Einsatz digitaler Spiele im Rahmen politischer Bildung und Demokratiearbeit zu entwickeln. Die Einbettung in eine Community führt schließlich zu einem Aspekt, von dem der (Miss-)Erfolg entsprechender Projekte abhängen kann: Bewusst oder unbewusst können Spiele (gerade weil sie formal Medien der Offenheit, der Ermächtigung und der Kontroverse sind) auch als besonders wirksame Instrumente der Manipulation missbraucht werden. Das wirksamste Gegenmittel ist die Einbettung in eine Community, die die Spiele und die pädagogischen Settings hinterfragt, insbesondere dann, wenn sich die Gefahr der Überwältigung einschleicht. Eine Gemeinschaft stärkt die Qualität politischer Bildungsprozesse, indem sie Positionen nicht unhinterfragt lässt, Gegenpositionen anbietet und die Bereitschaft zum Widerspruch und Diskurs am Leben hält. Sie muss also selbst demokratischen Grundsätzen genügen. Gaming Literacy (Spielkompetenz) fasst Fähigkeiten zusammen, die notwendig sind, um Spiele verstehen, bewerten und benutzen zu können. Dazu zählt das Denken in Systemen, die Bereitschaft zur spielerischen Interaktion und ein grundlegendes Verständnis dafür, wie Spieledesign Bedeutung erzeugt. Das Konzept legt nahe, dass diese Kompetenz im 21. Jahrhundert wichtig für die Medienkompetenz insgesamt wird – vergleichbar mit dem Lesen und Schreiben (vgl. Zimmerman 2008). Quellen / Literatur Consalvo, M. (2009). Cheating: Gaining advantage in videogames. Cambridge, MA: MIT Press. Gee, J. P. (2003). What video games have to teach us about learning and literacy. New York, NY: Palgrave / Macmillan. Huizinga, J. (1955). Homo Ludens. A Study of the Play Element in Culture. Boston, MA: The Beacon Press. Murray, J. H. (1997). Hamlet on the Holodeck. The Future of Narrative in Cyberspace. Cambridge, MA: MIT Press. Pias, C. (2007). Wirklich problematisch. Lernen von ,frivolen Gegenständen‘. In: C. Pias & C. Holtorf (Hrsg.), Escape! Computerspiele als Kulturtechnik (S. 255–269). Schriften des Deutschen Hygiene-Museums Dresden, Band 6. Köln, Weimar, Wien: Böhlau. Wehling, H.-G. (1977). Konsens à la Beutelsbach. In: S. Schiele & H. Schneider (Hrsg.), Das Konsensproblem in der politischen Bildung. Stuttgart: Ernst Klett Verlag. Zimmerman, E. (2008). Gaming Literacy: Game Design as a Model for Literacy in the Twenty-First Century. In: B. Perron & M. J. P. Wolf (Hrsg.), The Video Game Theory Reader 2 (S. 23–31). New York: Routledge. Spiele: Hitman (series) (IO Interactive, 2000–2018) Moderate Cuddlefish (bpb, 2016) Railroad Tycoon (Series) (MicroProse, PopTop Software, Firaxis Games, 1990–2006) Spent (McKinney, 2011) Tetris (Sega, 1984) Tropico (Series) (PopTop Software, Frog City Software, Haemimont Games, Limbic Entertainment, 2001–2019) World of Warcraft (Blizzard Entertainment, 2004) Consalvo, M. (2009). Cheating: Gaining advantage in videogames. Cambridge, MA: MIT Press. Gee, J. P. (2003). What video games have to teach us about learning and literacy. New York, NY: Palgrave / Macmillan. Huizinga, J. (1955). Homo Ludens. A Study of the Play Element in Culture. Boston, MA: The Beacon Press. Murray, J. H. (1997). Hamlet on the Holodeck. The Future of Narrative in Cyberspace. Cambridge, MA: MIT Press. Pias, C. (2007). Wirklich problematisch. Lernen von ,frivolen Gegenständen‘. In: C. Pias & C. Holtorf (Hrsg.), Escape! Computerspiele als Kulturtechnik (S. 255–269). Schriften des Deutschen Hygiene-Museums Dresden, Band 6. Köln, Weimar, Wien: Böhlau. Wehling, H.-G. (1977). Konsens à la Beutelsbach. In: S. Schiele & H. Schneider (Hrsg.), Das Konsensproblem in der politischen Bildung. Stuttgart: Ernst Klett Verlag. Zimmerman, E. (2008). Gaming Literacy: Game Design as a Model for Literacy in the Twenty-First Century. In: B. Perron & M. J. P. Wolf (Hrsg.), The Video Game Theory Reader 2 (S. 23–31). New York: Routledge. Spiele: Hitman (series) (IO Interactive, 2000–2018) Moderate Cuddlefish (bpb, 2016) Railroad Tycoon (Series) (MicroProse, PopTop Software, Firaxis Games, 1990–2006) Spent (McKinney, 2011) Tetris (Sega, 1984) Tropico (Series) (PopTop Software, Frog City Software, Haemimont Games, Limbic Entertainment, 2001–2019) World of Warcraft (Blizzard Entertainment, 2004)
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2022-04-20T00:00:00"
"2022-02-05T00:00:00"
"2022-04-20T00:00:00"
https://www.bpb.de/themen/kultur/digitale-spiele/504546/digitale-spiele-als-werkzeug-der-politischen-bildung-und-demokratiearbeit/
Noch sind Computerspiele Randerscheinungen in der politischen Bildungsarbeit. Dabei können sie demokratische Grundprinzipien erlebbar machen und politische Bildungsprozesse fördern.
[ "Digitale Spiele", "Politische Bildung", "Demokratie" ]
30,714
Altersgrenzen, (flexible) Altersübergänge, Alterserwerbstätigkeit | Rentenpolitik | bpb.de
Heraufsetzung der Altersgrenzen Die Festlegung der Regelaltersgrenze in der Gesetzlichen Rentenversicherung, die den Zeitpunkt des Übergangs vom Arbeitsleben in den Ruhestand markiert, hat für den Einzelnen, aber auch für die Finanzierbarkeit der Sicherungssysteme eine große Bedeutung. In Deutschland lag über viele Jahre hinweg die Regelaltersgrenze bei 65 Jahren, seit 2012 wird sie schrittweise auf 67 Jahre angehoben. Diese Erhöhung der Regelaltersgrenze lässt sich als entscheidender Schritt zur Überwindung der Frühverrentungspolitik bezeichnen, die die Situation in Deutschland seit Anfang der 1970-er Jahre geprägt hatte. Ziel war und ist es, die angesichts der fortlaufenden Erhöhung der Lebenserwartung sich verlängernde Rentenbezugsdauer zu begrenzen und zugleich dafür zu sorgen, dass die Alterserwerbstätigkeit ansteigt und damit die Beiträge länger gezahlt werden. Aber diese Veränderung im Rentenrecht bedeutet noch keineswegs, dass alle Arbeitnehmer auch tatsächlich länger arbeiten, also länger in ihrem Beruf und Betrieb bleiben. Renteneintritt und Erwerbsaustritt sind nicht identisch. Ein längerer Verbleib im Arbeitsleben setzt bei den Beschäftigten voraus, dass sie hinsichtlich ihrer physischen und psychischen Konstitution auch dazu in der Lage sind. Und die Betriebe müssen Arbeitsplätze bereitstellen und von ihrer bisherigen Frühausgliederungsstrategie abrücken. Nur wenn diese beiden Annahmen durchgängig gewährleistet sind, führt die Erhöhung des Renteneintrittsalters tatsächlich dazu, dass alle älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer später aus dem Beruf ausscheiden bzw. die Chance haben, im höheren Alter – als Arbeitslose oder als Berufswiedereinsteiger – einen neuen Arbeitsplatz zu erhalten. Alterserwerbstätigkeit Die Daten der Arbeitsmarkt- und Rentenstatistik lassen erkennen, dass die Alterserwerbstätigkeit deutlich zugenommen hat und auch das durchschnittliche Rentenzugangsalter gestiegen ist. Die weitgehende Abschaffung der vorgezogenen Altersgrenzen und die Anhebung der Regelaltersgrenze machen sich auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar. Dies betrifft die Männer und vor allem die Frauen. Aber immer noch steht in den rentennahen Altersjahren nur ein Teil der Älteren in einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Eine große Gruppe der Älteren arbeitet demnach nicht bis zur heraufgesetzten Regelaltersgrenze bzw. kann dies nicht und scheidet vorzeitig aus dem Arbeitsleben aus − sei es durch das Abdrängen in (Langzeit)Arbeitslosigkeit und/oder durch die Inanspruchnahme der vorgezogenen Altersrente mit 63 Jahren oder durch den Bezug einer Erwerbsminderungsrente. Zwischen Erwerbsaustritts- und Renteneintrittsalter schieben sich auch häufig Phasen der Nicht-Erwerbstätigkeit (passive Versicherungsverhältnisse). Solche passiven Versicherungsverhältnisse sind vor allem solche von Hausfrauen mit früher erworbenen Anwartschaften. Die Chance auf einen nahtlosen Übergang in die Rente ist je nach Berufen/Tätigkeiten, Qualifikation, Gesundheitszustand, Branche und Region unterschiedlich. Je besser der sozioökonomische Status, umso eher gelingt ein später Renteneintritt aus stabiler Beschäftigung heraus. Arbeitslosigkeit Das Risiko, arbeitslos zu werden und zu bleiben, ist ein zentrales Problem für die Älteren am Arbeitsmarkt. Zwar haben sich in den zurückliegenden Jahren die Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt insgesamt erheblich verbessert. Aber die Älteren haben von dieser positiven Entwicklung nur unterproportional profitiert. Wenn Ältere arbeitslos werden, dann haben sie sehr schlechte Chancen auf eine berufliche Wiedereingliederung. Es erweist sich als sehr schwierig, aus einer Arbeitslosigkeit heraus eine neue Beschäftigung zu finden. Die geringe Wiedereingliederungschance kommt darin zum Ausdruck, dass die Arbeitslosigkeit Älterer in der Regel über eine längere Zeit andauert. Mehr als die Hälfte aller älteren Arbeitslosen zählt zu den Langzeitarbeitslosen, d.h. ist länger als 12 Monate ohne Beschäftigung. Flexibilisierung der Altersgrenzen und gleitende Übergänge? Diese Benachteiligung Älterer auf dem Arbeitsmarkt lässt sich nicht dadurch erklären, dass mit steigendem Alter gleichsam automatisch die berufliche und gesundheitliche Leistungsfähigkeit nachlässt. Die Auffassung, dass Ältere per se weniger leistungsfähig sind, trifft nicht zu. Vielmehr kommt es zu einem Leistungswandel. Dies bedeutet aber auch, dass viele Ältere bei bestimmten, körperlich und psychisch besonders belastenden Tätigkeiten und Berufen vor Problemen stehen. Die Frage stellt sich daher, ob es nicht flexibler Altersgrenzen bedarf, die der je speziellen Situation von einzelnen Beschäftigten- und Berufsgruppen besser gerecht werden, und ob es auch in Zukunft bei dem abrupten Übergang von der Erwerbstätigkeit in den Ruhestand bleiben soll. Seit langem werden deshalb Modelle eines gleitenden Altersübergangs diskutiert. Der zentrale Gedanke bei solchen Forderungen ist einerseits, den älteren Beschäftigten mehr Wahlfreiheit hinsichtlich des Altersübergangs zu gewähren, andererseits steht dahinter auch die Überlegung, dass ein reduzierter Arbeitszeitumfang eventuellen Verschleißerscheinungen und Belastungsfolgen Rechnung tragen kann und dass die Beschäftigten auf diese Weise gesund das Rentenalter erreichen können. Aber auch für die Lebenssituation nach dem Ausscheiden aus der Erwerbstätigkeit wird in einem gleitenden Übergang ein Vorteil gesehen. Möglichkeiten eines solchen flexiblen Übergangs sind bereits vorhanden. Allerdings werden die Teilrenten kaum wahrgenommen: Wer Anspruch auf eine vorgezogene Rente hat, kann entweder die Vollrente oder eine nach der Höhe des Erwerbseinkommens abgestufte Teilrente beantragen. Mit dem noch geleisteten Arbeitsanteil bleiben Teilrentnerinnen und Teilrentner versicherungspflichtig, soweit sie nicht nur eine geringfügige Beschäftigung ausüben. Sie erwerben dadurch auch weitere Rentenansprüche. Die Teilrente eröffnet allerdings nur eine rentenrechtsinterne Wahlmöglichkeit: Die Option ist nur dann realisierbar, wenn die Betriebe für ältere Arbeitnehmer eine entsprechende Teilzeitbeschäftigung anbieten. Einen unbedingten Rechtsanspruch auf Reduzierung der Arbeitszeit am gegebenen Arbeitsplatz gibt es nicht. Dies dürfte ein Grund dafür sein, dass die Teilrente bislang keine Wirkung erzielt hat und nur von sehr wenigen Betroffenen genutzt wurde. Zudem ist es möglich, den Renteneintritt nach hinten zu verschieben. Während ältere Menschen für jeden Monat den sie vorzeitig in Rente gehen, einen Rentenabschlag von 0,3 Prozent in Kauf nehmen müssen, erhalten sie für jeden Monat den sie länger arbeiten einen Rentenzuschlag in Höhe von 0,5 Prozent. Allerdings setzt das die Zustimmung des Arbeitgebers voraus, den Arbeitsvertrag auch über das Rentenalter hinaus zu verlängern. Eine zunehmende Zahl von Arbeitnehmern übt neben dem Rentenbezug eine Nebenbeschäftigung aus. Die Höhe des Einkommens ist bei einem vorzeitigen Rentenbezug begrenzt. Aber mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze ist es ohne Begrenzung des Einkommens durchaus möglich, noch weiter zu arbeiten − selbstständig oder abhängig beschäftigt. Davon wird im zunehmenden Maße Gebrauch gemacht. Der weit überwiegende Teil dieser Personen arbeitet auf der Basis eines Minijobs. Die Gründe für die Weiterarbeit sind vielfältig: Für die einen ist das Nebeneinkommen eine notwendige Aufstockung einer niedrigen Rente. Für die anderen ist die Nebenbeschäftigung vor allem wichtig, um sozial eingebunden zu bleiben. Auf einen Blick: Altersgrenzen, (flexible) Altersübergänge, Alterserwerbstätigkeit Durchschnittliches Eintrittsalter in eine Altersrente 2000 (Männer/Frauen)62,3 / 62,2 2017 (Männer/Frauen)64,0 / 64,1 Erwerbstätigenquote im Alter 60 bis 65 Jahre Männer65,7 % Frauen53,3 % Anteil der Älteren in einem sozialversicherungspflichtigenBeschäftigungsverhältnis 60-65 Jahre40,7 % Arbeitslosenquote Älterer (55 bis unter 65 Jahre)6,3 % Anteil der Älteren an allen Arbeitslosen20,6 % Geringfügig Beschäftigte im Alter von 65 Jahren und älter964.000
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2022-01-07T00:00:00"
"2019-07-03T00:00:00"
"2022-01-07T00:00:00"
https://www.bpb.de/themen/soziale-lage/rentenpolitik/293455/altersgrenzen-flexible-altersuebergaenge-alterserwerbstaetigkeit/
Der Anspruch auf eine Altersrente hängt vom Erreichen der Altersgrenze ab. Deren Festlegung beeinflusst die Länge der Rentenbezugsdauer und die Höhe der zu erwartenden Leistungen. Ein höheres Renteneintrittsalter bedeutet auch eine Zunahme der Alters
[ "Rentenpolitik", "Rente", "Renten", "Alterssicherung", "Rentner", "Frührente", "Rentenversicherung", "Altersgrenzen", "Altersübergänge", "Alterserwerbstätigkeit", "Arbeitslosigkeit" ]
30,715
Berlin – Tag & Nacht: Fernseh-WG spielt den Wahl-O-Mat | Bewegtbild und politische Bildung | bpb.de
(© RTLZWEI) Zur Bundestagswahl 2013 spielt die bekannte WG des TV-Jugendformats den Wahl-O-Mat, das Wahltool der Bundeszentrale für politische Bildung, und kommt so auf die bevorstehenden Wahlen, die wichtigsten Themen und ihre Bedeutung zu sprechen. Für die bpb sind TV-Projekte ein wichtiger Teil der politischen Bildung. Sie entwickelt eigene Produktionen oder fördert Formate mit politisch-bildnerischen Inhalten. Die bpb orientiert sich damit an den Freizeitinteressen und Mediennutzungsgewohnheiten jüngerer Zielgruppen, um den Brückenschlag zwischen Unterhaltung und politischer Bildung zu ermöglichen. Die Folge von "Berlin – Tag & Nacht" wurde in der Sendung am 04.09.2013 bei RTLZWEI ausgestrahlt. Die Serie wird von der filmpool entertainment GmbH produziert. Externer Link: "Berlin – Tag & Nacht" bei TV Now (© RTLZWEI)
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2022-05-19T00:00:00"
"2020-05-12T00:00:00"
"2022-05-19T00:00:00"
https://www.bpb.de/lernen/bewegtbild-und-politische-bildung/tv-formate/309739/berlin-tag-nacht-fernseh-wg-spielt-den-wahl-o-mat/
Zur Bundestagswahl 2013 spielt die bekannte WG den Wahl-O-Mat und kommt so auf die bevorstehenden Wahlen, die wichtigsten Themen und ihre Bedeutung zu sprechen.
[ "Berlin Tag und Nacht", "Fernsehen", "TV", "Video", "politische Bildung" ]
30,716
Neuanfang staatlicher politischer Bildung: Die Bundeszentrale für Heimatdienst 1952–1963 | Politische Bildung | bpb.de
Im November 2012 feiert die Bundeszentrale für politische Bildung ihr 60-jähriges Bestehen. Während sich die Behörde heute – vor allem unter politisch Interessierten – einer großen Beliebtheit und eines hohen Bekanntheitsgrades erfreut, zählt ihre Gründungsgeschichte zu den eher unbekannten Kapiteln des 20. Jahrhunderts. Staatliche politische Bildung, die durch den Transmissionsriemen einer dem Ministerium unterstellten Behörde ausgeübt wird, scheint eine deutsche Besonderheit zu sein. Insofern könnte man von einem bildungspolitischen deutschen Sonderweg sprechen. Wichtig für das tiefere Verständnis der Vorgeschichte ist ein Wissen um die spezifisch deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts. Die Geschichte staatlicher politischer Bildung in Deutschland reicht zurück in die Zeit des Ersten Weltkriegs. Zu dieser Zeit hatte sie zunächst die an der Front kämpfenden Truppen propagandistisch im Blick. Ab dem Jahr 1916 gewann jedoch auch die sogenannte Heimatfront an Bedeutung. Aus den ersten Anfängen einer Einflussnahme auf die politische Stimmung innerhalb der Bevölkerung kristallisierte sich schließlich im März 1918 eine organisatorische Struktur heraus: die "Zentrale für Heimatdienst". Nach Gründung der Weimarer Republik bestand diese unter dem Namen "Reichszentrale für Heimatdienst" fort. Sie beteiligte sich unter anderem an den Abstimmungskämpfen in den ehemaligen deutschen Gebieten, indem sie (indirekt) die politische Stimmung innerhalb der Bevölkerung zu beeinflussen suchte und die Abstimmungsgebiete zum Beispiel mit Propaganda und Flugschriften belieferte. Im Kuratorium der Reichszentrale saßen Repräsentanten der im Reichstag vertretenen Parteien; so kam es, dass seit 1928 als Vertreter der NSDAP auch Joseph Goebbels Teil dieses Gremiums war. Mitte März 1933, nur wenige Tage nach Goebbels’ Ernennung zum "Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda", wurde die Reichszentrale für Heimatdienst mit der Begründung aufgelöst, dass sie überflüssig geworden sei. Ihr langjähriger, nun beurlaubter Vorsitzender Richard Strahl drückte darüber zwar sein Bedauern aus, deutlich überwog aber seine positive Resonanz auf die politische und organisatorische Umstrukturierung: Mit der Errichtung eines Reichspropagandaministeriums habe der Gedanke einer staatlichen Aufklärungsarbeit seine Kontinuität behalten und zugleich eine adäquate Organisationsform gefunden. Wettlauf um den demokratischen Neustart Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kam den Alliierten, die nun Besatzungsmächte waren, die Aufgabe zu, den Prozess der Entnazifizierung einzuleiten und die Weichen für die Demokratisierung der deutschen Gesellschaft zu stellen. Der Prozess der Demokratisierung firmierte in den vier Besatzungszonen unter den Begriffen (political) reeducation, reorientation, reconstruction (amerikanische und britische Besatzungszone), mission civilisatrice (französische Besatzungszone) und antifaschistisch-demokratische Umgestaltung (sowjetische Besatzungszone). Das deutsche Pendant – (politische) Umerziehung – war häufig negativ konnotiert. Verwendung fanden auch die Begriffe Erziehung, politische Selbsterziehung – wie im Falle von Theodor Litt – oder staatsbürgerliche Erziehung – wie im Falle von Eduard Spranger. Auf ein kohärentes Konzept der Demokratisierung hatten sich die Alliierten nicht geeinigt. Bereits wenige Monate nach dem 8. Mai 1945 differenzierten sich die verschiedenen Konzepte und Strategien aus. Der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich die Siegermächte einigten, bestand in der "Grundlegenden Richtlinie für die Demokratisierung des Bildungswesens in Deutschland". "Größtes Gewicht" sollte danach der Erziehung der deutschen Bevölkerung zu staatsbürgerlicher Verantwortung und zu einer demokratischen Lebensweise beigemessen werden. Der erste Anstoß zur Gründung einer neuen Zentrale für Heimatdienst ging vom Office of Public Affairs aus – ein auf Anregung der US-amerikanischen Militärregierung in Frankfurt am Main eingerichtetes Institut, welches Demokratiebestrebungen vorantreiben und die Selbstorganisation der deutschen Bevölkerung stärken sollte. Übersetzt wurde es als "Institut zur Förderung öffentlicher Angelegenheiten". Am 3. Oktober 1949 wandte sich der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Peter van Aubel, an das Bundeskanzleramt und berichtete, dass der Direktor des Instituts, der Mannheimer Oberbürgermeister Hermann Heimerich, eine Wiederbelebung der Reichszentrale für Heimatdienst ins Gespräch gebracht habe. Die Tatsache, dass die Errichtung einer Zentrale für Heimatdienst – noch bevor von deutscher Seite Konzeptionen vorlagen – aus dem Umfeld des Office of Public Affairs in Erwägung gezogen wurde, war von enormer Bedeutung für den Fortgang des Gründungsprozesses: Offensichtlich löste van Aubels Schreiben im Bundeskanzleramt hektische Betriebsamkeit aus, denn nur wenige Tage später bat Ministerialdirigent Hans Globke den späteren langjährigen Direktor der Bundeszentrale für Heimatdienst, Paul Franken, per Telegramm um "baldigen Besuch im Bundeskanzleramt". Franken, der zu diesem Zeitpunkt noch Direktor der Pädagogischen Hochschule in Vechta war, antwortete postwendend: "Spreche Freitag vor." Einen Monat später, am 22. November 1949, formulierte Globke in einem Begleitschreiben an Franken: Die "Unterlagen über die Zentrale für Heimatdienst übersende ich mit der Bitte, mich gelegentlich zu einer Besprechung hierüber aufzusuchen. Ich darf bitten, die Unterlagen vorläufig vertraulich zu behandeln. Mit vorzüglicher Hochachtung. Ihr ergebener Dr. Globke." Globke ergriff nicht nur hinsichtlich der entscheidenden Personalfrage bereits frühzeitig und energisch die Initiative, sondern empfahl dem Deutschen Städtetag zu Beginn des Jahres 1950, sich gegenüber den Vorschlägen des Instituts zur Förderung öffentlicher Angelegenheiten zu distanzieren: "Es ist damit zu rechnen, daß die Bundesregierung später wieder eine eigene Bundeszentrale für Heimatdienst ins Leben rufen wird. Ob sie dabei auf die vom Institut zur Förderung öffentlicher Angelegenheiten in Aussicht genommene Zentrale zurückgreifen wird, ist offen. Eine gewisse Zurückhaltung gegenüber dieser Einrichtung dürfte daher nicht schaden." Förderung des demokratischen Gedankens oder Propaganda? Die zentralen Akteure in der Gründungsphase waren Bundeskanzler Konrad Adenauer, sein Ministerialdirigent Hans Globke sowie der Staatssekretär im Bundesinnenministerium Hans Ritter von Lex. Terminologisch rekurrierten alle drei auf die (Reichs-)Zentrale für Heimatdienst, die, wie oben erwähnt, in den letzten Wochen des Ersten Weltkriegs als Pendant zur Zentrale für Frontdienst gegründet worden war. Im Vorfeld der offiziellen Gründung bestimmten kontroverse konzeptionelle Vorstellungen die Debatte, an der sich unter anderem das Bundesministerium des Innern (BMI), das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (BPA) und das Frankfurter Institut zur Förderung öffentlicher Angelegenheiten beteiligten. Unter der Überschrift "Förderung des demokratischen Gedankens" legte Carl-Heinz Lüders, der persönliche Referent des Bundesinnenministers Gustav Heinemann, im Juni 1950 die Vorstellungen seines Ministeriums hinsichtlich der Errichtung der Bundeszentrale für Heimatdienst dar. Demnach sei es nicht empfehlenswert, zur Förderung des demokratischen Gedankens die ehemalige Reichszentrale für Heimatdienst wieder ins Leben zu rufen. Lüders begründete die ablehnende Haltung des BMI gegenüber einer solchen staatlichen Zentrale damit, dass sich ihr historischer Vorläufer, die Reichszentrale, nicht bewährt habe. "Die Aufgabe der Erziehung zum demokratischen Staatsbürger", so der Wortlaut des Positionspapiers, "wurde mit der Aufgabe der Propagierung der Regierungspolitik verbrämt. Überdies erwecken die Schriften zum Teil den Eindruck, daß die Reichszentrale ungewollt den Nationalsozialismus gesinnungsmässig vorbereitet hat (Steigerung des Nationalbewußtseins, Anerkennung der Staatsautorität, Unterordnung des Einzelnen in die Gemeinschaft)." Ferner seien ihre Arbeitsmethoden verfehlt gewesen: Die Publikationen der Reichszentrale seien weder gekauft noch gelesen worden, und an den Vorträgen hätten nur politisch Interessierte teilgenommen. Das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung dagegen trat dafür ein, dass die zu errichtende Bundeszentrale für Heimatdienst Staatspropaganda betreiben solle, und versuchte – mittels einer Einflussnahme auf die personelle Besetzung –, seinen Einfluss auf Konzeption, Zielstellung, Arbeitsweise und Methoden geltend zu machen. In verschiedenen Stellungnahmen, Denkschriften und Memoranden plädierte der Amtschef für die Angliederung der Bundeszentrale an das Bundeskanzleramt beziehungsweise an das BPA selbst. Selbst nach den Debatten im Haushalts- und im Verwaltungsausschuss, wo die Weichen für eine Ressortierung im Bundesinnenministerium gestellt wurden, beharrten Vertreter des Bundespresseamts weiterhin darauf, dass eine Etatisierung der Bundeszentrale im Bundeskanzleramt sinnvoller gewesen wäre. Am 4. Oktober 1950 empfahl die Auslandsabteilung des BPA in einem Schreiben an das Bundeskanzleramt zwei Kandidaten für die Leitung einer neu zu errichtenden Bundeszentrale, darunter Bernhard Woischnik. "Herr Woischnik", so der Wortlaut des Empfehlungsschreibens an Globke, "ist aus der alten Reichszentrale für Heimatdienst hervorgegangen und als zuverlässig und sehr genau arbeitender Publizist bekannt". Woischnik war nicht nur Mitarbeiter der Reichszentrale für Heimatdienst gewesen, sondern er hatte im NS-Staat einen privaten Verlag betrieben, der auf dem Gebiet der Massenproduktion verschiedener Propagandaerzeugnisse eine Monopolstellung innegehabt hatte. So waren Plakate, Broschüren und andere Printprodukte des Goebbels-Ministeriums von der Firma Woischnik in verschiedenen osteuropäischen Sprachen gedruckt und per Bahn in die besetzten Gebiete transportiert worden, wo sie zur Propaganda eingesetzt wurden. Die Leiter des Instituts zur Förderung öffentlicher Angelegenheiten, Hermann Heimerich und Theodor Steltzer, warnten ebenso wie Innenminister Gustav Heinemann ausdrücklich vor der Orientierung am Weimarer Modell und vor der Einrichtung einer staatlichen Propagandazentrale. In Auswertung einer Informationsreise nach Großbritannien plädierte Theodor Steltzer für die Schaffung einer nicht parteipolitisch orientierten Einrichtung. Lobend erwähnte er den überaus großen erzieherischen Einfluss, "der von einem nicht parteipolitisch orientierten Informationsdienst" ausgehe und betonte dessen "versachlichende Wirkung" auf die "öffentliche Meinung und politische Diskussion". Amtliche Pressearbeit und Information, so Steltzer, müsse der sachlichen Orientierung dienen und dürfe nicht als Propaganda betrieben werden. Propaganda, so sein Fazit, "wird in Deutschland nicht mehr geglaubt und fliegt bei den Redaktionen in den Papierkorb". Weichenstellungen Parallel zu den Debatten um Konzeptionen und Methoden staatlicher politischer Bildungsarbeit wurden Personaldebatten geführt, in deren Zentrum einerseits die Frage der Leitung stand, andererseits die nach Zusammensetzung des Kuratoriums und des Beirats. Im Herbst 1950 vollzog sich innerhalb des BMI ein entscheidender Richtungswechsel: Minister Heinemann trat am 11. Oktober 1950 zurück, zwei Tage darauf wurde Robert Lehr zu seinem Amtsnachfolger im Kabinett Adenauer ernannt. Noch am selben Tag kontaktierte der persönliche Referent des Ministers, Carl-Heinz Lüders, den langjährigen Leiter der Reichszentrale für Heimatdienst, Richard Strahl, und konsultierte ihn als politischen Berater in Fragen des Aufbaus einer Bundeszentrale für Heimatdienst. Strahl – nun in der Position des Direktors des Rechnungshofes in Rheinland-Pfalz – brachte im Antwortschreiben seine Freude darüber zum Ausdruck, "dass sich maßgebliche Stellen der Bundesregierung mit dem Gedanken der Einrichtung der Bundeszentrale für Heimatdienst beschäftigen. (…) Da ich in der Reichszentrale für den Heimatdienst vom ersten bis zum letzten Tage ihres Bestehens (…) an leitender Stelle tätig gewesen bin, glaube ich, Ihnen in der Tat über Organisation und Arbeitsweise des Heimatdienstes umfassende Erfahrungen übermitteln zu können." Nach wie vor sei er ein "überzeugter Anhänger des Heimatdienstgedankens", und auch rückblickend erachte er "die angewandten Methoden im wesentlichen" für richtig. Er stellte in Aussicht, zu verschiedenen ehemaligen Mitarbeitern der Reichszentrale für Heimatdienst Kontakt aufzunehmen, um altes Material über die Zentrale aufzutreiben. Im Frühjahr 1951 schlug das BMI Strahl schließlich als Mitglied des Beirats der neuen Bundeszentrale vor. Eine Vorentscheidung zugunsten einer Ressortierung der Bundeszentrale im Bereich des BMI fiel in der Kabinettssitzung vom 11. September 1951: Adenauer brachte zum Ausdruck, dass er sich darüber sorge, dass sich die Bevölkerung "in steigendem Masse der Demokratie und der Politik der Bundesregierung entfremde. Ich bemerkte, die Erziehung des Volkes zum demokratischen Gedanken sei Aufgabe der künftigen Bundeszentrale für Heimatdienst. Die Aufklärung der Bevölkerung über die Politik der Bundesregierung sei Sache des Presse- und Informationsamtes." Auf Initiative des Innenministers bestätigte der Kanzler bis Jahresende 1951, dass die Bundeszentrale vom BMI zu errichten und zu beaufsichtigen sei. Bis zur offiziellen Gründung dauerte es jedoch noch ein Jahr, das geprägt war von zähen Auseinandersetzungen um rechtliche Grundlagen und um die Besetzung von Gremien. Ein Kandidat für die Leitung der Bundeszentrale für Heimatdienst war bereits seit Oktober 1949 der Historiker Paul Franken. Franken war seit 1930 stellvertretender beziehungsweise seit 1932 Hauptgeschäftsführer des Kartellverbandes katholischer deutscher Studentenvereine (KV) gewesen, bis dieser Ende März 1936 aufgelöst wurde. Beim KV hatte er Bekanntschaft mit Konrad Adenauer gemacht, mit dem er fortan engen Kontakt hielt. Im Frühjahr 1933 war Franken der NSDAP beigetreten, wurde jedoch im Mai 1938 wegen eines Verdachts des Vergehens gegen das "Heimtückegesetz" ausgeschlossen. Zwischen November 1937 und Januar 1939 war er in staatspolizeilicher "Schutzhaft"; zu einem Strafverfahren kam es jedoch nie. Nach seiner Haft wurde Franken – getarnt als Lehrer an der Deutschen Schule – in Rom für das Amt Ausland/Abwehr des Oberkommandos der Wehrmacht tätig: Im Dezember 1942 teilte er Adenauer mit, dass "er in militärischem Auftrag nach Rom gehen müsse. Er habe nur die Wahl zwischen dem Konzentrationslager oder Annahme dieses Auftrages." Das preußische Kultusministerium habe ihn zur Deckung seiner dortigen Tätigkeit mit der Arbeit im Deutschen Historischen Institut in Rom betraut. In Rom war Franken an den sogenannten vatikanischen Gesprächen beteiligt, die von Admiral Wilhelm Canaris (bis 1944 Leiter des Amtes Ausland/Abwehr) und Generalmajor Hans Oster initiiert worden waren, um über den Vatikan heimlich mit den Alliierten in Kontakt treten zu können, ohne sich des Landesverrats verdächtig zu machen. Frankens Beitritt zum Amt Ausland/Abwehr und sein Aufenthalt in Rom blieben über Jahrzehnte hinweg – bis zu seiner Pensionierung – in der Fachliteratur weitgehend unerwähnt. Franken, der zu jenem Zeitpunkt Geschichtswissenschaft an der Pädagogischen Hochschule in Vechta lehrte, knüpfte die Übernahme der Leitung der Bundeszentrale an die Bedingung, dass diese Dienststelle überparteilich aufgebaut sein müsse und auch so zu arbeiten habe. Gründungserlass und Aufbau Am 7. Oktober 1952 stimmte das Bundeskabinett schließlich einer Vorlage des Bundesinnenministers zu; der Erlass des BMI über die Errichtung der Bundeszentrale für Heimatdienst erging am 25. November 1952. Laut Erlass handelte es sich bei der Bundeszentrale um eine "nicht-rechtsfähige Bundesanstalt", deren Aufgabe darin bestehe, "den demokratischen und den europäischen Gedanken im deutschen Volke zu festigen und zu verbreiten". Avisiert war die Berufung eines Beirats zur Beratung der Bundeszentrale und die Einrichtung eines Kuratoriums bestehend aus 15 Abgeordneten des Deutschen Bundestages zur Überwachung der überparteilichen Haltung. Die Gründungsreferenten der Bundeszentrale für Heimatdienst nahmen bereits elf Monate vor dem offiziellen Gründungserlass ihre Tätigkeit auf. Ausgehend von ihrer konzeptionellen Arbeit wurden im Laufe der folgenden Jahre die verschiedenen Referate aufgebaut. Im Jahr 1955 gab es bereits zehn, unter anderem "Periodische Publizistik", "Film und Funk", "Das Parlament" sowie das von Paul Franken geleitete Referat "Politik und Zeitgeschehen". Weitere Referate waren zuständig für die Publikationen der Bundeszentrale (Referat "Verlagswesen") oder pflegten den Kontakt zu Verbänden und Bewegungen. Neben den rund elf Fachreferenten unterstützten zahlreiche freie Mitarbeiter die Arbeit der Bundeszentrale. Die Leitung des Referats "Fachaufsicht der Bundeszentrale" (Ref. I B 6) im BMI übernahm bis 1956 Carl-Heinz Lüders. Auseinandersetzung mit dem Kommunismus Eine der zentralen Fragen, mit denen sich die Fachaufsicht im BMI von Beginn an beschäftigte, war die der Abgrenzung der Aufgaben der Bundeszentrale für Heimatdienst gegenüber denen des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen (BMG). Aus zwei Gründen war die geistige Auseinandersetzung mit dem Kommunismus nicht explizit in den Gründungserlass der Bundeszentrale für Heimatdienst aufgenommen worden: Erstens war die KPD von 1949 bis 1953 im Deutschen Bundestag und in zahlreichen Landtagen vertreten, weshalb an diesem Punkt Zugeständnisse gegenüber der kommunistischen Strömung gemacht wurden; zweitens wurde das BMG explizit damit beauftragt, sich mit der DDR sowie der Theorie und Praxis des Bolschewismus auseinanderzusetzen und die entsprechende Öffentlichkeitsarbeit und Propaganda zu betreiben. Demnach sollte die Bundeszentrale für Heimatdienst in diesem Bereich nur dann tätig werden, wenn es um eine Kontrastierung von kommunistischen und demokratischen Strömungen ging. So empfahl auch Fachaufsichtsleiter Lüders der Bundeszentrale, dass sie sich auf ihre eigentlichen Aufgaben, "die Werbung für den demokratischen und europäischen Gedanken", beschränken solle. Dessen wirksame Förderung komme jedoch nicht umhin, sich mit seinen Gegensätzen, dem kommunistisch-diktatorischen System beziehungsweise der "nationalistische(n) Zersetzungspropaganda des Ostens", zu beschäftigen. Im März 1955 vollzog sich ein Paradigmenwechsel: Staatsminister Ritter von Lex, der von 1951 bis 1956 an dem Karlsruher Verbotsprozess gegen die KPD als Leiter der Prozessdelegation der Bundesregierung teilgenommen hatte, berichtete auf der Sitzung des Kuratoriums der Bundeszentrale am 21. März 1955 über seine Eindrücke von diesem Prozess und beauftragte die Bundeszentrale für Heimatdienst offiziell damit, sich ab sofort des Themas "Infiltration kommunistischer Publikationen in der Bundesrepublik" anzunehmen. Die wachsende Bedeutung der "Psychologische(n) Abwehr des Kommunismus", mit der die Bundeszentrale 1955 offiziell beauftragt wurde, verfestigte sich im Laufe der folgenden Jahre. Während die Auseinandersetzung mit dem NS-System und mit der Shoah in den ersten Jahren der Bundeszentrale für Heimatdienst eine bedeutsame Rolle spielte, wurde ab Mitte der 1950er Jahre der kritischen Auseinandersetzung mit dem Kommunismus (SBZ, DDR, Theorie und Praxis des Kommunismus/Bolschewismus) eine größere Bedeutung beigemessen. So heißt es im September 1958 in einem Schreiben des BMI: "In der Zukunft wird die Bundeszentrale in vorsichtiger Form noch mehr Mittel für diesen Zweck einsetzen, da die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und die Thematik Judentum nicht mehr so stark im Vordergrund zu stehen braucht wie in den Zeiten des Aufbaus der Bundesrepublik." Dieser Paradigmenwechsel mündete bereits 1957 in die Gründung des Ostkollegs der Bundeszentrale für Heimatdienst. Die Debatten im Vorfeld und die divergierenden konzeptionellen Ideen und Konzepte absorbierten jahrelang einen Großteil ihrer Ressourcen. Streitfälle und Einschränkung der Autonomie Während die Bundeszentrale für Heimatdienst bis 1960 über Projekte im Umfang von bis zu 30.000 DM selbst entscheiden konnte – Projekte über 30.000 DM waren seit dem 25. März 1954 genehmigungspflichtig – und auch hinsichtlich der von ihr herausgegebenen Publikationen eine weitgehende Autonomie besaß, änderte sich dieses Arrangement acht Jahre nach ihrer Gründung. Von Seiten des BMI erging am 12. August 1960 ein Erlass mit folgendem Inhalt: Die Bundeszentrale wurde dazu aufgefordert, künftig Entwürfe folgender Publikationen "ohne Rücksicht auf den späteren Kostenaufwand" dem BMI zur Prüfung vorzulegen: Dies betraf die Zeitschrift "Aus Politik und Zeitgeschichte" (APuZ), die schon damals als Beilage zur Wochenzeitung "Das Parlament" erschien, die Bücher in der von der Bundeszentrale herausgegebenen Schriftenreihe, die "Informationen zur politischen Bildung" sowie weitere Massenpublikationen, sofern in ihnen zeitgeschichtliche oder politisch aktuelle Fragen behandelt wurden. Vorzulegen waren ferner jene Publikationen, deren Druckkosten die Bundeszentrale bezuschussen oder von denen sie ein bestimmtes Kontingent aufzukaufen beabsichtigte. Erforderlich war laut Erlass die frühzeitige Vorlage der Manuskripte, um bei der anschließenden Auslieferung Verzögerungen auszuschließen. Entsprechend der Weisung musste fortan jedem Manuskript eine ausführliche Stellungnahme der Bundeszentrale beigefügt werden, in der sowohl die positive Bedeutung der Publikation zu würdigen war, als auch alle Bedenken, die gegen eine Veröffentlichung sprechen, vorgetragen werden mussten. Nicht nur für die Mitarbeiter der Bundeszentrale, sondern auch für die Presse war offensichtlich, dass die Einführung einer generellen Genehmigungspflicht den Handlungsspielraum der Bundeszentrale merklich einschränkte. Doch was hatte das BMI zu diesem Schritt veranlasst? Wie im Folgenden dargestellt wird, war die Weisung des BMI eine Reaktion auf zwei Beiträge, die in der Schriftenreihe beziehungsweise in APuZ erschienen waren. Im September 1956 veranstaltete die Bundeszentrale in der Grenzakademie Sankelmark eine Tagung zum Thema "Die Praxis der politischen Bildung in der Volksschule". Unter dem Titel "Der Beitrag des Geschichtsunterrichts zur politischen Bildung" hielt auch die Hochschullehrerin Renate Riemeck einen Vortrag, der in die 1957 erschienene Tagungsdokumentation aufgenommen wurde. Im Juli 1960 folgte der Protest des Bundesministers für Gesamtdeutsche Fragen, Jakob Kaiser: "Spätestens seit dem Frühjahr 1957 ist Frau Riemeck als erbitterte Gegnerin nicht nur der Bundesregierung und der sie tragenden politischen Kräfte, sondern der freiheitlich-demokratischen Ordnung der Bundesrepublik überhaupt hervorgetreten. Es sei nur erinnert an ihre führende Tätigkeit in der kommunistisch unterwanderten 'Aktionsgemeinschaft gegen die atomare Aufrüstung in der Bundesrepublik‘, im 'Deutschen Klub 54‘, im 'Fränkischen Kreis‘, im 'Schwelmer Kreis‘ und an ihre Mitarbeit an Publikationen wie 'Die Andere Zeitung‘, 'Deutsche Volkszeitung‘ (Bund der Deutschen) und 'Blätter für deutsche und internationale Politik‘ – Organisationen und Presseerzeugnisse, von denen sich alle tragenden politischen Kräfte der Bundesrepublik einschließlich der sozialdemokratischen Opposition eindeutig distanziert haben." Neben den Ereignissen in Zusammenhang mit Riemeck stellte der Anstieg antisemitischer Anschläge und Straftaten in den Jahren 1959/1960 die Bundeszentrale vor neue Herausforderungen. Für Furore sorgte insbesondere ein Artikel, der vom Leiter des Referats "Psychologie" der Bundeszentrale für Heimatdienst, Walter Jacobsen, in APuZ veröffentlicht wurde: "Die Vergangenheit mahnt – Wille, Wege und Wagnis zur Bewältigung". Jacobsen verfasste seinen Text Ende 1959 "im Anschluss an die Kölner Vorgänge am Weihnachtsabend". An eben diesem, in der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember 1959, war die kurz zuvor neu eingeweihte Kölner Synagoge in der Roonstraße mit Hakenkreuzen beschmiert worden – ein Anschlag, der im Nachhinein als Auftakt zur antisemitischen Schmierwelle des kommenden Jahres gewertet wurde. Die Fernsehansprache, mit der sich Adenauer kurz darauf, am 16. Januar 1960, an die Bundesbürger wandte, stand unter dem Motto "Im deutschen Volk hat der Nationalsozialismus keine Wurzel". Darin forderte der Bundeskanzler ein scharfes Vorgehen der Justiz und empfahl seinen Mitbürgern: "Wenn Ihr irgendwo einen Lümmel erwischt, vollzieht die Strafe auf der Stelle und gebt ihm eine Tracht Prügel. Das ist die Strafe, die er verdient." In seinen "Gedanken zu den neuen antisemitischen Exzessen und zu Gegenmaßnahmen" spielte Jacobsen implizit auf Adenauers Fernsehansprache an und wies darauf hin, dass es weder zur Beruhigung der innerdeutschen Öffentlichkeit noch des Auslands ausreiche, wenn die "zahlreich auftretenden Eruptionen des Taten- und Geltungsdranges als Rowdytum oder Flegelei 'erklärt‘" würden. Es gebe schließlich benennbare Gründe, warum die Straftäter ausgerechnet auf Symbole wie das Hakenkreuz zurückgriffen oder "Juden-raus"-Rufe skandierten. Als Wurzel des Übels betrachtete Jacobsen den noch nicht völlig überwundenen Nationalsozialismus. Der Antisemitismus beziehungsweise die antisemitische Parole sei lediglich eine Ausdrucksform dessen und habe die Funktion, Vorurteile zu aktualisieren. Demnach müssten Erziehungsmaßnahmen darauf ausgerichtet sein, die Abkehr vom Nationalsozialismus, vom Autoritarismus und Nationalismus voranzutreiben, denn ein verbreiteter Nationalismus bediene sich auch häufig antisemitischer Parolen. Jacobsen war damit einer der ersten Mitarbeiter aus dem Umfeld der Bundeszentrale für Heimatdienst, die das Problem der Beteiligung der Bevölkerung und der fortbestehenden Mentalitätsbestände thematisierte und versuchte, daraus Konsequenzen für die politische Bildung abzuleiten. Der Bundesinnenminister Gerhard Schröder und der Staatssekretär des Innern, Hans Ritter von Lex, protestierten heftig gegen Jacobsens Ursachenanalyse. Lex missbilligte "derart überspitzte und gleichzeitig verallgemeinerte Thesen in einer bundesoffiziellen Publikation". Es sei unerträglich, so führte er in einem Vermerk aus, "in einer bundesoffiziellen Publikation von 'Hitler in uns‘ und von 'Schizophrenie in unserem Volk‘ zu sprechen und dadurch die These von der kollektiven Mitschuld und damit von der Kollektivschuld des deutschen Volkes zu unterstützen". Franken solle in seiner Funktion als Leiter der Bundeszentrale und Verantwortlicher für deren Publikationen zur Rechenschaft gezogen werden. Umbenennung 1963 Vor dem Hintergrund der hier skizzierten Auseinandersetzungen um Riemeck und Jacobsen wurde nicht nur der Handlungsspielraum der Bundeszentrale für Heimatdienst wie oben geschildert merklich eingeschränkt, sondern auch ihre Umstrukturierung vorangetrieben: Eine "Kommission zur Beratung der Bundesregierung in Fragen der politischen Bildung" wurde ins Leben gerufen, eine "Unterkommission ‚Bundeszentrale für Heimatdienst‘" befasste sich speziell mit der politischen Ausrichtung der Bundeszentrale für Heimatdienst. Auf ihrer Sitzung am 14. März 1962 erarbeitete diese Unterkommission Empfehlungen für die künftige Arbeit der Bundeszentrale und des Ostkollegs. Die Unterkommission empfahl unter anderem auch eine Namensänderung. Begründet wurde dies damit, dass die nur "historisch zu erklärende" Bezeichnung "Heimatdienst" dem "nicht Eingeweihten" unverständlich bleiben müsse und wenig Vertrauen erwecke. Der Begriff "Heimatdienst" werde ferner häufig als "Hinweis auf eine Vertriebenenpolitik" missverstanden. Die Empfehlung der Unterkommission lautete: "Die Worte 'politische‘ oder 'staatsbürgerliche Bildung‘ sollten im Namen enthalten sein." Schließlich erfolgte am 1. Juni 1963 – elf Jahre nach ihrer Gründung – die Umbenennung in "Bundeszentrale für politische Bildung". Rückblickend wurde die veränderte Namensgebung auch damit begründet, dass die Wirksamkeit der "politischen Bildungsarbeit in der klaren und eindeutigen Identifikation des Staates mit dieser Aufgabe" liege. Während im Gründungsjahr der Bundeszentrale Überlegungen dafür sprachen, die "Tradition der Reichszentrale für Heimatdienst bis in die Namensgebung hinein zu verfolgen", hätten sich die Gegebenheiten inzwischen verändert. Es wäre jedoch vorschnell, aus der 1963 erfolgten Umbenennung ableiten zu wollen, dass sich die Bundeszentrale aufgrund des Wandels der Terminologie auch konzeptionell grundlegend gewandelt habe. Solche Veränderungen fanden erst unter dem Einfluss der Studenten- und Protestbewegungen ab 1967 statt, die auch bei der Bundeszentrale einige Spuren hinterließen. Vgl. Gudrun Hentges, Staat und politische Bildung. Von der Zentrale für Heimatdienst zur Bundeszentrale für politische Bildung, Wiesbaden 2013 (i.E.). Vgl. Klaus Wippermann, Politische Propaganda und staatsbürgerliche Bildung. Die Reichszentrale für Heimatdienst in der Weimarer Republik, Bonn 1976, S. 414f. Vgl. Theodor Litt, Die politische Selbsterziehung des deutschen Volkes (Schriftenreihe der Bundeszentrale für Heimatdienst, Heft 1), Bonn 1953. Vgl. Eduard Spranger, Gedanken zur staatsbürgerlichen Erziehung (Schriftenreihe der Bundeszentrale für Heimatdienst, Heft 26), Bonn 1957. Grundlegende Richtlinie für die Demokratisierung des Bildungswesens in Deutschland (Direktive Nr. 54 des Alliierten Kontrollrats vom 25.6.1947), in: Hans Ulrich Grunder/Friedrich Schweitzer (Hrsg.), Texte zur Theorie der Schule. Historische und aktuelle Ansätze zur Planung und Gestaltung von Schule, Weinheim–München 1999, S. 167f. Vgl. BA Koblenz, B 136/5893, Anlage zum Schreiben des Deutschen Städtetages (Dr. van Aubel) an das Bundeskanzleramt z.H. des Legationsrates Blankenhorn, 3.10.1949. Unklar ist, ob der Vorschlag von den Amerikanern lanciert wurde oder auf Heimerichs Überlegungen zurückgeht. BA Koblenz, B 136/5893, Telegramm von Hans Globke an Paul Franken, 19.10.1949. BA Koblenz, B 136/5893, Telegramm von Paul Franken an Hans Globke, 19.10.1949. BA Koblenz, B 136/5893, Schreiben von Hans Globke an Paul Franken, 22.11.1949; Archiv der Konrad-Adenauer-Stiftung, Nachlass Paul Franken, I 013 002/3, Globke an Franken, 22.11.1949. BA Koblenz, B 136/5893, Vertrauliches Schreiben von Hans Globke an den Deutschen Städtetag (z. Hd. v. Dr. van Aubel), 4.1.1950. BA Koblenz, B 106/28441, "Förderung des demokratischen Gedankens" – Verwendung des Fonds über 250.000,– DM aus Kapitel 25, verfasst von Lüders, persönlicher Referent des Innenministers, 22.6.1950. Ebd. BA Koblenz, B 136/5893, Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Auslandsabteilung, Dr. Böx) an Ministerialdirektor Globke, 4.10.1950 Vgl. Ortwin Buchbender, Das tönende Erz. Deutsche Propaganda gegen die Rote Armee im Zweiten Weltkrieg, München 1978, S. 33ff. BA Koblenz, B 106/3242, Theodor Steltzer, Reisenotiz über den englischen und deutschen Informationsdienst, 17.4.1951, S. 1f. BA Koblenz, B 136/5893, Dr. Strahl, Direktor beim Rechnungshof von Rheinland-Pfalz, an Herrn Regierungsdirektor Dr. Lüders, BMI, betr.: Ihr Schreiben vom 13.10.1950, 18.10.1950. BA Koblenz, B 106/34257, Personalien für den Brain Trust in Aussicht genommene Persönlichkeiten, o.D. (vermutlich 3.5.1951). BA Koblenz, B 106/21601, Staatssekretaer I an BMI, 29.9.1951 (Hervorhebungen im Original). Bundesarchiv Berlin (ehem. BDC), Partei Kanzlei Korrespondenz, Der Ortsgruppenleiter Holtschoppen an Franken, 23.5.1938; Mitgliedschaftsamt an Gauschatzmeister des Gaues Düsseldorf der NSDAP, Herrn Heinrich Pungs, 10.1.1939. Archiv der Konrad-Adenauer-Stiftung, Nachlass Paul Franken, I 013 001/4, Lebenslauf (Bestandteil des Fragebogens des Dr. Paul Franken), o.D., S. 2; ebd. I 013 003/2, Interview mit Franken (geführt von Dr. Gotto und Dr. Krone). Archiv der Konrad-Adenauer-Stiftung, Nachlass Paul Franken, I 013 001/4, Bescheinigung von Adenauer für Franken, 14.5.1946. BA Koblenz, B 145/1583, Aufzeichnung einer Unterredung (30.1.1952) zwischen Glaesser und Franken, 31.1.1952. BA Koblenz, B 106/28441, Vermerk über das Ergebnis der Kabinettssitzung, 7.10.1952. Vgl. Interview mit Carl-Christoph Schweitzer, Die Aufklärung über das Dritte Reich hat mit der Bundeszentrale begonnen, in: Das Parlament, Nr. 35–37 vom 27.8.2012. BA Koblenz, B 106/3253, Anlage 2, Abgrenzung der Zuständigkeit der Bundeszentrale für Heimatdienst, gez. v. Lüders, o.D. BA Koblenz, B 106/3275 (2), Bundeszentrale für Heimatdienst an Bundesminister des Innern (von Hahn an BMI), 30.3.1955. Von den insgesamt 57 Publikationen, die bis 1963 in der Schriftenreihe der Bundeszentrale für Heimatdienst erschienen, thematisierten 16 Bände den Nationalsozialismus, davon sechs den militärischen Widerstand des 20. Juli 1944 (Bde. 5, 6, 7, 8, 14, 17) und sieben Veröffentlichungen die Ausgrenzung, Ghettoisierung und Ermordung der europäischen Juden (Bde. 2, 9, 32, 34, 36, 51, 59). Neun Titel standen unter dem Vorzeichen des Antikommunismus und befassten sich mit der kommunistischen Theorie und Praxis (Bde. 13, 16, 21, 22, 40, 41, 42, 44, 45). Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.), Gesamtverzeichnis der Veröffentlichungen 1952–1992, Bonn 1992. BA Koblenz, B 106/3275 (2), Betr. Psychologische Abwehr des Kommunismus, 12.9.1958. BA Koblenz, 106/54032, BMI an die Bundeszentrale, betr.: Weisung an die Bundeszentrale für Heimatdienst zur Vorlage aller Entwürfe von Publikationen vor Drucklegung, 12.8.1960. BA Koblenz, B 106/28441, Der Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen an den Bundesminister des Innern, z. Hd. v. Staatssekretär Ritter von Lex, betr.: Schriftenreihe der Bundeszentrale für Heimatdienst, Nr. 28: "Die Praxis der politischen Bildung in der Volksschule", gez. Thedieck, 18.7.1960. Walter Jacobsen, Die Vergangenheit mahnt – Wille, Wege und Wagnis zur Bewältigung, in: APuZ (1960) 27, S. 429–435, hier: S. 435. Konrad Adenauer, zit. nach: Ute Schmidt, Die CDU, der Nationalsozialismus und der Holocaust, in: Werner Bergmann/Rainer Erb/Albert Lichtblau (Hrsg.), Schwieriges Erbe. Der Umgang mit Nationalsozialismus und Antisemitismus in Österreich, der DDR und der Bundesrepublik Deutschland, Frankfurt/M. 1995, S. 65–101, hier: S. 99, Anm. 63. W. Jacobsen (Anm. 31), S. 429. BA Koblenz, B 106/21603, Staatssekretär I an Abteilungsleiter I, 11.7.1960. BA Koblenz, B 106/21647, Entwurf der Empfehlungen der Unterkommission "Bundeszentrale für Heimatdienst" für die künftige Arbeit der Bundeszentrale und des Ostkollegs, 14.3.1962. BA Koblenz B 106/21222, Tätigkeitsbericht der Bundeszentrale für politische Bildung, 31.1.1964.
Article
, Gudrun Hentges
"2021-12-07T00:00:00"
"2012-11-06T00:00:00"
"2021-12-07T00:00:00"
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/148220/neuanfang-staatlicher-politischer-bildung-die-bundeszentrale-fuer-heimatdienst-1952-1963/
Nach mehrjährigen Auseinandersetzungen über Konzeption, Personal und Ressortierung wurde im November 1952 die Bundeszentrale für Heimatdienst gegründet. Elf Jahre später wurde sie umbenannt in Bundeszentrale für politische Bildung.
[ "Bundeszentrale für politische Bildung", "Bundeszentrale für Heimatdienst", "politische Bildung" ]
30,717
Aktueller Antisemitismus | Antisemitismus | bpb.de
Im Sommer 2014 waren anlässlich des Gaza-Konflikts auf anti-israelischen Demonstrationen in vielen deutschen Städten antisemitische Parolen wie "Jude, Jude, feiges Schwein!" (Berlin), oder "Stoppt den Judenterror!" (Essen) zu hören. Im Internet gab es Tausende von Twitter- und Facebook-Kommentaren wie "jüdische Zionisten-Nazis!". Die israelische Botschaft erhielt täglich Hunderte von E-Mails, in denen der "jüdische Staat als übelster Unrat" und Juden wie Israelis gleichermaßen als "Kindermörder", "Verbrecher" und "teuflische Unholde" beschimpft wurden. Aufforderungen wie "Tötet alle Zionisten!" und Gewaltfantasien wie beispielsweise "Irans Bombe auf den jüdischen Verbrecherstaat!" wurden im World Wide Web, insbesondere in den Sozialen Medien, die mittlerweile der primäre Umschlagplatz von judeophobem Gedankengut im Internet sind, artikuliert und multipliziert. Die Äußerungen machen die zugrundeliegenden mentalen Strukturen der Sprachbenutzer transparent und geben Einblick in deren geistige Vorstellungwelt und emotionale Einstellung. Es zeigt sich, dass trotz aller Aufklärungsarbeit nach dem Holocaust immer noch seit Jahrhunderten tradierte judeophobe Sprach- und Argumentationsmuster reproduziert werden - und zwar gesamtgesellschaftlich in allen sozialen Schichten und politischen Gruppierungen der Bevölkerung. Diese Muster sind tief im kommunikativen Gedächtnis verankerte Bestandteile des abendländischen Gedanken- und Gefühlssystems, in dem Judenfeindschaft normal und habituell war. In diesem Weltdeutungs- und Glaubenssystem sind Juden als das ultimativ Andere (und prinzipiell Schlechte) konzeptualisiert. Heute lassen Wörter, Phrasen und Sätze, die in den letzten Jahren tausendfach artikuliert in E-Mails an den Zentralrat der Juden, die israelische Botschaft oder auf Internet-Seiten kommuniziert wurden, diese Basis-Konzeptualisierung sprachlich zum Vorschein kommen: Dort werden Juden zum Beispiel als "Weltenübel", "das Schlimmste, was Gott der Menschheit angetan hat", "übelster Unrat" und "Abschaum der Erde" beschimpft. Empirische Langzeitstudien zur Sprache der aktuellen Judenfeindschaft zeigen, dass in den vergangenen zehn Jahren die Tabuisierungsschwelle für Verbal-Antisemitismen gesunken ist. Sie zeigen auch, dass insbesondere im Internet kontinuierlich (auch in De-Eskalationsphasen, also Phasen, in denen keine aktuellen Krisen im Nahostkonflikt zu verzeichnen sind) judenfeindliches Gedankengut in alltäglichen, nicht extremistischen Diskursräumen verbreitet wird. Parallel dazu zeigt sich die Tendenz, aktuellen Antisemitismus in seiner besonders frequenten Manifestationsvariante des Anti-Israelismus zu leugnen, zu bagatellisieren oder semantisch als "legitime Kritik" umzudeuten. Der Kommunikationsraum für die Verbreitung von Verbal-Antisemitismen wird dadurch größer. Der aktuelle antisemitische Sprachgebrauch, gleich aus welcher politischen Richtung, basiert auf identischen Stereotyprepräsentationen und benutzt austauschbare Argumente. Dadurch ist im Internet eine klare Zuordnung zu einer bestimmten Gruppe oft kaum möglich: Die Grenzen zwischen ideologisch geprägten Verbal-Antisemitismen verschwimmen und als Resultat kommt es im Kommunikationsraum des Web 2.0 zu einer multiplen, kontrollresistenten Ausbreitung judenfeindlichen Gedankengutes. Konzeptuelle Einstellung und Verbal-Antisemitismus Als geistiges Phänomen ist Antisemitismus eine feindselige, ressentimentgeleitete Einstellung gegenüber Juden und Judentum, sowie gegenüber Israel, das als jüdischer Staat im besonderen Fokus aller antisemitischen Aktivitäten steht, da es das wichtigste Symbol für genuin jüdische Lebensweise nach dem Holocaust ist. Der sprachlichen Kodierung judenfeindlicher Ideen, dem Verbal-Antisemitismus, kommt bei der Tradierung antisemitischer Gedanken und Gefühle auf breiter sozialer Ebene eine Schlüsselrolle zu: Über die Sprache werden Stereotype seit Jahrhunderten ständig reproduziert und im kollektiven Bewusstsein erhalten. Über spontan und natürlich produzierte Äußerungen erhält man in Korpusstudien (also Analysen quantitativ umfangreicher Mengen natürlichsprachiger Äußerungen aus bestimmten Kommunikationsräumen) signifikante Einblicke in die aktuelle judeophobe Gedanken- und Gefühlswelt. Verbal-Antisemitismus umfasst alle Äußerungen, mittels derer Juden direkt oder indirekt bewusst oder unbewusst über Stereotypzuweisungen als Juden entwertet, stigmatisiert, diskriminiert und diffamiert werden. Verbal-Antisemitismus ist gekennzeichnet durch die Semantik der Abgrenzung (Juden als ‚Fremde', als ‚Nicht-Deutsche', modern: als ‚Israelis'), der kollektiven Fixierung durch Stereotype (Juden als ‚gierig, rachsüchtig, zersetzend, blutrünstig, amoralisch') und der generellen Ab-/Entwertung von Juden und Judentum (als ‚atavistisch, egoistisch' usw.). Diese drei Grundkonstanten judenfeindlicher Sprachgebrauchsmuster haben eine lange Tradition und sind nahezu unverändert erhalten geblieben, wie das historische und das aktuelle Beispiel zeigen: "Judentum ist Verbrechertum" (NS-Zeit, Der Stürmer, 1938) und "Zionismus ist Verbrechertum" (E-Mail an die israelische Botschaft 2014). Konzeptuell und strukturell sind die Äußerungen identisch, lediglich lexikalisch erfolgte modern adaptiert die Substitution des Wortes Judentum. Verbal-Antisemitismen sind keinesfalls ein kommunikatives Randgruppen- oder Nischenphänomen: Im Netz finden sie sich auch in normalen, alltäglichen Chats, Kommentarbereichen und Foren, wie auf gutefrage.net, Zugriff am 01.01.2011, die Frage: "Wieso sind Juden immer so böse?" und auf e-hausaufgaben.de: "Juden machen nur STRESS und besetzen ein Land das denen nicht gehört und töten Frauen und Kinder [...] das sind Juden ..." Kontinuität und Adaptation der Stereotype im Wandel der Zeit Bei den judeophoben Stereotypen handelt sich um Fantasiekonstrukte, die bar jeder Realität sind, von überzeugten Antisemiten aber unerschütterlich geglaubt werden. Trotz historischer Aufarbeitung und Erinnerungskultur finden sich auch im aktuellen Diskurs klassische Stereotype wie "Juden als Geldmenschen, als Lügner, als Verräter, rachsüchtige Intriganten, als Kindermörder, als Weltverschwörer" usw. Diese basieren auf dem Grund-Konzept von Juden als "dem ultimativ Bösen". Wurden im Mittelalter Juden dämonisierend als Teufel und Anti-Christen klassifiziert und dies stets mit der Unterstellung "Juden allein sind schuld daran, wenn man sie hasst", finden wir dieses Stereotyp in zwei modernen Varianten: "Juden sind schuld am Antisemitismus, weil sie den Holocaust ausbeuten und die Erinnerung nicht ruhen lassen" und "Juden sind schuld am Antisemitismus, weil sie sich solidarisch mit Israel zeigen". Oft werden deutsche Juden synonym mit Israelis gesetzt (es wird also das alte Stereotyp "Juden sind Fremde" modern angepasst kodiert). Israel wird metaphorisch als "der Schurke unter den Staaten", dehumanisierend als "nahöstliches Krebsgeschwür" und mittels Hyperbeln als "das größte Übel in der Welt" charakterisiert. So werden die klassischen judenfeindlichen Ressentiments auf den jüdischen Staat projiziert: "Israel stört den Weltfrieden" basiert auf dem uralten Denkmuster ‚Juden sind die Störenfriede in der Welt'. Während rechtsextreme Sprachproduzenten nahezu alle klassischen und rassistischen Stereotype (‚Gottesmörder, minderwertige Rasse,' usw.) verbalisieren und den Holocaust entweder leugnen oder seine Unvollständigkeit bedauern, artikulieren linke und mittige Schreiber primär Post-Holocaust-Stereotype (wie ‚Kritiktabu', ‚israelischer/jüdischer Sonderstatus' durch Holocaustausnutzung' und ‚mediales Meinungsdiktat durch Antisemitismuskeule') sowie israelbezogene Judeophobie (,Israel als Weltfriedensbedroher', ,jüdische Israelis als amoralische, intentional mordende Menschen'). Gebildete Schreiber präsentieren sich dabei besonders häufig als nicht-rassistische, den Juden moralisch überlegene Personen, denen sie menschliches Versagen und - in der Traditionslinie der antisemitischen Dehumanisierungssemantik - Inhumanität vorwerfen: So fragte ein Akademiker den Zentralrat der Juden anlässlich der Gaza-Krise 2009: "Habt ihr überhaupt menschliche Gefühle?" Israelisierung der antisemitischen Semantik Israel zieht als jüdischer Staat den Hass von Antisemiten jedweder politischen Ausrichtung auf sich und ist in den letzten Jahrzehnten die primäre Projektionsfläche judenfeindlicher und verschwörungsbasierter Fantasien geworden. In antisemitischen Texten wird Israel unikal fokussiert und als ‚Frevel in der Völkergemeinschaft' konzeptualisiert sowie in seiner Existenz delegitimiert. Dies führt zu Argumentationsmustern, die rhetorisch und syntaktisch identisch sind: "Juden sind das größte Übel der Menschheit und bedrohen den Weltfrieden." "Israel ist der schlimmste Verbrecherstaat und bedroht den Weltfrieden!" Der einzige Unterschied liegt in der Lexik: Rechte und rechtsradikale Verfasser referieren explizit auf Juden, linke und in der Mitte anzusiedelnde Schreiber benutzen die Wörter Zionisten, Israel und Israelis. Auf der Basis der dämonisierenden Konzeptualisierung finden sich auch kontinuierlich Artikulationen von eliminatorischen Lösungsvorschlägen wie "einfach alle umbringen das sind alles Teufel", die je nach politischer Position als ,Lösung für die Juden', ‚Lösung für Israel und den Nahostkonflikt' oder ,Lösung für die Zionisten' ausgedrückt werden. Antiisraelische Argumentationsmuster gehen in den Kommentaren im Internet mittlerweile so ineinander über, dass sich linke und rechte Antisemitismen kaum noch unterscheiden lassen. Es zeichnet sich eine breite Nivellierungs- bzw. Homogenisierungstendenz bezüglich des judenfeindlichen Sprachgebrauchs ab: Traditionell als typisch für die rechtsradikale und extremistische Rhetorik und Argumentation erachtete Charakteristika (Stereotypkodierung sowie Verwendung von aggressiver Brachiallexik gekoppelt an ein hohes Ausmaß der De-Realisierung) zeichnen auch zunehmend die meisten Texte von Verfassern aus dem linken politischen Spektrum und der Mitte der Gesellschaft aus. NS-Vokabular und NS-Vergleiche werden dabei inflationär benutzt: Während Rechtsextreme sowohl formal als auch inhaltlich nahezu identisch nationalsozialistische Sprachgebrauchsmuster aufgreifen und den Holocaust leugnen, führen linke und mittige Schreiber den Holocaust als Vergleichsgröße an, um die aktuell lebenden Juden in Israel zu diffamieren, indem die Militäraktionen Israels mit dem gezielten Massenmord in der NS-Zeit gleichgesetzt werden. Die Sprachmuster des Nationalsozialismus werden der ideologisch-politischen Einstellung gemäß angepasst und über Antizionismus ausgedrückt: Die Rede ist dann von den "faschistischen Zionisten und ihren SS-Methoden". Die Texte zeigen insgesamt eine große Homogenität in Bezug auf die Verwendung spezifischer Mittel und argumentativer Muster. Viele lesen sich mehrheitlich wie Abschriften mit geringfügigen Variationen zu einer gemeinsamen Vorlage. Inhalte und sprachliche Formen sind oft nahezu austauschbar: Es wird deutlich, wie ausgeprägt tradierte judeophobe Sprachmuster im kommunikativen Gedächtnis verankert sind und wie diese aktuellen Situationen angepasst werden. Indirekte Sprechakte und verbale Camouflage: sprachliche Re-Kodierungen Explizite generische Aussagen judeophoben Inhalts wie "Alle Juden sind ..." sind nur ein kleiner Teil antisemitischer Kommunikationspraxis. Aufgrund der Ächtung und Sanktionierung offen verbalisierter Judenfeindschaft seit 1945 werden judenfeindliche Ideen heute (mit Ausnahme von rechtsextremistischen und neonazistischen Kreisen) vielmehr re-kodiert und verschlüsselt, also als indirekte Sprechakte mit sprachlicher Camouflage verbalisiert. Statt explizit die Wörter Juden, jüdisch und Judentum zu verwenden, benutzt man referenziell vage gehaltene Paraphrasen wie "die Banker von der Ostküste", "jene einflussreichen Kreise", die "Finanzoligarchie", oder "jene gewisse Religionsgemeinschaft". Durch referenzielle Verschiebung und semantische Einengung wird auf "Israel", die "Israel-Lobby", die "Zionisten" referiert, aus dem Kontext und nach dem pars pro toto Prinzip aber wird ersichtlich, dass eigentlich alle Juden gemeint sind. Besonders oft werden auch die Wörter Jude(n), Zionisten und Israeli(s) als Synonyme benutzt; an die Stelle des "internationalen Finanzjudentums" tritt morphologisch verkürzt das "internationale Finanztum". Eine andere Form ist die Kodierung und das Arrangieren von Versatzstücken, intertextuellen Bezügen, Sprichwörtern, Namen, Schlagworten, die unmittelbar mit Juden und Judentum assoziiert werden wie "Auge um Auge", "das alttestamentarische Gesetz der Rache", "Rothschild" und "Goldman Sachs". Die Verwendung von Tier- bzw. Dehumanisierungsmetaphorik in einem Kontext, der eine judenfeindliche Lesart nahelegt, ist ein weiteres Kennzeichen des modernen antisemitischen Diskurses: Juden oder Israelis werden als Ratten, Heuschrecken, Parasiten, Bazillen usw. bezeichnet. Häufig werden auch rhetorische Fragen gestellt wie "Wer verhindert denn in Deutschland Kritik an Israel?". Durch die spezifische Verknüpfung von Argumenten, die aus dem antisemitischen Diskurs bekannt und habitualisiert sind, werden gezielt antisemitische Vorstellungen und Assoziationen hervorgerufen, zum Beispiel durch die Aneinanderreihung von Lexemen wie Geld, Lobbyisten, Einfluss einer kleinen Gruppe, internationale Finanzoligarchie, zersetzende, mächtige Kräfte, Brandstifter in Jerusalem, besonders im Zusammenhang mit jüdischen oder jüdisch klingenden Namen und Bezügen zu Israel. Aus der judeophoben Phantasie von der jüdischen Macht, die weltweit die Fäden ziehe, wird "die Finanzlobby" oder die "Israel-Lobby", die alles lenke. Da diese indirekten Sprechakte immer in einem bestimmten Kontext geäußert und die entsprechenden Schlussfolgerungen vom Sprachproduzenten mit Kalkül vorweggenommen werden, ist ersichtlich, wer und was damit gemeint wird. Diese Kodierungsformen sind mittlerweile so häufig, dass man davon ausgehen kann, dass Produzenten und Rezipienten sehr genau um ihre tatsächliche Bedeutung wissen. Die indirekten Verbalisierungen sind somit reine Schutzmaßnahmen, um sozialen Sanktionen oder juristischer Strafverfolgung vorzubeugen. Kampf um Wörter: Antisemitismusleugnung und semantische Umdeutung Auch wenn alle Kriterien des Verbal-Antisemitismus in ihren Äußerungen nachzuweisen sind, leugnen insbesondere die Sprachproduzenten aus dem links-liberalen Spektrum vehement, antisemitisch zu sein, und deklarieren ihre judeophoben Aussagen als "Meinungsfreiheit" und "politische Kritik". Diese Reklassifikation (also die Umbenennung antisemitischer Äußerungen als legitime Sprachhandlungen) ist fester Bestandteil des modernen antisemitischen Diskurses und sie lässt einen Kampf um Bedeutungshoheiten erkennen, der die Relevanz der Sprache als realitätskonstituierendes und -konstruierendes Instrument zeigt. Intensiv ist die konzeptuelle Auseinandersetzung v.a. bei dem Ausdruck Antisemitismus und dessen Bedeutungsauslegung. Dabei deuten Antisemiten das Lexem semantisch und faktisch unangemessen, indem sie ihm entweder eine zu enge, restriktive Lesart zuordnen, die Antisemitismus auf die NS-Zeit begrenzt und rassistisch-völkisch festlegt ("Ich bin kein Antisemit, denn ich bin kein Nazi oder Rassist") oder seine Etymologie heranziehen ("Ich bin kein Antisemit, ich bin selbst Semit") und dabei die tatsächliche kommunikative Bedeutung des Wortes negieren. Dies geschieht zumeist mittels re-klassifizierender Sprechakt-Umbenennungen: Der verbale Antisemitismus wird euphemistisch als "Kritik" bezeichnet. Aus sprachlicher Diskriminierung wird somit durch oberflächliche Camouflage eine akzeptable soziale Handlung. Im Zusammenhang mit dem ebenfalls stets reproduzierten Klischee, es gebe ein Kritiktabu an Juden und Israel und somit auch eine "Antisemitismuskeule", die gegen Kritiker geschwungen würde, finden sich auch konzeptuell tief greifende Umdeutungen wie in "Antisemit wird eines Tages ein Kompliment sein!" Diese Re-Interpretationen, welche Faktenresistenz und das Unvermögen zur kritischen Selbstreflexion offenlegen, haben im Diskurs zwei Funktionen: Zum einen sollen sie die Schreiber gegen den Vorwurf des Antisemitismus immunisieren, zum anderen aber auch das radikale Gedankengut ihrer Äußerungen formal entradikalisieren und damit kommunikativ akzeptabel machen. Die kommunikative Leugnung und semantische Umdeutung des eigenen Verbal-Antisemitismus gehört heute standardmäßig zu den Strategien moderner Antisemiten. Quellen / Literatur SCHWARZ-FRIESEL, Monika, 2013, "Juden sind zum Töten da" (studivz.net, 2008). Hass via Internet - Zugänglichkeit und Verbreitung von Antisemitismen im World Wide Web. In: MARX, Konstanze/SCHWARZ-FRIESEL, Monika (Hg.), 2013. Sprache und Kommunikation im technischen Zeitalter. Wieviel Internet (v)erträgt unsere Gesellschaft? Berlin, New York: de Gruyter, 213-236. SCHWARZ-FRIESEL, Monika, (Hrsg.) 2015. Gebildeter Antisemitismus. Eine Herausforderung für Politik und Zivilgesellschaft. Baden-Baden: Nomos. SCHWARZ-FRIESEL, Monika/REINHARZ, Jehuda, 2013. Die Sprache der Judenfeindschaft im 21. Jahrhundert. Berlin, Boston: de Gruyter. Wistrich, Robert S., 2010. A Lethal Obsession: Anti-Semitism from Antiquity to the Global Jihad, New York: Random House. SCHWARZ-FRIESEL, Monika, 2013, "Juden sind zum Töten da" (studivz.net, 2008). Hass via Internet - Zugänglichkeit und Verbreitung von Antisemitismen im World Wide Web. In: MARX, Konstanze/SCHWARZ-FRIESEL, Monika (Hg.), 2013. Sprache und Kommunikation im technischen Zeitalter. Wieviel Internet (v)erträgt unsere Gesellschaft? Berlin, New York: de Gruyter, 213-236. SCHWARZ-FRIESEL, Monika, (Hrsg.) 2015. Gebildeter Antisemitismus. Eine Herausforderung für Politik und Zivilgesellschaft. Baden-Baden: Nomos. SCHWARZ-FRIESEL, Monika/REINHARZ, Jehuda, 2013. Die Sprache der Judenfeindschaft im 21. Jahrhundert. Berlin, Boston: de Gruyter. Wistrich, Robert S., 2010. A Lethal Obsession: Anti-Semitism from Antiquity to the Global Jihad, New York: Random House. Die israelische Botschaft und der Zentralrat der Juden in Deutschland erhalten kontinuierlich antisemitische Zuschriften. In Krisensituationen, über die medial berichtet wird, steigt die Zahl der Zuschriften jeweils signifikant an. S. hierzu Schwarz-Friesel/Reinharz 2013: 14ff. Monika Schwarz-Friesel/Jehuda Reinharz, Die Sprache der Judenfeindschaft im 21. Jahrhundert, Boston/Berlin 2013: Von 14.000 untersuchten Schreiben an den Zentralrat der Juden in Deutschland und an die israelische Botschaft in Berlin kommen nachweisbar über 60 Prozent aus der Mitte der Gesellschaft, oft sind es gebildete Menschen mit akademischen Abschlüssen. Die Mitte wird als eine Positionierung jenseits extremistischer und radikaler Gruppen verstanden. Personen der Mitte wählen etablierte Parteien, haben eine abgeschlossene Schulausbildung und sind sozial intergiert sowie ökonomisch weitgehend stabil. Der Begriff der Mitte prägt maßgeblich unsere Vorstellung von politischer und sozialer Realität. S. Schwarz-Friesel/Reinharz, 2013: 19ff. Die Schreiber aus der Mitte geben meistens Namen und Adresse an, erteilen zudem oft aufschlussreiche Selbstauskünfte (über ihren Beruf, ihr Alter, ihre politische Ausrichtung). Rechtsradikale Schreiber, die anonyme E-Mails senden, lassen sich dagegen über ihre Texte identifiieren: So benutzen viele den Hitlergruß "Heil" und greifen auf einschlägige NS-Vokabeln zurück (wie "Arier", "Rasse", "Führer" etc. zurück). Linke und mutmaßliche Linksextremisten verwenden ideologiegepägte Lexik (wie "zionistischer Faschismus", "kapitalitisches Unterdrückersystem", "imperialistischer Zionismus", "internationale soziale Solidarität mit den unterdrückten Palästinensern"). Es ist keineswegs nur der Nahostkonflikt, der in Krisen- und Konfliktsituationen, die medial kommuniziert und verbreitet werden, zu Wellen erhöhter Judenfeindschaft führt. Auch die innerdeutsche Beschneidungsdebatte ließ die Anzahl manifester Verbal-Antisemitismen im Internet drastisch ansteigen. Vgl. Schwarz-Friesel (Hrsg.), Gebildeter Antisemitismus, 2015. Schwarz-Friesel 2013. S. Schwarz-Friesel/Reinharz 2013: 33ff. e-hausaufgaben.de, 4.6.2008. ZJD_Gaza2009_34/816_Zon_001. E-Mail an den Zentralrat der Juden. ZJD-29.05.2007_Sch-002. E-Mail an den Zentralrat der Juden. BD-Gaza-014. E-Mail an die israelische Botschaft. Kommentar vom 18.4.2015 unter Youtube-Video »Die Rothschilds« (Zugriff am 9.5.2015). "De-Realisierung ergibt sich, wenn ein mentales Deutungsschema zu einem spezifischen außersprachlichen Sachverhalt dazu führt, dass dieser Sachverhalt verzerrt, eingeengt oder komplett falsch wahrgenommen und bewertet wird." Vgl. Schwarz-Friesel, Reinharz, Sprache der Judenfeindschaft, S. 209. Explizit gegen Juden gerichtete Äußerungen finden sich in den alltäglichen Sozialen Medien v.a. durch die Einfügung von Links zu Zitaten von anderen Sprachproduzenten: Dies ermöglicht es, manifesten Verbal-Antisemitismus in den eigenen Text so einzubinden, dass die gewünschten Effekte erzielt werden, ohne selbst die brisanten Aaussagen zu artikulieren. Vgl. auch ähnliche Umdeutungsversuche zum Lexem Nazi: "Wenn ein Nazi jemand ist der Friedensverträge, Souveränität und Weltfrieden fordert. Dann wäre ich Stolz ein Nazi zu sein." (online-Kommentar, Zugriff am 17.2.15) (online-Kommentar, Zugriff am 17.2.2015)
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2022-01-11T00:00:00"
"2015-09-02T00:00:00"
"2022-01-11T00:00:00"
https://www.bpb.de/themen/antisemitismus/dossier-antisemitismus/211516/aktueller-antisemitismus/
Empirische Langzeitstudien zur Sprache der aktuellen Judenfeindschaft zeigen: in den vergangenen zehn Jahren ist die Tabuisierungsschwelle für Verbal-Antisemitismen gesunken. Insbesondere im Internet wird kontinuierlich judenfeindliches Gedankengut v
[ "Antisemitismus", "Verbal-Antisemitismus", "antisemistische Semantik", "Stereotype", "Hass im Netz" ]
30,718
Schmidteinander ins 21. Jahrhundert | Erlebnisgesellschaft | bpb.de
I. Was geht, wenn sonst nichts mehr geht? "Deutschland steht still. Und Deutschland verblödet", so lautete unlängst die provozierende These der Wochenzeitung Die Woche . Während die Politik erstarre und die Arbeitslosigkeit wachse, flüchte die Fernsehnation in hirnerweichende Unterhaltung. Was den älteren Jahrgängen der allabendlich gereichte synthetische Cocktail der volkstümlichen Musik, das scheint den jüngeren die Unterhaltung aus dem prall gefüllten Kultschrank des Blödsinns: präsentiert auf dem Altar von Sitcoms, Soaps - und vor allem Comedy. Gerade so, als ob jahrzehntelang nichts zwischen linksintellektuellem Kabarett und rechtspopulistischem Stammtisch existierte, herrscht nun plötzlich ein gewaltiges Angebot, besteht vor allem bei jungen Menschen eine immense Nachfrage nach komödienhaften Acts und Sketchen, unverschämt böse oder aber ohne intellektuellen Anspruch bis hin zur völligen Sinnentleerung: Comedy-Shows auf allen Fernsehkanälen, Nonsens statt Gesellschaftskritik auch auf den Kleinkunstbühnen. Dazu gesellt sich seit 1995 ein fast täglich wiederkehrender Zyniker namens Harald Schmidt, der in seiner Late-Night-Comedy-Show zeigt, "was noch geht, wenn sonst nichts mehr geht" . Aber ist wirklich alles so schamlos und absurd, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag, oder haben wir es nicht eher mit einer neuen, einer anderen Form von Satire oder Parodie zu tun? Ist das klassische Kabarett am Ende und Comedy zum Kabarett der Jahrhundertwende avanciert, als moderne Weiterführung eines Genres lediglich mit anderen Mitteln? Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dieser Thematik hat bislang kaum stattgefunden. Lediglich die gesellschaftlichen Umstände, in denen sich diese Entwicklung vollzieht, sind Gegenstand soziologischer sowie politik- und medienwissenschaftlicher Arbeiten. Recherchen müssen sich daher überwiegend auf Populärzeitschriften und Zeitungen, auf Meinungsbeiträge sowie auf politische und feuilletonistische Essays stützen. Durch Aussagen und Einschätzungen von Akteuren, Kabarettkennern und Medienexperten sowie durch eigene Beobachtungen und vergleichende Analysen hoffen wir, ein genaueres Bild davon zu zeichnen, was Comedy ist und was sie bewirkt. Das besondere Augenmerk liegt dabei auf Harald Schmidt und auf der Frage, ob der Late-Night-Talker Vorbild einer jungen, entpolitisierten Generation ist, wir uns alle auf dem Weg in die Spaß- und Spottgesellschaft befinden. II. Comedy - ein weites Feld So neu die sich ausbreitende Unterhaltungswelle sein mag, der Begriff comedy ist es keineswegs. Aus dem Englischen übersetzt bedeutet er nichts anderes als Lustspiel, Komödie. Ein comedian ist ein Komödiant, ein Komiker. Und davon gab es auch in der Bundesrepublik schon vor den neunziger Jahren reichlich, selbst in der frühen Nachkriegszeit. Der vielleicht berühmteste Vertreter in Deutschland war Heinz Erhardt. Mit seinen Wortspielereien und Kalauern ("Das Reh springt hoch, das Reh springt weit. Warum auch nicht? Es hat ja Zeit") fand er bereits in den fünfziger und sechziger Jahren sein Publikum. Auch in den siebziger Jahren gab es mit Otto Waalkes ("Otto") oder Dieter Hallervorden ("Didi"), der vom Kabarett ins rein komische Fach gewechselt war, zwei prominente Repräsentanten des Klamauks und der Blödelei. Victor von Bülow ("Loriot") dagegen machte zur gleichen Zeit "die pure und brillante Komik auch bei den gebildeten Ständen salonfähig", wie Peter Knorr, Mitbegründer des Satiremagazins Titanic, in agenda schreibt . Dies war ganz offensichtlich ein wichtiger Beitrag, denn die meisten Zuhörer hätten sich ihr Lachen bei Heinz Erhardt noch nicht eingestanden: "Erwachsene Menschen schämen sich ihres Lachens oft oder fühlen sich ertappt. Die pure, alberne Komik hat einen gewissen haut gout. Zwar weiß man, dass man gelacht hat, aber der Stolz sagt: Darüber kannst du nicht gelacht haben." Heute dagegen ist der Klamauk - unter dem neudeutschen Etikett Comedy - gesellschaftsfähig geworden. Schrill ist schick, erlaubt prinzipiell alles. Weder der ostfriesische Blödel-König noch der Aristokrat ante portas ändern etwas an dem Faktum, dass es eine vergleichbare Amüsierwut in Deutschland seit den zwanziger Jahren nicht mehr gegeben hat. Franz Kotteder stellt hierzu in der Süddeutschen Zeitung lapidar fest: "Kein Zweifel, die Deutschen drängt es hin zum Schwachsinn." Doch das ist allenfalls die halbe Wahrheit. Dass Tiefsinn und Schwachsinn in der modernen Unterhaltung dicht beieinander liegen, zeigt sich spätestens dann, wenn man die vielfältigen Erscheinungsformen, die unter Comedy firmieren, analytisch unter die Lupe nimmt. Rüdiger Hoffmann beispielsweise ("Ja hallo erst mal") lebt davon, in einschläferndem Tempo Alltagsbanalitäten zum Besten zu geben. Hoffmanns Erzählungen heißen "Mein Mitbewohner", "Die Salzgebäckpalette" oder "Nutella". Tom Gerhard mimt indessen den Ruhrpott-Proletarier ("Boa ey"), verkleidet sich als Kondom und lockte mit seinem Film "Ballermann 6" über zwei Millionen Deutsche in die Kinos. Piet Klocke, der Comedy-Professor und "Don Quixote des Verbalen", gilt hingegen als unumstrittener Meister des gepflegten Halbsatzes, Ingo Appelt als Experte für den bösartigen Witz, der vor keiner verbalen Entgleisung zurückschreckt. Weit weniger festgelegt ist hingegen Anke Engelke. Sie spielt das Girlie ebenso überzeugend wie den Vamp oder die Hausfrau in Kittelschürze. Derartige Vielseitigkeit bleibt nicht unbelohnt, und so darf sie sich seit Anfang 2000 über ihre eigene Comedy-Serie "Anke" in SAT 1 freuen. Michael Mittermayer hat sich derweil als "TV-Junkie" darauf spezialisiert, ironisch über die Werbung und das Fernsehen herzuziehen, in dem er im "Quatsch Comedy-Club" auf PRO 7 dann regelmäßig selbst auftritt. Das Fernsehen ist auch die Plattform für Wigald Boning. Er befragte bis zu seinem Wechsel zur Morning-Show auf PRO 7 in "RTL Samstag Nacht" Passanten zu Themen wie einem angeblich geplanten "Salami-Verbot für Nichtschwimmer". Gemeinsam mit seinem wandlungsfähigen Partner Olli Dittrich parodierte er zudem in Nonsens-Interviews ("Zwei Stühle - eine Meinung") gängige Talkshow-Formate. Doch das war lediglich die erste Karriere des Gespanns Boning/Dittrich. Als "Die Doofen" standen sie 1995 mit ihrer CD "Lieder, die die Welt nicht braucht" wochenlang auf Platz 1 der Deutschen Hitparade. Sie sind bei weitem nicht die einzigen, die in der Musikbranche mit einer Blödeloffensive Furore machen. Helge Schneider, die "singende Herrentorte", ist von Haus aus ein gestandener Jazzmusiker. Sein Durchbruch gelang ihm jedoch mit Liedern wie "Katzenklo" und "Fitze fitze fatze", bei denen er bewusst falsch singt und auch nur den Anflug von Sinngehalt gewissenhaft vermeidet. "Es braucht ein bewundernswertes Maß an handwerklichem Können, um das ständige Danebengehen, das herzzerreißende Stümpertum derart zu kultivieren," bescheinigte ihm Ralf Jüngermann im Deutschen Sonntagsblatt . "Seine Programme haben keine einzige Pointe, und genau darum ist Schneider der König der Unterhaltung." "Die Doofen", Helge Schneider und jüngst auch Stefan Raab mit seinem "Maschendrahtzaun" ziehen ihre Komik hauptsächlich aus der Verzerrung der Wirklichkeit mit Mitteln der Parodie. Bei anderen Musikern bemerkt man den Unterschied zwischen Original und Abbildung oft kaum noch. Dieter Thomas Kuhn, der bis Ende 1999 stilecht in den textilen Scheußlichkeiten der siebziger Jahre und mit aufgeklebtem Brusthaar-Toupet auftrat, stellte beispielsweise die Schlagerergüsse seiner Hitparaden-Kindheit lediglich in den heutigen Kontext - und riss damit seine Fans zu Begeisterungsstürmen hin. Das Zitat allein reichte für die Unterhaltung. "Meister" Guildo Horn nimmt die Sache mit dem Schlager nach eigenem Bekunden ebenfalls sehr ernst und schaffte damit sogar den Sprung ins Finale des Grand Prix d'Eurovision de la Chanson 1998. Trotz derartiger Erfolge sind die neuen Spaßmacher keineswegs unumstritten. Im besonderen Maße gilt dies für den Kabarettisten und Moderator Harald Schmidt, der seit Dezember 1995 dienstags bis freitags in SAT 1 zu seiner "Harald-Schmidt-Show" einlädt . Der Entertainer gilt als das Pendant zu amerikanischen Late-Night-Comedians wie David Letterman oder Jay Leno. Schmidt hat dieses Programmformat erstmals erfolgreich in Deutschland eingeführt, nachdem Thomas Gottschalk und Thomas Koschwitz Anfang der neunziger Jahre bei RTL dies vergeblich versucht hatten. Bevor Schmidt in der einstündigen Sendung den ersten Gast begrüßt, hält er einen tagesaktuellen Monolog von rund 30 Minuten Dauer, der mit kurzen Einspielfilmen garniert wird. Doch genau an dieser Sequenz scheiden sich die Geister. "Entweder man ist für ihn und hält ihn für den konkurrenzlosen Meister der Late-Night-Comedy, oder man ist gegen ihn und bezeichnet ihn als Zyniker, Menschenverächter", schreibt Heribert Klein im FAZ-Magazin . III. Harald Schmidt - der Narr der späten Stunde? Harald Schmidt haust und wütet an der Schnittstelle zwischen Gestern und Heute. Schon sein Werdegang, weil vom klassischen Kabarett kommend, gibt Aufschluss: 1957 in Neu-Ulm geboren und im schwäbischen Provinzstädchen Nürtingen aufgewachsen, wurde Schmidt in Stuttgart zum Schauspieler ausgebildet. Nach einem Theaterengagement in Augsburg holte ihn Kay Lorenz 1984 als Texter ans Düsseldorfer Paradekabarett "Kom(m)ödchen". Zunächst den beiden damaligen Stars Lore Lorenz und Thomas Freitag als Stichwortgeber zu Diensten, stieg Schmidt ins Ensemble auf und entwickelte erste Kabarett-Soloprogramme. Schon bald machte sich Harald Schmidt mit seinen bissigen Programmen in der gesamten Republik einen Namen. Der Südwestfunk wurde auf das "Schandmaul" (Schmidt über Schmidt) aufmerksam und engagierte den Schwaben als Moderator für das Medienquiz "MAZ ab!". Es folgten die Sendungen "Psst" und "Gala", für die Schmidt 1992 seinen ersten Adolf-Grimme-Preis erhielt. Der endgültige Fernsehdurchbruch gelang ihm mit der Sendung "Schmidteinander", die er zusammen mit dem ehemaligen Chefredakteur des Satiremagazins MAD, Herbert Feuerstein, moderierte. Der Kabarettist hatte es geschafft: Nun fungierte sein kongenialer Partner als Stichwortgeber, war es Schmidt selbst, der Hintergründiges, Zoten und Absurditäten abfeuerte, nicht selten musste Feuerstein selbst als Zielscheibe herhalten. Die ARD ließ daraufhin nicht lange auf sich warten und bot Schmidt 1992 die Moderation der Samstagabend-Show "Verstehen Sie Spaß?" an. Der damals 35-Jährige sagte zu, kam aber mit seiner ironischen Art vor allem beim älteren Publikum nicht sonderlich gut an . Das Angebot von SAT 1 kam Harald Schmidt 1995 offenbar gerade recht. Der Sender machte keinen Hehl daraus, dass die geplante Sendung eine Kopie der "Late Show with David Letterman" werden sollte. So imitierte man nicht nur die Bühnendekoration des US-Kollegen, man konnte mit Schmidt als versiertem TV-Moderator und gestandenem Kabarettisten auch den inhaltlichen Aufbau des Formats übernehmen. David Letterman begreift sich in seiner täglichen Show nämlich nicht in erster Linie als Gesprächspartner seiner Gäste, sondern vielmehr als klassischer Stand-Up-Comedian im Stile eines Johnny Carson. Und genau darauf zielten die Macher der damaligen Produktionsfirma "Brainpool" mit der "Harald Schmidt Show" ab. So steht Harald Schmidt seit nunmehr über vier Jahren viermal wöchentlich vor der Kamera, um - neben der Präsentation seiner Gäste - das Tagesgeschehen ironisch, sarkastisch oder spöttisch zu kommentieren. Rund siebzig Gags pro Abend kommen ihm über die Lippen, nach eigener Einschätzung stammen allenfalls zwei von Schmidt selbst. Der Rest wird von freien Autoren geliefert. "Mein Beitrag", so Schmidt, "ist die Stimmung, in der ich das Ganze darbiete. Also: Je dünner das Eis, desto fröhlicher der Gesichtsausdruck." Wie dünn dieses Eis tatsächlich ist, zeigt sich nicht zuletzt an den heftigen Reaktionen, die seine Darbietungen zuweilen auslösen. Harald Schmidt, so scheint es, schreckt vor nichts und niemandem zurück: Er scherzt über Ausländer und Blondinen, er macht echte oder vermeintliche Homosexualität von Prominenten zum Thema, er verspottet Sportler und Politiker, Designer und Schlagersänger. Kurzum: Schmidt spielt mit Klischees und Vorurteilen, übertreibt und provoziert, gibt sich zynisch und gemein. Sei es, wenn er nach der Wahl von Henry Maske zum erotischsten Mann des Jahres feststellt: "Ich habe es immer gewusst, Frauen wollen geschlagen werden" ; sei es, wenn er die Bild-Schlagzeile "Nach Vergewaltigung: Ausgehverbot in Erlangen" lediglich mit den Worten kommentiert: "Ausgehen? In Erlangen?" Gewalt gegen Frauen als Grundlage von Witzen, das verstößt eindeutig gegen die oft bemühte "political correctness" - und geht damit vielen zu weit. Diesen geschmacklichen Grenzübertritt sah auch Ex-Minister Heinz Eggert gegeben mit Schmidts Antwort auf die Frage "Klauen Polen Autos?": "Wer Schlesien klaut, der klaut auch Autos!" Harald Schmidt verwies im ntv-Interview auf den üblichen Kontext, in dem eine solche Äußerung zu betrachten sei: "Falls ich das tatsächlich gesagt habe, dann habe ich das eindeutig ironisch kenntlich gemacht - vielleicht in Dialekt von jemand, der hat Heimat verloren." Doch Harald Schmidts Ironie wird nicht von jedem so verstanden, wie er sich verstanden wissen will. Der Comedian ist offenbar ein Opfer jener fehlenden Äquivalenz zwischen den beiden Seiten des kommunikativen Austausches, die Stewart Hall mit einer Nicht-Identität zwischen den Codes von Sender und Empfänger erklärt . So zog er sich den Unmut vieler zu, nachdem er WDR-Moderatorin Bettina Böttinger in seiner Sendung mit einer Toilettenschüssel, einem Eierlikör und der Frauenzeitschrift Emma verglich ("Kein Mann würde sie freiwillig anfassen"). Als der Moderator während der Fußball-Weltmeisterschaft 1998 den Nationalspieler und Familienvater Jürgen Klinsmann als "Warmduscher" und "Schwabenschwuchtel" bezeichnete, wurde er prompt vom Deutschen Fußballbund verklagt - mit Erfolg. IV. Comedy ist anders - die Gesellschaft auch Der Fall Klinsmann-Schmidt tangiert ein Thema, das so alt ist wie die Satire selbst. Was ist der Sinn von Satire? Und vor allem: Was darf sie? Der deutsche Schriftsteller Kurt Tucholsky, selbst Verfasser satirischer Vers- und Prosawerke, betont den blutreinigenden Charakter der Satire, bezeichnet den Satiriker als gekränkten Idealisten, der gegen das Schlechte anrenne und dabei zur Übertreibung gezwungen sei: "Die Satire muss übertreiben und ist ihrem tiefsten Wesen nach ungerecht. Sie bläst die Wahrheit auf, damit sie deutlicher wird. . ." So gab es für Tucholsky auf die Frage "Was darf die Satire?" schon Anfang dieses Jahrhunderts nur eine mögliche, ebenso knappe wie präzise Antwort: "Alles." Doch ist der Humor von Schmidt & Co tatsächlich das, was Tucholsky mit Satire gemeint hat? Ist nicht vielmehr das Auffallen durch Geschmack- und Schamlosigkeit, durch Spaß am Spott die Devise dieses Programms? Ist nicht Gesellschaftskritik längst einem kommerziell kalkulierten Tabubruch, treffende Ironie einem sinnfreien Lachen um seiner selbst willen gewichen? In den Worten Harald Schmidts: Ich produziere "jeden Abend tiefe Bedeutungslosigkeit", aber "ein großes beleuchtetes Nichts" . Wenn dem aber so ist, woher kommt dieses oft kritisierte und doch gerade jetzt vorhandene Bedürfnis nach derartiger Unterhaltung? Um diese Frage beantworten zu können, müssen wir einen Blick auf den gesellschaftlichen Rahmen werfen, in dem sich Comedy in Deutschland entwickelt und verbreitet hat. Comedy ist keineswegs im luftleeren Raum entstanden, stellt also keine isolierte kulturelle Erscheinung dar. Sie ist vielmehr Teil einer low culture, die sich ebenso in Erscheinungen wie Wrestling oder Seifenopern, Talkshows oder Fast Food niederschlägt und vor allem eine jugendliche Klientel anspricht. Der amerikanische Soziologe George Ritzer spricht gar von der "McDonaldisierung der Gesellschaft" und beklagt damit die zunehmende Auflösung kultureller Differenzen unter globalen - und amerikanischen - Vorzeichen: Big Macs und Coca Cola, Levi's und Sneakers, Denver Clan und Dallas erhält und sieht man in gleichbleibender Machart, Qualität und Erscheinungsform in Los Angeles und Peking ebenso wie in Wien und Kapstadt. Egal, ob in der Freizeit, beim Sport oder in der Kultur: "Die Menschen erwarten (. . .) das gleiche wie von ihren Fast-Food-Restaurants - Geschwindigkeit und Menge." Die tägliche Wiederkehr des Harald Schmidt und seiner siebzig Pointen in dreißig Minuten tragen dieser Entwicklung Rechnung - und sind selbst der beste Beweis für sie. Dass derartige Erwartungen des Publikums durch das (private) Fernsehen geschürt worden sind, liegt nahe. Dem "Scheibenwischer" von Dieter Hildebrandt in der ARD, eines der wenigen Kabarett-Formate, die noch regelmäßig ausgestrahlt werden, ist deutlich anzumerken, dass er nicht für das Medium Fernsehen konzipiert wurde, vielmehr einen abgefilmten Kabarettabend darstellt. Die Sendung wirkt behäbig, ja altmodisch inmitten einer Kultur der Zooms und schnellen Schnitte. Ist der Zuschauer nicht mehr bereit, sich auf ein solches Format einzustellen? "Je mehr das Publikum schnelle, visuell aufregende Programme erwartet, umso langweiliger wird es problemorientierte Programme über öffentliche Angelegenheiten und Nachrichten finden", konstatierte der amerikanische Medienkritiker Neil Postman bereits 1990 . Und schlussfolgerte: "Infolgedessen wird die Fähigkeit der Öffentlichkeit nachlassen, Vorgänge und Probleme zu verstehen und ernsthaft zu diskutieren." Eine erschreckende Vision, der die Psychologin Hertha Sturm entgegensetzt, dass es Differenzen gibt in den vom Fernsehen gesetzten Außenreizen, aber auch in den Anpassungs- und Abwehrstrategien unterschiedlicher Rezipientengruppen . Allerdings verweist die Psychologin auch auf anglo-amerikanische Forschungsergebnisse, die zeigen, dass es in der TV-Präsentation tatsächlich mehr auf das ,Wie' denn auf das ,Was' ankomme, "dass nicht vorab die Inhalte das Erst-Entscheidende für Laufbildwirkungen sind, sondern die formalen medienspezifischen Angebotsweisen" . Das Fernsehen reagiert mit seinen kurzzeitigen Angebotsmustern also auf Bedürfnisse, die es selbst mitgeschaffen hat. Eine Folge dieser Entwicklung ist die Quantifizierung von Unterhaltung , flankiert durch außerordentlich gestiegene Möglichkeiten der Kommerzialisierung der jeweiligen Komik-Produkte. Marken sowie die Musik-, Sport-, Film- und Fernsehstars werden als Werbeträger Teil der Medien und als Symbole der Gegenwartskultur gleichzeitig Inhalt unserer Alltagswelt. Leichte Wiedererkennbarkeit ("Ich sage Ja zu deutschem Wasser") ist dabei ebenso entscheidend wie die Verständigung zwischen verschiedenen Gruppen ohne argumentativen Aufwand. Als gigantische Profitmaschine schneidert das Fernsehen aus Symbolen Lebensstile, aus Fans Konsumenten und Kunden. Die Werbebotschaft der Unterhaltungssendungen wird deckungsgleich mit dem Funktionsprinzip der Schmidt-Show: "Wer versteht, gehört dazu. Wer Erklärungen benötigt, ist ausgeschlossen." Die Quantifizierung der Unterhaltung ist allerdings nur die eine Seite. Worauf es beim Humor der jungen Generation offensichtlich noch ankommt: Grotesk sollte er sein oder böse - am besten beides. Grotesk ist, wenn die echte "Ricky" - Ex-Mitglied der Popgruppe "Tic Tac Toe" - neben der gefälschten großmütig auf "Rickys Popsofa" Platz nimmt, auf dem sie von Anke Engelke in der "Wochenshow" regelmäßig verspottet wird. Böse - andere würden sagen geschmacklos - ist, wenn "Nachtschwester Kroymann" in der ARD Prinzessin Dianas mögliche Auferstehung satirisch aufbereitet - und das keine fünf Monate nach deren Unfalltod. Wenn schließlich Ingo Appelt die "Bombenstimmung hier im Stadion, 73 000 Schlachtenbummler und ein paar Zerquetschte" in seiner Nummer "Hinrichtung im Stadion" bejubelt , dann hat das von beidem etwas - und darf als besonders gelungen gelten. So schrecklich-absurd Appelts Nummer auf den ersten Blick anmuten mag, es verbirgt sich dahinter durchaus mehr, wenn man ihr positiv gesinnt ist: Appelt thematisiert in lediglich 90 Sekunden die latent vorhandene Gefahr in Fußballarenen (die Tragödie im Brüsseler Heysel-Stadion von 1984 ist vielleicht noch in Erinnerung), er verweist genauso auf eine mögliche Beziehung zwischen Fußballbegeisterung und Gewaltbereitschaft wie auf das immense öffentliche Interesse an Berichterstattung über Katastrophen und Unglücke. Der Comedian greift also Angst- und Tabuthemen auf und zeigt uns deren logische, im Alltag unaussprechliche, aber potentiell schockierenden Zusammenhänge. Nach der Devise: Worüber man sich schämt zu reden, darüber muss man scherzen. Das ist der Grund, warum Witze mit menschlichem Leid so unangemessen umzugehen scheinen. "Weil genau das ihre Funktion ist", meint der Berliner Soziologe Alexander Schuller . "Das Große, das zu groß, das Schreckliche, das zu schrecklich ist, als dass man es ertragen könnte - der Witz schnitzt es klein. . . . Was wir nicht auszusprechen, nicht einmal zu fühlen wagen - der Witz macht es uns möglich." Bei den Polenwitzen von Harald Schmidt (Beispiel: "Woran merkt man, dass ein Pole in den Himmel kam? - Am großen Wagen fehlen die Räder") wird deutlich, dass die statistisch unbestreitbare (insgesamt keineswegs höhere) Ausländerkriminalität nicht sachlich, sondern nur als Witz zur Sprache gebracht werden kann. "In solchen Fällen", so Schuller, "spricht der Komiker den Leuten aus der Seele. Er entlastet sie von ihrer geheimen Wut - und die Politiker von einem möglichen Handlungszwang." Die (möglicherweise) nicht beabsichtigte Wirkung besteht freilich darin, dass der Witz genau das stabilisieren kann, was er eigentlich kritisiert. So besteht wohl zu Recht der Verdacht, die besten Kohl- und Stalin-Witze seien von der Partei selbst erfunden worden. V. Scham, Politik und das Fernsehen Es gibt also noch immer Dinge, über die die Menschen sich schämen zu reden; es gibt Witze, die politische Handlungszwänge abmildern und Erzähler wie Zuhörer gleichermaßen entlasten - da liegt die Frage nahe, ob vielleicht weder die Gesellschaft schamloser, noch die Unterhaltung unpolitischer geworden ist? Der amerikanische Psychoanalytiker Leon Wurmser diagnostiziert zwar eine "Schamlosigkeit der Kultur", denn die Scham habe ihre Funktion, das private Selbst vor dem gesellschaftlichen Zugriff zu behüten, eingebüßt . Doch, so resümiert Stefanie Ernst in einer vergleichenden Studie von Autoren, "die vorschnelle Rede von einer ,schamlosen Gesellschaft' würde sich womöglich als ziemlich schamloser Versuch herausstellen, Kulturpolitik per Moral zu betreiben" . Zu Recht wohl, denn Satire war schon immer schamlos, ja muss es sein, will sie ihr Reinigungs- und Wahrheitsziel erreichen. Oder, um wieder auf Tucholsky zurückzukommen: "Und wenn einer mit Engelszungen predigte und hätte des Hasses nicht: er wäre kein Satiriker." Der vorsätzlich böse oder auch absurde Witz hat somit schon immer zum Repertoire des komischen Faches gehört. Neu ist jedoch, dass vieles, was sich zur Zeit in den Medien und auf den Bühnen Deutschlands tut, auf eine Akzeptanz stößt, wie sie noch vor wenigen Jahren nicht für möglich gehalten worden wäre. Für Kommentatoren wie Peter Knorr hat dies "mit gesellschaftlichem Wandel, mit Entpolitisierung und . . . verschärfter Lustsuche zu tun" . Dietrich Leder geht noch einen Schritt weiter und argumentiert, der Verlust des Politischen habe als Folge des Verschwindens der klaren Feindbilder und Angriffsflächen dazu geführt, dass eine neue Generation von Kabarettisten den "Verlust zum Programm" erhoben habe . Das Argument der Entpolitisierung ist allerdings nicht unwidersprochen geblieben. Schon seit den siebziger Jahren weiß man z. B. aus Studien des Wahlverhaltens in Deutschland, dass politische Parteien immer weniger als ideologische Heimstätten der Wähler fungieren. Immer weniger sind wirtschaftliche Gründe für Parteipräferenzen entscheidend, statt dessen immer mehr Fragen des Lebensstils und der Lebensqualität. Dazu kommt, dass angestammte Institutionen wie Familie, Schule, Kirche, soziale Schicht und eben politische Parteien an Orientierungskraft verloren haben. Die Menschen entscheiden zwar heute häufiger selbst über ihren Lebensweg, tragen aber auch ein erhöhtes Enttäuschungsrisiko. Auf diese Weise steigt der Kommunikationsbedarf der Menschen, und viele nehmen in ihrer Sinnsuche Zuflucht zu Cliquen, Clubs, Sekten, Vereinen und vor allem zu den Medien. Die Möglichkeiten des Konsums, der weitgehende Wegfall der Zugangsbarrieren und die Umwandlung von vorgegebener in wandelbare Wirklichkeit hat die Lebensauffassung vieler, vor allem junger Menschen verändert. "Erlebe dein Leben!" ist zum kategorischen Imperativ unserer Zeit geworden. "Wissen, was man will, bedeutet wissen, was einem gefällt," meint Gerhard Schulze in seinem Buch Die Erlebnisgesellschaft. Soziale Milieus bilden sich heute in erster Linie als Erlebnisgemeinschaften . Dort, wo Tradition nicht mehr greift, wird jedes Individuum gezwungen, das zu betreiben, was die Engländer "life politics" nennen . Politische Akteure und Institutionen haben darauf längst reagiert. Sie müssen sich geradezu "in ihrer Selbstpräsentation nicht nur den veränderten Wahrnehmungsgewohnheiten und Erwartungshorizonten eines durch die Bilderflut der Medienunterhaltung sozialisierten Publikums anpassen, sondern auch den Weg in die Unterhaltungsforen hinein wählen" . Comedy ist demzufolge auch eine Reaktion auf eine veränderte politische Kultur, in der medial inszenierte Emotionen, Privates und Unterhaltung immer mehr Bestandteil der Politik selbst werden. In dem Maße, wie Argument und Entertainment sich in der Politik verwischen, folgt dem die satirische Betrachtung. In den U.S.A., wo die Stand-Up-Comedy ihren Anfang nahm, zeigte sich das schon früher: "Once television reduces politics to a form of entertainment, political humor becomes little more than dramatic criticism - entertainers assessing other entertainers." So ist auch die Frage "Wie war ich, Doris?" nicht ohne empirische Relevanz: der Kanzler als Event-Politiker. Weil das Fernsehen den Polit-Event zum Vertrauensbeweis stilisiert, beurteilen wir Politiker danach, ob sie uns als Person vertrauenswürdig erscheinen. Die Auseinandersetzung mit Sachverhalten reduziert sich auf das Urteil über Persönlichkeiten, wie Siegfried Frey in seiner jüngsten Studie der Macht der Bilder überzeugend darlegt . Kein Wunder, dass sich Gerhard Schröder als Bewerber um das Kanzleramt am 22. Juni 1998 die werbewirksame Gelegenheit nicht entgehen ließ, in der 1 500. Sendung von "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" aufzutreten. Eine solche Annäherung ist insofern konsequent, als die Populärkultur zusehends der Verbreitung von Prinzipien der Lebensführung dient. In Verbindung mit den werbewirksamen Symbolen der Gegenwartskultur scheint sie nicht zuletzt jugendlichen Zuschauern bei der Alltagsinterpretation Hilfestellung zu geben . Das Lebensgefühl der "Generation @", wie Horst W. Opaschowski die heute 14- bis 29-Jährigen nennt, sei entscheidend von den elektronischen Medien geprägt - eine Generation, für die das Heim im globalen Dorf zum Boxenstopp und das Leben zum Terminal multipler Identitäten geworden sei . Die Frage ist allerdings nicht so sehr, ob mit der Methode "Just do it" statt "Null Bock" der Teufel bloß mit Beelzebub ausgetrieben wird, sondern vielmehr, wieviel Beschleunigung der Sinn, auch der des Lebens, vertragen kann. Sinn braucht vor allem Zeit, wenn er sich nicht verflüchtigen soll . VI. Das System Harald Schmidt Harald Schmidt freilich scheint einer der ersten in Deutschland zu sein, der die Zeichen dieser unsteten Zeit erkannt hat - und deren Anforderungen perfekt umsetzt. Für den Late-Night-Talker gibt es "kein Richtig und kein Falsch, kein Gut oder Böse, sondern bloß verkäufliche Ware oder Ladenhüter" . Unter seinen Fittichen fungiert das Medium zugleich als Inhalt, Transportmittel und Freifahrtsschein durch alle Höhen und Tiefen der deutschen Seele, auch wenn er mit seiner Art nicht überall ankommt. Denn wie ein Hamburger, um bei George Ritzers Bild von der McDonaldisierung zu bleiben, so ist auch das neue Spaßmenü zwar schnell und (oft) einfach zuzubereiten, leicht verdaulich muss es dennoch nicht sein. Ob jemand mit dieser Art von Humor etwas anzufangen weiß, das scheint bei Comedy und besonders bei Harald Schmidt eine Altersfrage zu sein. "Ich habe noch nie ein Programm gemacht, bei dem so konsequent bei Ende 30 Schluss war", verriet der ehemalige Produktionsleiter der "Harald Schmidt Show", Jörg Grabosch, der Tageszeitung Die Welt . Und in der Tat stellen sich vor allem jene viermal in der Woche zum Schmidteinander ein, die sich entweder einem Selbstverwirklichungsmilieu oder einem Unterhaltungsmilieu verbunden fühlen. Die Selbstverwirklicher sind unter 40, haben mittlere oder höhere Bildung, kleiden sich sportlich, elegant oder alternativ, sind vorwiegend Single, lieben Action und Kontemplation, kommen vor allem aus der neuen Kultur- und Kneipenszene, sind Yuppies, aber auch Sozialberufler. Die Schmidt-Fans aus dem Unterhaltungsmilieu wiederum sind ebenfalls jünger, haben aber geringe Bildung, kommen aus der Szene des Fußballs, des Bodybuilding, der Bräunungsstudios und Spielhallen, ihre Kleidung ist sportlich, aber billig. Sie lieben Pop, Rock und Folk, aber auch Trivialliteratur und Bild, ihre Welt ist die der Action, unter ihnen sind viele Arbeiter, Büroangestellte und Verkäuferinnen . Es wäre daher zu einfach zu sagen, Schmidt gebe dem Publikum nur das Gefühl, intellektuell zu sein, und dann lachten alle Friseusen . Andere haben mit dem Moderator dagegen Probleme. Zwei Medienkritiker brachten die ambivalenten Einstellungen zum Schmidt'schen Humor in Die Woche auf den Punkt. Zunächst geht Michael Berger mit Schmidt und seinesgleichen hart ins Gericht: "Das frivole Weltbild dieser TV-Unterhaltung entspringt einer Ideologie der politischen Unkorrektheit. Sie macht atavistischen Sexismus und Chauvinismus unter der Vorspiegelung aufklärerischer Absichten wieder gesellschaftsfähig. Von den Fans wird der Quatsch unter Artenschutz gestellt: alles Kult! Und was unter Kultvorbehalt steht, ist unangreifbar: Wer's kritisiert, hat's nicht kapiert. Soviel Blödsinn war nie." In derselben Ausgabe kontert Lucas Koch: "Humor und Homer - den Kosmos des Schmidteinanders in allen Dimensionen zu begreifen ist offenbar einer kleinen, verschworenen Gemeinschaft vorbehalten, die hinter dem blitzschnellen Humor das fein gesponnene Netz aus Referenzen und Widersprüchen dechiffrieren kann. Da versagt das Koordinatensystem der herkömmlichen Medienkritik." Ist Harald Schmidt nun ein niveauloses Schandmaul oder der erhellende Lichtblick in der trüben Fernsehwelt? Letztendlich dreht sich alles um die Frage, die Hans-H. Kotte in der taz gestellt hat: "Satire muss alles dürfen. Muss ein Satiriker alles machen, was er darf?" Die "Gesellschaft für deutsche Sprache" beantwortete diese Frage mit einem eindeutigen "Ja". Das Gremium, dessen Ziel es u. a. ist, "die Sprachentwicklung kritisch zu beobachten und Empfehlungen für den allgemeinen Sprachgebrauch abzuleiten" , verlieh Harald Schmidt 1997 den "Medienpreis für Sprachkultur" angesichts seiner Leistung, mit Vorurteilen und Klischees in bester Nonsens-Tradition umzugehen. Im gleichen Jahr erhielt der Showmaster für seine Arbeit einen "RTL-Löwen", einen "Bambi" und den renommierten "Adolf-Grimme-Preis", 1999 sogar den "Bayerischen Fernsehpreis" vom Bayerischen Rundfunk. Nicht nur Schmidt-Fan Lucas Koch meint, "völlig zu Recht, weil ihm interessierter zugehört [wird] als einem bedeutungsschwer vortragenden Klaus Bednarz" . Auch Gertrud Koch von der Zeit ist überzeugt, dass "dessen Qualität der geschärfte Sinn für die Offensichtlichkeit gewisser Absurditäten" sei. Gerade aus der Aufdeckung von Absurditäten unseres Sprachgebrauchs beziehe Schmidt einen Teil seiner Komik. Derlei wird Harald Schmidt gerne hören, haben ihm doch deutsche Fernseh- und Zeitungskorrespondenten (unter anderem von der Zeit) in einem offenen Brief 1996 unterstellt, er leiste rassistischen und ausländerfeindlichen Tendenzen Vorschub . Dazu Schmidt: "Die Kategorien Ausländer/Inländer gibt es für mich nicht. Wir machen einfach Witze über Themen, die sich anbieten. Wir arbeiten mit Klischees und Vergröberungen." Diese Einschätzung teilt der Showmaster mit seinem früheren Kollegen Herbert Feuerstein, "denn Satire ist nicht Beleidigung oder Faktenfälschung, sondern bewusste und erkennbare Übertreibung mit den Mitteln des Humors" . Rückendeckung bekommen die beiden Praktiker aus der Wissenschaft. Rolf Müller, der bereits in den siebziger Jahren Komik und Satire erforschte, kommt zu dem Schluss: "Satire ist ästhetisch sozialisierte Aggression." Dieses aggressive Moment im Humor eines Harald Schmidts wird Gegenstand zahlreicher Diskussionen bleiben. Doch auch das ist Teil des Programms. Was Oliver Kalkofe über Radio-Comedy sagt, gilt wohl auch darüber hinaus: "Gute Radio-Comedy . . . sollte mindestens tausend Hörer dazu bringen, empört die Station zu wechseln. Wenn man etwas produziert, über das sich keiner beschwert, kann es nicht wirklich gut gewesen sein." In diesem Sinne macht Schmidt seine Sache gut. Er hat sich die Rolle des Sozialrowdys ausgesucht, der jede Minderheit mit Chuzpe und Charme diskriminiert. Somit bietet er täglich, aber jedesmal einer anderen Zielgruppe, Grund zum Umschalten. Also ein Mann ohne Tabus? Keineswegs. Zumindest was seine Angriffe auf Einzelpersonen angeht, hat der Schwabe klare Richtlinien. "Es trifft bei uns nur solche Leute, die ihr Privatleben nach außen hängen. . . . Wer öffentlich sein Hemd aufreißt und sagt: Schaut, hier ist mein Pudel, der ist für mich fällig", erklärt Harald Schmidt im FAZ-Magazin . Witze über Juden würde er niemals bringen, wenngleich aus anderen Gründen. "Seit der Walser-Debatte ist mir klar, dass da die Hölle losbrechen würde. Ich war mal der Meinung, es müsste möglich sein, einen Witz über die Krawatten von Michael Friedmann zu machen, ohne als Antisemit abgestempelt zu werden. Heute ist mir klar, dass da überhaupt nicht dran zu denken ist." Zoten über den Krieg im Kosovo hat er sich (im Gegensatz zu seinen amerikanischen Kollegen) daher ebenso verkniffen. Alles andere muss nach Schmidt für die Medien offenbar erlaubt sein, wenn es die Zuschauer wirklich sehen wollen. "I look what works, and I do what works", räumte er in einem Fernsehinterview mit NBC Europe ein . So produziert er mit scheinbarer Leichtigkeit ein Formenkontinuum von Comedy und Talk, Wiedergebrauchswitz und Zote. Mit dem politischen Kabarett, wie es Erich Fromm und andere verstanden haben, als dem "Aufschrei der Entrechteten", dem Ventil, durch das der Überdruck jedes Meinungsdiktats entweicht", hat das freilich wenig zu tun. Dies allerdings aus gutem Grund: Er sei "weit davon entfernt, die Leute zu belehren und ihnen Ratschläge zu erteilen, und . . . möchte auch nicht selbst permanent belehrt werden" . Damit entspricht der Entertainer ganz offensichtlich dem Zeitgeist. Vielleicht, mutmaßt Franz Kotteder, liege dies auch ein wenig daran, "dass viele Deutsche die Nase voll davon haben, dass ihnen jemand die Welt erklärt" . Es scheint, und da sind sich die Beobachter einig, als ob in einer immer komplexer werdenden Welt, in der zudem Konflikte und Katastrophen durch die Medien mehr und mehr im Alltag präsent sind, die Menschen sich nach Zerstreuung und Ablenkung sehnen. "Eine Gesellschaft, die sich trotz Hunger, Elend und Ungerechtigkeit moralisch gut fühlen will, braucht zynische Clowns. Mehr noch als die Sinnproduktion hilft die Unsinnproduktion, das abzuarbeiten, was Wissen und Alltag in der Demokratie anstauen." Doch nicht jeder Unsinn ist komisch - und damit geistvoll. Sinn bekommt der Unsinn offenbar erst dadurch, dass er als Darstellungstechnik gebraucht wird - zur Darstellung des Unsinns im offiziellen Sinn. Wer blödelt, ist nicht gegen die Welt, die ihn ratlos macht. Statt der großen Weigerung praktiziert er die minimale Subversion, wie Norbert Bolz wohlwollend analysiert. "Unsinn ist der kleine Sprengsatz, der an die Kultur des Ernstes gelegt wird." Nach einer angestrengten Dauerreflexion des kritischen Bewusstseins könne nur ein freiwilliger Niveauverlust wieder Luft zum Atmen verschaffen. So funktioniere die Kleinkunst des Unsinns als Schule des Niedrighängens und Herunterspielens - "das Sinnbedürfnis wird planvoll unterfordert" . VII. Comedy - Spiegelbild des realen Wahnsinns Also alles halb so wild? Oder ist doch der Untergang des kulturellen Abendlandes zu befürchten? Kabarettist Matthias Belz vermutet, "dass in der Comedy - wenn sie gut ist - mehr als im herkömmlichen Kabarett formal etwas von den Zerstörungen drinsteckt, die in diesem Jahrhundert geschehen sind" . Und Hans-Ulrich Jörges erkennt gar "Symptome einer Gesellschaft, welcher der Kompass abhanden gekommen ist, die keine neuen Lebensentwürfe mehr wagt, nur noch den atemlosen Wechsel kennt zwischen Brot und Spielen, Ökonomie und Unterhaltung, Standort-Wahn und Flucht in den Wahn" . Nicht erst seit Niklas Luhmann ist unumstritten, "was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien" . Wenn aber die Öffentlichkeit, die wir wahrnehmen, eine mediale Konstruktion ist, dann hat Karl Valentin recht: "In der Welt passiert gerade soviel, wie in eine Zeit(ung) passt." Harald Schmidt braucht - nicht so sehr unter Quotengesichtspunkten - den informierten Zuschauer der Mediengesellschaft. Aber wer ist das? Die Jungen unter 40? Fraglos ist Schmidt der "Spaßmacher der Spätaufsteher, die um Mitternacht herum die Bürgersteige der Unterhaltungselektronik noch nicht hochgeklappt haben und zum Frühstück die Zeitung lesen, die am Abend durchs Bier gezogen wird" . Erst dann kann Schmidt durch virtuoses Kalauern zwischen Philosophieseminar und Stammtisch die ganze Dimension des realen Wahnsinns zur vollen Blüte treiben. Zweifelsohne hat jede Epoche ihre Probleme, doch jede hat auch ihre eigene Form, mit ihnen umzugehen. Eine Entpolitisierung der jungen, der vermeintlichen Spaßgeneration lässt sich jedenfalls nicht ohne weiteres feststellen. Politische Realität, die in der Gegenwartsgesellschaft zu einer Medienrealität geworden ist, gehorcht weitgehend den Gesetzen des Unterhaltungsmarktes, worauf die moderne Satire wiederum entsprechend reagiert. Nicht sie also ist - wenn man so will - das Problem, es sind die mitunter selbst fabrizierten Umstände, unter denen sie gemacht wird. Insofern ist Comedy, wie Harald Schmidt sie betreibt, tatsächlich als Kabarett des ausgehenden sowie des neuen Jahrhunderts zu begreifen, als Weiterführung eines Genres mit Mitteln, die dem zu kritisierenden Gegenstand angepasst werden. Sogar Altmeister Dieter Hildebrandt behauptet: "Harald Schmidt ist ein hervorragender Kabarettist, und er macht in seiner Show Kabarett - nur muss ihm das endlich mal einer mitteilen." Internetverweise der Redaktion: www.harald-schmidt-show.de www.kasper-online.de/schmidt/index.htm de.dir.yahoo.com/Unterhaltung/Musik/Genres/ Comedy/Kuenstler Hans-Ulrich Jörges, Deutschland verblödet, in: Die Woche vom 30. Januar 1998, S. 1. Richard David Precht, Der Narr der letzten Stunde, in: Die Zeit vom 15. Januar 1998, S. 47. Peter Knorr, Metamorphosen des deutschen Humors, in: agenda. Zeitschrift für Medien, Bildung, Kultur, 19 (1996) 1, S. 22-27, hier S. 26. Ebd. S. 24. Franz Kotteder, Die Lust am Schwachsinn, in: Süddeutsche Zeitung vom 9./10. Dezember 1995. Ralf Jüngermann, Spiel mit dem Lachmuskel, in: Deutsches Sonntagsblatt vom 27. Oktober 1995, http://www.sonntagsblatt.de/1995/ds-43/kaba.htm, S. 1-3, hier S. 1. Inzwischen schließt Stefan Raab mit "TV Total" auf PRO 7 die montägliche Terminlücke im Skurrilitäten-Kabinett des deutschen Fernsehprogramms. Heribert Klein, Harald Schmidt, in: FAZ-Magazin, Nr. 20 vom 16. Mai 1997, S. 11-16, hier S. 11. Vgl. u. a. Jochim Huber, Harald Schmidt, Kabarettist und Fernsehstar, in: Der Tagesspiegel vom 6. April 1995. Interview im Grünen Salon vom 28. November 1998, ntv: Harald Schmidt im Gespräch mit Erich Böhme und Heinz Eggert. Harald Schmidt, Scharfe Sachen - und heiße Sprüche aus der Harald Schmidt-Show, Hamburg 1998, S. 66. Ebd. S. 38. Interview im Grünen Salon (Anm. 10). Vgl. Stewart Hall, Kodieren/Dekodieren, in: Roger Bromley/Udo Göttlich/Carsten Winter (Hrsg.), Cultural Studies. Grundlagentexte zur Einführung, Lüneburg 1999, S. 92-110, hier S. 97 f. Kurt Tucholsky, "Was darf die Satire?", in: Manfred Kluge (Hrsg.), Hoppla, wir leben. Deutsche Satiriker des 20. Jahrhunderts, München 1988, S. 11-13, hier S. 12. Stefan Willeke, Die diskreten Zeichen des Erfolgs, in: Die Zeit, Nr. 22 vom 27. Mai 1999, S. 13-15, hier S. 14. George Ritzer, Die McDonaldisierung der Gesellschaft, Frankfurt am Main 1995; ders., Expressing America: A Critique of the Global Credit Card Society, Thousand Oaks 1997. Ebd., Die McDonaldisierung . . ., S. 124. Neil Postman, Wir amüsieren uns zu Tode. Kritische Bemerkungen über das kommerzielle Fernsehen, in: Michael Kunzcik/Uwe Weber (Hrsg.), Fernsehen. Aspekte eines Mediums, Köln - Wien - Böhlau 1990, S. 229-239, hier S. 235. Vgl. Hertha Sturm, Die grandiosen Irrtümer des Neil Postman - Fernsehen wirkt anders, in: ebd., S. 240-262, hier S. 245 f. Ebd., S. 248. Eine Flut von Comedyformaten belegt dies. Als Beispiele seien lediglich erwähnt "Die Wochenshow" und "Voll witzig" in SAT 1, "Sieben Tage, Sieben Köpfe" und "Veronas Welt" bei RTL, "TV total" auf PRO 7 oder "Olli, Tiere, Sensationen" mit Olli Dietrich demnächst im ZDF. Daneben etablieren sich zunehmend sogenannte Comicals im Rundfunk, wobei den Sendern "SWR 3" ("Taxi Sharia") und "FFN" ("Frühstyxradio") eine Vorreiterrolle zukommt. Udo Göttlich/Jörg-Uwe Nieland, Kult, Markt, Image - Perspektiven des Fernsehwandels, unveröff. Vortragsmanuskript, Universität Duisburg, 1999, S. 10. Ingo Appelt, Hinrichtung im Stadion, aus der CD: Feuchte Seite, Köln 1998. Alexander Schuller, Warum Menschen über Dianas Tod Witze machen, in: Westdeutsche Allgemeine Zeitung vom 30. November 1997. Ebd. Leon Wurmser, Die Maske der Scham, Berlin 1990, zitiert nach: Stefanie Ernst, Schamlose Gesellschaft, in: Georg Kneer u. a. (Hrsg.), Soziologische Gesellschaftsbegriffe, München 1997, S. 51-75, hier S. 54. Stefanie Ernst, Schamlose Gesellschaft, in: ebd., S. 72. Kurt Tucholsky, Politische Satire, in: ders., Politische Texte, Reinbek 1987, S. 84-86, hier S. 84. P. Knorr (Anm. 3) S. 26. Vgl. Dietrich Leder, Paradigmenwechsel. Von Hildebrandt zu Harald Schmidt, in: Medium: Zeitschrift für Hörfunk, Fernsehen, Film, Bild, Ton, Sonderheft, 24 (1994), S. 36-39, hier S. 36 f. Kendall L. Baker/Russel Dalton/Kai Hildebrandt, Germany Transformed: Political Culture and the New Politics. Cambridge, Mass., 1981, S. 172. Gerhard Schulze, Die Erlebnisgesellschaft. Kultursoziologie der Gegenwart. Frankfurt am Main 1992², S. 59. Anmerkung der Redaktion: Siehe hierzu auch den Beitrag von Thomas Müller-Schneider in diesem Heft. Vgl. Anthony Giddens, Modernity and Self-Identity. Self and Society in the Late Modern Age, Cambridge 1991. Andreas Dörner, Politik im Unterhaltungsformat. Zur Inszenierung des Politischen in den Bildwelten von Film und Fernsehen, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 41/99, S. 17-25, hier S. 18. Tony Hendra, The Tonight Show. . . and Other Political Platforms, in: Harry N. Abrams, Stand Up Comedians On Television, New York 1996, S. 92-99, hier S. 98. Vgl. Siegfried Frey, Die Macht des Bildes. Der Einfluss der nonverbalen Kommunikation auf Kultur und Politik, Bern 2000. Zu diesem Ergebnis kommt auch die jüngste Studie "Talkshows im Alltag von Jugendlichen", der neben den Daten der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) vor allem intensive Befragungen von 777 12- bis 17-Jährigen zugrunde lagen. Bei Mädchen aus schwierigen Familienverhältnissen führten Talkshows zur Stärkung des Selbstbewusstseins, kommen doch darin ihre eigenen Nöte und Ängste zum Ausdruck. Vgl. Rheinische Post vom 18. Juni 1999, aber auch Jürgen Berthelmes und Ekkehard Sander: Medien in Familie und Peer-group. Vom Nutzen der Medien für 13- bis 14-Jährige, München 1997. Vgl. Horst W. Opaschowski, Generation @ - Die Medienrevolution entlässt ihre Kinder, Hamburg 1999; Anmerkung der Redaktion: Siehe auch den Beitrag von Horst W. Opaschowski in diesem Heft. Vgl. Hermann Strasser, Das Jahr 2000 findet nicht statt, in: Der Rotarier, (1999) 10, S. 27. R. D. Precht (Anm. 2). Bodo Land, Immun gegen die Quote, in: Die Welt vom 8. Juli 1996. Neueste Zahlen scheinen dies zu bestätigen: Seit dem 14. Oktober 1999 tritt Johannes B. Kerner mit seiner Show jeweils donnerstags in den direkten Wettstreit zu Schmidt. Während Kerner bei den Gesamtzuschauerzahlen 1999 vorn lag (14,1 zu 11,6 Prozent Marktanteil), erreicht der ZDF-Mann bei den 14- bis 49-Jährigen lediglich 6,9, Schmidt dagegen 14,1 Prozent. Vgl. TV Spielfilm, Nr. 3, 29. 1. 2000, S. 36. Vgl. G. Schulze (Anm. 33), S. 277 ff. Vgl. Heidemarie Fuhrmann, Was macht eigentlich Walter Giller?, in: Stern, Nr. 2/2000, S. 146. Michael Berger, TV: total verblödet, in: Die Woche vom 30. Januar 1998, S. 38. Lukas Koch, Humor und Homer, in: ebd., S. 39. Hans-H. Kotte, Harald Schmidt. Das Portrait, in: Die Tageszeitung (taz) vom 17. Juni 1996. Broschüre der Gesellschaft für deutsche Sprache 1996 zitiert nach: Hans-Dietrich Fischer/Matthias Fley, Fernsehauszeichnungen in Deutschland, Frankfurt am Main 1998, S. 239. L. Koch (Anm. 46). Gertrud Koch, Am Tresen der Absurdität, in: Die Zeit vom 23. Oktober 1997. Vgl. u. a. Harald Schmidt reißt antipolnische Witze, in: Süddeutsche Zeitung vom 16. Februar 1996. Interview mit Harald Schmidt in: Focus, Nr. 35 vom 25. August 1997, S. 52-56, hier S. 53. Herbert Feuerstein, Geht Harald Schmidt zu weit?, in: Bunte, Nr. 28 vom 2. Juli 1998, S. 92-93, hier S. 93. Rolf Arnold Müller, Komik und Satire, Zürich 1973, S. 77. Oliver Kalkofe, Lachen nach Zahlen, in: agenda (Anm. 3), S. 29. H. Klein (Anm. 8), S. 15. Interview mit Harald Schmidt und Thomas Gottschalk, in: Stern, Nr. 8 vom 18. Februar 1999, S. 46-58, hier S. 52. Interview in "VIP" auf NBC Europe am 18. November 1998, Harald Schmidt im Gespräch mit Catrina Skepper. Focus-Interview (Anm. 52), S. 53. F. Kotteder (Anm. 5). R. D. Precht (Anm. 2). Norbert Bolz, Die Konformisten des Andersseins. Ende der Kritik, München 1999, S. 159. Ebd., S. 160. Matthias Belz, Paradigmenwechsel, in: agenda (Anm. 3), S. 30-33, hier S. 32 f. H.-U. Jörges (Anm. 1). Niklas Luhmann, Die Realität der Massenmedien, Opladen 1996², S. 9. G. Koch (Anm. 50). TV Hören und Sehen, Nr. 14 vom 1. April 1999: Interview mit Dieter Hildebrandt, S. 18-19, hier S. 18.
Article
Strasser, Hermann / Graf, Achim
"2021-12-07T00:00:00"
"2011-10-04T00:00:00"
"2021-12-07T00:00:00"
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/25684/schmidteinander-ins-21-jahrhundert/
Gerne wird hierzulande von Kritikern das Fehlen einer politischen Kultur bei der jüngeren Generation beklagt. Der Niedergang des klassischen Kabaretts soll hierfür verantwortlich sein.
[ "" ]
30,719
Editorial: Lobbyismus | Schwerpunkt Lobbyismus | bpb.de
Egal ob Arbeiter, Bauern, Großunternehmer, Umweltschützer oder Vereinsvorsitzende: Seit jeher versuchen Vertreter einer Vielzahl verschiedener Interessengruppen politische Entscheidungen und Gesetzgebungsverfahren zu beeinflussen. Die Politik selbst wiederum ist auf ihre Informationen und ihr Expertenwissen angewiesen. Im Zuge der Industrialisierung und der Entstehung von Nationalstaaten formierten sich im Europa des mittleren 19. Jahrhunderts die ersten organisierten Interessenverbände. Gemeinsam hoffte man ein größeres Gewicht in die politische Waagschale werfen zu können, um so Einfluss auf die staatlichen Entscheidungsorgane zu nehmen. Damals gehörten z.B. der Externer Link: Centralverband deutscher Industrieller oder der Externer Link: Bund deutscher Landwirte zu den ersten dieser Interessenverbände. Sowohl die gesellschaftspolitische als auch die wirtschaftliche Landschaft haben sich seither grundlegend verändert – und mit ihnen der Lobbyismus. Während die großen, klassischen Interessengemeinschaften - Verbände und Gewerkschaften etwa - mit schwindenden Mitgliedszahlen kämpfen, steigt die Anzahl der Lobbyist/-innen, die in Berlin, Brüssel oder Washington versuchen ihre Anliegen auf der politischen Agenda zu platzieren. In Berlin zählt man heute knapp 2.000 registrierte Interessenverbände, in Brüssel wird die Zahl der aktiven Lobbyist/-innen auf knapp 20.000 geschätzt. Lobbyismusexperten forschen zur Bedeutung des Lobbyismus für die Demokratie. Der Politikwissenschaftler Rudolf Speth zum Beispiel. Er beschreibt den Lobbyismus als "fünfte Gewalt im Staat". Im Interner Link: Interview erklärt er, was genau er damit meint. Der Historiker Werner Bührer hat für uns einen Blick zurück auf die Anfänge des Lobbyismus in Deutschland geworfen. Er ist erstaunt darüber wie kontinuierlich unternehmerische Verbände in Deutschland als politisch gewichtige Akteure auftreten. (Interner Link: zum Beitrag) In unseren Faktenkarten fassen wir das wichtigste zum Thema in aller Kürze zusammen. Eine Branche erfindet sich selbst Die Pluralisierung der Gesellschaft im 20. und 21. Jahrhundert hat auch eine Pluralisierung der Interessen mit sich gebracht: Neben den klassischen Wirtschafts- und Arbeiterverbänden sind im Laufe der vergangenen Jahrzehnte so eine Vielzahl an gesellschaftlichen Gruppierungen, Unternehmensvertretungen, NGO's, Public-Affairs-Agenturen, Auftragslobbyist/-innen und Rechtsanwaltskanzleien auf die Bühne der politischen Beratung getreten. Der Lobbyismus hat sich professionalisiert und um ihn herum ist ein ganzes Ökosystem an Beratern und Dienstleistern entstanden, die sich eigens auf die Interessenvertretung spezialisiert haben. Im Arbeitsalltag der Interessenvertreter/-innen dreht sich, vereinfacht gesagt, alles vorrangig um zwei Formen des Lobbyismus: Den sogenannten Beschaffungslobbyismus, der vor allem darauf abzielt sich öffentlich ausgeschriebene Aufträge zu sichern und den Gesetzeslobbyismus, der vor allem darauf abzielt Entscheidungsprozesse der Legislative zu beeinflussen. Wir haben mit dem Interner Link: Lobbyisten-Coach Hubert Koch gesprochen um herauszufinden, wie man Lobbyist/-in wird und wie der Arbeitsalltag eines/einer Lobbyist/-in aussieht. Von den Gründungsmitgliedern des Netzwerk Zirkus haben haben wir erfahren, welche Hürden man als frischgebackene Lobby nehmen muss und wie die Gründung eines Lobbyvereins überhaupt funktioniert. (in Kürze) Timo Lange vom Verein Lobbycontrol erklärt im Interview, warum Lobbyverbände ihre Büros so nah am Bundestag ansiedeln und wie die Kontaktaufnahme zu den Abgeordneten funktioniert. Kritisch sieht er vor allem die mangelnde Transparenz, die das Geschäft nach wie vor prägt. Good Lobby, bad Lobby Kritiker halten die Entwicklung des Lobbyismus für gefährlich: Das System sei intransparent und anfällig für Korruption. Nicht demokratisch legitimierte Akteure nähmen zu großen Einfluss auf politische Entscheidungen, die potentiell die Gesellschaft als ganze betreffen. Darüber hinaus gebe es auch unter den Lobbys selbst zu große Ungleichheiten, als Folge ungleicher Ressourcenausstattung – finanzielle Mittel, Kontakte, Zugang zu Abgeordneten und anderen Entscheidungsträgern. Dem halten die Befürworter des Lobbying entgegen, dass die Interessenvertretung ein elementarer Bestandteil des demokratischen Prozesses sei. Politiker/-innen seien in einer zunehmend komplexen Gesellschaft mehr denn je auf das Expertenwissen und die Beratung von Spezialisten angewiesen, um informierte und verantwortungsvolle Entscheidungen treffen zu können. Zudem stünde die Interessenvertretung ja nicht nur großen Unternehmen und Branchenverbänden offen – vielmehr böte der Lobbyismus gerade kleinen Vereinen und Verbänden die Möglichkeit, politisch aktiv zu werden und ihren Einfluss geltend zu machen.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2022-02-07T00:00:00"
"2015-09-09T00:00:00"
"2022-02-07T00:00:00"
https://www.bpb.de/themen/medien-journalismus/netzdebatte/211499/editorial-lobbyismus/
Lobbies sind so alt wie die Politik. Dort, wo politische Entscheidungen getroffen werden, sind auch jene, die versuchen sie zu beeinflussen. Gleichzeitig sind Politiker/-innen auf das Wissen von Experten/-innen angewiesen. Mangelnde Transparenz, Spen
[ "Lobbyismus", "Politik", "Transparenz", "Spende", "Information", "Informationen", "Regulierung", "Public Affairs", "PR", "Public Relations", "europäische Union", "USA", "EU", "Kommission" ]
30,720
Tendenzen der sozialen Entwicklung Russlands | Russland und Europa | bpb.de
I. Die Fragestellung Die kollektivistischen Traditionen und Perspektiven der russischen Gesellschaft werden noch lange Gegenstand der Diskussion in Russland und darüber hinaus sein. Es gibt dafür viele Gründe in der Geschichte wie in der Gegenwart. Die Überreste der traditionellen russischen Dorfgemeinschaft (obscina) sind bis zum späten 19. Jahrhundert lebendig geblieben. Später wurden sie geistig und organisatorisch in den Kolchosen revitalisiert. Auch ist die Tatsache nicht zu unterschätzen, dass die Bemühungen, Russland zu modernisieren, stets von der Zentralmacht unternommen worden sind. Das gilt für die Reformen Peters des Großen, für die Abschaffung des Leibeigentums Mitte des 19. Jahrhunderts, für die sowjetische Industrialisierung und Kollektivierung wie auch für Gorbatschows Perestrojka und die tief greifenden sozialen Veränderungen nach 1990. Diese "von oben" determinierte und geleitete Entwicklung hat die entscheidende Rolle der Staatlichkeit, also der kollektiven Organisationsmuster, im russischen Alltag und Massenbewusstsein tief verankert. Deswegen hat die These von einer spezifisch russischen (oder "östlichen") institutionellen Matrize, die durch Kollektivismus gekennzeichnet sei und sich von dem "westlichen" individualistischen institutionellen Muster radikal unterscheide, viele Anhänger. Diese These wird allerdings momentan dort problematisch, wo sie zu politischen Zwecken missbraucht wird. In Russland wird sie auf dem Banner der Nationalisten groß geschrieben. Im Westen stützen sich all jene auf sie, die sich von Russland distanzieren möchten. In beiden Fällen ist genau das zu hinterfragen, was als eine Selbstverständlichkeit angenommen wird, nämlich die fundamentale kollektivistische, wertnormative wie institutionelle Ausprägung der russischen Gesellschaft. Weiterhin wird eine andere These vertreten: Mit manchen Besonderheiten, die auch in vielen anderen Gesellschaften festzustellen sind, hat sich die russische Gesellschaft in der Richtung einer fortschreitenden Individualisierung entwickelt und wird sich auch weiterhin dahingehend entwickeln. Es kann auch nicht anders sein, da die Individualisierung einen globalen Trend darstellt, dem sich zu entziehen die russische Gesellschaft nicht imstande ist. Es wäre aber falsch, die These so zu verstehen, als ob der globale Trend der Individualisierung sich in der russischen Gesellschaft erst mit den Reformen in den neunziger Jahren behauptet hätte. Schon die rasche Industrialisierung und Urbanisierung Russlands zu Sowjetzeiten ging Hand in Hand mit einer vielseitigen Erweiterung der autonomen Entscheidungs- und Handlungsoptionen des Individuums. Das mag erstaunlich klingen, da die Stereotypen einer total regulierten, kontrollierten und restriktiven sowjetischen Gesellschaft verbreitet und einflussreich sind. Sie unterschätzen aber die sich im Laufe der Jahrzehnte schnell erweiterte Palette von Bildungsmöglichkeiten, unter denen man in vielen Fällen frei wählen konnte. Zusammen mit der Modernisierung hat sich auch die Bandbreite der Berufe ständig erweitert. In den meisten Fällen konnte man den Beruf und den Arbeitsplatz auch in der UdSSR frei wählen. Nach der Landflucht in die Industriezentren waren die Migrationsmöglichkeiten zwar administrativ eingeschränkt, aber nicht versperrt. Die Arbeitsfluktuation war in den Großstädten vor 1989 recht hoch. Auch der soziale Raum für die individuelle Wahl von Freizeitaktivitäten war breit. So gesehen, war die sowjetische Gesellschaft - besonders in den achtziger Jahren - weitreichend individualisiert, da die Individuen viele Wahlmöglichkeiten und reale Handlungsoptionen hatten. Zusammen mit der Steigerung des Bildungsniveaus der Bevölkerung hatte sich auch die Kompetenz der Individuen für autonome Entscheidungen und autonomes Handeln erhöht. Es gab ferner Möglichkeiten, mit der institutionellen Bevormundung unter den damaligen Umständen fertig zu werden. Und das ging so weit, dass die sowjetischen Institutionen unter anderem deswegen nicht richtig funktionieren konnten, weil viele Individuen Kompetenzen entwickelt hatten, sie zu umgehen oder zu missbrauchen. Gleichzeitig wurde das Potenzial für Konflikte immer größer, da der staatliche Interventionismus in das ökonomische und kulturelle Leben üblicherweise der persönlichen Initiative und Verantwortung doch enge Grenzen setzte. Mehr noch: Die formalisierten organisatorischen Muster des offiziellen Kollektivismus höhlten graduell die gemeinschaftlichen Bindungen der sowjetrussischen Gesellschaft aus. Deswegen wollten die wenigen russischen Dissidenten meistens die Wiederherstellung der Solidargemeinschaft eines reformierten Sozialismus. Neben ökonomischer und politischer Unzufriedenheit war die Suche nach gemeinschaftlicher Bindung die treibende Kraft der Umweltschutzbewegungen und Menschenrechtsgruppen. Sie verkörperten die Suche nach Gemeinschaft in der sich entwickelnden Zivilgesellschaft. Die Idee der Zivilgesellschaft beinhaltete auch in Russland Ende der achtziger Jahre eine ideologische und politische Botschaft: Freiwillige Vereinigungen von Individuen in Wirtschaft, Politik und Kultur sollten die formalisierten Organisationen des Staatssozialismus ersetzen. Die gemeinschaftlichen Strukturen der Zivilgesellschaft sollten den sozialen Raum für freie Entwicklung und Selbstverwirklichung der Individuen stellen. So gesehen, war die sowjetrussische Gesellschaft kaum effektiv integriert. Auf der Oberfläche der offiziellen "großen Wahrheit" war sie ideologisch und institutionell von kollektivistischen Mustern dominiert. Auf der Ebene der alltäglichen Interaktionen dominierte aber die individualistische "kleine Wahrheit". Die Entwicklung in den achtziger Jahren zeigte auf allen Ebenen des wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Lebens klar, dass die "kleine" individualistische Wahrheit dabei war, die "große" Wahrheit der offiziellen kollektivistischen Ideologie und Politik zu besiegen. Es soll aber betont werden, dass diese Ideologie und Politik auch im Alltag tiefe Wurzeln hatten und sich gar nicht einfach besiegen ließen. Es gab Millionen von Menschen, die sich mit diesen traditionell-russischen und auch sowjetisch geprägten kollektivistischen Mustern identifizierten. Diese vererbte Widersprüchlichkeit lässt sich an den gravierenden Problemen der Privatisierung, an der Bildung demokratischer politischer Institutionen und Pluralisierung der Kultur in Russland nach 1990 ablesen. Manche von diesen Problemen waren vorauszusehen, da die Suche nach Gemeinschaft auf das vorrangige Ziel der postsozialistischen Transformationen - die Privatisierung des Eigentums - prallen musste. Die rasche, millionenfache Gründung privater Unternehmen ist eine beeindruckende Demonstration des Ausmaßes dieses Prozesses. Es ist nun an der Zeit, einen detaillierteren Blick auf diese Dimension der Veränderungen der russischen Gesellschaft zu werfen. II. Die sozialen Konsequenzen der Privatisierung Die verbreitete Annahme einer vollen Verstaatlichung des wirtschaftlichen Lebens in der Russischen Föderation vor 1990 ist weit von den damaligen Realitäten entfernt. Die private wirtschaftliche Initiative war zwar kaum erlaubt, florierte aber in verschiedenen, oftmals illegalen Formen. Die individualistisch funktionierende Schattenwirtschaft war ein unvermeidliches Pendant der ineffizienten staatlich-kollektivistischen Planwirtschaft. Es gab prinzipiell zwei Möglichkeiten, den Weg einer rational-individualistischen Wirtschaftlichkeit zu beschreiten und damit die Engpässe der Planwirtschaft zu überwinden: Die erste Möglichkeit wurde in China schon seit 1979 ausprobiert und hat positive Resultate gezeigt. Das war die Möglichkeit einer schrittweisen Öffnung der wirtschaftlichen Prozesse in Richtung privater Initiative und Wettbewerb. Die Voraussetzung dafür ist die Beibehaltung einer Rechtsordnung, welche die Interessen der Gesellschaft garantiert. Man kann heute argumentieren, der sowjetische und später der russische Staat sei nicht konsolidiert genug gewesen, um eine solche legalistische Wende zur individualistischen Marktwirtschaft effektiv zu steuern. Diese These ist durchaus berechtigt, aber sie stellt nur einen - den kleineren - Teil der Wahrheit über die russische Privatisierung dar. Der zweite Weg einer stürmischen, kaum rechtlich abgesicherten oder gar kriminell durchgesetzten Privatisierung des staatlichen Eigentums ist in Russland deswegen möglich geworden, weil sie von den Machthabern als der direktere und einfachere Weg für eine Individualisierung qua Privatisierung angesehen wurde und zu deren Gunsten ausfiel. Das Resultat ist klar und eindeutig: Die Durchsetzung der individuellen wirtschaftlichen Initiative ist in Russland in der ersten Hälfte der neunziger Jahre auf Kosten des Gemeinwohls gegangen, weil sie von extremen individualistischen Wertvorstellungen und Handlungsmustern geleitet wurde. Es gibt viele Gründe für den Verfall der russischen Wirtschaft - der wichtigste ist aber gerade die Art und Weise, wie die Privatisierung durchgesetzt wurde. Trotz der wirtschaftlichen Belebung in den letzten Jahren lag die Industrieproduktion der Russischen Föderation 2001 immer noch bei nur 59,9 Prozent des Niveaus von 1989, während das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in demselben Zeitvergleich lediglich 67,4 Prozent ausmachte. (s. Abb. 1). Wie haben sich diese wirtschaftlichen Prozesse auf die Optionen für individuelle Entwicklung und Verwirklichung in Russland ausgewirkt? Man kann als erstes feststellen, dass als Resultat der gezielt intransparenten Privatisierung in den Jahren 1992 bis 1994 die russische Gesellschaft eine wirtschaftlich tief gespaltene Gesellschaft geworden ist. Vor den Reformen war sie - trotz aller Abweichungen - eine ausgesprochen egalitäre Gesellschaft. Der Gini-Koeffizient, der die wirtschaftliche Ungleichheit misst, lag bei 0,26. Nach den Reformen ist dieser Wert auf 0,47 angestiegen, was dem typischen Niveau der ökonomischen Ungleichheit in lateinamerikanischen Gesellschaften entspricht. Vor den Reformen waren hohe Einkommen in Russland eine Seltenheit, dagegen lag 2001 das Verhältnis der zehn Prozent höchsten Einkommen und der zehn Prozent niedrigsten schon bei 13,8:1. Die kombinierte Auswirkung des Rückganges des BIP und der raschen sozialen Differenzierung hat weitreichende Folgen für viele Gruppen in der russischen Gesellschaft. In Russland führte die Individualisierung durch Privatisierung zu Armut, ethnischen Konflikten und zu neuen Formen individueller Entfremdung. Die erhoffte Wiederbelebung von Gemeinschaften ist ausgeblieben. Noch hat sich der universelle Respekt vor den Rechten und Freiheiten des Individuums nicht materialisiert. Für 2001 belief sich das staatlich kalkulierte Existenzminimum auf rund 1500 Rubel pro Monat. In demselben Jahr betrug die durchschnittliche monatliche Rente 1024 Rubel und das durchschnittliche Monatsgehalt 3240 Rubel. Unter diesen Einkommensbedingungen lebten 39,9 Millionen Menschen in Russland unter dem offiziellen Existenzminimum. Eine verallgemeinerte Charakteristik der sehr schwierigen finanziellen Situation der russischen Bevölkerung liefert die Tatsache, dass 45,9 Prozent aller Ausgaben der Haushalte für Lebensmittel getätigt wurden. Unter solchen Umständen ist es verständlich, warum die relative Verbesserung der wirtschaftlichen Lage nach 1999 gemischte Gefühle in der öffentlichen Meinung hervorruft (s. Abb. 2). So verdeutlicht schon der erste Blick auf die postsozialistische Wirklichkeit Russlands, dass die Individualisierung typischerweise auf Kosten des Gemeinwohls gegangen ist. Zweifelsohne war der sowjetische Staat nicht mehr in der Lage, die Produktionsmittel einer zunehmend differenzierten Gesellschaft effektiv zu verwalten. Daher war die Einführung von Marktmechanismen unvermeidbar. Das wirkliche Problem liegt aber in der Art und Weise des Transfers von Staatseigentum in private Hände. Dabei wurde die russische soziale Gemeinschaft eher nur bescheiden oder gar nicht entschädigt. Die Mechanismen des ungerechten Transfers waren vielfältig: Sie reichten vom legalisierten Verkauf des Staatseigentums an das Management zu günstigen Preisen bis hin zu Fällen krimineller Ausplünderung. Die Flut von wirtschaftlicher Kriminalität im Laufe der Transformation spiegelt genau eine dramatische Pathologie der Individualisierung wider. III. Die Entwicklung demokratischer Politik Die große Zahl registrierter politischer Parteien oder die noch größere von Nicht-Regierungsorganisationen in Moskau und Sankt Petersburg wäre nicht möglich ohne die Initiative von Individuen, die nach neuen Formen der Selbstverwirklichung und des Engagements suchen. Diese Entwicklung könnte als Triumph der Individualisierung bezeichnet werden. Vorherige, vom Staat auferlegte Beschränkungen der Mobilität, der Meinungsäußerung und der Kommunikation zwischen Individuen fielen weg. Viele russische Intellektuelle hegten sogar die Hoffnung, dass der Schlüssel aller Veränderungen in institutioneller wie in kultureller Hinsicht in der Anerkennung und praktischen Achtung der unbeschränkten Entfaltung des Individuums liege. Die Effekte des globalen Trends der Individualisierung spiegeln sich am deutlichsten in der Veränderung der Gesetzgebung wider. Die neue Verfassung der Russischen Föderation hat einen für Russland gänzlich unüblichen Schwerpunkt, nämlich die individuellen Menschenrechte. Der strategische Unterschied zwischen der staatssozialistischen und der neuen Verfassung verdeutlicht die weitgehende Verschiebung von einem kollektivistischen institutionellen Arrangement zu einem institutionalisierten Individualismus. Deswegen war die Versuchung stark, anzunehmen, dass damit zugunsten der Eröffnung neuer Möglichkeiten für die persönliche Entfaltung in Russland entschieden worden sei. Die heutigen Realitäten sehen aber ganz anders aus. Der einflussreichste Faktor, der die Besonderheiten des Individualisierungsprozesses in Russland nach 1990 bestimmt, ist die institutionelle Instabilität, die den Transformationsprozess charakterisiert. Die Situation hat sich in dieser Hinsicht nach der Wahl von Putin zum Präsidenten zweifellos verbessert. Immer noch besteht aber das größte Problem Russlands heutzutage in der hohen Intensität objektiver Risiken und in dem institutionellen Unvermögen, ihnen effektiv zu begegnen. Der sich daraus ergebende Mangel an Vertrauen in die öffentlichen Institutionen ist eine wichtige Dimension dieser Situation. Die typische individuelle Reaktion nimmt Formen eines anomischen Verhaltens an, das viele Ursachen und Gründe hat. Die plötzlichen Liberalisierungen der Binnenpreise und des internationalen Handels waren z.B. geleitet von der - naiven - Hoffnung, dass der Big Bang die ökonomischen Beziehungen sofort wieder richten würde. Auf diese Weise sollten individuelle Initiative und Verantwortung freigesetzt werden. Es wurde hingegen weit weniger konkret gedacht an ein marktorientiertes Bankensystem, an die Börse, an Versicherungs- und Rentensysteme oder an Arbeitslosenhilfe. Andererseits wurde die Restrukturierung der Industrie hinsichtlich technologischer und marktwirtschaftlicher Prioritäten sowie ökologischer Erwägungen immer wieder verschoben. Die destruktiven Folgen des unbeschränkten Imports von Lebensmitteln aus der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten auf die wenig produktive russische Landwirtschaft wurden auch nicht weiter berücksichtigt. Die Auflösung der Kolchosen und Sowchosen entwickelte sich zu einer illegalen Enteignung und Zerstörung der Produktionsmittel. Die Erwartungen einer schnellen Revitalisierung der privaten Landwirtschaft waren von Anfang an unrealistisch. Es gab unvermeidbare Probleme bezüglich des Eigentums an Grund und Boden. Die vorhandene Technologie und landwirtschaftliche Infrastruktur waren für die Massenproduktion gedacht - nicht für kleine landwirtschaftliche Produktionsbetriebe. Der Mangel an Krediten und der Einfluss einer Vielzahl anderer organisatorischer und kultureller Faktoren machte die Landreform in Russland kompliziert und schmerzhaft. Damit wurden sowohl die Industrie als auch die Landwirtschaft Faktoren der Verarmung. Die politischen Reformen wurden im Kontext intensiver Konfrontationen und eines mangelnden Konsenses über strategische innen- und außenpolitische Fragen durchgeführt. Es gab deutliche Diskontinuitäten in der Politik. Dysfunktionale Beziehungen zwischen staatlichen Institutionen - z.B. zwischen der zentralen und den regionalen Regierungen - wurden zur alltäglichen Normalität. Demoralisiert durch ständige Reorganisation und niedrige Einkommen sowie durch mangelnde Kontrolle, verloren Beamte auf allen Ebenen die Anreize, effektiv zu arbeiten. Korruption war das unvermeidbare Ergebnis, das hier auch durch die kulturelle Tradition legitimiert wurde. Wegen der schnellen Verarmung breiter Schichten und der Schwächung staatlicher Institutionen wurde auch die Kriminalität insgesamt zu einer realen Bedrohung: So wurden 1990 15600 Morde und Raubmorde registriert, 2001 bereits 33600. Die erfassten Drogendelikte stiegen im gleichen Zeitraum von 16300 auf 241600. Angesichts dieser Entwicklung beurteilt die öffentliche Meinung auch in den letzten Jahren die Effizienz der Sicherheitsorgane wie die eigene Sicherheit negativ (s. Abb. 3). IV. Die neue pluralistische Kultur Vor diesem Hintergrund ist es nicht überraschend, dass die Destabilisierung des institutionellen Rahmens der russischen Gesellschaft zu weit verbreiteter Verunsicherung führte. In der ersten Hälfte der neunziger Jahre - zeitgleich mit der Durchsetzung des privaten Unternehmertums und der politischen Demokratisierung - wurden die Prinzipien der (relativen) individualistischen Ethik übernommen. Ihre Entwicklung hin zu den Aktivitäten von Schwarzmarkt und anderer Kriminalität, zusammen mit der schmerzhaft empfundenen Schwächung der Institutionen, die das Gemeinwohl repräsentieren und sichern, förderte traditionelle antiindividualistische Haltungen. Die Bejahung der universellen Werte der Menschenrechte kollidierte mit eklatanten Beispielen von Verfolgung individueller und partikularer Interessen in Wirtschaft und Politik auf Kosten des Gemeinwohls. Diese Verunsicherung konkretisiert sich in der sehr eindeutigen Bewertung der Auswirkungen der neuen wirtschaftlichen Organisation auf die Gerechtigkeit der Verteilung in der russischen Gesellschaft (s. Abb. 4). Angesichts der institutionellen und wert-normativen Unordnung ist es nicht weiter verwunderlich, dass für die Probleme der Transformation individualistische Lösungen gesucht werden. So scheint der Individualismus - in einer Zeit der andauernden ökonomischen, politischen und kulturellen Unsicherheit - in Russland die Überhand zu gewinnen. Zweifelsohne ist der individualistische Liberalismus unter solchen Bedingungen praktisch effektiv. Da stellt sich aber sofort die Frage: Kann eine stabile Sozialordnung etabliert und aufrechterhalten werden durch die Bemühungen von extremen Individualisten? Mit anderen Worten: Bewegt sich die russische postsozialistische Gesellschaft von der Instabilität einer von kollektiver Rationalität nationaler Bedürfnisse und Ziele dominierten Sozialordnung hin zu einer anderen instabilen Sozialordnung, die von der Rationalität individueller Bedürfnisse und Ziele dominiert wird? Die Frage kann noch nicht mit Klarheit beantwortet werden. Allgemein gesagt, sehnen sich die Russen einerseits nach der individualistischen Privatinitiative des "amerikanischen" Typs und andererseits nach der starken Regulierung des Einkommensniveaus "skandinavischen" Typs, um ökonomisch schwache Gruppen abzusichern. Das praktische Problem liegt nicht primär in der Illusion, paradoxerweise das zu verbinden, was nicht gleichzeitig erzielt werden kann. Vielmehr liegt die entscheidende Schwierigkeit darin, dass die russische Gesellschaft nicht so wohlhabend und institutionell gut organisiert ist wie ihre "amerikanischen" und "skandinavischen" Gegenstücke. Was in fortgeschrittenen Gesellschaften als soziale und psychologische Spannung, also als Risiko und individuelle Unsicherheit verstanden wird, wird in der russischen Gesellschaft durch einen starken "Stress-Faktor" vervielfacht. Er ist charakterisiert durch Intransparenz, Ineffizienz, Instabilität und Unzuverlässigkeit der wichtigsten gesellschaftlichen Institutionen. Die gewaltige Öffnung des window of opportunities für die Individualisierung stößt in Russland also auf ebenso gewaltige Probleme bei der Verwirklichung dieser neuen Möglichkeiten. Diese These lässt sich vielfach belegen: Die Zahl der Studierenden z. B. hat in Russland zwischen 1990 und 2001 beträchtlich zugenommen: von 1,90 Prozent auf 3,32 Prozent der Bevölkerung. Es ist auch im Prinzip positiv zu bewerten, dass es private Hochschulen gibt. Doch eine genauere Einschätzung dieser Entwicklung zeigt, dass im Jahr 2001 629500 Studierende in 387 privaten Hochschulen eingeschrieben waren - aber 354500 von ihnen waren Fernstudenten. Die Qualität dieser Ausbildung ist oft und mit guten Gründen angezweifelt worden. Dieselbe Vorsicht wäre bei der Einschätzung des Pressewesens geboten. In den letzten Jahren sind die höchsten Zahlen veröffentlichter Bücher, Broschüren und Zeitschriften zu verzeichnen. Sie tragen den differenzierten Interessen der Leserschaft Rechnung. Zugleich ist jedoch die Tatsache nicht zu unterschätzen, dass 1990 zehn Bücher und Broschüren und 34 Exemplare von Zeitschriften pro Kopf verkauft wurden, dagegen waren es 2001 nur noch je vier Bücher und Broschüren sowie sieben Zeitschriften. Das bedeutet, dass es in Russland Millionen gibt, die nicht mehr Bücher und Zeitschriften kaufen können oder offenbar keinen Sinn mehr im Lesen sehen. V. Ausblick Diese Erfahrungen institutioneller Instabilität und wertnormativer Verunsicherung werden einen langfristigen Einfluss auf die Einstellungen und Handlungsweisen breiter Schichten in der russischen Gesellschaft haben. Die instabile institutionelle Ordnung wird die Fähigkeit von Millionen bestimmen, angemessen auf die neuen Öffnungen für Individualisierung zu reagieren. Das soll nicht bedeuten, dass es in dieser Hinsicht keine positiven Entwicklungen in der russischen Gesellschaft gegeben hat. In den Meinungsumfragen werden beispielsweise die Verfügbarkeit von Gütern und die Meinungsfreiheit sowie die Reisefreiheit oft genannt. Gleichzeitig ist sich die öffentliche Meinung der Bedrohung durch Verarmung und Kriminalität wohl bewusst. Der Wandel bedeutet für die neuen Armen eine Einschränkung der Freiräume für die persönliche Verwirklichung und Entfaltung im Vergleich zu den achtziger Jahren. Einige der Öffnungen und Schließungen, mit denen die Individuen in Russland konfrontiert sind, beziehen sich direkt auf die internationale Politik. Dies trifft beispielsweise auf die internationale Arbeitsmigration und auf die verschiedenen Visa-Regimes zu. Die osteuropäischen Länder, die eine Integration in die Europäische Union anstreben, haben z. B. Visa für die Bürger Russlands eingeführt. Interne Entwicklungen bestimmen andere Probleme. Man muss sich dabei an die Debatte der frühen neunziger Jahre erinnern. Damals war eines der wichtigsten und am weitesten verbreiteten Versprechen, dass sich die russische Gesellschaft von einer Situation, in der jeder gleich arm war, zu einer Situation entwickeln würde, in der jeder wohlhabend wäre, wenn auch nicht auf dem gleichen Niveau. Heute hat der Großteil der Bevölkerung Russlands einen niedrigeren Lebensstandard als vor den Reformen. Die Meinungsumfragen reflektieren Einschätzungen der finanziellen Lage der Haushalte, die charakteristisch sind für Länder mit Massenarmut, schweren ökonomischen Problemen und mit einer weit auseinander klaffenden Einkommensschere. Es ist daher wichtig zu fragen, in welchem Ausmaß sich Russland von dem egalitären Muster weg und zu dem lateinamerikanischen Muster scharfer Polarisierung von Einkommen und Vermögen hin bewegt. Für manche Regionen der Russischen Föderation kann man den Rückgang des Lebensstandards sogar als "Afrikanisierung" interpretieren. Was auch immer die Ursachen und Gründe der Armut sind, sie impliziert verschiedene Formen der sozialen Exklusion, die Zerstörung von Humankapital sowie das Potenzial für schwere soziale Spannungen und Konflikte. Vor dem Hintergrund der Probleme im Alltag ist auch die Verringerung der Ansprüche in den persönlichen Strategien bei der Diagnose der Situation der russischen Gesellschaft von vorrangigem Interesse. Im Kontext der massenhaft verbreiteten Armut sind die individuellen Ansprüche ebenso massenhaft minimiert. Dies betrifft Bürger der großen Städte Russlands weniger, da hier die Bevölkerung ein signifikant höheres Bildungsniveau hat als im Landesdurchschnitt. Auch die Altersstruktur beeinflusst die Lebensstrategien. Diese zeigen einen negativen Trend in ländlichen Regionen, weil hier vorrangig ältere Menschen leben. Ein wichtiger Faktor, der die Unterschiede erklärt, ist außerdem die Verfügbarkeit mehrerer Optionen für persönliche Initiative und Selbstverwirklichung in urbanen Zentren, besonders in Moskau und Sankt Petersburg. Trotz dieser Unterschiede ist das Gesamtbild geprägt von einer Verringerung der Ansprüche, die sich aus der Beschränkung der realen Wahlmöglichkeiten und der Chancen zur Selbstverwirklichung ergibt. Darüber hinaus stabilisierte sich der reduzierte Zeithorizont des Großteils der Bevölkerung Russlands. Der enge Horizont der persönlichen Planung steht sich in einem scharfen Kontrast zu den Erfordernissen einer bewussten Beherrschung der persönlichen Entwicklung und Verwirklichung. Das große Ausmaß an persönlicher Desorientierung und Unsicherheit verweist auch darauf, dass die gesellschaftliche Transformation in Russland eine Auflösung der gemeinschaftlichen Bande impliziert. Es stellt sich die Frage, ob eine nachhaltige soziale Ordnung in der russischen Gesellschaft auf der Basis dieser Individualisierung etabliert werden kann. Die Antwort ist noch unklar. Die Notwendigkeit einer neuerlichen gemeinschaftlichen Integration der russischen Gesellschaft ist akut. Berücksichtigt man die Erfahrungen aus früheren Zeiten, ist es genauso dringend notwendig, diese Reintegration zu erzielen, ohne zu autoritären Mustern einer politischen Über-Integration zurückzukehren. Von einem anderen Blickwinkel betrachtet, war die große Mehrheit der Bevölkerung der Russischen Föderation auf die Herausforderungen der Transformation unvorbereitet. Dies ist nicht verwunderlich, da es sich um einen Übergang von einer Gesellschaft mit eingeschränkten, aber klar formulierten Wahlmöglichkeiten zu einer Gesellschaft handelt, in der Orientierungen, Wahlmöglichkeiten und Selbstverwirklichung ein hohes Ausmaß an Eigenverantwortung unter den Bedingungen unklarer normativer Regelung erfordern. Dies ist eine Situation, in der die moralischen und die institutionellen Rahmenbedingungen des gemeinschaftlichen Lebens untergraben werden. Solche Entwicklungen, die einen Großteil der Bevölkerung unter den für Industriegesellschaften typischen Standards leben lassen, wirken sich negativ auf die internationale Konkurrenzfähigkeit aus. Wenn man z.B. die Lebenserwartung als einen sehr aussagekräftigen Indikator der sozialökonomischen Situation betrachtet, dann ist ihr Rückgang in Russland von 69,2 (1990) auf 65,3 Jahre (2001) ein deutliches Zeichen der Krise der Gesellschaft. Die Lebenserwartung der Männer betrug 2001 59 Jahre und ist besonders bedenklich, da sie mit der Situation in vielen typischen Entwicklungsländern vergleichbar ist. Ein anderer Indikator ist die Verbreitung von armutsbedingten Krankheiten. So wurde Tuberkulose 1990 in 34200 und 2001 in 88500 Fällen registriert. Die destruktiven Tendenzen schlagen sich auch im Anstieg der Drogenabhängigkeit nieder: 1990 gab es offiziell 3100 Abhängige, 2001 bereits 43700. Unter diesen Umständen sind die Resultate der Meinungsforschung zur Einschätzung der medizinischen Versorgung nicht verwunderlich. Die Schlussfolgerung aus dieser Einschätzung für die Organisation des Gesundheits- und Bildungswesens ist einleuchtend: Diese Schlüsse wirken sich auch auf die Wahlpräferenzen aus. Wenn Parlamentswahlen zwischen dem 24. und 28. Januar 2003 abgehalten worden wären, wären sie wie folgt ausgefallen: Kurz gefasst lässt sich sagen, dass die fortgeschrittenen westeuropäischen und nordamerikanischen Gesellschaften in der Lage sind, die Herausforderungen der Individualisierung zu meistern, weil sie eine organisatorische Integration in und zwischen den Handlungssphären entwickelt haben. Darüber hinaus - und im Gegensatz zur liberalen Rhetorik - gab es in diesen Gesellschaften genug Bemühungen zur Revitalisierung der gemeinschaftlichen Formationen, d. h. jener Gruppen und Bewegungen, die durch affektive Bindungen zwischen ihren Mitgliedern sowie durch eine gemeinsame Kultur gekennzeichnet sind. Angesichts dieser Erfahrung haben die anomischen Entwicklungen, die im Laufe der beschleunigten Individualisierung in Russland aufgetreten sind, vorrangig zwei Determinanten: Die eine war und ist die Instabilität der formellen Organisationen wegen des simultanen Wandels von organisatorischen Strukturen in Wirtschaft, Politik und Kultur. Die Anomie ist aber, zweitens, auch Resultat der tiefen Verunsicherung über alte und neue kollektive Identitäten - z.B. über die Angehörigkeit zur sowjetischen Gesellschaft. Welche auch immer die Ursachen und Gründe des auf Kosten der funktionalen Integration und der gemeinschaftlichen Bande gehenden Anstiegs der Individualisierung in Russland sein mögen - es ist offensichtlich, dass das erfolgreiche Management dieses Risikofaktors lange Zeit in Anspruch nehmen wird. Oberflächlich scheint es, dass die wertnormative Integration das erste ist, was angegangen werden müsste. Tatsächlich aber ist das Problem der organisatorischen Desintegration wichtiger. Unter den gegebenen historischen Bedingungen kann nur die Wiederherstellung der organisatorischen Integration der russischen Gesellschaft eine lang anhaltende Reaktivierung der gemeinschaftlichen Bande bewirken. Zwischenzeitlich stehen noch viele wichtige Entwicklungen der Individualisierung aus. Da bestünde die Möglichkeit, Individuen, Gemeinschaften, Organisationen und Nationalgesellschaften für die Bewahrung und Entwicklung des Gemeinwohls zu mobilisieren. In der Tat scheint die Aussicht einer Integration über die Mobilisierung für ein Risiko-Management die vielversprechendste zu sein, um Individuen, Gemeinschaften und Organisationen in Russland vor Anomie und pathologischen Zuständen zu bewahren. Vgl. Vladimir A. Jadov, Nekotorye sociologiceskie osnovanija dlja predvidenija buduscege rossijskogo obscestva (Einige soziologische Prinzipien zur Prognose der Zukunft der russischen Gesellschaft), in: L. M. Drobizeva (Hrsg.), Rossija reformirujuscajasja (Das sich reformierende Russland), Moskau, S. 353. Vgl. Nikolai Genov, Four Global Trends: Rise and Limitations, in: International Sociology, 12 (1997) 4, S. 409-428. Vgl. UNECE, Economic Survey of Europe 2, New York - Genf 2002, S. 162-165. Vgl. Weltbank, Transition. The First Ten Years, Washington, D.C. 2002, S. 9. Vgl. Goskomstat, Social'noe polozenie i uroven' zizni naselenija Rossii (Die soziale Lage und das Lebensniveau der Bevölkerung Russlands), Moskau 2002, S. 24. Vgl. ebd. Vgl. ebd., S. 228. Vgl. A. A. Golov, Peremeny v zizni rossijan: 2000-2002 (Veränderungen im Leben der Bevölkerung Russlands). Moskau 2003; http://www.wciom.ru/vciom/new/public/public_own/030121_life.htm Vgl. O. N. Janickij, Rossija kak obscestvo riska: kontury teorii (Russland als Risikogesellschaft: Konturen einer Theorie), in: V. A. Jadov (Hrsg.), Rossija: transformiruyusceesja obscestvo (Russland: Eine sich transformierende Gesellschaft), Moskau 2001. Vgl. Goskomstat (Anm. 5), S. 394. Vgl. A. A. Golov (Anm. 8), S. 25. Vgl. ebd., S. 347. Vgl. ebd., S. 26. Vgl. ebd., S. 23. Vgl. ebd., S. 301. Vgl. ebd., S. 304. Vgl. WZIOM, Press-vypusk (Pressekommuniqué), 1, 16. 1. 2003. Moskau 2003, http://www.wciom.ru/vciom/new/press/press030120_01.htm Vgl. WZIOM, Press-vypusk (Pressekommuniqué), 3, 30. 1. 2003. Moskau 2003, http://www.wciom.ru/vciom/new/press/press030120_03.htm
Article
Genov, Nikolai
"2021-12-07T00:00:00"
"2011-10-04T00:00:00"
"2021-12-07T00:00:00"
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/27673/tendenzen-der-sozialen-entwicklung-russlands/
Innenpolitisch hat Russland einen Transformationsprozess durchlaufen, der noch nicht beendet ist. Immer neue Brüche und Unsicherheiten scheinen aber vorhandene Ansätze einer demokratischen und sozial gerechteren Gesellschaftsordnung zu überlagern.
[ "" ]
30,721
Alles wie gehabt. Der Neue ist der Alte | Hintergrund aktuell | bpb.de
Es sollten die spannendsten Wahlen in der jüngeren Geschichte der Türkei werden und die wichtigsten. Gegen 18 Uhr deutscher Zeit (19 Uhr in der Türkei) machte sich im oppositionellen Lager jedoch schnell Ernüchterung breit. Eine klare Mehrheit für den amtierenden Staatspräsidenten Interner Link: Recep Tayyip Erdoğan und eine breite Mehrheit im Parlament für seine Partei, die Interner Link: AKP. Damit wurden diese Wahlen genauso entschieden, wie auch alle anderen Wahlen in den vergangenen 16 Jahren: Recep Tayyip Erdoğan und seine AKP haben gewonnen. Eine Stichwahl am 8. Juli wird also nicht stattfinden. Diese wäre notwendig gewesen, hätte keiner der Kandidaten mehr als 50 Prozent der Stimmen erhalten. Laut vorläufigem Endergebnis erhielt Erdoğan 52,5 Prozent der Stimmen und bleibt damit Staatspräsident der Türkei. Sein größter Konkurrent, Muharrem İnce von der Interner Link: CHP erhielt 30,6 Prozent. Die gleichzeitig stattfinden Parlamentswahl endete ähnlich. Hier erhielt die AKP 42,3 Prozent. Gemeinsam werden AKP und Interner Link: MHP – diese erhielt 11,2 Prozent der Stimmen und schloss mit der die AKP vorab ein Wahlbündnis – im Parlament eine absolute Mehrheit haben. Die Opposition wird im Parlament die CHP und die Interner Link: IYI-Partei bilden sowie die prokurdische linke Interner Link: HDP, die den Sprung über die 10-Prozenthürde schaffte. Spekulationen darüber, wie geschlossen die Oppositionsparteien im Parlament zusammenarbeiten werden sind aufgrund Interner Link: fehlender Kontrollrechte der Opposition nach Inkrafttreten der Verfassungsänderung beinahe unnötig. Vorläufiges Ergebnis der Präsidentschaftswahl Recep Tayyip Erdoğan52,5 % Muharrem İnce30,6 % Meral Akşener7,3 % Selahattin Demirtaş8,4 % Temel Karamollaoğlu0,9 % Doğu Perinçek0,2 % Vorläufiges Ergebnis der Parlamentswahl Bündnis: "Allianz des Volkes" AKP42,5 % MHP11,1 % Bündnis: "Nationale Allianz" CHP22,6 % Iyi Parti10,0 % Saadet Partei1,4 % (wird voraussichtliche keine Abgeordneten stellen) Weitere HDP11,7 % Sonstige0,7 Die Wahlbeteiligung lag bei 86,4 Prozent. Quelle: trthaber Überraschte Opposition? Vorgezogene Neuwahlen Nachdem eine knappe Mehrheit der Türkinnen und Türken im April 2017 für eine Interner Link: Reform der türkischen Verfassung votiert hatte und damit entscheidende Interner Link: Veränderungen des politischen Systems der Türkei beschlossen wurden, finden die Wahl des Parlaments und des Staatspräsidenten von nun an immer gleichzeitig statt. Die ersten Wahlen dieser Art sollten turnusgemäß im November 2019 abgehalten werden. Spätestens seit Beginn des Jahres 2018 mehrten sich jedoch die Einschätzungen und Gerüchte, die Wahlen würden vorgezogen und deutlich früher stattfinden. Der Vorsitzende der mit der AKP kooperierenden MHP Devlet Bahçeli machte am 17. April 2018 einen konkreten Vorschlag: Bereits am 26. August 2018 sollten die Türkinnen und Türken zur Urne schreiten. Danach ging alles jedoch sehr schnell. Am darauffolgenden Tag trafen sich Erdoğan und Bahçeli und ein noch früherer Wahltermin wurde genannt, der auch kurz darauf vom Parlament bestätigt wurde: der 24. Juni 2018. Am gleichen Tag wurde auch der seit dem gescheiterten Putschversuch von 2016 anhaltende Ausnahmezustand erneut um drei Monate verlängert. Über die Frage, warum die Wahlen um fast anderthalb Jahre vorgezogen wurden, lässt sich nur spekulieren. Die türkische Regierung um Präsident Erdoğan begründete den Schritt damit, Stabilität in wirtschaftlich und politisch unruhigen Zeiten herstellen zu wollen. Kritische Stimmen warfen hingegen der Regierung vor, die Opposition überrumpeln und Wahlen stattfinden lassen zu wollen, bevor die wirtschaftliche Situation des Landes noch schwieriger wird. Dass der amtierende Präsident Erdoğan erneut antreten würde, war klar – ebenso, dass die AKP gemeinsam mit der MHP in einem Wahlbündnis zur Parlamentswahl antreten würde. Dafür hatte die Regierung im März 2018 noch das Wahlgesetz geändert: die hohe Sperrklausel von 10 Prozent gilt seither für alle Parteien in einem Wahlbündnisse gemeinsam und nur so konnte der MHP als kleine Partei im Wahlbündnis mit der AKP der Einzug in das Parlament gesichert werden. Ebenso gesetzt war Meral Akşener als Kandidatin ihrer Partei, der IYI-Parti. Bei den übrigen Oppositionsparteien dauerte die Kandidatensuche länger und bot einige Überraschungen: Die HDP nominierte ihren seit November 2016 wegen des Vorwurfs der "Terrorpropaganda" inhaftierten ehemaligen Parteivorsitzenden Selahattin Demirtaş. Die CHP - zweitstärkste Partei der Türkei - nominierte den Abgeordneten Muharrem İnce; der Parteivorsitzende Kemal Kılıçdaroğlu verzichtete. Versuche der Opposition sich auf einen gemeinsamen Kandidaten zu einigen waren im Vorfeld gescheitert. Frei und fair? Wie bereits im Wahlkampf zum Verfassungsreferendum im April 2017 wurde auch in den vergangenen Wochen kritisiert, dass ein fairer Wahlkampf im andauernden Ausnahmezustand kaum möglich sei. Zudem kam es zu zahlreichen Zwischenfällen – im Wahlkampf sowie am Wahltag. Insbesondere in den mehrheitlich kurdisch bewohnten Gebieten im Südosten der Türkei fanden die Wahlen daher in einer unfreien Atmosphäre statt. Mehrfach wurde aus dem Südosten der Türkei von massiven Behinderungen des Wahlkampfs der HDP berichtet. Zudem wurden für den Wahltag zahlreiche Wahlbezirke innerhalb der kurdischen Gebiete verlegt oder zusammengelegt, sodass die Menschen weite Strecken zurücklegen mussten, um von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Darüber hinaus sitzt der Präsidentschaftskandidat und ehemalige Vorsitzende der Partei sowie ein Großteil der bisherigen HDP-Abgeordneten weiterhin in Haft. In der Kritik stand auch die Änderung des Wahlgesetzes, das nun auch Wahlzettel als gültig anerkannte, die nicht zuvor vom "Hohen Wahlausschuss" (Yüksek Seçim Kurulu) gestempelt wurden. Ein großes Problem für alle Oppositionsparteien war zudem die ungleiche Behandlung in den Medien: Erdoğan und seine Partei erhielten ein Mehrfaches der Aufmerksamkeit, die der Opposition zuteilwurde. Für den Zeitraum zwischen dem 31. Mai und dem 14. Juni 2018 wertete Transparency International dazu den staatlichen Fernsehsender TRT aus: 105 Minuten wurden in dieser Zeit den Präsidentschaftskandidaten gewidmet: Davon entfielen 53 Minuten auf Erdoğan und 22 Minuten auf Muharrem İnce. Selahattin Demirtaş wurde gar nicht erwähnt. Hinzu kommt, dass die Lage der Medien seit dem gescheiterten Putschversuch von 2016 ohnehin sehr angespannt ist. Über 180 Medien wurden seitdem zwangsweise geschlossen. Eine oppositionelle Haltung gilt als gefährlich, der Druck sich regierungskonform zu verhalten ist hoch. Auch am Wahltag kam es zu einer Reihe von Unregelmäßigkeiten. In den sozialen Netzwerken verbreiteten sich früh Nachrichten über bereits ausgefüllte Stimmzettel, die in machen Wahlbüros in Bündeln angegeben worden sein sollen und über Polizisten, die Wahlbeobachter der Opposition daran hinderten, in den Wahlbüros der Auszählung beizuwohnen. Solche Beobachtungen decken sich zwar mit den Erfahrungen der Wahlbeobachter während den vergangenen Wahlen, einen strukturellen Wahlbetrug an der Urne beweisen sie jedoch nicht. Mobilisierung der Opposition Trotz des Wahlkampfs unter erschwerten Bedingungen gelangen der Opposition gleich zwei Neuerungen: Zum einen schaffte sie es geschlossen aufzutreten und sich gegenseitig Unterstützung für den Fall einer Stichwahl zuzusichern. Zum anderen gelang ihr, insbesondere der CHP und ihrem Kandidaten Muharrem İnce, eine neue Größenordnung der Mobilisierung: An seinen letzten Wahlkampfauftritten in Izmir, Ankara und noch am 23. Juni in Istanbul nahmen nach Angaben der Partei bis zu fünf Millionen Anhänger teil. Aufgrund dieser Mobilisierung entstand bei vielen der Eindruck einer Wechselstimmung in breiten Teilen der Gesellschaft. Seit den ersten Auszählungsergebnissen ist diese Stimmung jedoch Ernüchterung gewichen. Wie geht es weiter? Erdoğan kann nun für weitere fünf Jahre als Staatspräsident die Türkei regieren – einmal kann er danach noch wieder gewählt werden, so steht es in der Verfassung. Mit der Wahl vom 24. Juni treten nun auch die letzten Verfassungsänderungen des Referendums vom April 2017 in Kraft. Der Staatspräsident wird fortan auch formal mit einer nie dagewesenen Machtfülle ausgestattet sein: Das Amt des Ministerpräsidenten gibt es nun nicht mehr. Dessen Kompetenzen erhält der Staatspräsident, der gleichzeitig auch Regierungschef sein wird. Auch der Ministerrat – ein Gremium vergleichbar mit dem deutschen Bundeskabinett – wurde abgeschafft. An seine Stelle tritt eine nicht bestimmte Anzahl von Ministern und stellvertretenden Präsidenten, die der Präsident alleine jederzeit bestimmen und entlassen kann. Die parlamentarische Opposition kann zwar weiterhin schriftliche Anfragen an die Regierung stellen, deren Beantwortung liegt jedoch im Ermessen der Befragten. Erdoğan als Staatspräsident und seine Partei werden die Geschicke der Türkei in den nächsten Jahren allein und nach ihrem Willen lenken können. "Checks and balances" wie sie das bisherige politische System noch kannte, sind mit der Wahl vom 24. Juni aufgehoben. Weitere Informationen unter: Interner Link: Das "neue" politische System der Türkei Politische Herausforderungen Erdoğan hat sich im Wahlkampf dem alten Narrativ seiner politischen Karriere bedient: Wohlstand für alle. Auf diesem Feld hat er wieder umfangreiche Versprechungen gemacht - und nun muss er liefern. Trotz aller Kritikpunkte: Die veränderte Verfassung stattet den Präsidenten mit so umfangreichen Befugnissen aus, dass ein Abschieben von Verantwortung nicht mehr möglich ist. Verbessert sich beispielsweise die Lage der Wirtschaft nicht merklich in den nächsten Monaten, wird man dies dem Staatspräsidenten zum Vorwurf machen. Hinzu kommt die gespaltene türkische Gesellschaft, die es zu einen gilt. Mag die Wahl für die Opposition auch einen enttäuschenden Ausgang gefunden haben, so ist das Ergebnis dennoch beeindruckend: Es war das erste Mal seit den Gezi-Protesten im Jahr 2013, dass ein Szenario, in dem Erdoğan nicht als Sieger aus einer Wahl hervorgeht, überhaupt denkbar war. Das wird die Opposition, die fast die Hälfte der türkischen Wählerinnern und Wähler ausmacht, nicht vergessen. Und schließlich bleibt das schwierige Verhältnis zu vielen europäischen Staaten, auf die die Türkei angewiesen ist, aber die wiederum auch auf die Türkei angewiesen sind. Auch dieses Verhältnis gilt es zu reparieren. Muharrem İnce hatte angekündigt, im Falle eines Wahlsiegs nacheinander alle europäischen Hauptstädte zu besuchen, "um Frieden zu schließen". Das wird vorerst wohl ausbleiben. Externer Link: http://zfti.de/wp-content/uploads/2018/06/ZfTI_AKTUELL_11_Wahlen_2018.pdf FES Türkei, Wahlanalyse Türkei: "Recep Tayyip Erdoğan hat sein Wahlziel erreicht", 24. Juni 2018.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2022-01-19T00:00:00"
"2018-06-25T00:00:00"
"2022-01-19T00:00:00"
https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/271524/alles-wie-gehabt-der-neue-ist-der-alte/
Wieder heißt der Sieger Erdoğan. Der türkische Präsident wurde im Amt bestätigt und auch im Parlament hat seine Partei mit Abstand die meisten Mandate gewonnen. Durch die Verfassungsreform aus dem Jahr 2017 ist er nun mächtiger denn je. Was bedeutet
[ "Präsidentschaftswahlen", "Recep Tayyip Erdogan", "Türkei" ]
30,722
Migration Policy and Demographic Effects | Zuwanderung, Flucht und Asyl: Aktuelle Themen | bpb.de
Polish-German kindergarten in Frankfurt (Oder). (© picture-alliance/ ZB) The discussion on restricting immigration had a strong impact on political debates concerning migration in Europe, especially during periods with substantial increases in the number of refugees and asylum seekers, as was the case in the 1990s. These days, however, EU countries are talking more about immigration’s contribution in coping with demographic change. An UN analysis of migration policies shows that in 2011 only a few countries in Europe explicitly claim that the level of immigration is too high and needs to be reduced. This is the case in Denmark, Great Britain, Croatia, France, and the Netherlands. Other countries – especially in Eastern Europe – favor an increase in immigration. An important role is played by highly qualified migrants; most countries would like to increase this immigration. This even applies to the above mentioned countries which generally aim to reduce immigration, with the exception of Great Britain. One needs to consider, however, that the countries of origin out of which most highly qualified migrants come, are usually the same countries that are interested in such immigrants. The young populations in many threshold and developing countries are facing decreased fertility levels too, which will lead to declining population growth and demographic aging in the future. The competition for highly qualified immigrants reflects the demographic future in Europe: aging and future birth deficits in almost all countries will result in the increased importance of immigration for labor markets and social security systems. Immigration and Population Development Chart 6: Population Balance in Selected European Countries per 1,000 Residents in 1950, 2010, and 2060 (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/ In the context of demographic change, the question arises regarding the actual effects of immigration upon population development. To answer this question, one can compare migration balances and natural population balances of births and deaths per 1,000 residents (see Chart 6). Since the natural balances diminish in all selected countries between 1950/55 and 2060/65, the proportion of the migration balance increases relative to the entire population balance. With the exception of those countries with a relatively high fertility rate (Ireland, France, the Netherlands), in all these countries migration balance contributes more to population development than the natural balance between births and deaths does. For those countries with low fertility and a negative natural balance (Poland and Slovenia), these losses are still being compensated by immigration. One exception is Germany; UN estimates suggest that between 2010 and 2015 immigration to Germany will be lower than Germany’s negative natural balance. By 2060/65 this will also apply to Poland, Slovenia, Spain, and the Netherlands. "Replacement Migration" In a model calculation from 2001 the UN analyzed how high immigration levels have to be in order to compensate for specific demographic changes in the population ("replacement migration"). For Germany (with a strong birth deficit) and France (with a fertility rate almost at the replacement fertility rate) these model calculations show that immigration can indeed compensate the decline, e.g. of the population size, under certain conditions; however this is not a long-term solution to cope with the aging of the population. Due to a diminishing mother generation caused by low fertility in combination with the decreasing fertility of migrants the longer they reside in the destination country, along with the fact that also immigrants get older, population losses can only be compensated if net immigration constantly increases. For Germany the necessary migration balance to maintain a constant population size would have to reach 430,000 by 2050. In order to maintain a constant size in the labor population, there would have to be at maximum of 900,000 new immigrants per year by 2025/30. For a constant ratio between the working population and retired persons, the migration balance would have to be four million per year by 2050 with a maximum in 2025/2030 of over five million. For France the necessary migration balance is lower; by 2015/20 the immigration would have to reach 90,000 to maintain the size of the general population and 210,000 to maintain the size of the labor population. However, even in France the migration balance would have to increase dramatically in order to maintain a constant ratio between the labor population and retired persons: by 2050 it would have to reach over three million per year. The entire immigration between 1995 and 2050 would constitute more than 180 million in Germany and 90 million in France in order to maintain a constant ratio between the labor population and the retired population. Since the necessary migration balance to achieve this balance is so high, it is clear that these countries cannot only look to immigration to counteract the aging trend in their societies. This text is part of the policy brief on Interner Link: "Demographic Change and Migration in Europe". Polish-German kindergarten in Frankfurt (Oder). (© picture-alliance/ ZB) Chart 6: Population Balance in Selected European Countries per 1,000 Residents in 1950, 2010, and 2060 (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2021-06-23T00:00:00"
"2014-01-29T00:00:00"
"2021-06-23T00:00:00"
https://www.bpb.de/themen/migration-integration/kurzdossiers/178007/migration-policy-and-demographic-effects/
The discussion on restricting immigration had a strong impact on political debates concerning migration in Europe, especially during periods with substantial increases in the number of refugees and asylum seekers, as was the case in the 1990s. These
[ "Migration", "demographic", "Demographic change", "Population", "replacement migration" ]
30,723
Facebook-App "Wir stehen auf!" | Presse | bpb.de
Rechtsextreme erreichen heutzutage über soziale Netzwerke wie Facebook mit subtilen Botschaften eine breite Öffentlichkeit. Deshalb sollen Bürger auch in sozialen Netzwerken ein Signal gegen rechtsextreme Einstellungen und für eine Welt ohne Menschenverachtung setzen können. Mit der Facebook-App „Wir stehen auf!“ können Nutzer von Facebook symbolisch auf einer Deutschlandkarte gegen Rechtsextremismus aufstehen und erfahren, wie viele Menschen bereits in ihrer Region aufgestanden sind und wo man sich vor Ort engagieren kann. Die Facebook-App bietet außerdem weitere Informationen zum Thema Rechtsextremismus, z.B. über typische Codes und Symbole der rechtsextremen Szene, aber auch Verweise auf Online-Informationsangebote der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb oder Publikationen zum Thema. Sollte trotzdem eine Frage zum Phänomen Rechtsextremismus offen bleiben, so haben die Nutzer die Möglichkeit, sich diese entweder in der App, oder unter www.bpb.de/fragengegenrechts von einem Experten per Video beantworten zu lassen. Zusätzlich stellt die App eine Datenbank bereit, die deutschlandweit 193 Initiativen gegen Rechtsextremismus auflistet und zeigt, wo und wie man sich vor Ort engagieren kann. Neben der Facebook-App setzt der Verein Verein Laut gegen Nazis e.V. mit der bundesweiten Aktion „Wir stehen auf!“ im Rahmen der „Internationalen Wochen gegen Rassismus“ 2013 ein Zeichen gegen Rassismus, Antisemitismus, Homophobie und Menschenverachtung. Dazu finden vom 15. bis 24. März Veranstaltungen und Aktionen in zahlreichen Städten wie Hamburg, München, Leipzig, Offenbach, Oschatz, Erlangen und Glinde statt. Weitere Informationen unter Externer Link: http://goo.gl/5dPOU Interner Link: Pressemitteilung als pdf Pressekontakt bpb Bundeszentrale für politische Bildung Daniel Kraft Adenauerallee 86 53113 Bonn Tel +49 (0)228 99515-200 Fax +49 (0)228 99515-293 E-Mail Link: presse@bpb.de Externer Link: www.bpb.de/presse
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2021-06-23T00:00:00"
"2013-03-19T00:00:00"
"2021-06-23T00:00:00"
https://www.bpb.de/die-bpb/presse/pressemitteilungen/156839/facebook-app-wir-stehen-auf/
Laut gegen Nazis e.V. stellt „Wir stehen auf!“-App für Facebook vor – in Kooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung
[ "" ]
30,724
Die Ehe der Maria Braun | Der Filmkanon | bpb.de
Deutschland 1978 Drama, Melodram Kinostart: 1979 Verleih: Basis Filmverleih/Deutsche Kinemathek Regie: Rainer Werner Fassbinder Drehbuch: Peter Märtesheimer, Pea Fröhlich Darsteller/innen: Hanna Schygulla, Klaus Löwitsch, Ivan Desny, Hark Bohm, Gisela Uhlen, Gottfried John, Elisabeth Trissenaar u. a. Kamera: Michael Ballhaus Laufzeit: 120 Minuten Format: 35 mm, Breitwand, Farbe Preise: Auswahl: Internationale Filmfestspiele Berlin 1979: Silberner Bär für beste Hauptdarstellerin (Hanna Schygulla); Deutsches Filmband in Gold (1979): Beste Regie (Rainer Werner Fassbinder), Beste Darstellerin einer Hauptrolle (Hanna Schygulla), Beste Darstellerin einer Nebenrolle (Gisela Uhlen), Bestes Szenenbild (Norbert Scherer, Helga Ballhaus) FSK: ab 12 J. Altersempfehlung: ab 15 J. Klassenstufen: ab 10. Klasse Themen: (Deutsche) Geschichte, Frauen, Individuum (und Gesellschaft), Liebe, Krieg/Kriegsfolgen Unterrichtsfächer: Deutsch, Geschichte, Politik, Ethik Während eines Luftangriffs heiratet Maria 1943 den Soldaten Hermann Braun. Tags darauf muss er an die Front und bleibt nach Kriegsende verschollen. Maria beginnt in einer Bar zu arbeiten, wo sie den afroamerikanischen G.I. Bill kennenlernt. Als Hermann überraschend heimkehrt und die beiden in flagranti erwischt, erschlägt Maria Bill. Ihr Mann nimmt die Schuld auf sich und geht ins Gefängnis. Maria hält an ihrer Liebe zu Hermann fest, auch nachdem sie die Geliebte – und tüchtige Referentin – des Industriellen Karl Oswald geworden ist. Als Hermann entlassen wird, setzt er sich jedoch nach Kanada ab und kehrt erst nach Karls Tod 1954 zurück. Dieser hat das Paar als Erben bestimmt. Kaum haben sie davon erfahren, sterben Maria und Hermann bei einer Gasexplosion. Die Ehe der Maria Braun ist ein Melodram mit konkretem Zeitbezug. Über neun Jahre hinweg verfolgt der Film die Entwicklung der Titelfigur zur "Mata Hari des Wirtschaftswunders". Handlungsorte sind authentisch ausgestattete, klaustrophobisch wirkende Innenräume, die das Innenleben der Protagonisten/innen illustrieren. Innerhalb des Bildausschnitts setzen zudem oft Wände, Bögen und Fenster zusätzliche Begrenzungen, so dass die darin agierenden Figuren isoliert oder beengt wirken. Die Außenwelt drängt durch einen bisweilen überlauten Ton ein: Kriegslärm, Suchmeldungen, Presslufthämmer, Politikeransprachen, Schlager oder zuletzt die Live-Übertragung des Endspiels der Fußball-WM 1954. Der Film beginnt und endet mit einer Detonation. Eine zusätzliche zeitliche Klammer bilden Politiker-Porträts: anfangs ein Bild Adolf Hitlers, im Nachspann Negativaufnahmen der ersten Bundeskanzler der Nachkriegszeit bis Helmut Schmidt, wobei auffällt, dass Willy Brandt fehlt. Die Ehe der Maria Braun erzählt nicht nur das Drama einer unerfüllten Liebe, sondern ist auch ein vielschichtiges Zeit- und Milieuporträt. So kann im Unterricht analysiert werden, welches Bild Fassbinder von der Nachkriegszeit und dem beginnendem Wirtschaftswunder zeichnet. Maria Braun steht mit ihrem untrüglichen Gespür für den Wert von Gütern und ihrem eigenen Körper beispielhaft für jene Frauen, die den Wiederaufbau vorantrieben. Während sie beruflich Karriere macht und so das Wirtschaftswunder personifiziert, kühlt sie emotional ab: Ökonomie statt Vergangenheitsbewältigung. Ihre Welt explodiert, als sie erfährt, dass auch sie nur als Ware zwischen Hermann und Karl "gehandelt" wurde. Ist ihr Tod Unfall oder Suizid? Diskutiert werden sollte auch, welche Aussage der Regisseur mit den Kanzler-Porträts trifft. Nicht zuletzt regt der Film dazu an, sich mit der Rolle Fassbinders für den Neuen Deutschen Film auseinanderzusetzen. Informationen und Materialien Interner Link: bpb.de: Dossier Filmkanon: Die Ehe der Maria Braun Externer Link: Rainer Werner Fassbinder Foundation Externer Link: filmportal.de Mehr zum Thema auf kinofenster.de: Externer Link: Angst essen Seele auf (Pädagogisches Begleitmaterial vom 29.09.2006) Externer Link: Fontane – Effi Briest (Pädagogisches Begleitmaterial vom 29.09.2006) Externer Link: Das Wunder von Bern (Filmbesprechung vom 01.10.2003) Externer Link: Wahrheit und Wirklichkeit im (west-)deutschen Film (Hintergrund vom 09.08.1999)
Article
Cristina Moles Kaupp
"2021-12-20T00:00:00"
"2013-03-26T00:00:00"
"2021-12-20T00:00:00"
https://www.bpb.de/lernen/filmbildung/filmkanon/157190/die-ehe-der-maria-braun/
Die Geschichte einer Frau, die sich zu Zeiten des deutschen Wirtschaftswunders allein durchschlägt, wurde Fassbinders internationaler Durchbruch und Auftakt einer Trilogie über die BRD-Vergangenheit.
[ "(Deutsche) Geschichte", "Frauen", "Individuum (und Gesellschaft)", "Liebe", "Krieg/Kriegsfolgen", "Filmgeschichte", "Filmbildung", "Rainer Werner Fassbinder" ]
30,725
Wahl-O-Mat 50 Millionen Mal genutzt | Presse | bpb.de
Seit seiner Erstveröffentlichung im Jahr 2002 wurde der Wahl-O-Mat der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb bereits über 50 Millionen Mal genutzt. Das starke Interesse zeigt sich auch bei den aktuellen Landtagswahlen: Vor der Wahl in Schleswig-Holstein wurde der Wahl-O-Mat über 560.000 Mal gespielt und auch in Nordrhein-Westfalen ist der letzte Rekord eine Woche vor der Wahl bereits eingestellt: Mehr als 1,5 Millionen Menschen haben sich schon über die Positionen der Parteien im größten Bundesland informiert. 2012 waren es noch 1.270.000 Nutzungen insgesamt. 42 Mal hat die bpb den Wahl-O-Mat bisher vor einer Wahl zur Verfügung gestellt: Zu drei Europawahlen, vier Bundestagswahlen und 35 Mal zu einer Landtagswahl. Dabei erfreut sich das Angebot seit seinem Start einer wachsenden Beliebtheit. Jede Version konnte die Zahl der Nutzer im Vergleich zu vorherigen Wahl vergrößern. Thomas Krüger, Präsident der bpb, freut sich: "Das große Interesse am Wahl-O-Mat zeigt uns, dass der spielerische Ansatz der Informationsvermittlung durch den Wahl-O-Mat gut ankommt. Er erreicht immer mehr Menschen, auch solche, die sich normalerweise nicht für Politik interessieren." Den Machern des Wahl-O-Mat geht es dabei vor allem darum, zu zeigen, welche Themen bei der Wahl wichtig sind und dass sich die Positionen der Parteien zum Teil erheblich unterscheiden. Und sie wollen dazu motivieren, an Wahlen teilzunehmen: "Der Wahl-O-Mat macht deutlich, dass eben nicht alle Parteien gleich sind. Wie kaum ein anderes Angebot verdeutlicht er, wie wichtig es ist, zur Wahl zu gehen. Denn bei jeder Wahl nehmen die Wähler Einfluss darauf, welche Entscheidungen in den nächsten vier oder fünf Jahren getroffen werden", so Thomas Krüger, zu dessen ersten Amtshandlungen vor über 15 Jahren die Einführung des Wahl-O-Mat in Deutschland gehört hatte. Die 38 Thesen im Wahl-O-Mat werden von einem Team aus Jung- und Erstwählern erstellt, das zu jeder Wahl neu zusammengesetzt wird. Dabei werden sie von Wissenschaftlern, Journalisten und Pädagogen unterstützt. Die Antworten werden direkt von den Parteien gegeben und autorisiert. Der Wahl-O-Mat ist keine Wahlempfehlung, sondern soll als Ausgangspunkt dienen, sich weiter mit den Themen und den Positionen der Parteien zu befassen. Auch zur Bundestagswahl im September wird die bpb den Wahl-O-Mat wieder zur Verfügung stellen. Voraussichtlich ab Ende August können Nutzer dann wieder die eigenen Positionen mit den Positionen der zur Wahl stehenden Parteien vergleichen. Der aktuelle Wahl-O-Mat ist immer online abrufbar unter Externer Link: www.wahl-o-mat.de Weitere Informationen und Material zum Download unter Interner Link: www.bpb.de/wahl-o-mat/presse Pressemitteilung als Interner Link: PDF. Pressekontakt Bundeszentrale für politische Bildung Stabsstelle Kommunikation Adenauerallee 86 53113 Bonn Tel +49 (0)228 99515-200 Fax +49 (0)228 99515-293 E-Mail Link: presse@bpb.de
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2021-06-23T00:00:00"
"2017-05-08T00:00:00"
"2021-06-23T00:00:00"
https://www.bpb.de/die-bpb/presse/pressemitteilungen/247953/wahl-o-mat-50-millionen-mal-genutzt/
Seit seiner Erstveröffentlichung im Jahr 2002 wurde der Wahl-O-Mat der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb bereits über 50 Millionen Mal genutzt. Das starke Interesse zeigt sich auch bei den aktuellen Landtagswahlen: Vor der Wahl in Schleswig-H
[ "Wahl-O-Mat 2017" ]
30,726
Subjektorientierung, Menschenrechtsbildung und Demokratie-Lernen als wichtige Elemente einer 'Inklusiven politischen Bildung‘. | bpb.de
Die Frage nach dem genaueren Sinn einer Verknüpfung von Inklusion und politischer Bildung, die mit dem interessanten Thema und Titel "Inklusive Politische Bildung" anvisiert ist, wirft umso mehr Fragen auf, je genauer man hinsieht. Um nur einige Beispiele zu nennen: Ist gemeint, dass die pädagogische Teildisziplin politische Bildung sich inklusiv umstellt? - was in gewisser Weise voraussetzen würde, dass politische Bildung noch nicht (genügend) inklusiv ausgerichtet ist. Wenn ja, hinsichtlich ihrer Themen und Inhalte? Ihrer Didaktik und ihrer Methoden? In Bezug auf die Bildungsinstitutionen, in denen politische Bildung üblicherweise auftritt? (Wäre der letzte Bezug überhaupt etwas, was politische Bildung als Fachdisziplin betrifft?) Oder geht es vorrangig um die Frage, was und wie politische Bildung etwas zum Anliegen einer Umstellung auf Inklusion beitragen kann? Zur Umstellung in welchen Bereichen? Den Bildungsinstitutionen? Den gesellschaftlichen Institutionen? Der politischen Kultur? Und: Welche Umstellung? Die Definitionen und Interpretationen von Inklusion sind äußerst vielfältig und reichen von einem (unterschiedlich verstandenen) zielgruppenspezifischen Empowerment i.d.R. für Menschen mit Behinderung bis hin zu Anstrengungen einer gesamtgesellschaftlichen Dekonstruktion von eingewöhnten Normalitätsvorstellungen und -erwartungen, durch die soziale, kulturelle und politische Diskriminierungen ganz verschiedener Personen und Gruppen als verursacht und stabilisiert gesehen werden, zugunsten einer allgemeinen gleichberechtigten Akzeptanz (oder Toleranz, oder Anerkennung, oder Wertschätzung …) von gesellschaftlicher Diversität (aus wiederum unterschiedlichen, z.B. menschenrechtlichen oder ökonomischen Gründen). Mein tentativer Vorschlag einer Antwort wäre, einerseits eine voreilige Engführung der Antwort zu vermeiden (weil dies den anspruchsvollen Konnotationen des hier verhandelten Titels nicht gerecht werden kann), und andererseits sich aber auf das überlieferte professionelle Selbstverständnis und zentrale Themen politischer Bildung zu beschränken bzw. daraus Themen und Methoden auszuwählen, die der Sache nach eine starke Nähe zum Konzept der Inklusion aufweisen: das wären m.E. insbesondere Menschenrechte und Demokratie, die gleichzeitig als die zentralen Legitimationsprinzipien demokratischer Rechtsstaaten gelten und leicht mit einer 'Inklusiven politischen Bildung‘ in Verbindung gebracht werden können. Jedoch scheint mir auch, dass die Anstrengungen in den Bereichen Demokratie-Lernen und Menschenrechtsbildung nicht nur aus "inklusionistischen" Gründen verstärkt werden sollten, sondern auch aus Gründen jüngerer gesellschaftlicher und politischer Entwicklungen, die vielfach unter dem Stichwort "Postdemokratie" diskutiert werden. Es kann wohl als Konsens vorausgesetzt werden, dass eine Demokratie (und vitale Zivilgesellschaft) auf ihr entgegenkommende Kompetenzen der Bürgerinnen und Bürger (Wissen, Einstellungen, Orientierungen, Handlungsbereitschaften) angewiesen ist, die nicht als gegeben vorausgesetzt werden können, sondern als ein Gegenstand von Bildungsprozessen betrachtet werden müssen. Durch zunehmend zu beobachtende Tendenzen einer demokratiepolitisch äußerst problematischen sozialen Selektivität politischen Interesses und konventioneller politischer Partizipation (insbesondere in Bezug auf die Beteiligung an Kommunal-, Landtags- und Bundestagswahlen und hinsichtlich der Mitarbeit und Mitgliedschaft in politischen Parteien) müsste sich m.E. die politische Bildung (die sich auch als schulische Politikdidaktik nicht auf sozial- und politikwissenschaftliche Propädeutik beschränken sollte) noch weitaus stärker zu erhöhten Anstrengungen veranlasst sehen als das gegenwärtig der Fall ist. Solche Anstrengungen zur Überwindung der mangelhaften Repräsentation der Interessen in verschiedener Hinsicht benachteiligter Gruppen wären dann auch Beiträge zur (politischen) Inklusion. Methodisch-didaktisch eignen sich in erster Linie Ansätze, die nicht prioritär von einem zu vermittelnden, eventuell "elementarisierten" Fachinhalt "Politik" ausgehen, sondern in einer subjekt-, lebenswelt- und handlungsorientierten Perspektive sich zunächst möglichst unvoreingenommen zu den Erfahrungen, Interessen und Deutungen der Lerngruppen in Beziehung setzen und ihr Selbstbewusstsein und politisches Kompetenzbewusstsein stärken. Auch dieser Aspekt ist "inklusionsrelevant", wenn geeignete Maßnahmen zur Bekämpfung von Diskriminierung nicht "undemokratisch" über die Köpfe der Betroffenen entschieden werden sollen. Erst in einem zweiten Schritt können (und müssen) die artikulierten Erfahrungen und Interessen mit politischen Inhalten und Machtverhältnissen verknüpft werden. In diesem Sinn geeignete Ansätze versuchen soziales und politisches Lernen systematisch zu verbinden, wobei sich wiederum thematisch vor allem Menschenrechtsbildung und Demokratielernen dazu eignen. Gerade im Bereich geeigneter und wirksamer Konzepte der Menschenrechtsbildung gibt es in Deutschland (verglichen mit anderen westlichen Ländern) einen erheblichen Entwicklungsbedarf.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2015-05-19T00:00:00"
"2014-03-10T00:00:00"
"2015-05-19T00:00:00"
https://www.bpb.de/lernen/inklusiv-politisch-bilden/180315/subjektorientierung-menschenrechtsbildung-und-demokratie-lernen-als-wichtige-elemente-einer-inklusiven-politischen-bildung/
[ "" ]
30,727
Freie Demokratische Partei | Landtagswahl Schleswig-Holstein 2022 | bpb.de
Freie Demokratische Partei (FDP) Mit der Gründung der "Freien Demokratischen Partei" (FDP) endete die Spaltung des deutschen Liberalismus in Linksliberale und Nationalliberale. Beide Traditionen standen jedoch bis in die 1960er-Jahre nebeneinander und waren in den Landesverbänden unterschiedlich stark verankert. In den 1970er-Jahren ging die FDP auf Bundesebene eine Koalition mit der SPD ein und vertrat fortan ein sozialliberales Profil, bis sich in den 1980er-Jahren die wirtschaftsliberale Ausrichtung durchsetzte und die FDP in eine Koalition mit der Union wechselte. Beide Koalitionswechsel waren mit innerparteilichen Konflikten verbunden. Nachdem in den 2000er-Jahren eine Fokussierung auf wirtschafts- und steuerpolitische Themen zu beobachten war, hat sich die Partei in den letzten Jahren inhaltlich verbreitert. Die FDP in Schleswig-Holstein wurde 1946 gegründet und befand sich von 1950 bis 1971 in einer Koalition mit der CDU, zunächst unter Beteiligung der Deutschen Partei (DP) und dem Bund der Heimatvertriebenen. Nach einer langen Oppositionsphase bildete die FDP von 2009 bis 2012 erneut eine Koalition mit der CDU. Seit dem Jahr 2017 ist sie mit CDU und GRÜNEN Teil der sogenannten Jamaika-Koalition. Spitzenkandidat der FDP ist Wirtschaftsminister Bernd Buchholz. Fakten zur Partei Gründungsjahr Landesverband: 1946* Landesvorsitz: Dr. Heiner Garg* Mitgliederzahl in Schleswig-Holstein: 3278* Wahlergebnis 2017: 11,5 % * nach Angaben der Partei In ihrem Wahlprogramm setzt die FDP Schwerpunkte in der Bildungs-, Wirtschafts- und Finanzpolitik. Hinzu kommt das Ziel, die Digitalisierung voranzutreiben. Die FDP setzt sich in der Bildungspolitik für die Gründung einer beruflichen Hochschule und eine höhere Grundfinanzierung der Hochschulen ein. Informatik soll ein Pflichtfach und Kitabeiträge schrittweise abgeschafft werden. Infrastrukturpolitik benennt sie als Kern ihrer Wirtschaftspolitik und will zudem Unternehmensgründungen fördern. Wichtige Projekte umfassen den nahezu flächendeckenden Glasfaserausbau bis 2025 und den Ausbau und die Modernisierung des Straßennetzes; dazu zählen der Weiterbau der A20 und A21. Die FDP hält an der Schuldenbremse fest, fordert eine Herabsetzung der Grunderwerbsteuer zumindest beim Ersterwerb und lehnt Markteingriffe wie die Mietpreisbremse ab. Beim Klimaschutz sollen Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Ressourcenschonung berücksichtigt werden. Statt auf verringerte Abstände zu Windkraftanlagen wird auf Repowering und den Ausbau der Offshore-Anlagen gesetzt. Freie Demokratische Partei (FDP) Gründungsjahr Landesverband: 1946* Landesvorsitz: Dr. Heiner Garg* Mitgliederzahl in Schleswig-Holstein: 3278* Wahlergebnis 2017: 11,5 % * nach Angaben der Partei
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2022-03-31T00:00:00"
"2022-03-23T00:00:00"
"2022-03-31T00:00:00"
https://www.bpb.de/themen/parteien/wer-steht-zur-wahl/schleswig-holstein-2022/506498/freie-demokratische-partei/
Die FDP in Schleswig-Holstein wurde 1946 gegründet. Sie sieht sich der Freiheit des Individuums gegenüber dem Staat verpflichtet. Sie ist seit 2017 mit CDU und GRÜNEN in der sog. Jamaika-Koalition.
[ "FDP", "Landtagswahl Schleswig-Holstein 2022", "Wer steht zur Wahl " ]
30,728
Halbzeitwahlen in den USA | Hintergrund aktuell | bpb.de
Mehr als 200 Millionen US-Amerikaner sind am Dienstag, den 4. November aufgerufen, bei einer Reihe von Wahlen ihre Stimme abzugeben. So entscheiden sie bei den sogenannten "Midterm Elections" (deutsch: Halbzeitwahlen, gemeint ist die Halbzeit der Legislaturperiode des US-Präsidenten) über die künftige Besetzung aller 435 Sitze im Repräsentantenhaus und über ein Drittel der insgesamt 100 Sitze im Senat (33 Sitze sowie drei weitere frei gewordene Sitze). Die beiden Kammern bilden den Interner Link: Kongress, das Parlament der USA auf Bundesebene, das in Washington D.C. sitzt. Außerdem werden in 36 der 50 US-Bundesstaaten (sowie in drei bundesunmittelbaren US-Außengebieten, u.a. Guam) die Gouverneure neu gewählt. Gouverneure leiten die Regierungsgeschäfte in ihrem Bundesstaat . In vielen Bundesstaaten entscheiden die Bürger zudem über die künftige Zusammensetzung ihrer Interner Link: regionalen Parlamente und über die Besetzung öffentlicher Ämter wie Bürgermeister, Richter und Generalstaatsanwälte oder Schulinspektoren. Eine präsidentielle Demokratie Für die Politik auf Bundesebene sind die Kongresswahlen entscheidend. Das politische System der USA ist eine Interner Link: präsidentielle Demokratie und unterscheidet sich damit grundlegend vom parlamentarischen Regierungssystem Deutschlands. Damit in den USA ein Gesetzentwurf zum Bundesgesetz wird, braucht er sowohl eine Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses (Senat und Repräsentantenhaus) als auch die Unterschrift des Präsidenten. Interner Link: Letzterer führt die Exekutive an und wird vom Volk in direkten Wahlen bestimmt . Interner Link: 2012 wählten die US-Amerikaner Barack Obama nach 2008 erneut zum Präsidenten. Gemäß der Interner Link: Verfassung kann er nach dem Ende seiner zweiten Amtszeit 2016 nicht wieder zur Wahl antreten. Wie Obama die letzten beiden Jahre seiner Präsidentschaft gestalten kann, hängt auch vom Ausgang der Kongresswahlen am 4. November ab. Republikaner halten Mehrheit im Repräsentantenhaus Gegenwärtig haben Vertreter von Obamas Demokratischer Partei die Mehrheit im Senat, sie verfügen über acht Stimmen mehr als die Republikaner. Jeder Bundesstaat entsendet zwei Senatoren nach Washington D.C., ihre Amtszeit beträgt sechs Jahre. Alle zwei Jahre wird ein Drittel der 100 Sitze in Wahlen neu bestimmt. Vorwahlprognosen wie die der Externer Link: Washington Post oder auch der Externer Link: New York Times deuteten Ende Oktober auf einen Wechsel der Mehrheitsverhältnisse im Senat hin, allerdings nur mit einem knappen Vorsprung der Republikaner. Für Obama würde damit die Regierungsarbeit schwieriger, weil er sich fortan bei Gesetzesvorhaben Mehrheiten in möglicherweise zwei von Republikanern dominierten Kammern sichern müsste. Im Repräsentantenhaus ist dies schon jetzt der Fall. Hier haben die Republikaner derzeit 34 Mandate mehr als die Demokraten. Über die insgesamt 435 Abgeordneten des Repräsentantenhauses bestimmen die Wähler alle zwei Jahre neu. Die Anzahl der Sitze richtet sich nach der Bevölkerungszahl der Bundesstaaten. So kommen aus Kalifornien als bevölkerungsreichstem Staat 53 Abgeordnete, aus dem bevölkerungsarmen Staat Alaska hingegen nur einer. Checks and Balances Interner Link: Konkurrierende Mehrheitsverhältnisse zwischen Exekutive und Legislative sind in den USA durchaus üblich und in der Architektur des Interner Link: politischen Systems angelegt. Die Parlamentskammern und der Präsident gehen aus unterschiedlichen, mitunter zeitlich versetzten Wahlen hervor. Häufig strafen die Wähler bei Kongresswahlen die Partei des amtierenden Präsidenten ab. Das System der Gewaltenteilung wird in den USA als "checks and balances" bezeichnet: Gegenseitige Kontroll-, aber auch Kompromissmöglichkeiten konkurrierender politischer Kräfte verhindern, dass keine der drei Gewalten (Exekutive, Legislative und Judikative) ein Übergewicht erlangt. Fakten zur Kongresswahl Am 4. November werden alle 435 Sitze im Repräsentantenhaus auf zwei Jahre neu vergeben. Kandidieren kann, wer mindestens 25 Jahre alt ist, seit mindestens sieben Jahren US-Staatsbürger ist und in dem Staat wohnt, den er repräsentieren möchte. Der Senat hat 100 Mitglieder, jeder der 50 Bundesstaaten entsendet zwei Senatoren auf sechs Jahre. Alle zwei Jahre wird ein Drittel der Senatoren neu gewählt. Hier beträgt das Mindestalter, um zur Wahl antreten zu können, 30 Jahre; Kandidaten müssen seit mindestens neun Jahren US-Staatsbürger sein und in dem Staat wohnen, den sie im Senat vertreten wollen. Wahlberechtigt bei beiden Wahlen sind alle US-amerikanischen Bürgerinnen und Bürger ab dem vollendeten 18. Lebensjahr, die ihren Wohnsitz in einem der 50 Bundesstaaten haben. Die Bewohner von bundesunmittelbaren Gebieten und Außengebieten wie Washington D.C. oder Guam sind nicht wahlberechtigt. Mehr zum Thema: Interner Link: Mildner, Stormy-Annika und Howald, Julia: Die US-amerikanische Wirtschaft Interner Link: Hintergrund aktuell (17.10.2013): US-Kongress setzt vorübergehend Schuldengrenze aus Interner Link: Gertschen, Alex: Das bessere Leben – erträumt und erlitten Interner Link: Zurawski, Nils: Geheimdienste und Konsum der Überwachung – Essay Am 4. November werden alle 435 Sitze im Repräsentantenhaus auf zwei Jahre neu vergeben. Kandidieren kann, wer mindestens 25 Jahre alt ist, seit mindestens sieben Jahren US-Staatsbürger ist und in dem Staat wohnt, den er repräsentieren möchte. Der Senat hat 100 Mitglieder, jeder der 50 Bundesstaaten entsendet zwei Senatoren auf sechs Jahre. Alle zwei Jahre wird ein Drittel der Senatoren neu gewählt. Hier beträgt das Mindestalter, um zur Wahl antreten zu können, 30 Jahre; Kandidaten müssen seit mindestens neun Jahren US-Staatsbürger sein und in dem Staat wohnen, den sie im Senat vertreten wollen. Wahlberechtigt bei beiden Wahlen sind alle US-amerikanischen Bürgerinnen und Bürger ab dem vollendeten 18. Lebensjahr, die ihren Wohnsitz in einem der 50 Bundesstaaten haben. Die Bewohner von bundesunmittelbaren Gebieten und Außengebieten wie Washington D.C. oder Guam sind nicht wahlberechtigt.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2021-11-01T00:00:00"
"2014-11-03T00:00:00"
"2021-11-01T00:00:00"
https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/194205/halbzeitwahlen-in-den-usa/
Am 4. November ist großer Wahltag: Repräsentantenhaus, Senatorenposten, Parlamente und Regierungsämter - auf allen Ebenen des föderalen Systems der Vereinigten Staaten stehen Wahlen an. Auch für den nicht zur Wahl stehenden US-Präsidenten ist der Urn
[ "Obama", "Repräsentantenhaus", "Senat", "Kongress", "Demokraten", "Republikaner", "USA", "Washington" ]
30,729
Demokratie in Lateinamerika - Essay | Lateinamerika | bpb.de
Einleitung Wenn Wahlen ein Indikator für Demokratie sind, dann bestätigt sich im Jahr 2006, dass sich die Demokratie in Lateinamerika seit dem Ende der Militärregierungen ein gutes Stück konsolidiert hat. Von Haiti und Chile, wo zudem mit Michelle Bachelet erstmals eine Frau siegte, über Costa Rica, El Salvador, Peru, Kolumbien, die Dominikanische Republik, Mexiko, Brasilien, Ecuador und Nicaragua bis zu den Präsidentschaftswahlen in Venezuela am 3. Dezember fanden 2006 in zwölf Ländern des Subkontinents Präsidentschafts- und/oder Parlamentswahlen statt. Demokratie hat sich trotz all ihrer Schwächen und Probleme als dominierende Regierungsform in der Region durchgesetzt. Die meisten Länder erleben die längste Zeit demokratischer Regierungen. Andere Akteure wie die Militärs oder wirtschaftliche Eliten haben ihre frühere Macht zur Boykottierung und Destruktion demokratischer Regierungen eingebüßt. Selbst schwierige politische Krisen, die in der Vergangenheit unvermeidlich zu Staatsstreichen geführt hätten, wie in Argentinien, das um die Jahreswende 2001/2 in einer Woche fünf Präsidenten hatte, oder in Bolivien, wo innerhalb einer Legislaturperiode 2003 und 2005 zwei Präsidenten von Massenprotesten aus dem Amt gedrängt wurden, sind auf demokratischem Weg - durch Wahlen - beigelegt worden. Demokratie hat sich jedoch nicht nur als Verfahren zur Auswahl der Regierenden bewährt, sondern auch weitere politische und gesellschaftliche Entwicklungen in die Wege geleitet. Dazu gehört das Erstarken "linker" Parteien und Kandidaten bei den Wahlen der letzten Jahre sowohl auf nationaler wie auf regionaler und lokaler Ebene. Diese Parteien regieren oder regierten beispielsweise Städte wie Sao Paulo, Buenos Aires, Mexiko, Bogotá oder Montevideo. Dadurch haben sie Regierungserfahrung gesammelt, konnten ihre Kader schulen und vor allem auch ihre soziale Basis erweitern. Tabaré Vazquez, der 2005 in Uruguay zum Präsidenten gewählt wurde, oder der unterlegene Präsidentschaftskandidat Andrés Manuel Lopez Obrador in Mexiko haben als Bürgermeister ihrer Hauptstädte nationales Gewicht gewonnen. Zugleich hat die Demokratie neue soziale Bewegungen gefördert, die ein beachtliches Maß an Handlungskapazität erreicht haben. Zwar wurden die Gewerkschaften infolge der Anpassungs- und Liberalisierungsprozesse der neunziger Jahre deutlich geschwächt und haben vielerorts an Einfluss verloren, doch die Dezentralisierungsprozesse förderten die Entstehung sozialer Bewegungen, die vielfach zwar eine eher lokale und regionale Aktionsplattform besetzen, sich aber in einigen Fällen zu wichtigen nationalen Akteuren entwickelten. Vor allem mit ihren Aktionen gegen (neo-)liberale Reformen gewannen sie Einfluss, wie das Beispiel der "piqueteros" in Argentinien oder das der Bewegungen gegen die Privatisierung der Wasserversorgungsunternehmen in Bolivien zeigt. Zugleich haben sie den linken Parteien geholfen, die zu ihnen enge Beziehungen unterhielten, wie etwa die Arbeiterpartei (PT) in Brasilien, die Bewegung für den Sozialismus (MAS) in Bolivien oder die Frente Amplio in Uruguay. Die politisch einflussreichsten Bewegungen der letzten beiden Jahrzehnte aber sind zweifellos die Bewegungen der indigenas, die in Bolivien und Ecuador mehrfach entscheidend zum Sturz von Präsidenten beitrugen und in Bolivien mit Evo Morales mittlerweile selbst den Präsidenten stellen. Dieses auf den ersten Blick recht positive Bild der lateinamerikanischen Demokratie wird jedoch durch einige andere Facetten erheblich getrübt. Zwar bestätigen Meinungsumfragen immer wieder, dass die Lateinamerikaner sie für die im Prinzip beste Regierungsform halten, doch die überwältigende Mehrheit ist mit der "performance", der Leistung ihrer demokratischen Systeme und Regierungen, höchst unzufrieden. Das gilt vor allem im Hinblick auf die Überwindung von Armut und sozialer Ungleichheit sowie die öffentliche Sicherheit. Eine wachsende Zahl von Lateinamerikanern, in einigen Ländern sogar eine Mehrheit, ist deshalb bereit, eine Einschränkung der Demokratie hinzunehmen, sofern ihnen eine "autoritärere" Regierungsform bessere Lebensbedingungen bieten kann. Nichts verdeutlicht die Schwäche der Demokratie in Lateinamerika so sehr wie die Tatsache, dass seit 1993 nicht weniger als 14 gewählte Präsidenten vorzeitig aus dem Amt ausscheiden mussten, in nicht wenigen Fällen von Massenprotesten vertrieben wurden. Das ist Ausdruck der Unzufriedenheit mit den politischen Institutionen wie den Parlamenten, Parteien, der öffentlichen Verwaltung und der Justiz, die in den meisten Ländern ein denkbar schlechtes Ansehen genießen. Vor allem die Parteien gelten als unfähig, soziale und wirtschaftliche Entwicklung zu fördern. Die Parteiensysteme sind geprägt durch mangelnde Institutionalisierung, Fragmentierung und Polarisierung, und die Mehrheit der Parteien zeichnet sich aus durch Korruption, die Unfähigkeit zur Förderung neuer Führungspersonen, fehlende Transparenz, Klientelismus und Caudillismo, mangelnde innerparteiliche Demokratie sowie das Unvermögen, sich neuen Aufgaben zu stellen und programmatische Antworten auf die komplexeren Fragen der modernen Gesellschaft zu entwickeln. Auch wenn diese Bemerkungen etwas stereotyp klingen mögen, werden sie wohl von der Mehrheit der Lateinamerikaner vorbehaltlos bestätigt. Sind die Schwächen der Parteien praktisch für jedermann sichtbar, so erlebt die Demokratie in etlichen Ländern einige Transformationen, die eher diskret verlaufen, aber dennoch ihren Kern angreifen. Verfassungen werden nicht ausgesetzt, aber reformiert, um den aktuellen Machthabern noch mehr Macht in die Hände zu geben; Gesetze werden nicht gebrochen, aber partikularen Machtinteressen angepasst; die Exekutive weitet ihre Handlungsspielräume auf Kosten des Einflusses und der Kontrollmöglichkeiten der Parlamente aus, eliminiert unabhängige Gerichte und stellt die Richter unter ihre Kuratel. Zudem üben traditionelle oder "moderne" Akteure wie Großgrundbesitzer, Rauschgiftkartelle oder auch Wirtschafts- und Finanzgruppen einen erheblichen Einfluss auf den politischen Prozess aus. Andererseits gehen manche anti-systemischen Bewegungen wie MAS in Bolivien, CONAIE in Ecuador, die "piqueteros" in Argentinien oder ein Teil der Landlosenbewegung MST in Brasilien eher taktisch mit den Spielregeln repräsentativer Demokratie um. Diese Schwächen weisen auf gravierende Probleme der Institutionalisierung von Demokratie hin. Die Länder sind davon jedoch in unterschiedlichem Maße betroffen. Chile, Uruguay und Kolumbien besitzen traditionell starke Institutionen, die auch in Brasilien und Mexiko deutlich gestärkt sind. Bolivien, Ecuador und Venezuela sowie in gewissem Sinne auch Argentinien erlebten dagegen einen gegenläufigen Prozess der "Ent-Institutionalisierung". Das sind im Wesentlichen Länder, die von der "neuen Linken" regiert werden. Es ist jedoch nicht ganz richtig, diese mit dem Begriff "Neo-Populisten" zu charakterisieren, schon weil sie im Gegensatz zu den älteren Populisten mittlerweile ebenso um gesamtwirtschaftlich stabile Rahmenbedingungen, die Vermeidung von Haushaltsdefiziten und um Inflationskontrolle bemüht sind wie die eher "konservativen" Regierungen. Die "neue Linke" zeichnet sich vor allem durch einen selbstherrlichen Umgang mit den Institutionen der repräsentativen Demokratie aus, bei der die Person des "Führers" über den staatlichen und politischen Instanzen steht, die dadurch geschwächt werden. Dass mit diesem Herrschaftsstil zentrale Probleme wie Armut, Ungleichheit, Gewalt, Korruption, Unterdrückung von Frauen, sexueller Missbrauch von Kindern und die Straflosigkeit von Politikern, Staatsbeamten oder Angehörigen der Eliten wirksam bekämpft werden können, ist höchst zweifelhaft. Auch die Situation der Menschenrechte hat sich noch keineswegs entscheidend verbessert. Doch heute sind die Opfer nicht mehr Politiker oder Intellektuelle, sondern die Armen, denen grundlegende Rechte verwehrt werden, die aber keine mächtigen Interessengruppen für sich mobilisieren können. Demokratie, so zeigt der Blick auf die Menschenrechte, kann nicht auf die Durchführung freier und fairer Wahlen beschränkt bleiben. Für ihre weitere Konsolidierung muss sie Leistungen erbringen. Das erwarten die Menschen von den Siegern der Wahlen 2006.
Article
Hofmeister, Wilhelm
"2021-12-07T00:00:00"
"2011-10-05T00:00:00"
"2021-12-07T00:00:00"
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/29317/demokratie-in-lateinamerika-essay/
Wenn Wahlen ein Indikator für Demokratie sind, dann bestätigt sich im Jahr 2006, dass die Demokratie in Lateinamerika seit dem Ende der Militärregierungen sich ein gutes Stück konsolidiert hat.
[ "" ]
30,730
Sachbücher | Infodienst Radikalisierungsprävention | bpb.de
Termine, Stellen, News, Materialien, Videos & Hintergrund-InfosNewsletter zu Radikalisierung & Prävention abonnieren Bleiben Sie auf dem Laufenden im Arbeitsfeld Radikalisierungsprävention! Termine, Stellen, News, Materialien, Videos & neue Hintergrund-Beiträge des Infodienst Radikalisierungsprävention – alle sechs Wochen per E-Mail. Interner Link: → Zum Newsletter-Abonnement 1. Prävention & Radikalisierung Klicken Sie auf die Titel, um zur Beschreibung zu gelangen. Interner Link: Solidarisch sein! Gegen Rassismus, Antisemitismus und HassAhmad Mansour Interner Link: Generation haram. Warum Schule lernen muss, allen eine Stimme zu geben Melisa Erkurt Interner Link: Radikalisierungsmaschinen. Wie Extremisten die neuen Technologien nutzen und uns manipulierenJulia Ebner Interner Link: "Eure Gesetze interessieren uns nicht!" Undercover in europäischen Moscheen – wie Muslime radikalisiert werdenShams ul-Haq Interner Link: Der Terror ist unter uns. Dschihadismus und Radikalisierung in EuropaPeter Neumann Interner Link: Terror in Frankreich – Der neue Dschihad in EuropaGilles Kepel, Antoine Jardin Interner Link: Generation Allah. Warum wir im Kampf gegen religiösen Extremismus umdenken müssenAhmad Mansour Interner Link: Der Übermuslim. Was junge Menschen zur Radikalisierung treibtFethi Benslama Interner Link: Zum Hass verführt: Wie der Salafismus unsere Kinder bedroht und was wir dagegen tun könnenThomas Mücke Interner Link: RadikalisierungFarhad Khosrokhavar Solidarisch sein! Gegen Rassismus, Antisemitismus und Hass Ahmad Mansour Was heißt Solidarität in Zeiten wie diesen? Wie können wir über Extremismus und Hass, über Ängste und Befürchtungen sprechen? Der Psychologe Ahmad Mansour erzählt von Erfahrungen und Erkenntnissen aus Präventionsprojekten an Schulen und in Gefängnissen. Mit seinem Buch appelliert er an ein solidarisches Miteinander im Umgang mit Rassismus, Hass und Antisemitismus. 10/2020 | S. Fischer Verlag | 128 Seiten | Hardcover: 12,00 Euro | E-Book: 9,99 Euro Zur Bestellung auf Externer Link: fischerverlage.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Generation haram. Warum Schule lernen muss, allen eine Stimme zu geben Melisa Erkurt Melisa Erkurt kam als Kind aus Bosnien nach Österreich. Mittlerweile ist sie Journalistin und hat als Lehrerin an einer Wiener "Brennpunktschule" unterrichtet. Sie kritisiert das Schulsystem in Österreich und Deutschland als häufig unzugänglich für Kinder aus Nicht-Akademikerfamilien mit Migrationsbiografie. Sie argumentiert, dass eine Generation durch Sprachbarrieren abgehängt wird und plädiert für Änderungen im System Schule: mehr Raum für Austausch und Diskussion. Es müsse gelernt werden, mit Meinungen und Provokation umzugehen, statt sie unter den Tisch fallen zu lassen. 8/2020 | Zsolnay | 192 Seiten | Print: 20,00 Euro | E-Book: 15,99 Euro Zur Bestellung auf Externer Link: hanser-literaturverlage.de Auch erhältlich in der Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung | Print: 4,50 Euro Zur Bestellung auf bpb.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Radikalisierungsmaschinen. Wie Extremisten die neuen Technologien nutzen und uns manipulieren Julia Ebner Extremistische Aktivisten nutzen das Internet unter anderem zur Rekrutierung, Vernetzung und Mobilisierung. Autorin Julia Ebner war verdeckt in unterschiedlichen extremistischen Online-Netzwerken unterwegs und beschreibt, wie diese realen Terror befördern und zum Teil erst ermöglichen. Es bedürfe eines deutlich verbesserten Verständnisses der neuen Technologien, um Extremisten aus der digitalen Welt zurückzudrängen, so die Autorin. 9/2019 | Suhrkamp | 334 Seiten | Broschur: 12,00 Euro | Klappenbroschur: 18,00 Euro | E-Book: 11,99 Euro Zur Bestellung auf Externer Link: suhrkamp.de Auch erhältlich in der Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung | Print: 4,50 Euro Zur Bestellung auf Interner Link: bpb.de Interner Link: Zum Anfang der Seite "Eure Gesetze interessieren uns nicht!“ Undercover in europäischen Moscheen – wie Muslime radikalisiert werden Shams ul-Haq In der Indoktrination mit islamistischem Gedankengut und antiwestlicher Hetze spielen bestimmte Moscheen nach wie vor eine bedeutende Rolle. Doch wie genau funktioniert das System der Radikalisierung? Welche Rolle spielen die Imame, wer sind die Geldgeber? Welche Aufgaben übernehmen dabei Frauen und welche Bedeutung hat dabei der Islamunterricht bei Erwachsenen und vor allem bei Kindern? Die Reportage von Shams ul-Haq zeigt, wie in einigen Moscheen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz Radikalisierung betrieben wird, und warum die Schließung einzelner Gotteshäuser allein nicht ausreicht. 10/2018 | dtv | 256 Seiten | Hardcover: 18,00 Euro Zur Bestellung auf Externer Link: dtv.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Der Terror ist unter uns. Dschihadismus und Radikalisierung in Europa Peter Neumann Peter Neumann war Leiter des "International Centre for the Study of Radicalisation" (ICSR) und befasst sich in diesem Buch mit der Frage, warum Menschen sich radikalisieren. Aufbauend auf 20 Jahren Forschung leitet er "Bausteine" her, die eine wichtige Rolle bei der Radikalisierung spielen: Frust, Drang, Ideen, Leute und Gewalt. Anschließend betrachtet er aktuelle Themen des islamistischen Terrorismus und leitet Handlungsempfehlungen ab. 10/2016 | Ullstein | 304 Seiten | E-Book: 16,99 Euro Zur Bestellung auf Externer Link: ullstein-buchverlage.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Terror in Frankreich – Der neue Dschihad in Europa Gilles Kepel, Antoine Jardin Soziologe Kepel und Politikwissenschaftler Jardin analysieren, aus welchen Gründen sich in Frankreich die enorme gesellschaftliche Kluft aufgetan hat, die die Terroranschläge in der jüngsten Vergangenheit begünstigt hat. Neben den Kriegen im Nahen Osten ist aus ihrer Sicht die Ausgrenzung eines Großteils der muslimischen Bevölkerung in Frankreich ein wichtiger Grund für die islamistische Radikalisierung junger französischer Musliminnen und Muslime. 9/2016 | Verlag Antje Kunstmann | 302 Seiten | Print: 24,00 Euro | E-Book: 18,99 Euro Zur Bestellung auf Externer Link: kunstmann.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Generation Allah. Warum wir im Kampf gegen religiösen Extremismus umdenken müssen Ahmad Mansour Warum zieht es Jugendliche in den Dschihad? Ist der Islam verantwortlich für den Terror? Und wie können wir uns dem religiösen Extremismus stellen? Ahmad Mansour war selbst radikaler Islamist. Inzwischen arbeitet er in Berlin als Psychologe und betreut Familien von radikalisierten Jugendlichen. Vor dem Hintergrund seiner eigenen Erfahrungen und seiner konkreten Präventionsarbeit zeigt er, dass eine Veränderung möglich ist und plädiert für eine Reform des praktizierten Islam. 5/2017 | Fischer Taschenbuch | 272 Seiten | Taschenbuch: 10,99 Euro | E-Book: 9,99 Euro Zur Bestellung auf Externer Link: fischerverlage.de Auch erhältlich in der Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung | Print: 1,50 Euro Zur Bestellung auf Interner Link: bpb.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Der Übermuslim. Was junge Menschen zur Radikalisierung treibt Fethi Benslama Warum radikalisieren sich Jugendliche innerhalb kürzester Zeit zu gewaltbereiten Islamisten und wollen fortan in Syrien oder hierzulande in den Dschihad ziehen? Warum gelingt es islamischen Fundamentalisten weltweit so leicht, moderate Muslime unter Druck zu setzen, weil sie nicht islamisch genug seien? Fethi Benslama, der 15 Jahre in der Pariser Vorstadt mit radikalisierten Jugendlichen gearbeitet hat, zeigt in seinem Essay, dass weder theologische noch soziologische Erklärungsansätze ausreichen. Vielmehr muss psychologisch gefragt werden, welchen seelischen Gewinn der Einzelne aus der islamistischen Radikalisierung zieht. 2017 | Matthes & Seitz | 141 Seiten | Hardcover: 18,00 Euro | E-Book: 14,99 Euro Zur Bestellung auf Externer Link: matthes-seitz-berlin.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Zum Hass verführt: Wie der Salafismus unsere Kinder bedroht und was wir dagegen tun können Thomas Mücke Was geht in jungen Menschen vor, die von Deutschland aus in den Dschihad ziehen? Und wie kann man ihnen helfen, aus einem menschenverachtenden Milieu wie dem Salafismus herauszufinden? Thomas Mücke ist Geschäftsführer von Violence Prevention Network e. V. In seinem Buch stellt Mücke Fallbeispiele von Jugendlichen vor, die sich radikalisiert haben. Er erläutert die Gründe der Radikalisierung und zeigt Lösungswege auf. 5/2016 | Bastei Lübbe | 255 Seiten | E-Book: 11,99 Euro Zur Bestellung auf Externer Link: luebbe.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Radikalisierung Farhad Khosrokhavar Der französische Soziologe Khosrokhavar beschäftigt sich mit der dschihadistischen Radikalisierung in Europa und der arabischen Welt und nimmt Bezug auf die jüngsten Attentate. Er analysiert, wie gewaltbereite Gruppierungen entstehen, warum die radikalen Ideologien so attraktiv sind und für welche Persönlichkeiten das vor allem gilt. Weiterhin stellt er die Frage, ob es sich dabei um einen Kampf um Werte handelt, der seit der Aufklärung überwunden schien. 2016 | Europäische Verlagsanstalt | 224 Seiten | Klappenbroschur: 22,00 Euro Zur Bestellung auf Externer Link: europaeische-verlagsanstalt.de Interner Link: Zum Anfang der Seite 2. Islamismus, Salafismus & Extremismus Interner Link: Wut. Was Islamisten und Rechtsextreme mit uns machenJulia Ebner Interner Link: Unter ExtremistenRamazan Demir Interner Link: Islamistische Drehscheibe Schweiz: Ein Blick hinter die Kulissen der MoscheenSaïda Keller-Messahli Interner Link: Der Bruch – Frankreichs gespaltene GesellschaftGilles Kepel Interner Link: Die Salafisten. Der Aufstand der Frommen, Saudi-Arabien und der IslamRüdiger Lohlker Interner Link: Anti-Europäer. Breivik, Dugin, al-Suri & Co.Claus Leggewie Interner Link: Die StrenggläubigenWilfried Buchta Interner Link: Die Muslimbruderschaft. Porträt einer mächtigen VerbindungAnnette Ranko Interner Link: Salafismus. Auf der Suche nach dem wahren IslamHrsg.: Hazim Fouad, Behnam T. Said Wut. Was Islamisten und Rechtsextreme mit uns machen Julia Ebner Lassen sich westliche Demokratien in eine Spirale der Wut ziehen, von der sowohl Islamisten als auch Rechtsextreme profitieren? Die Extremismusforscherin Julia Ebner beschäftigt sich länderübergreifend mit Gruppierungen unterschiedlicher Ausrichtung. Mit Undercover-Recherchen und Gesprächen mit Radikalen beider Seiten zeigt sie, wie sich die Strategien von Islamisten und Rechtsextremisten wechselseitig ergänzen und verstärken. Die Autorin geht den Ursachen der wechselseitigen Radikalisierung auf den Grund und zeigt, wie Extremisten Angst, Verunsicherung und Wut instrumentalisieren. 2/2018 | wbg Theiss | 336 Seiten | Print: 10,00 Euro | PDF: 15,99 Euro Zur Bestellung auf Externer Link: wbg-wissenverbindet.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Unter Extremisten Ramazan Demir Ramazan Demir gibt einen Einblick in die Lebenswelten österreichischer muslimischer Häftlinge. Seit 2016 leitete er die islamische Gefängnisseelsorge in Österreich; aufgrund von Morddrohungen zieht er sich nun allerdings aus der aktiven Seelsorge zurück. Laut Demir sind Österreichs Haftanstalten Brutstätten der Radikalisierung. 11/2017 | edition a | 240 Seiten | Hardcover: 21,90 Euro Zur Bestellung auf Externer Link: edition-a.at Interner Link: Zum Anfang der Seite Islamistische Drehscheibe Schweiz: Ein Blick hinter die Kulissen der Moscheen Saïda Keller-Messahli Saïda Keller-Messahli ist Präsidentin des Schweizer "Forum für einen fortschrittlichen Islam". In ihrem Buch zeigt sie die Aktivitäten islamistischer Gruppen in der Schweiz auf. Demzufolge versuchen salafistische Wanderprediger und radikale Imame auf verschiedenen Wegen Einfluss zu nehmen – in Moscheen, an "Lies!"-Ständen sowie mit sogenannten Seelsorge-Angeboten in Gefängnissen, Flüchtlingsunterkünften und an Schulen. Drahtzieher seien die reichen Golfstaaten, so Keller-Messahli. 8/2017 | NZZ Libro | 152 Seiten | Print: 24,00 CHF | E-Book: 22,30 CHF Zur Bestellung auf Externer Link: nzz-libro.ch Interner Link: Zum Anfang der Seite Der Bruch – Frankreichs gespaltene Gesellschaft Gilles Kepel Durch die französische Gesellschaft zieht sich ein Bruch, der sich auch in dem Zuspruch ausdrückt, den der rechtsradikale Front National (seit Mitte 2018 Rassemblement National) erfährt. Maßgeblich dazu beigetragen hat der islamistische Terror, der in Frankreich viele Opfer gefordert hat. Soziologe und Islamwissenschaftler Gilles Kepel erklärt, dass es das Ziel dieser mörderischen Provokationen ist, die Gesellschaft in einen Bürgerkrieg zu treiben. Gilles Kepel plädiert für ein Engagement der aufgeklärten Bürger, sich nicht in diese falsche Konfrontation treiben zu lassen. 3/2017 | Verlag Antje Kunstmann | 240 Seiten | Print: 20,00 Euro | E-Book: 15,99 Euro Zur Bestellung auf Externer Link: kunstmann.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Die Salafisten. Der Aufstand der Frommen, Saudi-Arabien und der Islam Rüdiger Lohlker Salafisten predigen mit langen Bärten und Gewändern einen Islam der "Altvorderen" (salaf) und missionieren zugleich im Internet in jugendlicher Sprache. Rüdiger Lohlker erklärt, wo die Ursprünge der irritierenden Protestkultur liegen, welche unterschiedlichen Strömungen es gibt und wie mit saudischer Unterstützung der Salafismus weltweit verbreitet wird. 5/2017 | C. H. Beck | 205 Seiten | Broschur: 14,95 Euro | E-Book: 10,99 Euro Zur Bestellung auf Externer Link: chbeck.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Anti-Europäer. Breivik, Dugin, al-Suri & Co. Claus Leggewie Es mehren sich Stimmen, die Europa attackieren und europäische Werte infrage stellen: Identitäre wie der Massenmörder Anders Breivik, Dschihadisten wie der Syrer Abu Musab al-Suri, "Eurasier" wie der Putin-Berater Alexander Dugin, aber auch einige Linkspopulisten am Rande von Syriza und Podemos. Claus Leggewie porträtiert Wortführer und politische Unternehmer, die unabhängig voneinander, aber oft in ungewollter Komplizenschaft die "Festung Europa" schaffen wollen. Er erklärt, woher sie kommen und welche Pläne sie verfolgen. Und er fordert dazu auf, sich politisch mit ihnen auseinanderzusetzen. 9/2016 | edition suhrkamp | 176 Seiten | Broschur: 15,00 Euro | E-Book: 14,99 Euro Zur Bestellung auf Externer Link: suhrkamp.de Auch erhältlich in der Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung | Print: 4,50 Euro Zur Bestellung auf Interner Link: bpb.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Die Strenggläubigen Wilfried Buchta Die moderne Geburtsstunde des Islamismus schlug 1979 im Iran und in Saudi-Arabien. Wilfried Buchta, ein Kenner des Nahen und Mittleren Ostens, zeichnet die seither anhaltenden Spannungen und Entwicklungen innerhalb der islamisch-arabischen Welt nach, und er macht deutlich, welche fatale Rolle die Konfessionskonflikte zwischen Sunniten und Schiiten dabei spielen. Er schildert den Aufstieg von radikalen Glaubensführern und erklärt, warum es keinen theologischen Mainstream gibt, der den extremen Positionen der "Strenggläubigen" und dem Terrorismus etwas entgegensetzen könnte. 9/2016 | Hanser Literaturverlage | 240 Seiten | Fester Einband: 20,00 Euro | E-Book: 7,99 Euro Zur Bestellung auf Externer Link: hanser-literaturverlage.de Auch erhältlich in der Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung | Print: 1,50 Euro Zur Bestellung auf Interner Link: bpb.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Die Muslimbruderschaft. Porträt einer mächtigen Verbindung Annette Ranko Die Bilder aus Ägypten gingen um die Welt: Lautstark demonstrierten Muslimbrüder und -schwestern, reckten vier Finger in den Himmel – ein Symbol des Kampfes für die Rehabilitierung des Ex- Präsidenten Muhamad Mursi. Der Westen erschrak über so viel Wucht und Wut und weiß doch jenseits der Nachrichten wenig über die Ziele der Muslimbruderschaft. Die Nahost-Expertin Ranko hat mit den führenden Vertretern der Bruderschaft gesprochen. In ihrem aktuellen Porträt dieser Verbindung erläutert sie Entstehung und Geschichte der Bruderschaft und wagt einen Blick in die Zukunft. 6/2014 | Körber Stiftung | 164 Seiten | Klappenbroschur: 14,00 Euro | E-Book: 9,99 Euro Zur Bestellung auf Externer Link: koerber-stiftung.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Salafismus. Auf der Suche nach dem wahren Islam Hrsg.: Hazim Fouad, Behnam T. Said Wie groß ist die Bedrohung durch die sogenannten Salafisten wirklich? Was glauben Salafisten eigentlich genau? Inwiefern unterscheiden sie sich von anderen islamistischen Strömungen? Was macht den Salafismus für Jugendliche so attraktiv? Wie steht es um das Verhältnis zur Gewalt? In diesem Band zeichnen internationale Expertinnen und Experten ein ganzheitliches Bild des Phänomens "Salafismus" in Deutschland und im internationalen Kontext. 2014 | Verlag Herder | 528 Seiten | Taschenbuch: 24,99 Euro Zur Bestellung auf Externer Link: herder.de Interner Link: Zum Anfang der Seite 3. "Islamischer Staat", Dschihadismus & Terrorismus Interner Link: Der "Islamische Staat": Geschlagen – nicht besiegtRolf Tophoven, H.-Daniel Holz Interner Link: "Ihr liebt das Leben, wir lieben den Tod". Der Dschihad und die Wurzeln des TerrorsOlivier Roy Interner Link: Was tun gegen Dschihadisten? Wie wir den Terror besiegen könnenOmid Nouripour Interner Link: Schwarze Flaggen. Der Aufstieg des IS und die USAJoby Warrick Interner Link: Die Sprache des Terrors. Warum wir die Propaganda des IS verstehen müssen, um ihn bekämpfen zu könnenPhilippe-Joseph Salazar Interner Link: Der IS und die Fehler des Westens: Warum wir den Terror militärisch nicht besiegen können Nicolas Hénin Interner Link: Jihad Rap. An den Rändern muslimischer SubkulturenYvonne Kunz Interner Link: Die neuen Dschihadisten. ISIS, Europa und die nächste Welle des TerrorismusPeter Neumann Interner Link: Boko Haram. Der Vormarsch des Terror-KalifatsMike Smith Interner Link: Terror vor Europas TorenWilfried Buchta Interner Link: Endstation Islamischer Staat? Staatsversagen und Religionskrieg in der arabischen WeltRainer Hermann Interner Link: Kalifat des Schreckens. IS und die Bedrohung durch den islamistischen TerrorGuido Steinberg Interner Link: Jung, deutsch, TalibanWolf Schmidt Der "Islamische Staat": Geschlagen – nicht besiegt Rolf Tophoven, H.-Daniel Holz Aufstieg und Fall des "Islamischen Staats" werden in diesem Buch skizziert. Der Fokus liegt auf den militärischen und polizeilichen Antworten auf die Terrormiliz. 8/2020 | Bundeszentrale für politische Bildung | 200 Seiten | Print: 4,50 Euro Zur Bestellung auf Interner Link: bpb.de Interner Link: Zum Anfang der Seite "Ihr liebt das Leben, wir lieben den Tod". Der Dschihad und die Wurzeln des Terrors Olivier Roy Der globalisierte Terrorismus ist kein neues Phänomen. Neu ist, dass Terrorismus und Dschihadismus sich mit dem Todeswunsch des Attentäters verbinden. Olivier Roy, einer der weltweit führenden Islamismus-Experten, warnt davor, die Ursachen des Dschihadismus vor allem in einer Radikalisierung des Islam zu sehen. Er meint: Nicht die Religion ist es, die die meist jungen Männer anfeuert – ihre Hinwendung zum Terrorismus ist vor allem Ausdruck eines besonders heftig ausgetragenen Generationenkonflikts und einer ausgeprägten Todessehnsucht. 9/2017 | Siedler | 135 Seiten | E-Book: 15,99 Euro Zur Bestellung auf Externer Link: penguinrandomhouse.de Auch erhältlich in der Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung | Print: 4,50 Euro Zur Bestellung auf Interner Link: bpb.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Was tun gegen Dschihadisten? Wie wir den Terror besiegen können Omid Nouripour Der Grünen-Politiker Omid Nouripour beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Thema Dschihadismus. In seinem Buch beschreibt er Gegenstrategien – von der aktiven Präventionsarbeit bis zu militärischen Mitteln. Laut Nouripour ist es essenziell, lokal passende Strategien zu entwickeln. 8/2017 | dtv | 302 Seiten | Klappenbroschur: 16,90 Euro | E-Book: 14,99 Euro Zur Bestellung auf Externer Link: dtv.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Schwarze Flaggen. Der Aufstieg des IS und die USA Joby Warrick Warum schließen sich so viele Menschen dem sogenannten Islamischen Staat an? Und was hat das noch mit Religion zu tun? Diesen Fragen ist der Reporter Joby Warrick nachgegangen. Er hat Gefängnisse besucht, mit Beamten, Terroristen und Agenten gesprochen. In seiner Reportage beschreibt er die Beteiligung der US-Regierung unter George W. Bush und Barack Obama an der blutigen Karriere des "IS"-Gründers al-Zarqawi. 1/2017 | wbg Theiss | 396 Seiten | Hardcover: 10,00 Euro | PDF: 18,99 Euro Zur Bestellung auf Externer Link: wbg-wissenverbindet.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Die Sprache des Terrors. Warum wir die Propaganda des IS verstehen müssen, um ihn bekämpfen zu können Philippe-Joseph Salazar Der Dschihadismus bedient sich einer schlagenden Redekunst, die jedoch nichts mit dem zu tun hat, was wir in der Politik für logisch, vernünftig und überzeugend halten, so Salazars Analyse. Er meint: Wollen wir den Kampf mit dem "IS" aufnehmen, müssen wir verstehen, worin die Wortgewalt und Überzeugungskraft seiner Sprache bestehen. 8/2016 | Pantheon | 189 Seiten | eBook: 11,99 Euro Zur Bestellung auf Externer Link: penguinrandomhouse.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Der IS und die Fehler des Westens: Warum wir den Terror militärisch nicht besiegen können Nicolas Hénin Autor Nicolas Hénin meint: Sowohl durch den Einmarsch in den Irak 2003 als auch durch die Nicht-Intervention in Syrien seit 2011 haben wir zur Radikalisierung beigetragen. Und wir heizen diese Entwicklung weiter an. Indem wir mit Diktatoren diplomatische Kompromisse schließen, indem wir uns weigern, das Leid der Bevölkerung zu hören, indem wir es nicht schaffen, einen Gegendiskurs zu fördern. Hénins Buch ist eine Streitschrift gegen den Westen, der aus Sicht des Autors mit seinen Fehlern und seiner Untätigkeit zu diesem Fiasko beigetragen hat. 4/2016 | Orell Füssli | 216 Seiten | Taschenbuch: 17,95 Euro Auf der Verlagswebsite nicht mehr bestellbar, aber anderweitig verfügbar Interner Link: Zum Anfang der Seite Jihad Rap. An den Rändern muslimischer Subkulturen Yvonne Kunz Die Schweizer Musikjournalistin Yvonne Kunz untersucht in ihrem Buch gerappte Bekenntnisse zum gewalttätigen Kampf gegen die "Ungläubigen". Sie schildert Inhalte und Stilmittel von Songs sowie Werdegänge der Protagonisten. Darunter ist der in Berlin geborene Dennis Cuspert. Als Gangster-Rapper wenig erfolgreich, wandelte sich Cuspert zum Interpreten von Naschids – einer traditionellen islamischen Liedform – und machte fortan Propaganda für den sogenannten Islamischen Staat. Doch wann ist "Jihad Rap" "IS"-Propaganda, wann nur platte Provokation? Kunz liefert Hintergrundinformationen für eine differenzierte Betrachtung. 2016 | ventil Verlag | 144 Seiten | Broschur: 12,00 Euro Zur Bestellung auf Externer Link: ventil-verlag.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Die neuen Dschihadisten. ISIS, Europa und die nächste Welle des Terrorismus Peter Neumann Peter Neumann meint: Wir stehen am Anfang einer neuen Terrorismuswelle. Ihre Wurzel ist die Krise in Syrien und dem Irak. Dort hat der "Islamische Staat" eine totalitäre Utopie verwirklicht, die gleichzeitig als Trainings- und Operationsbasis dient. Aus Europa sind Tausende in den Konflikt gezogen. Dazu kommen "einsame Wölfe" und die Überbleibsel von al-Qaida. Sie drohen mit Anschlägen. Aber mehr noch: Sie kämpfen mit allen Mitteln gegen das europäische Gesellschaftsmodell – das friedliche Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft und Religionen. Peter Neumann ordnet die Bewegung ein und zeigt, wie wir der Bedrohung begegnen können. 10/2015 | Ullstein | 256 Seiten | E-Book: 8,99 Euro Zur Bestellung auf Externer Link: ullstein-buchverlage.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Boko Haram. Der Vormarsch des Terror-Kalifats Mike Smith Die islamistische Gruppe Boko Haram machte 2014 durch die Entführung von über 200 christlichen Schülerinnen Schlagzeilen. Sie kontrolliert in Nigeria und Kamerun ein riesiges "Kalifat", dem bereits Tausende Christen und Muslime zum Opfer gefallen sind. Der amerikanische Journalist Mike Smith hat die Gruppierung mehr als drei Jahre lang in Nigeria beobachtet und beschreibt mittels zahlreicher Augenzeugenberichte, was dort vor sich geht. Er erklärt, wie die Gruppierung entstanden ist, was Boko Haram (wörtlich: "Bildung verboten") für junge Afrikaner so attraktiv macht, welche Beziehungen zu al-Qaida bestehen und warum die größte Volkswirtschaft Afrikas dem Terror so hilflos gegenübersteht. 7/2015 | C. H. Beck | 288 Seiten | Broschur: 14,95 Euro | E-Book: 10,99 Euro Zur Bestellung auf Externer Link: chbeck.de Auch erhältlich in der Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung | Print: 1,50 Euro Zur Bestellung auf bpb.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Terror vor Europas Toren Wilfried Buchta Der Vormarsch der Milizen des selbsternannten Islamischen Staats gehört derzeit zu den beherrschenden Nachrichtenthemen. In ihm zeigt sich eine neue Qualität des Terrors, der auch nach Europa überzuschwappen droht. Wilfried Buchta zeichnet als Kenner der Region die fatalen Ereignisse im Nahen Osten nach. Er beleuchtet dabei die Rolle der wichtigsten Akteure und Machtfaktoren und erklärt, welche Handlungsoptionen der Westen hat. 4/2015 | campus | 413 Seiten | Kartoniert: 22,90 Euro | E-Book: 20,99 Euro Zur Bestellung auf Externer Link: campus.de Auch erhältlich in der Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung | Print: 4,50 Euro Zur Bestellung auf bpb.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Endstation Islamischer Staat? Staatsversagen und Religionskrieg in der arabischen Welt Rainer Hermann Rainer Hermann ist Islamwissenschaftler und Nahost Korrespondent der FAZ. In seinem Buch beschreibt er den Zustand der arabischen Welt seit dem Ende des Arabischen Frühlings. Er meint: Die arabische Welt befindet sich in einer tiefen Krise. Viele arabische Staaten haben bei den wichtigsten Aufgaben versagt, die ein Staat gegenüber der Bevölkerung leisten muss. Die Menschen wollen sie nicht mehr. Als einziges identitätsstiftendes Bindemittel bleibt der Islam. Konflikte werden zu Religionskriegen. Möglicherweise erleben wir den Beginn eines neuen 30-jährigen Krieges mit. Er wird auch Europa mehr verändern als alle anderen Ereignisse seit dem Zweiten Weltkrieg. 4/2015 | dtv | 144 Seiten Vergriffen, möglicherweise gebraucht verfügbar Interner Link: Zum Anfang der Seite Kalifat des Schreckens. IS und die Bedrohung durch den islamistischen Terror Guido Steinberg Terrorexperte Guido Steinberg erklärt die islamistische Organisation "Islamischer Staat". Sie kam scheinbar aus dem Nichts und versetzte innerhalb kürzester Zeit eine ganze Region in Angst und Schrecken. Und mit der Enthauptung von Geiseln vor laufenden Kameras fordert sie den Westen heraus. Doch sind unsere Staaten überhaupt in der Lage, die vom "IS" drohenden Übergriffe und Terroranschläge wirksam abzuwehren? 3/2015 | Knaur TB | 208 Seiten | Taschenbuch: 12,99 Euro | E-Book: 9,99 Euro Zur Bestellung auf Externer Link: droemer-knaur.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Jung, deutsch, Taliban Wolf Schmidt Seit einigen Jahren etabliert sich in Deutschland eine militante, islamistische Jugendszene. Ihre Mitglieder sind in Deutschland aufgewachsene Muslime oder zum Islam konvertierte Deutsche. Manche von ihnen sind bereit zu Terror und Gewalt im Namen Gottes. Wer sind diese jungen Männer und Frauen? Was hat sie radikalisiert? Warum wollen sie in den Heiligen Krieg gegen den Westen ziehen? Wie kann man der Gefahr vorbeugen? Wolf Schmidt von der taz hat jahrelang zu dieser Szene recherchiert und einen Report über die Jugendbewegung geschrieben. 3/2012 | Ch. Links Verlag | 208 Seiten Vergriffen, möglicherweise gebraucht verfügbar Interner Link: Zum Anfang der Seite Infodienst RadikalisierungspräventionMehr Infos zu Radikalisierung, Prävention & Islamismus Das Online-Portal Infodienst Radikalisierungsprävention der bpb bietet Hintergrundwissen, pädagogische Materialien, einen Newsletter und eine Übersicht mit Beratungsangeboten. Interner Link: → Zur Infodienst-Startseite Bleiben Sie auf dem Laufenden im Arbeitsfeld Radikalisierungsprävention! Termine, Stellen, News, Materialien, Videos & neue Hintergrund-Beiträge des Infodienst Radikalisierungsprävention – alle sechs Wochen per E-Mail. Interner Link: → Zum Newsletter-Abonnement Das Online-Portal Infodienst Radikalisierungsprävention der bpb bietet Hintergrundwissen, pädagogische Materialien, einen Newsletter und eine Übersicht mit Beratungsangeboten. Interner Link: → Zur Infodienst-Startseite
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2023-02-06T00:00:00"
"2021-08-05T00:00:00"
"2023-02-06T00:00:00"
https://www.bpb.de/themen/infodienst/337761/sachbuecher/
Auch für Einsteiger geeignet: Warum und wie radikalisieren sich junge Menschen? Welche präventiven Maßnahmen gibt es? Was ist Islamismus und wie sind islamistische Bewegungen entstanden?
[ "Prävention", "Radikalisierung", "Islamismus", "Extremismus", "Salafismus", "Sachbücher", "Präventionsarbeit", "Terrorismus", "Hintergrundwissen" ]
30,731
Editorial | Krieg in Europa | bpb.de
Am frühen Morgen des 24. Februar 2022 drang das russische Militär aus mehreren Richtungen in die Ukraine ein und begann damit eine "militärische Spezialoperation", wie es offiziell im Kreml heißt, um das Nachbarland zu "entmilitarisieren" und zu "entnazifizieren". Dem vorausgegangen war ein "Hilfegesuch" der selbsternannten "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk sowie eine nächtliche Rede des russischen Präsidenten Wladimir Putin, in der er jedem, der es wagen würde, sich von außen einzumischen, mit härtester Vergeltung drohte. In der Wahrnehmung vieler Westeuropäer kehrte mit diesem Tag der Krieg nach Europa zurück. Tatsächlich markiert der 24. Februar weniger einen Beginn als vielmehr eine neue Eskalationsstufe: Bereits seit 2014 befinden sich russische Truppen auf ukrainischem Boden; dem Bruch des Völkerrechts durch die Annexion der Krim folgten damals jedoch keine weitreichenden Konsequenzen. Im Westen glaubte man, Putins Aggression durch enge Handelsverbindungen einhegen zu können. Auch die anderen Kriege, die Russland zuvor schon in ehemaligen Sowjetrepubliken geführt hatte, um seinen Einflussbereich zu sichern, waren mehr oder weniger ignoriert worden und blieben weitgehend folgenlos für die Beziehungen. Die neuerliche russische Invasion hat all dies nun deutlich ins Bewusstsein gerückt und damit nicht nur jegliche Illusion, sondern auch die bisherige europäische Sicherheitsordnung zerstört. Was auf sie folgt, ist kaum abzusehen. Doch sind bereits zahlreiche politische Maßnahmen eingeleitet worden, die noch vor wenigen Monaten undenkbar erschienen und darauf hindeuten, dass die neue (Un-)Ordnung nicht mehr von Kooperation und Vertrauen, sondern von Konfrontation und Misstrauen geprägt sein wird. Ein baldiges Ende des Krieges ist in einer solchen Konstellation nicht zu erwarten.
Article
Johannes Piepenbrink
"2023-07-07T00:00:00"
"2022-07-05T00:00:00"
"2023-07-07T00:00:00"
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/krieg-in-europa-2022/510250/editorial/
Der 24. Februar 2022 markiert weniger einen Kriegsbeginn als eine neue Eskalationsstufe: Bereits seit 2014 befinden sich russische Truppen in der Ukraine. Ein baldiges Kriegsende ist nicht absehbar.
[ "Krieg", "Europa", "Ukraine", "Russland", "Zeitenwende" ]
30,732
Zum Beispiel Winfried | AV-Medienkatalog | bpb.de
Regie: Winfried Junge Kamera: Hans-Eberhard Leupold, Harald Klix Produktion: Defa-Studio für Dokumentarfilme GmbH, Bundesrepublik Deutschland 1991 Format: 44 Min. - VHS-Video - farbig u. s/w FSK: 6 Jahre Stichworte: DDR - Einigung Deutschlands - Kommunismus - Marxismus - Soziales - Verhalten Inhalt: Winfried, das dritte Lebensporträt der Reihe, zeigt pointiert das enge Eingebundensein des einzelnen in das realsozialistische System der ehemaligen DDR. Technisch begabt, entschied er sich der besseren Verdienstmöglichkeiten wegen noch vor Abschluß seines Diploms als Gießer im Stahl- und Walzwerk Gröditz bei Riesa zu arbeiten, ohne seinen Arbeitgeber vom fehlenden Abschluß seiner Ausbildung in Kenntnis zu setzen. Für das SED-Parteimitglied zog dies eine Parteistrafe nach sich, in deren Rahmen er sich zum Nachholen seines Studienabschlusses und zur Übernahme gesellschaftlicher Aufgaben zu verpflichten hatte. Am 12. Dezember 1989 erlebt er als Passant im Westteil Berlins den Besuch des US-Außenministers. Für ihn und seine Familie beginnt mit der Wende ein Prozeß der wirtschaftlichen, beruflichen und gedanklichen Neuorientierung.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2021-06-23T00:00:00"
"2012-10-17T00:00:00"
"2021-06-23T00:00:00"
https://www.bpb.de/lernen/filmbildung/146510/zum-beispiel-winfried/
Winfried, das dritte Lebensporträt der Reihe, zeigt pointiert das enge Eingebundensein des einzelnen in das realsozialistische System der ehemaligen DDR.
[ "Einigung Deutschlands", "Kommunismus", "Marxismus", "Soziales Verhalten", "DDR" ]
30,733
Glossar | Digitalisierung | bpb.de
Agenda Setting das Setzen konkreter Themenschwerpunkte, insbesondere in gesellschaftlichen oder politischen Debatten, und damit Bestimmung dessen, worüber geredet wird Algorithmus eine Handlungsvorgabe, um eine Aufgabe zu lösen. Der Algorithmus verarbeitet nach einer bestimmten Vorschrift Daten und liefert dann automatisiert ein Ergebnis. Anthropomorphismus Prozess der Vermenschlichung, indem anderen Lebewesen oder Objekten menschliche Eigenschaften zugesprochen werden Bandbreite auch Datenübertragungsrate; die digitale Datenmenge, die innerhalb einer Zeitspanne (zumeist eine Sekunde) über einen Übertragungskanal (Kabel oder Funk) übertragen wird bzw. werden kann Big Data große Datenmenge; zudem auch Sammelbegriff für Ansätze, um große Datenmengen auszuwerten und um Muster sowie Gesetzmäßigkeiten in diesen Daten zu entdecken binär Eigenschaft eines Zahlensystems, bei dem nur zwei Ziffern für die Darstellung von Zahlen verwendet werden. Diese Ziffern sind in der Darstellung üblicherweise 0 und 1. Black-Hat-Hackerin /-Hacker eine Person, die ihre Fähigkeiten im Hacken von Datensystemen für illegale oder ethisch verwerfliche Zwecke einsetzt, zum Beispiel um Sicherheitslücken aufzuspüren und so die Software für kriminelle Tätigkeiten auszunutzen Bring your own Device (BYOD) bezeichnet den Ansatz, bei dem Lernende ihre eigenen mobilen Endgeräte an Bildungsorte mitbringen, um sie dort zu nutzen Chatbot technisches System, das textbasiert mit Menschen in Dialog treten kann. Algorithmen bestimmen, welche Antworten ein Chatbot auf welche Fragen gibt. Client-Server-Kommunikation Form der elektronischen Kommunikation, bei der Computer (Clients) von einem zentralen Computer (Server) Dienste und Informationen anfordern. Der Server kommuniziert dabei zumeist mit mehreren Clients und hat eine zentrale Position in einem Netzwerk. Cloud IT-Infrastruktur, bei der verschiedene Geräte und Anwendungen, wie Speicherplatz oder Rechenleistung, über das Internet verfügbar gemacht werden Crowdworkerinnen/-worker selbstständig Beschäftigte, die über das Internet an Aufgaben mitarbeiten, die traditionell unternehmens- oder organisationsintern bearbeitet werden, zum Beispiel Kategorisierung von Materialien Cyberkrieg kriegerische Auseinandersetzung, die zwischen Staaten mit Mitteln der Informationstechnik oder um Mittel der Informationstechnik geführt wird Cyberkriminalität Straftaten, die mittels Computern oder in Computersystemen begangen werden Cybersicherheit auch Informationssicherheit; Eigenschaften von IT-Systemen, die ihre Vertraulichkeit, Verfügbarkeit und Integrität sicherstellen sollen, aber auch die Beschäftigung damit Cyberspionage das Ausspähen von Daten in fremden Computersystemen mittels Hacks; wird oft von Staaten gegen andere Staaten begangen Darknet nicht-indizierter Teil des Internets, der deshalb nicht über herkömmliche Suchmaschinen gefunden werden kann Datenhoheit Personen, deren Daten erhoben, verarbeitet und gespeichert werden, wissen, welche Daten über sie, wo und wie gespeichert sind. digital divide auch digitale Kluft; bestehende Unterschiede des Zugangs zu Informationstechnologien verschiedener Bevölkerungsgruppen oder auch Volkswirtschaften aufgrund sozioökonomischer Faktoren digital literacy / Medien- und Digitalkompetenz Fähigkeit, digitale Technologien, Medien und ihre Inhalte sachkundig und reflektiert zu nutzen und einzusetzen DDoS-Attacke Cyberangriff, der dadurch ausgeführt wird, dass eine Vielzahl an Computern über das Internet Anfragen an ein Zielsystem schickt und es so zur Überlastung bringt Doxing das internetbasierte Sammeln und Veröffentlichen persönlicher, mitunter intimer Informationen E-Government Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien in öffentlichen Institutionen Feed Technik zur einfachen und strukturierten, oft listenförmigen Darstellung von Veränderungen und Aktualisierungen auf Websites Filterblase auch Filterbubble; Konzept, wonach algorithmenbasierte Anwendungen, wie Nachrichtenaggregatoren oder soziale Netzwerke, Informationen so stark nach deren jeweiliger Relevanz für den Nutzer bzw. die Nutzerin filtern, dass Informations- und Meinungsvielfalt reduziert wird Gig-Economy Bereich des Arbeitsmarktes, bei dem zumeist kleine Aufträge kurzfristig an Selbstständige vergeben werden Hack / Hacking Finden und Ausnutzen von Schwächen in Soft- und Hardware, um in diese einzudringen und sie ggf. zu manipulieren Hackathon leitet sich vom Begriff Hack im Sinne einer Problemlösung ab und bezeichnet ein Vorgehen, bei dem Engagierte für einen begrenzten Zeitraum gemeinsam an Innovationen arbeiten, die einer bestimmten vorab definierten Herausforderung begegnen Hackerin / Hacker ursprünglich "Tüftlerin" bzw. "Tüftler"; bezeichnet heute Computerexpertinnen und -experten, die in der Lage sind, Schwächen in Soft- und Hardware aufzuspüren und auszunutzen Hardware Sammelbegriff für alle physischen Komponenten eines datenverarbeitenden Systems. Die Hardware führt dabei die Software aus. Hassrede, Online-Hassrede auch Hate Speech; sprachlicher Ausdruck des Hasses zur Beleidigung oder Herabsetzung einzelner Personen oder ganzer Personengruppen Homeschooling Form der Bildung, bei der Kinder und Jugendliche zu Hause oder auch an anderen Orten außerhalb der Schule unterrichtet werden HTTP (Hypertext Transfer Protocol) Protokoll zur Übertragung von Daten im Internet; zumeist verwendet, um Websites in einen Webbrowser zu laden Hybride Kriegsführung feindliches Verhalten eines Staates gegenüber einem anderen Staat mit Methoden, die über traditionelle Kriegsführung hinausgehen und insbesondere auf Manipulation des Gegners oder auf Geheimdienstoperationen setzen Industrie 4.0 verweist auf die vierte Industrielle Revolution und bezeichnet allgemein die weitgehende Automatisierung und Vernetzung der Produktion sowie zentraler Leistungen und Prozesse im Dienstleistungssektor Influencerin und Influencer Person, die online über eine hohe Reichweite verfügt und regelmäßig in sozialen Netzwerken veröffentlicht, oftmals zu bestimmten Themen. Ihr wird zugeschrieben, Einfluss auf ihre Zielgruppe in Bezug auf deren Konsumverhalten und Meinungsbildung zu haben. interaktives Whiteboard weiße horizontale Oberfläche – ähnlich einer Tafel –, die über Sensoren berührungsempfindlich ist und die direkte Interaktion mit Computersystemen ermöglicht Intermediäre auch Vermittler; Bindeglied zwischen zwei verschiedenen Ebenen. Soziale Netzwerke und Suchmaschinen sind beispielsweise Vermittler zwischen Information und Rezipientin oder Rezipient. Internet der Dinge auch "Internet of Things"; Sammelbegriff für Technologien, die physische Gegenstände miteinander und mit virtuellen Anwendungen verknüpfen Internet Governance im engeren Sinne die Verwaltung der zentralen Ressourcen des Internets und seiner Infrastruktur; im weiteren Sinne jegliche Regulierung, die die Nutzung oder Entwicklung des Internets beeinflusst. Darunter fällt insbesondere die Verwaltung von IP-Adressen sowie des weltweiten Webadressenverzeichnisses Domain Name System (DNS). Hierfür ist die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) verantwortlich. Internet Protocol (IP) weit verbreitetes Netzwerkprotokoll, das die Grundlage des Internets darstellt und das Versenden von Datenpaketen lokal und über das Internet ermöglicht. IP-Adressen markieren dabei mögliche Empfängerinnen/Empfänger und Absenderinnen/Absender von Datenpaketen. Internet Service Provider (ISPs) auch Internetdienstanbieter; Anbieter von Dienstleistungen oder Technologien, die für die Nutzung oder den Betrieb von Diensten im Internet erforderlich sind IT-Forensik Beweissicherung mittels Analyse technischer Merkmale und Spuren in Computersystemen und Netzwerken, zumeist, um sie als Beweismittel in gerichtlichen Verfahren zu verwenden Kritische Infrastruktur Infrastrukturen, die für das Funktionieren des staatlichen Gemeinwesens als wesentlich erachtet werden, zum Beispiel das Gesundheitswesen, der öffentliche Nahverkehr, Großbanken oder Telekommunikationsnetze Künstliche Intelligenz (KI) Sammelbegriff für wissenschaftliche Zweige, insbesondere in der Informatik, die sich mit der Automatisierung von Prozessen durch lernende Systeme bzw. automatisiertem intelligentem Verhalten beschäftigen; auch Begriff für Systeme, die maschinell lernen oder sich automatisiert intelligent verhalten. Der Begriff ist umstritten, weil "Intelligenz" nicht hinreichend definiert wird. Malware schadhafte Software; ein Computerprogramm, das Schwachstellen in anderer Software ausnutzt, um deren Funktionsweise zu manipulieren Marktortprinzip Prinzip zur Regelung der Rechtsstellung von Unternehmen. Laut diesem Prinzip müssen sich all diejenigen Unternehmen an die Regularien eines Landes halten, die in dem Markt dieses Landes geschäftlich aktiv sind – auch wenn sie ihren Standort im Ausland haben. Medienpädagogik Forschung und pädagogische Praxis, die sich mit Medien und ihren Inhalten beschäftigt Microtargeting Prozess zur Schaffung von auf die Vorlieben individueller Nutzerinnen/Nutzer ausgerichteter Werbung, die aus Datensammlungen der Person abgeleitet wurden MOOC Abkürzung für Massive Open Online Course (auf deutsch Offener Massen-Online-Kurs); Lehrangebote im Internet, die offen für alle und in den meisten Fällen kostenlos sind Open Educational Resources Lern- und Lehrmaterialen, die kostenlos und unter einer freien Lizenz zur Verfügung stehen PC, Desktop-PC, Personal Computer (stationärer) Computer für den Einsatz als Arbeitsplatzrechner auf Schreibtischen Peer-to-Peer (P2P)-Kommunikation kann mit Kommunikation unter Gleichen übersetzt werden. Bezeichnet in der Informatik die direkte elektronische Kommunikation zwischen zwei Computern, die formal gleichgestellt sind personenbezogene Daten Daten, die direkt oder mittelbar einer Person zugeordnet sind und beispielsweise Rückschlüsse auf ihre Eigenschaften zulassen Phishing E-Mails oder Websites werden so gefälscht, dass sie aus einer legitimen Quelle zu stammen scheinen. Picker Beschäftigte, die in großen Logistikzentren, angeleitet durch digitale Technologien, Waren für den Versand zusammenstellen Plattformökonomie Geschäftsmodell, in dessen Zentrum die Online- Plattform als Umschlagsort für Waren und Leistungen steht Quantified Self auch Selbstvermessung; erfasst das Vorgehen, mit dafür vorgesehener Hardware und Software ein umfassendes Datenbild der eigenen Person und des eigenen Lebens zu erstellen Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) spezielle Art der Überwachung, die Kommunikation erfasst, zum Beispiel durch Bildschirmfotos, bevor diese verschlüsselt wird oder nachdem diese entschlüsselt wurde Robotik Forschungs- und Anwendungsgebiet, bei dem IT-Systeme mit der physischen Welt mechanisch interagieren können Scoring Ansatz, der Werte auf Grundlage bestimmter Daten und Modelle berechnet, um eine Bewertung von Personen oder Vorhersagen über zukünftiges Verhalten zu ermöglichen Server Rollenbezeichnung eines Computers, der anderen Computern (Clients) Dienste und Informationen auf Anfrage zur Verfügung stellt Sharing-Economy Bereich der Wirtschaft, bei dem zumeist über Plattformen eine geteilte Nutzung von ganz oder teilweise ungenutzten Ressourcen ermöglicht wird Smart Cities Siedlungsräume, in denen Produkte, Dienstleistungen, Technologien, Prozesse und Infrastrukturen zum Einsatz kommen, die in der Regel durch vernetzte Informations- und Kommunikationstechnologien unterstützt werden Smart Objects Objekte, in welche Informationstechnik eingebaut ist und die dadurch über zusätzliche Fähigkeiten verfügen. Smart Objects können insbesondere Daten erfassen, verarbeiten und speichern sowie mit ihrer Umgebung interagieren. Smartwatches Uhren, die Körper- und Bewegungsdaten aufzeichnen, auswerten, über diverse Wege darstellen und damit nachvollziehbar machen sowie weitere Anwendungen integrieren, wie Nachrichten empfangen und Telefonate annehmen Social Bot (Chat-)Bot, der in sozialen Netzwerken eingesetzt wird, um beispielsweise mit Menschen zu kommunizieren Social Web Gesamtmenge an sozialen Netzwerken, Plattformen und Blogs im Internet, auf der sich Personen über ihre Profile miteinander vernetzen und austauschen Software Sammelbegriff für alle nicht-physischen (virtuellen) Komponenten eines datenverarbeitenden Systems. Software beschreibt, was ein datenverarbeitendes System tut und wie es Arbeitsschritte durchführt. Stakeholder Person oder Gruppe, die ein berechtigtes Interesse am Verlauf oder Ergebnis eines Prozesses hat, beispielsweise weil die Person oder Gruppe von diesem Prozess betroffen ist Streaming gleichzeitige Übertragung und Wiedergabe von Video und Audiodaten über das Internet Technikdeterminismus Ansatz der Soziologie, nach dem Technik soziale, politische und kulturelle Anpassungen und Wandel hervorruft Tracking Nachverfolgen von Nutzerverhalten im Internet mittels verschiedener Technologien, so wird automatisch registriert und gespeichert, welche Internetseiten für welche Zeitdauer besucht werden Trojaner heimlich eingeschleuste Schadsoftware, die das Zielsystem für die Zwecke der Hackerin bzw. des Hackers manipuliert Überwachungskapitalismus Wirtschaftsform, bei der nicht mehr länger natürliche Ressourcen oder Lohnarbeit die primären Rohstoffe bilden, sondern "menschliche Erlebnisse", die messbar gemacht werden sollen und damit digital erfasst, gespeichert und ausgewertet werden Wearables technische Geräte (Hardware), die am Körper getragen werden und etwa in Kleidung integriert sein können, um Daten über Körperfunktionen, Aktivitäten und Gewohnheiten zu sammeln Whistleblower Person, die ihr bekannte, vertrauliche Informationen an die Öffentlichkeit weitergibt, um beispielsweise Missstände wie Korruption aufzudecken White-Hat-Hackerin/-Hacker eine Person, die ihre Fähigkeiten im Hacken von Datensystemen für legale und ethisch gute Zwecke einsetzt, beispielsweise um Sicherheitslücken aufzuspüren und diese zu melden, damit sie beseitigt werden können World Wide Web über das Internet zugängliches System von Dokumenten, sogenannten Websites, die auf HTML basieren. HTML (Hypertext Markup Language) regelt, wie Informationen im Netz dargestellt werden. Zivilcourage, digitale Bereitschaft, sich online aktiv für Menschenrechte und breit geteilte gesellschaftliche Werte einzusetzen das Setzen konkreter Themenschwerpunkte, insbesondere in gesellschaftlichen oder politischen Debatten, und damit Bestimmung dessen, worüber geredet wird eine Handlungsvorgabe, um eine Aufgabe zu lösen. Der Algorithmus verarbeitet nach einer bestimmten Vorschrift Daten und liefert dann automatisiert ein Ergebnis. Prozess der Vermenschlichung, indem anderen Lebewesen oder Objekten menschliche Eigenschaften zugesprochen werden auch Datenübertragungsrate; die digitale Datenmenge, die innerhalb einer Zeitspanne (zumeist eine Sekunde) über einen Übertragungskanal (Kabel oder Funk) übertragen wird bzw. werden kann große Datenmenge; zudem auch Sammelbegriff für Ansätze, um große Datenmengen auszuwerten und um Muster sowie Gesetzmäßigkeiten in diesen Daten zu entdecken Eigenschaft eines Zahlensystems, bei dem nur zwei Ziffern für die Darstellung von Zahlen verwendet werden. Diese Ziffern sind in der Darstellung üblicherweise 0 und 1. eine Person, die ihre Fähigkeiten im Hacken von Datensystemen für illegale oder ethisch verwerfliche Zwecke einsetzt, zum Beispiel um Sicherheitslücken aufzuspüren und so die Software für kriminelle Tätigkeiten auszunutzen bezeichnet den Ansatz, bei dem Lernende ihre eigenen mobilen Endgeräte an Bildungsorte mitbringen, um sie dort zu nutzen technisches System, das textbasiert mit Menschen in Dialog treten kann. Algorithmen bestimmen, welche Antworten ein Chatbot auf welche Fragen gibt. Form der elektronischen Kommunikation, bei der Computer (Clients) von einem zentralen Computer (Server) Dienste und Informationen anfordern. Der Server kommuniziert dabei zumeist mit mehreren Clients und hat eine zentrale Position in einem Netzwerk. IT-Infrastruktur, bei der verschiedene Geräte und Anwendungen, wie Speicherplatz oder Rechenleistung, über das Internet verfügbar gemacht werden selbstständig Beschäftigte, die über das Internet an Aufgaben mitarbeiten, die traditionell unternehmens- oder organisationsintern bearbeitet werden, zum Beispiel Kategorisierung von Materialien kriegerische Auseinandersetzung, die zwischen Staaten mit Mitteln der Informationstechnik oder um Mittel der Informationstechnik geführt wird Straftaten, die mittels Computern oder in Computersystemen begangen werden auch Informationssicherheit; Eigenschaften von IT-Systemen, die ihre Vertraulichkeit, Verfügbarkeit und Integrität sicherstellen sollen, aber auch die Beschäftigung damit das Ausspähen von Daten in fremden Computersystemen mittels Hacks; wird oft von Staaten gegen andere Staaten begangen nicht-indizierter Teil des Internets, der deshalb nicht über herkömmliche Suchmaschinen gefunden werden kann Personen, deren Daten erhoben, verarbeitet und gespeichert werden, wissen, welche Daten über sie, wo und wie gespeichert sind. auch digitale Kluft; bestehende Unterschiede des Zugangs zu Informationstechnologien verschiedener Bevölkerungsgruppen oder auch Volkswirtschaften aufgrund sozioökonomischer Faktoren Fähigkeit, digitale Technologien, Medien und ihre Inhalte sachkundig und reflektiert zu nutzen und einzusetzen Cyberangriff, der dadurch ausgeführt wird, dass eine Vielzahl an Computern über das Internet Anfragen an ein Zielsystem schickt und es so zur Überlastung bringt das internetbasierte Sammeln und Veröffentlichen persönlicher, mitunter intimer Informationen Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien in öffentlichen Institutionen Technik zur einfachen und strukturierten, oft listenförmigen Darstellung von Veränderungen und Aktualisierungen auf Websites auch Filterbubble; Konzept, wonach algorithmenbasierte Anwendungen, wie Nachrichtenaggregatoren oder soziale Netzwerke, Informationen so stark nach deren jeweiliger Relevanz für den Nutzer bzw. die Nutzerin filtern, dass Informations- und Meinungsvielfalt reduziert wird Bereich des Arbeitsmarktes, bei dem zumeist kleine Aufträge kurzfristig an Selbstständige vergeben werden Finden und Ausnutzen von Schwächen in Soft- und Hardware, um in diese einzudringen und sie ggf. zu manipulieren leitet sich vom Begriff Hack im Sinne einer Problemlösung ab und bezeichnet ein Vorgehen, bei dem Engagierte für einen begrenzten Zeitraum gemeinsam an Innovationen arbeiten, die einer bestimmten vorab definierten Herausforderung begegnen ursprünglich "Tüftlerin" bzw. "Tüftler"; bezeichnet heute Computerexpertinnen und -experten, die in der Lage sind, Schwächen in Soft- und Hardware aufzuspüren und auszunutzen Sammelbegriff für alle physischen Komponenten eines datenverarbeitenden Systems. Die Hardware führt dabei die Software aus. auch Hate Speech; sprachlicher Ausdruck des Hasses zur Beleidigung oder Herabsetzung einzelner Personen oder ganzer Personengruppen Form der Bildung, bei der Kinder und Jugendliche zu Hause oder auch an anderen Orten außerhalb der Schule unterrichtet werden Protokoll zur Übertragung von Daten im Internet; zumeist verwendet, um Websites in einen Webbrowser zu laden feindliches Verhalten eines Staates gegenüber einem anderen Staat mit Methoden, die über traditionelle Kriegsführung hinausgehen und insbesondere auf Manipulation des Gegners oder auf Geheimdienstoperationen setzen verweist auf die vierte Industrielle Revolution und bezeichnet allgemein die weitgehende Automatisierung und Vernetzung der Produktion sowie zentraler Leistungen und Prozesse im Dienstleistungssektor Person, die online über eine hohe Reichweite verfügt und regelmäßig in sozialen Netzwerken veröffentlicht, oftmals zu bestimmten Themen. Ihr wird zugeschrieben, Einfluss auf ihre Zielgruppe in Bezug auf deren Konsumverhalten und Meinungsbildung zu haben. weiße horizontale Oberfläche – ähnlich einer Tafel –, die über Sensoren berührungsempfindlich ist und die direkte Interaktion mit Computersystemen ermöglicht auch Vermittler; Bindeglied zwischen zwei verschiedenen Ebenen. Soziale Netzwerke und Suchmaschinen sind beispielsweise Vermittler zwischen Information und Rezipientin oder Rezipient. auch "Internet of Things"; Sammelbegriff für Technologien, die physische Gegenstände miteinander und mit virtuellen Anwendungen verknüpfen im engeren Sinne die Verwaltung der zentralen Ressourcen des Internets und seiner Infrastruktur; im weiteren Sinne jegliche Regulierung, die die Nutzung oder Entwicklung des Internets beeinflusst. Darunter fällt insbesondere die Verwaltung von IP-Adressen sowie des weltweiten Webadressenverzeichnisses Domain Name System (DNS). Hierfür ist die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) verantwortlich. weit verbreitetes Netzwerkprotokoll, das die Grundlage des Internets darstellt und das Versenden von Datenpaketen lokal und über das Internet ermöglicht. IP-Adressen markieren dabei mögliche Empfängerinnen/Empfänger und Absenderinnen/Absender von Datenpaketen. auch Internetdienstanbieter; Anbieter von Dienstleistungen oder Technologien, die für die Nutzung oder den Betrieb von Diensten im Internet erforderlich sind Beweissicherung mittels Analyse technischer Merkmale und Spuren in Computersystemen und Netzwerken, zumeist, um sie als Beweismittel in gerichtlichen Verfahren zu verwenden Infrastrukturen, die für das Funktionieren des staatlichen Gemeinwesens als wesentlich erachtet werden, zum Beispiel das Gesundheitswesen, der öffentliche Nahverkehr, Großbanken oder Telekommunikationsnetze Sammelbegriff für wissenschaftliche Zweige, insbesondere in der Informatik, die sich mit der Automatisierung von Prozessen durch lernende Systeme bzw. automatisiertem intelligentem Verhalten beschäftigen; auch Begriff für Systeme, die maschinell lernen oder sich automatisiert intelligent verhalten. Der Begriff ist umstritten, weil "Intelligenz" nicht hinreichend definiert wird. schadhafte Software; ein Computerprogramm, das Schwachstellen in anderer Software ausnutzt, um deren Funktionsweise zu manipulieren Prinzip zur Regelung der Rechtsstellung von Unternehmen. Laut diesem Prinzip müssen sich all diejenigen Unternehmen an die Regularien eines Landes halten, die in dem Markt dieses Landes geschäftlich aktiv sind – auch wenn sie ihren Standort im Ausland haben. Forschung und pädagogische Praxis, die sich mit Medien und ihren Inhalten beschäftigt Prozess zur Schaffung von auf die Vorlieben individueller Nutzerinnen/Nutzer ausgerichteter Werbung, die aus Datensammlungen der Person abgeleitet wurden Abkürzung für Massive Open Online Course (auf deutsch Offener Massen-Online-Kurs); Lehrangebote im Internet, die offen für alle und in den meisten Fällen kostenlos sind Lern- und Lehrmaterialen, die kostenlos und unter einer freien Lizenz zur Verfügung stehen (stationärer) Computer für den Einsatz als Arbeitsplatzrechner auf Schreibtischen kann mit Kommunikation unter Gleichen übersetzt werden. Bezeichnet in der Informatik die direkte elektronische Kommunikation zwischen zwei Computern, die formal gleichgestellt sind Daten, die direkt oder mittelbar einer Person zugeordnet sind und beispielsweise Rückschlüsse auf ihre Eigenschaften zulassen E-Mails oder Websites werden so gefälscht, dass sie aus einer legitimen Quelle zu stammen scheinen. Beschäftigte, die in großen Logistikzentren, angeleitet durch digitale Technologien, Waren für den Versand zusammenstellen Geschäftsmodell, in dessen Zentrum die Online- Plattform als Umschlagsort für Waren und Leistungen steht auch Selbstvermessung; erfasst das Vorgehen, mit dafür vorgesehener Hardware und Software ein umfassendes Datenbild der eigenen Person und des eigenen Lebens zu erstellen spezielle Art der Überwachung, die Kommunikation erfasst, zum Beispiel durch Bildschirmfotos, bevor diese verschlüsselt wird oder nachdem diese entschlüsselt wurde Forschungs- und Anwendungsgebiet, bei dem IT-Systeme mit der physischen Welt mechanisch interagieren können Ansatz, der Werte auf Grundlage bestimmter Daten und Modelle berechnet, um eine Bewertung von Personen oder Vorhersagen über zukünftiges Verhalten zu ermöglichen Rollenbezeichnung eines Computers, der anderen Computern (Clients) Dienste und Informationen auf Anfrage zur Verfügung stellt Bereich der Wirtschaft, bei dem zumeist über Plattformen eine geteilte Nutzung von ganz oder teilweise ungenutzten Ressourcen ermöglicht wird Siedlungsräume, in denen Produkte, Dienstleistungen, Technologien, Prozesse und Infrastrukturen zum Einsatz kommen, die in der Regel durch vernetzte Informations- und Kommunikationstechnologien unterstützt werden Objekte, in welche Informationstechnik eingebaut ist und die dadurch über zusätzliche Fähigkeiten verfügen. Smart Objects können insbesondere Daten erfassen, verarbeiten und speichern sowie mit ihrer Umgebung interagieren. Uhren, die Körper- und Bewegungsdaten aufzeichnen, auswerten, über diverse Wege darstellen und damit nachvollziehbar machen sowie weitere Anwendungen integrieren, wie Nachrichten empfangen und Telefonate annehmen (Chat-)Bot, der in sozialen Netzwerken eingesetzt wird, um beispielsweise mit Menschen zu kommunizieren Gesamtmenge an sozialen Netzwerken, Plattformen und Blogs im Internet, auf der sich Personen über ihre Profile miteinander vernetzen und austauschen Sammelbegriff für alle nicht-physischen (virtuellen) Komponenten eines datenverarbeitenden Systems. Software beschreibt, was ein datenverarbeitendes System tut und wie es Arbeitsschritte durchführt. Person oder Gruppe, die ein berechtigtes Interesse am Verlauf oder Ergebnis eines Prozesses hat, beispielsweise weil die Person oder Gruppe von diesem Prozess betroffen ist gleichzeitige Übertragung und Wiedergabe von Video und Audiodaten über das Internet Ansatz der Soziologie, nach dem Technik soziale, politische und kulturelle Anpassungen und Wandel hervorruft Nachverfolgen von Nutzerverhalten im Internet mittels verschiedener Technologien, so wird automatisch registriert und gespeichert, welche Internetseiten für welche Zeitdauer besucht werden heimlich eingeschleuste Schadsoftware, die das Zielsystem für die Zwecke der Hackerin bzw. des Hackers manipuliert Wirtschaftsform, bei der nicht mehr länger natürliche Ressourcen oder Lohnarbeit die primären Rohstoffe bilden, sondern "menschliche Erlebnisse", die messbar gemacht werden sollen und damit digital erfasst, gespeichert und ausgewertet werden technische Geräte (Hardware), die am Körper getragen werden und etwa in Kleidung integriert sein können, um Daten über Körperfunktionen, Aktivitäten und Gewohnheiten zu sammeln Person, die ihr bekannte, vertrauliche Informationen an die Öffentlichkeit weitergibt, um beispielsweise Missstände wie Korruption aufzudecken eine Person, die ihre Fähigkeiten im Hacken von Datensystemen für legale und ethisch gute Zwecke einsetzt, beispielsweise um Sicherheitslücken aufzuspüren und diese zu melden, damit sie beseitigt werden können über das Internet zugängliches System von Dokumenten, sogenannten Websites, die auf HTML basieren. HTML (Hypertext Markup Language) regelt, wie Informationen im Netz dargestellt werden. Bereitschaft, sich online aktiv für Menschenrechte und breit geteilte gesellschaftliche Werte einzusetzen
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2022-01-12T00:00:00"
"2020-11-16T00:00:00"
"2022-01-12T00:00:00"
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/izpb/digitalisierung-344/digitalisierung-344/318924/glossar/
Auf dieser Seite finden Sie das Glossar zur Ausgabe.
[ "IZPB", "Digitalisierung" ]
30,734
M 01.01.01 Einstieg: Meinungsbildung | Wahlen nach Zahlen | bpb.de
Aufgaben: Du bist im Abschlussball-Komitee deines Jahrgangs und mit der Suche eines DJs beauftragt. Im Internet findest du auf einem Vergleichsportal drei Angebote, die in Frage kommen (siehe oben). Entscheide dich für ein Angebot. Vergleicht und diskutiert zu zweit eure jeweilige Entscheidung miteinander: Nach welchen Kriterien habt ihr euch für euren DJ entschieden? Dieses Material steht auch als formatierte Interner Link: Druckvorlage zur Verfügung.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2022-08-24T00:00:00"
"2021-07-23T00:00:00"
"2022-08-24T00:00:00"
https://www.bpb.de/lernen/angebote/grafstat/wahlen-nach-zahlen/337043/m-01-01-01-einstieg-meinungsbildung/
Anhand der Auswahl eines Abschlussball-DJs, werden die Lernenden im Einstiegsmaterial für Dynamiken der Entscheidungsfindung sensibilisiert und auf Meinungsumfragen in ihrem Alltag aufmerksam gemacht.
[ "Bundestagswahl 2021", "Meinungsbildung", "Demoskopie", "Umfragen", "Wahlforschung", "Einstieg" ]
30,735
Datenschutzerklärung | bpb.de
Interner Link: Hier finden Sie die englische Fassung / You can find the english version here. Stand: 09.06.2020 A. Kontaktdaten und Verantwortliche Der Verantwortliche im Sinne der Datenschutz-Grundverordnung und anderer nationaler Datenschutzgesetze der Mitgliedsstaaten sowie sonstiger datenschutzrechtlicher Bestimmungen ist die: Bundeszentrale für politische Bildung Adenauerallee 86 53115 Bonn Deutschland Tel.: +49 (0)228 99515-0 E-Mail: E-Mail Link: info@bpb.de DE-Mail: E-Mail Link: de-mail-poststelle@bpb-bund.de-mail.de Website: www.bpb.de Der Datenschutzbeauftragte des Verantwortlichen ist: Rhaban Schulze Horn Adenauerallee 131a 53113 Bonn Deutschland Tel.: +49 (0)228 99515-0 E-Mail: E-Mail Link: datenschutz@bpb.de B. Allgemeines zur Datenverarbeitung I. Umfang der Verarbeitung personenbezogener Daten Wir erheben und verwenden personenbezogene Daten unserer Nutzer grundsätzlich nur, soweit dies zur Bereitstellung einer funktionsfähigen Website sowie unserer Inhalte und Leistungen erforderlich ist. Die Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten unserer Nutzer erfolgt regelmäßig nur nach Einwilligung des Nutzers. Eine Ausnahme gilt in solchen Fällen, in denen eine vorherige Einholung einer Einwilligung aus tatsächlichen Gründen nicht möglich ist und die Verarbeitung der Daten durch gesetzliche Vorschriften gestattet ist. II. Rechtsgrundlage für die Verarbeitung personenbezogener Daten Soweit wir für Verarbeitungsvorgänge personenbezogener Daten eine Einwilligung der betroffenen Person einholen, dient Art. 6 Abs. 1 lit. a EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) als Rechtsgrundlage. Bei der Verarbeitung von personenbezogenen Daten, die zur Erfüllung eines Vertrages, dessen Vertragspartei die betroffene Person ist (z.B. eine Bestellung im bpb-Shop), erforderlich ist, dient Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO als Rechtsgrundlage. Dies gilt auch für Verarbeitungsvorgänge, die zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen erforderlich sind. Soweit eine Verarbeitung personenbezogener Daten zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist, der unsere Behörde unterliegt, dient Art. 6 Abs. 1 lit. c DSGVO als Rechtsgrundlage. Ist die Verarbeitung für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, so dient Art. 6 Abs. 1 lit. e) DSGVO i. V. m. § 3 BDSG als Rechtsgrundlage für die Verarbeitung. III. Datenlöschung und Speicherdauer Die personenbezogenen Daten der betroffenen Person werden gelöscht oder gesperrt, sobald der Zweck der Speicherung entfällt. Eine Speicherung kann darüber hinaus erfolgen, wenn dies durch den europäischen oder nationalen Gesetzgeber in unionsrechtlichen Verordnungen, Gesetzen oder sonstigen Vorschriften, denen der Verantwortliche unterliegt, vorgesehen wurde, zum Beispiel gemäß den für die Aufbewahrung von Schriftgut geltenden Fristen der Registraturrichtlinie, die die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) ergänzt. Eine Sperrung oder Löschung der Daten erfolgt auch dann, wenn eine durch die genannten Normen vorgeschriebene Speicherfrist abläuft, es sei denn, dass eine Erforderlichkeit zur weiteren Speicherung der Daten für einen Vertragsabschluss oder eine Vertragserfüllung besteht. C. Datenverarbeitung durch den Besuch der Website bpb.de I. Bereitstellung der Website und Erstellung von Logfiles 1. Beschreibung und Umfang der Datenverarbeitung Bei jedem Aufruf unserer Internetseite erfasst unser System automatisiert Daten und Informationen vom Computersystem des aufrufenden Rechners. Folgende Daten werden hierbei erhoben: (1) Informationen über den Browsertyp und die verwendete Version (2) Das Betriebssystem des Nutzers (3) Die IP-Adresse des Nutzers (4) Datum und Uhrzeit des Zugriffs (5) Websites, von denen das System des Nutzers auf unsere Internetseite gelangt (6) Die besuchte URL Die Daten werden ebenfalls in den Logfiles unseres Systems gespeichert. Eine Speicherung dieser Daten zusammen mit anderen personenbezogenen Daten des Nutzers findet nicht statt. Die IP-Adresse der Nutzer wird nicht standardmäßig gespeichert, sondern durch einen vorgeschalteten Proxy-Server von bpb.de anonymisiert. Im Falle eines fehlerhaften oder abgebrochenen Zugriffs auf den vorgeschalteten Proxy-Servers wird die IP-Adresse jedoch gespeichert. Dies können wir technisch nicht verhindern. 2. Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung Rechtsgrundlage für die vorübergehende Speicherung der Daten und der Logfiles ist Art. 6 Abs. 1 lit. e) DSGVO i. V. m. § 3 BDSG. 3. Zweck der Datenverarbeitung Die vorübergehende Speicherung der IP-Adresse durch das System ist notwendig, um eine Auslieferung der Website an den Rechner des Nutzers zu ermöglichen. Hierfür muss die IP-Adresse des Nutzers für die Dauer der Sitzung gespeichert bleiben. Die Speicherung in Logfiles erfolgt, um die Funktionsfähigkeit der Website sicherzustellen. Zudem dienen uns die Daten zur Optimierung der Website und zur Sicherstellung der Sicherheit unserer informationstechnischen Systeme. Eine Auswertung der Daten zu Marketingzwecken findet in diesem Zusammenhang nicht statt. Zu diesem Zweck ist die Verarbeitung für die Wahrnehmung unserer Aufgabe, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, notwendig (Art. 6 Abs. 1 lit. e) DSGVO i. V. m. § 3 BDSG). 4. Dauer der Speicherung Die Daten werden gelöscht, sobald sie für die Erreichung des Zweckes ihrer Erhebung nicht mehr erforderlich sind. Im Falle der Erfassung der Daten zur Bereitstellung der Website ist dies der Fall, wenn die jeweilige Sitzung beendet ist. Im Falle der Speicherung der anonymisierten Daten in Logfiles ist dies nach spätestens fünf Wochen der Fall. 5. Widerspruchs- und Beseitigungsmöglichkeit Die Erfassung der Daten zur Bereitstellung der Website und die Speicherung der Daten in Logfiles ist für den Betrieb der Internetseite zwingend erforderlich. Es besteht folglich seitens des Nutzers keine Widerspruchsmöglichkeit. II. Verwendung von Cookies 1. Beschreibung und Umfang der Datenverarbeitung Unsere Webseite verwendet Cookies. Bei Cookies handelt es sich um Textdateien, die im Internetbrowser bzw. vom Internetbrowser auf dem Computersystem des Nutzers gespeichert werden. Ruft ein Nutzer eine Website auf, so kann ein Cookie auf dem Betriebssystem des Nutzers gespeichert werden. Dieser Cookie enthält eine charakteristische Zeichenfolge, die eine eindeutige Identifizierung des Browsers beim erneuten Aufrufen der Website ermöglicht. Wir setzen Cookies ein, um unsere Website nutzerfreundlicher zu gestalten. Einige Elemente unserer Internetseite erfordern es, dass der aufrufende Browser auch nach einem Seitenwechsel identifiziert werden kann. In den Cookies werden dabei folgende Daten gespeichert und übermittelt: (1) Artikel in einem Warenkorb (2) Ausführung von Javascript (3) Eingegebene Suchbegriffe/Suchergebnisse (4) Nutzung eines mobilen Endgerätes (5) Kenntnisnahme des Cookie-Hinweises (6) Erlaubnis zur Ausspielung eines externen Inhaltes Wir verwenden auf unserer Website darüber hinaus Cookies, die eine Analyse des Surfverhaltens der Nutzer ermöglichen. Eine Auflistung der dabei gespeicherten und übermittelten Daten finden Sie unter Abschnitt III zu Piwik/Matomo und Kapitel IV. zum SZMnG/INFOnline Messverfahren. Die auf diese Weise erhobenen Daten der Nutzer werden durch technische Vorkehrungen pseudonymisiert. Daher ist eine Zuordnung der Daten zum aufrufenden Nutzer nicht mehr möglich. Die Daten werden nicht gemeinsam mit sonstigen personenbezogenen Daten der Nutzer gespeichert. 2. Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung Die Rechtsgrundlage für die Verarbeitung personenbezogener Daten unter Verwendung von Cookies ist Art. 6 Abs. 1 lit. e) DSGVO i. V. m. § 3 BDSG. 3. Zweck der Datenverarbeitung Der Zweck der Verwendung technisch notwendiger Cookies ist, die Nutzung von Websites für die Nutzer zu vereinfachen. Einige Funktionen unserer Internetseite können ohne den Einsatz von Cookies nicht angeboten werden (z.B. Warenkorb, mobile Website). Für diese ist es erforderlich, dass der Browser auch nach einem Seitenwechsel wiedererkannt wird. Für folgende Anwendungen benötigen wir Cookies: (1) Merken von Inhalten für den Warenkorb (2) Merken von Suchbegriffen und Suchergebnissen (3) Merken von Inhalten für PDF/EPUB-Generierung (4) Auslieferung der mobilen Website (5) Ausblenden des Cookie-Hinweises nach Kenntnisnahme (6) Aktivierung der Ausspielung externer Inhalte Die durch technisch notwendige Cookies erhobenen Nutzerdaten werden nicht zur Erstellung von Nutzerprofilen verwendet. Die Verwendung der Analyse-Cookies erfolgt zu dem Zweck, die Qualität unserer Website und ihre Inhalte zu verbessern. Durch die Analyse-Cookies erfahren wir, wie die Website genutzt wird und können so unser Angebot stetig optimieren. Für folgende Anwendungen setzen wir zusätzliche Cookies: (1) Webanalyse mit Piwik/Matomo (siehe Kapitel lII) (2) Webstatistik mit SZMnG/INFOnline Messverfahren (siehe Kapitel IV) Für beide Anwendungen bieten wir Opt-Out-Verfahren an. In diesem Fall kann auch eine Cookie für das Opt-Out gesetzt werden. Zu diesem Zweck ist die Verarbeitung für die Wahrnehmung unserer Aufgabe, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, notwendig (Art. 6 Abs. 1 lit. e) DSGVO i. V. m. § 3 BDSG). 4. Dauer der Speicherung, Widerspruchs- und Beseitigungsmöglichkeit Cookies werden auf dem Rechner des Nutzers gespeichert und von diesem an unsere Seite übermittelt. Die technisch notwendigen Cookies werden nur bis zum Ende des Nutzungsvorgangs gespeichert (Session-Cookies). Das Cookie zum "Ausblenden des Cookie-Hinweises" wird bis zu sieben Tage gespeichert. Die Cookies für Piwik/Matomo werden bis zu 6 Monate gespeichert. Die Cookies für das SZMnG/INFOnline Messverfahren werden bis zu 10 Monate gespeichert. Für beide Anwendungen bieten wir "Opt-Out-Verfahren" an, mit dem die Speicherung der jeweiligen Cookies unterbunden werden kann. Nutzer haben die volle Kontrolle über die Verwendung von Cookies. Durch eine Änderung der Einstellungen in Ihrem Internetbrowser können sie die Übertragung von Cookies deaktivieren oder einschränken. Bereits gespeicherte Cookies können jederzeit gelöscht werden. Dies kann auch automatisiert erfolgen. Werden Cookies für unsere Website deaktiviert, können möglicherweise nicht mehr alle Funktionen der Website vollumfänglich genutzt werden. III. Webanalyse durch Matomo (ehemals PIWIK) 1. Beschreibung und Umfang der Datenverarbeitung Wir nutzen auf unserer Website das Open-Source-Software-Tool Matomo (ehemals PIWIK) zur Analyse des Surfverhaltens unserer Nutzer. Die Software setzt ein Cookie auf dem Rechner der Nutzer (zu Cookies siehe oben). Werden Einzelseiten unserer Website aufgerufen, so werden folgende Daten gespeichert: (1) Zwei Bytes der IP-Adresse des aufrufenden Systems des Nutzers (2) Die aufgerufene Webseite (3) Die Website, von der der Nutzer auf die aufgerufene Webseite gelangt ist (Referrer) (4) Die Unterseiten, die von der aufgerufenen Webseite aus aufgerufen werden (5) Die Verweildauer auf der Webseite (6) Die Häufigkeit des Aufrufs der Webseite (7) Spracheinstellungen des Browsers (8) Standort Die Software läuft dabei ausschließlich auf den Servern der bpb. Eine Speicherung der personenbezogenen Daten der Nutzer findet nur dort statt. Eine Weitergabe der Daten an Dritte erfolgt nicht. Die Software ist so eingestellt, dass die IP-Adressen nicht vollständig gespeichert werden, sondern 2 Bytes der IP-Adresse maskiert werden (Bsp.: 192.168.xxx.xxx). Auf diese Weise ist eine Zuordnung der gekürzten IP-Adresse zum aufrufenden Rechner nicht mehr möglich. 2. Rechtsgrundlage für die Verarbeitung personenbezogener Daten Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Nutzer ist Art. 6 Abs. 1 lit. e) DSGVO i. V. m. § 3 BDSG. 3. Zweck der Datenverarbeitung Die Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Nutzer ermöglicht uns eine Analyse des Surfverhaltens unserer Nutzer. Wir sind in durch die Auswertung der gewonnen Daten in der Lage, Informationen über die Nutzung der einzelnen Komponenten unserer Webseite zusammenzustellen. Dies hilft uns dabei unsere Webseite und deren Nutzerfreundlichkeit stetig zu verbessern. Zu diesem Zweck ist die Verarbeitung für die Wahrnehmung unserer Aufgabe, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, notwendig (Art. 6 Abs. 1 lit. e) DSGVO i. V. m. § 3 BDSG). Durch die Anonymisierung der IP-Adresse wird dem Interesse der Nutzer an deren Schutz personenbezogener Daten hinreichend Rechnung getragen. 4. Dauer der Speicherung Die Daten werden gelöscht, sobald sie für unsere Aufzeichnungszwecke nicht mehr benötigt werden, maximal jedoch nach drei Jahren. 5. Widerspruchs- und Beseitigungsmöglichkeit Cookies werden auf dem Rechner des Nutzers gespeichert und von diesem an unserer Seite übermittelt. Daher haben Sie als Nutzer auch die volle Kontrolle über die Verwendung von Cookies. Durch eine Änderung der Einstellungen in Ihrem Internetbrowser können Sie die Übertragung von Cookies deaktivieren oder einschränken. Bereits gespeicherte Cookies können jederzeit gelöscht werden. Dies kann auch automatisiert erfolgen. Werden Cookies für unsere Website deaktiviert, können möglicherweise nicht mehr alle Funktionen der Website vollumfänglich genutzt werden. Wir bieten unseren Nutzern auf unserer Website die Möglichkeit eines Opt-Out aus dem Analyseverfahren. Hierzu müssen Sie den Haken in der Checkbox unter diesem Abschnitt mit einem Klick entfernen. Auf diese Weise wird ein weiterer Cookie auf ihrem System gesetzt, der unserem System signalisiert die Daten des Nutzers nicht zu speichern. Löscht der Nutzer den entsprechenden Cookie zwischenzeitlich vom eigenen System, so muss er den Opt-Out-Cookie erneut setzten. Nähere Informationen zu den Privatsphäreeinstellungen der Matomo Software finden Sie unter folgendem Link: Externer Link: https://matomo.org/docs/privacy/. IV. Zugriffsstatistik durch Messverfahren ("SZMnG") von INFOnline GmbH 1.Beschreibung und Umfang der Datenverarbeitung Wir nutzen das Messverfahren ("SZMnG") der INFOnline GmbH (Externer Link: https://www.infonline.de) zur Ermittlung statistischer Kennwerte über die Nutzung unserer Angebote auf bpb.de. Dazu sind in einzelnen Seiten so genannte Zählpixel, kleine transparente Bilder, eingebaut, deren Abruf von der Firma INFOnline gezählt wird. Dabei werden anonyme Messwerte erhoben und an INFOnline übermittelt. Die SZMnG-Reichweitenmessung verwendet zur Wiedererkennung von Computersystemen alternativ entweder ein Cookie mit der Kennung "ioam.de" oder "ivwbox.de" oder eine Signatur, die aus verschiedenen automatisch übertragenen Informationen Ihres Computers erstellt wird. Folgende Daten werden übermittelt: (1) IP-Adresse des aufrufenden Systems des Nutzers (2) Die aufgerufene Webseite (3) Die Website, von der der Nutzer auf die aufgerufene Webseite gelangt ist (Referrer) (4) Die Unterseiten, die von der aufgerufenen Webseite aus aufgerufen werden (5) Die Verweildauer auf der Webseite (6) Die Häufigkeit des Aufrufs der Webseite (7) Spracheinstellungen des Browsers (8) Standort IP-Adressen werden in dem Verfahren nicht gespeichert und nur in anonymisierter Form verarbeitet. Dazu werden 2 Bytes der IP-Adresse maskiert (Bsp.: 192.168.xxx.xxx). Auf diese Weise ist eine Zuordnung der gekürzten IP-Adresse zum aufrufenden Rechner nicht mehr möglich. 2. Rechtsgrundlage für die Verarbeitung personenbezogener Daten Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Nutzer ist Art. 6 Abs. 1 lit. e) DSGVO i. V. m. § 3 BDSG. 3. Zweck der Datenverarbeitung Ziel der Reichweitenmessung ist es, die Nutzungsintensität, die Anzahl der Nutzer einer Webseite und das Surfverhalten statistisch zu bestimmen. Dies hilft uns dabei unsere Webseite und deren Nutzerfreundlichkeit stetig zu verbessern. Zu diesem Zweck ist die Verarbeitung für die Wahrnehmung unserer Aufgabe, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, notwendig (Art. 6 Abs. 1 lit. e) DSGVO i. V. m. § 3 BDSG). Durch die Anonymisierung der IP-Adresse wird dem Interesse der Nutzer an deren Schutz personenbezogener Daten hinreichend Rechnung getragen. 4. Dauer der Speicherung Die anonymisierten Daten werden gelöscht, sobald sie für unsere Aufzeichnungszwecke nicht mehr benötigt werden. 5. Widerspruchs- und Beseitigungsmöglichkeit Möchten Nutzer nicht, dass Daten im Rahmen des SZMnG an die Firma INFOnline übertragen werden, können sie der Datenverarbeitung unter folgendem Link widersprechen: Externer Link: https://optout.ioam.de. Cookies werden auf dem Rechner des Nutzers gespeichert und von diesem an unserer Seite übermittelt. Daher haben Sie als Nutzer auch die volle Kontrolle über die Verwendung von Cookies. Durch eine Änderung der Einstellungen in Ihrem Internetbrowser können Sie die Übertragung von Cookies deaktivieren oder einschränken. Bereits gespeicherte Cookies können jederzeit gelöscht werden. Dies kann auch automatisiert erfolgen. Werden Cookies für unsere Website deaktiviert, können möglicherweise nicht mehr alle Funktionen der Website vollumfänglich genutzt werden. D. Erhebung personenbezogener Daten im Rahmen der Kontaktaufnahme I. Kontaktaufnahme per E-Mail 1. Beschreibung und Umfang der Datenverarbeitung Eine Kontaktaufnahme zur bpb per E-Mail ist neben den personengebundenen dienstlichen E-Mail-Adressen der Beschäftigten über verschiedene E-Mail Postfächer möglich, u.a. über die auf bpb.de unter „Kontakt“ angegebene zentrale E-Mail-Adresse info@bpb.de. Im Falle einer Kontaktaufnahme per E-Mail werden die mit der E-Mail übermittelten personenbezogenen Daten des Nutzers – z.B. E-Mail-Adresse, Name, Vorname, Anschrift, ggf. weitere in der E-Mail enthaltene Informationen mit Personenbezug – gespeichert. Die Daten werden ausschließlich für die Verarbeitung der Konversation bzw. für den Zweck der Anfrage verwendet. Auf der Internetseite der bpb werden auch E-Mail-Adressen von Dritten (z.B. von der bpb beauftragte Projektträger) bereitgestellt. Diese Adressen enthalten nicht bpb nach dem @. Sofern Sie eine dieser Adressen zur Kontaktaufnahme verwenden, liegt die Verarbeitung der personenbezogenen Daten nicht im Verantwortungsbereich der bpb. Bei Fragen bzgl. des Umgangs mit Ihren personenbezogenen Daten durch diesen Dritten, wenden Sie sich entsprechend an diesen. 2. Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der Daten, die im Zuge einer Übersendung einer E-Mail übermittelt werden, ist Art. 6 Abs. 1 lit. e) DSGVO i. V. m. § 3 BDSG. Zielt der E-Mail-Kontakt auf den Abschluss eines Vertrages ab, so ist zusätzliche Rechtsgrundlage für die Verarbeitung Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO. 3. Zweck der Datenverarbeitung Die Verarbeitung der Daten erfolgt zur Bearbeitung der Kontaktaufnahme und der damit verbundenen Anfragen sowie Anliegen. 4. Dauer der Speicherung Die übermittelten Daten und Informationen werden zum Zwecke der Kontaktaufnahme und Bearbeitung des Anliegens, gemäß den für die Aufbewahrung von Schriftgut geltenden Fristen der Registraturrichtlinie, die die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) ergänzt, gespeichert. 5. Widerspruchs- und Beseitigungsmöglichkeit Der Nutzer hat das Recht, aus Gründen die sich aus seiner besonderen Situation ergeben, jederzeit Widerspruch gegen die Verarbeitung seiner Daten einzulegen. Die Verarbeitung der Daten erfolgt dann nicht mehr. In einem solchen Fall kann die Konversation nicht fortgeführt werden. Alle personenbezogenen Daten, die im Zuge der Kontaktaufnahme gespeichert wurden, werden in diesem Fall gelöscht. Eine Verarbeitung ist trotz Widerspruch durch den Nutzer möglich, sofern zwingende schutzwürdige Gründe für die Bearbeitung durch die Behörde dargelegt werden, welche die Interessen, Rechte und Freiheiten des Nutzers überwiegen. Der Widerspruch gegen die Verarbeitung kann formlos unter info@bpb.de eingereicht werden. E. Verarbeitung von personenbezogenen Daten für Angebote der bpb I. Newsletter-Versand 1. Beschreibung und Umfang der Datenverarbeitung Auf unserer Internetseite besteht die Möglichkeit kostenfreie Newsletter zu abonnieren. Dabei wird bei der Anmeldung zum Newsletter die angegebene E-Mail-Adresse aus der Eingabemaske an uns übermittelt. Zudem werden Datum und Uhrzeit der Registrierung bei der Anmeldung erhoben. Für die Verarbeitung der Daten wird im Rahmen des Anmeldevorgangs Ihre Einwilligung eingeholt und auf diese Datenschutzerklärung verwiesen. Ihre Anmeldung und damit die Speicherung und Verarbeitung ihrer E-Mail-Adresse müssen Sie zudem per E-Mail ein weiteres Mal bestätigen ("Double-Opt-In"). Damit soll ein Missbrauch der E-Mail-Adresse durch Dritte verhindert werden. Es erfolgt im Zusammenhang mit der Datenverarbeitung für den Versand von Newslettern keine Weitergabe der Daten an Dritte. Die Daten werden ausschließlich für den Versand des Newsletters verwendet. 2. Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der Daten nach Anmeldung zum Newsletters durch den Nutzer ist bei Vorliegen einer Einwilligung des Nutzers Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO. 3. Zweck der Datenverarbeitung Die Erhebung der E-Mail-Adresse des Nutzers dient dazu, den jeweiligen Newsletter zuzustellen. Eine Übersicht über unsere Newsletter finden Sie hier: Externer Link: www.bpb.de/newsletter 4. Dauer der Speicherung Die Daten werden gelöscht, sobald sie für die Erreichung des Zweckes ihrer Erhebung nicht mehr erforderlich sind. Die E-Mail-Adresse des Nutzers wird demnach solange gespeichert, wie das Abonnement des Newsletters aktiv ist. 5. Widerspruchs- und Beseitigungsmöglichkeit Das Abonnement des Newsletters kann durch den betroffenen Nutzer jederzeit unter www.bpb.de/newsletter gekündigt werden. Zu diesem Zweck findet sich in jedem Newsletter ein entsprechender Link. Die E-Mail-Adresse wird nach Kündigung des Newsletters gelöscht. II. Einsatz von Social-Media-Plugins 1. Beschreibung und Umfang der Verarbeitung personenbezogener Daten Auf bpb.de werden sogenannte "Social Plugins" eingesetzt. Diese Plugins ermöglichen das Teilen von Inhalten über die Social Media Dienste Facebook, Twitter, Google+ und WhatsApp. Über diese Plugins werden üblicherweise Daten, auch personenbezogene Daten, an die Diensteanbieter übermittelt. Um eine Übermittlung von Nutzer-Daten ohne Kenntnis und Einwilligung der Nutzer zu verhindern, nutzt bpb.de die Lösung "Shariff" der Fachzeitschrift c’t (Heise Medien GmbH & Co. KG). Shariff ersetzt die üblichen Share-Buttons der Social Networks und schützt damit Ihr Surf-Verhalten. Die üblichen Social-Media-Buttons übertragen die User-Daten bei jedem Seitenaufruf an die genannten Diensteanbieter (User Tracking). Dazu müssen Nutzer weder eingeloggt noch Mitglied des Netzwerks sein. Dagegen stellt ein Shariff-Button den direkten Kontakt zwischen Social Network und Nutzer erst dann her, wenn letzterer aktiv auf den Share-Button klickt. Shariff tritt hier als Zwischeninstanz auf: An Stelle des Browsers des Nutzers fragt der Server des Webseiten-Betreibers die relevanten Informationen (z.B. Anzahl der Likes bei Facebook) bei dem jeweiligen Diensteanbieter ab. Der Nutzer bleibt hierbei anonym. Mehr Informationen zu Shariff erhalten Sie hier: Externer Link: https://heise.de/-2467514 Eine Verarbeitung oder Speicherung personenbezogener Daten durch die bpb findet nicht statt. Bei Nutzung der Buttons findet eine Verarbeitung und Speicherung der Daten durch den jeweiligen Diensteanbieter statt. Welche Daten wie verarbeitet und gespeichert werden, erklären die Diensteanbieter in ihren Datenschutzerklärungen: Facebook Datenschutzrichtlinie: Externer Link: https://www.facebook.com/about/privacy/update?ref=old_policy Twitter Datenschutzrichtlinie: Externer Link: https://twitter.com/de/privacy Google Datenschutzerklärung: Externer Link: https://policies.google.com/privacy/update?hl=de WhatsApp Datenschutzrichtlinie: Externer Link: https://www.whatsapp.com/legal/?eea=1#privacy-policy 2. Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung Rechtsgrundlage für Übermittlung der Daten ist Art. 6 Abs. 1 lit. e) DSGVO i. V. m. § 3 BDSG. 3. Zweck der Datenverarbeitung Die Übermittlung der Daten an Social Media Diensteanbieter ermöglicht Nutzern, Inhalte auf bpb.de über Social Media Dienste weiterzuverbreiten und mit ihren Kontakten zu teilen. Diese Funktion wird von einer Vielzahl von Nutzern verwendet und ist mittlerweile eine Standardfunktionalität auf Websites. Zu diesem Zweck ist die Verarbeitung für die Wahrnehmung unserer Aufgabe, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, notwendig (Art. 6 Abs. 1 lit. e) DSGVO i. V. m. § 3 BDSG). Mit dem Einsatz von Shariff wird dem Interesse der Nutzer hinsichtlich dem Schutz personenbezogener Daten hinreichend Rechnung getragen. 4. Dauer der Speicherung Eine Speicherung der Daten durch die bpb findet nicht statt. Bei Nutzung der Buttons findet eine Verarbeitung und Speicherung der Daten durch den jeweiligen Diensteanbieter statt. Welche Daten erhoben, verarbeitet und gespeichert werden, erklären die Diensteanbieter in ihren Datenschutzerklärungen. 5. Widerspruchs- und Beseitigungsmöglichkeit Da eine Verarbeitung und Speicherung der Daten durch die bpb und eine automatische Übermittlung der Daten an die Diensteanbieter nicht stattfinden, kann der Nutzer der Verarbeitung und Speicherung seiner Daten nur beim jeweiligen Diensteanbieter widersprechen. Welche Widerspruchs- und Beseitigungsmöglichkeiten bestehen, erklären die Diensteanbieter in ihren Datenschutzerklärungen. III. Kommentarfunktion auf bpb.de 1. Beschreibung und Umfang der Verarbeitung personenbezogener Daten Auf bpb.de besteht für Nutzer die Möglichkeit, unter ausgewählten Inhalten (z.B. Blogeinträge) zu kommentieren. Dafür werden über ein Kommentarfeld folgende personenbezogene Daten an uns übermittelt: (1) E-Mail-Adresse (2) Name (Pseudonym möglich) Für die Verarbeitung der Daten wird im Rahmen des Anmeldevorgangs Ihre Einwilligung eingeholt und auf diese Datenschutzerklärung verwiesen. Die Kommentare sowie der angegebene Name werden in unserem Content-Management-System gespeichert und nach Prüfung durch die Redaktion veröffentlicht. Die E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht, der angegebene Name wird am Kommentar veröffentlicht. Die im Zusammenhang mit der Kommentarfunktion erhobenen Daten werden nicht an Dritte weitergegeben und ausschließlich für den Zweck der Kommentierung verwendet. 2. Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der Daten nach Anmeldung zum Newsletters durch den Nutzer ist bei Vorliegen einer Einwilligung des Nutzers Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO. 3. Zweck der Datenverarbeitung Zweck der Verarbeitung der Daten ist die Kommentierung von Inhalten auf bpb.de durch Nutzer. Die Erhebung der E-Mail-Adresse der Nutzer dient dazu, einem Missbrauch der Kommentarfunktion vorzubeugen. Die Erhebung des Namens soll eine Unterscheidbarkeit der Kommentare und Nutzer ermöglichen. 4. Dauer der Speicherung Die Daten werden gelöscht, sobald sie für die Erreichung des Zweckes ihrer Erhebung nicht mehr erforderlich sind. Die E-Mail-Adresse und der angegebene Name der Nutzer werden demnach solange gespeichert, bis der Nutzer einer Veröffentlichung widersprochen oder um Löschung seines Kommentars gebeten hat. 5. Widerrufs- und Beseitigungsmöglichkeit Der Nutzer hat jederzeit die Möglichkeit, seine Einwilligung zur Verarbeitung der personenbezogenen Daten zu widerrufen und seinen Kommentar sowie seine Daten löschen zu lassen. Dafür kann der Nutzer z.B. per E-Mail (dialog@bpb.de) Kontakt zur zuständigen Redaktion aufnehmen. IV. Bestellung von Medien und Druckerzeugnissen (bpb-Shop) 1. Beschreibung und Umfang der Datenverarbeitung Die Bundeszentrale für politische Bildung bietet Medien und Druckerzeugnisse (u.a. Bücher, Zeitschriften, DVDs) an. Nutzer können diese – teilweise kostenpflichtig – online über einen Webshop oder schriftlich über individuelle Schreiben oder Bestellformulare bestellen. Folgende Daten werden über Bestellformulare übermittelt: (1) Anrede (2) Name (Vor- und Nachname) (3) Anschrift (Straße, Hausnummer, PLZ, Ort, Land) (4) E-Mail-Adresse (5) Telefonnummer (optional) Optional bietet die bpb eine Lieferung an DHL-Packstationen/Postfilialen an. Dafür werden folgende zusätzliche Daten übermittelt: (6) Post-Nummer (DHL-Kundennummer) (7) Nummer der DHL-Packstation/Postfiliale Diese Kundendaten werden zur Bearbeitung und Abwicklung der Bestellung benötigt. Zudem können – wenn der Kunde in die Verarbeitung einwilligt – freiwillig weitere Daten angegeben werden: (8) Alter (9) Berufsfeld (10) Gesellschaftliche Aktivität Die Kundendaten sowie die freiwillig angegebenen Daten werden an einen externen Dienstleister (IBRo Versandservice GmbH, Kastanienweg 1, 18184 Roggentin, Externer Link: www.ibro-versandservice.de) zur Verarbeitung weitergeleitet, der für die Bearbeitung der Bestellung, den Versand der bestellten Waren, die Rechnungsstellung und das Inkasso sowie die Beantwortung von Kundenanliegen zuständig ist. 2. Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung Die Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der für den Abschluss des Vertrages erhobenen Kundendaten (1-7) ist Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO. Die Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der freiwillig angegeben Daten (8-10) ist bei Vorliegen einer Einwilligung des Nutzers Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO. 3. Zweck der Datenverarbeitung Die Kundendaten (1-7) werden zum Zwecke der Abwicklung der Bestellung und Erfüllung der vertraglich vereinbarten Leistungen erhoben, übermittelt, verarbeitet und gespeichert. Die darüber hinaus freiwillig angegebenen Daten (8-10) werden zu statistischen sowie zum Zweck der Optimierung des Angebots der bpb erhoben, übermittelt, verarbeitet und gespeichert. 4. Dauer der Speicherung Die für die Abwicklung der Bestellung notwendigen Kundendaten (1-7) werden bei komplett kostenfreien Bestellungen (ohne Bereitstellungspauschale und Versandkosten) nach 90 Tagen gelöscht. Die freiwilligen Angaben (8-10) werden danach anonymisiert gespeichert. Bei kostenpflichtigen Bestellungen werden alle Daten beim Versanddienstleister (IBRo Versandservice GmbH) aufgrund handels- und steuerrechtlicher Aufbewahrungsfristen bis zu zehn Jahre gespeichert. 5. Widerspruchs- und Beseitigungsmöglichkeit Der Kunde hat das Recht, binnen vierzehn Tagen den Vertrag zu widerrufen. Nach rechtswirksamen Widerruf des Vertrags werden die zur Vertragsabwicklung verarbeiteten Daten (1-7) gelöscht. Mehr zum Widerrufsrecht steht in unseren AGB: Interner Link: www.bpb.de/shop/186122/#widerruf Der Nutzer hat jederzeit die Möglichkeit, seine Einwilligung zur Verarbeitung der freiwillig angegebenen personenbezogenen Daten (8-10) zu widerrufen und diese Daten löschen zu lassen. Dafür kann der Nutzer z.B. per E-Mail (bestellungen@shop.bpb.de) Kontakt zum Versanddienstleister aufnehmen. V. Abschluss eines bpb:magazin-Abonnements 1. Beschreibung und Umfang der Datenverarbeitung Die Bundeszentrale für politische Bildung bietet ein kostenloses Abonnement der Zeitschrift bpb:magazin an. Nutzer können dieses online auf bpb.de oder schriftlich über individuelle Schreiben oder Bestellformulare bestellen. Online ist es ebenso möglich, Angaben zu einem bestehenden Abonnement zu ändern oder es zu kündigen. Folgende Daten werden über das Bestellformular übermittelt: (1) Anrede (2) Name (Vor- und Nachname) (3) Anschrift (Straße, Hausnummer, PLZ, Ort, Land) (4) E-Mail-Adresse Diese Kundendaten werden zur Bearbeitung und Abwicklung der Bestellung benötigt. Zudem können – wenn der Kunde in die Verarbeitung einwilligt – freiwillig weitere Daten angegeben werden: (5) Telefonnummer (optional) (6) Faxnummer (optional) (7) Adresszusätze (optional) Die Kundendaten sowie die freiwillig angegebenen Daten werden an zwei externe Dienstleister (IBRo Versandservice GmbH, Roggentin und Druckerei Ernst Kaufmann GmbH und Co KG, Laar) zur Verarbeitung weitergeleitet. Die Dienstleister sind für die Bearbeitung der Bestellung, den Versand der bestellten Ware und, in Zusammenarbeit mit dem Bürgerservice der bpb, für die Beantwortung von Kundenanliegen zuständig. Der Dienstleiser Druckerei Ernst Kaufmann GmbH und Co KG arbeitet zur Erfüllung dieses Auftrags mit der Deutschen Post AG, welcher die adressierten Einzelhefte gebündelt und palettiert zur Verteilung übergeben werden. Die Adressen zur Erstellung der Versandetiketten werden mit der Software Dialogpostmanager verarbeitet, mit dem Etiketten gedruckt, werde, die danach auf die Zeitschrift geklebt werden. Die Adressdaten werden 90 Tage nach dem Versand mit dem Datenschutzmodul, das im Dialogpostmanager integriert ist, maskiert, d.h. unkenntlich gemacht 2. Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung Die Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der für den Abschluss des Vertrages erhobenen Kundendaten (1-4) ist Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO. Die Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der freiwillig angegeben Daten (5-7) ist bei Vorliegen einer Einwilligung des Nutzers Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO. 3. Zweck der Datenverarbeitung Die Kundendaten werden zum Zwecke der Abwicklung der Bestellung und Erfüllung der vertraglich vereinbarten Leistungen erhoben, übermittelt, verarbeitet und gespeichert. Die Angabe weiterer Kundendaten ist ebenso freiwillig und dient der schnelleren Identifikation und genaueren Ansprache des Kunden oder der Erschließung alternativer Kontaktierungsmöglichkeiten und werden, falls erwünscht, zu diesen Zwecken erhoben, übermittelt, verarbeitet und gespeichert. 4. Dauer der Speicherung Die für die Abwicklung der Bestellung notwendigen Kundendaten sowie optionale Kundendaten werden bei Kündigung des Abonnements oder im Falle einer unzustellbaren Lieferung / Retoure gelöscht. 5. Widerspruchs- und Beseitigungsmöglichkeit Der Kunde hat jederzeit das Recht, den Vertrag zu widerrufen. Nach rechtswirksamen Widerruf des Vertrags werden die zur Vertragsabwicklung verarbeiteten Daten gelöscht. Der Nutzer hat jederzeit die Möglichkeit, seine Einwilligung zur Verarbeitung der freiwillig angegebenen personenbezogenen Daten zu widerrufen und diese Daten löschen zu lassen. Dafür kann der Nutzer z.B. per E-Mail (E-Mail Link: info@bpb.de) Kontakt zur bpb aufnehmen. VI. Anmeldungen zu Terminen und Veranstaltungen 1. Beschreibung und Umfang der Datenverarbeitung Die bpb bietet verschiedene Veranstaltungsformate an, für die sich Interessierte anmelden können. Anmeldungen sind in der Regel durch ein Anmeldeformular auf der Website oder durch eine Kontaktaufnahme z.B. per E-Mail möglich. Dabei werden je nach Veranstaltung und Kontaktweg unterschiedliche personenbezogene Daten erhoben und übermittelt, z.B.: (1) Anrede (2) Name (Vor- und Nachname) (3) Anschrift (Straße, Hausnummer, PLZ, Ort, Land) (4) Kontaktdaten (E-Mail, Telefonnummer) Diese Daten sind im Rahmen der Veranstaltungsorganisation für eine reibungslose Anmeldung und Teilnehmendenverwaltung notwendig. Darüber hinaus können – je nach Veranstaltung – veranstaltungsspezifische Daten erhoben und übermittelt werden, um Interessen und Bedürfnisse der Teilnehmenden berücksichtigen zu können, z.B.: (5) Berufliche Daten (Berufsfeld, Institution/Organisation, Funktion, berufliche Kontaktdaten) (6) Alter/Geburtsjahr (7) Verpflegungswünsche/Unverträglichkeiten (z.B. für Catering) (8) Bedürfnisse Barrierefreiheit (z.B. barrierefreie Zugänge) (9) Sprachkenntnisse (z.B. für Dolmetscher) Der Nutzer muss in die Verarbeitung seiner Daten einwilligen. Alle angegebenen Daten werden – je nach Veranstaltung – an die Veranstaltungsorganisatoren innerhalb der bpb oder an externe Veranstaltungsdienstleister übermittelt und dort jeweils verarbeitet und gespeichert. Zudem können Daten an Dritte weitergeben werden, wenn das z.B. zur Buchung von Unterkünften oder Reisemitteln notwendig ist. 2. Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung Die Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der personenbezogenen Daten ist bei Vorliegen einer Einwilligung des Nutzers Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO. 3. Zweck der Datenverarbeitung Die Daten werden zum Zwecke der Anmeldung zu einer Veranstaltung sowie zur Planung, Durchführung und Nachbereitung einer Veranstaltung übermittelt, verarbeitet und gespeichert. 4. Dauer der Speicherung Die Daten werden gelöscht, sobald sie für die Erreichung des Zweckes ihrer Erhebung nicht mehr erforderlich sind. Demnach werden die erhobenen Daten gelöscht, wenn alle mit den Teilnehmenden zusammenhängenden Verarbeitungstätigkeiten, wie z.B. Abwicklung von Zahlungen und Kostenerstattungen, abgeschlossen sind. Darüber hinaus können Daten gemäß den für die Aufbewahrung von Schriftgut geltenden Fristen der Registraturrichtlinie, die die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) ergänzt, gespeichert werden. 5. Widerrufs- und Beseitigungsmöglichkeit Der Nutzer hat jederzeit die Möglichkeit, seine Einwilligung zur Verarbeitung der personenbezogenen Daten zu widerrufen und seine Daten löschen zu lassen. Dafür kann der Nutzer z.B. per E-Mail (info@bpb.de) Kontakt zur bpb aufnehmen. Verlangt der Nutzer die Löschung seiner Daten im Vorfeld eines Veranstaltungstermins, kann eine Anmeldung oder Teilnahme an der Veranstaltung nicht mehr gewährleistet werden. VII. Anmeldung zu digitalen Veranstaltungen und Online-Konferenzen der bpb 1. Beschreibung und Umfang der Datenverarbeitung Die bpb bietet digitale Veranstaltungen an, für die sich Interessierte anmelden können. Ihre Anmeldung zu diesen Veranstaltungen ist nur sinnvoll, wenn Sie für die Teilnahme mit der Nutzung des jeweiligen Dienstes sowie der Nutzung eines Internetbrowsers oder der gegebenenfalls nötigen Software auf Ihrem privaten Endgerät einverstanden sind. Für die Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten sind allein die externen Dienste und die Betreibenden Ihres genutzten Browsers verantwortlich. Anmeldungen sind in der Regel durch ein Anmeldeformular auf der Website oder durch Kontaktaufnahme z.B. per E-Mail möglich. Hinsichtlich der im Rahmen der Anmeldung gespeicherten personenbezogenen Daten verweisen wir auf Punkt VI dieser Datenschutzerklärung. Zur Durchführung der digitalen Veranstaltungen greift die bpb auf die externen technischen Dienste und die Angebote der folgenden Anbieter zurück: Edudip GmbH, Jülicher Straße 306, 52070 Aachen, Deutschland Microsoft Corporation, One Microsoft Way, Remond, WA 98052-6399, USA Remo Holdings Limited, Fortune Terrace 4-16 Tak Shing St., Jordan, Kowloon, Honkong ZOOM Video communications Inc. San José, Kalifornien, USA EventInsight B.V., 9718JC Groningen (Niederlande), Kraneweg 13-3 Je nach Art der digitalen Veranstaltung kann es für den Teilnehmer erforderlich werden bei dem Anbieter einen Account einzurichten. Insoweit würden die zur Einrichtung des Accounts bei dem Anbieter erforderlichen personenbezogenen Daten durch diesen verarbeitet. Wird kein Account eingerichtet werden personenbezogene Daten durch den Anbieter erst nach der aktiven Zuschalte zur digitalen Veranstaltung, die der Teilnehmer selbst vornimmt, verarbeitet. Wir weisen darauf hin, dass die Teilnehmer der digitalen Veranstaltungen die Onlinedienste in eigener Verantwortung nutzen. Wir machen auch darauf aufmerksam, dass die Anbieter die Daten ihrer Nutzenden entsprechend ihrer Datenschutzrichtlinien abspeichern. Die bpb hat keinen Einfluss auf Art und Umfang der durch die Anbieter verarbeiteten Daten, die Art der Verarbeitung und Nutzung oder die Weitergabe dieser Daten an Dritte. Selbst bei Vorliegen einer Auftragsverarbeitung im Sinne des Art. 28 DSGVO hat die bpb keine abschließende Kontrollmöglichkeit. Für die detaillierte Darstellung der jeweiligen Verarbeitungsformen verweisen wir auf die Datenschutzerklärungen und Angaben der Anbieter: Externer Link: https://www.edudip.com/de/datenschutz Externer Link: https://privacy.microsoft.com/de-DE/privacystatement Externer Link: https://remo.co/privacy-policy/ Externer Link: https://zoom.us/de-de/privacy.html https://www.eventinsight.de/datenschutzerklärung 2. Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung Die Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der Daten nach Anmeldung zur Veranstaltung ist Art. 6 Abs. 1 litt. a) DSGVO. Für die Nutzung der externen Dienste gilt jeweils die dort genannte Rechtsgrundlage für die abzugebende Einwilligung gemäß Art. 6 Abs. 1 litt. a) DSGVO. 3. Zweck der Verarbeitung Die Daten werden zum Zwecke der Anmeldung zu einer Veranstaltung sowie zur Planung, Durchführung und Nachbereitung einer Veranstaltung übermittelt, verarbeitet und gespeichert. Die Einbindung externer Dienste dient dem Zwecke der Durchführung digitaler Veranstaltungen und ist ohne diese nicht durchführbar. 4. Dauer der Speicherung Eine Speicherung der Daten durch die bpb findet nicht statt. Bei Anmeldung bei den jeweiligen Dienste-Anbietern findet eine Verarbeitung und Speicherung der Daten durch den jeweiligen Diensteanbieter statt. Welche Daten übermittelt und wie lange gespeichert werden hängt vom jeweiligen Anbieter ab. Über den Zweck und Umfang der Datenerhebung, die weitere Verarbeitung, Nutzung und Speicherung der Daten müssen Sie sich daher beim jeweiligen Anbieter informieren. Die jeweiligen Datenschutzrichtlinien haben wir oben für Sie verlinkt. 5. Widerspruchs- und Beseitigungsmöglichkeit Da eine Verarbeitung und Speicherung der Daten durch die bpb und eine automatische Übermittlung der Daten an die Diensteanbieter nicht stattfinden, kann der Nutzer der Verarbeitung und Speicherung seiner Daten nur beim jeweiligen Diensteanbieter widersprechen. Welche Widerspruchs- und Beseitigungsmöglichkeiten bestehen, erklären die Diensteanbieter in ihren Datenschutzerklärungen. Die jeweiligen Datenschutzrichtlinien haben wir oben für Sie verlinkt. VIII. Einbindung externer Inhalte bzw. Dienste auf bpb.de 1. Beschreibung und Umfang der Datenverarbeitung Die Bundeszentrale für politische Bildung bindet auf bpb.de einige Inhalte über externe Dienste ein. Dabei kann eine Datenübermittlung von bpb.de zu den externen Diensten stattfinden und es können Cookies durch diese gesetzt werden. Die bpb nutzt diese Dienste, um Nutzern von bpb.de multimediale Inhalte zur Verfügung zu stellen. Um Nutzern die Kontrolle über die Datenübermittlung zu bewahren, schaltet bpb.de vor jeden eingebundenen externen Inhalt ein Aktivierungsfenster. Solange Nutzer nicht aktiv einwilligen, sich den externen Inhalt anzeigen zu lassen, findet keine Datenübermittlung statt und der Inhalt wird nicht ausgespielt. Erlauben Nutzer eine Einbindung von Inhalten des jeweiligen externen Dienstes, wird ein Cookie gesetzt, der sich diese Erlaubnis merkt (siehe „Verwendung von Cookies“). Der Inhalt wird dann ausgespielt und es können Daten übermittelt werden. Der Cookie wird nach der Session automatisch gelöscht. Die in diesem Fall übermittelten Daten enthalten in der Regel die Information, dass auf den auf bpb.de eingebundenen Inhalt zugegriffen wird. Das kann auch personenbezogene Daten (z.B. die IP-Adresse) umfassen. Welche Daten jeweils übertragen werden, ist nicht immer nachvollziehbar. Sie sollten sich daher über Datenerhebung, -speicherung und Nutzung bei den jeweiligen Anbietern informieren. Dienste u.a. folgender Anbieter werden derzeit auf bpb.de eingebunden: Google (z.B. YouTube-Player, Google Maps, Google Spreadsheets): Google-Dienste werden betrieben von Google Inc., 1600 Amphitheatre Parkway, Mountain View, CA 94043, United States (“Google"). Über Zweck und Umfang der Datenerhebung und die weitere Verarbeitung und Nutzung der Daten durch Google sowie Ihre diesbezüglichen Rechte und Einstellungsmöglichkeiten in den Datenschutzhinweisen von Google informieren: Externer Link: https://policies.google.com/privacy?hl=de Twitter (Twitter-Widgets/Feed): Twitter wird betrieben von Twitter Inc., 795 Folsom St., Suite 600, San Francisco, CA 94107, USA (“Twitter"). Informationen wie Twitter die erhobene Daten nutzt oder weiterverwendet erhalten Sie unter: Externer Link: https://twitter.com/de/privacy Facebook (Video-Player): Facebook wird betrieben von Facebook Inc., 1601 S. California Ave, Palo Alto, CA 94304, USA ("Facebook"). Über den Zweck und Umfang der Datenerhebung und die weitere Verarbeitung und Nutzung der Daten durch Facebook sowie Ihre diesbezüglichen Rechte und Einstellungsmöglichkeiten in den Datenschutzhinweisen von Facebook können Sie sich hier informieren: Externer Link: https://www.facebook.com/about/privacy/update Soundcloud (Audio-Player): Soundcloud wird betrieben von SoundCloud Limited, Rheinsberger Str. 76/77 10115 Berlin, Deutschland. Über den Zweck und Umfang der Datenerhebung und die weitere Verarbeitung und Nutzung der Daten können Sie sich hier informieren: Externer Link: https://soundcloud.com/pages/privacy/05-2018 Vimeo (Video-Player): Vimeo wird betrieben von Vimeo, Inc., 555 West 18th Street, New York, New York 10011, USA. Über den Zweck und Umfang der Datenerhebung und die weitere Verarbeitung und Nutzung der Daten können Sie sich hier informieren: Externer Link: https://vimeo.com/privacy 2. Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung Die Rechtsgrundlage für die Übermittlung der Daten ist Art. 6 Abs. 1 lit. e) DSGVO i. V. m. § 3 BDSG. 3. Zweck der Verarbeitung Die Einbindung externe Dienste auf bpb.de dient dem Zweck der Bereitstellung von Inhalten, Funktionen und Informationen, die Nutzern ohne diese Dienste nicht zur Verfügung gestellt werden könnten. 4. Dauer der Speicherung, Widerspruchs- und Beseitigungsmöglichkeit Welche Daten übermittelt und wie lange gespeichert werden hängt vom jeweiligen Dienst ab. Über den Zweck und Umfang der Datenerhebung, die weitere Verarbeitung und Nutzung und Speicherung der Daten sowie Ihre Widerspruchs- und Beseitigungsrechte müssen Sie sich daher beim jeweiligen Diensteanbieter informieren. Die jeweiligen Datenschutzrichtlinien haben wir oben für Sie verlinkt. IX. Timer-Gewinnspiel 1. Beschreibung und Umfang der Datenverarbeitung Die Bundeszentrale für politische Bildung bietet die Teilnahme an einem Gewinnspiel an, bei dem ein Exemplar des bpb-Schülerkalenders, "Timer", zu gewinnen ist. Nutzerinnen und Nutzer können das Lösungswort über ein Online-Formular einsenden. Um die Teilnahme am Gewinnspiel zu ermöglichen, werden folgende personenbezogenen Daten über das Formular übermittelt: (1) Name (Vor- und Nachname) (2) Anschrift (Straße, Hausnummer, PLZ, Ort, Land) (3) E-Mail-Adresse (4) Telefonnummer (optional) Die Kundendaten (1-3) werden benötigt, um die Lösungsworte den Gewinnspiel-Teilnehmenden zuzuordnen, die Gewinner und Gewinnerinnen über ihren Gewinn zu benachrichtigen und die postalische Zusendung der Exemplare an sie zu ermöglichen. Zudem kann freiwillig die Telefonnummer (4) angegeben werden. Die Kundendaten sowie die freiwillig angegebenen Daten werden an drei externe Dienstleister (IBRo Versandservice GmbH, Kastanienweg 1, 18184 Roggentin, Externer Link: www.ibro-versandservice.de, Krüger Druck+Verlag GmbH & Co. KG, Handwerkstraße 8-10, 66663 Merzig, Externer Link: www.kdv.de, und GLAMUS Gesellschaft fuer moderne Kommunikation mbH, Gartenstraße 24, 53229 Bonn, www.glamus.de) zur Verarbeitung weitergeleitet, die für die Aufnahme der Daten über das Formular, die Ermittlung der Gewinner und Gewinnerinnen sowie den Versand des Gewinns zuständig sind. Der Dienstleister arbeitet zur Erfüllung dieses Auftrags mit der Deutschen Post AG, welche die adressierten Timer in Versandtaschen zur Verteilung übergibt. Die Adressen zur Erstellung der Versandetiketten werden mit der Software Dialogpostmanager verarbeitet und auf die Etiketten gedruckt, die danach auf die Versandtaschen geklebt werden. Die Adressdaten werden 90 Tage nach dem Versand mit dem Datenschutzmodul, das im Dialogpostmanager integriert ist, maskiert, d.h., unkenntlich gemacht. 2. Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung Die Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der für den Abschluss des Vertrages (die Teilnahme an dem Gewinnspiel gilt als Vertrag zur Zusendung des Gewinns bei Vorliegen der Gewinnvoraussetzung) erhobenen Kundendaten (1-3) ist Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO. Die Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der freiwillig angegeben Daten (4) ist bei Vorliegen einer Einwilligung des Nutzers bzw. der Nutzerin Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO. 3. Zweck der Datenverarbeitung Die Kundendaten (1-4) werden zum Zwecke der Abwicklung des Gewinnspiels inkl. ggf. des Gewinnversandes als vertraglich vereinbarte Leistung erhoben, übermittelt, verarbeitet und gespeichert. 4. Dauer der Speicherung Sobald der Geschäftszweck der Durchführung des Gewinnspiels erfüllt ist, werden die für die Abwicklung der Bestellung notwendigen Kundendaten (1-3) sowie die freiwillig angegebenen Daten (4) spätestens 90 Tage nach Beendigung des Gewinnspiels, d.h. nach Gewinnversand, gelöscht. 5. Widerspruchs- und Beseitigungsmöglichkeit Der Nutzer bzw. die Nutzerin hat jederzeit die Möglichkeit, seine bzw. ihre Einwilligung zur Verarbeitung der personenbezogenen Daten (1-4) zu widerrufen und seine Daten löschen zu lassen. Dafür kann er oder sie z.B. per E-Mail (Externer Link: info@bpb.de) Kontakt zur bpb aufnehmen. Verlangt der Nutzer oder die Nutzerin die Löschung seiner oder ihrer Daten im Vorfeld des Gewinnversands, ist die weitere Teilnahme am Gewinnspiel dann jedoch nicht mehr möglich. Nach rechtswirksamen Widerruf des Vertrags werden die zur Vertragsabwicklung verarbeiteten Daten (1-4) gelöscht F. Rechte der betroffenen Person Werden personenbezogene Daten von Ihnen verarbeitet, sind Sie Betroffener i.S.d. DSGVO und es stehen Ihnen folgende Rechte gegenüber dem Verantwortlichen zu: I. Auskunftsrecht (Art. 15 DSGVO) Sie können von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber verlangen, ob personenbezogene Daten, die Sie betreffen, von uns verarbeitet werden. Liegt eine solche Verarbeitung vor, können Sie von dem Verantwortlichen über folgende Informationen Auskunft verlangen: (1) die Zwecke, zu denen die personenbezogenen Daten verarbeitet werden; (2) die Kategorien von personenbezogenen Daten, welche verarbeitet werden; (3) die Empfänger bzw. die Kategorien von Empfängern, gegenüber denen die Sie betreffenden personenbezogenen Daten offengelegt wurden oder noch offengelegt werden; (4) die geplante Dauer der Speicherung der Sie betreffenden personenbezogenen Daten oder, falls konkrete Angaben hierzu nicht möglich sind, Kriterien für die Festlegung der Speicherdauer; (5) das Bestehen eines Rechts auf Berichtigung oder Löschung der Sie betreffenden personenbezogenen Daten, eines Rechts auf Einschränkung der Verarbeitung durch den Verantwortlichen oder eines Widerspruchsrechts gegen diese Verarbeitung; (6) das Bestehen eines Beschwerderechts bei einer Aufsichtsbehörde; (7) alle verfügbaren Informationen über die Herkunft der Daten, wenn die personenbezogenen Daten nicht bei der betroffenen Person erhoben werden. Ihnen steht das Recht zu, Auskunft darüber zu verlangen, ob die Sie betreffenden personenbezogenen Daten in ein Drittland oder an eine internationale Organisation übermittelt werden. In diesem Zusammenhang können Sie verlangen, über die geeigneten Garantien gem. Art. 46 DSGVO im Zusammenhang mit der Übermittlung unterrichtet zu werden. Es gelten die in § 34 BDSG geregelten Ausnahmen von diesem Recht. II. Recht auf Berichtigung (Art. 16 DSGVO) Sie haben ein Recht auf Berichtigung und/oder Vervollständigung gegenüber dem Verantwortlichen, sofern die verarbeiteten personenbezogenen Daten, die Sie betreffen, unrichtig oder unvollständig sind. Der Verantwortliche hat die Berichtigung unverzüglich vorzunehmen. III. Recht auf Einschränkung der Verarbeitung (Art. 18 DSGVO) Unter den folgenden Voraussetzungen können Sie die Einschränkung der Verarbeitung der Sie betreffenden personenbezogenen Daten verlangen: (1) wenn Sie die Richtigkeit der Sie betreffenden personenbezogenen für eine Dauer bestreiten, die es dem Verantwortlichen ermöglicht, die Richtigkeit der personenbezogenen Daten zu überprüfen; (2) die Verarbeitung unrechtmäßig ist und Sie die Löschung der personenbezogenen Daten ablehnen und stattdessen die Einschränkung der Nutzung der personenbezogenen Daten verlangen; (3) der Verantwortliche die personenbezogenen Daten für die Zwecke der Verarbeitung nicht länger benötigt, Sie diese jedoch zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen benötigen, oder (4) wenn Sie Widerspruch gegen die Verarbeitung gemäß Art. 21 Abs. 1 DSGVO eingelegt haben und noch nicht feststeht, ob die berechtigten Gründe des Verantwortlichen gegenüber Ihren Gründen überwiegen. Wurde die Verarbeitung der Sie betreffenden personenbezogenen Daten eingeschränkt, dürfen diese Daten – von ihrer Speicherung abgesehen – nur mit Ihrer Einwilligung oder zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen oder zum Schutz der Rechte einer anderen natürlichen oder juristischen Person oder aus Gründen eines wichtigen öffentlichen Interesses der Union oder eines Mitgliedstaats verarbeitet werden. Wurde die Einschränkung der Verarbeitung nach den o.g. Voraussetzungen eingeschränkt, werden Sie von dem Verantwortlichen unterrichtet bevor die Einschränkung aufgehoben wird. IV. Recht auf Löschung (Art. 17 DSGVO) a) Löschungspflicht Sie können von dem Verantwortlichen verlangen, dass die Sie betreffenden personenbezogenen Daten unverzüglich gelöscht werden, und der Verantwortliche ist verpflichtet, diese Daten unverzüglich zu löschen, sofern einer der folgenden Gründe zutrifft: (1) Die Sie betreffenden personenbezogenen Daten sind für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig. (2) Sie widerrufen Ihre Einwilligung, auf die sich die Verarbeitung gem. Art. 6 Abs. 1 lit. a oder Art. 9 Abs. 2 lit. a DSGVO stützte, und es fehlt an einer anderweitigen Rechtsgrundlage für die Verarbeitung. (3) Sie legen gem. Art. 21 Abs. 1 DSGVO Widerspruch gegen die Verarbeitung ein und es liegen keine vorrangigen berechtigten Gründe für die Verarbeitung vor, oder Sie legen gem. Art. 21 Abs. 2 DSGVO Widerspruch gegen die Verarbeitung ein. (4) Die Sie betreffenden personenbezogenen Daten wurden unrechtmäßig verarbeitet. (5) Die Löschung der Sie betreffenden personenbezogenen Daten ist zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung nach dem Unionsrecht oder dem Recht der Mitgliedstaaten erforderlich, dem der Verantwortliche unterliegt. (6) Die Sie betreffenden personenbezogenen Daten wurden in Bezug auf angebotene Dienste der Informationsgesellschaft gemäß Art. 8 Abs. 1 DSGVO erhoben. Es gelten die in § 35 BDSG geregelten Ausnahmen von diesem Recht. b) Information an Dritte Hat der Verantwortliche die Sie betreffenden personenbezogenen Daten öffentlich gemacht und ist er gem. Art. 17 Abs. 1 DSGVO zu deren Löschung verpflichtet, so trifft er unter Berücksichtigung der verfügbaren Technologie und der Implementierungskosten angemessene Maßnahmen, auch technischer Art, um für die Datenverarbeitung Verantwortliche, die die personenbezogenen Daten verarbeiten, darüber zu informieren, dass Sie als betroffene Person von ihnen die Löschung aller Links zu diesen personenbezogenen Daten oder von Kopien oder Replikationen dieser personenbezogenen Daten verlangt haben. c) Ausnahmen Das Recht auf Löschung besteht nicht, soweit die Verarbeitung erforderlich ist (1) zur Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information; (2) zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung, die die Verarbeitung nach dem Recht der Union oder der Mitgliedstaaten, dem der Verantwortliche unterliegt, erfordert, oder zur Wahrnehmung einer Aufgabe, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde; (3) aus Gründen des öffentlichen Interesses im Bereich der öffentlichen Gesundheit gemäß Art. 9 Abs. 2 lit. h und i sowie Art. 9 Abs. 3 DSGVO; (4) für im öffentlichen Interesse liegende Archivzwecke, wissenschaftliche oder historische Forschungszwecke oder für statistische Zwecke gem. Art. 89 Abs. 1 DSGVO, soweit das unter Abschnitt a) genannte Recht voraussichtlich die Verwirklichung der Ziele dieser Verarbeitung unmöglich macht oder ernsthaft beeinträchtigt, oder (5) zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen. V. Recht auf Unterrichtung (Art. 19 DSGVO) Haben Sie das Recht auf Berichtigung, Löschung oder Einschränkung der Verarbeitung gegenüber dem Verantwortlichen geltend gemacht, ist dieser verpflichtet, allen Empfängern, denen die Sie betreffenden personenbezogenen Daten offengelegt wurden, diese Berichtigung oder Löschung der Daten oder Einschränkung der Verarbeitung mitzuteilen, es sei denn, dies erweist sich als unmöglich oder ist mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden. Ihnen steht gegenüber dem Verantwortlichen das Recht zu, über diese Empfänger unterrichtet zu werden. VI. Recht auf Datenübertragbarkeit (Art. 20 DSGVO) Sie haben das Recht, die Sie betreffenden personenbezogenen Daten, die Sie dem Verantwortlichen bereitgestellt haben, in einem strukturierten, gängigen und maschinenlesbaren Format zu erhalten. Außerdem haben Sie das Recht diese Daten einem anderen Verantwortlichen ohne Behinderung durch den Verantwortlichen, dem die personenbezogenen Daten bereitgestellt wurden, zu übermitteln, sofern (1) die Verarbeitung auf einer Einwilligung gem. Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO oder Art. 9 Abs. 2 lit. a DSGVO oder auf einem Vertrag gem. Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO beruht und (2) die Verarbeitung mithilfe automatisierter Verfahren erfolgt. In Ausübung dieses Rechts haben Sie ferner das Recht, zu erwirken, dass die Sie betreffenden personenbezogenen Daten direkt von einem Verantwortlichen einem anderen Verantwortlichen übermittelt werden, soweit dies technisch machbar ist. Freiheiten und Rechte anderer Personen dürfen hierdurch nicht beeinträchtigt werden. Das Recht auf Datenübertragbarkeit gilt nicht für eine Verarbeitung personenbezogener Daten, die für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich ist, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde. VII. Widerspruchsrecht (Art. 21 DSGVO) Sie haben das Recht, aus Gründen, die sich aus ihrer besonderen Situation ergeben, jederzeit gegen die Verarbeitung der Sie betreffenden personenbezogenen Daten, die aufgrund von Art. 6 Abs. 1 lit. e oder f DSGVO erfolgt, Widerspruch einzulegen. Der Verantwortliche verarbeitet die Sie betreffenden personenbezogenen Daten nicht mehr, es sei denn, er kann zwingende schutzwürdige Gründe für die Verarbeitung nachweisen, die Ihre Interessen, Rechte und Freiheiten überwiegen, oder die Verarbeitung dient der Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen. Werden die Sie betreffenden personenbezogenen Daten verarbeitet, um Direktwerbung zu betreiben, haben Sie das Recht, jederzeit Widerspruch gegen die Verarbeitung der Sie betreffenden personenbezogenen Daten zum Zwecke derartiger Werbung einzulegen. Widersprechen Sie der Verarbeitung für Zwecke der Direktwerbung, so werden die Sie betreffenden personenbezogenen Daten nicht mehr für diese Zwecke verarbeitet. Sie haben die Möglichkeit, im Zusammenhang mit der Nutzung von Diensten der Informationsgesellschaft – ungeachtet der Richtlinie 2002/58/EG – Ihr Widerspruchsrecht mittels automatisierter Verfahren auszuüben, bei denen technische Spezifikationen verwendet werden. Es gelten die in § 36 BDSG geregelten Ausnahmen von diesem Recht. VIII. Recht auf Widerruf der datenschutzrechtlichen Einwilligungserklärung (Art. 7 DSGVO) Sie haben das Recht, Ihre datenschutzrechtliche Einwilligungserklärung jederzeit zu widerrufen. Durch den Widerruf der Einwilligung wird die Rechtmäßigkeit der aufgrund der Einwilligung bis zum Widerruf erfolgten Verarbeitung nicht berührt. IX. Recht auf Beschwerde bei einer Aufsichtsbehörde (Art. 77 DSGVO) Unbeschadet eines anderweitigen verwaltungsrechtlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelfs steht Ihnen das Recht auf Beschwerde bei einer Aufsichtsbehörde, insbesondere in dem Mitgliedstaat ihres Aufenthaltsorts, ihres Arbeitsplatzes oder des Orts des mutmaßlichen Verstoßes, zu, wenn Sie der Ansicht sind, dass die Verarbeitung der Sie betreffenden personenbezogenen Daten gegen die DSGVO verstößt. Die Aufsichtsbehörde, bei der die Beschwerde eingereicht wurde, unterrichtet den Beschwerdeführer über den Stand und die Ergebnisse der Beschwerde einschließlich der Möglichkeit eines gerichtlichen Rechtsbehelfs nach Art. 78 DSGVO. Aufsichtsbehörde der Bundeszentrale für politische Bildung ist: Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Graurheindorfer Str. 153 53117 Bonn Die Interner Link: Datenschutzerklärung auf einer Seite lesen. Widerspruch / Opt-Out für Web-Tracking Dem Setzen von Cookies zu Statistik-und Analysezwecken können Sie hier widersprechen. In beiden Fällen wird ein Opt-Out-Cookie auf Ihrem System gesetzt, der unserem System signalisiert Ihre Nutzungsdaten nicht zu speichern oder zu übertragen. Löschen Sie den entsprechenden Cookie zwischenzeitlich vom eigenen System, so muss der jeweilige Opt-Out-Cookie erneut gesetzt werden. SZMnG-Messverfahren Möchten Sie nicht, dass anonymisierte Daten im Rahmen des SZMnG an die Firma INFOnline übertragen werden, können Sie der Datenverarbeitung unter folgendem Link widersprechen: Externer Link: https://optout.ioam.de. Webanalyse mit Matomo/Piwik Möchten Sie nicht, dass anonymisierte Daten zum Nutzungsverhalten auf bpb.de auf unserem Matomo-Server gespeichert werden, können Sie der Datenverarbeitung hier widersprechen: Wir erheben und verwenden personenbezogene Daten unserer Nutzer grundsätzlich nur, soweit dies zur Bereitstellung einer funktionsfähigen Website sowie unserer Inhalte und Leistungen erforderlich ist. Die Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten unserer Nutzer erfolgt regelmäßig nur nach Einwilligung des Nutzers. Eine Ausnahme gilt in solchen Fällen, in denen eine vorherige Einholung einer Einwilligung aus tatsächlichen Gründen nicht möglich ist und die Verarbeitung der Daten durch gesetzliche Vorschriften gestattet ist. Soweit wir für Verarbeitungsvorgänge personenbezogener Daten eine Einwilligung der betroffenen Person einholen, dient Art. 6 Abs. 1 lit. a EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) als Rechtsgrundlage. Bei der Verarbeitung von personenbezogenen Daten, die zur Erfüllung eines Vertrages, dessen Vertragspartei die betroffene Person ist (z.B. eine Bestellung im bpb-Shop), erforderlich ist, dient Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO als Rechtsgrundlage. Dies gilt auch für Verarbeitungsvorgänge, die zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen erforderlich sind. Soweit eine Verarbeitung personenbezogener Daten zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist, der unsere Behörde unterliegt, dient Art. 6 Abs. 1 lit. c DSGVO als Rechtsgrundlage. Ist die Verarbeitung für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, so dient Art. 6 Abs. 1 lit. e) DSGVO i. V. m. § 3 BDSG als Rechtsgrundlage für die Verarbeitung. Die personenbezogenen Daten der betroffenen Person werden gelöscht oder gesperrt, sobald der Zweck der Speicherung entfällt. Eine Speicherung kann darüber hinaus erfolgen, wenn dies durch den europäischen oder nationalen Gesetzgeber in unionsrechtlichen Verordnungen, Gesetzen oder sonstigen Vorschriften, denen der Verantwortliche unterliegt, vorgesehen wurde, zum Beispiel gemäß den für die Aufbewahrung von Schriftgut geltenden Fristen der Registraturrichtlinie, die die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) ergänzt. Eine Sperrung oder Löschung der Daten erfolgt auch dann, wenn eine durch die genannten Normen vorgeschriebene Speicherfrist abläuft, es sei denn, dass eine Erforderlichkeit zur weiteren Speicherung der Daten für einen Vertragsabschluss oder eine Vertragserfüllung besteht. 1. Beschreibung und Umfang der Datenverarbeitung Bei jedem Aufruf unserer Internetseite erfasst unser System automatisiert Daten und Informationen vom Computersystem des aufrufenden Rechners. Folgende Daten werden hierbei erhoben: (1) Informationen über den Browsertyp und die verwendete Version (2) Das Betriebssystem des Nutzers (3) Die IP-Adresse des Nutzers (4) Datum und Uhrzeit des Zugriffs (5) Websites, von denen das System des Nutzers auf unsere Internetseite gelangt (6) Die besuchte URL Die Daten werden ebenfalls in den Logfiles unseres Systems gespeichert. Eine Speicherung dieser Daten zusammen mit anderen personenbezogenen Daten des Nutzers findet nicht statt. Die IP-Adresse der Nutzer wird nicht standardmäßig gespeichert, sondern durch einen vorgeschalteten Proxy-Server von bpb.de anonymisiert. Im Falle eines fehlerhaften oder abgebrochenen Zugriffs auf den vorgeschalteten Proxy-Servers wird die IP-Adresse jedoch gespeichert. Dies können wir technisch nicht verhindern. 2. Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung Rechtsgrundlage für die vorübergehende Speicherung der Daten und der Logfiles ist Art. 6 Abs. 1 lit. e) DSGVO i. V. m. § 3 BDSG. 3. Zweck der Datenverarbeitung Die vorübergehende Speicherung der IP-Adresse durch das System ist notwendig, um eine Auslieferung der Website an den Rechner des Nutzers zu ermöglichen. Hierfür muss die IP-Adresse des Nutzers für die Dauer der Sitzung gespeichert bleiben. Die Speicherung in Logfiles erfolgt, um die Funktionsfähigkeit der Website sicherzustellen. Zudem dienen uns die Daten zur Optimierung der Website und zur Sicherstellung der Sicherheit unserer informationstechnischen Systeme. Eine Auswertung der Daten zu Marketingzwecken findet in diesem Zusammenhang nicht statt. Zu diesem Zweck ist die Verarbeitung für die Wahrnehmung unserer Aufgabe, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, notwendig (Art. 6 Abs. 1 lit. e) DSGVO i. V. m. § 3 BDSG). 4. Dauer der Speicherung Die Daten werden gelöscht, sobald sie für die Erreichung des Zweckes ihrer Erhebung nicht mehr erforderlich sind. Im Falle der Erfassung der Daten zur Bereitstellung der Website ist dies der Fall, wenn die jeweilige Sitzung beendet ist. Im Falle der Speicherung der anonymisierten Daten in Logfiles ist dies nach spätestens fünf Wochen der Fall. 5. Widerspruchs- und Beseitigungsmöglichkeit Die Erfassung der Daten zur Bereitstellung der Website und die Speicherung der Daten in Logfiles ist für den Betrieb der Internetseite zwingend erforderlich. Es besteht folglich seitens des Nutzers keine Widerspruchsmöglichkeit. 1. Beschreibung und Umfang der Datenverarbeitung Unsere Webseite verwendet Cookies. Bei Cookies handelt es sich um Textdateien, die im Internetbrowser bzw. vom Internetbrowser auf dem Computersystem des Nutzers gespeichert werden. Ruft ein Nutzer eine Website auf, so kann ein Cookie auf dem Betriebssystem des Nutzers gespeichert werden. Dieser Cookie enthält eine charakteristische Zeichenfolge, die eine eindeutige Identifizierung des Browsers beim erneuten Aufrufen der Website ermöglicht. Wir setzen Cookies ein, um unsere Website nutzerfreundlicher zu gestalten. Einige Elemente unserer Internetseite erfordern es, dass der aufrufende Browser auch nach einem Seitenwechsel identifiziert werden kann. In den Cookies werden dabei folgende Daten gespeichert und übermittelt: (1) Artikel in einem Warenkorb (2) Ausführung von Javascript (3) Eingegebene Suchbegriffe/Suchergebnisse (4) Nutzung eines mobilen Endgerätes (5) Kenntnisnahme des Cookie-Hinweises (6) Erlaubnis zur Ausspielung eines externen Inhaltes Wir verwenden auf unserer Website darüber hinaus Cookies, die eine Analyse des Surfverhaltens der Nutzer ermöglichen. Eine Auflistung der dabei gespeicherten und übermittelten Daten finden Sie unter Abschnitt III zu Piwik/Matomo und Kapitel IV. zum SZMnG/INFOnline Messverfahren. Die auf diese Weise erhobenen Daten der Nutzer werden durch technische Vorkehrungen pseudonymisiert. Daher ist eine Zuordnung der Daten zum aufrufenden Nutzer nicht mehr möglich. Die Daten werden nicht gemeinsam mit sonstigen personenbezogenen Daten der Nutzer gespeichert. 2. Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung Die Rechtsgrundlage für die Verarbeitung personenbezogener Daten unter Verwendung von Cookies ist Art. 6 Abs. 1 lit. e) DSGVO i. V. m. § 3 BDSG. 3. Zweck der Datenverarbeitung Der Zweck der Verwendung technisch notwendiger Cookies ist, die Nutzung von Websites für die Nutzer zu vereinfachen. Einige Funktionen unserer Internetseite können ohne den Einsatz von Cookies nicht angeboten werden (z.B. Warenkorb, mobile Website). Für diese ist es erforderlich, dass der Browser auch nach einem Seitenwechsel wiedererkannt wird. Für folgende Anwendungen benötigen wir Cookies: (1) Merken von Inhalten für den Warenkorb (2) Merken von Suchbegriffen und Suchergebnissen (3) Merken von Inhalten für PDF/EPUB-Generierung (4) Auslieferung der mobilen Website (5) Ausblenden des Cookie-Hinweises nach Kenntnisnahme (6) Aktivierung der Ausspielung externer Inhalte Die durch technisch notwendige Cookies erhobenen Nutzerdaten werden nicht zur Erstellung von Nutzerprofilen verwendet. Die Verwendung der Analyse-Cookies erfolgt zu dem Zweck, die Qualität unserer Website und ihre Inhalte zu verbessern. Durch die Analyse-Cookies erfahren wir, wie die Website genutzt wird und können so unser Angebot stetig optimieren. Für folgende Anwendungen setzen wir zusätzliche Cookies: (1) Webanalyse mit Piwik/Matomo (siehe Kapitel lII) (2) Webstatistik mit SZMnG/INFOnline Messverfahren (siehe Kapitel IV) Für beide Anwendungen bieten wir Opt-Out-Verfahren an. In diesem Fall kann auch eine Cookie für das Opt-Out gesetzt werden. Zu diesem Zweck ist die Verarbeitung für die Wahrnehmung unserer Aufgabe, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, notwendig (Art. 6 Abs. 1 lit. e) DSGVO i. V. m. § 3 BDSG). 4. Dauer der Speicherung, Widerspruchs- und Beseitigungsmöglichkeit Cookies werden auf dem Rechner des Nutzers gespeichert und von diesem an unsere Seite übermittelt. Die technisch notwendigen Cookies werden nur bis zum Ende des Nutzungsvorgangs gespeichert (Session-Cookies). Das Cookie zum "Ausblenden des Cookie-Hinweises" wird bis zu sieben Tage gespeichert. Die Cookies für Piwik/Matomo werden bis zu 6 Monate gespeichert. Die Cookies für das SZMnG/INFOnline Messverfahren werden bis zu 10 Monate gespeichert. Für beide Anwendungen bieten wir "Opt-Out-Verfahren" an, mit dem die Speicherung der jeweiligen Cookies unterbunden werden kann. Nutzer haben die volle Kontrolle über die Verwendung von Cookies. Durch eine Änderung der Einstellungen in Ihrem Internetbrowser können sie die Übertragung von Cookies deaktivieren oder einschränken. Bereits gespeicherte Cookies können jederzeit gelöscht werden. Dies kann auch automatisiert erfolgen. Werden Cookies für unsere Website deaktiviert, können möglicherweise nicht mehr alle Funktionen der Website vollumfänglich genutzt werden. 1. Beschreibung und Umfang der Datenverarbeitung Wir nutzen auf unserer Website das Open-Source-Software-Tool Matomo (ehemals PIWIK) zur Analyse des Surfverhaltens unserer Nutzer. Die Software setzt ein Cookie auf dem Rechner der Nutzer (zu Cookies siehe oben). Werden Einzelseiten unserer Website aufgerufen, so werden folgende Daten gespeichert: (1) Zwei Bytes der IP-Adresse des aufrufenden Systems des Nutzers (2) Die aufgerufene Webseite (3) Die Website, von der der Nutzer auf die aufgerufene Webseite gelangt ist (Referrer) (4) Die Unterseiten, die von der aufgerufenen Webseite aus aufgerufen werden (5) Die Verweildauer auf der Webseite (6) Die Häufigkeit des Aufrufs der Webseite (7) Spracheinstellungen des Browsers (8) Standort Die Software läuft dabei ausschließlich auf den Servern der bpb. Eine Speicherung der personenbezogenen Daten der Nutzer findet nur dort statt. Eine Weitergabe der Daten an Dritte erfolgt nicht. Die Software ist so eingestellt, dass die IP-Adressen nicht vollständig gespeichert werden, sondern 2 Bytes der IP-Adresse maskiert werden (Bsp.: 192.168.xxx.xxx). Auf diese Weise ist eine Zuordnung der gekürzten IP-Adresse zum aufrufenden Rechner nicht mehr möglich. 2. Rechtsgrundlage für die Verarbeitung personenbezogener Daten Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Nutzer ist Art. 6 Abs. 1 lit. e) DSGVO i. V. m. § 3 BDSG. 3. Zweck der Datenverarbeitung Die Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Nutzer ermöglicht uns eine Analyse des Surfverhaltens unserer Nutzer. Wir sind in durch die Auswertung der gewonnen Daten in der Lage, Informationen über die Nutzung der einzelnen Komponenten unserer Webseite zusammenzustellen. Dies hilft uns dabei unsere Webseite und deren Nutzerfreundlichkeit stetig zu verbessern. Zu diesem Zweck ist die Verarbeitung für die Wahrnehmung unserer Aufgabe, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, notwendig (Art. 6 Abs. 1 lit. e) DSGVO i. V. m. § 3 BDSG). Durch die Anonymisierung der IP-Adresse wird dem Interesse der Nutzer an deren Schutz personenbezogener Daten hinreichend Rechnung getragen. 4. Dauer der Speicherung Die Daten werden gelöscht, sobald sie für unsere Aufzeichnungszwecke nicht mehr benötigt werden, maximal jedoch nach drei Jahren. 5. Widerspruchs- und Beseitigungsmöglichkeit Cookies werden auf dem Rechner des Nutzers gespeichert und von diesem an unserer Seite übermittelt. Daher haben Sie als Nutzer auch die volle Kontrolle über die Verwendung von Cookies. Durch eine Änderung der Einstellungen in Ihrem Internetbrowser können Sie die Übertragung von Cookies deaktivieren oder einschränken. Bereits gespeicherte Cookies können jederzeit gelöscht werden. Dies kann auch automatisiert erfolgen. Werden Cookies für unsere Website deaktiviert, können möglicherweise nicht mehr alle Funktionen der Website vollumfänglich genutzt werden. Wir bieten unseren Nutzern auf unserer Website die Möglichkeit eines Opt-Out aus dem Analyseverfahren. Hierzu müssen Sie den Haken in der Checkbox unter diesem Abschnitt mit einem Klick entfernen. Auf diese Weise wird ein weiterer Cookie auf ihrem System gesetzt, der unserem System signalisiert die Daten des Nutzers nicht zu speichern. Löscht der Nutzer den entsprechenden Cookie zwischenzeitlich vom eigenen System, so muss er den Opt-Out-Cookie erneut setzten. Nähere Informationen zu den Privatsphäreeinstellungen der Matomo Software finden Sie unter folgendem Link: Externer Link: https://matomo.org/docs/privacy/. 1.Beschreibung und Umfang der Datenverarbeitung Wir nutzen das Messverfahren ("SZMnG") der INFOnline GmbH (Externer Link: https://www.infonline.de) zur Ermittlung statistischer Kennwerte über die Nutzung unserer Angebote auf bpb.de. Dazu sind in einzelnen Seiten so genannte Zählpixel, kleine transparente Bilder, eingebaut, deren Abruf von der Firma INFOnline gezählt wird. Dabei werden anonyme Messwerte erhoben und an INFOnline übermittelt. Die SZMnG-Reichweitenmessung verwendet zur Wiedererkennung von Computersystemen alternativ entweder ein Cookie mit der Kennung "ioam.de" oder "ivwbox.de" oder eine Signatur, die aus verschiedenen automatisch übertragenen Informationen Ihres Computers erstellt wird. Folgende Daten werden übermittelt: (1) IP-Adresse des aufrufenden Systems des Nutzers (2) Die aufgerufene Webseite (3) Die Website, von der der Nutzer auf die aufgerufene Webseite gelangt ist (Referrer) (4) Die Unterseiten, die von der aufgerufenen Webseite aus aufgerufen werden (5) Die Verweildauer auf der Webseite (6) Die Häufigkeit des Aufrufs der Webseite (7) Spracheinstellungen des Browsers (8) Standort IP-Adressen werden in dem Verfahren nicht gespeichert und nur in anonymisierter Form verarbeitet. Dazu werden 2 Bytes der IP-Adresse maskiert (Bsp.: 192.168.xxx.xxx). Auf diese Weise ist eine Zuordnung der gekürzten IP-Adresse zum aufrufenden Rechner nicht mehr möglich. 2. Rechtsgrundlage für die Verarbeitung personenbezogener Daten Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Nutzer ist Art. 6 Abs. 1 lit. e) DSGVO i. V. m. § 3 BDSG. 3. Zweck der Datenverarbeitung Ziel der Reichweitenmessung ist es, die Nutzungsintensität, die Anzahl der Nutzer einer Webseite und das Surfverhalten statistisch zu bestimmen. Dies hilft uns dabei unsere Webseite und deren Nutzerfreundlichkeit stetig zu verbessern. Zu diesem Zweck ist die Verarbeitung für die Wahrnehmung unserer Aufgabe, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, notwendig (Art. 6 Abs. 1 lit. e) DSGVO i. V. m. § 3 BDSG). Durch die Anonymisierung der IP-Adresse wird dem Interesse der Nutzer an deren Schutz personenbezogener Daten hinreichend Rechnung getragen. 4. Dauer der Speicherung Die anonymisierten Daten werden gelöscht, sobald sie für unsere Aufzeichnungszwecke nicht mehr benötigt werden. 5. Widerspruchs- und Beseitigungsmöglichkeit Möchten Nutzer nicht, dass Daten im Rahmen des SZMnG an die Firma INFOnline übertragen werden, können sie der Datenverarbeitung unter folgendem Link widersprechen: Externer Link: https://optout.ioam.de. Cookies werden auf dem Rechner des Nutzers gespeichert und von diesem an unserer Seite übermittelt. Daher haben Sie als Nutzer auch die volle Kontrolle über die Verwendung von Cookies. Durch eine Änderung der Einstellungen in Ihrem Internetbrowser können Sie die Übertragung von Cookies deaktivieren oder einschränken. Bereits gespeicherte Cookies können jederzeit gelöscht werden. Dies kann auch automatisiert erfolgen. Werden Cookies für unsere Website deaktiviert, können möglicherweise nicht mehr alle Funktionen der Website vollumfänglich genutzt werden. 1. Beschreibung und Umfang der Datenverarbeitung Eine Kontaktaufnahme zur bpb per E-Mail ist neben den personengebundenen dienstlichen E-Mail-Adressen der Beschäftigten über verschiedene E-Mail Postfächer möglich, u.a. über die auf bpb.de unter „Kontakt“ angegebene zentrale E-Mail-Adresse info@bpb.de. Im Falle einer Kontaktaufnahme per E-Mail werden die mit der E-Mail übermittelten personenbezogenen Daten des Nutzers – z.B. E-Mail-Adresse, Name, Vorname, Anschrift, ggf. weitere in der E-Mail enthaltene Informationen mit Personenbezug – gespeichert. Die Daten werden ausschließlich für die Verarbeitung der Konversation bzw. für den Zweck der Anfrage verwendet. Auf der Internetseite der bpb werden auch E-Mail-Adressen von Dritten (z.B. von der bpb beauftragte Projektträger) bereitgestellt. Diese Adressen enthalten nicht bpb nach dem @. Sofern Sie eine dieser Adressen zur Kontaktaufnahme verwenden, liegt die Verarbeitung der personenbezogenen Daten nicht im Verantwortungsbereich der bpb. Bei Fragen bzgl. des Umgangs mit Ihren personenbezogenen Daten durch diesen Dritten, wenden Sie sich entsprechend an diesen. 2. Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der Daten, die im Zuge einer Übersendung einer E-Mail übermittelt werden, ist Art. 6 Abs. 1 lit. e) DSGVO i. V. m. § 3 BDSG. Zielt der E-Mail-Kontakt auf den Abschluss eines Vertrages ab, so ist zusätzliche Rechtsgrundlage für die Verarbeitung Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO. 3. Zweck der Datenverarbeitung Die Verarbeitung der Daten erfolgt zur Bearbeitung der Kontaktaufnahme und der damit verbundenen Anfragen sowie Anliegen. 4. Dauer der Speicherung Die übermittelten Daten und Informationen werden zum Zwecke der Kontaktaufnahme und Bearbeitung des Anliegens, gemäß den für die Aufbewahrung von Schriftgut geltenden Fristen der Registraturrichtlinie, die die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) ergänzt, gespeichert. 5. Widerspruchs- und Beseitigungsmöglichkeit Der Nutzer hat das Recht, aus Gründen die sich aus seiner besonderen Situation ergeben, jederzeit Widerspruch gegen die Verarbeitung seiner Daten einzulegen. Die Verarbeitung der Daten erfolgt dann nicht mehr. In einem solchen Fall kann die Konversation nicht fortgeführt werden. Alle personenbezogenen Daten, die im Zuge der Kontaktaufnahme gespeichert wurden, werden in diesem Fall gelöscht. Eine Verarbeitung ist trotz Widerspruch durch den Nutzer möglich, sofern zwingende schutzwürdige Gründe für die Bearbeitung durch die Behörde dargelegt werden, welche die Interessen, Rechte und Freiheiten des Nutzers überwiegen. Der Widerspruch gegen die Verarbeitung kann formlos unter info@bpb.de eingereicht werden. 1. Beschreibung und Umfang der Datenverarbeitung Auf unserer Internetseite besteht die Möglichkeit kostenfreie Newsletter zu abonnieren. Dabei wird bei der Anmeldung zum Newsletter die angegebene E-Mail-Adresse aus der Eingabemaske an uns übermittelt. Zudem werden Datum und Uhrzeit der Registrierung bei der Anmeldung erhoben. Für die Verarbeitung der Daten wird im Rahmen des Anmeldevorgangs Ihre Einwilligung eingeholt und auf diese Datenschutzerklärung verwiesen. Ihre Anmeldung und damit die Speicherung und Verarbeitung ihrer E-Mail-Adresse müssen Sie zudem per E-Mail ein weiteres Mal bestätigen ("Double-Opt-In"). Damit soll ein Missbrauch der E-Mail-Adresse durch Dritte verhindert werden. Es erfolgt im Zusammenhang mit der Datenverarbeitung für den Versand von Newslettern keine Weitergabe der Daten an Dritte. Die Daten werden ausschließlich für den Versand des Newsletters verwendet. 2. Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der Daten nach Anmeldung zum Newsletters durch den Nutzer ist bei Vorliegen einer Einwilligung des Nutzers Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO. 3. Zweck der Datenverarbeitung Die Erhebung der E-Mail-Adresse des Nutzers dient dazu, den jeweiligen Newsletter zuzustellen. Eine Übersicht über unsere Newsletter finden Sie hier: Externer Link: www.bpb.de/newsletter 4. Dauer der Speicherung Die Daten werden gelöscht, sobald sie für die Erreichung des Zweckes ihrer Erhebung nicht mehr erforderlich sind. Die E-Mail-Adresse des Nutzers wird demnach solange gespeichert, wie das Abonnement des Newsletters aktiv ist. 5. Widerspruchs- und Beseitigungsmöglichkeit Das Abonnement des Newsletters kann durch den betroffenen Nutzer jederzeit unter www.bpb.de/newsletter gekündigt werden. Zu diesem Zweck findet sich in jedem Newsletter ein entsprechender Link. Die E-Mail-Adresse wird nach Kündigung des Newsletters gelöscht. 1. Beschreibung und Umfang der Verarbeitung personenbezogener Daten Auf bpb.de werden sogenannte "Social Plugins" eingesetzt. Diese Plugins ermöglichen das Teilen von Inhalten über die Social Media Dienste Facebook, Twitter, Google+ und WhatsApp. Über diese Plugins werden üblicherweise Daten, auch personenbezogene Daten, an die Diensteanbieter übermittelt. Um eine Übermittlung von Nutzer-Daten ohne Kenntnis und Einwilligung der Nutzer zu verhindern, nutzt bpb.de die Lösung "Shariff" der Fachzeitschrift c’t (Heise Medien GmbH & Co. KG). Shariff ersetzt die üblichen Share-Buttons der Social Networks und schützt damit Ihr Surf-Verhalten. Die üblichen Social-Media-Buttons übertragen die User-Daten bei jedem Seitenaufruf an die genannten Diensteanbieter (User Tracking). Dazu müssen Nutzer weder eingeloggt noch Mitglied des Netzwerks sein. Dagegen stellt ein Shariff-Button den direkten Kontakt zwischen Social Network und Nutzer erst dann her, wenn letzterer aktiv auf den Share-Button klickt. Shariff tritt hier als Zwischeninstanz auf: An Stelle des Browsers des Nutzers fragt der Server des Webseiten-Betreibers die relevanten Informationen (z.B. Anzahl der Likes bei Facebook) bei dem jeweiligen Diensteanbieter ab. Der Nutzer bleibt hierbei anonym. Mehr Informationen zu Shariff erhalten Sie hier: Externer Link: https://heise.de/-2467514 Eine Verarbeitung oder Speicherung personenbezogener Daten durch die bpb findet nicht statt. Bei Nutzung der Buttons findet eine Verarbeitung und Speicherung der Daten durch den jeweiligen Diensteanbieter statt. Welche Daten wie verarbeitet und gespeichert werden, erklären die Diensteanbieter in ihren Datenschutzerklärungen: Facebook Datenschutzrichtlinie: Externer Link: https://www.facebook.com/about/privacy/update?ref=old_policy Twitter Datenschutzrichtlinie: Externer Link: https://twitter.com/de/privacy Google Datenschutzerklärung: Externer Link: https://policies.google.com/privacy/update?hl=de WhatsApp Datenschutzrichtlinie: Externer Link: https://www.whatsapp.com/legal/?eea=1#privacy-policy 2. Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung Rechtsgrundlage für Übermittlung der Daten ist Art. 6 Abs. 1 lit. e) DSGVO i. V. m. § 3 BDSG. 3. Zweck der Datenverarbeitung Die Übermittlung der Daten an Social Media Diensteanbieter ermöglicht Nutzern, Inhalte auf bpb.de über Social Media Dienste weiterzuverbreiten und mit ihren Kontakten zu teilen. Diese Funktion wird von einer Vielzahl von Nutzern verwendet und ist mittlerweile eine Standardfunktionalität auf Websites. Zu diesem Zweck ist die Verarbeitung für die Wahrnehmung unserer Aufgabe, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, notwendig (Art. 6 Abs. 1 lit. e) DSGVO i. V. m. § 3 BDSG). Mit dem Einsatz von Shariff wird dem Interesse der Nutzer hinsichtlich dem Schutz personenbezogener Daten hinreichend Rechnung getragen. 4. Dauer der Speicherung Eine Speicherung der Daten durch die bpb findet nicht statt. Bei Nutzung der Buttons findet eine Verarbeitung und Speicherung der Daten durch den jeweiligen Diensteanbieter statt. Welche Daten erhoben, verarbeitet und gespeichert werden, erklären die Diensteanbieter in ihren Datenschutzerklärungen. 5. Widerspruchs- und Beseitigungsmöglichkeit Da eine Verarbeitung und Speicherung der Daten durch die bpb und eine automatische Übermittlung der Daten an die Diensteanbieter nicht stattfinden, kann der Nutzer der Verarbeitung und Speicherung seiner Daten nur beim jeweiligen Diensteanbieter widersprechen. Welche Widerspruchs- und Beseitigungsmöglichkeiten bestehen, erklären die Diensteanbieter in ihren Datenschutzerklärungen. 1. Beschreibung und Umfang der Verarbeitung personenbezogener Daten Auf bpb.de besteht für Nutzer die Möglichkeit, unter ausgewählten Inhalten (z.B. Blogeinträge) zu kommentieren. Dafür werden über ein Kommentarfeld folgende personenbezogene Daten an uns übermittelt: (1) E-Mail-Adresse (2) Name (Pseudonym möglich) Für die Verarbeitung der Daten wird im Rahmen des Anmeldevorgangs Ihre Einwilligung eingeholt und auf diese Datenschutzerklärung verwiesen. Die Kommentare sowie der angegebene Name werden in unserem Content-Management-System gespeichert und nach Prüfung durch die Redaktion veröffentlicht. Die E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht, der angegebene Name wird am Kommentar veröffentlicht. Die im Zusammenhang mit der Kommentarfunktion erhobenen Daten werden nicht an Dritte weitergegeben und ausschließlich für den Zweck der Kommentierung verwendet. 2. Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der Daten nach Anmeldung zum Newsletters durch den Nutzer ist bei Vorliegen einer Einwilligung des Nutzers Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO. 3. Zweck der Datenverarbeitung Zweck der Verarbeitung der Daten ist die Kommentierung von Inhalten auf bpb.de durch Nutzer. Die Erhebung der E-Mail-Adresse der Nutzer dient dazu, einem Missbrauch der Kommentarfunktion vorzubeugen. Die Erhebung des Namens soll eine Unterscheidbarkeit der Kommentare und Nutzer ermöglichen. 4. Dauer der Speicherung Die Daten werden gelöscht, sobald sie für die Erreichung des Zweckes ihrer Erhebung nicht mehr erforderlich sind. Die E-Mail-Adresse und der angegebene Name der Nutzer werden demnach solange gespeichert, bis der Nutzer einer Veröffentlichung widersprochen oder um Löschung seines Kommentars gebeten hat. 5. Widerrufs- und Beseitigungsmöglichkeit Der Nutzer hat jederzeit die Möglichkeit, seine Einwilligung zur Verarbeitung der personenbezogenen Daten zu widerrufen und seinen Kommentar sowie seine Daten löschen zu lassen. Dafür kann der Nutzer z.B. per E-Mail (dialog@bpb.de) Kontakt zur zuständigen Redaktion aufnehmen. 1. Beschreibung und Umfang der Datenverarbeitung Die Bundeszentrale für politische Bildung bietet Medien und Druckerzeugnisse (u.a. Bücher, Zeitschriften, DVDs) an. Nutzer können diese – teilweise kostenpflichtig – online über einen Webshop oder schriftlich über individuelle Schreiben oder Bestellformulare bestellen. Folgende Daten werden über Bestellformulare übermittelt: (1) Anrede (2) Name (Vor- und Nachname) (3) Anschrift (Straße, Hausnummer, PLZ, Ort, Land) (4) E-Mail-Adresse (5) Telefonnummer (optional) Optional bietet die bpb eine Lieferung an DHL-Packstationen/Postfilialen an. Dafür werden folgende zusätzliche Daten übermittelt: (6) Post-Nummer (DHL-Kundennummer) (7) Nummer der DHL-Packstation/Postfiliale Diese Kundendaten werden zur Bearbeitung und Abwicklung der Bestellung benötigt. Zudem können – wenn der Kunde in die Verarbeitung einwilligt – freiwillig weitere Daten angegeben werden: (8) Alter (9) Berufsfeld (10) Gesellschaftliche Aktivität Die Kundendaten sowie die freiwillig angegebenen Daten werden an einen externen Dienstleister (IBRo Versandservice GmbH, Kastanienweg 1, 18184 Roggentin, Externer Link: www.ibro-versandservice.de) zur Verarbeitung weitergeleitet, der für die Bearbeitung der Bestellung, den Versand der bestellten Waren, die Rechnungsstellung und das Inkasso sowie die Beantwortung von Kundenanliegen zuständig ist. 2. Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung Die Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der für den Abschluss des Vertrages erhobenen Kundendaten (1-7) ist Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO. Die Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der freiwillig angegeben Daten (8-10) ist bei Vorliegen einer Einwilligung des Nutzers Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO. 3. Zweck der Datenverarbeitung Die Kundendaten (1-7) werden zum Zwecke der Abwicklung der Bestellung und Erfüllung der vertraglich vereinbarten Leistungen erhoben, übermittelt, verarbeitet und gespeichert. Die darüber hinaus freiwillig angegebenen Daten (8-10) werden zu statistischen sowie zum Zweck der Optimierung des Angebots der bpb erhoben, übermittelt, verarbeitet und gespeichert. 4. Dauer der Speicherung Die für die Abwicklung der Bestellung notwendigen Kundendaten (1-7) werden bei komplett kostenfreien Bestellungen (ohne Bereitstellungspauschale und Versandkosten) nach 90 Tagen gelöscht. Die freiwilligen Angaben (8-10) werden danach anonymisiert gespeichert. Bei kostenpflichtigen Bestellungen werden alle Daten beim Versanddienstleister (IBRo Versandservice GmbH) aufgrund handels- und steuerrechtlicher Aufbewahrungsfristen bis zu zehn Jahre gespeichert. 5. Widerspruchs- und Beseitigungsmöglichkeit Der Kunde hat das Recht, binnen vierzehn Tagen den Vertrag zu widerrufen. Nach rechtswirksamen Widerruf des Vertrags werden die zur Vertragsabwicklung verarbeiteten Daten (1-7) gelöscht. Mehr zum Widerrufsrecht steht in unseren AGB: Interner Link: www.bpb.de/shop/186122/#widerruf Der Nutzer hat jederzeit die Möglichkeit, seine Einwilligung zur Verarbeitung der freiwillig angegebenen personenbezogenen Daten (8-10) zu widerrufen und diese Daten löschen zu lassen. Dafür kann der Nutzer z.B. per E-Mail (bestellungen@shop.bpb.de) Kontakt zum Versanddienstleister aufnehmen. 1. Beschreibung und Umfang der Datenverarbeitung Die Bundeszentrale für politische Bildung bietet ein kostenloses Abonnement der Zeitschrift bpb:magazin an. Nutzer können dieses online auf bpb.de oder schriftlich über individuelle Schreiben oder Bestellformulare bestellen. Online ist es ebenso möglich, Angaben zu einem bestehenden Abonnement zu ändern oder es zu kündigen. Folgende Daten werden über das Bestellformular übermittelt: (1) Anrede (2) Name (Vor- und Nachname) (3) Anschrift (Straße, Hausnummer, PLZ, Ort, Land) (4) E-Mail-Adresse Diese Kundendaten werden zur Bearbeitung und Abwicklung der Bestellung benötigt. Zudem können – wenn der Kunde in die Verarbeitung einwilligt – freiwillig weitere Daten angegeben werden: (5) Telefonnummer (optional) (6) Faxnummer (optional) (7) Adresszusätze (optional) Die Kundendaten sowie die freiwillig angegebenen Daten werden an zwei externe Dienstleister (IBRo Versandservice GmbH, Roggentin und Druckerei Ernst Kaufmann GmbH und Co KG, Laar) zur Verarbeitung weitergeleitet. Die Dienstleister sind für die Bearbeitung der Bestellung, den Versand der bestellten Ware und, in Zusammenarbeit mit dem Bürgerservice der bpb, für die Beantwortung von Kundenanliegen zuständig. Der Dienstleiser Druckerei Ernst Kaufmann GmbH und Co KG arbeitet zur Erfüllung dieses Auftrags mit der Deutschen Post AG, welcher die adressierten Einzelhefte gebündelt und palettiert zur Verteilung übergeben werden. Die Adressen zur Erstellung der Versandetiketten werden mit der Software Dialogpostmanager verarbeitet, mit dem Etiketten gedruckt, werde, die danach auf die Zeitschrift geklebt werden. Die Adressdaten werden 90 Tage nach dem Versand mit dem Datenschutzmodul, das im Dialogpostmanager integriert ist, maskiert, d.h. unkenntlich gemacht 2. Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung Die Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der für den Abschluss des Vertrages erhobenen Kundendaten (1-4) ist Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO. Die Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der freiwillig angegeben Daten (5-7) ist bei Vorliegen einer Einwilligung des Nutzers Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO. 3. Zweck der Datenverarbeitung Die Kundendaten werden zum Zwecke der Abwicklung der Bestellung und Erfüllung der vertraglich vereinbarten Leistungen erhoben, übermittelt, verarbeitet und gespeichert. Die Angabe weiterer Kundendaten ist ebenso freiwillig und dient der schnelleren Identifikation und genaueren Ansprache des Kunden oder der Erschließung alternativer Kontaktierungsmöglichkeiten und werden, falls erwünscht, zu diesen Zwecken erhoben, übermittelt, verarbeitet und gespeichert. 4. Dauer der Speicherung Die für die Abwicklung der Bestellung notwendigen Kundendaten sowie optionale Kundendaten werden bei Kündigung des Abonnements oder im Falle einer unzustellbaren Lieferung / Retoure gelöscht. 5. Widerspruchs- und Beseitigungsmöglichkeit Der Kunde hat jederzeit das Recht, den Vertrag zu widerrufen. Nach rechtswirksamen Widerruf des Vertrags werden die zur Vertragsabwicklung verarbeiteten Daten gelöscht. Der Nutzer hat jederzeit die Möglichkeit, seine Einwilligung zur Verarbeitung der freiwillig angegebenen personenbezogenen Daten zu widerrufen und diese Daten löschen zu lassen. Dafür kann der Nutzer z.B. per E-Mail (E-Mail Link: info@bpb.de) Kontakt zur bpb aufnehmen. 1. Beschreibung und Umfang der Datenverarbeitung Die bpb bietet verschiedene Veranstaltungsformate an, für die sich Interessierte anmelden können. Anmeldungen sind in der Regel durch ein Anmeldeformular auf der Website oder durch eine Kontaktaufnahme z.B. per E-Mail möglich. Dabei werden je nach Veranstaltung und Kontaktweg unterschiedliche personenbezogene Daten erhoben und übermittelt, z.B.: (1) Anrede (2) Name (Vor- und Nachname) (3) Anschrift (Straße, Hausnummer, PLZ, Ort, Land) (4) Kontaktdaten (E-Mail, Telefonnummer) Diese Daten sind im Rahmen der Veranstaltungsorganisation für eine reibungslose Anmeldung und Teilnehmendenverwaltung notwendig. Darüber hinaus können – je nach Veranstaltung – veranstaltungsspezifische Daten erhoben und übermittelt werden, um Interessen und Bedürfnisse der Teilnehmenden berücksichtigen zu können, z.B.: (5) Berufliche Daten (Berufsfeld, Institution/Organisation, Funktion, berufliche Kontaktdaten) (6) Alter/Geburtsjahr (7) Verpflegungswünsche/Unverträglichkeiten (z.B. für Catering) (8) Bedürfnisse Barrierefreiheit (z.B. barrierefreie Zugänge) (9) Sprachkenntnisse (z.B. für Dolmetscher) Der Nutzer muss in die Verarbeitung seiner Daten einwilligen. Alle angegebenen Daten werden – je nach Veranstaltung – an die Veranstaltungsorganisatoren innerhalb der bpb oder an externe Veranstaltungsdienstleister übermittelt und dort jeweils verarbeitet und gespeichert. Zudem können Daten an Dritte weitergeben werden, wenn das z.B. zur Buchung von Unterkünften oder Reisemitteln notwendig ist. 2. Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung Die Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der personenbezogenen Daten ist bei Vorliegen einer Einwilligung des Nutzers Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO. 3. Zweck der Datenverarbeitung Die Daten werden zum Zwecke der Anmeldung zu einer Veranstaltung sowie zur Planung, Durchführung und Nachbereitung einer Veranstaltung übermittelt, verarbeitet und gespeichert. 4. Dauer der Speicherung Die Daten werden gelöscht, sobald sie für die Erreichung des Zweckes ihrer Erhebung nicht mehr erforderlich sind. Demnach werden die erhobenen Daten gelöscht, wenn alle mit den Teilnehmenden zusammenhängenden Verarbeitungstätigkeiten, wie z.B. Abwicklung von Zahlungen und Kostenerstattungen, abgeschlossen sind. Darüber hinaus können Daten gemäß den für die Aufbewahrung von Schriftgut geltenden Fristen der Registraturrichtlinie, die die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) ergänzt, gespeichert werden. 5. Widerrufs- und Beseitigungsmöglichkeit Der Nutzer hat jederzeit die Möglichkeit, seine Einwilligung zur Verarbeitung der personenbezogenen Daten zu widerrufen und seine Daten löschen zu lassen. Dafür kann der Nutzer z.B. per E-Mail (info@bpb.de) Kontakt zur bpb aufnehmen. Verlangt der Nutzer die Löschung seiner Daten im Vorfeld eines Veranstaltungstermins, kann eine Anmeldung oder Teilnahme an der Veranstaltung nicht mehr gewährleistet werden. 1. Beschreibung und Umfang der Datenverarbeitung Die bpb bietet digitale Veranstaltungen an, für die sich Interessierte anmelden können. Ihre Anmeldung zu diesen Veranstaltungen ist nur sinnvoll, wenn Sie für die Teilnahme mit der Nutzung des jeweiligen Dienstes sowie der Nutzung eines Internetbrowsers oder der gegebenenfalls nötigen Software auf Ihrem privaten Endgerät einverstanden sind. Für die Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten sind allein die externen Dienste und die Betreibenden Ihres genutzten Browsers verantwortlich. Anmeldungen sind in der Regel durch ein Anmeldeformular auf der Website oder durch Kontaktaufnahme z.B. per E-Mail möglich. Hinsichtlich der im Rahmen der Anmeldung gespeicherten personenbezogenen Daten verweisen wir auf Punkt VI dieser Datenschutzerklärung. Zur Durchführung der digitalen Veranstaltungen greift die bpb auf die externen technischen Dienste und die Angebote der folgenden Anbieter zurück: Edudip GmbH, Jülicher Straße 306, 52070 Aachen, Deutschland Microsoft Corporation, One Microsoft Way, Remond, WA 98052-6399, USA Remo Holdings Limited, Fortune Terrace 4-16 Tak Shing St., Jordan, Kowloon, Honkong ZOOM Video communications Inc. San José, Kalifornien, USA EventInsight B.V., 9718JC Groningen (Niederlande), Kraneweg 13-3 Je nach Art der digitalen Veranstaltung kann es für den Teilnehmer erforderlich werden bei dem Anbieter einen Account einzurichten. Insoweit würden die zur Einrichtung des Accounts bei dem Anbieter erforderlichen personenbezogenen Daten durch diesen verarbeitet. Wird kein Account eingerichtet werden personenbezogene Daten durch den Anbieter erst nach der aktiven Zuschalte zur digitalen Veranstaltung, die der Teilnehmer selbst vornimmt, verarbeitet. Wir weisen darauf hin, dass die Teilnehmer der digitalen Veranstaltungen die Onlinedienste in eigener Verantwortung nutzen. Wir machen auch darauf aufmerksam, dass die Anbieter die Daten ihrer Nutzenden entsprechend ihrer Datenschutzrichtlinien abspeichern. Die bpb hat keinen Einfluss auf Art und Umfang der durch die Anbieter verarbeiteten Daten, die Art der Verarbeitung und Nutzung oder die Weitergabe dieser Daten an Dritte. Selbst bei Vorliegen einer Auftragsverarbeitung im Sinne des Art. 28 DSGVO hat die bpb keine abschließende Kontrollmöglichkeit. Für die detaillierte Darstellung der jeweiligen Verarbeitungsformen verweisen wir auf die Datenschutzerklärungen und Angaben der Anbieter: Externer Link: https://www.edudip.com/de/datenschutz Externer Link: https://privacy.microsoft.com/de-DE/privacystatement Externer Link: https://remo.co/privacy-policy/ Externer Link: https://zoom.us/de-de/privacy.html https://www.eventinsight.de/datenschutzerklärung 2. Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung Die Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der Daten nach Anmeldung zur Veranstaltung ist Art. 6 Abs. 1 litt. a) DSGVO. Für die Nutzung der externen Dienste gilt jeweils die dort genannte Rechtsgrundlage für die abzugebende Einwilligung gemäß Art. 6 Abs. 1 litt. a) DSGVO. 3. Zweck der Verarbeitung Die Daten werden zum Zwecke der Anmeldung zu einer Veranstaltung sowie zur Planung, Durchführung und Nachbereitung einer Veranstaltung übermittelt, verarbeitet und gespeichert. Die Einbindung externer Dienste dient dem Zwecke der Durchführung digitaler Veranstaltungen und ist ohne diese nicht durchführbar. 4. Dauer der Speicherung Eine Speicherung der Daten durch die bpb findet nicht statt. Bei Anmeldung bei den jeweiligen Dienste-Anbietern findet eine Verarbeitung und Speicherung der Daten durch den jeweiligen Diensteanbieter statt. Welche Daten übermittelt und wie lange gespeichert werden hängt vom jeweiligen Anbieter ab. Über den Zweck und Umfang der Datenerhebung, die weitere Verarbeitung, Nutzung und Speicherung der Daten müssen Sie sich daher beim jeweiligen Anbieter informieren. Die jeweiligen Datenschutzrichtlinien haben wir oben für Sie verlinkt. 5. Widerspruchs- und Beseitigungsmöglichkeit Da eine Verarbeitung und Speicherung der Daten durch die bpb und eine automatische Übermittlung der Daten an die Diensteanbieter nicht stattfinden, kann der Nutzer der Verarbeitung und Speicherung seiner Daten nur beim jeweiligen Diensteanbieter widersprechen. Welche Widerspruchs- und Beseitigungsmöglichkeiten bestehen, erklären die Diensteanbieter in ihren Datenschutzerklärungen. Die jeweiligen Datenschutzrichtlinien haben wir oben für Sie verlinkt. 1. Beschreibung und Umfang der Datenverarbeitung Die Bundeszentrale für politische Bildung bindet auf bpb.de einige Inhalte über externe Dienste ein. Dabei kann eine Datenübermittlung von bpb.de zu den externen Diensten stattfinden und es können Cookies durch diese gesetzt werden. Die bpb nutzt diese Dienste, um Nutzern von bpb.de multimediale Inhalte zur Verfügung zu stellen. Um Nutzern die Kontrolle über die Datenübermittlung zu bewahren, schaltet bpb.de vor jeden eingebundenen externen Inhalt ein Aktivierungsfenster. Solange Nutzer nicht aktiv einwilligen, sich den externen Inhalt anzeigen zu lassen, findet keine Datenübermittlung statt und der Inhalt wird nicht ausgespielt. Erlauben Nutzer eine Einbindung von Inhalten des jeweiligen externen Dienstes, wird ein Cookie gesetzt, der sich diese Erlaubnis merkt (siehe „Verwendung von Cookies“). Der Inhalt wird dann ausgespielt und es können Daten übermittelt werden. Der Cookie wird nach der Session automatisch gelöscht. Die in diesem Fall übermittelten Daten enthalten in der Regel die Information, dass auf den auf bpb.de eingebundenen Inhalt zugegriffen wird. Das kann auch personenbezogene Daten (z.B. die IP-Adresse) umfassen. Welche Daten jeweils übertragen werden, ist nicht immer nachvollziehbar. Sie sollten sich daher über Datenerhebung, -speicherung und Nutzung bei den jeweiligen Anbietern informieren. Dienste u.a. folgender Anbieter werden derzeit auf bpb.de eingebunden: Google (z.B. YouTube-Player, Google Maps, Google Spreadsheets): Google-Dienste werden betrieben von Google Inc., 1600 Amphitheatre Parkway, Mountain View, CA 94043, United States (“Google"). Über Zweck und Umfang der Datenerhebung und die weitere Verarbeitung und Nutzung der Daten durch Google sowie Ihre diesbezüglichen Rechte und Einstellungsmöglichkeiten in den Datenschutzhinweisen von Google informieren: Externer Link: https://policies.google.com/privacy?hl=de Twitter (Twitter-Widgets/Feed): Twitter wird betrieben von Twitter Inc., 795 Folsom St., Suite 600, San Francisco, CA 94107, USA (“Twitter"). Informationen wie Twitter die erhobene Daten nutzt oder weiterverwendet erhalten Sie unter: Externer Link: https://twitter.com/de/privacy Facebook (Video-Player): Facebook wird betrieben von Facebook Inc., 1601 S. California Ave, Palo Alto, CA 94304, USA ("Facebook"). Über den Zweck und Umfang der Datenerhebung und die weitere Verarbeitung und Nutzung der Daten durch Facebook sowie Ihre diesbezüglichen Rechte und Einstellungsmöglichkeiten in den Datenschutzhinweisen von Facebook können Sie sich hier informieren: Externer Link: https://www.facebook.com/about/privacy/update Soundcloud (Audio-Player): Soundcloud wird betrieben von SoundCloud Limited, Rheinsberger Str. 76/77 10115 Berlin, Deutschland. Über den Zweck und Umfang der Datenerhebung und die weitere Verarbeitung und Nutzung der Daten können Sie sich hier informieren: Externer Link: https://soundcloud.com/pages/privacy/05-2018 Vimeo (Video-Player): Vimeo wird betrieben von Vimeo, Inc., 555 West 18th Street, New York, New York 10011, USA. Über den Zweck und Umfang der Datenerhebung und die weitere Verarbeitung und Nutzung der Daten können Sie sich hier informieren: Externer Link: https://vimeo.com/privacy 2. Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung Die Rechtsgrundlage für die Übermittlung der Daten ist Art. 6 Abs. 1 lit. e) DSGVO i. V. m. § 3 BDSG. 3. Zweck der Verarbeitung Die Einbindung externe Dienste auf bpb.de dient dem Zweck der Bereitstellung von Inhalten, Funktionen und Informationen, die Nutzern ohne diese Dienste nicht zur Verfügung gestellt werden könnten. 4. Dauer der Speicherung, Widerspruchs- und Beseitigungsmöglichkeit Welche Daten übermittelt und wie lange gespeichert werden hängt vom jeweiligen Dienst ab. Über den Zweck und Umfang der Datenerhebung, die weitere Verarbeitung und Nutzung und Speicherung der Daten sowie Ihre Widerspruchs- und Beseitigungsrechte müssen Sie sich daher beim jeweiligen Diensteanbieter informieren. Die jeweiligen Datenschutzrichtlinien haben wir oben für Sie verlinkt. 1. Beschreibung und Umfang der Datenverarbeitung Die Bundeszentrale für politische Bildung bietet die Teilnahme an einem Gewinnspiel an, bei dem ein Exemplar des bpb-Schülerkalenders, "Timer", zu gewinnen ist. Nutzerinnen und Nutzer können das Lösungswort über ein Online-Formular einsenden. Um die Teilnahme am Gewinnspiel zu ermöglichen, werden folgende personenbezogenen Daten über das Formular übermittelt: (1) Name (Vor- und Nachname) (2) Anschrift (Straße, Hausnummer, PLZ, Ort, Land) (3) E-Mail-Adresse (4) Telefonnummer (optional) Die Kundendaten (1-3) werden benötigt, um die Lösungsworte den Gewinnspiel-Teilnehmenden zuzuordnen, die Gewinner und Gewinnerinnen über ihren Gewinn zu benachrichtigen und die postalische Zusendung der Exemplare an sie zu ermöglichen. Zudem kann freiwillig die Telefonnummer (4) angegeben werden. Die Kundendaten sowie die freiwillig angegebenen Daten werden an drei externe Dienstleister (IBRo Versandservice GmbH, Kastanienweg 1, 18184 Roggentin, Externer Link: www.ibro-versandservice.de, Krüger Druck+Verlag GmbH & Co. KG, Handwerkstraße 8-10, 66663 Merzig, Externer Link: www.kdv.de, und GLAMUS Gesellschaft fuer moderne Kommunikation mbH, Gartenstraße 24, 53229 Bonn, www.glamus.de) zur Verarbeitung weitergeleitet, die für die Aufnahme der Daten über das Formular, die Ermittlung der Gewinner und Gewinnerinnen sowie den Versand des Gewinns zuständig sind. Der Dienstleister arbeitet zur Erfüllung dieses Auftrags mit der Deutschen Post AG, welche die adressierten Timer in Versandtaschen zur Verteilung übergibt. Die Adressen zur Erstellung der Versandetiketten werden mit der Software Dialogpostmanager verarbeitet und auf die Etiketten gedruckt, die danach auf die Versandtaschen geklebt werden. Die Adressdaten werden 90 Tage nach dem Versand mit dem Datenschutzmodul, das im Dialogpostmanager integriert ist, maskiert, d.h., unkenntlich gemacht. 2. Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung Die Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der für den Abschluss des Vertrages (die Teilnahme an dem Gewinnspiel gilt als Vertrag zur Zusendung des Gewinns bei Vorliegen der Gewinnvoraussetzung) erhobenen Kundendaten (1-3) ist Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO. Die Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der freiwillig angegeben Daten (4) ist bei Vorliegen einer Einwilligung des Nutzers bzw. der Nutzerin Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO. 3. Zweck der Datenverarbeitung Die Kundendaten (1-4) werden zum Zwecke der Abwicklung des Gewinnspiels inkl. ggf. des Gewinnversandes als vertraglich vereinbarte Leistung erhoben, übermittelt, verarbeitet und gespeichert. 4. Dauer der Speicherung Sobald der Geschäftszweck der Durchführung des Gewinnspiels erfüllt ist, werden die für die Abwicklung der Bestellung notwendigen Kundendaten (1-3) sowie die freiwillig angegebenen Daten (4) spätestens 90 Tage nach Beendigung des Gewinnspiels, d.h. nach Gewinnversand, gelöscht. 5. Widerspruchs- und Beseitigungsmöglichkeit Der Nutzer bzw. die Nutzerin hat jederzeit die Möglichkeit, seine bzw. ihre Einwilligung zur Verarbeitung der personenbezogenen Daten (1-4) zu widerrufen und seine Daten löschen zu lassen. Dafür kann er oder sie z.B. per E-Mail (Externer Link: info@bpb.de) Kontakt zur bpb aufnehmen. Verlangt der Nutzer oder die Nutzerin die Löschung seiner oder ihrer Daten im Vorfeld des Gewinnversands, ist die weitere Teilnahme am Gewinnspiel dann jedoch nicht mehr möglich. Nach rechtswirksamen Widerruf des Vertrags werden die zur Vertragsabwicklung verarbeiteten Daten (1-4) gelöscht Sie können von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber verlangen, ob personenbezogene Daten, die Sie betreffen, von uns verarbeitet werden. Liegt eine solche Verarbeitung vor, können Sie von dem Verantwortlichen über folgende Informationen Auskunft verlangen: (1) die Zwecke, zu denen die personenbezogenen Daten verarbeitet werden; (2) die Kategorien von personenbezogenen Daten, welche verarbeitet werden; (3) die Empfänger bzw. die Kategorien von Empfängern, gegenüber denen die Sie betreffenden personenbezogenen Daten offengelegt wurden oder noch offengelegt werden; (4) die geplante Dauer der Speicherung der Sie betreffenden personenbezogenen Daten oder, falls konkrete Angaben hierzu nicht möglich sind, Kriterien für die Festlegung der Speicherdauer; (5) das Bestehen eines Rechts auf Berichtigung oder Löschung der Sie betreffenden personenbezogenen Daten, eines Rechts auf Einschränkung der Verarbeitung durch den Verantwortlichen oder eines Widerspruchsrechts gegen diese Verarbeitung; (6) das Bestehen eines Beschwerderechts bei einer Aufsichtsbehörde; (7) alle verfügbaren Informationen über die Herkunft der Daten, wenn die personenbezogenen Daten nicht bei der betroffenen Person erhoben werden. Ihnen steht das Recht zu, Auskunft darüber zu verlangen, ob die Sie betreffenden personenbezogenen Daten in ein Drittland oder an eine internationale Organisation übermittelt werden. In diesem Zusammenhang können Sie verlangen, über die geeigneten Garantien gem. Art. 46 DSGVO im Zusammenhang mit der Übermittlung unterrichtet zu werden. Es gelten die in § 34 BDSG geregelten Ausnahmen von diesem Recht. Sie haben ein Recht auf Berichtigung und/oder Vervollständigung gegenüber dem Verantwortlichen, sofern die verarbeiteten personenbezogenen Daten, die Sie betreffen, unrichtig oder unvollständig sind. Der Verantwortliche hat die Berichtigung unverzüglich vorzunehmen. Unter den folgenden Voraussetzungen können Sie die Einschränkung der Verarbeitung der Sie betreffenden personenbezogenen Daten verlangen: (1) wenn Sie die Richtigkeit der Sie betreffenden personenbezogenen für eine Dauer bestreiten, die es dem Verantwortlichen ermöglicht, die Richtigkeit der personenbezogenen Daten zu überprüfen; (2) die Verarbeitung unrechtmäßig ist und Sie die Löschung der personenbezogenen Daten ablehnen und stattdessen die Einschränkung der Nutzung der personenbezogenen Daten verlangen; (3) der Verantwortliche die personenbezogenen Daten für die Zwecke der Verarbeitung nicht länger benötigt, Sie diese jedoch zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen benötigen, oder (4) wenn Sie Widerspruch gegen die Verarbeitung gemäß Art. 21 Abs. 1 DSGVO eingelegt haben und noch nicht feststeht, ob die berechtigten Gründe des Verantwortlichen gegenüber Ihren Gründen überwiegen. Wurde die Verarbeitung der Sie betreffenden personenbezogenen Daten eingeschränkt, dürfen diese Daten – von ihrer Speicherung abgesehen – nur mit Ihrer Einwilligung oder zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen oder zum Schutz der Rechte einer anderen natürlichen oder juristischen Person oder aus Gründen eines wichtigen öffentlichen Interesses der Union oder eines Mitgliedstaats verarbeitet werden. Wurde die Einschränkung der Verarbeitung nach den o.g. Voraussetzungen eingeschränkt, werden Sie von dem Verantwortlichen unterrichtet bevor die Einschränkung aufgehoben wird. a) Löschungspflicht Sie können von dem Verantwortlichen verlangen, dass die Sie betreffenden personenbezogenen Daten unverzüglich gelöscht werden, und der Verantwortliche ist verpflichtet, diese Daten unverzüglich zu löschen, sofern einer der folgenden Gründe zutrifft: (1) Die Sie betreffenden personenbezogenen Daten sind für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig. (2) Sie widerrufen Ihre Einwilligung, auf die sich die Verarbeitung gem. Art. 6 Abs. 1 lit. a oder Art. 9 Abs. 2 lit. a DSGVO stützte, und es fehlt an einer anderweitigen Rechtsgrundlage für die Verarbeitung. (3) Sie legen gem. Art. 21 Abs. 1 DSGVO Widerspruch gegen die Verarbeitung ein und es liegen keine vorrangigen berechtigten Gründe für die Verarbeitung vor, oder Sie legen gem. Art. 21 Abs. 2 DSGVO Widerspruch gegen die Verarbeitung ein. (4) Die Sie betreffenden personenbezogenen Daten wurden unrechtmäßig verarbeitet. (5) Die Löschung der Sie betreffenden personenbezogenen Daten ist zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung nach dem Unionsrecht oder dem Recht der Mitgliedstaaten erforderlich, dem der Verantwortliche unterliegt. (6) Die Sie betreffenden personenbezogenen Daten wurden in Bezug auf angebotene Dienste der Informationsgesellschaft gemäß Art. 8 Abs. 1 DSGVO erhoben. Es gelten die in § 35 BDSG geregelten Ausnahmen von diesem Recht. b) Information an Dritte Hat der Verantwortliche die Sie betreffenden personenbezogenen Daten öffentlich gemacht und ist er gem. Art. 17 Abs. 1 DSGVO zu deren Löschung verpflichtet, so trifft er unter Berücksichtigung der verfügbaren Technologie und der Implementierungskosten angemessene Maßnahmen, auch technischer Art, um für die Datenverarbeitung Verantwortliche, die die personenbezogenen Daten verarbeiten, darüber zu informieren, dass Sie als betroffene Person von ihnen die Löschung aller Links zu diesen personenbezogenen Daten oder von Kopien oder Replikationen dieser personenbezogenen Daten verlangt haben. c) Ausnahmen Das Recht auf Löschung besteht nicht, soweit die Verarbeitung erforderlich ist (1) zur Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information; (2) zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung, die die Verarbeitung nach dem Recht der Union oder der Mitgliedstaaten, dem der Verantwortliche unterliegt, erfordert, oder zur Wahrnehmung einer Aufgabe, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde; (3) aus Gründen des öffentlichen Interesses im Bereich der öffentlichen Gesundheit gemäß Art. 9 Abs. 2 lit. h und i sowie Art. 9 Abs. 3 DSGVO; (4) für im öffentlichen Interesse liegende Archivzwecke, wissenschaftliche oder historische Forschungszwecke oder für statistische Zwecke gem. Art. 89 Abs. 1 DSGVO, soweit das unter Abschnitt a) genannte Recht voraussichtlich die Verwirklichung der Ziele dieser Verarbeitung unmöglich macht oder ernsthaft beeinträchtigt, oder (5) zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen. Haben Sie das Recht auf Berichtigung, Löschung oder Einschränkung der Verarbeitung gegenüber dem Verantwortlichen geltend gemacht, ist dieser verpflichtet, allen Empfängern, denen die Sie betreffenden personenbezogenen Daten offengelegt wurden, diese Berichtigung oder Löschung der Daten oder Einschränkung der Verarbeitung mitzuteilen, es sei denn, dies erweist sich als unmöglich oder ist mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden. Ihnen steht gegenüber dem Verantwortlichen das Recht zu, über diese Empfänger unterrichtet zu werden. Sie haben das Recht, die Sie betreffenden personenbezogenen Daten, die Sie dem Verantwortlichen bereitgestellt haben, in einem strukturierten, gängigen und maschinenlesbaren Format zu erhalten. Außerdem haben Sie das Recht diese Daten einem anderen Verantwortlichen ohne Behinderung durch den Verantwortlichen, dem die personenbezogenen Daten bereitgestellt wurden, zu übermitteln, sofern (1) die Verarbeitung auf einer Einwilligung gem. Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO oder Art. 9 Abs. 2 lit. a DSGVO oder auf einem Vertrag gem. Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO beruht und (2) die Verarbeitung mithilfe automatisierter Verfahren erfolgt. In Ausübung dieses Rechts haben Sie ferner das Recht, zu erwirken, dass die Sie betreffenden personenbezogenen Daten direkt von einem Verantwortlichen einem anderen Verantwortlichen übermittelt werden, soweit dies technisch machbar ist. Freiheiten und Rechte anderer Personen dürfen hierdurch nicht beeinträchtigt werden. Das Recht auf Datenübertragbarkeit gilt nicht für eine Verarbeitung personenbezogener Daten, die für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich ist, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde. Sie haben das Recht, aus Gründen, die sich aus ihrer besonderen Situation ergeben, jederzeit gegen die Verarbeitung der Sie betreffenden personenbezogenen Daten, die aufgrund von Art. 6 Abs. 1 lit. e oder f DSGVO erfolgt, Widerspruch einzulegen. Der Verantwortliche verarbeitet die Sie betreffenden personenbezogenen Daten nicht mehr, es sei denn, er kann zwingende schutzwürdige Gründe für die Verarbeitung nachweisen, die Ihre Interessen, Rechte und Freiheiten überwiegen, oder die Verarbeitung dient der Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen. Werden die Sie betreffenden personenbezogenen Daten verarbeitet, um Direktwerbung zu betreiben, haben Sie das Recht, jederzeit Widerspruch gegen die Verarbeitung der Sie betreffenden personenbezogenen Daten zum Zwecke derartiger Werbung einzulegen. Widersprechen Sie der Verarbeitung für Zwecke der Direktwerbung, so werden die Sie betreffenden personenbezogenen Daten nicht mehr für diese Zwecke verarbeitet. Sie haben die Möglichkeit, im Zusammenhang mit der Nutzung von Diensten der Informationsgesellschaft – ungeachtet der Richtlinie 2002/58/EG – Ihr Widerspruchsrecht mittels automatisierter Verfahren auszuüben, bei denen technische Spezifikationen verwendet werden. Es gelten die in § 36 BDSG geregelten Ausnahmen von diesem Recht. Sie haben das Recht, Ihre datenschutzrechtliche Einwilligungserklärung jederzeit zu widerrufen. Durch den Widerruf der Einwilligung wird die Rechtmäßigkeit der aufgrund der Einwilligung bis zum Widerruf erfolgten Verarbeitung nicht berührt. Unbeschadet eines anderweitigen verwaltungsrechtlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelfs steht Ihnen das Recht auf Beschwerde bei einer Aufsichtsbehörde, insbesondere in dem Mitgliedstaat ihres Aufenthaltsorts, ihres Arbeitsplatzes oder des Orts des mutmaßlichen Verstoßes, zu, wenn Sie der Ansicht sind, dass die Verarbeitung der Sie betreffenden personenbezogenen Daten gegen die DSGVO verstößt. Die Aufsichtsbehörde, bei der die Beschwerde eingereicht wurde, unterrichtet den Beschwerdeführer über den Stand und die Ergebnisse der Beschwerde einschließlich der Möglichkeit eines gerichtlichen Rechtsbehelfs nach Art. 78 DSGVO. Aufsichtsbehörde der Bundeszentrale für politische Bildung ist: Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Graurheindorfer Str. 153 53117 Bonn Weitere Informationen zu den beiden Webanalyse-Verfahren erhalten Sie oben in der Datenschutzerklärung.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2022-07-07T00:00:00"
"2022-06-02T00:00:00"
"2022-07-07T00:00:00"
https://www.bpb.de/pift2022/508956/datenschutzerklaerung/
Datenschutz
[ "Politik im Freien Theater" ]
30,736
Dokumentation: Ukraine mobilizes international law: ways to punish Russia for aggression and more | Ukraine-Analysen | bpb.de
Die folgende Dokumentation zeigt einige Beispiele, wie Kriegs- und Menschenrechtsverbrechen im Rahmen der russischen Invasion der Ukraine von nationalen und internationalen Akteuren dokumentiert und juristisch aufgearbeitet werden. On the legal front, during the week of the war, Ukraine has already appealed to a number of international criminal justice institutions accusing Russia of military aggression and war crimes, and has launched an investigation at the national level. We are witnessing an unexpectedly quick response from international institutions due to the scale of the aggression, so we can rest assured that Ukraine has mobilized (enforced) extremely clumsy mechanisms of international law. We decided to gather information about all the appeals and reactions to them so that everyone could see the actions happening on the legal front and the prospects of bringing to justice the aggressor state, its leadership and the military staff that committed war crimes against civilians. From the point of view of the "Hague law” and the "Geneva law”, which constitute the international humanitarian law, we can speak of individual responsibility for 1) war crimes; 2) crimes against humanity and the responsibility of the state and its military-political leadership for 3) genocide; 4) the crime of [military] aggression. All these crimes are mentioned in a number of treaties, and an institute for dispute resolution (courts) of various jurisdictions has been established to bring justice if the crimes are committed. Depending on the type of agreement signed and ratified by Ukraine and the aggressor state, we have the opportunity to appeal to various international institutions, each of which has its own limitations. We describe it in detail below. So, what mechanisms of prosecution are involved: International Court of Justice (ICJ) Ukraine Externer Link: filed a lawsuit against the Russian Federation to the United Nations International Court of Justice in The Hague (ICJ) on the distortion of the concept of genocide to justify its own military aggression in the form of a "special operation to” demilitarize” and "denazify” Ukraine. Ukraine has been seeking a court ruling that it has not been committing genocide against the Russian-speaking population in Donetsk and Luhansk regions for eight years, which has been proclaimed by the Russian President Vladimir Putin. At the same time, in the appeal to the ICJ, Ukraine claims that Russia intends to plan real acts of genocide in Ukraine, as Russia deliberately kills and seriously injures Ukrainians, which, together with the official rhetoric of the President of the Russian Federation, who denies the existence of the Ukrainian nation, constitutes actus reus (objective side) of the crime of genocide under Article II of this Convention. It should be added that Putin’s statements about "denazification”, i.e. accusations of Ukrainians that they are "Banderivtsi” (Ukrainian nationalists), "Nazis”, etc., and even more so—the intention to destroy the Ukrainian state as such, because it did not exist before 1918, can be considered as planning the genocide of the Ukrainian people on ethnic grounds, i.e. the existing mental element (intent, mens reus). These elements of the crime, together with the contextual element (circumstances) are enough to claim that even if there will be no genocide of Ukrainians, it has definitely been planned. The ICJ has the power to take temporary (preliminary, pending, final) measures that may require Russia to take specific actions or refrain from them. On March 7–8, 2022 ICJ Externer Link: will hold open hearings concerning interim measures on this complaint of Ukraine. In addition to the legal mobilization (enforcement) of the Genocide Prevention Convention (1948), Ukraine has the right to file an appeal on violation of obligations of other agreements signed by both parties, i.e. Russia and Ukraine. For example, Externer Link: according to Dr. Talita Dias (Jesus College, University of Oxford) Ukraine may file an appeal on violation of the obligations under the International Convention on the Use of Radio Broadcasting for Peace (1936), as the dissemination of information through propaganda channels about the "8 years of genocide of Russian-speakers in Donbass” distorts reality and does not correspond to reality and factual circumstances of what was happening in eastern Ukraine. It is also worth remembering that Externer Link: this is the second case against Russia in this court – On January 16, 2017, Ukraine appealed to the ICJ against Russia regarding the violation of the International Convention for the Suppression of the Financing of Terrorism (ICSFT) and the International Convention on the Elimination of All Forms of Racial Discrimination (CERD). On November 8, 2019, the ICJ previously acknowledged its jurisdiction in this case, the trial is currently ongoing. International Criminal Court (ICC) The International Criminal Court is also based in The Hague. It is the first permanent court at the international level, which deals with the the military-political leadership of the states, which are brought to justice for war crimes, crimes against humanity, genocide, and from 2018—the crime of [military] aggression. Ukraine has a long history with the ICC: in 2000, it signed the Rome Statute, the document that lies in the basis of the Court’s functioning. After the annexation of Crimea and the occupation of Donbass, Ukraine adopted a Resolution of the Verkhovna Rada recognizing the jurisdiction of the ICC, and later amended the Constitution accordingly, which provided for the ratification of the Rome Statute (in 2001 this possibility was blocked by the CCU). These changes came into force in 2019, and two years later Ukraine adopted amendments to the Criminal Code of Ukraine in terms of war crimes required for ratification of the Rome Statute (draft law awaits the signature of the President from June 2021). Thus, for a full consideration of Russia’s crimes, one step remains—to ratify the Rome Statute. At the same time, the jurisdiction recognized in 2014–2015 allows the ICC to collect evidence today. On February 25 ICC Prosecutor Karim Khan Externer Link: reported that he is closely monitoring the situation in Ukraine. On February 28 he Externer Link: independently initiated the opening of proceedings for war crimes committed by Russian servicemen, and on March 2, after an appeal to the ICC by 39 member states of the Rome Statute, which confirmed the gravity of crimes committed in Ukraine, he opened the proceedings. Finally, on March 3, Externer Link: it was reported that ICC prosecutors went to Ukraine to study the situation in more detail. It should be noted that this is an investigation of war crimes, i.e. those committed against civilians—shelling of houses, killing of civilians, looting, etc. At the same time, the crime of aggression cannot be considered by the ICC in this case, because (1) Russia has not ratified the Rome Statute, and (2) Ukraine has not ratified either the Rome Statute or Externer Link: Kampala amendments (2010). Russia is not required to oppose war crimes, crimes against humanity and genocide. The ICC is about individual responsibility, not state responsibility. At the same time, the principle of complementarity applies, i.e. the ICC does not replace national protection mechanisms, but takes into account only those war criminals who cannot be reached by the national legal system. Let us stress here that we are talking about the leadership of the highest level, not ordinary war criminals. The ICC can prosecute suspects, but has no authority to make arrests. The court relies on states that have law enforcement agencies to do so. If the perpetrators remain in power, they cannot be arrested. But the accusations limit the ability of these leaders to travel and send a signal to their state that it will remain isolated as long as they remain in power. In some places, criminal charges by the international court may have contributed to popular uprisings (for example, against Slobodan Milosevic in Serbia, see Bulldozer Revolution (2000)). Thus, the ICC can make a significant contribution to the further isolation of Russia, and if its military-political leadership finds itself abroad, there will be a chance to arrest them and carry out a conviction against them. European Court of Human Rights (ECtHR) On February 28, in connection with Russia’s military aggression, Ukraine requested urgent interim measures in accordance with Rule 39 of the ECtHR Rules. Such requests are usually made in the event of a threat to human life and health, such as failure to provide medical care to a prisoner, which may have irreparable consequences. In our case—the shelling and killing of civilians. It is important that Russia is a member of the Council of Europe and recognizes the jurisdiction of the ECtHR over itself, so this mechanism is used in this case. On March 1 ECtHR Externer Link: decided on temporary measures – request to the Russian government to refrain from military attacks on civilians and civilian objects , "including housing, emergency vehicles and other specially protected civilian objects, such as schools and hospitals, as well as the immediate security of medical facilities, personnel and rescue services within the territory attacked or besieged by Russian troops ". At the same time, the Court not only ruled on the day following the receiving the appeal, but also quoted the requirements of Ukraine’s request verbatim. Besides, Externer Link: for the first time in a situation of bilateral conflict, the Court pointed to remedies of only one party of the conflict (!). For the civilized world, this is yet another confirmation of Russia’s war crimes. For Russia itself, this means nothing, as its lawyers have consistently, since 2010, adhered to the concept of "primacy of domestic law”, which is consistently implemented by the Chairman of the Constitutional Court of the Russian Federation V. Zorkin. Finally, in 2015, Russia passed a law allowing its national courts to overturn ECtHR decisions (!). Therefore, it is quite expected that Russia will ignore the temporary measures and will not even report on their (non) implementation. In addition, in response to Russia’s military aggression against Ukraine on February 25, 2022, the Council of Europe Externer Link: stopped the mission of Russia in the Committee of Ministers and the Parliamentary Assembly of the Council of Europe. This does not preclude the possibility of a complaint against it, but if Russia continues to remain a member of the Council of Europe, it may stop the possibility of new complaints against it. In other words, the affected citizens of Ukraine will not be able to use this mechanism to protect their rights. Special Court—"Kharkiv” Tribunal In international law, tribunals are the courts that are established ad hoc, i.e. on a case-by-case basis. After the brutal shelling of the civilian population in Kharkiv, the idea was born to try Russian President Vladimir Putin and his entourage in this city. On March 4 Externer Link: British Chatham House hosted a presentation of the project "Kharkiv Tribunal”. Since, as already mentioned, under the current treaties it is impossible to prosecute the top leadership of the aggressor state for the crime of aggression, which created the preconditions for all other international crimes, other mechanisms are required. Just like the London Declaration of 1942, which laid the foundation for the Nuremberg Tribunal, the Declaration on the Establishment of a Special Tribunal for the Crime of Aggression against Ukraine (Kharkiv Tribunal) was proclaimed. Externer Link: The text of the relevant statement and the draft declaration, prepared by a group of volunteers of international lawyers, is already approved by the Minister for Foreign Affairs of Ukraine Dmytro Kuleba and signed by dozens of leading worlds (and Ukrainian) international lawyers, former judges of international courts, as well as such prominent figures as Nuremberg Prosecutor or actor and writer Stephen Fry. The existence of this tribunal does not abolish the complementary jurisdiction of the ICC, since it concerns the crime of aggression. In other words, it complements the liability of Russia’s top military and political leadership. Universal jurisdiction In accordance with the principle of universal jurisdiction, national crimes committed by foreign nationals in foreign territory may be prosecuted within national justice systems. Several countries—Germany, Sweden, Finland—have jurisdiction over all international crimes committed in Ukraine. Other countries have jurisdiction if the perpetrator is in their territory or one of their citizens is a victim. Some countries have established teams of specialized prosecutors to combat international crimes, and cooperation between national justice systems that invoke universal jurisdiction is growing. In practice, these are international investigative teams, i.e. a group of investigators from different national legal systems, which are tasked to bring perpetrators to justice. Ukraine has already resorted to this practice when it participated in a special investigation team led by the Netherlands to investigate the downing of a civilian passenger plane MH17 near Donetsk (2014). Such a mechanism allows to bring to justice not only the military-political leadership of the state, but also servicemen of any rank who has committed war crimes against the civilian population of Ukraine in any part of the world under the jurisdiction of the special investigation team (for example by using the mechanism of instructions (cards) of Interpol). On February 26, Prosecutor General Iryna Venediktov Externer Link: discussed the possibility of joint investigation with specialists from the United States, and on Externer Link: March 3 – with prosecutors from Italy, Britain and Wales, who have already launched an investigation into Russia’s military aggression. It is also known that Lithuania and Poland have launched their own investigations, as well as, without a doubt, many other countries. International investigative mechanism The UN General Assembly and the UN Human Rights Council have established mechanisms for certain situations to gather and preserve evidence. These institutions, in particular those created for Externer Link: Myanmar (2011) and Externer Link: Syria (2016), have a mandate to prepare cases for prosecutors who wish to use them in the future—in international or national courts. On March 4, 2022, 47 members of the UN Human Rights Council voted to establish such a mechanism. With 32 votes in favour, the UN Human Rights Council Externer Link: created International Commission of Inquiry into War Crimes Committed by Russian Soldiers and Violations of International Humanitarian Law (Commission of Inquiry to investigate violations of human rights and international humanitarian law resulting from Russian aggression against Ukraine). These mechanisms usually involve experienced international investigators and prosecutors. They can collect, store and systematize evidence at a high level. Thus, experienced prosecutors have already begun gathering evidence of Russia’s war crimes for further use in the various prosecution mechanisms described above. Application of national legislation Finally, the mechanisms of national law should apply. Section XX of the Criminal Code of Ukraine provides for liability for criminal offenses against peace, security of mankind and international law and order. Central to it is such a crime as violation of the laws and customs of war (Article 438 of the Criminal Code of Ukraine), which is the basis for putting to justice war criminals here and now, as they came under the jurisdiction of Ukraine. Chapter XX also includes a wide range of other corpus delicti, such as propaganda of war (Article 436 of the Criminal Code of Ukraine) or planning, preparation, resolution and conduct of aggressive war (Article 437 of the Criminal Code of Ukraine). From a legal point of view, this is an opportunity to involve any serviceman, the military-political leadership of Russia and civilians in general, who played a role in the aggression against Ukraine. However, precisely because of the limited physical access to these individuals, as well as possible allegations of political persecution, there are international mechanisms for investigating these crimes. Currently the Office of the Attorney General uses national criminal procedural legislation for the detention of prisoners of war, i.e. combatants under the "law of Geneva” (these persons are charged with encroachment on the territorial integrity of Ukraine (Article 110 of the Criminal Code) and illegal smuggling of persons across the state border (Article 332 of the Criminal Code)). At the same time, after the end of the war (or before it in the process of exchange), these people will most likely be extradited to Russia and will not bear individual responsibility here in Ukraine, as they obeyed the orders of the aggressor state’s armed forces. Although it all depends on how the peace treaty will be concluded and what it will proclaim. Finally, among these prisoners of war are those who committed war crimes and who can be prosecuted here, i.e. not extradited in any way, given the principle of extraterritoriality of criminal law (Article 6 of the Criminal Code of Ukraine). The same applies to members of the sabotage–intelligence groups, some of whom are citizens of the Russian Federation, and who are accused of encroaching on the territorial integrity and sovereignty of Ukraine (Article 110 of the Criminal Code of Ukraine) and sabotage (Article 113 of the Criminal Code of Ukraine). After the end of the war, they can be held accountable under Ukrainian law and serve their sentences in our country. So, let’s summarize: Ukraine appealed to the UN International Court of Justice (ICJ) concerning distortion of notion of genocide by Russia to justify war, as well as to plan the genocide of Ukrainians (based on the 1949 Genocide Prevention Convention); the Prosecutor of the International Criminal Court (ICC) independently initiated proceedings on war crimes of Russian servicemen (based on the appeal to the ICC in 2015 to recognize the jurisdiction of the Court); The ECtHR requires the Russian government to refrain from attacks on civilians (based on Rule 39 of the Rules of Court); Ukraine, within its universal jurisdiction, communicates with other countries that are already investigating Russia’s military aggression, such as Italy, Lithuania, Poland, the English and Welsh prosecutors’ offices; The UN Human Rights Council has established an international commission to investigate war crimes committed by Russian servicemen and violations of international humanitarian law, whose prosecutors are preparing evidence that can be used in all international and national jurisdictions; At the national level, Ukraine is investigating the war and other crimes of combatants involved in the war by Russia. Quelle: Yevhen Krapivin, Center for Policy and Legal Reforms, Reanimation Package of Reforms Website, 09.03.2022, Externer Link: https://rpr.org.ua/en/news/ukraine-mobilizes-international-law-ways-to-punish-russia-for-aggression-and-more/.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2022-07-28T00:00:00"
"2022-07-25T00:00:00"
"2022-07-28T00:00:00"
https://www.bpb.de/themen/europa/ukraine-analysen/nr-272/511104/dokumentation-ukraine-mobilizes-international-law-ways-to-punish-russia-for-aggression-and-more/
Yevhen Krapivin vom ukrainischen Center for Policy and Legal Reforms über Perspektiven juristischer Sanktionen im Kontext der russischen Aggression gegen die Ukraine.
[ "Ukraine", "Ukraine", "Ukraine", "Russlands Angriffskrieg 2022", "Rechtssystem", "Menschenrechte" ]
30,737
Flutlicht: Migration | Presse | bpb.de
In der Doppelausgabe für Juli und August dreht sich bei fluter.de alles um das Thema Migration. Wie sieht es zum Beispiel in einem Flüchtlingslager aus? Diese Frage beantwortet eine Fotodokumentation. Ein Mitarbeiter von Amnesty International erklärt, wie einige Regierungen mit Flüchtlingen umgehen. Der Beitrag "Nichts wie raus!" beschreibt die Wünsche und den Alltag von neuen deutschen Migranten. fluter.de stellt außerdem ein Museum für Migration vor. Eine junge Roma berichtet über die Geschichte ihres Volkes. Um das Leben in einem anderen Land geht es in dem Essay "Memleket heißt Heimat – Wie lange fühlt man sich fremd?" Migranten mischen auch in der Musikszene erfolgreich mit, das sieht man nicht nur in England und Frankreich. Dort sind es zum Beispiel Songs mit indischen und afrikanischen Einflüssen, die in die Charts einsteigen. Wie es hierzulande mit solchen Einflüssen aussieht, beleuchtet der Artikel "Turkish Delight und Asian Underground". Weiteres Highlight: Die Videodokumentation "Wo ist zu Hause?" Junge Migranten berichten in der vierteiligen Doku von ihrem Alltag, beschreiben wie es ist, von Behörde zu Behörde zu laufen und erzählen von ihren Träumen und Ängsten. In der Rubrik Heimkino werden Kurzfilme berühmter europäischer Regisseure vorgestellt. Die Filmemacher haben sich zu einem länderübergreifenden Gemeinschaftsprojekt zusammen getan. Der deutsch-türkische Erfolgsregisseur Fatih Akin denkt im Interview über die Leidenschaft, Filme zu machen nach. In der Rubrik Lesen präsentiert fluter.de noch einen weiteren Star, den Schauspieler Benno Fürmann. Er erzählt über das Buch, das er zuletzt gelesen hat: "Schuld und Sühne" von Fjodor Dostojewski. Jörg Fausers jetzt wieder neu aufgelegter Roman "Rohstoff" ist das Buch des Monats. In seinem autobiografischen Werk schreibt der 1987 verstorbene Autor von seinem Alter Ego Harry Gelb und seinem Leben in den Kommunen von Berlin. Mit "Remix II" von Benjamin von Stuckrad-Barre und dem Comic "Die Katze des Rabbiners" von Joann Sfar stellt fluter.de weiteren Lesestoff vor. fluter.de ist das Jugendmagazin der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb und erscheint täglich mit aktuellen Artikeln zu zehn ausgesuchten Themenschwerpunkten im Jahr. Pressekontakt Bundeszentrale für politische Bildung Swantje Schütz Adenauerallee 86 53113 Bonn Tel.: +49 228 99515-284 Fax: +49 228 99515-293 E-Mail: E-Mail Link: schuetz@bpb.de
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2021-06-23T00:00:00"
"2011-12-23T00:00:00"
"2021-06-23T00:00:00"
https://www.bpb.de/die-bpb/presse/pressemitteilungen/50810/flutlicht-migration/
Welche Zustände herrschen in einem Flüchtlingslager? Wie lebt man in einem anderen Land? In der neuesten Ausgabe von fluter.de dreht sich alles um das Thema Migration.
[ "Unbekannt (5273)" ]
30,738
Aktion, Reaktion und Gegenreaktion im „Schlüsseljahr“ 1952 | Deutschland Archiv | bpb.de
„Die 650 Kilometer lange Zonengrenze von der Ostsee bis nach Bayern wurde im Rahmen sogenannter Schutzmaßnahmen auf sowjetzonaler Seite durch einen fünf Kilometer tiefen Sperrgürtel in eine echte Staatsgrenze umgewandelt,“ wusste die Hannoversche Presse Ende Mai 1952 zu berichten Obwohl DDR und Bundesrepublik staatsrechtlich bereits 1949 aus der Taufe gehoben worden waren, zeigt der kleine Ausschnitt aus der Berichterstattung doch sehr plakativ, wie man die Grenzsicherung der Ulbricht-Regierung vom 27. Mai 1952 in Westdeutschland aufnahm: Wenn aus einer Zonengrenze eine Staatsgrenze wird, ist dies ein deutliches Indiz dafür, dass sich auch die Existenz von zwei deutschen Staaten in den Köpfen festsetzte – ungeachtet des beiderseits der Grenze weiterhin propagierten Alleinvertretungsanspruchs. Schon auf den ersten Blick war das Jahr 1952 gespickt mit politisch bedeutungsvollen Vorkommnissen: Neben der militärischen Befestigung der Grenze durch die DDR hatten etwa die Diskussion um die sogenannten Stalinnoten im Frühjahr und der Abschluss des in der Bundesrepublik so bezeichneten Deutschlandvertrages mit den Westalliierten eine große Bedeutung. Speziell für die DDR waren gleichermaßen wichtige Weichenstellungen die 2. SED-Parteikonferenz im Juli 1952 als Auftakt des „planmäßigen Aufbaus des Sozialismus“, die Aufstellung der Kasernierten Volkspolizei sowie die Abschaffung der föderalen Strukturen: 1952 treten in der DDR an die Stelle der bisherigen fünf Länder (links) 14 Verwaltungsbezirke (rechts) mit je einem Bezirkstag als dem obersten Organ der Staatsgewalt und einem "Rat des Bezirks" als vollziehendem und verfügendem Organ an der Spitze. (© picture-alliance/dpa) Aus Ostberlin und den fünf Ländern wurden 14 zentralistisch geführte Bezirke neuen Zuschnitts. Der zweite Blick auf die genannten Begebenheiten offenbart indes, dass diese sämtlich im Zusammenhang mit der Verfestigung staatlicher Strukturen und der Einbindung beider Teile Deutschlands in den östlichen und westlichen Machtbereich standen. Das „Schlüsseljahr“ 1952 ist mithin einzubetten in die Entstehungsgeschichte der bipolaren Weltordnung des Kalten Krieges und den schrittweisen Fortgang der „Doppelten Staatsgründung“ (Christoph Kleßmann) ab etwa 1947. Dies gilt zu weiten Teilen auch für die Abwanderungsbewegung von Ost- nach Westdeutschland. Durch den Mauerbau und die endgültige Abriegelung der DDR-Westgrenze 1961 kam die Massenabwanderung aus der DDR zum Erliegen, die bis dahin einer der sichtbarsten Ausdrücke der Verflechtung beider deutscher Staaten, aber auch der deutsch-deutschen Systemkonkurrenz war. In besonderer Weise offenbarten sich die temporär unterschiedliche Intensität, aber auch die Hintergründe der innerdeutschen Ost-West-Migration in den Aufnahmeeinrichtungen des Bundes: In den Aufnahmelagern Uelzen-Bohldamm und Gießen – ab 1953 auch Berlin-Marienfelde – wurde die deutsche Spaltung bereits vor der Grenzschließung deutlich sichtbar. Dort wurde gewissermaßen die „Abstimmung mit den Füßen“ ausgezählt. Allerdings hatten die Ankommenden entsprechend den Normen des Gesetzes über die Notaufnahme von Deutschen in das Bundesgebiet, kurz Notaufnahmegesetz, darzulegen, dass sie aufgrund politischer Verfolgung die DDR verlassen hatten. Mit Blick auf das Jahr 1952 stellt sich fast unweigerlich die Frage, welche Bedeutung der Grenzschließung und den anderen Geschehnissen des Jahres für die deutsch-deutsche Migrationsbewegung innewohnte und welche Folgen sie für die Notaufnahmelager hatte, hier dargestellt am Beispiel des Lagers Uelzen-Bohldamm im Norden Niedersachsens. Das Lager Uelzen und die westdeutsche DDR-Zuwanderungspolitik bis 1952 Das Notaufnahmegesetz war das Ergebnis einer längeren Entwicklung, die sich parallel zur Gründung der Bonner Republik ab etwa 1947 vollzog und die in ihren Anfängen auf das Engste verbunden war mit dem Notaufnahmelager Uelzen-Bohldamm. Dieses war in der britischen Besatzungszone unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg als Durchgangslager für Vertriebene aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten errichtet worden. Doch mussten sich dort abseits der organisierten Transporte auch diejenigen registrieren lassen, die allein oder in kleineren Gruppen die Demarkationslinie zur Britischen Besatzungszone von Osten her überschritten. Im Frühjahr 1947 waren dies immer weniger Ost-Vertriebene, sondern vielmehr Menschen aus der sowjetischen Besatzungszone (SBZ) oder solche, die dort für einige Zeit gelebt hatten. Lenkten nach 1961 vor allem die spektakulären, mitunter tragischen Fluchtversuche das öffentliche Interesse auf die Berliner Mauer und den sogenannten Eisernen Vorhang, hatte die Flucht- und Abwanderungsbewegung aus der SBZ beziehungsweise DDR ihren Anfang denkbar unauffällig genommen. Auch die niedersächsischen Flüchtlingsbehörden wurden ein Stück weit von der Veränderung innerhalb der in Uelzen ankommenden Menschengruppen überrascht, obwohl erwartbar war, dass die ab Ende 1946 erkennbaren deutschlandpolitischen Gegensätze von Sowjetunion und Westalliierten nicht folgenlos bleiben würden – stand doch bereits zu diesem Zeitpunkt das autoritäre und rustikale Vorgehen von Sowjetischer Militäradministration und SED bei der Durchsetzung ihrer Vorstellungen im Gegensatz zu den größeren wirtschaftlichen und persönlichen Entfaltungsmöglichkeiten, die die US-Amerikaner, Briten und Franzosen den Menschen in Westdeutschland beließen. Exemplarisch für die ostdeutschen Maßnahmen können hier etwa die gewerblichen und landwirtschaftlichen Kollektivierungen sowie die Zwangsvereinigung von SPD und KPD zur SED genannt werden. Menschen im Gespräch vor Baracken im Flüchtlingslager Uelzen. (© Bundesregierung (Bundesarchiv), B 145 Bild-00005451) Westlich der Grenze wurden die Menschen aus der SBZ – und auch hier wieder ein Gegensatz zu der Zeit nach dem Mauerbau – keineswegs immer als Flüchtlinge gesehen, sondern häufig als zusätzliche Belastung für die ohnehin stark belasteten Wohnraum- und Nahrungsmittelkapazitäten. Verkürzt gesagt, entsprach die niedersächsische Reaktion einem Abwehrreflex, der auf die Situation in der SBZ rekurrierte und mithin das Grundschema festlegte, welchem alle späteren westdeutschen Regelungen in der SBZ/DDR-Zuwandererfrage folgen sollten. Der Erlass der niedersächsischen Staatskommissarin für das Flüchtlingswesen Martha Fuchs vom 6. Mai 1947 ordnete an, dass im Flüchtlingsdurchgangslager Uelzen-Bohldamm nur noch folgende Personengruppen aufgenommen werden sollten: „[E]chte Flüchtlinge, ehemalige DPs […], entlassene Kriegsgefangene […], politisch Verfolgte, die einen Nachweis hierfür erbringen können[, und] Personen, die im Besitze einer Zuzugsgenehmigung eines Ortes des Landes Niedersachsen sind.“ Zur Begründung und Rechtfertigung ihrer ablehnenden Haltung gegenüber den Landsleuten aus dem anderen Teil Deutschlands führten die niedersächsischen Politikerinnen und Politiker ins Feld, dass ein großer Teil der Ankommenden aus der SBZ „asozial, kriminell und arbeitsscheu“ sei – ein semantischer Dreiklang, der dem NS-Jargon entstammte. Vor allem der spätere Regierende Bürgermeister von Berlin Heinrich Albertz (SPD) ebnete dieser verunglimpfenden Sichtweise als niedersächsischer Flüchtlingsminister auch auf Bundesebene den Weg. Im Ergebnis knüpfte das Notaufnahmegesetz von 1950 die Aufenthaltserlaubnis ebenfalls an eine Gefährdungs- oder Verfolgungssituation und schränkte damit die durch Artikel 11 des Grundgesetzes eigentlich „allen Deutschen“ garantierte Freizügigkeit für DDR-Bürginnen und -Bürger ein. Das NAG legte in § 1 Absatz 2 entsprechend fest, dass die Erlaubnis für den Verbleib in der Bundesrepublik Personen nicht verweigert werden dürfe, „die wegen einer drohenden Gefahr für Leib und Leben, für die persönliche Freiheit oder aus sonstigen zwingenden Gründen die in Absatz 1 genannten Gebiete [SBZ und Ostberlin; d. Verf.] verlassen mußten“. Das Notaufnahmegesetz war dementsprechend nichts anderes als ein innerdeutsches Asylgesetz, mit dem die junge Bundesrepublik die Zuwanderung aus der DDR steuern und begrenzen wollte. So rigide das Motiv und so strikt der Klang der Normen dem ersten Anschein nach waren, drohte bei Zuwiderhandeln keine wirkliche Sanktion. Denn es wurde niemand in die SBZ oder DDR zurückgeschickt. Die britische Militärregierung hatte sich einem solchen Ansinnen der deutschen Politikerinnen und Politiker mit Verweis auf die sich „sowjetisierenden“ Verhältnisse östlich der Zonengrenze stets verweigert. Der Aufnahmebescheid war damit vor allem im administrativen Sinne von Vorteil für die Zuwandernden, was Wohnraumversorgung und Arbeitsvermittlung anbetraf. Doch abgesehen von dem im Gesetz festgeschriebenen Zweck hatte das Notaufnahmeverfahren zwei weitere Funktionen, die westdeutschen Regierungen und ihren nachgeordneten Behörden von Nutzen waren: Zum einen konnten die Geheimdienste die Zuwanderer und Zuwanderinnen als nicht versiegendes Informationsreservoir nutzen. Zum anderen aber wohnte dem Verfahren eine kaum zu überschätzende Symbolwirkung inne: Konnte die westdeutsche Politik doch mit dem Verweis auf die bloße Notwendigkeit eines Asylrechts für politisch Verfolgte aus dem anderen Teil Deutschlands die eigene moralische Überlegenheit in der deutsch-deutschen Systemkonkurrenz stetig untermauern. Diese „Nebenfunktionen“ avancierten spätestens ab Mitte der 1950er-Jahre zum Hauptzweck und Grund, das deutsch-deutsche Asylverfahren trotz eines veritablen Arbeitskräftebedarfs im westdeutschen „Wirtschaftswunder“ nicht komplett abzuschaffen. Die Grenzschließung vom 27. Mai 1952 in der „reaktiven Mechanik“ des Kalten Krieges Die Erschwernis der Abwanderung aus der DDR war in gleicher Weise nur ein Nebeneffekt der Grenzschließungsmaßnahmen vom 27. Mai 1952. Die DDR errichtete an der Grenze einen Stacheldrahtzaun und legte dahinter einen zehn Meter breiten „Kontrollstreifen“ an, aus dem die Vegetation weitgehend entfernt wurde. Daran schloss sich ein 500 Meter breiter „Schutzstreifen“ an, dessen Betreten grundsätzlich verboten war. Aus der abschließenden, fünf Kilometer breiten „Sperrzone“ wurden schließlich im Rahmen der sogenannten „Aktion Ungeziefer“ unmittelbar alle Personen ausgewiesen, die die DDR-Behörden als politisch „unzuverlässig“ einstuften. Richtete sich der Mauerbau 1961 eindeutig gegen einen weiteren „Braindrain“ gut ausgebildeter Menschen, ist die Grenzschließung einzubetten in den eingangs beschriebenen außenpolitischen Kontext. Sie steht unmittelbar im Zusammenhang mit dem sogenannten Deutschlandvertrag, den die Bundesrepublik einen Tag zuvor am 26. Mai 1952 mit den drei Westalliierten schloss. Der Vertrag gab der Bundesrepublik zumindest in Teilen die staatliche Souveränität zurück. Auch die Wiederbewaffnung im Rahmen der später nicht umgesetzten Europäischen Verteidigungsgemeinschaft wurde mit dem Vertragsschluss ermöglicht. Zweifelsohne war die Grenzschließung einen Tag nach der Vertragsunterzeichnung keine spontane Reaktion von DDR und Sowjetunion, sondern von langer Hand vorbereitet, hatte sich doch die Einbindung der Bundesrepublik in den westlichen Machtbereich bereits langfristig angekündigt. So nimmt auch eine Verordnung, die die Grenzschließung zeitgleich flankierte, direkt Bezug auf den propagandistisch so bezeichneten „Generalkriegsvertrag“ und weist die Verantwortung für die weitere Verfestigung der deutschen Teilung dem Westen zu: „In Befolgung ihrer Kriegspolitik haben die Bonner Regierung und die westlichen Besatzungsmächte an der Demarkationslinie einen strengen Grenz- und Zolldienst eingeführt, um sich von der Deutschen Demokratischen Republik abzugrenzen und dadurch die Spaltung Deutschlands zu vertiefen.“ Der „reaktiven Mechanik des Kalten Krieges“ folgend musste auf die feierliche Vertragsunterzeichnung fast zwangsweise die öffentlichkeitswirksame Grenzschließung folgen. Das Lager Uelzen und die „Sperrzonenflüchtlinge“ Im Rahmen der Aktion „Ungeziefer“ hatten die DDR-Behörden bis Mitte Juni 1952 etwa 8.300 Menschen aus ihrem sozialen Umfeld gerissen und anderweitig angesiedelt. 4.500 sogenannte „Sperrzonenflüchtlinge“ verließen im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit den Grenzschließungsmaßnahmen die DDR. Für viele kam die neue Situation vollkommen überraschend, sodass sie sprichwörtlich „alles stehen und liegen ließen“ und ohne jegliches Gepäck, häufig in Arbeitskleidung, über die sich schließende Grenze nach Westen flohen. Das ostdeutsche Regime maß der spontanen Flucht wenig Bedeutung bei. Teils wurde die Abwanderung der Unzufriedenen sogar als Erleichterung empfunden. Dementgegen fiel die Reaktion in Westdeutschland deutlich aufgeregter aus. Am 18. Juni 1952 beschäftigte sich der Bundestag mit der Grenzschließung und ihren Auswirkungen für die westdeutschen Grenzgebiete, vor allem aber mit den „Sperrzonenflüchtlingen“, für deren lagermäßige Unterbringung schließlich insgesamt 30 Millionen D-Mark bewilligt wurden. In Niedersachsen stand zur Aufnahme neben dem Lager Uelzen-Bohldamm zusätzlich auch das eigentlich für Kriegsheimkehrer sowie Aussiedlerinnen und Aussiedler vorgesehene Lager Friedland zur Verfügung. Bis Mitte Juni 1952 erhielten in beiden Lagern zwischen 1.600 und 2.000 Menschen ihren Aufnahmebescheid – zumeist aus „zwingenden Gründen“. Obwohl Niedersachsen eigentlich nach der bundesweiten Verteilung anhand des „Uelzener Schlüssels“ von Einweisungen befreit war, erklärte sich das Land bereit, „Sperrzonenflüchtlinge“ zu übernehmen. Denn nach Möglichkeit wurde deren Unterbringung in der Nähe des alten Heimatortes angestrebt. Bricht man die „reaktive Mechanik des Kalten Krieges“ auf die innerdeutsche Ebene herunter, ist davon auszugehen, dass bundesdeutsche Politikerinnen und Politiker aus einer gewissen Staatsraison heraus reagierten. Doch ist darüber hinaus auch davon auszugehen, dass die öffentliche Meinung der Politik den Weg einer unbürokratischen Hilfe und Flüchtlingsaufnahme vorzeichnete. Exemplarisch kann hier ein Artikel aus der Wochenzeitung Die Zeit herangezogen werden, der rund zwei Wochen nach der Grenzschließung erschien. Im Telegrammstil informierte der Autor Dieter Beste seine Leserschaft zunächst über die politisch-gesellschaftlichen Entwicklungen, die die stärkere Befestigung der deutsch-deutschen Grenze durch die DDR Ende Mai 1952 nach sich gezogen hatte: „Sämtliche Grenzen zur Bundesrepublik und nach Westberlin sind hermetisch abgeschlossen worden. Trotzdem versuchen zahllose Bewohner der Sowjetzone in die Bundesrepublik zu gelangen. Einer der entscheidenden Gründe für die Flucht sind die Stellungsbefehle für junge Deutsche, die in der Volkspolizei Dienst tun sollen. Die Mehrzahl der in Berlin nach Westen einströmenden Menschen besteht aus jungen Männern. Dort allein sind es bisher täglich über 200. Diesem Ansturm stehen aber westdeutsche Gesetze entgegen, nach denen nur jenen Hilfssuchenden Asyl gewährt wird, die nachweisen können, daß sie für Ihr Leben und ihre Freiheit zu fürchten haben.“ Klingen die ersten Zeilen noch nach einer nüchternen Schilderung des Zeitgeschehens, wird im letzten Satz ein kritischer Unterton vernehmbar. Der Autor nannte nicht nur die Maßnahmen des SED-Regimes in einem Atemzug mit der westdeutschen Asylgesetzgebung für DDR-Zuwanderer, sondern machte das Notaufnahmegesetz zum Hauptzielpunkt seiner Kritik. Unter dem Titel „Grenzen auf!“ hielt er ein engagiertes Plädoyer für eine pragmatische Anwendung der westdeutschen Aufnahmeregeln, wie es schließlich kurz darauf auch geschah. „Schlupfloch“ Berlin Der Zeit-Artikel verwies über die Kritik am Notaufnahmeverfahren hinaus noch auf eine weitere Entwicklung, die Folge der Grenzschließung war und die deutsch-deutsche Migration in den Folgejahren bestimmen sollte: die weitgehende Verlagerung der Abwanderung von der ehemaligen Zonengrenze auf die Sektorengrenze zwischen Ost- und Westberlin, das nunmehr zum „Schlupfloch“ oder gar zu einer „Insel der Hoffnung“ für die Abwanderungswilligen aus Ostdeutschland wurde. Die Absperrung der Grenze war keineswegs so hermetisch, wie der Zeitungsausschnitt glauben machen wollte. Die ehemalige Demarkationslinie war aber auch keine „grüne Grenze“ mehr, deren Überquerung problemlos möglich war. Mit einer Abwanderung über Westberlin hingegen konnte das Risiko einer drohenden Verhaftung zumindest stark verringert werden. Zwar war Westberlin auch schon vor Mai 1952 das Ziel von rund der Hälfte der Abwandernden gewesen. Doch bildete sich ein veritables Missverhältnis erst aufgrund der Grenzsperrung heraus. In der zweiten Jahreshälfte 1952 wurden etwa 90.000 Anträge in Berlin und nur noch rund 20.000 zusammen in Uelzen und Gießen gestellt. Der „Strom“ – so eine häufige zeitgenössische Metapher – wandelte sich mehr und mehr zu einem „Rinnsal“. Zur Lösung des Problems wurden verschiedene Szenarien durchgespielt, die allerdings jeweils deutliche Schwachpunkte aufwiesen. Einerseits wurde eine Erhöhung der Aufnahmequote im Westberliner Notaufnahmeverfahren ins Spiel gebracht. Aufgenommene konnten, im Gegensatz zu Abgelehnten, im Rahmen der föderalen Verteilungsquoten ausgeflogen werden. Dies hätte die Halbstadt am meisten entlastet, aber die Länder der Bundesrepublik in eine höhere Übernahmeverpflichtung gebracht und das Problem nur verlagert. Auch die zweite Überlegung, Abgelehnte oder ungeprüfte Personen zur Durchführung des Notaufnahmeverfahrens nach Uelzen oder Gießen auszufliegen, wurde schnell wieder verworfen. Aufseiten westdeutscher Politikerinnen und Politiker wog hierbei am schwersten, dass sich weitere Menschen in der DDR ermuntert hätten sehen können, ihre Abwanderungspläne nun in die Tat umzusetzen – zumal eine Rückführung von Abgelehnten ja nicht stattfand. In der Argumentation wurde der Ausflug mit einer vorgezogenen Aufnahmeentscheidung gleichgesetzt. Letztlich hatten auch die Alliierten kein Interesse an dieser Verlegung des Aufnahmeverfahrens, da ihre geheimdienstlichen Apparate in der Halbstadt weitaus besser ausgestattet waren als in Gießen oder Uelzen. Ein Kompromiss sah schließlich Anfang 1953 vor, dass Berlin außerhalb der eigentlichen Verteilungsquote monatlich weitere 10.000 Aufgenommene ins Bundesgebiet ausfliegen durften und so kaum noch DDR-Flüchtlinge in der geteilten Stadt verblieben. Im Februar 1953 wurde schließlich der monatliche Ausflug aus Westberlin auf 30.000 dort Aufgenommene festgesetzt und zeitgleich unter dem Dach des Bundesvertriebenenministeriums eine zentrale Stelle für die Verteilung der Zuwanderinnen und Zuwanderer auf die Länder eingerichtet. Einzig bei jugendlichen Zuwanderern unter 25 Jahren kam es 1953 zu einem Ausflug von gänzlich ungeprüften Personen – anfangs sogar noch inoffiziell. Nachdem Mitte der 1950er-Jahre das DDR-Regime die Absperrung der deutsch-deutschen Grenze etwas gelockert hatte, überquerte mehr als die Hälfte der Zuwanderer wieder direkt die deutsch-deutsche Grenze zwischen Ostsee und Erzgebirge. Zu einer stärkeren Verlagerung der DDR-Abwanderung nach Westberlin kam es erst wieder ab 1957, als das SED-Regime die „Republikflucht“ und den Versuch zu dieser zu einem Straftatbestand erklärte. Obwohl die Ostberliner Sicherheitskräfte fluchtverdächtige Personen kontrollierten – etwa solche, die mit besonders viel Gepäck reisten –, waren innerhalb der Viermächte-Stadt die Verbindungswege zwischen dem Ost- und Westteil der Stadt noch vergleichsweise gut passierbar. Im Ergebnis nahm die zahlenmäßige Flüchtlingsbelegung in Westberlin zwar wieder wesentlich zu, belastete die Stadt allerdings deutlich weniger als noch 1952/53. Die Berliner Notaufnahmeeinrichtungen verfügten im Spätsommer 1958 inklusive des 1953 eingeweihten großen Notaufnahmelagers in Berlin-Marienfelde über eine Kapazität von 8.000 Personen. 1953 hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass jeder Antragsteller aufgenommen werden müsse, der eine „ausreichende Lebensgrundlage“ in der Bundesrepublik vorweisen könne. Entsprechend lagen die Aufnahmequoten im Westberliner Verfahren mittlerweile konstant bei 90 Prozent. Ein Rückstau von Abgelehnten entstand nicht. Darüber hinaus waren nun auch die Befragungsstellen der Alliierten in den westdeutschen Aufnahmelagern erweitert worden, sodass westdeutsche Politikerinnen und Politiker einen Sofortabflug von nicht-geprüften Zuwanderern weniger kritisch sahen. Dieser Einstellungswandel zeigte sich zuletzt auch darin, dass aus dem Zuwandererabflug aus Berlin kein Geheimnis mehr gemacht wurde. Vielmehr wurde dieser öffentlichkeitswirksam ausgenutzt, um auf die Missstände in Ostdeutschland verweisen zu können. Zu diesem Zweck stattete etwa auch der Bundesminister für Gesamtdeutsche Fragen Ernst Lemmer (CDU) den Berliner Flüchtlingslagern einen Besuch ab. Ungeachtet der historischen Dynamik zwischen 1952 und 1958 – erwähnt sei hier nur der Volksaufstand vom 17. Juni 1953 – offenbarte sich in der unterschiedlichen Handhabung des Berlinabflugs abermals die Bedeutung des „Schlüsseljahres“ 1952 für die deutsch-deutsche Binnenmigration. Die überwiegende Verlagerung der Abwanderung in die geteilte Stadt rückte die Problematik in den medialen Fokus der deutschen, wenn nicht gar der Weltöffentlichkeit. War noch vor 1952/53 die Abwehr zusätzlicher Zuwanderung aus der DDR das Hauptziel westdeutscher Politik gewesen, wurden ab 1952 die Nebenfunktionen des Notaufnahmegesetzes zunehmend wichtiger. Die Sogwirkung auf weitere Zuwanderungswillige spielte 1958 kaum noch eine Rolle, die bestmögliche geheimdienstliche Informationsabschöpfung aber sehr wohl. Zuletzt wurde – nahezu umgekehrt proportional – die politische Symbolwirkung des Notaufnahmeverfahrens immer wichtiger. Dies lässt sich auch am Umgang mit dem Notaufnahmelager Uelzen-Bohldamm ablesen. Die in Uelzen Ankommenden aus der DDR, die noch Ende der 1940er-Jahre – gar verleumdet als „asozial, kriminell und arbeitsscheu“ – zu großen Teilen keinen Aufnahmebescheid erhielten, sollten nun einen möglichst günstigen ersten Eindruck von der Bundesrepublik erhalten. So wurde in Bonn ersonnen, die Einrichtung offiziell gar als ein einladendes „Schaufenster zur Bundesrepublik“ herzurichten. Die Grenzschließung vom Mai 1952 war keineswegs der alleinige Grund für diesen Paradigmenwechsel. Doch gab sie den westdeutschen Akteurinnen und Akteuren einen guten Grund von ihrer bisher strikt gehandhabten Zuwanderungspolitik langsam abzurücken und diese den neuen Gegebenheiten anzupassen. Dies wurde durch den Volksaufstand vom 17. Juni 1953 und das erwähnte Urteil des Bundesverfassungsgerichts im gleichen Jahr noch verstärkt. Entscheidend war aber auch, dass mit der Umwandlung der Demarkationslinie in eine Staatsgrenze der Status Quo in der deutschen Frage fürs Erste geklärt war. Mehr zum Thema von Arne Hoffrichter: Interner Link: Asylrecht nicht nur für Ausländer - Das Notaufnahmelager Uelzen-Bohldamm und die Zuwanderung aus SBZ und DDR vor dem Mauerbau >> Zitierweise: Arne Hoffrichter, Aktion, Reaktion und Gegenreaktion im „Schlüsseljahr“ 1952 - Westdeutsche DDR-Zuwanderungspolitik in der deutsch-deutschen Systemkonkurrenz, in: Deutschland Archiv Online, 23.11.2022, Link: http://www.bpb.de/515590. 1952 treten in der DDR an die Stelle der bisherigen fünf Länder (links) 14 Verwaltungsbezirke (rechts) mit je einem Bezirkstag als dem obersten Organ der Staatsgewalt und einem "Rat des Bezirks" als vollziehendem und verfügendem Organ an der Spitze. (© picture-alliance/dpa) Menschen im Gespräch vor Baracken im Flüchtlingslager Uelzen. (© Bundesregierung (Bundesarchiv), B 145 Bild-00005451) Auf Grenzübertritt steht die Todesstrafe, in: Hannoversche Presse, 30.05.1952. Die Berichterstattung setzte in Westdeutschland mit leichter Verzögerung ein, da aufgrund eines Druckerstreiks am 28. und 29. Mai 1952 keine Tageszeitungen erschienen. Zur Entstehung des Alleinvertretungsanspruchs vgl. Arne Hoffrichter, Einheitsrhetorik und Teilungspolitik in West und Ost. Zur Rechtfertigung der deutschen Teilung im Prozess der doppelten Staatsgründung, in: Deutschland Archiv, 20.9.2019, www.bpb.de/297414. Vgl. hierzu etwa Falco Werkentin, Einleitung, in: ders. (Hg.), Der Aufbau der „Grundlagen des Sozialismus“ in der DDR 1952/53, Berlin 2007, S. 4-11. Vgl. hierzu insgesamt Christoph Kleßmann, Die doppelte Staatsgründung. Deutsche Geschichte 1945-1955, 5. Aufl., Göttingen 1991; John Lewis Gaddis, Der Kalte Krieg: Eine neue Geschichte, München 2008. Vgl. hierzu Arne Hoffrichter, Verwaltung, Politik, Geheimdienste. Das Notaufnahmelager Uelzen-Bohldamm im Prozess der Zuwanderung aus SBZ und DDR (1945–1963), Göttingen 2018. Hermann Weber, Die DDR 1945-1990, 5. Aufl., München 2012, S. 12-17. Erlass des Niedersächsischen Staatskommissars für das Flüchtlingswesen, 6.5.1947, Niedersächsisches Landesarchiv Hannover (NLA HA) Nds. 380 Acc. 62a/65, Nr. 409; (Die offizielle Amtsbezeichnung existierte nur in der männlichen Form.) Vgl. Hoffrichter, Verwaltung, Politik, Geheimdienste, (Anm. 5), S. 83-100; grundlegend: Volker Ackermann, Der „echte“ Flüchtling. Deutsche Vertriebene und Flüchtlinge aus der DDR 1945-1961, Osnabrück 1995. Der Gesetzestext ist abgedruckt in: Bundesgesetzblatt I, Nr. 36/1950, 26. 8. 1950, S. 367 f. Vgl. etwa Keith R. Allen, Interrogation Nation. Refugees and Spies in Cold War Germany, New York/London 2017; Hoffrichter, Verwaltung, Politik, Geheimdienste, (Anm. 5), S. 289-351. Zur politischen Symbolik des Notaufnahmeverfahrens vgl. Helge Heidemeyer, Das Notaufnahmeverfahren für die Zuwanderer aus der SBZ/DDR 1945/49-1961, in: Jochen Oltmer (Hg.), Migration steuern und verwalten, Göttingen 2003, S. 323-341 Vgl. Peter Joachim Lapp, Grenzregime der DDR, Aachen 2013, S. 23-26. Vgl. Damian van Melis/Henrik Bispinck (Hg.), „Republikflucht“. Flucht und Abwanderung aus der SBZ/DDR 1945 bis 1961, München 2006, S. 35. Offiziell hieß das Abkommen „Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten“. Vgl. hierzu Josef Foschepoth, Überwachtes Deutschland. Post- und Telefonüberwachung in der alten Bundesrepublik, Göttingen u. a. 2012. Verordnung über Maßnahmen an der Demarkationslinie zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und den westlichen Besatzungszonen Deutschlands, 26.5.1952, abgedr, bei van Melis/Bispinck, „Republikflucht“, (Anm. 13), Dok. 2, S. 137-139. Kleßmann, Doppelte Staatsgründung, (Anm. 4), S. 177-185. van Melis/Bispinck, „Republikflucht“, (Anm. 13), S. 37. Ebd., S. 43. Bundestag, Stenographische Berichte (BT, StenBer), 1. WP, 219.Sitzung, 18.6.1952. Bundesarchiv Koblenz, (BArch) B150, Nr. 4116/1, Besprechungsprotokoll Bundesvertriebenenministerium mit Vertretern der Landesflüchtlingsverwaltungen und den Leitern der Notaufnahmeverfahren, 17.6.1952. Vgl. Helge Heidemeyer, Flucht und Zuwanderung aus der SBZ/DDR 1945/1949-1961. Die Flüchtlingspolitik der Bundesrepublik Deutschland bis zum Bau der Berliner Mauer, Düsseldorf 1994, S. 134; Hoffrichter, Verwaltung, Politik, Geheimdienste, (Anm. 5), S. 242-243. Dieter Beste, Die Grenzen auf!, in: Die Zeit Nr. 24, 12.6.1952. Vgl. hierzu etwa den Berliner „Imagefilm“ zum Notaufnahmeverfahren von 1953 auf der Homepage des Hauses der Geschichte Bonn: LeMO Video Notaufnahmelager Marienfelde (hdg.de). Vgl. etwa: Ständig mehr Flüchtlinge nach Berlin, in: Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), 20.8.1952. BT, StenBer, 1.WP, 246. Sitzung, 22.1.1953, S.11718; Hoffrichter, Verwaltung, Politik, Geheimdienste, (Anm. 5), S. 244. Vgl. zur Verlagerung der DDR-Abwanderung nach Berlin und den sich daraus ergebenden Problemen Hoffrichter, Verwaltung, Politik, Geheimdienste, (Anm. 5), S. 243-248; Heidemeyer, Flucht und Zuwanderung, (Anm. 21), S. 134-136. Vgl. Hoffrichter, Verwaltung, Politik, Geheimdienste, (Anm. 5), S. 247. Vgl. Van Melis/Bispinck, „Republikflucht“, (Anm. 13), S. 48-49, 57. Zum Text des „Gesetzes zur Änderung des Paßgesetzes der DDR“ v. 11.12.1957 vgl. ebd., Dok. 8, S. 148. Vgl. etwa: Berlin von Flüchtlingen überschwemmt, in: FAZ, 3.9.1958. Vgl. zum Zuwandererabflug 1958 Hoffrichter, Verwaltung, Politik, Geheimdienste, (Anm. 5), S. 248-249 Das zentrale Notaufnahmelager Berlin-Marienfelde war keine Reaktion des Westberliner Magistrats auf die Grenzschließung 1952 gewesen, sondern bereits ab Februar 1952 in der Planung. Katja Augustin, Im Vorzimmer des Westens. Das Notaufnahmelager Marienfelde, in: Bettina Effner/Helge Heidemeyer (Hg.), Flucht im geteilten Deutschland. Erinnerungsstätte Notaufnahmelager Marienfelde, Berlin 2005, S. 135-151, hier S. 139. Beschluß vom 7.5.1953, in: Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts 2, S. 266-287. Lemmer sucht Berliner Flüchtlingslager auf, in: FAZ, 4.9.1958. Erstmal ist diese Bezeichnung vermutlich im Bundestagsunterausschuss Notaufnahme im Juni 1952 so gefallen. Hoffrichter, Verwaltung, Politik, Geheimdienste, (Anm. 5), S. 258.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2023-07-31T00:00:00"
"2022-11-23T00:00:00"
"2023-07-31T00:00:00"
https://www.bpb.de/themen/deutschlandarchiv/515590/aktion-reaktion-und-gegenreaktion-im-schluesseljahr-1952/
Die doppelte Staatsgründung von DDR und Bundesrepublik war keineswegs 1949 abgeschlossen. Das lässt sich anhand der westdeutschen Maßnahmen in Folge der DDR-Grenzschließung vor 70 Jahren nachzeichnen.
[ "DDR-Grenzregime", "innerdeutsche Grenze", "Flucht aus der DDR" ]
30,739
Die "Wunde Arbeitslosigkeit": Junge Ostdeutsche, Jg. 1973 | Arbeitslosigkeit: Psychosoziale Folgen | bpb.de
Einleitung Die "Arbeitslosigkeit ist die größte Wunde der Gesellschaft. Wie viel Hoffnungen, wie viel Lebensmut werden hier zerstört! Wie viel guter Wille, wie viel Leistungsbereitschaft bleiben hier ungenutzt! Wie groß und wie weitverbreitet ist das Gefühl, nicht gebraucht zu werden, ja wertlos zu sein! Keine Aussicht auf Arbeit und Beschäftigung zu haben: Das kann jedes Vertrauen in die Zukunft zerstören - in die eigene und in dieder Gesellschaft." (Bundespräsident Johannes Rau, 12.5. 2004) Die Bundesanstalt für Arbeit berichtete in den vergangenen Monaten stets über eine deutliche Abnahme der Arbeitslosenzahlen in Deutschland. Aktuell (August 2008) sind immernoch 3.195.740 Menschen arbeitslos (8,6 %). In Westdeutschland ist die Arbeitslosenquote (7,1 %, 2.108.898 Personen) jedoch deutlich niedriger als in den ostdeutschen Bundesländern (14,2 %, 1.086.842 Personen). Die eindeutig negativen sozialen, psychischen und anderen Folgen von Arbeitslosigkeit sind gut untersucht. Nahezu alle Studien belegen, dass Zeiten von Arbeitslosigkeit die körperliche und vor allem die seelische Gesundheit nachhaltig negativ beeinflussen. Die psychischen Folgen nehmen mit der Dauer der Arbeitslosigkeit zu, das heißt Langzeitarbeitslose sind meist stärker belastet. Männer, jüngere Personen oder Personen mit niedrigerem sozialen und beruflichen Status leiden meist mehr unter den Folgen von Arbeitslosigkeit. Trotz der Fülle vorliegender Forschungsergebnisse zum Thema Arbeitslosigkeit ist es - nicht zuletzt aufgrund der immer noch sehr vielen betroffenen Personen - nach wie vor relevant, die Folgen von Arbeitslosigkeit zu untersuchen, insbesondere im Längsschnitt. Im Folgenden soll daher an einer Stichprobe junger ostdeutscher Erwachsener über einen längeren Zeitraum veranschaulicht werden, welche Auswirkungen Arbeitslosigkeit auf verschiedene Lebensbereiche, Einstellungen usw. hat. Die vorliegenden, detaillierten statistischen Berechnungen werden dabei zugunsten der grafischen Veranschaulichung nicht berichtet. Die Sächsische Längsschnittstudie Die Sächsische Längsschnittstudie begleitet seit nunmehr 21 Jahren (1987 - 2008) eine identische Population von rund 400 jungen Leuten des Geburtsjahrgangs 1973 der DDR. Vor der deutschen Wiedervereinigung dokumentierte sie in den Jahren 1987 bis 1989 zunächst, wie diese als Schülerinnen und Schüler die DDR und den Sozialismus reflektierten, wie sich ihre persönliche Zukunftszuversicht und ihre Lebensorientierungen entwickelten. Nach der Wende in der DDR wurde die einmalige Chance empirischer Forschung genutzt, langfristig dieselben Jugendlichen bzw. später dann jungen Erwachsenen auf ihrem Weg in ein völlig anderes Gesellschaftssystem zu begleiten. Die Erhebungen der Sächsischen Längsschnittstudie finden jährlich auf dem Wege postalischer Befragungen statt. Im Jahr 2007 wurde die 21. Erhebungswelle durchgeführt. Die 1987 erstmalig Befragten waren 14-jährige Schülerinnen und Schüler aus den Bezirken Leipzig und Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz), die repräsentativ für den DDR-Geburtsjahrgang 1973 ausgewählt worden waren. Es handelt sich um eine altershomogene Stichprobe. Im Frühjahr 1989 erklärten sich 587 der ursprünglich 1281 Schülerinnen und Schüler bereit, auch weiterhin an der Studie teilzunehmen. Die 383 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Jahres 2007 (65,2 % der ursprünglichen Stichprobe) waren im mittleren Alter von 34,2 Jahren; N = 207 (54,2 %) waren Frauen. Die meisten der Befragten haben inzwischen ihre berufliche Ausbildung abgeschlossen. 49,3 % besitzen einen Facharbeiterabschluss, 21,4 % einen Fachschul- oder Fachhochschulabschluss und 23,4 % einen Hochschulabschluss. 45,1 % (N = 170) sind verheiratet und leben mit ihrem Partner oder ihrer Partnerin zusammen, 4,0 % (N = 15) sind geschieden, N = 59 (15,6 %) leben in einer Lebensgemeinschaft. Ledig ohne Partner waren N = 56 (14,9 %); ledig mit Partner N = 77 (20,4 %). Die meisten Teilnehmenden (N = 252, 67,2 %) haben Kinder. Arbeitslosigkeitserfahrungen der Probanden Schon in der 4. Welle im Frühjahr 1990 zeigte sich, dass die sich in Ostdeutschland ausbreitende Arbeitslosigkeit auch um diese Studie keinen Bogen machen würde: Die Struktur der Population veränderte sich aus sozialwissenschaftlicher Sicht grundlegend. Sie differenzierte sich in eine von Jahr zu Jahr stark anwachsende "Experimentalgruppe" der Panelmitglieder mit Erfahrungen von Arbeitslosigkeit und eine kleiner werdende "Kontrollgruppe" derer, die davon (noch) verschont blieben. Von 1991 an erfassten wir die Arbeitslosigkeit im Rahmen des sozioökonomischen Status. 4 bis 11 % der Panelmitglieder trugen sich als "zur Zeit arbeitslos" ein. Als klar war, dass Arbeitslosigkeit an Bedeutung gewinnen würde, fragten wir ab 1996 (12. Welle) zusätzlich differenzierter, wie häufig die Panelmitglieder seit der Wende arbeitslos waren. Abbildung 1 informiert über den Längsschnitt 1996 bis 2007 (vgl. PDF-Version). Die prozessorientierte und kumulative Art der Darstellung zeigt, dass sich in dieser identischen Population der Anteil der Personen, die in diesem Zeitraum mehrmals arbeitslos waren (und bei denen die durchweg negativen Folgen der Arbeitslosigkeit besonders deutlich sind), von 17 % im Jahr 1996 auf 40 % im Jahr 2007 mehr als verdoppelt hat. Dafür reduzierte sich der Anteil jener, die nicht arbeitslos waren, von 50 % im Jahr 1996 auf 29 % im Jahr 2007. Außerdem mussten wir registrieren, dass sich dieses für Ostdeutsche bis zur Wende nie erfahrene gesellschaftliche Phänomen zeitgleich auch im sozialen Nahbereich der Panelmitglieder ausgebreitet hatte, mit allen zusätzlichen negativen Auswirkungen. So waren schon bis 2004 die Eltern (das heißt Vater und/oder Mutter) von 58 % der Panelmitglieder von Arbeitslosigkeit betroffen. Mit 21 % war dabei die Gruppe derer ziemlich groß, die Arbeitslosigkeit beider Elternteile erlebte. Für sehr viele unserer Panelmitglieder bestand das erste schockierende, nachhaltig prägende Ereignis nach dem Systemwechsel darin, dass ihre Väter und/oder Mütter "im besten Alter" über Nacht, völlig unerwartet, arbeitslos wurden. Viele beschrieben damals in ihren zusätzlichen Notizen die dramatischen Szenen in nicht wenigen Elternhäusern. Hinzu kam, dass schon bis 2004 auch ein erheblicher Teil der Lebenspartnerinnen und -partner der Panelmitglieder, ihrer Geschwister sowie ihrer engen Freunde arbeitslos waren. Aus der individuellen Kopplung aller dieser einzelnen Angaben ging hervor, dass bis 2004 94 % dieser jungen Leute direkt oder indirekt in dem erwähnten sozialen Nahbereich mit den Auswirkungen von Arbeitslosigkeit konfrontiert wurden. Diese "kollektive Betroffenheit" im Osten wurde und wird in ihrem real bestehenden Ausmaß und ihren nachhaltigen Folgen völlig unterschätzt, wenn überhaupt wahrgenommen. In Panelstudien wie dieser sind solche Folgen jedoch noch heute nachweisbar. Entsprechend der Zunahme der Häufigkeit der Betroffenheit durch Arbeitslosigkeit hatte auch deren kumulierte Dauer zugenommen (vgl. Abbildung 2 der PDF-Version). Die Panelmitglieder gaben seit der 12. Welle 1996 an, wie viele Monate sie insgesamt seit der Wende arbeitslos waren. Sie wurden gebeten, diese Angaben aufzubewahren, damit sie diese nicht bei jeder Befragung erneut berechnen müssten und wir uns auf zuverlässige Zahlen stützen konnten. Ablesbar ist, dass die durchschnittliche Gesamtdauer der Arbeitslosigkeit bei der Gruppe der Betroffenen von 4,0 Monaten 1996 auf 17,3 Monate 2007 angewachsen ist und sich damit mehr als vervierfacht hat. Bei den jungen Männern erhöhte sie sich von 3,2 auf 13,5 Monate, bei den jungen Frauen von 4,7 auf 20,7 Monate. Auswirkungen von Arbeitslosigkeit Im Folgenden illustrieren wir exemplarisch einige Auswirkungen erlebter Arbeitslosigkeit auf das Denken und Verhalten unserer Panelmitglieder. Zukunftszuversicht: Seit den Shell-Studien ist bekannt, dass Einschätzungen der Jugendlichen über ihre Zukunft geradezu seismographischen Charakter haben. Das trifft in besonderem Maße auf Jugendliche in den ostdeutschen Bundesländern zu. Daher richten wir zunächst einen Blick auf die seit 1987 vorliegenden Trends zur Zukunftszuversicht der Panelmitglieder, um die aktuellen Daten in einen größeren gesellschaftlichen Zusammenhang einzuordnen (vgl. Abbildung 3 der PDF-Version). Diese über 20 Jahre laufenden Zeitreihen sind aus zwei Gründen sehr informativ. Erstens belegen sie für die Altersgruppe der 1973 in der DDR Geborenen, dass nach dem Zusammenbruch der DDR keineswegs ein positiver Trend eingesetzt hatte, sondern ein negativer. Das lässt sich in einer Panelstudie am "Wendepunkt" 1989/1990 exakt nachweisen. Von den 213 Panelmitgliedern, die sowohl an der 3. Welle im Frühjahr 1989 als auch an der 4. Welle im Frühjahr 1990 beteiligt waren, hatten nach der Wende 44 % ihre Zukunftszuversicht signifikant in negativer Richtung verändert (von den weiblichen Panelmitgliedern sogar 48 %), und nur 16 % in positiver Richtung. Auf der 5-Punkte-Skala veränderte sich der Mittelwert ebenfalls signifikant um 0,42 Punkte von 1,7 auf 2,1, wobei die Zuversicht von der verwendeten Messskala her mit ansteigenden Mittelwerten abnimmt. Darüber hinaus sticht ins Auge, dass die persönliche Zuversicht in ihrer Grundrichtung der gesellschaftlichen Zuversicht gefolgt ist: Je weniger zuversichtlich die Panelmitglieder die Zukunft der Gesellschaft beurteilten, desto weniger zuversichtlich bewerteten sie auch ihre persönliche Zukunft. Bei der generellen Bewertung der Angaben nach der Wiedervereinigung muss bedacht werden, dass im Frühjahr 1989, am Ende der 10. Klasse, für 99 % (!) der damals 16-Jährigen klar war, wie es nach dem Abschluss der Schule weitergehen würde. Sie hatten ihre Arbeits- bzw. Ausbildungsverträge faktisch bereits in der Hand. Die Wende im Herbst 1989 und die folgenden Unsicherheiten und Umbrüche ("Schöpferische Zerstörung") stellten jedoch die beruflichen Pläne des größten Teiles von ihnen in Frage oder machten sie gar zunichte: 1998 gaben 38 % der Panelmitglieder rückblickend an, dass sie ihre beruflichen Pläne nach der Wende völlig verändern mussten, bei 35 % waren Korrekturen notwendig, und nur 27 % berichteten keine Veränderungen - mit signifikanten Folgen für die persönliche Zukunftszuversicht und viele weitere Merkmale. Viele beschrieben damals ausführlich die Probleme, mit denen sie sich zu Beginn ihrer Berufskarriere völlig unerwartet herumschlagen mussten und die häufig auch Ängste auslösten. Dazu drei Beispiele: "... hört man jetzt, dass wir vielleicht sogar drei Jahre lernen müssen und dann auch noch nach dem Lehrplan der BRD. Aber man kann doch das 1. Lehrjahr nicht einfach im Winde verwehen lassen... Man weiß nicht mehr, wem man glauben soll. Einer sagt hüh, der andere hott." (w) "Durch die Wende wird die Lehre noch schwerer. Alles geht drunter und drüber, man weiß nicht mehr, woran man ist. Die größte Sorge macht mir, dass ich höchstwahrscheinlich nach der Lehre arbeitslos werde." (m) "Wahrscheinlich muss ich umlernen, weil ich keinen Arbeitsplatz bekommen werde. Ich habe irgendwie schon Angst vor der Zukunft. Man weiß nicht, was wird. Ich fühle mich nicht mehr geborgen." (w) Zu beachten ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass ein sehr großer Teil bei den letzten Befragungen vor der Wende zwar die politischen Verhältnisse in der DDR zunehmend kritisch beurteilt hatte, die Sozialpolitik jedoch bis zum Ende mehrheitlich positiv. Oft wurde damals etwa von ihnen gelobt, "dass es in der DDR keine Arbeitslosigkeit gibt". 1990 notierten viele derselben Jugendlichen: "Ich habe große Angst vor Arbeitslosigkeit!" Exemplarisch für die jüngste Welle 2007 belegen wir, inwieweit der Faktor Arbeitslosigkeit Einfluss auf die persönlichen Zukunftsvorstellungen genommen hat. Um zu prüfen, ob überhaupt ein Kausaleffekt vorliegt, das heißt, ob die individuelle Zukunftszuversicht durch eine Zunahme der Dauer der Arbeitslosigkeit tatsächlich vermindert wird, wurden zuvor Regressionsanalysen gerechnet (hier nicht dargestellt). Es versteht sich, dass wir es hier nicht mit monokausalen, sondern multikausalen Abhängigkeiten zu tun haben. Die Zeit-Skala erlebter Arbeitslosigkeit (2007 von null bis 156 Monaten) wurde zu den in der folgenden Abbildung 4 angeführten vier Untergruppen zusammengefasst (vgl. PDF-Version). Auch die Skala der Zukunftszuversicht wurde auf drei Untergruppen (sehr zuversichtlich, zuversichtlich, mittel bis überhaupt nicht zuversichtlich) reduziert. Mittels statistischer Tests wurde hier und in den folgenden Fällen nachgewiesen, dass sich die vier entsprechend der bisherigen Gesamtzeit der Arbeitslosigkeit gebildeten Untergruppen der abhängigen Variablen (hier "Persönliche Zukunftszuversicht") signifikant unterscheiden. Von jenen 34-Jährigen, die im gesamten Zeitraum seit der Wende nicht von Arbeitslosigkeit betroffen waren ("0 Monate"), äußerten sich 2007 28 % sehr zuversichtlich und weitere 54 % zuversichtlich über ihre persönlichen Zukunftsaussichten. Nur 18 % blicken ambivalent bis ganz ohne Zuversicht in ihre Zukunft. Bei jenen dagegen, die länger als ein Jahr ("12 und mehr Monate") betroffen waren, trifft das nur auf 6 % bzw. 50 % zu, fast die Hälfte sieht mit gemischten oder negativen Gefühlen in die Zukunft. Das sind signifikante und relevante Unterschiede, die für sich sprechen und auf den "Riss" aufmerksam machen, den die Arbeitslosigkeit auch in diese junge Altersgruppe gerissen hat. Abbildung 5 (vgl. PDF-Version) informiert über den Trend dieser differenzierten Sicht, allerdings aus Darstellungsgründen nur für die Extremgruppen und zeitlich begrenzt auf die Jahre 2000 bis 2007, da die vier gebildeten Untergruppen für die Zeit davor für zuverlässige statistische Vergleiche nicht groß genug sind. Wir blicken gewissermaßen mit einem Vergrößerungsglas auf einen Teil der oben dargestellten Zeitreihe. Ersichtlich ist, dass zu allen Zeitpunkten die Panelmitglieder, die kumulativ betrachtet 12 Monate oder länger arbeitslos waren, beträchtlich weniger (signifikant) zukunftszuversichtlich waren als jene, die bis 2007 noch von Arbeitslosigkeit verschont geblieben waren. Aufgrund der für 1996 und 1998 vorliegenden Daten ist es sehr wahrscheinlich, dass der Abbau der persönlichen Zukunftszuversicht als Folge erfahrener Arbeitslosigkeit bereits in den 1990er Jahren begann und sich danach bis heute auf hohem Niveau fortgesetzt hat. Erlebte Arbeitslosigkeit hat in einem erstaunlich starken Maße auch den Rückgang der Zukunftszuversicht für den eigenen Nachwuchs bewirkt (vgl. Abbildung 6 der PDF-Version). Über den gesamten Zeitraum hinweg unterschieden sich die Extremgruppen der bisherigen Gesamtdauer der Arbeitslosigkeit signifikant in der Ausprägung der Zukunftszuversicht für die eigenen Kinder. Außerdem ist bei denen, die 12 Monate und länger arbeitslos waren, zwischen 2002 und 2006 ein signifikanter Rückgang der (ohnehin geringeren) Zukunftszuversicht für die Kinder eingetreten. Die Dauer der erlebten Arbeitslosigkeit wirkt sich nicht nur auf die Zukunftszuversicht für die eigenen Kinder, sondern auch auf weitere Faktoren der Familiengründung aus. Die Ergebnisse zeigen deutliche Verzögerungen in der Familiengründung bei Personen, die Erfahrungen mit der Arbeitslosigkeit hatten: Diejenigen, die mehrmalige Arbeitslosigkeitserfahrungen gemacht haben, sind seltener verheiratet (36,7 %) als diejenigen, welche die Erfahrung nicht machen mussten (50,9 %). Generell leben im Alter von 34 Jahren von denjenigen, die mehrmals arbeitslos waren, weniger Personen in einer Paarbeziehung (76,9 %) im Gegensatz zu denjenigen, die nicht arbeitslos waren (82,7 %). Betrachtet man diese Angaben im Trend, so zeigt sich, dass Personen, die angeben, mehrmals arbeitslos gewesen zu sein, auch später heiraten als Personen, die nicht arbeitslos waren, und darüber hinaus die Dauer der Partnerschaft ebenfalls kürzer ist (11,14 Jahre bei Personen, die nicht arbeitslos waren zu 9,61 Jahren bei Personen, die 12 Monate und länger arbeitslos waren). Neben der Bindungsqualität und -dauer wird auch die Entscheidung für oder gegen eine erste oder weitere Elternschaft beeinflusst. So ist die durchschnittliche Kinderzahl bei denjenigen, die mehrmals arbeitslos waren, deutlich niedriger als bei denjenigen, die nicht arbeitslos waren. Abbildung 7 zeigt hierzu den Verlauf über die vergangenen vier Jahre (vgl. PDF-Version). Schließlich sinkt auch die ideale Kinderzahl mit zunehmender Arbeitslosigkeitsdauer signifikant. Unsere Berechnungen ergaben, dass sich 2007 diejenigen, die mehrmals arbeitslos waren, durchschnittlich 1,56 Kinder wünschen im Gegensatz zu gewünschten 1,91 bei denjenigen, die nie arbeitslos waren. Neben dem Aufschub der Familiengründung zeigt sich seit Jahren auch eine eklatante Zunahme von Existenzängsten. Wir zeigen zunächst die Verbreitung der Angst vor einer zunehmenden Verteuerung des Lebens (vgl. Abbildung 8 der PDF-Version). Das ist einer der aufregendsten und brisantesten Trends der Studie, dokumentiert er doch das bereits seit Jahren bestehende hohe Ausmaß der Verunsicherungen und der damit wachsenden Wut dieser jungen Ostdeutschen über die ständig steigenden Lebenshaltungskosten und die täglichen Ankündigungen neuer Erhöhungen. Die Daten zeigen, dass diese Angst um die Verteuerung des Lebens der überwiegenden Mehrheit der Panelmitglieder faktisch vom Systemwechsel an erhebliche Sorgen bereitet hat. Einen ersten Schock hatten viele der Jugendlichen (mit ihren Eltern) zuvor im Zusammenhang mit der Währungsunion erlitten. Die Differenzierung nach den beiden Extremgruppen ergibt, dass sich von den Panelmitgliedern, die zum jeweiligen Zeitpunkt insgesamt länger als 12 Monate arbeitslos waren, signifikant oder tendenziell noch mehr von der Verteuerung bedroht fühlten als jene, die noch keine Arbeitslosigkeit verarbeiten mussten. Diese bei den 2007 34-Jährigen von Anfang an weit verbreitete Existenzangst ist ein Schlüssel dafür, ihre deutliche Kritik am jetzigen Gesellschaftssystem zu begreifen. Immer drängender wird gefragt, "ob die herrschenden Politiker 'da oben' überhaupt wissen, wie das einfache Volk 'da unten' lebt", und "wie lange das noch so weitergehen soll?" Über die Angst vor Verteuerung des Lebens hinaus wurden zwei weitere Ängste erfasst: Die Angst vor (erneuter) eigener Arbeitslosigkeit und vor dem Eintreten einer sozialen Notlage. Diese drei Ängste bilden ein Syndrom von Existenzängsten, dessen Entwicklung in unserer Studie in Form eines Indexes seit 1992 dokumentiert wurde und der gut geeignet ist, die emotionalen Reaktionen dieser jungen Menschen auf die Transformationsprozesse abzubilden. Für diesen Index wird jährlich eine Skala gebildet, die zwischen 4,0 Punkten (Minimum, Angst ist sehr schwach) und 12,0 Punkten (Maximum, Angst ist sehr stark) liegt (vgl. Abbildung 9 der PDF-Version). Zwei Tendenzen sind erkennbar: Erstens: In der Gesamtgruppe (mittlere Linie) war zwischen 1992 und 2004/2005 ein signifikantes Anwachsen des Ausmaßes an Existenzängsten zu beobachten. Zweitens: Dieser Trend betraf in besonderem Maße jene Panelmitglieder, die zu den Erhebungszeitpunkten 12 Monate und länger arbeitslos waren (obere Linie). Die Indexwerte beider Extremgruppen unterscheiden sich durchweg signifikant. Ob sich der 2007 beobachtete leichte Rückgang durchsetzt, bleibt abzuwarten. Politische Einstellungen: Geringe Zufriedenheit mit der Gesellschaftsordnung: Erlebte Arbeitslosigkeit hat sich bei den 2007 34-jährigen Panelmitgliedern unter anderem auch negativ auf die Identifikation mit der gegenwärtigen Gesellschaftsordnung ausgewirkt. Besonders eindrucksvoll zeigt sich das bei ihrer Zufriedenheit mit der Wirtschaftsordnung (vgl. Abbildung 10 der PDF-Version). Ablesbar ist, dass die Zufriedenheit (von interessanten Schwankungen abgesehen, auf die wir hier nicht eingehen können) in keinem Jahr seit 1993 die 50-Prozent-Marke erreichte und vor allem in den letzten Jahren bis 2006 deutlich zurückging. Bleiben wir noch kurz bei der Zufriedenheit mit der Wirtschaftsordnung im Jahr 2007 (vgl. Abbildung 11 der PDF-Version). Zwar fallen in diesem Fall die Unterschiede zwischen denen, die nicht bzw. nur wenige Monate arbeitslos waren, nicht ins Gewicht. Bei längerer Dauer dagegen sind die negativen Auswirkungen auf die Urteile über die Wirtschaftsordnung unübersehbar. Wir schließen für die Extremgruppen noch einige weitere Aspekte des politischen Bewusstseins an (vgl. Abbildung 12 der PDF-Version). Dargestellt sind in Abbildung 12 jeweils die zustimmenden Antworten zu den folgenden Fragen/Aussagen. In Klammern befinden sich die Prozentwerte der Gesamtgruppe: A: Die Bundesrepublik Deutschland betrachte ich als mein Vaterland (25 %), B: Ich fühle mich als Gewinner der deutschen Einheit (49 %), C: Es war höchste Zeit mit der Beseitigung des SED-Regimes (44 %), D: Mit der "friedlichen Revolution" im Herbst 1989 haben die Ostdeutschen die Freiheit errungen (50 %), E: Ich bin froh, heute in einem kapitalistischen Deutschland zu leben (16 %), F: Freiheit nützt mir nichts, wenn ich keine Arbeit habe (53 %), G: Würden Sie sich selbst an Protestaktionen (Demonstrationen, Streiks) beteiligen? (54 %), H: Sonntagsfrage, Antwort: "Ich würde nicht wählen gehen" (32 %), I: Von welcher der folgenden Parteien fühlen Sie sich am besten vertreten? Antwort: "von keiner" (56 %), K: Wie zufrieden sind Sie mit dem politischen System in der Bundesrepublik Deutschland? (27 %). Der durch Arbeitslosigkeit erzeugte "Riss" durch die Population der 34-Jährigen im Osten zeigt sich besonders deutlich in den politischen Auffassungen derer, die schon längere Zeit davon betroffen waren. Charakteristisch dafür ist ihre geringe Identifikation mit der Bundesrepublik als ihr Vaterland (A) und das weit verbreitete Gefühl, zu den Verlierern der Einheit (B) zu gehören. Der bei den Panelmitgliedern seit Jahren generell abnehmende Trend der Bejahung der Wende (C) gilt für sie in besonderem Maße, ebenso der nur schwach verbreitete Glauben daran, dass die Ostdeutschen mit der "friedlichen Revolution" die Freiheit errungen haben (D). Nur eine Minderheit von ihnen ist froh, jetzt in einem kapitalistischen Deutschland zu leben (E). Die Auffassung, dass es ohne Arbeit keine Freiheit geben könne (F), wird besonders von ihnen vertreten. Außerdem sind von ihnen viel mehr zu Protestaktionen bereit (G). Überdurchschnittlich viele von ihnen würden nicht an Bundestagswahlen teilnehmen (H). Über die Hälfte von ihnen nennt keine Partei, die "ihre Interessen am besten vertritt" (I), nur eine Minderheit von 18 % ist mit dem politischen System zufrieden (K). Diskussion Seit mittlerweile 21 Jahren wird durch uns eine große, identische Gruppe junger ostdeutscher Erwachsener regelmäßig jährlich zu ihren Einstellungen, Meinungen und Befürchtungen usw. befragt. Mit der Zäsur der Wende in der DDR und der deutschen Einheit 1989/90 konnten diese jungen Erwachsenen, wie keine andere Gruppe, auf ihrem Weg vom DDR- zum Bundesbürger begleitet werden. Als 1987 die Sächsische Längsschnittstudie begonnen wurde, konnte keiner der Beteiligten ahnen, dass sich diese Untersuchung im Zuge der deutschen Wiedervereinigung mehr und mehr zu einer Arbeitslosigkeitsstudie entwickeln würde. Die entsprechenden Ergebnisse sind bemerkenswert: Über 70 % der Teilnehmenden waren im Jahr 2007 mindestens einmal arbeitslos. Die mittlere Gesamtdauer der erlebten Arbeitslosigkeit liegt bei über einem Jahr. Frauen sind wesentlich stärker betroffen als Männer. Besonders intensiv wurden seit dem Jahr 2002 die psychischen Folgen von Arbeitslosigkeit untersucht. Bei den hier vorgestellten Analysen zur Arbeitslosigkeit haben wir es mit latenten, "unterschwelligen" psychosozialen Prozessen zu tun, die nur aus der Perspektive des Einzelindividuums und über längere Zeiträume hinweg erfasst werden können. Die durchweg zutage getretenen großen Differenzen zwischen Personen unterschiedlich lang erfahrener, kumulierter Arbeitslosigkeit markieren die vielschichtigen Verluste, die bei jungen Ostdeutschen seit der Wende auf der Seite des "menschlichen Faktors" zu verzeichnen sind. Auch wenn die Probanden der Sächsischen Längsschnittstudie "nur" repräsentativ für den DDR-Geburtsjahrgang 1973 sind, gehen wir davon aus, dass andere, ältere wie auch jüngere Jahrgänge in ganz ähnlichem Ausmaß die Folgen von Arbeitslosigkeit erleben. Und auch bei Westdeutschen, die nicht der Zäsur des Zusammenbruchs einer gesamten Volkswirtschaft ausgesetzt waren und deren ökonomisches Umfeld als deutlich besser einzuschätzen ist, kann davon ausgegangen werden, dass Arbeitslosigkeitserfahrungen zu ähnlich negativen Auswirkungen führen. Wenngleich zurzeit von großen Erfolgen am Arbeitsmarkt die Rede ist und die Zahl der Arbeitslosen abnimmt - die Auswirkungen bisher erlebter Arbeitslosigkeit haben sich nicht in Luft aufgelöst, wie mitunter angenommen wird. Mittlerweile hat sich bei sehr vielen dieser jungen Ostdeutschen aufgrund kontinuierlich anwachsender Zeiten von Arbeitslosigkeit und damit einhergehender negativer Erfahrungen über viele Monate und Jahre hinweg sowie geringer Hoffnungen auf Veränderung ein Syndrom mehr oder weniger kritischer Urteile über das jetzige Gesellschaftssystem gebildet und verfestigt. Unseren Ergebnissen zufolge ist auszuschließen, dass sich diese über längere Zeiträume entstandene negative "Hypothek" bei ihnen jemals wieder zurückbilden wird. Ähnliches konnte bereits auch in anderen Studien gezeigt werden. Darüber hinaus gibt es weiterhin Belege dafür, dass sich die erfahrene elterliche Arbeitslosigkeit auch auf die Kinder negativ auswirkt. Längerfristig Arbeitslose haben, wie wir dargestellt haben, einen ausgeprägten Zukunftspessimismus für ihre Nachkommen entwickelt. Solche Einstellungen können sich auf die Kinder übertragen und im Sinne einer selbsterfüllenden Prophezeiung tatsächlich dazu führen, dass sich Arbeitslosigkeit "vererbt" - mit wahrscheinlich verheerenden Folgen für die kommenden Generationen. Wir danken der Otto-Brenner-Stiftung und der Rosa-Luxemburg-Stiftung für die freundliche Unterstützung der Sächsischen Längsschnittstudie. Johannes Rau, Vertrauen in Deutschland - eine Ermutigung. Berliner Rede von Bundespräsident Johannes Rau im Schloss Bellevue in Berlin am 12. Mai 2004, in: http://www.bundespraesident.de/dokumente/-,2.621940/Artikel/dokument.htm (31.7. 2008). Vgl. Bundesagentur für Arbeit, Der Arbeits- und Ausbildungsmarkt in Deutschland August 2008. Monatsbericht, http://www.pub.arbeitsamt.de/hst/services/statistik/000000/html/start/monat/aktuell.pdf (29.8. 2008). Vgl. Alfons Hollederer/Helmut Brand (Hrsg.), Arbeitslosigkeit, Gesundheit und Krankheit, Bern 2006; Michael Kastner/Tim Hagemann/Gesa Kliesch (Hrsg.), Arbeitslosigkeit und Gesundheit. Arbeitsmarktintegrierte Gesundheitsförderung, Lengerich 2005; Frances M. McKee-Ryan/Zhaoli Song/Connie R. Wanberg/Angelo J. Kinicki, Psychological and physical well-being during unemployment: A meta-analytic study, in: Journal of Applied Psychology, 90 (2005) 1, S. 53 - 76; Thomas Kieselbach/Anthony H. Winefield/Carolin Boyd/Sarah Anderson (eds.), Unemployment and Health. International and interdisciplinary perspectives, Bowen Hills, Australia 2006. Vgl. Karsten I. Paul/Alice Hassel/Klaus Moser, Die Auswirkungen von Arbeitslosigkeit auf die psychische Gesundheit: Befunde einer quantitativen Forschungsintegration, in: Alfons Hollederer/Helmut Brand (Hrsg.), Arbeitslosigkeit, Gesundheit und Krankheit, Bern 2006. Vgl. Peter Förster, Junge Ostdeutsche auf der Suche nach der Freiheit. Eine systemübergreifende Längsschnittstudie zum politischen Mentalitätswandel vor und nach der Wende, Opladen 2002; Hendrik Berth/Peter Förster/Elmar Brähler/Yve Stöbel-Richter, Einheitslust und Einheitsfrust. Junge Ostdeutsche auf dem Weg vom DDR- zum Bundesbürger. Eine sozialwissenschaftliche Langzeitstudie von 1987 - 2006, Gießen 2007; http://www.wiedervereinigung.de/sls/ (31.7. 2008). Vgl. Peter Förster/Walter Friedrich, Jugendliche in den neuen Bundesländern. Ergebnisse einer empirischen Studie zum Wandel der Meinungen, Einstellungen und Werte von Jugendlichen in Sachsen 1990 bis 1994, in: Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ), (1996) 19, S. 18 - 29; ders., Die 25jährigen auf dem langen Weg in das vereinte Deutschland. Ergebnisse einer seit 1987 laufenden Längsschnittstudie, in: APuZ, (1999) 43 - 44, S. 20 - 31; ders., Junge Ostdeutsche heute: doppelt enttäuscht. Ergebnisse einer Längsschnittstudie zum Mentalitätswandel zwischen 1987 und 2002, in: APuZ, (2003) 15, S. 6 - 17. Zur Soziodemographie der TeilnehmerInnen in früheren Wellen vgl. ders. 2003 (Anm. 6), S 11ff. und ders., Zur Sächsischen Längsschnittstudie und zur Untersuchungspopulation, in: H. Berth et al. (Anm. 5), S. 15ff. Ausführlicher vgl. P. Förster (Anm. 5), S. 215ff. Vgl. ausführlicher H. Berth u.a. (Anm. 5) S. 107ff.; Hendrik Berth/Peter Förster/Friedrich Balck/Elmar Brähler/Yve Stöbel-Richter, Was bedeutet Langzeitarbeitslosigkeit für junge Erwachsene? Ergebnisse der Sächsischen Längsschnittstudie, in: Verhaltenstherapie & Psychosoziale Praxis, 40 (2008) 1, S. 87 - 97. Vgl. Deutsche Shell (Hrsg.), Jugend 2000. 13. Shell Jugendstudie, Opladen 2000, S. 286. Vgl ausführlicher P. Förster (Anm. 5) S. 49ff., S. 156ff. Vgl. ausführlich Yve Stöbel-Richter/Ute Kraus/Hendrik Berth, Transition to parenthood in the life course, in: Jennifer K. Quinn/Irwin G. Zambini (eds.), Family Relations: 21st Century Issues and Challenges, Hauppauge, NY. 2008. Hier nicht dargestellt, vgl. Peter Förster, Von der Enttäuschung vom Sozialismus der DDR zur Zukunftsangst in Ostdeutschland, in: H. Berth et al. (Anm. 5), S. 78ff. Vgl. Hendrik Berth/Peter Förster/Yve Stöbel-Richter/Friedrich Balck/Elmar Brähler, Arbeitslosigkeit und psychische Belastung. Ergebnisse einer Längsschnittstudie 1991 bis 2004, in: Zeitschrift für Medizinische Psychologie, 15 (2006) 3, S. 111 - 116; Hendrik Berth/Peter Förster/Friedrich Balck/Elmar Brähler/Yve Stöbel-Richter, Gesundheitsfolgen von Arbeitslosigkeit. Ergebnisse der Sächsischen Längsschnittstudie, in: psychosozial, 30 (2007) 3, S. 73 - 83; dies., Arbeitslosigkeitserfahrungen, Arbeitsplatzunsicherheit und der Bedarf an psychosozialer Versorgung, in: Das Gesundheitswesen, 70 (2008) 5, S. 289 - 294. Vgl. Richard E. Lucas/Andrew E. Clark/Yannis Georgellis/Ed Diener, Unemployment alters the set point for life satisfaction, in: Psychological Science, 15 (2004) 1, S. 8 - 13. Vgl. Maria Sleskova/Ferdinand Salonna/Andrea Madarasova Geckova/Iveta Nagyova/Roy E. Stewart/Jitse P. van Dijk/Johan W. Groothoff, Does parental unemployment affect adolescents' health? in: Journal of Adolescent Health, 38 (2006) 5, S. 527 - 535.
Article
Berth, Peter Förster · Elmar Brähler · Yve Stöbel-Richter · Hendrik
"2021-12-07T00:00:00"
"2011-10-05T00:00:00"
"2021-12-07T00:00:00"
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/30950/die-wunde-arbeitslosigkeit-junge-ostdeutsche-jg-1973/
Anhand von Daten der Sächsischen Längsschnittstudie werden die dramatischen, negativen Auswirkungen erlebter Arbeitslosigkeit u.a. auf Lebenssituation, Einstellungen, Zukunftszuversicht und Politikzufriedenheit dargestellt.
[ "" ]
30,740
Diversität in digitalen Spielen – über alte Muster und neue Modelle | Digitale Spiele | bpb.de
Die Vergrößerung der Sichtbarkeit von Geschlechterdiversität ist als Umstrukturierung des öffentlichen Lebens ein langwieriger Prozess. Schließlich geht damit ein gesellschaftlicher Wandel einher, der gewohnte Muster durchbricht und tiefgreifende Konsequenzen für unser Verständnis von Identität mit sich bringt. In den Debatten dazu wird das Geschlechtssystem kritisiert, in welchem männlich und weiblich stets klar voneinander getrennt (binär) und als gegensätzlich angesehen werden (bipolar) (Kiel 2014, S. 19). Dieses System spiegelt sich in den von Gesellschaftsmitgliedern erdachten digitalen Spielen wider: Mann und Frau, stark und schwach, Macht und Ohnmacht werden gegenübergestellt. Zudem stellt die vorherrschende Geschlechterordnung in unserem Alltag eine direkte Verbindung zwischen dem biologischen (engl. sex) und dem sozialen Geschlecht (Gender) her (ebd., S. 16–19). Auf diese Weise wird ein sozialer Konstruktionsprozess in Gang gesetzt, in dem das, was gesellschaftlich als „typisch Frau“ und „typisch Mann“ angesehen wird, kategorisch unterschieden wird. Durch diese strikte Trennung werden geschlechtsübergreifende und -unabhängige Freiheiten unterbunden. Die Gesellschaft setzt ihre Mitglieder unter Druck, sich deutlich einem der beiden Lager zuzuordnen, anstatt ihre geschlechtliche Identität frei auszudrücken (Tillmann 2014, S. 125–151). Es entwickelt sich ein Doing-Gender-Prozess: Geschlechterrollen wurden und werden gemacht (West & Zimmermann 1987, S. 125–151). Genderrepräsentation auf Messen und in Videospielen Die meist einseitige mediale Darstellung von Identitäten prägt unsere Lebensrealität von Geburt an. Rollenbilder werden erlernt und verfestigen sich zuverlässig (Kiel 2014, S. 20). Eine grundlegende Herausforderung ist daher die Sichtbarkeit vielfältiger Identitäten. Wie in zahlreichen anderen Bereichen finden sich in der Spielebranche und ihren Produkten, den digitalen Spielen, erhebliche Defizite hinsichtlich der Vielfalt etwa an Geschlechtsidentitäten oder Hautfarben. Verschiedene Autor*innen und Initiativen, darunter das Projekt „Feminist Frequency“ um die Medienkritikerin Anita Sarkeesian, haben es sich zur Aufgabe gemacht, diese Diversitätsdefizite aufzuzeigen. Ihre Analysen stützen sich auf klar sichtbare Fakten (vgl. Feminist Frequency 2019; vgl. Radford-Burns 2019): Zum Beispiel werden jährlich relevante Statistiken zur weltweit größten Videospielmesse „E3“ (Electronic Entertainment Expo) veröffentlicht und reichweitenwirksam diskutiert. Neben der sehr konkreten Betrachtung einzelner Konzerne wird die Konferenz als Stimmungsbild des Gamingsektors ausgewertet. Demnach waren Frauen auf der Bühne mit 21 Prozent im Jahr 2019 weiterhin deutlich unterrepräsentiert (vgl. Petit & Sarkeesian 2019). In den vorgestellten Spielen der E3 verhält es sich ähnlich. Nicht umsonst feierten das Publikum der E3 2019 und Teile der Twittergemeinde weibliche Referent*innen und dunkelhäutige Charaktere mit einem weitreichenden Medienecho (vgl. Batchelor 2019; vgl. McDonald 2019; vgl. Rousseau 2019). Auch bezogen auf die Spielmechanik deckt die Analyse weitere Defizite auf: Hier zeigten sich bei 85 Prozent der untersuchten E3-Spiele gewaltbezogene Interaktionsmöglichkeiten (vgl. Petit & Sarkeesian 2019). Das ist ein Grund dafür, dass beim Diskurs über Games die These von aggressionsfördernden Effekten dominiert (Klimmt 2001, S. 481). Die Autorinnen Carolyn Petit und Anita Sarkeesian mahnen das ungenutzte Potenzial in der Spielentwicklung an; sie plädieren für mehr Variation, indem die Möglichkeiten des Mediums weiter ausgeschöpft und alternative Spielmechaniken abseits vom Kampf erprobt werden. Die Alltagssimulation „Die Sims“ leistet Pionierarbeit Während Spiele mit ausschließlicher weiblicher Protagonistin weiterhin selten sind, bieten Spiele zunehmend die Option, das Geschlecht des Avatars selbst auszuwählen. Der Trend zum Anbieten diverser Identifikationsmöglichkeiten zeugt von einer Öffnung hinsichtlich der potenziellen Spieler*innenschaft. Die Alltagssimulation „Die Sims“ (EA, 2000) leistete bereits seit dem ersten Teil der Serie Pionierarbeit: Gleichgeschlechtliche Beziehungen wurden von Anfang an mitgedacht (vgl. Lang 2016). Dies ist ein sehr bewusster Zug, positioniert sich der Hersteller Electronic Arts (EA) doch nach außen als deutlicher Befürworter von Diversität und Inklusion. Dies betrifft sowohl das Unternehmen selbst als auch seine Produkte (vgl. EA 2019). Als das Thema 2016 eine gesteigerte öffentliche Aufmerksamkeit erfuhr und die Konsument*innen vehement danach verlangten, wurden Geschlechtergrenzen im Zuge einer Aktualisierung von „Die Sims 4“ (EA, 2014) faktisch gänzlich aufgehoben. Seitdem kann das Geschlecht der Sims jederzeit gewechselt werden. Außerdem ist es möglich, sie mit typischen Kleidungsstücken eines anderen Geschlechts einzukleiden. Verhaltene Vorstöße sind auch bei Blockbuster-Reihen wie „FIFA“ (EA, seit 1993) oder „Call of Duty“ (Activision, seit 2003) zu beobachten, in deren jüngeren Ablegern teilweise weibliche Avatare zur Auswahl stehen. Allmählich erkennen die Branchengrößen, dass die Fokussierung auf männliche Spieler überholt ist. Dabei mag auch die Erkenntnis eine Rolle spielen, dass die andere Hälfte der Weltbevölkerung als Zielgruppe durchaus ebenfalls interessant sein könnte. Seit den 1980er-Jahren wird Spielen diverser Was oft vergessen wird: Schon in den 80er-Jahren begeisterten sich Mädchen und Frauen für digitale Spiele, wenn auch noch in geringerem Maße als heute. In den 1990er-Jahren gab es etwa Überraschungserfolge sogenannter „Pink Games“ wie „Barbie Fashion Designer“ (Mattel, 1996), die explizit für junge Mädchen entwickelt wurden. Mit „Die Sims“ (2000), der „Wii“ 2006, einsteigerfreundlichen Handheld-Konsolen von Nintendo sowie dem Aufkommen von niedrigschwelligen Browserspielen und Mobile Games konnte die weibliche Zielgruppe weiter erschlossen werden. Heutzutage haben sich Mädchen und Frauen Gaming längst als Hobby erschlossen (Hahn 2017b, S. 74–77). Laut dem deutschen Game-Verband ist der Frauenanteil im Gaming inzwischen auf 48 Prozent angewachsen (game 2021, S. 8-10). Auch die Altersstruktur hat sich diversifiziert: Die / der Durchschnittsgamer*in ist etwa 37 Jahre alt. Insbesondere der Anteil der Über-50-Jährigen an den Spielenden hat sich auf ein Drittel gesteigert. Der „virtuous Cycle“ bringt Diversität in Industrie und Spiele Eine Wechselwirkung von analog und digital, jedoch auf umgekehrte Weise, zeigt sich auch bezüglich der Arbeitsrealität in der Spielebranche: Wenn die Belegschaft bereits wenig vielfältig geprägt ist, hat dies auch Auswirkungen auf die digitalen Ergebnisse. Und in der Spielentwicklung sind hauptsächlich weiße Männer tätig (Taylor 2020, S. 20; IGDA 2019, S. 13). Häufig fühlt sich nur eine eingeschränkte Zielgruppe von den produzierten Titeln angesprochen. Wenn zusätzlich die Marketingmaßnahmen zu großen Teilen auf eine junge, männliche, weiße Spielerschaft ausgerichtet sind, wird der Teufelskreis (engl. vicious circle oder cycle) verstärkt (vgl. Hahn 2017a). Wären Spiele dagegen für Frauen besonders attraktiv, würden sich auch eher Frauen um eine Karriere in der Gamesindustrie bemühen und anschließend Spiele machen, die auch anderen Frauen und Mädchen gefallen (vgl. Fullerton et al. 2007). Um aus diesem Teufelskreis zu entkommen, setzen Gamedesigner*innen wie Tracy Fullerton auf einen „virtuous cycle“ (etwa „tugendhafter Kreis“): Je diverser die Produzierendenseite ist, desto mehr Diversität erfahren Charakterdesign & Co. im Entwicklungsprozess und desto diverser ist die Zielgruppe, die sich von den Spielen angesprochen fühlt. Diese kann sich folglich mit den Charakteren, der Story oder dem Gameplay identifizieren und trifft vielleicht aufgrund dieser Inspiration die Entscheidung, selbst Spiele zu entwickeln. Charaktergestaltung der Spielhelden: klassisches Rollenbild Die einseitige Repräsentation zahlreicher identitätsstiftender Merkmale äußert sich in der Charaktergestaltung der Spielfiguren. Ein Avatar ohne die Attribute weiß, männlich, mittleres Alter, muskulös und Dreitagebart kommt viel zu selten vor. Insbesondere in aufwendig produzierten AAA-Titeln sind es vorwiegend Spielhelden von diesem Typus, die im Verlauf der Spielhandlung erfolgreich das Ziel erreichen, die Welt vom Tyrannen befreien, alle Hindernisse überwinden oder die Prinzessin retten. Frauen nehmen in der Handlung meist eine passive Assistentinnen- oder Opferrolle ein; in zahlreichen Titeln lösen sie gar durch ihren bloßen Tod die heldenhafte Reise des Protagonisten aus. Sie fungieren als „Jungfrau in Nöten“ (engl. damsel in distress), das personifizierte schwache Geschlecht. Diese Rolle ist eng verbunden mit dem Motiv der Gewalt, welche sie in vielen Titeln erleiden. Dies ist ein Muster, das in der kurzen Videospielgeschichte in zahlreichen Varianten Verwendung fand (Douai & King 2014, S. 3 f.). Titel mit selbstständigen Heldinnen wie bei „Horizon Zero Dawn“ (Guerrilla Games, 2017) sind weiterhin selten. Äußerliche Gestaltung der Avatare Sehr deutlich wird das Problem Sexismus im Gaming, wenn man die äußerliche Gestaltung der Avatare näher beleuchtet. Eine Tradition der Sexualisierung zieht sich durch zahlreiche Genres. Körperbedeckende Panzerung im Kampf, um das eigene Leben möglichst zu schützen? Bei den Kriegern gang und gäbe, bei den Kriegerinnen hingegen selten zu finden. Gängig sind zudem unrealistische Proportionen gemäß dem aktuellen Schönheitsideal. Weibliche Charaktere werden mittels kurvenbetonter, freizügiger Kleidung und hochhackigem Schuhwerk (Kiel 2014, S. 44) erotisch aufgeladen. Dieses altbekannte Muster berge aus wirtschaftlicher Sicht kaum Risiken, sagt der Journalist Joe Köller. Die wirtschaftlichen Interessen der Studios würden deren Risikobereitschaft behindern und habe die Bevorzugung etablierter Wege zur Folge (ebd., S. 153). Die Spielewissenschaftlerin Nina Kiel attestiert der Branche dennoch eine positive Entwicklung, da „bestehende Stereotype zunehmend hinterfragt und ihnen alternative Entwürfe entgegengestellt werden“ (ebd., S. 107). Diese Entwicklung sei jedoch hauptsächlich auf die männlichen Charaktere beschränkt, die vermehrt eine differenzierte Gestaltung von Persönlichkeitsstruktur und Körperform erführen (ebd., S. 44). Kleine Indiestudios und damit unabhängige Entwickler*innen zeigen deutlich mehr Mut. Sie konzipieren Modelle häufig entgegen dem Mainstream. Exemplarisch sei „SpyParty“ (Chris Hecker, 2018) erwähnt – ein Schleichspiel, bei dem zwei Personen als Scharfschütz*in und Spion*in gegeneinander spielen. Das Besondere: Die Spielhandlung findet auf einer Cocktailparty statt, auf der derart vielfältige Charaktere anwesend sind, dass sie auch als „Most diverse video game cast“ (vgl. Narcisse 2014; vgl. McWhertor 2015) betrachtet wird. Chris Hecker und sein Team fokussieren sich dabei nicht nur auf eine ausgeglichene Repräsentanz verschiedener Geschlechter. Auch hinsichtlich ethnischer Herkunft, Körperform, Alter und körperlicher Beeinträchtigung bemühen sie sich um Vielfalt (vgl. McWhertor 2015). Diese Diversitätsfaktoren finden in der Branche aktuell noch wenig Berücksichtigung (Banaszczuk 2019, S. 36 f.). Dunkle Hautfarbe unterrepräsentiert Auch dunkle Hautfarbe ist in Computerspielen noch selten präsent (vgl. Joseph 2019; vgl. Rousseau 2019). Das französische Gamestudio Arkane machte 2019 durch die Ankündigung des Spiels „Deathloop“ mit seinen zwei dunkelhäutigen Protagonist*innen international Schlagzeilen. Da People of Color sonst häufig in herabwürdigenden Gangsterrollen zu sehen sind, wie in der Reihe „Grand Theft Auto“ (Rockstar Games, seit 1997), ist diese narrative Repräsentation als branchenspezifisches Novum zu werten. Fazit Digitale Spiele und die Branche haben aufgrund ihrer heutigen Stellung in der Gesellschaft ein hohes inklusives und diverses Potenzial. Auf der Konsument*innenseite ist die Geschlechterquote bereits ausgeglichen. Jetzt müssen noch Produktion, Vermarktung und Inhalte – unter anderem transportiert durch Charaktereigenschaften und -aussehen – nachziehen. Dafür müssen Entwickler*innen und Branchengrößen jedoch entsprechend sensibilisiert sein. Bislang wird geschlechtliche Repräsentation jedoch vonseiten der Spieler*innenschaft thematisiert. Vor allem für kommerzielle Spielestudios, Eventveranstalter*innen und so weiter sollte das Themenfeld „Diversität“ mit seinen verschiedenen Ausprägungen nicht nur von moralischem, sondern auch von wirtschaftlichem Interesse sein. Unternehmen könnten etwa durch die Integration in ihre Unternehmenskultur ihr Erscheinungsbild reichweitenwirksam aufwerten. Das nachhaltige Erschließen neuer Zielgruppen wäre die Folge, sei es als Mitarbeitende oder als Konsument*innen. Während digitale Spiele immer mehr in der Mitte unserer Gesellschaft ankommen, wird es höchste Zeit, dieser Verantwortung gerecht zu werden. Wenn alte Muster abgelegt werden, könnten Games ihre inklusiven Möglichkeiten weiter entfalten. Quellen / Literatur Abdul-Hussain, S. & Hofmann, R. (2013). Begriffserklärung Diversität. In: erwachsenenbildung.at. Bundesministerium Bildung, Wissenschaft und Forschung Österreich. Online: https://erwachsenenbildung.at/themen/diversitymanagement/grundlagen/begriffserklaerung.php, zuletzt geprüft am 28.1.2020. Banaszczuk, Y. (2019). Toxic Gaming – Rassismus, Sexismus und Hate Speech in der Spieleszene. In: Aus Politik und Zeitgeschichte – Gaming, 31-31/2019, S. 34–39. Batchelor, J. (2019). Anita Sarkeesian: "No more excuses for the lack of women at E3". Online: https://www.gamesindustry.biz/articles/2019-06-06-anita-sarkeesian-no-more-excuses-for-the-lack-of-women-at-e3, zuletzt geprüft am 15.10.2019. Douai, A. & King, A. E. (2014). From the "Damsel in Distress" to Girls’ Games and Beyond: Gender and Children’s Gaming. In: J. McGurren & J. Prescott (Hrsg.), Gender Considerations and Influence in the Digital Media and Gaming Industry (S. 1–17), IGI Global. Online: https://www.researchgate.net/publication/265591910_From_the_damsel_in_distress_to_girls'_games_and_beyond_Gender_and_children's_gaming, zuletzt geprüft am 20.10.2019. Electronic Arts Inc. / Thothc (2013). Boy clothes for girls? Online: https://forums.thesims.com/en_US/discussion/647279/boy-clothes-for-girls, zuletzt geprüft am 12.11.2019. Electronic Arts Inc. (2019). Diversity & Inclusion. Online: https://www.ea.com/about/diversity-and-inclusion, zuletzt geprüft am 12.11.2019. Entertainment Software Association (2019). About E3. Online: https://www.e3expo.com/about, zuletzt geprüft am 30.8.2019. Feminist Frequency (2019). About. Online: http://www.stiftung-digitale- spielekultur.de/gender-und-gaming/, zuletzt geprüft am 7.10.2019. Fullerton, T., Fron, J., Pearce, C. & Morie, J. (2007). Getting girls into the game: Towards a "Virtuous Cycle". In: Y. B. Kafai, C. Heeter, J. Denner & J. Y. Sun (Hrsg.), Between Barbie and Mortal Kombat – New Perspectives on Gender and Gaming (S. 137–149). Cambridge: MIT Press. Online: https://pdfs.semanticscholar.org/fd73/368fb555f27037938574602147134277d99e.pdf, zuletzt geprüft am 30.8.2019. game – Verband der deutschen Games-Branche e. V. (2021). Jahresreport der deutschen Games-Branche 2021, 24.08.2021. Online: https://www.game.de/publikationen/jahresreport-2021/, zuletzt geprüft am 30.09.2021. Hahn, S. (2017a). Gender und Gaming. Online: http://www.stiftung-digitale-spielekultur.de/gender-und-gaming/, zuletzt geprüft am 30.8.2019. Hahn, S. (2017b). Gender and Gaming – Frauen im Fokus der Games-Industrie. Bielefeld: transcript. International Game Developers Association (IGDA) (2019). Developer Satisfaction Survey 2019 Summary Report. Online: https://s3-us-east-2.amazonaws.com/igda-website/wp-content/uploads/2019/04/11144431/IGDA_DSS14-15_DiversityReport_Aug2016_Final-1.pdf, zuletzt geprüft am 15.8.2020. Joseph, F. (2019). 5 Awesome Black Video Game Characters. Online: https://www.ign.com/articles/2019/02/26/5-awesome-black-video-game-characters, zuletzt geprüft am 30.8.2019. Kiel, N. (2014). Gender In Games. Hamburg: Dr. Kovač. Klimmt, C. (2001). Ego-Shooter, Prügelspiel, Sportsimulation? Zur Typologisierung von Computer- und Videospielen. In: M&K Medien & Kommunikationswissenschaft, Jahrgang 49, Heft 4, S. 480–497. Online: https://www.nomos-elibrary.de/10.5771/1615-634x-2001-4-480/ego-shooter-pruegelspiel-sportsimulation-zur-typologisierung-von-computer-und-videospielen-jahrgang-49-2001-heft-4, zuletzt geprüft am 13.11.2019. Lang, D. J. (2016). "The Sims" removes gender barriers in video game. Online: https://apnews.com/bd097db0f058446b9b4e277ef2dcf553, zuletzt geprüft am 20.10.2019. McDonald, K. (2019). Keanu, comebacks and a new console: the 10 biggest stories of E3 2019. Online: https://www.theguardian.com/games/2019/jun/14/10-biggest-stories-e3-2019-cyberpunk-2077-final-fantasy-vii-project-scarlett, zuletzt geprüft am 30.8.2019. McWhertor, M. (2015). Meet SpyParty's colorful new characters. Online: https://www.polygon.com/2015/4/28/8511003/spy-party-new-characters-group-3-chris-hecker, zuletzt geprüft am 10.10.2019. Narcisse, E. (2014). The Most Diverse Video Game Cast Is Getting Even More Varied. Online: https://kotaku.com/the-most-diverse-video-game-cast-is-getting-even-more-1580163829, zuletzt geprüft am 10.10.2019. Petit, C. & Sarkeesian, A. (2019). Female Representation in Videogames Isn't Getting Any Better. Online: https://www.wired.com/story/e3-2019-female-representation-videogames/#, zuletzt geprüft am 7.10.2019. Radford-Burns, R. (2019). Gender and Race Representation at E3 2019. Online: https://www.onlysp.com/e3-2019-gender-and-race-representation/, zuletzt geprüft am 28.10.2019. Rousseau, J. (2019). E3 2019 Let’s talk about Diversity and Inclusion. Online: https://medium.com/swlh/e3-2019-lets-take-about-diversity-and-inclusion-a80e3a080795, zuletzt geprüft am 30.8.2019. Stallmeister, U. (2019). 5 Fragen – 5 Antworten zur Weltbevölkerung. Online: https://www.dsw.org/5-fragen-5-antworten-zur-weltbevoelkerung/#3, zuletzt geprüft am 30.8.2019. Taylor, M. (2020). UK Games Industry Census - understanding diversity in the UK games industry workforce. Online: https://ukie.org.uk/UK-games-industry-census-2020, zuletzt geprüft am 15.8.2020. Tillmann, A. (2014). Girls Media – Feminist Media: Identitätsfindung, Selbstermächtigung und Solidarisierung von Mädchen und Frauen in virtuellen Räumen. In: K.-U. Hugger (Hrsg.), Digitale Jugendkulturen (S. 155 ff.). Wiesbaden: Springer VS. West, C. & Zimmerman, D. H. (1987). Doing Gender. In: Gender and Society, Band 1, Nr. 2, S. 125–151. Abbildungen: Abb. 1: Die Sims 4 / EA Games / Screenshot Abb. 2: Eigene Darstellung nach Feminist Frequency, Videospielprotagonist*innen nach Geschlecht, 2019, © Feminist Frequency (https://feministfrequency.com/2019/06/14/gender-breakdown-of-games-featured-at-e3-2019/, zuletzt geprüft am 7.10.2019). Abb. 3: SpyParty, Screenshot aus dem Spiel, 2019, © SpyParty (http://cdn.spyparty.com/wp-content/themes/spyparty/screenshots/jpgnew/SpyParty-v0.1.3869.0-20150427-14-48-46-0.jpg, zuletzt geprüft am 10.10.2019). Spiele: Barbie Fashion Designer, Digital Domain, Microsoft Windows / Mac OS, Mattel Media 1996. Call of Duty, Infinity Ward / Treyarch Vereinigte Staaten / Sledgehammer Games, PC / Konsolen / Mobil, Activision 2003–2019. Deathloop, Arkane Studios, PC / Playstation 5, Bethesda Softworks 2021. The Sims, Maxis, PC / Konsolen / Mobil, EA Games 2000–2014. The Sims 4, Windows / macOS / Playstation 4 / Xbox One, Electronic Arts 2014. FIFA, EA Canada, PC / Konsolen / Mobil, Electronic Arts 1993–2019. Grand Theft Auto: San Andreas, Rockstar North, Playstation 2, Rockstar Games 2004. Horizon Zero Dawn, Guerrilla Games, Playstation 4, Sony Interactive Entertainment 2017. SpyParty, Chris Hecker, Windows / OS X, 2018. Abdul-Hussain, S. & Hofmann, R. (2013). Begriffserklärung Diversität. In: erwachsenenbildung.at. Bundesministerium Bildung, Wissenschaft und Forschung Österreich. Online: https://erwachsenenbildung.at/themen/diversitymanagement/grundlagen/begriffserklaerung.php, zuletzt geprüft am 28.1.2020. Banaszczuk, Y. (2019). Toxic Gaming – Rassismus, Sexismus und Hate Speech in der Spieleszene. In: Aus Politik und Zeitgeschichte – Gaming, 31-31/2019, S. 34–39. Batchelor, J. (2019). Anita Sarkeesian: "No more excuses for the lack of women at E3". Online: https://www.gamesindustry.biz/articles/2019-06-06-anita-sarkeesian-no-more-excuses-for-the-lack-of-women-at-e3, zuletzt geprüft am 15.10.2019. Douai, A. & King, A. E. (2014). From the "Damsel in Distress" to Girls’ Games and Beyond: Gender and Children’s Gaming. In: J. McGurren & J. Prescott (Hrsg.), Gender Considerations and Influence in the Digital Media and Gaming Industry (S. 1–17), IGI Global. Online: https://www.researchgate.net/publication/265591910_From_the_damsel_in_distress_to_girls'_games_and_beyond_Gender_and_children's_gaming, zuletzt geprüft am 20.10.2019. Electronic Arts Inc. / Thothc (2013). Boy clothes for girls? Online: https://forums.thesims.com/en_US/discussion/647279/boy-clothes-for-girls, zuletzt geprüft am 12.11.2019. Electronic Arts Inc. (2019). Diversity & Inclusion. Online: https://www.ea.com/about/diversity-and-inclusion, zuletzt geprüft am 12.11.2019. Entertainment Software Association (2019). About E3. Online: https://www.e3expo.com/about, zuletzt geprüft am 30.8.2019. Feminist Frequency (2019). About. Online: http://www.stiftung-digitale- spielekultur.de/gender-und-gaming/, zuletzt geprüft am 7.10.2019. Fullerton, T., Fron, J., Pearce, C. & Morie, J. (2007). Getting girls into the game: Towards a "Virtuous Cycle". In: Y. B. Kafai, C. Heeter, J. Denner & J. Y. Sun (Hrsg.), Between Barbie and Mortal Kombat – New Perspectives on Gender and Gaming (S. 137–149). Cambridge: MIT Press. Online: https://pdfs.semanticscholar.org/fd73/368fb555f27037938574602147134277d99e.pdf, zuletzt geprüft am 30.8.2019. game – Verband der deutschen Games-Branche e. V. (2021). Jahresreport der deutschen Games-Branche 2021, 24.08.2021. Online: https://www.game.de/publikationen/jahresreport-2021/, zuletzt geprüft am 30.09.2021. Hahn, S. (2017a). Gender und Gaming. Online: http://www.stiftung-digitale-spielekultur.de/gender-und-gaming/, zuletzt geprüft am 30.8.2019. Hahn, S. (2017b). Gender and Gaming – Frauen im Fokus der Games-Industrie. Bielefeld: transcript. International Game Developers Association (IGDA) (2019). Developer Satisfaction Survey 2019 Summary Report. Online: https://s3-us-east-2.amazonaws.com/igda-website/wp-content/uploads/2019/04/11144431/IGDA_DSS14-15_DiversityReport_Aug2016_Final-1.pdf, zuletzt geprüft am 15.8.2020. Joseph, F. (2019). 5 Awesome Black Video Game Characters. Online: https://www.ign.com/articles/2019/02/26/5-awesome-black-video-game-characters, zuletzt geprüft am 30.8.2019. Kiel, N. (2014). Gender In Games. Hamburg: Dr. Kovač. Klimmt, C. (2001). Ego-Shooter, Prügelspiel, Sportsimulation? Zur Typologisierung von Computer- und Videospielen. In: M&K Medien & Kommunikationswissenschaft, Jahrgang 49, Heft 4, S. 480–497. Online: https://www.nomos-elibrary.de/10.5771/1615-634x-2001-4-480/ego-shooter-pruegelspiel-sportsimulation-zur-typologisierung-von-computer-und-videospielen-jahrgang-49-2001-heft-4, zuletzt geprüft am 13.11.2019. Lang, D. J. (2016). "The Sims" removes gender barriers in video game. Online: https://apnews.com/bd097db0f058446b9b4e277ef2dcf553, zuletzt geprüft am 20.10.2019. McDonald, K. (2019). Keanu, comebacks and a new console: the 10 biggest stories of E3 2019. Online: https://www.theguardian.com/games/2019/jun/14/10-biggest-stories-e3-2019-cyberpunk-2077-final-fantasy-vii-project-scarlett, zuletzt geprüft am 30.8.2019. McWhertor, M. (2015). Meet SpyParty's colorful new characters. Online: https://www.polygon.com/2015/4/28/8511003/spy-party-new-characters-group-3-chris-hecker, zuletzt geprüft am 10.10.2019. Narcisse, E. (2014). The Most Diverse Video Game Cast Is Getting Even More Varied. Online: https://kotaku.com/the-most-diverse-video-game-cast-is-getting-even-more-1580163829, zuletzt geprüft am 10.10.2019. Petit, C. & Sarkeesian, A. (2019). Female Representation in Videogames Isn't Getting Any Better. Online: https://www.wired.com/story/e3-2019-female-representation-videogames/#, zuletzt geprüft am 7.10.2019. Radford-Burns, R. (2019). Gender and Race Representation at E3 2019. Online: https://www.onlysp.com/e3-2019-gender-and-race-representation/, zuletzt geprüft am 28.10.2019. Rousseau, J. (2019). E3 2019 Let’s talk about Diversity and Inclusion. Online: https://medium.com/swlh/e3-2019-lets-take-about-diversity-and-inclusion-a80e3a080795, zuletzt geprüft am 30.8.2019. Stallmeister, U. (2019). 5 Fragen – 5 Antworten zur Weltbevölkerung. Online: https://www.dsw.org/5-fragen-5-antworten-zur-weltbevoelkerung/#3, zuletzt geprüft am 30.8.2019. Taylor, M. (2020). UK Games Industry Census - understanding diversity in the UK games industry workforce. Online: https://ukie.org.uk/UK-games-industry-census-2020, zuletzt geprüft am 15.8.2020. Tillmann, A. (2014). Girls Media – Feminist Media: Identitätsfindung, Selbstermächtigung und Solidarisierung von Mädchen und Frauen in virtuellen Räumen. In: K.-U. Hugger (Hrsg.), Digitale Jugendkulturen (S. 155 ff.). Wiesbaden: Springer VS. West, C. & Zimmerman, D. H. (1987). Doing Gender. In: Gender and Society, Band 1, Nr. 2, S. 125–151. Abbildungen: Abb. 1: Die Sims 4 / EA Games / Screenshot Abb. 2: Eigene Darstellung nach Feminist Frequency, Videospielprotagonist*innen nach Geschlecht, 2019, © Feminist Frequency (https://feministfrequency.com/2019/06/14/gender-breakdown-of-games-featured-at-e3-2019/, zuletzt geprüft am 7.10.2019). Abb. 3: SpyParty, Screenshot aus dem Spiel, 2019, © SpyParty (http://cdn.spyparty.com/wp-content/themes/spyparty/screenshots/jpgnew/SpyParty-v0.1.3869.0-20150427-14-48-46-0.jpg, zuletzt geprüft am 10.10.2019). Spiele: Barbie Fashion Designer, Digital Domain, Microsoft Windows / Mac OS, Mattel Media 1996. Call of Duty, Infinity Ward / Treyarch Vereinigte Staaten / Sledgehammer Games, PC / Konsolen / Mobil, Activision 2003–2019. Deathloop, Arkane Studios, PC / Playstation 5, Bethesda Softworks 2021. The Sims, Maxis, PC / Konsolen / Mobil, EA Games 2000–2014. The Sims 4, Windows / macOS / Playstation 4 / Xbox One, Electronic Arts 2014. FIFA, EA Canada, PC / Konsolen / Mobil, Electronic Arts 1993–2019. Grand Theft Auto: San Andreas, Rockstar North, Playstation 2, Rockstar Games 2004. Horizon Zero Dawn, Guerrilla Games, Playstation 4, Sony Interactive Entertainment 2017. SpyParty, Chris Hecker, Windows / OS X, 2018.
Article
Jana Möglich
"2022-04-07T00:00:00"
"2022-02-05T00:00:00"
"2022-04-07T00:00:00"
https://www.bpb.de/themen/kultur/digitale-spiele/504547/diversitaet-in-digitalen-spielen-ueber-alte-muster-und-neue-modelle/
Wie in vielen anderen Medien werden auch in digitalen Spielen eher stereotype Darstellungen reproduziert. Doch mit steigender Sensibilisierung zeichnet sich ein Wandel ab.
[ "Digitale Spiele", "Diversität", "Stereotypen" ]
30,741
Funktionen des Bundes-Verfassungsgerichts | Parlamentarismus | bpb.de
Einleitung Dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) wird in Meinungsumfragen - und nahezu unbeeinflusst von der öffentlichen Diskussion um kontroverse Entscheidungen des Gerichts - unter den staatlichen Institutionen stets das höchste Vertrauen entgegengebracht. Doch nicht allein durch diese außergewöhnliche Legitimation ist das BVerfG als Verfassungsorgan ein so bedeutsamer Akteur im zentralen politischen Entscheidungssystem der Bundesrepublik Deutschland, dass - etwas provokant - bereits die "Karlsruher Republik" beschworen wurde. Trotz dieser zutreffenden Beschreibung des zentralen Stellenwerts der Verfassungsgerichtsbarkeit in der Bundesrepublik Deutschland bleiben die eigentlichen Aufgaben des BVerfG im politischen System seltsam schemenhaft. Auch ein Blick über die Grenzen offenbart, dass zwar die Verfassungsrechtsprechung inzwischen in den meisten liberalen Demokratien ein potenter politischer Akteur ist, doch konstatieren Martin Shapiro und Alec Stone - beide auf diesem Gebiet als führend ausgewiesen - lakonisch: "Indeed, comparativists rarely know anything about law and courts." Es ist also zu klären, welche Funktionen der Verfassungsgerichtsbarkeit im politischen System Deutschlands zuzuschreiben sind. In der folgenden Untersuchung wird ein politikwissenschaftlicher Ansatz vertreten. Aus staatsrechtlicher Perspektive wird man manchen Befund möglicherweise anders bewerten. Aufgabenbereiche des BVerfG Ein erster Ansatzpunkt, die Funktionen des BVerfG zutreffend zu beschreiben, besteht darin, Karlsruhe zwischen den Polen "Recht" und "Politik" zu verorten. Dabei wird in der Staatsrechtslehre zwar die politische Beschaffenheit der zu entscheidenden Fragen eingeräumt, aber zugleich der "unpolitische" Gerichtscharakter der Institution - und daraus folgend das "unpolitische" Wesen der Entscheidungsverfahren selbst - betont. In ähnliche Richtungen weisen auch Funktionszuschreibungen wie "Hüter der Verfassung". Doch verdeutlichen zahlreiche Studien zur "Verrechtlichung", "Justizialisierung" und "Juridifizierung" von Politik sowie zum Problem der "Politisierung der Justiz", dass der Ort des BVerfG durch eine Trennung der Sphären "Recht" und "Politik" nicht empirisch zutreffend beschrieben werden kann. Dieser Versuch ist zum Scheitern verurteilt: Einerseits versuchen politische Akteure (z.B. die im Gesetzgebungsverfahren unterlegene Opposition) oftmals, politische Streitfragen im Gewande der Verfassungsstreitigkeit weiterzuführen. Andererseits schieben diese Akteure mitunter unpopuläre Entscheidungen "vor sich her" und warten auf "Programmformulierungen" durch das BVerfG. Schlüssig hat Konrad Hesse postuliert, das BVerfG habe "Anteil an der Staatsleitung", was in der Staatsrechtslehre heftig kritisiert wurde. Aber die Rolle der Verfassungsgerichtsbarkeit ist gerade nicht mit der einer Fachgerichtsbarkeit für ein spezifisches Rechtsgebiet gleichzusetzen, da es im verfassungsprozessualen Verfahren letztlich ums "große Ganze", den Rahmen allen staatlichen Handelns, die Steuerung des gesamten Gemeinwesens geht. Die im Begriff "Staatsleitung" angesprochene Mitsteuerungsfunktion der Verfassungsrechtsprechung ist somit auch empirisch festzustellen. Sogar die mitunter anzutreffende Kritik, Karlsruhe drohe seinen institutionellen Charakter als Gericht zu "sprengen", verweist implizit auf diese "Mitsteuerungsfunktion". Ein politikwissenschaftlicher Funktionenkatalog für die Verfassungsrechtsprechung vermag deshalb durchaus Anleihen bei anderen Strukturen des politischen Systems und den ihnen zugeschriebenen Aufgaben zu nehmen. Kontrolle Kontrolle ist die offensichtliche Funktion der Verfassungsrechtsprechung. Sie hat als "Hüter der Verfassung" die Aufgabe, die Einhaltung derselben zu kontrollieren. Primärer Adressat der Kontrolle sind die politischen Akteure. Deutlich ist dies bei den Verfahrensarten des Organstreits oder der föderativen Streitigkeiten, in denen Verfassungsorgane bzw. Bund und Länder miteinander über die Verletzung ihrer Rechte streiten. Politische Akteure sind aber auch bei den Normenkontrollen sowie bei den direkt oder indirekt gegen ein Gesetz gerichteten Verfassungsbeschwerden Hauptadressaten der Kontrolle, wenn die Verfassungsgerichtsbarkeit das Handeln des Gesetzgebers auf seine Verfassungsmäßigkeit untersucht. Angesichts ihrer umfassenden Kontrollkompetenzen - insbesondere in Form der Normverwerfung - lässt sich die Verfassungsrechtsprechung unschwer als mächtiger Vetospieler identifizieren. Allerdings widerlegen die meisten Studien zum BVerfG die These einer über den Einzelfall hinausgehenden "Politisierung" und erklären die "reformkritische" Entscheidungspraxis der siebziger Jahre primär als Resultante der von Karlsruhe verwandten Interpretationsmethoden und seiner vorhergehenden Entscheidungspraxis, an der es aus "organisatorischem Konservativismus" festhielt. Allerdings beschränkt sich die Kontrollfunktion des BVerfG nicht auf die Kontrolle des Gesetzgebers. Ähnliches erfolgt - trotz der unablässig wiederholten Formel, das BVerfG sei keine "Superrevisionsinstanz" - auch gegenüber der Rechtsprechung der Fachgerichte. Daneben werden auch gesellschaftliche Akteure einer Kontrolle ihres Handelns unterzogen (etwa durch die "Drittwirkung der Grundrechte"). Der Zugriff erfolgt hier aber üblicherweise durch das Handeln bzw. Unterlassen staatlicher Organe (d.h. der Verwaltung, v. a. aber der Gerichtsbarkeit). Dabei ist die Kontrollfunktion aber kein Zweck an sich, sondern dient dazu, unangemessene Eingriffe in individuelle Freiheiten zu unterbinden. Ihr Zweck ist damit primär das Offenhalten des politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozesses und der Schutz der Verfassungsordnung. Dabei beschränkt sich die Erfüllung der Funktion nicht auf Kontrolle durch nachträgliche Aufsicht, sondern erfolgt auch antizipativ durch die bloße Existenz der Verfassungsrechtsprechung und die in der Vergangenheit dokumentierte Bereitschaft, ihre Kompetenzen auch auszuschöpfen. Normbezogene Funktionen Die bereits angesprochene Normenkontrolle ist differenziert zu betrachten. Einerseits ist zwischen der Kontrolle einfachen Gesetzesrechts am Maßstab der Konstitution und der Auslegung der oft höchst interpretationsbedürftigen Verfassungsnormen zu unterscheiden. Andererseits ist zu beachten, dass sich das BVerfG keineswegs auf die Kontrolle von Normen beschränkt, sondern mitunter auch aktiv an der Fortentwicklung der Rechts- und Verfassungsordnung mitwirkt. Normkontrolle und -formulierung Im Verfahren der abstrakten und konkreten Normenkontrolle, aber auch im Zuge zahlreicher Verfassungsbeschwerden prüft das BVerfG formal, ob eine Norm mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Eine umfangreiche Kritik am "Ersatzgesetzgeber" in Karlsruhe, der anstelle der eigentlich zuständigen Institutionen normformulierend tätig werde, verweist aber auch auf die normsetzende Funktion der Verfassungsrechtsprechung. In wenigen, dafür aber meist aufsehenerregenden Einzelfällen geschieht dies explizit durch Installierung einer Ersatznorm. Oft macht das BVerfG aber von seiner Normverwerfungskompetenz gar keinen Gebrauch, sondern erklärt im Zuge der "verfassungskonformen Auslegung" eine spezifische Interpretation der Norm für verbindlich. Damit wird es letztlich rechtssetzend tätig. Denn Justiz und Verwaltung ist damit vorgegeben, wie die Norm anzuwenden ist, und dem Gesetzgeber ist der mögliche Gestaltungsspielraum, den eine bloße Nichtigerklärung geboten hätte, entzogen. Eine Variante stellen Unvereinbarkeitserklärungen dar, die mit einem Appell an den Gesetzgeber versehen sind, bestimmte Regelungen alsbald zu verabschieden, um einen verfassungsgemäßen Zustand herzustellen. Diese werden in jüngster Zeit mit immer kürzeren Fristen an den Gesetzgeber verbunden. Normformulierend wird Karlsruhe schließlich auch dann tätig, wenn es lediglich einen Vorschlag zur Schlichtung macht. Dabei sind Normverwerfung und Normformulierung im Bereich der einfachen Gesetzgebung komplementäre Erscheinungsformen der gleichen Funktion. Der rechtssetzende Charakter der verfassungskonformen Auslegung unterstreicht diese Janusköpfigkeit. Aber selbst wenn die Verfassungsrechtsprechung sich darauf beschränkt zu prüfen, ob der Gesetzgeber bei der Verabschiedung der Norm gegen die Verfassung verstoßen bzw. die Bedeutung ihrer Normen "verkannt" hat, vollzieht sie mitunter die Anpassung der Rechtsordnung an einen inzwischen eingetretenen Wandel des Rechtsverständnisses in Gesellschaft, Rechtswissenschaft oder auch im BVerfG selbst. Verfassungsanpassung Die Verfassungsgerichtsbarkeit erfüllt neben der bloßen Normenkontrolle auch die Funktion der Verfassungsanpassung, denn jede Verfassung, so kodifiziert und rigide sie auch sein mag, weist eine gewisse Inkohärenz auf: - Viele ihrer Rechtsbegriffe sind relativ allgemein und deutungsoffen. - Manche Fragen konnten angesichts der Mehrheitsverhältnisse in den verfassunggebenden Organen nicht entschieden werden, sondern wurden lediglich durch "dilatorische Formelkompromisse" überbrückt. - Nicht selten ergeben sich zwischen einzelnen Verfassungsnormen logische Inkonsistenzen oder gar Widersprüche. - Mitunter sind auch ganze Problembereiche nicht geregelt, weil die Fragen bei der Verabschiedung der Verfassung noch gar nicht bekannt waren oder sie bewusst "ausgeklammert" wurden. Im politischen Prozess können somit Situationen eintreten, in denen solche offen gebliebenen Fragen entschieden, d.h. Normkonkurrenzen geklärt bzw. Verfassungslücken geschlossen werden müssen. Eine Anpassungsbedürftigkeit der Verfassung kann sich darüber hinaus auch durch sozialen Wandel, also veränderte Konstellationen in Gesellschaft, Politik oder Rechtssystem, ergeben. Dies kann sowohl in der Änderung von "objektiven" Problemlagen als auch in der Modifikation von Werturteilen der Akteure begründet sein. Politische Systeme mit kodifizierter Verfassung können dies nur begrenzt durch veränderte Staatspraxis, stattdessen bietet sich üblicherweise der Weg einer formellen Verfassungsänderung an. Je nach Rigidität der Verfassung ist dieser aber mitunter kaum praktikabel (so etwa in den USA, wo die Hürden so hoch sind, dass die Verfassung seit 1791 lediglich 19-mal geändert wurde). Der hierdurch verursachte Druck, andere Wege der Verfassungsanpassung zu entwickeln, mag dazu beigetragen haben, dem Supreme Court die Rolle eines "immerwährenden Verfassungskonvents" als Repräsentationsorgan "aufgeklärter Präferenzen" zuzuschreiben. Für das relativ rigide Grundgesetz übernimmt neben dem verfassungsändernden Gesetzgeber vor allem das BVerfG die Funktion der Verfassungsanpassung. Diese erfolgt auf vierfachem Wege: - Durch die Konkretisierung von Verfassungsnormen werden Lücken geschlossen und die Bedeutungsvariabilität eingeschränkt. Dies ist insbesondere bei Kompetenz- und Verfahrensvorschriften der Staatsorgane der Fall, etwa beim "Wesentlichkeitsgrundsatz". - Fortbildung im Sinne einer Öffnung von Normen für neue Bedeutungen praktiziert das BVerfG dagegen besonders bei Regelungen, die das gesellschaftliche Leben betreffen, etwa bei der Herleitung eines Grundrechts auf "informationelle Selbstbestimmung" aus dem Schutz der Menschenwürde. - Eine Variante ist die Aktualisierung von Normen im Sinne der Wiederbelebung ihrer Bedeutung durch neue Problemlagen, wenn etwa Fragen der Religionsfreiheit durch (in dieser Deutlichkeit) neu auftretende Glaubensbekundungen oder auch die Minderheitsposition der etablierten Kirchen in Ostdeutschland neue Relevanz gewinnen. - Nicht übersehen werden darf schließlich die Neuinterpretation von Normen, die den bisher "gültigen" Sinn wegen eingetretener Veränderungen modifiziert und bisweilen in sein Gegenteil verwandelt. Dabei wird ein Wandel meist mit tatsächlichen Änderungen begründet, obwohl ihm eigentlich eine Wertungsänderung durch Gesellschaft und BVerfG zugrunde liegt. Aus den vielfältigen Reaktionsmöglichkeiten erklärt sich auch ein gewisser "Vorteil", den die Verfassungsgerichtsbarkeit auf Grund der Verfassungsanpassung gegenüber dem verfassungsändernden Gesetzgeber genießt: Im Zuge der Aktualisierung oder Neuinterpretation kann sie "geschmeidiger" auf Veränderungen reagieren, als es Bundestag und Bundesrat angesichts hoher formaler Hürden oft möglich ist. Gesellschaftspolitische Funktionen Schon die Funktion der Verfassungsrechtsprechung, Normen angesichts eingetretener Veränderungen anzupassen, weist deutlich darauf hin, dass ihre Aufgaben über den engeren staatlichen Bereich hinausweisen und in die Gesellschaft hineinwirken. In ihrer Entscheidungspraxis sind deshalb zahlreiche Elemente festzustellen, die sich über den engeren Bereich der Politik hinaus auf das soziale Leben richten. Integration Gerade im Gefolge einiger sehr umstrittener Entscheidungen ist dem BVerfG seit Mitte der neunziger Jahre wieder verstärkt die Aufgabe zugewiesen worden, für den "sozialen Kitt" der Gesellschaft Sorge zu tragen. Damit wurde eine ältere, bis auf Rudolf Smend zurückgehende Diskussion über die Absicherung der gesellschaftlichen Wertordnung durch Verfassung und Verfassungsrechtsprechung aufgenommen. In dieser Perspektive hat die Verfassungsgerichtsbarkeit primär die Aufgabe, Wertentscheidungen der Verfassung anhand konkreter Fälle zu "aktualisieren". Rudolf Smends Formel, "das Grundgesetz gilt, wie das BVerfG es auslegt", verweist das Gericht damit auf eine aktive implementierende Rolle. Dieses "enge" Integrationskonzept hat aber vielfältige Kritik erfahren. Nach Gary S. Schaal ist es deshalb erforderlich, den Integrationsbegriff aus der engen Smend'schen Bedeutung zu lösen und insgesamt vier Integrationsmodi zu unterscheiden: - Integration qua Wertekonsens: Das auf Smend zurückgehende Wertaktualisierungsmodell sieht gesellschaftliches Zusammenleben in einer Demokratie nur dann als möglich an, wenn durch die Verfassung eine vorkonstitutionelle Wertordnung "kodifiziert" wird. Aufgabe der Verfassung - und der Verfassungsrechtsprechung als ausführender Instanz - ist es, diese Wertentscheidungen durch Aktualisierung in ihrem Wesensbestand zu stabilisieren. Damit bindet sie den politischen Prozess an die normative Basis des Systems, also seine Legitimationsgrundlage, zurück. Die Verfassungsgerichtsbarkeit ist in dieser Perspektive primär als "Hüter des (vorkonstitutionellen) Wertekonsenses" anzusehen. - Integration qua Neutralität: Demgegenüber geht die (klassisch-)liberale Perspektive davon aus, die Wertvorstellungen in einer Gesellschaft seien so plural, dass ein gesellschaftlicher Konsens gleichsam nur über einige "Basis-Spielregeln" prozeduraler Art hergestellt werden könne. Diese sichern allein die Offenheit des pluralistischen Willensbildungsprozesses und definieren einige zentrale, nicht entziehbare Individualrechte zum Schutz der individuellen Freiheit. Der Verfassungsrechtsprechung ist hier die Rolle eines "Schiedsrichters" zugewiesen, der - um eine Anleihe beim Fußball zu nehmen -, das Spiel laufen lässt, d.h. mitunter auch kleinere Regelverstöße hinnimmt und nur eingreift, wenn es zu "entgleisen" droht. - Integration qua Diskurs: Dieser Modus versucht eine Verbindung zwischen den beiden ersten Grundgedanken, indem er die Verfassungsrechtsprechung als Teil eines deliberativen Verfahrens zur (konsensualen) Verständigung über die Wertgrundlagen des Systems versteht. Diese ist somit "Forum" eines konsensorientierten Verständigungsprozesses. - Integration qua Konflikt: Dieser Modus betont vor allem, dass der vom Diskursmodell unterstellte Konsens bei unüberbrückbaren Differenzen nicht zu erreichen ist. So verbindet er das Diskurs- und das Neutralitätsmodell auf einer zweiten Ebene gleichsam erneut: Zum einen wacht die Verfassungsgerichtsbarkeit über die Einhaltung der Verfahrensregeln, wodurch der Willensbildungsprozess einerseits offen gehalten, andererseits aber auch zum Zwecke der friedlichen Einhegung des Wertekonflikts verregelt wird. Zum anderen ist die Verfassungsrechtsprechung auch ein Forum für den Austrag und die Darstellung jener Wertkonflikte, die nicht konsensfähig und deshalb von Gesellschaft und politischem System "auszuhalten" sind. Die Verfassungsgerichtsbarkeit ist in dieser Perspektive somit einerseits Schiedsrichter, andererseits stellt sie durch ihre Verfahren auch das Spielfeld bereit. Alle vier Integrationsmodi können keinen Ausschließlichkeitsanspruch erheben. Sie sind in der Realität kaum analytisch sauber voneinander zu trennen, denn stets ergänzen sich mehrere, wenn nicht alle Modi gegenseitig: So sind die Regeln, die den politischen Prozess offen halten, Kern des Modus "Neutralität", Voraussetzung für die Modi "Diskurs" und "Konflikt", schließlich aber auch als Teil der Legitimationsgrundlage Gegenstand des Modus "Wertekonsens". Diese Vielschichtigkeit erlaubt es dem BVerfG, an der Förderung des Werte- und Verfassungskonsenses mitzuwirken, indem es "integrationsgefährdende" Normen kassiert bzw. "integrationsfördernde" neu oder fortentwickelt. Zudem kann die Verfassungsrechtsprechung als Institution autoritativer Verfassungsinterpretation durch ihre Entscheidungen integrieren, indem sie Rechtssicherheit herstellt, wenn sie eine mögliche Interpretation als - zumindest vorläufig - "geltend" verbindlich macht. Damit schließt sie den Diskurs aber nicht ab, denn es kann weiterhin kontrovers erörtert werden, ob ihre Entscheidung "richtig" gewesen ist. Integrativ kann das BVerfG zudem durch den Inhalt seiner Entscheidungen wirken. Besonders deutlich wird dies, wenn es Vermittlungsvorschläge vorlegt. Meist bleibt die vermittelnde Funktion der Entscheidungspraxis dagegen hinter dem kontradiktorischen Charakter der Verfahren verborgen, doch kann eine "ausgleichende" Wirkung auch in vielen Entscheidungen der konfliktreichen siebziger Jahre nachgewiesen werden, da die Position der letztlich unterlegenen Seite oftmals angemessen gewürdigt wurde. Insofern verweist Karlsruhe in seiner Entscheidungspraxis auch auf die im politisch-sozialen Diskurs "auszuhaltenden" Differenzen. Das BVerfG setzt die Integrationsfunktion somit in vielfältiger Weise unter Ansprechung verschiedener Integrationsmodi um, so dass diese unterschiedlichen "Integrationskonzepte" nicht als einander ausschließend betrachtet werden dürfen. Legitimation Eher prozedural ist dagegen die Legitimationsfunktion der Verfassungsrechtsprechung angelegt. Denn die Verfassungsgerichtsbarkeit verdeutlicht durch ihre bloße Existenz und Spruchpraxis den rechtsstaatlichen Charakter der Verfassung, deren Vorrang gegenüber den Gesetzen sowie die Einhegung politischer Macht. Auch die allgemeine Meinung in der Bevölkerung, im Falle einer vermeintlichen Ungerechtigkeit immer noch "nach Karlsruhe gehen" zu können, versinnbildlicht dieses Prinzip und dokumentiert zudem eine gewaltige soziale Entlastungsfunktion als gesellschaftliche "Klagemauer". So ist das BVerfG auch Seismograph für soziale Missstände, signalisiert durch seine Verfahren und die Gegenstände, die an es herangetragen werden. Thematisierung Schließlich darf nicht übersehen werden, dass die Verfassungsrechtsprechung in starkem Maße die politische und gesellschaftliche Tagesordnung bestimmt. Als Agenda-Setter fungiert das BVerfG gegenüber der Politik z.B. durch die Folgen seiner Entscheidungen, wenn es ein Gesetz aufhebt oder Gesetzgebungsaufträge erteilt. Die politische Tagesordnung vermag es aber auch über Appellentscheidungen, Entscheidungsbegründungen und Sondervoten zu beeinflussen. Schließlich signalisiert es über seine Annahmepraxis auch die Relevanz einer Frage, denn wenn Karlsruhe eine Verfassungsbeschwerde annimmt oder sogar eine mündliche Verhandlung anberaumt, unterstreicht es die Bedeutung des Gegenstandes - unabhängig von der letztendlichen Entscheidung. So vermag das BVerfG dazu beizutragen, dass ein Anliegen die "Aufmerksamkeitsschwelle" des öffentlichen Diskurses überwindet. Thematisierend wirkt die Verfassungsrechtsprechung aber auch gegenüber dem Rechtssystem und der Verwaltung: nicht allein durch die direkten Folgen seiner Entscheidung, sondern vor allem durch seine Argumentation und damit die Strukturierung des rechtswissenschaftlichen Diskurses bis hin zur Beeinflussung der "herrschenden Meinung" - sogar das Wort vom "Bundesverfassungsgerichtspositivismus" ist schon gefallen. Schließlich kann Karlsruhe durch seine Spruchpraxis auch gegenüber der Gesellschaft die Virulenz eines Problems verdeutlichen. Dies kann bis zu einer verfassungsrechtlichen bzw. -politischen Staatsbürgerkunde reichen, wenn Bürger auch in Phasen allgemeiner Erregung vom Gericht auf die Ziele und Garantien einer freiheitlichen Demokratie hingewiesen werden. "Intrakonstitutionelle Prärogative" als Reservefunktion In der Kontroverse um das BVerfG als "Ersatzgesetzgeber" wird mitunter darauf hingewiesen, dass die Verfassungsrechtsprechung bisweilen nur für die eigentlich zum Handeln aufgerufenen Institutionen "in die Bresche" springe und längst überfällige Reformen initiiere. In Anlehnung an John Lockes Charakterisierung der Prärogative als "Power of doing public good without a Rule" soll diese Funktion einer (zumindest perzipierten bzw. behaupteten) Notwendigkeit von "Ersatzgesetzgebung" als "intrakonstitutionelle Prärogative" bezeichnet werden. Es könnte eingewandt werden, die Benennung sei irreführend, da das BVerfG nicht außerhalb der Verfassung handle und diese Funktion - wenn überhaupt - lediglich substitutiv ausgeübt wird. Allerdings ist zu bedenken: - Einen Ersatzcharakter im Sinne einer Aktivität, wenn die zuständigen Institutionen nicht handeln, hat die Prärogative schon bei Locke, so dass "Substitution" für Prärogative konstitutiv ist - andernfalls handelt es sich um eine absolute Herrschaft. Sie greift ein, wenn andere Organe nicht handeln können oder wollen. Das gilt selbstverständlich erst recht für das BVerfG, denn ohne die Passivität anderer Institutionen ergäbe sich gar kein Gelegenheitsfenster für sein Handeln. - Wenn das BVerfG entsprechend agiert, handelt es innerhalb der Verfassungsordnung "unbeschränkt". Denn seine Aktivitäten können innerhalb des von der Verfassung konstituierten Institutionengefüges nicht zurückgewiesen, blockiert oder aufgehoben - sehr wohl aber kritisiert - werden. - Neben der Kritikmöglichkeit begründet eine weitere Tatsache den relativ unproblematischen Charakter dieser intrakonstitutionellen Prärogativgewalt. Da das BVerfG über keinerlei Mittel verfügt, seine Entscheidungen bei fehlender Folgebereitschaft der politischen und gesellschaftlichen Akteure durchzusetzen, ist sie deutlich eingehegt. Insofern muss die Verfassungsrechtsprechung, wenn sie zur Prärogative greift, überzeugen und den Diskurs suchen. Denn ihre einzige, in einem tief greifenden Konflikt aktivierbare und relevante Machtressource besteht - anders als bei Locke - lediglich in der Bereitschaft der der Entscheidung direkt oder indirekt Unterworfenen, dieser Folge zu leisten. Verknüpfung unterschiedlicher Arenen Die Kommunikationsfunktion ist eine "Meta-Funktion", denn sie sichert das grundlegende Funktionieren des politischen Systems. Ausgangspunkt ist die Tatsache, dass moderne Gesellschaften hochgradig arbeitsteilig ausdifferenziert sind und sich in ihren Subsystemen eigenständige Kommunikationscodes ausgebildet haben, die sich tendenziell gegeneinander abschotten. Gerade weil die Verfassungsrechtsprechung im "Graubereich" zwischen Recht und Politik agiert, ist es ihre Aufgabe, die beiden Bereiche effizient zu verbinden. Es sorgt für eine sachgerechte "Übersetzung" wechselseitig relevanter Probleme und ermöglicht so erst eine sinnvolle Abstimmung - insofern ist eine strikte Trennung von Recht und Politik auch nicht wünschenswert. Das BVerfG bildet gleichsam eine hocheffiziente Schnittstelle, die politische Konflikte in (verfassungs)rechtliche Diskurse "transkribiert", durch seine Entscheidungen aber auch Inhalte der rechtswissenschaftlichen Debatte in die politische Arena "überspielt". Dabei besitzt die Verfassungsgerichtsbarkeit freilich kein "Übersetzungsmonopol", sondern garantiert nur eine, allerdings hoch effiziente, Kopplung. Die Verfassungsrechtsprechung verbindet aber nicht allein Recht und Politik, sondern auch das Rechtssystem (Rechtswissenschaft und Gerichtsbarkeit) mit der Gesellschaft. Dagegen tritt die Verfassungsgerichtsbarkeit in der Kommunikation zwischen Gesellschaft und Politik deutlich zurück, da Parteien, organisierte Interessen und Massenmedien, aber auch die lokal verankerten Parlamentarier diese Übermittlungsleistungen insgesamt erfolgreich bewerkstelligen können. Hier wirkt Karlsruhe vor allem substitutiv als "Dolmetscher" kaum organisierbarer Anliegen ohne Lobby (z.B. von Strafgefangenen) und durch seine gesellschaftliche Seismographenfunktion. So kommuniziert das BVerfG mit der Gesellschaft nur exemplarisch und fast immer medial vermittelt. Das BVerfG als Mittler zwischen "Recht" und "Politik" Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass das BVerfG im politischen System Deutschlands vielfältige Funktionen einnimmt (vgl. die Tabelle auf S. 44). Diese beschränken sich nicht allein auf die rechtliche Kontrolle politischen Handelns, sondern wirken über den Bereich des zentralen politischen Entscheidungssystems hinaus auf die Gesellschaft. So überprüft das BVerfG im Rahmen der Kontrollfunktion zwar primär das Handeln politischer Institutionen (insbesondere im Bereich der Gesetzgebung), verzichtet aber nicht prinzipiell auf die Kontrolle gesellschaftlicher Akteure. Es beschränkt sich auch nicht auf die Überprüfung von Normen auf ihre Verfassungskonformität, sondern wirkt durch ein differenziertes Entscheidungsinstrumentarium aktiv an der Fortbildung der Rechtsordnung mit. Gar nicht zu überschätzen ist - trotz der zahlreichen Änderungen des Grundgesetzes - die Bedeutung des BVerfG bei der Anpassung der Verfassung an veränderte Problemlagen. Zudem übernimmt die Verfassungsrechtsprechung auch eine gesamtgesellschaftliche Integrationsfunktion, indem sie die Offenheit des politischen Prozesses sichert, den Wertekonsens gegebenenfalls reaktualisiert und ein Forum für verfassungspolitische Diskurse bereitstellt. Nicht übersehen werden darf auch die "Entlastungsfunktion", die das BVerfG durch seine Existenz und sein Renommee für das politische System erfüllt. Andererseits vermag es durch seine Thematisierungsfunktion auch Probleme auf die politische, juristische und gesellschaftliche Tagesordnung zu setzen, die bis dahin nicht die Aufmerksamkeitsschwelle des öffentlichen Diskurses zu überwinden vermochten. Mitunter agiert das BVerfG auch als "Ersatzgesetzgeber", wobei aber zu beachten ist, dass es sich dabei nur durchsetzen kann, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind: Einerseits muss Untätigkeit oder Entscheidungsunfähigkeit der eigentlich zuständigen Institutionen Karlsruhe ein "Gelegenheitsfenster" geöffnet haben, andererseits ist es noch mehr als andere Institutionen für seine Entscheidungen auf ausreichende Folgebereitschaft in Staat und Gesellschaft angewiesen. Dieser Funktionenkatalog weist dabei eindeutig über den Bereich des "Rechts" und damit den Charakter der Institution als Gericht hinaus, so dass zu kurz griffe, wer das BVerfG lediglich als "Rechtsprechungsautomaten" für Verfassungsfragen ansähe. Es gehört aber nicht in den Bereich der "Politik", wie dies etwa der Begriff der "Dritten Kammer" suggeriert: Das BVerfG streift den Charakter einer Institution des rechtswissenschaftlichen Diskurses nicht vollständig ab, denn auch weiterhin sind in seinen Verfahren lediglich Argumente "gültig", die auch im rechtswissenschaftlichen Diskurs zulässig sind. Somit besteht die zentrale Funktion der Verfassungsrechtsprechung gerade darin, die in hochdifferenzierten Gesellschaften stets prekäre Kommunikation zwischen den in eigentümlichen Codes kommunizierenden Subsystemen aufrechtzuerhalten und zu intensivieren. Dabei verknüpft sie insbesondere Politik und Rechtssystem (Fachgerichtsbarkeiten und rechtswissenschaftliche Diskurse), aber auch Gesellschaft und Rechtssystem miteinander. Diese Übersetzungsfunktion kann nur gelingen, wenn die Verfassungsrechtsprechung selbst über ausreichende Legitimation in den Subsystemen verfügt, d.h. als "Vermittlungsinstitution" an- und ernst genommen wird. Das BVerfG hat sich in fünf Jahrzehnten zwar ein großes Renommee erarbeitet, doch haben die Kontroversen der neunziger Jahre auch gezeigt, dass diese Legitimation durch die Spruchpraxis selbst stets latent gefährdet ist. Schon die Erörterungen zur Integrationsfunktion verdeutlichen, dass es sich gleichsam um ein multidimensionales Optimierungsprogramm handelt, dessen Output sich angesichts der sich in ihrer Zielsetzung teilweise gegenseitig ausschließenden Einzelprogramme stets aufs Neue in der sozialen Realität bewähren muss. Jedoch ist es gerade diese "Schwäche", die den Charme und letztlich auch die Stärke der Verfassungsrechtsprechung ausmacht: Denn das BVerfG kann nur dadurch Folgebereitschaft finden, dass es seine Entscheidungen in die unterschiedlichen Diskurse einpasst, d.h. sich "Legitimation durch Kommunikation" verschafft. Vgl. Hans Vorländer/Gary S. Schaal, Integration durch Institutionenvertrauen?, in: Hans Vorländer (Hrsg.), Integration durch Verfassung, Wiesbaden 2002, S. 357 - 364. Gary S. Schaal u.a., Die Karlsruher Republik, Bonn 2000. Vgl. Alexander von Brünneck, Verfassungsgerichtsbarkeit in den westlichen Demokratien, Baden-Baden 1992. Dies gilt auch für solche Systeme, die sich eher in der Traditionslinie einer Volkssouveränität Rousseau'scher Prägung sehen. Vgl. Uwe Kranenpohl, Rousseau vs. Hamilton? Volksgesetzgebung und Verfassungsgerichtsbarkeit im Widerstreit, in: Karl Schmitt (Hrsg.), Herausforderungen der repräsentativen Demokratie, Baden-Baden 2003, S. 160f. Martin Shapiro/Alec Stone, The New Constitutional Politics of Europe, in: Comparative Political Studies, 26 (1993/94), S. 397. Vgl. Axel Görlitz (Hrsg.), Politische Justiz, Baden-Baden 1996; Christoph Gusy, Parlamentarischer Gesetzgeber und Bundesverfassungsgericht, Berlin 1985; Christine Landfried, Bundesverfassungsgericht und Gesetzgeber, Baden-Baden 1984. Vgl. Klaus Stüwe, Die Opposition im Bundestag und das Bundesverfassungsgericht, Baden-Baden 1997; Anmerkung der Redaktion: Siehe auch den Beitrag von K. Stüwe in diesem Heft. Vgl. Rüdiger Voigt, Recht - Spielball der Politik?, Baden-Baden 20004, S. 139 - 181. Konrad Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Heidelberg 199520, S. 278 (Rn. 669). So ging auch die deutsche Forschung früh der Frage nach, ob das BVerfG eine "Gegenmacht" zum Gesetzgeber sei. Vgl. Ludger Helms, Entwicklungslinien der Verfassungsgerichtsbarkeit in der parlamentarischen Demokratie der Bundesrepublik Deutschland, in: Eckhard Jesse/Konrad Löw (Hrsg.), 50 Jahre Bundesrepublik Deutschland, Berlin 1999, S. 155 - 157. Vgl. Ingwer Ebsen, Das Bundesverfassungsgericht als Element gesellschaftlicher Selbstregulierung, Berlin 1985; Göttrik Wewer, Das Bundesverfassungsgericht - eine Gegenregierung?, in: Bernhard Blanke/Hellmut Wollmann (Hrsg.), Die alte Bundesrepublik, Opladen 1991, S. 310 - 335. Deutlich kritischer lediglich: Gerhard Biehler, Sozialliberale Reformgesetzgebung und Bundesverfassungsgericht, Baden-Baden 1990. Einen Sonderfall bildet: Hans Lietzmann, Das Bundesverfassungsgericht, Opladen 1988, der der Verfassung - und somit auch der Verfassungsgerichtsbarkeit - die Aufgabe einer Verschleierung und Pazifizierung gesellschaftlicher Antagonismen zuschreibt. BVerfGE 7, 198 (207) (Lüth). Vgl. BVerfGE 39,1 (Schwangerschaftsabbruch I) oder BVerfGE 84, 9 (Ehenamen). Vgl. BVerfGE 101, 158 (Finanzausgleich III) oder BVerfGE 105, 73 (Pensionsbesteuerung). Vgl. BVerfGE 104, 305 ("LER"-Schlichtungsvorschlag). Vgl. Manfred Schwarzmeier, Parlamentarische Mitsteuerung, Wiesbaden 2001. Carl Schmitt, Verfassungslehre, Berlin 1928, S. 31. Vgl. Brun-Otto Bryde, Verfassungsentwicklung, Baden-Baden 1982, S. 285 - 289. Ulrich R. Haltern, Verfassungsgerichtsbarkeit, Demokratie und Mißtrauen, Berlin 1998, S. 253 - 256. Vgl. B-O. Bryde (Anm. 17), S. 42 - 58. Die relativ hohen formalen Hürden der Verfassungsänderung in der Bundesrepublik Deutschland gehen allerdings mit einer relativ großen Zahl von erfolgten Änderungen einher. So wurde das GG seit 1949 51-mal geändert, wovon knapp 200 Regelungen betroffen waren. Vgl. Andreas Busch, Das oft geänderte Grundgesetz, in: Wolfgang Merkel/ders. (Hrsg.), Demokratie in Ost und West, Frankfurt/M., S. 553f. BVerfGE 49, 89 (Kalkar I). Vgl. B.-O. Bryde (Anm. 17), S. 279. BVerfGE 65, 1 (Volkszählung). Vgl. BVerfGE 108, 282 (Kopftuch Ludin) oder BVerfGE 104, 305 ("LER"-Schlichtungsvorschlag). Vgl. BVerfGE 90, 145 (Cannabis) oder BVerfGE 92, 1 (Sitzblockaden II). Vgl. B.-O. Bryde (Anm. 17), S. 285f. Vgl. Gunnar Folke Schuppert/Christian Bumke (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht und gesellschaftlicher Grundkonsens, Baden-Baden 2000. Vgl. Gary S. Schaal, Integration durch Verfassung und Verfassungsrechtsprechung?, Berlin 2000, S. 108 - 135. Rudolf Smend, Festvortrag zur Feier des zehnjährigen Bestehens des Bundesverfassungsgerichts am 26. Januar 1962, in: Bundesverfassungsgericht (Hrsg.), Das Bundesverfassungsgericht 1951 - 1971, Karlsruhe 1971, S. 16. Vgl. Gary S. Schaal, Vier normative Konzepte von Integration qua Verfassung, in: H. Vorländer/ders. (Anm. 1), S. 71 - 99. Vgl. Rudolf Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, München 1928. Vgl. Hans-Peter Schneider, Richter oder Schlichter?, in: Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ), B 49/99, S. 9 - 19; Roland Lhotta, Vermitteln statt Richten, in: Zeitschrift für Politikwissenschaft, 12 (2002), S. 1073 - 1098. Vgl. I. Ebsen (Anm. 10); ders., Der Beitrag des Bundesverfassungsgerichts zum politischen Grundkonsens, in: G. F. Schuppert/Chr. Bumke (Anm. 27), S. 83 - 109. Erhard Blankenburg, Die Verfassungsbeschwerde - Nebenbühne der Politik und Klagemauer von Bürgern, in: Kritische Justiz, 31 (1998), S. 203 - 218. Bernhard Schlink, Die Entthronung der Staatsrechtswissenschaft durch die Verfassungsgerichtsbarkeit, in: Der Staat, 28 (1989), S. 162. Vgl. A. v. Brünneck (Anm. 3), S. 177f. John Locke, Two Treatises of Government, hrsg. von Peter Laslett, Cambridge 1960, S. 396 (II/ § 166). Vgl. Niklas Luhmann, Soziale Systeme, Frankfurt/M. 1984, S. 197f. Vgl. Thomas Gawron/Ralf Rogowski, Drei Seiten des Bundesverfassungsgerichts, in: B. Blanke/H. Wollmann (Anm. 10), S. 341 - 345. Vgl. R. Voigt (Anm. 7), S. 20. Rüdiger Zuck, Das Bundesverfassungsgericht als Dritte Kammer, in: Zeitschrift für Rechtspolitik, 11 (1978), S. 189 - 195. Heinrich Oberreuter, Legitimation durch Kommunikation, in: Jürgen W. Falter u.a. (Hrsg.), Politische Willensbildung und Interessenvermittlung, Opladen 1984, S. 238 - 253.
Article
Kranenpohl, Uwe
"2021-12-07T00:00:00"
"2011-10-04T00:00:00"
"2021-12-07T00:00:00"
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/27914/funktionen-des-bundes-verfassungsgerichts/
Dem Bundesverfassungsgericht wird in Meinungsumfragen höchstes Vertrauen entgegengebracht. Worin bestehen die vielfältigen Funktionen der Verfassungsrechtsprechung aus politikwissenschaftlicher Sicht?
[ "" ]
30,742
Biodiversität - Karriere eines Begriffes | Biodiversität | bpb.de
Einleitung Biologische Vielfalt fasziniert Naturwissenschaftler nicht erst, seitdem sie gefährdet scheint. Carl von Linné, Charles Darwin oder Ernst Haeckel waren namhafte Wegbereiter der Erforschung globaler Artenfülle und der dieser zugrunde liegenden evolutiven Prozesse, lange bevor Natur- und Umweltschützer sich des Themas ihrer Beeinträchtigung und Bedrohung angenommen haben. Mitunter bedarf es der Entwicklung eines neuen, vielfach zunächst unscharfen, metaphorischen Begriffes, um Paradigmenwechsel in Forschung, Gesellschaft und Entwicklung einzuleiten oder um bereits geläufige Einzelphänomene in neuem Fokus zu bündeln. Seit geraumer Zeit bemühen sich Evolutionsbiologen, Systematiker, Ökologen und Naturschützer darum, die Fülle biologischer und standörtlicher Strukturen und Phänomene zu strukturieren, um die Ursachen für eintretende Veränderungen zu analysieren und verstehen zu lernen. Organismische Vielfalt in weit gefasstem Sinne und ihre regionale wie weltweite, teilweise drastische Veränderung waren auch der Gegenstand eines Diskussionskreises um E. O. Wilson, dessen Ergebnisse unter dem Titel "BioDiversity" als Buch veröffentlicht wurden. Zunächst allein auf Vielfalt von Organismen bezogen, wurde die Bedeutung dieser neuen Wortschöpfung mittlerweile deutlich erweitert und unterschiedlich ausgedeutet. Zügig fand sie Eingang in natur- und umweltschutzpolitische Foren. Spätestens seit dem 'Umweltgipfel' von Rio de Janeiro im Jahre 1992 hat die Einschätzung einer wachsenden Beeinträchtigung der Biodiversität in nahezu allen Lebensräumen der Erde die Abfassung vielfältiger umweltpolitischer Absichtserklärungen und verbindlicher Vereinbarungen ausgelöst, die es nunmehr in praktisches Handeln umzusetzen gilt. Die beschwerliche Analyse Eine Inventarisierung von "Biologischer Vielfalt" ist bislang allenfalls rudimentär gelungen. Nicht einmal ihre Größenordnung lässt sich derzeit verlässlich ermitteln. Eine umfassende globale Datenbank fehlt, und Fachleute nehmen an, dass es bei einer jährlichen Neubeschreibung von weltweit über 10 000 Arten, Mikroorganismen dabei nicht einmal einbezogen, wohl noch annähernd 500 Jahre dauern mag, ehe eine globale Inventur - vorübergehend - abgeschlossen ist. Ohnehin ist die Evolution und damit eine genetische Weiterentwicklung von Organismen ja niemals ein abgeschlossener Prozess. Gleichzeitig verändern lokal bis weltweit die Populationen von Arten ihr Verbreitungsgebiet. Selbst die Listen der IUCN mit derzeit etwa 1,6 Millionen erfassten Arten sind letztlich eine unzulängliche Datenbasis für die Ermittlung der Dynamik und Gefährdung von Populationen bedrohter Arten. Die in Printmedien, politischen Zirkeln und von Naturschutzverbänden gehandelten Prozentangaben für das 'Artensterben' in der Absicht, Warnungen, Botschaften und Ziele eindrücklich zu transportieren, fallen vor diesem Hintergrund vielfach in die Kategorie 'Science Fiction'. 'Rote Listen' gefährdeter Arten, Lebensgemeinschaften und Lebensräume als Instrumente der Naturschutzplanung sind Legion. Dennoch hat eine gewachsene Aufmerksamkeit in Öffentlichkeit und Politik hinsichtlich der potenziellen Risiken einer regionalen bis weltweiten Reduktion der Organismenvielfalt in Ökosystemen zumindest eine positive Reaktion ausgelöst: Die Frage nach den wesentlichen Ursachen, den möglichen Risiken und Folgen sowie den Möglichkeiten einer Schadensbegrenzung. Unter Wissenschaftlern besteht die einhellige Auffassung, dass unsere Kenntnisse über die Verbreitung und Gefährdung zahlreicher Organismengruppen äußerst lückenhaft sind - vor allem in abgelegenen und zugleich artenreichen Gebieten. Dennoch wäre eine fortschreitende fahrlässige Vernichtung von Lebensräumen und Organismen weder ethisch verantwortlich noch ökonomisch sinnvoll, zumal wir den zukünftigen Wert der betroffenen Organismen nicht exakt einschätzen können. Kritisch ist in diesem Zusammenhang der akute Mangel an geschulten Experten. Daraus erwächst die berechtigte Befürchtung, ganze Organismengruppen könnten bereits ausgestorben sein, bevor sie entdeckt und in ihrem potenziellen Wert erkannt worden wären. Ist dies nur ein Problem der Wissenschaftler? Die Taxonomie-Initiative gelangt jedenfalls zu der Einsicht, dass nicht nur in Deutschland solche Forscher derzeit Mangelware sind, die geeignete Organismengruppen als Indikatoren für Diversitätsverluste und dadurch ausgelöste Umweltveränderungen sicher ansprechen können, um dieses Wissen zugleich weiterzugeben. Nur nehmen Stiftungsprofessuren für die nationale und internationale Aufgabe der 'klassischen und modernen Taxonomie' auf den 'Roten Listen' gefährdeter Spezies selbst einen Spitzenplatz ein. Überdies: Ein angewachsenes Wissen um die Fülle von Vielfalt und Gefährdung von Arten allein ohne verlässliche Strategien für geeignete Schutzmöglichkeiten wird noch keine Population retten. Ursachen des Artenrückgangs Die diskutierten auslösenden Faktoren für den lokalen bis weltweiten Rückgang der Artenvielfalt sind Legion, und sie unterscheiden sich je nach Eingriff, Region und Zeitpunkt. Sie sind keineswegs auf die letzten Jahrzehnte beschränkt, wie historische Analysen von Veränderung der Großwildfauna seit der Nacheiszeit lehren oder die Vernichtung großer Vogelarten wie des Dodo in historischer Zeit auf abgelegenen Inselsystemen belegen. Insgesamt steigt offenkundig das Ausmaß des regionalen und weltweiten Artenrückgangs an. Knapp formuliert lassen sie sich den einander überlappenden Kategorien Übernutzung natürlicher Ressourcen, steigender Energiebedarf sowie wachsende Intensität der Flächennutzung als Folgen einer rasch anwachsenden menschlichen Bevölkerung zuordnen. Nichts ist harmlos, was Menschen 10(9)- bis 10(10)-fach auf diesem Planeten anstellen: mit einer um ein Hundertfaches höheren Biomasse als jede andere große Landtierart seit Bestehen der Erde. Das wohl differenzierteste Wissen über Veränderungen der biologischen und ökologischen Vielfalt liegt vor über Regionen wie Mitteleuropa oder Nordamerika, Gebiete mit einer langen Besiedlungs- und Nutzungsgeschichte, einer hoch entwickelten Forschungstradition und vielfach auch einer vergleichsweise hohen Bevölkerungsdichte. Allerdings decken genau diese Gebiete sich eher selten mit den angenommenen Zentren der weltweit höchsten Artenvielfalt. Letztere bleiben vielmehr ganz überwiegend auf subtropisch-tropische Regionen mit deutlichem Höhenstufengefälle und geringen Bevölkerungsdichten konzentriert. Aus der Analyse historischer Daten lässt sich ableiten, dass sich teilweise über Jahrhunderte hinweg als Folge einer keineswegs immer moderaten Landnutzung aus einer ursprünglich ziemlich gleichförmigen Waldlandschaft eine deutlich struktur- und artenreichere Kulturlandschaft entwickeln konnte. Deren Artendichte dürfte bis zum Beginn des vergangenen Jahrhunderts zumindest in Europa in vielen Regionen merklich angestiegen sein. Einige Pflanzengruppenarten wie Brombeeren, Rosen und Habichtskräuter haben sich erst in Kulturlandschaften entwickelt oder doch verstärkt ausgebreitet. Sämtliche Kultursorten bei Getreide, Obst, Gemüse und Haustieren verdanken ihre strukturelle Vielgestaltigkeit dem direkten, teilweise Jahrhunderte währenden menschlichen Einfluss. Sie sind daher zugleich Ausdruck seines regional spezifischen, kulturellen Wirkens. Aktuell sind diese Kultursorten und Züchtungen inzwischen entweder potenzielle oder bereits reale Opfer des weltweiten Schwundes von Kulturgütern ("McDonaldisierung"). Bei Wildpflanzen und -tieren haben mittlerweile eine wachsende Urbanisierung und die fortschreitende Intensivierung der Landnutzung zum Teil erhebliche Veränderungen der Artenzusammensetzung und den Rückgang empfindlicher Artengruppen zur Folge. Dieser betrifft in Europa überwiegend überregional weit verbreitete Arten, ist aber dennoch Ausdruck einer deutlich abfallenden, lokalen und regionalen Artenvielfalt. Weit seltener sind davon die regional endemischen und weltweit nur an wenigen Fundstellen vorkommenden Tiere und Pflanzen betroffen. Ganz anders ist die Entwicklung auf isolierten Inselsystemen verlaufen. Diese haben sich, räumlich isoliert von den Kontinenten, über lange Zeiträume hinweg zu Refugien mit eigenem Artenbestand entwickeln können. Anwachsende Handelsbeziehungen einer zunehmenden Globalisierung haben diese isolierten Räume mit spezialisiertem, aber oft konkurrenzschwachem Artenbestand in kurzen Zeitspannen für konkurrenzkräftige Generalisten erschlossen - wahre Katastrophen für die bodenständigen, autochthonen Arten, die dadurch häufig in sehr kurzen Zeitspannen verdrängt und vernichtet worden sind. Die Intensität der Landnutzung hat sich im Verlauf der Menschheitsgeschichte verstärkt und beschleunigt, vor allem als Folge gewachsener handwerklicher Fertigkeiten und technischer Möglichkeiten, wie sich dies etwa am Beispiel der Waldnutzung belegen lässt. Obgleich die ausgedehntesten Waldrodungen in Europa bereits im frühen Mittelalter erfolgt sind, blieb die jährliche Entwaldungsrate über einen Zeitraum von nahezu 1 500 Jahren hinweg auf 0,1 bis 0,3 Prozent beschränkt. Dabei sollten die Schäden in den erhalten gebliebenen Wäldern beispielsweise infolge Waldweide und Streunutzung nicht unterschätzt werden. Zwischen 1750 und 1900 fiel der Laubwald der gemäßigten Klimazone Nordamerikas bis auf wenige Reste der Ausdehnung agrarischer Nutzflächen zum Opfer. Die tropischen Regenwälder schließlich schrumpften innerhalb von nur mehr 50 Jahren, von der Mitte des 20. Jahrhunderts bis zur Jahrtausendwende, von zwölf Millionen Quadratkilometern auf etwa die Hälfte. Zweifellos dürften zahlreiche dieser einstigen Primärwälder im weltweiten Vergleich weit stärker artenreiche bis extrem artenreiche Rückzugsgebiete eher kleinräumig verbreiteter und stark spezialisierter, konkurrenzschwacher Organismen gewesen sein als die Wälder der gemäßigten und nördlichen Taiga mit großräumig ähnlichem Artenbestand. Der Verlust der Artenfülle dieser über Jahrtausende hinweg kaum beeinträchtigten Tropenwälder ist somit irreversibel. Die Erfolgsgeschichte moderner agrarischer Landnutzung in den hoch entwickelten Regionen wie Mitteleuropa ist mit einer enormen Ertragssteigerung insbesondere in den vergangenen 25 Jahren verknüpft. Im Ackerbau ist diese Entwicklung verbunden mit Meliorationen (Bodenverbesserungen), einer effektiveren Nutzung leistungsfähigerer Landmaschinen, der Vergrößerung der bewirtschafteten Schläge, einer Erhöhung der Düngergaben und verstärkter mechanischer wie chemischer Bekämpfung der konkurrierenden Unkräuter, schädigenden Pilze und Insekten mit Bioziden. In der Tierhaltung wurde die Fleisch- und Milchproduktion insbesondere durch die Verwendung eiweißreicher Nahrung beträchtlich gesteigert. Hierbei hängt der Einsatz von Dünge- und Futtermitteln in erheblichem Maße von Importen ab. So führt Deutschland unter anderem jährlich etwa sieben Millionen Tonnen Sojaschrot ein, überwiegend aus Südamerika. Nur ein geringer Anteil davon dürfte zu Tofu für Vegetarier verarbeitet werden, das meiste zu Schweinefutter. Allein für die 3,1 Millionen Tonnen Sojaschrot, die jährlich aus Brasilien nach Deutschland exportiert wurden, sind im Erzeugerland mehr als 1,2 Millionen Hektar Anbaufläche erforderlich. Solche Entwicklungen haben ihren Preis. Während ein mit intensiver Handarbeit verknüpfter Ackerbau und eine regional stark differenzierte Grünlandnutzung in vielen Regionen Europas bis zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts zu einer deutlichen Steigerung der Artendichte in vielgestaltigen und für die verschiedenen Naturräume authentischen Kulturlebensräumen geführt hat, ist diese Entwicklung derzeit eindeutig gegenläufig: Flurbereinigungen, Melioration durch Drainagen und Grabenentwässerungen, Wind- und Wassererosion, Düngereinsatz und Stallhaltung wirken durchweg nivellierend und beeinträchtigen die strukturelle Vielfalt der Landschaften ebenso wie die Artenvielfalt zahlreicher Lebensräume. Auch eine Biologische Landwirtschaft trägt aufgrund ihres im Vergleich zur konventionellen Landwirtschaft größeren Flächenbedarfs zu einer Reduktion unbewirtschafteter oder der "Naturschutznutzung" vorbehaltener Flächen bei, ohne bei insgesamt ebenfalls angestiegener Bewirtschaftungsintensität nennenswert zur Erhaltung und Entwicklung der Artenvielfalt in der Fläche beizutragen. Vollkommen andersartig verläuft demgegenüber die Entwicklung in den ariden (trockenen) und semiariden Regionen der Erde oder in Monsungebieten. Die weltweiten, wesentlich mit vom Menschen ausgelösten klimatischen Veränderungen verursachen beträchtliche Schäden, vor allem infolge von Dürren, Unwetterschäden und erosionsbedingten Einbußen der Produktivität an Ackerstandorten, und die damit verknüpften Umweltbeeinträchtigungen werden weltweit mit etwa 400 Milliarden US-Doller beziffert. Die Konvention zur Biologischen Vielfalt 'Nachhaltige' Lösungen für derartige weltweite Probleme lassen sich nur in internationaler Zusammenarbeit finden. Das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity, CBD) wurde am 5. Juni 1992 bei der UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung (UNCED) in Rio de Janeiro zur Signatur ausgelegt und trat 90 Tage später in Kraft. Neben der Europäischen Kommission haben auch alle EU-Mitgliedsstaaten die Konvention rechtlich umgesetzt. Sie ist das erste völkerrechtlich verbindliche internationale Abkommen, das den Schutz der Biodiversität global umfassend behandelt, und sie zielt auf die Erhaltung der biologischen Vielfalt gleichermaßen von Ökosystemen, deren Arten beziehungsweise auf die ihren Populationen eigene genetische Variabilität. Gleichrangig soll die Konvention eine nachhaltige Nutzung von Teilen der biologischen Vielfalt sowie eine ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus der Nutzung genetischer Ressourcen ergebenden Vorteile sichern. Diese Biodiversitätskonvention ist in einen breiteren Kontext eingebettet: Dieser umfasst die Dynamik der weltweiten menschlichen Bevölkerungsentwicklung und, unmittelbar damit zusammenhängend, die künftige Energieversorgung, den Ressourcenverbrauch sowie die Flächennutzung. Ohne eine nachhaltige Bevölkerungspolitik lassen sich die übrigen Probleme der Menschheit nicht lösen. Ein entscheidender Schritt für die praktische Umsetzung der Konvention ist der so genannte "Ökosystemare Ansatz" (Ecosystem Approach (ESA)). Er wurde im Mai 2000 auf der 5. Vertragskonferenz in Nairobi verabschiedet. Als Handlungsanweisung umfasst er zwölf Prinzipien und fünf operationale Leitlinien, die von einer Arbeitsgruppe in Malawi präzisiert wurden. Dieses Konzept löst sich von einem lupenreinen Biodiversitätsschutz und fokussiert auf zusammenhängende Ökosysteme sowie deren Nachhaltige Nutzung` und Entwicklung, unter anderem auch großer, zusammenhängender Schutzgebiete. Das Programm ist gleichermaßen anspruchsvoll wie aufgrund seiner notwendigerweise allgemein gefassten Aussagen interpretationsbedürftig. Wesentliche Elemente sind: Die Entwicklung konsensfähiger, gesellschaftlich getragener Entscheidungen über das Management der unbelebten Ressourcen sowie der Organismen in den betroffenen Gebieten sollen gefördert werden.Die Wahrung der strukturellen und funktionalen Authentizität der betroffenen Räume und der ihnen eigenen zeitlichen und räumlichen Wechselbeziehungen und Zusammenhänge sollen gewährleistet werden.Ein funktional nachhaltiges, angepasstes Management der Ökosysteme unter Berücksichtigung der Entwicklung vorwiegend geschützter zu vorrangig genutzten angrenzen- den Gebieten sowie zeitliche und räumliche Skalen sollen in ihrer Dynamik erkannt, verstanden und ihre inhärente Dynamik und die daraus folgenden Veränderungen akzeptiert werden.Bewahrender Schutz und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt sollen ausgewogen behandelt werden.Eine umsichtige Integration ökonomischer Zusammenhänge ist zu gewährleisten.Ein integratives Monitoring soll ökosystemare Prozesse und Veränderungen verfolgen.Die transdisziplinäre Forschung soll mit breiter Perspektive sowie in enger Zusammenarbeit mit der ortsansässigen Bevölkerung und Entscheidungsträgern möglich sein.Außerdem wird eine kooperative, möglichst dezentrale Entscheidungsfindung unter Einbeziehung von Wissenschaftlern, Planern, Entscheidungsträgern und Betroffenen angestrebt.Wichtige Informationen, lokales Wissen und bodenständige Arbeitsweisen der ortsansässigen Bevölkerung sollen angemessen berücksichtigt werden. Die operationalen Leitlinien betreffen die praktischen Umsetzungsschritte bei der Ausweisung von Schutzflächen und den notwendigen Absprachen mit wesentlich betroffenen Landeigentümern, eine Beschreibung der Struktur und Funktion der betroffenen Gebiete, die Identifikation der wichtigsten ökonomischen Randbedingungen, externer Störgrößen sowie das Definieren langfristiger Ziele und Maßnahmen zu deren flexibler Umsetzung. Keineswegs alle Kernbotschaften der CBD sind in der Öffentlichkeit unmittelbar verständlich. Dies mag zum einen daran liegen, dass die wenigen Wissenden bislang vorwiegend dem (eigenen) Chor gepredigt haben - und damit die Unbekehrten kaum erreichen konnten: So intensiv das vielschichtige Problem des Biodiversitätsverlustes bereits seit langem im wissenschaftlichen Diskurs behandelt und unter Naturschützern diskutiert wird, so gering ist bislang das Bemühen, die Botschaft einer breiteren Öffentlichkeit nahe zu bringen. Einen Hinweis darauf, welch geringe Rolle die CBD im öffentlichen Bewusstsein spielt, liefert das Ergebnis einer telefonischen Umfrage, die 2002 (und damit immerhin zehn Jahre nach Inkrafttreten des Übereinkommens) unter 1 500 US-Amerikanern durchgeführt wurde: Mehr als zwei Drittel aller Befragten gaben an, niemals etwas von dem Verlust an Biodiversität - oder von Biodiversität als solcher - gehört zu haben, und nur ein Drittel assoziierte Artenrückgang mit diesem Begriff. Nun bedeutet das Unvermögen, eine Vokabel zu definieren, nicht notwendigerweise einen Mangel an Interesse an dem (oder die Sorge um das), wofür sie steht; gleichwohl scheint die Befürchtung berechtigt, dass kollektive Unwissenheit letztlich kollektive Gleichgültigkeit zur Folge haben wird. Mit anderen Worten: Um die Wertschätzung der biologischen Vielfalt als notwendige Voraussetzung für eine breite öffentliche Unterstützung der CBD zu stärken, gilt es zunächst, ihre Bedeutung und ihre Wichtigkeit angemessen zu vermitteln. Von jemandem, der nicht weiß, was Biodiversität bedeutet, kann kaum erwartet werden, dass er sich für ihre Erhaltung einsetzen wird. Ein zweiter Faktor, dem in diesem Zusammenhang eine nicht unwesentliche Bedeutung zukommt, ist die zunehmende, vor allem in den industrialisierten Ländern und urbanen Regionen zu beobachtende Entfremdung des Menschen von der Natur. Die meisten US-Bürger können Hunderte von Firmenlogos identifizieren - aber weniger als zehn einheimische Pflanzenarten. Vor allem bei Kindern und Jugendlichen nehmen die Folgen einer schwindenden Naturerfahrung bisweilen bizarre Formen an. Das Fehlen selbst einfachster Konnexe wie zwischen Kuh und Milch oder Kleidung und Baumwollpflanzen - signalisiert ein wachsendes Unverständnis über den Bedeutungshintergrund des Begriffes 'Biodiversität'. Die hierin zum Ausdruck kommende Abnahme des Natur-Bezuges verstärkt sich sprunghaft mit jeder neuen Generation, eine Entwicklung, die Biologen und Psychologen gleichermaßen beobachtet und als Generationsamnesie ([environmental] generational amnesia), Grundlinienverschiebung (shifting baseline syndrom) oder einfach als das Aussterben der Erfahrung (extinct of experience) beschrieben haben. Diese unterschiedlichen Begriffe meinen im Kern dasselbe: In jeder Generation bildet die als Kind erfahrene Umwelt den Maßstab, an Hand dessen die Veränderungen fortan gemessen werden. Bei stetiger Abnahme der biologischen Vielfalt wächst jede neue Generation in einer weniger "biodiversen" Umwelt heran, deren vergleichsweise "armen" Zustand sie mangels Erfahrung eines "reicheren" für "normal" hält - die "Basislinie" hat sich verschoben. Es liegt auf der Hand, dass dieser Effekt nicht nur den Rückgang der Artenvielfalt betrifft, sondern darüber hinaus auch alle anderen Veränderungen, die mit dem Biodiversitätsverlust verknüpft sind, wie etwa die Abnahme der Zahl von Lebensraumtypen, den zunehmenden Verlust struktureller landschaftlicher Vielfalt oder die Zunahme allgegenwärtiger Umweltverschmutzung. Der Ökologische Fußabdruck und Nachhaltige Nutzung Wie lassen sich die Güter und Dienstleistungen von Ökosystemen, die 'Biokapazität', für künftige Generationen, bewahren beziehungsweise nachhaltig nutzen? Hier sind gleichermaßen vor allem landwirtschaftliche, forstliche und fischereiwirtschaftliche Ressourcen in all ihren Facetten angesprochen. Der 'Ökologische Fußabdruck' beschreibt den auf jeden Menschen entfallenden, durchschnittlichen Anteil an fruchtbarem Land und Küstengewässern zur Befriedigung seiner grundlegenden Bedürfnisse wie Nahrung, Wasser, Wohnen, Energie, Handel und Abfallentsorgung. Er beträgt etwa einen Hektar in den Entwicklungsländern und 9,6 Hektar in den Vereinigten Staaten. Nach aktuellem und sicher unvollständigem Wissensstand wächst derzeit der weltweite Druck sowohl auf nicht erneuerbare als auch auf nachwachsende Ressourcen, vor allem die Nachfrage bei Energie, Nahrungsmitteln, Baumaterial und Trinkwasser. Das Verhältnis zwischen dem Bedarf der Menschen und der Biokapazität der Erde verschiebt sich auf diese Weise dramatisch. Seit 1960 ist die Nettonutzung von etwa der Hälfte der Biokapazität auf aktuell das 1,2-fache angestiegen. Mit anderen Worten: Die weltweite Ressourcennutzung übersteigt die biologisch mögliche Ressourcenerneuerung deutlich und mit wachsender Tendenz. Ein derartiges 'Überziehen des Ökokontos' verringert so das zukünftig verfügbare Potenzial an erneuerbaren Ressourcen. Derzeit erfolgt eine solche globale Übernutzung zu etwa zwei Dritteln in den Vereinigten Staaten, den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sowie in China, Indien und Japan - zu Lasten der übrigen Regionen weltweit. Betroffen sind vor allem die Ärmsten der Welt, deren Versorgung mit Grundnahrungsmitteln und Trinkwasser kontinuierlich sinkt. Seit 1996 ist die Anzahl der unterernährten Menschen von 840 auf 854 Millionen angestiegen. Die Kosten der Erhaltung der Biologischen Vielfalt Makroökonomische Schätzungen der von der Natur der menschlichen Bevölkerung gratis zur Verfügung gestellten ökologischen Dienstleistungen haben etwas Abstruses, obgleich ein solches Gedankenexperiment beflügeln mag. R. Costanza und ein aus Naturwissenschaftlern und Ökonomen zusammengesetztes internationales Expertenteam kamen 1997 bei der umfassenden Auswertung zahlreicher statistischer Erhebungen auf eine jährliche Summe von 18 Billionen US-Dollar. Eine solche Betrachtung geht freilich weniger auf die biologische Vielfalt in engem Sinne ein als vielmehr auf die Funktionsweise von Ökosystemen zur Bereitstellung für das Leben der Menschen essenzieller Dienstleistungen und Güter. Sind in diesem Zusammenhang artenreichere Systeme wertvoller, effektiver oder weniger störungsanfällig als artenärmere? Wie bei vielen schlichten Fragen zur Funktion von Ökosystemen müssen seriöse Wissenschaftler eine einfache und eindeutige Antwort schuldig bleiben, weil Modelle keine Prognosen sein können, weil die betroffenen ökologischen und ökonomischen Systeme extrem komplex sind sowie räumliche wie zeitliche Schwankungen bei den Populationen der Organismen variieren. Die in der Vergangenheit häufig verwendete Metapher, dass mit wachsendem Artenreichtum die 'Stabilität' von Ökosystemen anstiege, lässt sich somit nicht verallgemeinern. Zutreffend ist dagegen, das einzelne Schlüsselarten ('keystone species') sehr wohl unter definierten Bedingungen wesentlich die Funktionalität von Ökosystemen bestimmen können, was sich allerdings nur experimentell und mit einigem Aufwand prüfen lässt. Bei wechselnden Umweltbedingungen können solche Arten wesentlich zur Stabilität von Ökosystemen beitragen. Da wir bei fluktuierenden Randbedingungen die stabilisierenden Wirkungen nicht prognostizieren können, ist die Erhaltung von 'Vielfalt`, so der logische Schluss, gleichsam eine 'Versicherung' bei nicht prognostizierbaren Veränderungen ('Versicherungs-Metapher'). Bewahrung von Diversität auf globaler Ebene ist somit eine Versicherung gegenüber nicht prognostizierbaren, unspezifischen ökologischen Risiken. Ausblick Drei wesentliche umweltbezogene Aufgaben gewinnen weltweit wachsende Bedeutung:das bessere Verständnis und eine sorgsame Einflussnahme auf den globalen Kohlenstoffkreislauf, um weltweite, von menschlichen Aktivitäten ausgelöste Klimaveränderungen zu dämpfen,der Schutz von Oberflächengewässern und Böden vor zu hohen Belastungen durch Nähr- und Schadstoffe sowiedie Erhaltung der Biodiversität in ihren verschiedenen Facetten. Alle drei Aufgaben hängen unmittelbar zusammen. Der ökosystemare Ansatz der Biodiversitätskonvention bietet für eine Bewältigung diese Herausforderungen ein trag- und ausbaufähiges Konzept. Mit dem Millenium Ecosystem Assessment liegt die bislang umfangreichste Studie zur weltweiten Entwicklung der wichtigsten Ökosysteme vor. In dieser Bestandsaufnahme werden der aktuelle Zustand, der gesellschaftliche Nutzen und der Zustand der Biodiversität detailliert erläutert - eine verständliche Grundlage für die anstehenden notwendigen und umfassenden politischen Entscheidungen weltweit. Die prognostizierten Veränderungen und deren Intensität für unterschiedliche Lebensräume und Regionen, des Klimas, der Übernutzung und Verschmutzung von Ökosystemen werden regional und global synoptisch detailliert präsentiert. Deutlich wird, dass Ressourcen und Risiken weltweit unausgeglichen verteilt sind. Ausreichende Orientierungsmöglichkeiten sind also gegeben, um die gesellschaftlich notwendigen Entscheidungen zu treffen. Die Bevölkerungsentwicklung, die Technologie und der Lebensstil werden sich in unterschiedlichen Erdteilen verschiedenartig auf die Biodiversität auswirken: Der Übernutzung fossiler und nachwachsender Ressourcen in der klimatisch begünstigten Gemäßigten Zone der Nordhemisphäre stehen beträchtliche Beeinträchtigungen der Landnutzung und Trinkwasserversorgung in tropischen und subtropischen Gebieten bei zugleich stark anwachsender Bevölkerung gegenüber. Global dürfte der Artenrückgang in den tropisch-subtropischen Regionen am stärksten ausfallen. Ein fairer Interessensausgleich weltweit kann nicht darin bestehen, in den ökonomisch 'armen' Ländern Ökosysteme zu schützen und in den 'reichen' lebensnotwendige Ressourcen zu vergeuden. Ökologisch wie ökonomisch nachhaltige Ressourcennutzung und fairer Interessensausgleich im weltweiten Verbund bestimmen die wesentlichen Handlungsfelder:Maßnahmen gegen weltweite Nähr- und Schadstoffbelastungen vor allem im Landbau und in Gewässern,Begrenzung der weiteren Vernichtung vom Menschen bislang wenig beeinträchtiger Lebensräume sowieSchutz der Biodiversität im Sinne des 'Ökosystemaren' Ansatzes. Deutschland kommt wie den übrigen Ländern der Nordhemisphäre in wachsendem Maße die Aufgabe zu, die ärmeren Länder der Erde langfristig dabei zu unterstützen, einer anhaltenden Beeinträchtigung von Ökosystemen entgegenzuwirken. Vgl. E. O. Wilson (ed.), BioDiversity, Washington, D. C. 1988. Vgl. R. M. May, The dimensions of life on earth, in: Nature and Human Society, (1999), S. 30-45, Vgl. International Union for Conservation of Nature and Natural Resources, http://www.redlist.org. Vgl. www.taxonomie-initiative.de. Vgl. H. Markl, Kultur der Nachhaltigkeit, in: Verband deutscher Biologen und biowissenschaftlicher Fachgesellschaften (vdbiol), 1(2007), S. 2 - 11. Vgl. H. Bartlott/W. Küper, Biodiversität - eine Herausforderung für Wissenschaft und Politik, in: R. Dolzer et al. (Hrsg.), Biowissenschaften und ihre völkerrechtlichen Herausforderungen., Freiburg 2007, S. 37 - 68. Vgl. J. H. Reichholf, Eine kurze Naturgeschichte des letzten Jahrtausends, Frankfurt/M. 2007. Vgl. ebd. Vgl. Forum AG biodiv vom 14. 2. 2007. Vgl. A. J. Jones/ R. Lal/D. R. Huggins, Soil erosion and productivity research: A regional approach, in: American Journal of Alternative Agriculture, (1997) 12, S. 185 - 192. Vgl. H. Markl (Anm. 5). Vgl. A. Huckauf, Biodiversity Conservation and the Extinction of Experience. Term Paper Master`s Programme Environmental Management. 10 Seiten, Ökologiezentrum (ÖZK), Kiel 2006. Vgl. J. R. Miller, Biodiversity conservation and the extinction of experience, in: Trends in Ecology & Evolution, 20 (2005) 8, S. 430-434. Vgl. Belden Russonello & Stewart, Americans and biodiversity: New Perspectives in 2002: http://www.biodiverse.org/02toplines.PDF (28. 11. 2007). Vgl. R. M. Pyle, Eden in a vacant lot: special places, species, and kids in the neighbourhood of life, in: Children and Nature: Psychological, Sociocultural, and Evolutionary Investigations, P. H. Kahn/S. R. Kellert (eds.), Cambridge, Mass. 2002, S. 305-327. Vgl. P. Hawken, The Ecology of Commerce: A Declaration of Sustainability, New York, NY 1993. P. H. Kahn Jr./B. Friedman , Environmental Views and Values of Children in an Inner-City Black Community, in: Child Development, 66 (1995), S. 1403-1417. D. Pauly, Anecdotes and the shifting baseline syndrome of fisheries, in: Trends in Ecology & Evolution, 10 (1995)10, S. 430. R. M. Pyle, Nature matrix: reconnecting people and nature, in: Oryx, 37 (2003) 2, S. 206-214. Vgl. W. E. Rees/M. Wackernagel, Ecological footprints and appropriated carrying capacity: Measuring the natural capital requirements of the human economy, in: A. M. Jansson et al. (eds.), Investing in Natural Capital: The Ecological Economics Approach to Sustainability, Washington, D.C. 1994. Vgl. Bundesamt für Naturschutz (Hrsg.), Die Lage der Biologischen Vielfalt 2. Globaler Ausblick. Naturschutz und Biologische Vielfalt 44, Bonn 2007, S. 95; J. Loh/M. Wackernagel (eds.), Living Planet Report, Gland/Schweiz 2004. Vgl. FAO, Assessment of the world food security situation, in: CSF, (2007) 2. Vgl. R. Costanza et al., The value of the world`s ecosystem services and natural capital, in: Nature, 387 (1997), S. 253 - 260. Vgl. Millennium Ecosystem Assessment, Synthesis Report (MASR),Washington, DC. 2005; W. Beck et al., Die Relevanz des Millennium Ecosystem Assessment für Deutschland., Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), UFZ-Bericht 2/2006.
Article
, Klaus Dierßen / Huckauf, Aiko
"2021-12-07T00:00:00"
"2011-10-05T00:00:00"
"2021-12-07T00:00:00"
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/31466/biodiversitaet-karriere-eines-begriffes/
Die Vielfalt biologischer Systeme nimmt regional und weltweit ab, synchron zu und rückgekoppelt mit der Zerstörung von Ökosystemen, Nähr- und Schadstoffeinträgen in Böden und Gewässer, Vernichtung von Lebensräumen und Klimaveränderungen.
[ "" ]
30,743
Kulturelle Bildung an Ganztagsschulen – Raum und Zeit für mehr? | Kulturelle Bildung | bpb.de
"Die Ganztagsschule öffnet das Zeitgefängnis", prophezeite hoffnungsfroh Wolfgang Edelstein, ehemaliger Direktor des Berliner Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung, vor einiger Zeit auf dem Kongress "Kinder zum Olymp" der Kulturstiftung der Länder. Als die rot-grüne Bundesregierung unter Bildungsministerin Edelgard Bulmahn im Jahr 2003 das "Investitionsprogramm Zukunft Bildung und Betreuung" (IZBB) ins Leben rief, um den Ausbau von Ganztagsschulen mit insgesamt vier Milliarden Euro finanziell zu unterstützen, war noch nicht abzusehen, ob Beton tatsächlich der Baustoff werden könnte, der Schule von Grund auf erneuern und der kulturellen Bildung einen zentraleren Platz im schulischen Gefüge einräumen würde. Vergleichsweise schlecht hatte das bundesdeutsche Schulsystem zuvor im ersten PISA-Vergleich der OECD-Staaten in den schulischen Hauptfächern abgeschnitten. Durch die Republik rollte eine Debatte um die Qualität des deutschen Bildungswesens. Vielerorts schaute man ebenso neiderfüllt wie neugierig auf die Schulsysteme Finnlands, Schwedens oder Kanadas, welche im OECD-Ländervergleich deutlich bessere Ergebnisse hatten erzielen können. Kulturelle Bildung an Ganztagsschulen – Raum und Zeit für mehr? Im Zuge dieser Debatte bereiteten Akteure in Bund und Ländern einen grundlegenden Vorstoß vor: Die möglichst weitreichende Einführung der Ganztagsschule sollte helfen, den Anschluss der Bundesrepublik an andere OECD-Staaten wiederherzustellen und insbesondere zu mehr Chancengerechtigkeit im deutschen Bildungssystem beizutragen. Dennoch waren die Zielsetzungen der Akteure durchaus uneinheitlich: Einige Protagonisten wollten zuvorderst einen familienpolitischen Impuls setzen und Eltern durch die Einführung der Ganztagsschule entlasten. Von der verlängerten Betreuungszeit erhofften sie sich, Kindern aus bildungsfernen Elternhäusern den Zugang zu Bildung zu erleichtern. Andere sahen in den Reformbemühungen die lang ersehnte Gelegenheit für eine grundlegende pädagogische Reform des deutschen Schulsystems. Bis zum Auslaufen des IZBB-Investitionsprogramms im Dezember 2009 haben Bund und Länder in abgestimmtem Handeln mehr als 13.000 Baumaßnahmen an bestehenden oder werdenden Ganztagsschulen unterstützt. Mit beinahe 7.000 Schulen – überwiegend Grundschulen – sind dabei fast ein Fünftel aller deutschen Schulen zu Ganztagsschulen geworden, ein Drittel davon wiederum allein in Nordrhein-Westfalen. Dabei handelt es sich bei der deutlichen Mehrheit dieser Einrichtungen um "Offene Ganztagsschulen", in denen Nachmittagsangebote freiwillig sind und den herkömmlichen Schulunterricht ergänzen. Nur rund ein Drittel der entstandenen neuen Ganztagsschulen sind teilgebundene oder voll gebundene Einrichtungen, in denen entweder ein Teil der Schüler/-innen oder alle verpflichtend am Ganztagsprogramm teilnehmen. Formal wurde damit der Grundstein für eine nachhaltige Reform der deutschen Schulstruktur gelegt, hinter die zum heutigen Zeitpunkt kaum noch jemand zurückzukehren wagt. Die Hoffnungen der pädagogischen Reformer erfüllten sich bis zum heutigen Zeitpunkt allerdings nur teilweise: Die einzelnen Bundesländer stellten in unterschiedlichem Maße Unterstützungssysteme für werdende Ganztagsschulen zur Verfügung. Schlüsselbegriffe der Ganztagsschulentwicklung Auf der Bundesebene helfen Programme wie "Ideen für mehr! Ganztägig lernen" den Ganztagsschulen und solchen, die es werden wollen, dabei, sich Impulse für die inhaltliche und pädagogische Weiterentwicklung ihrer Bildungsinstitution zu holen. Dabei stehen einige Schlüsselbegriffe besonders im Fokus des Interesses der Reformer: Raum, Zeit, Rhythmisierung, Kooperation, individuelle Förderung, Partizipation und Qualitätsentwicklung sind einige davon, die auch den Stellenwert kultureller Bildung in der Ganztagsschule befördern können. Die durch den Bund finanzierte räumliche Umgestaltung des Schulgebäudes zur Ganztagsschule sorgte insbesondere im Westen Deutschlands für eine Ergänzung des schulischen Angebotes um eine Mittagsmahlzeit und ermöglichte die Verlängerung des Schultages in den Nachmittag hinein. In den Neuen Bundesländern waren diese Möglichkeiten vielerorts noch aus der Vor-Wendezeit vorhanden. Hier und an einer Reihe alteingesessener Ganztagsschulen konnte mit den Baumitteln des Bundes in eine Raumgestaltung nach pädagogischen Gesichtspunkten investiert werden. Es entstanden freie Lernorte, Gruppenarbeitsräume, aber auch Bibliotheken, neue Musikräume und Schulaulen zur Förderung kultureller Bildung. Die durch die flächendeckende Mittagsversorgung sichergestellte Verlängerung des Schultags macht an einigen Orten eine Entzerrung des schulischen Vormittags möglich, die dem Biorhythmus der Schüler/-innen besser entspricht: Insbesondere gebundene Ganztagsschulen verwandeln bislang zeitlich starr festgelegte Unterrichtsstunden zu längeren Blöcken, zu flexiblen Morgen- oder Mittagseinheiten und schaffen damit auch Raum für Freiarbeit und Neigungsgruppen am Vormittag. Musikalischer Gruppenunterricht, künstlerische Arbeitsgemeinschaften unter Leitung von Lehrern und Künstlern als außerschulischen Partnern und das Projektlernen erhalten durch diese Reformbestrebungen einen neuen Stellenwert im Rahmen der Schule. Mindestens an diesen Schulen steht die Tür des von Wolfgang Edelstein beschriebenen Zeitgefängnisses weit offen. An allen Ganztagsschulformen rückte die Frage der Kooperation mit außerschulischen Partnern ins Zentrum der Diskussion: Bei Musikschulen, in Jugendkunstschulen und in Projekten der Kinder- und Jugendkultur fürchtete man zunächst, das eigene Schülerklientel wegen des zeitlich verlängerten Schultags der Ganztagsschulen zu verlieren. Inzwischen haben sich vielfältige lang- wie kurzfristige Formen fruchtbarer Zusammenarbeit zwischen Künstlern, Kulturpädagogen, Kultureinrichtungen und Ganztagsschulen entwickelt: Ganztagsschulen bieten erweiterte zeitliche und räumliche Möglichkeiten, sich für das schulische Umfeld zu öffnen und andere Professionen langfristig und auf Augenhöhe in den Bildungsalltag aufzunehmen. In diesen Kooperationen gibt es allerdings immer wieder eine Reihe von Klippen zu umschiffen: Gerade in intensiven und langfristigen Kooperationen stoßen noch immer unterschiedliche Verständnisse von Kultur und Kunst und verschiedene Auslegungen der Begriffe des Ästhetischen und der Bildung aufeinander. Individuelle Arbeitskulturen erschweren die Kommunikation und Zusammenarbeit. Nicht selten werden Künstler/-innen von ihren Partnerschulen aufgesogen und zu regulärem Lehrpersonal gemacht, um Lehrer im Alltag zu entlasten. An anderen Stellen findet Kooperation nicht auf Augenhöhe statt, wenn außerschulische Künstler/-innen keinen Zugang zu schulischen Entscheidungsprozessen bekommen. Hier bedarf es in naher Zukunft neuer Modelle der lokalen Zusammenarbeit vor Ort. Eine mögliche Orientierung bietet das in der Jugendhilfe schon verbreitete Konzept der Sozialraumorientierung: Ganztagsschulen werden dabei zu offenen Mittelpunkten eines Gemeinwesens, Fachlehrer/-innen der künstlerischen Fächer zu Multiplikatoren und Koordinatoren der künstlerischen und kulturellen Arbeit vor Ort. Zumal individuelle Förderung auch an Ganztagsschulen noch ein dringendes Entwicklungsfeld darstellt, können gerade außerschulische Partner mit ihren Fähigkeiten und alternativen Arbeitsformen einen Beitrag dazu leisten, Schüler/-innen entsprechend ihrer persönlichen Entwicklungswünsche zu unterstützen. In neigungsorientierten Angeboten ist dies an vielen Ganztagsschulen mittlerweile auch im Vormittagsbereich möglich. Schülerinnen und Schüler aktiv an wichtigen Entscheidungen in Schule und Unterricht zu beteiligen, stellt ein weiteres wichtiges pädagogisches Entwicklungsfeld der Ganztagsschule dar: Projekte und Vorhaben der kulturellen Bildung bieten hier besondere Möglichkeiten der Aktivierung und Partizipation von Schülern, Eltern und Gemeinwesen. Dennoch sind die Möglichkeiten der Ganztagsschule keine hinreichende Voraussetzung für die Umsetzung von partizipativen Vorhaben im Schulalltag: Auch Künstler und Kultureinrichtungen müssen hier ihre Arbeitsformen und Orientierungen überdenken, wenn sie Beteiligung und Selbststeuerung von Schülern in der Zusammenarbeit mit Ganztagsschulen unterstützen wollen. Nur Raum und Zeit für mehr – oder auch für bessere Qualität der Angebote zur kulturellen Bildung? Eine systematische Weiterentwicklung des Feldes der kulturellen Bildung an der Ganztagsschule ist wohl nur möglich, wenn weitere Schulen grundlegend ihre Konzeption von kultureller Bildung überprüfen und sich Prozessen der fachlichen Selbstevaluation unterziehen: Solche Unternehmungen können schmerzhaft sein und mögen nicht im direkten Interesse von Musik- oder Kunstlehrern, Künstlern oder Kulturpädagogen liegen. Allerdings können diese zyklisch angelegten Vorhaben der Qualitätsentwicklung wesentlich dazu beitragen, tatsächlich abgestimmte neue Formen kultureller Bildung im Sozialraum zu entwickeln, anstatt in der Ganztagsschule einfach nur ein "Mehr desselben" zu produzieren. Dazu benötigen viele Schulen finanzielle und zeitliche Unterstützung ebenso wie professionelle Begleitung. Und sie brauchen Zeit: Ein solcher Reformprozess nimmt viele Jahre in Anspruch. Wie die "Studie zur musisch-kulturellen Bildung an Ganztagsschulen" (MUKUS) der Universität Bremen jüngst feststellte: Die Entwicklung der Ganztagsschule führt nicht automatisch zu einer veränderten Schulkultur oder zu verstärkter kultureller Bildung. Wenn allerdings bestimmte zeitliche, räumliche und personelle Voraussetzungen geschaffen werden und Schule bereit ist, sich für weitere künstlerische Professionen aus dem Sozialraum zu öffnen, kann die Ganztagsschule zur Chancengerechtigkeit in der kulturellen Bildung von Kindern und Jugendlichen beitragen und deren oftmals unverbunden in einen Vor- und einen Nachmittag zerbrochene Lebenswelt wieder zu einem sinnvollen Ganzen zusammenfügen helfen. Nicht alle Modelle der kulturellen Bildung benötigen dabei die Ganztagsschule: Bläserklassenmodelle oder Kooperationen mit Kultureinrichtungen haben bewiesen, dass auch im traditionellen Schulbetrieb mit Projekten der kulturellen Bildung beeindruckende Ergebnisse erzielt und wesentliche Kompetenzen entwickelt werden können. Das Zeitfenster für pädagogische Reformen an den neu entstandenen Ganztagsschulen ist noch offen: Vielleicht ermöglicht der in den vergangenen Jahren erzeugte Schwung noch weitere Veränderungen in der kulturellen Bildung an deutschen Ganztagsschulen – und an weiteren Schulen darüber hinaus. Dazu können auch zahlreiche öffentliche und private Initiativen wie das "ARTuS"-Projekt in Brandenburg oder die neue Initiative "Ganz in – mit Ganztag mehr Zukunft" der Stiftung Mercator in Nordrhein-Westfalen beitragen: Hier werden junge Ganztagsschulen systematisch dabei unterstützt, ihr Handeln in der kulturellen Bildung grundlegend zu überdenken und neue Wege einzuschlagen. Es wird weiterer öffentlicher wie privater Unterstützung bedürfen, um dafür Sorge zu tragen, dass in der Ganztagsschule neue Formen kultureller Bildung möglich sind und die neugewonnenen Freiheiten für lokal abgestimmte Konzepte der kulturellen Bildung genutzt werden können.
Article
Thomas Busch
"2021-06-23T00:00:00"
"2012-01-26T00:00:00"
"2021-06-23T00:00:00"
https://www.bpb.de/lernen/kulturelle-bildung/59973/kulturelle-bildung-an-ganztagsschulen-raum-und-zeit-fuer-mehr/
Rund ein Fünftel aller deutschen Schulen sind bis heute zu Ganztagsschulen geworden. Sie bieten erweiterte zeitliche und räumliche Möglichkeiten, sich für das schulische Umfeld zu öffnen und andere Professionen langfristig in den Bildungsalltag aufzu
[ "kulturelle Bildung", "Ganztagsschulen", "Bildungsalltag", "Bildungsangebot" ]
30,744
Analyse: Ein "neuer Kurs" im Verhältnis von Staat und Wirtschaft in Russland? | Russland-Analysen | bpb.de
Einleitung Im Februar 2012 kündigte der damalige Ministerpräsident und Präsidentschaftskandidat Wladimir Putin Pläne zur Einsetzung eines Beauftragten zum Schutz des Unternehmertums sowie umfassende Maßnahmen zur radikalen Verbesserung des Wirtschaftsklimas in Russland an. Auf einer Sitzung des Russischen Verbandes der Industriellen und Unternehmer am 9. Februar erklärte er, dass die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren bei Baumaßnahmen, der Zollabwicklung von Importen sowie weitere ähnliche Indikatoren zu Bewertungskriterien für die Tätigkeit föderaler Behörden werden sollen. Diese Maßnahmen sollen helfen, die besten Verfahren für den Umgang mit Investoren zu identifizieren und zu verbreiten sowie zu einer bedeutenden Verbesserung der Position Russlands in internationalen Ratings des Wirtschaftsklimas führen – mit einem Sprung vom 120. auf den 20. Platz. Zur Ausarbeitung dieser Initiativen stellte die Agentur für Strategische Initiativen (ASI) am 23. April "Standards für die Tätigkeit der Regionalverwaltungen zur Gewährleistung eines günstigen Investitionsklimas in den Regionen" sowie "Fahrpläne" zu vier großen Regulierungsbereichen der Unternehmensaktivitäten zur öffentlichen Diskussion, darunter die Genehmigung von Baumaßnahmen, der Zugang zur Stromversorgung, die Zollabfertigung sowie die Exportförderung. Gleichzeitig wurden von Dmitrij Medwedew über die "Offene Regierung" Initiativen zur Privatisierung und deutlichen Einschränkung der Tätigkeiten von Staatsunternehmen sowie zur Beschränkung des "machtvollen Drucks" auf die Wirtschaft angestoßen. Wie ernst sind diese Maßnahmen gemeint? Fallen sie nicht in die Kategorie der Wahlkampfversprechen? Unserer Meinung nach drücken diese Ankündigungen reale Veränderungen in der Wirtschaftspolitik aus und werden sich nachhaltig auf das Verhältnis von Staat und Wirtschaft in Russland in der nahen Zukunft auswirken. Eine indirekte Unterstützung erhält diese These zum Beispiel dadurch, dass die Weltbank im Auftrag der russischen Regierung schon Ende 2010 das Projekt "Doing Business in Russia" aufnahm, das den Vergleich von Bedingungen der Unternehmensgründung, der Registrierung von Eigentum, Genehmigungen für Bauprojekte und den Anschluss an das Stromnetz in 30 Regionen vorhersieht. Zudem wurden schon im Jahr 2010 von Präsident Medwedew Veränderungen in der Gesetzgebung initiiert, die die Anwendung von strafrechtlichen Sanktionen gegenüber Unternehmern einschränken. Zum Verständnis des von der Regierung angekündigten "neuen Kurses" lohnt es sich zudem, die Misserfolge in der Zusammenarbeit zwischen Staat und Wirtschaft, die in den letzten Jahren in Russland offensichtlich wurden, aufmerksamer zu analysieren. Erwartungen als sich selbst erfüllende Prognose Die Prognosen führender russischer Wirtschaftsexperten gehen davon aus, dass das wirtschaftliche Wachstum in Russland in den kommenden Jahren im besten Fall 4 % pro Jahr, in realistischeren Szenarien 3 % bis 3,5 % betragen wird. Hierauf stützen sowohl die Experten als auch die russische Regierung ihre Schätzungen der Haushaltsausgaben, der Rentenkassen sowie der Zuflüsse von Investitionen. Meiner Meinung nach geben diese Einschätzungen nur zum Teil die Realität wieder – da sie die Erwartungen der Marktteilnehmer nicht berücksichtigen. Hier lässt sich eine Analogie zum Herbst 1999 herstellen, als das Beratungsunternehmen McKinsey in Moskau seinen Bericht "Die russische Wirtschaft: Wachstum ist möglich" vorstellte. Basierend auf einer Analyse von zehn Wirtschaftsbranchen kamen die Experten von McKinsey zu einem damals ungewöhnlichen Schluss: In den kommenden zehn Jahren, d. h. in den 2000er Jahren, kann sich die russische Wirtschaftsleistung verdoppeln. Dabei gilt es zu bedenken, dass im August 1999 der zweite Tschetschenienkrieg begann, der damals noch unbekannte Wladimir Putin war gerade erst zum Ministerpräsidenten ernannt worden und bei den anstehenden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen galten Jurij Lushkow und Jewgenij Primakow als Favoriten. Im Land herrschten Instabilität und Ungewissheit mit den entsprechend skeptischen Langzeitprognosen. Richtig lagen aber nicht die Volkswirte, die die damaligen Krisentendenzen in die Zukunft fortschrieben, sondern die Experten von McKinsey, die, ausgehend von der Mikroebene der Unternehmen, die Perspektiven der russischen Wirtschaft analysierten und hierbei die positiven Einstellungen der Marktteilnehmer einfingen. Die Lage in Russland war in den vergangenen Jahren bekanntermaßen diametral entgegengesetzt. Trotz einer relativen sozialpolitischen Stabilität bildeten sich bei Eigentümern und Top-Managern von Unternehmen, bei Experten, höheren Beamten und der Elite als Ganzes stabile negative Erwartungen heraus. Diese Erwartungen entwickelten sich zu einem selbstständigen, die Wirtschaft nach unten ziehenden Faktor. Ein Kapitalabfluss von 84 Mrd. US-Dollar im Jahr 2011 ist vor dem Hintergrund von Wirtschaftswachstum und einer stabilen volkswirtschaftlichen Situation völliger Unsinn. Dieser Unsinn spiegelt jedoch die realen Prozesse wieder: Vertreter der Wirtschaftselite, die Unternehmen und Finanzaktiva kontrollieren, vertrauen der Regierung und dem bestehenden System nicht und werden hierbei von jenen negativen Erwartungen geleitet, die sich bei ihnen in den vergangenen Jahren gefestigt haben. Wodurch entstanden die negativen Erwartungen? Das eigentümliche Paradox besteht darin, dass das "System Putin", wie es Alena Ledeneva beschreibt, mit seiner umfangreichen Präsenz des Staates in der Wirtschaft, mit korrumpierten Gerichten, Richtern und Polizisten sowie der Dominanz persönlicher Beziehungen, schon zur Mitte der 2000er Jahre entstanden ist und sich in den vergangenen Jahren kaum verändert hat. Ungeachtet dessen konnte in Russland in den Jahren 2006–2007 ein großer Zustrom ausländischer Investitionen beobachtet werden, der nicht aus Steueroasen russischer Kapitalflucht, sondern von realen ausländischen Unternehmen kam. Dem folgte zwar die Krise und der Einbruch des Ölpreises, aber 2011 entsprachen die Preise für russisches Erdöl wieder dem Niveau der Jahre 2005–2006. Dementsprechend kann die Entwicklung des Erdölpreises unserer Meinung nach nicht den grundlegenden Stimmungswandel der Marktteilnehmer erklären. Der Grund für den Stimmungswandel liegt unserer Meinung nach vielmehr darin, dass Anfang und Mitte der 2000er Jahre in der Politik eine Übereinstimmung zwischen "Worten" und "Taten" bestand. Man konnte mit den Methoden nicht einverstanden sein, mit denen die Oligarchen aus der Politik gedrängt wurden oder mit denen die Regionen in die "Vertikale der Macht" eingegliedert wurden, aber es bleibt festzuhalten, dass die Regierung konkrete Ziele vorgab und diese anschließend umsetzte. Im Ergebnis entstand der Eindruck von konsequenter Politik. Auf dieser Basis entstanden allgemeine Vorstellungen über die "Spielregeln", die den starken Zufluss von Investitionen in den Jahren 2006–2007 möglich machten. Dieses System war einigermaßen effektiv, solange das, was die Staatsmacht tat, mit den Interessen und Erwartungen eines bedeutenden Teils der Marktakteure übereinstimmte. Beispielsweise war die Wiederherstellung eines einheitlichen nationalen Wirtschaftsraums als Folge der "Unterordnung" der Gouverneure für die Mehrheit der Wirtschaftsakteure vorteilhaft. Dies betraf ebenso die Beziehung zwischen Staat und Großunternehmen. Man kann unterschiedlicher Meinung darüber sein, was mit dem Unternehmen Yukos gemacht wurde, aber viele hatten die "Herrschaft der sieben großen Banken" der Jahre 1996 bis 1998 ebenso kritisch betrachtet, wie die Wirtschaftspolitik eindeutig den Interessen weniger Großunternehmen untergeordnet war. Deshalb wurden die neuen relativ stabilen und verständlichen Spielregeln unter Vorherrschaft des Staates als "geringeres Übel" angesehen. Der "Fall Yukos" bedeutet jedoch nicht nur einen Sieg des Kreml über die Großunternehmen, die in Person von Michail Chodorkowskij einen Anspruch auf eine Rolle in der großen Politik erhoben. Gleichzeitig zerstörte der Staat das relative Kräftegleichgewicht, das in Wirtschaft und Gesellschaft nach der Krise von 1998 entstanden war. Diese Krise zwang alle Elitegruppen – nationale und regionale Bürokratie, große und mittlere Unternehmen und die Sicherheitsstrukturen –, mit der Suche nach pragmatischen Lösungen zu beginnen. Alle verstanden, dass die Wiederholung einer solchen Krise das entstandene System mitsamt der bestehenden Elite hinwegfegen würde, und so zogen es die zentralen Akteure vor, sich zu einigen. Eben jene Absprachen von 1999/2000, die in verschiedenen Verhandlungsforen (wie dem Club-2015, dem Rat für Außen- und Verteidigungspolitik und später dem Zentrum für strategische Analysen – CSR) zustande kamen, waren die Basis für nachhaltige pragmatische Änderungen in der Steuer- und Zollpolitik, der Unternehmensführung und anderen Bereichen. Nach dem "Fall Yukos" war der Kreml jedoch stärker als seine früheren Dialogpartner. Und dieser Erfolg stieg ihm in gewisser Hinsicht zu Kopf: Die Akteure im Kreml gingen davon aus, dass sie allein wüssten, wo es lang geht und was zu tun ist. Da sie die Einnahmen aus der Rohstoffproduktion erhielten, die "Vertikale der Macht" aufgebaut und alle unter Kontrolle gebracht hatten, waren keinerlei Beratungen, Diskussionen und Konsultationen mehr nötig. Das war eine Illusion. Selbst in den 2000er Jahren funktionierte das auf der Vertikale der Macht basierende System nur dann, wenn die Signale von oben mehr oder weniger mit den Interessen derer übereinstimmten, die sich auf den unterschiedlichen Ebenen der bürokratischen Hierarchie befanden. In der Krise wurde jedoch offensichtlich, dass die Staatsmacht bei weitem nicht alles weiß und schon gar nicht alles kann. Bis Dezember 2008 erzählten die Führungskader der Regierung über die zentralen Fernsehsender, dass es in Russland nur an den Aktienmärkten und im Bankensektor einige wenige Probleme gäbe, die auf der anderen Seite des Ozeans provoziert worden seien. In Wirklichkeit aber sahen sich Großunternehmen in der Metall- und Chemieindustrie auf den Weltmärkten schon im Sommer mit einem ernsthaften Rückgang von Nachfrage und Preisen für ihre Produkte konfrontiert und sie begannen schon im August und September damit, ihre Arbeiter in Zwangsurlaub zu schicken. Unter diesen Umständen wurde den Eigentümern und Topmanagern bewusst, dass die russische Staatsmacht zumindest kein umfassendes Bild über den Zustand in der Wirtschaft besaß. Dies war eine logische Folge der "Informationsasymmetrie", die sich aus der "Vertikale der Macht" ergab, bei der die untergeordneten Verwaltungsebenen bereitwillig über Erfolge berichteten, sich jedoch nicht beeilten, Probleme und Misserfolge in ihren Aufgabenbereichen nach oben zu melden. Dass dann die Regierung bei der "Brandbekämpfung" hin und her zu rennen begann – von dem Versprechen, alle zu retten, bis zu dem, die Staatsausgaben zu reduzieren und gleichzeitig das Arbeitslosengeld auf ein Niveau zu erhöhen, das in einigen Regionen das Durchschnittseinkommen überstieg – verstärkte den Eindruck der Unangemessenheit der Wirtschaftspolitik nur noch mehr. Viele Unternehmenseigentümer zogen es unter diesen Umständen verständlicherweise vor, liquide Aktiva abzuziehen und abzuwarten, bis sich in der Politik wenigstens irgendetwas geklärt hätte. Im Ergebnis brach die russische Wirtschaft im Jahr 2009 um 8 % ein, was den damaligen Wirtschaftskennzahlen vollkommen widersprach: Russland hatte kaum Auslandsschulden, kein ernsthaftes Defizit im Staatshaushalt und keine besonders hohe Inflation. Es wirkten allein die Unsicherheit und die negativen Erwartungen, die die Regierung selbst provoziert hatte. Wie lassen sich die negativen Erwartungen ändern? Empirische Forschungen bestätigen, dass es weiterhin ein hohes Potential für Wirtschaftswachstum gibt. Dieses Wachstum hängt jedoch in entscheidendem Maße von Investitionen ab. Am Vorabend der Wirtschaftskrise realisierten etwa 40 % der Unternehmen in der verarbeitenden Industrie große Investitionsprojekte. In der Regel waren dies die leistungsfähigsten Unternehmen, die sich am dynamischsten entwickelten. Selbst zum Höhepunkt der Krise plante etwa ein Drittel der Unternehmen eine Fortsetzung der Investitionen. Zur Aufrechterhaltung der hohen Wachstumsgeschwindigkeit müsste die Regierung in erster Linie die Interessen der Investoren verstehen und mögliche Probleme, mit denen diese konfrontiert sind, erkennen. Der "Aufbau" des Staatsapparats und die Wirtschaftspolitik als Ganzes sollten im Folgenden auf die Lösung dieser Probleme ausgerichtet sein. Das schlechte Investitionsklima in Russland wurde vor der Wirtschaftskrise von 2008/09 bei leistungsfähigen Unternehmen im Wesentlichen durch einen Nachfrageanstieg auf dem Binnenmarkt kompensiert. Jetzt haben sich die Wachstumsmöglichkeiten verringert, die Hindernisse sind aber geblieben. Zu den größten Problemen in der Industrie zählen hohe Steuersätze, der Druck durch natürliche Monopole und ein Mangel an qualifizierten Arbeitskräften. Unternehmen im Dienstleistungssektor beklagen sich über Steuern, hohe Konkurrenz durch russische Hersteller sowie unzureichende und sich ständig ändernde gesetzliche Regelungen. Ein Problem ist grundsätzlich nicht nur die schlechte Qualität der Institutionen, die die Wirtschaftstätigkeit regeln, sondern auch ihre Instabilität, die während der Krise sichtlich angestiegen ist. Wie Interviews mit Unternehmern bezeugen, würde keine Firma Vergünstigungen und Unterstützung von Seiten des Staates ausschlagen. Leistungsfähige Unternehmen ziehen individuellen Vergünstigungen aber ein normales Wirtschaftsklima und stabile "Spielregeln" vor, welche die Bedingungen für ihre Geschäftstätigkeit schaffen. In diesem Falle können sie auch ohne zusätzliche Unterstützungen ihre Konkurrenz übertreffen. Aufrufe zur Verbesserung des Investitionsklimas sind schon seit Anfang der 2000er Jahre von der Regierung zu vernehmen, de facto hinkt Russland in dieser Frage seinen direkten Konkurrenten – weiteren Transformationsökonomien – jedoch immer weiter hinterher. Nach Angaben der BEEPS-Studie (Business Environment and Enterprise Performance Survey) lag Russland beispielsweise Mitte der 2000er Jahre bei ungefähr der Hälfte der Indikatoren zum Wirtschaftsklima über dem osteuropäischen Durchschnitt. 2009 lag Russland nur noch bei zwei Werten über dem regionalen Durchschnitt. Ein näherer Einblick in die Arbeit des Staatsapparates zeigt, dass das schlechte Wirtschaftsklima dadurch bedingt ist, dass sowohl bei Beamten wie auch in Behörden keine Anreize bestehen, die Probleme von Unternehmen zu lösen oder Bedingungen für eine wirtschaftliche Entwicklung zu schaffen. Trotz der weit verbreiteten Vorurteile spielt hierbei das Korruptionsproblem bei Weitem nicht die Hauptrolle. Ein Großteil der russischen Beamten erhält seiner Qualifikation entsprechend kein schlechtes Gehalt und will seinen Arbeitsplatz behalten. Hierfür müssen die Beamten die bestehenden Vorschriften und Dienstanweisungen einhalten, wobei hierfür das zentrale Bewertungskriterium nicht der Erfolg ihrer Arbeit ist, sondern die fristgerechte Umsetzung der Anweisungen der Vorgesetzten. Als Lösung des Problems der fehlenden Anreize für Beamte wird in der Theorie für gewöhnlich die politische Konkurrenz unter demokratischen Rahmenbedingungen gesehen. Politiker müssen sich an Zielen wie Wirtschaftswachstum oder der Verbesserung des Lebensniveaus orientieren. Darum wechseln sie Beamte aus, die nicht auf diese Ziele hinarbeiten, da sie andernfalls riskieren, die nächsten Wahlen zu verlieren. In Russland hat sich hingegen ein System des Staatskapitalismus ohne politische Konkurrenz herausgebildet. Die massenhaften Proteste gegen die Wahlfälschungen im Dezember 2011 in Moskau konnten an dieser Situation nichts ändern, da bis auf Weiteres keine reale politische Opposition existiert, die von breiten Wählerkreisen unterstützt wird. Dennoch gibt es unter den bestehenden Verhältnissen Lösungsmöglichkeiten für das Problem der fehlenden Anreize im Staatsapparat. Eine davon ist die Einführung von Konkurrenzmechanismen zwischen einzelnen Teilen der Staatsverwaltung. Solch eine bürokratische Konkurrenz existiert schon: Zum Beispiel konkurrieren die föderalen Behörden untereinander um Einfluss und um Kontrolle über Haushaltsmittel. Diese Behörden sind jedoch in ihrer Arbeit nicht auf das Ziel der wirtschaftlichen Entwicklung ausgerichtet. Die Steuerbehörde ist für das Eintreiben der Steuern verantwortlich, die Zollbehörde für die Haushaltseinnahmen aus Export und Import und für das Finanzministerium steht ein ausgeglichener Haushalt im Mittelpunkt. Das Wirtschaftsministerium ist zwar für das wirtschaftliche Wachstum verantwortlich, doch selbst wenn die Arbeit dieses Ministeriums tatsächlich nach diesem Kriterium bewertet werden würde, wäre sein Einfluss nicht groß genug, um dieses Ziel zu erreichen. Dies haben in den vergangenen Jahren die Ergebnisse regelmäßiger Diskussionen zwischen Wirtschafts- und Finanzministerium sehr deutlich gezeigt. Auch auf einer weiteren Ebene der Staatsverwaltung herrscht Konkurrenz – zwischen den Regionen. Im russischen System des Staatskapitalismus ist dies ein Wettkampf um Transferzahlungen und Subventionen aus dem föderalen Zentrum. Bisher war der bestimmende Faktor dieser Konkurrenz die politische Loyalität der Gouverneure – eine Region konnte mit umso mehr Subventionen und Transferzahlungen rechnen, je höher das Wahlergebnis für "Einiges Russland" bei den Dumawahlen 2007 ausfiel. Die föderale Unterstützung lässt sich aber auch nach anderen Kriterien zuteilen – zum Beispiel anhand der Investitionsdynamik und der Schaffung von neuen Arbeitsplätzen oder anhand des Anstiegs des Bruttoregionalprodukts. Darüber hinaus könnten jene Gouverneure gefördert werden, die eine Entwicklung ihrer Region ermöglichen, und jene entlassen werden, die dies nicht tun. Ein solcher Mechanismus – Förderung der besten, Bestrafung der schlechten Gouverneure – wird in China schon seit 30 Jahren erfolgreich angewandt. Einigen internationalen Studien zufolge wird dieser Mechanismus, bei Abwesenheit von politischer Konkurrenz und Aufrechterhaltung des Machtmonopols in den Händen der Kommunistischen Partei Chinas, zu eben jenem "Antrieb" der wirtschaftlichen Entwicklung. Das oben Angeführte betraf im Wesentlichen das Unternehmensverhalten auf dem Binnenmarkt. Für viele leistungsfähige Unternehmen, die sich auf spezielle Marktnischen spezialisiert haben, wird der Binnenmarkt jedoch sehr bald zu eng. Für ihre weitere Entwicklung ist darum der Einstieg in den Weltmarkt wichtig. Hier stoßen sie aber auf bedeutende Exportschwierigkeiten, die vielfach auf eine fehlende Koordination zwischen den Regierungsbehörden zurückzuführen sind. Dies betrifft nicht nur die langen Wartezeiten bei der Rückerstattung der Mehrwertsteuer, sondern auch die Dauer der Zollprozeduren. Auf den Export orientierte russische Unternehmen in der verarbeitenden Industrie müssen häufig Rohstoffe und Bauteile importieren. Auf Grund der Ungewissheit der Zollverfahren können diese Unternehmen ihren ausländischen Kunden aber keine genauen Lieferfristen garantieren. Dementsprechend sollte die Exportförderung zu einer der zentralen Prioritäten der Regierung werden und als Indikator zur Bewertung der zuständigen Behörden dienen: für die Zollbehörde, das Ministerium für Industrie und Handel und die Branchenministerien. Konkrete Probleme in konkreten Branchen sollten in engem Kontakt zwischen der Regierung und der Wirtschaft sichtbar gemacht und gelöst werden. Dabei kann die erfolgreiche Erfahrung der Exportförderung von mittleren und großen Unternehmen in den neuen Industriestaaten – wie Korea, Chile, Taiwan, Brasilien, Mexiko und Südafrika – angewandt werden. All diese Mechanismen können jedoch nur bei einer aktiven und abgestimmten Reaktion der Wirtschaft umfassend funktionieren. Instrumente zur Herausbildung und Artikulation der Unternehmerpositionen könnten Wirtschaftsverbände sein. Schon heute gehören diesen die aktiveren und sich dynamisch entwickelnden Unternehmen an, wie Untersuchungen des "Zentrums zur Analyse von Unternehmen und Märkten" an der Moskauer Higher School of Economics zeigen. Die Wirtschaftsverbände sollten größere Möglichkeiten und Vollmachten zur Verteidigung der Rechte ihrer Mitglieder erhalten, darunter die Beteiligung bei verpflichtenden öffentlichen Anhörungen zu Gesetzesänderungen und das Recht, vor Gericht im Namen ihrer Mitglieder aufzutreten. Wie die speziellen Fokusgruppen-Interviews gezeigt haben, die im Rahmen der Vorbereitungen auf die Russische Strategie 2020 durchgeführt wurden, sind die Staatsvertreter sehr daran interessiert, dass ihr Vorgehen verstanden wird. Doch statt einen Dialog mit den Entscheidungsträgern zu führen, wendet sich die Staatsführung direkt an die Bevölkerung – in Form von "Treffen mit dem Volk", TV-Auftritten und Internetkonferenzen. All dies geschieht, weil die russische Staatsmacht große Angst vor sozialer Instabilität hat. Direkter Kontakt mit der Bevölkerung ist an sich nichts Schlechtes. Investitionsentscheidungen treffen jedoch nicht die Wähler, sondern Eigentümer und Top-Manager von Unternehmen. Wenn sich die Staatsmacht nicht darum bemüht, der Wirtschaftselite zu erklären, was und warum sie etwas tut, und nicht bestrebt ist zu verstehen, worin die Probleme und Bedürfnisse der Wirtschaft bestehen, so braucht sie sich anschließend nicht wundern, dass die Unternehmer ihr Kapital aus dem Land abziehen, statt zu investieren. Um diese Einstellung zu ändern, bedarf es einer anderen Politik und Veränderungen in der Psychologie der Personen an der Macht. Sie müssen verstehen, dass sie das Land und die Wirtschaft nur lenken können, wenn die von ihnen gestaltete Politik den Interessen der zentralen Akteure entspricht, die auf ihrer Ebene Entscheidungen treffen – in Unternehmen, staatlichen Einrichtungen, Regionalverwaltungen und Gemeinden. Zum Verständnis dieser Interessen muss man sich im Dialog mit diesen Akteuren befinden und über funktionierende "Rückkoppelungsmechanismen" verfügen. Illusionen bestehen jedoch nicht nur auf Seiten der Staatsmacht. Viele Experten sprechen heute über die Notwendigkeit, Eigentumsrechte, unabhängige Gerichte, gute Unternehmensführung sowie politische und wirtschaftliche Konkurrenz zu schützen. Dies ist alles richtig. Nur wird hierüber schon seit vielen Jahren gesprochen und nichts geschieht. Warum? Das Problem ist nicht der politische Wille – dieser besteht. Zum Beispiel war das Gesetz Nr. 94 über öffentliche Auftragsvergabe und Staatseinkäufe aus dem Jahr 2005 eine einschneidende politische Entscheidung, für die sowohl in der Politik als auch in der Staatsverwaltung erhebliche Anstrengungen unternommen wurden. Leider erfolglos, da die "ideologisierten" und realitätsfremden Verfahren des Gesetzes nicht den Interessen der gutwilligen Akteure in Wirtschaft, Staatsverwaltung und Gesellschaft entsprachen. Ausblick Meiner Meinung nach ist es jetzt Zeit für andere Entscheidungen und für eine andere, pragmatische Tagesordnung. Statt sich an "liberale" oder andere Ideologien anzulehnen, sollten praktische Lösungen der heutigen Probleme vorgeschlagen werden. Eine ganze Reihe solcher pragmatischen Entscheidungen wurde nach der Krise von 1998 getroffen und dies war ein Grund für die Entstehung positiver Erwartungen. Die Entwicklung des Landes hängt heute im Wesentlichen von der Bereitschaft des Kreml ab, ein Format für einen konstruktiven Dialog mit anderen Elitegruppen zu finden, nicht nur mit der Wirtschaft, sondern auch mit der regionalen Bürokratie und den Leitern staatlich finanzierter Einrichtungen. Ebenfalls von großer Bedeutung ist die Bereitschaft und Fähigkeit russischer Experten, als Vermittler in einem solchen Dialog aufzutreten. Die Rhetorik der russischen Führung in den vergangenen Monaten lässt hoffen, dass zumindest im Verhältnis zur Wirtschaft ein solcher Dialog Wirklichkeit wird. Ob diese Hoffnung gerechtfertigt ist, wird nach der Ernennung der neuen Regierung mit ihren ersten konkreten Maßnahmen deutlich werden. Übersetzung aus dem Russischen: Christoph Laug Der vorliegende Beitrag basiert auf den Forschungsergebnissen der Expertengruppe Nr. 4, "Stärkung marktwirtschaftlicher Institutionen" im Rahmen der Vorbereitungen für die Vorschläge zur "Strategie der sozial-ökonomischen Entwicklung Russlands bis 2020 (Strategie-2020)". Der Autor dankt den Mitgliedern der Expertengruppe für die inhaltsreichen Diskussionen und dem Programm zur Grundlagenforschung an der Higher School of Economics (HSE) für die Unterstützung der Tätigkeiten der Arbeitsgruppe. Lesetipps (zur Funktionsweise der russischen Wirtschaft und der Einschätzung russischer Unternehmer): Kuznetsov, B./Dolgopyatova, T./Golikova, V./Gonchar, K./Yakovlev, A./Yasin, Y. (2011): Russian Manufacturing Revisited: Industrial Enterprises at the Start of the Crisis, in: Post-Soviet Affairs, 27:4, S. 366–386. Ledeneva, Alena (2012): Cronies, economic crime and capitalism in Putin’s sistema, in: International Affairs, 88:1, S. 149–157. Yakovlev, A. (2006): The evolution of business – state interaction in Russia: From state capture to business capture?, in: Europe-Asia Studies, 58:7, S. 1033–1056. Jakowlew, A./Frye, T. (2007): Reformy w Rossii glasami bisnesa, in: Pro et Contra, Juli–Oktober 2007, S. 118–134. Jakowlew, A./Goworun, A. (2011): Bisnes-assoziazii kak instrument wsaimodeistwija meshdu prawitelstwom i predprinimateljami: resultaty empiritscheskogo analisa, in: Shurnal Novoi ekonomitscheskoi assoziazii, 2011:9, S. 98–129.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2021-06-23T00:00:00"
"2012-06-06T00:00:00"
"2021-06-23T00:00:00"
https://www.bpb.de/themen/europa/russland-analysen/nr-238/137887/analyse-ein-neuer-kurs-im-verhaeltnis-von-staat-und-wirtschaft-in-russland/
Trotz relativ schneller Erholung von der globalen Krise, fehlt es der russischen Wirtschaft an Investitionen. Der Staat hat die Aufgabe das Vertrauen der Wirtschaft zurückzugewinnen und ein stabiles institutionelles Umfeld zu schaffen. Hierfür ist zu
[ "" ]
30,745
Jüdische Weltverschwörung, UFOs und das NSU-Phantom | Rechtsextremismus | bpb.de
Alles, was wir gelernt haben oder zu wissen glaubten, ist falsch: Der Holocaust hat nie stattgefunden, Rudolf Heß sich nicht selbst umgebracht. Er wurde ermordet. Die Elite der Nazis lebt am Südpol und bereist von dort aus mit Flugscheiben die Welt und andere Planeten, der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) ist eine Erfindung der Geheimdienste, 9/11 von der amerikanischen Regierung inszeniert. An allem, jedenfalls, sind die Juden Schuld ... Das sind Verschwörungstheorien. Sie sind in rechtsextremen Kreisen sehr populär und zum Teil grundlegend für ihre Ideologie. Schon für die Nationalsozialisten war der Mythos einer jüdischen Weltverschwörung Argumentationsgrundlage für ihren eliminatorischen Antisemitismus. Bei heutigen Rechtsextremen sind Verschwörungstheorien beliebt, die behaupten, dass rechter Terror wie der des NSU inszeniert worden sei, um diese politische Position zu diskreditieren. Auch außerhalb rechtsextremer Kreise haben Verschwörungstheorien Konjunktur. Heißt: Man muss nicht rechtsextrem sein, um an konspirative Erklärungen zu glauben. Egal, ob es sich um einen Flugzeugabsturz, politische Ereignisse oder Naturkatastrophen handelt: Zu allem finden sich Verschwörungstheorien, die versuchen das Geschehen einzuordnen. Als Erklärungsmodell für Umbrüche und Veränderungen sind sie beliebt, denn sie stellen die existentielle Frage, warum guten Menschen schlechte Dinge passieren. Verschwörungstheorien tun noch mehr, sie fragen nach dem "wer?". Wer ist schuld, wenn etwas passiert, das kaum erklär- und greifbar ist? Ein Zufall kann das Geschehen nicht sein, in der Welt der Verschwörungstheorien sind Zufälle ausgeschlossen: Alles hängt mit allem zusammen, ist Teil eines weltumspannenden Plans, nichts passiert aus Versehen. So werden Verschwörungstheorien zu einem Welterklärungsmodell, das attraktiver als die Realität erscheint und ihr zugleich an Logik und Konsistenz überlegen ist. Selbst Widerspruch und Belege, dass bestimmte Behauptungen nicht stimmen können, werden dieser Verschwörungslogik einverleibt und zur Gegenpropaganda der Verschwörergruppe erklärt, um so letztlich wieder die Verschwörungstheorie bestätigt zu sehen. So ganz abwegig ist das nicht, denn in der Tat existieren Verschwörungen: Regierungen handeln nicht immer zum Wohle ihrer Bürger, Geheimdienste überschreiten ihre Kompetenzen, Prozesse in Politik und Wirtschaft sind meist nicht transparent, und oft wissen oder verstehen wir nicht, was vor sich geht. Wir werden angehalten kritische Bürgerinnen und Bürger zu sein, Dinge zu hinterfragen, selbst zu prüfen. Den Medien, der Wirtschaft und dem Staat, das legen Verschwörungstheorien nahe, sei prinzipiell nicht zu trauen, ja, sie würden sogar gegen die Menschen arbeiten. Die Attraktivität einer solchen Sicht ist damit zu erklären, dass Verschwörungstheorien einfache Erklärungen geben, die uns helfen, Widersprüche, Unklarheiten und Ungerechtigkeiten zu verstehen. Auch wenn Weltverschwörungstheorien in den letzten Jahrzehnten vor allem am politisch rechten Rand weiterentwickelt wurden, sind Verschwörungstheorien kein exklusiv rechtes Phänomen. Doch mit dem Siegeszug des Massenmediums Internet gelang vor allem Verschwörungstheorien von rechts der Sprung in den Mainstream. Viele sind sich gar nicht im Klaren darüber, welche Ursprünge derartige populäre Konspirationserzählungen haben. Die jüdische Weltverschwörung Ein Klassiker der Verschwörungstheorien ist die "jüdische Weltverschwörung". Hinter diesem Mythos steht die Annahme, dass "die Juden" sich gegen die restliche Menschheit verschworen hätten und die Weltherrschaft anstreben würden. "Die Juden" werden dabei als Kollektiv wahrgenommen, und ihnen wird unterstellt, stets als solches zu handeln. Dieses fiktive Kollektiv, auch als "Weltjudentum", "internationales Judentum" und "Finanzjudentum" bezeichnet, bediene sich zur Erlangung der Weltherrschaft diverser Organisationen, zu denen unter anderem die CIA, die UN und die Bilderberg-Gruppe gehörten. Diese Organisationen bestehen der Verschwörungstheorie zufolge entweder aus Jüdinnen und Juden oder handeln auf jüdischen Befehl hin. Letztere Zuschreibung gibt es auch für Staaten, die man in rechtsextremen Kreisen dann als ZOG ("zionist occupied government", etwa "zionistisch unterwanderte Regierung") bezeichnet, wobei "zionistisch" eine Chiffre für Juden beziehungsweise Israel ist. Die Fiktion einer ZOG bzw. einer jüdischen Weltverschwörung ist alles andere als neu und fand ihren schriftlichen Höhepunkt in den "Protokollen der Weisen von Zion". Die Protokolle sind um 1900 entstanden, angeblich belegen sie den Plan einer jüdischen Weltverschwörung. Bei dem Text soll es sich um eine protokollierte Mitschrift eines Treffens der jüdischen Anführer ("Weisen von Zion") handeln. Es werden verschiedene Mittel und Wege dargelegt, um die Kontrolle über die Welt zu erlangen, darunter Kriege, (Welt-)Wirtschaftskrisen und die Kontrolle über die Medien oder Sozialismus, Kapitalismus, Demokratie und Tyrannei. Selbst der Antisemitismus wird als willkommenes Werkzeug erwähnt. Den Nazis dienten die Protokolle als Argumentationsgrundlage für ihren eliminatorischen Antisemitismus. Hitler nahm in "Mein Kampf" Bezug auf die Protokolle; in der Zeit der NS-Herrschaft war der Text dann Pflichtlektüre an Schulen. Die Protokolle aber sind eine Fälschung. Dass sie schon 1921 als solche entlarvt wurden, hat ihrer weltverschwörerischen Popularität keinen Abbruch getan. Auf der Basis antigeheimgesellschaftlicher und antikommunistischer Verschwörungstheorien, die stark an die Protokolle erinnern, entwickelten ab den 1950er Jahren US-amerikanische Rechtsextreme eine Weltverschwörungstheorie, die unter dem Schlagwort "New World Order" (NWO) bekannt wurde. Der NWO-Mythos benennt im Gegensatz zu den "Protokollen" jedoch nicht Juden als Weltverschwörer. Drahtzieher der Neuen Weltordnung sind nun "globale Eliten", "Wallstreet", "Hochfinanz", "globale Finanzeliten", "Bilderberger" oder schlicht "Eliten". Gemeint sind aber, eingeweihte Rechtsextremisten wissen das, auch hier: die Juden. Besonders eindringlich ist dies in den "Turner Diaries" beschrieben, die als die "Bibel" weißer Rassisten gelten. Die vom US-amerikanischen Rechtsextremisten William Luther Pierce unter dem Pseudonym Andrew MacDonald 1978 veröffentlichten Tagebücher erzählen die Geschichte einer arischen Untergrundorganisation, die einen Widerstandskampf führt gegen "das jüdische System", welches Regierung, Medien und Wirtschaft kontrolliert. Ein in den "Turner Diaries" beschriebenes Attentat inspirierte den US-Amerikaner Timothy McVeigh zu seinem als "Oklahoma City Bombing" bekannt gewordenen Anschlag, bei dem mehr als 500 Menschen verletzt und 168 getötet wurden. Selbst die Uhrzeit des Anschlags orientierte sich an der fiktiven Vorlage. Auch wenn Timothy McVeigh nicht als ideologisch gefestigter Rechtsextremist einzuordnen ist: Allemal zeigt sich hier die Wirkungsmacht rechtsextremer Verschwörungstheorien. Holocaustleugnung Mit dem Mythos einer jüdischen Weltverschwörung können alle anderen populären Verschwörungstheorien aufgeladen werden, insbesondere diejenigen, die unter Rechtsextremen kursieren. Das Misstrauen gegenüber Staat, Wirtschaft und Medien lässt sich auch auf die Geschichtsschreibung ausweiten, die als manipuliert betrachtet wird. So lässt sich zum Beispiel die Shoa in Frage stellen, und zwar in zahlreichen Varianten von "der Holocaust hat nicht in der Form stattgefunden, wie er in der anerkannten Geschichtsschreibung vermittelt wird" bis zu "der Holocaust hat überhaupt nicht stattgefunden und ist nur eine Erfindung". Diese antisemitische Verschwörungstheorie stützt sich hauptsächlich auf pseudowissenschaftliche Untersuchungen, die versuchen, die vorhandenen Forschungen über die Shoa umzudeuten, neu zu bewerten oder die gar ganz eigene Untersuchungsergebnisse präsentieren. Da werden Opferzahlen heruntergerechnet, die technische Umsetzbarkeit des industrialisierten Massenmords angezweifelt oder Dokumente schlicht nicht anerkannt. Protagonisten der rechtsextremen Szene wie Horst Mahler oder Udo Voigt haben den Holocaust öffentlich verharmlost oder bestritten – in Deutschland ist Holocaustleugnung nach §130 Absatz 3 StGB strafbar. Holocaustleugnung oder -relativierung ist im eigentlichen Sinne jedoch keine Verschwörungstheorie. Diese beginnt erst ab dem Punkt, wenn nach dem "cui bono?" gefragt wird, also wer Nutzen aus der Shoa gezogen habe. Die verschwörungstheoretische Antwort wird in diesem Fall am Ende immer mit "die Juden" beantwortet. Gemeint ist, dass die Shoa von Jüdinnen und Juden selbst inszeniert wurde, um die Staatsgründung Israels zu legitimieren und Deutschland dauerhaft erpressen zu können. Für Rechtsextreme eine dankbare Verschwörungstheorie, denn so kann einerseits Antisemitismus als Antizionismus getarnt werden und gleichzeitig eine Schuldumkehr stattfinden. Durch die Einordnung des Holocausts als Teil eines großen Plans, als Teil der "New World Order", wird Holocaustleugnung zu einem Bestandteil der jüdischen Weltverschwörung erklärt. Das sich daraus abzeichnende Muster gilt auch für andere populäre Verschwörungstheorien der Rechtsextremen. Heß-Selbstmord Rudolf Heß war Stellvertreter Adolf Hitlers und eine zentrale Figur im Nationalsozialismus. Er war einer der Hauptangeklagten im Nürnberger Prozess und saß seine lebenslange Haftstrafe im Kriegsverbrechergefängnis in Berlin-Spandau ab, wo er 1987 Selbstmord verübte. Für Rechtsextreme ist Heß auch heute noch eine wichtige Figur, sie verehren ihn als "Friedensflieger", weil er 1941 allein nach England flog, um die britische Regierung zu einem Friedensschluss mit dem NS-Regime zu bewegen. Seit seinem Tod organisiert die rechtsextreme Szene jährlich Rudolf-Heß-Gedenkmärsche in Wunsiedel und stilisiert ihn zum Märtyrer. Denn nach Ansicht der Rechtsextremen brachte Heß sich nicht selbst um, sondern wurde ermordet. Die Theorie: Heß wurde umgebracht, weil seine Freilassung kurz bevorstand. Als freier Mann hätte er der Öffentlichkeit berichten können, dass die Briten mit Absicht keine Friedensverhandlungen mit ihm als Vertreter Nazi-Deutschlands geführt hätten, um die Sowjetunion und die USA zum Eintritt in den Krieg zu bewegen. Ohne deren Hilfe hätte Großbritannien den Krieg sonst verloren. Mit derlei Deutungen versuchen Rechtsextreme, die Kriegsschuld Deutschlands zu mindern und die wahren Aggressoren des Zweiten Weltkriegs auf Seiten der Alliierten zu finden. Heß‘ eigenmächtiger Flug nach Großbritannien wird als nationalsozialistische Friedensinitiative umgedeutet, um so den Nationalsozialismus zu verharmlosen. Dass er seit der britischen Gefangenschaft mehrere Selbstmordversuche unternommen hatte und als psychisch labil galt, wird von Rechtsextremen nicht berücksichtigt. Ebenso wenig, dass sein "Friedensflug" aus eigenem Antrieb geschah und er dafür von Hitler sämtlicher Ämter enthoben und zum Tode verurteilt wurde. Das NSU-Phantom Zu den neusten Verschwörungstheorien innerhalb des rechtsextremen Spektrums gehört die Umdeutung der rechtsextremen Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) als reine Erfindung deutscher Geheimdienste. Der NSU ermordete von 2000 bis 2007 zehn Menschen und verübte mehrere Banküberfälle und Anschläge. Weitere Sprengstoff- und Brandanschläge werden vermutet, derzeit aber noch überprüft. Als Mitglieder des NSU gelten Uwe Mundlos (†), Uwe Böhnhardt (†) und Beate Zschäpe, die seit Mai 2013 in München vor Gericht steht, sowie ein bislang noch unbekannter Kreis von Unterstützerinnen und Unterstützern. Viele Fragen zum NSU sind derzeit ungeklärt: Die genauen Todesumstände von Mundlos und Böhnhardt, deren Leichen nach einem Banküberfall in einem ausgebrannten Wohnmobil gefunden wurden. Oder die Größe des Unterstützerkreises, das kollektive Behördenversagen bei der Aufdeckung der Terrorzelle und die genauen Verstrickungen einzelner Geheimdienste zum NSU. Einige dieser Fragen werden vielleicht noch im Rahmen des NSU-Prozesses gegen Beate Zschäpe und einige Unterstützer geklärt, andere Fragen vielleicht nie. Doch für rechtsextreme Verschwörungstheoretikerinnen und -theoretiker spielt das Fehlen gesicherter Erkenntnisse keine Rolle, denn für sie steht bereits fest, dass es den NSU als rechtsextreme Terrorzelle nie gegeben habe. Sie halten den NSU für eine reine Erfindung deutscher Geheimdienste, eine "false-flag-operation". Das bedeutet, dass die Terroranschläge nur als rechtsextrem deklariert wurden, in Wahrheit aber von den Geheimdiensten selbst inszeniert waren, um nationalistische Positionen zu diskreditieren und die Gesellschaft zu einem stärkeren "Kampf gegen rechts" zu bewegen. Für Rechtsextreme stellt dieses gesellschaftliche Engagement nur das Produkt einer Gehirnwäsche und Umerziehung dar, welche die Deutschen davon abhalten soll, sich ihrer Stärke und nationalen Identität bewusst zu werden. Wie die Holocaustleugnung wird der NSU als Puzzlestück der jüdischen Weltverschwörung gelesen. Hätten die Deutschen, so die rechtsextreme Fantasie, wieder eine nationalistische Grundhaltung, würden sie sich nicht länger kleinhalten lassen. 9/11: Inside Job Die konspirativen Szenarien zu den Anschlägen vom 11. September 2001 (9/11) auf das World Trade Center variieren in Bezug auf die Suche nach den Verantwortlichen und die Motivation für die Anschläge: Der israelische Geheimdienst Mossad habe die USA so zu einem stärkeren pro-israelischen (und militärischen) Engagement im Nahen Osten zwingen wollen; der militärisch-industrielle Komplex habe aus Profitgier einen neuen Krieg im Nahen Osten initiieren wollen; Neokonservative um George W. Bush hätten ein neues Pearl Harbour erschaffen wollen, um einen Krieg im Nahen Osten rechtfertigen zu können; Al-Qaida habe die Angriffe geplant und durchgeführt, aber die Bush-Regierung habe davon gewusst und sie geschehen lassen, um politisch Kapital daraus zu schlagen oder um Firmen, an denen Bush und sein Umfeld Anteile hielten, vom Krieg im Nahen Osten profitieren zu lassen; 9/11 sei Teil des Plans zur Realisierung einer New World Order gewesen. So zahlreich die Mutmaßungen über die Gründe und Drahtzieher der Anschläge, so zahlreich sind auch die Theorien für das Zusammenstürzen der beiden Türme: Es sei eine kontrollierte Sprengung gewesen, entweder durch zuvor im Gebäude angebrachte Explosivladungen oder durch einen hochentwickelten Nuklearsprengsatz oder durch eine neuartige Waffe, die aus dem Weltall abgefeuert wurde. Alternativ waren die Flugzeuge, die die Türme trafen, ferngesteuert oder es gab nie Flugzeuge, die die Türme trafen und alle Videoaufnahmen seien nur entsprechend manipuliert worden. Trotz der teils widersprüchlichen Theorien ist das verbindende Element dieser Verschwörungstheorien, dass die offizielle Darstellung angezweifelt und nicht anerkannt wird. Die Bewegung "9/11 Truth-Movement", die sich nach den Anschlägen bildete, hat weltweit lokale Gruppen und hält große Konferenzen ab. Die Entwicklung des sogenannten Web 2.0 und die Entstehung sozialer Netzwerke haben die Bewegung unterstützt. Die Reichweite der Verschwörungsszenarien um 9/11 war und ist groß und geht so weit, dass ein großer Teil des "9/11-Truth-Movements" an einen größeren Plan glaubt: die Errichtung einer New World Order, 9/11 als Teil der jüdischen Weltverschwörung. Der Theorie zufolge gelten die Anschläge dabei als Vorwand, um die Grundrechte und Freiheiten der Menschen einzuschränken. Neuschwabenland/UFOs Zu den abenteuerlichsten rechtsextremen Verschwörungstheorien gehört die Annahme, dass Teile der nationalsozialistischen Elite sich vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs in die Antarktis abgesetzt hätten und dort noch immer eine Basis namens Neuschwabenland unterhielten. Geglückt sei die Flucht durch Reichsflugscheiben, die als geheime Wunderwaffen von den Nazis entwickelt worden seien. Diese Reichsflugscheiben, so heißt es, würden mit "Vril-Energie" betrieben, einer Art kosmischen Energie, die es auch möglich mache, andere Sternensysteme zu bereisen. Diese Verschwörungstheorie ist eher im okkult-esoterischen Bereich beheimatet und mit anderen Behauptungen verknüpft, die von außerirdischem Leben auf dem Planeten Aldebaran ausgehen, mit deren Bewohnern die Nationalsozialisten in Kontakt stünden. Auch wird angenommen, dass die Erde innen hohl sei, so dass die Nazis im Erdinnenraum Zuflucht gefunden hätten. Verknüpfungen und Überschneidungen zur Verschwörungstheorie der jüdischen Weltverschwörung sowie den Reichsbürgern, die Deutschland für nicht souverän und von Alliierten besetzt halten, sind vorhanden. Demnach ist die fehlende Souveränität Deutschlands Teil des Plans der jüdischen Weltverschwörung. Eines Tages würden die Nationalsozialisten zurückkehren und mit ihrer überlegenen Technik Deutschland von "den Besatzungsmächten" (also Agenten der Jüdischen Weltverschwörung) befreien. In den letzten Jahren ist diese Verschwörungstheorie, die eher als Nazi-Science-Fiction bezeichnet werden kann (und teilweise auch als solche ironisch unter dem Titel "Iron Sky" verfilmt wurde), vor allem durch den mittlerweile verstorbenen Geologen Axel Stoll bekannter geworden. Bis zu seinem Tod 2014 organisierte er in Berlin das "Neuschwabenland-Treffen" und betrieb im Internet ein Forum. Seine bizarren Auftritte während der Treffen, die auch mitgefilmt wurden, machten Stoll zeitweise zum Internet-Phänomen und vergrößerten den Bekanntheitsgrad der Verschwörungstheorien zu Reichsflugscheiben, Neuschwabenland und Strahlenwaffen. Auch wenn sich ein Großteil der Öffentlichkeit über Stoll und seine Verschwörungstheorien amüsierte: er knüpfte damit nur an eine durchaus vorhandene Tradition an, die okkult-esoterische Weltbilder mit nationalsozialistischer Ideologie verbindet. In der organisierten Neonazi-Szene wird der Kreis um Stoll und seine absurden Theorien jedoch ebenfalls eher belächelt. Groh, Dieter (1992): Anthropologische Dimensionen der Geschichte. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 1992. S. 267. Die Bilderberger-Gruppe richtet jährliche Treffen für wichtige Vertreter der Politik, Wirtschaft und Medien aus. Benannt ist die Gruppe nach dem Ort ihres ersten Treffens: Das Hotel de Bilderberg in Oosterbeek, Niederlande. Die Treffen haben einen informellen Charakter und finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Behandelte Themen werden nicht bekannt gegeben, lediglich eine Liste der Teilnehmer wird im Nachhinein veröffentlicht. Diese Geheimhaltung in Kombination mit den hochprominenten und einflussreichen Teilnehmenden macht die Bilderberger zu einem beliebten Objekt von Verschwörungstheorien. Externer Link: http://www.spiegel.de/wirtschaft/bilderberg-konferenz-die-wahre-macht-sitzt-woanders-a-1038202.html Vgl. dazu: Jackson, Camille (2004): The Turner Diaries, Other Racist Novels, Inspire Extremist Violence. Southern Poverty Law Center. Externer Link: http://www.splcenter.org/get-informed/intelligence-report/browse-all-issues/2004/fall/fightin-words
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2021-06-23T00:00:00"
"2015-07-28T00:00:00"
"2021-06-23T00:00:00"
https://www.bpb.de/themen/rechtsextremismus/dossier-rechtsextremismus/210327/juedische-weltverschwoerung-ufos-und-das-nsu-phantom/
Verschwörungstheorien haben Konjunktur. Konspirative Erklärungsmuster eignen sich immer dann, wenn Komplexität nicht leicht nachvollziehbar ist. Das Massenmedium Internet hat vielen dieser Theorien zum Einzug in den Mainstream verholfen – auch solche
[ "Holocaustleugnung", "Verschwörungsideologie", "Verschwörungstheorie", "jüdische Weltverschwörung", "Neuschwabelnad", "Turner Diaries", "NSU Phantom", "Protokolle der Weisen von Zion" ]
30,746
Die Europäer wählen ein neues Parlament | Themen | bpb.de
Die Abgeordneten des Europaparlaments vertreten insgesamt 503,7 Millionen EU-Bürger und -Bürgerinnen in den 28 Staaten der Europäischen Union. In Deutschland sind nach Angaben des Bundeswahlleiters 64,4 Millionen Menschen wahlberechtigt, darunter rund 2,9 Millionen Unionsbürgerinnen und Unionsbürger, die nicht Deutsche sind, aber in Deutschland leben. Rund 5,2 Millionen junge Menschen dürfen sich erstmals an der Wahl des Europäischen Parlaments beteiligen. 25 Parteien treten an Deutschland stellt künftig 96 der 751 Abgeordneten des Europaparlaments. Um diese Sitze bewerben sich insgesamt 1.053 Kandidatinnen und Kandidaten, darunter 327 Frauen. Zwar ist das Wahlrecht weitgehend national geregelt, aber einheitlich festgelegt ist, dass alle Abgeordneten Interner Link: nach dem Prinzip der Verhältniswahl gewählt werden. Das bedeutet, dass die Parlamentsmandate für die deutschen Abgeordneten anhand der Stimmenanteile vergeben werden, die auf die Listen der Parteien entfallen. In Deutschland treten insgesamt 25 Parteien zur Wahl an. Der Bundeswahlausschuss Interner Link: hat ihre Listen zugelassen. Neu ist, dass diesmal keine Sperrklausel gilt. Das Bundesverfassungsgericht Interner Link: entschied im Februar, dass die Drei-Prozent-Hürde verfassungswidrig ist. Dadurch benötigt eine Partei rechnerisch Interner Link: nun lediglich 1,04 Prozent der Wählerstimmen, um eins der 96 deutschen Mandate zu bekommen. Der Wahlkampf Europawahlen Interner Link: gelten in der Politikwissenschaft als "Nebenwahlen", denen viele Wähler grundsätzlich eine geringere Bedeutung als beispielsweise Bundestagswahlen zuschreiben. Seit der ersten Direktwahl des Europaparlaments 1979 ist die Wahlbeteiligung deutlich gesunken: Gingen 1979 noch 65,7 Prozent der Wahlberechtigten in Deutschland an die Urne, waren es 2009 lediglich 43,3 Prozent. Wissenschaftler Interner Link: sehen im Desinteresse der Bürger den wesentlichen Grund, warum die Wahlbeteiligung besonders niedrig ist. In Europa-Wahlkämpfen Interner Link: stehen traditionell nationale Themen im Mittelpunkt. Kontrovers diskutierten die politischen Akteure dieses Mal unter anderem die Eurokrise, die Interner Link: Freizügigkeit, die Interner Link: Flüchtlinge an Europas Außengrenzen sowie die Grenzen des Interner Link: Erweiterungsprozesses. Außerdem wurde vielfach über Interner Link: den Aufwärtstrend von rechtspopulistischen Parteien in Umfragen diskutiert. Die Reaktion auf die Finanz- und Schuldenkrise Interner Link: stand in der vergangenen Legislaturperiode des Europäischen Parlaments prominent auf der Agenda. Inwiefern die Sparpolitik in der Krise das richtige Rezept ist, ist europaweit nicht nur in der Politik, sondern Interner Link: auch in Wissenschaft und Gesellschaft umstritten. Dennoch spielte das Interner Link: Thema Finanzen im Wahlkampf kaum eine Rolle. Beeinflusst hat den Wahlkampf außerdem, dass der Europäische Rat bei der Nominierung des Kandidaten für das Amt des Präsidenten der Europäischen Kommission erstmals das Ergebnis der Wahlen zum Europäischen Parlament berücksichtigen soll. Dies ist im Vertrag von Lissabon festgelegt. Je nachdem, welche Fraktion die Mehrheit im Parlament erringt, soll der Rat eine Kandidatin oder einen Kandidaten aus diesem politischen Spektrum auswählen. Das Parlament muss dem Vorschlag dann mit Mehrheit zustimmen. Als Spitzenkandidaten für die beiden größten Parteiengruppierungen im Parlament gingen der frühere luxemburgische Premierminister Jean-Claude Juncker für die Interner Link: Europäische Volkspartei sowie der Präsident des Europäischen Parlaments Martin Schulz für die Interner Link: Sozialdemokraten/Sozialisten ins Rennen. Experten erklären, durch diese Neuerung habe die Europawahl Interner Link: mehr Aufmerksamkeit in den Medien bekommen. Die Umfragen Laut der Externer Link: aktuellen Prognose des Europaparlaments zusammen mit TNS Opinion steht die Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) mit 29,43 Prozent vor dem Wahlsieg als stärkste Kraft. Ihr folgt die Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialisten und Demokraten mit 25,83 Prozent auf dem zweiten Platz (Stand: 12. Mai). Die Prognose basiert auf einer Kombination europäischer und nationaler Umfragen in den 28 EU-Mitgliedstaaten. In Deutschland liegt die Union laut Externer Link: ARD-DeutschlandTrend mit 37 Prozent vor der SPD, die auf 27 Prozent kommt (Stand: 14. Mai). Informationen zur Europawahl 2014 haben wir in unserem Wahl-Spezial für Sie zusammengestellt. Debatten und Hintergründe rund um die Wahl sowie die Möglichkeit mitzudiskutieren bieten wir Ihnen in unserem Interner Link: Europawahlblog an. Das Europaparlament Das Europäische Parlament beschließt gemeinsam mit dem Rat der Europäischen Union die Gesetze. Die Entscheidungen werden in Ausschüssen vorbereitet, denen Vertreter aller Fraktionen angehören. Aktuell gibt es sieben Fraktionen im Parlament. Bei Abstimmungen im Plenum entscheidet die Mehrheit der Abgeordneten. Allerdings kann das Parlament – genauso wie der Rat der Europäischen Union – nicht von sich aus eine Gesetzesinitiative ergreifen. Dieses Initiativrecht hat nur die Europäische Kommission. Das Europäische Parlament hält seine Plenarsitzungen in Straßburg ab, kurze Sitzungen sowie die Ausschussarbeit finden in Brüssel statt. Ab der Legislaturperiode nach der Wahl 2014 sitzen 751 Abgeordnete im Parlament. Im Interner Link: Vertrag von Lissabon ist die Höchstzahl der Abgeordneten eines Landes auf 96 und die Mindestvertretung eines Landes auf sechs Abgeordnete festgelegt. Mehr Informationen: Interner Link: http://www.bpb.de/internationales/europa/europaeische-union/42938/europaeisches-parlament Das Europäische Parlament beschließt gemeinsam mit dem Rat der Europäischen Union die Gesetze. Die Entscheidungen werden in Ausschüssen vorbereitet, denen Vertreter aller Fraktionen angehören. Aktuell gibt es sieben Fraktionen im Parlament. Bei Abstimmungen im Plenum entscheidet die Mehrheit der Abgeordneten. Allerdings kann das Parlament – genauso wie der Rat der Europäischen Union – nicht von sich aus eine Gesetzesinitiative ergreifen. Dieses Initiativrecht hat nur die Europäische Kommission. Das Europäische Parlament hält seine Plenarsitzungen in Straßburg ab, kurze Sitzungen sowie die Ausschussarbeit finden in Brüssel statt. Ab der Legislaturperiode nach der Wahl 2014 sitzen 751 Abgeordnete im Parlament. Im Interner Link: Vertrag von Lissabon ist die Höchstzahl der Abgeordneten eines Landes auf 96 und die Mindestvertretung eines Landes auf sechs Abgeordnete festgelegt. Mehr Informationen: Interner Link: http://www.bpb.de/internationales/europa/europaeische-union/42938/europaeisches-parlament
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2021-09-20T00:00:00"
"2014-05-22T00:00:00"
"2021-09-20T00:00:00"
https://www.bpb.de/themen/europawahlen/europawahlblog-2014/184760/die-europaeer-waehlen-ein-neues-parlament/
Vom 22. bis 25. Mai wählen die Bürger und Bürgerinnen der Europäischen Union ein neues Parlament. In Deutschland findet die Wahl am Sonntag (25. Mai) statt. Kleine Parteien haben hier so gute Chancen wie nie zuvor, weil erstmals keine Sperrklausel gi
[ "Europawahl", "Europawahlen", "Europawahlen 2014" ]
30,747
Zeitgeschichte der "Berliner Republik" | Zeitgeschichtsschreibung | bpb.de
Einleitung Der Titel des Aufsatzes ist insofern doppeldeutig, als er einerseits die Tendenzen der Zeitgeschichtsschreibung, das heißt - weit gefasst - der Historiografie des 20. Jahrhunderts innerhalb der vergangenen beiden Jahrzehnte, umfasst und andererseits die Historisierung dieses jüngsten Abschnitts der deutschen Geschichte meint. Zudem wird mit dem Begriff der "Berliner Republik" - ich werde ihn konsequent in Anführungszeichen setzen - von manchen Publizisten eine wertende Aussage über eine neue Qualität der Bundesrepublik nach 1990 getroffen, etwa als vages Postulat des Aufbruchs aus der politisch langweiligen Bonner in eine interessantere Berliner Zeit. Im Folgenden sollen beide Konnotationen des jüngsten Abschnitts deutscher Geschichte angesprochen und partiell aufeinander bezogen werden, da sich aus den Tendenzen der Zeitgeschichtsschreibung durchaus etwas über die Gesellschaft der Bundesrepublik seit den 1990er Jahren herauslesen lässt. Die Skizze erfolgt in drei Schritten. Zunächst sollen in einem groben Umriss Kontinuitätslinien und Trendwechsel der neueren Forschung im Blick auf die hauptsächlichen Teilbereiche der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts festgehalten werden, danach geht es um einige neuere Diskussionen zur deutschen Geschichte der Zeit nach 1945 und schließlich um vorläufige Anmerkungen zu einer künftigen Zeitgeschichte des späten 20. und frühen 21. Jahrhunderts. Umrisse und Konjunkturen Drei Prognosen begleiteten die geschichtspolitischen Debatten der frühen 1990er Jahre: Zum Ersten erwarteten viele Beobachter, dass das Interesse am "Dritten Reich" mit wachsender zeitlicher Distanz und mit dem Abschied der "Erlebnisgeneration" nachlassen werde. Der "Historikerstreit" der 1980er Jahre schien bereits das geschichtspolitische Endspiel gewesen zu sein. Zum Zweiten wurde, erhofft oder befürchtet, davon ausgegangen, dass die Geschichte der DDR die des "Dritten Reiches" - letzteres dann nur noch im "Diktaturvergleich" vorkommend -, aber auch die Geschichte der "alten Bundesrepublik" in den Hintergrund drängen würde. Und drittens gab es Ängste mit Blick auf die Entwicklung einer "siegeswestdeutsch" gefärbten Geschichtsschreibung der Bundesrepublik. All diese Prognosen waren nicht völlig unbegründet, erwiesen sich aber bald als falsch. Der quantitative Befund zu den historiografischen Veröffentlichungen in den beiden Jahrzehnten seit 1990 ist eindeutig: Die Zahl der Monografien und Sammelbände zu allen Abschnitten der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts hat sich vervierfacht; das Interesse an der NS-Zeit und deren Aufarbeitung behauptet nach wie vor den führenden Platz mit etwa einem Viertel aller Monografien sowohl 1990 als auch 2009; zur Geschichte der DDR bis 1990 erschienen etwa gleich viele Publikationen wie zur Geschichte der "alten Bundesrepublik"; das Interesse an der jüngsten Zeitgeschichte seit 1990 nimmt zu, und alle modernen Gesamtdarstellungen der Geschichte der Bundesrepublik reichen heute - jedenfalls dem Anspruch nach - bis zur Gegenwart. Dass ein Ende der Debatten über den Nationalsozialismus nicht eintrat, lag primär an der im wiedervereinigten Deutschland noch gesteigerten Relevanz symbolischer Abgrenzung zu den Verbrechen des "Dritten Reiches". Die von insgesamt mehr als einer Million Menschen besuchten Ausstellungen des Hamburger Instituts für Sozialforschung über die Verbrechen der Wehrmacht (1995-1999 und 2001-2004), die Debatten um "Hitlers willige Vollstrecker" (Daniel Goldhagen, 1996), "Hitlers Volksstaat" (Götz Aly, 2005) und langjährige Diskussionen um das 2005 in Berlin eingeweihte "Denkmal für die ermordeten Juden Europas" machten auf die Verstrickung großer Teile der deutschen Bevölkerung in die nationalsozialistischen Massenverbrechen aufmerksam. Während einzelne Debatten in den Medien sporadisch aufleben, zuletzt um die Untersuchung der Rolle des Auswärtigen Amtes, hat sich in der Zeitgeschichtsschreibung eine intensive Fachdebatte um das Verhältnis von Realität und Inszenierung der "Volksgemeinschaft" im "Dritten Reich" entwickelt. Zu einem parallel nachgefragten Produkt auf dem medialen Geschichtsmarkt hat sich die Erinnerung an Luftkrieg und Kriegsende entwickelt, in der "die Deutschen" als Opfer im Mittelpunkt standen - häufig mit einem pflichtschuldigen Prolog, der den Nationalsozialismus als Ausgangspunkt der Leiden der Bombenopfer und Vertriebenen benennt. Die zeithistorische Forschung hat aber hierzu hervorragende kritische Studien erarbeitet, die zudem den Umgang mit der Erinnerung an diese Geschehnisse bereits für längere Zeiträume analysieren. Dass die DDR-Geschichte nach 1989/90 in den Vordergrund trat, ist nicht verwunderlich. Zum einen konnte sie nun als abgeschlossene Epoche und zugleich auf Basis der nahezu vollständig zugänglichen Akten erzählt werden, was zudem geschichtspolitisch hochgradig erwünscht war. Wissenschaftsfördernde Einrichtungen initiierten sehr früh Programme zum "Diktaturvergleich". Allerdings lässt sich konstatieren, dass anfänglich dominierende Totalitarismusformeln unter dem Eindruck empirischer Studien zur ostdeutschen Gesellschaft erodierten und sich eine pluralistische empirische Forschung mit verschiedenen institutionellen Zentren entwickelte - einschließlich der unvermeidlichen Kontroversen. Dass die historische DDR-Forschung besonderen öffentlichen Debatten ausgesetzt ist, liegt geschichtspolitisch auf der Hand. Nicht nur die DDR, auch die "alte Bundesrepublik" war 1990 an ihr Ende gekommen. Die zeithistorische Bundesrepublik-Forschung, die über die vorherige politische Ereignisgeschichte hinausging, begann im Jahrzehnt vor der Wiedervereinigung. Veröffentlichungen in größerer Zahl erfolgten im Jahrzehnt danach. Dabei war eine gewisse Forschungslogik unverkennbar: dem sozialhistorischen Paradigma von "Moderne" und "Modernisierung" im Blick auf die "Gründerzeiten" folgte eine partielle Öffnung für kulturhistorische Perspektiven und zugleich eine Wiederaufnahme der politischen Geschichte für die 1960er Jahre. Bis zur Untersuchung dieser Zeit waren Fragen nach dem Verhältnis von Kontinuitäten - personeller, institutioneller, struktureller oder mentaler Art - und Brüchen bzw. neuen Entwicklungen immer im Blick auf die Zeit des Nationalsozialismus, aber auch der dorthin führenden Wege gestellt worden. Das Interesse verlagerte sich von den Kontinuitäten auf jene Faktoren und Konstellationen, die erklären, warum aus der düsteren und geradezu beängstigenden politischen Kultur der frühen Bundesrepublik - die bisweilen noch immer in Festreden zum demokratischen Frühling geadelt wird - eine relativ liberale und pluralistische Gesellschaft hatte werden können. Die Konturierung eines Transformationszeitraums der "langen 1960er Jahre" legte zugleich die Hypostasierung von "1968" zur tiefsten Zäsur der Geschichte der Bundesrepublik und zum allein erklärenden Faktor für ihre Liberalisierung und Demokratisierung ad acta. Auch der Umgang mit den "68ern" konnte bereits als geschichtspolitische Linie nachgezeichnet werden. Tendenzen in der jüngeren Zeitgeschichtsforschung Die 1960er Jahre sind seit dem Ausgang der 1990er Jahre, die 1970er Jahre seit der ersten Hälfte der 2000er Jahre beforscht worden, auch die 1980er Jahre werden mittlerweile einbezogen. Damit zeichnet sich ab, dass der erste gründliche Durchgang einer historiografischen Deutung der gesamten "alten Bundesrepublik" bald abgeschlossen sein wird. Dies ermöglicht, erste Linien für den Zusammenhang von Zeitgeschichte und "Zeitgeist" zu ziehen. Dabei fällt auf, dass die Betonung der Kultur im weiten Sinne bei der Deutung der 1960er Jahre gegenüber der sozialhistorischen Dominanz bei der Untersuchung der 1950er Jahre zusammenfällt mit der gesteigerten Aufwertung des Individualismus nach der Niederlage des Sowjetblocks, mit einer Erzählung von Selbstbestimmtheit und Freiheit, in der die Fragen nach Relevanz und Interessen mitunter als überkommene ideologische Reminiszenzen erscheinen. Die Erforschung der 1970er Jahre setzte erst nach der Jahrhundertwende, nachdem die Blase der "New Economy" geplatzt war, in breitem Maßstab ein. Sie kreist um die Frage nach grundsätzlichen Strukturbrüchen, die den Weg in eine postindustrielle Gesellschaft und letztlich in unsere Gegenwart gewiesen haben, und geht mit der Renaissance sozial- und wirtschaftshistorischer Themen und Ansätze einher. Allerdings hat die stärkere Betonung ökonomischer Prozesse kulturhistorische Ansätze keineswegs verdrängt. Dass Performanz und Inszenierung keine nur ästhetischen Bezüge besitzen, sondern mit ökonomischen Interessen eng verknüpft sind, gilt als gesicherte Erkenntnis. Dies deutet an, dass der Siegeszug des "Neoliberalismus", der in den 1970er Jahren eingesetzt hatte und vor der Jahrhundertwende als - vorläufig - letzte nach dem Zerfall des Sowjetblocks verbliebene Meistererzählung die mediale Öffentlichkeit weitgehend dominierte, bereits als eine ideologische Konstruktion historisierbar geworden ist. Es ist evident, dass Befürchtungen einer nationalistisch eingefärbten Zeitgeschichte nach 1990 nicht eingetroffen sind. Die Probleme der europäisch eingehegten erweiterten Bundesrepublik haben sogar umgekehrt zur Ablehnung einer angeblich "harmonisierenden" "Erfolgsgeschichte" der Bundesrepublik geführt, bei der allerdings nicht recht klar ist, wer diese geschrieben haben soll. Es ist faktisch nicht abzustreiten, dass - gemessen an der Ausgangslage - die "alte Bundesrepublik" einen erfolgreichen Weg beschritten hatte. Dass daraus zum einen keine Glorifizierung der Akteure folgen muss, zum anderen auch innerhalb der "Erfolgsgeschichte" falsche Weichenstellungen vorgenommen wurden, der Erfolg nicht zum Nulltarif zustande kam und außerdem die Feststellung des Erfolgs keine Garantie für dessen Fortsetzung in der Zukunft, sondern allenfalls eine Ressource für kommende Krisen sein mag, ist oft genug gesagt worden. Insofern ist auch das begrüßenswerte Postulat, eine von den Problemen der Gegenwart ausgehende Zeitgeschichte zu entwickeln, mitnichten ein Gegensatz zur "Erfolgsgeschichte". Allerdings ist damit hinsichtlich der Auswahl von Themen und der Entwicklung von Fragestellungen noch nichts gesagt, weil die Probleme der Gegenwart mit deren Vergehen selbst wiederum als historisch wandelbare Größe erscheinen. Die politischen Entscheidungen zur Ausweitung des Sozialstaats in den 1950er und 1970er Jahren mögen ein gegenwärtiges Problem mitgeprägt haben, aber mit ähnlicher Berechtigung wird angesichts der heutigen Schuldenkrise auch über die Geschichte einer die soziale Ungleichheit fördernden Steuer- und Subventionspolitik, die Versäumnisse der Umwelt- oder Skandale der Wohnungspolitik und vieles andere geforscht. Die Frage der Relevanz ist nicht "objektiv" und monokausal zu beantworten. Dies ist auch eine wichtige Hypothese der neueren Debatte über die 1970er Jahre, die zwar weithin als "Strukturbruchdiskussion" firmiert, aber gerade nicht den einen Bruch, die eine Ursache, den einen Ausgangsort des Übergangs in die "postindustrielle Gesellschaft" oder "Hochmoderne" sucht, sondern ein Geflecht von Faktoren in den Blick nimmt, in dem ökonomischen und sozialen Prozessen eine hohe Bedeutung zukommt, wenngleich eine simple Basis-Überbau-Konstruktion vermieden wird. Eine solche Konzeptionierung der Geschichte für das letzte Drittel des 20. Jahrhunderts sprengt notwendigerweise die engen Grenzen der Nationalgeschichte, die bisher vor allem durch westeuropäische Vergleiche und vereinzelt auch durch die Untersuchung von gegenseitigen Einflüssen und Beziehungen eine transnationale Dimension erhalten hat. Verbunden ist damit zugleich eine Aufwertung lokaler und regionaler Geschichte, denn nicht mehr Staaten, sondern einzelne Orte werden hinsichtlich bestimmter Themen in der Regel verglichen, um dichte Beschreibungen komplexer Sachverhalte zu ermöglichen. Umgekehrt stellt sich die Frage nach der nationalen Dimension und nationaler Spezifik neu. Mit der Delegitimierung der angeblich affirmativen "Erfolgsgeschichte" tauchte zuletzt das Postulat auf, die deutsche Geschichte nach dem Zweiten Weltkrieg grundsätzlich als asymmetrisch verflochtene deutsch-deutsche Parallelgeschichte zu schreiben. Diese letzte Version einer nationalen Meistererzählung, als Königsweg auch begründet mit - legitimen - Interessen politischer Bildungsarbeit, überwindet zwar die tendenziell starr angelegten Dualismen von Diktatur und Demokratie und ist plausibel für zahlreiche Themenfelder, etwa hinsichtlich der Ost-West- und West-Ost-Migration einschließlich ihrer biografischen Facetten. Aber die Geschichte beider Staaten und Gesellschaften, zumal nach der hermetischen Schließung der Grenzen 1961, geht eben in der deutsch-deutschen Perspektive nicht vollständig auf. Während große Teile der westdeutschen Gesellschaftsgeschichte ohne den Blick auf die DDR erzählt werden können, kann die ostdeutsche Entwicklung ohne Berücksichtigung westlicher Einflüsse kaum verstanden werden. Eher geht es - auch im wohlverstandenen Interesse politischer Bildung - um die gegenseitige Erzählung der jeweils anderen Seite der Epoche der deutschen Zweistaatlichkeit und um die Einbettung dieser Erzählungen in europäische und weltgeschichtliche Zusammenhänge. "Berliner Republik" als Geschichte Die "Berliner Republik" beginnt allmählich eine Geschichte zu haben, die erzählt werden kann. Wie immer beginnt die Historisierung der jüngsten Vergangenheit als Auslaufen längerer historischer Darstellungen in der Gegenwart und mit ersten skizzenhaften Überblicken, während sich die detaillierte Rekonstruktion der Geschehnisse noch auf den Weg in die Wiedervereinigung konzentriert. Angesichts der gesellschaftlichen Beschleunigung wird die Distanz der untersuchten Zeit zur Gegenwart vermutlich schrumpfen; die bereits etliche tausend Veröffentlichungen umfassende sozialwissenschaftliche Transformationsforschung zur DDR wird sukzessive historisiert werden. Für die ersten beiden Jahrzehnte der "alten Bundesrepublik" hatte sich die Implementierung interessanter Erzählungen für eine Geschichte im durch den Kalten Krieg gesicherten Frieden in Europa und einer zivilen Gesellschaft vor allem auf Fragen nach dem Verhältnis von Kontinuitäten und Brüchen im Verhältnis der Zeiten - also nicht nur der des Nationalsozialismus - vor 1945 und der dabei wirkenden Kräfte, vor allem westlicher Einflüsse, konzentriert. Für die jüngste Zeitgeschichte seit den Strukturbrüchen der 1970er Jahre wird es darauf ankommen, ähnlich interessante und gesellschaftlich relevante Fragestellungen zu identifizieren, die zu einer verdichteten Erzählung mit - nicht nur künstlich drapierten - dramatischen Elementen führen. Themenfelder dafür zeichnen sich ab: Innenpolitisch ist es zum einen die nach der Wiedervereinigung anhaltende Ost-West-Migration, aber auch das konfliktreiche Auftreten neuer Eliten aus dem Westen in der ehemaligen DDR, das Schüren und die Funktionalisierung von Ängsten gegenüber einer "Asylantenflut" Anfang der 1990er Jahre, insgesamt das Zusammenfinden und die Fremdheit der alten und neuen Bundesbürger, welche die Geschichtswissenschaft geraume Zeit beschäftigen wird. Schon dabei wird spätestens mit Längsschnittstudien über die Entwicklung von "Fremdenfeindlichkeit" bis zur Gegenwart mit seinen Debatten um den Islam deutlich werden, dass es sich nicht um ein deutsches, sondern um ein mindestens europäisches Phänomen in deutscher Spezifik handelt. Zum anderen wird die zweite Hälfte der durch die Einheit geteilten Ära Kohl, die Konstruktion eines in Opposition zum anglophonen Kapitalismus - auch dies eine vereinfachende Konstruktion - stehenden "rheinischen Kapitalismus" untersucht werden müssen. Ähnlich wie die mittlerweile in der Zeitgeschichtsforschung erfolgte Relativierung des Machtwechsels von 1969 könnte es sein, dass die als Sieg der "68er" vom Feuilleton gefeierte Übernahme der Bundesregierung durch Rotgrün 1998 weniger als Zäsur denn als Fortsetzung unter sich allerdings rasch wandelnden Rahmenbedingungen bewertet werden wird. Als tiefer Bruch könnte einmal die Zusammenführung von Sozialhilfe und Arbeitslosengeld II ("Hartz IV") seit 2005 während der zweiten Amtszeit der Schröder-Regierung gelten, die zu scharfen Protesten und einem enormen Ansehensverlust der Sozialdemokratie bei ihren Wählern, zur "Westausdehnung" der PDS sowie schließlich zu deren Vereinigung mit der WASG in der Partei "Die Linke" und zur Herausbildung eines parlamentarischen Fünfparteiensystems führte. Ob sehr ähnliche sozialpolitische Maßnahmen nicht auch von einer anders zusammengesetzten Regierung betrieben worden wären, bleibt Spekulation. Große Bedeutung als Traditionsbruch hatte auf dem Feld der Außenpolitik der nicht zuletzt unter Grünen-Anhängern umstrittene militärische Auslandseinsatz der Bundeswehr im Rahmen der NATO-Intervention im ehemaligen Jugoslawien 1999. Der tiefgreifende ökonomische, gesellschaftliche und kulturelle Wandlungsprozess der vergangenen beiden Jahrzehnte ist in hohem Maße - im Sinne des Ausgangs von gegenwärtigen Problemlagen - historisch erklärungsbedürftig. Dabei steht die jüngste Zeitgeschichtsforschung vor dem Problem, dass sie zwar auf wichtige Studien zurückgreifen kann, die sich dem sozialpolitischen Umgang mit gesellschaftlicher Armut widmen, aber kaum Untersuchungen privaten Reichtums vorliegen. Auch die raren Ansätze moderner Milieustudien, wie sie für die 1970er und frühen 1980er Jahre vorliegen, müssten im Blick auf die Migrationsdynamik nach 1990 fortentwickelt werden. Ähnliches gilt für die rasante Technifizierung aller Lebensbereiche, etwa die Entwicklung des "Handys" zum obligatorischen Begleiter von immer mehr Menschen seit den frühen 1990er Jahren, und für den parallelen Aufstieg des Internets, der auch in Verbindung mit neuen mobilen, elektronischen Endgeräten zum Wandel des konsumtiven und kommunikativen Verhaltens und der Mediennutzung führte. Diese Prozesse, die vor allem für einen großen Teil der älteren Generation gravierende Orientierungsprobleme mit sich bringen, aber auch neue Formen jugendlicher Kulturen bis hin zum durch Facebook und Twitter organisierten Protest konstituieren, sind bisher noch nicht zum Gegenstand der Geschichtswissenschaft geworden. Ein Ansatzpunkt für die Analyse der über alle politischen Konstellationen hinweg veränderten Lebenswelten könnte eine Untersuchung der Sprache sein. In den Medien kursierende Begriffe, bei der "gut aufgestellte" "Entscheider" im Namen ominöser "Märkte" "alternativlos" "nachhaltige" "Reformen" in Richtung einer Abkehr von "staatlicher Gängelung" hin zur Entwicklung von "Eigeninitiative" propagieren, fordern geradezu Studien heraus, die über ideologiekritische Analysen hinaus nach dahinter stehenden Interessen und Strategien fragen; hier gibt es auch einen großen Nachholbedarf für die Zeitgeschichte der "alten Bundesrepublik". Schließlich ist darauf zu verweisen, dass die Zeitgeschichte selbst von den Veränderungen der technischen Lebenswelt sukzessive und durchaus merklich betroffen ist. Dabei geht es nicht nur um die Relativierung von Arkanwissen im Zeitalter von Wikileaks, sondern vielmehr um ein prinzipiell verändertes Verhältnis von wissenschaftlicher Zeitgeschichtsschreibung und medialer Aufmerksamkeit für Geschichte. Die Tendenz, dass erstere den medialen Anforderungen hinterherhetzt und sie dennoch nie erfüllt, ist vorhanden. Die Präsentation von Zeitgeschichte im Fernsehen verläuft nach den selbstreferenziellen Medienlogiken, denen zufolge es zuerst um Unterhaltung, um das Ansprechen von emotionalen Bedürfnissen, aber nicht um historische "Aufklärung" geht. Dies wiederum fordert von der Zeitgeschichtsforschung eine Hinwendung zur Untersuchung der Medien selbst, denn ohne Kenntnis von deren Geschichte bleibt die Kritik an medialer Vermarktung substanzlos. Es sollte nicht dem Weg in die systemtheoretischen Kunstwelten der Medienwissenschaft gefolgt werden, in der alles zur "Konstruktion" wird, sondern es ist nach den harten Fakten der "Aufmerksamkeitsökonomie" zu fragen. Statt einer Hinwendung zur Geschichte im engen nationalen Maßstab, ob westdeutsch, ostdeutsch oder deutsch-deutsch, ist eine Zeitgeschichte gefordert, welche die Kontinuitäten und Umbrüche der deutschen Geschichte seit dem letzten Drittel des 20. Jahrhunderts im Rahmen (hoch)moderner europäischer und globaler Prozesse verortet. Die intellektuelle Anstrengung wird sich künftig auf Perspektiven einer Erweiterung deutscher Zeitgeschichte konzentrieren müssen, wenn sie ihre Orientierungsfunktion für die Gesellschaft der Gegenwart erhalten will. In diesem Sinne Johannes Groß, Begründung der Berliner Republik. Deutschland am Ende des 20. Jahrhunderts, Stuttgart 1995; kritisch Jürgen Habermas, Die Normalität einer Berliner Republik. Kleine Politische Schriften VIII, Frankfurt/M. 1995; vgl. APuZ, (2001) 1-2. Im Folgenden werden nur wenige einschlägige Veröffentlichungen und eher konzeptionelle Texte exemplarisch genannt. Philipp Gassert, Die Bundesrepublik, Europa und der Westen. Zur Verwestlichung, Demokratisierung und einigen komparatistischen Defiziten der zeithistorischen Forschung, in: Jörg Baberowski et al., Geschichte ist immer Gegenwart. Vier Thesen zur Zeitgeschichte, Stuttgart-München 2001, S. 67-89, hier: S. 67. Vgl. Ralph Jessen, Alles schon erforscht? Beobachtungen zur zeithistorischen DDR-Forschung der letzten 20 Jahre, in: Deutschland Archiv (DA), 43 (2010), S. 1052-1064. Vgl. Edgar Wolfrum, Die geglückte Demokratie. Geschichte der Bundesrepublik Deutschland von ihren Anfängen bis zur Gegenwart, Stuttgart 2006; Eckart Conze, Die Suche nach Sicherheit. Eine Geschichte der Bundesrepublik Deutschland von 1949 bis in die Gegenwart, München 2009; Axel Schildt/Detlef Siegfried, Deutsche Kulturgeschichte. Die Bundesrepublik. 1945 bis zur Gegenwart, München 2009. Vgl. Eckart Conze et al., Das Amt und die Vergangenheit. Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik, München 2010. Vgl. Frank Bajohr/Michael Wildt (Hrsg.), Volksgemeinschaft. Neue Forschungen zur Gesellschaft des Nationalsozialismus, Frankfurt/M. 2009. Zum Bombenkrieg vgl. Jörg Arnold/Dietmar Süß/Malte Thießen (Hrsg.), Luftkrieg. Erinnerungen in Deutschland und Europa, Göttingen 2009; zu Vertreibung und Vertriebenen zuletzt der Überblick von Matthias Beer, Flucht und Vertreibung der Deutschen. Voraussetzungen, Verlauf, Folgen, München 2011. Vgl. für das breit gefächerte Spektrum etwa Rainer Eppelmann/Bernd Faulenbach/Ulrich Mählert (Hrsg.), Bilanz und Perspektiven der DDR-Forschung, Paderborn u.a. 2003. Vgl. zuletzt die Habilitationsschrift von Carola S. Rudnick, Die andere Hälfte der Erinnerung. Die DDR in der deutschen Geschichtspolitik nach 1989, Bielefeld 2011. Axel Schildt/Arnold Sywottek (Hrsg.), Modernisierung im Wiederaufbau. Die westdeutsche Gesellschaft der 50er Jahre, Bonn 1993. Vgl. Ulrich Herbert (Hrsg.), Wandlungsprozesse in Westdeutschland. Belastung, Integration, Liberalisierung 1945-1980, Göttingen 2002. Vgl. Anselm Doering-Manteuffel, Westernisierung. Politisch-ideeller und gesellschaftlicher Wandel in der Bundesrepublik bis zum Ende der 60er Jahre, in: Axel Schildt et al. (Hrsg.), Dynamische Zeiten. Die 60er Jahre in den beiden deutschen Gesellschaften, Hamburg 2000, S. 311-341. Die Literatur zu "68" ist kaum mehr zu überblicken; vgl. als Einstieg Norbert Frei, 1968. Jugendrevolte und globaler Protest, München 2008. Vgl. Axel Schildt, Abschied vom Westen? Zur Debatte um die Historisierung der "Bonner Republik", in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 45 (2000), S. 1207-1218. Programmatisch Hans Günter Hockerts, Vom Problemlöser zum Problemerzeuger? Der Sozialstaat im 20. Jahrhundert, in: Archiv für Sozialgeschichte, 47 (2007), S. 3-29. Vgl. Anselm Doering Manteuffel/Lutz Raphael, Nach dem Boom. Perspektiven auf die Zeitgeschichte seit 1970, Göttingen 2008; Konrad H. Jarausch (Hrsg.), Das Ende der Zuversicht? Die siebziger Jahre als Geschichte, Göttingen 2008; Thomas Raithel/Andreas Rödder/Andreas Wirsching (Hrsg.), Auf dem Weg in eine andere Moderne. Die Bundesrepublik Deutschland in den siebziger und achtziger Jahren, München 2009. Vgl. Christoph Kleßmann u.a. (Hrsg.), Deutsche Vergangenheiten - eine gemeinsame Herausforderung. Der schwierige Umgang mit der deutschen Nachkriegsgeschichte, Berlin 1999; Konrad H. Jarausch, "Die Teile als Ganzes erkennen". Zur Integration der beiden deutschen Nachkriegsgeschichten, in: Zeithistorische Forschung, 1 (2004) 1, S. 10-30. Ähnlich wie der oben skizzierten Entwicklung der Zeitgeschichte zur "alten Bundesrepublik" unterlag auch jene zur DDR - in kürzerer Zeit - einer "Logik" der Erweiterung rein politikgeschichtlicher Deutungen durch wirtschafts-, sozial- und kulturhistorische Perspektiven; vgl. R. Jessen (Anm. 3). Vgl. Axel Schildt, Zwei Staaten - eine Rundfunk- und Fernsehnation? Anmerkungen zur massenmedialen Beeinflussung beider deutscher Staaten im Kalten Krieg, in: Arnd Bauerkämper et al. (Hrsg.), Doppelte Zeitgeschichte. Deutsch-deutsche Beziehungen 1945-1990. Festschrift für Christoph Kleßmann, Bonn 1998, S. 58-71. Vgl. Martin Sabrow, Die DDR in der Geschichte des 20. Jahrhunderts, in: DA, 41 (2008), S. 121-130. Vgl. die in Anm. 4 genannte Literatur. Vgl. etwa Manfred Görtemaker, Die Berliner Republik. Wiedervereinigung und Neuorientierung, Berlin 2009. Vgl. Gerhard A. Ritter, Der Preis der deutschen Einheit. Die Wiedervereinigung und die Krise des Sozialstaats, München 2007; Andreas Rödder, Deutschland einig Vaterland. Die Geschichte der Wiedervereinigung, München 2009. Durchgängig in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945. Hrsg. vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, 11 Bde., Baden-Baden 2001-2008; vgl. Lutz Raphael, Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945. Versuch einer Würdigung, in: Geschichte und Gesellschaft, 33 (2008), S. 558-567. Vgl. für die Betonung langer Linien sozialer Ungleichheit konzeptionell Hans Ulrich Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 5: Bundesrepublik und DDR 1949-1990, München 2009. Vgl. Sven Reichardt/Detlef Siegfried (Hrsg.), Das alternative Milieu. Antibürgerlicher Lebensstil und linke Politik in der Bundesrepublik Deutschland und Europa 1968-1983, Göttingen 2010. Vgl. Kiran Klaus Patel, Zeitgeschichte im digitalen Zeitalter, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, 59 (2011) 3, S. 331-351. Vgl. zum mittlerweile auch geschichtswissenschaftlich diskutierten Konzept Georg Franck, Ökonomie der Aufmerksamkeit. Ein Entwurf, München 1998; vgl. auch Axel Schildt, Die "Ökonomie der Aufmerksamkeit" als heuristische Kategorie einer kulturhistorisch orientierten Mediengeschichte, in: Christiane Reinecke/Malte Zierenberg (Hrsg.), Vermessungen der Mediengesellschaft im 20. Jahrhundert (Comparativ, 21 [2011] 4), Leipzig 2011, S. 81-92.
Article
, Axel Schildt
"2021-12-07T00:00:00"
"2012-01-25T00:00:00"
"2021-12-07T00:00:00"
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/59780/zeitgeschichte-der-berliner-republik/
Statt einer Nationalgeschichte, ob west-, ost- oder deutsch-deutsch, ist eine Zeitgeschichte gefordert, welche Kontinuitäten und Umbrüche seit Ende des 20. Jahrhunderts im Rahmen (hoch)moderner europäischer und globaler Prozesse verortet.
[ "" ]
30,748
euro|topics jetzt auch auf Russisch | Presse | bpb.de
Das Online-Angebot euro|topics der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb ist ab sofort in russischer Sprache verfügbar und zitiert nun auch regelmäßig Medien aus Russland und der Ukraine. Ob Politik, Wirtschaft, Gesellschaft oder Kultur: euro|topics blickt täglich in die europäische Presse und präsentiert die wichtigsten Stimmen. Neben Russisch erscheint das kostenfreie Angebot bereits auf Deutsch, Englisch, Französisch und Türkisch. Mit Unterstützung des Auswärtigen Amts spricht die bpb nun eine weitere Zielgruppe mit der täglichen Presseschau an: Für etwa 150 Millionen Menschen weltweit ist Russisch die Muttersprache, weitere 60 Millionen Menschen sprechen Russisch als Zweitsprache. Diesen Zielgruppen soll ein einfacher Zugang zu Standpunkten und Kommentaren aus ganz Europa geboten werden. "Über Länder- und Sprachgrenzen hinweg zeigt euro|topics, wie Themen wie Flucht, der Brexit oder der Rechtsruck in Europa in den jeweiligen nationalen Medien aufgegriffen und kommentiert werden", so Thomas Krüger, Präsident der bpb. „Diese Stimmen macht euro|topics sichtbar und zeigt damit, wie vielfältig die Meinungen in Europa sind. Seit heute auch auf Russisch!“ Neben den Kommentaren der einflussreichsten und meinungsstärksten Print- und Onlinepublikationen aus 28 EU-Ländern präsentiert euro|topics auch die Berichterstattung aus Russland, der Ukraine, der Schweiz und der Türkei als Teil eines europäischen Diskursraums. Die Meinungsbeiträge werden auf der Website zu Debatten und thematischen Dossiers zusammengefasst. Daneben bietet euro|topics eine Datenbank mit Hintergrundinformationen zu mehr als 500 Print- und Onlinemedien sowie einen Überblick zur Lage der Medien in über 30 europäischen Ländern. Leserinnen und Leser können zudem das Kommentararchiv nach Autoren, Medien und Schlagworten durchsuchen. Die Presseschau wird vom Journalistennetzwerk n-ost im Auftrag der bpb erstellt. Weitere Informationen und kostenloses E-Mail-Abo der Presseschau unter Externer Link: http://www.eurotopics.net/ Pressemitteilung als Interner Link: PDF Pressemitteilung auf Russisch als Interner Link: PDF Pressekontakt Bundeszentrale für politische Bildung Daniel Kraft Adenauerallee 86 53113 Bonn Tel +49 (0)228 99515-200 Fax +49 (0)228 99515-293 E-Mail Link: presse@bpb.de Externer Link: www.bpb.de/presse Pressemitteilungen der bpb abonnieren/abbestellen: Interner Link: www.bpb.de/presseverteiler
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2021-06-23T00:00:00"
"2017-12-05T00:00:00"
"2021-06-23T00:00:00"
https://www.bpb.de/die-bpb/presse/pressemitteilungen/261011/euro-topics-jetzt-auch-auf-russisch/
Das Online-Angebot euro|topics der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb ist ab sofort in russischer Sprache verfügbar und zitiert nun auch regelmäßig Medien aus Russland und der Ukraine. Ob Politik, Wirtschaft, Gesellschaft oder Kultur: euro|top
[ "eurotopics", "russisch", "Russland", "Presseschau" ]
30,749
Vom Reich zur Republik: die "kemalistische Revolution" | Türkei | bpb.de
Einleitung Das Osmanische Reich hatte im Ersten Weltkrieg an der Seite Deutschlands und seiner Verbündeten gegen die Alliierten (England, Frankreich, Russland und ihre Verbündeten) gekämpft. Es gehörte folglich zu den Verlierern dieses Krieges. Die Alliierten unter britischer Führung besetzten große Teile Anatoliens. Sie ließen aber die Regierung unter Sultan Mehmet VI., die nach der Flucht der jungtürkischen Kriegsregierung von Enver Pasa (Pascha) nach Deutschland im Herbst 1918 an die Macht gekommen war, im Amt und verzichteten auf die Errichtung eines Besatzungsregimes in Istanbul. Politisch blieb das Reich also in den von den Alliierten gesetzten Grenzen handlungsfähig. Es nahm daher auch an den Friedensverhandlungen bei Paris teil, mit denen 1919/1920 der Krieg offiziell beendet wurde. Dabei konnte und wollte die osmanische Regierung den alliierten Forderungen wenig entgegensetzen und unterzeichnete am 10. August 1920 nach anfänglichen Protesten die Bedingungen des Vertrages von Sèvres. Er sah vor, Anatolien bis auf ein relativ kleines Gebiet im Zentrum weitgehend unter den Siegermächten Frankreich, Italien, Griechenland und Russland aufzuteilen. Als diese Pläne im Sommer 1919 Gestalt annahmen, rührte sich Widerstand, der vor allem von in den Untergrund gegangenen jungtürkischen Gruppierungen getragen wurde. Aus diesem Widerstand sollte die Republik Türkei hervorgehen, deren Gründung vorwiegend das Werk von Mustafa Kemal (Atatürk) war und einen radikalen Bruch mit dem osmanischen Staat und seiner Gesellschaft bedeutete. Grundlegender politischer und institutioneller Wandel stand so schon am Anfang des neuen Staates. Die nachfolgende Entwicklung der Republik bis heute kann als Anpassung an die damals vorgenommenen Umwälzungen gesehen werden, die immer noch nicht vollständig bewältigt wurde. Mustafa Kemal und die Gründung der Republik Mit der Proklamation der Republik am 29. Oktober 1923 trat die "kemalistische Revolution" in ihre entscheidende Phase: Nach der völkerrechtlichen Konsolidierung des neuen Regimes durch den Vertrag von Lausanne vom Juli 1923, der den Vertrag von Sèvres ersetzte, ging es nun darum, den neuen türkischen Staat gemäß den Vorstellungen seines Schöpfers Mustafa Kemal (1881-1938) aufzubauen. Dieser verfolgte eine Politik des radikalen Bruchs mit der Vergangenheit. Alles, Staat und Gesellschaft, sollte grundlegend neu geschaffen werden. Vorbild dafür waren die "moderne" europäische "Zivilisation" jener Tage und die national-staatszentrierte europäische politische Ideologie des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Die kemalistische Reformpolitik war jedoch nicht ohne Voraussetzungen. Insbesondere die jungtürkische Herrschaft ab 1908 und die ihr zugrunde liegenden politischen Ideen haben Mustafa Kemal und seine politische Weltsicht und damit auch sein politisches Wirken als "Vater" (Atatürk) der modernen Republik Türkei entscheidend geprägt. Damit sind aber auch - gewollt oder ungewollt - die Traditionslinien osmanischer Modernisierungspolitik seit dem frühen 19. Jahrhundert in das Projekt der Republik Türkei eingeflossen. Europa wurde zum umfassenden Vorbild für einen großen Teil der kulturellen, aber auch der politischen und militärischen Eliten des Osmanischen Reiches. Mustafa Kemal war ein Kriegsheld. Der General genoss im Kreise der Armee und darüber hinaus hohes Ansehen. Außerdem war er ein Angehöriger des jungtürkischen "Komitees für Einheit und Fortschritt", das als militärischer Geheimbund seit seinem ersten revolutionären Auftreten 1908 zur wesentlichen Triebkraft der politischen Umwälzungen des Osmanischen Reiches vor und während des Ersten Weltkriegs geworden war. Mustafa Kemal war völlig vom national-säkularistischen Gedankengut des Komitees durchdrungen, und dessen autoritärer Politikstil fand ebenfalls seine Billigung. Für ihn war deshalb der neue türkische Staat nur als einheitlicher Nationalstaat auf der Grundlage einer strikten Trennung von Staat und Religion vorstellbar und musste notfalls auch gegen den Widerstand des Volkes oder oppositioneller Kräfte durchgesetzt werden. Unter den Führungspersonen des nationalen Widerstandes gegen die europäischen Siegermächte war Mustafa Kemal der bei weitem politisch energischste, zielstrebigste und skrupelloseste. Er hatte ein klar umrissenes politisches Programm - die Wiederherstellung des Vaterlandes als türkischer Nationalstaat unter seiner Führung -, das er unnachgiebig verfolgte. Darin hatte das osmanische Fürstenhaus nur noch einen taktischen, aber keinen grundsätzlichen Platz mehr. Mustafa Kemal war nicht bereit, sich in das Istanbuler Herrschaftssystem einzuordnen. Dieses sollte durch sein eigenes, neues abgelöst werden. Er konzentrierte sich darauf, den nationalen Widerstand in den nicht von alliierten Truppen besetzten Gebieten des Reiches, das heißt in Ost- und Zentralanatolien sowie entlang der Schwarzmeerküste, zu organisieren. Sein politisches Programm wurde im Sommer 1919 auf verschiedenen von Mustafa Kemal in anatolischen Provinzzentren organisierten Kongressen des Widerstandes im "Nationalpakt" konkretisiert. In ihm wurden die Grenzen des neuen türkischen Staates bestimmt. Dieser sollte weitgehend auf das anatolische Gebiet des Reiches mit einem Teil des europäischen Thrakiens beschränkt sein. Gleichzeitig wurde die türkische Nation als Souverän zum ideellen Träger des neuen Staates erklärt, der über die volle nationale Unabhängigkeit verfügen sollte. Die Führung des Widerstandes, das "Komitee der Repräsentanten" der "Gesellschaft zur Verteidigung der Rechte Anatoliens und Rumeliens" unter der Leitung von Mustafa Kemal, verlegte ihr Hauptquartier im Dezember 1919 in die kleine Stadt Ankara, die ein zentralanatolischer Knotenpunkt im Telegrafen- und Eisenbahnnetz war. Seine fast dauerhafte Anwesenheit in Ankara machte Mustafa Kemal zum "natürlichen" Zentrum des politischen Geschehens. Im März 1920 besetzten die Briten Istanbul und lösten das osmanische Parlament auf, in dem inzwischen die Kräfte des Widerstandes den Ton angaben. Mustafa Kemal lud daraufhin die Abgeordneten nach Ankara ein, wo sich am 23. April 1920 die Große Nationalversammlung konstituierte. Damit entstand ein zweites voll funktionsfähiges und legitimiertes politisches Zentrum, das sofort die politische Souveränität für sich beanspruchte. Entscheidungen der Istanbuler Regierung des Sultans wurden von Ankara nicht mehr anerkannt. Zur Stärkung seiner Position in der recht heterogen zusammengesetzten Nationalversammlung sammelte Mustafa Kemal im Mai 1921 seine engeren Anhänger in der "Gruppe zur Verteidigung der Rechte", der Vorläuferorganisation der späteren Republikanischen Volkspartei (CHP). Als Vorsitzender der Nationalversammlung und Chef der von ihr gestellten Regierung stellte er zunächst die Befreiung des Vaterlandes von den europäischen Besatzern und die Revision des Vertrages von Sèvres in den Vordergrund seiner Anstrengungen. Die Berufung auf diese nationalen Ziele half ihm, sich auch in kritischen Situationen gegen Widerstand in der Versammlung durchzusetzen. Hauptaktivität der nationalen Unabhängigkeitsbewegung war der Kampf gegen die griechischen Besatzungstruppen in Westanatolien. Die französischen und italienischen Truppen hatten vorher die von ihnen besetzten Gebiete im Süden aufgrund der in der europäischen Bevölkerung nach den Pariser Friedensschlüssen (1919/1920) um sich greifenden Kriegsmüdigkeit freiwillig geräumt. Russland hatte schon im Anschluss an die bolschewistische Revolution (1918) einen Ausgleich mit Ankara gesucht. Das führte zur Konsolidierung und Befriedung an den Nord- und Ostgrenzen. Mit dem Sieg über die griechische Armee in Westanatolien Anfang September 1922 wurde der natio-nale Befreiungskampf erfolgreich beendet. Faktisch war damit Anatolien in den Grenzen des Waffenstillstandes von 1918 nunmehr von fremden Truppen, aber auch von "fremder", das heißt vor allem griechischer und armenischer Bevölkerung "befreit". Im Anschluss an den Vertrag von Lausanne (1923) fand ein vertraglich vereinbarter Bevölkerungstausch statt, bei dem die gesamte griechisch-orthodoxe Bevölkerung Anatoliens, mit Ausnahme der Griechen Istanbuls, nach Griechenland und die gesamte muslimische Bevölkerung Griechenlands, mit Ausnahme der Muslime Westthrakiens, in die Türkei umgesiedelt wurden. Insgesamt zogen in den Jahren von 1912 (Beginn der Balkankriege) bis zum Abschluss des Austausches 1924 circa 400000 Muslime aus Griechenland in die Türkei und etwa 1,2 Millionen Griechen in die Gegenrichtung. Zu Beginn der Republik bestand deren Bevölkerung nunmehr zu 98 Prozent aus Muslimen. Nicht-muslimische Minderheiten gab es praktisch nicht mehr: Die griechische Bevölkerung war von circa zwei Millionen auf 120000 (vorwiegend in Istanbul lebend) geschmolzen, die Armenier von über 1,5 Millionen auf 65000 (ebenfalls überwiegend in Istanbul). Letztere waren vor allem der gezielten Vernichtungspolitik der jungtürkischen Führung in der Frühphase des Ersten Weltkriegs 1915 zum Opfer gefallen. Der nationale Widerstand unter der Führung Mustafa Kemals hatte das "Diktat von Sèvres" vollständig revidiert. Gleichzeitig war in Ankara das politische Zentrum einer neuen Türkei entstanden, deren Leitbild die nationale Unabhängigkeit war. Ebenso waren die ethnischen Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die islamische Religion zu einem natürlichen Identitätsfaktor der künftigen türkischen Nation werden konnte. Zunächst jedoch kam es Mustafa Kemal darauf an, den militärischen Erfolg politisch zu konsolidieren und die Türkei auch zu einem anerkannten, gleichberechtigten Mitglied der Staatengemeinschaft Europas zu machen. Das geschah mit dem Vertrag von Lausanne im Juli 1923. Aus türkischer Sicht ist am Lausanner Vertrag vor allem bemerkenswert, dass damit das neue Regime in Ankara international anerkannt wurde. Die Türkei verhandelte in ihrer Wahrnehmung zudem nicht als eine Verliererin des Ersten Weltkriegs über die endgültige Friedensregelung, sondern als Siegerin des nationalen Befreiungskampfes über die internationale Anerkennung der Grundsätze des Nationalpakts. Mit Lausanne wurde die Türkei in dieser Perspektive ein vollkommen gleichberechtigtes Mitglied der europäischen Staatenwelt. Das neue türkische Regierungssystem blieb bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs praktisch unverändert: Der Präsident der Republik war das Zentrum der Macht. Der Ministerpräsident war sein exekutiver Arm. Die Gesetze wurden im geschlossenen Kreis der CHP-Führung erörtert und dann der Nationalversammlung zur formalen Verabschiedung vorgelegt. Damit war das Instrumentarium geschaffen, mit dem Mustafa Kemal seine neue Türkei aus dem vom ununterbrochenen zehnjährigen Krieg (1912-1922) und seinen Folgen ruinierten Anatolien bauen wollte. In den Augen seiner Anhänger und zahlreicher Landsleute hatte er es vor der Vernichtung durch die europäischen Mächte gerettet. "Europäisierung" und Säkularisierung Mit dem Lausanner Vertrag und der Ausrufung der Republik war die Hülle des türkischen Nationalstaats entstanden. Allerdings fühlte sich nur eine Minderheit der Bewohner Anatoliens als Türken im Sinne eines Staatsvolks. Die Idee der Volkssouveränität mochte zwar in der Verfassung der Republik zum Ausdruck gebracht werden, in den Köpfen der Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger war sie nicht vorhanden. Dies zu ändern, war eines der erklärten Ziele von Mustafa Kemals Reformpolitik. Der erste Schritt war die Abschaffung des Kalifats am 3. März 1924 und die anschließende Ausweisung aller Angehörigen der Herrscherfamilie. Ihm folgte die Verabschiedung der Verfassung am 20. April 1924, mit der die Republik konsolidiert wurde und die bis 1961 im Wesentlichen unverändert blieb. Im Anschluss ging Mustafa Kemal daran, die türkische Bevölkerung von bestimmten islamischen Traditionen zu "befreien". Den Anfang machte das Hutgesetz vom 25. November 1925, mit dem der Fez verboten und der Hut ab November 1928 als Kopfbedeckung der Männer vorgeschrieben wurde. Die Bekleidung der Frauen wurde jedoch nicht reglementiert, insbesondere wurde der "Schleier" nicht verboten, wenngleich er in den Augen Mustafa Kemals und seiner Anhänger verpönt war. Am 30. November 1925 wurden die Konvente der Derwischorden aufgelöst und die traditionelle Verehrung von Sultans- und Heiligengräbern verboten. Das war ein Schlag gegen den in Anatolien weit verbreiteten Volksislam. Jenseits der Moscheen gab es keine zulässigen Stätten religiöser Verehrung mehr. "Religiöse Kleidung" durfte nur von Geistlichen und nur bei religiösen Anlässen getragen werden. Die heute in der Türkei hoch aktuelle Auseinandersetzung über das "Kopftuch" (türban) der gläubigen Studentinnen zeigt, dass mit dem Hutgesetz die Frage der Bekleidung als Merkmal türkischer Identität keineswegs abschließend geregelt werden konnte. Zwar arrangierten sich die Männer mit dem neuen Gesetz, indem sie in der großen Mehrzahl die flache Schirmmütze zur neuen "typischen" Kopfbedeckung erkoren und auch sonst im Laufe der Zeit die europäische Bekleidung annahmen. Doch zeigt sich bis heute an der "Kleiderfrage" der Frauen die große Bedeutung, die das äußere Erscheinungsbild für die muslimische Identität besitzt: Die Bekleidung ist unter anderem ein Element, mit dem sich die Gläubigen von den Ungläubigen unterscheiden können. Im Jahre 1926 wurde mit der Übernahme des Schweizer Zivilgesetzbuchs und des italienischen Strafgesetzbuchs die Grundlage der Rechtsbeziehungen in der Republik säkularisiert. 1928 wurde der Islam als Staatsreligion aus der Verfassung gestrichen. Am 3. November 1928 verabschiedete die Nationalversammlung das Gesetz, mit dem ab dem 1. Januar 1929 das türkische (lateinische) Alphabet zur offiziellen Schriftsprache der Republik erklärt und die Benutzung der alten osmanischen Schrift verboten wurde. Im selben Jahr wurde auch die islamische Zeitrechnung durch den Gregorianischen Kalender und der Freitag durch den Sonntag als Wochenfeiertag abgelöst. Damit war auch die letzte Verbindung zur alten Ordnung und ihren religiösen Grundlagen gekappt. Die Folgen waren aus heutiger Sicht zwiespältig. Für die breite Masse der Bevölkerung wurde die Überwindung des Analphabetentums wesentlich erleichtert, ja überhaupt erst ermöglicht. Binnen weniger Jahre verdoppelte sich die Zahl der Personen, die des Lesens und Schreibens mächtig waren, von zehn auf 20 Prozent bei einer Gesamtbevölkerung von etwa 16 Millionen Menschen. Durch die Sprachreform wurde der Anschluss der Türkei an die "westliche Zivilisation" erheblich erleichtert, da die Schriftbarriere wegfiel. Die mit den kemalistischen Reformen verbundene Säkularisierung setzte sich jedoch für lange Zeit nur in den städtischen Gebieten und bei der Mehrzahl der in der öffentlichen Verwaltung Beschäftigten durch. Es entstand eine kemalistische Elite, die sich die Durchsetzung und später dann die Bewahrung der Reformen zur Aufgabe machte. In den Anfängen war diese Elite weitgehend mit jenen Gruppen identisch, die auch schon in der jungtürkischen Zeit die Geschicke des Reiches gesteuert hatten: den Vertretern des Staatsapparates, der Militärführung sowie den Angehörigen der säkularen Bildungseliten. Anders als die jungtürkischen Reformen vor dem Ersten Weltkrieg konnte die kemalistische Aufpfropfung der westlichen Zivilisation aber konsolidiert werden, weil die Republik von äußeren Herausforderungen weitgehend verschont blieb. Hinzu kam, dass Mustafa Kemal von Beginn an den staatlichen Machtapparat skrupellos zur Unterdrückung jeden gesellschaftlichen Widerstandes gegen die säkularisierende Reformpolitik einsetzte. Wesentliche Instrumente waren dabei ein Ausnahmerecht und auf seiner Grundlage eingesetzte "Unabhängigkeitsgerichte", die ihre Urteile unter weitgehender Missachtung rechtsstaatlicher Grundsätze nach Maßgabe politischer Willkür fällten. So war Anfang der 1930er-Jahre jeder Widerstand im Innern ausgeschaltet und die Einparteienherrschaft der CHP unter Mustafa Kemals Führung endgültig etabliert. Die Republik Türkei ging aus dem nationalen Befreiungskampf und den kemalistischen Reformen als ein autoritäres politisches System mit "europäischem Aussehen" hervor, dessen Geschicke im Wesentlichen von der "zweiten Generation" der jungtürkischen Bewegung bestimmt wurden. Sie unterschied sich von den zeitgleichen totalitären Regimen in Europa vor allem dadurch, dass ihre Führung weitgehend darauf verzichtete, eine totale Gleichschaltung der Gesellschaft durchzusetzen. Die Anhänger einer eher liberalen Reformpolitik blieben jedoch ebenso auf der Strecke wie die Vertreter islamistischer Strömungen. Beide sollten bis Anfang der 1950er-Jahre keine Rolle mehr spielen. So gesehen war die "kemalistische Revolution" vor allem eine grundlegende Änderung des institutionell-politischen Überbaus (Republik) und die Vorgabe eines gesellschaftlichen Idealbildes ("westliche Zivilisation") der Türkei, nicht jedoch eine fundamentale soziale Umwälzung. Staatspolitik und Gesellschaft waren nach dem Abschluss der kemalistischen Reformpolitik für lange Zeit noch nicht vollständig kongruent. Doch war die Machtposition der Reformeliten so weit konsolidiert, dass es ein Zurück hinter die kemalistische Säkularisierung von oben nicht mehr geben konnte. Die Republik Türkei war damit von ihrem Gründer, wenn auch mit mitunter höchst zweifelhaften Methoden, auf einen Modernisierungspfad gesetzt, der sie zum heute am weitesten entwickelten Land ihrer Region machen sollte. Die kemalistischen Prinzipien Die politischen Umwälzungen Atatürks kamen, wie alle derartigen revolutionären Prozesse, nicht ohne einen ideologischen Überbau aus. Aus den zahlreichen Reden Atatürks wurden im Diskurs der intellektuellen Zirkel der CHP die sechs Prinzipien des Kemalismus herausgearbeitet. Sie versinnbildlichten die programmatische Grundlage der gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Modernisierung der Türkei. Zugleich waren sie das ideologische Konstrukt, mit dem die Maßnahmen der kemalistischen Elite zur konkreten Umsetzung dieses Programms rechtfertigt wurden. Die Prinzipien wurden 1931 in das Programm der CHP aufgenommen und als die "sechs Pfeile" auch in das Parteiemblem übernommen. Diese Prinzipien sind: 1. Republikanismus als Ausdruck des Prinzips der Volkssouveränität als Grundlage aller politischen Entscheidungen. Damit ist gleichzeitig die Absage an die in der Figur des Sultans verkörperte personale Herrschaft des Osmanischen Reiches verbunden. Dabei wurde großzügig darüber hinweggesehen, dass das Volk im politischen Prozess keine Stimme hatte: Im Parlament fanden sich handverlesene Gefolgsleute der CHP. 2. Populismus als Ausdruck der Gleichheit der türkischen Staatsbürgerinnen und -bürger, was die Herrschaft einer Klasse über andere ausschließt. Die autoritäre Einparteienherrschaft der CHP sprach dem ebenso Hohn wie die faktische Diskriminierung aller Minderheiten. 3. Etatismus als Ausdruck einer staatlichen Beeinflussung der Wirtschaft, die allerdings nicht die Verstaatlichung der Produktionsfaktoren vorsah; 4. Revolutionismus/Reformismus als Ausdruck der Notwendigkeit, die Modernisierungspolitik von oben kontinuierlich fortzusetzen; 5. Laizismus als Ausdruck der Trennung von Staat/Politik und Religion sowie 6. Nationalismus als Ausdruck für das Zusammengehörigkeitsgefühl der neuen türkischen Bürgerinnen und Bürger. Wegen ihrer grundlegenden Bedeutung für die weitere Entwicklung verdienen die unter 1., 5. und 6. aufgeführten Prinzipien eine eigene Betrachtung (siehe das folgende Kapitel). Diese sechs Prinzipien wurden erst im Laufe der Entwicklung der Republik, insbesondere nach Atatürks Tod, von der Führung der Staatspartei und den sich auf den Kemalismus berufenden neuen republikanischen Eliten dogmatisiert. Ihre Verankerung als Artikel 2 in der türkischen Verfassung im Jahre 1937 hat sie kanonisiert. Seitdem wurden sie von allen Regierungen zur Begründung ihrer jeweiligen Politik herangezogen, und alle Parteien berufen sich bis heute in ihren Programmen mehr oder weniger deutlich auf sie. Doch ihre konkrete Bedeutung und damit auch das vorherrschende Verständnis von Kemalismus sind abhängig von den jeweiligen gesellschaftlich-politischen Machtkonstellationen und den ihnen zugrunde liegenden Einflussgrößen.
Article
Kramer, Heinz
"2021-12-07T00:00:00"
"2012-03-12T00:00:00"
"2021-12-07T00:00:00"
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/izpb/tuerkei-313/77030/vom-reich-zur-republik-die-kemalistische-revolution/
Die Gründung der Republik Türkei im Oktober 1923 bedeutete eine tiefgehende Zäsur für die dort lebenden Menschen. Von ihrem Schöpfer Mustafa Kemal wurde sie als fundamentaler Bruch mit der Vergangenheit des Osmanischen Reiches gestaltet und in autori
[ "Mustafa Kemal", "Kemal Atatürk", "Gründung der Türkei", "Informationen zur politischen Bildung 313", "Modernisieerung der Türkei", "Türkei" ]
30,750
Revolution der Sprache? | Die 68er-Bewegung | bpb.de
Ein Eklat Viele Protest- und Kommunikationsformen wurden aus den USA importiert: Sit-in an der Universität von Kalifornien in Berkeley. (© AP) Zornesbleich und durch den Bühneneingang verließ am 26. November 1966 Hans-Joachim Lieber, Rektor der Freien Universität Berlin, den Hörsaal A im Henry-Ford-Bau. Rund 600 Studierende blieben mit vielen offenen Fragen zurück und verließen ebenfalls, wenn auch zögerlich, den Hörsaal. Der Rektor hatte den Studierenden zugesagt, mit ihnen über die Themen Studienreform, Studienzeitbegrenzung und Zwangs- exmatrikulation zu diskutieren. Doch es war anders gekommen. Die Diskussion verlief schleppend, der Rektor erging sich in unverbindlichen Gemeinplätzen und der Unmut der anwesenden Studierenden wuchs, bis eine Gruppe politisch aktiver Studenten um Rudi Dutschke, Bernd Rabehl und Eike Hemmer überraschend das Podium stürmte, dem Rektor das Mikrofon entriss und ein Flugblatt verlas, in dem harsche Kritik an den Zuständen an der Freien Universität geübt wurde: "Wir müssen uns herumschlagen mit schlechten Arbeitsbedingungen, mit miserablen Vorlesungen, stumpfsinnigen Seminaren und absurden Prüfungsbestimmungen. Wenn wir uns weigern, uns von professoralen Fachidioten zu Fachidioten ausbilden zu lassen, bezahlen wir mit dem Risiko, das Studium ohne Abschluß beenden zu müssen. Nach fünf Monaten Kollaboration ruft uns der AStA zu diesem Gespräch mit dem Rektor, bei dem der Mensch Lieber verständnisvoll in das Publikum horcht, während der Funktionär Lieber beschämt in der Ecke wartet. VON DIESEM GESPRÄCH HABEN WIR NICHTS ZU ERWARTEN." Die Berliner Presse glaubte, mit der Störaktion habe die Kulturrevolution an der FU Einzug gehalten. Der Abend schrieb, die "Rote Garde" des Berliner Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) habe das Podium in einer bewusst anarchistischen Aktion gestürmt und die Veranstaltung gesprengt. Kommunikationsrituale in Unordnung Jede Revolution zielt nicht nur auf politische Veränderungen, sondern greift tief in die Rituale des Alltags ein und verändert die alltäglichen Verkehrsformen. Sie wendet sich nicht nur gegen eine herrschende Klasse selbst, sondern auch gegen deren symbolische Praktiken. Auch die 68er-Bewegung wollte eine radikale Veränderung der bundesrepublikanischen Verhältnisse erreichen und sympathisierte mit der von Mao und seinen Roten Garden initiierten Kulturrevolution in China. Statt aber gewaltsam gegen einzelne Machthaber und Institutionen vorzugehen attackierten die Aktivisten jene Rituale, in denen ihrer Meinung nach gesellschaftliche Machtverhältnisse gespiegelt und zugleich reproduziert wurden. Dazu gehörten: Vorlesungen und Seminare, in denen Wissen ex cathedra verkündet und nicht diskursiv verhandelt wurde. Immatrikulationsfeiern, in denen Studenten kein Rederecht hatten. Parlamentssitzungen, in denen über, aber nicht mit den Aktivisten debattiert wurde. Vermeintlich voreingenommene Untersuchungsausschüsse, die nur der Verurteilung der Protestierenden, nicht aber der Auslotung der gesellschaftlichen Ursachen des Protests dienten. Gottesdienste, in denen zwar Frieden gepredigt wurde, die Gräuel des Vietnamkrieges aber unerwähnt blieben. Gerichtsverhandlungen, in denen von Angeklagten bei Strafe die totale Unterordnung in die in Gerichten geltenden Verhaltensnormen verlangt wurden. Die Mitglieder der Kommune I verweigerten die Stilform des Gerichtsverfahrens: statt zu antworten, stellten sie Gegenfragen oder hielten politische Reden. Das Bild zeigt Dieter Kunzelmann, Rainer Langhans und Fritz Teufel in einem Berliner Gerichtsaal im Jahr 1968. (© AP ) In den meisten dieser Rituale spielte das Sprechen eine zentrale Rolle und wurde zum zentralen Gegenstand der Kritik. In Vorlesungen begannen die Studenten Fragen zu stellen und forderten Aussprache zu hochschul- und allgemeinpolitischen Themen. In Parlamentssitzungen brachen Protestierende mit der Forderung ein "Wir wollen diskutieren". In Untersuchungs- ausschüssen fingen die Aktivisten an, Gegenfragen an die Ausschussmitglieder zu richten, oder stellten aus Protest gegen die Fragemethoden so lange Rechtsbelehrungs- fragen, dass ihre Einvernahme zu einer Farce wurde. In Gottesdiensten stiegen sie auf die Kanzel, um mit der versammelten Gemeinde über den Vietnamkrieg zu diskutieren. Und in Gerichtsverhandlungen schließlich setzten sich die Angeklagten mit dem Rücken zum Gericht, begannen mitten in der Verhandlung Gespräche mit dem Publikum zu führen oder spielten selbst Richter oder Staatsanwalt. Es waren demnach besonders asymmetrische Formen der Kommunikation, also solche Kommunikationsrituale, in denen die freie Rede und Gegenrede durch Tradition oder Macht eingeschränkt waren, die in den Jahren der 68er-Bewegung zum Gegenstand der Kritik wurden. Was die 68er-Bewegung von ihren Vorläuferbewegungen unterscheidet, ist die Tatsache, dass diese Kritik nicht nur theoretisch formuliert und artikuliert, sondern vor allem effektvoll in Szene gesetzt wurde. Der Protest wurde dort ausagiert, wo die Ursache des Protests direkt spürbar war. Eine Diskussion in einer Vorlesung zu beginnen, war freilich nicht nur Kritik an asymmetrischen Kommunikationsstrukturen in einer machtgesättigten Institution, sondern zugleich der Versuch, ein Kommunikationsritual im Hier und Jetzt zu verändern und nach den eigenen Vorstellungen umzugestalten. So waren die Jahre um 1968 weniger eine Revolution der Sprache als eine Revolte im Medium der Sprache und eine Neuverhandlung der Formen ihres Gebrauchs. Protest innerhalb von traditionellen Kommunikationsritualen verletzte Kommunikationsregeln und stiftete Unordnung. Allerdings war diese Unordnung häufig nicht Ergebnis eines chaotischen Aktionismus und anarchistischer Spontaneität, sondern war – wie die eingangs geschilderte Szene zeigt – von langer Hand geplant und sorgfältig inszeniert. Teach-in, Studentisches Seminar und Kommunegespräch Frankfurter Buchmesse 1968: Daniel Cohn-Bendit demonstriert auf einem vom SDS organisierten Teach-in gegen die Verleihung des Friedensbuchpreises an den senegalesischen Präsidenten Leopold Sedan Senghor. (© AP ) Jede Revolution richtet sich zwar gegen die symbolischen Formen der herrschenden Ordnung, sie bringt aber auch eigene Formen hervor. Und so entwickelten sich auch 1968 Formen der Kommunikation, die Ideale und Werte der Revolte symbolisieren sollten und durch welche die Akteure sich von der Mehrheitsgesellschaft versuchten abzugrenzen. Symbolisch in besonderer Weise aufgeladen war die Diskussion. Der dem besseren Argument verpflichtete freie Austausch von Meinungen galt als besonders demokratische Praxis. Mit ihr verbunden war die Hoffnung auf Erkenntnisgewinn, auf Selbstaufklärung und auf Überzeugung des politischen Gegners. Sinnfälligen Ausdruck fand das Diskussionsfieber im Teach-in. Das Teach-in war eine Form der politischen Massendiskussion, die ohne Beschränkung des Rederechts auskommen wollte und in der nicht der Diskussionsleiter, sondern alle Teilnehmer demokratisch über Inhalte und Verfahrensfragen entscheiden sollten. Das führte allerdings dazu, dass Teach-ins manchmal ganze Tage dauern konnten. "Diskussion" und "diskutieren" waren positiv besetzte Schlagwörter, die zur Bezeichnung auch solcher Formen des Gesprächs verwendet wurden, die früher andere Namen trugen. Häufig freilich war der Austausch von Meinungen um 1968 weit entfernt vom Ideal herrschaftsfreier Diskussion. Insbesondere Diskussionen mit politischen Gegnern hatten oft den Charakter von Tribunalen und endeten mit Niederbrüllen und Beleidigungen. Innerhalb der 68er-Bewegung bemühte man sich – angeleitet durch Erkenntnisse aus Werbung und Publizistik – mittels ausgefeilten Argumentationshilfen und Schulungen um eine Professionalisierung der politischen Agitationsarbeit. Doch auch die Gegenseite gab ihren Vertretern Standardformeln für den Meinungsstreit an die Hand: Der CDU-nahe Ring Christlich Demokratischer Studenten (RCDS) publizierte einen Ratgeber mit dem Titel "Wie diskutiere ich mit einem Linksideologen". Selbstorganisierte Podiumsdiskussion als Gegenentwurf zur Vorlesung: Studenten diskutieren 1968 an der FU Berlin mit Günther Grass über die Notstandsgesetze. (© AP ) Als Gegenentwurf zu den autoritär empfundenen Vorlesungen und gegen den Seminarstil so mancher Professoren wurden in den Universitäten studentische Seminare etabliert. In ihrem Rahmen sollten Studenten in kleinen Gruppen zu gesellschaftlich relevanten Themen eigenständig Projekte durchführen. In Plenarsitzungen sollten die Ergebnisse der Gruppenarbeiten vorgestellt und ihre Relevanz für eine künftige politische Praxis kritisch diskutiert werden. Allzu häufig verstrickten sich aber die Teilnehmer der Arbeitsgruppen in aufreibende Detaildiskussionen und auch in den Plenarsitzungen konnte wegen der großen Selbstständigkeit in der Themenwahl nur mit Mühe thematische Kohärenz hergestellt werden. Nur selten gelang es den studentischen Seminaren ihren Anspruch einzulösen, selbstbestimmte wissenschaftliche Arbeit mit politischer Praxis zu verbinden. Fritz Teufel war eines der bekanntesten Gesichter der Kommune I. (© AP ) Parallel dazu entwickelten sich in Kommunen hochritualisierte Gesprächsformen, die symbolisch gegen das Beschweigen und die Tabuisierung bestimmter Themen in bürgerlichen Familien- zusammenhängen gerichtet waren. Kommunegespräche wurden meist durch ein Schwellenritual eingeleitet. Dieses konnte zum Beispiel in einer längeren Schweigepause oder im gemeinsamen Konsum eines Joints bestehen. Kommunegespräche fanden meist regelmäßig und zu festgelegten Zeiten statt und verliefen nach festen Sequenz- mustern: je nach Kommune hatten sie den Charakter eines Reihengesprächs oder auch eines auf eine Person fokussierten Therapiegesprächs. Thematisch blieben die Kommunegespräche auf die gruppendynamischen Prozesse innerhalb der Kommune, auf die Psyche ihrer Mitglieder und auf Politisches beschränkt. Dagmar Seehuber bezeichnete die Gespräche in der Kommune I rückblickend als "Psychomarathons" oder "Psychoterror- sitzungen", während etwa Dieter Kunzelmann sie als solidarische Hilfestellungen zur Entwicklung der eigenen Persönlichkeit erinnert. Das Kommunegespräch war ungleich erfolgreicher als etwa das studentische Seminar bei der Vergemeinschaftung der Aktivisten. Entscheidend hierfür war der Beteiligungszwang, der für die Kommunegespräche galt. Und zwar in doppelter Hinsicht: Kommunegespräche waren die einzige kommune-interne Aktivität, bei der die Teilnahme aller Mitglieder erwartet wurde. Zum anderen wurde erwartet, dass alle Kommunarden sich auch tabulos am Gespräch beteiligten. So hatte die Kommune 2 einen einzigen Grundsatz, nämlich "über alle auftauchenden Probleme gemeinsam zu sprechen." So problematisch diese Totalisierung für den Einzelnen gewesen sein mag – ehemalige Kommunarden berichten von psychischen Zusammenbrüchen – so wichtig war sie für die Formierung eines von der Mehrheitsgesellschaft abgekoppelten Milieus, in dem sich alternative Ausdrucksformen entwickelten. Der Kommunikationsstil im hedonistischen Selbstverwirklichungsmilieu Rainer Langhans und Fritz Teufel: lange Haare und Vollbart als sichtbares Zeichen für eine un- angepasste Lebensform. Foto: AP (© AP ) In den Kommunen wurde die kommunikative Unordnung in den Alltag integriert. Für ihre Mitglieder lag in der radikalen Veränderung von Lebenspraxen, in der Revolutionierung des Alltags und der "Revolutionierung des bürgerlichen Individuums" (so der programmatische Titel der Dokumentation der Kommune 2 zu ihrem Wohnexperiment) das eigentliche Ziel der Revolte. Und so entwickelte sich in den Kommunen ein alternativer Lebensstil, der sich in seiner Kultivierung von Unordnung deutlich vom Lebensstil der Mehrheitsgesellschaft, aber auch häufig von den Formen der studentischen Aktivisten unterschied. Diese Unordnung zeigte sich zum einen in der Inszenierung des Körpers. Auch Männer trugen die Haare lang und der in den 1960er Jahren gesellschaftlich geächtete Vollbart wurde zu einem wichtigen Erkennungszeichen für unangepasste Lebensformen. In ihrer Kleidung kombinierten Kommunarden – inspiriert durch die Hippie-Mode – Selbstgemachtes und Altes aus dem elterlichen Kleiderschrank oder dem Second-Hand-Laden wild durcheinander zu einer bunten Collage aus allen erdenklichen Farben und Stilen. Mit der legeren Kleidung wurden auch die Körperhaltungen informeller: Man saß demonstrativ entspannt und legte Füße auf Tische, Sitzflächen und Polster. Das Sitzen auf dem Boden wurde zum Symbol des Lebens in den Kommunen, in denen auf dem Boden liegende Matratzen zum zentralen Möbelstück gerieten. Auch das Verhältnis zum Körper der anderen kam in Unordnung: körperliche Nähe, auch gegenüber kaum bekannten Menschen, wurde zu einem Merkmal des Kommunemilieus: die persönliche Schutzzone wurde gegenüber Berührungen durchlässiger und ermöglichte neue Beziehungsmuster und neue Formen der Sexualität. Der Kommunikationsstil der intellektuellen Avantgarden Ganz anders klangen dagegen die Gespräche in den studentisch geprägten politischen Verbänden und den politischen Clubs. Schon äußerlich unterschieden sich die Aktivisten deutlich von ihren Mitstreitern aus den Kommunen. Auch sie verweigerten sich zwar einer aufstiegsorientierten bürgerlichen Kleidung und verzichteten meist auf Kostüm oder Anzug. Doch betrieben sie keine ostentative Stilisierung ihres Äußeren, sondern machten die Sprache zum zentralen Medium ihrer sozialsymbolischen Unterscheidung. In langen Sätzen, die mit Fachvokabular aus Soziologie, Psychologie und Marxismus gespickt waren, verhandelten sie politische Themen. Eines ihrer Sprachrohre war Rudi Dutschke, zentrale Figur und intellektueller Vordenker des SDS, dessen Sprachstil paradigmatisch für den Kommunikationsstil der intellektuellen Avantgarden steht. Während einer Podiumsdiskussion in der Evangelischen Akademie Bad Boll im Februar 1968 sagte er etwa: "Die bürgerlich-kapitalistische Gesellschaft hat doch gerade ihre Stärke darin, dass jede Gruppe diskutieren darf. Das ist eine Stärke, die wir in der Tat nicht beseitigen wollen, denn sie ist unsere Basis unserer Arbeit und die Basis unserer Diskussion, aber aus diesem Pluralismus der Meinungen, der ergänzt wird eigentlich durch einen Pluralismus der Oligomonopole in der materialistischen Basis der Gesellschaft, aus dieser Gesamtheit von Pluralismen kommt nicht notwendigerweise die Veränderung, sondern ist im Grunde die Harmonie, die Harmonie der Repression gewährleistet." Mag hier noch das theoretisch geschulte Publikum die Wortwahl und syntaktische Komplexität der Äußerung rechtfertigen, so zeigt das folgende Zitat aus einer Rede vor Schülern in Baden-Baden, dass die Sprache vor allem zur Symbolisierung einer Protestidentität eingesetzt wurde und weniger auf Verständigung mit möglichen Adressaten zielte: "Der Faschismus steckt in unserer Struktur, die Struktur ist kapitalistisch, und die haben wir zu stürzen, um die wirklichen Grundlagen des deutschen Faschismus zu beseitigen und eine demokratische Gesellschaft in Deutschland endlich einzuführen, die nicht identisch ist mit dem, was heute in der DDR ist, sondern eine neue Struktur, geschaffen von Menschen, die nicht mehr bereit sind, sich manipulierenden Eliten auszuliefern, sondern ihre Interessen in die eigene Hand nehmen, über ihr eigenes Schicksal bestimmen und nicht mehr zulassen, dass sie zu Objekten der Herrschaft von CDU, NPD, SPD und anderen restaurativen Cliquen wird." Dieser Stil repräsentierte im Verbund mit häufigen Zitaten aus marxistischen Klassikern, nicht nur nach außen, sondern auch nach innen einen elitären Führungsanspruch. Dieser leitet sich her aus intellektueller Überlegenheit über politische Gegner und einem Vorsprung an wissenschaftlich begründeten Erkenntnissen – meist aus den Theorien des Marxismus. Dass diese Sprache nicht allen verständlich war, führte schon 1968 dazu, dass zahlreiche Fremd- und Schlagwörter der außerparlamentarischen Opposition wie "Aktion", "Anarchie / Anarchismus", "autoritär / Autorität", "Establishment / etabliert", "Faschismus / faschistisch/ faschistoid", "Go-in / Love-in / Sit-in / Teach-in", "Hearing", "Kapitalismus / Spätkapitalismus", "Manipulation / manipulativ" oder "Repression / repressive Toleranz" in einem "Sprachführer durch die Revolution" und einem " Revolutions-Lexikon" der Öffentlichkeit erklärt wurden. Dennoch muss an dieser Stelle betont werden, dass die These, wonach die 68er-Bewegung schon ihrer unverständlichen Sprache wegen die Massen nicht erreichte, zu undifferenziert ist. Untersuchungen von SDS Flugblättern an die Bevölkerung zeigen, dass SDS-Aktivisten durchaus ihre Sprache den Adressaten anpassten und ihren ironisch oft als "Soziologenchinesisch" bezeichneten Kommunikationsstil nur in verbandsinternen Debatten verwendeten. 30. Januar 1968: Rudi Dutschke und der FDP-Politiker Ralf Dahrendorf diskutieren, ob Veränderungen in der Bundesrepublik nur auf revolutionärem oder aber auch auf parlamentarischem Wege erreichbar seien. Foto: AP (© AP ) Mag hier noch das theoretisch geschulte Publikum die Wortwahl und syntaktische Komplexität der Äußerung rechtfertigen, so zeigt das folgende Zitat aus einer Rede vor Schülern in Baden-Baden, dass die Sprache vor allem zur Symbolisierung einer Protestidentität eingesetzt wurde und weniger auf Verständigung mit möglichen Adressaten zielte: "Der Faschismus steckt in unserer Struktur, die Struktur ist kapitalistisch, und die haben wir zu stürzen, um die wirklichen Grundlagen des deutschen Faschismus zu beseitigen und eine demokratische Gesellschaft in Deutschland endlich einzuführen, die nicht identisch ist mit dem, was heute in der DDR ist, sondern eine neue Struktur, geschaffen von Menschen, die nicht mehr bereit sind, sich manipulierenden Eliten auszuliefern, sondern ihre Interessen in die eigene Hand nehmen, über ihr eigenes Schicksal bestimmen und nicht mehr zulassen, dass sie zu Objekten der Herrschaft von CDU, NPD, SPD und anderen restaurativen Cliquen wird." Dieser Stil repräsentierte im Verbund mit häufigen Zitaten aus marxistischen Klassikern, nicht nur nach außen, sondern auch nach innen einen elitären Führungsanspruch. Dieser leitet sich her aus intellektueller Überlegenheit über politische Gegner und einem Vorsprung an wissenschaftlich begründeten Erkenntnissen – meist aus den Theorien des Marxismus. Dass diese Sprache nicht allen verständlich war, führte schon 1968 dazu, dass zahlreiche Fremd- und Schlagwörter der außerparlamentarischen Opposition wie "Aktion", "Anarchie /  Anarchismus", "autoritär / Autorität", "Establishment /  etabliert", "Faschismus / faschistisch/ faschistoid", "Go-in / Love-in / Sit-in / Teach-in", "Hearing", "Kapitalismus / Spätkapitalismus", "Manipulation / manipulativ" oder "Repression /  repressive Toleranz" in einem "Sprachführer durch die Revolution" und einem " Revolutions-Lexikon" der Öffentlichkeit erklärt wurden. Dennoch muss an dieser Stelle betont werden, dass die These, wonach die 68er-Bewegung schon ihrer unverständlichen Sprache wegen die Massen nicht erreichte, zu undifferenziert ist. Untersuchungen von SDS Flugblättern an die Bevölkerung zeigen, dass SDS-Aktivisten durchaus ihre Sprache den Adressaten anpassten und ihren ironisch oft als "Soziologenchinesisch" bezeichneten Kommunikationsstil nur in verbandsinternen Debatten verwendeten. 1968 und die sprachgeschichtlichen Folgen Der Kommunikationsstil der Avantgarden blieb allerdings eine Episode in der Sprachgeschichte des Deutschen. Er lebte fort in den zahlreichen linken Kaderorganisationen, die sich nach dem Abebben der breiten Mobilisierung nach 1968 formierten. Dagegen erwiesen sich Kommunen und ihre säkularisierte Variante, die Wohngemeinschaft, als das erfolgreichere Modell der Vergemeinschaftung. Sie entwickelten sich zum organisatorischen Rückgrat politischer Aktivitäten im sich in den 1970er Jahren formierenden Alternativmilieu, aus dem heraus sich die Neuen Sozialen Bewegungen rekrutierten. Zugleich erwies sich ihr Kommunikationsstil als anschlussfähiger für weitere Kreise der Gesellschaft als der sperrige und elitäre Jargon der intellektuellen Linken. Rudi Dutschke auf dem Parteitag der "Grünen" 1979: Kommunikationsstil und inhaltliche Ausrichtung der neugegründeten Partei waren stark durch '68 beeinflusst. (© AP) Allerdings dauerte es bis in die 1980er Jahre, bis der Kommunikationsstil des Alternativmilieus einen Einfluss auf den Sprachgebrauch der Mehrheitsgesellschaft entfaltete. Der Einzug der Grünen in den Bundestag 1983 war ein wichtiges Zeichen für die Re-Integration des Protestmilieus in die etablierte politische Ordnung der Bundesrepublik. Parallel dazu avancierte das Alternativmilieu zu einem hegemonialen Milieu, dessen symbolische Formen und Sprachgebrauchsweisen einen wichtigen Einfluss auf andere soziale Milieus entfalteten. So zeigen sich seit den 1980er Jahren klare Tendenzen zur Informalisierung des öffentlichen Sprachgebrauchs. In Zeitungen etwa finden sich vermehrt umgangssprachliche Wendungen – zuerst freilich in der TAZ, einem publizistischen Ableger des Alternativmilieus. Aber auch im Anstandsdiskurs, in Benimmbüchern und Ratgebern für gutes Benehmen, ist eine Abkehr von formellen Formen des sprachlichen Umgangs zu beobachten: Sprachliche Formen der Ehrerbietung etwa werden aufgegeben und stattdessen sprachliche Inszenierungen von Nähe und Vertrautheit empfohlen. Statt wie in den 1960er Jahren mit "Hochachtungsvoll", schließt man Briefe standardmäßig "mit freundlichen Grüßen", häufig auch "mit lieben Grüßen". Die Emotionalität, mit der man um 1968 hoffte, einen neuen, zärtlicheren Menschen zu schaffen, kam allmählich in der Mehrheitsgesellschaft an. Freilich nicht als authentisches Gefühl, das es auch schon in der 68er-Bewegung nur selten gewesen war, sondern als Inszenierung von Emotionalität und Nähe. Die Geschichte der 68er-Bewegung aus der Perspektive der Sprache und ihres Gebrauchs ist demnach keine Geschichte einer Zäsur, einer Stunde Null oder einer Zeitenwende. Vielmehr ist sie die Geschichte der Entstehung eines neuen kommunikativen Stils, der im Zuge seines Eindringens in die Mehrheitsgesellschaft eine Umwertung erfuhr. Intendiert als Ausdruck authentischer Gefühle und solidarischer Nähe, wurde er zu einem Kommunikationsstil der inszenierten Nähe, zur Verkumpelung zum Ausdruck eines doing buddy umgewertet, der noch heute den Sprachgebrauch prägt. Viele Protest- und Kommunikationsformen wurden aus den USA importiert: Sit-in an der Universität von Kalifornien in Berkeley. (© AP) Die Mitglieder der Kommune I verweigerten die Stilform des Gerichtsverfahrens: statt zu antworten, stellten sie Gegenfragen oder hielten politische Reden. Das Bild zeigt Dieter Kunzelmann, Rainer Langhans und Fritz Teufel in einem Berliner Gerichtsaal im Jahr 1968. (© AP ) Frankfurter Buchmesse 1968: Daniel Cohn-Bendit demonstriert auf einem vom SDS organisierten Teach-in gegen die Verleihung des Friedensbuchpreises an den senegalesischen Präsidenten Leopold Sedan Senghor. (© AP ) Selbstorganisierte Podiumsdiskussion als Gegenentwurf zur Vorlesung: Studenten diskutieren 1968 an der FU Berlin mit Günther Grass über die Notstandsgesetze. (© AP ) Fritz Teufel war eines der bekanntesten Gesichter der Kommune I. (© AP ) Rainer Langhans und Fritz Teufel: lange Haare und Vollbart als sichtbares Zeichen für eine un- angepasste Lebensform. Foto: AP (© AP ) 30. Januar 1968: Rudi Dutschke und der FDP-Politiker Ralf Dahrendorf diskutieren, ob Veränderungen in der Bundesrepublik nur auf revolutionärem oder aber auch auf parlamentarischem Wege erreichbar seien. Foto: AP (© AP ) Rudi Dutschke auf dem Parteitag der "Grünen" 1979: Kommunikationsstil und inhaltliche Ausrichtung der neugegründeten Partei waren stark durch '68 beeinflusst. (© AP) Quellen / Literatur Externer Link: Lizenziert unter der Creative Commons-Lizenz Externer Link: by-nc-nd/2.0/de. Externer Link: Lizenziert unter der Creative Commons-Lizenz Externer Link: by-nc-nd/2.0/de.
Article
Joachim Scharloth
"2022-01-06T00:00:00"
"2012-01-08T00:00:00"
"2022-01-06T00:00:00"
https://www.bpb.de/themen/zeit-kulturgeschichte/68er-bewegung/51840/revolution-der-sprache/
Die 68er-Bewegung war eine Rebellion gegen die herrschende Ordnung. "Unordentliche" Kleidung, lange Haare und offene Verstöße gegen Benimmformen waren Ausdruck dieser Rebellion. Auch in der Sprache und Kommunikationsritualen sorgten die 68er für reic
[ "68er", "Bewegung", "Studentenbewegung", "Gesellschaft", "Sprache", "Kommunikation", "Intellektuelle" ]
30,751
Kirche in Deutschland | Kirche in Deutschland | bpb.de
Komplexe Realität Wer heute auf der Suche nach geistlicher Literatur eine deutsche Buchhandlung betritt, findet häufig kein Regal mit der Überschrift "Theologie" oder "Christentum" mehr. Stattdessen gibt es ein Regal "Religion" oder ein Regal "Esoterik" mit allen möglichen Sinndeutungsangeboten, von einfachen Zehn-Punkte-Ratgebern bis hin zu preiswerten Ausgaben klassischer religiöser Literatur wie etwa des I Ging, einem Werk zur altchinesischen Philosophie. Der Übergang von den Weisheiten des Dalai Lama zu den fernöstlichen Entspannungsübungen der "Fünf Tibeter" gelingt scheinbar bruchlos. Das Angebot kommt dem Wunsch der modernen Wohlstandsgesellschaft nach Exotismus und Abwechslung entgegen. Doch der erste Augenschein täuscht. Deutschland ist unverändert ein christlich geprägtes Land: 74 Prozent der insgesamt 82,3 Millionen Bundesbürgerinnen und -bürger gehören einer Religionsgemeinschaft an oder bezeichnen sich als einer solchen zugehörig. Dabei handelt es sich in der überwältigenden Mehrheit (50,8 Millionen = 61,7 Prozent) um Mitglieder einer der beiden großen christlichen Konfessionskirchen, die sich relativ gleichmäßig auf Protestanten (25,1 Millionen = 30,5 Prozent) und Katholiken (25,7 Millionen = 31,2 Prozent) verteilen (im Vergleichszeitraum betrug die Mitgliederzahl der Orthodoxen 1,3 Millionen = 1,6 Prozent; die der evangelischen Freikirchen 0,3 Millionen = 0,4 Prozent). Unter den nichtchristlichen Religionsgemeinschaften ist der Anteil der Muslime mit etwa 3,2 Millionen (geschätzt = 3,9 Prozent) bei weitem der höchste, gefolgt von den Juden (106 000 = 0,1 Prozent). (Jahr der Erhebung: 2006) Auch wenn die religiöse Heimat der meisten Deutschen also - statistisch gesehen - das Christentum ist, hat sich dieses Christentum in den letzten Jahrzehnten verändert. Es ist komplizierter geworden. Das lässt sich schon daran erkennen, dass sich - trotz der relativ hohen Kirchenmitgliedschaft - nur 21 Prozent der bundesdeutschen Bevölkerung überhaupt für religiös und gläubig halten. Was ist mit den übrigen rund 40 Prozent, die einer Kirche angehören? Kirchenferne wie Kirchentreue denken individualistischer als früher und lassen sich in ihrer Mehrheit nicht länger dogmatisch bevormunden. Stattdessen pflegen sie religiöse Vorstellungen, die mit den theologischen Lehren der Großkirchen teilweise kaum in Übereinstimmung zu bringen sind: So glauben nur knapp zwei Drittel der Deutschen überhaupt an Gott. Nur 54 Prozent nehmen an, dass es so etwas wie Sünde gibt, und nur jede/r dritte rechnet mit einer Auferstehung von den Toten - die immerhin im Glaubensbekenntnis in den meisten Kirchen Sonntag für Sonntag bekannt wird. Auch sind die Ansichten über Gott selbst recht vage: Zwar geht etwa die Hälfte der Deutschen mehr oder weniger fest davon aus, dass Gott eine Person sei, zu der man sprechen könne, aber 57 Prozent identifizieren Gott mit der Natur, und auch die Vorstellung, Gott sei ein höchster Wert oder ein "Gesetz, das ewig gilt", ist mit 46 bzw. 42 Prozent nicht unpopulär. Der Gott der Deutschen scheint also eine relativ diffuse Größe zu sein. Insbesondere ist Religiosität nicht mehr notwendig an die Kirchen als Institutionen gekoppelt, und es gibt umgekehrt innerhalb der Kirchen eine unorthodoxe Religiosität beträchtlichen Ausmaßes. In der Vergangenheit hat man das Verhältnis von Religion und Gesellschaft in Deutschland gerne beschrieben als das Verhältnis von Kirche und Staat. Demgegenüber hat die neuere Religionsforschung mit ihren verfeinerten sozialempirischen Methoden deutlich gemacht, dass wir es, wollen wir die Rolle der Religionen im Deutschland des 21. Jahrhunderts richtig verstehen, in Wahrheit mit einer hoch komplexen Problemkonstellation zu tun haben: Sie umfasst nicht nur die rechtlichen und politischen Beziehungen zwischen christlichen Institutionen und staatlichen Einrichtungen, sondern auch geistige und kulturelle, soziale und wirtschaftliche Dimensionen in der Interaktion und der Auseinandersetzung zwischen Christentum, Islam, Judentum und der Gesellschaft. Religion ist ein Teil unserer Gesellschaft, fordert diese aber auch heraus, indem sie Alternativen der Lebenseinstellung und Lebensführung anbietet, die Chancen, aber auch Risiken für das Gemeinwesen mit sich bringen können. Derzeit ist das religiöse Leben in Deutschland in einer noch näher zu beschreibenden Form primär durch das Christentum bestimmt, während andere Religionen - vor allem der Islam und das Judentum - (noch) eher eine untergeordnete Rolle spielen. Dementsprechend liegt das Augenmerk im Folgenden auf dem Christentum, wobei allerdings immer die Frage mit im Blick ist, wie sich die Situation durch Zuwanderung nach Deutschland verändert und in der Zukunft weiter verändern könnte. Um zu verstehen, warum das Christentum diese dominante Rolle einnimmt, ist ein Blick in die Geschichte hilfreich (siehe S. 4 ff.). Sodann ist die gegenwärtige Rolle des Christentums in der deutschen Gesellschaft zu beschreiben (siehe S. 7 ff.). Abschließend soll versucht werden, die weitere Entwicklung thesenartig zu prognostizieren (siehe S. 18 ff.).
Article
Wolfram Kinzig
"2021-12-07T00:00:00"
"2011-09-30T00:00:00"
"2021-12-07T00:00:00"
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/izpb/info-aktuell/25168/kirche-in-deutschland/
Wer heute auf der Suche nach geistlicher Literatur eine deutsche Buchhandlung betritt, findet häufig kein Regal mit der Überschrift "Theologie" oder "Christentum" mehr. Stattdessen gibt es ein Regal "Religion" oder ein Regal "Esoterik" mit allen mögl
[ "Kirche in Deutschland", "Informationen zur politischen Bildung - aktuell", "Säkularisation", "katholisch", "evangelisch", "Glaube", "Deutschland" ]
30,752
Podcast: Netz aus Lügen – Der Ausweg (7/8) | Digitale Desinformation | bpb.de
Interner Link: 00:00 – Taiwan - eine Musterschülerin in Sachen Desinformationsbekämpfung? Interner Link: 02:39 – Um was geht es in Folge 7? Interner Link: 03:54 – Die Desinformations-Taskforce der taiwanesischen Regierung Interner Link: 06:14 – Taiwans besondere geopolitische Lage Interner Link: 07:47 – Warum ist es so schwierig, die Wirkung von Desinformation zu messen? Interner Link: 09:40 – Verbreitung von Falschinformationen aus Profitgier Interner Link: 15:00 – Zurück zur Desinformations-Taskforce Interner Link: 22:22 – Medienkompetenz als wichtiger Faktor für demokratische Resilienz Interner Link: 25:49 – Wie effektiv sind Faktenchecks? Interner Link: 31:55 – Medienkompetenz durch Spiele: Das Bad News Game und Crancy Uncle Interner Link: 36:46 – Was waren noch mal die PLURV-Kategorien? Interner Link: 39:47 – Ausblick Podcast Abonnieren Jetzt auch anhören bei Externer Link: Apple Podcasts, Externer Link: Amazon Music, Externer Link: Deezer, Externer Link: Spotify und bei Externer Link: YouTube. Transkript "Netz aus Lügen – Der Ausweg (7/8) [00:00] Zuspieler (ZSP) Atmo von Tsai Ing-wens Rally am Abend vor der Wahl: Jubelrufe und Sprechgesänge, "2020一定要贏","凍蒜, 凍蒜" So klingt die letzte große Wahlkampfveranstaltung der taiwanesischen Präsidentin Tsai Ing-wen in Taipei kurz vor den Präsidentschaftswahlen im Januar 2020. Mitten in der Hauptstadt Taiwans jubeln ihr tausende Unterstützerinnen und Unterstützer zu. Der Platz, auf dem die große Bühne steht, ist so überfüllt, dass in den Seitenstraßen große Bildschirme stehen, an denen sich Menschengruppen gesammelt haben. Es ist der Endspurt eines langen und schwierigen Wahlkampfes. Und natürlich gab es in diesem auch Desinformation: die Lüge, dass Tsai eigentlich gar keinen Abschluss von der London School of Economics bekommen hat, dominierte den Wahlkampf. Trotzdem: Am nächsten Tag wird sie mit einem Rekordergebnis in eine zweite Amtszeit gewählt. ATMO HOCH Jingle: "Netz aus Lügen - Die globale Macht von Desinformation" - ein Podcast der Bundeszentrale für politische Bildung. Folge 7 - Der Ausweg Mit rund 23 Millionen Bürgerinnen und Bürgern ist der Inselstaat in Ostasien eine relativ kleine Demokratie, aber: Kein Land der Welt ist laut dem schwedischen Forschungsinstitut V-Dem so vielen von ausländischen Regierungen gestreuten Desinformationen ausgesetzt wie Taiwan. Facebook richtete vor den Präsidentschaftswahlen ein eigenes Kommandozentrum in Taipeh ein, um das Problem vor Ort zu bekämpfen, denn die Plattform spielt auch in Taiwan eine große Rolle: In einer Telefonumfrage von 2020 gaben fast 95% der Befragten über alle Altersgruppen hinweg an, Facebook zu nutzen. Als mit Tsai Ing-wen die pro-taiwanesische Kandidatin gewann, konnte man das erleichterte Aufatmen fast hören. ZSP "Taiwan gewinnt den Kampf gegen politische Desinformation" schreibt zum Beispiel Walter Kerr, ein ehemaliger US-Diplomat im Herbst 2020. Die Harvard Kennedy-School veröffentlicht im Sommer 2020 einen Bericht mit dem Titel: ZSP "Chinesische Desinformationen bekämpfen und besiegen - Die Wahlen in Taiwan als Fallbeispiel" Viele schienen sicher: von Taiwan lernen, heißt siegen lernen. Das Land galt als Musterschülerin im Kampf gegen Desinformation. Doch diese einfache, eingängige Geschichte ist vermutlich selber eine Falschinformation - oder zumindest ein Missverständnis. [02:39] Hallo, mein Name ist Ann-Kathrin Büüsker. In diesem Podcast geht es um Desinformation, also Lügen, die Gesellschaften polarisieren sollen, sie zweifeln lassen an demokratischen Institutionen, an Parteien und dem politischen System. Und vielleicht ist jetzt mal ein guter Zeitpunkt ein bisschen zurück zu schauen. Mal kurz zu verschnaufen. In den vergangenen sechs Folgen sind wir einmal quer über den Globus gereist und haben uns Desinformation in verschiedensten Erdteilen angeschaut. Wir waren in Polen, Deutschland, den USA, der Ukraine und in Indien. Und überall… ist es ähnlich, überall haben ähnliche Mechanismen gegriffen - wie Desinformation platziert wird und wie jene Lügen in Lichtgeschwindigkeit über Plattformen weiter verbreitet werden. Wir sind jetzt auf der Zielgeraden unserer Podcastreihe angekommen. In dieser UND in der nächsten Folge beschäftigen wir uns vor allem mit der Frage: Ja, und jetzt? Wie können wir der Desinformation, die unserer Gesellschaft zusetzt, beikommen? Dazu schauen wir uns verschiedene Strategien an, entwickelt von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern - und andere, die direkt in Taiwan ausprobiert werden. Und ein kleiner Spoiler: Weil wir euch nichts Spannendes und Erhellendes vorenthalten wollen, verteilen wir die Lösungsstrategien auf zwei Folgen. [03:54] Zurück nach Taiwan. ZSP Lo Ping-Cheng "Ich würde nicht sagen, dass es Taiwan schon gelungen ist, dieses Problem zu lösen, dieser "Erfolg" ist auch unmöglich zu definieren." Das sagt Minister Lo Ping-Cheng (羅秉成), ein ehemaliger Anwalt, der die Desinformations-Taskforce der Regierung leitet: ZSP Lo Ping-Cheng "Bisher gibt es keinen objektiven Standard um zu sagen, ob ein Land den Kampf gegen Desinformation gewonnen hat. Ich sage auch meinem Team immer: "Desinformationen sind ein bisschen wie ein Virus - es komplett auszulöschen, ist sehr unwahrscheinlich, denn es wird sich immer wieder verändern. Es kann sein, dass es keinen Erfolg geben wird, auch wenn wir uns noch so sehr anstrengen. Aber Scheitern ist keine Option, denn wenn wir scheitern, dann ist alles vorbei." Zu sagen "wir haben gewonnen, wir haben diesen Feind Desinformation besiegt" - so arrogant, so naiv sind wir nicht." Lo Ping-Cheng glaubt nicht, dass es schon eine Lösung gibt, die man von irgendeinem Land kopieren könnte - auch Taiwan schaut ins Ausland und versucht, vom Rest der Welt zu lernen. ZSP Lo Ping-Cheng "Wenn es darum geht, eine Strategie zu entwickeln, schauen wir uns auch sehr genau an, was viele andere Länder machen, zum Beispiel, wie das Netzwerkdurchsetzungsgesetz in Deutschland, das von Angela Merkels Regierung verabschiedet wurde, wie der europäische Digital Services Act dieses Problem löst. Auch in Asien, in Singapore, Malaysia, gibt es ganz verschiedene Ansätze, das variiert zwischen verschiedenen politischen Systemen, Ländern, Kulturen und wirtschaftlichen Systemen. Aber wenn es um die Bekämpfung des gleichen Feindes, der Desinformation, geht, sehe ich persönlichen noch keinen eindeutigen Goldstandard, diese eine perfekte Strategie, die gibt es noch nicht." Okay, also wenn selbst ein Politiker diesen Erfolg nicht für sich verbuchen möchte, ist die Realität wohl echt etwas komplizierter. Wir können zumindest schauen, was in Taiwan bisher funktioniert hat - und was nicht. [06:14] Um die Situation in Taiwan zu verstehen, müssen wir auch mal kurz darüber reden, in welcher besonderen geopolitischen Lage sich das Land befindet und um welche Art von Desinformation es hier überhaupt geht. Ihr habt vielleicht schon einmal gehört, dass Taiwan Probleme mit seinem großen Nachbarn China hat. Hintergrund ist, dass China den praktisch unabhängigen und selbstregierten Inselstaat als Teil seines Territoriums für sich beansprucht. Kriegshandlungen gibt es zwischen den beiden Seiten schon seit Jahrzehnten nicht mehr, dafür immer wieder Drohgebärden Chinas. Die Frage der Beziehung zu China ist zentral in der taiwanesischen Politik, erklärt uns die Professorin für Politische Ökonomie Wei-ting Yen vom Franklin & Marshall College in den USA: ZSP Wei-ting Yen "Die beiden wichtigsten politischen Kräfte in Taiwan sind die Kuomintang, die KMT, und die Democratic Progressive Party, die DPP. Die entscheidende politische Spaltung in Taiwan ist entlang der Frage, welche Position man zu China hat. Die KMT hat traditionell eine enge Beziehung zu China. Sie denken, dass Taiwan eine engere wirtschaftliche Beziehung zu China haben sollte und sich auch politisch annähern sollte. Die DPP wiederum versucht eher, Abstand zu China zu wahren und ist vorsichtiger, wenn es um Annäherungen an China geht, sei es politisch oder wirtschaftlich." Die chinesische Regierung steht im Verdacht, sich immer wieder in die taiwanesische Politik einzumischen und sie zu ihren Gunsten beeinflussen zu wollen, Zwietracht zu säen, Unruhe zu stiften. Zum Beispiel, indem sie das öffentliche Vertrauen in Taiwans Demokratie und seine Institutionen unterwandert . Ein prominentes Beispiel für diesen Einfluss auf klassische Medien deckte 2019 die britische Tageszeitung Financial Times auf: Sie berichtete, dass die chinafreundliche taiwanesische Zeitung "China Times" per Anruf Anweisungen der chinesischen Regierung erhalte . Die Want Want-Gruppe, zu der die Zeitung gehört, bestreitet die Vorwürfe. [07:47] Oft ist es allerdings sowohl in klassischen als auch in sozialen Netzwerken schwierig, festzustellen, ob wirklich die chinesische Regierung hinter Falschinformationen in Taiwan steckt. Und das macht auch die Begrifflichkeiten im taiwanesischen Kontext kompliziert. Ihr erinnert euch vielleicht, wie Claire Wardle das in unserer ersten Folge definiert hat: Was falsch ist, aber nicht in böser Absicht erstellt wurde, sind Misinformationen. Desinformationen sind falsch und werden absichtlich verbreitet, um anderen zu schaden. Malinformationen wiederum sind zwar wahr, aber werden mit der Absicht verbreitet, anderen zu schaden. Wenn man nicht weiß, ob hinter einer Falschinformation eine böse Absicht steckt oder nicht, kann man zum Beispiel nicht mehr zwischen Misinformation und Desinformation unterscheiden - was dazu führt, dass das auch die Wissenschaft vor Probleme stellt, Desinformation einzuordnen und ihre Wirkungsmacht zu messen. [09:40] Ein Beispiel dafür hat uns Puma Shen erklärt. Der Kriminologe leitet das DoubleThink Lab in Taipeh, das sich der Erforschung und Dokumentation von Gefahren für die Demokratie verschrieben hat . Das Problem: manchmal steckt hinter Informationen, die der chinesischen Regierung helfen könnten, einfach Profitgier. ZSP Puma Shen "Manche dieser Content Farms werden von chinesischen Geschäftsleuten in Singapur oder Malaysia kontrolliert. Sie funktionieren so, dass sie Webseiten aufsetzen und dann einfach viele Artikel von anderen Zeitungen kopieren und vielleicht einfach den Titel etwas anpassen. Sie bezahlen auch Menschen, um ziemlich schlechte Artikel für sie zu schreiben. Und besonders hier in Taiwan stellen sie dann zum Beispiel Studierende an, oder Leute, die etwas Geld verdienen wollen, und deswegen bei diesen Seiten arbeiten und ihre eigenen Fanpages oder Gruppen verlinken. Sie verbreiten dann diese Artikel, um damit Geld zu verdienen." Auch der Youtube-Algorithmus kann es profitabel machen, pro-chinesische Inhalte zu verbreiten: ZSP Puma Shen "Manche dieser Leute können bis zu 1.000 Dollar pro Monat damit verdienen, diese Artikel online zu verbreiten. (...) Zum Beispiel hatten wir in Taiwan die Präsidentschaftswahl im Januar 2020. Wenn man sich die Zeit davor, 2019, auf YouTube anschaut, dann haben da die Top 10 Youtuberinnen und Youtuber, die online Spenden erhalten, pro-chinesische Botschaften in ihren beliebtesten Videos verbreitet. Aber ich glaube nicht, dass sie offizielle Beziehungen zur chinesischen Regierung haben. Aber wenn jemand diese pro-chinesischen Themen auf Youtube verbreitet, ist es leicht, viele Spenden und viele Views zu kriegen. Also wer auf YouTube berühmt werden möchte, könnte sich dieses Thema aussuchen." In diesen Fällen könnten Falschinformationen also ohne politische Absichten verbreitet werden - aber trotzdem chinesischen Interessen in Taiwan nutzen. [15:00] In unseren Interviews in Taiwan haben die meisten Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner übrigens einen chinesischen Begriff verwendet, der nicht unbedingt zwischen den verschiedenen Kategorien unterscheidet (假訊息). Wörtlich übersetzt heißt er Falschinformation (假訊息), manche benutzen aber auch einfach die direkte chinesische Übersetzung von "fake news" (假新聞). Wenn Minister Lo von "Desinformationen" (假訊息) spricht, hat er allerdings eine klare Definition, die hören wir später noch. Obwohl es in Taiwan oft um Desinformationen aus China oder zu Chinas Gunsten geht, ist das bei weitem nicht der einzige oder unbedingt der sichtbarste Teil des Problems: Als wir mit Leuten vor Ort über Desinformationen geredet haben, kamen politische Themen zwar vor - aber viele Menschen sind über Gesundheitsthemen auf das Problem aufmerksam geworden. Oft waren das Informationen, die ihre älteren Verwandten enthusiastisch untereinander geteilt haben. Auch hinter diesen Falschbehauptungen steckt oft eine Intention - nämlich der Profit der Content Farms, von denen auch Puma Shen, der Kriminologe des DoubleThink Lab in Taipeh, gesprochen hat. Ein Beispiel hat uns Robin Lee von der FactChecking-Webseite MyGoPen, erzählt. Er erinnert sich an den Anfang der Pandemie, im Frühjahr 2020: ZSP Robin Lee "Damals rannten alle Leute zum Supermarkt, um Toilettenpapier zu kaufen, weil sie Nachrichten bekamen, dass das Toilettenpapier aus dem gleichen Material wie Masken bestehe - und deshalb knapp werden könnte. Es war Chaos, kein Supermarkt hatte mehr Toilettenpapier. In Wahrheit ist das Material ein ganz anderes. Deswegen untersuchte die Polizei in Taiwan die ganze Sache, um herauszufinden, wo die Nachricht herkam, und die Spur führte zu einer PR-Firma - und die Firma hatte einen Klienten, der Toilettenpapier herstellt." An dem Beispiel sieht man sehr gut, dass es für die Konsequenzen egal ist, ob falsche Informationen bewusst oder unbewusst gestreut werden. Menschen nehmen sie ernst - und das Problem der Toilettenpapierknappheit tauchte letztendlich nicht nur in Taiwan oder in den USA auf, sondern auch hier in Deutschland. Insgesamt wird es also in dieser Folge sowohl um Des- als auch um Misinformationen gehen. Die offizielle Definition von Desinformation von Minister Lo ist ganz hilfreich, um den taiwanesischen Kontext besser zu verstehen und mit was für Problemen sich seine Taskforce beschäftigt: Es geht um falsche Informationen, die aus böswilligen Absichten geteilt und verbreitet werden und irgendeine Art von Schaden verursachen, sei es gesundheitlich, wirtschaftlich, oder indem sie das Vertrauen in die Demokratie untergraben. All das ist universell - aber was von Land zu Land unterschiedlich ist, ist das Umfeld, in dem sich Falschinformationen verbreiten. In Taiwan sind die zwei wichtigsten digitalen Dienste Facebook und Line. Facebook ist - wie hier in Deutschland - ziemlich beliebt und wird von einem Großteil der Menschen in Taiwan genutzt. Und dann ist da Line. Line ist ein japanischer Messenger, der ein bisschen wie WhatsApp funktioniert und 2020 von etwa 88 Prozent der taiwanesischen Bevölkerung unter 64 Jahren genutzt wurde. Aber gehen wir ein paar Schritte zurück und schauen uns erst einmal an, was Taiwan macht, um Desinformationen zu bekämpfen - und wie das bisher funktioniert. Um uns die offizielle Strategie zu erklären, gibt es wohl niemand besseren als Minister Lo Ping-Cheng, den wir schon gehört haben. Lo ist ein ehemaliger Menschenrechtsanwalt und jetzt für die Desinformations-Task-Force im Exekutiv-Yuan, der taiwanesischen Exekutive, zuständig. Sie koordiniert die verschiedenen Ministerien und Behörden wie das Außenministerium, das Verteidigungsministerium oder die Bildungsagentur bei ihren Maßnahmen gegen Desinformation, entwickelt Strategien und soll die aktuelle Gesetzeslage evaluieren. ZSP Lo Ping-Cheng "PengUnserer Strategie im Kampf gegen Desinformation hat aktuell vier Bestandteile: In dem ersten Teil geht es darum "falsche Informationen zu erkennen" (识假") und die Medienkompetenz der Bürgerinnen und Bürger zu stärken. Zum Teil ist das die Aufgabe des Bildungsministeriums - in den Schulen und in der gesamten Gesellschaft. Ein zweiter, weniger bekannter Bereich der Maßnahme ist es, auch die Regierungsangestellten durch Medienkompetenztrainings zu schulen. Sie nehmen an Kursen teil, in denen es um Fragen geht wie: Was sind Desinformationen? Wie verifiziert und bewertet man sie? Wie geht man mit ihnen um und wie stellt man sie richtig?" Der erste Bestandteil ist sehr langfristig angelegt. Der zweite ist deutlich kurzfristiger: ZSP Lo Ping-Cheng "Er heißt "Desinformation widerlegen, 破假." : Wir wissen, dass etwas eine Desinformation ist, aber wie gibt man bekannt, dass es Desinformation ist, und was die Wahrheit ist? Für Regierungsinstitutionen gibt es da drei wichtige Regeln: Die Klarstellung muss schnell, akkurat und effektiv sein. Denn wenn sie schnell und akkurat ist, aber niemand sie liest - das bringt ja nichts. Bei der Effektivität muss man sich auch an die Gegebenheiten und Anforderungen des Internets anpassen. Regierungsabteilungen schreiben zum Beispiel viele Pressemitteilungen, das sind sie so gewohnt - aber diese Gewohnheit muss sich ändern. Wir brauchen nicht unbedingt eine Pressemitteilung, vielleicht braucht es gerade nur zwei gute Sharepics, und das reicht." Minister Lo ist aber auch klar, dass die Regierung nicht die Instanz ist, die über Wahr und Falsch entscheidet - im Gegenteil, er betont in unserem Gespräch immer wieder, wie wichtig die Zivilgesellschaft ist. ZSP Lo Ping-Cheng "Wenn die Regierung etwas widerlegt, wird es immer einige Menschen geben, die das anzweifeln. Deswegen gibt es im besten Fall unabhängige Fact Checking Organisationen. Sie kriegen keine finanzielle Unterstützung von der Regierung, sie sind neutral und objektiv. Wenn sie Richtigstellungen veröffentlichen, können sie den Menschen helfen, den Wahrheitsgehalt einer Information besser zu beurteilen. Der dritte Bestandteil heißt 'Desinformationen eindämmen'. Denn wenn Desinformationen sich erst mal im Netz verbreiten, verbreiten sie sich unheimlich schnell. Und Menschen glauben dann eher die falsche als die richtigen Information." Lo sieht hier vor allem die Internetplattformen wie Facebook, Line, Youtube oder Twitter in der Verantwortung: Sie sollen bestimmte Inhalte selbst löschen, aber er macht sich auch Sorgen, dass dabei auch vollkommen legitime Aussagen verschwinden. Immer wieder erwähnt er im Gespräch, wie wichtig der Schutz der Meinungsfreiheit ist. Momentan ist beispielsweise in Taiwan ein neues Gesetz zu Digitaler Kommunikation in Arbeit , das Plattformen von rechtlicher Verantwortung für Postings, die die Rechte anderer Menschen verletzen, befreien könnte - aber nur unter der Bedingung, dass sie diese Inhalte löschen oder unzugänglich machen. ZSP Lo Ping-Cheng "Das ist quasi Selbstregulierung und gesetzliche Regulierung zusammen, um die Verbreitung von Desinformationen einzudämmen. Der vierte Teil der Strategie ist "Desinformation bestrafen", das ist vermutlich nicht die effektivste Methode, aber wir sollten es machen, wenn es geht. (...) Konkret geht es um falsche Informationen, die mit böswilligem Vorsatz verbreitet werden und Schaden verursachen." Er hat auch direkt ein Beispiel parat, wie Falschinformationen mit böser Absicht aussehen könnten: Während Taiwans erstem großen Covid19-Ausbruch im Mai 2021 hatten die Menschen Angst davor, mit Infizierten in Kontakt zu kommen. Da gab es Menschen, die aus Wut auf ein Geschäft die falsche Information verbreitet haben, dass sich dort jemand infiziert hätte - woraufhin viele nicht mehr hingingen. Das Geschäft hatte einen klaren wirtschaftlichen Schaden erlitten. Eine Straftat ist die Verbreitung solcher Gerüchte aber nicht. Auch gegen solche Desinformationen kämpft die Taskforce des Ministers. Um solche Probleme zu lösen, passt die taiwanesische Regierung gerade nach und nach Gesetze an. So verbietet eine neue Änderung des "Gesetzes über den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen" die Verbreitung von Gerüchten oder Falschinformationen, die den Preis von landwirtschaftlichen Produkten beeinflussen. Andere Änderungen haben es auf die Verbreitung von Falschinformationen zu Katastrophen oder nuklearen Unfällen abgesehen, deren Verbreitung dafür sorgt, dass Menschen Schaden nehmen. Trotz aller Vorsicht sieht der Minister allerdings doch ein paar Verbesserungen: Bei den Lokal- und Landtagswahlen 2018 waren viele Taiwanesinnen und Taiwanesen von den vielen Desinformationen schockiert und waren bei den Präsidentschaftswahlen zwei Jahre später dann deutlich mehr auf der Hut. Insgesamt beschreibt Lo seine Arbeit und den Kampf der taiwanesischen Regierung gegen Desinformation als einen Prozess, der noch lange nicht abgeschlossen ist. Er sagt es mit einer chinesischen Redewendung: "Den Fluss überqueren, indem man nach den Steinen fühlt" - ein vorsichtiger, langsamer Prozess, bei dem man den richtigen Weg noch nicht kennt, aber ihn durch Ausprobieren nach und nach findet. Und hoffentlich letztendlich auf die andere Seite kommt. Dabei sieht er Taiwan in guter Gesellschaft, denn: ZSP Lo Ping-Cheng "Alle Länder arbeiten gerade an diesem Problem der Desinformation, aber die eine Lösung, den Goldstandard, gibt es einfach noch nicht." Auch, wenn es noch keinen klaren Weg vorwärts gibt, hat Lo für sich aus seiner langjährigen Arbeit schon einen wichtigen Schluss gezogen: ZSP Lo Ping-Cheng "Letztendlich glaube ich nicht, dass das ein Problem ist, dass Regierungen einfach alleine lösen können." Er hofft stattdessen, dass die taiwanesische Gesellschaft eine Art Immunität entwickeln kann. [22:22] ZSP Lo Ping-Cheng "Letztlich ist Medienkompetenz unheimlich wichtig, denn nur so können alle gemeinsam die Fähigkeit entwickeln, Desinformation vorzubeugen. Das kann man nicht machen, in dem man Leute durch Strafverfolgung zur Verantwortung zieht oder Desinformationen durch Gesetze bekämpft, denn diese Mittel geraten schnell mit der Meinungsfreiheit in Konflikt, die in unseren beiden Ländern ein sehr hohes Gut ist. Gesetze sind wichtig, aber sie sind nicht die einzige Lösung oder das Allheilmittel." In der Gesellschaft verankerte Medienkompetenz kann man auch als eine Art Widerstandsfähigkeit gegen Desinformation beschreiben. Oder "Resilienz", wie man in der Wissenschaft gern dazu sagt. Das Wort "Resilienz" gibt es schon länger in der Materialwissenschaft, da sagt es aus, wie widerstandsfähig ein Material ist, und auch in der Psychologie, wie widerstandsfähig eben ein Mensch ist. Dieses Konzept kann man aber auch auf eine Gesellschaft übertragen, das ist dann die "demokratische Resilienz". Und jetzt wechseln wir kurz von Taiwan nach Deutschland. Denn an der Universität Münster sitzt eine Forschungsgruppe, die sich demokratische Resilienz im Internet anschaut . Das Team besteht aus Forschenden der Kommunikationswissenschaft und Wirtschaftsinformatik. Einer von ihnen ist Tim Schatto-Eckrodt. ZSP Tim Schatto-Eckrodt "Wir versuchen herauszufinden, wie man es am besten schafft, dass Bürgerinnen und Bürger möglichst gut darauf vorbereitet sind, sich in der Realität des Medienwandels und der aktuellen Medienrealität, sich im öffentlichen Diskurs zu bewegen und möglichst gut darauf vorbereitet zu sein, was möglicherweise mit ihnen passiert." Zentral für die Widerstandsfähigkeit einer Demokratie sind laut der Forschungsgruppe die Bürgerinnen und Bürger. Medienkompetenz ist der wichtigste Baustein: ZSP Tim Schatto-Eckrodt "Weil die Medienkompetenz sozusagen das erste Rüstzeug ist gegen mögliche Manipulationsversuche. Allein, dass das Mediennutzer*innen wissen, wie Journalismus in Deutschland funktioniert, dass Mediennutzer*innen wissen, wer wie sendet, auf welchen Kanälen und auch was sozusagen einer eine Objektivitätspflicht irgendwie unterliegt und was nicht. Und wo der Unterschied ist zwischen einem kleinen, von einer Person geführten privaten Medium und einer großen Tageszeitung." Für die demokratische Resilienz ist es auch gut, sagt Schatto-Eckrodt, wenn Menschen sich erst mal darüber im Klaren sind, dass Desinformation existiert und zum Problem werden kann. Dass es online Akteure gibt, die Meinungen beeinflussen wollen, oder uns sogar schaden wollen. Und: dass Menschen dann auch selbst aktiv werden, zum einen sich selbst hinterfragen und zum anderen anderen von Desinformation erzählen. In dem Forschungsprojekt geht es vor allem um die Situation in Deutschland, und hier sieht es gar nicht so schlecht aus. ZSP Tim Schatto-Eckrodt "Grundsätzlich haben wir irgendwie in Deutschland auch ein ganz okayes Level an Diskursräumen. Wir haben jetzt nicht so eine krass polarisierte Öffentlichkeit, wie es zum Beispiel in den USA der Fall ist, wo es so sehr starke Lagerbildung gibt." Ausbaufähig ist es aber schon noch - gerade, was den wichtigen Faktor Medienkompetenz angeht. Da hat die Stiftung Neue Verantwortung, von der ihr schon in der zweiten Folge im Podcast gehört habt, im März 2021 erst eine Studie dazu veröffentlicht . Für die Studie wurden über 4000 Personen in Online-Interviews befragt, die Stichprobe ist repräsentativ für die deutschsprachige Bevölkerung mit Internetzugang in Deutschland. Teilweise machen die Ergebnisse nicht gerade Mut in Sachen Medienkompetenz. In der Befragung konnte beispielsweise über die Hälfte Werbung nicht von Information unterscheiden, ein Drittel hat Falschinformationen für echte Infos gehalten. Und - zwar gibt es auf einigen Plattformen mittlerweile Versuche, Desinformation zu kennzeichnen, die meisten Befragten haben das aber gar nicht gesehen oder verstanden, worum es bei dieser Kennzeichnung geht. Prinzipiell helfen solche Kennzeichnungen aber schon, wenn Leute sie erkennen und sich daran gewöhnt haben. Dann haben diese Hinweise zumindest eine gewisse Wirkung. Auch kurze Hinweise können helfen, die zum Beispiel auftauchen, bevor jemand in den sozialen Netzwerken etwas teilt. Studien zeigen: Gibt man Menschen die Chance, noch einmal kurz nachzudenken, etwa durch so einen Hinweis, werden weniger Falschinformationen geglaubt und verbreitet. Wir haben vorhin schon gehört, dass in Taiwan die Regierung versucht, in Schulen und der Gesamtgesellschaft die Medienkompetenz zu verbessern und Taiwans Demokratie so resilienter zu machen, wie Schatto-Eckrodt es wohl beschreiben würde. Gleichzeitig hat Minister Lo auch Faktenchecks durch Regierungsinstitutionen erwähnt, die auf Pressekonferenzen bekannt gegeben oder im Internet veröffentlicht werden, um Falschinformationen zu widerlegen. Ein besonders prominentes Beispiel stammt aus dem Beginn der Pandemie, als in Taiwan das Toilettenpapier knapp wurde: Premierminister Su Tseng-chang erinnerte die Öffentlichkeit daran, dass wir alle "nur einen Hintern" haben, und Hamsterkäufe von Toilettenpapier daher unnötig seien. Aber seit einigen Jahren schon gibt es in Taiwan auch zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich dem gleichen Ziel verschrieben haben wie die Regierung: dem Kampf gegen Desinformation. [25:49] Eine besonders bekannte Factchecking-Plattform ist MyGoPen, die 2015 ganz klein und persönlich anfing, wie Projektmanager Robin Lee berichtet: ZSP Robin Lee "Es ging damit los, dass unser Gründer seinem Schwiegervater mit seinem Telefon half. Er war überrascht, wie viele Falschinformationen er auf seinem Telefon sah, besonders auf Line, eine der beliebtesten Messenger-Apps in Taiwan. Dabei stellte er fest, dass die Informationen von Content Farms kamen, und falsch waren. Er fand auch heraus, dass viele ältere Leute in Taiwan in Onlinegruppen sind, in denen sie sehr viele Falschinformationen von diesen Content Farms geschickt bekommen. Und dann hat er MyGoPen gestartet: Um korrekte Informationen für ältere Menschen zu veröffentlichen, damit sie keinen Schaden durch die Falschinformationen erleiden. Am Anfang hat er nur seinem Schwiegervater und dessen Freundeskreis geholfen, von denen ihn immer mehr Leute als Freund auf Line hinzufügten, um ihm Informationen zu schicken und zu fragen: Ist das jetzt wahr? Dann hat er ihnen quasi geholfen, Ärztinnen und Ärzte oder andere relevante Expertinnen und Experten zu kontaktieren, um die Informationen zu verifizieren." Die Anfragen wuchsen immer weiter, sodass MyGoPen schon 2016 seine erste Webseite aufbaute, auf der die widerlegten Behauptungen und die Richtigstellungen veröffentlicht wurden. Im Kern bot die Seite aber einen persönlichen Service an: Nutzerinnen und Nutzer konnten fragen, ob die Gruppe eine bestimmte Nachricht verifiziert hatte. Falls ja, schickten sie die Erklärung zurück, falls nicht, forschte jemand der neuen Nachricht hinterher. 2018 kam dann Robin Lee an Board und entwickelte einen Bot, der den Prozess automatisierte und bei bekannten Artikeln direkt die Richtigstellung zurück schickte, die erklärt, was an dem Artikel falsch ist. Mittlerweile hat MyGoPen nach eigenen Angaben 400.000 Nutzerinnen und Nutzer in der Chat-App Line und erhält pro Tag zwischen 500 und 1000 Links zu Nachrichten, die jemand für falsch hält. Bis zu 70 Prozent dieser Nachrichten hat MyGoPen meist schon debunkt, also widerlegt. Viele Falschmeldungen werden also wieder und wieder verbreitet. Lee zufolge finanziert die Seite sich vor allem aus den Lizenzgebühren für ihre Factchecks, die unter anderem Yahoo! und Line zahlen, und zu einem kleineren Anteil aus Spenden. Die sechs Angestellten von MyGoPen, die in ganz Taiwan verteilt arbeiten, sind auch nicht alleine bei ihrer Sisyphos-Arbeit: Neben ihnen gibt es sowohl reine Freiwilligenorganisationen wie das Cofacts-Kollektiv , das aus der Open Data-Szene kommt, als auch das Taiwan Fact Checking Center , das zu den Präsidentschaftswahlen 2020 sogar mit Facebook kooperiert hat, um Desinformationen im Wahlkampf zu bekämpfen. Doch selbst Robin Lee ist nicht besonders optimistisch, was die Rolle von Fact Checking als Lösung des Desinformationsproblems angeht: ZSP Robin Lee "Das ist so ein Kampf, der nie endet - auch wenn du etwas schon widerlegt und die harten Fakten hast, auch wenn die gesamte Beweislast zeigt, dass ein Artikel unwahr ist, gibt es immer noch Leute, die das glauben." Für die Wirkungsmacht von Fact Checks gibt es schon erste Forschung aus Taiwan: Der Politikwissenschaftler Austin Wang hat mit einem Experiment versucht, herauszufinden, wie Taiwanesinnen und Taiwanesen auf Fact Checks reagieren. Dabei hat er festgestellt, dass Nutzerinnen und Nutzer auf einer Messenger-Plattform wie Line vor allem Fact Checks weiterleiten, die ihre eigene politische Einstellung bestätigen. In einem öffentlichen Forum wie Facebook, wo sie sich vielleicht stärker beobachtet fühlen, teilen sie allerdings eher Fact Checks, die ihrer eigenen politischen Einstellung zuwiderlaufen. Fact Checks können also helfen, aber gerade bei politischen Themen geraten sie in Taiwan der Studie nach an ihre Grenzen. Wang hatte als Beispiel einen fiktiven Sexskandal benutzt, der wahlweise der Regierungspartei DPP oder der Oppositionspartei KMT zugeschrieben wurde. Einen Hoffnungsschimmer hat Robin Lee jedoch, denn ähnlich wie Minister Lo sieht er eine Verbesserung: ZSP Robin Lee "Im Vergleich zu vor ein paar Jahren würde ich schon sagen, dass die Situation in Taiwan deutlich besser ist, weil mehr Leute ein Bewusstsein für Desinformation haben. Deswegen denken sie vielleicht etwas länger nach, bevor sie etwas an andere weiterleiten. Aber um ehrlich zu sein haben wir noch einen langen Weg vor uns." Nicht gut genug, sagt der Fact Checker. Aber wie könnte es besser werden? Hier kommt die Medienkompetenz ins Spiel, von der auch schon Minister Lo und Schatto-Eckrodt gesprochen haben: wir brauchen sie, um die demokratische Resilienz zu stärken und uns gegen Desinformation zu wehren. Aktuell wird viel in diese Richtung geforscht: Menschen vor Desinformation zu schützen, bevor sie ihnen begegnen. "Inoculation" wird das in der Forschung genannt, das kann man mit "Impfung" übersetzen. Die Idee dahinter ist, Menschen gegen Falschinformationen zu impfen, bevor sie ihnen begegnen. Sodass sie dann sozusagen immun sind, wenn sie online tatsächlich etwas lesen, das falsch ist, und nicht darauf hereinfallen. [31:55] Aber wie kann man das anstellen? Da gibt es viele Möglichkeiten, Artikel zum Beispiel, oder kurze Postings in den sozialen Netzwerken, die das Wichtigste zusammenfassen. Besonders effektiv ist aber etwas anderes, und zwar interaktive Formate wie Online-Games . Eines der bekanntesten Online-Spiele in diesem Themenfeld heißt "Bad News" , also wörtlich übersetzt "Schlechte Nachrichten". Entwickelt wurde es vom Social Decision-Making Lab der Universität Cambridge in Großbritannien. Dort beschäftigen sich Psychologinnen und Psychologen damit, wie Menschen kommunizieren, Entscheidungen treffen und Urteile fällen. Ein Fokus der Forschenden: Falschinformationen im Internet. Bei "Bad News" sollen die Spielerinnen und Spieler selbst versuchen, erfolgreich Desinformation zu verbreiten. ZSP Jon Roozenbeek "Die Idee dabei ist, dass Sie sich in die Lage der Person versetzen, die Falschinformationen erfindet. Wie würde ich vorgehen, wenn ich ein Produzent von Falschinformationen wäre? Wie könnte ich die meisten Leute überzeugen? Dieser Perspektivenwechsel ist sehr nützlich, denn dann fängt man an, zu verstehen, wie die andere Seite denkt." Das war Jon Roozenbeek. Er ist Psychologe an der Universität Cambridge, und hat "Bad News" mitentwickelt. Man kann das Spiel im Browser aufrufen, unter getbadnews.de gibt es eine deutsche Version. Es gibt einen Spielleiter, der nach einer kurzen Begrüßung fragt: ZSP "Du willst mit Desinformationen das Internet aufmischen, oder?" Ich klicke auf "Genau!", und der Spielleiter schlägt mir vor, doch erst mal meinen Frust auf Twitter auszulassen. Ich stimme zu, er schlägt mir ein paar Tweets vor, die ich veröffentlichen kann. Ich entscheide mich für: ZSP "Diese Regierung hat komplett versagt! #auflösen Gescheiterte Loser!" … und tatsächlich bekomme ich ein paar neue Follower. Gleichzeitig blinkt aber ein rotes Licht, meine Glaubwürdigkeit ist im Keller. Das will der Spielleiter als nächstes angehen. Je weiter ich in dem Spiel komme, desto mehr wächst meine Followerzahl, meine Glaubwürdigkeit steigt. Zwischendurch weist mich der Spielleiter quasi nebenbei auf Strategien hin, die echte Desinformations-Accounts nutzen. Wie man’s macht: echte Accounts nachahmen, und den Nutzernamen nur leicht verändern. Wenn man nicht genau hinschaut, könnte man meinen Fake-Account mit dem echten verwechseln. Jon Roozenbeek hat mit seinem Kollegen Sander van der Linden das Spiel mittlerweile in mehreren Studien getestet. Und festgestellt: Nach dem Spielen erkennen Menschen Falschinformationen deutlich besser. ZSP Jon Roozenbeek "Wenn Sie gar nichts tun, wissen wir, dass die Wirkung mindestens eine Woche lang anhält, und höchstens 13 Wochen. In einer anderen Studie haben wir den Teilnehmenden sehr kurze Erinnerungshilfen gegeben, und zwar in verschiedenen Abständen. Und wenn man sie etwa alle zwei Wochen daran erinnert, bleibt der Effekt für 13 Wochen oder länger signifikant." Wenn ein Effekt in der Psychologie länger als 13 Wochen hält, ist das schon ziemlich lang, sagt Roozenbeek. Noch ein Vorteil: Das Spiel "impft" sozusagen nicht gegen einzelne Verschwörungstheorien oder Falschinformationen. Sondern bringt den Spielenden bei, die Strategien dahinter zu erkennen. Das ist bei der Masse an Falschinformationen, die im Internet herumschwirrt, deutlich effektiver, sagt Roozenbeek. Das ist auch die Strategie, die John Cook mit seiner Forschung verfolgt. Er ist Kognitionswissenschaftler an der Monash Universität in Melbourne in Australien. ZSP John Cook "Eines der stärksten Elemente der logikbasierten "Impfung" ist, dass sie themenübergreifend funktioniert. In meinen Studien habe ich herausgefunden, dass eine "Impfung" in einem Thema, zum Beispiel Falschinformationen über Tabak, auch dann wirkt, wenn die Menschen in einem anderen Thema wie dem Klimawandel auf die gleichen irreführenden Techniken stoßen. Das heißt also, wenn man Menschen für allgemeine Techniken der Irreführung sensibilisieren kann, können sie das bei jedem Thema erkennen, ob es sich nun um Klimawandel oder um Impfungen oder COVID-19 oder einfach um alltägliche Argumente handelt." [36:46] In seiner Forschung hat John Cook daran gearbeitet, diese Strategien von Desinformation zu sortieren, Kategorien zu finden, ihnen einen Namen zu geben. ZSP John Cook "Um die verschiedenen Möglichkeiten zu verstehen, wie Falschinformationen in die Irre führen können, braucht man ein System. Und ein wirklich nützliches System ist der FLICC-Framework - auf Deutsch PLURV. PLURV steht für die fünf Hauptkategorien der Wissenschaftsleugnung. Pseudo-Experten, Logikfehler, unerfüllbare Erwartungen, Rosinenpickerei und Verschwörungsmythen. Diese PLURV-Kategorien kennen spätestens seit einer Podcast-Episode mit Christian Drosten auch viele Menschen, die sich vorher noch nicht so viel mit Desinformation beschäftigt haben. Denn mit dem Coronavirus gab es plötzlich ein Thema, bei dem man auch als Laie eigentlich gar nicht mehr daran vorbeikam, sich mit Falschinformationen und Verschwörungsmythen zu beschäftigen. ZSP Corona-Virus Update "Diese Hauptlinien der Wissenschaftsleugnung sind bekannt, analysiert, schon aus dem Hintergrund der Klimaforschungsleugner heraus. Das ist ein Phänomen, das schon seit langer Zeit besteht und das auch inhaltlich und von den Prinzipien erkannt worden ist. Das ist dieses PLURV-Prinzip, dass wir hier vielleicht mal anhand von öffentlichen Argumenten besprechen sollten." Cook hat mittlerweile unzählige Unterkategorien erarbeitet, zum Beispiel gibt es eine ganze Reihe von Logikfehlern, die Menschen machen können. Auch dafür gibt es ein Spiel: Es heißt Cranky Uncle , funktioniert auf dem Smartphone oder im Browser. Dort kann man lernen, wie die verschiedenen Strategien der Wissenschaftsleugner genau aussehen. Bei Cranky Uncle geht es also darum, dass die Spielerinnen und Spieler lernen, wie bei Falschinformationen argumentiert wird. Im besten Fall können sie später auch online oder in persönlichen Diskussionen erkennen: Moment, diese Strategie kenne ich doch schon. Bei Bad News geht es eher darum zu lernen, wie Falschinformationen online verbreitet werden. Wenn man im eigenen Feed, beispielsweise bei Facebook oder Twitter, dann eine Meldung entdeckt, die irgendwie komisch wirkt, kann man nach dem Spiel besser einschätzen, ob sie vielleicht falsch ist. Letzten Endes geht es immer darum, die Medienkompetenz der Menschen zu steigern. Das ist wirklich ein effektiver Weg gegen Falschinformationen, denn so haben die immer weniger Chance, überhaupt geglaubt und weiterverbreitet zu werden. Ok. Wir haben es ja am Anfang schon gesagt: Zum Glück gibt es über Desinformationsbekämpfung so viel zu erzählen, dass wir in der nächsten Folge gleich weitermachen. Da geht es dann wirklich ins Finale dieser kleinen Serie. Wir sprechen darüber, wie Taiwan, Deutschland und internationale Organisationen Menschen auf Falschinformationen vorbereiten wollen und nach Lösungen suchen. [39:47] Und wir werfen einen Blick in die Zukunft - wie könnten soziale Netzwerke aussehen, in denen die Lage besser ist? ZSP Philipp Lorenz-Spreen "Man überlegt sich, ob die Newsfeed Architektur, wie sie momentan ist, richtig ist. Ich habe zum Beispiel immer so eine Idee im Kopf, dass man besser nachverfolgen kann, woher ein bestimmter Post Original mal kam und so die Historie besser zu verstehen, so dass mir einfach transparenter und klarer wird, dass vielleicht bestimmte Nachrichten, die so wirken, als würden die von meinen Freunden kommen, doch eher mehr aus dem Rand des Netzwerks kommen, mit dem ich mich gar nicht so sehr identifizieren will." Aber das erst in der nächsten Folge. Diese Folge wurde geschrieben von Katharin Tai und Lena Puttfarcken. Redaktion BPB: Marion Bacher. Audio-Produktion: Simone Hundrieser Fact-Checking: Karolin Schwarz. "Netz aus Lügen - die globale Macht von Desinformation" ist ein Podcast der Bundeszentrale für politische Bildung, produziert von Kugel und Niere. Produktionsjahr 2022. Die Folgen stehen unter der Creative Commons Lizenz und dürfen unter Nennung der Herausgeberin zu nichtkommerziellen Zwecken weiterverbreitet werden. Ich bin Ann-Kathrin Büüsker und wenn ihr Feedback zu dieser Folge habt, schreibt uns gerne unter E-Mail Link: podcast@bpb.de. Und falls ihr noch nicht abonniert habt, tut das doch mal schnell. Bis zum nächsten Mal!
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2023-01-24T00:00:00"
"2022-02-14T00:00:00"
"2023-01-24T00:00:00"
https://www.bpb.de/themen/medien-journalismus/digitale-desinformation/desinformation-der-globale-blick/505114/podcast-netz-aus-luegen-der-ausweg-7-8/
Taiwan wird oft als Musterschülerin in Sachen Desinformationsbekämpfung beschrieben. Doch trägt diese Erzählung? Was macht der Inselstaat in Ostasien anders und woraus können wir hier in Deutschland vielleicht lernen? In der siebten Folge schauen wir
[ "Podcast Netz aus Lügen", "Desinformation", "Taiwan" ]
30,753
Chronik: 7. Dezember 2020 bis 24. Januar 2021 | Ukraine-Analysen | bpb.de
7.12.2020 Das ukrainische Außenministerium äußert sich positiv über den Entschluss des Europarates, einen neuen globalen Mechanismus zur Verhängung von Sanktionen gegen für Menschenrechtsverletzungen verantwortliche Personen, Organisationen und Körperschaften, insbesondere Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen einzuführen. Dieser Mechanismus werde es ermöglichen, Russland effektiv und systematisch für solche Verstöße in den besetzten Gebieten der Ukraine zur Verantwortung zu ziehen, stellt das ukrainische Außenministerium fest. 7.12.2020 Laut dem ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba unterstreicht die neue Resolution der UN-Generalversammlung zur annektierten Krim "Das Problem der Militarisierung der Autonomen Republik Krim und der Stadt Sewastopol in der Ukraine sowie von Teilen des Schwarzen und des Asowschen Meeres" die Unveränderlichkeit der Position der internationalen Gemeinschaft zur Besetzung ukrainischer Territorien durch Russland und wird dazu beitragen, den Druck auf Russland zu erhöhen. 7.12.2020 Der ukrainische Wirtschaftsminister Ihor Petraschko gibt bekannt, dass das Bruttoinlandsprodukt des Landes im Jahr 2020 um fünf Prozent sinken wird. Dies sei auf die Covid-19-Pandemie und die Situation in der Landwirtschaft zurückzuführen. Für das Jahr 2021 prognostiziert das Wirtschaftsministerium ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts der Ukraine um 4,6 Prozent. 8.12.2020 Ein Gesetzesentwurf über Änderungen des Gesetzes "Zur Prävention von Korruption" ist in der Werchowna Rada registriert worden. Einer der Vorschläge ist die Wiederherstellung der Befugnisse der Nationalen Agentur zur Prävention von Korruption und die Reglementierung dieser Befugnisse in Bezug auf Richter*innen des Verfassungsgerichts zwecks Garantie ihrer Unabhängigkeit. Außerdem soll der Zugang zum allgemeinen staatlichen Register der Steuererklärungen von staatlichen Beamt*innen und Vertreter*innen der lokalen Selbstverwaltung rund um die Uhr gewährleistet werden. 9.12.2020 Der Vertreter des Außenministers der Ukraine, Jewgenij Jenin, teilt mit, dass der Iran seinen früheren Vorschlag zur finanziellen Entschädigung den Familien der Opfer des Flugzeugabsturzes von Ukraine International Airlines zurückgezogen habe. Im Budget des Nationalen Entwicklungsfonds des Irans für das Jahr 2021 wurden die vorher für die Kompensierungen geplanten Mittel in Höhe von 200 Millionen Euro nicht berücksichtigt. Laut Jewgenij Jenin haben die Verhandlungen mit dem Iran über die Höhe der Entschädigung noch nicht begonnen. 9.12.2020 Die Regierung beschließt die Durchführung der ukrainischen Volkszählung im Jahr 2023 statt 2021 wegen der Quarantäne und finanzieller Einschränkungen. 10.12.2020 Nach Angaben des Stabes der vereinigten Streitkräfte verstießen russische Besatzungstruppen sechs Mal gegen den Waffenstillstand in den besetzten ukrainischen Gebieten. Insbesondere gab es Schüsse auf die Positionen der ukrainischen Militärkräfte in der Nähe von Wodjane und Awdijiwka. Die ukrainische Seite reagierte nicht. Es gab keine Verwundeten. 10.12.2020 Angesichts der Krise, die sich aus der Entscheidung des Verfassungsgerichts zur Abschaffung einiger Antikorruptionsgesetze ergeben hat, empfiehlt die Venedig-Kommission der Ukraine, Änderungen im Gesetz über das Verfassungsgericht vorzunehmen. Unter anderem wird empfohlen, das Gericht zu verpflichten, jede Bestimmung der Gesetzgebung, die es für verfassungswidrig erklärt, zu begründen und ein Gremium einzurichten, das die Kandidat*innen für die Position des Richters oder der Richterin des Verfassungsgerichts überprüft. 11.12.2020 Die ukrainische Journalistin und Dokumentarfilmerin Tajisija ​​Kutusowa bekommt den Preis der Nationalen Beratungskommission für Menschenrechte Frankreichs für ihren Film über den Kampf gegen die Korruption in der Ukraine. Dies teilt die Botschaft der Ukraine in Frankreich mit. 11.12.2020 Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) schließt eine vorläufige Untersuchung zur Lage in der Ukraine in Bezug auf den internationalen bewaffneten Konflikt im Donbas und der annektierten Krim ab. Als Nächstes soll die Gerichtskammer der Staatsanwaltschaft des IStGH beschließen, eine umfassende Untersuchung der Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Rahmen eines bewaffneten Konflikts einzuleiten. 12.12.2020 Das ukrainische Außenministerium äußert sich gegen die Erweiterung der Liste der ukrainischen Personen, für die die Regierung der Russischen Föderation am Vortag sogenannte "Sonderwirtschaftsmaßnahmen" einführte. Zudem kündigt es an, geeignete Reaktionsmaßnahmen gemäß den Normen und Grundsätzen des Völkerrechts zu ergreifen. 13.12.2020 Zum ersten Mal seit sechs Jahren wird der reguläre tägliche Zugverkehr von Kyjiw nach Awdijiwka nahe der Zone des bewaffneten Konflikts im Gebiet Donezk wieder aufgenommen, berichtet der Minister für Infrastruktur Wolodymyr Kryklij. 14.12.2020 Laut einer repräsentativen soziologischen Umfrage des Rasumkow-Zentrums bezeichnen 42 Prozent der Befragten den Präsidenten Wolodymyr Selenskyj als eine "Enttäuschung des Jahres 2020". Etwa 20 Prozent der Befragten halten ihn hingegen für einen "Politiker des Jahres 2020" (im vergangenen Jahr waren es 46 Prozent). 15.12.2020 Die Werchowna Rada verabschiedet in zweiter Lesung den Gesetzesentwurf über den Haushalt der Ukraine für das Jahr 2021. Nach Angaben des Finanzministers, Serhij Martschenko, stiegen die Einnahmen zugunsten des Staatshaushalts um 20,9 Milliarden Hrywnja und werden eine Höhe von insgesamt 1,092 Billionen Hrywnja erreichen. Ausgaben sind in Höhe von 1,347 Billionen Hrywnja vorgesehen. Unter anderem werden die vorgesehenen Ausgaben für das Präsidialamt um 39 Prozent im Vergleich zum Vorjahr steigen, für das Amt des Generalstaatsanwalts um 46 Prozent und für das Staatliche Investigationsbüro um 67 Prozent. 16.12.2020 Die Werchowna Rada billigt das Gesetz über die Ratifizierung des Abkommens über politische Zusammenarbeit, Freihandel und strategische Partnerschaft zwischen der Ukraine und Großbritannien, das das Assoziierungsabkommen im Handel mit Großbritannien nach dem Brexit ersetzen wird. 16.12.2020 Die Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet die Resolution "Die Menschenrechtssituation in der Autonomen Republik Krim und in der Stadt Sewastopol in der Ukraine". Dem ukrainischen Außenminister, Dmytro Kuleba, zufolge spiegeln die neuen Elemente der Resolution zahlreiche Tatsachen über massive Menschenrechtsverletzungen auf der vorübergehend besetzten Halbinsel wider. Das Dokument definiert die Illegitimität der Organe und das Beamtentum der Russischen Föderation auf der Krim und legt erstmals auf UN-Ebene fest, diese nur als "Besatzungsmacht der Russischen Föderation" zu betrachten. 17.12.2020 Der Europarat billigt eine sechsmonatige Verlängerung der Wirtschaftssanktionen gegen Russland im Zusammenhang mit der Lage in der Ukraine bis zum 31. Juli 2021. Dies teilt der Pressedienst des Europarates mit. 17.12.2020 40 belarusische Technologieunternehmen und ca. 2.000 IT-Mitarbeiter*innen sind in die Ukraine gezogen, nachdem Proteste gegen die falsifizierten Präsidentschaftswahlen in Belarus ausbrachen. Um die Rekrutierung belarusischer IT-Arbeitskräfte zu erleichtern, wurden seitens der Ukraine Unterstützungspläne bezüglich der Gehälter, Steuern und Arbeitserlaubnisse erarbeitet. Dies führte zur Übergabe einer Protestnote an den ukrainischen Botschafter in Belarus. 17.12.2020 Die Werchowna Rada unterstützt die Kandidatur von Serhij Schkarlet um den Ministerposten für Bildung und Wissenschaft. Zum Minister für Agrarpolitik und Ernährung der Ukraine wird Roman Leschtschenko ernannt. Ministerin für Veteranenangelegenheiten ist Julia Laputina geworden. 18.12.2020 Der Verteidigungsminister der Ukraine, Andrij Taran, teilt mit, dass Russland sich auf die Stationierung von Nuklearwaffen auf der besetzten Krim vorbereitet. Er weist auf die große Gefahr für die Wirtschaft der Ukraine, der Türkei und anderer europäischer Staaten hin, die sich durch die von Russland angestrebte Dominanz im Schwarzmeer-Raum ergäbe. 18.12.2020 In der Nähe von Nigerias Küste greifen Piraten das Schiff "Stevia" unter der Flagge Kameruns an und nehmen acht Besatzungsmitglieder als Geiseln, darunter sechs mit ukrainischer Staatsangehörigkeit, berichtet das ukrainische Außenministerium. Es versichert die volle Aufmerksamkeit der regionalen ukrainischen Botschaften, um eine möglichst schnelle Befreiung der Geiseln zu erreichen. 19.12.2020 Vor dem UN-Rat berichtet die erste stellvertretende Außenministerin der Ukraine, Emine Dscheppar, dass die russischen Behörden ihre Unterdrückungskampagne auf der besetzten Krim fortsetzen, vor allem gegen die Krimtatar*innen. Die Diplomatin stellt außerdem fest, dass Russland trotz der Anforderungen der vierten Genfer Konvention keine Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie auf der Halbinsel ergreift, militärische Massenveranstaltungen durchführt, einschließlich illegaler Wehrpflicht, und die tatsächlichen Daten über die Anzahl der Patient*innen und Todesfälle verbirgt. 20.12.2020 Präsident Wolodymyr Selenskyj gibt bekannt, er würde nicht zustimmen, die Bestimmungen über den Kurs der Ukraine für die NATO-Mitgliedschaft aus der Verfassung zu streichen, wenn dies der "Preis für den Frieden" in Donbas wäre. 21.12.2020 Die Mission des Internationalen Währungsfonds beginnt in der Ukraine mit der Überarbeitung des Stand-by-Kooperationsabkommens. Aufgrund der Covid-19-Pandemie wird die Mission im Online-Format ausgeführt, teilt der Leiter der Nationalbank der Ukraine, Kyrylo Schewtschenko, mit. 22.12.2020 Der ehemalige Exekutivdirektor von Naftogaz, Jurij Witrenko, ist von der Regierung zum Energieminister ernannt worden. 23.12.2020 Präsident Wolodymyr Selenskyj unterzeichnet das Gesetz zur Wiederherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit für ungenaue Steuererklärungen. Relevante Änderungen werden im Strafgesetzbuch und in der Strafprozessordnung vorgenommen, um die Gesetzeslücken zu beseitigen, die sich aus der Entscheidung des Verfassungsgerichts vom 27. Oktober ergeben. Das Gesetz sieht Geldstrafen und Einschränkungen der Freiheit vor. 24.12.2020 Das Minister*innenkabinett bereitet einen Gesetzentwurf zur Wiederaufnahme der Privatisierung großer staatlicher Unternehmen vor. Der Privatisierungsplan sieht vor, im nächsten Jahr fast 500 Millionen US-Dollar für den Haushalt einzunehmen. Zum Verkauf an Investor*innen werden folgende Objekte gestellt: fünf Wärmekraftwerke, drei regionale Kraftwerke, das ehemalige bolschewistische Kraftwerk, das Hafenwerk in Odesa, die United Mining and Chemical Company und das Kyjiwer Präsident Hotel. 25.12.2020 Der selbst ernannte belarusische Präsident Aljaksandr Lukaschenka äußert sich dazu, dass angeblich eine große Anzahl von Waffen aus der Ukraine nach Belarus geschmuggelt werden. Das ukrainische Außenministerium dementiert diese Worte und bezeichnet die Rhetorik über die Einmischung von außen als eine Einschüchterungspolitik gegenüber dem belarusischen Volk. 25.12.2020 Im Falle eines von der besetzten Krim ausgehenden russischen Angriffs auf die Ukraine würde ein Krieg in vollem Umfang beginnen. Der Präsident Wolodymyr Selenskyj äußert sich in einem Interview dahingehend, dass alle verfügbaren Personen mobilisiert werden würden: sowohl Männer als auch Frauen. Damit stößt er auf scharfe Kritik des stellvertretenden Sekretärs des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates Serhij Kriwonos. 27.12.2020 Premierminister Denys Schmyhal berichtet, dass die Industrieproduktion im November dieses Jahres wieder auf das Niveau von November 2019 zurückgekehrt sei. Ihm zufolge wüchse die Branche im Vergleich zum Oktober um fast 1,5 Prozent. Dank der umfassenden Unterstützungsprogramme, insbesondere des Maschinenbaus, und der im Staatshaushalt 2021 vorgesehenen finanziellen Unterstützung würden weitere Impulse für das Wachstum gesetzt. 28.12.2020 Präsident Wolodymyr Selenskyj unterzeichnet den Staatshaushalt für das Jahr 2021. Die Ausgaben sollen umgerechnet 46,5 Milliarden US-Dollar und die Einnahmen 38,2 Milliarden US-Dollar betragen. Das Defizit von 8,3 Milliarden US-Dollar soll 5,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes betragen, das auf 150 Milliarden US-Dollar prognostiziert wird. 29.12.2020 Präsident Wolodymyr Selenskyj beruft eine Sitzung des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates ein, um sich mit der Frage der Überwindung der Verfassungskrise zu befassen. Er unterzeichnet ein Dekret über die Abberufung des Vorsitzenden des Verfassungsgerichts der Ukraine Oleksandr Tupitsky für einen Zeitraum von zwei Monaten. Diese Entscheidung führt zu einer Konfrontation mit dem Verfassungsgericht, das das vom Präsidenten erlassene Dekret für gesetzwidrig hält. 30.12.2020 Die iranische Regierung beschließt, 150.000 US-Dollar an die Familien der Opfer des Flugzeugabschusses der Ukraine International Airlines in der Nähe von Teheran im Januar 2020 auszuzahlen. 30.12.2020 Laut einer repräsentativen Umfrage des Kyjiwer Internationalen Soziologischen Instituts behält der Präsident Wolodymyr Selenskyj weiterhin die führende Position mit 27 Prozent im Präsidentschaftsrating bei. Dies sei der Minimalwert seit dem Beginn seiner Regierungszeit. Die Unterstützung aus der Bevölkerung schrumpft, wie auch der sich verringernde Abstand zu seinen politischen Konkurrenten zeigt: Jurij Bojko – 14, 7 Prozent und Petro Poroschenko – 13,7 Prozent. 30.12.2020 Die Ukraine bereitet sich darauf vor, 2021 Freihandelsabkommen mit China, Vietnam, Indonesien, Ägypten und Jordanien auszuhandeln, teilt Ihor Petraschko, Minister für wirtschaftliche Entwicklung und Handel, mit. Dies eröffne wichtige Märkte für ukrainische Produkte und erweitere die Exportmöglichkeiten der Ukraine, fügt er hinzu. 31.12.2020 Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba erwartet "dynamische" Beziehungen zwischen der Ukraine und der Regierung des gewählten US-Präsidenten Joe Biden. Dabei erwähnt er vier vorrangige Bereiche in den ukrainisch-amerikanischen Beziehungen: Sicherheit, Realisierung von Reformen in der Ukraine, Investitionen und Handel. 01.01.2021 Der Sekretär des Stadtrats von Charkiw, Ihor Terechow, bittet die Werchowna Rada, wegen des Todes des gewählten Bürgermeisters Hennadij Kernes eine vorzeitige Wahl des Bürgermeisters der Stadt zu ermöglichen. 01.01.2021 Das Freihandelsabkommen mit Israel tritt in Kraft. Das Abkommen sieht die Abschaffung von Einfuhrzöllen für eine bestimmte Anzahl von Industriegütern (außer Schmuck) vor. Außerdem wird für 60 Prozent der landwirtschaftlichen Erzeugnisse von israelischer Seite und für 34 Prozent von ukrainischer Seite kein Zoll erhoben. 02.01.2021 Die neue OSZE-Leiterin – die schwedische Außenministerin Ann Linde – plant ihren ersten Auslandsbesuch in dieser Rolle, der im Januar 2021 in die Ukraine führen soll, berichtet die ukrainische Delegation bei der Trilateralen Kontaktgruppe. Ebenso kündigten Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und die Präsidentin der Republik Moldau, Maia Sandu, ihre Besuche in die Ukraine an. 03.01.2021 Gemäß den Normen des Sprachgesetzes müssen zunächst mit einigen Ausnahmen Beamt*innen und Personen, die die ukrainische Staatsangehörigkeit erwerben, die Ukrainisch-Prüfung ablegen, teilt der Ombudsmann für Staatssprache, Taras Kremen, mit. 04.01.2021 Dem ukrainischen Präsidialamt zufolge unterzeichnet Präsident Wolodymyr Selenskyj ein Dekret, nach dem die Ukraine Kroatien humanitäre Hilfe leisten werde. Ende Dezember 2020 ist Kroatien von einem schweren Erdbeben getroffen worden: es gab sieben Todesopfer, mehr als 13.000 Infrastrukturobjekte wurden zerstört. 05.01.2021 Nach Angaben des Innenministeriums beginnt die Nationalgarde der Ukraine mit der Arbeit an einer Einsatzdoktrin, die mit den Konzepten der NATO vereinbar ist. Kolleg*innen aus den USA und Kanada werden dabei Hilfe leisten. 5.01.2021 Der Innenminister der Ukraine, Arsen Awakow, gibt bekannt, dass die ukrainische Untersuchungsdienste neues Material über die "belarusische Spur" im Fall des Mordes an dem belarusischen Journalisten Pawlo Scheremet bekommen haben. Über einige weitere Ermittlungsmaßnahmen wird bereits im Januar in der Europäischen Union eine Einigung erzielt, fügt Arsen Awakow hinzu. 06.01.2021 In einer Pressemitteilung prognostiziert die Weltbank ein Wachstum der Weltwirtschaft um vier Prozent und in der Ukraine um drei Prozent im Jahr 2021. Diese Prognosen können jedoch infolge der weiteren Ausbreitung der Covid-19-Infektion negativ beeinflusst werden. 07.01.2021 Die Nationalbank der Ukraine berichtet über die Währungsreserven der Ukraine am Ende des Jahres in Höhe von 29,1 Milliarden US-Dollar. Das entspricht einer Steigerung um 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das heutige Niveau auf dem höchsten Stand seit acht Jahren reicht aus, um die Importausgaben für fünf Monate decken. Als ausreichend werden Reserven für mindestens drei Monate angesehen. 09.01.2021 Als Reaktion auf die wesentliche Erhöhung der Strom- und Gaspreise für die Bevölkerung seitens des Ministerkabinetts Ende Dezember 2020, finden in mehreren Regionen der Ukraine Kundgebungen dagegen statt: Charkiw, Mykolajiw, Poltawa und Krywyj Rih. 10.01.2021 Der selbst ernannte belarusische Präsident Aljaksandr Lukaschenka erklärt seine Bereitschaft zur Wiederaufnahme von Beziehungen zur Ukraine, obwohl Kyjiw die Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen im Land nicht anerkenne. Derzeit sind die politischen Beziehungen zwischen Kyjiw und Minsk praktisch eingefroren und nur auf die Botschaftskontakte reduziert worden. 11.01.2021 Die Vereinigten Staaten verhängen Sanktionen gegen sieben ukrainischen Bürger und vier Medien aufgrund von Eingriffen in die Präsidentschaftswahlen der Vereinigten Staaten. Nach Angaben des Finanzministeriums der USA ständen diese Privatpersonen und juristischen Subjekte mit Russland in Verbindung. 12.01.2021 Der Vorsitzende und der stellvertretende Leiter des Präsidialamtes, Andrij Jermak und Dmytro Kosak, kommen nach Berlin zu einem Treffen der politischen Berater*innen im Normandie-Format (Russland, Deutschland, Ukraine und Frankreich). Geplant ist die Diskussion über die Umsetzung der Ergebnisse des Pariser Gipfels 2019 im Hinblick auf eine politische Beilegung des Konflikts im Donbas. 13.01.2021 Vor dem Hintergrund der Proteste gegen die Erhöhung der Strom- und Gaspreise für die Bevölkerung in einigen ukrainischen Regionen kündigt Präsident Wolodymyr Selenskyj die Senkung der Gaspreise um 30 Prozent im Februar an, teilt das Präsidialamt mit. Das Ministerkabinett wird während der Quarantänezeit oder bis zum Ende der Heizperiode eine staatliche Regulierung der Gaspreise einführen. Der vorgeschlagene Preis liegt bei 6,99 Hrywnja pro Kubikmeter. 13.01.2021 Die Präsidentin der Republik Moldau Maia Sandu führt einen offiziellen Besuch in der Ukraine durch und unterzeichnet mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ein Memorandum, aus dem hervorgeht, dass die Verbesserung der Straßenverbindungen zwischen Kyjiw und Chișinău sowie zwischen den Regionen Winnyzja und Cosăuți angestrebt wird. 14.01.2021 Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte trifft die erste Entscheidung in der Rechtssache "Die Ukraine gegen Russland" und erklärt die Klage Kyjiws wegen Menschenrechtsverletzungen auf der besetzten Krim für zulässig. 16.01.2021 Der Artikel 30 des Gesetzes "Zur Gewährleistung des Funktionierens der ukrainischen Sprache als Staatssprache" tritt am 16. Januar 2021 in Kraft. Das Sprachgesetz verpflichtet alle dienstleistenden Unternehmen in der Ukraine zur Kommunikation mit Kund*innen ausschließlich in der Landessprache, es sei denn, eine anderslautende Anfrage der Kundschaft in Bezug auf die anzuwendende Sprache ist eingegangen. 17.01.2021 Im Schwarzen Meer vor der türkischen Küste ist ein Schiff mit zwölf Personen an Bord gesunken (unter diesen zehn Personen mit ukrainischer Staatsangehörigkeit). Sechs Seeleute wurden gerettet, vier Personen kamen ums Leben. Die Suche nach zwei anderen Personen wird fortgesetzt. 18.01.2021 Das Außenministerium der Ukraine äußert sich zur Inhaftierung des russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny bei seiner Ankunft im Moskauer Flughafen und betrachtet sie als einen Angriff auf die Menschenrechte und als Unterdrückung der Meinungsfreiheit. 18.01.2021 Der stellvertretende Leiter des Präsidialamtes der Ukraine, Ihor Zschowkwa, gibt bekannt, dass die Ukraine und Ungarn an einem Abkommen zur Beilegung aller Streitigkeiten zwischen beiden Staaten arbeiten. Dem gingen die Durchsuchungen des ukrainischen Sicherheitsdienstes bei der Gesellschaft ungarischer Kultur in Transkarpatien Ende des Jahres 2020 voraus, nachdem ihr Leiter Wasil Brensowitsch die Ukraine verließ. 19.01.2021 Die Ukraine verschiebt das Datum des ersten Gipfels der Krimplattform vom Frühling auf Sommer 2021. Als Ziel des Gipfels sieht die ukrainische Seite die Verabschiedung einer Deklaration und Ausarbeitung eines internationalen Instrumentariums zur Befreiung der besetzten Krim und den Schutz der Rechte ukrainischer Bürger*innen dort, teilt der stellvertretende Leiter des Präsidialamtes der Ukraine, Ihor Zschowkwa, mit. 20.01.2021 Auf einer Sitzung des Ministerkabinetts legt der Vorsitzende der Nationalen Wertpapierkommission einen Entwurf eines Memorandums über die Schaffung eines internationalen Finanzzentrums in der Ukraine vor – der vollständige Start ist für Herbst 2023 geplant. 21.01.2021 Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte urteilt in mehreren Fällen über die Ereignisse in der Ukraine 2014 und stellt zahlreiche Menschenrechtsverletzungen fest. Außerdem weist der EuGH die Verantwortung für den Tod von mindestens einem Demonstranten dem ukrainischen Staat zu. 22.01.2021 Der stellvertretende Energieminister, Jurij Witrenko, definiert eine seiner wichtigsten Aufgaben: die Trennung der Ukraine von den Energiesystemen Russlands und Belarus‘. Seiner Auffassung nach sei es im Interesse der Ukraine und ihrer Energiesicherheit, sich am westeuropäischen Markt mit transparenten Preisen zu orientieren, auf dem es keine Willkür von Monopolisten gäbe. 23.01.2021 Das Außenministerium kündigt die offizielle Position der Ukraine zur Anwendung von Gewalt gegen friedliche Demonstrierende und zur Verhaftung von Oppositionspolitiker*innen in Russland an. Außenminister Dmytro Kuleba fordert, nicht nur die Handlungen der russischen Behörden zu verurteilen, sondern auch alle möglichen Instrumente einzusetzen, um die politischen Eliten in Russland zu beeinflussen. 24.01.2021 In der Kriegszone im besetzten Donbas hatte die Besatzungsmacht am vergangenen Tag neun Mal gegen den Waffenstillstand verstoßen, berichtet der Operationsstab der vereinigten Streitkräfte. Es gab keine Verwundeten oder Gefallenen beim ukrainischen Militär. Die Chronik wird zeitnah erstellt und basiert ausschließlich auf im Internet frei zugänglichen Quellen. Die Redaktion bemüht sich, bei jeder Meldung die ursprüngliche Quelle eindeutig zu nennen. Aufgrund der großen Zahl von manipulierten und falschen Meldungen kann die Redaktion der Ukraine-Analysen keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben übernehmen. Zusammengestellt von Ina Lankovich. Sie können die gesamte Chronik seit Februar 2006 auch auf Externer Link: http://www.laender-analysen.de/ukraine/ unter dem Link "Chronik" lesen.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2021-06-23T00:00:00"
"2021-02-18T00:00:00"
"2021-06-23T00:00:00"
https://www.bpb.de/themen/europa/ukraine-analysen/327261/chronik-7-dezember-2020-bis-24-januar-2021/
Die Ereignisse vom 7. Dezember 2020 bis 24. Januar 2021 in der Chronik.
[ "Chronik", "Ukraine", "Ukraine" ]
30,754
Soziale Medien im Wahlkampf | Themen | bpb.de
Wenige Wochen vor der Bundestagswahl am 22. September 2013 meldet der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V., BITKOM: “Social Media ist in der Politik angekommen” (Externer Link: Pressemitteilung vom 17.7.2013). Grundlage für diese Aussage ist eine Externer Link: Erhebung, die ergeben hat, dass neun von zehn Bundestagsabgeordneten ein Profil bei einem sozialen Netzwerk haben. Da es sich um den bislang höchsten in dieser Hinsicht ermittelten Wert handelt, liegt die plakative Schlussfolgerung des Verbandes nahe: Der “Wahlkampf treibt Abgeordnete in Soziale Medien”. Der Obama-Effekt Diese Entwicklung bestätigt die große Bedeutung für die Politik, die sozialen Medien seit einigen Jahren zugeschrieben wird. Es ist der Obama-Effekt, der Politiker verstärkt ins Netz treibt. Die Online-Kampagnen des US-Präsidenten gelten als beispielhaft und als entscheidender Baustein seiner (Wieder-)Wahl. Unbestritten ist, dass es seinen Wahlkampfteams gelungen ist, das jeweils aktuelle Repertoire an sozialen Medien virtuos zu bedienen. Neben politischen Statements veröffentlicht Obamas Kampagnenteam vor allem bildhafte Botschaften in sozialen Netzwerken wie Instagram, Pinterest und Tumblr. Deren Vorteil ist, dass sie eine intensive Interaktion und virale Verbreitung von visuellen Inhalten ermöglichen - was für die Mobilisierung von Wählern relevant ist. Entscheidend ist dabei, dass die jeweiligen Eigenlogiken der genutzten Medien beachtet werden. So demonstrierte der Wahlkämpfer Obama ebenso auf der Externer Link: textlastigen Diskussionsplattform Reddit seine Dialogfähigkeit. Internet-Tsunami-Spirale (Quelle:http://www.internet-tsunamis.de/4-5-der-tsunami-effekt/) (www.xaidialoge.de) Lizenz: cc by-sa/3.0/de Haben die deutschen Kandidaten zur Bundestagswahl also die Obama-Lektion gelernt und sind in den Sozialen Medien angekommen? Eine weitere aktuelle Studie kommt zu einem anderen Schluss und sieht die Situation in Deutschland kritisch: „Verbände und Parteien nutzen soziale Medien vorwiegend für Verlautbarungen und Einweg-Kommunikation“ (Hoffjann, Olaf / Gusko, Jeanette: Externer Link: Der Partizipationsmythos. Wie Verbände Facebook, Twitter & Co. nutzen. Otto Brenner Stiftung, Frankfurt a.M. 2013). Dabei verspricht das Netz, die Barrieren einer von Massenmedien dominierten politischen Öffentlichkeit zu überwinden. Doch wenn Feedback in Echtzeit und der Zugang schrankenlos möglich sind, erfährt die Kommunikation leicht eine Dynamik und ein Ausmaß, die überfordern können. Die Kehrseite einer solchermaßen entgrenzten Kommunikation ist der Shitstorm, die „massenhafte, öffentliche Entrüstung durch soziale Medien, innerhalb derer sich sachliche Kritik zusehends mit unsachlichen Äußerungen, wie bloßen Behauptungen oder gar Beleidigungen mischt“ (xaidialoge/Europa-Universität Viadrina: Externer Link: Internet-Tsunamis. Politische Massen im digitalen Zeitalter. Berlin 2013, S. 161). Der #Aufschrei Um einen Internet-Tsunami der besonderen Art ging es auch im Frühjahr 2013, als es tatsächlich gelang, ein in den Sozialen Medien diskutiertes Thema für kurze Zeit auf die politische Agenda zu setzen. Die durch das Hashtag #aufschrei bei Twitter angestoßene Sexismus-Debatte ist ein Paradebeispiel, bleibt aber wohl eine Einzelerscheinung und wurde die in diesem Jahr sogar Externer Link: mit dem renommierten Grimme Online Award ausgezeichnet: “Der Hashtag #aufschrei […] animierte viele Frauen, ihre Erfahrungen zu erzählen – in kurzer Zeit kamen Tausende von Tweets zusammen. Aus dem Netz wanderte das Thema zurück in die etablierten Medien und in die Politik, eine Wirkung, die zuvor noch kein Hashtag in Deutschland hatte.” Die Wahl im Netz In diesem Fall hat das soziale Netzwerk Twitter tatsächlich eine politische und mediale Debatte wenn nicht angestoßen, so doch zumindest stark befeuert. Dass massenmediale Berichterstattung und Kommunikation in den sozialen Medien dennoch häufig zusammenspielen, bestätigt beispielsweise ein Monitoring-Tool der „Wirtschaftswoche“. Zur Bundestagswahl wertet die Infografik mit dem Namen Externer Link: So wählt das Netz einschlägige Tweets (Kandidaten und Parteien der Bundestagswahl 2013 sowie die relevanten Hashtags #btw13 und #btw2013) und öffentliche Facebook-Einträge aus. Die öffentliche politische Diskussion findet bei Facebook vor allem auf den Seiten der Parteien und Politiker statt. (zur Methodik siehe Externer Link: hier). Ein Blick auf die Wortwolke mit den Top-Themen Ende Juli lässt positiv besetzte Themen vermissen, ein negativer Grundton überwiegt eindeutig. Die populärsten Schlagworte (z.B. #prism, #nsa) stehen in Beziehung zum Überwachungsskandal. Dies ist in zweierlei Hinsicht charakteristisch für die politische Kommunikation in sozialen Medien: Zum einen dominiert dieses Thema die Agenda sämtlicher Online- wie Offline-Medien, zum anderen handelt es sich um eine netzaffine Materie. Denn über wenig wird im Netz intensiver diskutiert, als über Angelegenheiten, die mit dem Netz zu tun haben. Das Politik-Monitoring Vor der Wahl schießen unzählige Plattformen aus dem Boden, die die politische Kommunikation in den sozialen Medien beobachten und untersuchen (einen umfassenden Überblick liefert Martin Fuchs: Externer Link: Social Media: Analyse-Tools im Bundestagswahlkampf). Der Initiator des Tools Wahlkampfanalyse.de Klaus Eck Externer Link: fasst die bisherigen Ergebnisse so zusammen: „Nach den ersten Wochen hat sich bereits gezeigt, dass die politische Kommunikation eher schwerfällig abläuft und weit von einer Echtzeitkommunikation entfernt ist.” Eine Ausnahme erkennt er vor allem bei kleineren Parteien, die Online-Debatten nutzen, um auf sich aufmerksam zu machen. Dies praktiziert die Piratenpartei offensiv, die soziale Medien nicht nur als Verlautbarungsorgan verwendet, mit dem an den Massenmedien vorbei mit dem Publikum kommuniziert werden kann. Vielmehr versteht sie das Web 2.0 als (vor-)politische Versammlungsöffentlichkeit, vergleichbar den Stammtischen und Vereinen im Umfeld der Volksparteien. Weitere bpb-Angebote zum Thema: Der Einfluss von Social Media auf politische Kommunikation und die Medien Bonusmaterial: Social Media Interner Link: Politische Kommunikation und Social Media Internet-Tsunami-Spirale (Quelle:http://www.internet-tsunamis.de/4-5-der-tsunami-effekt/) (www.xaidialoge.de) Lizenz: cc by-sa/3.0/de
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2021-06-23T00:00:00"
"2013-08-15T00:00:00"
"2021-06-23T00:00:00"
https://www.bpb.de/themen/bundestagswahlen/wahlblog/166544/soziale-medien-im-wahlkampf/
Netz-Themen und Skandale dominieren die Kommunikation in den sozialen Medien zur Bundestagswahl. Unterschiede zu den Offline-Medien gibt es nur in Ausnahmen. Haben die deutschen Wahlkämpfer die Funktionen der sozialen Medien begriffen?
[ "Soziale Medien", "Bundestagswahl 2013", "Shitstorm", "Obama", "Wahlkampf" ]
30,755
Sicher Twittern im Bildungsbereich | Digitale Tools und Technik im Bildungsalltag | bpb.de
Sich jederzeit und allerorts mit wenigen Zeichen in Sozialen Netzwerken austauschen, dabei viele erreichen und nichts verpassen – auch wenn der Mikrobloggingdienst Twitter nicht zu den wichtigsten Kommunikationstools von Jugendlichen gehört, ist er Bestandteil ihrer Alltagspraktiken und bietet zahlreiche Potenziale für den Einsatz in Bildungskontexten. Als stationäre Anwendung oder als App auf dem mobilen Endgerät wird Twitter (engl. für "zwitschern") nicht nur von Privatpersonen, sondern vor allem auch von Organisationen und Unternehmen sowie von Medien und Politik genutzt, telegramartige Kurznachrichten (Tweets) mit maximal 140 Zeichen "zu twittern". Darin enthalten sein können Schlagwortmarkierungen über so genannte "Hashtags" (#) sowie Links zu Websites, aber auch Bilder, Verweise auf andere Nutzerprofile und die eigenen Standortdaten. Die Beiträge anderer Nutzer können favorisiert (liken), mit anderen geteilt (retweeten) oder in einem eigenen Beitrag kommentiert werden (über das @ Zeichen). So entstehen Diskussionen und Themenschwerpunkte zu Aspekten des eigenen sozialen Lebens und zum Austausch über gesellschaftliche und politische Geschehnisse, die in der eigenen "Timeline" (eine Art Pinnwandverlauf) angezeigt werden. Für Bildungseinrichtungen ergeben sich über die zeitnahe, ortsunabhängige Kommunikation zahlreiche Möglichkeiten der Bearbeitung von Themen mit Partnerschulen oder in der Projektarbeit. Im Folgenden werden rechtliche Rahmenbedingungen und administrative Fragestellungen geklärt sowie Tipps und Hinweise für die Kommunikation mit Twitter in Bildungskontexten gegeben. Die Öffentlichkeit von personenbezogenen Daten Wie die meisten Social-Media-Anwendungen ist auch Twitter in punkto Datenschutz und Privatsphäre umstritten. Demzufolge ist es ratsam, sich im Vorfeld die Position des eigenen Bundeslandes zum Einsatz in der Schule einzuholen und den zuständigen Externer Link: Datenschutzbeauftragten zu kontaktieren. Davon abgesehen ist es unerlässlich, sich mit der Allgemeinen Datenschutzrichtlinie auseinanderzusetzen, die unter Profil & Einstellungen > Externer Link: Datenschutzbestimmungen zu finden ist. Screenshot 1: Einstellungen (Externer Link: Twitter) Hier wird gleich zu Beginn klargestellt, dass man mit der Verwendung von Twitter und den damit verbundenen Diensten das Einverständnis gibt, dass sämtliche personenbezogenen Daten erfasst, übertragen, gespeichert, offengelegt und verwendet werden dürfen. Bei der Einrichtung eines Accounts kann man sich zwar für einen fiktiven Nutzernamen entscheiden, hinterlegt aber neben einem Passwort auch E-Mail-Adresse und Telefonnummer, über die Twitter dann dienstbezogene Informationen oder auch Werbung senden darf und über die man für andere Nutzende auffindbar wird. Profilbild, Standort, Geburtsdatum oder die eigene Website sind weitere personenbezogenen Daten, mit denen man das eigene Profil ausstatten kann und die bei Twitter veröffentlicht werden. Externer Link: Öffentlich wird in der Grundeinstellung all das, was über Kommunikation entsteht – dazu gehören eigene Tweets mit Fotos, Videos und Links, aber auch das Retweeten (Weitertwittern) oder Liken (Favorisieren) von Tweets anderer Nutzender. Auch die Auflistungen derer, die am eigenen Profil interessiert sind (Follower) und denen man selbst folgt, sind öffentlich. Sichtbar und nutzbar werden diese Informationen nicht nur für Twitter und die Nutzenden, sondern auch für externe Suchmaschinen, Drittanbieter oder Marktforschungsunternehmen. Wissenswert ist außerdem, dass Twitter auch dann Daten speichert, wenn man keinen eigenen Account besitzt, sondern beispielsweise die Website aufruft und dabei Informationen zu Betriebssystem, Browsertyp oder IP-Adresse hinterlässt. Bis hierhin zeigen die Ausführungen also, dass die Nutzung von Twitter in Bildungskontexten und mit Heranwachsenden nur eingeschränkt und mit guter Vorbereitung sinnvoll ist. Nur mit Einschränkungen: Bei Twitter sicher kommunizieren Social Media-Anwendungen wie Twitter sollten in Bildungskontexten wie Schule also keinesfalls unbegleitet oder als Ersatz für die Kommunikation untereinander genutzt werden. Vielmehr bietet sich der eingeschränkte Einsatz des Tools mit thematischem Fokus und in engem Austausch beziehungsweise unter Aufsicht des Lehrenden an. Als vorbereitenden ersten Schritt sollten die Schülerinnen und Schüler (ab 13 Jahre!) einen anonymisierten Account mit fiktivem Profilnamen anlegen und nur die zwingend erforderlichen Informationen hinterlegen. Sinnvoll ist es zudem, ein Klassenprofil zu erstellen, dem dann alle "folgen". Beim Verwenden von Fotos als Profilbild sollten ebenfalls keine echten Gesichter und Personen, sondern alternative visuelle Elemente oder Zeichnungen zu sehen sein. In einem weiteren Schritt lohnt sich das Einschränken der eigenen Sichtbarkeit. Inwieweit das eigene Profil und die damit verbundene Kommunikation bei Twitter zu finden ist, lässt sich unter dem Reiter Datenschutz & Sicherheit festlegen. Screenshot 1: Einstellungen (Externer Link: Twitter) Beispielsweise kann man unter „Feststellbarkeit“ auswählen, ob man über die eigene hinterlegte Telefonnummer und E-Mail-Adresse von anderen Userinnen und Usern gefunden werden kann – oder eben nicht. Durch Anklicken des Häkchens bei „Tweet-Sicherheit“ sind die eigenen Tweets nicht mehr öffentlich und nur für Personen sichtbar, die zu den eigenen Followern gehören und bestätigt sind. Interessant ist noch das Feld „Twitter für Teams“, über das man die Erlaubnis der Teambeteiligung einschränkt. Möchte man die Kommunikation von bestimmten Profilen für die eigene Timeline von vornherein ausblenden oder „stummschalten“ kann man dies unter dem Reiter „Mitteilungen“ festlegen. Hier kann man Nachrichten von Personen und Profilen ausblenden, denen man nicht folgt. Eine weitere wichtige Funktion ist das Stummschalten von Accounts, Hashtags und Wörtern, die in der eigenen Timeline nicht auftauchen sollen. Insgesamt sind Externer Link: hier sind die wichtigsten Einschränkungsoptionen für Profil und Kommunikation noch einmal zusammengefasst. Abgesehen davon bietet Twitter aber auch einige Möglichkeiten, die den aktiven Austausch in einem thematisch abgesteckten Rahmen befördern. Dazu gehört das Externer Link: Erstellen oder Abonnieren einer Liste als eine benutzerdefinierte Gruppe von Twitter-Accounts. In der Listen-Timeline werden dann nur die Tweets der Accounts angezeigt, die auch zur Liste gehören. Auf diesem Weg kann man beispielsweise mit der Klasse einer Partnerschule zu einem bestimmten Thema in Austausch kommen und eine gemeinsame Fragestellung bearbeiten. Über eine Externer Link: Twitter Wall kann dieser Austausch unter einem vordefinierten Hashtag an eine große Wand gebeamt und so Feedback von allen Abwesenden eingeholt werden. Daneben gibt es noch die Möglichkeit, Externer Link: Direktnachrichten zu versenden, die jenseits der öffentlichen Kommunikation zwischen ausgewählten Personen oder Personengruppen als private Unterhaltung funktionieren. Neben diesen Twitter-spezifischen Regeln, gelten natürlich auch Gesetzmäßigkeiten und Maßnahmen, die grundsätzlich für die Kommunikation im Internet und in Social Media berücksichtigt werden sollten. Dazu gehören unter anderem das Einholen einer Einverständniserklärung bei den Eltern, das Externer Link: Beachten von Persönlichkeits- und Urheberrechten sowie Fragen der Externer Link: Netiquette und der Externer Link: Ansprache zwischen Lehrenden und Lernen in Onlinekontexten. Schließlich sollten nach Abschluss einer Unterrichtseinheit oder eines Projekts mit Twitter-Bezug alle Externer Link: angelegten Profile wieder gelöscht werden. Twitter beginnt nach etwa 30 Tagen mit dem so genannten Deaktivieren, was bis zu einer Woche dauern kann. Dabei bleibt aber immer die Gefahr bestehen, dass einzelne Daten von anderen Diensten oder Plattformen kopiert wurden und so erhalten bleiben. Insgesamt bietet der Externer Link: Hilfebereich von Twitter einen gut strukturieren und verständlichen Überblick über viele Fragen der Kommunikation mit dem Onlinedienst. Projektideen und Linktipps Externer Link: Grundlegende Fragen zu Twitter als Onlinepräsentation Externer Link: Einsatzmöglichkeiten für Twitter im Unterricht bei Lehrer-Online Externer Link: Ideensammlung zu Twitter und Schule im Medienpädagogik Praxis-Blog Externer Link: Twittern in Schule und Jugendarbeit im Medienpädagogik Praxis-Blog Sicher ist sicher: Was man beim Einsatz von Facebook in der Bildungsarbeit beachten sollte Beim Einsatz von Facebook in der Bildungsarbeit gibt es Einiges zu beachten ( bykst / bearbeitet / Externer Link: Pixabay / Externer Link: Lizenz CC0 ) Dr. Iren Schulz gibt in ihrem Gastbeitrag einen Überblick über Sicherheit, rechtliche und administrative Voraussetzungen und Verhaltensregeln auf Facebook.. Interner Link: Zum Beitrag
 Beim Einsatz von Facebook in der Bildungsarbeit gibt es Einiges zu beachten ( bykst / bearbeitet / Externer Link: Pixabay / Externer Link: Lizenz CC0 )
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2022-01-11T00:00:00"
"2017-08-14T00:00:00"
"2022-01-11T00:00:00"
https://www.bpb.de/lernen/digitale-bildung/werkstatt/252424/sicher-twittern-im-bildungsbereich/
Wer twittert, setzt sich einer breiten Netzöffentlichkeit aus. Das ist nicht automatisch schlecht, aber in Bildungskontexten mit Jugendlichen auch nicht unbedenklich. Gastautorin Dr. Iren Schulz macht den Sicherheitscheck.
[ "Sicherheit", "soziale Netzwerke", "Twitter", "Bildung" ]
30,756
Es ist nicht leicht, ein Gott zu sein – Nehéz istennek lenni | bpb.de
Ein überlebensechtes Roadmovie nennt Kornél Mundruczó selbst seine Produktion „Es ist nicht leicht, ein Gott zu sein“, in der er den gleichnamigen Science-Fiction-Roman der russischen Brüder Strugatsky verarbeitet. Für sein grausames Spiel mit Laien- und Profischauspielern über Menschenhandel, Machtmechanismen und politischen Extremismus führt er sein Publikum heraus aus dem Theatersessel und hinein in die unwirtliche Realität. Die Grundidee der Performance ist die menschliche Schutzlosigkeit. Gespielt wird auf der Ladefläche zweier Trucks. Fünf Menschen werden darin gegen ihren Willen als Prostituierte gehalten. Mit der Hoffnung auf eine eigene Kreditkarte und ein besseres Leben sind sie angetreten, doch in den Fängen eines sadistischen Filmteams ist kein Raum mehr für Menschlichkeit. Ein Erzähler beobachtet ihren Kampf aus der Entfernung, präsent und doch unfähig zu handeln. Er hat die Wahl, menschlich zu sein oder selbst zu überleben. Auf der Leinwand wird das Publikum Zeuge drastischer Grausamkeit, unterbrochen von verblüffend ironischen Musicaleinlagen mit improvisiertem Instrumentarium. Der ungarische Autor und Regisseur Kornél Mundruczó wurde zunächst als Filmemacher bekannt. Für seinen ersten Spielfilm „Pleasant Days“ erhielt er 2002 den Silbernen Leoparden beim Filmfestival Locarno, 2003 wurde er mit „Joan of Arc on the Night Bus“ zu den Filmfestspielen nach Cannes eingeladen. Seither widmet er sich verstärkt dem Theater. Zunehmend verschränken und bedingen sich in seinen Arbeiten Film und Theater. Mit seinem „Frankenstein Projekt“ war er 2008 auf zahlreichen europäischen Festivals zu Gast, bevor er mit der Verfilmung des Projektes abermals in Cannes vertreten war. Seine neueste Arbeit „Es ist nicht leicht, ein Gott zu sein“ feierte 2010 beim Kunstenfestivaldesarts in Brüssel Premiere, bevor es beim Festival Theater der Welt 2010 zu sehen war. „Mundruczó stellt fast schmerzhaft die Frage nach der Verantwortung, nach der Verantwortung beim Zuschauen. Mit der für das osteuropäische Theater oftmals typischen Drastik buchstabiert der 35-jährige Film- und Theaterregisseur sein Anliegen in einer Mischung aus Reality-Show und Schauspiel. Dabei vermischt er geschickt die Genres Theater und Film miteinander und lässt seine Darsteller zugleich immer mal wieder aus ihrem Hardcore-Realismus ausbrechen, indem sie Popschnulzen-Oldies singen.“ Deutschlandradio Kultur Mit: Gergely Bánki, János Derzsi, Diána Magdolna Kiss, Annamária Láng, Zsolt Nagy, László Katona, Roland Rába, János Szemenyei, Orsi Tóth, Kata Wéber Text / Regie: Kornél Mundruczó Koautor: Yvette Biró Bühne / Kostüme: Márton Ágh Musik: János Szemenyei Dramaturgie: Éva Zabezsinskij Produktion: Viktória Petrányi Produktionsleitung: Judit Sós Produktionsmanagement: Dóra Büki Produktionsassistenz: Péter Réti Technik / Licht: András Éltetö Ton / Video: Zoltán Belényesi Requisiten: Gergely Nagy Kostüme: Andrea Szakál, Zsaett Nyerky Regieasssistenz: Balázs Lengyel Produktion: Proton Cinema 2010 Koproduktion: Alkantara Festival, Lisbon, Portugal; Baltoscandal, Rakvere, Estonia; Culturgest, Lisbon, Portugal; KunstenFestivalDesArts, Brussels, Belgium; Rotterdamse Schouwburg, The Netherlands; Theater der Welt 2010, Essen, Germany; Théâtre National de Bordeaux, France, Trafó – House of Contemporary Arts, Budapest, Hungary Mit freundlicher Unterstützung von: Eky Light Budapest, Prop Club, NXTSTP with the support of the Cultural Program European Union. Spielstätte: Flughafen Dresden, Terminal Vorstellungstermine: Do., 3.11.2011, 20:00 – 22:00 Uhr // im Anschluss Publikumsgespräch Fr., 4.11.2011, 20:30 – 22:30 Uhr
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2023-02-13T00:00:00"
"2012-02-29T00:00:00"
"2023-02-13T00:00:00"
https://www.bpb.de/pift2022/71071/es-ist-nicht-leicht-ein-gott-zu-sein-nehez-istennek-lenni/
Fünf Frauen werden gegen ihren Willen als Prostituierte festgehalten. Mit der Hoffnung auf ein besseres Leben und einer eigenen Kreditkarte waren sie ins Land gekommen, doch in den Fängen eines sadistischen Filmteams ist kein Raum für Menschlichkeit.
[ "Politik im Freien Theater" ]
30,757
Analyse: Ergebnisse der Parlamentswahlen 2014: Nach Europa! | Ukraine-Analysen | bpb.de
Einleitung Das am 26. Oktober gewählte Parlament der achten Legislaturperiode seit der Unabhängigkeit wird viele neue Gesichter haben; aber auch zahlreiche Vertreter des politischen Establishments und eine beträchtliche Anzahl von Parlamentariern, die das gestürzte Regime personifizieren, werden in der Werchowna Rada sitzen: An strittigen Themen wird kein Mangel sein. Dennoch: Die pro-westlichen und pro-europäischen Parteien verfügen über eine klare Mehrheit. Insoweit dürfte die Bildung einer Mehrheitskoalition, wie sie von der Verfassung von 2004 vorgeschrieben ist, unproblematisch sein. Die Mehrheitskoalition nominiert den Ministerpräsidenten und die Regierung, die dann vom Parlament gewählt werden. Die Rolle des Präsidenten bei der Regierungsbildung ist begrenzt. Zwei grundsätzliche Ergebnisse dieser vorgezogenen Parlamentswahl fallen ins Auge: Es gibt derzeit in der Ukraine kein System stabiler, programmatisch deutlich voneinander abgegrenzter etablierter Parteien. Sowohl die Parteien, die 2004/05 die Orange Revolution getragen haben, wie auch ihre Gegner existieren nur noch in Resten oder gar nicht mehr. Ob die im Zuge des revolutionären Umbruchs seit dem Euromaidan entstandenen politischen Parteien, die jetzt in der Werchowna Rada dominieren, Bestand haben werden, muss sich erst noch zeigen. Aber – und das mag paradox klingen – im neuen Parlament besteht in einer zentralen Frage Konsens wie selten zuvor: Die Ukraine muss und wird zu einem vollwertigen Mitglied der EU werden. Dieser Konsens erinnert an die Verhältnisse in den baltischen Staaten zu Beginn der 1990er Jahre, als im Übrigen auch dort ein höchst labiles System politischer Parteien bestand. Dieser Konsens hängt mit einem zweiten Resultat der Wahlen zusammen: Es hat sich ein weiteres Mal erwiesen, dass extremistische Parteien in der Ukraine keine Massenbasis haben. Das gilt sowohl für extremistische Gruppierungen auf der rechten wie auf der linken Seite des Parteienspektrums. Erstmals ist die kommunistische Partei der Ukraine nicht mehr im Parlament vertreten, sie scheiterte an der Fünfprozenthürde. Sie sprach sich als einzige Partei gegen die Integration in die EU aus. Die neue Mehrheit: getrennt vereint Nach der Auswertung von 99,67 % der elektronischen Wahlkreisprotokolle führte bei der Verhältniswahl die Partei Volksfront von Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk mit 22,16 % der Stimmen. Beinahe gleichauf folgte mit 21,83 % die Partei des Präsidenten Block Petro Poroschenko (s. Grafik 3). Die Partei Volksfront konstituierte sich erst im März 2014 und knüpft an die Partei Front für den Wechsel an, die Jazenjuk früher gegründet hatte. Das sehr gute Abschneiden der Volksfront, zu der auch der jetzige Parlamentspräsident Oleksandr Turtschynow gehört, war eine der Überraschungen dieser Wahl. Meinungsumfragen vor den Wahlen hatten der Volksfront höchstens die Hälfte des jetzigen Stimmenanteils in Aussicht gestellt. Dagegen waren die Wahlprognosen für den Block Petro Poroschenko deutlich höher. Möglicherweise haben sich viele potentielle Wähler der Partei des Präsidenten kurzfristig für die des Ministerpräsidenten entschieden. Hinzu kommt, dass die Zahl der unentschiedenen Wähler noch kurz vor dem Wahltag sehr hoch war (s. Tabelle 1). Der Block Petro Poroschenko ist ein Zusammenschluss der Partei Udar (Schlag) von Witalij Klitschko mit der kleinen Parlamentsfraktion Solidarität von Poroschenko. Der Kiewer Bürgermeister Klitschko kandidierte auf Platz eins der Liste des Blocks, wird aber nach der Wahl in seinem Amt bleiben und nicht als Abgeordneter ins Parlament zurückkehren. Nur die Hälfte der Abgeordneten (225) wird aufgrund von Parteilisten bestimmt; die andere Hälfte wird nach dem Mehrheitswahlverfahren in den 225 Wahlkreisen gewählt. Da weder auf der Krim (12 Mehrheitswahlkreise) noch in den besetzten Gebieten im Donbass (15 Mehrheitswahlkreise) Wahlen durchgeführt werden konnten, werden diesmal nur 198 Abgeordnete direkt in Mehrheitswahlkreisen gewählt, so dass dem Parlament maximal 423 Abgeordnete angehören werden. Weil der Block Petro Poroschenko in den Mehrheitswahlkreisen deutlich erfolgreicher war als die Volksfront, wird er im Parlament über eine größere Fraktion verfügen: Nach Auswertung von 99,67 % der Wahlkreisprotokolle werden zur Fraktion Block Petro Poroschenko 132 Abgeordnete gehören, die Fraktion Volksfront wird 82 Abgeordnete haben (s. Grafik 12). Tatsächlich wird die Zahl der Fraktionsmitglieder noch zunehmen, weil ein Teil der unabhängigen Abgeordneten, die als Selbstbewerber in fast 100 Mehrheitswahlkreisen gewählt worden sind, sich der präsumtiven Regierungskoalition anschließen wird. Präsident Poroschenko und Ministerpräsident Jazenjuk sind gemeinsam die Sieger des Euromaidan. Sie haben das Land seit Februar 2014 politisch geführt und dabei koordiniert und loyal zusammengearbeitet. Was unterscheidet sie, und warum haben sich am Ende viele Wähler für Jazenjuk entschieden, die wahrscheinlich im Mai Poroschenko bei der Wahl des Präsidenten ihre Stimme gaben? Poroschenko wurde am 25. Mai im ersten Wahlgang mit 54,7 % gewählt; allerdings kandidierte Jazenjuk damals nicht.In den zentralen Politikfeldern Eurointegration und Korruptionsbekämpfung dürfte es keine Unterschiede geben. Aber was Russland anbelangt, dürfte Jazenjuk die härtere Position vertreten, während dem Präsidenten – zu Recht oder Unrecht – in Kommentaren nichtöffentliche Absprachen mit Putin unterstellt werden. Hinzu kommt unterschiedliche Stile der politischen Rhetorik. Während Poroschenko zu harmonisierenden und nicht immer realistischen Versprechungen neigt, bevorzugt Jazenjuk kantige und sarkastische Redensarten und hat keine Scheu, auch schlechte Aussichten beim Namen zu nennen. Der Satz, er werde sich auf dem Maidan eher eine Kugel in den Kopf schießen lassen als in Schande zurückzuweichen, passt ebenso zu ihm, wie die Ankündigung, die Ukrainer müssten den Gürtel noch enger schnallen. Schließlich spricht die Herkunft Poroschenkos aus der oligarchischen Szene in den Augen mancher gegen ihn. Mit hochgezogenen Augenbrauen wurde vermerkt, dass die Fabrik aus dem Firmenimperium von Poroschenko im russischen Lipezk ihren Betrieb wieder aufgenommen hat. Die Kandidatenlisten aller Parteien und damit die Zusammensetzung der Parlamentsfraktionen wurden weitgehend von den Parteiführern festgelegt. So schreibt es das Gesetz vor. Eine Reform des Wahlgesetzes lehnte die alte Werchowna Rada ab, so dass die Parteibasis bzw. die Organisationen in der Provinz kaum Möglichkeiten der Mitbestimmung bei der Kandidatenauswahl haben. Auch eine Reform der Parteienfinanzierung in Richtung einer größeren Transparenz konnte bislang nicht durchgesetzt werden. Die Parteilisten der beiden staatstragenden Parteien enthalten sowohl die Namen altverdienter Mitstreiter wie auch zahlreiche neue Namen. Dazu gehören Aktivisten vom Maidan, Feldkommandeure aus dem Krieg im Donbass und investigative Journalisten, die seit den großen Demonstrationen dazu beigetragen haben, die Gesellschaft zu verändern und die Zivilgesellschaft in die Verantwortung zu nehmen. Aber Beobachter haben auch ans Licht gebracht, dass in den Parteilisten Geschäftsleute mit zweifelhaftem Ruf und Repräsentanten verschiedener Oligarchen einen Platz gefunden haben. Eine große Überraschung war der Wahlerfolg der neuen Partei Selbsthilfe des Bürgermeisters von Lwiw Andrij Sadowyj, die auf Anhieb 11 % der Stimmen und 33 Abgeordnetensitze im Parlament eroberte. In den Vorwahlumfragen war dieser Partei, die erst 2012 gegründet wurde und erstmals an gesamtukrainischen Wahlen teilnahm, nur ein Bruchteil dieses Ergebnisses zugetraut worden. Unter den Abgeordneten von Selbsthilfe gibt es keinen einzigen ehemaligen Politiker, auch Sadowyj selbst will als Bürgermeister in Lwiw bleiben. Gerade die Tatsache, dass alle Kandidaten in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannte Manager und erfolgreiche Fachleute sind, hat die Wähler offenbar fasziniert. Daraus spricht ein großes Misstrauen gegenüber dem politischen Establishment bei einem Teil der Wähler, aber auch ein erhebliches Vertrauen zu Galizien und dem politischen Verstand des Bürgermeisters von Lwiw. Selbsthilfe hat neben dem Gebiet Lwiw (19 %) die meisten Stimmen in der Stadt Kiew bekommen (21,4 %) (s. Grafik 7). Der Block Petro Poroschenko erhielt in der Hauptstadt mit 24 % nur geringfügig mehr Stimmen. Die Partei Vaterland von Julia Timoschenko überwand abgeschlagen mit 5,68 % gerade noch die Fünfprozenthürde und wird mit 19 Abgeordneten ins Parlament einziehen. Es ist Julia Timoschenko nach ihrer Befreiung aus dem Gefängnis im Februar nicht gelungen, politisch wieder Fuß zu fassen. Ihre Mischung aus Radikalismus (die Ukraine muss jetzt der Nato beitreten), Populismus (Platz eins der Liste ihrer Partei wurde der nach Russland entführten und dort inhaftierten ukrainischen Pilotin Nadija Sawtschenko zugesprochen) und Selbstbezogenheit wird von der ukrainischen Gesellschaft nicht mehr honoriert. Nachdem viele begabte politische Talente zusammen mit Jazenjuk die Partei Vaterland verlassen haben, ist nicht zu erwarten, dass Timoschenko in der ukrainischen Politik noch eine größere Rolle spielen wird. Die Erben und Nachfolger der Partei der Regionen Die Partei der Regionen – mehr als ein Jahrzehnt, unterbrochen durch das Intermezzo der Orangen Revolution, die regierende Partei des Landes – hat den Sturz ihres Führers Janukowitsch nicht überlebt. Die Reste der Partei konnten sich nicht einmal entschließen, unter diesem Namen bei den Wahlen anzutreten. Stattdessen schlossen sich die Versprengten im September zum Oppositionsblock zusammen, der in der Verhältniswahl 9,40 % der Stimmen erhielt und mit 29 Abgeordneten ins Parlament einziehen wird. Auch hier wird sich die Zahl der Abgeordneten noch erhöhen, denn zahlreiche ehemalige Regionale traten in den östlichen und südlichen Gebieten in Mehrheitswahlkreisen als Selbstbewerber an und wurden dort gewählt. Im neuen Parlament werden nach Recherchen der Volksfront-Abgeordneten Viktoria Siumar mehr als 60 Abgeordnete sitzen, die am 16. Januar für die sogenannten Diktaturgesetze gestimmt haben (Interner Link: s. Ukraine-Analysen 126, Infografik im Kapitel "Zivilgesellschaft"). Diese waren der letzte Versuch von Janukowitsch, durch rigorose neue Gesetze sein autoritäres Regime zu retten – vergeblich. Eine weitere Nachfolgepartei, die Partei Starke Ukraine des Unternehmers Serhij Tihipko, scheiterte mit 3,1 % der Stimmen an der Fünfprozenthürde, Tihipko selbst wird dennoch als siegreicher Bewerber in einem Mehrheitswahlkreis in das Parlament einziehen. Eine Analyse des Wählerverhaltens im Osten der Ukraine zeigt, dass die Partei von Janukowitsch bzw. deren Nachfolgeorganisationen in einigen Gebieten noch immer eine starke bis dominierende Position haben (s. Grafik 8). Im Gebiet Charkiw haben etwa gleichviel Wähler für die Nachfolgeparteien gestimmt wie für die Maidan-Parteien, die in dieser Analyse als neue Mehrheit bezeichnet werden. In den Gebieten Saporishshja, Dnipropetrowsk, Mykolajiw, Cherson und Odesa liegen die Parteien des Maidan vorne. Aber in den Teilen der Gebiete Luhansk und Donezk, die nicht besetzt sind und in denen die ukrainischen Behörden die Wahlen durchführen konnten, stimmte eine deutliche Mehrheit für die Nachfolgeorganisationen. Allerdings ist dabei folgendes zu bedenken: Bei früheren Wahlen hatte die Partei von Janukowitsch in Donezk und Luhansk Zustimmungsraten um 90 %, hier war ihr politisches Kernland. Jetzt stimmte in den freien Teilen dieser Gebiete etwa ein Viertel der Wähler für die Parteien des Maidan. Bedacht werden muss auch, dass die Zustimmung zum Oppositionsblock keineswegs Separatismus und schon gar nicht Unterstützung für den Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine bedeutet. Janukowitsch hat sich, solange er Präsident war, vom Separatismus distanziert, dies gilt umso mehr für die Nachfolgeparteien. Trotz des Stimmverlustes repräsentieren die jetzt als Oppositionsblock auftretenden Regionalen eine ernstzunehmende politische Kraft, die der neuen Mehrheit durchaus gefährlich werden kann, sollte diese die selbst geweckten Erwartungen enttäuschen. Die Opposition artikuliert die Euroskepsis und die prorussische Mentalität in der östlichen Ukraine. Zwar sind die Überbleibsel der Partei der Regionen kein monolithischer Block, sondern in mancher Hinsicht gespalten; das aber gilt für die neue Mehrheit ebenso. Die politischen Vertreter des Regimes Janukowitsch hätten noch größere Erfolge errungen, wenn die Wahlberechtigten in den besetzten Gebieten und auf der Krim an den Wahlen hätten teilnehmen können. Ihre Zahl in den besetzten Gebieten wird auf 3 Millionen geschätzt; addiert man dazu die etwa 1,7 Millionen Wahlberechtigten auf der Krim, so konnten etwa 12 % der wahlberechtigten Ukrainer ihre Stimme nicht abgeben. Anders gewendet, 88 % der Wahlberechtigten des Landes hatten die Möglichkeit, an den Wahlen teilzunehmen. Insoweit besteht an der Legitimität des Urnenganges kein Zweifel. Die erzwungenen Nichtwähler hätten mit Sicherheit den Stimmenanteil der Opposition erhöht, und die Kommunisten wären nicht an der 5 % Hürde gescheitert. Die National-Radikalen Die radikalen Nationalisten sind das Schreckgespenst, das in Russland und im Westen zur Diffamierung der Ukrainer taugt und von dem in großem Umfang Gebrauch gemacht wird. Die Wahlergebnisse zeigen einmal mehr, dass es die rechten radikalen Kräfte durchaus gibt, dass sie aber zahlenmäßig nicht nur der neuen Mehrheit, sondern auch der alten Mehrheit, d. h. den Nachfolgeparteien der Partei der Regionen, unterlegen sind. Was den Grad der organisatorischen Festigkeit angeht, unterscheiden sich die National-Radikalen in nichts von den anderen politischen Gruppierungen: Sie sind institutionell ähnlich zersplittert und volatil. Größtes Aufsehen erregte im Wahlkampf der – wie es schien – kometenhafte Aufstieg der Radikalen Partei Oleh Ljaschkos, der nicht zuletzt durch seine militante Rhetorik und seine gewalttätigen Auftritte das Publikum unterhielt und faszinierte. Ljaschko positionierte sich als Mann des Krieges und des Kampfes, kompromisslos gegenüber Oligarchen und Russen. Bei der Präsidentenwahl im Mai schaffte er es mit 8 % auf Platz drei. Bei Vorwahlbefragungen erreichte seine Partei Werte bis zu 20 %. Tatsächlich erhielt sie bei den Parlamentswahlen 7,45 % der Stimmen und damit 22 Abgeordnetenmandate. Ljaschko gibt sich als Politiker ohne den Willen zum Kompromiss und die Bereitschaft zur Toleranz. Dies unterscheidet ihn von dem bisherigen Führer der radikalen Nationalisten, dem Chef der Partei Swoboda, Oleh Tjahnybok. Er hatte bei den Parlamentswahlen 2012 einen ähnlichen Aufstieg erlebt wie jetzt Ljaschko oder die Partei Selbsthilfe: Insbesondere in Lwiw und in der Hauptstadt wurde Swoboda 2012 eine der stärkste Parteien. Der Grund war weder damals noch jetzt ein überbordender integraler Nationalismus der Bürgerlichen, sondern ein starkes Protestpotential, das nach Ausdrucksmöglichkeiten suchte (Interner Link: s. Ukraine-Analysen Nr. 109). Tjahnybok und Swoboda übernahmen 2014 führende Rollen auf dem Maidan und wurden so in die Verantwortung mit eingebunden. Tjahnybok stand neben Klitschko und Jazenjuk als politischer Führer aller Demonstranten auf dem Podium des Maidan. Er überwand die Rolle des kompromisslosen Nationalisten. Aber damit taugte Swoboda nicht mehr als Blitzableiter für alle Protestler. Die Partei verfehlte mit 4,71 % und nur mit sechs in Einerwahlkreisen gewählten Abgeordneten knapp die Fünfprozentbarriere und wird nicht mehr im Parlament vertreten sein. Allerdings eroberten Tjahnybok selbst und einige prominente Swoboda-Aktivisten insgesamt sechs Mehrheitswahlkreise, so dass diese politische Gruppierung in dieser Form auch weiterhin in der Werchowna Rada präsent sein wird. Die größte Projektionsfläche für die Angst des Auslands vor einem erstarkenden Nationalismus in der Ukraine ist der Rechte Sektor mit seinem Anführer Dmitrij Jarosch. Diese Gruppe bewaffnete sich bereits im Januar zur Verteidigung des Maidan und weigert sich seither, die Waffen abzugeben. Sie akzeptiert das Gewaltmonopol des Staates nicht. Als politische Partei war der Rechte Sektor erfolglos und erhielt nur 1,80 % der Stimmen bei der Verhältniswahl. Allerdings gelang es Jarosch in seiner Heimat Dnipropetrowsk einen Mehrheitswahlkreis zu erobern; er wird also im Parlament sitzen. Seine Weltsicht ist militaristisch und hat faschistische Züge. Fazit Die vorgezogenen Parlamentswahlen waren ebenso wie die Präsidentenwahl im Mai die direkte Folge des Euromaidan, des Aufbegehrens der Zivilgesellschaft gegen die korrupte autoritäre Präsidialherrschaft. Die Wahlen haben die Ergebnisse des Maidan sozusagen formalisiert. Sie sind auch das Eingeständnis, dass die Zivilgesellschaft nicht das Land regieren kann und dass demokratische Institutionen unabdingbar sind. Aus beidem – dem zivilgesellschaftlichen Aufbruch und dieser Formalisierung – gewinnt die ukrainische Gesellschaft Selbstbewusstsein; dies ist ein weiterer Baustein der Staats- und Nationsbildung. Auch die russische Aggression fügt die ukrainische Gesellschaft enger zusammen und fördert die Konsensbildung sowie die Überzeugung, dass die Ukraine auf sich selbst gestellt ist und mit eigenen Kräften den Weg in die Zukunft gestalten muss. Das Land braucht aber, wenn es erfolgreich sein will, die Hilfe des Westens. Die Unterstützung der EU und Amerikas für die Ukraine ist keine Politik gegen Russland, sondern folgt der Einsicht, dass Europa für diejenigen einzustehen hat, die sich ihm zugehörig fühlen und nach westlichen politischen Werten leben wollen. Dabei schaffen Visionen natürlich noch nicht neue Wirklichkeiten, aber ohne sie gibt es keinen Aufbruch. Weitere Infografiken zu den Wahlen Interner Link: ... finden sich in unserer Bildergalerie "Tabellen und Grafiken zum Text"!
Article
Von Gerhard Simon, Köln
"2021-06-23T00:00:00"
"2014-11-25T00:00:00"
"2021-06-23T00:00:00"
https://www.bpb.de/themen/europa/ukraine-analysen/196750/analyse-ergebnisse-der-parlamentswahlen-2014-nach-europa/
Die vorgezogenen Parlamentswahlen waren ein weiterer Schritt zur institutionellen Festigung der Demokratie. Die weitgehend störungsfreie Durchführung der Wahlen unter den Bedingungen des fortdauernden Krieges im Donbass war auch ein Test für die demo
[ "Deutschland", "Köln" ]
30,758
Analyse: Neue Grenzen der Migration: Ansichten aus dem Fernen Osten | Russland-Analysen | bpb.de
Russlands Ferner Osten – Bevölkerung und Geographie In der modernen Welt sind die Wohnortwechsel, die traditionell mit dem Begriff "Migration" bezeichnet werden, komplexer und vielfältiger geworden. Nach dem Fall des Eisernen Vorhanges sind Bürger Russlands aktiv an den grenzüberschreitenden Wanderungsprozessen beteiligt. Migration ist über viele Jahre ein aktuelles Thema des gesellschaftlichen Diskurses geblieben. Einer Umfrage des "Allrussischen Meinungsforschungsinstituts" (WZIOM) vom Juli 2014 zufolge halten 19 % der Bürger Russlands Migration und die interethnischen Beziehung für die wichtigsten Probleme des Landes. Der Ferne Osten gehörte traditionell zu den am wenigsten besiedelten Teilen Russlands. Bei einer Gesamtfläche der neun Föderationssubjekte von 6, 169 Millionen Quadratkilometern, die über 35 % der Landesfläche ausmacht, erreichte die Bevölkerungszahl der Fernen Ostens in den letzten Jahren der Sowjetunion mit etwas über acht Millionen ihren Höhepunkt. Das war die Folge massiver (und nicht immer freiwilliger) Umsiedlungsmaßnahmen, die seit Mitte des 19. Jahrhunderts durchgeführt worden waren. Zur indigenen Bevölkerung dieser riesigen Gebiete gehört vor allem die Kategorie der sogenannten "kleinen Völker". Eine Ausnahme bilden die Jakuten, eine recht zahlenstarke Ethnie, die vorwiegend (zu 97 %) in der Republik Sacha (Jakutien) leben und dort die Hälfte der Gesamtbevölkerung ausmachen. Die Republik ist das einzige Föderationssubjekt im Föderalbezirk Fernost, in denen ethnische Russen nicht die dominierende Volksgruppe darstellen. Ungeachtet der geographischen Lage der Region neigen deren Bewohner kulturell Europa zu, und nicht Asien. Die Art und Weise, in der die Gebiete des Ostrusslands erschlossen wurden, legt nahe, dass ein großer Teil der Bevölkerung durch Umsiedler und deren Nachfahren gebildet wird. Dadurch ist im historischen Gedächtnis der Menschen im Fernen Osten immer das attraktive Bild einer "kleinen fernen Heimat" präsent gewesen, die während des Besuchs bei Verwandten, die in den "Ausgangssiedlungen" leben, reale Züge annimmt. Der Anfang der 1990er Jahre erfolgte wirtschaftliche und politische Wandel in Staat und Gesellschaft hatte katastrophale Folgen auf die demographische Lage der Region. Die demographische Kennziffern des Fernen Osten haben – selbst vor dem Hintergrund der ungünstigen demographischen Entwicklung Gesamtrusslands – tragische Züge angenommen. Bevölkerungsbewegungen im Fernen Osten Die Bevölkerungszahl des Föderalbezirks Fernost (russ.: "DFO") betrug zum 1. Januar 2014 6,227 Millionen oder 4,34 % der Gesamtbevölkerung Russlands. Viele ausländische (vor allem US-amerikanische und westeuropäische) Wissenschaftler sind in ihren Arbeiten, in denen sie die Situation aus Sicht einer Suche nach wirtschaftlichen Entwicklungsperspektiven betrachten, der Ansicht, dass es angesichts der ungünstigen Klimabedingungen keinen Sinn hat, die Bevölkerungszahl anwachsen zu lassen, da deren Versorgung bei Einhaltung der grundlegenden sozialen Vorgaben verlustreich und nicht zweckmäßig wäre. Es ist übrigens für Behördenvertreter aller Ebenen und Bereiche zum guten Ton geworden, die politische und wirtschaftliche Bedeutung der Region hervorzuheben. Angesichts der weiteren Zuspitzung der Beziehungen Russlands zur EU und den USA sowie in Folge der gegen Russland verhängten Sanktionen hat sich die propagandistische Rhetorik über eine Änderung der Prioritäten verstärkt. Eine Ausrichtung nach Osten wird als die wirtschaftlich aussichtsreichste und politisch stabilste dargestellt. Offensichtlich soll in nächster Zeit der "goldene Regen" des Wohlstands auf die Menschen des Fernen Ostens niedergehen. Konsequenterweise handelt ein beträchtlicher Bevölkerungsteil der Region nicht im Einklang mit den Aufrufen der Regierung, sondern ausgehend vom eigenen Verständnis ökonomischer Zweckmäßigkeit. Die konkurrenzfähigsten Bewohner des Fernen Ostens ziehen auf der Suche nach einem besseren Leben und beruflicher Selbstverwirklichung in den europäischen Teil der Russischen Föderation oder ins Ausland; zur typischsten Zielregion in Russland ist in den letzten Jahren die Region Krasnodar geworden, wo ein umfangreiches Netz freiwilliger und professioneller Umzugshilfen geschaffen wurde. Vor allem gebildete und relativ wohlhabende Menschen verlassen den Fernen Osten. Migrationsstimmungen sind auch für junge Menschen kennzeichnend, bei denen die psychologische Hemmschwelle niedrig ist. Migrationspolitik und Einstellungen zu Migranten Die Regierung der Russischen Föderation hat zwei aktuelle Initiativen vorgelegt, die die Migrationsbewegung in den Fernen Osten lenken sollen. Die erste steht im Zusammenhang mit dem Vorschlag, 2015 ein "Gebiet beschleunigter Entwicklung" (russ.: "TOR") einzurichten, auf dem unter anderem die Migrationsbestimmungen gelockert werden sollen. Dem Gesetzentwurf zufolge, der am 15. Oktober 2014 von Alexander Galuschka, dem Minister für die Entwicklung des Fernen Ostens; in die Staatsduma eingebracht wurde, sollen Arbeitgeber ausländische Arbeitnehmer ohne Genehmigung des Föderalen Dienstes für Migrationsfragen eingestellt und beschäftigt werden können; stattdessen sollen den Migranten die Einladungen und Arbeitserlaubnisse für Russland ungeachtet der von der Regierung aufgestellten Quoten erteilt werden. Unmittelbar danach wurde eiligst eine Abstimmung im Internet veranstaltet, mit der die Haltung zu diesem Vorschlag der Regierung ermittelt werden sollte. An der Abstimmung nahmen 2624 Menschen teil, von denen 88 % aus Angst vor steigender Kriminalität und sinkenden Löhnen eine ablehnende Haltung gegenüber Migranten zeigten. Viele Bürger Russlands kommen mit der Arbeit von Migranten in Berührung und weigern sich gleichwohl, deren "Nützlichkeit" zu sehen. In Gesprächen mit Studenten verschiedener Fachrichtungen stößt man oft auf den Unwillen der Sprecher, das Recht der Arbeitsmigranten anzuerkennen, als Träger ihrer Kultur zu gelten, einer Kultur, die oft tiefer wurzelt, als die eklektische Weltsicht von Absolventen einer Hochschule im Fernen Osten. In den über zwanzig Jahren seit dem Zerfall der UdSSR werden Einwohner der einstigen Sowjetrepubliken von den Bürgern Russlands nicht mehr als Mitbürger betrachtet. Einer Umfrage zufolge, die 2013 in drei Föderationssubjekten der Region durchgeführt wurde, zeichnen sich junge Einwohner des Fernen Ostens nicht durch eine tolerante Haltung gegenüber Zuwanderern aus eine fremden Kultur aus. Zuwanderer aus den zentralasiatischen GUS-Staaten werden im Schnitt von 50,9 % der Befragten negativ beurteilt. Ähnlich ist übrigens die Haltung gegenüber Zuwanderung aus der Volksrepublik China (hierzu äußerten sich in den drei Föderationssubjekten 52,2 % der Befragten negativ), aus Aserbaidschan, Armenien und Georgien (51,9 % negative Antworten), noch negativer die gegenüber zugewanderten Angehörigen der Ethnien im Nordkaukasus (62,7 % Ablehnung). Dabei ist die missachtende Haltung der Migranten gegenüber der lokalen Bevölkerung sowie den Gesetzen und Traditionen der Hauptgrund für die negative Einstellung unter den jungen Einwohnern des Fernen Ostens gegenüber Zugewanderten. Flüchtlinge aus der Ost- und Südukraine Bis in die jüngste Zeit sind die wenigen Europäer und zugewanderten "slawischen Brüder" aus den postsowjetischen Staaten sowie die in ihrer Mentalität nahestehenden Ukrainer und Belorussen mit großem Interesse wahrgenommen worden. Diese Situation änderte sich mit der intensiveren Zuwanderung aus dem Südosten der Ukraine. Angesichts der massiven Aktionen zur Sammlung von Hilfsgütern für Flüchtlinge steigt gleichzeitig eine latente Unzufriedenheit in Bezug auf deren Ansprüche (Wohnung, Lebensmittel, medizinische Versorgung, überzogene Vorstellungen vom Lohnniveau). Der Ferne Osten soll einer offiziellen Quote gemäß bis Ende des Jahres 9060 Flüchtlinge aus der Ukraine aufnehmen. Darüber hinaus gibt es eine beträchtliche Zahl Flüchtlinge, die auf eigene Faust zuwandern, weswegen eine Überschreitung der festgelegten Quote prognostiziert wird. In der Region Chabarowsk, auf die der stärkste Flüchtlingsstrom entfällt, wurde im September der Notstand ausgerufen, unter deren Bestimmungen alle materiellen Ressourcen der regionalen Reserve zur Unterbringung und Arbeitsvermittlung von Flüchtlingen eingesetzt werden können. Neben dem verhaltenen Murren der Bevölkerung brachte Alexander Lewintal, der für Wirtschaftsfragen und die Koordination der Flüchtlingsarbeit zuständige erste stellvertretende Gouverneur der Region Chabarowsk, an Panik grenzenden Missmut zum Ausdruck. Der Vorschlag, den Migranten juristische und soziale Hilfe zu leisten, hat auch Proteste ausgelöst, da die Menschen im Fernen Osten eine ständige Vernachlässigung und fehlende Aufmerksamkeit ihnen gegenüber, den Problemen von Bürgern Russlands am Rande des Staatsgebietes gegenüber empfunden; das Bemühen der Behörden zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Migranten wird oft als ungerechten Einsatz der Ressourcen betrachtet, bisweilen auch als Verrat nationaler Interessen. Anreize für russische Fachleute Die zweite Initiative der Regierung zielt auf Fachkräfte aus Russland im Alter bis 35 Jahre, denen ein Zuschuss von 800.000 Rubeln für deren Bereitschaft geboten wird, in den Osten des Landes umzuziehen. Es ist geplant, zu diesen Zwecken im Falle einer Umsetzung des Programmes "Neue Maßnahmen im Beschäftigungsbereich 2014–2016" 130 Milliarden Rubel aufzuwenden. Bereits einfache Kalkulationen zeigen, dass diese Entscheidung für 162.500 Menschen berechnet war, was der Bevölkerungszahl einer mittelgroßen Stadt im Fernen Osten entspricht, zwischen der von Nachodka (Region Primorje – rund 155.000 Einwohner) und Petropawlowsk-Kamtschatskij (rund 180.000). Die Diskussion in den sozialen Netzwerken zu dieser Initiative zeigt große Zweifel an deren Erfolg, und zwar sowohl bei potentiellen Umsiedlern, als auch insbesondere bei Einwohnern des Fernen Ostens. Die ersteren sprechen von unzureichenden materiellen Anreizen: Die angebotene Summe würde nicht die Kosten für eine neue Wohnung, die Unannehmlichkeiten durch den Abschied von der gewohnten Umgebung, das geringe Lohnniveau im Kontrast zu erheblich höheren Verbraucherausgaben wegen erhöhter Preise und der notwendigen Anschaffung warmer Kleidung usw. Die Zeiten sind vorbei, da man in den Fernen Osten fuhr, um "dem Geruch der Taiga zu folgen", wobei auch früher die Motive der Romantiker mit Maßnahmen zur Schaffung materieller Anreize vermischt waren. Bewohnern des europäischen Teils von Russland erscheint es heute nicht mehr attraktiv, sich zum Geldverdienen in den Fernen Osten aufzumachen. Es liegt näher, ist bequemer und vor allem einträglicher, nach Europa mit dessen entwickelter Verkehrs- und Sozialstruktur zu gehen. Noch pessimistischer in Bezug auf das neue Umsiedlungsprogramm sind jene gestimmt, die bislang noch im Osten Russlands leben. Zu den Kritikern gehört auch der Abgeordnete der Duma der Region Chabarowsk Sergej Jaschtschuk, der auf die Notwendigkeit verweist, seine jungen Kader in der Region zu halten. Es sei ungerechtfertigt, den Umzug von Fachkräften aus den westlichen Landesteilen zu finanzieren, die sich sehr wohl den lokalen Besonderheiten nicht gewachsen zeigen und nach ein paar Jahren Arbeit wieder zurückgehen könnten. Wenn der Bevölkerungsabzug nicht gestoppt werde, sei es sinnlos, Mittel für den Zuzug von Neubürgern des Fernen Ostens aufzuwenden. Emigrationsabsichten Die jungen Menschen der Region folgen der gesamtrussischen Tendenz zur verstärkten Migration ins Ausland. Bei einer Umfrage des Lewada-Zentrums vom 23.–27. Mai 2013 erklärten von den Russen unter 25 Jahren 39 % den Wunsch nach Auswanderung, von denen zwischen 25 und 40 Jahren waren es 32 %. Als wichtigste Faktoren, die an eine Emigration denken lassen, werden bessere Lebensbedingungen im Ausland genannt (49 %), der Wunsch nach einer anständigen Zukunft für die Kinder (31 %) und die wirtschaftliche Instabilität in Russland (32 %). Andererseits haben nur ein Prozent der Befragten ihre "feste" Absicht zur Auswanderung bekundet; die Papiere dafür besorgen sich weniger als ein Prozent. Auch sollte das von Richard T. LaPiere beschriebene Paradoxon nicht vergessen werden, dem zufolge, grob gesagt, "wollen" nicht auch "auswandern" bedeutet. Selbst diese Ziffern sind übrigens nach russischen Maßstäben beträchtlich, ihnen mit Ironie zu begegnen, wäre kurzsichtig. Bei dem Versuch diese Prozesse zu analysieren entstammt die erste Schwierigkeit, mit der sich der Forscher konfrontiert sieht, dem Bereich der Statistik: Bei der Menge an Umfragen, an Feststellungs- und Ordnungsverfahren, die den Grenzübertritt regeln, kann eine belegbare Zahl der Bürger Russlands, die in diversen Regionen der Erde sich als Ausländer aufhalten, nicht benannt werden. Den 2011 erlassenen Vorschriften zur Erfassung von Bürgern Russlands im Ausland zufolge ist zum Beispiel das Verfahren zur Aufnahme ins Konsularregister durch und durch freiwilliger Natur und weniger dazu geeignet, der Kontrolle durch das Heimatland zu dienen, als dem Wohlbefinden und der Sicherheit der im Ausland lebenden Bürger. Durch diesen Ansatz haben die Mitarbeiter der Konsulate kein vollständiges Bild von der Anzahl der Auslandsrussen und den Zielen ihres Aufenthalts dort. Auch der Anteil der Menschen aus dem Fernen Osten, die für einen längeren Wohnaufenthalt ins Ausland ziehen, lässt sich offiziell nicht feststellen. Bei denen, die erklärtermaßen aus dem Fernen Osten wegziehen wollen, haben 20,1 % der Hochschulabsolventen in der Region Chabarowsk, 16,6 % der Berufseinsteiger im Jüdischen Autonomen Gebiet und 14 % der Absolventen in der Region Kamtschatka eine Auswanderungsabsicht geäußert. Die Motive für einen Umzug sind im Großen und Ganzen ein Abbild jener Probleme, die junge Bürger Russlands bewegen. Der Anteil der Hochschulabsolventen, die für sich keine Karriereperspektiven sehen, wenn sie in der Region bleiben, ist recht hoch "Expats" Eine gewisse Vorstellung von der Zahl der Bürger, die Russland verlassen, gibt das Externer Link: Demographische Jahrbuch Russlands 2013. Diesem zufolge haben von 2006 bis 2012 insgesamt 221.810 Bürger die Russische Föderation verlassen, wobei die festgestellten Abgangszahlen Schwankungen unterworfen sind: Es erfolgte ein Rückgang von 51.791 (2006) auf 29.467 im Jahr 2001 sowie ein Anstieg auf 46.687 im Jahr 2012. 2012 sind in die Länder des fernen Auslandes 27.179 Personen ausgewandert; unter den Zielländern nahm China 2012 mit 4.358 Personen (gegenüber 507 im Jahr 2011) den ersten Platz ein. Das lange Jahre führende Deutschland (3.781) rutschte auf Platz zwei; traditionell attraktive Länder sind auch die USA (1.561) und Israel (1.104). Die genannten Zahlen bezeichnen natürlich diejenigen, die das Land verlassen und eine neue Staatsbürgerschaft annehmen. Sie berücksichtigen nicht die beträchtliche Anzahl von expatriates. Eine ansatzweise Vorstellung davon vermitteln die Angaben des des Internationalen Rates russländischer Landsleute, einer Organisation für Auslandsrussen. Mitte der 2000er Jahre hat die Aktivität seiner Mitgliedsorganisationen begonnen bzw. sich erheblich verstärkt, doch korreliert die Anzahl der Menschen, die als Mitglieder dieser freiwillige, selbstverwalteten gesellschaftlichen Zusammenschlüsse von Landsleuten aus Russland genannt werden und ständig oder temporär in den jeweiligen Staaten leben, in keiner Weise mit der Anzahl der tatsächlich dort lebenden Auslandsrussen. In Australien, den USA und in Chile ist von nichtregistrierter Mitgliedschaft juristischer und natürlicher Personen die Rede, in Peru wurden 400 angegeben, in Kanada über 2000 und in China 150. Dabei ist die Gemeinde der Auslandsrussen sehr viel größer, hier arbeitet der Koordinationsrat der Landsleute in China. Jedes Jahr werden in verschiedenen Städten Chinas Konferenzen durchgeführt (am 30. Mai 2014 fand in Hunchun (Autonome Koreanische Präfektur Yanbian) die achte Konferenz der in China lebenden Auslandsrussen statt; das Thema lautete: "Russisch-Chinesisches Grenzgebiet: Die Rolle der Auslandsrussen bei der Entwicklung der regionalen Zusammenarbeit"). Obwohl an der Konferenz nur rund 50 Personen teilnahmen, sprechen deren Koordinatoren von 400.000 Bürgern Russlands, die ständig in China leben. Die Auswanderer bezeichnen sich selbst als "russitschane", abgeleitet vom russischen "russitsch" (im Mittelalter: "Russe") und dem englischen "China". China als Migrationsziel Ein äußerst wichtiger Motivationsfaktor zur Migration sind Wohnungsfragen. Die Preise für Wohnungen und die Kosten für kommunale Leistungen sind in den Städten der chinesischen grenznahen Gebiete um ein Vielfaches geringer als in den Städten des Fernen Osten Russlands. Dieser Umstand macht den Nordosten Chinas insbesondere für Rentner attraktiv. Ein besonderes Thema ist die Entwicklung des Gesundheitstourismus. Im Fernen Osten gibt es professionelle Koordinatoren, die Patienten aus Russland dabei helfen, in China eine für die jeweilige Erkrankung passende und dem Budget des Betroffenen angemessene Klinik oder Nachsorgeeinrichtung zu finden. Der Akzent wird hier auf den Wunsch gelegt, für einen stabilen Heilungseffekt eine lange, möglichst permanente Betreuung durch chinesische Ärzte zu erreichen. Die jungen Menschen im Fernen Osten nutzt intensiv die Möglichkeiten Chinesisch zu lernen und an den Hochschulen der grenznahen Provinzen einen Abschluss zu machen. Viele dieser jungen Leute kombinieren dabei Studium und Arbeit. Die Nachfrage nach Models mit europäischem Äußeren und nach Schauspielern allen Alters für chinesische TV-Serien ist groß. Unternehmer aus Russland werden vom stürmischen Wachstum in den unterschiedlichen Branchen der chinesischen Wirtschaft angezogen, während die Abhängigkeit Russlands von der Förderung von Energieträgern weiter bestehen bleibt. Bei einer Reihe von Berufen, insbesondere im intellektuellen Bereich, ist das Lohniveau in China mit dem Durchschnittsniveau im Fernen Osten Russlands vergleichbar, wenn nicht gar höher; gleichzeitig sind die Lebenshaltungskosten in China erheblich geringer. Dem Chinaforscher oder schlichtweg aufmerksamen Beobachter des Landes wird nicht entgangen sein, dass die Anhänger einer westlichen Lebensweise dort zunimmt. Diese werden metaphorisch als "Bananen" bezeichnet – "außen gelb, innen weiß!". Es existiert mit "Ei" auch ein umgekehrter Vergleich für jemanden, der "außen weiß und innen gelb" ist. Das ist die ehrenvolle Bezeichnung für einen Europäer, den Chinesen als "einen der ihren" anerkennen. Für Menschen aus Russland ist ein solcher Titel eine große Seltenheit, wenn auch die Integrationsprozesse fortschreiten. Bei Kulturfragen erscheint die Entwicklungsrichtung wichtiger als die Geschwindigkeit. Es ist offensichtlich, dass die geringe Teilnehmerzahl bei Konferenzen oder anderen offiziellen Veranstaltungen entspricht nicht der tatsächlichen Anzahl der Auslandsrussen, deren Neigung zu sozialer Mobilisierung sich in Kommunikation auf Internetseiten erschöpft (so ist zum Beispiel bei den Auslandsrussen in Asien das Portal Externer Link: Östliche Hemisphäre besonders beliebt). Man könnte annehmen, dass ein Teil der Auslandsrussen deshalb zu "Ehemaligen" wurde, weil man sich vom russischen Staat und dessen bürokratischen System distanzieren wollte. Russland agiert meist vor allem über staatliche Strukturen, beispielsweise über die Föderale Agentur für Fragen der GUS, der im Ausland lebenden Landsleute und für internationale humanitäre Zusammenarbeit ("Rossotrudnitschestwo"). Interessanterweise nennt Putin diesen Ansatz eine Verbreitung von "Soft power" und löst damit bei Joseph S. Nye, dem Begründer dieses Konzeptes, Verwunderung aus. Nye meinte, Russland begehe einen Fehler, wenn es den Staat als wichtigstes Instrument von Soft power betrachte. Die Rolle des Staates ist bei den beschriebenen Prozessen erheblich geringer, als es die Führung Russlands glauben mag. Es sei notwendig "die Talente seiner Zivilgesellschaften in vollem Maße zur Entfaltung kommen zu lassen", formulierte es dieser moderne Klassiker der Politikwissenschaft, ohne jedoch dabei die Hoffnung zu äußern, dass dies in näherer Zukunft erfolgen werde. Übersetzung aus dem Russischen: Hartmut Schröder Lesetipps: Brunarskaa, Zuzanna, Joanna Nestorowicz, Stefan Markowski: Intra- vs. extra-regional migration in the post-Soviet space, in: Eurasian Geography and Economics, 55.2014, Nr. D20140826, S. 133–155.  European Bank for Reconstruction and Development: Diversifying Russia. Harnessing regional diversity, London: EBRD 2014.  Greene, Samuel, Graeme B. Robertson: Identity, Nationalism, and the Limits of Liberalism in Russian Popular Politics, June 2014 (= PONARS Eurasia Policy Memo No. 323), 27. Juni 2014.  Judah, Ben: Russia’s Migration Crisis, in: Survival, 55.2013, Nr. 6, S. 123–131.  Malakhov, Vladimir S.: Russia as a New Immigration Country: Policy Response and Public Debate, in: Europe-Asia Studies, 66.2014, Nr. 7, S. 1062–1079.  Mukomel, Vladimir: Integration of Migrants. Russian Federation, 2013 (= CARIM-East Research Report 2013/02), 19. November 2013; Externer Link: http://www.carim-east.eu/media/CARIM-East-RR-2013-02.pdf).  Schenk, Caress: Controlling Immigration Manually: Lessons from Moscow (Russia), in: Europe-Asia Studies, 65.2013, Nr. 7, S. 1444–1465.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2021-06-23T00:00:00"
"2014-11-25T00:00:00"
"2021-06-23T00:00:00"
https://www.bpb.de/themen/europa/russland-analysen/nr-286/196787/analyse-neue-grenzen-der-migration-ansichten-aus-dem-fernen-osten/
Die negative Haltung zu Migranten ist oft eine Folge künstlich errichteter Barrieren; sie spiegelt weniger real vorhandene äußere Feinde wieder, als vielmehr tiefgreifende innere Probleme der Gesellschaft in Russland. Für den Fernen Osten Russlands i
[ "" ]
30,759
Irreguläre Auswanderung | Albanien | bpb.de
In den 1990er Jahren erfolgte die albanische Migration überwiegend irregulär. Obwohl sich die Migrationsbewegungen in den 2000ern stabilisierten, setzte sich ein gewisses Maß an irregulärer Migration fort, da legale Zuwanderungskanäle oftmals eingeschränkt blieben und sich gleichzeitig die sozioökonomischen Unterschiede innerhalb Albaniens weiter verstärkten. Die Implementierung von Rückübernahmeabkommen (RAs) und strengen Grenzkontrollen durch die albanische Grenzpolizei, haben zu einer kontinuierlichen Rückführung irregulärer albanischer Migranten insbesondere aus Griechenland geführt. Tabellen 3 und 4 zeigen die Zahl der Albanerinnen und Albaner, die zwischen 2006 und 2010 zwangsweise aus der EU nach Albanien zurückgeführt wurden sowie die fünf Länder, aus denen im Zeitraum 2009-2010 die meisten undokumentierten Migranten zurückgeführt wurden. Wie aus Tabelle 4 hervorgeht, wird die überragende Mehrheit aus Griechenland zurückgeführt. Die meisten Rückkehrer sind männlich – rund 96 Prozent im Jahr 2010. Tabelle 3: Zahl der Personen, die aus der EU nach Albanien zurückgeführt wurden (nach Jahren) Jahr20062007200820092010 Anzahl61.88473.67966.00965.48452.917 Quelle: Daten des albanischen Innenministeriums, in: Dedja (2012b, S. 102) Tabelle 4: Länder aus denen albanische Staatsangehörige hauptsächlich zurückgeführt wurden, 2009-2010 Land/Jahr2009%2010% Griechenland62.6399350.73593 Italien 1.44421.1502 Mazedonien 1.23421.0042 Ver. Königreich 5240,83400,6 Schweiz 3470,52290,4 Deutschland 2230,31850,4 Frankreich 2220,31530,3 Andere 9380,17921,5 Gesamt 67.57110054.588100 Quelle: Daten des albanischen Innenministeriums, in: GoA (2010, S. 83-84) GoA (2010), S. 41.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2022-01-04T00:00:00"
"2013-05-07T00:00:00"
"2022-01-04T00:00:00"
https://www.bpb.de/themen/migration-integration/laenderprofile/159601/irregulaere-auswanderung/
In den 1990er Jahren erfolgte die albanische Migration überwiegend irregulär. Obwohl sich die Migrationsbewegungen in den 2000ern stabilisierten, setzte sich ein gewisses Maß an irregulärer Migration fort, da legale Zuwanderungskanäle oftmals eingesc
[ "Auswanderungsland", "Auswanderung", "irreguläre Migration", "Albanien" ]
30,760
Kommentar: Eine Debatte um die historische Verantwortung Deutschlands für die Ukraine im Deutschen Bundestag zeigt deutlich die Krise der Begriffe | Ukraine-Analysen | bpb.de
Einleitung Am 19. Mai 2017 wurde im Deutschen Bundestag über den Antrag zur historischen Verantwortung Deutschlands für die Ukraine diskutiert. Der Antrag wurde von Marieluise Beck initiiert und von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen eingebracht. Trotz der inhaltlichen Zustimmung zur historischen Verantwortung Deutschlands für die Ukraine wurde der Antrag in dieser Phase der Debatte nicht angenommen. Stattdessen wurde er zur weiteren Bearbeitung an den Auswärtigen Ausschuss weitergeleitet. Mit dem Antrag verfolgt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Ziel, die historische Verantwortung Deutschlands gegenüber der Ukraine zu stärken und "sich bilateral und im Rahmen der internationalen Institutionen weiter für eine aktive Unterstützung der Ukraine einzusetzen und mithilfe von Bildungsarbeit und Kulturprojekten in der Ukraine Erinnerungsdialoge und ein verantwortungsvolles Gedenken und Erinnern an die Geschichte zu fördern". Die Forderung ist dadurch begründet, dass im 20. Jahrhundert kaum ein europäisches Land solch "eine leidvolle und tragische Geschichte" wie die Ukraine hatte. Die Ukraine sei ein Schauplatz des russischen Bürgerkrieges, deren Anfang das Jahr 1917 markierte, des Holodomor (Hungersnot in den Jahren 1932/33) sowie des Zweiten Weltkrieges und dessen Folgen gewesen. Hauptschwerpunkte des Antrags und Debatte im Bundestag Aus der Rede von Marieluise Beck am 19. Mai geht vor allem hervor, dass trotz der im Antrag genannten Ereignisse Belarus, Polen, Litauen, Lettland, Estland und auch die Ukraine in Deutschland kaum als "Bloodlands" – mit Blick auf den Begriff des amerikanischen Historikers Timothy Snyder – wahrgenommen werden. Stattdessen werde in der deutschen Öffentlichkeit vorrangig Russland als Opfer mit dem deutschen Vernichtungskrieg in Verbindung gebracht. Durch Propaganda versuche Russland, diese Wahrnehmung zu verstärken und die Ukraine "pauschal als Nazikollaborateur" darzustellen. Abschließend appellierte Marieluise Beck an den Bundestag, Themen wie die ukrainische Zwangsarbeit, die im kollektiven Gedächtnis Deutschlands ebenfalls nur wenig Platz habe, aufzuarbeiten und zusätzliche Debatten zu dem Antrag zu führen. In der Debatte wurde deutlich, dass die überwiegende Anzahl der Redner den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen inhaltlich unterstützt und die historische Verantwortung Deutschlands gegenüber der Ukraine anerkennt. Von den Fraktionen CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen wurde betont, dass es wichtig sei, die deutsche Geschichte mit Blick auf die Ukraine aufzuarbeiten. Dr. Fritz Felgentreu (SPD) sagte in diesem Zusammenhang, dass es vielen noch schwerfalle, "die Ukraine überhaupt als europäisches Land mit eigener Identität und eigener Geschichte angemessen wahrzunehmen". Dr. Hans Peter-Uhl (CDU/CSU) hob hervor, die "so lange gewohnte Wahrnehmung der Ukraine als Teil der Sowjetunion hindert bisweilen daran, sich der historischen Identität als Grundlage eines souveränen Staates bewusst zu sein, eines Staates mit eigener Geschichte, mit eigener Sprache, mit eigenen Sitten und Bräuchen", und forderte dazu auf, das Wissen über die Ukraine in Deutschland zu stärken und dies als historische Verantwortung wahrzunehmen. Der Begriff der historischen Verantwortung wurde zudem durch andere Dimensionen erweitert. Dr. Ute Finckh-Krämer (SPD) sagte mit Blick darauf, dass man alles tun müsse, um "jeder Debatte, die zum Ziel hat, unsere historische Verantwortung zu relativieren, entschieden entgegen[zu]treten". Sie fügte außerdem hinzu, dass die historische Verantwortung auch darin bestehe, "den Bürgerkrieg in der Ostukraine" zu beenden. Dr. Christoph Bergner (CDU/CSU) sah eine "historisch-moralische Verpflichtung" darin, "die Ukraine am europäischen Friedenswerk zu beteiligen", die auch von Elisabeth Motschmann (CDU/CSU) als "Blick nach vorne" bezeichnet wurde. Sie forderte zudem dazu auf, "der russischen Propaganda entgegen[zu]treten, die den Maidan als Werk militanter Rechtsextremisten diffamiert". Auch die Gründung der Deutsch-Ukrainischen Historikerkommission im Jahr 2014 wurde von der CDU/CSU-Fraktion ausdrücklich positiv hervorgehoben. Trotz der inhaltlichen Zustimmung stieß der Antrag auf wesentliche Kritikpunkte, die dessen Verabschiedung durch den Deutschen Bundestag in Frage stellen. Die SPD hob hervor, dass solch ein Antrag einen Konsens aller Fraktionen benötige. Es wurde von der CDU/CSU und der SPD-Fraktion vorgeschlagen, den Antrag zu überarbeiten und seine Inhalte in den Antrag zur Östlichen Partnerschaft einfließen zu lassen. Auch wurden die isolierte Betrachtung der Ukraine und der Ausschluss von Ländern wie Polen, Belarus und den baltischen Staaten, die im Zweiten Weltkrieg ebenfalls viel Leid erfahren haben, kritisiert. Gleichzeitig wurde gefordert, keinen "geschichtspolitischen" Antrag einzubringen, sondern einen, der beide Perspektiven, "die historische und die aktuelle", verbinde und sich auf die Weiterentwicklung der Östlichen Partnerschaft konzentriere. Die Fraktion Die Linke forderte zudem, "eine Politik des Friedens und des Ausgleichs" gegenüber Russland und der Ukraine zu entwickeln. Die Krise der Begriffe Die Debatte im Bundestag zur historischen Verantwortung Deutschlands gegenüber der Ukraine ist ohne Zweifel ein historisches Ereignis, welches die Beziehungen zwischen Deutschland und der Ukraine auszeichnet und sie weiter prägen wird. Es fällt allerdings auf, dass sie die andauernde Krise der Begriffe um die Ukraine widerspiegelt, die möglicherweise auf folgende fünf Gründe zurückzuführen ist: Als erstes auf die Tatsache, dass die Ukraine erst seit 1991 unabhängig ist und viele Jahrzehnte als Teil der Sowjetunion wahrgenommen wurde. Zweitens führte eine langjährige deutsche Ostpolitik, die eine Versöhnung mit der Sowjetunion anstrebte und sich auf Russland konzentrierte, zu einem mangelnden Verständnis für die Ukraine und einer fehlenden Wahrnehmung des Landes als souveräner Staat. Drittens trug die nicht vorhandene auswärtige Kulturpolitik der Ukraine zu einem verschwommenen Bild der Ukraine im Ausland bei. Viertens führten das Fehlen bilateraler Plattformen zwischen Deutschland und der Ukraine bis 2014 – eine Ausnahme bilden vielleicht die Kiewer Gespräche –, auf denen sich zivilgesellschaftliche, wissenschaftliche und politische Akteure regelmäßig austauschen konnten, sowie die Beschränkung des Ukraine-Diskurses in Deutschland auf vereinzelte Veranstaltungen dazu, dass die ukrainische Sicht auf vergangene und gegenwärtige Prozesse fehlte. Selbst die verspätete Gründung der Deutsch-Ukrainischen Historikerkommission im Jahr 2014, die mit Blick auf die Geschichte eigentlich schon seit Jahrzehnten notwendig gewesen wäre, führt uns die mangelhafte institutionelle Zusammenarbeit zwischen Deutschland und der Ukraine vor Augen. Fünftens prägt die gezielte russische Propaganda, welche die Öffentlichkeit über den Euromaidan, die Annexion der Krim und die russische militärische Aggression im Osten der Ukraine sowie andere Prozesse konstant desinformiert, den Diskurs über diese Ereignisse massiv. Die Krise der Begriffe besteht beispielsweise darin, dass man fortwährend um geeignete Begriffe ringt, um Prozesse in der Ukraine richtig zu beschreiben. Nach drei Jahren der militärischen russischen Aggression gegen die Ukraine ist es noch immer nicht gelungen, geeignete Begriffe für die Ereignisse vor Ort zu finden. Der Krieg wird einerseits als Ukraine-Krise, als Krieg zwischen Russland und der Ukraine oder als hybrider Krieg bezeichnet und anderseits als Bürgerkrieg – und seine Beteiligten als proukrainische oder prorussische Kräfte beziehungsweise als Separatisten. In Bezug auf die Annexion der Krim durch Russland neigt man dazu, die Soldaten eines anderen Landes als "grüne Männchen" zu bezeichnen und die Beschreibung des Annexionsverlaufs auf der Halbinsel nicht durch konkrete Beispiele zu erläutern, sondern sich auf den Begriff "rechtswidrig" zu beschränken. Dabei wird außer Acht gelassen, dass eine Deutungshoheit über bestimmte historische Ereignisse nicht durch das Wiederholen von Begriffen erlangt wird, sondern durch deren Kontextualisierung und das Anführen konkreter Beispiele, die den Diskurs füllen und ihn stärken. Die Krise der Begriffe prägte zum Teil auch die Debatte im Bundestag. Es war schwierig einzuordnen, ob es sich nun um einen "Konflikt zwischen Russland und der Ukraine", einen "Bürgerkrieg mit russischer Einmischung" oder einen "Bürgerkrieg" handelte. Die Krise der Begriffe führte auch dazu, dass keine normativen Grenzen geschaffen wurden und die Fraktion Die Linke in der Debatte zur historischen Verantwortung durch Andrej Hunko vertreten wurde, der gegen die ukrainische Gesetzgebung verstoßen hat, indem er die ukrainische Grenze aus Russland in den Donbass mehrmals illegal überquerte. Es zeichnet sich zudem die Tendenz ab, die Ereignisse in der Ukraine in bestimmte Deutungsmuster einzuordnen, die auf eigene Erfahrungen zurückgreifen. So wurden die Barrieren zwischen den Menschen in der Ukraine und Russland, die infolge des Krieges entstanden sind, mit der Situation während der deutschen Teilung verglichen. Auch die Folgen des Vernichtungskrieges wurden in der Debatte von den meisten Abgeordneten auf Babyn Jar, das als ausschließlich jüdische Tragödie wahrgenommen wird, beschränkt, ohne dabei andere Ereignisse beim Namen zu nennen und auf sie einzugehen. Eine deutliche Ausnahme bilden die CDU/CSU und Bündnis 90/Die Grünen, die Begriffe wie Holodomor, erschossene Renaissance, ukrainische Zwangsarbeit, Unterdrückung der ukrainischen Dissidentenbewegung in den 60er Jahren und Revolution auf Granit auf dem Maidan 1990 eingebracht haben – und damit jedoch nur das 20. Jahrhundert in den Blick genommen haben. Fazit In diesem Zusammenhang ist es wichtig, weitere Debatten um die historische Verantwortung Deutschlands für die Ukraine zu führen, um eine überfraktionelle Übereinstimmung zu erreichen, deren Folge das Einbringen eines gemeinsamen Antrages sein sollte. Eine Stärkung des Wissens über die Ukraine in Deutschland, deren Bevölkerungszahl die sämtlicher anderer Länder der Östlichen Partnerschaft zusammengenommen übersteigt, sollte dabei ein zentrales Thema sein. Dies kann durch die Förderung bilateraler Plattformen im Bereich Zivilgesellschaft, Kultur, Geschichte und Wissenschaft erreicht werden, die einen nachhaltigen Austausch über Vergangenheit wie Gegenwart ermöglichen. Eine solche Förderung wird auch dazu beitragen, dass ein vielstimmiger Diskurs über die Ukraine entsteht, der nicht nur von der Politik bestimmt wird. Man muss sich ebenso dessen bewusst sein, dass die Ukraine heute mit einer gezielten russischen staatlichen Propaganda konfrontiert wird, die durch Verdrehung der Fakten auch den Informationsraum in ganz Europa prägt und die Deutungshoheit um den Diskurs zu erlangen versucht. Nur das Verstehen dieser Mechanismen, deren Ziel es ist, die Öffentlichkeit zu desinformieren und Begriffe zu besetzen, wird es ermöglichen, ähnliche Probleme in Zukunft frühzeitig zu erkennen und ihnen effektiv entgegenzutreten. Daher geht es heute nicht ausschließlich um die Ukraine, sondern auch darum, ob man in der Lage sein wird, aus dem Beispiel der Ukraine Lehren zu ziehen und einer Krise der Begriffe in Zukunft entgegenzuwirken. Lesetipps: Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 19. Oktober 2016 "Historische Verantwortung Deutschlands für die Ukraine", Externer Link: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/100/1810042.pdfDie vollständige Debatte im Deutschen Bundestag vom 19. Mai 2017 "Historische Verantwortung Deutschlands für die Ukraine", Drucksache 18/10042: Externer Link: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btp/18/18235.pdf#P.23861
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2021-06-23T00:00:00"
"2017-06-20T00:00:00"
"2021-06-23T00:00:00"
https://www.bpb.de/themen/europa/ukraine-analysen/250440/kommentar-eine-debatte-um-die-historische-verantwortung-deutschlands-fuer-die-ukraine-im-deutschen-bundestag-zeigt-deutlich-die-krise-der-begriffe/
Ein Antrag im Bundestag widmete sich kürzlich der historischen Verantwortung Deutschlands gegenüber der Ukraine. Dabei habe sich auch offenbart, dass weiterhin eindeutige Begriffe zur Beschreibung aktueller Vorgänge in der Ukraine fehlen, analysiert
[ "Ukraine-Analysen", "Erinnerungsdialoge", "Erinnerungskultur", "Ukraine-Konflikt", "deutsch-ukrainische Beziehungen", "Ukraine" ]
30,761
Chronik: Covid-19-Chronik, 15. – 28. Februar 2021 | Russland-Analysen | bpb.de
Datum Covid-19-Fälle in Russland (Zahlen der Johns-Hopkins-Universität)* Ereignis 15.02.2021 4.040.505 Die russische Verbraucherschutzbehörde "Rospotrebnadsor" stellt ein Testsystem zum Nachweis der im Dezember in Großbritannien erstmals aufgetretenen Covid-19-Mutation N501Y vor. 15.02.2021 4.040.505 Die Zahl der offiziell bestätigten Coronavirus-Infektionen ist in Russland innerhalb der vergangenen 24 Stunden um 14.207 Fälle auf insgesamt 4.086.090 angestiegen. Offiziell gibt es seit Beginn der Pandemie 80.520 Todesfälle. Den höchsten Zuwachs verzeichnet Moskau mit 1.818 neuen Fällen innerhalb von 24 Stunden. 16.02.2021 4.053.535 Die Zahl der offiziell bestätigten Coronavirus-Infektionen ist in Russland innerhalb der vergangenen 24 Stunden um 13.233 Fälle auf insgesamt 4.099.323 angestiegen. Offiziell gibt es seit Beginn der Pandemie 80.979 Todesfälle. Den höchsten Zuwachs verzeichnet Moskau mit 1.409 neuen Fällen innerhalb von 24 Stunden. 16.02.2021 4.053.535 Der russische Ministerpräsident Michail Mischustin ordnet die Bereitstellung von rund 50 Milliarden Rubel (etwa 553,7 Millionen Euro) aus dem staatlichen Reservefonds für das Jahr 2021 zur Zahlung an Mitarbeitende medizinischer und anderer Organisationen an, die im Bereich der Pandemiebekämpfung arbeiten. Zuvor war bereits bekannt geworden, dass Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin drei Milliarden Rubel (etwa 33 Millionen Euro) für monatliche Sonderzahlungen an medizinisches Personal, das mit an Covid-19 erkrankten Patient:innen in Kontakt steht, bereitstellen lässt. 16.02.2021 4.053.535 Russland verlängert die Aussetzung des Flugverkehrs mit Großbritannien bis zum 16. März 2021. Der Flugverkehr war am 22. Dezember 2020 wegen der zunächst in Großbritannien aufgetretenen ansteckenderen Coronavirus-Mutation "B 1.1.7" ausgesetzt worden. 17.02.2021 4.066.164 Die Regionalregierung des Autonomen Kreises der Tschuktschen lockert die aufgrund der Coronavirus-Pandemie geltenden Beschränkungen für bereits Geimpfte oder von Covid-19 genesene Personen. So soll dieser Personenkreis wieder Veranstaltungen besuchen dürfen. Bisher haben 991 Personen die erforderliche zweite Impfung erhalten, 524 Personen haben eine Erkrankung überstanden. 17.02.2021 4.066.164 Das israelische Verteidigungsministerium gibt bekannt, dass heute die von Russland gespendeten 1.000 Dosen des in Russland entwickelten Covid-19-Impfstoffs "Sputnik V" geliefert werden. Diese sollen medizinischem Personal im Gazastreifen zugutekommen. 17.02.2021 4.066.164 In der autonomen Republik Krim wird das Verbot der Öffnung von Ausstellungen aufgehoben und die mögliche Auslastung der Kinos ab dem 01. März 2021 erhöht. Dies gab Natalija Penkowskaja, Leiterin der Regionalabteilung der russischen Verbraucherschutzbehörde "Rospotrebnadsor" auf der Krim, bekannt. Begründet wird dies mit den seit vier Wochen sinkenden Infektionszahlen. 17.02.2021 4.066.164 Usbekistan lässt den in Russland entwickelten Covid-19-Impstoff "Sputnik V" zu. Russland soll im Laufe des Jahres eine Million Dosen des Impfstoffs liefern. Außerdem plant Usbekistan den Abschluss eines Vertrages zur Lieferung des zweiten in Russland entwickelten Impfstoffs "EpiVakKorona". 17.02.2021 4.066.164 Die Zahl der offiziell bestätigten Coronavirus-Infektionen ist in Russland innerhalb der vergangenen 24 Stunden um 12.828 Fälle auf insgesamt 4.112.151 angestiegen. Offiziell gibt es seit Beginn der Pandemie 81.446 Todesfälle. Den höchsten Zuwachs verzeichnet Moskau mit 1.282 neuen Fällen innerhalb von 24 Stunden. 18.02.2021 4.079.407 Die Zahl der offiziell bestätigten Coronavirus-Infektionen ist in Russland innerhalb der vergangenen 24 Stunden um 13.447 Fälle auf insgesamt 4.125.598 angestiegen. Offiziell gibt es seit Beginn der Pandemie 81.926 Todesfälle. Den höchsten Zuwachs verzeichnet Moskau mit 1.950 neuen Fällen innerhalb von 24 Stunden. 18.02.2021 4.079.407 In zehn Moskauer Polikliniken beginnen klinische Studien zum vom Gamaleja-Institut entwickelten Covid-19-Impfstoff "Sputnik light". Dies teilte der Moskauer Bürgermeister Sergej Sobjanin mit. Das besondere an "Sputnik light" ist, dass der Impfstoff seine Wirksamkeit bereits nach der ersten Impfung entfaltet. Die Immunität ist allerdings nur kürzer gegeben als mit dem klassischen Impfstoff. "Sputnik light" soll vor allem in Corona-Hotspots eingesetzt werden, in denen es auf die Herstellung einer schnellen Immunität der Bevölkerung ankommt. 19.02.2021 4.092.649 Die Zahl der offiziell bestätigten Coronavirus-Infektionen ist in Russland innerhalb der vergangenen 24 Stunden um 13.433 Fälle auf insgesamt 4.139.031 angestiegen. Offiziell gibt es seit Beginn der Pandemie 82.396 Todesfälle. Den höchsten Zuwachs verzeichnet Moskau mit 1.972 neuen Fällen innerhalb von 24 Stunden. 19.02.2021 4.092.649 San Marino lässt den in Russland entwickelten Covid-19-Impfstoff "Sputnik V" zu. 20.02.2021 4.105.424 Der russische Ministerpräsident Michail Mischustin gibt bekannt, dass der vom Tschumakow-Zentrum entwickelte Covid-19-Impfstoff "CoviVak" in Russland registriert wurde. Geplant ist, ab Mitte März 2021 die ersten Dosen der Zivilbevölkerung zur Verfügung zu stellen. Die dritte Phase der zur Zulassung notwendigen klinischen Studie wird parallel dazu durchgeführt. 20.02.2021 4.105.424 Die Zahl der offiziell bestätigten Coronavirus-Infektionen ist in Russland innerhalb der vergangenen 24 Stunden um 12.953 Fälle auf insgesamt 4.151.984 angestiegen. Offiziell gibt es seit Beginn der Pandemie 82.876 Todesfälle. Den höchsten Zuwachs verzeichnet Moskau mit 1.623 neuen Fällen innerhalb von 24 Stunden. 20.02.2021 4.105.424 In Ghana wird der in Russland entwickelte Covid-19-Impfstoff "Sputnik V" zugelassen. Ghana ist damit das fünfte Land auf dem afrikanischen Kontinent, in dem "Sputnik V" zugelassen wurde. 21.02.2021 4.117.992 Die Zahl der offiziell bestätigten Coronavirus-Infektionen ist in Russland innerhalb der vergangenen 24 Stunden um 12.742 Fälle auf insgesamt 4.164.726 angestiegen. Offiziell gibt es seit Beginn der Pandemie 83.293 Todesfälle. Den höchsten Zuwachs verzeichnet Moskau mit 1.602 neuen Fällen innerhalb von 24 Stunden. 22.02.2021 4.130.447 Die Zahl der offiziell bestätigten Coronavirus-Infektionen ist in Russland innerhalb der vergangenen 24 Stunden um 12.604 Fälle auf insgesamt 4.177.300 angestiegen. Offiziell gibt es seit Beginn der Pandemie 83.630 Todesfälle. Den höchsten Zuwachs verzeichnet Moskau mit 1.723 neuen Fällen innerhalb von 24 Stunden. 22.02.2021 4.130.447 Syrien lässt den in Russland entwickelten Covid-19-Impfstoff "Sputnik V" zu. 23.02.2021 4.142.126 Kirgistan lässt den in Russland entwickelten Covid-19-Impfstoff "Sputnik V" zu. 23.02.2021 4.142.126 Die Zahl der offiziell bestätigten Coronavirus-Infektionen ist in Russland innerhalb der vergangenen 24 Stunden um 11.823 Fälle auf insgesamt 4.189.123 angestiegen. Offiziell gibt es seit Beginn der Pandemie 84.047 Todesfälle. Den höchsten Zuwachs verzeichnet Moskau mit 1.198 neuen Fällen innerhalb von 24 Stunden. 24.02.2021 4.153.735 Die Zahl der offiziell bestätigten Coronavirus-Infektionen ist in Russland innerhalb der vergangenen 24 Stunden um 11.749 Fälle auf insgesamt 4.200.902 angestiegen. Offiziell gibt es seit Beginn der Pandemie 84.430 Todesfälle. Den höchsten Zuwachs verzeichnet Moskau mit 1.417 neuen Fällen innerhalb von 24 Stunden. 24.02.2021 4.153.735 Ägypten und Honduras lassen den in Russland entwickelten Covid-19-Impfstoff "Sputnik V" zu. 25.02.2021 4.164.802 Die Zahl der offiziell bestätigten Coronavirus-Infektionen ist in Russland innerhalb der vergangenen 24 Stunden um 11.198 Fälle auf insgesamt 4.212.100 angestiegen. Offiziell gibt es seit Beginn der Pandemie 84.876 Todesfälle. Den höchsten Zuwachs verzeichnet Moskau mit 1.406 neuen Fällen innerhalb von 24 Stunden. 25.02.2021 4.164.802 Guatemala lässt den in Russland entwickelten Covid-19-Impfstoff "Sputnik V" zu. 25.02.2021 4.164.802 Georgien öffnet seine Grenzen für russische Tourist:innen am 01. März 2021. Bei Einreise müssen ein negativer Covid-19-Test oder der Nachweis einer erfolgten Impfung vorliegen. Georgien hatte aufgrund der Coronavirus-Pandemie im März 2020 die Grenzen geschlossen. 26.02.2021 4.175.757 Vietnam lässt den in Russland entwickelten Covid-19-Impfstoff "Sputnik V" zu. Der vietnamesische Gesundheitsminister Nguyen Thanh Long teilte mit, das Land stehe in Verhandlungen mit Russland über die Lieferung von 60 Millionen Dosen des Vakzins. 26.02.2021 4.175.757 Mitarbeitende der russischen Botschaft im nordkoreanischen Pjöngjang sind mit Hilfe einer Draisine nach Russland zurückgekehrt. Nordkorea hatte zur Verhinderung der Ausbreitung des Coronavirus bereits vor einem Jahr seine Grenzen geschlossen und den Passagierverkehr eingestellt. Die letzten Diplomat:innen hatten per Fahrzeugkonvoi nach China im August 2020 das Land verlassen können. 26.02.2021 4.175.757 Die Zahl der offiziell bestätigten Coronavirus-Infektionen ist in Russland innerhalb der vergangenen 24 Stunden um 11.086 Fälle auf insgesamt 4.223.186 angestiegen. Offiziell gibt es seit Beginn der Pandemie 85.304 Todesfälle. Den höchsten Zuwachs verzeichnet Moskau mit 1.336 neuen Fällen innerhalb von 24 Stunden. 26.02.2021 4.175.757 Die Republik Moldau lässt den in Russland entwickelten Covid-19-Impfstoff "Sputnik V" zu. 27.02.2021 4.187.166 Die Zahl der offiziell bestätigten Coronavirus-Infektionen ist in Russland innerhalb der vergangenen 24 Stunden um 11.534 Fälle auf insgesamt 4.234.720 angestiegen. Offiziell gibt es seit Beginn der Pandemie 85.743 Todesfälle. Den höchsten Zuwachs verzeichnet Moskau mit 1.825 neuen Fällen innerhalb von 24 Stunden. 27.02.2021 4.187.166 In Moskau beginnen die klinischen Tests des vom Gamaleja-Institut entwickelten Covid-19-Impfstoffs "Sputnik light" an freiwilligen Testpersonen. Dies gab die stellvertretende Moskauer Bürgermeisterin Anastasija Rakowa bekannt. "Sputnik light" soll bereits nach einer Impfung wirksam sein, die Immunität bleibe aber nur vier bis fünf Monate wirksam. 28.02.2021 4.198.400 Die Zahl der offiziell bestätigten Coronavirus-Infektionen ist in Russland innerhalb der vergangenen 24 Stunden um 11.359 Fälle auf insgesamt 4.246.079 angestiegen. Offiziell gibt es seit Beginn der Pandemie 86.122 Todesfälle. Den höchsten Zuwachs verzeichnet Moskau mit 1.737 neuen Fällen innerhalb von 24 Stunden. 28.02.2021 4.198.400 Tschechien lässt als drittes Land in der EU den in Russland entwickelten Covid-19-Impfstoff "Sputnik V" zu. Dies gab der tschechische Ministerpräsident Andrej Babiš bekannt. *Quelle: Johns-Hopkins-Universität, Stand 28.02.2021; die Zahlen der Infizierten in den einzelnen Chronikmeldungen stammen aus Meldungen russischer Medien. Zusammengestellt von Alena Schwarz
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2021-06-23T00:00:00"
"2021-03-19T00:00:00"
"2021-06-23T00:00:00"
https://www.bpb.de/themen/europa/russland-analysen/nr-399/328945/chronik-covid-19-chronik-15-28-februar-2021/
Die Ereignisse vom 15. bis 28. Februar 2021 in der Covid-19-Chronik.
[ "Russland", "Gesundheit", "Covid-19 Pandemie" ]
30,762
Anselm Cypionka | 14. Bundeskongress politische Bildung 2019 | bpb.de
Anselm Cypionka. ist Lehrer am Orlatal Gymnasium Neustadt (Orla), Fachleiter am Staatlichen Studienseminar für Lehrerbildung am Gymnasium Gera, Mitarbeiter in der Lehrplankommission und der zentralen Abiturkommission in Thüringen sowie Landesvorsitzender der Externer Link: DVPB-Thüringen. Anselm Cypionka.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2021-06-23T00:00:00"
"2019-01-28T00:00:00"
"2021-06-23T00:00:00"
https://www.bpb.de/veranstaltungen/reihen/bundeskongress-politische-bildung/284714/anselm-cypionka/
[ "14. Bundeskongress Politische Bildung", "BuKo 2019", "Workshopleitung" ]
30,763
Zwischen Quasi-Gericht und politischem Organ | UN und Menschenrechte | bpb.de
Menschenrechte sind heute als Grundlage der Arbeit der Vereinten Nationen anerkannt, ihr Schutz ist eine Grundaufgabe der internationalen Gemeinschaft. Für die Aushandlung multilateraler Menschenrechtsverträge sind die Vereinten Nationen das zentrale Forum. Insgesamt neun solcher Verträge wurden bisher durch die Vereinten Nationen verabschiedet, oftmals aufbauend auf jahrzehntelangen politischen Verhandlungsprozessen. Mit dem seit 2006 bestehenden Menschenrechtsrat verfügen die Vereinten Nationen heute über ein zentrales Organ für die politische Arbeit zu Menschenrechten. Darüber hinaus haben sich über die Jahrzehnte komplexe Mechanismen entwickelt, um die Einhaltung der in den verschiedenen Menschenrechtsverträgen niedergelegten Standards zu überwachen. Menschenrechtliche Schutzmechanismen im UN-System Zum Schutz der Menschenrechte sind in den Vereinten Nationen verschiedene Organe berufen: Sowohl die Generalversammlung als auch der Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC) haben explizite Mandate "zur Verwirklichung der Menschenrechte und Grundfreiheiten". Auf dieser Grundlage richtete die Generalversammlung 2006 den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen ein, der die bis dahin bestehende Menschenrechtskommission, ein ECOSOC-Unterorgan, ablöste. Er zählt 47 Mitglieder in regionaler Verteilung, die für jeweils drei Jahre gewählt werden. Eine zentrale Aufgabe des Menschenrechtsrates ist die allgemeine periodische Überprüfung: Jeder UN-Mitgliedstaat ist dazu angehalten, sich unabhängig von seiner bisherigen Menschenrechtsbilanz in regelmäßigen Abständen durch den Menschenrechtsrat, also durch andere Staaten, überprüfen zu lassen. Hierbei wird dem zu überprüfenden Staat Gelegenheit gegeben, zu Fragen anderer Mitgliedstaaten Stellung zu beziehen. Dabei geht es allerdings nicht um die detailreiche Auslegung einzelner Bestimmungen menschenrechtlicher Verträge. Vielmehr soll ein umfassendes Bild der Menschenrechtslage insgesamt gezeichnet werden. Die allgemeine periodische Überprüfung ist somit – trotz des in Resolution A/HRC/5/1 angelegten, grundsätzlich objektiven materiellen Prüfungsmaßstabs – ein politisch geprägtes Verfahren. Neben der allgemeinen periodischen Überprüfung unterhält der Menschenrechtsrat sogenannte special procedures. Dabei handelt es sich um einen Sammelbegriff für unabhängige Expertinnen und Experten, die entweder themenbezogen arbeiten oder die Menschenrechtssituation in einem Land untersuchen. Derzeit gibt es 14 länderbezogene und 41 themenbezogene Mandate, die von insgesamt 77 Sonderberichterstatterinnen und -erstattern ausgefüllt werden. Neben den chartabasierten Mechanismen, die ihren Rechtsgrund in Resolutionen der Generalversammlung beziehungsweise des Menschenrechtsrates und damit letztlich in der Charta der Vereinten Nationen finden, existieren eine Reihe sogenannter vertragsbasierter Mechanismen. Damit werden die Kontrollmechanismen bezeichnet, die in den verschiedenen Menschenrechtsverträgen der Vereinten Nationen vorgesehen sind, und die im Wesentlichen durch die ebenfalls durch die Verträge eingerichteten Ausschüsse angewandt werden. UN-Menschenrechtsverträge Internationale Menschenrechte sind kein monolithischer Block, sondern werden durch eine Vielzahl rechtlicher Instrumente und durch verschiedene Institutionen auf unterschiedlichen Ebenen geschützt: Neben den Grund- und Menschenrechtskatalogen zahlreicher nationaler Verfassungen existieren verschiedene Menschenrechtsverträge auf regionaler Ebene, wie die Europäische Konvention für Menschenrechte oder die Afrikanische Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker. Auch der Europäische Gerichtshof verschreibt sich zunehmend einem umfassenden Menschenrechtsschutz am Maßstab der EU-Grundrechtecharta. Hinzu tritt auf globaler Ebene eine Vielzahl von Verträgen, die den Schutz der Menschenrechte zum Ziel haben und mit je eigenen Umsetzungsinstrumenten ausgestattet sind. Menschenrechte werden heute in einem Mehrebenensystem geschützt, in einem komplexen Zusammenspiel verschiedener Institutionen auf nationaler, regionaler und globaler Ebene. Im Folgenden soll es ausschließlich um Menschenrechtsverträge der Vereinten Nationen gehen, also solche Instrumente, die bereits begrifflich den Schutz der Menschenrechte zum Ziel haben und die im Rahmen der Vereinten Nationen ausgehandelt, dort hinterlegt und im UN-System – genauer durch das Hochkommissariat für Menschenrechte – verwaltet werden. Das schließt eine Reihe von Verträgen aus, die in materiell-rechtlicher Hinsicht hohe Schutzstandards bereithalten und einen beachtlichen Beitrag zum umfassenden Schutz der Menschen leisten, etwa die Antivölkermordkonvention oder die Genfer Flüchtlingskonvention. Die hier gewählte Begrenzung auf Verträge, die durch das Hochkommissariat für Menschenrechte verwaltet werden, beruht darauf, dass diese sämtlich beinahe identische Kontrollmechanismen bereithalten, die durch Ausschüsse wahrgenommen werden. Um deren Funktion soll es vor allem gehen. Derzeit existieren insgesamt neun Menschenrechtsverträge: Neben den beiden internationalen Pakten über bürgerliche und politische sowie wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte ("Zivilpakt" beziehungsweise "Sozialpakt") von 1966 handelt es sich um die Übereinkommen gegen Rassendiskriminierung (CERD, 1966), gegen die Diskriminierung der Frau (CEDAW, 1979) und gegen Folter (CAT, 1984) sowie die Übereinkommen über die Rechte des Kindes (CRC, 1990), von Wanderarbeitnehmern (CMW, 1990) und von Menschen mit Behinderungen (CRPD, 2006) sowie das Übereinkommen gegen das Verschwindenlassen (CPED, 2006). Zu fast all diesen Verträgen existieren Zusatz- oder Fakultativprotokolle, die zwar thematisch mit dem jeweiligen Ursprungsabkommen zusammenhängen, rechtstechnisch aber eigenständige völkerrechtliche Verträge sind und damit nur dann gelten, wenn sie gesondert ratifiziert wurden. Mit Ausnahme der Wanderarbeitnehmerkonvention sowie des Zusatzprotokolls zum Sozialpakt hat Deutschland alle Übereinkommen und Zusatzprotokolle ratifiziert; durch die jeweiligen Zustimmungsgesetze gelten die Verträge also als nationales Recht im Rang von Bundesgesetzen. Internationale Menschenrechte werden häufig in drei Generationen oder Dimensionen aufgeteilt: Die erste Dimension der Menschenrechte betrifft klassische Freiheitsrechte, etwa die Meinungs- oder Religionsfreiheit, die Freiheitsbereiche des Einzelnen gegenüber hoheitlichen Eingriffen sichern; die zweite Dimension umfasst wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, die primär auf die Bereitstellung einer Leistung abzielen; die dritte Dimension betrifft Kollektivrechte wie das Selbstbestimmungsrecht der Völker. Die Verträge lassen sich mit dieser Kategorisierung aber nur bedingt einteilen: Während die beiden Pakte von 1966 klar zwischen bürgerlichen und politischen Rechten – also klassischen Freiheitsrechten – einerseits und wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten andererseits unterscheiden, trifft dies auf die späteren Menschenrechtsverträge wie etwa die Kinderrechtskonvention oder die Behindertenrechtskonvention nicht zu. Die Kinderrechtskonvention sichert beispielsweise das Recht auf freie Meinungsäußerung – ein klassisches Recht erster Dimension –, aber auch ein Recht auf das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit, also ein Recht zweiter Dimension. Zahlreiche ähnliche Beispiele finden sich auch in der Frauenrechtskonvention oder der Behindertenrechtskonvention. Diesen drei Verträgen ist gemein, dass sie bestimmte Personengruppen schützen, die Diskriminierung besonders ausgesetzt sind. Auch die Wanderarbeitnehmerkonvention fällt in diesen Bereich. Neben den Verträgen, die bestimmte Personengruppen schützen, gibt es Verträge, die bestimmte Verbote ausgestalten, deren Bruch mit besonders schweren Menschenrechtsverletzungen einhergehen würde: Neben dem Übereinkommen gegen Rassendiskriminierung handelt es sich um die Antifolterkonvention und das Übereinkommen gegen das Verschwindenlassen. Eine dritte Gruppe schließlich, die genealogisch ältesten beiden internationalen Pakte, enthalten in der Zusammenschau einen Katalog universaler Menschenrechte ohne Fokus auf eine bestimmte Personengruppe, der auf der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte aufbaut. Zusammen bilden die beiden Pakte mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte die sogenannte Internationale Menschenrechtscharta (International Bill of Human Rights), also den Grundbestand internationaler Menschenrechte mit universalem Geltungsanspruch. Natürlich sind die Rechte der verschiedenen Verträge miteinander verbunden. Manche Verträge sehen dies auch explizit vor, etwa Artikel 4 der Antirassismuskonvention, der zur Umsetzung des Verbots der Rassenideologie verschiedene Pflichten "unter gebührender Berücksichtigung der in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte niedergelegten Grundsätze" auferlegt, also textlich eine Brücke zur Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte schlägt. Auch das erstmals 1993 klar formulierte Dogma der Unteilbarkeit und Verbundenheit aller Menschenrechte dient dazu, widerstreitende Rechte und Pflichten unterschiedlicher Verträge miteinander in Ausgleich zu bringen. Gleichwohl führt die unterschiedliche Schutzrichtung der verschiedenen Verträge unweigerlich zu Spannungen. Vertragsbasierte Mechanismen: Aufgaben der Vertragsausschüsse Mit Ausnahme des Sozialpaktes ist in sämtlichen Menschenrechtsverträgen ein von unabhängigen Expertinnen und Experten besetztes Gremium vorgesehen, das die Einhaltung der menschenrechtlichen Standards überprüfen soll. Für den Sozialpakt wurde ein solcher Ausschuss erst 1985 durch eine ECOSOC-Resolution gegründet. Alle Ausschüsse haben zwischen zehn und 23 Mitglieder, die von den Vertragsstaaten für eine Amtszeit von in der Regel vier Jahren gewählt werden. Besetzt werden sollen die Ausschüsse mit Persönlichkeiten von hohem sittlichen Ansehen, die ausgewiesene Expertinnen und Experten im jeweiligen Anwendungsbereich des Vertrages sein müssen. Die Mitglieder nehmen ihre Aufgabe in ihrer persönlichen Eigenschaft wahr, nicht als Vertreterin oder Vertreter des jeweiligen Staates. Alle Menschenrechtsverträge sehen verbindliche Staatenberichtsverfahren vor. Im Wesentlichen laufen die Verfahren ähnlich ab: Vertragsstaaten sind verpflichtet, in regelmäßigen Abständen Berichte zur Umsetzung der Verträge an den Ausschuss zu liefern, bei deren Erstellung die Zivilgesellschaft umfassend mitwirken soll. Zugleich besteht die Möglichkeit für Nichtregierungsorganisationen, sogenannte Schattenreporte einzureichen, die der Ausschuss ebenfalls zur Kenntnis nimmt. Der jeweilige Ausschuss formuliert dann auf der Basis des Staatenberichtes sowie etwaiger Schattenberichte und nach Anhörung des Vertragsstaates Beobachtungen und Empfehlungen. So empfahl beispielsweise der Menschenrechtsausschuss, der Ausschuss für den Zivilpakt, der Bundesrepublik 2012, die Zuständigkeit der Antidiskriminierungsstelle des Bundes auszuweiten; und der Sozialausschuss, der Ausschuss für den Sozialpakt, sprach sich 2011 unter anderem für einen gesonderten Straftatbestand im Bereich der häuslichen Gewalt aus. Neben den obligatorischen Staatenberichtsverfahren sehen mittlerweile alle Menschenrechtsverträge ein fakultatives Individualbeschwerdeverfahren vor. Staaten müssen sich dem Individualbeschwerdeverfahren – ebenso wie dem praktisch kaum relevanten Staatenbeschwerdeverfahren, mit dem ein Vertragsstaat Menschenrechtsverletzungen in einem anderen Vertragsstaat rügen kann – gesondert unterwerfen. Erst dann besteht die Möglichkeit für die oder den Einzelnen, individuelle Menschenrechtsverletzungen vor dem jeweiligen Ausschuss vorzutragen, wobei grundsätzlich der nationale Rechtsweg erschöpft sein muss und die Sache nicht gleichzeitig in einem anderen internationalen Verfahren zum Schutz der Einzelperson anhängig sein darf (Litispendenz). Die Ausschüsse formulieren aufgrund der Beschwerdeschrift und der schriftlichen Position des betroffenen Vertragsstaates Auffassungen beziehungsweise Empfehlungen und Vorschläge. Dabei handelt es sich schon dem Wortlaut nach nicht um verbindliche Entscheidungen. Gleichwohl bleiben die Auffassungen eines Ausschusses nicht ohne Wirkung: Hat sich ein Vertragsstaat dem freiwilligen Mechanismus der Individualbeschwerde unterworfen, so muss er, will er seinen Vertragspflichten unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben nachkommen, die Auffassungen des jeweiligen Ausschusses zur Kenntnis nehmen und, soweit er ihnen nicht Folge leistet, Gründe vortragen, warum die getroffenen Auffassungen fehlerhaft sind. Ähnlich verhält es sich auch mit den sogenannten Allgemeinen Bemerkungen oder Allgemeinen Empfehlungen, die alle Ausschüsse in unregelmäßigen Abständen formulieren. Allgemeine Bemerkungen sind gewissermaßen das Destillat der Staatenberichte und Individualbeschwerden: Sie formulieren in abstrakt-genereller Weise Rechtsauffassungen der Ausschüsse zur Rechtsnatur und zur Auslegung einzelner Vertragsbestimmungen und formulieren Empfehlungen zur besseren Umsetzung der Verträge. Den Allgemeinen Bemerkungen kommt – ähnlich wie den Auffassungen in den Individualbeschwerdeverfahren und den Empfehlungen im Staatenberichtsverfahren – keine unmittelbare Rechtswirkung zu. Gleichwohl ergibt sich auch hier eine Berücksichtigungspflicht aus dem völkervertragsrechtlichen Grundsatz, Verträge nach Treu und Glauben zu erfüllen. Einzelne Ausschüsse nehmen ihre Aufgabe mitunter auch als rechtsfortbildende wahr: So formulierte etwa der Sozialausschuss in seiner Allgemeinen Bemerkung Nr. 15 von 2003 ein Recht auf Wasser, das die Mitglieder des Ausschusses aus den in den Artikeln 11 und 12 des Sozialpaktes kodifizierten Rechten auf einen angemessenen Lebensstandard und Gesundheit herleiteten. Diese Allgemeine Bemerkung gab einen wesentlichen Impuls für die Arbeit des Menschenrechtsrates, der in mehreren Resolutionen das Recht auf Wasser aufnahm, bis es schließlich in einer Resolution der Generalversammlung mündete. Gerade weil die Allgemeinen Bemerkungen auf den Erfahrungen aus Staatenberichts- und Individualbeschwerdeverfahren gründen, kommt ihnen in der Auslegung der Rechte einzelner Verträge erhebliche Bedeutung zu. Das haben auch verschiedene nationale Gerichte in der Anwendung internationaler Menschenrechtsverträge anerkannt. So hat etwa das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt: "Die allgemeinen Bemerkungen beschreiben in autorisierter Form die Standards in der Praxis des Sozialausschusses, dienen damit als Interpretationshilfe und prägen so das Verständnis der vertraglichen Rechtsbegriffe durch die Vertragsstaaten mit." Vertragsausschüsse als Quasi-Gerichte? Die Vertragsausschüsse nehmen im Wege des Staatenberichtsverfahrens, vor allem aber durch die Möglichkeit der Individualbeschwerde, Kompetenzen wahr, die denen eines Gerichts ähneln. Sie werden deswegen auch als "quasi-gerichtliche" Institutionen bezeichnet. Dabei ist offensichtlich, was die Vertragsausschüsse von vollwertigen Gerichten unterscheidet: Die Entscheidungen der Ausschüsse sind weder in den Individualbeschwerdeverfahren noch in den Staatenberichtsverfahren rechtlich verbindlich, sie sind also keine gerichtlichen Entscheidungen im Sinne des Artikels 38 des Statuts des Internationalen Gerichtshofs und können daher nicht unmittelbar als Rechtsquelle des Völkerrechts herangezogen werden. Sieht man allerdings von der mangelnden Bindungswirkung ab, weisen die Ausschüsse in der Tat gerichtsähnliche Qualitäten auf: Nach der dem Project of International Courts and Tribunals zugrunde liegenden Definition sind internationale Gerichte solche Gremien, die als ständige Spruchkörper durch einen internationalen Vertrag eingerichtet sind, als Maßstab ihrer Entscheidungen völkerrechtliche Regeln zugrunde legen, auf der Grundlage von zuvor festgelegten Verfahrensregeln entscheiden und deren Entscheidungen verbindlich sind. Die Ausschüsse sind grundsätzlich als ständige Gremien durch Vertrag eingerichtet und haben sich Verfahrensregeln gegeben. Allerdings gelangen die Ausschüsse auf der Grundlage schriftlicher Stellungnahmen ohne mündliche Verhandlung und nicht-öffentlich zu ihrer Entscheidungsfindung. Das steht im Widerspruch auch zu internationalen Gerichten, die in der Regel öffentlich, jedenfalls aber nicht nur auf der Grundlage von Schriftsätzen, sondern auch mündlich verhandeln. Der Maßstab der Entscheidungsfindung in den Ausschüssen ist aber ein klar rechtlicher, nämlich der jeweilige Vertrag. Auch die Besetzung der Gerichte durch Expertinnen und Experten, nicht durch Staatenvertreterinnen und -vertreter, spricht für eine Annäherung an richterliche Funktionen, die auch im internationalen Bereich zunehmend mit einem gemeinsamen Ethos der Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und juristischen Sorgfalt in der Argumentation verbunden sind. Selbstverständlich handelt es sich hierbei um eine Idealvorstellung, deren Umsetzung den Vertragsstaaten im Rahmen der in allen Verträgen gleichermaßen vorgesehenen Wahlprozesse der Expertinnen und Experten obliegt. Dazu haben sich die Vorsitzenden der Ausschüsse mit den "Addis Abeba Richtlinien" Standards gegeben, die die Unabhängigkeit und Professionalität sichern sollen. Welche Rolle spielt also die Bindungswirkung der Entscheidungen für die Einordnung als Quasi-Gericht? Die Antwort fällt ambivalent aus. Zunächst einmal sind nur verbindliche Entscheidungen durchsetzbar, was für eine hohe Bedeutung der Bindungswirkung spräche. Dieses Argument ist allerdings im internationalen Bereich, zumal im internationalen Menschenrechtsschutz, weniger relevant als im nationalen Kontext. Denn die Durchsetzung ist Aufgabe der Exekutive. Oftmals fehlt es aber auf der internationalen Ebene an einem zentralen Exekutivorgan, das im Falle der Nichtbefolgung die Umsetzung eines Urteils tatsächlich erzwingen würde. Zudem erstreckt sich die Bindungswirkung eines Urteils grundsätzlich nur auf den Tenor, also das Entscheidungsdispositiv, und bindet in der Regel nur die Parteien eines Rechtsstreits. Die Entscheidungsgründe von Urteilen sind zwar von nicht zu überschätzender argumentativer Wirkungskraft im juristischen Diskurs. Sie sind aber als solche nicht unmittelbar rechtsverbindlich. Ähnlich sind somit auch die Auffassungen der Ausschüsse, insbesondere die Allgemeinen Bemerkungen, argumentative Bestandteile des völkerrechtlichen Diskurses. Gewichtiger dürfte allerdings der Hinweis darauf sein, dass die Vertragsstaaten häufig selbst explizit darauf hinweisen, dass die Entscheidungen der Ausschüsse nicht rechtsverbindlich sind. Da gerade im Völkerrecht die Rechtsüberzeugungen der Staaten nach wie vor von maßgeblicher Bedeutung für seine Fortentwicklung sind, können explizite Aussagen zur Nichtverbindlichkeit nicht einfach ignoriert werden. Gleichwohl sind die Verfahren der Vertragsausschüsse – anders als der Menschenrechtsrat und die dort stattfindende universelle periodische Überprüfung – als grundsätzlich rechtsförmige Verfahren angelegt. Hierin liegt auch die prinzipielle Unterscheidung zwischen den Staatenberichtsverfahren der Vertragsausschüsse und der universellen periodischen Überprüfung des Menschenrechtsrates. Reformbemühungen und Ausblick Das System der Vertragsausschüsse leidet seit geraumer Zeit an Überlastung und Unterfinanzierung. Wiederholt ist versucht worden, es zu reformieren. Bereits im Zuge des ersten Reformvorstoßes zum Ende des vergangenen Jahrhunderts stellte der damalige Sonderberichterstatter Philipp Alston fest, dass das Ausschusssystem nicht nachhaltig sei, da es an Unterfinanzierung leide, den steigenden Zahlen der Individualbeschwerden nicht Herr werde und zugleich eine Vielzahl von Staaten chronisch ihre Berichtspflichten verletzten. Seitdem ist insbesondere der Vorschlag der ehemaligen Hochkommissarin für Menschenrechte Louise Arbour, einen einheitlichen permanenten Vertragsausschuss für alle Verträge zu schaffen, am Widerstand verschiedener regionaler Gruppen gescheitert. Neben den praktisch nur schwer umzusetzenden Vertragsänderungen, die der Vorschlag mit sich gebracht hätte, wurde unter anderem auch kritisiert, dass der Vorschlag die spezifischen Schutzrichtungen insbesondere der personengruppenspezifischen Menschenrechtsverträge nicht hinreichend berücksichtige. Dahinter verbirgt sich die Idee, dass zwar ein Mindestmaß an Einheitlichkeit in der Spruchpraxis der Ausschüsse erforderlich ist, gleichzeitig aber ein Gewinn gerade im spannungsvollen Verhältnis zwischen verschiedenen Rechtsinstrumenten und -institutionen liegen kann, die nicht notwendig ein kohärentes Ganzes bilden, sondern sich in einem wechselseitigen Widerstreit gegenseitig befruchten. Die Fragmentierung des internationalen Menschenrechtsschutzes könnte also möglicherweise das geringste der bestehenden Probleme des Vertragsausschusssystems sein, zumal die einzelnen Ausschüsse grundsätzlich in einem kooperativen Verhältnis zueinander stehen und auf die Auslegungspraxis der jeweils anderen Ausschüsse durchaus Rücksicht nehmen. Gewichtiger und nach wie vor ungelöst sind allerdings die praktischen Probleme der Unterfinanzierung und Überlastung, die die vormalige Hochkommissarin für Menschenrechte Navanethem Pillay in dem jüngsten Reformvorstoß 2012 erneut anmahnte: Das System der Vertragsausschüsse, so Pillay, überlebe nur aufgrund des hohen Engagements der Expertinnen und Experten, der Unterstützung durch das Hochkommissariat für Menschenrechte und nicht zuletzt auch, weil viele Staaten ihre Berichtspflichten nicht einhielten. Pillay schlug unter anderem ein vereinfachtes Berichterstattungsverfahren mit einheitlichen, verkürzten Berichten vor; die Generalversammlung nahm diese Vorschläge auf und beschloss eine Wortbegrenzung für sämtliche Staatenberichte im Rahmen der Berichterstattungsverfahren. Insbesondere das Scheitern des Vorschlags eines einheitlichen Vertragsausschusses hat gezeigt, dass grundlegende Änderungen des Vertragsausschusssystems der Vereinten Nationen jedenfalls in naher Zukunft nicht zu erwarten sind, zumal dann nicht, wenn damit eine Änderung der Verträge einhergehen würde. Stattdessen werden die Ausschüsse nur schrittweise und behutsam reformiert, etwa durch die vereinfachte Berichterstattung. Dabei bleibt das Vertragsausschusssystem trotz aller Unzulänglichkeiten der zentrale institutionelle Rahmen für eine Kontrolle der Umsetzung internationaler Menschenrechte, der in den vergangenen Jahren durch neue Vertragsinstrumente und die Möglichkeit einer Individualbeschwerde stetig erweitert wurde, die nunmehr grundsätzlich für alle Menschenrechtsverträge besteht, sofern sich die Staaten ihr unterworfen haben. Sollen Menschenrechte nachhaltig im Mehrebenensystem geschützt werden, ist sein Funktionieren unerlässlich. Dazu können die Ausschüsse selbst beitragen, indem sie verstärkt Wert auf kohärente rechtliche Argumentation in den von ihnen zu verantwortenden Auffassungen, Bemerkungen und Empfehlungen legen. Darüber hinaus ausreichende institutionelle Ressourcen zu sichern, ist dagegen Aufgabe internationaler Politik. Vgl. Kofi Annan, In Larger Freedom: Towards Development, Security and Human Rights for All, 21.3.2005, UN Doc. A/59/2005, Rn. 140–147. Art. 13 Abs. 1 lit. b) und Art. 62 Abs. 2 UN-Charta. Vgl. UN Doc. A/HRC/5/1, Annex. Zu den Vor- und Nachteilen siehe den Überblick des Deutschen Instituts für Menschenrechte, Fact Sheet: Deutschland vor dem UPR 2013, Externer Link: http://www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/user_upload/PDF-Dateien/Factsheets/Fact_Sheet_UPR_20130419.pdf (15.2.2016). Vgl. United Nations Office of the High Commissoner for Human Rights (OHCHR), Directory of Special Procedures Mandate Holders, Juni 2015, Externer Link: http://ohchr.org/Documents/HRBodies/SP/VisualDirectoryJune2015_en.pdf (15.2.2016). Für EU-Mitgliedstaaten gilt im (weit auszulegenden) Anwendungsbereich des Europarechts die Europäische Grundrechte-Charta. Vgl. zum Anwendungsbereich und der Überprüfung durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH), C-617/10 "Åckerberg Fransson". Der Begriff eines multilevel constitutionalism wurde zunächst für die Beschreibung der europäischen Integration und der damit verbundenen Konstitutionalisierungsprozesse geprägt. Vgl. Ingolf Pernice, Multilevel Constitutionalism and the Treaty of Amsterdam: European Consitution-Making Revisited?, in: Common Market Law Review, 36 (1999), S. 703–750. Der Begriff wird aber mittlerweile auch im Bereich des Menschenrechtsschutzes verwendet. Vgl. etwa Frank Schorkopf/Christian Walter, Elements of Constitutionalization: Multilevel Structures of Human Rights Protection in General International and WTO-Law, in: German Law Journal, 4 (2003), S. 1359–1374. Siehe zu diesen beiden Pakten den Beitrag von Beate Wagner in dieser Ausgabe. Vgl. Art. 59 Abs. 2 GG. Siehe beispielhaft die Lehrbücher von Andreas von Arnauld, Völkerrecht, Heidelberg 20142, §9 B IV 1, Rn. 606ff.; Stephan Hobe, Einführung in das Völkerrecht, Tübingen 201410, §11.2, S. 405f. UN Doc. A/CONF.157/23. Vgl. Art. 28 Zivilpakt; Art. 8 CERD; Art. 17 CAT; Art. 17 CEDAW; Art. 43 CRC; Art. 34 CRPD; Art. 72 CMW; Art. 26 CPED. Vgl. Art. 40 Zivilpakt; Art. 16 Sozialpakt; Art. 9 CERD; Art. 18 CEDAW; Art. 19 CAT; Art. 44 CRC; Art. 35 CRPD; Art. 73 CMW; Art. 29 CPED. Vgl. Hans-Georg Dederer, Die Durchsetzung der Menschenrechte, in: Detlef Merten/Hans-Jürgen Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. VI/2, Heidelberg 2009, S. 333–394, Rn. 68. Ebd., Rn. 70. Vgl. 1. Fakultativprotokoll zum Zivilpakt; Fakultativprotokoll zum Sozialpakt; Art. 14 CERD; Art. 22 CAT; Fakultativprotokoll zur CEDAW; 3. Fakultativprotokoll zur CRC; Fakultativprotokoll zur CRPD; Art. 77 CMW; Art. 31 CPED. Vgl. Art. 26 Wiener Vertragsrechtskonvention. Vgl. H.-G. Dederer (Anm. 14), Rn. 81. UN Doc. A/Res/64/292. BVerwGE 134, 1 (juris Rn. 48). Vgl. Geir Ulfstein, Individual Complaints, in: Helen Keller/ders. (Hrsg.), UN Human Rights Treaty Bodies. Law and Legitimacy, Cambridge 2012, S. 73–115. Vgl. bspw. Manfred Nowak, The Need for a World Court of Human Rights, in: Human Rights Law Review, 7 (2007), S. 251–259, hier: S. 252, S. 254. Vgl. Cesare P.R. Romano, The Proliferation of International Judicial Bodies: The Pieces of the Puzzle, in: International Law and Politics, 31 (1999), S. 709–751, hier: S. 713f. Vgl. Anja Seibert-Fohr, International Judicial Ethics, in: Cesare P. R. Romano/Karen J. Alter/Yuval Shany, The Oxford Handbook of International Adjudication, Oxford 2014, S. 757–778, hier: S. 776. Vgl. Solomon T. Ebobrah, International Human Rights Courts, in: ebd., S. 225–249, hier: S. 237f. Vgl. exemplarisch Art. 59 IGH-Statut. So Eckart Klein, "Allgemeine Bemerkungen" der UN-Menschenrechtsausschüsse, in: D. Merten/H.-J. Papier (Anm. 14), S. 395–418, Rn. 27. Vgl. International Law Association, International Human Rights Law and Practice. Final Report, Berlin 2004, S. 5. Explizite Ablehnung des Vorschlags durch die asiatische und afrikanische Staatengruppe, vgl. UN Doc. A/61/351, Rn. 12. Vgl. Michael O’Flaherty/Claire O’Brien, Reform of UN Human Rights Treaty Monitoring Bodies: A Critique of the Concept Paper on the High Commissioner’s Proposal for a Unified Standing Treaty Body, in: Human Rights Law Review, 7 (2007), S. 141–172, hier: S. 165ff. Explizit ist dies sogar in Art. 38 lit b) CRPD vorgesehen. Navanethem Pillay, Strengthening the United Nations Human Rights Treaty Body System, Juni 2012, Externer Link: http://www2.ohchr.org/english/bodies/HRTD/docs/HCReportTBStrengthening.pdf (15.2.2016). Vgl. ebd., S. 10. Vgl. Helen Keller/Geir Ulfstein, Conclusions, in: dies. (Anm. 21), S. 414–425, hier: S. 422.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2022-02-17T00:00:00"
"2016-02-29T00:00:00"
"2022-02-17T00:00:00"
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/222191/zwischen-quasi-gericht-und-politischem-organ/
Im UN-System wird die Umsetzung der neun Menschenrechtsverträge und ihrer Zusatzprotokolle durch Vertragsausschüsse überwacht. Als Hüter der Verträge nehmen diese Expertengremien Staatenberichte entgegen und geben Empfehlungen ab.
[ "Menschenrechtsausschuss", "Menschenrechtskonvention der Vereinten Nationen", "Allgemeine Erklärung der Menschenrechte" ]
30,764
Zeiten des Klimawandels | Klima | bpb.de
Am 2. Januar 1565 trug die Flut ein unerhörtes Naturschauspiel mitten in den Hafen von Rotterdam. Ein riesiger Eisberg schob sich, wie Zeitzeugen berichteten, innerhalb einer Viertelstunde vom Meer immer weiter auf das Land zu und begrub mehrere Gebäude im Hafen unter sich. Der Maler Cornelis Jacobsz van Culemborch hielt das Ereignis fest und wurde so zum Mit-Urheber eines künstlerischen Genres – der Winterlandschaft. Einen Eisberg hatte das damals noch kleine niederländische Städtchen Rotterdam noch nie gesehen, und doch war es nur eines von immer mehr natürlichen Ereignissen, die in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts nicht nur in Europa eine wachsende Anzahl von Menschen fühlen ließen, die Welt sei ihnen fremd geworden. Die Jahreszeiten verschoben sich. Die Winter wurden länger und brachten harten Frost, die Sommer waren häufig kurz, verregnet und kühl. Geschichten über die bitterkalten Winter kursierten über den gesamten Kontinent. Vögel fielen erfroren aus der Luft, die Weinrationen von Soldaten wurden von großen Eisblöcken abgesägt, Gletscher dehnten sich aus und zermalmten Höfe und Dörfer. Sogar Mittelmeerhäfen wie Marseille, Venedig und Istanbul waren mehrmals für den Schiffsverkehr unerreichbar, weil sie bis in den Mai hinein zugefroren waren. Hungersnöte und Brotaufstände Die sogenannte Kleine Eiszeit, deren Vorbote der Eisberg im Hafen von Rotterdam gewesen war, hatte weitreichende Konsequenzen. Ein Temperaturabfall von durchschnittlich zwei Grad Celsius verursachte nicht nur bittere Winterkälte; die Veränderung von Wettersystemen, Meerestemperaturen und Niederschlagsmustern traf besonders die Landwirtschaft hart. Für die Europäer, die größtenteils von lokalem Getreideanbau lebten, war das eine Katastrophe. Zwei Grad Temperaturunterschied entsprechen fast drei Wochen Vegetationsperiode. Immer häufiger wurde das Getreide nicht rechtzeitig reif und verrottete noch auf dem Feld. Hungersnöte, Epidemien und Brotaufstände waren die unausweichlichen Folgen. Aus heutiger, wissenschaftlicher Perspektive ist die Ursache dieser plötzlichen klimatischen Veränderung, die sich vom späten 16. bis, je nach Schätzung, ins späte 17. oder sogar frühe 19. Jahrhundert erstreckte, völlig ungeklärt. Die diskutierten Möglichkeiten reichen von einer Veränderung der Sonnenaktivität über Variationen in der Neigung der Erdachse bis zur Konsequenz der europäischen Invasion in den Amerikas. Besonders durch eingeschleppte Pathogene kamen dort ganze indigene Bevölkerungen um, wodurch die unter diesen Kulturen weit verbreitete Methode der Brandrodung landwirtschaftlicher Gebiete zum Erliegen kam und so weniger CO2 in die Atmosphäre gelangte als zuvor, was zu einer Abkühlung führte. Keiner dieser Einflüsse wurde bislang aber als ausreichend schwerwiegend bewiesen, um allein für die Kleine Eiszeit verantwortlich zu sein. Die Suche nach der Ursache wird weitergehen. Aus vorwissenschaftlicher Sicht sah die Frage freilich ganz anders aus. Da Gottes Schöpfung in Unordnung geraten war, schien es nur logisch, dass der Herr seine Geschöpfe züchtigte, indem er ihnen schlechtes Wetter schickte. Zahllose Bußpredigten und Gottesdienste, Prozessionen und Kirchenlieder zeugen vom Bemühen ganzer Gemeinden, den Schöpfer milde zu stimmen. Auch die Hexenverfolgungen standen häufig in direktem Zusammenhang mit der Abkühlung: Auf fast jeden besonders strengen Winter folgte besonders in Mitteleuropa eine Welle von Hexenprozessen, bei denen den Beschuldigten immer wieder vorgeworfen wurde, nicht nur das Vieh krank zu machen und Unzucht mit dem Teufel zu treiben, sondern die Ernte zu verderben und extreme Wetterereignisse wie Frühjahrshagel oder schwere Gewitter verursacht zu haben. Die gesamte soziale Pyramide wurde von diesen Ereignissen schwer getroffen. Für die arme Landbevölkerung, die von Subsistenzlandwirtschaft lebte, war die Katastrophe unmittelbar ersichtlich; in den Städten führten hohe Getreidepreise zu inflationären Preisanstiegen und gelegentlich zu Aufständen; für den Adel bedeutete der Ausfall an Steuereinnahmen eine Schwächung der eigenen Position und im Falle vieler Herrscherhäuser eine steigende Verschuldung. Vom Wettertagebuch zur Wissenschaft Auf lange Sicht sollte sich diese Krise der Landwirtschaft als ein entscheidender Faktor in der Entstehung einer neuen europäischen Ordnung erweisen. Zwar war der Klimawandel nicht ursächlich für die Entwicklung frühmoderner Gesellschaften, aber als dauernder Druckfaktor kommt ihm doch die Funktion eines Katalysators zu, der Umbrüche beschleunigte und intensivierte. Vom Landbau zur Wirtschaft, zur politischen und sozialen Verfasstheit, zur Wissenschaft und sogar zur Philosophie blieb kein Aspekt des Lebens von diesen Veränderungen ausgenommen. Am Anfang dieser komplex vernetzten Kettenreaktion stand unter anderem die Notwendigkeit verschiedener Herrscher, plötzliche Ernteausfälle auszugleichen und so gewaltsame Unruhen und vielleicht sogar Revolutionen zu vermeiden. Getreide aus dem Baltikum wurde via Amsterdam bis nach Italien exportiert, Märkte und besonders internationaler Handel gewannen an Bedeutung. Gleichzeitig wurde die aus dem Lot geratene Natur selbst zum Objekt intensiver Beobachtung. Zum ersten Mal im christlichen Europa führten Gelehrte unabhängig voneinander Wettertagebücher, machten Aufzeichnungen über natürliche Phänomene, sammelten alles an Daten und Fakten, was sie finden konnten. Oft waren diese Bemühungen religiös konnotiert – etwa, um das Datum des Jüngsten Gerichts zu bestimmen – aber immer öfter waren sie vorwiegend oder sogar zur Gänze empirisch. Handel und wissenschaftliche Beobachtung hatten einen Ort gemeinsam: die Stadt. Eine professionelle, alphabetisierte Mittelschicht, die ihren Einfluss und ihre steigende Bedeutung nicht auf Herkunft oder Glauben, sondern auf berufliche Fähigkeit, wirtschaftliche Dynamik und individuelle Tugenden gründete – die man später als Tugenden des Bürgertums beschreiben würde – bildete sich heraus und wurde prägend für die urbane Gesellschaft. Amsterdam war exemplarisch für diesen neuen wirtschaftlichen und kulturellen Impuls. Innerhalb von nur einer Generation war aus einer unbedeutenden Fischerstadt ein internationales Handelszentrum geworden. Das Getreide aus dem Baltikum hatte den Grundstein für riesige Vermögen gelegt und nach der Gründung der Börse 1602 entwickelte der Markt eine ganz eigene Dynamik, die ihrerseits begann, die Gesellschaft zu verändern. Das Agieren in einem Markt fördert eine pragmatische Toleranz. Wichtig ist die Erfüllung eines Vertrags, nicht die Herkunft oder die religiösen oder persönlichen Prioritäten des Vertragspartners. Ein Gesetz muss für alle gelten und transparent und anwendbar sein, sonst bleiben die Investoren fern. Der Markt funktioniert als neutraler Raum, in dem Individualismus, persönliche Rechte, die Herrschaft des Gesetzes und das Respektieren von Verträgen wichtiger sind als kollektivistische Regeln wie "cuius regio eius religio". Das Entstehen von Marktgesellschaften, die von empirischem Wissen und professionellem Können getragen wurden, revolutionierte Europa langsam, aber sicher. Der rechte Glaube (die Kirche) und die ehrbare Familie (der Adel) verloren an Einfluss gegenüber einer Klasse von Parvenüs, deren wirtschaftliche Macht unbestreitbar war, die aber noch über wenig politische Macht verfügte. Ein Teil dieser allmählichen Revolution war konkret und betraf die unmittelbaren Folgen der Kleinen Eiszeit. Botaniker fanden auf empirischem Weg Methoden, um den Landbau zu verbessern, unter anderem die Aussaat von Klee auf brachliegenden Feldern, der sowohl die Böden regenerierte, als auch Winterfutter für mehr Vieh bot, das wiederum mehr Dünger produzierte. Zugtiere konnten dadurch effektiver für Pflüge eingesetzt werden, zugleich wurde die Diät der Menschen mit mehr tierischen Eiweißen angereichert. Auch die Diversifizierung der Produkte durch das Anpflanzen von in Europa neuen und wetterresistenteren Nahrungspflanzen wie Kartoffeln und Mais spielte hier eine wichtige Rolle. Diese neuen Methoden erwiesen sich als höchst erfolgreich. Der Ertrag pro Kornähre stieg bis zum Ende des 17. Jahrhunderts um fast ein Drittel. Bemerkenswert ist auch, wie sich diese neuen Methoden verbreiteten: Gedruckte Bücher, Flugblätter und Almanachs trugen sie in die entferntesten Gegenden des Kontinents. Bessere Druckerpressen und billigeres Papier waren die technologischen Voraussetzungen für diesen enormen Wissenstransfer. Macht des Marktes Die landwirtschaftliche Revolution hatte aber auch politische Konsequenzen. Mit der steigenden Bedeutung der Märkte entdeckten Landbesitzer – die meisten von ihnen Adelige – eine neue Einkommensquelle. Anstatt den Überschuss von Subsistenzlandwirtschaft abzuschöpfen und höchstens noch einen lokalen Markt zu beliefern, konnten Landgüter direkt und häufig spezialisiert für den Markt produzieren. Diese Steigerung der Produktivität setzte allerdings voraus, dass die Allmenden (im Englischen die Commons), das gemeinsam genutzte Land, auf dem auch die landlosen Armen ihr Vieh grasen lassen und Winterfutter schneiden durften, in wirtschaftlich genutzte Flächen umgewandelt wurden. Dieser Prozess verlief in vielen Gebieten Europas gewaltsam. Zehntausende besitzlose Landbewohner wurden vertrieben, um konsolidierte Produktionsflächen zu schaffen. Ein Lebenszusammenhang, der seit grauer Vorzeit bestanden hatte, fand ein jähes Ende, und viele der Vertriebenen waren gezwungen, Arbeit in den Städten zu suchen. Manche Historiker sehen in diesem Prozess auch den Anfang eines industriellen Proletariats. Die landwirtschaftliche Revolution war auch eine Antwort auf die fundamentale Krise der europäischen Nahrungsversorgung, die durch den Temperatursturz der Kleinen Eiszeit entstanden war. Sie änderte aber auch das Gesicht der europäischen Gesellschaften, orientierte sich stärker auf Märkte, auf eine industrielle und professionalisierte Logik, die auch andere Lebensbereiche wie beispielsweise das Manufaktursystem, das internationale Handelsnetz oder das Militär und die Kriegführung ergriff. Besonders wichtig in diesem Kontext war auch die Revolutionierung der wirtschaftlichen Ordnung. Der Historiker Karl Polanyi bemerkte schon vor fast einem Jahrhundert, dass das ökonomische Denken des Mittelalters nicht an Wachstum interessiert war. Innerhalb der statischen Gesellschaftsordnung war die Priorität, eine soziale Rolle ehrenhaft auszufüllen, nicht aber, sie zu überwinden. Profite wurden in soziales Kapital umgewandelt, etwa indem ein reicher Kaufmann ein Kirchenfenster spendete, nicht aber in zinsbringendes Kapital (als wie unehrenhaft es galt, Zinsen zu nehmen, lässt sich auch daran ablesen, dass dies einer der wenigen Wirtschaftszweige war, die Juden offenstanden). Im Zuge der wirtschaftlichen Neuordnung der Feudalstaaten, die ständig in kostspielige Kriege verwickelt waren, entstand eine neue Schule des marktorientierten Denkens. Merkantilistische Theoretiker formulierten neue Ideen über die Ökonomie, die darauf hinausliefen, dass ein erfolgreicher Staat mehr exportiert als importiert, dass Wirtschaft eine Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln ist, dass es darum geht, die eigenen natürlichen und humanen Ressourcen maximal auszuschöpfen, um Überschuss zu erwirtschaften, seien es Bodenschätze, die Armen in der eigenen Gesellschaft oder die Bevölkerung der neu eroberten Kolonien. Wirtschaftswachstum, das auf Ausbeutung beruhte, wurde zur Leitidee jedes erfolgreichen Monarchen und jedes Staates. Anspruch auf Macht In all diesen Prozessen waren Menschen, die lesen, schreiben und rechnen konnten und über theoretische, professionelle Fertigkeiten verfügten, besonders wichtig. Es waren die Kaufleute, die Steuerbeamten, die Ingenieure und Offiziere, die Mathematiker, Anwälte, Wissenschaftler und Lehrer, die diese Revolution trugen und voranbrachten. Mit dem wachsenden wirtschaftlichen und sozialen Einfluss dieser Klasse aber entstand auch ein wachsendes Verlangen nach politischer Macht, die nach wie vor hauptsächlich in den Händen von Adel und Kirche lag. Um diesen Anspruch zu argumentieren, bedurfte es einer starken Rechtfertigung. Diese lieferte schließlich ein Argument aus der Philosophiegeschichte, das bis dahin immer marginal geblieben war: der Gedanke nämlich, das jedem Menschen von Natur aus die gleiche Freiheit, Würde und Rechte gegeben sind. Es ist wenig überraschend, dass Feudalherrscher wenig Sympathie mit dieser Ansicht gezeigt hatten. Die philosophischen Ideen, die sich in feudalen Reichen und in Sklavengesellschaften wie dem antiken Griechenland durchgesetzt und kanonischen Status erreicht hatten, dachten in Dualismen und identifizierten die Herrschenden mit dem Wahren, Edlen, Guten und mit göttlichem Wohlgefallen. Für die neue, an Einfluss und Macht wachsende professionalisierte Mittelschicht, die in den aufsteigenden Märkten bereits Ideen von Toleranz, Individualismus und Gleichheit vor dem Gesetz praktizierte, waren die Argumente, die dieses feudale Weltbild untergruben, der eigentliche Anfang einer ideellen Revolution. Wie sehr diese Ideen sozial hier verankert sind, zeigt sich auch im persönlichen Hintergrund ihrer ersten Vertreter: René Descartes war Artillerieoffizier, Baruch Spinoza ein Import-Export-Kaufmann, John Locke ein Regierungsbeamter, Thomas Hobbes Hauslehrer, und so weiter. Die Ideen, die später als Kernideen der Aufklärung bezeichnet wurden, gehörten von Anfang an der professionalisierten Mittelschicht. Sie waren gleichzeitig auch die intellektuelle Kulmination eines Prozesses, der mit einer klimabedingten Krise der Landwirtschaft und der feudalen Ordnung begonnen hatte. Aus dieser stark komprimierten Darstellung wird vor allem eines deutlich: Die sogenannte Kleine Eiszeit war ein Klimaereignis, das für die gesamte Natur und damit auch für menschliche Gesellschaften unmittelbare Konsequenzen hatte. Letztendlich aber waren es die mittelbaren Konsequenzen, die sie von Grund auf veränderten und aus feudalen Gesellschaften frühkapitalistische machten: Ein Wissenshorizont, der durch religiöse Schriften definiert wurde, machte einem neuen, empirischen Wissen Platz; alte Sozialstrukturen wie die Allmenden wurden aufgelöst und durch marktkonformere Produktions- und Lebensformen ersetzt; eine neue Klasse ergriff die Initiative, und das Gewicht innerhalb vieler Gesellschaften verschob sich von der Festung hin zum Markt. Ein Klimaereignis resultierte in einer kaum einen Aspekt auslassenden Revolutionierung menschlicher Gesellschaften. Von der ursprünglich betroffenen Landwirtschaft über ökonomisches Denken, Märkte, Arbeits- und Lebensbedingungen, Ernährung, Wissenserwerb, den Aufstieg der Mittelschicht und bis hinein in Kultur und Philosophie änderte sich alles in diesen Gesellschaften, deren direkte Erben wir sind. Der Eisberg, der 1565 gewissermaßen als Vorbote der globalen Abkühlung in den Niederlanden ankam, erwies sich nur als Spitze einer wesentlich mächtigeren Veränderung unter der Oberfläche der damaligen Gesellschaften. Trotz dieser starken Faktenlage mag es ein ungewohnter Gedanke sein, dass Klimawandel nicht nur Wetter und Landwirtschaft beeinflussen kann, sondern auch die Struktur einer Gesellschaft bis in ihr Selbstverständnis und ihre Philosophie hinein. Tatsächlich aber liegt das nur an einer kulturellen Konstruktion, deren Wurzeln älter sind als die Aufklärung: der Mensch als Krone der Schöpfung, erhaben über alle kreatürlichen Zwänge. Wenn diese biblische Perspektive relativiert wird, zeigt sich, dass der Homo sapiens ein Teil der Natur ist. Wie Kellerasseln und Singvögel müssen auch Menschen sich ihren natürlichen Umständen anpassen. Bei einem Einfluss, der so wirkmächtig und subtil ist wie das Wetter und die Naturerfahrung selbst, werden veränderte Rahmenbedingungen zwangsläufig auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Umwälzungen nach sich ziehen – nicht nur im 17. Jahrhundert, sondern auch in naher Zukunft. Das 21. Jahrhundert und die Amplitude der Unsicherheit Noch einmal zurück zur niederländischen Küste. Ein Deichbauingenieur der dortigen Regierung erwähnte kürzlich ein interessantes Dilemma. Seine Kollegen und die betroffenen Wissenschaftler seien sich einig, dass angesichts des steigenden Meeresspiegels die Deiche erhöht werden müssten, sagte er, aber die Wissenschaftler seien sich uneinig, ob um dreißig Zentimeter oder um sechs Meter. Dies beschreibt eine Amplitude der Unsicherheit über die Konsequenzen der Erderwärmung, die zu ignorieren nicht nur für Küstenregionen katastrophal sein könnte. Ähnliche Resultate zeigen beispielsweise die Forschungen der NASA. Der CO2-Gehalt per Million Partikel in der Atmosphäre ist seit 1950 auf ein Niveau gestiegen, das alles übersteigt, was in den zurückliegenden 400.000 Jahren auf diesem Planeten der Fall war. Durch die Industrielle Revolution hat die Menschheit nicht nur technologisch und in Bezug auf Konsum und Lebensweise Neuland betreten: Auch mit Blick auf Klima und Ökosysteme sind wir in einer Situation, für die es keinen Präzedenzfall gibt. Das bedeutet auch, dass es die Entscheidungen der gegenwärtigen Generation sein werden, die Weichen für das Leben und Überleben auf diesem Planeten stellen. Hier stellt sich eine wichtige Frage: Wenn der Klimawandel der Kleinen Eiszeit eine so radikale und umfassende Veränderung ganzer Gesellschaften bewirkte – was bedeutet das dann für die Zukunft unserer Gesellschaften in Zeiten der Erderwärmung? Gibt es irgendeinen Grund anzunehmen, dass die bereits in vollem Gange befindliche Klimaänderung durch den erhöhten CO2-Ausstoß im Zuge der Industriellen Revolution weniger gravierende, weniger revolutionäre Umwälzungen mit sich bringen wird, die von wirtschaftlichen und sozialen Aspekten bis zu politischen Zusammenhängen und philosophischen Konzepten alles umspannen? Haben wir wirklich Anlass dazu, zu glauben, dass die gegenwärtige Ordnung von Politik, Ökonomie und Wissen inhärent solider, unangreifbarer ist als die vor fünfhundert Jahren? Wer über die Zukunft Europas und der Welt nachdenkt, muss sich diese Frage stellen. Alle Spekulation über mögliche Zukunftsszenarien verlieren an analytischer Kraft, wenn sie die dramatische Veränderung der natürlichen Rahmenbedingungen außer Acht lassen. Jeder Versuch einer Antwort muss dabei so komplex ausfallen, wie die Frage selbst es ist. Wanderbewegungen Das Offensichtlichste zuerst: Wie auch in der Kleinen Eiszeit wird der Klimawandel in den kommenden Jahrzehnten eine massive Krise der Landwirtschaft auslösen, wenn auch wahrscheinlich weniger im gemäßigten Europa, das nur dann massiv und sozusagen paradoxal betroffen sein würde, wenn, wie einige Meeresforscher befürchten, der Golfstrom durch die Veränderung von Temperatur und Salzgehalt der Ozeane zusammenbräche, was einen massiven Kälteeinbruch in Westeuropa zur Folge hätte. Wenn dieses Ereignis aber nicht eintritt, ist für die europäische Landwirtschaft mit keiner katastrophalen Konsequenz zu rechnen, obgleich empfindliche und spezialisierte Produkte wie beispielsweise Wein schon heute unter dem Temperaturanstieg zu leiden haben. Andere Gebiete der Welt spüren die Konsequenzen der einsetzenden Erwärmung bereits sehr viel stärker. Besonders um den Äquator herum verschieben sich landwirtschaftlich nutzbare Gebiete durch Versteppung und Veränderung von Wettersystemen, und es ist davon auszugehen, dass diese Bewegung um mehrere Hunderte von Kilometern weg vom Äquator sich nicht nur fortsetzt, sondern auch beschleunigt. Besonders in Afrika und Asien wären davon zahllose Subsistenzbauern betroffen, die in der Hoffnung, dem Hungertod zu entgehen, in die riesigen Metropolen abwandern. Auch auf Europa wird das entscheidende Auswirkungen haben: Die massiven Migrationsbewegungen innerhalb der betroffenen Länder werden zu politischer Instabilität und sehr wahrscheinlich auch zu Verteilungskriegen um Ressourcen wie Wasser und fruchtbares Land führen. Dies wiederum betrifft direkt die strategischen Interessen Europas, seine wirtschaftliche Sicherheit sowie seine Versorgung mit Rohstoffen und Nahrungsmitteln. Ein Beispiel für diesen erbarmungslosen Mechanismus ist der Syrienkrieg, dem die verheerendste Dürre voranging, die der sogenannte fruchtbare Halbmond in achthundert Jahren erlebt hatte. Zehntausende Bauern im Norden des Landes sahen sich gezwungen, zuerst Schulden zu machen, dann ihr Vieh zu schlachten und ihr Saatgut zu essen, bevor sie schließlich aufgeben und in die Slums von Damaskus und Aleppo ziehen mussten, von denen kurz darauf die Unruhen ausgingen. Die Kausalität dieser klimatischen Krise und des folgenden Massenschlachtens wird gelegentlich angezweifelt, aber es kann kaum ein Zweifel daran bestehen, dass dies eine Blaupause für zukünftige Konflikte sein wird. Die gewaltige Menge an Flüchtlingen, die 2015 nach Europa kam, war direkt oder indirekt eine Folge solcher Prozesse. Dieser Migrationsdruck wird in den folgenden Jahrzehnten wesentlich ansteigen. Das wird auch innerhalb der Gesellschaften Europas Konsequenzen haben. Schon jetzt ist Migration zum vielleicht wichtigsten politischen Thema in europäischen Wahlen geworden und hat auch in als liberal geltenden Ländern zu einem Rechtsruck geführt. In den vergangenen zwei Jahren haben europäische Politiker die Migrationsproblematik hauptsächlich dadurch bekämpft, dass sie Routen geschlossen, Zäune gebaut, Grenzkontrollen eingeführt und Sicherheitskooperationen mit Grenzländern wie der Türkei und Libyen begonnen haben, die in ihrer Behandlung von Flüchtenden – um es vorsichtig auszudrücken – wesentlich robuster vorgehen, als es in Europa möglich wäre. Keine gute Lösung? Die Schließung der Außengrenzen hat die Situation innerhalb Europas zeitweise entspannt. Sie kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Zahl derer, die sich gezwungen sehen, anderswo ein neues Leben oder Überleben zu finden, durch Klimawandel und Bevölkerungswachstum immer weiter steigen wird. Europäische Staaten sehen sich langfristig vor der Wahl zwischen einem Rechtsruck auf dem Weg zu einer "Festung Europa", die Flüchtlinge an der Grenze erschießt, und einer Zunahme von legaler Migration, die ihrerseits gravierende Konsequenzen für den sozialen Frieden europäischer Gesellschaften haben könnte. Für diese Problematik besteht keine saubere Lösung, keine klare Antwort. Deutlich ist nur, dass der Umgang mit ihr unsere Gesellschaften so oder so gravierend verändern wird. Dieser Zusammenhang zwischen Klimawandel und der Entwicklung der liberalen Demokratie in europäischen Gesellschaften wird zweifellos besonders wichtig werden, nicht nur im Umgang mit Migration und globalen Konflikten, sondern auch angesichts der Herausforderung, ausreichend rasch und entschlossen Maßnahmen einzuleiten, die innerhalb von zwei oder drei Jahrzehnten nicht nur den CO2-Ausstoß der reichen Welt radikal verringern, sondern auch den Konsum fossiler Brennstoffe und die fortschreitende Beschädigung der Ökosphäre weitgehend einstellen. Der wissenschaftliche Konsens ist, dass solche Maßnahmen unabdingbar sind, um einen katastrophalen Anstieg der globalen Temperaturen um mehr als drei oder sogar vier Grad Celsius zu verhindern und die Veränderung von Ökosystemen und der in ihnen lebenden Organismen (einschließlich des Menschen) so weit einzudämmen, dass es nicht unmöglich ist, auf sie zu reagieren. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass das Erfolgsrezept der westlichen Welt, das aus der Kleinen Eiszeit resultierte – die Idee von Wirtschaftswachstum, das auf Ausbeutung beruht – heute zur existenziellen Bedrohung geworden ist. Mehr Wachstum ist zumindest mittelfristig undenkbar ohne einen immer weiter anwachsenden Verbrauch von Rohstoffen, immer intensiveren Hyperkonsum und eine immer toxischere Veränderung von Ökosystemen durch CO2 und andere Abfallprodukte. Auch wenn Klimawissenschaftler einen breiten Konsens in diesen Fragen erzielt haben (bislang sind die Prognosen zur Klimaentwicklung tatsächlich eingetroffen, allerdings wesentlich schneller als angenommen), so ist doch nicht ersichtlich, wie innerhalb kurzer Zeit ein ausreichender demokratischer Konsens geschaffen werden könnte, um einen so einschneidenden Umschwung des gesamten westlichen Lebensmodells einzuleiten und tatsächlich zu vollziehen. Pessimisten sind der Ansicht, westliche Länder stünden daher vor der Wahl, als liberale Demokratien sehenden Auges in die Katastrophe zu gehen oder sich in das Experiment einer Öko-Diktatur zu stürzen. Keine dieser beiden Möglichkeiten scheint besonders verlockend. Transformative Technologien Schon diese Faktoren verdeutlichen, dass die Auswirkungen des Klimawandels auch im 21. Jahrhundert alle Aspekte unseres gesellschaftlichen und individuellen Lebens umformen werden. Gerade in der reichen Welt aber wird noch ein weiterer, technologischer Faktor eine enorme transformative Rolle spielen: Was der Buchdruck für die frühmoderne Zeit war, ist heute die Digitalisierung, insbesondere angesichts der Entwicklung von lernfähigen Systemen, die potenziell jedes gestellte Problem ohne menschliches Zutun lösen können. Auch die Digitalisierung wird unser Leben tiefgreifender revolutionieren, als für uns bislang denkbar ist. Sie wird in unsere Wirtschaft und unsere soziale Selbstkonstruktion eingreifen, indem sie einen Großteil der menschlichen Arbeit und damit auch die Arbeitenden wirtschaftlich überflüssig macht, sie wird ganz neue wirtschaftliche und soziale Arrangements notwendig machen, wird Machtkonzentrationen erlauben, die nicht nur Daten und Patente, sondern damit auch Wohlstand und politischen Einfluss in immer weniger Händen vereinen, sie wird durch Sammeln und immer umfassendere Analyse von Daten soziale Kontrolle ebenso wie Wissenssprünge ermöglichen, an denen Menschen keinen Anteil mehr haben, und sie wird die demokratische Verfasstheit unserer Gesellschaften verändern, wenn nicht zerstören. Klimawandel und Digitalisierung – beide Folgen der Industriellen Revolution und ihres Hungers auf fossile Brennstoffe – werden das Gesicht dieses Planeten und der menschlichen Gesellschaften schon innerhalb der nächsten zwei oder drei Jahrzehnte radikal verändern. Globale Ökosysteme und Wettermuster, Ökonomie und Weltbevölkerung, politische Ordnung und Machtverhältnisse werden von dieser Transformation erfasst. Angesichts dieser enormen Umwälzung und der Amplitude der Unsicherheit – dreißig Zentimeter oder sechs Meter –, die mit ihr einhergeht, ist es umso wichtiger, den vielleicht einzigen Stabilitätsfaktor in diesem Gefüge zu betonen und zu mobilisieren. Anders als im 16. Jahrhundert, als Bußgottesdienste und Hexenverfolgungen erst langsam durch empirische Forschung und intellektuellen Austausch ersetzt wurden, wird die wissenschaftliche Methode selbst durch die Veränderungen von Umwelt und Gesellschaft nicht ungültig – auch wenn bereits jetzt deutlich ist, dass die Rolle der menschlichen Anstrengung in der Wissenschaft von Künstlicher Intelligenz und Algorithmen zurückgedrängt wird. Das wissenschaftliche Denken und damit auch das darauf beruhende Handeln sind die einzigen Verbündeten in dieser potenziell katastrophalen Situation. Damit aber stellt sich eine weitere entscheidende Frage im Vergleich der Gegenwart mit der damaligen großen Episode des Klimawandels. Während der Kleinen Eiszeit wurden spätfeudale Gesellschaften in frühkapitalistische Marktgesellschaften umgewandelt, in diesem Prozess entstand wissenschaftliches Denken. Die soziale Dynamik der Zeit aber ermöglichte auch eine neue Selbstwahrnehmung der Gesellschaften und förderte Ideen, die wir heute als Aufklärung bezeichnen. Was wird die intellektuelle, philosophische Konsequenz der nächsten Transformation sein? Werden die Ideen der Aufklärung sich als so stabil erweisen, wie die wissenschaftliche Methode, oder werden ihr Universalismus, ihr Fortschrittsglaube und ihr Rechtediskurs vor einer vielleicht dystopischen, jedenfalls aber völlig anderen Realität kapitulieren und durch eine Neukonzeption des Menschen als minderwertiger biologischer Computer ersetzt werden? Die Antwort auf diese Frage wird erst in einigen Jahrzehnten formuliert werden. Die Richtung, in die diese Antwort gehen wird, liegt aber in den Händen derer, die heute Entscheidungen treffen. In einer Demokratie heißt das: Sie liegt in unserer Hand. Lateinisch für "wessen Gebiet, dessen Religion": Kurzform des weitgehend bis zum Westfälischen Frieden 1648 geltenden Grundsatzes, wonach sich die Religionszugehörigkeit der Bevölkerung nach der des jeweiligen Landesfürsten richtete (Anm. d. Red.).
Article
, Philipp Blom
"2022-02-17T00:00:00"
"2018-05-16T00:00:00"
"2022-02-17T00:00:00"
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/269296/zeiten-des-klimawandels/
Die historische Erfahrung der Kleinen Eiszeit zeigt, dass veränderte klimatische Rahmenbedingungen zwangsläufig auch tief greifende wirtschaftliche, soziale und kulturelle Umwälzungen nach sich ziehen. Was wird die Konsequenz der heutigen klimatische
[ "Klima", "Klimawandel", "Kleine Eiszeit", "frühe Neuzeit", "Europa" ]
30,765
Analyse: Kosakenorganisationen in der heutigen Ukraine | Ukraine-Analysen | bpb.de
Zusammenfassung In etlicher Hinsicht spiegelt die Geschichte der modernen Kosakenbewegung in der Ukraine die Geschichte der ukrainischen Unabhängigkeit wider. Dieser Artikel konzentriert sich auf die Kosakenbewegung in der Ukraine und zum Teil darauf, warum sie nicht in der gleichen Weise vereinnahmt wurde wie die Kosakenbewegung in Russland. Kosaken in der Ukraine und in Russland haben vieles gemein, z. B. gemeinsame Feiertage (etwa den 24. Januar, den Gedenktag für den Genozid an den Kosaken, oder den 14. Oktober, den Feiertag Mariä Schutz und Fürbitte), Gebräuche und sogar sprachliche Eigenheiten (einige Kosaken in Südrussland bezeichnen ihren Dialekt mit »mowa«, dem ukrainischen Wort für »Sprache«). Die Bewegungen in der Ukraine und in Russland sind zwar nicht identisch, doch verlangen die unterschiedlichen Entwicklungspfade der beiden Bewegungen nach einer Erklärung. In etlicher Hinsicht spiegelt die Geschichte der modernen Kosakenbewegung in der Ukraine die Geschichte der ukrainischen Unabhängigkeit wider. Dieser Artikel konzentriert sich auf die Kosakenbewegung in der Ukraine und zum Teil darauf, warum sie nicht in der gleichen Weise vereinnahmt wurde wie die Kosakenbewegung in Russland. Kosaken in der Ukraine und in Russland haben vieles gemein, z. B. gemeinsame Feiertage (etwa den 24. Januar, den Gedenktag für den Genozid an den Kosaken, oder den 14. Oktober, den Feiertag Mariä Schutz und Fürbitte), Gebräuche und sogar sprachliche Eigenheiten (einige Kosaken in Südrussland bezeichnen ihren Dialekt mit »mowa«, dem ukrainischen Wort für »Sprache«). Die Bewegungen in der Ukraine und in Russland sind zwar nicht identisch, doch verlangen die unterschiedlichen Entwicklungspfade der beiden Bewegungen nach einer Erklärung. Zusammenfassung In etlicher Hinsicht spiegelt die Geschichte der modernen Kosakenbewegung in der Ukraine die Geschichte der ukrainischen Unabhängigkeit wider. Dieser Artikel konzentriert sich auf die Kosakenbewegung in der Ukraine und zum Teil darauf, warum sie nicht in der gleichen Weise vereinnahmt wurde wie die Kosakenbewegung in Russland. Kosaken in der Ukraine und in Russland haben vieles gemein, z. B. gemeinsame Feiertage (etwa den 24. Januar, den Gedenktag für den Genozid an den Kosaken, oder den 14. Oktober, den Feiertag Mariä Schutz und Fürbitte), Gebräuche und sogar sprachliche Eigenheiten (einige Kosaken in Südrussland bezeichnen ihren Dialekt mit "mowa", dem ukrainischen Wort für "Sprache"). Die Bewegungen in der Ukraine und in Russland sind zwar nicht identisch, doch verlangen die unterschiedlichen Entwicklungspfade der beiden Bewegungen nach einer Erklärung. Einleitung Die Kosakenorganisationen in der Ukraine lassen sich in vier Gruppen unterteilen. Es gibt die "registrierten", die "freien", die Saporoger und die "herkömmlichen" Kosaken. Die "registrierten" Kosaken sind jene, die dem Staat dienen wollen. Die "freien" Kosaken sind auf die Ukrainische Orthodoxe Kirche, und zwar die des Kyjiwer Patriarchats orientiert, während die Saporoger Kosaken sich an der Ukrainischen Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats orientieren. Die "herkömmlichen Kosaken" betreiben Schulen, in denen Kampf- Hopak gelehrt wird, ein Kampfsport, der auf traditionelle Tänze und die traditionelle Kampfweise der Kosaken zurückgeht. Ein Merkmal dieser letzten Gruppe sind ihre traditionellen Uniformen und das Fehlen militärischer Ränge. In Tabelle 1 auf S. 28 sind die Namen der wichtigsten Organisationen innerhalb der vier Kategorien und deren Atamane (Kosakenführer; ukr.: "otaman") aufgeführt. Stanislaw Arschewitin, kosakischer General-Jessaul (General-Rittmeister) und seinerzeit Abgeordneter der Werchowna Rada, schätzte 2009, dass es 723 Kosakenorganisationen mit insgesamt 300.000 Mitgliedern gibt. Im Unterschied zu Russland ist die Kosakenbewegung in der Ukraine zwar geteilt und zersplittert, stellt aber für die ukrainischen Soldaten bei der sogenannten Operation der Vereinten Kräfte (ukr.: "Operazija Objednanych Sil") im Donbas nach wie vor eine Quelle der Motivation dar. In diesem Beitrag wird aufgezeigt, dass die Lage der Kosakenbewegung in der Ukraine ein Produkt der ukrainischen Politik ist die sich im Spannungsfeld von ukrainischer Unabhängigkeit und russischem Einfluss bewegt. Der Anspruch der Ukraine auf das Erbe der Kosaken Die Ukraine als vermeintliche Heimat der kosakischen Bevölkerung, und als Land, in dem seinerzeit auch die Saporoger Sitsch verortet war (die zentrale Verwaltungssiedlung der Saporoger Kosaken), kann somit vordergründig einen Anspruch auf das Erbe der Kosaken begründen, der wohlberechtigt erscheint. Die Kosaken waren ursprünglich Söldner, die – für den polnischen König oder für den russischen Zaren – gegeneinander oder gegen türkische Eindringlinge aus dem Süden kämpften. Der polnische Staat unterhielt ein Register der Kosaken, die bereit waren, für ihn zu kämpfen. Die Erzählung Taras Bulba von Nikolaj Gogol verewigt Bilder maskuliner Wildheit. Die Kosaken, die ursprünglich auf den Ländereien ruthenischer Bojaren gesiedelt hatten, errichteten im 16. Jahrhundert die Saporoger Sitsch. 1648 stand Bohdan Chmelnyzkyj an der Spitze der Sitsch und führte einen Aufstand an, der in der Ausrufung eines unabhängigen Staates, des Hetmanats, mündete. Das Hetmanat war bis 1654 de facto autonom. In jenem Jahr akzeptierte dieser Kosakenstaat jedoch in dem Vertrag von Perejaslaw die Oberhoheit des russischen Zaren, der das Hetmanat im Gegenzug unter seinen Schutz stellte. 1954 diente der 300. Jahrestags dieses Abkommens als Rechtfertigung dafür, dass die Halbinsel Krim an die Ukrainische SSR angegliedert wurde. In der Zeit nach 1654 bestand für Kyjiw das größte Problem darin, sich dem Moskauer Zentralismus entgegenzustellen, was erklärt, warum sämtliche berühmte Kosakenatamane jener Zeit wie Iwan Sirko oder Iwan Masepa bei Rebellionen in Erscheinung treten. Letzten Endes ließ Katharina II. 1775 die Saporoger Sitsch zerschlagen und schickte die Kosaken als Grenzsoldaten an den Fluss Kuban, in die heutige Region Krasnodar. Im dortigen lokalen Dialekt sind bis heute ukrainische Elemente erhalten geblieben. Die Ukraine gehört zu den jüngeren Staaten Europas und betrachtet das Hetmanat des 17. Jahrhunderts als eine frühe Form ihrer Souveränität und Unabhängigkeit, unter anderem mit dem Verweis auf die angeblich erste geschriebene Verfassung in Europa. Der Historiker Serhii Plokhy schreibt in seinem Buch "The Cossack Myth: History and Nationhood in the Age of Empires", dass nationalistische Intellektuelle des 19. Jahrhunderts in ihren Schriften explizit den Kosakenmythos beschworen. Plokhy bezieht sich hierbei auf eine "Geschichte der Rus", einer Schrift, in der die ukrainischen Kosaken "als ein eigenes Volk dargestellt wurden, das von den Russen im Norden zu unterscheiden ist". Als die Ukraine 1917 zum ersten Mal formal eine Unabhängigkeit erlangte, wurde der Titel des Hetmans für ihr Oberhaupt wiederbelebt, und ein Nachkomme eines Hetmans aus dem 17. Jahrhundert besetzte diesen Posten. Somit war es auch keine Überraschung, dass während der zunehmenden Unabhängigkeitsbestrebungen Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre Kosakensymbolik wieder in den Vordergrund rückte. So waren die "Tage des Kosakenruhmes" in Nikopol (Gebiet Saporischschja) vom 1. bis zum 5. August 1990 eines der größten Volksfestivals vor dem Ende des Kommunismus: Es kamen mindestens 300.000 Menschen zusammen (die Schätzungen variieren), um am Grab von Ataman Sirko des 500. Jahrestags der Saporoger Kosaken zu gedenken. Sirko hatte im 17. Jahrhundert eine Revolte gegen den russischen Zaren angeführt. Darüber hinaus gibt es im Kyjiwer Stadtzentrum ein Chmelnyzkyj-Denkmal und einige Boulevards dort sind nach berühmten Kosakenführern benannt. Die ukrainische Nationalhymne bezeichnet die Ukrainer sogar als "Brüder des Kosakenvolkes". Die Ukraine ist zwar nicht das einzige Land, das das Erbe der Kosaken für sich beansprucht, doch sind die Ansprüche hier am stärksten. Kosakenbewegungen heute Die moderne Kosakenbewegung in der Ukraine ist zwar von der westlichen und sogar von der ukrainischen Forschung weitgehend vernachlässigt worden, ist aber nach wie vor von Bedeutung. Man kann die moderne Kosakenbewegung in acht Phasen unterteilen, in denen sich die politische Entwicklung des ukrainischen Staates widerspiegelt. Als erstes erfolgte die "Entwicklungsphase" von 1984 bis 1991, in der an der Staatlichen Universität Donezk eine kosakische Studentengemeinschaft entstand, wie auch Kosakenorganisationen in Saporischschja, Lwiw, Iwano-Frankiwsk, Tscherniwzi, Luzk, Schytomyr, Kyjiw, Uschhorod und Belgorod. Diese Gruppen waren neben den regionalen Räten (ukr.: "Rada") in Dnipropetrowsk und Saporischschja und dem Stadtrat in Nikopol an der Organisation der oben erwähnten "Tage des Kosakenruhmes" beteiligt. Der Große Rat der ukrainischen Kosaken verabschiedete im August 1991 ebenfalls in Nikopol ein Statut der ukrainischen Kosaken. Im Oktober wurde W. Tschornowil zum Hetman gewählt. Am 17. März 1992 registrierte das Justizministerium der Ukraine die "Ukrainische Kosakenschaft" als unabhängige patriotische gesellschaftliche Organisation für Sport und Verteidigung. In der folgenden "Übergangsphase" von 1992 bis 1995 wurden weitere ukrainische Kosakenorganisationen gegründet. 1994 wurde das "Saporoger Heer" (ukr.: "Wijsko Saporoske") unter Ataman Pantschenko gegründet. Vom 12. bis zum 14. Oktober 1994 fand der zweite Große Rat der "Ukrainischen Kosaken" statt, an dem 400 Delegierte aus 23 Regionen der Ukraine und vom Kuban teilnahmen. Wie erwähnt, ist Mariä Schutz und Fürbitte am 14. Oktober für Kosaken ein heiliger Tag. Am 4. Januar 1995 unterzeichnete Präsident Leonid Kutschma den Erlass Nr. 14/95 "Über die Wiederbelebung der historischen, kulturellen und wirtschaftlichen Traditionen des ukrainischen Kosakentums", der staatliche Hilfe zur Entwicklung der ukrainischen Kosaken versprach, unter anderem durch Immobilien und die Förderung von Aktivitäten der Kosakenjugend. Der Erlass versprach darüber hinaus Unterstützung für die Erforschung der Geschichte der ukrainischen Kosaken. Als drittes kam die "Registerphase" (1995 bis 1999), in der einige Kosakengruppen sich aus der Organisation "Ukrainisches Kosakentum" zurückzogen und in Kyjiw, Tschyhryn und auf der Insel Chortyzja drei parallele Räte stattfanden. Es gab weitere Unterstützung durch den Staat, und Präsident Leonid Kutschma führte mit seinem Erlass Nr. 1283/99 "Über den Tag des ukrainischen Kosakentums" den 14. Oktober (Mariä Schutz und Fürbitte) als den alljährlichen Feiertag der ukrainischen Kosaken ein. Anschließend unterzeichnete Kutschma den Erlass Nr. 1610/99, durch den der Koordinationsrat zu Fragen der Entwicklung des ukrainischen Kosakentums mit Iwan Bilas an der Spitze geschaffen wurde. Die vierte, "konstituierende" Phase von 2000 bis 2005 war dadurch geprägt, dass sich in dem Verband unabhängige Kosakengemeinschaften auf unterschiedlichen Ebenen zusammenschlossen und unabhängige Kosakenstrukturen geschaffen wurden. Der Erlass Nr. 1092/2001 von Leonid Kutschma formulierte einen Dreijahresplan zur Wiederbelebung und Weiterentwicklung des ukrainischen Kosakentums. Vorgeschlagen wurde ein breitangelegter Versuch, die Kosakengruppen in der Ukraine zu institutionalisieren; hier können nur einige der Punkte genannt werden. So sollte das Programm einem Beitrag von Timofjejew (Externer Link: https://ronl.org/doklady/istoricheskie-lichnosti/786086/) zufolge "Maßnahmen für Kosakengesellschaften erarbeiten, um junge Menschen auf der Grundlage von Patriotismus, Demokratie, hohen moralischen Werten und zur Verteidigung des Vaterlandes zu erziehen" und verlieh "bestimmten Teilen der Streitkräfte der Ukraine sowie anderer militärischer Einheiten […] Ehrentitel in Verbindung mit Namen bekannter Hetmane, Kosakenkommandeure und Atamane." Vorgesehen war auch die Schaffung eines Registers für das architektonische Erbe und die Wiederherstellung von Objekten von historischer oder kultureller Bedeutung. In dieser Zeit ließen sich über ein Dutzend anderer Kosakenorganisationen beim ukrainischen Justizministerium registrieren und es erfolgte eine Reihe von Spaltungen aufgrund der jeweiligen politischen Ausrichtung. Im Januar 2005 ernannte die Organisation "Ukrainisches Kosakentum" Wiktor Juschtschenko zum Hetman der ukrainischen Kosaken. Später im Jahr beschloss Juschtschenko den Wiederaufbau einer hölzernen Festung auf der Insel Chortyzja, was von Versprechen über eine Wiederbelebung der ukrainischen Kosaken begleitet wurde. Im Juli fand im russischen Gebiet Kursk ein internationales Treffen von Kosakenorganisationen aus Russland, Belarus, Kasachstan, der Ukraine und aus anderen Ländern statt. Im russischen Nowotscherkassk erfolgte ein Treffen des Großen Rates (russ.: "Bolschoj krug") des Bunds der kosakischen Kämpfer Russlands und im Ausland (russ.: "Sojus kasakow-woinow Rossii i sarubeshja"). Als fünftes kam die "Programmphase" von 2006 bis 2010, in der es eine breite Debatte um den Entwurf für ein Gesetz "Über das Kosakentum" und das Programm zur Weiterentwicklung des Kosakentums für die Jahre 2008 bis 2010 gab. Auf einem Treffen, das 2006 am Tag der Einheit der Ukraine stattfand, erklärten die Anführer von 24 Kosakenorganisationen ihre Unterstützung für Präsident Juschtschenko. Die Regierung war allerdings schwach und die Koalitionen in der Werchowna Rada brachen immer wieder auseinander. Als Wiktor Janukowytsch Ministerpräsident wurde, verlor der Präsident die Kontrolle über die Regierung. Daraufhin splitterten sich die ukrainischen Kosaken in Hunderte regionaler, städtischer, landesweiter und internationaler Organisationen auf. Sogar die Organisation "Ukrainisches Kosakentum" teilte sich in zwei Sparten, in einen linksufrigen Rat in Kyjiw und einen rechtsufrigen Rat in Ternopil. Die Teilungen hatten einen negativen Einfluss auf den Gesetzentwurf, und 2009 war die Werchowna Rada nicht in der Lage, ein Gesetz über die Wiederherstellung des ukrainischen Kosakentums zu verabschieden, das ein obligatorisches staatliches Kosakenregister vorgesehen hätte. In der sechsten Phase dann, in der "Phase vor dem Maidan" von 2010 bis 2013 schaffte Präsident Janukowytsch den Rat der ukrainischen Kosaken ab und hob Kutschmas Erlass von 2001 wieder auf. Es wurde 2011 ein weiterer Koordinationsrat gebildet und ein Kongress in Simferopol abgehalten. Es wurde eine konkurrierende Organisation geschaffen, der Rat der Kosakenatamane der Ukraine, um den unabhängigen ukrainischen Staat zu einigen und mit den Kosaken der Diaspora zusammenzuarbeiten. Im April 2011 wurde das Forschungsinstitut für Fragen des Kosakentums am Historischen Institut der Nationalen Akademie der Wissenschaften der Ukraine geschaffen. Im Laufe der vorhergegangenen zehn Jahre hatte die Anzahl der registrierten Kosakenorganisationen beträchtlich zugenommen, womöglich auch aufgrund der Ausbreitung des Internets. So öffnete die Jugendorganisation für Kampfsport "Spas" im ganzen Land viele Filialen. Ganz wie in Russland ist die Kultivierung eines militaristischen Patriotismus bei den jungen Menschen für die ukrainischen Kosaken ein zentrales Ziel. Kosaken beteiligten sich am Euromaidan, der "Revolution der Würde", und sorgten als Sicherheitspersonal während der Proteste und der anschließenden Gewalt für den Schutz der Menschen. In der Tat waren einige Gruppen der Protestierenden in "Hundertschaften" organisiert, in Anlehnung an einen Begriff der Kosaken (ukr.: "sotnja"). Die Revolution der Würde läutete die siebte Phase ein, die Post-Maidan-Phase, die bis 2020 dauerte. Der Koordinationsrat für die Weiterentwicklung der Kosaken wurde zwar 2015 erneuert, doch betrafen die meisten Entwicklungen in diesem Zeitraum Fragen der territorialen Integrität des Landes. Es gab einen entscheidenden Bruch mit russischen Kosakenorganisationen, weil sich Don-Kosaken und Kuban-Kosaken an der Annektierung der Krim beteiligt haben. Einige ukrainische Kosaken im Süden und Osten des Landes unterstützten die Rebellen im Donbas, die die Ukraine destabilisierten. Die meisten ukrainischen Kosakenorganisationen jedoch entsandten Freiwillige für die proukrainischen Kräfte. Die achte und letzte Phase ist die gegenwärtige, in der Kosakenorganisationen daran arbeiten, eine starke und geeinte Ukraine aufzubauen (der Text wurde bereits Ende 2021, vor Russlands Krieg in der Ukraine, fertiggestellt, Anm. d. Red.). Somit folgt die Entwicklung der Kosakenbewegung in der Ukraine im Großen und Ganzen der Entwicklung einer authentischen und unabhängigen nationalen ukrainischen Identität. Die drei bedeutendsten Momente für die Schaffung von Kosakengesellschaften waren folgende: die Erlangung der Unabhängigkeit des Landes, die Zeit nach der Orangen Revolution und die Phase nach dem Euromaidan. Nach der Unabhängigkeit der Ukraine erschienen Kosakenbewegungen akzeptabel, wenn sie Verbindungen zu russischen Kosakenbewegungen beibehielten. In der Zeit nach der Orangen Revolution jedoch versuchte das Regime von Wiktor Janukowytsch, die Entwicklung der ukrainischen Kosakenbewegung zu stoppen; diese hatte einen Kurs skizziert, der sich dem der Kosaken in Russland unterschied. Erst nach der Revolution der Würde war die Kosakenbewegung in der Lage, sich zu einer tatsächlich unabhängigen Kraft zu entwickeln, auch wenn dies vom Krieg überschattet wird. Es bleibt abzuwarten, ob die Zurückhaltung Moskaus hinsichtlich einer Respektierung einer rundum unabhängigen Ukraine zum Teil darauf zurückzuführen ist, dass eine nicht kontrollierte Kosakenbewegung in der Ukraine die Kosaken in Russland zu Unabhängigkeitsbestrebungen ermutigen könnte. Schlussfolgerungen Die ukrainischen Kosaken sind nach wie vor eine der schillerndsten, wenn auch zu wenig erforschten Phänomene des Landes. Die Vorstellungen über die Kosaken sind für die ukrainische Politik aus drei Gründen wichtig: Zum einen sind die Kosaken ein Symbol, das zu einer der Grundlagen werden könnte, auf denen in der Zukunft eine unikale nationale Identität artikuliert werden kann. Zweitens sind die Kosakenorganisationen aktiv und wachsen überall im Land. Im Falle einer russischen Invasion wären sie wichtige Akteure (wie sie es schon während des Euromaidan zum Schutz der Protestierenden waren). Die Kosaken werden zweifellos zu jenen gehören, die an der Spitze eines Aufstandes stehen. Drittens dürften Kosakenorganisationen, die einen Schwerpunkt auf Wehrertüchtigung und patriotischen Unterricht setzen, zukünftig aus sich heraus zu wichtigen Akteuren in der ukrainischen Politik werden. Übersetzung aus dem Englischen: Hartmut Schröder In den Russland-Analysen 415 erschien zeitgleich eine Analyse von Richard Arnold zu der Kosakenbewegung in Russland.
Article
Richard Arnold (Muskingum University, New Concord, OH)
"2022-04-29T00:00:00"
"2022-04-01T00:00:00"
"2022-04-29T00:00:00"
https://www.bpb.de/themen/europa/ukraine-analysen/nr-263/506900/analyse-kosakenorganisationen-in-der-heutigen-ukraine/
Die ukrainischen Kosaken spielen eine wichtige Rolle für die nationale Identität. Seit der Unabhängigkeit 1991 haben sich zahlreiche Kosakenorganisationen gebildet, und die Entwicklung dieser Organisationen spiegelt die Entwicklung des Landes wider.
[ "Ukraine", "Ukraine", "Ukraine", "ethnische Minderheiten", "ethnische Minderheiten", "politische Kultur", "Kulturelle Identität", "Beziehungen zu den Staaten der ehemaligen Sowjetunion" ]
30,766
Kosovo-Serbien: „Wir haben einen Deal“ | Hintergrund aktuell | bpb.de
Der EU-Außenbeauftragte Borrell verkündete am 27. August 2022, dass nach intensiven Verhandlungen eine Einigung in der Reisefreiheit zwischen dem Interner Link: Kosovo und Interner Link: Serbien erreicht werden konnte. Der serbische Präsident Aleksandar Vučić stimmte zu, die provisorischen Dokumente für die Ein- und Ausreise von Menschen mit kosovarischem Pass abzuschaffen. Der kosovarische Ministerpräsident Albin Kurti sagte seinerseits zu, keine solche Auflagen für Menschen mit serbischem Pass einzuführen. Der Streit um die Einreisedokumente an der serbisch-kosovarischen Grenze drohte in den letzten Wochen zu eskalieren. Die kosovarische Regierung unter Kurti hatte angekündigt, bei der Einreise in den Kosovo keine serbischen Personalausweise mehr zu akzeptieren. Die Regeln beim Grenzübertritt waren laut Kurti eine sogenannte Reziprozitätsmaßnahme dafür, dass Serbien seinerseits kosovarische Dokumente nicht anerkannte. Warum vermittelt die EU im Streit zwischen dem Kosovo und Serbien? Der Kosovo hatte am 17. Februar 2008 einseitig die Unabhängigkeit von Serbien erklärt. Die EU hat seitdem das Ziel, den Kosovo dabei zu unterstützen, sich europäischen Standards anzunähern. Ende 2008 nahm dazu die EU-Rechtsstaatlichkeitsmission EULEX Kosovo ihre Tätigkeit auf. EULEX Kosovo begleitet den Kosovo beim Aufbau einer multiethnischen Justiz, der Polizei und des Zollwesens. Die Mission ist eingebettet in die Strategie der Europäischen Union, die Länder des westlichen Balkans dabei zu unterstützen, sich schrittweise in die EU zu integrieren. Ziel der Mission ist es, Frieden und Stabilität, aber auch die wirtschaftliche Entwicklung der Länder zu fördern, um ihnen eine Beitrittsperspektive zu eröffnen. Mit Serbien wurden bereits Beitrittsverhandlungen und ein sogenanntes Verhandlungskapitel eröffnet. Der Kosovo hat den Status eines potenziellen Beitrittskandidaten. Einem Beitritt werden aktuell allerdings kaum Chancen eingeräumt, da der Kosovo zunächst innerhalb der EU und international als Staat anerkannt werden müsste. 117 Staaten erkennen den Kosovo völkerrechtlich an. Länder wie Russland, China oder Spanien lehnen die Unabhängigkeit bislang ab. Verhandlungen gehen weiter Nicht beigelegt werden konnte der Konflikt um die Nummernschilder auf Autos oder Lkws. Für Menschen mit kosovarischen Nummernschildern gilt schon seit mehreren Jahren, dass sie bei der Einreise nach Serbien vorübergehend ein serbisches Kennzeichen verwenden müssen. Auch der Kosovo kündigte eine solche Regelung für Menschen mit serbischem Pass an, verschob den Beginn dieser Maßnahme aber wiederholt nach hinten. Die Regierung im Kosovo beschloss, dass ab Ende Oktober 2022 alle kosovarischen Menschen auch ein kosovarisches Nummernschild führen müssen. Da der Norden des Kosovo vorwiegend von Serbinnen und Serben besiedelt ist, führte die Ankündigung der neuen Regelung zu Spannungen zwischen der serbischen Minderheit und der Mehrheitsgesellschaft im Kosovo sowie zwischen den beiden Ländern. Die Verhandlungen werden fortgesetzt. Der Kosovo-Krieg und seine Vorgeschichte Der Kosovo-Krieg hat eine lange Vorgeschichte, die bis in das 14. Jahrhundert zurückreicht. Sowohl die serbische als auch die kosovo-albanische Nationalgeschichte betrachtet die Region des Interner Link: Kosovo als „Ursprung“ ihrer Nation. Beide Länder begründen daraus ihre Ansprüche auf das Gebiet. Im 19. Jahrhundert hatten sich im Kosovo zunehmend muslimisch geprägte Albanerinnen und Albaner angesiedelt, während viele Serbinnen und Serben aus dem weniger wohlhabenden Kosovo nach Serbien abwanderten. Der Kosovo gehörte über Jahrhunderte zum Osmanischen Reich, bis er 1912 im Balkankrieg durch serbische und montenegrinische Truppen erobert wurde. 1918 wurde Interner Link: Jugoslawien (damals „Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen“) ausgerufen, zu dem auch das heutige Serbien und der Kosovo gehörten. Nach der Eroberung versuchte Serbien die albanische Bevölkerung zu assimilieren und siedelte gezielt Serbinnen und Serben im Kosovo an. Im Zweiten Weltkrieg veränderten sich die Machtverhältnisse, der überwiegende Teil wurde Albanien (damals Satellitenstaat Italiens) zugesprochen, die Serbinnen und Serben vertrieben. 1945 erhielt der Kosovo den Status eines „autonomen Gebiets“ innerhalb der Teilrepublik Serbien, 1974 wurde der Kosovo zur „autonomen Provinz“ und war damit den anderen Teilrepubliken fast gleichgestellt. Das Land begann eine Phase der Modernisierung, Albanerinnen und Albaner blieben in Machtpositionen jedoch unterrepräsentiert. Parallel wuchs der albanische Bevölkerungsanteil in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stark an. In den 1980er-Jahren protestierten zunehmend kosovo-albanische Menschen für einen Republik-Status des Kosovo, was ein gewaltsames Einschreiten der serbischen Sonderpolizei im Kosovo zur Folge hatte. Serbien entzog dem Kosovo unter Präsident Slobodan Milošević 1990 den Status der Autonomie. In der Folge riefen kosovo-albanische Abgeordnete die Republik Kosovo aus, woraufhin Serbien den Ausnahmezustand verhängte. 1996 begann die Anfang der 1990er-Jahre gegründete Untergrundorganisation "Kosovo-Befreiungsarmee" (UCK) ihren bewaffneten Kampf gegen Serbien, indem sie Mitglieder der Sozialistischen Partei und der serbischen Polizei angriff. Die serbische Regierung antwortete ihrerseits mit äußerster Gewalt, auch gegen die Zivilbevölkerung. Nach dem Scheitern der Friedensverhandlungen zwischen Kosovo-Albanern und Serben im März 1999 in Paris begann die NATO ohne UN-Mandat und Interner Link: unter deutscher Beteiligung am 24. März 1999 mit Luftangriffen auf strategische Ziele in Serbien und Montenegro sowie dem Kosovo. Die serbischen Truppen zogen aus dem Kosovo ab, der Krieg war beendet. Die kosovarische NGO Humanitarian Law Center Kosovo hat bislang Externer Link: 13.535 Tote dokumentiert. Nach dem Krieg war die Externer Link: UN-Resolution 1244 die Grundlage für die Einrichtung einer Übergangsverwaltungsmission der UNO (UNMIK), die eine Zivilverwaltung im Kosovo ermöglichte. Für die Sicherheit und Überwachung der Entmilitarisierung wurde die internationale Sicherheitstruppe KFOR stationiert. Mehr zum Thema Interner Link: Kosovo (Dossier Südosteuropa) Interner Link: Serbien (Dossier Südosteuropa) Interner Link: Kosovo – zehn Jahre nach der Unabhängigkeitserklärung
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2022-11-25T00:00:00"
"2022-09-01T00:00:00"
"2022-11-25T00:00:00"
https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/512622/kosovo-serbien-wir-haben-einen-deal/
Im Konflikt um die Einreisebestimmungen haben Kosovo und Serbien einen Kompromiss erzielt. Die Verhandlungen fanden unter Vermittlung der EU statt.
[ "Kosovo und Serbien", "Kosovo-Konflikt", "Kosovo-Frage" ]
30,767
Die können was! Aber können Roboter auch fühlen? | Künstliche Intelligenz | bpb.de
Wenn Sie sich eine intelligente Maschine wünschen dürften, welche wäre das? Thea Dorn – Ich will mit dem Kopf und dem Herzen arbeiten, deshalb finde ich es wunderbar, dass Geräte mir Tätigkeiten im Haushalt abnehmen, die ich nur zähneknirschend machen würde. Ich bin aber noch nie auf die Idee gekommen, meine Waschmaschine intelligent zu nennen. Raúl Rojas – Ich wünsche mir eine Technologie, die mir nicht ständig im Weg steht und mich an den Computer fesselt – wie es zum Beispiel E-Mails tun. Ich habe kein Handy, das ist mein Ausweg. Ich möchte mein Gehirn für etwas anderes verwenden. Also entwickle ich etwa autonome Fahrzeuge, die man wie Taxis nutzen kann. Sind wir denen nicht erst recht ausgeliefert? Rojas – Nein. Im Gegenteil. Ich möchte das Auto in ein öffentliches Verkehrsmittel verwandeln. Wir haben in Berlin 1,3 Millionen Fahrzeuge, dazu Busse und U-Bahnen. Ich hätte gern statt der Autos nur noch 100.000 autonome Fahrzeuge: Sammeltaxis. Sie würden die Leute auf der Straße aufnehmen und sie zur U-Bahn, zum Bus oder einem anderen Ziel bringen. Man fährt gemeinsam, teilt sich die Kosten. Das entlastet den Verkehr. Es gäbe keine Parkspuren mehr, und die frei gewordene Spur bekämen die Fahrräder. Es gäbe weniger Unfälle. Und es wäre so bequem! Ich brauche nicht mehr selbst zu fahren, ich kann ins Taxi einsteigen, lesen, arbeiten. Das wäre meine "Autopie" für die Stadt. Dorn – Keine Einwände gegen diese Vision! Letztlich ist es mir egal, ob ein Chauffeur am Steuer sitzt oder ob das Auto selbst fährt. Aber einstweilen sitzen wir ja selbst noch am Steuer – und werden dauernd bevormundet. Es macht mich rasend, wenn mein Auto mir durch hysterisches Piepsen vorschreiben will, wie ich einparken oder wann ich Pause machen soll. Und Navigationssysteme sind die reinsten Orientierungs-Verblödungs-Maschinen. Wenn möglich, schalte ich das alles ab. Rojas – Ein Navigationssystem habe ich auch nicht. Aber im Ernst: Ich halte viele Vorträge über autonome Fahrzeuge, und die häufigste Reaktion ist: Ich will nicht, dass mir jemand das Lenkrad wegnimmt! Da antworte ich: Reiche Leute haben einen Chauffeur und kümmern sich nicht um die Details. Wollen wir nicht alle reich sein? Dann interessiert mich das Fahren nicht mehr. Ich lese meine Zeitung, mein Buch, bis der Chauffeur sagt: Wir sind angekommen. Dorn – Auch dies: schöne Vision! Ich fürchte nur, dass die Leute die gewonnene Zeit nicht nutzen werden, um Aristoteles oder wenigstens die Zeitung zu lesen. Sie werden noch mehr an ihren Geräten herumdaddeln. Aber es stimmt natürlich, dass sich – gerade in Großstädten – im Verkehr viel verbessern muss. Jeder, der in Berlin zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs ist, hasst den Autoverkehr. Aber? Dorn – Mich beunruhigt die Rasanz, mit der wir Entscheidungen, die wir früher selbst treffen mussten, oder Kompetenzen, die wir uns selbst aneignen mussten, an die Technik delegieren: Ein Gespür dafür entwickeln, ob ich mich heute genügend bewegt habe? Überflüssig, die Gesundheits-App sagt’s mir. Vorratsplanung? Überflüssig, der Kühlschrank weiß selbst, wann neue Milch hermuss. Fremdsprachenlernen? Wozu, es gibt doch Übersetzungsprogramme. Herr Rojas, Sie wollen eine Technologie, die Ihnen Dinge abnimmt und Arbeit von Ihnen fernhält. Stellen wir uns also einen Haushalt vor, der von selbst Wäsche wäscht, das Essen macht … Rojas – Nein, nein. Ich mag keine Haushaltsroboter. Mein persönlicher Sport ist es, den Rasen zu mähen, Blätter aufzusammeln und die Wäsche zu machen. Man sollte den Menschen nicht alles im Haushalt abnehmen, weil sie sich dann nicht mehr bewegen und dick werden. Wie im Film "WALL-E". Kennen Sie den? Dorn – Nur den Trailer. Rojas – Da sitzen die Menschen auf einer fliegenden Couch, sie haben den Bildschirm vor der Nase, und Roboter bringen das Essen. So eine Zukunft wäre grausam. Manche Maschinen, die gebaut werden könnten, sollte man deshalb aus sozialen Gründen nicht bauen. Pflegeroboter für Krankenhäuser etwa, die den Kontakt der Kranken zu anderen Menschen minimieren. Dorn – An deren Entwicklung wird aber massiv gearbeitet. Einerseits ist das verständlich: Es herrscht ein Mangel an Pflegekräften, warum also nicht Abhilfe durch Roboter schaffen? Andererseits wird mit jeder technologischen Lösung eines gesellschaftlichen Problems unsere soziale Kreativität weiter abnehmen. Im Kern scheint es mir darum zu gehen: Wie füllen wir die Freiräume aus, die uns die neue Technik beschert? Gehen wir einem Athen 4.0 entgegen, in dem jeder von morgens bis abends philosophieren und Sport treiben kann, weil ihm freundliche Robotersklaven alle lästige Arbeit abnehmen? Oder enden wir so, wie "WALL-E" es nahelegt: dick, faul und dumm? Rojas – Das ist das Dilemma. Die klassische Antike ist sowieso nicht mein Vorbild, weil da nur Männer frei waren, während Frauen und Sklaven die Arbeit machten. Ich denke eher an die utopischen Sozialisten. Dorn – Trotzki wäre heute wohl ein großer Verfechter der Technologisierung, weil er hoffen würde, man bekäme dadurch die Freiheit zur Bildung. Rojas – Die große Frage bei den frühen Sozialisten war ja, wer die niederen Arbeiten macht. Ihre Antwort: Maschinen. Friedrich Engels schrieb, als er noch jung war: Ihr habt gesagt, wir brauchen eine untere Klasse, die Toiletten putzt, aber jetzt gibt es eine automatische Toilette, die selbst spült! Für ihn bewies das, dass die Menschheit der Zukunft von diesen niederen Arbeiten entbunden sein werde – die sozialistische Utopie des 19. Jahrhunderts. Inzwischen haben wir viel mehr Maschinen, als sich Marx und Engels jemals erträumt haben, aber die tolle Zukunft mit den freien Menschen haben wir nicht. Da kann man schon fast verzweifeln. Dorn – Tja. Ich glaube, der Mensch hat nur zwei Möglichkeiten: Entweder er findet sich weiterhin damit ab, dass er neben all dem Großartigen, das er kann, auch ein beschränktes Mängelwesen ist: manchmal traurig, manchmal krank, und am Schluss steht der Tod. Oder er will all dies endgültig hinter sich lassen und ewig fit, ewig gut drauf und in letzter Konsequenz auch unsterblich sein. Unser abendländisches, humanistisch geprägtes Menschenbild wäre damit am Ende. Ich vermute, im Silicon Valley würde ich höhnisches Gelächter ernten, wenn ich dort sagen würde, dass ich die weitere Optimierung des Menschen im Maschinenstil für das Ende unserer Autonomie und Würde halte. Die Allerkühnsten dort träumen ja davon, ihr Hirn in die Cloud hochzuladen, wo es mit dem Weltwissen verschmelzen kann: die totale Entgrenzung. In meiner Sprache: das Ende von Persönlichkeit, Charakter, Individuum. Rojas – Das sind alles Fantasien, das ist alles Quatsch. Dorn – Es beruhigt mich, wenn Sie das sagen. Woher weiß ich als normale Leserin, dass das Quatsch ist? Rojas – Das ist schwer herauszufinden. Ray Kurzweil, der Vordenker des Transhumanismus, behauptete schon vor Jahrzehnten, die Menschen würden durch Maschinen ersetzt, es gäbe irgendwann nur noch maschinelle Intelligenz. Er sagt, 2030 werden Computer genauso viele Transistoren wie Menschen Neuronen haben, also werden die Maschinen automatisch intelligenter sein. Das ist Unsinn, und es ist vermessen. Immer wieder merken wir, wie weit wir noch davon entfernt sind, Gehirn und Kognition zu verstehen. Wer glaubt, dass Maschinen haargenau wie Menschen sein können, verkennt, dass wir Körper und Geist sind. Dorn – Kurzweil ist so konsequent, den Körper für ein lästiges Anhängsel des Geistes zu halten. Rojas – Wenn er all seine Informationen auf einer Festplatte speichern könnte, würde er schnell merken, dass er ohne Körper nicht mehr derselbe wäre. Dorn – Wie gesagt: Ich hoffe, Sie haben recht und die "Singularität", von der Kurzweil träumt, wird es niemals geben. Trotzdem glaube ich nicht, dass man alle trans- und posthumanistischen Visionen achselzuckend übergehen sollte … Rojas – Doch. (lacht) Dorn – … weil sie uns mit dem Fluchtpunkt unserer technologischen Zivilisationsgeschichte konfrontieren. Sie zwingen uns, uns zu fragen: Wollen wir den Weg, den wir eingeschlagen haben, wirklich so radikal zu Ende gehen? Rojas – Wer Roboter baut, ist wie ein Zauberer, und die Leute lassen sich täuschen. Ein Beispiel: Wenn Sie kleine Roboter per Zufallsprinzip Würfel durch die Gegend schieben lassen, bildet sich irgendwann in der Mitte der Arena ein Haufen. Das ist zufällig, doch die Leute denken: Ah! Die Roboter bauen gemeinsam einen Turm. Sie sind intelligent! Dorn – Kommt das nicht daher, dass die Menschen seit Anbeginn davon träumen, Wesen zu erschaffen, die sie unendlich überbieten – an Gesundheit, in Langlebigkeit, Schönheit, Stärke, Intelligenz? Pygmalion und die ideale Frau, die jüdische Mythologie und der Golem, Nietzsche und der Übermensch. Diese Begeisterung wundert mich also nicht. Aber ich teile Ihre Einschätzung, dass wir es zumindest derzeit noch mit eher billigem Budenzauber zu tun haben. Neulich war ich bei einem Empfang, da lief ein kleiner weißer Roboter herum, begrüßte die Gäste, konnte – meistens – erkennen, ob ihm ein Mann oder eine Frau gegenüberstand. Meinte er, eine Dame zu sehen, gab’s ne Rose. Rojas – Das ist Volksverdummung. Ich weiß, was der Stand der Technik ist. Wir kochen alle nur mit Wasser. Die Leute, die diese Roboter bauen, tun so, als ob der Roboter wirklich viel versteht. Statt über die Grenzen und Probleme der Technologie aufzuklären, übertreiben sie maßlos, um Investoren oder neue Gelder für die Forschung zu bekommen. Dorn – Glauben Sie, dass diese Künstlichen Intelligenzen eines Tages so etwas wie Emotionen ausbilden könnten? Rojas – Nein. Das ist absolut undenkbar. Ich arbeite seit 35 Jahren daran. Es gibt gewisse bescheidene Fähigkeiten, die wir den Computern beizubringen versuchen. Aber: Die Spracherkennung ist immer noch nicht toll. Es gibt ein paar brauchbare Sachen wie Gesichtserkennung am Flughafen oder Übersetzungssysteme. Letztere funktionieren, weil inzwischen so viele Bücher auf Deutsch und Englisch online stehen, dass der Computer die Korrespondenz zwischen beiden Sprachen automatisch lernen kann. Das nennt sich Deep Learning – Menschen trainieren die Programme mit großen Datenmengen. Rojas – Ja. Es funktioniert allerdings nur zu einem gewissen Grad. Ich zeige dem Computer Millionen von Katzenbildern. Dann weiß er irgendwann, was eine Katze ist. Aber wenn ich ihn frage, wieso?, kann er es nicht erklären. Woher kommen diese Daten? Rojas – Von uns allen. Dorn – Täglich. Rojas – Wenn man auf Instagram Bilder hochlädt, landen die Daten bei Facebook. Damit können die ihre Gesichtserkennungsprogramme verbessern. Oder Katzenerkennungsprogramme. Wir generieren diese Daten – freiwillig und kostenlos für Google und Facebook. Eine Google-KI hat unlängst schwarze Menschen als Gorillas bezeichnet. Eine andere KI hat Küche und Frauen verbunden. Lernen die Systeme nicht wertneutral? Rojas – Nein. Bei Deep Learning gibt es nur Muster. Und daraus ergibt sich eine Entscheidung. Wenn in 90 Prozent der Küchenwerbung eine Frau zu sehen ist, dann ist klar, woher das kommt. In Big Data sind all unsere Wertvorstellungen, Widersprüche und Vorurteile enthalten. Dorn – Ich habe gehört, dass eins dieser sogenannten autonomen Systeme im militärischen Bereich, das Panzer gut erkannt hat, plötzlich versagte. Keiner wusste, warum. Dann fand man heraus, dass die Mehrheit der Bilder, mit denen das System trainiert worden war, Panzer unter blauem Himmel zeigte. Nun war der Himmel bedeckt, und das System ratlos. Rojas – Das ist leider ein Märchen, so ein System war nie im Einsatz. Ein gravierendes Beispiel ist ein Unfall von Tesla, weil da ein echtes, kommerzielles System beteiligt war. Da blockierte ein weißer Lkw quergestellt die Autobahn. Die Kamera des Autos konnte die Wolken am Himmel nicht vom Laster unterscheiden, es bremste nicht. Dorn – Die menschliche Urteilskraft ist durch nichts zu ersetzen. Der Mensch ist imstande, abzuwägen und zu einem Urteil zu kommen, zu argumentieren und seine Entscheidung zu begründen. Kann das einer der Unterschiede sein zwischen Künstlichen Intelligenzen und uns? Rojas – Ja. Maschinen verfügen tatsächlich über keine tiefe Urteilskraft. Vor allem besitzen sie keine Intuition, kein Fingerspitzengefühl. Dorn – Es geht doch noch um viel mehr: Künstliche Intelligenzen kennen keine Scham- und Schuldgefühle, kein Mitleid, kein Gewissen. An Ihren Forschungsbereich wird ja oft die Frage gestellt: Wer trägt die Verantwortung, wenn ein selbstfahrendes Auto in einer brenzligen Situation entscheidet, lieber das Rentnerehepaar als die Mutter samt Kind zu überfahren? Müssten wir nicht eigentlich fragen, was es bedeutet, wenn auf unseren Straßen demnächst Hunderttausende Gefährte unterwegs sind, denen es schlicht egal ist, wenn sie jemanden überfahren haben? Rojas – Diese Frage höre ich immer wieder: Wer trägt die Verantwortung? Natürlich die Menschen, die das System bauen! Mein Vorschlag ist, im Vorfeld so gut zu arbeiten, dass solche Situationen gar nicht erst entstehen können. Mindestabstand, reduzierte Geschwindigkeit, leichte Baustoffe – wenn wir das alles berücksichtigen, können wir hoffentlich Fahrzeugsysteme bauen, die keine schlimmen Kollisionen verursachen und letztlich sicherer sind als die Autos heute. Sollte die KI international reguliert werden? Dorn – Die Menschheit hat die Internationale Atomenergie-Organisation gegründet, als sie erkannt hat, welch gefährliche, potenziell die ganze Erde bedrohende Macht sie mit der Atomkraft entfesselt hat. Vermutlich ist es an der Zeit, darüber nachzudenken, ob wir nicht eine vergleichbare Einrichtung brauchen, die über die Entwicklung und den Einsatz von KI wacht. Rojas – Ich bin immer für Regulierung, zum Beispiel von Gentechnologie und Waffen. Nur in diesem speziellen Fall sehe ich nicht auf Anhieb, wie man intelligente Algorithmen regulieren kann. Darüber muss man gründlich nachdenken – die Lösung ist nicht gerade trivial. Und wir müssen uns wirklich keine Gedanken darüber machen, Herr Rojas, dass Roboter einmal klüger sein werden als die Menschen oder sich einst von uns emanzipieren? Rojas – Auf jeden Fall nicht in diesem Jahrhundert! Ich glaube generell nicht, dass Roboter irgendwann die Herrschaft über uns übernehmen werden. Konrad Zuse, der erste Computerbauer in Deutschland, sagte einmal: Wenn die Computer zu frech werden, zieh den Stecker raus. Das Interview erschien zuerst in "Chrismon". Moderation: Mareike Fallet und Michael Güthlein, chrismon 12/2017, Externer Link: www.chrismon.de
Article
, Thea Dorn | , Rául Rojas
"2022-02-17T00:00:00"
"2018-01-29T00:00:00"
"2022-02-17T00:00:00"
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/263675/die-koennen-was-aber-koennen-roboter-auch-fuehlen/
Unvorstellbar, sagt der Informatikprofessor Rául Rojas. Trotzdem muss man die Visionen zu Ende denken, findet die Philosophin Thea Dorn. Ein Gespräch über Künstliche Intelligenz.
[ "künstliche Intelligenz", "Roboter", "Digitalisierung", "APuZ 6-8/2018", "APuZ" ]
30,768
Vier Jahre Donald J. Trump: Ein Rückblick auf seine Regierungsbilanz in der Innen- und Außenpolitik | USA | bpb.de
Liest man die Reden und Aussagen von Donald J. Trump gewinnt man leicht den Eindruck, dass seine bisherige Amtszeit die erfolgreichste Präsidentschaft aller Zeiten war. So verkündete der 45. Präsident der USA in seiner Ansprache vor der UN-Hauptversammlung am 25.9.2018, dass "meine Regierung in den vergangenen zwei Jahren mehr erreicht hat, als nahezu jede andere Regierung in der Geschichte unseres Landes" (Externer Link: The White House 2018; eigene Übersetzung). Nun überrascht diese positive Selbstwahrnehmung vor allem deshalb, weil die veröffentlichte Meinung diesseits und jenseits des Atlantiks durchaus zu anderen Beurteilungen gelangt. Selbstverständlich liegt es im Auge des Betrachters, was eine erfolgreiche beziehungsweise gescheiterte Politik ausmacht. Politische Maßnahmen und Problemlösungen sind stets multidimensional und vieldeutig: Zwar spielt bei der Bilanzierung einer Regierung vor allem eine Rolle, inwieweit die zu Beginn einer Amtszeit gesetzten Ziele erreicht wurden. Aber auch weitere Aspekte sind von Bedeutung, wie etwa die Frage nach den politischen Auswirkungen und (Langzeit-)Folgen einer Entscheidung oder auf welche Art und Weise eine gewisse Maßnahme durchgesetzt wurde. Errungenschaften und Niederlagen in der Innenpolitik Mit Blick auf herausragende Erfolge der Trump-Administration in der Innenpolitik sind die Durchsetzung einer Steuerreform, die Verabschiedung von Neuerungen im Justizwesen sowie die Ernennung von zwei konservativen Richtern für den Obersten Gerichtshof der USA (Supreme Court) zu nennen. So gelang es Trump im Tandem mit der Republikanischen Mehrheit im Kongress mit dem Tax Cuts and Jobs Act im Jahr 2017 ein zentrales Versprechen aus dem Wahlkampf umzusetzen, nämlich eine umfassende Reform des US-amerikanischen Steuersystems. Mit einem Volumen von geschätzt bis zu Externer Link: zwei Billionen US-Dollar ist das Gesetz das größte Paket an Steuererleichterungen, das jemals verabschiedet wurde und wird damit zurecht in einem Atemzug mit den Steuerreformen unter Ronald Reagan (1986) und Georg W. Bush (2001) genannt. Der wirtschaftliche Nutzen ist jedoch hoch umstritten: Zwar geht von der Reform eine Schubwirkung für die US-Wirtschaft aus, gleichzeitig vermehrt sich aber der nationale Schuldenberg. Zudem profitieren vor allem Unternehmen und ökonomisch-bessergestellte Schichten, während mittlere und untere Einkommensgruppen vergleichsweise weniger Vorteile aus dem Rückbau der Steuerlast beziehungsweise der Umstrukturierung der Steuerklassen ziehen. Eine gemischte Bewertung der Erfolgsbilanz zeigt sich auch mit Blick auf andere wichtige Wahlversprechen der Regierung, wie etwa in der Gesundheits- oder Einwanderungspolitik. Vom ersten Tag seiner Präsidentschaft an hatte Trump die Rücknahme der unter Obama verabschiedeten Gesundheitsreform ganz oben auf die politische Tagesordnung gesetzt. Ein diesbezügliches Gesetzesvorhaben scheiterte allerdings im Senat, sodass die Regierung ihre Strategie änderte und weite Teile von Obamacare mittels administrativer Verordnungen außer Kraft setzte. Dabei steht die Gesundheitsreform in vielerlei Hinsicht exemplarisch für die Fixierung Trumps auf die Rücknahme von Gesetzesvorhaben, die unter seinem Amtsvorgänger Barack Obama verabschiedet worden waren. Bereits in seinem ersten Amtsjahr beendete Trump eine Vielzahl von Maßnahmen der Obama-Administration, vor allem in Bereichen wie Bildung, Umwelt oder auch Arbeitnehmerschutz. Dass dies so einfach möglich war, lag vor allem daran, dass die Obama-Regierung angesichts der strikten Blockadehaltung der Republikaner im Kongress viele Bestimmungen nur mittels Exekutivanordnungen hatte durchsetzen können, die dann aber wesentlich einfacher zurückgenommen werden konnten. Ähnlich wie schon seine Amtsvorgänger zeichnet sich auch Trump dadurch aus, dass er oft den Weg des Regierens mittels exekutiver Anordnungen geht, ohne die Legislative einzubeziehen. Neben dem Rückbau im Gesundheitswesen zielte das Weiße Haus hier insbesondere auf Deregulierungsmaßnahmen im Finanzsektor, für den im Nachgang der Wirtschafts- und Finanzkrise von 2008/09 neue Regeln eingeführt worden waren. Ähnliches lässt sich auch im Bereich Umwelt- und Klimaschutz erkennen, wo es der Trump-Administration gelungen ist, die Prioritäten weg vom Naturschutz hin zu wirtschaftlicher Ausbeutung zu verschieben. Der Vorteil exekutiven Handelns per Dekret liegt für Trump auf der Hand, da diese ohne langwierige Aushandlungsprozesse mit dem Kongress auf administrativen Weg umgesetzt werden können. Gleichzeitig ist eine solche Politik aber auch ein Zeichen der Schwäche, da diese Maßnahmen offensichtlich keine gesamtgesellschaftliche Mehrheit hinter sich wissen, um als Gesetzesvorhaben im Kongress Aussicht auf Erfolg zu haben. Auch beim Thema "Einwanderung" zeigt sich eine gemischte Bilanz: Grundsätzlich ist es der Regierung Trump gelungen, mit einer Reihe von Maßnahmen bei ihren Anhängern zu punkten. Beispielsweise mit dem Einreiseverbot für Angehörige aus sieben überwiegend muslimisch geprägten Herkunftsländern, der allgemeinen Verschärfung von Asylregelungen oder der Nulltoleranzpolitik gegenüber als illegal eingestuften Einwanderern aus Mittel- und Südamerika. Auf der anderen Seite musste Trump aber bei seinem Prestigeprojekt, dem Mauerbau an der Grenze zu Mexiko, immer wieder herbe Rückschläge einstecken, da der Kongress sich weigerte, hierfür die nötigen finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen. Als Antwort darauf nutzte die Regierung auch hier ihren exekutiven Handlungsspielraum, indem sie – verfassungsrechtlich höchst fragwürdig – den nationalen Notstand ausrief und damit bestehende Gelder im Haushalt umschichten konnte. Für großes Aufsehen in den USA und in der Welt sorgte zudem Trumps Entscheidung, tausende Kinder und Jugendliche, die gemeinsam mit ihren Eltern illegal über die Südgrenze in die USA flüchteten, von ihren Familien zu trennen und in die Obhut der US-Gesundheitsbehörde zu überführen. Der grundlegenden Externer Link: öffentlichen Zustimmung zu Trumps Einwanderungspolitik hat dies anscheinend jedoch kaum geschadet, da diese über die gesamte Amtszeit hinweg bei konstant rund 40% lag. Errungenschaften und Niederlagen in der Außen- und Sicherheitspolitik Auch in der Außen- und Sicherheitspolitik hatte Donald Trump mit dem Leitprinzip des "America First" (Externer Link: White House 2017) einen radikalen Bruch mit den Traditionen des Washingtoner Politikbetriebs angekündigt. Konkret zielte diese außenpolitische Doktrin auf größere nationale Handlungsfreiheit, unilaterale Durchsetzung US-amerikanischer Interessen in allen Politikfeldern, die Loslösung aus internationalen Verpflichtungen im Rahmen von Verträgen und Organisationen sowie die Wiedererlangung militärischer Stärke. Misst man Trump an den eigenen Ankündigungen, lassen sich durchaus einige Erfolge für die Administration feststellen. In der Handelspolitik verschärfte Trump zunächst den Ton, in dem er anderen Staaten unfaire Praktiken vorwarf und (zuvor meist überparteilich unterstützte) Handelsabkommen kritisierte. Mit unilateral eingeführten Strafzöllen gegenüber Mexiko, China, aber auch der Europäischen Union erhöhte Trump den Druck auf diese Staaten, um Zugeständnisse und neue Abkommen zu erzielen. Gegenüber den Handelspartnern in Nordamerika konnte er dabei einen Erfolg verbuchen und das von ihm scharf kritisierte NAFTA-Freihandelsabkommen durch das US-Mexico-Canada Agreement (USMCA) ablösen. Hierbei gelang es der Trump-Administration zudem, die notwendige Unterstützung der Demokraten im Repräsentantenhaus zu gewinnen, ohne die der Vertrag nicht hätte umgesetzt werden können. Für die Administration gilt auch der Rückzug aus dem von Obama ausgehandelten Transpazifischen Handelsabkommen (TPP) als Erfolg, da es sich um ein weiteres Wahlkampfversprechen handelt. Auch im sicherheitspolitischen Bereich setzte der Präsident seine America First-Doktrin durchaus konsequent um, indem er mehrere zentrale Abkommen und Vereinbarungen aufkündigte. Dazu zählten im Politikfeld der Abrüstungs- und Nichtverbreitungspolitik vor allem der Interner Link: Intermediate-Range Nuclear Forces-Vertrag mit Russland sowie der sogenannte "Interner Link: Iran-Deal" zur Verhinderung einer iranischen Atombombe. Hinzu kommt die Ankündigung der Administration im Mai 2020 aus dem Open Skies-Abkommen auszutreten, das Aufklärungsflüge zur Schaffung von Transparenz in der Rüstungskontrolle regelt. Trumps Argumentation ähnelt sich in allen Fällen: Die Vertragspartner würden die USA betrügen, und die USA sollen sich nicht durch die Vertragsbedingungen in ihrer Handlungsfreiheit beschränken lassen. Aus politischer Perspektive lassen sich diese Maßnahmen und Strategien durchaus als Erfolg bewerten. Ähnlich wie im Bereich der Innenpolitik genießt Trump unter Republikanischen Wählerinnen und Wählern hohe Zustimmungswerte zu seiner Außenpolitik (Externer Link: vgl. Pew 2018). Zudem gelingt es Trump zumindest rhetorisch, die Maßnahmen überzeugend mit der eigenen Agenda zu verknüpfen und sich als Beschützer der Interessen des Landes zu inszenieren. Als typisches Beispiel kann Trumps Begründung zur Ankündigung des Austritts aus dem Pariser Klimaabkommen im Juni 2017 gelten: "I was elected to represent the citizens of Pittsburgh, not Paris" (Externer Link: White House 2017b). Gleichwohl ist es durchaus bemerkenswert, dass Trumps Außen- und Sicherheitspolitik in politischer Hinsicht in den USA kaum Gegenwind erfahren hat. Schließlich ist in diesem Feld der Bruch mit den traditionellen Werten US-amerikanischer Politik am deutlichsten. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs hat sich kein US-Präsident derart deutlich von einer liberalen Führungsrolle abgegrenzt, die auf den Aufbau und Erhalt von internationalen Institutionen und Werten wie Menschenrechte, Freihandel und Demokratie ausgerichtet war. Diese internationalistische Politik wurde zudem lange Zeit sowohl von Republikanern als auch Demokraten im Kongress mitgetragen und war im Vergleich zur Innenpolitik deutlich weniger polarisiert. Trotzdem brachten die Befürworter einer traditionellen Außen- und Sicherheitspolitik der Trump-Administration nur vereinzelte Niederlagen bei. Am deutlichsten war der Widerstand gegen die Administration noch in der Frage der Sanktionen gegenüber Russland. Trump hatte hier öffentlich die Idee eines Deals mit Wladimir Putin ins Spiel gebracht und ließ damit die Alarmglocken sicherheitspolitischer Hardliner im Kongress läuten. Als Reaktion auf Trumps Vorstoß verabschiedete der Kongress ein Gesetz, das die Sanktionen gegenüber Russland nicht nur verschärfte, sondern auch die Möglichkeiten des Präsidenten, diese gegen den Willen der Legislative aufzuheben, einschränkte. Auch in der Allianzpolitik traf Trumps teils schrille Rhetorik auf Gegenwehr. Gerade die Drohung Trumps aus der NATO auszutreten, die der Präsident Medien-Berichten zufolge während des NATO Gipfels 2018 in Brüssel formulierte (Herszenhorn und Bayer Externer Link: 2018), provozierte im Kongress eine deutliche Gegenbewegung. Mit verschiedenen Resolutionen machte die Legislative klar, dass die USA fest zur NATO stehen und einen Austritt nicht tatenlos hinnehmen würde. Dass es der Legislative nur in Einzelfällen gelang, Trump in seiner Außen- und Sicherheitspolitik einzuhegen, lässt sich nicht zuletzt auf den deutlich größeren Handlungsspielraum des Präsidenten zurückführen. Zwar kann der Kongress über sein Budgetrecht und einer Reihe politikfeldspezifischer Mittel (etwa der Kriegsvollmachten oder der Ratifikationspflicht internationaler Verträge durch den Senat) durchaus auch in der Außenpolitik mitsprechen. Aber der Präsident kann im Rahmen der Diplomatie und gestützt durch einen bürokratischen Apparat außen- und sicherheitspolitische Initiativen starten und die Richtung vorgeben, so dass die Legislative häufig in eine reaktive Rolle hineingedrängt wird. Gerade weil Trumps außenpolitische Maßnahmen auf einen Rückzug aus bestehenden Verpflichtungen – etwa durch Vertragsaufkündigung oder den in der Corana-Krise angekündigten Zahlungsstopp an die Weltgesundheitsorganisation – zielen, bleiben dem Kongress kaum Mittel zur Kurskorrektur. Präsident Obamas eher multilateral ausgerichtete Politik, die auch den Abschluss neuer Abkommen einschloss, konnte dagegen von der Republikanischen Opposition im Kongress wirksam torpediert werden. So musste Obama aufgrund fehlender Unterstützung in der Klima- ("Paris") und Nonproliferationspolitik (Iran-Deal) auf Exekutivabkommen setzen, die Trump nun mit einem Federstrich rückgängig machen konnte. Nur dort wo der Kongress direkt per Budgetrecht gestaltenden Einfluss ausüben kann, wird die nationalistisch orientierte Außenpolitik Trumps zumindest in Teilen konterkariert – ein Beispiel dafür ist die Entwicklungshilfe. Donald J. Trump: Erfolgreichster Präsident aller Zeiten? Schaut man auf die vergangenen vier Jahre in der Innenpolitik sowie der Außen- und Sicherheitspolitik zurück, so konnte die Trump-Administration entlang der Doktrin des America First eine Reihe von Wahlkampfversprechen einlösen. Bei innenpolitischen Themen dreht sich auch unter Trump die Spirale der parteipolitischen Polarisierung in den USA immer weiter. So verschärfte sich der Konflikt zwischen den beiden Lagern nicht nur im Ton, sondern auch im Einsatz der Mittel. Themen und Probleme, die seit Jahren die politische Agenda bestimmen, blieben im Grundsatz ungelöst. Beispiele hierfür finden sich in der Einwanderungs-, Sozial-, Gesundheits-, Haushalts-, Bildungs-, und Umweltpolitik. Gerade hier zeigen sich dann auch die Nachteile des Regierens per Dekret. Dies erlaubt zwar politisches Handeln, die Maßnahmen können aber ebenso schnell wieder zurückgedreht werden, was teilweise drastische Politikwechsel zur Folge hat. So treten im Inneren die langfristigen Auswirkungen einer augenscheinlichen Unregierbarkeit im präsidentiellen System der USA immer deutlicher zu Tage: Nicht einmal eine Krise wie die COVID-19 Pandemie konnte eine (zumindest temporäre) Politik der nationalen Einheit herbeiführen. Ähnlich sieht es mit Blick auf die Außen- und Sicherheitspolitik aus, wo einigen Erfolgen der Trump-Administration langfristige politische Auswirkungen entgegenstehen, die diese Politik des Rückbaus internationaler Verpflichtungen und auf kurzfristige Vereinbarungen konzentrierte Diplomatie mit sich bringt. Das Vertrauen in die Verlässlichkeit der USA als Ordnungsmacht scheint massiv beschädigt und eine langfristige und gestaltende Außenpolitik ist kaum erkennbar. Zentrale Herausforderungen – etwa eine Regelung des israelisch-palästinensischen Konflikts, die Befriedung Syriens oder die Nichtverbreitungspolitik gegenüber Nordkorea – bleiben trotz entsprechender Ankündigungen Trumps ungelöst. Rückblickend waren die ersten vier Jahre der Präsidentschaft Donald J. Trumps erfolgreicher als dies viele Beobachter auf beiden Seiten des Atlantiks eingestehen wollen. Zugleich wird aber auch sehr deutlich, dass das Adjektiv 'historisch' mit Blick auf die Regierungsbilanz Trumps sicherlich nicht zutrifft, auch wenn der Präsident dies sicherlich anders sehen wird. Regierungsbilanz von Donald Trump in Zahlen Abbildung 1 zeigt die presidential success scores zur Bewertung der Regierungsbilanz. Diese geben an, wie oft sich die Position des US-Präsidenten bei Abstimmungen im Kongress durchgesetzt hat. Die Quote der Trump-Regierung lag 2017 bei herausragenden 98,7% und im zweiten Amtsjahr 2018 bei 93,4%. Damit übertraf Trump im ersten Jahr die Bestmarke Barack Obamas aus dem Jahr 2009 (96,7%). Diese Erfolgsbilanz lässt sich vor allem auf die allgemeinen politischen Parameter, die das Zusammenspiel von Kongress und Präsident im Gesetzgebungsprozesses prägen, zurückführen: die parteipolitische Kontrolle der Regierungszweige, die Polarisierung der Parteien sowie die Dynamik der öffentlichen Meinung. Abbildung 2 gibt einen Überblick über wichtige verabschiedete Gesetze nach einer aktualisierten Untersuchung des Politikwissenschaftlers David Mayhew unter dem Titel "Divided We Govern": Unter divided government (gewissermaßen "geteilter Regierung") versteht man das Auseinanderfallen der Parteizugehörigkeit des US-Präsidenten und der Parteizugehörigkeit der Mehrheit des US-Kongresses. Gehören die Mehrheiten in Senat und Repräsentantenhaus sowie der Präsident hingegen derselben Partei an, wird von unified government (also "vereinter Regierung") gesprochen. Die Trump-Administration kann mit jeweils sechs wichtigen Gesetzen in den ersten beiden Amtsjahren durchaus vorzeigbare Ergebnisse aufweisen. Vergleicht man die Bilanz mit den Vorgänger-Regierungen offenbart sich allerdings, dass Trump hier lediglich die üblichen Zielmargen erreicht beziehungsweise sogar leicht darunter liegt, da sowohl unter George Bush als auch vor allem unter Barack Obama mehr bedeutsame Gesetze durch den Kongress verabschiedet wurden. Fußnoten Vgl. dazu ausführlich Siewert, Markus B.: Der Präsident: Möglichkeiten und Grenzen präsidentieller Führung. In: Lammert, Christian, Markus B. Siewert, Boris Vormann (Hrsg.): Handbuch Politik USA. 2. aktualisierte und erweiterte Auflage. Wiesbaden 2020. Mayhew, David R.: Divided We Govern: Party Control, Lawmaking and Investigations, 1946-2002, New Haven 2005. Weitere Beiträge Interner Link: Das neue Spiel der Kräfte (Prof. Thomas Jäger) Externer Link: Streit um Corona-Ursprung: Was steckt dahinter?(euro|topics Debatte) Externer Link: Handelsabkommen China-USA: Kein Grund zur Euphorie(euro|topics Debatte) Abbildung 1 zeigt die presidential success scores zur Bewertung der Regierungsbilanz. Diese geben an, wie oft sich die Position des US-Präsidenten bei Abstimmungen im Kongress durchgesetzt hat. Die Quote der Trump-Regierung lag 2017 bei herausragenden 98,7% und im zweiten Amtsjahr 2018 bei 93,4%. Damit übertraf Trump im ersten Jahr die Bestmarke Barack Obamas aus dem Jahr 2009 (96,7%). Diese Erfolgsbilanz lässt sich vor allem auf die allgemeinen politischen Parameter, die das Zusammenspiel von Kongress und Präsident im Gesetzgebungsprozesses prägen, zurückführen: die parteipolitische Kontrolle der Regierungszweige, die Polarisierung der Parteien sowie die Dynamik der öffentlichen Meinung. Abbildung 2 gibt einen Überblick über wichtige verabschiedete Gesetze nach einer aktualisierten Untersuchung des Politikwissenschaftlers David Mayhew unter dem Titel "Divided We Govern": Unter divided government (gewissermaßen "geteilter Regierung") versteht man das Auseinanderfallen der Parteizugehörigkeit des US-Präsidenten und der Parteizugehörigkeit der Mehrheit des US-Kongresses. Gehören die Mehrheiten in Senat und Repräsentantenhaus sowie der Präsident hingegen derselben Partei an, wird von unified government (also "vereinter Regierung") gesprochen. Die Trump-Administration kann mit jeweils sechs wichtigen Gesetzen in den ersten beiden Amtsjahren durchaus vorzeigbare Ergebnisse aufweisen. Vergleicht man die Bilanz mit den Vorgänger-Regierungen offenbart sich allerdings, dass Trump hier lediglich die üblichen Zielmargen erreicht beziehungsweise sogar leicht darunter liegt, da sowohl unter George Bush als auch vor allem unter Barack Obama mehr bedeutsame Gesetze durch den Kongress verabschiedet wurden. Fußnoten Vgl. dazu ausführlich Siewert, Markus B.: Der Präsident: Möglichkeiten und Grenzen präsidentieller Führung. In: Lammert, Christian, Markus B. Siewert, Boris Vormann (Hrsg.): Handbuch Politik USA. 2. aktualisierte und erweiterte Auflage. Wiesbaden 2020. Mayhew, David R.: Divided We Govern: Party Control, Lawmaking and Investigations, 1946-2002, New Haven 2005. Vgl. dazu ausführlich Siewert, Markus B.: Der Präsident: Möglichkeiten und Grenzen präsidentieller Führung. In: Lammert, Christian, Markus B. Siewert, Boris Vormann (Hrsg.): Handbuch Politik USA. 2. aktualisierte und erweiterte Auflage. Wiesbaden 2020. Mayhew, David R.: Divided We Govern: Party Control, Lawmaking and Investigations, 1946-2002, New Haven 2005. Für Bewertungen zu früheren Zeitpunkten siehe u.a. Böller, Florian & Markus B. Siewert (2017): 100 Tage Donald J. Trump – Eine frühe Bewertung einer (außer)gewöhnlichen Präsidentschaft. Zeitschrift für Parlamentsfragen Vol. 48, No. 2: 329-349. DOI: 10.5771/0340-1758-2017-2-345 und Böller, Florian & Markus B. Siewert (2020): It Always Takes Two to Tango. Eine Zwischenbilanz der exekutiv-legislativ Beziehungen in der Ära Trump. In Böller, Florian et al. (Hrsg.). Donald Trump und die Politik in den USA. Eine Zwischenbilanz. Baden-Baden: Nomos, S. 26-44. Vgl. z.B. Potter, Rachel A. et al. (2018): Continuity Trumps Change: The First Year of Trump’s Administrative Presidency. PS: Political Science & Politics Vol. 52, No. 4: 613-619. Für einen Überblick zu den Deregulierungsmaßnahmen der Trump-Administration vgl. die fortlaufende Aufstellung unter Externer Link: www.brookings.edu/interactives/tracking-deregulation-in-the-trump-era. So sieht der Entwurf für den Verteidigungshaushalt 2020 etwa vor, dass es dem Präsidenten untersagt ist, Gelder für den Austritt aus der Allianz zu verwenden – es bleibt aber offen, ob das Gesetz in dieser Form verabschiedet wird und inwiefern es Präsident Trump daran hindern könnte, aus der NATO auszutreten. Ein Beispiel hierfür ist die Entwicklungshilfe, die Trump bereits mehrfach in seinem Budgetentwurf kürzte, deren Bestand vom Kongress aufgrund überparteilicher Unterstützung bisher aber unangetastet blieb (siehe Tama; Jordan (2018): The Multiple Forms of Bipartisanship: Political Alignments in US Foreign Policy, Social Science Research Council's Democracy Papers series (Externer Link: https://items.ssrc.org/democracy-papers/the-multiple-forms-of-bipartisanship-political-alignments-in-us-foreign-policy).
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2022-02-05T00:00:00"
"2020-06-17T00:00:00"
"2022-02-05T00:00:00"
https://www.bpb.de/themen/nordamerika/usa/311560/vier-jahre-donald-j-trump-ein-rueckblick-auf-seine-regierungsbilanz-in-der-innen-und-aussenpolitik/
Wie lässt sich eine erfolgreiche Präsidentschaft bewerten? Die Antwort hängt nicht nur vom politischen Standpunkt ab, sondern muss auch strukturelle Gegebenheiten und langfristige Konsequenzen berücksichtigen. Der Preis für (un)eingelöste Wahlverspre
[ "Donald Trump", "US-Präsident Donald Trump", "Außenpolitik der USA", "US-Innenpolitik", "Regierungsbilanz" ]
30,769
fluter.de im November: Feminismus | Presse | bpb.de
Die fluter-Community hat abgestimmt: Im Onlinemagazin der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb dreht sich im November alles um Feminismus. Aus gutem Grund: 30 Jahre nach Emma-Gründung und Emanzipationsbewegung hat sich zwar einiges für die Frauen getan, es gibt aber weiterhin viel zu tun. Frauen bekommen für die gleiche Arbeit weniger Gehalt als Männer. In Führungspositionen sind sie noch immer die Ausnahme. Braucht unsere Gesellschaft einen neuen, jungen Feminismus? Wo steht die Frauenbewegung 2007? Die Novemberausgabe von fluter.de liefert eine Bestandsaufnahme. Ohne Emma-Gründerin Alice Schwarzer wäre die Emanzipationsbewegung der 70er-Jahre nicht denkbar gewesen. Heute geben Bloggerinnen den Frauen und Mädchen der Web 2.0-Generation eine Stimme. Die Redakteure von fluter.de haben sich in der Bloggerszene umgeschaut. In einer anderen Szene sind zwei schräge Frauen aus Australien der letzte Schrei: Team Plastique sind schrill, bunt und die neuen Musikstars der Riot-Grrrl-Bewegung. Auf fluter.de werden die beiden extravaganten Frauen und ihr Elektrosound in einem Audiobeitrag vorgestellt. Tiere machen sich bekanntlich nicht so viele Gedanken über Geschlechterrollen. Dafür sind sie viel zu sehr mit Dingen wie Fressen, Schlafen oder Weglaufen beschäftigt. Die Autoren von fluter.de haben dennoch einige feministische Ansätze im Tierreich aufgespürt. Die albanische Studentin Anola Bracaj kämpft in ihrer Heimat gegen Frauenhandel, Ehrenmorde und Zwangsheiraten. Im fluter.de-Interview spricht sie über liberale Moslems, Frauenbilder und Feminismus in Albanien. In der Rubrik "Lesen" geht es in diesem Monat um Frauenmagazine und um das Frauenbild im HipHop. "Das goldene Notizbuch" von der Literaturnobelpreisträgerin Doris Lessing - ein Klassiker der Frauenbewegung - wird als Buch des Monats vorgestellt. Die düsteren Satire "The Stepford Wives" wird im Bereich Film besprochen. Sie zeigt schwache Männer und starke Frauen und dokumentiert die Furcht des starken Geschlechtes vor dem Feminismus. fluter.de ist die Onlineausgabe von fluter, dem Jugendmagazin der Bundeszentrale für politische Bildung. Als Heft erscheint fluter viermal im Jahr und kann kostenfrei unter: Externer Link: www.fluter.de/abo bestellt werden. Die Pressemitteilung als Interner Link: PDF-Version (88 KB) Pressekontakt/bpb Bundeszentrale für politische Bildung Raul Gersson Adenauerallee 86 53113 Bonn Tel +49 (0)228 99515-284 Fax +49 (0)228 99515-293 E-Mail Link: presse@bpb.de
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2021-06-23T00:00:00"
"2011-12-23T00:00:00"
"2021-06-23T00:00:00"
https://www.bpb.de/die-bpb/presse/pressemitteilungen/50492/fluter-de-im-november-feminismus/
Die fluter-Community hat abgestimmt: Im November dreht sich alles um Feminismus. 30 Jahre nach Emma-Gründung und Emanzipationsbewegung hat sich zwar einiges für die Frauen getan, es gibt aber weiterhin viel zu tun.
[ "Unbekannt (5273)" ]
30,770
Nordkoreas Atomwaffenprogramm | Deine tägliche Dosis Politik | bpb.de
Guten Morgen! Nordkorea steht immer wieder wegen seines Atomwaffenprogramms in der Kritik. Heute vor 20 Jahren trat das Land aus dem Atomwaffensperrvertrag aus. Wie ist die Situation aktuell? 🇰🇵 Situation in Nordkorea 2017 führte Nordkorea seinen bislang letzten Atomwaffentest durch. Laut der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) gibt es aber Hinweise, dass weitere Tests bevorstehen. Das Land hat im vergangenen Jahr seine Nuklearstrategie angepasst, u. a. sollen jetzt auch Präventivschläge möglich sein. Zuvor sollten Atomwaffen nur zur Verteidigung dienen. Seit dem ersten Atomwaffentest 2006 gab es immer wieder Sanktionen, die dem Land wirtschaftlich stark geschadet haben. 🌏 Situation weltweit Die aktuell neun Atommächte (USA, Russland, Großbritannien, Frankreich, China, Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea) besitzen zusammen knapp 13.000 Atomwaffen – über 90 % gehören den USA und Russland. Aktuelle Studien zeigen, dass alle Atommächte an der Aufrüstung und|oder der Modernisierung ihrer Atomwaffenarsenale arbeiten. Im Zuge des russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine kamen mehrfach Aussagen aus Russland, die als Androhung von Atomwaffeneinsätzen verstanden werden können. Expert/-innen schätzen das Risiko allerdings gering ein. 📝 Atomwaffensperrvertrag Der "Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen" (NVV) wurde 1968 von den USA, der Sowjetunion und Großbritannien geschlossen. Mittlerweile haben ihn 191 Staaten unterzeichnet. Er regelt, dass nur bestimmte Staaten über Atomwaffen verfügen und diese nicht weitergeben dürfen. Daneben verpflichten sich die Atommächte zur nuklearen Abrüstung und internationaler Zusammenarbeit bei der zivilen Nutzung von Kernenergie. Am Vertrag kritisiert werden u.a. der einseitige Verzicht auf Atomwaffen und die mangelnden Kontrollmöglichkeiten bei der Abrüstung. ➡️ Mehr zur nuklearen Abrüstung liest du hier: Externer Link: https://kurz.bpb.de/dtdp1853 Viele Grüße Deine bpb Social Media Redaktion
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2023-01-31T00:00:00"
"2023-01-10T00:00:00"
"2023-01-31T00:00:00"
https://www.bpb.de/kurz-knapp/taegliche-dosis-politik/517053/nordkoreas-atomwaffenprogramm/
Nordkorea steht immer wieder wegen seines Atomwaffenprogramms in der Kritik. Heute vor 20 Jahren trat das Land aus dem Atomwaffensperrvertrag aus. Wie ist die Situation aktuell?
[ "Deine tägliche Dosis Politik", "Nordkorea", "Atomwaffensperrvertrag", "Atomwaffen" ]
30,771
Chronik: 29. April – 10. Mai 2019 | Russland-Analysen | bpb.de
29.04.2019 Das Justizministerium lehnt den Antrag auf Registrierung der von Michail Chodorkowskij gegründeten Nichtregierungsorganisation "Otkrytaja Rossija" (dt. "Offenes Russland") ab. Begründet wird diese Entscheidung mit Verfahrensfehlern. Die NGO wurde 2016 in Helsinki gegründet und gilt in Russland seit 2017 als sogenannte "unerwünschte Organisation". 30.04.2019 Osman Chasbulatow, Minister für Wirtschaft und territoriale Entwicklung in der Republik Dagestan, wird wegen Veruntreuung in Höhe von mehr als 20 Millionen Rubel (etwa 280.000 Euro) festgenommen. Er wird verdächtigt, das Geld bei der Vergabe von Staatsaufträgen hinterzogen zu haben. 01.05.2019 In Moskau nehmen nach offiziellen Angaben mehr als 100.000 Menschen an den Veranstaltungen anlässlich des "Tags des Frühlings und der Arbeit" teil. Die Kundgebungen werden vom Moskauer Gewerkschaftsbund organisiert. Während der Maikundgebung in St. Petersburg, mit etwa 42.000 Teilnehmern, werden etwa 50 Menschen festgenommen, unter anderem der Abgeordnete der städtischen GesetzgebendenVersammlung, Maksim Reznik. 05.05.2019 Am Moskauer Flughafen"Scheremetjewo" führt eine Passagiermaschine des Typs "Suchoj Superjet-100" kurz nach dem Start eine Notlandung durch. Offiziellen Angaben zufolge zwang ein Fehler in der Technik den Piloten zur Umkehr. 41 Menschen werden bei dem Unglück getötet, es gibt sechs Verletzte. Laut "Interfax" schlugen bei der Landung Flammen aus dem Heck der Maschine. 08.05.2019 Der russische Präsident Wladimir Putin ernennt Admiral Nikolaj Jewmenow zum neuen Oberbefehlshaber der russischen Marine. Er löst damit Wladimir Koroljow ab, der zum größten Schiffbauunternehmen Russlands wechselt, der "Obedinjonnaja sudostroitelnaja korporazija" (OSC, dt. Vereinigte Schiffbaugesellschaft). Jewmenow war seit 2016 Kommandant der Nordflotte. 08.05.2019 Weronika Nikulschina, Mitglied der Gruppe"Pussy Riot" wird in Moskau festgenommen. Nikulschina war am 15. Juli 2018 beim Endspiel der Fußball-Weltmeisterschaft eine der vier Aktivisten, die in Polizei-Kostümen das Spielfeld stürmten. Sie wurden zu 15 Tagen Haft verurteilt. 09.05.2019 Anlässlich des 74. Jahrestags des Sieges im "Großen Vaterländischen Krieg" finden in ganz Russland Paraden und Gedenkveranstaltungen statt. Allein in Moskau und St. Petersburg nehmen nach offiziellen Angaben an der Aktion "Bessmertnyj polk" (dt. "Unsterbliches Regiment") insgesamt etwa 1,8 Millionen Menschen teil. Dabei versammeln sich die Teilnehmer mit Portraits von am Krieg beteiligten Freunden und Verwandten zu einem Gedenkmarsch. 09.05.2019 Der Journalist und Chefredakteur des Radiosenders"Goworit Moskwa" (dt. "Hier spricht Moskau") stirbt bei einem Motorradunfall. Die Todesursache sei, offiziellen Angaben zufolge, eine Funktionsstörung des Herzens, die zur Bewusstlosigkeit geführt habe. Sergei Dorenko galt als TV-Ikone der 1990er Jahre. 10.05.2019 Weronika Nikulschina, Mitglied der Gruppe"Pussy Riot" wird aus der Haft entlassen, der Anhörungstermin vor Gericht wird auf den 22. Mai festgesetzt. Ein Sprecher des Ordnungsamts gab bekannt, dass Nikulschina wegen Drogenkonsums verhaftet worden sei. Für diese Ordnungswidrigkeit drohen ihr eine Geldstrafe von bis zu 5.000 Rubel und eine 15-tägige Haftstrafe. Die Chronik wird zeitnah erstellt und basiert ausschließlich auf im Internet frei zugänglichen Quellen. Die Redaktion der Russland-Analysen kann keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben übernehmen. Zusammengestellt von Alena Schwarz Sie können die gesamte Chronik seit 1964 auch auf Externer Link: http://www.laender-analysen.de/russland/ unter dem Link "Chronik" lesen.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2021-06-23T00:00:00"
"2019-05-28T00:00:00"
"2021-06-23T00:00:00"
https://www.bpb.de/themen/europa/russland-analysen/nr-371/291941/chronik-29-april-10-mai-2019/
Was geschieht in Russland? Die Ereignisse vom 29. April bis zum 10. Mai 2019 in der Chronik.
[ "Aktuelle Chronik", "Russland" ]
30,772
Auf die sanfte Tour | Rechtsextremismus | bpb.de
Die Stimmung war aufgeladen. Rund 500 Berliner Bürger hatten sich am 9. Juli 2013 zwischen Plattenbauten und Tennisplatz im Ortsteil Hellersdorf versammelt, um mit Behördenvertretern über eine geplante Unterkunft für syrische Bürgerkriegsflüchtlinge in ihrem Berliner Quartier zu diskutieren. Eine Gruppe organisierter Neonazis mischte sich unter die Anwohner. "Nein zum Heim" trugen einige der jungen Männer auf weißen Shirts. Äußerungen wie "anzünden" oder "Wer sein Heimatland verlässt, ist ein Verräter!" fielen. Ein Verantwortlicher des Berliner Senats, der die Veranstaltung moderierte, ließ aufgebrachte Anwohner teils wütende Statements abgeben. Dem Berliner NPD-Chef Sebastian Schmidtke jedoch wurde das Mikrofon verweigert. Damit hatte dieser wohl gerechnet. Sein Gesicht ist öffentlich - das einer radikalen Weggefährtin dagegen weniger. Die zierliche Maria Fank trat nach vorne. Der jungen Frau mit der asymmetrischen Kurzhaarfrisur und den tätowierten Armen wurde Rederecht gewährt, und sie legte los, natürlich gegen die Einrichtung des Flüchtlingsheimes. Nicht alle Anwesenden erkannten in der redegewandten Anheizerin die Berliner Chefin des "Ring Nationaler Frauen" (RNF), einer NPD-Unterorganisation. Maria Fank, Jahrgang 1989, Auszubildende in der ambulanten Pflege, ist eine der aktivsten Neonazistinnen in der Hauptstadt sowie Schmidtkes Lebensgefährtin und Mutter des gemeinsamen Kindes. Ihr kam die Rolle zuteil aufzuhetzen, anzustacheln und Parolen einzupeitschen. Eine derartige Stimmung wie an diesem Tag des Bürgerprotests in Marzahn-Hellersdorf habe er nicht mehr erleibt, seit die Flüchtlingswohnungen in Rostock-Lichtenhagen brannten, berichtete der Fotograf Christian Ditsch später im Internet. Veranstaltungsteilnehmer, die Verständnis für die Aufnahme der Bürgerkriegsflüchtlinge äußerten, wurden einfach niedergebrüllt. Immer wieder gelingt es Neonazis sich bei Ansammlungen gegen Migranten oder Kundgebungen gegen Pädophile dank unauffälliger Aktivistinnen zu profilieren. Bullige Neonazis fallen ins Auge, ihre rechten Kameradinnen eher nicht. In aller Ruhe konnte sich die Berlinerin Maria Fank im Anschluss an die Bürgerversammlung als NPD-Anführerin zu erkennen geben. Gemeinsam mit NPD-Chef Schmidtke hielt sie ein rotes Transparent mit der Aufschrift "Asylantenheim – Nein Danke". Die Strategie hinter derartigen Auftritten rechter Frauen ist durchschaubar: Die meist jungen Frauen werden zunächst als Bürgerinnen wahrgenommen, die empört Position beziehen. Stellt sich anschließend heraus, dass man es mit einer NPD-Aktivistin zu tun hatte, ist die Hemmschwelle gegenüber der rechtsradikalen Frau bereits gesunken. Man kennt sie ja schon. Als freundliche "Mütter von nebenan" verbinden Neonazistinnen verstärkt Politisches mit Privatem. Zum Leben für die "nationale Sache" gehört für die politischen Überzeugungstäterinnen die bewusste ideologische Indoktrination von Lebensalltag, Kindererziehung und Ehrenamt. Dieser Strategiewechsel, den die NPD derzeit hin zu sozialen Themen und lokaler Etablierung vollzieht, wird vom "Ring Nationaler Frauen" aktiv mitgetragen. RNF-Chefin Maria Fank konnte am 24. August 2013 in Hellersdorf Klartext sprechen: "Wir müssen bereit sein, Opfer zu bringen. Opfer für unsere Kinder, Opfer für unser Volk, das deutsche Volk, Opfer für unsere Sicherheit und Opfer für unsere Freiheit, und zwar für die Freiheit des deutschen Volkes, keiner anderen Völker." Auch Frauen können ein gefestigtes, rassistisches Weltbild haben Weibliche Neonazis sind nicht weniger fanatisch als die Männer. Fank fordert beispielsweise ein Abtreibungsverbot für deutsche Frauen und ein "Muttergehalt" für "Abstammungsdeutsche". Aber die rechten Frauen werden häufig nicht als Überzeugungstäterinnen mit einem gefestigten rassistischen Weltbild wahrgenommen. Mit der Hauptangeklagten Beate Zschäpe im Münchener Terror-Prozess ist inzwischen eine Frau in die Öffentlichkeit gerückt, deren Hauptaufgabe es war, die grausamen Verbrechen der Terrororganisation "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) zu tarnen. Der gesicherte Rückzugsraum in Zwickau bot der Terrorzelle die Möglichkeit, zehn Morde, zwei rassistische Bombenanschläge und 15 Raubüberfälle zu begehen. Die Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe spricht in ihrer Anklageschrift von einer "sozialen Legendierung". Zschäpes tragende Rolle im 13 Jahre währenden Untergrund des NSU sei die Vorspiegelung einer geregelten bürgerlichen Existenz gewesen. Ihr politischer Fanatismus, ihr frühes Faible für Waffen und die Bereitschaft, noch nach dem Tod ihrer Mitstreiter die schrecklichen Bekenner-Videos des NSU mit den blutigen Tatortfotos abzuschicken, verstärken den Hinweis auf ein gemeinsames taktisches Vorgehen. Zschäpe ist kein Einzelfall. In der Geschichte der Bundesrepublik hat es in der Vergangenheit immer auch Frauen in den Reihen militanter Neonazigruppen gegeben, wie z.B. bei der "Wehrsportgruppe Hoffmann", den "Deutschen Aktionsgruppen" oder der 2003 enttarnten terroristischen "Kameradschaft Süd" in München. Zu deren "Kerngruppe", die Sprengstoff und Waffen hortete, zählten drei junge Frauen, die allesamt als Mitläuferinnen vor Gericht davonkamen. Überzeugungen extrem rechter Frauen werden oft verharmlost "Das übliche Klischee von der unpolitischen Frau wird unreflektiert reproduziert", warnt Michaela Köttig, Professorin an der Fachhochschule Frankfurt und Mitbegründerin des "Netzwerk Frauen und Rechtsextremismus". Extrem rechten Frauen wird schnell eine feste Überzeugung abgesprochen, sie wurden Jahre lang verharmlost. Die Expertin betont, dass mit den gängigen Klischees Neonazistinnen wie Zschäpe in doppelter Weise "unsichtbar" gemacht werden. "Frauen haben nach dieser Logik zum einen keine politische Überzeugung, und wenn, dann keinesfalls eine so gewalttätige wie die männlichen Neonazis". In dieser Männerbastion sind reine Frauengruppen eine Seltenheit. Vor rund 20 Jahren gründete sich die "Skingirlfront Deutschland", die noch heute unter dem Namen "Gemeinschaft Deutscher Frauen" (GDF) aktiv ist. Die "Skingirlfront" galt als erste, von Männern unabhängige Frauenorganisation innerhalb der extremen Rechten nach 1945. Als GDF propagiert die in mehreren Bundesländern aktive Gruppe vor allem den weiblichen Kameradschaftssinn unter deutschen "Mutterfrauen", wie sie sich nennen. Auf der Homepage der "Gemeinschaft Deutscher Frauen" hieß es: "Ihr wollt dienen und damit unserem geliebten Volk (ob es noch schläft oder nicht) helfen." In den vergangenen Jahren haben sich Mädchen und Frauen verstärkt der NPD, den Kameradschaften und den Autonomen Nationalisten zugewandt, ihr Anteil wird auf rund zwanzig Prozent geschätzt. Schon 2006 reagierte die NPD auf diesen Zulauf: In Sotterhausen in Sachsen-Anhalt gründeten 31 Frauen den "Ring Nationaler Frauen“, der heute eine Unterorganisation der NPD ist und zu dem rund 100 politische Multiplikatorinnen zählen. In einer Gründungserklärung hieß es: "Wir wollen die Frauen ermutigen, durch die Übernahme von Mandaten das Medienklischee des 'dumpfen Nazis' weiter aufzuweichen." Keine erfolglose Strategie, denn in der Nachbarschaft, beim Einkaufen oder Kinderabholen gelingt es Frauen "der nationalen Bewegung" leichter, gesellschaftliche Akzeptanz zu gewinnen und ihre gefährliche Ideologie auf die „sanfte Tour“ zu verbreiten. Stolz verkündete der "Ring Nationaler Frauen" auf seiner Homepage, man werde das "Geschehen an der Parteispitze" nun mitgestalten: "antifeministisch, traditionsbewusst und volkstreu". Bundesweit aktive Neonazi-Frauen tragen die verordnete Rolle mit, propagieren die "naturgegebene Verpflichtung" als deutsche Mutter, auch wenn sie als moderne Pop-Nazis in schwarzer Kleidung oder buntem Outfit auftreten. "Inzwischen wissen die Rechtsextremen, wie erfolgreich die Strategie der kulturellen Subversion ist", warnt Prof. Dr. Dierk Borstel, Politikwissenschaftler der Universität Dortmund. Wenn Rechtsextremisten gegen Hartz IV demonstrieren, sich in Elterninitiativen engagieren oder Hausaufgabenhilfe anbieten, können sie sich vor allem in strukturschwachen Regionen als zivilgesellschaftliche Aktivisten in Szene setzen und Ressentiments abbauen. Noch sind Frauen als Rednerinnen und offen auftretende Protagonistinnen die Ausnahme, doch sie werden immer selbstverständlicher. Immer mehr Aktivistinnen wie Maria Fank gelingt es sich zu etablieren. Selbst bei der größeren NPD-Kundgebung am 1. Mai 2013 in Berlin durfte die Hardlinerin auf die Bühne treten und mit Joseph Goebbels, Hitlers Propagandaminister, so ganz nebenbei eine für sie "ehrenvolle Person" der Zeitgeschichte loben. Trotz neuem Selbstbewusstsein: Nach wie vor gilt das Frauenbild des Nationalsozialismus Extrem rechten Frauen stehen inzwischen beide Optionen offen: Sich selbstbewusst für nationalistische Politik in der Öffentlichkeit zu engagieren oder tatsächlich nur im Sinne der "Gemeinschaft Deutscher Frauen" mit der Erziehung von „drei bis fünf“ Kindern die "nationale Sache" zu stärken. Das neue Selbstbewusstsein ist gepaart mit dem Bemühen, den Spagat zwischen moderner Gesellschaft und nationalsozialistischer Ideologie hinzubekommen. Insgesamt herrscht bei der NPD, den Freien Kräften und den Autonomen Nationalisten nach wie vor ein traditionsbewusstes Rollen- und Geschlechterverständnis vor. Es wird von den extrem rechten Frauengruppen selbst gepflegt. Als Orientierung dient das Frauenbild aus der Zeit des Nazionalsozialismus mit seinen Tugenden: totale Pflichterfüllung für Volk und "Führer", Opferbereitschaft sowie die Bewahrung der eigenen "Rasse". Die Parole "Du bist nichts, dein Volk ist alles!" kennen auch die NPD-Frauen bestens. Die weiblichen Mitglieder der Szene bewegen sich heute zwischen einem vermeintlich modernen Selbstverständnis von Frauen wie Maria Fank und einem am "Bund Deutscher Mädel" angelehnten Rollenbild. Allerdings haben sowohl emanzipatorische Frauenbewegung als auch die antiautoritäre Erziehung Spuren hinterlassen: "Frauen bringen sich hier politisch ebenso ein wie Männer, und das tut den Männern hier genauso weh oder gut wie überall anders auch“, heißt es zum Beispiel auf einer Homepage des "Ring Nationaler Frauen". Und weiter: "Daß die Frau an sich im politischen Wollen unserer Partei eine herausragende Rolle spielt, ist selbstverständlich unanfechtbar. Ziel des ganzheitlichen Bewußtseins, das den politischen Positionen der NPD zugrunde liegt, ist die geistige und körperliche Gesunderhaltung, die Wiederherstellung des Wohles unseres Volkes, das sich in schlimmster degenerierter Auflösung befindet". Tatsächlich erkämpfen sich extrem rechte Aktivistinnen unter den argwöhnischen Augen mancher männlicher Kameraden politische Freiräume. Die 52-jährige Gitta Schüßler ist eine der wenigen Frauen, die es bis an die Spitze geschafft haben – und sich halten. Die Zwickauerin sitzt seit zwei Legislaturperioden für die NPD im sächsischen Landtag. Sie ist die einzige weibliche Abgeordnete, verfügt über eine solide politische Hausmacht. In ihrem Umfeld tummeln sich weitere weibliche NPD-Stadträte, wie in Chemnitz oder Zittau. Selbstbewusst sagt die Kauffrau und ehemalige Bundesvorsitzende des RNF in einem Internetinterview: "Frauen können genauso gut politisch arbeiten wie die Männer. Es gibt ja immer noch relativ wenig Frauen in nationalen Kreisen, aber die da mitarbeiten, werden durchaus beachtet. Sie bekommen auch beizeiten Funktionen übertragen. Ich seh da keinen großen Unterschied zu den Männern. Energische Frauen haben da durchaus eine Chance, im Mittelpunkt zu stehen." Im Vorstand der NPD jedoch spielen NPD-Aktivistinnen nur eine unwesentliche Rolle. Lediglich als Kommunalpolitikerinnen behaupten sie sich zunehmend. So wurden von den mehr als 300 errungenen Mandaten vor allem in den neuen Bundesländern zahlreiche mit Frauen besetzt. Auswertungen von Wahlergebnissen haben gezeigt, dass sie bei Wahlen oft erfolgreicher sind. Um die gesellschaftliche Akzeptanz voranzutreiben, setzt die demokratiefeindliche Partei bewusst Frauen als Eyecatcher ein. Eine solche Rolle spielt auch die NPD-Frau Ricarda Riefling. Die 29-Jährige trägt ein gut sichtbares Pistolentattoo über der Brust und sagte schon mal Sätze wie "Ulrike Meinhof ist eine Frau, die ich bewundernswert finde" – weil die Mitbegründerin der "Roten Armee Fraktion" eine "Überzeugungstäterin" sei. Im Partei-Videoclip für den Wahlkampf der NPD spielt Riefling die treusorgende Mutter, sie kann aber auch wütend bei Kundgebungen ins Mikrofon brüllen oder geduldig die Anhängerschar mit nationalistisch besetzten sozialen Themen schulen. Als familienpolitische Sprecherin des NPD-Bundesvorstandes trat die geborene Niedersächsin beim Stammtisch im Raum Rhein-Neckar auf. Als sie von ihren beiden akademischen Graden in Ernährungs- und Kulturwissenschaften berichtete und ankündigte, ein Masterstudium aufzunehmen, war die Stimmung im Raum verhalten. Erst als sie sich als Mutter von "bald fünf Kindern" zu erkennen gab, kam zur Belohnung lautes Klatschen. Worin sich zeigt: Vor allem aus ihrer Rolle als "deutsche Mütter" schöpfen Nationalistinnen Anerkennung. Selbst sehr konservative Kameraden billigen deren Unterstützung im Kampf gegen den propagierten deutschen "Volkstod". Führende RNF-Frauen fordern ihre rechten Gesinnungsgenossinnen daher dazu auf, für mehr Nachwuchs zu sorgen. Die "braune Familie" rückt strategisch zunehmend in den Mittelpunkt Auch in der braunen Erlebniswelt wird die "rechte Familie" zunehmend stärker beachtet: Rechtsrock-Konzerte werden zu Familienevents mit Musikhetze, Kinderbetreuung und Hüpfburgen. Beim Dosenwerfen werden die Dosen zuvor in den Farben des Deutschen Reiches, schwarz, weiß und rot, angemalt. Kinder tragen Shirts mit der Aufschrift "Arisches Kind" und wippen im Takt zu Liedern, die ihre Eltern mitgrölen. Kinder stecken für die NPD auf Wahlplakaten die Zunge heraus, daneben der Spruch: "Ätsch noch immer nicht verboten – Mitgliedsausweis sichern: NPD". Je intensiver die Frauen involviert sind, um so betroffener ist auch der Nachwuchs. Propagiert wird eine heile, rechte Welt - und ein traditionelles Familienbild. Anfang 2012 soll es in Rieflings Ehe zu häuslicher Gewalt gekommen und die Eltern, einer Polizeimeldung zufolge, aufeinander losgegangen sein. Eine verängstigte Tochter rief per Notruf zu Hilfe. Solche Vorfälle werden tabuisiert. Riefling zog mit ihren Kindern nach Rheinland-Pfalz, doch ihren Kameraden schwärmt die geschulte Neonazistin immer noch von einem "intakten Volk durch intakte Familien" vor. Obwohl das für sie selbst wohl nicht mehr gilt.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2021-06-23T00:00:00"
"2013-11-28T00:00:00"
"2021-06-23T00:00:00"
https://www.bpb.de/themen/rechtsextremismus/dossier-rechtsextremismus/174171/auf-die-sanfte-tour/
Längst sind junge Mädchen und Frauen in der Neonazi-Szene angekommen. Sie treiben die menschenverachtende Ideologie mit voran, übernehmen politische Mandate und werden von den extrem Rechten auch strategisch eingesetzt, um mehr Akzeptanz zu gewinnen.
[ "Frauen", "Rechtsextremismus", "Frauenrechte", "Diskriminierung", "Rassismus", "Rechtsradikalismus", "extreme Rechte", "Emanzipation", "Feminismus" ]
30,773
M 02.06 Welche Folgen hat Mobbing für die Opfer? | Mobbing – bei uns nicht?! | bpb.de
Jugendliche und Kinder, die in ihrer Schulzeit Opfer von Mobbing und Gewalt ("Bullying") geworden sind, leiden oft ihr ganzes Leben daran, dass sie über einen längeren Zeitraum von einzelnen Mitschülern zu Außenseitern gemacht oder sogar ganz aus der Klassengemeinschaft ausgeschlossen wurden. Häufig verschließen sich Mobbingopfer gegenüber ihren Eltern und den Lehrern erst einmal, da sie nicht glauben, dass ihnen aus ihrer schlimmen Lage geholfen werden kann. Dabei leiden sie innerlich, ihre Gedanken kreisen nur um das, was ihnen in der Schule widerfährt und sie können nur an die Quälereien denken, die sie am nächsten Tag in der Schule wieder erwarten. Oft vertrauen sie sich erst dann einem Lehrer oder ihren Eltern an, wenn der Leidensdruck so hoch wird, dass sie es nicht mehr aushalten können. Die Folgen, die sich aus diesem Gefühl der Ohnmacht, der Ausgegrenztheit und des Nicht-Angenommen-Fühlens ergeben, sind umfassend und betreffen alle Lebensbereiche: Geringeres Selbstwertgefühl und Selbstbeschuldigungen (z. B: "Kein Wunder, dass mich keiner mag"), Isolation und Einsamkeitsgefühle, Angst und Traurigkeit, Depression, Schlafstörungen und Alpträume, Appetitlosigkeit, evtl. auch Ess-Störungen, Psychosomatische Beschwerden wie Bauchschmerzen, Übelkeit, Kopfschmerzen etc., Leistungsrückgang in der Schule und in der Freizeit, Fernbleiben von der Schule, Selbstmordgedanken und Selbsttötung. Oftmals spüren die Opfer die Folgen von schulischer Gewalt ein ganzes Leben lang. Dan Olweus, ein schwedischer Psychologe, der sich seit vielen Jahren mit der Gewaltproblematik an Schulen beschäftigt, konnte durch eine Studie u.a. herausfinden, dass Kinder und Jugendliche, die im Alter von 13 und 16 Jahren von ihren Mitschülern schikaniert wurden, auch im Alter von 23 Jahren häufiger an Depressionen, mangelndem Selbstwertgefühl leiden und sich von ihrem sozialen Umfeld wie Familie und Freunde zurückziehen. Es fällt ihnen auch oft schwer, im Privat- und Berufsleben Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen, da sie das Vertrauen in ihre Mitmenschen verloren und Angst haben, wieder verletzt zu werden. Daher leben viele Mobbingopfer auch im Erwachsenenalter ein zurückgezogenes Leben und sind sehr vorsichtig damit, wem sie ihr Vertrauen entgegenbringen. Dass sich die Schikanierungen im Kindes- und Jugendalter ins Gedächtnis einbrennen können, zeigt eine andere Studie, die herausfand, dass sich viele Opfer auch noch 40 Jahre später daran erinnern. Ein weiterer trauriger Aspekt ist, dass nach Expertenschätzungen ca. 20% aller Selbsttötungen durch Mobbing ausgelöst werden. Eine neue Dimension des Bullyings ist das sog. Cyber-Mobbing, das durch das Medium Internet geschieht. In sozialen Netzwerken (z.B. SchülerVz, Facebook etc.) können Kinder und Jugendliche anonym und ungehindert ihre Meinung über andere preisgeben und bestimmte Menschen systematisch schikanieren, indem sie z.B. Lügen oder Beschimpfungen über sie in der Öffentlichkeit verbreiten. Für die Opfer ist diese Form des Mobbings unter weiteren Aspekten sehr belastend: Da das Mobbing durch das Medium "Internet" geschieht, erfährt das Opfer zwar eine gewisse Distanz zu den Tätern, genaue diese Distanz motiviert die Täter aber auch zu einer besonderen verbalen Aggressivität. Zudem liegen dem Opfer die Demütigungen in schriftlicher und dauerhafter Form vor und es kann diese zu jedem Zeitpunkt im Netz abrufen. Dadurch findet das Mobbing unabhängig von Zeit und Ort statt, so dass es für das Opfer keinen Ort und keinen Zeitraum mehr gibt, an dem es von den Demütigungen befreit ist. Von Mobbinghandlungen, die in der Schule und in direkter Konfrontation geschehen, ist das Opfer in diesem Sinne zu Hause ja "befreit". Die Opfer von Cyber-Mobbing hingegen berichten von einem dauerhaften Drang, immer wieder kontrollieren zu müssen, ob wieder etwas Neues über sie im Internet verbreitet wurde. Dadurch können sie nicht zur Ruhe kommen und neue Kräfte aufbauen. Auch der Aspekt der Öffentlichkeit im Internet wird als besonders belastend empfunden, da die Beschimpfungen auch von Unbeteiligten gelesen werden können, die dann möglicherweise ein schlechtes Bild von dem Opfer haben. Das Opfer fühlt sich auch bei persönlichen Begegnungen stark verunsichert und möchte seine Person selbstverständlich "ins rechte Licht rücken". Die Folgen, die bislang beschrieben wurden, gehören der Kategorie der nach innen gerichteten Probleme an - auch Internalisierung genannt. Es gibt jedoch Fälle, wo sich die Folgen von Mobbing nach außen richten, was Externalisierung genannt wird: Das Mobbingopfer tritt äußerst aggressiv auf, wird später selbst zum Täter. Dieses nach außen gerichtete Verhalten tritt v.a. bei den Opfern auf, die in den Zeiten der verbalen und körperlichen Attacken keine/n beste/n Freund/in hatten, die sich in ihre Lage hineinversetzen (fehlende Empathie) und ihnen helfen konnten. Ebenso ist zu beobachten, dass Opfer zu einem späteren Zeitpunkt vorwiegend dann eine Täterrolle übernehmen, wenn sie die eigenen Geschehnisse nicht ausreichend verarbeitet haben und in bestimmten Situationen keine andere Handlungsmöglichkeit sehen, als einen Mitschüler in der Weise zu behandeln, wie sie es selbst erfahren haben. Die vielfältigen Folgen von Mobbing zeigen, wie sehr die Opfer unter Stress stehen und letztlich auch langfristig an diesen Erfahrungen psychisch und körperlich erkranken können. Wie der einzelne Betroffene nun tatsächlich mit den Erfahrungen umgeht, hängt auch von seiner Persönlichkeit ab; manche Jugendliche leiden sehr stark unter derartigen Übergriffen, andere können sich vielleicht ein bisschen erfolgreicher von den Attacken abgrenzen und später besser verarbeiten. Um die Folgen möglichst gering zu halten, helfen vor allen Dingen Vertrauenspersonen, welche die Opfer verstehen und sie unterstützen. Quelle: Eigener Text nach: Fawzi, N.: Cyber-Mobbing. Ursachen und Auswirkungen von Mobbing im Internet, Baden-Baden: Nomos-Verlag 2009, S. 108f. Gebauer, K.: Mobbing in der Schule, Weinheim und Basel: Beltz 2007, S. 102ff. Jonas, K. / Boos, M.: Zivilcourage trainieren! Theorie und Praxis, Göttingen: Hogrefe 2007, S. 98. Landesinstitut für Schulentwicklung, Landesbildungsserver Baden-Württemberg: Abschlussbericht des Mobbing-Telefon-Projekts, 2002, S. 11-13, Externer Link: Landscheidt, K.: Wenn Schüler streiten und provozieren. Richtig intervenieren bei antisozialem Verhalten, München u. a.: Reinhardt 2007, S. 199f. Arbeitsaufträge: Lies dir den Text gut durch. Welche Folgen kann Mobbing haben? Wie wirkt sich Mobbing auf das Leben der Opfer aus? Welche Reaktionen der Opfer auf das Mobbing gibt es? Die Folgen von bzw. Reaktionen auf Mobbing werden in die beiden Kategorien Internalisierung und Externalisierung unterteilt. Was bedeuten diese beiden Kategorien und wie unterscheiden sie sich? Vielen Tätern ist häufig nicht bewusst, welche Folgen Mobbing für die Opfer hat. Wie wird ein Täter reagieren, wenn er von den Folgen erfährt? Was denkst du? Nimm bitte begründet Stellung.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2021-09-21T00:00:00"
"2011-12-06T00:00:00"
"2021-09-21T00:00:00"
https://www.bpb.de/lernen/angebote/grafstat/mobbing/46560/m-02-06-welche-folgen-hat-mobbing-fuer-die-opfer/
Jugendliche und Kinder, die in ihrer Schulzeit Opfer von Mobbing und Gewalt ("Bullying") geworden sind, leiden oft ihr ganzes Leben daran. Die Folgen und Auswirkungen, die Mobbing auf das Leben der Opfer haben kann, werden in diesem Material erläuter
[ "Mobbing", "Gewaltprävention", "Empathie", "Grafstat", "Opfer" ]
30,774
Ich will ein Leben nach dem Internet | Eine Stadt. Ein Land. Viele Meinungen. | bpb.de
Von Anna Miller Ich will ein Leben nach dem Internet. Mehr Lebendigkeit in einer immer saubereren, leiseren, zwischen 0 und 1 trennenden, digitalen Welt. Mehr echte zwischenmenschliche Nähe, eine Pause von meiner kuratierten, zweiten, digitalen Identität. Ich fordere eine echte Debatte über die Chancen und die Schattenseiten der Digitalisierung. Mehr kritische Fragen dazu, was das ständige Online-Leben mit unserem Menschsein macht. Dass wir anfangen, hinzuschauen, warum Angststörungen massiv zunehmen, warum die Leute am Arbeitsplatz ausgebrannt sind, warum so viele Jugendliche mit zappelnden Gliedern im Minutentakt nach ihren Smartphones greifen. Ich will, dass wir das Narrativ hinterfragen, das Politik und Wirtschaft uns fast schon ideologisch einflüstern: Digitalisierung ist die Zukunft, reiner Fortschritt, alles ist damit einfacher, günstiger, effizienter. Die Digitalisierung, vor allem, seit sie über das Smartphone 24 Stunden täglich an uns haftet verändert unser Menschsein. Die Art und Weise, wie wir fühlen, lieben, kommunizieren, bewerten. Beim Sex wird der gleiche Botenstoff ausgeschüttet, wie bei einem Like im Internet, wir klicken mehr und schlafen weniger miteinander, weil wir im Bett stärker dem Risiko ausgesetzt sind, zurückgewiesen zu werden, als online. Wenn wir rund um die Uhr erreichbar sind und uns alle 10 Minuten, wie Studien zeigen, von unserer eigentlichen Arbeit abwenden, um am Smartphone rumzudrücken, müssen wir uns der Tatsache stellen, dass wir an einem Tag mit acht Stunden Arbeit kein einziges Mal in einen Flow-Zustand gekommen sind, der für Kreativität und das Gefühl von Glück zentral ist. Wir müssten darüber reden, dass so viele Menschen sich einsam fühlen und psychisch überfordert sind, wie noch nie zuvor. Dass ständige Bestätigung im Netz die Frustrationstoleranz gegenüber Zurückweisung schwächt. Ständiges Gamen, wo kein echtes Gegenüber mal die Regeln bricht oder an den Haaren zieht, das Kind sozial nicht wachsen lässt. Wir stecken mittendrin. Jeder, der morgens um sieben Uhr mal in einen deutschen Zug gestiegen ist, weiß, dass dort niemand mehr wirklich anwesend ist, weil alle in ihre digitalen Welten abdriften, die wir aber immer stärker der echten Welt vorziehen. Weil das einfacher ist, weil alles mit einem Klick erledigt scheint. Weil es eben einfach anstrengender ist, im echten Leben mit Widerstand, anderen Meinungen, heißen Tagen und kalten Gefühlen umgehen zu müssen. Dann melden wir uns beim Iron Man an oder buchen eine Kräuterwandern-Auszeit, weil wir uns wieder mal spüren wollen, ein paar Stunden, Auszeit vom abgestumpften Digital-Alltag. Dabei werden wir in diesen Zeiten dazu angehalten, aus allem eine Privatsache zu machen, weil wir doch unseres Glückes Schmied sind und das Kollektiv sowieso nicht mehr existiert. Wenn du ein Opfer der Digitalisierung bist, nur noch am Handy hängst, in einem Unternehmen arbeitest, dass dich dazu drängt, bis abends um halb Zwölf deine Mails zu beantworten und wenn du denkst, dein Po sei zu groß, weil du zu vielen dünnen und trainierten Mädchen auf Instagram folgst, dann bist du eben einfach selber schuld. Geh' meditieren, hol mehr aus dir raus, dann klappt das schon, mit der Abgrenzung. Dabei sind wir nicht allein in diesem Boot. Wir sind es millionenfach. Wir haben uns vom Internet, von dieser Welt der unendlichen Möglichkeiten, von diesem Paradies der totalen Verführung aufsaugen lassen. Wir alle. Es ist an der Zeit, uns unser Leben wieder zurückzuholen. Ja, digital ist genial. Wissen wir alle. Wollen wir alle. Ist auch in Ordnung. Doch es ist Zeit, aus diesem Daddel-Spiel, das Stunden und Tage und Jahre unserer Lebenszeit stielt, uns kreativ, menschlich und geistig verkümmern lässt, wieder auszusteigen. Weniger Bildschirm, mehr Leben. Es ist Zeit für ein Leben nach dem Internet. Mehr Beiträge zum Thema Interner Link: Risiken und Nebenwirkungen der Digitalisierung Interner Link: Laptops zum Lernen statt Drohnen zur Bewaffnung Interner Link: Digitalisierung ist nicht automatisch barrierefrei Interner Link: Digitalisierung als Mittel, nicht als Ziel
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2021-06-23T00:00:00"
"2019-09-18T00:00:00"
"2021-06-23T00:00:00"
https://www.bpb.de/themen/deutsche-einheit/eine-stadt-ein-land-viele-meinungen/294805/ich-will-ein-leben-nach-dem-internet/
Die Journalistin und Autorin Anna Miller findet, es ist an der Zeit, uns unser (analoges) Leben zurückzuholen.
[ "Digitalisierung; Internet; Smartphone; Handy; Tablet; PC; Anne Miller; Daten; Big Data" ]
30,775
Spannungen zwischen Serbien und Kosovo | Hintergrund aktuell | bpb.de
Im Interner Link: Kosovo kommt es seit Monaten zu teils gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen der albanischen Bevölkerungsmehrheit und der serbischen Minderheit im Norden des Landes. Kosovo hatte sich 2008 für unabhängig von Interner Link: Serbien erklärt, doch Serbien erkennt dies bis heute nicht an. Durch gegenseitige militärische Drohungen bekam der Streit Ende letzten Jahres erneut eine sicherheitspolitische Bedeutung. Insbesondere die Europäische Union bemüht sich um Vermittlung zwischen Kosovo und Serbien – mittlerweile sind beide Staaten Interner Link: EU-Beitrittskandidaten. ChronikAuf einen Blick August 2022: Unter Vermittlung der EU Interner Link: legen Kosovo und Serbien ihren Streit um Reisedokumente am 27. August bei. Beide Staaten verzichten darauf, Einreisende aus dem jeweils anderen Land mit provisorischen serbischen bzw. kosovarischen Pässen auszustatten. September 2022: Die kosovarische Regierung kündigt an, dass in Serbien ausgestellte Kfz-Papiere und Nummernschilder für Fahrzeuge aus Städten im Kosovo zum 1. November ihre Gültigkeit verlieren. Es drohen Geldstrafen. Der seit Jahren schwelende Streit um die Autokennzeichen spitzt sich dadurch zu. November 2022: Nachdem serbische Autokennzeichen im Kosovo ihre Gültigkeit verloren haben, ziehen sich Vertreterinnen und Vertreter der serbischen Minderheit aus den gemeinsamen kosovarischen Institutionen zurück. Auch serbische Polizistinnen und Polizisten verweigern ihren Dienst. Am 6. November kommt es zu Protesten in der teilweise von Serben bewohnten Stadt Mitrovica. Medien berichten, dass serbische Truppen nahe der kosovarischen Grenze stationiert wurden. Am 23. November wird unter Vermittlung Frankreichs und der EU eine Einigung erzielt: Der Kosovo unternimmt keine weiteren Schritte gegen die in Serbien ausgestellten Autokennzeichen und Serbien verzichtet künftig darauf, neue Autokennzeichen für den Kosovo auszustellen. Dezember 2022: Wegen der Festnahme eines ehemaligen serbischen Polizisten eskalieren die Spannungen erneut. Im Nordkosovo errichten Serbinnen und Serben Straßensperren, die kosovarische Regierung schickt Polizistinnen und Polizisten aus dem Süden. Serbien fordert die "Rückkehr" serbischer Sicherheitskräfte in den Nordkosovo und erklärt die höchste Kampfbereitschaft seiner Streitkräfte. Die kosovarische Regierung schließt daraufhin den wichtigsten Grenzübergang zu Serbien. Am 29. Dezember erklären sich die Serbinnen und Serben im Kosovo bereit, ihre Straßenbarrikaden abzubauen. Januar 2023: Der kosovarische Präsident Albin Kurti fordert Anfang Januar 2023 eine Verstärkung der NATO-Truppen in seinem Land und kündigt den Ausbau der kosovarischen Streitkräfte an. Am 6. Januar kommt es zu einem weiteren Zwischenfall, bei dem ein kosovarischer Soldat außerhalb seines Dienstes zwei Serben, einen 11-Jährigen und einen 21-Jährigen, angeschossen haben soll. Am 8. Januar lehnt die internationale Schutztruppe im Kosovo (KFOR) das Ersuchen der serbischen Regierung nach der "Rückkehr" von 1.000 Sicherheitskräften in den Kosovo ab. Inzwischen kündigt der serbische Präsident Aleksandar Vučić an, dass er den deutsch-französischen Kompromiss zur Normalisierung des serbisch-kosovarischen Verhältnisses annehmen könnte. Streit um Reisepässe und Autokennzeichen Vorangegangen war ein Streit um Einreisedokumente im Sommer 2022. Die kosovarische Regierung unter Albin Kurti hatte angekündigt, bei der Einreise in den Kosovo keine serbischen Personalausweise mehr zu akzeptieren – eine Regelung, die vor allem die serbische Bevölkerungsgruppe im Norden des Kosovo betraf. Die Regeln beim Grenzübertritt waren laut Kurti eine sogenannte Reziprozitätsmaßnahme dafür, dass Serbien seinerseits kosovarische Dokumente nicht anerkannte. Der Streit konnte unter Vermittlung des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell am 27. August 2022 mit einem Kompromiss beigelegt werden: Der serbische Präsident Aleksandar Vučić stimmte zu, die provisorischen Dokumente für die Ein- und Ausreise von Menschen mit kosovarischem Pass abzuschaffen. Kurti sagte seinerseits zu, keine solchen Auflagen für Menschen mit serbischem Pass einzuführen. Ungeklärt blieb zunächst der Streit um serbische Autokennzeichen im Kosovo. Für Menschen mit kosovarischen Nummernschildern galt schon seit mehreren Jahren, dass sie bei der Einreise nach Serbien vorübergehend ein serbisches Kennzeichen verwenden mussten. Auch der Kosovo kündigte eine solche Regelung für Menschen mit serbischem Pass an, verschob den Beginn dieser Maßnahme aber wiederholt nach hinten. Ende Oktober 2022 verloren serbische Autokennzeichen formell ihre Gültigkeit. Vor allem im serbisch geprägten Nord-Kosovo kam es zu Protesten. Auch hier vermittelte die EU am 24. November einen Kompromiss: Neuzulassungen erfolgen nur noch mit kosovarischen Kennzeichen, die alten serbischen Kennzeichen behalten jedoch ihre Gültigkeit. Neue Spannungen im Dezember Anfang Dezember 2022 verhaftete die kosovarische Polizei den ehemaligen serbisch-kosovarischen Polizisten Dejan Pantic. Zu den Hintergründen der Verhaftung wird unterschiedlich berichtet. Pantic soll für einen Angriff auf kosovarische Wahlhelferinnen und -helfer in Mitrovica verantwortlich sein und einen Polizisten verletzt haben. Diese sollten Kommunalwahlen im Nordkosovo vorbereiten, nachdem serbische Bürgermeister und Gemeindevertreterinnen im Nordkosovo aus Protest gegen die Kennzeichenregelungen zurückgetreten waren. Infolge der Verhaftung errichteten Serbinnen und Serben im Nordkosovo Straßensperren, es kam zu Schusswechseln mit der kosovarischen Polizei. Die kosovarische Regierung hatte Sicherheitskräfte aus dem überwiegend albanischen Süden des Landes in den Nordkosovo geschickt, nachdem dort serbische Polizistinnen und Polizisten aus Protest gekündigt hatten. Serbinnen und Serben forderten daraufhin eine serbische Polizei- und Militärpräsenz im Nordkosovo. Rund 1.000 serbische Sicherheitskräfte sollen nach dem Willen des serbischen Staatspräsidenten Aleksandar Vučić in den Kosovo "zurückkehren". Vučić berief sich dabei auf Externer Link: die Resolution 1244 des UN-Sicherheitsrates von 1999, die Serbien nach einem vollständigen Abzug aller militärischen Kräfte die Rückkehr einer "vereinbarten Zahl" von Sicherheitskräften in den Kosovo zugestanden habe. Ein entsprechendes Ersuchen Serbiens sei laut Vučić von der NATO-geführten Internationalen Schutztruppe im Kosovo (KFOR) Anfang 2023 abgelehnt worden. Am 27. Dezember 2022 versetzte Serbien seine Militärkräfte an der Grenze zum Kosovo in die "höchste Kampfbereitschaft", um "das serbische Volk im Kosovo zu schützen". Die Regierung des Kosovo schloss ihrerseits den wichtigsten Grenzübergang zu Serbien. Am 29. Dezember begannen die Serbinnen und Serben im Kosovo, ihre Straßenbarrikaden wieder abzubauen. Zuvor sollen sich Serbien, Kosovo, die USA und die EU auf einen Verzicht vor Strafverfolgung gegen serbische Protestierende und einen Abzug kosovarischer Sicherheitskräfte aus dem Nordkosovo geeinigt haben. Derzeit keine Chance auf EU-Beitritt für beide Seiten Mitten in den Spannungen hatte Kosovo am 15. Dezember 2022 einen offiziellen Beitrittsantrag zur Europäischen Union eingereicht. Einen Tag zuvor hatten sich die EU und der Kosovo bereits darauf geeinigt, dass kosovarische Staatsbürgerinnen und -bürger spätestens ab dem 1. Januar 2024 ohne Visum für 90 Tage innerhalb eines Zeitraums von 180 Tagen in die EU einreisen dürfen. Zugleich verhandelt die EU seit 2011 über ein Abkommen zur langfristigen Beilegung aller bestehenden Konflikte zwischen dem Kosovo und Serbien, das ebenfalls ein EU-Beitrittskandidat ist. Ursprünglich sollte das Abkommen bis März oder April 2023 ausgehandelt sein. Im Herbst 2022 wurde ein nicht-öffentlicher Kompromissvorschlag bekannt, der von Frankreich und Deutschland in die Verhandlungen eingebracht und von den USA unterstützt worden sein soll. Der Vorschlag sehe zwar keine formelle Anerkennung des Kosovo durch Serbien vor, aber ein Ende der serbischen Blockade einer Mitgliedschaft des Kosovo in internationalen Organisationen wie den Vereinten Nationen. Diese scheiterte bislang an der ablehnenden Haltung Russlands als enger Verbündeter Serbiens. Mitte Januar 2023 deutete der serbische Präsident Vučić in diesem Punkt Kompromissbereitschaft an. Ein EU-Beitritt ist für beide Staaten erst dann möglich, wenn sie ihr Verhältnis normalisiert haben. Der Kosovo müsste zunächst innerhalb der EU und international als Staat anerkannt werden. 117 Staaten erkennen den Kosovo völkerrechtlich an, Länder wie Russland, China, aber auch EU-Mitglied Spanien bislang nicht. Für einen EU-Beitritt müsste auch Serbien die Unabhängigkeit des Kosovo anerkennen. Staatspräsident Vučić lehnt das kategorisch ab. Der Kosovo hatte am 17. Februar 2008 einseitig die Unabhängigkeit von Serbien erklärt. Die EU hat seitdem das Ziel, den Kosovo dabei zu unterstützen, sich europäischen Standards anzunähern. Ende 2008 nahm dazu die EU-Rechtsstaatlichkeitsmission EULEX Kosovo ihre Tätigkeit auf. EULEX Kosovo begleitet den Kosovo beim Aufbau einer multiethnischen Justiz, der Polizei und des Zollwesens. Die Mission ist eingebettet in die Strategie der Europäischen Union, die Länder des westlichen Balkans dabei zu unterstützen, sich schrittweise in die EU zu integrieren. Ziel der Mission ist es, Frieden und Stabilität, aber auch die wirtschaftliche Entwicklung der Länder zu fördern, um ihnen eine Beitrittsperspektive zu eröffnen. Spannungen mit Vorgeschichte Der Interner Link: Kosovo-Konflikt hat eine lange Vorgeschichte, die bis in das 14. Jahrhundert zurückreicht. Sowohl die serbische als auch die kosovo-albanische Nationalgeschichte betrachtet die Region des Kosovo als "Ursprung" ihrer Nation. Beide Länder begründen daraus ihre Ansprüche auf das Gebiet. Im 19. Jahrhundert hatten sich im Kosovo zunehmend muslimisch geprägte Albanerinnen und Albaner angesiedelt, während viele Serbinnen und Serben aus dem weniger wohlhabenden Kosovo nach Serbien abwanderten. Der Kosovo gehörte über Jahrhunderte zum Osmanischen Reich, bis er 1912 im Balkankrieg durch serbische und montenegrinische Truppen erobert wurde. Karte von Jugoslawiens Nachfolgestaaten Interner Link: Hier finden Sie die Karte als hochauflösende PDF-Datei (mr-kartographie) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/ 1918 wurde Jugoslawien (damals "Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen") ausgerufen, zu dem auch das heutige Serbien und der Kosovo gehörten. Nach der Eroberung versuchte Serbien die albanische Bevölkerung zu assimilieren und siedelte gezielt Serbinnen und Serben im Kosovo an. Im Zweiten Weltkrieg veränderten sich die Machtverhältnisse, der überwiegende Teil wurde Albanien (damals Satellitenstaat Italiens) zugesprochen, die Serbinnen und Serben vertrieben. 1945 erhielt der Kosovo den Status eines "autonomen Gebiets" innerhalb der Teilrepublik Serbien, 1974 wurde der Kosovo zur "autonomen Provinz" und war damit den anderen Teilrepubliken fast gleichgestellt. Das Land begann eine Phase der Modernisierung, Albanerinnen und Albaner blieben in Machtpositionen jedoch unterrepräsentiert. Parallel wuchs der albanische Bevölkerungsanteil in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stark an. Kosovo-Krieg 1999 In den 1980er-Jahren protestierte die kosovo-albanische Bevölkerung zunehmend für einen Republik-Status des Kosovo, was ein gewaltsames Einschreiten der serbischen Sonderpolizei im Kosovo zur Folge hatte. Serbien entzog dem Kosovo unter Präsident Slobodan Milošević 1990 den Status der Autonomie. In der Folge riefen kosovo-albanische Abgeordnete die Republik Kosovo aus, woraufhin Serbien den Ausnahmezustand verhängte. 1996 begann die Anfang der 1990er-Jahre gegründete Untergrundorganisation "Kosovo-Befreiungsarmee" (UCK) ihren bewaffneten Kampf gegen Serbien, indem sie Mitglieder der Sozialistischen Partei und der serbischen Polizei angriff. Die serbische Regierung antwortete ihrerseits mit äußerster Gewalt, auch gegen die Zivilbevölkerung. Nach dem Scheitern der Friedensverhandlungen zwischen Kosovo-Albanern und Serben im März 1999 in Paris begann die NATO ohne UN-Mandat und unter deutscher Beteiligung am 24. März 1999 mit Luftangriffen auf strategische Ziele in Serbien und Montenegro sowie dem Kosovo. Die serbischen Truppen zogen aus dem Kosovo ab, der Krieg war beendet. Die kosovarische NGO Humanitarian Law Center Kosovo hat bislang 13.535 Tote dokumentiert. Nach dem Krieg war die UN-Resolution 1244 die Grundlage für die Einrichtung einer Übergangsverwaltungsmission der UNO (UNMIK), die eine Zivilverwaltung im Kosovo ermöglichte. Für die Sicherheit und Überwachung der Entmilitarisierung wurde die internationale Sicherheitstruppe KFOR stationiert. Seit 1999 bis heute sind auch deutsche Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr im Kosovo im Einsatz. Mehr zum Thema Interner Link: Kosovo-Serbien: "Wir haben einen Deal" (Hintergrund aktuell, September 2022) Interner Link: Adelheid Wölfi: Kosovo (Dossier Südosteuropa) Interner Link: Thomas Roser: Serbien (Dossier Südosteuropa) Interner Link: Kosovo – zehn Jahre nach der Unabhängigkeitserklärung (Hintergrund aktuell, Februar 2018) Interner Link: Erweiterungspolitik (Das Europalexikon) August 2022: Unter Vermittlung der EU Interner Link: legen Kosovo und Serbien ihren Streit um Reisedokumente am 27. August bei. Beide Staaten verzichten darauf, Einreisende aus dem jeweils anderen Land mit provisorischen serbischen bzw. kosovarischen Pässen auszustatten. September 2022: Die kosovarische Regierung kündigt an, dass in Serbien ausgestellte Kfz-Papiere und Nummernschilder für Fahrzeuge aus Städten im Kosovo zum 1. November ihre Gültigkeit verlieren. Es drohen Geldstrafen. Der seit Jahren schwelende Streit um die Autokennzeichen spitzt sich dadurch zu. November 2022: Nachdem serbische Autokennzeichen im Kosovo ihre Gültigkeit verloren haben, ziehen sich Vertreterinnen und Vertreter der serbischen Minderheit aus den gemeinsamen kosovarischen Institutionen zurück. Auch serbische Polizistinnen und Polizisten verweigern ihren Dienst. Am 6. November kommt es zu Protesten in der teilweise von Serben bewohnten Stadt Mitrovica. Medien berichten, dass serbische Truppen nahe der kosovarischen Grenze stationiert wurden. Am 23. November wird unter Vermittlung Frankreichs und der EU eine Einigung erzielt: Der Kosovo unternimmt keine weiteren Schritte gegen die in Serbien ausgestellten Autokennzeichen und Serbien verzichtet künftig darauf, neue Autokennzeichen für den Kosovo auszustellen. Dezember 2022: Wegen der Festnahme eines ehemaligen serbischen Polizisten eskalieren die Spannungen erneut. Im Nordkosovo errichten Serbinnen und Serben Straßensperren, die kosovarische Regierung schickt Polizistinnen und Polizisten aus dem Süden. Serbien fordert die "Rückkehr" serbischer Sicherheitskräfte in den Nordkosovo und erklärt die höchste Kampfbereitschaft seiner Streitkräfte. Die kosovarische Regierung schließt daraufhin den wichtigsten Grenzübergang zu Serbien. Am 29. Dezember erklären sich die Serbinnen und Serben im Kosovo bereit, ihre Straßenbarrikaden abzubauen. Januar 2023: Der kosovarische Präsident Albin Kurti fordert Anfang Januar 2023 eine Verstärkung der NATO-Truppen in seinem Land und kündigt den Ausbau der kosovarischen Streitkräfte an. Am 6. Januar kommt es zu einem weiteren Zwischenfall, bei dem ein kosovarischer Soldat außerhalb seines Dienstes zwei Serben, einen 11-Jährigen und einen 21-Jährigen, angeschossen haben soll. Am 8. Januar lehnt die internationale Schutztruppe im Kosovo (KFOR) das Ersuchen der serbischen Regierung nach der "Rückkehr" von 1.000 Sicherheitskräften in den Kosovo ab. Inzwischen kündigt der serbische Präsident Aleksandar Vučić an, dass er den deutsch-französischen Kompromiss zur Normalisierung des serbisch-kosovarischen Verhältnisses annehmen könnte. Karte von Jugoslawiens Nachfolgestaaten Interner Link: Hier finden Sie die Karte als hochauflösende PDF-Datei (mr-kartographie) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2023-02-13T00:00:00"
"2023-02-06T00:00:00"
"2023-02-13T00:00:00"
https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/517988/spannungen-zwischen-serbien-und-kosovo/
Seit der Unabhängigkeit des Kosovo kommt es immer wieder zu Streit mit Serbien. 2022 wurden Kompromisse zu Reisepässen und Kennzeichen geschlossen. Zuletzt drohte der Konflikt erneut zu eskalieren.
[ "Kosovo", "Kosovo und Serbien", "Kosovo-Konflikt", "Serbien und Kosovo", "Serbien" ]
30,776
Erfolgreiche Bilanz zur Abschlussveranstaltung von "´68 – Brennpunkt Berlin" | Presse | bpb.de
Mit einer prominent besetzten Podiumsdiskussion beendet die Bundeszentrale für politische Bildung/bpb am kommenden Montag, 26. Mai, ihre Ausstellung und Veranstaltungsreihe "'68 – Brennpunkt Berlin" im Amerika Haus. Um 19 Uhr eröffnet Thomas Krüger, Präsident der bpb, die Abschlussveranstaltung und zieht eine Bilanz des viermonatigen Veranstaltungszyklus. Anschließend diskutieren Norbert Lammert (Präsident des Deutschen Bundestages) und der Politologe Johano Strasser unter dem Titel "'68 – und was ist übrig geblieben?" die Folgen der Studentenbewegung. Moderiert wird das Gespräch von Spiegel-Journalist Michael Sontheimer. Um 21.30 Uhr startet die Abschlussparty mit der Uschi-Nerke-Beatclub-Band und Special Guest Neil Landon (Ten Years After). Zu Beginn des 40. Jahrestages der Studentenbewegung eröffnete die bpb am 1. Februar mit der Ausstellung "'68 – Brennpunkt Berlin" die Auseinandersetzung mit den Ereignissen jener Zeit. Entsprechend groß war das Interesse: Über 20.000 Menschen besuchten das Amerika Haus Berlin, das als historischer Ort die Atmosphäre der Zeit lebendig werden ließ. Originalobjekte, eine umfangreiche Werkschau des Fotografen Günter Zint und zahlreiche Ton- und Bilddokumente veranschaulichten die Protestkultur und Lebensentwürfe der 68er- Bewegung. Starkes Besucherinteresse fand auch das umfangreiche Rahmenprogramm zur Ausstellung. Zwei 68er-Filmreihen und 21 Gesprächsveranstaltungen zu Themen wie "Befreiung der Frauen", "Die Ästhetik von '68" oder "1968: Europa im Aufbruch – wohin?" sorgten für lebhafte Debatten. "Es ging bei den Diskussionen um Fragen der historischen Einordnung der Studentenbewegung, etwa ihrem Verhältnis zur deutschen Nachkriegsgeschichte", so Thomas Krüger. "Dabei sind sich heute sowohl die ehemaligen Akteure wie Gegner der 68er-Bewegung weitgehend einig, dass von den Ereignissen eine notwendige neue Justierung der politischen Kultur ausging." Um Anmeldung zur Diskussion unter E-Mail Link: presse@bpb.de wird gebeten. Pressemitteilung als Interner Link: PDF-Version (65 KB) Pressekontakt Raufeld Medien GmbH Alexandra Hesse Mehringdamm 57 10961 Berlin Tel +49(0)30 695 665-18 Fax +49(0)30 695 665-20 E-Mail Link: hesse@raufeld.de Pressekontakt/bpb Bundeszentrale für politische Bildung Raul Gersson Adenauerallee 86 53113 Bonn Tel +49(0) 228 99515-200 Fax +49(0) 228 99515-293 E-Mail Link: presse@bpb.de Externer Link: www.bpb.de/presse
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2021-06-23T00:00:00"
"2011-12-23T00:00:00"
"2021-06-23T00:00:00"
https://www.bpb.de/die-bpb/presse/pressemitteilungen/50408/erfolgreiche-bilanz-zur-abschlussveranstaltung-von-68-brennpunkt-berlin/
Mit einer prominent besetzten Podiumsdiskussion beendet die Bundeszentrale für politische Bildung/bpb am Montag, 26. Mai, ihre Ausstellung und Veranstaltungsreihe "'68 – Brennpunkt Berlin" im Amerika Haus Berlin.
[ "Unbekannt (5273)" ]
30,777
Ungleichheiten in der Demokratie | Presse | bpb.de
Vom 19. bis 21. März 2015 findet der 13. Bundeskongress Politische Bildung in Duisburg statt. Im Mittelpunkt stehen aktuelle Befunde über Ungleichheiten in der Demokratie. Thematisiert werden neuere Themen, wie Big Data oder Neuro-Enhancement, aber auch "klassische" Fragestellungen wie Diskriminierung und sozialer Ungleichheit. Welche neuen Asymmetrien entwickeln sich und was sind die möglichen Auswirkungen auf die Demokratie? Wo liegt die besondere Aufgabe politischer Bildung? Der Kongress ist eine Kooperation zwischen der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb, der Deutschen Vereinigung für Politische Bildung (DVPB) und dem Bundesausschuss Politische Bildung (bap). Die Eröffnungsveranstaltung und die Keynote des US-amerikanischen Politikwissenschaftlers Benjamin Barber werden am 19. März 2015 ab 18:00 Uhr live unter Interner Link: www.bpb.de/bundeskongress übertragen. Ebenso können die Sektionen "Die Entwicklung der Städte" und "Exklusion und Inklusion" am 20. März 2015 von 9:30 Uhr bis 11:00 Uhr live mitverfolgt werden. Auf der Website wird auch die Videoreihe "Das sagt DU" präsentiert. Unter der Fragestellung "Was sagt eigentlich Duisburg zum Thema und zu den Inhalten des Kongresses?" werden im Vorfeld und während des Kongresses Beiträge veröffentlicht. Die Reihe stellt unterschiedliche Initiativen und Menschen aus Duisburg vor, die sich für gesellschaftliche Teilhabe in der Demokratie einsetzen. Alle Informationen zum 13. Bundeskongress Politische Bildung unter Interner Link: www.bpb.de/bundeskongress. Pressemitteilung als Interner Link: PDF. Pressekontakt: Bundeszentrale für politische Bildung Miriam Vogel Adenauerallee 86 53113 Bonn Tel +49 (0)228 99515-200 Fax +49 (0)228 99515-293 E-Mail Link: presse@bpb.de Externer Link: www.bpb.de/presse
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2021-06-23T00:00:00"
"2015-03-12T00:00:00"
"2021-06-23T00:00:00"
https://www.bpb.de/die-bpb/presse/pressemitteilungen/202715/ungleichheiten-in-der-demokratie/
Vom 19. bis 21. März 2015 findet der 13. Bundeskongress Politische Bildung in Duisburg statt. Im Mittelpunkt stehen aktuelle Befunde über Ungleichheiten in der Demokratie. Thematisiert werden neuere Themen, wie Big Data oder Neuro-Enhancement, aber a
[ "" ]
30,778
Analyse: Das Postrevolutionäre Machtvakuum als Quelle der ukrainischen Reformträgheit | Ukraine-Analysen | bpb.de
Dilemma der Gleichzeitigkeit: die Reformagenda Die Herausforderungen, denen sich die neue politische Führung sowie das im Oktober 2014 neu gewählte Parlament der Ukraine nach dem Maidan zu stellen haben, sind enorm. Neben dem Krieg im Donbass müssen – abgesehen von einer hohen Zahl notwendiger sektorspezifischer Reformen – eine fundamentale Wirtschaftskrise überwunden, institutionelle Großprojekte wie die Dezentralisierung angegangen und das zentrale Problem der Korruption auf allen Ebenen bekämpft werden. Hinzu kommt, dass all dies von einer noch jungen Demokratie und Nation erwartet wird, die sich gerade erst von der zunehmend autoritären Herrschaft eines Elitenclans befreit hat und als identitäres Projekt findet. Die Transformationsforschung kennt dieses Phänomen als "Dilemma der Gleichzeitigkeit" mehrerer politischer und ökonomischer Wandlungsprozesse, das zu zahlreichen Obstruktionseffekten führen und nur durch kluge Sequenzierung der einzelnen Reformschritte aufgelöst werden kann. Allerdings wird ein Großteil der derzeitigen innerukrainischen wie internationalen Kritik verständlicher, wenn man sich die Ausgangslage der neuen Kiewer Machtelite vor Jahresfrist vergegenwärtigt: Während Präsident Petro Poroschenko im Mai 2014 mit fast 55 % der Stimmen im ersten Wahlgang gewählt wurde und im Spätherbst (scheinbar) eine breite propräsidentielle und klar reformorientierte Parlamentsmehrheit entstand, war die Bereitschaft der Bevölkerung zu kurz- und mittelfristig hart wirkenden Reformen nach dem Maidan so hoch wie vielleicht nie zuvor. Die Revolution war die fundamentale "Krise", die politisches System wie Öffentlichkeit benötigten, um neue Reformbereitschaft zu erzeugen und "Status-quo-Kräfte" wie die Oligarchen zu marginalisieren. Die durch diese Fakten erzeugte Legitimität für einen klaren Reformkurs wurde seitdem aber vollständig nahezu verspielt. Während die Ratings der führenden Politiker kaum noch zweistellige Werte erreichen und der Populismus und die Unzufriedenheit der Bürger längst vorrevolutionäre Ausmaße annehmen, schreiten zentrale Reformen kaum voran: So attestiert das unabhängige Monitoring-Portal Vox Ukraine den Institutionen schon seit Januar 2015 ein überwiegend nur noch unzureichendes Reformtempo, während insbesondere in den Bereichen Wettbewerbspolitik, Governance und im Kampf gegen Großkorruptionsfälle nahezu Stillstand herrscht. Die vorgetäuschte Reformfähigkeit der "alten Ukraine" Die Suche nach Gründen der offensichtlichen Reformträgheit der Post-Maidan-Eliten muss beim alten System ansetzen und fragen, welche qualitativen Veränderungen sich seit dem Februar 2014 tatsächlich ergeben haben, die auf eine verbesserte Reformfähigkeit des politischen Systems der Ukraine hinweisen. Konkret bedeutet dies: Inwiefern sind reformorientierte Akteure in der Lage, eingesessene Interessen ("vested interests") als Haupthindernis von Reformen zu marginalisieren, Reformprogramme zu gestalten, entsprechende politische Mehrheiten für diese zu organisieren und schließlich für eine effektive Implementierung zu sorgen? Das bis Anfang 2014 herrschende Janukowitsch-Regime war in vielerlei Hinsicht eine Ausnahmeerscheinung für die Historie der unabhängigen Ukraine, da es sich im Grunde als erstes anschickte, den bis zum Ende der 2000er Jahre bestehenden regional geprägten Clan- bzw. Elitenpluralismus zu überwinden. Zumindest schien es im Jahre 2013 so, als wäre es dem Donezker Clan, trotz vorhandener innerer Fraktionierung, gelungen, politische und ökonomische Macht in der Ukraine erstmals zu monopolisieren. Politökonomisch kann man dieses System als Höhepunkt des sogenannten "state capture", der Vereinnahmung politischer Institutionen durch oligarchische Interessen, in der Ukraine bezeichnen. Hatten sich bisherige Präsidenten, wie insbesondere Leonid Kutschma (1994–2004) und in begrenztem Maße auch Viktor Juschtschenko (2005–2010), durch ein geschicktes Kooptationssystem und das Ausnutzen des Elitenpluralismus ein gewisses Maß an politischer Autonomie gesichert, verfügten die Oligarchen des Donezker Clans, wie Rinat Achmetow oder Andrij Kljujew, nun über fast uneingeschränkten Zugriff auf die politische Macht. In puncto Reformkapazität ergab sich hierdurch folgendes Bild: Einerseits waren echte Strukturreformen wie im Bereich der Demonopolisierung und im Antikorruptionskampf unmöglich geworden. Vielmehr plünderten, wie viele seit dem Maidan öffentlich gewordene (Groß-)Korruptionsfälle und nicht zuletzt die gestiegene ökonomische Macht der "Familie Janukowitsch" selbst zeigen, die Eliten den Staat nun ungehindert aus. Andererseits verfügte das immer autoritärere System über soviel politische Durchsetzungsfähigkeit, dass partielle und systemirrelevante Reformen möglich waren, die die Interessen des Clans nicht tangierten und der außenpolitischen Agenda entsprachen (s. das lange angestrebte Assoziationsabkommen mit der EU). Die Beharrungskraft der "vested interests" Wesentliches Ergebnis der "Revolution der Würde" von 2014 war dann eine Entmachtung und Diskreditierung zumindest der politischen Vertreter des Donezker Clans und der "Familie Janukowitsch", sichtbar geworden vor allem am Untergang des politischen Arms des Clans, der "Partei der Regionen". Auch die maßgeblichen Oligarchen des Clans wurden, in unterschiedlichem Ausmaß, zu Opfern der Revolution. Während beispielsweise Dmytro Firtasch im österreichischen Exil verharren muss und durch ein Verfahren in den USA bedroht wird, musste Rinat Achmetow eine (auch durch die Zerstörungen von Teilen des Donbass ausgelöste) empfindliche Reduzierung seines Vermögens sowie den Verlust weitreichender politischer Protektion hinnehmen. Oberflächlich betrachtet kam es somit zu einem signifikanten Rückgang des "state capture" bzw. der Macht "eingesessener Interessen" in der Ukraine, der die Zahl an Veto-Spielern verringern und den neuen reformorientierten Eliten bzw. der Parlamentsmehrheit deutlich größeren Spielraum für Reformen bieten sollte. Dass dies bis zu einem gewissen Grad der Fall ist, zeigen die bisher erfolgten Schritte zur Deoligarchisierung des Systems, wie die Verringerung des Quorums für Aktionärsversammlungen, die das Ende der Monopolisierung der mehrheitlich in Staatsbesitz befindlichen Firma "Ukrnafta" durch den Minderheitsaktionär Ihor Kolomoisky bedeutete. In dieselbe Richtung gehen die Entmachtung des bisherigen Monopolisten "DTEK" (Rinat Achmetow) beim Stromexport und das entschiedene Vorgehen gegen die Vormachtstellung der Firma "UkrgasEnergo" (zur DF Group von Dmytro Firtasch) auf dem Gasmarkt. Bei genauerer Betrachtung müssen allerdings zwei Einschränkungen gemacht werden: Zum einen handelte es sich bei der "Revolution der Würde" im Ergebnis vor allem um eine politische Revolution, welche die sozialen Grundlagen des Systems nicht oder noch nicht wesentlich tangiert. Die in der Ukraine weiterhin außerordentliche Konzentration ökonomischer Macht in den Händen weniger schlägt sich demnach auch heute in erheblichem politischem Einfluss nieder. So schätzen Experten, dass Dmytro Firtasch auch heute noch 22 oder 23, Rinat Achmetow 20 und Ihor Kolomoisky 15 Abgeordnete der Werchowna Rada kontrollieren. Hinzu kommt die Bedeutung lange bestehender politökonomischer Netzwerke und "Geschäftspartnerschaften" mit einflussreichen Politikern der Regierungsfraktionen, die es den Oligarchen erlauben, ihre Interessen auch angesichts gegen sie gerichteter Reformen durchzusetzen. So setzte sich Andrij Iwantschuk, einflussreiches Mitglied der Fraktion des Premierministers und Geschäftspartner Kolomoiskys, als Vorsitzender des Ausschusses für Wirtschaftspolitische Fragen lange vehement gegen die oben genannten Änderungen im Gesetz über Aktionärsgesellschaften ein. Trotz der Verabschiedung der Änderungen wird nun darüber spekuliert, dass Kolomoisky mit Hilfe einer erfolgreichen Intervention derselben politischen Kräfte bei der Vertragsausgestaltung des neuen "Ukrnafta"-Vorstands nun doch die faktische Kontrolle über die Firma behalten wird. Eine zweite Einschränkung betrifft die Frage, inwiefern die partielle Rückgewinnung der Kontrolle über mehrheitlich in Staatsbesitz befindliche Unternehmen durch die politischen Institutionen tatsächlich zum Kampf gegen Korruption und zur Entstehung liberalisierter und transparenter Märkte beiträgt. Viel eher scheint es, als ob sich im Schatten des Kampfes gegen die Oligarchen, und hier vor allem gegen die des alten Regimes, schlicht eine Neuverteilung ökonomischer und damit politischer Macht abspielt. Hauptprofiteure sind dabei vor allem an wichtigen Schnittstellen des Systems operierende, politische und ökonomische Aktivitäten vermischende Vertreter der Post-Maidan-Elite. Beispielhaft hierfür ist Mykola Martynenko, langjähriger Vorsitzender des Energieausschusses, der mit Hilfe der Protektion von Premier und Präsident derzeit immer mehr persönlichen Einfluss auf das breite Netz staatlicher Energieunternehmen gewinnt. Während gegen Martynenko in der Schweiz bereits wegen Vorteilsnahme in Millionenhöhe ermittelt wird, steht er zudem im Verdacht, Staatsunternehmen über korrupte Schemen um Dollarbeträge in Millionenhöhe zu erleichtern. Insofern ist noch unklar, ob die Deoligarchisierung in der Ukraine tatsächlich für eine Marginalisierung von reformfeindlichen "vested interests" spricht oder sich nur deren Träger verändern. Dass dies der Fall sein könnte, zeigt sich vor allem an den auch nach dem Maidan extrem langsamen Privatisierungsprozessen – so haben weder neue politische Eliten noch hohe Staatsbeamte ein Interesse an der Aufgabe dieser der Bereicherung von Personen und Parteien dienenden Strukturen. Eher hat sich, wie nach 2004, eine (temporäre) Möglichkeit für die politischen Institutionen ergeben, verlorenes Terrain zurückzugewinnen und ein reformatorisches window of opportunity im besten Falle auch für neue Spielregeln zu nutzen. Entscheidend ist allerdings, ob diese dann auch innerhalb der Institutionen, und hier insbesondere von den für die Bestellung und die Kontrolle der Leitung von staatlichen Unternehmen zuständigen Organen, verantwortungsvoll oder zur persönlichen Bereicherung genutzt werden. Machtillusionen und Kontrollverlust: die ukrainische Politik im Reformprozess Ein wesentlicher Schwachpunkt der gegenwärtigen internationalen Debatte zur Reformpolitik in der Ukraine ist die Vernachlässigung politischer Faktoren bzw. die Verengung auf eine technische oder Effektivitätsdebatte. Vor allem scheint es hier vielfach, als spielten sich die Reformprozesse in Kiew in einer Art politischen Blase ab, auf die Machtfragen bzw. zumindest für demokratische Regime typische institutionelle Zwänge keinen Einfluss haben. Dabei ist – neben den bereits angesprochenen Veto-Spielern – die relativ geringe Kapazität des gegenwärtigen politischen Systems der Ukraine, Reformen effektiv zu gestalten, im Parlament zu verabschieden und zu implementieren, gerade für postrevolutionäre politische Kontexte nicht überraschend. Folgende politische Faktoren spielen für die heute beobachtbare Reformträgheit in der Ukraine die Hauptrolle: Erstens sei daran erinnert, dass der Maidan eine Revolution der Straße war, die dem Großteil der ehemaligen Oppositionsparteien und heutigen Machthaber teils extrem kritisch gegenüberstand und -steht. Das "Mandat" des Maidan war denn auch kein anderes als das der totalen Selbstaufgabe der neuen Regierenden zu Gunsten eines radikalen Reformkurses – Premier Jazeniuk sprach anfangs von einer "Kamikaze-Regierung" –, eine Erwartungshaltung, der realistisch kaum zu entsprechen war. Insbesondere am in Umfragen immer deutlicheren Popularitätsverlust des Premiers und seiner Partei (Narodnij Front), im Oktober 2014 noch Wahlsieger, wird deutlich, welche Dynamik und Volatilität dem politischen System der Ukraine ein Jahr nach dem Maidan weiterhin innewohnt. Problematisch ist die Position des Premiers, über dessen baldige Absetzung schon spekuliert wird, in Bezug auf die Implementierung von Reformen insbesondere, wenn man bedenkt, dass sich der eigentliche Kampf zwischen altem und neuem System nicht im Parlament, sondern in den Ministerien selbst abspielt. Da die Reform- und insbesondere Anti-Korruptionsagenda für viele Vertreter vor allem der mittleren Ministerialbürokratie eine Bedrohung darstellt, spielt ihnen die prekäre Machtposition des Kabinetts in die Hände. Sabotage und das bewusste Hinauszögern von Reformen durch Teile der Ministerialbürokratie sind daher keine Seltenheit. Bekannt geworden sind solche Widerstände beispielsweise im Zuge der Kritik an Gesundheitsminister Aleksandr Kwitaschwili, dessen Behörde den Kampf gegen die verbreitete Korruption bei der Arzneimittelbeschaffung auch laut internationalen Organisationen behinderte. Dazu trägt bei, dass es nur im Wirtschaftsministerium bisher gelungen ist, sich von einem Teil der ineffektiven Belegschaft zu trennen (Kürzung um 30 %) und somit die interne Machtbalance zwischen Reformern und "Traditionalisten" zu beeinflussen – in anderen Ministerien liegt die Quote höchstens im einstelligen Bereich. Die Folge sind "capacity bottlenecks" bzw. das Fehlen eines funktionierenden institutionellen Umfelds für eine effektive Implementierung der Reformagenda. Hinzu kommt der nun vermehrt beobachtbare Populismus von Regierungsvertretern, der sich insbesondere im mantraförmigen Verweis auf wenige erfolgreiche Reformprojekte, wie die Einführung der neuen Polizei, zeigt. Zweitens darf nicht unterschätzt werden, dass in der Ukraine – trotz einiger Elitenkontinuität – 2014 ein politischer Neuanfang gemacht wurde. Dessen Folge ist eine erhöhte Unberechenbarkeit des politischen Prozesses, die sich neben der Heterogenität insbesondere der von Präsident und Premier initiierten und regierenden politischen Formationen (Block Petro Poroschenko und Narodnij Front) aus der Rückkehr des für die Juschtschenko-Ära typischen machtpolitischen Dualismus zwischen Präsident und Premier ergibt. Eine wesentliche Konsequenz vor allem der wenig homogenen Parlamentsmehrheit bzw. Regierungsparteien für den Reformprozess ist die geringe Durchsetzungsfähigkeit von Gesetzesentwürfen der Regierung in der Werchowna Rada (nach Angaben von Vox Ukraine wurden nur knapp über 30 % verabschiedet), was deren Reformagenda zunehmend bremst und zum Stückwerk werden lässt. Hinzu kommt, dass das Parlament, aus dem mit über 80 % noch immer die meisten verabschiedeten Gesetze stammen (laut der Rada-Expertin Sarah Whitmore), den Dualismus der Exekutive für sich auszunutzen und beide Machtzentren gegeneinander auszuspielen weiß. Dies schafft erhebliche Freiräume für klientelistisches Verhalten bzw. Lobbying und erhöht die Chance, dass sich gegen jeden Reformvorstoß eine erhebliche Zahl an Abgeordneten mobilisieren lässt. Ein prominentes Beispiel ist die Blockadehaltung des Parlaments im Fall des Gesetzes zur Neuregelung der Vergabe von Staatsaufträgen, das die verbreitete Korruption in diesem Bereich ("tendernaja mafia") beenden und die Teilnahme an zukünftigen Ausschreibungen erleichtern sollte. Wirtschaftsminister Aivaras Abromavitius zufolge scheiterte eine Verabschiedung auch nach der zweiten Lesung am Versuch mehrerer Parlamentarier, die liberalisierende Wirkung des Gesetzes durch Änderungen abzuschwächen. Ähnlich gelagert war die Abstimmung über die Schaffung des "Nationalen Büros gegen Korruption" (Nazionalnoje Antikorrupzionnoje Bjuro, NABU), bei der Abgeordnete der Werchowna Rada über 180 Änderungen einbrachten, welche die Autonomie der neuen Struktur stark einschränken (s. Ukraine-Analysen Nr. 153). Drittens ist offensichtlich, dass der Ukraine für eine erfolgreiche Reformpolitik das Reservoir an politisch zuverlässigen, unbelasteten und gut ausgebildeten Kadern fehlt. Wie schmal die Personaldecke insbesondere im Bereich politischer Mandate ist, zeigen die auch nach dem Maidan beobachtbare relative personelle Kontinuität im Parlament sowie die Besetzung vieler Ministerposten mit ausländischen Kandidaten. Grund hierfür ist die Tatsache, dass auch 24 Jahre nach der Staatsgründung kaum Rekrutierungskanäle für politisches Nachwuchspersonal existieren und eine partielle Auffrischung des Parlaments lediglich durch den Ad-hoc-Wechsel von zivilgesellschaftlich Aktiven in die Politik nach 2004 bzw. 2014 zustande kam. Hinzu kommt, dass der Elitenmangel auch auf die regionale Ebene zutrifft. Da die ukrainischen Parteien generell nur schwach regional und lokal verwurzelt sind, fehlt es an politischen Transmissionsriemen vom Zentrum in die Peripherie – eine Beobachtung, die umso mehr auf neue politische Formationen wie die von Premier und Präsident zutrifft. Die Besetzung des Gouverneurspostens in Odessa mit dem georgischen Ex-Premier Michail Saakaschwili sowie die hektische Abordnung des Poroschenko-Vertrauten Hennadij Moskal auf den gleichen Posten in Transkarpatien zeigen, wie es um die Loyalität zum bzw. die Durchsetzungsfähigkeit des politischen Zentrums in den von jeher relativ unabhängig denkenden ukrainischen Regionen steht. Jenseits der Gefahren, die dies allgemein für eine auch vertikale Implementierung von Reformen birgt, wirft der Elitenmangel auch Fragen in Bezug auf die auch von den internationalen Partnern vehement eingeforderte und nun vom Parlament beschlossene Dezentralisierung auf: Inwiefern kommt dieser Prozess evtentuell zu früh und könnte zu einem gefährlichen weiteren Kontrollverlust zentralstaatlicher Institutionen sorgen? Staat und Gesellschaft: "missing link" und divergierende Agenden Abschließend sei auf einen ebenso simplen wie wichtigen Umstand verwiesen: Neben einem begünstigenden institutionellen und politischen Umfeld bedarf eine erfolgreiche Reformpolitik insbesondere eines Mindestmaßes an gesellschaftlichem Vertrauen in die handelnden politischen Akteure. Nach 24 Jahren der endemisch gewordenen persönlichen Bereicherung und des Klientelismus in der ukrainischen Politik ist Vertrauen nicht über Nacht herzustellen, weshalb auch die "neue" Elite nach dem Maidan mit einem überschaubaren Vorschuss startete. Dennoch waren die Revolution und insbesondere die ihr folgende "Ernennung" der Übergangsregierung durch den Maidan einschneidende Momente für das Verhältnis von Staat und Gesellschaft in der Ukraine. So sprach das damalige Überlappen der Agenden der maßgeblichen politischen Akteure auf der einen und der Zivilgesellschaft auf der anderen Seite für eine nachhaltige Etablierung eines bisher fehlenden Links, einer Verbindung zwischen beiden Sphären, der mehr politische Responsivität und Verantwortlichkeit bedeuten könnte. Seitdem haben sich die Agenden allerdings wieder getrennt: Während die Zivilgesellschaft auf die vielen nicht eingelösten Reformversprechen verweist und versucht, einer erneuten Ab- oder Einkapselung der politischen Elite entgegenzusteuern, steht für die politischen Akteure im Vorfeld der Kommunalwahlen bereits wieder der mittelfristige Machterhalt, wenn nicht Machtausbau im Vordergrund. Insbesondere der Krieg im Osten des Landes hat zudem eine zusätzliche sogenannte "Kriegsagenda" entstehen lassen, die den politischen Akteuren gern als Ausrede für die ausbleibende Reformdynamik herhalten muss (s. Ukraine-Analysen Nr. 145). Vor diesem Hintergrund und dem erneut auf ein Minimum gesunkenen Vertrauen der Ukrainer in die Politik ist tatsächlich davon auszugehen, dass sich das window of opportunity für einschneidende Reformen bereits wieder schließt – während politische Alternativen nicht in Sicht sind. Ausblick Mehr als anderthalb Jahre nach der "Revolution der Würde" ist in der Ukraine ein postrevolutionäres Machtvakuum entstanden, aus dem sich die Reformträgheit der maßgeblichen politischen Akteure erklären lässt. Während die für die Ukraine zentrale Beziehung zwischen Staat und Oligarchen als Hauptvertretern der sogenannten "vested interests" nicht geklärt ist, hat sich auch zwischen den politischen Institutionen und Akteuren noch keine konsolidierte Machtordnung ergeben. Die Konsequenzen für den Reformprozess sind: 1) eine stark eingeschränkte Kontrolle von Präsident und Regierung über die Implementierung der Reformagenda; 2) zunächst wieder gewachsene Freiräume für Korruption und Lobbying; sowie 3) ein zunehmender Vertrauensverlust gegenüber der neuen politischen Elite innerhalb von Zivilgesellschaft und weiterer Öffentlichkeit, was den Reformspielraum weiter einschränkt. Für die der Ukraine wohlgesinnte internationale Gemeinschaft bedeutet dies vor allem, dass man politische Faktoren bei der Beurteilung der ukrainischen Reformfähigkeit stärker berücksichtigen, vorübergehende "roll-backs" einkalkulieren und generell mehr Zeit für das ambitionierte Reformprogramm veranschlagen sollte. Insbesondere sollten mehr politischer Druck und Beratung bei der Sequenzierung der Reformen erfolgen. Hier sind insbesondere bei der nicht erfolgten Priorisierung der Justizreform und der Stärkung von Eigentumsrechten vermeidbare Fehler gemacht worden. Letztlich sollten internationale Akteure noch mehr Mittel und Expertise bereitstellen, um ein effektives und unabhängiges Monitoring der Reformen durch zivilgesellschaftliche Initiativen zu ermöglichen. Nur so können dauerhaft Vertrauen und Responsivität entstehen.
Article
Von André Härtel, Kiew
"2021-06-23T00:00:00"
"2015-10-02T00:00:00"
"2021-06-23T00:00:00"
https://www.bpb.de/themen/europa/ukraine-analysen/213015/analyse-das-postrevolutionaere-machtvakuum-als-quelle-der-ukrainischen-reformtraegheit/
Ein Jahr nach den ersten Parlamentswahlen in der Nach-Janukowitsch-Ära sind sich ukrainische und internationale Beobachter einig: Das Reformtempo des Landes ist selbst angesichts des weiter schwelenden Krieges im Osten des Landes deutlich zu niedrig.
[ "" ]
30,779
Teil 2: Werbefinanzierte Plattformen | Politische Bildung in einer digitalen Welt | bpb.de
Die Unterrichtsvorschläge dieses Kapitels sind gegliedert in zwei Teile. Die Teile bauen aufeinander auf. Sie können separat durchgeführt werden in Lerngruppen mit jeweils passendem Alter bzw. Lernniveau. In höheren Klassenstufen können sie auch miteinander verbunden werden. In diesem zweiten Teil geht es um den Zusammenhang der Geschäftsmodelle, dem Design beziehungsweise der Funktionen und den Interessen der Nutzer/-innen bei werbefinanzierten Plattformen wie sozialen Netzwerken oder Suchmaschinen. Den ersten Teil zu Kosten digitaler Dienste finden Sie Interner Link: hier. Kapitel zum Download Handreichungen für Lehrerinnen und Lehrer zum Download Interner Link: Handreichung: Teil 2: Werbefinanzierte Plattformen: Wie hängen das Geschäftsmodell, Funktionen und die Interessen der Nutzer/ innen zusammen? (odt) Interner Link: Handreichung: Teil 2: Werbefinanzierte Plattformen: Wie hängen das Geschäftsmodell, Funktionen und die Interessen der Nutzer/ innen zusammen? (pdf) Arbeitsblätter für Schülerinnen und Schüler zum Download Interner Link: Arbeitsblatt: Werbefinanzierte Plattformen: Wie hängen das Geschäftsmodell, Funktionen und die Interessen der Nutzer/-innen zusammen? (odt) Interner Link: Arbeitsblatt: Werbefinanzierte Plattformen: Wie hängen das Geschäftsmodell, Funktionen und die Interessen der Nutzer/-innen zusammen? (pdf) Medienkompetenzen Medienerfahrungen weitergeben und in kommunikative Prozesse einbringen, Inhalte in verschiedenen Formaten bearbeiten, zusammenführen, präsentieren und veröffentlichen oder teilen (z.B. Konzeptschaubild, Mockups), Anforderungen an digitale Werkzeuge formulieren, Gestaltungsmittel von digitalen Medienangeboten kennen und bewerten, Vielfalt der digitalen Medienlandschaft kennen, eigenen Mediengebrauch reflektieren, Vorteile und Risiken von Services im Internet analysieren und beurteilen. Nach: Kultusministerkonferenz (2017), Kompetenzen in der digitalen Welt Bezüge zu Fächern und Inhaltsfeldern Politik & Gesellschaft Unterschiedliche Bedürfnisse, Interessen und Ziele von Akteuren erkennen, Gesellschaftliche, politische und ökonomische Strukturen und ihre Wirkungen analysieren, Konflikte: Ursachen und Lösungsmöglichkeiten, Die Rolle von Medien und ihre Auswirkungen auf Politik und Gesellschaft untersuchen, Chancen und Risiken durch digitale Plattformen und soziale Netzwerke abwägen. Wirtschaft Differenzierte Urteilsbildung anhand von wirtschaftlichen Kriterien wie Kosten, Nutzen, Interessen aus verschiedenen Perspektiven (Konsumenten und Produzenten, politische Akteure), Funktionsweisen von Märkten und Monopolen. Deutsch In verschiedenen Medien recherchieren und wesentliche Ergebnisse festhalten Voraussetzungen Lernniveau / Altersgruppe: empfohlen ab Klassenstufe 9/10 Technische Ausstattung: Mobile Geräte für alle Gruppen / Partner; eigene Geräte nutzbar (BYOD) Präsentationstechnik (Beamer o.Ä.) Internet für alle Gruppen / Partner Unterrichtsverlauf Übersicht EinstiegPlenum, Brainstorming, Diskussion Ergebnis:Funktionen von Social Media & Suchmaschinen Materialien:Zitate, Beamer, Whiteboard, Pinnwand o. Ä.Die Lehrkraft stellt die Leitfrage für den Unterricht vor: Warum ist es wichtig, wie digitale Plattformen ihr Geld verdienen? Sie stellt die Frage: "Wofür sind soziale Netzwerke und Suchmaschinen gut? (Was sind ihre Funktionen?)" Sie fordert die SuS auf, in einem kurzen Brainstorming Vorschläge zu nennen. Die Beiträge werden in Form einer Mindmap für alle sichtbar gesammelt (Stichworte), getrennt in zwei Bereichen: "Soziale Netzwerke (z.B. Instagram)" und "Suchmaschinen (z.B. Google)". Dann stellt die Lehrkraft Zitate vor, welche die Rolle dieser Plattformen aus verschiedenen Perspektiven beschreiben. Geeignete Zitate sind in den Interner Link: Materialien enthalten. Beispiele zu Google: • "Unsere Mission: Die Informationen dieser Welt organisieren und allgemein zugänglich und nutzbar machen."(Google) • "Nutzer suchen auf Google, wenn sie etwas unternehmen, einkaufen oder sich orientieren möchten. (...) Eine Anzeige im richtigen Moment kann aus Nutzern Kunden machen." (Google) • "Das Geschäftsmodell (...) ist, uns Werbeanzeigen zu zeigen. Die großartige Möglichkeit, uns zu vernetzen, wird dadurch gemindert, dass die Social-Media-Konzerne Geld verdienen, indem sie uns überwachen und gigantische Datenmengen über uns sammeln. Sie verkaufen unsere Aufmerksamkeit an jeden, der dafür bezahlt. Vor allem auf Facebook priorisiert der Algorithmus die Beiträge so, dass wir länger in der App bleiben. Das bedeutet oft, dass Dinge bevorzugt werden, die empörend sind, manchmal auch Dinge, die süß sind. Und nicht die Dinge, die wir bewusst wählen würden." (Zeynep Tufekci, Soziologin) SuS werden aufgefordert, folgende Fragen zu diskutieren: • Um welche Funktionen geht es in den Zitaten? • Von wem stammen die Äußerungen? • Wie unterscheidet sich die Perspektive davon, wie ihr (wie Nutzer/-innen) die Plattform seht und worin stimmen sie mit Eurer Sicht überein? Die Beiträge werden in die Mindmap eingetragen (Stichworte) und geclustert nach den verschiedenen Perspektiven (Nutzer/-innen, Werbekunden, Politik/Gesellschaft). Die Lehrkraft weist darauf hin, dass die Plattformen für Nutzer/-innen kostenlos sind und ihr Geld mit Werbung verdienen. Sie hebt in der Mindmap die Werbekunden hervor und weist darauf hin, dass die Einnahmen nur von dieser Gruppe kommen. Arbeitsphase / Versuch Partner- / Gruppenarbeit im Unterricht Ergebnis:(digitale) Doku Materialien:Checkliste Endgeräte für SuS, NetzzugangDie SuS untersuchen ausgewählte digitale Plattformen. Sie erhalten den Auftrag, eine Konzeptskizze zum Zusammenhang zwischen Design/Funktion, Interessen der Nutzer/-innen und Interessen der Plattform-Anbieter zu erstellen. Untersucht werden sollten die Suchmaschine Google und ggf. Bing sowie Social Networking-Plattformen und Apps, welche die SuS selbst nutzen (z.B. Instagram, Games). Arbeitsaufträge für die SuS: • Dokumentiert, wie sich Werbung auf Gestaltung und Funktionen auswirkt. Fertigt z.B. Screenshots von Werbung oder Sponsored Posts an. (Beispiele siehe Interner Link: Hintergrundtext) • Überlegt, welche Interessen es bei der Gestaltung der App/Plattform und ihrer Funktionen gibt. Stellt zu einem der Beispiele dar, wie die folgenden Gruppen es bewerten: Nutzer/-innen, Werbekunden, Plattform-Anbieter, Politik/Gesellschaft. • Erstellt die Konzeptskizze unter Verwendung eurer Notizen und Screenshots.Bewertung / AbschlussPlenum, Präsentation, Diskussion Die SuS stellen ihre Ergebnisse vor. Die Lehrkraft verweist auf die zu Beginn der Einheit gesammelten Beiträge zu Funktionen und Erwartungen der Nutzer/-innen. Sie fordert die Schüler/-innen zu einem Gedankenexperiment auf: Überlegt, wie die Plattformen aussehen könnten, wenn die Anbieter nur ihre Einnahmen maximieren wollten, aber nicht mehr an die Interessen der Nutzer/-innen denken würden. • Beschreibt, wie die Anbieter ihre Plattform gestalten und Werbung präsentieren könnten. • Vergleicht diese Möglichkeit mit den Interessen der Nutzer/-innen. • Benennt mögliche Widersprüche. Zum Abschluss wird die gesellschaftliche Dimension diskutiert. • Stellt dar, was die geschäftlichen Interessen von werbefinanzierten Plattformen für die Gesellschaft insgesamt bedeuten könnten. • Erläutert Möglichkeiten, die widersprüchlichen Interessen zu vereinbaren. • Bewertet Alternativen zu Werbung als Geschäftsmodell, zum Beispiel das Erheben von Gebühren für die Nutzung. Berücksichtigt dabei Vor- und Nachteile aus Sicht der Nutzer/-innen und der anderen Interessengruppen. Optional • Digitales Projekt: Die "ideale" Plattform entwerfen (Mockups) • SuS untersuchen im Anschluss Plattformen / Dienste mit alternativen Geschäftsmodellen, z.B. DuckDuckGo, und vergleichen sie mit den werbefinanzierten Plattformen. Materialien Zitate Hinweis zur Nutzerperspektive: Die Materialien enthalten unter anderem Zitate aus Werbematerialien der Unternehmen, die den angeblichen Nutzen der Dienste und Plattformen beschreiben. Um eine ausgewogene Sicht der Dienste zu erhalten, sollten ihnen authentische Stimmen von Nutzer/-innen gegenübergestellt werden. Authentische Stimmen können zum Beispiel folgendermaßen gesammelt werden: Kurze Partnerinterviews in der Lerngruppe, mögliche Fragen: "Warum nutzt du den Dienst/die App XY? Was gefällt dir daran?" Befragungen anderer Jugendlicher in der Schule oder von Familienmitgliedern Facebook Perspektive der Nutzer/-innen "Auf Facebook bleibst du mit Menschen in Verbindung und teilst Fotos, Videos und vieles mehr mit ihnen." (Facebook ) "Unsere Mission: Den Menschen die Möglichkeit zu geben, Gemeinschaften zu bilden, und die Welt näher zusammenzubringen." (Facebook ) "Für die Nutzung von Facebook erheben wir keine Gebühren. Stattdessen bezahlen Werbetreibende für das Schalten von Werbung in Apps und anderen Services der Facebook-Familie. So können wir Facebook für alle verfügbar machen, ohne für den Zugang eine Gebühr zu erheben." (Facebook ) "Neues Design: Weniger News, weniger Kommunikation, mehr Nonsens: Offensichtlich sieht Facebook also die Kommunikation mit Freunden über den Messenger nicht mehr als Kernbestandteil der eigenen Plattform an. (...) Stattdessen rückt das neue Facebook-Design Business-relevante Punkte (Seiten, Werbung, Stories, Rooms und Gruppen) in den Mittelpunkt. (...)" (Christian Erxleben/Basicthinking.de ) "Give everyone the power to share anything with anyone." (Mark Zuckerberg) (deutsch: "Jeder und jedem die Fähigkeit geben, alles mit allen zu teilen.") Werbekunden "Da draußen gibt es viele Menschen, die genau deine Produkte und deine Dienstleistungen suchen. Schalte Facebook-Anzeigen für eine präzise definierte Zielgruppe – das ist der erste Schritt, diese neuen Kunden zu finden." (Facebook ) "Facebooks Werbeanzeigenformate und Seiten sind so konzipiert, dass sie Aufmerksamkeit wecken und zu Handlungen anregen." (Facebook ) "Nothing influences people more than a recommendation from a trusted friend." (Mark Zuckerberg) (deutsch: "Nichts beeinflusst Leute mehr als eine Empfehlung von einem vertrauenswürdigen Freund.") "Advertising works most effectively when it’s in line with what people are already trying to do." (Mark Zuckerberg) (deutsch: "Werbung ist am effektivsten, wenn sie mit dem zusammenpasst, was Leute ohnehin versuchen zu tun.") Gesellschaft "Facebook verdient daran, Lügen zu verbreiten" (Yaël Eisenstat, zitiert nach Stern.de ) "The great thing about social media was how it gave a voice to voiceless people." (Jon Ronson, zitiert nach Brainy Quotes.com ) (deutsch: "Das Großartige an sozialen Medien war, wie sie sprachlosen Menschen eine Stimme gaben.") "Facebook was not originally created to be a company. It was built to accomplish a social mission – to make the world more open and connected." (Mark Zuckerberg) (deutsch: "Ursprünglich wurde Facebook nicht gegründet, um ein Unternehmen zu schaffen. Es wurde aufgebaut, um eine soziale Mission zu verwirklichen – die Welt offener und verbundener zu machen." "My goal was never to just create a company. A lot of people misinterpret that, as if I don’t care about revenue or profit or any of those things. But what not being "just" a company means to me is building something that actually makes a really big change in the world." (Mark Zuckerberg) (deutsch: "Mein Ziel war nie, einfach 'nur' ein Unternehmen zu gründen. Eine Menge Leute interpretieren das falsch – als ob mir Einnahmen oder Profit oder solche Dinge nicht wichtig wären. Was mich meine mit 'nicht nur ein Unternehmen' ist, etwas zu erschaffen, das tatsächlich große Veränderungen in der Welt bewirkt.") "Right now, with social networks and other tools on the Internet, all of these 500 million people have a way to say what they're thinking and have their voice be heard." (Mark Zuckerberg) (deutsch: "Mit sozialen Netzwerken und anderen Werkzeugen im Internet haben jetzt all diese 500 Millionen Leute eine Möglichkeit zu sagen was sie denken, und ihre Stimme wird gehört." "It’s almost a disadvantage if you’re not on it now." (Mark Zuckerberg) (deutsch: "Es ist heute beinahe ein Nachteil, wenn du nicht dabei bist.") "Das Geschäftsmodell dieses Informationsclubs [von Plattformen wie Facebook und YouTube] ist, uns Werbeanzeigen zu zeigen. Die großartige Möglichkeit, uns zu vernetzen, wird dadurch gemindert, dass die Social-Media-Konzerne Geld verdienen, indem sie uns überwachen und gigantische Datenmengen über uns sammeln. Sie verkaufen unsere Aufmerksamkeit an jeden, der dafür bezahlt. Vor allem auf Facebook priorisiert der Algorithmus die Beiträge so, dass wir länger in der App bleiben. Das bedeutet oft, dass Dinge bevorzugt werden, die empörend sind, manchmal auch Dinge, die süß sind. Und nicht die Dinge, die wir bewusst wählen würden, wenn uns jemand fragen würde: Wovon willst du mehr sehen?" (Zeynep Tufekci ) "It is the largest and one of the most important places where citizens exchange views. And every interaction is governed by the terms of service of a private corporation whose priority is profits." (Roger McNamee ) (deutsch: "Es ist der größte und einer der wichtigsten Orte, wo sich Bürgerinnen und Bürger über ihre Ansichten austauschen. Und jede Interaktion wird bestimmt von den Geschäftsbedingungen eines Unternehmens, dessen wichtigstes Ziel es ist, Profit zu machen.") "Dass die Plattform […] so erfolgreich ist, liegt zunächst einmal schlicht daran, dass sie der größte Dienst ist. Will man sich mit anderen vernetzen, so sind diese Menschen meist bereits auf Facebook. Oder anders formuliert: Es sind so viele Menschen auf Facebook, weil so viele Menschen auf Facebook sind." (Michael Seemann ) "Ich glaube, es braucht ein neues Geschäftsmodell. Und langfristig wünschen wir uns natürlich auch Regularien, die mehr Wettbewerb in diesem Bereich sicherstellen. Das heißt, man muss an diese sogenannten Netzwerkeffekte ran, die dazu führen, dass eine Plattform umso wertvoller wird, je mehr Nutzerinnen sie hat und die es eben dadurch fast unmöglich machen, dass sich neue Plattformen etablieren können." (Jeanette Hofmann ) Google Nutzer/-innen "Mithilfe von individuellen Daten können wir Ihnen maßgeschneiderte Dienste anbieten und relevantere Werbung zeigen. So können wir auch gewährleisten, dass unsere Dienste für alle kostenlos bleiben." (Google ) "Neues Design: Suchergebnisse bei Google bald noch schwerer von Werbung unterscheidbar" (DerStandard ) "We want to build technology that everybody loves using, and that affects everyone. We want to create beautiful, intuitive services and technologies that are so incredibly useful that people use them twice a day. Like they use a toothbrush. There aren't that many things people use twice a day." (Larry Page, zitiert nach BusinessInsider.com ) (deutsch: "Wir möchten Technologien entwickeln, die alle liebend gern nutzen, und die alle betreffen. Wir möchten wunderschöne, einfach zu nutzende Dienste und Technologien erschaffen, die so unglaublich nützlich sind, dass Leute sie zweimal am Tag nutzen. So, wie sie eine Zahnbürste nutzen. Es gibt nicht allzu viele Dinge, die Leute zweimal am Tag nutzen.") Werbekunden "Nutzer suchen auf Google, wenn sie etwas unternehmen, einkaufen oder sich orientieren möchten. (...) Eine Anzeige im richtigen Moment kann aus Nutzern Kunden machen." (Google ) Gesellschaft "Unsere Mission: Die Informationen dieser Welt organisieren und allgemein zugänglich und nutzbar machen." (Google ) "I think our mission is to use technology to really change the world for the better." (Sergey Brin, zitiert nach BBC.com ) (deutsch: "Ich glaube, unsere Mission ist, Technologien einzusetzen, um die Welt tatsächlich zum Besseren zu verändern.") "Google und sein Geschäftsmodell haben es alltäglich gemacht, dass a) Services werbefinanziert angeboten werden, b) die Überwachung der notwendige Preis ist, den wir dafür zahlen und c) diese Überwachung für Unternehmen mit keinerlei Konsequenzen verbunden ist. Das repräsentiert für mich einen enormen Umbruch. Heute würde sich niemand etwas dabei denken, wenn Google mit seinen selbstfahrenden Autos Gratis-Fahrten anbieten würde, wenn die Passagiere sich dafür Werbung ansehen. Das ist eine interessante Art, andere Möglichkeiten gesellschaftlicher Organisation zu verdrängen." (Evgeny Morozov ) "Search engines are one of society’s primary gateways to information and people, but they are also conduits for misinformation. Similar to problematic social media algorithms, search engines learn to serve you what you and others have clicked on before. Because people are drawn to the sensational, this dance between algorithms and human nature can foster the spread of misinformation." (Chirag Shah ) (deutsch: "Suchmaschinen sind für die Gesellschaft einer der wichtigsten Zugänge zu Informationen und zu Menschen, aber sie sind auch Kanäle für Falschinformationen. Ähnlich wie bei den problematischen Algorithmen in sozialen Medien, lernen Suchmaschinen, dir anzubieten, was du und andere bereits angeklickt haben. Weil Menschen angezogen werden von dem, was Aufsehen erregt, kann das Zusammenspiel von Algorithmen und menschlicher Natur die Verbreitung von Falschinformationen fördern.") Interner Link: Handreichung: Teil 2: Werbefinanzierte Plattformen: Wie hängen das Geschäftsmodell, Funktionen und die Interessen der Nutzer/ innen zusammen? (odt) Interner Link: Handreichung: Teil 2: Werbefinanzierte Plattformen: Wie hängen das Geschäftsmodell, Funktionen und die Interessen der Nutzer/ innen zusammen? (pdf) Interner Link: Arbeitsblatt: Werbefinanzierte Plattformen: Wie hängen das Geschäftsmodell, Funktionen und die Interessen der Nutzer/-innen zusammen? (odt) Interner Link: Arbeitsblatt: Werbefinanzierte Plattformen: Wie hängen das Geschäftsmodell, Funktionen und die Interessen der Nutzer/-innen zusammen? (pdf) Kompetenzen in der digitalen Welt: Kompetenzbereiche. Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 8. Dezember 2016. Online unter: Externer Link: https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/pdf/PresseUndAktuelles/2017/KMK_Kompetenzen_-_Bildung_in_der_digitalen_Welt_Web.html (Stand: 15.06.2022) Vgl. z.B. Niedersachsen Externer Link: Niedersächsisches Landesinstitut für Qualitätsentwicklung (2020): Curriculare Vorgaben für allgemein bildende Schulen und berufliche Gymnasien. Gesellschaftslehre Externer Link: Niedersächsisches Landesinstitut für Qualitätsentwicklung (2020): Curriculare Vorgaben für allgemein bildende Schulen und berufliche Gymnasien. Deutsch Die folgenden Zitate beziehen sich exemplarisch auf Google und Facebook, was mit ihrer aktuell noch sehr großeren Bedeutung zusammenhängt: Bei Suchmaschinen ist Google mit einem Marktanteil von rund 86 Prozent weltweit mit großem Abstand führend (vgl. Externer Link: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/225953/umfrage/die-weltweit-meistgenutzten-suchmaschinen). Bei den sozialen Netzwerken ist Facebook in Deutschland führend, wobei Instagram gerade bei jüngeren Nutzern/-innen schon stärker genutzt wird (vgl. Externer Link: https://allfacebook.de/zahlen_fakten/offiziell-facebook-nutzerzahlen-deutschland). Die Plattform gehört allerdings ebenfalls zum Facebook-Konzern, der sich Ende 2021 in Meta umbenannt hat. Externer Link: Facebook (2021): Ist die Nutzung von Facebook kostenpflichtig? Externer Link: Facebook (2021): Unternehmensinformationen Externer Link: Facebook (2021): Ist die Nutzung von Facebook kostenpflichtig? Externer Link: Christian Erxleben (25.09.2020): Neues Facebook-Design. Neu ist nicht immer besser. Basicthinking.de Externer Link: Facebook (2021): Stärke dein Unternehmen mit Facebook - ganz gleich, wo du bist Externer Link: Facebook (2021): Stärke dein Unternehmen mit Facebook - ganz gleich, wo du bist Externer Link: Stern.de (2019): Insiderin kritisiert: "Facebook verdient daran, Lügen zu verbreiten" Externer Link: Brainy Quotes: Social Media Quotes Externer Link: Süddeutsche.de (2018): "Sie verkaufen unsere Aufmerksamkeit an jeden, der dafür bezahlt" Externer Link: Roger McNamee: Zucked. Waking Up to the Facebook Catastrophe. Goodreads.com Externer Link: philosophieMagazin (2021): Michael Seemann: "Plattformen machen Kapitalisten zur austauschbaren Infrastruktur" Externer Link: Deutschlandfunk Kultur (2021): Die Entzauberung des Silicon Valley Externer Link: Google (2021): Werbung und Daten Externer Link: DerStandard.de (2020): Suchergebnisse bei Google bald noch schwerer von Werbung unterscheidbar Externer Link: Business Insider (2014): 14 Quotes That Reveal How Larry Page Built Google Into The World's Most Important Internet Company Externer Link: Google Ads (2021): Auf Google werben Externer Link: Google (2021): Info Externer Link: BBC (2014): Is it 'evil' that Google wants to change society? Externer Link: FutureZone (2015): Evgeny Morozov: “Es gibt keine Alternative zu Google” Externer Link: Chirag Shah (2021): It’s not just a social media problem – how search engines spread misinformation
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2022-08-10T00:00:00"
"2022-03-15T00:00:00"
"2022-08-10T00:00:00"
https://www.bpb.de/lernen/digitale-bildung/politische-bildung-in-einer-digitalen-welt/unterrichtsmaterialien/506211/teil-2-werbefinanzierte-plattformen/
Anhand der Materialien können die Schülerinnen und Schüler den Zusammenhang zwischen Geschäftsmodell, Funktionen und Nutzerinteressen bei digitalen Services analysieren und diskutieren.
[ "OER", "Digital Literacies", "Digital Literacy", "Social Media Plattformen", "Geschäftsmodelle", "Werbung" ]
30,780
12 Parteien – 38 Thesen – Ihre Wahl | Presse | bpb.de
12 Parteien, 38 Thesen und die Einladung, sich mit den Positionen der politischen Parteien in Thüringen zu beschäftigen: Pünktlich zu Beginn der heißen Phase des Wahlkampfes in Thüringen startete am 21. August 2014 der Wahl-O-Mat Thüringen 2014. Die Wähler können nun testen, welche der zur Wahl zugelassenen Parteien ihnen am nächsten stehen. Die aktuelle Version des Wahl-O-Mat zur Landtagswahl in Thüringen ist ab sofort unter Externer Link: www.wahl-o-mat.de online. Die Thesen des Wahl-O-Mat Thüringen wurde gemeinsam von der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb, Politik- und Sozialwissenschaftlern, Jugendredakteuren und der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen in zwei Workshops erarbeitet. Die Parteienvertreter Dr. Mario Voigt, MdL (CDU), Susanne Hennig-Wellsow, MdL (DIE LINKE), Heike Taubert, MdL (SPD), Franka Hitzing, MdL (FDP) und Dieter Lauinger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) starteten den Wahl-O-Mat gemeinsam mit der Jugendredaktion. Seit 2002 ist der Wahl-O-Mat der Bundeszentrale für politische Bildung im Einsatz, um vor allem junge Wähler zu informieren und zu motivieren und wird im Vorfeld von Europa-, Bundestags- und Landtagswahlen eingesetzt. Der Wahl-O-Mat hat sich zu einer festen Größe für politische Informationen im Vorfeld von Wahlen etabliert und wird von immer mehr Menschen genutzt: Vor der Bundestagswahl 2013 informierten sich 13,3 Millionen Nutzer im Wahl-O-Mat über die Programme der Parteien. Insgesamt wurde der Wahl-O-Mat im Vorfeld von Wahlen schon 43 Millionen Mal genutzt. Weitere Presseinformationen und Material zum Download unter Externer Link: www.wahl-o-mat.de/presse Pressemitteilung als Interner Link: PDF. Pressekontakt: Bundeszentrale für politische Bildung Daniel Kraft Adenauerallee 86 53113 Bonn Tel +49 (0)228 99515-200 Fax +49 (0)228 99515-293 E-Mail Link: presse@bpb.de Externer Link: www.bpb.de/presse
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2021-06-23T00:00:00"
"2014-08-21T00:00:00"
"2021-06-23T00:00:00"
https://www.bpb.de/die-bpb/presse/pressemitteilungen/190325/12-parteien-38-thesen-ihre-wahl/
Pünktlich zu Beginn der heißen Phase des Wahlkampfes in Thüringen startete am 21. August 2014 der Wahl-O-Mat Thüringen 2014. Die Wähler können nun testen, welche der zur Wahl zugelassenen Parteien ihnen am nächsten stehen.
[ "" ]
30,781
Creation (Pictures for Dorian) | 10. Festival // Reich – München 2018 | bpb.de
in englischer und deutscher Sprache // ab 10. Klasse Das deutsch-britische Kollektiv schnappt sich eine Reihe von Motiven aus dem Werk Oscar Wildes. Allen voran die Persönlichkeitsspaltung des Dorian Gray. Jenes Narzissten, der alle seine Negativeigenschaften an ein Porträt delegierte, damit er selbst sein makelloses Wunschbild von sich aufrechterhalten konnte. Aus dieser Grundsituation heraus lassen Gob Squad genialisch assoziierend und mit einer überbordenden Vielfalt an Spielideen ihren bisher vielleicht persönlichsten und ehrlichsten Abend entstehen. Gemeinsam mit jeweils vor Ort rekrutierten Performer/innen denken sie über Wahrheit und Täuschung in der Kunst nach und über die Rolle des menschlichen Körpers innerhalb kapitalistischer Verwertungslogik. Es geht ums Älterwerden, auch um das eigene. Um den Umgang mit normierten Vorstellungen von Schönheit. Um Selbstliebe und Selfiewahn. Um Gender und Identität. Und, last, not least, um die Schönheit von Ikebana als Ausdruck kulturellen Reichtums. Performance: Berit Stumpf, Sharon Smith, Johanna Freiburg, Sarah Thom und lokale Gäste (Artemis Sacantanis, Frank Frey, Ivy Lißack, Lili Biedermann, Paul Hofman-Wellenhof) Konzept und Regie: Gob Squad Sounddesign: Sebastian Bark, Jeff McGrory Videodesign: Miles Chalcraft Kostüme: Ingken Benesch Set Realisation: Lena Mody Lichtdesign und Technische Leitung: Chris Umney Dramaturgie und Produktionsleitung: Christina Runge Künstlerische Assistenz: Mat Hand Kostümassistenz: Claudia Gali Assistenz Set Realisation: Julia Buntzel Produktionsassistenz: Ben Mohai Regiehospitanz: Patty Kim, Amina Nouns Gob Squad Management: Eva Hartmann Tourmanager: Mat Hand UK-Produzentin: Ayla Suveren Eine Produktion von Gob Squad und dem HAU Hebbel am Ufer Berlin. Entwickelt mit Unterstützung der Center Theatre Group, Los Angeles, CA. In Koproduktion mit den Münchner Kammerspielen, Schauspiel Leipzig, Wiesbaden Biennale, Schlachthaus Theater Bern, LIFT London, Brighton Festival und Attenborough Centre for the Creative Arts. Ein Imagine 2020 (2.0) Projekt, mit Unterstützung durch das Creative Europe Programme der Europäischen Union und Förderung durch den Arts Council of England. Gefördert aus Mitteln des Landes Berlin, Senatsverwaltung für Kultur und Europa. Gob Squad Arts Collective erhält institutionelle Förderung im Rahmen des Konzeptförderungszeitraumes (2015 – 2019) des Landes Berlin, Senatsverwaltung für Kultur und Europa. Spielstätte: Münchner Kammerspiele, Kammer 2 Vorstellungstermine: Mo., 5. November 2018, 20.30 Uhr Di., 6. November 2018, 19 Uhr Publikumsgespräche: Kuratiert von: Dramaturgische Gesellschaft 5. November 2018: Mit: Nina Degele (Soziologin, Universität Freiburg) und Christina Runge (Gob Squad, Dramaturgie und Produktionsleitung) Moderation: Christa Hohmann (Pathos München) 6. November 2018: Mit: Prof. Dr. Paula-Irene Villa (Soziologin, LMU München) und Christina Runge (Gob Squad, Dramaturgie und Produktionsleitung) Moderation: Michael Wolf (nachtkritik) Begleitmaterial für Lehrerinnen und Lehrer: Interner Link: Begleitmaterial "Creation" Externer Link: http://www.gobsquad.com/
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2023-01-30T00:00:00"
"2019-04-05T00:00:00"
"2023-01-30T00:00:00"
https://www.bpb.de/pift2022/288894/creation-pictures-for-dorian/
Das Performancekollektiv Gob Squad und lokale Akteur/innen denken über Wahrheit und Täuschung in der Kunst nach. Ein Abend über die Rolle des menschlichen Körpers innerhalb kapitalistischer Verwertungslogik, über das Älterwerden, Schönheitsnormen, Id
[ "Reich – Politik im Freien Theater" ]
30,782
Shortage of Services and Medical Tourism | Indien | bpb.de
The health sector in Indian is a picture full of contradictions. The country has achieved remarkable progress such as becoming polio free in early 2014 and registering an increase in life expectancy from 62.3 to 67.3 years for men and from 63.9 to 69.9 years for women in a span of 15 years. Yet India's performance is very poor when it comes to malnutrition, child and maternal mortality. The country is also facing double burden of disease. On the one hand, malaria and tuberculosis continue to be major public health concerns, while on the other, lifestyle diseases like diabetes and heart disease are taking a heavy toll. Surprisingly, heart disease has emerged as the topmost cause of death among Indians. As regards healthcare delivery, India has one of the most privatized health systems in the world. The cost of private healthcare is so high that an estimated 2 to 3 percent Indians are pushed below the poverty line every year solely due to health expenses. The government-run health system is weak. Rural areas lack doctors, nurses and health centres, whereas major Indian cities are home to five-star hospitals catering to medical tourists from the West. Child and maternal health is a key indicator of progress The status of child and maternal health is a key indicator of any nation's progress and this is where India's performance has been slower than required. The mortality rate of children below the age of 5 has declined from 125 per 1000 live births in 1990 to 52 in 2012. This is expected to fall to 49 by 2015, but this would still be much below the target of 42 to set under the Millennium Development Goals (MDG) framework of the United Nations. Similarly, the infant mortality rate is 42 deaths per 1000 live births. It is likely to reach 40 deaths per 1000 live births by 2015, missing the MDG target of 27. India's maternal death rate – the number of women dying during childbirth – has dropped progressively from 437 to 178 per 100,000 live births between 1990 and 2011. Yet it is far below the target of 109 set under the MDG. In addition, there is a great variation among states with some of them like Uttar Pradesh reporting maternal mortality figures as high as 300 per 100,000 live births. It is a worrisome situation because most the infant and maternal deaths occur due to preventable causes. This is a direct reflection of inadequacies in the government run health care system, mainly consisting of health care facilities at the primary, secondary and tertiary levels run by state governments. This system is supposed to provide free or very low cost medical services including child birth and vaccination. The central or federal government provides funds for a number of special schemes which are to be implemented by the states. Shortage of doctors and nurses as well as inadequate infrastructure The biggest problem of the government-run health system is the shortage of doctors, nurses and other healthcare workers as well as inadequate infrastructure. The health budget of the central government has gone up by 2.5 times during the Eleventh plan period from 2007 to 2012 when compared to the Tenth plan period from 2002 to 2007 – from 471 billion Rupees (5.6 billion Euros) to 1.2 trillion Rupees (14.2 billion Euros) for five years. Also the health spending of states increased from the Tenth to the Eleventh plan period and went up from Rupees 1.07 trillion Rupees (12,7 billion Euros) to 2.3 trillion Rupees (27.4 billion Euros). Still the shortfall of primary health centres (PHC) and community health centres (CHC) is huge. For instance, access to safe abortions is not available in all CHC, which contributes to maternal mortality. At the end of 2012, the gap between the number of healthcare staff required and the number actually in position was 52 percent for midwives and nurses, 76 percent for doctors, 88 percent for specialists and 58 percent for pharmacists. (Click HERE for official data on doctors and nurses presented to Indian Parliament in 2014) http://164.100.47.132/Annexture/lsq15/13/as528.htm EXTERNAL LINK At the village level, part-time healthcare workers called Accredited Social Health Activists (ASHA) act as a bridge between people and public health system. They are supposed to motivate expectant mothers to go in for childbirth in hospitals (instead of homes), advise them on nutrition and help them in immunization of newborn babies. These workers also handle several other tasks. Currently there are over 900,000 such workers but they are grossly underpaid. India produces about 50,000 medical graduates in allopathic system from nearly 380 medical colleges. In addition, a large number is trained in Indian systems of medicine such as Ayurveda and Unani. The distribution of medical colleges, however, is uneven, with more colleges located in the Southern and Western states. Few are situated in the North and the East where there is a shortage of medical personnel. City-educated doctors and nurses are reluctant to serve in rural areas, complaining of lack of facilities and incentives. Many of them migrate to Western countries. Indian doctors constitute the largest number of foreign trained physicians in the United States (4.9 percent of the total number of physicians) and the United Kingdom (10.9 percent), the second largest in Australia (4 percent) and third largest in Canada (2.1 percent), according to one estimate. In order to meet shortage of healthcare workers in villages, the government has proposed a new cadre of community doctors – barefoot doctors – but the plan is being opposed by professional bodies of doctors which feel that it will boost quackery. The most privatized healthcare systems in the world The void created by the government health system, both in rural and urban areas, is being filled by private sector health services. The private healthcare system is extensive and covers the entire spectrum of services – individual doctors with their clinics in villages and cities, nursing homes and maternity hospitals run by doctors, mid-sized general hospitals and diagnostic centres in towns, specialty and tertiary care hospitals in cities. Most of the big hospitals are now run by companies and have presence in multiple locations within a city and across cities. Foreign direct investment (FDI) has been allowed in the hospital industry. In addition, foreign-owned clinics and treatment centres in specialties like fertility services have also been opened in several Indian cities. This elaborate nature of private health system has made the Indian system of the most privatized health systems in the world. Out of the total health spending estimated at 4.1 percent of GDP, public health expenditure accounts for just 29 percent. This means the rest – 71 percent – is being spent by people from their own pockets (which public health experts refer to as 'out of pocket' health expenditure). The lack of proper public health system is forcing even the poor to purchase services from the private sector, resulting in heavy expenditure to them because currently private sector services are completely unregulated. Even those who depend on public system incur out of pocket expenses, particularly to buy medicines as government hospitals don't stock all medicines. A bulk of the out of pocket expenditure goes to pay consultation fees, purchase of medicines and diagnostic tests – none of which are covered by health insurance. In any case, health insurance coverage in India is pretty low. According to a World bank study, just about 25 percent do have access to some form of health insurance including government-sponsored insurance schemes. All this means that despite both public and private systems being available, affordability of healthcare remains a major issue for majority of Indians. Medical tourism – A lucrative line of business Since the objective of corporate hospitals is to provide international class healthcare facilities, the focus is on profit and not affordability. In order to maximize revenues, these hospitals have entered another lucrative line of business – medical or health tourism. By hiring Indian doctors trained in the West and by obtaining international health accreditation, private hospitals have been able to offer their services to medical tourists from the West. Some of them offer facilities like five-star hotels, while others have tied up hospitality and tourism industry. Affluent medical tourists come to India because of cost advantage and also because of long waiting lists for elective surgeries in government healthcare system in their own countries. The cost difference is simply enormous. For instance, a hip replacement surgery in India would cost 7000 US dollars (5075 Euros) compared to 50,000 US dollars (36,240 Euros) in the United States. A heart bypass would cost about 5000 US dollars (3624 Euros) compared to 100,000 US dollars (72480 Euros). Of late, many Europeans are coming to India for fertility services like surrogacy and other fertility related procedures – partly for cheap costs and partly to circumvent regulatory issues back home. The cost of fertility treatment in India is estimated to be one fourth compared to Western markets. Cosmetic surgery is another area that attracts medical tourists. It has become big business. According to industry estimates, India gets about 250,000 medical tourists per year with an annual revenues of about 1 billion US dollars (726 million Euros). So while one can understand the motives of private sector to attract medical tourists, the very model of business and open government support to it raises ethical questions in the Indian context. On one hand, the government health system is suffering shortage of manpower, and on the other the government is promoting medical tourism activity which is designed to cater to the needs of foreign nationals. Government support to medical tourism comes in various direct and indirect ways. Most corporate hospitals in medical tourism business are situated on lands given to them by the government at subsidized rates and they also benefit from other forms of subsidies. Doctors educated and trained in government system are often hired in these medical tourism facilities. The Ministry of Tourism spends public money to help private hospitals attract medical tourists through road shows, seminars and other promotional activities in many countries. The foreign ministry facilitates the business by issuing a special medical visa to medical tourists. Is it ethical for government agencies to support medical tourism in a situation when its own citizens are denied proper medical care for various reasons? Universal Health Coverage: Equitable access to healthcare for every Indian With a view to reform the healthcare system, the central government set up a high level expert group in 2011, which recommended that India adopt Universal Health Coverage (UHC) under which a minimum package of health services is to be offered by the state. The goal would be to provide equitable access to healthcare, irrespective of income levels. The government accepted the recommendation and incorporated the idea of UHC in the Twelfth Five-Year Plan (2012 to 2017). After years of stagnation in public health spending, the government has reaffirmed the important role that the public system could play in providing healthcare. The plan has recognized the need for "substantial expansion and strengthening of the public sector healthcare system." The government feels that good quality and affordable healthcare is essential for the country, while the private sector could continue to operate for those who can afford it. It is felt that as supply in the public sector would increase, it will cause a shift towards public sector ending the dependence on high-cost private care among the poor. The group has recommended that public expenditure on health should be enhanced from the current level of 1.2 percent of GDP to 2.5 percent by 2017 and to 3 percent by 2022. General taxation should be used as the principal source of healthcare financing, not levying sector specific taxes. Pilot projects have been initiated in some states to test the idea of UHC. However, there is an apprehension in some quarters that in the absence of a strong public system the government eventually will be forced to rope in private sector to deliver the 'essential health package' under UHC. Till the public system is made robust, private providers may be asked to deliver services as determined by the government and get paid for it by the government. The private sector health system can't be ignored while working out any plan to revamp healthcare in India. The challenge is to devise ways of involving it in way that does not undermine principles of access and equity. "The health challenge India faces is mammoth" The state health system – facing manpower and infrastructure shortages – is also not geared to meet the new challenge of non-communicable diseases like diabetes, hypertension, heart disease and cancers which are all seen rising in rural areas also. The disease pattern in India is fast changing – with non-communicable diseases replacing infectious diseases as major killer, as reflected in findings of the Global Burden of Disease study published in 2013. Since cost of drugs makes up a large chunk of healthcare costs, it may be worthwhile to ensure access to medicines through a number of ways such as promotion of essential and rational drugs, use of generic drugs and special procurement mechanism for government supplies. Public sector drug and vaccine manufacturers may be revived and allowed to play a greater role. The drug regulatory system needs to be strengthened and patients' rights protected while meeting obligations under the framework of the World Trade Organisation. The quality of medical education too needs to be improved, along with training of community healthcare workers to serve in rural areas. Standards should be developed and enforced for quality of care in both private and public sectors. To ensure the success of UHC, the government will have to work on several fronts simultaneously. Any effort in the health sector would not be meaningful without addressing basic determinants of health such as safe drinking water, sanitation, nutrition and basic education. The health challenge India faces is indeed mammoth.
Article
Dinesh C. Sharma
"2022-02-08T00:00:00"
"2014-08-19T00:00:00"
"2022-02-08T00:00:00"
https://www.bpb.de/themen/asien/indien/190213/shortage-of-services-and-medical-tourism/
The health sector in Indian is a picture full of contradictions. The country has achieved remarkable progress. Yet India's performance is very poor when it comes to malnutrition, child and maternal mortality. The country is also facing double burden
[ "Indien", "Indiens Gesundheitssystem" ]
30,783
Inhalte und Themen | YouTube – ein Lernmedium? | bpb.de
Hinweis: Bei den nachfolgend genannten Studien, welche Daten zu YouTube-Nutzer/-innen enthalten unterscheiden sich zuweilen die Altersgruppen, auf die sich die Angaben beziehen. Auch finden sich gelegentlich Unterschiede bei den Frageformaten und -formulierungen (z. B. im Hinblick auf den Referenzzeitraum). Überblick - International YouTube bietet eine maximale Vielfalt an privaten und kommerziellen Videoangeboten. Derzeit lassen sich 18 inhaltliche Genres bzw. Kategorien identifizieren: Autos & Vehicles, Comedy, Education, Entertainment, Film & Animation, Gaming, How To & Style, Movies, Music, News & Politics, Nonprofits & Activism, People & Blogs, Pets & Animals, Science & Technology, Shows, Sports, Trailers, Travel & Events; Bärtl, 2018). Während zwischen 2006 und 2009 Musikvideo-Kanäle dominierten (20% in 2009), wächst seit 2010 die Bedeutung von Kanälen des Labels "People & Blogs"; im Jahr 2016 machten diese 75% aller Kanäle aus (ebd.). Zwar entsprechen laut Bärtl (2018) News & Politics-Kanäle nur 3% der Gesamtzahl an Kanälen bei YouTube, allerdings seien diese besonders aktiv und machen ca. 45% aller Uploads aus. So breit die inhaltliche Diversität von YouTube-Angeboten ist, so breit ist auch die qualitative Palette. Von wackeligen Handyvideos bis hin zu professionell erstellten Inhalten wird alles geboten (siehe z.B. Burgess, 2013; Morreale, 2013). Die erfolgreichsten Angebote sind aber geprägt von niedrigschwelliger Unterhaltung, Humor und skurrilen Inhalten (Shifman, 2011). Insgesamt existierten in der ersten Woche des Jahres 2019 auf YouTube mehr als 40.000 Kanäle mit mindestens 250.000 Abonnent/-innen (van Kessel, 2019). Von diesen sind 17% in englische Sprache; sie vereinten zu diesem Zeitpunkt über 14 Milliarden Aufrufe in einer Woche (ebd.). Eine Inhaltsanalyse des Empfehlungsalgorithmus bei YouTube macht deutlich, dass ausgehend von derart beliebten Kanälen am häufigsten Musikvideos, Zusammenschnitte aus Fernsehsendungen ("TV-Competitions") oder Inhalte für Kinder empfohlen werden (Smith et al., 2018). Charakteristisch für die vielfach empfohlenen und besonders populären Videos für Kinder ist, dass sie einfach und repetitiv konstruiert sind (ebd.). Darüber hinaus scheinen sie eher willkürliche Titel und Stichworte zu haben, die so konzipiert sind, dass sie für den Algorithmus leicht auffindbar sind (z.B. "Learn Colors with Spiderman 3D w Trucks Cars Surprise Toys Play Doh for Children”, "Learn Shapes with Police Truck – Rectangle Tyres Assemby – Cartoon Animation for Children”, "Kinetic Sand Ice Cream Making Learn Fruits with Toys Kinetic Sand Videos for Kids”, ebd.). Zu den beliebtesten Kanälen weltweit gehörten im Mai 2020 T-Series, ein Kanal eines indischen Musiklabels mit 144 Millionen Abonnent/-innen, PewDiePie, ein Kanal, der im Wesentlichen verschiedene Gaming-Formate beleuchtet mit 105 Millionen Abonnent/-innen sowie Cocomelon – Nursey Rhymes, ein Kanal spezialisiert auf 3D-animierte Kinderlieder mit 83,5 Millionen Followern (Statista, 2020c). Im Hinblick auf monatliche Klickzahlen ist Cocomelon – Nursey Rhymes sogar der erfolgreichste Kanal weltweit (4,03 Milliarden Aufrufe), vor T-Series (3,59 Milliarden Aufrufe) sowie dem russischsprachigen Kanal Kids Diana Show, welcher ein Mädchen namens Diana dabei zeigt, wie es mit seinen Freund/-innen und seiner Eltern spielt (2,54 Milliarden Aufrufe) (Statista, 2020d). Danach folgen in den Top 10 noch unterschiedliche indische Unterhaltungskanäle (ebd.). Unter den zehn erfolgreichsten YouTube-Videos bis Juli 2020 befinden sich fast ausschließlich Musik-Videos (z.B. Luis Fonsi ft. Daddy Yankee, "Despacito" (6,84 Milliarden Aufrufe), Ed Sheeran, "Shape of You" (4,86 Milliarden Aufrufe)), eine Ausnahme bilden der animierte Kurzfilm "Masha and the Bear: Recipe for Desaster" (Get Movies, 4,31 Milliarden Aufrufe), das 60-minütige 3D-animierte Video mit Kinderliedern "Johny Johny Yes Papa" (LooLoo Kinds – Nursery Rhymes and Children’s Songs, 3,51 Milliarden Aufrufe) sowie das russischsprachige Lernvideo "Learning Colors - Colorful Eggs on a Farm" (Miroshka TV, 3,5 Milliarden Aufrufe) (Statista, 2020a). Abbildung 1 gibt einen Überblick über den prozentualen Anteil von hochgeladenen YouTube-Inhalten nach Kategorie zwischen 2005 und 2017. Lediglich ein sehr kleiner Teil an Videos auf YouTube erreicht mehr als 100.000 Aufrufe. Nur 0,64% aller Videos vereinen 81,6% aller Views auf YouTube auf sich (Turek, 2019). Dabei gilt das "Rich-get-richer-Prinzip". Das heißt: Kanäle, die bereits viele Nutzer/-innen haben, sind erfolgreicher; je älter ein Kanal ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass er viele Nutzer/-innen hat (Bärtl, 2018). Ein Großteil aller Inhalte auf YouTube erreicht kaum sein Publikum (Bärtl, 2018; Turek, 2019). Abbildung 2 gibt einen Überblick über die Verteilung der Aufrufe über die verschiedenen Video-Kategorien. Neben diesen groben inhaltlichen Kategorien haben sich in den vergangenen Jahren charakteristische Genres herausgebildet (für einen Überblick siehe klicksafe, o.D.a): "Let’s Plays" bezeichnen Videos, bei denen vor der Kamera jemand ein Computerspiel spielt und kommentiert. "Tutorials" oder "How-Tos" zeigen Anleitungen etwa für Frisuren, Heimwerken, Kochen, Backen etc. Bei "Hauls" stellen überwiegend weibliche Akteur/-innen Kosmetikprodukte vor, bei "Pranks" werden Menschen veräppelt und dabei gefilmt. Weiterhin gibt es "Challenges", bei denen sich YouTuber/-innen unterschiedlichen Herausforderungen stellen (z.B. mit verbundenen Augen eine Straße zu überqueren, Ice-Bucket-Challenge) – zuweilen sind diese nicht ungefährlich. Außerdem gibt es Formate wie "Vlogs" und "Follow-me-arounds", welche die Zuschauer/-innen in den Alltag der YouTuber/-innen mitnehmen. Weiterhin bilden sich aktuelle gesellschaftliche Diskurse auf YouTube ab. So ist die Zahl an Angeboten, die sich mit Umwelt- und Klimaschutz beschäftigen, sprunghaft gestiegen – so etwa Produktvideos, die "nachhaltig" im Titel haben: von 2017 auf 2018 um 190% (Ringk, 2019b). Überblick - Deutschland Im Jahr 2019 gab es in Deutschland 17.454 YouTube-Kanäle mit mehr als 500 Abonnenten, 2015 waren es noch 7.953 (Bayerische Landeszentrale für neue Medien, 2019). Auch die Zahl der Video-Abrufe steigt auf YouTube seit Jahren kontinuierlich (ebd.). Die wachsende Zahl an Kanälen und Aufrufen spiegelt sich jedoch nicht im Erfolg aller Kanäle wider: Die zehn größten Kanäle in Deutschland vereinen nur 9% aller Aufrufe auf sich, das sind 7% weniger als im Jahr 2015 (ebd.). Gemessen an der Zahl der Abonnent/-innen sind freekickerz mit 7,972,64, BibisBeautyPalace (5,677,33) sowie Julien Bam die drei beliebtesten Youtuber/-innen in Deutschland (Statista, 2020a). Einer Analyse der Agentur HitchOn zufolge war im Frühjahr 2020 der Kanal Kurzgesagt – In a Nutshell, welcher Animationsvideos aus den Bereichen Biologie, Geschichte und Philosophie bereitstellt, mit ca. 11 Millionen Abonnent/-innen der beliebteste Kanal, gefolgt von Haerte-Test auf Platz 2 mit rund 10,6 Millionen Abonnent/-innen, einem Kanal, in dem in jedem Video ein Auto über unterschiedliche Gegenstände rollt, und dem Unboxing-Kanal Kinder Spielzeug Kanal mit 8,7 Millionen Abonnent/-innen (Bender, 2020). Gemäß dieser Übersicht rangieren die drei oben genannten Kanäle freekickerz, BibisBeautyPalace und Julien Bam nur auf den Plätzen 4, 7 und 9. Gemäß der aktuellen JIM-Studie (mpfs, 2019) nennen 5% der jugendlichen Befragten BibisBeautyPalace als beliebtesten YouTube-Kanal, 3% den von Julian Bam. Der YouTuber Mr.Wissen2Go, der auf seinem Kanal über die unterschiedlichsten Themen aufklärt, wird noch von 2% der Befragten als beliebtestes Angebot genannt. Nach Aufrufen ist 2019 der Kinder Spielzeug Kanal der erfolgreichste deutsche Kanal (>1,5 Milliarden Aufrufe), gefolgt von dem Musikkanal ArkivaShqip (1,06 Milliarden Aufrufe) und Prosafiagaming (0,74 Milliarden Aufrufe) (Bayerische Landeszentrale für neue Medien, 2019). Gemäß einer Befragung von ca. 200 Produzent/-innen von YouTube-Videos aus dem Jahr 2016 investieren sie im Durchschnitt 13,8 Stunden pro Woche in die Videoproduktion; Die Profis unter ihnen (>5.000 Abonnent/-innen) verwenden sogar durchschnittlich 25,7 Stunden (Zabel & Pagel, 2016). Eine im Jahr 2019 veröffentlichte Inhaltanalyse im Auftrag der Otto-Brenner-Stiftung der 100 deutschen YouTube-Kanäle mit den höchsten Abonnentenzahlen zeigt, dass die große Mehrheit der Kanäle "von anspruchsloser, oft sogar platter und stark emotionalisierter Unterhaltung und zudem von Produktwerbung durchzogen [ist]" (Frühbrodt & Floren, 2019, S. 6). Im Detail ergab die Analyse, dass ca. ein Drittel Unterhaltung bietet, ein Viertel Musikkanäle sind, 15% der Kanäle befassen sich mit Gaming, 10% gehören zur Kategorie Beauty & Lifestyle. Laut den beiden Autoren beschäftigen sich nur vier der 100 Abonnent/-innen-stärksten Kanäle im weitesten Sinn mit Politik und Wissen (ebd.). In 56 Kanälen spielen Influencer/-innen als "digitale Meinungsführer" eine zentrale Rolle, die ihre Beliebtheit u.a. dadurch monetarisieren, dass sie Merchandise-Artikel vertreiben, die Videos Produktplatzierungen enthalten bzw. Werbung vor ihren Videos geschaltet ist (ebd.). Gemäß der Analyse predige "die große Mehrheit der digitalen Meinungsführer einen ungezügelten Konsum und führt dem jungen Publikum tradierte Rollenbilder von Mann und Frau vor" (Frühbrodt & Floren, 2019, S. 7). YouTube ein Ort für Lern- und Weiterbildungsangebote? In den vergangenen Jahren ist YouTube auch zu einem Ort geworden, der Menschen nicht nur die Gelegenheit gibt, sich zu unterhalten und über das Weltgeschehen zu informieren, sondern auch sich individuell fortzubilden und Neues zu lernen. In einer Studie des Pew Research Centers gaben 53% der 18- bis 29-Jährigen an, dass für sie YouTube sehr wichtig ist, um neue Dinge zu lernen (Smith et al., 2018). Etwa 60% der deutschen Internetnutzer/-innen lernen bei YouTube neue Fähigkeiten für die individuelle und berufliche Weiterentwicklung (Ringk, 2019a). Das wird auch in den subjektiv am häufigsten genutzten Genres und Themenfeldern deutlich. Wenngleich auch in der ARD/ZDF-Onlinestudie Unterhaltungs- und Musikangebote in allen Altersgruppen am beliebtesten sind, nehmen Wissens- und Erklärformate einen großen Raum in der YouTube-Nutzung ein (Koch & Beisch, 2020). Bei den 12- bis 19-Jährigen nutzen 50% YouTube zum Lernen (Rat für Kulturelle Bildung, 2019), für 73% ist die Videoplattform wichtig, um Unterrichtsinhalte zu wiederholen oder Wissen zu vertiefen (ebd.). Etwa 30% der Schüler/-innen sagen sogar, dass YouTube-Angebote Sachverhalte u.a. unterhaltsamer, vielfältiger, spannender, zeitgemäßer und einprägsamer erklären als ihre Lehrer/-innen (Rat für kulturelle Bildung, 2019; Ringk, 2019a). Besonders positiv hervorgehoben wird an YouTube im Vergleich zu Schule als Lernort, die Selbstbestimmtheit des Lernens (Rat für kulturelle Bildung, 2019), wobei dies nicht für Jugendliche aller Bildungshintergründe zutreffen mag. Nachteilig an dem Lernen über die Videoplattform im Vergleich zur Schule ist laut der Jugendlichen, dass keine direkten Rückfragen zu Inhalten gestellt werden und direkte Diskussionen mit Peers nicht stattfinden können (ebd.). Jugendliche möchten allerdings YouTube nicht nur zuhause zum Selbststudium nutzen, sie möchten auch im Unterricht audiovisuelle Lernformen einsetzen. Dazu gehöre YouTube-Videos zum Gegenstand zu machen und diese kritisch als wichtigen Aspekt des digitalisierten (Lern-)Alltags zu reflektieren (Rat für Kulturelle Bildung, 2019). Die inhaltliche und visuelle Qualität von YouTube-Videos ist in jedem Themengebiet divers, so auch bei Angeboten, die sich im engeren oder weiteren Sinn als Lern- und Weiterbildungsangebote fassen lassen. Eine Analyse des mmb Instituts im Auftrag der Körberstiftung (2019) kommt im Hinblick auf die Angebote der erfolgreichsten "Edutuber/-innen", also YouTuber/-innen, die sich explizit mit Bildungsinhalten und Wissensvermittlung befassen, zu dem Schluss, dass viele Videos immerhin technisch professionell produziert seien. Diese könnten mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen und letztlich besser wirken. Darauf zumindest deuten medienpsychologische Befunde hin: Qualitativ hochwertige Produktionen wirken eindrucksvoller als einfache Inszenierungen (Frischlich et al., 2017; Igartua, Cheng & Lopes, 2003). Didaktisch sind die untersuchten Kanäle vielfältig (mmb Insitut, 2019): so erklären einige die Inhalte in kurzen animierten Clips (z. B. Sommers Weltliteratur to go), andere singend (z. B. DorFuchs), wieder andere in Form relativ klassischen Frontalunterrichts (z. B. MrWissen2Go). Im Wesentlichen stehen männliche Wissensvermittler im Vordergrund. Die größte Auswahl gibt es im deutschsprachigen Bereich laut der Studie im Hinblick auf naturwissenschaftliche Lerninhalte (vorwiegend Mathematik und Physik). Diese orientieren sich teilweise eng am Schulstoff bzw. bauen gezielt Inhalte für Studierende auf. Weiterhin bietet YouTube eine große Bandbreite an Videos zu künstlerischen, musischen Inhalten sowie im Freizeitbereich (ebd.). Die geringe Zahl an Inhalten zu diskursorientierten Fächern wie Deutsch, Politik, Geschichte oder Philosophie erklären die Autor/-innen der Studie damit, dass diese Fächer bei der Vermittlung von Inhalten stärker auf Austausch und Reflexion angewiesen seien, wofür die Videoplattform nur bedingt einen effektiven Rahmen bietet. Exkurs: COVID-19-Pandemie und YouTube Wie wichtig YouTube als Lernort sein kann, zeigt die Sonderbefragung JIMplus 2020 während der Zeit der strengsten Lockdown- und Physical-Distancing-Maßnahmen der COVID-19-Pandemie im Frühjahr 2020. Diese ergab, dass 83% der befragten Jugendlichen YouTube als mediales Lernangebot nutzen (mpfs, 2020). Leichte Unterschiede gab es hinsichtlich der Altersgruppen. Während nur 69% der 12- und 13-Jährigen YouTube als Lernangebot nutzten, waren es in der Altersgruppe der 16-/17-Jährigen sogar 91%. Im März 2020 wurden weltweit über 23.000 Videos mit "distance learning" oder "remote teaching" bei YouTube hochgeladen (siehe Abbildung 3, YouTube Culture & Trend, 2020a). Vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie und dem weltweiten Anstieg des "Homeschoolings" hat YouTube eine Überblicksseite eingerichtet, auf der Lerninhalte und Kanäle für verschiedene Schulfächer zusammengestellt sind. Wie wichtig Informations- und Lernangebote bei YouTube aber auch für Erwachsene und berufliche Kontexte sein können, zeigen YouTube-eigene Auswertungen zur COVID-19-Pandemie. Es wurden zwischen 15. und 31. März 2020 210% mehr Videos mit dem Stichwort "home office" abgerufen als zuvor, der weltweite durchschnittliche Upload von Videos mit "at home" im Titel stieg im gleichen Zeitraum um 700% (YouTube Culture & Trends, 2020b). Die Themen, für die sich die Menschen in der Zeit besonders interessierten, sind divers. Videos etwa, die sich mit der Erstellung und Pflege von Sauerteig beschäftigen, wurden täglich um 458% mehr angeklickt, Videos, die sich mit "Self-Care" befassen um 215% mehr; aber auch sog. "How-Tos", die zeigen, wie man Haarschnitte macht, erfreuten sich erheblicher Beliebtheit (ebd.). Neben dem Bedarf an audiovisuellen Lerninhalten wächst im Kontext der COVID-19 Pandemie auch die Unsicherheit der Menschen und damit das Bedürfnis sich über das Virus und seine Auswirkungen zu informieren, Meinungen einzuholen bzw. Inhalte zu diesem Thema zu generieren. Angebote zu diesem Themenfeld sind nicht immer seriös, viele können problematisch sein v.a., wenn damit etwa Falschinformationen verbreitet und Ängste geschürt werden. Problematische oder ungenaue Botschaften zum Infektionsgeschehen oder den Präventionsmaßnahmen werden aber nicht nur von fragwürdigen Akteur/-innen verbreitet. Auch weit verbreitete englisch- und spanischsprachige Videos von seriösen (Nachrichten-) Quellen enthielten nur selten hilfreiche und wirksame Informationen hinsichtlich möglicher Präventionsmaßnahmen (Basch et al., 2020). Obgleich YouTube nach eigener Aussage im vergangenen Jahr mehrfach die Algorithmen überarbeitet hat, um Empfehlungen für irreführende Inhalte zu begrenzen und Falschinformationen einzudämmen, erfordert die Corona-Krise noch gesonderte Maßnahmen. YouTube bzw. Google reagiert darauf, indem Richtlinien zu medizinischen Falschinformationen über COVID-19 erlassen werden. Diese sehen beispielsweise vor, dass auf YouTube keine Inhalte erlaubt sind, die (YouTube-Hilfe, 2020)… "… die medizinische Fehlinformationen verbreiten, die im Widerspruch zu medizinischen Informationen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) oder lokaler Gesundheitsbehörden zu COVID-19 stehen. Dies beschränkt sich auf Inhalte, die den Informationen der WHO oder lokaler Gesundheitsbehörden zu folgenden Themen widersprechen: Behandlung Prävention Diagnose Übertragung." Weiterhin veröffentlicht YouTube regelmäßig neue Informationen zum Umgang mit dieser besonderen Situation: https://support.google.com/youtube/answer/9777243?hl=de (Stand: 14. Oktober 2020). YouTube fügt außerdem im Kampf gegen Falschinformationen über COVID-19 jedem Video, welches sich mit dem Video befasst einen Hinweis auf die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Böhm, 2020). Im März 2020 wurde im Zusammenhang mit dem Kampf gegen Desinformationen sogar über den verstärkten Einsatz von Upload-Filtern durch YouTube berichtet (Rusch, 2020). Nichtsdestotrotz erreichten irreführende Videos und Verschwörungserzählungen zu Corona Millionen Nutzende (Chaslot, 2020; Oi-Yee Li et al, 2020), wobei sich diese Falschinformationen nicht signifikant schneller verbreiteten als korrekte Informationen (Cinelli et al., 2020). Die Seite YouTube Culture & Trends gibt einen ständig aktualisierten Überblick über die Rekorde (Videos/Kanäle mit den meisten Abonnent/-innen, Klicks etc.): Externer Link: https://youtube.com/trends/records/ (Stand 22. Juli 2020).
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2022-05-30T00:00:00"
"2021-11-08T00:00:00"
"2022-05-30T00:00:00"
https://www.bpb.de/lernen/bewegtbild-und-politische-bildung/themen-und-hintergruende/youtube-lernmedium/343191/inhalte-und-themen/
YouTube bietet eine maximale Vielfalt an privaten und kommerziellen Videoangeboten. Derzeit lassen sich 18 inhaltliche Genres bzw. Kategorien identifizieren. Während zwischen 2006 und 2009 Musikvideo-Kanäle dominierten, wächst seit 2010 die Bedeutung
[ "YouTube", "Webvideos", "Webvideo", "Selbstverantwortung", "Lernangebote", "Weiterbildungsangebote" ]
30,784
Migrationspolitik – Juli 2021 | Migrationspolitik – Monatsrückblick | bpb.de
Interner Link: Zahl anhängiger Asylverfahren gestiegen Interner Link: Zahl Schutzsuchender 2020 im Vergleich zum Vorjahr kaum gestiegen Interner Link: Deutschland: Letzte Aufnahme von aus Seenot geretteten Schutzsuchenden im September 2020 Interner Link: EU-Untersuchungsbericht übt scharfe Kritik an Frontex, sieht aber keine Belege für Pushbacks Interner Link: Afghanische Regierung ruft zu Abschiebestopp auf Interner Link: Bundesverfassungsgericht gibt Verfassungsbeschwerde in einem Asylverfahren statt Interner Link: Litauen baut Sperranlagen entlang der Grenze mit Belarus aus Interner Link: UNHCR fordert konzertierte Maßnahmen zur Bewältigung von Flucht in Burkina Faso Interner Link: Was vom Monat übrig blieb... Zahl anhängiger Asylverfahren gestiegen Die Zahl der Asylverfahren, über die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) noch nicht abschließend entschieden hat, ist im Vergleich zum Vorjahr Externer Link: deutlich gestiegen – von 42.731 im Juli 2020 auf 70.274 im Juli 2021. Die Zahl anhängiger Verfahren war ab 2013 im Zuge hoher Asylsuchendenzahlen Externer Link: stark angestiegen und belief sich zum Jahresende 2016 auf 433.719. Im Jahr 2017 gelang es dem BAMF, diese Zahl auf 68.245 anhängige Verfahren zu reduzieren und in den Folgejahren noch weiter abzubauen. Ende 2020 waren 52.056 Asylverfahren Interner Link: anhängig. Insgesamt hat das BAMF von Januar bis Juli 2021 über 91.219 Interner Link: Asylanträge entschieden, was einen leichten Rückgang um 0,8 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum bedeutet. 33.170 Asylanträge wurden positiv beschieden, den Antragstellenden wurde also ein Interner Link: Schutzstatus zugesprochen. Damit lag die Gesamtschutzquote bei 36,4 Prozent – 4,2 Prozentpunkte niedriger als im Vorjahreszeitraum (40,6 Prozent). Im Juli 2021 nahm das BAMF 13.843 Asylanträge entgegen (12.193 Erst- und 1.650 Folgeanträge) – 4.978 mehr als im Vorjahresmonat (+ 56,2 Prozent). Die meisten Erstantragstellenden kamen dabei aus Interner Link: Syrien (4.759 Erstanträge), Interner Link: Afghanistan (2.353) und Interner Link: Irak (907). Zahl Schutzsuchender 2020 im Vergleich zum Vorjahr kaum gestiegen Ende 2020 waren in Deutschland Externer Link: nach Angaben des Statistischen Bundesamts rund 1,86 Millionen Schutzsuchende im Ausländerzentralregister (AZR) registriert und damit nur 18.000 (ein Prozent) mehr als im Vorjahr. Dies ist der geringste Zuwachs seit 2011. Zur Gruppe der Schutzsuchenden zählen dabei alle ausländischen Staatsangehörigen, die sich "unter Berufung auf völkerrechtliche, humanitäre oder politische Gründe in Deutschland aufhalten". 54 Prozent dieser Personen sind zwischen 2014 und 2016 nach Deutschland eingereist, weitere 25 Prozent vor 2014. 21 Prozent der Schutzsuchenden sind nach 2016 nach Deutschland gekommen. Etwa 1,4 Millionen Schutzsuchende verfügten Ende 2020 über einen – zumeist zeitlich befristeten – Interner Link: Schutzstatus; rund 63 Prozent davon waren syrische (583.000), afghanische (150.000) oder irakische (141.000) Staatsangehörige. 243.000 Schutzsuchende waren Ende 2020 ausreisepflichtig, weil ihr Asylantrag abgelehnt worden war oder sie ihren Schutzstatus verloren hatten. 86 Prozent (210.000) von ihnen hielten sich allerdings mit einer Interner Link: Duldung in Deutschland auf; die Interner Link: Abschiebung wurde also vorübergehend ausgesetzt. Weitere rund 216.000 Schutzsuchende warteten Ende 2020 noch auf eine rechtskräftige Entscheidung über ihren Asylantrag und waren somit als Personen mit offenem Schutzstatus im AZR erfasst. Den geringen Zuwachs bei der Gesamtzahl der Schutzsuchenden führt das Statistische Bundesamt auf die Reisebeschränkungen im Zuge der Interner Link: Corona-Pandemie zurück. Deutschland: Letzte Aufnahme von aus Seenot geretteten Schutzsuchenden im September 2020 Deutschland hat sich zuletzt im September 2020 bereit erklärt, die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren von zuvor aus Seenot geretteten Personen zu übernehmen. Das geht aus der Externer Link: Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke im Deutschen Bundestag hervor. Zwar hatten sich die Innenminister von Deutschland, Frankreich, Italien und Malta im Interner Link: September 2019 auf einen Mechanismus zur Verteilung von aus Seenot geretteten Schutzsuchenden geeinigt. Dieser war jedoch auf die Dauer von sechs Monaten befristet und folglich im März 2020 ausgelaufen. Bis September 2020 beteiligte sich Deutschland jedoch weiterhin in Einzelfällen an der Aufnahme von aus Seenot geretteten Asylsuchenden. Seitdem hat die Bundesregierung jedoch keine weiteren dieser Schutzsuchenden mehr aufgenommen (Stand: 07. Juli 2021). Insgesamt stimmte Deutschland zwischen Juli 2018 und September 2020 der Durchführung von Asylverfahren von 1.314 aus Seenot geretteten Schutzsuchenden zu. Davon sind bislang 913 Personen tatsächlich aus Malta und Italien nach Deutschland eingereist. Die Differenz ergibt sich nach Angaben der Bundesregierung daraus, dass nicht alle Schutzsuchenden mit der Aufnahme in Deutschland einverstanden waren, untergetaucht sind oder die Bundesrepublik ihre Aufnahme nach einer Sicherheitsbefragung abgelehnt hat. Die Aussicht auf einen Schutzstatus und damit ein Aufenthaltsrecht in Deutschland ist für die Betroffenen gering: Rund 78 Prozent der Asylanträge von aus Seenot geretteten Asylsuchenden lehnte das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ab (Stand: 15. Juni 2021). Externer Link: Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) sind in 2021 bislang 29.243 Schutzsuchende sowie Migrantinnen und Migranten registriert worden, die über den Seeweg nach Italien gelangt sind (Stand: 01. August 2021) – 104 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum (01. Januar 2020 - 01. August 2020: 14.358 Ankünfte). Die meisten Bootsflüchtlinge kamen dabei aus Bangladesch (16 Prozent), Tunesien (14 Prozent) sowie Republik Côte d'Ivoire und Ägypten (jeweils acht Prozent) und hatten mit ihren Booten überwiegend in Libyen, Tunesien oder der Türkei abgelegt. Seit Beginn des Jahres 2021 sind nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) 990 Menschen bei der Überfahrt auf dem zentralen Mittelmeer ums Leben gekommen (Stand: 3. August 2021). EU-Untersuchungsbericht übt scharfe Kritik an Frontex, sieht aber keine Belege für Pushbacks Eine Arbeitsgruppe des EU-Parlaments hat im Rahmen einer vier Monate dauernden Untersuchung keine Beweise für die Interner Link: Vorwürfe gefunden, die Interner Link: Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex) sei an der rechtswidrigen Zurückschiebung von Schutzsuchenden (sogenannte Pushbacks) direkt beteiligt gewesen. In ihrem Mitte Juli in Brüssel Externer Link: vorgestellten Abschlussbericht üben die Abgeordneten jedoch scharfe Kritik an der EU-Agentur. Frontex habe es versäumt, ihr aus gemeinsamen Operationen mit EU-Mitgliedstaaten bekannte oder durch Dritte berichtete Grundrechtsverletzungen "umgehend, wachsam und effektiv anzugehen und weiterzuverfolgen". Agenturchef Fabrice Leggeri habe gegenüber dem Europäischen Parlament stattdessen weiterhin bestritten, über Informationen zu Pushbacks, Pushbackversuchen oder Grundrechtsverletzungen zu verfügen oder Berichte dazu erhalten zu haben. Die Kritik an Frontex dürfte damit nicht abreißen. Zahlreiche Stimmen aus Politik und Wissenschaft Externer Link: fordern bessere Mechanismen zur Kontrolle der Grenzschutzagentur. Zudem Interner Link: ermittelt immer noch das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) gegen die Behördenleitung. Afghanische Regierung ruft zu Abschiebestopp auf Die afghanische Regierung hat europäische Staaten dazu aufgerufen, Abschiebungen nach Interner Link: Afghanistan vorübergehend auszusetzen. Als Gründe nannte die Regierung steigende Corona-Infektionszahlen und die zunehmende Gewalt durch die radikal-islamischen Taliban. Zugleich steige die Zahl der Afghaninnen und Afghanen, die im Ausland Schutz vor dem Vormarsch der Interner Link: Taliban suchten. Die Nachbarländer Afghanistans treffen bereits Vorkehrungen, um sich einerseits gegen einsickernde Gewalt, andererseits vor einer hohen Fluchtzuwanderung abzuschotten. So errichtet Interner Link: Pakistan, wo bereits heute rund 1,4 Millionen afghanische Flüchtlinge leben, seit einiger Zeit einen Zaun entlang der mehr als 2.400 Kilometer langen Grenze mit Afghanistan. Tadschikistan hat 20.000 Militärreservisten zum Schutz seiner Grenze mobilisiert. Das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) warnt derweil vor einer Externer Link: humanitären Krise. Allein seit Januar 2021 sind nach Externer Link: Angaben der UN 329.546 Externer Link: Afghaninnen und Afghanen innerhalb des Landes vertrieben worden – mehr als doppelt so viele wie im Vorjahreszeitraum (Stand: 25. Juli 2021). Externer Link: Die Gesamtzahl der Binnenvertriebenen im Land belief sich laut UNHCR Ende 2020 auf rund 2,9 Millionen Menschen; die Beobachtungsstelle für Binnenvertreibungen (Internal Displacement Monitoring Centre – IDMC) ging Ende 2020 sogar von Externer Link: 3,5 Millionen konfliktbedingten Binnenvertriebenen aus. UNHCR schätzt, dass seit Jahresbeginn 4.000 Afghaninnen und Afghanen in die Nachbarländer geflohen sind. Eine starke Zunahme der Flüchtlingszahlen kann das Hilfswerk derzeit nicht feststellen. Das widerspricht jedoch von UNHCR selbst zitierten Schätzungen der iranischen Regierung, wonach aktuell täglich etwa Externer Link: 5.000 Afghaninnen und Afghanen illegal ins Land einreisten – dreimal mehr als zuvor. Medienberichten zufolge steigt auch die Zahl illegal über Interner Link: Iran in die Türkei einreisender Menschen aus Afghanistan. Offizielle Externer Link: Daten des türkischen Generaldirektorats für Migrationsmanagement zu aufgegriffen irregulären Migrantinnen und Migranten aus Interner Link: Afghanistan bestätigen diesen Zuwachs bislang nicht. Externer Link: Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz warnte die EU vor "Migrationsströmen" aus Afghanistan. Er will an seiner migrationspolitischen Linie festhalten und weiterhin nach Afghanistan abschieben. Auch Deutschland hielt Ende Juli noch an der Praxis fest, afghanische Staatsangehörige, die eine Straftat begangen haben, nach Afghanistan abzuschieben, entschied sich am 11. August dann aber doch für einen einstweiligen Abschiebestopp.* Zuvor hatten bereits andere Länder wie Finnland, Externer Link: Schweden und Externer Link: Norwegen einen vorübergehenden Abschiebestopp verhängt, Externer Link: da keine ausreichenden Informationen zur Entwicklung der aktuellen Sicherheitslage in Afghanistan vorlägen, um verlässliche Asylrechtsentscheidungen treffen zu können. Anfang August Externer Link: stoppte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) per einstweiliger Verfügung die Abschiebung eines abgelehnten afghanischen Asylbewerbers aus Österreich und begründete dies mit der Sicherheitslage. Unter den aktuellen Umständen könnte eine Ausweisung einen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention darstellen. *In einer älteren Version hieß es, dass Deutschland weiterhin an der Abschiebung von Straftätern nach Afghanistan festhält; nach Redaktionsschluss wurde vom Bundesinnenministerium entschieden, vorübergehend nicht mehr nach Afghanistan abzuschieben. Bundesverfassungsgericht gibt Verfassungsbeschwerde in einem Asylverfahren statt Mit der Zurückweisung eines Befangenheitsantrags gegen einen Richter in einem Asylklageverfahren, hat das zuständige Verwaltungsgericht die Grundrechte eines afghanischen Asylbewerbers verletzt. Das hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden und damit einer Verfassungsbeschwerde des Betroffenen stattgegeben. Der Mann hatte im September 2016 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Asyl beantragt. Das BAMF lehnte den Antrag jedoch ab, woraufhin der Betroffene beim zuständigen Verwaltungsgericht Rechtsmittel einlegte. Er lehnte den zuständigen Einzelrichter allerdings wegen der Besorgnis ab, der Richter könnte befangen sein und die Klage gegen den negativen Asylbescheid daher erfolglos bleiben. Der Richter hatte 2019 einer Klage der rechtsextremen Partei NPD gegen die Beseitigung eines ihrer Wahlplakate mit dem Slogan "Stoppt die Invasion: Migration tötet! Widerstand jetzt" stattgegeben. In dem Urteil heißt es, dass der Slogan "'Migration tötet!' nicht als volksverhetzend zu qualifizieren, sondern als die Realität teilweise darstellend zu bewerten" sei. Die seit 2014/2015 nach Deutschland erfolgte Zuwanderung habe "zum Tode von Menschen geführt" und sei "auch geeignet (...), auf lange Sicht zum Tod der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu führen." Das Verwaltungsgericht wies eine Befangenheit des Richters zurück. Das Bundesverfassungsgericht hat nun entschieden, dass sich die Ablehnung des Befangenheitsantrags als willkürlich erwiesen habe und der Beschwerdeführer in seinem Interner Link: Recht auf einen gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) verletzt worden sei. Dem Urteil des Einzelrichters zum NPD-Plakat sei "auf die Stirn geschrieben, dass der Richter, der es abgefasst hat, Migration für ein grundlegendes, die Zukunft unseres Gemeinwesens bedrohendes Übel hält", so das BVerfG. Zahlreiche Passagen des Urteils seien "offensichtlich geeignet, Misstrauen des Beschwerdeführers gegen die Unparteilichkeit des abgelehnten Richters zu begründen". Die Klage gegen den abgelehnten Asylantrag war dennoch erfolgreich: Das Verwaltungsgericht sprach dem afghanischen Mann subsidiären Schutz zu. Litauen baut Sperranlagen entlang der Grenze mit Belarus aus Litauen hat damit begonnen, bereits bestehende Zäune entlang seiner rund 680 Kilometer langen Grenze mit Belarus zu verlängern und mit zusätzlicher Überwachungstechnik auszurüsten. Außerdem wurden Soldatinnen und Soldaten zur Sicherung der Grenze abgestellt. Hintergrund ist die hohe Zahl an Schutzsuchenden, Migrantinnen und Migranten, die seit einigen Monaten über diese Grenze illegal nach Litauen gelangen. Seit Jahresbeginn wurden Externer Link: nach Angaben des litauischen Innenministeriums 4.026 illegal eingereiste Migrantinnen und Migranten registriert (Stand: 03.08.2021). Externer Link: Im gesamten Jahr 2020 waren es gerade einmal 74. Die meisten der bis Ende Juli illegal über die Grenze mit Belarus eingereisten Menschen stammen aus dem Irak, der Republik Kongo und Kamerun. Litauen wirft dem Nachbarland vor, die Menschen als "Waffe" zu benutzen und sie absichtlich über die Grenze zu schicken. Damit wolle der belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko Litauen und die EU bestrafen, weil diese ihn nicht als Sieger der 2020 stattgefundenen Präsidentschaftswahlen anerkennen und Sanktionen verhängt haben. Auch die EU sieht die Situation an der Grenze als absichtlich von der belarussischen Regierung herbeigeführt. Litauen hat unterdessen den nationalen Notstand ausgerufen und die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex) um Unterstützung gebeten, die daraufhin Externer Link: 100 Grenzschützerinnen und Grenzschützer entsandte. Mitte Juli verabschiedete das litauische Parlament ein neues Migrationsgesetz, das es erlaubt, irregulär eingereiste Migrantinnen und Migranten für sechs Monate zu inhaftieren und sie schneller abzuschieben. Die Beziehungen zwischen Litauen und Belarus haben sich seit der belarussischen Präsidentschaftswahl im August 2020 verschlechtert. Beobachterinnen und Beobachter halten das Wahlergebnis für gefälscht. Die Wahl hatte Interner Link: im ganzen Land zu Protesten geführt. Seitdem geht die Regierung massiv gegen Regimegegnerinnen und Regimegegner vor. Zahlreiche Oppositionelle sind bereits ins Ausland geflohen, Interner Link: viele davon nach Litauen. Ende Juli 2021 sorgte der Fall der belarussische Olympia-Teilnehmerin Kristina Timanowskaja für Aufsehen, die nach Kritik an Sportfunktionären von belarussischen Behörden zur vorzeitigen Rückkehr nach Minsk gezwungen werden sollte. Die Sportlerin wandte sich daraufhin am Flughafen von Tokio an die japanische Polizei. Mehrere EU-Staaten boten ihr Asyl an. Fast zeitgleich wurde der Belaruse Vitali Schischow tot in einem Park in der ukrainischen Hauptstadt Kiew aufgefunden. Der politische Aktivist hatte Belarusinnen und Belarusen unterstützt, die vor dem autoritären Regime Lukaschenkos in die benachbarte Ukraine geflohen sind und lebte dort selbst im Exil. UNHCR fordert konzertierte Maßnahmen zur Bewältigung von Flucht in Burkina Faso Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) hat die internationale Gemeinschaft dazu Externer Link: aufgefordert, konzertierte Maßnahmen zu ergreifen, um die Rekordzahl an Menschen zu bewältigen, die in Burkina Faso vor Interner Link: ausufernder Gewalt durch radikal-islamistische Rebellengruppen fliehen. Nach Angaben der Regierung des westafrikanischen Staates sind innerhalb der letzten zwei Jahre 1,3 Millionen Menschen innerhalb des Landes vertrieben worden. Insgesamt gelten sechs Prozent der Bevölkerung als Interner Link: Binnenvertriebene. Seit Januar 2021 sind laut UNHCR mehr als 17.500 Menschen in Nachbarländer geflohen, vor allem nach Mali und Niger. Damit hat sich die Gesamtzahl der Flüchtlinge und Asylsuchenden aus Burkina Faso innerhalb von nur sechs Monaten verdoppelt und beläuft sich in der gesamten Region nun auf rund 38.000. UNHCR stuft die Situation in Burkina Faso im weltweiten Vergleich als "Externer Link: am schnellsten wachsende Vertreibungs- und Schutzkrise" ein. Was vom Monat übrig blieb... Externer Link: Das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster hat entschieden, dass Asylanträge von Geflüchteten, die zuvor in Italien Asyl beantragt oder einen Schutzstatus erhalten haben, nicht ohne Weiteres als unzulässig abgelehnt werden dürfen. Das OVG begründete das mit der "ernsthaften Gefahr einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung" und extremer materieller Not, die Betroffenen bei der Rücküberstellung nach Italien drohe. Mit derselben Begründung Interner Link: hatten deutsche Gerichte bereits Dublin-Überstellungen nach Griechenland gestoppt. In der vorletzten Juliwoche haben rund 300 Migranten aus afrikanischen Staaten versucht, den Interner Link: Grenzzaun der spanischen Exklave Melilla zu Marokko zu überwinden. 238 von ihnen gelangten auf die spanische Seite. Erst im Interner Link: Mai waren mehr als 8.000 Menschen in die nördlich von Melilla gelegenen spanische Exklave Ceuta gelangt. Dies hatte zu diplomatischen Spannungen zwischen Marokko und Spanien sowie der EU geführt. In Belgien haben etwa 475 sogenannte Sans Papiers einen zwei Monate währenden Hungerstreik beendet, mit dem sie auf ihre prekäre Situation aufmerksam machen und für ein Bleiberecht protestierten wollten. Die illegal in Belgien lebenden, überwiegend aus den Maghreb-Staaten stammenden Menschen sollen von der belgischen Regierung nun hinsichtlich ihrer Möglichkeiten individuell beraten werden, eine Aufenthaltserlaubnis zu erhalten. Großbritannien zahlt Frankreich Externer Link: knapp 63 Millionen Euro, um stärker gegen illegale Migration über den Ärmelkanal vorzugehen. Zudem stimmte das britische Unterhaus für ein Gesetz, welches es erlaubt, illegale Grenzübertritte mit Haftstrafen von bis zu vier Jahren zu ahnden. Die Zahl der Migrantinnen und Migranten, die versuchen, über den Ärmelkanal nach Großbritannien zu gelangen, ist stark gestiegen: von rund 2.300 im Jahr 2019 auf mehr als 9.500 im Jahr 2020 und auf mehr als 8.000 in den ersten sieben Monaten des Jahres 2021.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2021-09-30T00:00:00"
"2021-08-10T00:00:00"
"2021-09-30T00:00:00"
https://www.bpb.de/themen/migration-integration/monatsrueckblick/338173/migrationspolitik-juli-2021/
Afghanistans Regierung ruft europäische Staaten auf, Abschiebungen zu stoppen. Deutschland hat seit September 2020 keine aus Seenot geretteten Schutzsuchenden aufgenommen. Der Rückblick auf migrationspolitische Entwicklungen im Juli.
[ "Flucht und Asyl", "Migrationspolitik", "Migration", "Asylbewerber", "FRONTEX", "Schutzsuchende", "Abschiebestopp", "Verfassungsbeschwerde", "Grenzsicherung", "Europäische Union", "Belarus", "Afghanistan", "Burkina Faso", "Litauen" ]
30,785
Steuerfinanzierter Bundeszuschuss zur gesetzlichen Krankenversicherung | Gesundheitspolitik | bpb.de
Gegenüber 2004 ist der Bundeszuschuss mittlerweile beträchtlich angestiegen. Im Jahr 2010 erreichte er mit 15,7 Milliarden Euro – immerhin knapp neun Prozent der GKV-Gesamteinnahmen – seinen bisherigen Höchststand. 2015 belief er sich auf 11,5 Milliarden Euro (s. Tabelle). Entwicklung des Bundeszuschusses zur gesetzlichen Krankenversicherung 2003 bis 2015 JahrBundeszuschuss in Mrd. Euro.in % der GKV-Gesamteinnahmen 2003 00 2004 1,00,69 2005 2,51,72 2006 4,22,80 2007 2,51,60 2008 2,51,54 2009 7,24,18 2010 15,78,94 2011 15,38,33 2012 14,07,38 2013 11,55,87 2014 10,55,14 2015 11,55,41 Quelle: Rosenbrock/Gerlinger 2014: 134; BMG 2016. Der Gesetzgeber verfolgte mit der deutlichen Anhebung des Bundeszuschusses das Ziel, angesichts der Finanzmarktkrise die finanzielle Belastung vor allem der Arbeitgeber, aber auch der GKV-Mitglieder mit Krankenversicherungsbeiträgen zu begrenzen. Es wird abzuwarten sein, ob der Bund am bisherigen Umfang des Steuerzuschusses zur GKV festhalten wird, denn die Krankenkassen haben dank der stabilen Lage auf dem Arbeitsmarkt hohe Rücklagen bilden können und ab 2016 tritt die sogenannte "Schuldenbremse" in Kraft, die der Ausgabenentwicklung bei den öffentlichen Haushalten enge Grenzen auferlegt. Weitere Formen staatlicher Beteiligung an der GKV-Finanzierung Der Staat ist nicht nur durch den Bundeszuschuss an der GKV-Finanzierung beteiligt. Daneben sind noch andere Formen – z.T. indirekter – staatlicher Beteiligung von Bedeutung: Die Bundesländer sind für die Finanzierung der Krankenhausinvestitionen verantwortlich. Dies sind jene Kosten, die für den Krankenhausbau, die Instandhaltung und Erweiterung von Krankenhäusern sowie für die Krankenhauseinrichtung einschließlich der Anschaffung medizinischer Geräte erforderlich sind. Allerdings sind die Bundesländer dieser Pflicht in der Vergangenheit nur unzureichend nachgekommen. Bund, Länder und Gemeinden sind bedeutende Arbeitgeber und tragen als solche den Arbeitgeberanteil an den Krankenversicherungsbeiträgen der Arbeiter und Angestellten im öffentlichen Dienst. Der Bund entrichtet beträchtlichen Zuschüsse zur Rentenversicherung und zur Arbeitslosenversicherung. Diese Sozialversicherungsträger sind wiederum Beitragszahler für die Krankenversicherung von Rentnern und Arbeitslosengeldempfängern. Richtige Antwort: b) Der steuerfinanzierte Bundeszuschuss stieg im Jahr 2010 gegenüber dem Vorjahr sprunghaft an. Richtige Antwort: b) Der steuerfinanzierte Bundeszuschuss stieg im Jahr 2010 gegenüber dem Vorjahr sprunghaft an. Quellen / Literatur Bundesministerium für Gesundheit (BMG) (2016): Gesetzliche Krankenversicherung Vorläufige Rechnungsergebnisse 1.- 4. Quartal 2015, Stand: 14. März 2016. Rosenbrock, Rolf/Gerlinger, Thomas (2014): Gesundheitspolitik. Eine systematische Einführung, 3., vollst. überarb. Aufl., Bern: Verlag Hans Huber. Bundesministerium für Gesundheit (BMG) (2016): Gesetzliche Krankenversicherung Vorläufige Rechnungsergebnisse 1.- 4. Quartal 2015, Stand: 14. März 2016. Rosenbrock, Rolf/Gerlinger, Thomas (2014): Gesundheitspolitik. Eine systematische Einführung, 3., vollst. überarb. Aufl., Bern: Verlag Hans Huber.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2022-01-14T00:00:00"
"2017-07-13T00:00:00"
"2022-01-14T00:00:00"
https://www.bpb.de/themen/gesundheit/gesundheitspolitik/252491/steuerfinanzierter-bundeszuschuss-zur-gesetzlichen-krankenversicherung/
Der Staat spielt als Finanzierungsträger der gesetzlichen Krankenversicherung nur eine geringe Rolle – im Unterschied etwa zur Rentenversicherung und der Arbeitslosenversicherung.
[ "Bundeszuschuss", "Steuerfinanzierung", "Gesetzliche Krankenversicherung (GKV)" ]
30,786
Wem nutzen offene Daten? | Open Data | bpb.de
Anders als viele Geo-Daten standen die Haushaltszahlen des Bundes kostenfrei zur Verfügung (Screenshot: bund.offenerhaushalt.de) Zugang zu Informationen ist eine wesentliche Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe, für Innovationen und wirtschaftliches Wachstum und eine nachhaltige Entwicklung der Wissensgesellschaft insgesamt. Entscheidunsgträger auf allen Ebenen, im Privatleben, in Politik, Verwaltung und Wirtschaft können ihre Entscheidungen immer nur auf Grundlage der Informationen treffen, die ihnen zu einem gegebenen Zeitpunkt zugänglich waren. Durch den verbesserten Zugang zu Informationen steigen die Chancen für qualifizierte Entscheidungen, für effizientes Verwaltungshandeln und für gute Regierungsführung (englisch "Good Governance"). Natürlich lässt sich der gesellschaftliche Nutzen von Kategorien wie "Transparenz, Vertrauen und Beteiligung" nicht quantifizieren. Die Frage nach dem konkreten Nutzen von guter Regierungsführung lässt sich nicht ökonomisch im Sinne eines "Return of Investment" (ROI) beantworten. Dennoch ist seit langem bekannt, dass sich gute Regierungsführung sehr konkret auf die politische, soziale und wirtschaftliche Lage eines Gemeinwesens auswirkt. Die Externer Link: Weltbank hat in einer internationalen Studie Indikatoren für gute Regierungsführung untersucht. Zu den Indikatoren zählen: Verwaltungstransparenz und -effizienz, Partizipation, Verantwortlichkeit, Marktwirtschaft, Gerechtigkeit, Rechtsstaatlichkeit und Korruptionskontrolle. Ein gutes Ranking bei diesen Indikatoren wird in einen direkten Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Entwicklung und Stabilität der Länder gebracht. Das Potential für eine nachhaltige demokratische Entwicklung einerseits sowie für soziale und ökonomische Innovationen andererseits hört natürlich nicht beim Zugang zu großen Datenmengen aus öffentlicher Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft auf. Der Zugang zu diesen Daten bildet vielmehr die Voraussetzung für darauf aufbauende Innovationen, Prozessketten und Anwendungen. Dabei spielt die Digitalisierung von Informationen und der Einsatz von Web2.0-Technologien eine entscheidende Rolle. Der Zugang zu offenen Daten ist der erste Schritt. In weiteren Schritten können diese Daten nun analysiert und ausgewertet, in Anwendungen und Mashups aufgearbeitet und veredelt sowie durch Visualisierungen oder auf Karten dargestellt werden. Oft erfahren die Daten erst durch diese Weiterverarbeitung einen konkreten Nutzwert für Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft ebenso wie für die interne Verwendung durch Verwaltung und Regierung selbst. Hier liegt ein enormes Potential für die Öffnung der Verwaltungen nach innen und nach außen und für eine verstärkte Zusammenarbeit der Verwaltungen über Behördengrenzen hinweg. Kosten und Nutzen Was kosten offene Daten? Bei der Erstellung und Pflege von Daten des Öffentlichen Sektors entstehen Kosten. Diese Kosten werden in der Regel durch Steuergelder finanziert. Behörden und andere Stellen des Öffentlichen Sektors erstellen und pflegen diese Daten ja weder als Selbstzweck, noch um finanziellen Gewinn mit ihnen zu machen, sondern weil sie diese Daten zur Erfüllung ihrer hoheitlichen staatlichen Aufgaben selbst brauchen. Sollten diese Daten dann nicht grundsätzlich ohne weitere Entgelte an Dritte weitergegeben werden? Neben den Kosten der Erstellung und Pflege können für die Bereitstellung von Daten, zum Beispiel über eine Schnittstelle oder in einem Datenkatalog weitere Kosten entstehen. Diese Kosten nennt man "Grenzkosten" (englisch marginal costs). Es gibt Argumente dafür, die Nutzer der Daten an diesen Grenzkosten zu beteiligen, sicherlich aber nicht an den bei der Erstellung und Pflege entstandenen Kosten. Wie kann eine Preisbildung für die Bereitstellung der Daten erfolgen? Preismodelle für Daten des öffentlichen Sektors Es gibt leider nur sehr wenig empirisches Material über die volkswirtschaftlichen Auswirkungen von unterschiedlichen Preismodellen für Daten des Öffentlichen Sektors. Eine viel zitierte Externer Link: Studie der Universität Cambridge (PDF) von 2008 legt nahe, dass die zu erzielenden Gewinne, die aus den Gebühren für Daten des Öffentlichen Sektors erwirtschaftet werden können, wesentlich geringer ausfallen als der zu erwartende volkswirtschaftlichen Mehrwert, der aus der (auch kommerziellen) Nutzung dieser Daten entstehen kann. Ein gutes Beispiel ist der gesunde und innovative Wirtschaftszweig, der sich rund um die Geo- und Wetterdaten in den USA entwickelt hat. Diese Daten sind per Gesetz "gemeinfrei" und somit für jederman für jegliche Zwecke nutzbar. In Deutschland hingegen werden für die Daten aus diesen Sektoren teils hohe Entgelte gefordert. Das Resultat ist bekannt: Aufgrund der hohen Gebühren für die Nutzung und Weiterverarbeitung dieser Daten gibt es in Deutschland in diesem wirtschaftlichen Sektor wesentlich weniger Umsatz, Wachstum und Innovationen. Auch andere Studien wie der MERSI Report "Externer Link: Measuring European Public Sector Information Resources (PDF)", der MICUS Report "Externer Link: Assessment of the Re-use of Public Sector Information (PSI) in the Geographical Information, Meteorological Information and Legal Information Sectors (PDF)", der PIRA Report "Externer Link: Commercial Exploitation of Europe's Public Sector Information (PDF)" deuten in dieselbe Richtung: Preismodelle jenseits der Grenzkosten sind für die Daten des öffentlichen Sektors volkswirtschaftlich nicht sinnvoll. In Deutschland wird die Beschaffung, Nutzung und Weiterverwendung von Daten des öffentlichen Sektors durch die Vielfältigkeit von Preisstrukturen und -modellen in den Verwaltungeinheiten des Bundes, der Länder und der Kommunen unnötig kompliziert. Bei einer digitalen Bereitstellung der Daten über Portale und Dienste fallen geringe Grenzkosten an, da sie keinen zusätzlichen Aufwand für die Verwaltung bedeutet bzw. der Mehraufwand zumindest nur minimal ist.
Article
Daniel Dietrich
"2022-01-17T00:00:00"
"2012-02-17T00:00:00"
"2022-01-17T00:00:00"
https://www.bpb.de/themen/daten/opendata/64058/wem-nutzen-offene-daten/
Was dürfen offene Daten den Anwender kosten? Welche Preismodelle soll die öffentliche Hand für die Herausgabe ihrer Datenbestände entwickeln?
[ "Open Data", "offene Daten", "Transparenz", "Good Governance", "E-Government", "Informationsgesellschaft" ]
30,787
Musik und politische Bildung | Kulturelle Bildung | bpb.de
Stationen Es ist ein langer Weg. Von dem ersten bekannten Instrument der Menschheit, einer Knochenflöte, über die bildungsbürgerlichen Ambitionen zum Musizieren mit Geige, Querflöte, Cello oder Klavier, das Schulorchester, die eigene Band (allein in Berlin existieren ca. 1000 Jugendbands) bis hin zu eigenen Texten und Kompositionen. Die urzeitliche Knochenflöte kommt in Werner Herzogs Film “Höhle der vergessenen Träume – 3D” (2011) vor. Ein Mitarbeiter des Tübinger Urgeschichts-Professors Nicholas Conard spielt im Film die amerikanische Nationalhymne auf dem Instrument. In einem Interview wird Prof. Nicholas Conard gefragt, wie es dazu kam – Seine Antwort: Als die Flöte entdeckt wurde, war die erste Frage natürlich: Wie klingt dieses Kunstwerk? Ich sagte also meinem Mitarbeiter Wulf Hein, dass er bei der öffentlichen Präsentation auf der Flöte spielen sollte. Er meinte, er wäre experimenteller Archäologe, aber kein Musiker. Schließlich hat er doch zugestimmt. Am Abend vor der Pressekonferenz schickte er mir eine E-Mail mit dem Betreff “Obama gewidmet” – er hatte als erste Melodie auf dem ältesten Instrument der Welt die Nationalhymne der USA gespielt. Und zwar deshalb, weil die ersten drei Töne dieser Flöte tatsächlich an diese Hymne erinnern. Bei unserer Pressekonferenz haben wir das Stück nicht verwendet, aber Herzog wollte natürlich unbedingt das hören, was als erstes auf dieser Gänsegeier-Flöte gespielt worden war Die Stationen der Musik-Geschichte lassen sich auch in individuellen Biographien nachzeichnen. Es sind nicht untypische Stationen politischer und musikalischer Sozialisation. Sozialisation deshalb, weil latente, also nicht-sichtbare und manifeste, also sichtbare, Anteile vorkommen, Anpassung an schulische Anforderungen genauso wie eigene individuelle Entscheidungen. Nimmt man den Fokus politischer Musik, also Musik, die politische Texte enthält, aber auch die, die politische Wirkung erzeugt als (vorläufigen) Endpunkt dieser Entwicklung, so kann vielfach ein Denkmuster unterstellt werden, das soziologisch als “Abgrenzung” bezeichnet werden kann. Vielfach beginnt schon im Kindergarten die musikalische Früherziehung, sie wird in der Grundschule fortgesetzt, vor allem durch Kooperationen mit außerschulischen Partnern wie Musikvereinen, Musikschulen und Gesangvereinen. Daraus kann – wie in der Johannes-Schwartz-(Grund-)Schule in Freiburg-Lehen – der Versuch erwachsen, bereits in der Grundschule eine Band zu gründen. Wenn Musicals zum Schulprofil zählen, wird Musik und Theater verbunden. Später, in den Sekundarstufen, folgt meist individueller Musikunterricht an klassischen Instrumenten. Das Schulorchester bindet die Einzelnen zu einer musikalischen Gemeinschaft zusammen, die bei Schulfesten und Klassenspielen eine öffentliche Funktion erfüllen. Diese musikalische Bildung schult Gehör, Rhythmusgefühl, sie vermittelt Wissen über Musikepochen, klassische und moderne Musik, sie fordert aber auch Durchhaltevermögen und Willensstärke. Irgendwann kann es dann zum Bruch kommen. Die Vorgaben reichen nicht mehr aus, Eigenes will produziert werden. Wenn dann noch die materiellen Voraussetzungen gegeben sind, also das Drum-Set, die E-Gitarre und der Proberaum, dann beginnt eine neue Phase der musikalischen Sozialisation. Im Ausprobieren, im Erlernen der Kunstfertigkeit am eigenen Instrument, an ersten Textentwürfen, besonders aber am gemeinsamen “Musik machen”, entwickelt sich eine Perspektive auf die Welt. Die eigene Musik wird zum Gestaltungsmittel, zum Kommunikationsmittel, das in öffentlichen Auftritten, in Jugendklubs, in Austausch mit den Peers kommt. Feedback, Impulse und Nachfrage nach ersten selbst produzierten CDs sind die Folge. Warum ist dieser beispielhafte Prozess der musikalischen Sozialisation wichtig für das Thema “Musik und politische Bildung”? Meine These: Parallel zu diesem Prozess erfolgt eine “Politisierung”, die immer auch mit einer “Radikalisierung” verbunden ist. In der Jugendphase vervielfältigt sich der Musikkonsum, die präferierten Stile ändern sich immer wieder. Die Abgrenzung zu anderen Gleichaltrigen spielt dabei ebenso eine Rolle wie die Abgrenzung gegenüber Erwachsenen. Legt man einen soziologischen Jugendbegriff zugrunde, der sich nicht auf ein bestimmtes Alter festlegt, sondern ökonomische Faktoren, Selbständigkeit, Autonomie usw. berücksichtigt, dann dürften sowohl in der musikalischen wie in der politischen Sozialisation hier entscheidende Weichen gestellt werden, die sensible Phasen genannt werden. Die Suchbewegungen bestimmen den Weg, Festlegungen sind immer nur vorläufig. Musik und politische Bildung. Ein “vermintes” (ambivalentes) Verhältnis Das Verhältnis von “Musik und politischer Bildung” kann ein Stück weit abgegrenzt werden vom Verhältnis von “Musik und Politik” . Für Musik und Politik werden kategoriale Unterscheidungen eingefordert, nicht nur die außerschulische Bildung wehrt sich zu Recht gegen eine wechselseitige “Kolonisierung” beider Felder. Dennoch wird neben der Differenz auch das Gemeinsame gesehen, die Überschneidungen als gesellschaftliche Praxis, als öffentliches Handeln, als Austausch und Kommunikation. Bis hin zur These, beide seien aufeinander angewiesen, um demokratische Kultur zu ermöglichen. Hier wird ein anderer Ansatz versucht: Musik und politische Bildung stehen beide unter dem Signum der “Vermittlung”. Die gesuchte Mitte liegt beim eingegrenzten Thema der politischen Musik (gibt es auch eine musikalische Politik?). Wie kann dies näher bestimmt werden? Im Folgenden werden mehr Fragen gestellt als beantwortet, mehr Deutungen und Lesarten, mehr fachdidaktische Lernwege skizziert als umfassend entwickelt. Im aktuellen Diskurs um kulturelle Bildung erscheint dies notwendig, um allgemeine Aussagen auf das Vermittlungsproblem beider Sphären herunter zu brechen, aber auch, um Abgrenzungen und Sackgassen deutlich zu machen. Diese Gefahren werden als “Fallen” oder auch als “Fehlkonzepte” bezeichnet. Fallen “Vermintes Gelände”, diese martialische Metapher zielt ebenso wie der Hinweis auf eine “Kolonisierung” als feindliche Landnahme darauf ab, dass in der schulischen politischen Bildung private Musik-Interessen von Jugendlichen instrumentalisiert werden. Eigentlich nur, um die abstrakte Politik irgendwie zu illustrieren, zu veranschaulichen, “lebendiger” zu machen, bunter. Es bleibt dabei, dass etwas über Politik und Gesellschaft gelernt werden soll. Können aber politische Songtexte prinzipiell etwas über Politik und Gesellschaft aussagen? Ist nicht eine sozialwissenschaftliche Analyse notwendig? Hier kommen zwei weitere Fallen ins Spiel: Sind diese Songtexte nicht notwendig populistisch? Verkürzen sie nicht differenzierte Sichtweisen? Und: Im Kern zielt politische Bildung auf Urteilsbildung (Massing 2003, 91ff.), werden aber in den Texten Urteile gefällt, ohne dass vorher und systematisch ein Problem, ein Fall oder ein Konflikt mehrperspektivisch erfasst und an Kriterien orientiert (Effizienz und Legitimität) kontrovers thematisiert wird? Hier beginnen erste Zweifel: Könnte es sein, dass Urteilen anhand von Texten gelernt werden kann, dass die Texte selbst mehrperspektivisch angelegt sind? Hier spielt der (situative, gesellschaftliche, politische, historische) Kontext eine wichtige Rolle. Erst dieser Kontext macht aus einem Song einen politischen Song, erst in der Interaktion von Band und Publikum bilden sich, bzw. eher: verstärken sich vorhandene Einstellungen zu Gesellschaft und Politik. Hinzu kommt: Politikunterricht beinhaltet als Strukturmoment “Kontroversität” (Beutelsbacher Konsens 1976). Zwei Varianten sind möglich: Entweder enthält das Lied selbst kontroverse Sichtweisen oder aber es wird eine bestimmte Position, ein Standpunkt vertreten. Aufgabe von Lehrer/-in und Schülern/-innen wäre es dann, Kontroversität mithilfe anderer Standpunkte oder Liedtexte herzustellen bzw. zu inszenieren. Politisches Selbstverständnis und “Wirkung” Lassen wir zwei Protagonisten selbst zu Wort kommen. Der 2011 verstorbene Liedermacher Franz-Josef Degenhardt wurde in den 1960er-Jahren gefragt: “Warum singen Sie politische Lieder und was versprechen Sie sich davon?” Er antwortete: “Zunächst einmal: ich bin Liedermacher und Liedersänger, das ist mein Job. Dann bin ich nahezu ausschweifend politisch interessiert, und das zeigt sich selbstverständlich in meinen Liedern, und darum sind meine Lieder politische Lieder. Welche Wirkungen politische Lieder haben, darüber liegen wenige Informationen vor. Was ich u.a., aber nicht ausschließlich, mit den Liedern erreichen möchte, ist, beizutragen zum Abbau antisozialistischer und antikommunistischer Vorurteile. (…)” (Arnold 1972, 19) Die Ost-Kult-Band “Silly” (mit Sängerin Anna Loos) nimmt in einem Interview Stellung zu ihrem politischen Selbstverständnis. Ticket: Was macht für Sie die Kraft eines Silly-Songs aus? “Textlich beschäftigt sich die Band nicht mit Tagespolitik, aber uns interessieren die Defizite in der Gesellschaft. Wir wollen Liebeslieder schreiben, aber auch politisch sein – auf unsere Art und Weise. Die Texte waren immer vielschichtig bei dieser Band...” Aus beiden Statements wird deutlich, dass die Künstler nicht zur Selbstüberschätzung neigen, was die Wirkung ihrer Lieder angeht. Zum anderen aber auch, dass sie ein spezifisches, man könnte (fast) sagen: “künstlerisches” Politikbild besitzen. Notwendigerweise haben ihre Lieder wenig mit Tages- oder Parteipolitik zu tun. Sie wollen auch nicht von der Politik vereinnahmt werden. Verallgemeinert: Eine deutliche Distanz zur “realen” Politik (oder: Realpolitik) kennzeichnet das künstlerische Selbstverständnis. Praxisbeispiele In der kulturellen Bildung belegen vielfältige Projekte und Initiativen das Potenzial von Musik und politischer Bildung. Folgende Skizzen fokussieren die schulische politische Bildung. Für die Analyse von politischen Songtexten wurde ein zweidimensionales Interpretationsraster entwickelt, das eine hermeneutische Stufung in Verstehen, Auslegen und Anwenden (Gadamer) sowie eine vorläufige Trennung von Musik und Politik vornimmt und u.a. folgende Fragestellungen stichwortartig vorschlägt: bezogen auf Musik: Thema, Text, Musik(stil) Identitätskonstruktion, Lebensgefühl Machart, (Selbst-)Ironie, Parallelisierung, Umkehrung Vor-Urteile, Klischees, Utopie Erzählperspektive, Narration “Wirkung”, Botschaft, Kritik, Alternativen bezogen auf die Politik: Kategorien, Akteure, Interessen Soziale Gegensätze, Zusammenleben Konfliktlinien, Krieg und Frieden, Staat Symbole, Metaphern Solidarität, Kämpfen Macht – Gegenmacht, Ideologie, Populismus Abgrenzungen, Einzelner – Gruppe Politisches Urteil, Stellvertretung Politikbild, Demokratiebild Dieses vorläufige Interpretationsraster muss bei konkreten Songs sowohl erweitert als auch eingegrenzt werden. Die skizzierten Zugänge und Instrumentarien können beispielsweise auf den Song "Weck mich auf“ des Hip-Hoppers Samy Deluxe angewendet werden. Die Auswahl hängt zusammen mit einer qualitativen Studie zu den Themenwelten und dem politischen Interesse von “bildungsfernen” Jugendlichen . Die Autoren sprechen von einem “unsichtbaren” Politikprogramm, das durch Musik sichtbar werden kann. Hip-Hop wird als “Einflugschneise” für politische Bildung bezeichnet, Musik ist den Jugendlichen generell wichtig, Bushido ist beliebt , den Texten wird “eine hohe Authentizität” zugeschrieben. Die Texte behandeln “Themen, mit denen man sich selbst auskennt, mit denen man sich identifiziert” . “Rap-Musik ist für die Jugendlichen (authentisches) Sprachrohr … wenn es um politische Themen geht.(…) Für Jugendliche mit Migrationshintergrund spielt (…) auch Musik aus ihrer Heimat eine entscheidende Rolle. Ob Pop, Elektro, Hip-Hop, teilweise sogar Folklore: Diese Musik bedeutet für die Jugendlichen Heimat, man ist stolz auf die Herkunftskultur, die Stücke werden demonstrativ gehört, um v.a. den Peers ohne Migrationshintergrund zu zeigen: Das ist meine Sprache, meine Kultur. Ich habe etwas, was ihr nicht versteht, etwas, wo ich mich besser auskenne.” Aufgrund der Vielfalt der Musikstile, die von Jugendlichen gehört werden, kann der Politikunterricht politische Lernpotenziale nutzen in englischen und deutschen Protestsongs , englischen und deutschen Reggaesongs, rechter Musik, Heavy Metal, Punk und Hip-Hop. Dabei kann sich die Analyse immanent auf einen Stil konzentrieren oder aber auch Vergleiche anstellen (Themen, Botschaften, Politikbilder usw.). Literaturliste (Auswahl) Bundeszentrale für politische Bildung: Protestsongs. Entstehung, Geschichte und Inhalte vom Zweiten Weltkrieg bis heute. Lehrermaterialien. Unterrichtsmaterialien. Bonn 2010. Bundeszentrale für politische Bildung: Protestsongs.de. Eine Kreuzfahrt durch die Geschichte des deutschsprachigen Protestsongs, Bonn 2009 (Doppel-CD, Lizenzausgabe). Bushido (mit Lars Amend): Bushido, München 2008. Calmbach, Marc/Silke Borgstedt (Sinus Sociovision GmbH): ‚Unsichtbares‘ Politikprogramm? Themenwelten und politisches Interesse von “bildungsfernen” Jugendlichen im Alter von 14-19 Jahren. Zusammenfassung der zentralen Befunde einer qualitativen Untersuchung von Sinus Sociovision im Rahmen des bpb-Projekts: Elementarisierung von politischer Bildung, Heidelberg/Berlin, Mai 2010. Canaris, Ute (Hrsg.): Musik // Politik. Texte und Projekte zur Musik im politischen Kontext, Bochum 2005. Canaris, Ute: Dienerin, Gefährtin oder Wegweiserin? Was Musik mit Politik zu tun hat, in: Canaris, Ute (Hrsg.): Musik // Politik. Texte und Projekte zur Musik im politischen Kontext, Bochum 2005, 21-46 Dengel, Sabine/Milena Mushak/Dominic Sickelmann: Neue Wege für die politische Bildung. Projekte der kulturellen politischen Bildung bei der bpb, Externer Link: http://.bpb.de/gesellschaft/kultur/kulturelle-bildung/59956/neue-wege-fuer-politische-bildung Dümcke, Wolfgang/Fritz Vilmar (Hrsg.): Kolonialisierung der DDR, Münster 1996 Ender, Bernd: “Politik und Musik” – Musik als Medium des Politischen und als innovativer Lernweg für den Politikunterricht in der Realschule (Examensarbeit PH Freiburg 2008). Fietz, Yvonne: Partizipation durch Kultur, in: Interner Link: http://www.bpb.de/gesellschaft/kultur/kulturelle-bildung/59951/partizipation-durch-kultur Goll, Thomas: Musik und Politik. Ein viel versprechendes Medium für den Unterricht, in: Praxis Politik, 6/2006, 4-8. Kabashi, Mera: Musik als politisches Sprachrohr von Jugendlichen - Integration als Thema in Hip Hop Texten -. Ein innovativer Lernweg im Politikunterricht der Hauptschule (Examensarbeit PH Freiburg 2011). Kleinen, Günter: Musik als Medium der politischen Bildung, in: Musik und Gesellschaft. Themenheft: aus Politik und Zeitgeschichte, 11/2005, 34-39. Lietzmann, Hans J.: Politik und Musik. Gemeinsamkeit und Differenz, in: Canaris, Ute (Hrsg.): Musik // Politik. Texte und Projekte zur Musik im politischen Kontext, Bochum 2005 (Bundeszentrale für politische Bildung), 47-73. Massing, Peter: Kategoriale politische Urteilsbildung, in: Hans-Werner Kuhn: Urteilsbildung im Politikunterricht. Ein Multimediaprojekt: Buch – Video - CD-ROM, Schwalbach 2003, 91-108 Musik und Gesellschaft. Themenheft: Aus Politik und Zeitgeschichte, 11/2005. Musik und Politik, Themenheft Praxis Politik, Dezember 6/2006 (Beilage: Musik-CD). Politische und kulturelle Bildung. “Kulturelle und politische Bildung sollen sich nicht gegenseitig kolonisieren”. Interview mit Dr. Helle Becker, in: Interner Link: http://www.bpb.de/gesellschaft/kultur/kulturelle-bildung/59945/interview-bildung-nicht-kolonialisieren Sander, Wolfgang: Was ist politische Bildung?, in: Interner Link: http://www.bpb.de/gesellschaft/kultur/kulturelle-bildung/59935/politische-bildung Schmitz, Michael: Spielräume für Spielfilme. Ein Konzept für den Einsatz von Spielfilmen im Kontext politischer Urteilsbildung, in: Gesellschaft – Wirtschaft – Politik (GWP), H.2/2009, 299-319. Seibt, Marco: Musik (Pop), in: Anja Besand/Wolfgang Sander (Hrsg.): Handbuch Medien in der politischen Bildung, Bonn 2010, 320-333. Nach den Befunden der JIW-Studie 2011 macht jeder vierte Jugendliche selbst Musik (24%), sei es durch das Spielen eines Instruments oder Mitwirkung in einem Chor; 2005 waren es 18%. vgl. die wenigen Beiträge zu diesem Verhältnis: Canaris, Lietzmann, Goll, APuZ-Themenheft: Musik und Gesellschaft. Vgl. Sander, Wolfgang: Was ist politische Bildung?, Interner Link: http://www.bpb.de/gesellschaft/kultur/kulturelle-bildung/59935/politische-bildung ; vgl. Interview mit Helle Becker, Interner Link: http://www.bpb.de/gesellschaft/kultur/kulturelle-bildung/59945/interview-bildung-nicht-kolonialisieren ) Lietzmann, Hans J.: Politik und Musik. Gemeinsamkeit und Differenz, in: Canaris, Ute (Hrsg.): Musik // Politik. Texte und Projekte zur Musik im politischen Kontext, Bochum 2005 (Bundeszentrale für politische Bildung), 47-73 Etwa in diesem Online-Dossier der bpb, Interner Link: www.bpb.de/kulturellebildung “Kolonisierung bedeutet in ihrem Kern die politische, ökonomische und kulturelle Dominanz eines gesellschaftlichen Systems im Verhältnis zu einem anderen.” (Dümcke, Wolfgang/Fritz Vilmar (Hrsg.): Kolonialisierung der DDR. Münster 1996, 14 Vgl. das Interview mit Helle Becker, die mit Blick auf die außerschulische Bildung der kulturellen wie der politischen Bildung rät, “sich nicht gegenseitig kolonialisieren zu wollen.” Interner Link: http://www.bpb.de/gesellschaft/kultur/kulturelle-bildung/59945/interview-bildung-nicht-kolonialisieren Vgl. Seibt 2010; vgl. die Einbindung des Spielfilms “Die fetten Jahre sind vorbei”, der an das Thema “Soziale Ungleichheit” angedockt wird: Schmitz, GWP 2009, 299-319. Vgl. Seibt 2010; vgl. die Einbindung des Spielfilms “Die fetten Jahre sind vorbei”, der an das Thema “Soziale Ungleichheit” angedockt wird: Schmitz, GWP 2009, 299-319. vgl. Fietz, Yvonne: Partizipation durch Kultur, in: Interner Link: http://www.bpb.de/gesellschaft/kultur/kulturelle-bildung/59951/partizipation-durch-kultur ; vgl. Dengel, Sabine/Milena Mushak/Dominic Sickelmann: Neue Wege für die politische Bildung. Projekte der kulturellen politischen Bildung bei der bpb, in: Interner Link: http://www.bpb.de/gesellschaft/kultur/kulturelle-bildung/59956/neue-wege-fuer-politische-bildung; vgl. auch: Online-Dossier Kulturelle Bildung der bpb: www.bpb.de/kulturellebildung Daneben kann der Musikstil untersucht werden, aber auch die Verknüpfung von Text und Stil. Seminarpapier: Kuhn/Oeftering/Biegert 2011 Calmbach, Marc/Silke Borgstedt (Sinus Sociovision GmbH): ‚Unsichtbares‘ Politikprogramm? Themenwelten und politisches Interesse von “bildungsfernen” Jugendlichen im Alter von 14-19 Jahren. Zusammenfassung der zentralen Befunde einer qualitativen Untersuchung von Sinus Sociovision im Rahmen des bpb-Projekts: Elementarisierung von politischer Bildung, Heidelberg/Berlin, Mai 2010 vgl. Kabashi, Mera: Musik als politisches Sprachrohr von Jugendlichen - Integration als Thema in Hip Hop Texten -. Ein innovativer Lernweg im Politikunterricht der Hauptschule (Examensarbeit PH Freiburg 2011) Sinus Sociovision 2010, 20 Sinus Sociovision 2010, 21 Bundeszentrale für politische Bildung: Protestsongs. Entstehung, Geschichte und Inhalte vom Zweiten Weltkrieg bis heute. Lehrermaterialien. Unterrichtsmaterialien. Bonn 2010 Bundeszentrale für politische Bildung: Protestsongs.de. Eine Kreuzfahrt durch die Geschichte des deutschsprachigen Protestsongs, Bonn 2009 (Lizenzausgabe)
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2021-06-23T00:00:00"
"2012-02-20T00:00:00"
"2021-06-23T00:00:00"
https://www.bpb.de/lernen/kulturelle-bildung/65364/musik-und-politische-bildung/
Was hat die Gründung einer Rockband mit Politik zu tun? Kann man von Kolonialisierung sprechen, wenn im Politikunterricht Songtexte analysiert werden? Musik und politische Bildung haben verschiedenste Schnittmengen und Berührungspunkte. Ihre Verbindu
[ "" ]
30,788
Ausgewählte Armutsgefährdungsquoten | Die soziale Situation in Deutschland | bpb.de
Im Jahr 2021 galt rund jede sechste Person in Deutschland als armutsgefährdet: 16,9 Prozent der Bevölkerung bezogen ein Einkommen, das weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens entsprach. Ohne die umverteilende Wirkung von Sozialleistungen wäre sogar jede vierte Person in Deutschland armutsgefährdet. Überdurchschnittlich häufig sind Erwerbslose betroffen – rund die Hälfte war 2021 armutsgefährdet. Ebenso besteht bei Alleinerziehenden ein auffällig hohes Armutsrisiko – vier von zehn galten 2021 als armutsgefährdet. Fakten Im Jahr 2021 waren in Deutschland 16,9 Prozent der Bevölkerung armutsgefährdet. Laut Mikrozensus lag dabei der Schwellenwert für Armutsgefährdung in Deutschland für Alleinlebende bei 1.145 Euro pro Monat. Zwei Erwachsene mit zwei Kindern unter 14 Jahren waren armutsgefährdet, wenn sie zusammen und nach Einbeziehung staatlicher Transferleistungen ein Einkommen von weniger als 2.405 Euro pro Monat zur Verfügung hatten. Bei Alleinerziehenden mit einem Kind unter 14 Jahren lag die Armutsgefährdungsschwelle im Jahr 2021 bei 1.489 Euro, bei zwei Erwachsenen ohne Kinder bei 1.718 Euro. Nach Angaben des Mikrozensus bestehen bei der Armutsgefährdung deutliche Unterschiede zwischen den Altersgruppen. Wie bei vorangehenden Erhebungen in den Jahren 2005 bis 2020 war die Armutsgefährdungsquote der 18- bis unter 25-Jährigen auch 2021 am höchsten: Mit 25,8 Prozent war gut ein Viertel dieser Altersgruppe armutsgefährdet. An zweiter Stelle standen – wie bei vorangehenden Erhebungen – die unter 18-Jährigen mit 21,3 Prozent. Bei den 25- bis unter 50-Jährigen bzw. bei den 50- bis unter 65-Jährigen lag die Armutsgefährdungsquote im Jahr 2021 bei 14,9 bzw. 13,0 Prozent. Die Armutsgefährdung der 65-Jährigen und Älteren hat sich bei den vorangehenden Erhebungen von 11,0 Prozent im Jahr 2005 auf 16,3 Prozent im Jahr 2020 erhöht. 2021 lag die Quote bei 17,6 Prozent. Am stärksten erhöht Erwerbslosigkeit die Armutsgefährdung. 2021 waren 49,4 Prozent aller Erwerbslosen in Deutschland armutsgefährdet. Bei den Erwerbstätigen waren es im selben Jahr lediglich 8,9 Prozent. Die Armutsgefährdung von Personen im Ruhestand lag mit 18,2 Prozent etwas über dem Wert der Gesamtbevölkerung. Auch der Bildungsabschluss hat Auswirkungen auf die Armutsgefährdung. So lebten im Jahr 2021 lediglich 6,7 Prozent der Personen mit einem hohen Bildungsstand in Armut (Personen im Alter von 25 Jahren und älter / Bildungsstand nach der Klassifikation ISCED – International Standard Classification of Education). Bei Personen mit einem mittleren Bildungsstand waren es im selben Jahr 16,4 Prozent. Schließlich lag die Armutsgefährdungsquote der Personen mit niedrigem Bildungsstand im Jahr 2021 bei 39,8 Prozent. Der Zusammenhang zwischen niedrigem Bildungsstand und hohem Armutsrisiko ist nicht nur bei allen Erhebungen seit 2005 festzustellen, sondern der Unterschied zu den Personen mit mittlerem bzw. hohem Bildungsstand hat sich dabei insgesamt immer weiter erhöht. Im Jahr 2021 waren 42,3 Prozent aller Personen in Haushalten von Alleinerziehenden armutsgefährdet – das entsprach in etwa dem Mittelwert der Jahre 2005 bis 2020. Überdurchschnittlich hoch waren im Jahr 2021 auch die Armutsgefährdungsquote der Haushalte von zwei Erwachsenen mit drei oder mehr Kindern (32,2 Prozent) sowie die der Einpersonenhaushalte (28,2 Prozent). Deutlich unter dem Durchschnitt lagen hingegen die Quoten der Haushalte von zwei Erwachsenen ohne Kind (9,2 Prozent), mit einem Kind (8,9 Prozent) oder mit zwei Kindern (11,3 Prozent). Begriffe, methodische Anmerkungen oder Lesehilfen Weitere Informationen zur Armutsgefährdung von Migranten erhalten Sie Interner Link: hier... Die Armutsgefährdungsquote gibt an, wie hoch der Anteil der armutsgefährdeten Personen an einer Gesamtgruppe ist. Als armutsgefährdet gelten Personen, deren Einkommen weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens beträgt. Dabei berücksichtigt die Einkommensberechnung sowohl die unterschiedlichen Haushaltsstrukturen als auch die Einspareffekte, die durch das Zusammenleben – durch gemeinsam genutzten Wohnraum, beim Energieverbrauch pro Kopf oder bei Haushaltsanschaffungen – entstehen. Die Einkommen werden also gewichtet. Zur Ermittlung des Einkommens wird zunächst das von allen Haushaltsmitgliedern tatsächlich erzielte Haushaltseinkommen zusammengefasst. Dieses setzt sich zusammen aus dem Einkommen aus selbstständiger und unselbstständiger Erwerbstätigkeit, dem Einkommen aus Vermögen, Renten und Pensionen sowie empfangenen laufenden Sozialtransfers – wie zum Beispiel Arbeitslosengeld, Sozialhilfe oder Kindergeld. Direkte Steuern und Sozialbeiträge werden abgezogen. Anschließend wird das verfügbare Einkommen gewichtet bzw. das sogenannte Äquivalenzeinkommen ermittelt. Dazu wird das verfügbare Haushaltseinkommen unter Berücksichtigung eines Gewichtungsschlüssels (Äquivalenzskala) geteilt. Die Äquivalenzskala weist dabei der ersten erwachsenen Person stets das Gewicht 1 zu. Weitere Erwachsene und Kinder ab 14 Jahren erhalten das Gewicht 0,5, Kinder unter 14 Jahren das Gewicht 0,3. Ein Beispiel: Eine Familie mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern unter 14 Jahren hat nach der Äquivalenzskala das Gesamtgewicht 2,1 (1 plus 0,5 plus 0,3 plus 0,3). Zu Berechnung des Äquivalenzeinkommens muss das verfügbare Haushaltseinkommen demnach durch 2,1 – und nicht durch die Anzahl der Personen – geteilt werden. Bei einem verfügbaren Haushaltseinkommen von beispielsweise 2.100 Euro hat jedes der vier Haushaltsmitglieder ein Äquivalenzeinkommen von 1.000 Euro. Um das mittlere Einkommen zu berechnen, wird der Median (Zentralwert) verwendet. Dabei werden hier alle Personen ihrem gewichteten Einkommen nach aufsteigend sortiert. Der Median ist der Einkommenswert derjenigen Person, die die Bevölkerung in genau zwei Hälften teilt. Das heißt, die eine Hälfte hat ein höheres, die andere ein niedrigeres gewichtetes Einkommen. 60 Prozent dieses Medianwertes stellen die Armutsgefährdungsgrenze dar. Ausgewählte Armutsgefährdungsquoten In Prozent, nach Sozialleistungen, 2021 Armutsgefährdungsquoten 1 nach Sozialleistungen Bevölkerung insgesamt 16,9 Männer 16,0 Frauen 17,8     unter 18-Jährige 21,3 18- bis unter 25-Jährige 25,8 25- bis unter 50-Jährige 14,9 50- bis unter 65-Jährige 13,0 65-Jährige und Ältere 17,6     Erwerbstätige 2 8,9 Erwerbslose 2 49,4 Personen im Ruhestand 3 18,2     hoher Bildungsstand 4 6,7 mittlerer Bildungsstand 4 16,4 niedriger Bildungsstand 4 39,8     Personen mit Migrationshintergrund 5 28,6 Personen ohne Migrationshintergrund 5 12,5 ohne deutsche Staatsangehörigkeit 35,9 mit deutscher Staatsangehörigkeit 14,1     Einpersonenhaushalt 28,2 2 Erwachsene ohne Kind 6 9,2 2 Erwachsene mit 1 Kind 6 8,9 2 Erwachsene mit 2 Kindern 6 11,3 2 Erwachsene mit 3 oder mehr Kindern 6 32,2 1 Erwachsene mit Kind(ern) 6 42,3     Ostdeutschland 18,0 Westdeutschland 16,7 Armutsgefährdungs-quoten 1, 7vor Sozialleistungen insgesamt 26,8 unter 18-Jährige 37,4 18- bis unter 65-Jährige 25,5 65-Jährige und Ältere 22,1 Fußnote: 1 Berechnungsgrundlagen: 60%-Median, modifizierte OECD-Skala. Fußnote: 2 Nach dem Labour-Force-Konzept der International Labour Organization (ILO). Fußnote: 3 Nichterwerbspersonen mit Bezug einer eigenen (Versicherten-) Rente bzw. Pension und Personen im Alter von 65 Jahren und älter mit überwiegendem Lebensunterhalt aus einer Hinterbliebenenrente, -pension. Fußnote: 4 Personen im Alter von 25 Jahren und älter. Bildungsstand nach der Klassifikation ISCED (International Standard Classification of Education). Fußnote: 5 Eine Person hat einen Migrationshintergrund, wenn sie selbst oder mindestens ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch Geburt besitzt. Fußnote: 6 Zu den Kindern zählen Personen im Alter von unter 18 Jahren ohne Lebenspartner/-in und eigene Kinder im Haushalt. Fußnote: 7 Abweichende Datenquelle: EU-SILC (Mikrozensus-Unterstichprobe zu Einkommen und Lebensbedingungen). Armutsgefährdungsquote nach Sozialleistungen insgesamt: 16,0 Prozent / unter 18-Jährige: 16,4 Prozent / 18- bis unter 65-Jährige: 14,7 Prozent / 65-Jährige und Ältere: 19,4 Prozent. Quelle: Statistisches Bundesamt: Mikrozensus Quellen / Literatur Statistisches Bundesamt: Mikrozensus; EU-SILC (Mikrozensus-Unterstichprobe zu Einkommen und Lebensbedingungen) Statistisches Bundesamt: Mikrozensus; EU-SILC (Mikrozensus-Unterstichprobe zu Einkommen und Lebensbedingungen)
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2023-04-13T00:00:00"
"2012-02-01T00:00:00"
"2023-04-13T00:00:00"
https://www.bpb.de/kurz-knapp/zahlen-und-fakten/soziale-situation-in-deutschland/61785/ausgewaehlte-armutsgefaehrdungsquoten/
Im Jahr 2021 galt rund jede sechste Person in Deutschland als armutsgefährdet. Überdurchschnittlich häufig sind Erwerbslose betroffen. Ebenso Alleinerziehende und Personen mit niedrigem Bildungsstand.
[ "Zahlen und Fakten", "Gesellschaft", "Deutschland", "Armut", "Armutsgefährdung", "Armutsquote", "Äquivalenzeinkommen" ]
30,789
In zehn Schritten zum eigenen MOOC | MOOCs und E-Learning 2.0 | bpb.de
Sie haben schon einiges über MOOCs gelesen, haben an dem einen oder anderen sogar teilgenommen? Und jetzt kribbelt es Ihnen in den Fingern? Sie haben Lust, selbst einen zu veranstalten? Dann los! Schritt 1 - Will ich das wirklich? Oder besser, warum will ich das? Erforschen Sie vorab ein wenig Ihre eigenen Motive. Geht es um die Ehre, um eine möglichst hohe Anzahl Teilnehmender? Um Reputation? Oder gehören Sie zu der Art von Lehrenden, die einfach gerne Neues ausprobieren? Und beständig selbst dazulernen wollen? Was auch immer hinter dem Wunsch nach dem eigenen MOOC steckt, machen Sie sich Ihre Motive klar. Denn nur so können Sie im Anschluss beurteilen, wie erfolgreich Sie mit Ihrem MOOC-Projekt waren. Schritt 2 - Wie viel Zeit habe ich für meinen MOOC? Einen MOOC zu veranstalten, das macht man nicht so nebenbei. Dazu braucht es Zeit. Und davon haben die meisten von uns nicht allzu viel. Welche Aufgaben möchten und können Sie in der nächsten Zeit ruhen lassen? Schließlich müssen Sie sich mit einem MOOC vorbereitend, durchführend und nachbereitend beschäftigen. Zu welchen Tageszeiten wollen und können Sie das tun? Je genauer Sie vorab wissen, wie viel Zeit Sie wann investieren können und wollen, desto leichter können Sie das später auch gegenüber Mitveranstaltenden und Teilgebenden artikulieren. Apropos Mitveranstaltende. Schritt 3 - Mit wem will ich mich zusammentun? MOOCen macht mehr Spaß im Team! Und das nicht nur, weil das eigene Zeitkontingent begrenzt ist. Mitveranstaltende sind zudem häufig Teil unterschiedlicher Netzwerke. Das wirkt sich positiv bei der Bewerbung des MOOCs aus (s. Schritt 7). Und unterschiedliche Menschen haben verschiedene Vorlieben und Talente, die sie in einen MOOC einbringen können. Während einer seine Leidenschaft im Community Management sieht, schreibt eine andere vielleicht lieber einen Newsletter oder denkt sich eine Handlung für ein Video aus. Hören Sie sich doch einmal um, wer in Ihrem Netzwerk und thematischen Bereich ebenso mit dem Gedanken spielt, einen MOOC zu veranstalten. Schritt 4 - Mein Thema Ihr (Ober-)Thema wird Ihnen kein Kopfzerbrechen bereiten, denn Sie sind mit großer Wahrscheinlichkeit Experte oder Expertin in einem bestimmten Fachgebiet. Trotzdem lohnt es sich, die Schwerpunkte des Themas genau zu setzen und einen eingängigen MOOC-Titel zu finden. Ein besonders gelungener Titel ist z.B. der des kürzlich beendeten Externer Link: #ichMOOC: Mein digitales Ich. Jedem ist sofort klar, um was es ungefähr geht, jeder fühlt sich spontan angesprochen, denn es geht ja um MEIN digitales Ich.   Schritt 5 - x oder c oder was? Die meisten MOOCs in der derzeitigen MOOC-Landschaft sind xMOOCs, also MOOCs, die nach dem Vorbild klassischer Vorlesungen gestaltet sind. Oder aber Varianten davon. Aber was macht da den Unterschied? Wenn Ihnen das spontan nicht so klar ist, lesen Sie gerne Externer Link: hier nach. Wann entscheide ich mich am besten für die eine oder andere Variante? Schritt 6 - Der Ort des Geschehens cMOOC-Veranstaltende wählen oft einen Blog als „Schaltzentrale“. xMOOC-Veranstaltende haben mittlerweile eine stattliche Auswahl an Plattformen, die extra zu für dieses Format programmiert wurden. (Deutschsprachige) Beispiele hierfür sind die Plattformen Externer Link: iversity, Externer Link: iMooX und Externer Link: mooin.  Schritt 7 - Ab in die Sozialen Medien und die Werbetrommel schlagen Auch wenn das schon Schritt 7 ist, heißt das nicht, dass Sie damit nicht schon früh in Ihrer Vorbereitung anfangen können: Bauen Sie sich - sofern Sie noch in kein solches eingebunden sind - ein thematisches Netzwerk auf. Je vernetzter Sie selbst als Veranstaltende sind, desto leichter wird Ihnen die Bewerbung ihres MOOCs fallen. Schritt 8 - Feintuning Das Feintuning eines MOOCs umfasst im Grunde die Beantwortung von zweierlei Fragen. Die eine: Wie viele Wochen soll mein MOOC dauern? Die zweite: Wie läuft so eine typische Woche ab? Für den allerersten selbst veranstalteten MOOC darf es ruhig etwas kürzer sein, ein guter Richtwert sind vier Wochen für den Anfang. Für die Strukturierung des Ablaufs einer MOOC-Einheit (meist eine Woche) ist es von Vorteil, ein Ereignis auf den Beginn der Woche, eines auf das Ende und eines in die Zwischenzeit zu legen. Wobei feste Tage, z.B. Montag das Material freischalten, Donnerstag ein Event veranstalten und Sonntag einen zusammenfassenden Newsletter versenden, den MOOC-Teilnehmenden (besser Teilgebenden) helfen, sich zeitlich zu orientieren.  Schritt 9 - Produktion  Sollten Sie sich für einen xMOOC oder eine Variation davon entschieden haben, so werden Sie wahrscheinlich (zumindest einige) Videos dafür vorproduzieren wollen. Auch hier darf man den Zeitaufwand keinesfalls unterschätzen. Externer Link: Es hilft, nicht zu perfektionistisch zu werden.   Schritt 10 - Tun Sie es! Sie brauchen noch einen kleinen weiteren Anstoß, nachdem Sie alle oben aufgeworfenen Entscheidungen getroffen haben, Ihr Thema feststeht und Sie einen anziehenden Titel gefunden haben? Dann schauen Sie doch mal auf der Seite des Externer Link: MOOC of the Year 2016 vorbei. Das Finale des Wettbewerbs findet am 6. September 2015 in Berlin statt.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2022-01-06T00:00:00"
"2015-08-18T00:00:00"
"2022-01-06T00:00:00"
https://www.bpb.de/lernen/digitale-bildung/werkstatt/210994/in-zehn-schritten-zum-eigenen-mooc/
An einem MOOC teilzunehmen, ist an sich schon eine spannende Lernerfahrung. Einen eigenen MOOC zu entwickeln, verspricht jedoch eine zusätzliche Erweiterung, nicht nur des Lern-, sondern auch des Lehrhorizontes. Gastautorin Monika E. König, MOOC-Mach
[ "MOOC - Massive Open Online Course" ]
30,790
Die erste Generation der RAF (1970-1975) | Die Geschichte der RAF | bpb.de
Als erste Generation der RAF bezeichnet man gemeinhin die Gruppe von deutschen Terroristen, die sich seit Anfang 1970 um die zentralen Figuren Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof bildete und bis Ende 1974 nicht nur zahlreiche Banküberfälle, sondern auch Bombenanschläge auf amerikanische Militäreinrichtungen, deutsche Sicherheitsbehörden und ihre Vertreter sowie Medienunternehmen mit einer Gesamtbilanz von vier Toten und 41 Verletzten verübten. Der Beginn der Roten Armee Fraktion – der Begriff erscheint erstmals 1971 in dem von Ulrike Meinhof verfassten Text "Das Konzept Stadtguerilla"– wird entweder auf die gewaltsame Befreiung Andreas Baaders am 14. Mai 1970 während eines vorgeschützten Bibliotheksbesuchs oder auch die Rückkehr der Gruppe aus Jordanien im August des gleichen Jahres datiert, wohin sich Baader und seine Befreier abgesetzt hatten, um dem Fahndungsdruck in Deutschland zu entgehen und sich einer militärischen Ausbildung zu unterziehen. Baader war im April 1970 in Berlin verhaftet worden, nachdem er mit Gudrun Ensslin aus Paris zurückgekehrt war, wo sich beide zwischenzeitlich versteckt gehalten hatten, um einer Gefängnisstrafe wegen der Brandstiftung in zwei Frankfurter Kaufhäusern im April 1968 zu entgehen. Nach der Rückkehr aus Jordanien überfiel die Gruppe zunächst mehrere Banken und brach in ein Rathaus ein, um sich Geld und Blankopapiere zu beschaffen. Die RAF löste eine nie da gewesene Großfahndung aus. (© AP) Im Mai 1972 begann die sogenannte Mai-Offensive mit einem Bombenanschlag auf das Hauptquartier der US-Armee in Frankfurt am Main (11. Mai 1972), bei dem ein Soldat getötet und 13 Personen zum Teil schwer verletzt wurden. Es folgten in kurzen Abständen Bombenanschläge auf die Polizeidirektion Augsburg und das Landeskriminalamt München (12. Mai 1972), den Wagen eines Bundesrichters (15. Mai 1972), das Axel-Springer-Gebäude in Hamburg (19. Mai 1972) und das Hauptquartier der US-Streitkräfte in Europa in Heidelberg (24. Mai 1972). Die daraufhin ausgelöste Großfahndung führte innerhalb eines Monats zur Festnahme des größten Teils der RAF (Gefangennahme von Andreas Baader, Holger Meins und Jan-Carl Raspe am 1. Juni 1972, Gudrun Ensslin am 7. Juni 1972, Brigitte Mohnhaupt und Bernhard Braun am 9. Juni 1972, Ulrike Meinhof und Gerhard Müller am 15. Juni 1972, Klaus Jünschke und Irmgard Möller am 7. Juli 1972. Gefangennahme von Helmut Pohl, Margrit Schiller, Wolfgang Beer, Christian Eckes, Ilse Stachowiak und Eberhard Becker am 4. Februar 1974). Vom Gefängnis aus setzten die Inhaftierten ihren Kampf fort, agitierten gegen den Staat und protestierten mit Hungerstreiks gegen die Haftbedingungen, die sie als "Isolationsfolter" bezeichneten. Während des dritten Hungerstreiks (27. September 1974 bis 2. Februar 1975) starb am 9. November 1974 Holger Meins. Einen Tag später wurde Berlins oberster Richter Günter von Drenkmann erschossen – wenn auch nicht von Angehörigen der RAF, sondern der Bewegung 2. Juni. Mit der Verhaftung des harten Kerns der RAF im Juni 1972 und einer zweiten Verhaftungswelle im Februar 1974 verschob sich die Programmatik der Gruppe zugunsten des Zieles, die Haftbedingungen der Gefangenen zu verbessern bzw. ihre Freilassung zu erzwingen. Dadurch änderte sich auch die Strategie der RAF. Trotz einiger personeller Kontinuitäten kann man deshalb ab Anfang 1975 von einer zweiten Generation sprechen. Programmatik: Stadtguerilla zwischen Fraktion und Avantgarde Die erste Generation der RAF besaß eine ausgeprägte internationalistische Programmatik, die sie jedoch radikal relokalisierte. Sie verstand sich zugleich als Fraktion, d. h. als Teil eines weltweiten Aufstandes gegen Imperialismus und Kapitalismus, und als Avantgarde, nämlich eine Gruppe, die durch entschlossenes Handeln an einem konkreten Ort eine Revolution zu entfachen vermochte. In der Schrift "Über den bewaffneten Kampf in Westeuropa" vom Mai 1971 hieß es programmatisch: "Avantgarde ist danach nicht die Gruppe, die sich so nennt oder sich selbst so interpretiert, sondern diejenige, an deren Verhalten und Aktionen sich die revolutionären Massen orientieren. Die Führung im revolutionären Prozeß durch eine Avantgarde ist ein wesentliches revolutionäres Moment." Mit dieser Idee stellt sich die RAF in die Tradition lateinamerikanischer Guerillabewegungen: "Das Konzept Stadtguerilla stammt aus Lateinamerika. Es ist dort, was es auch hier nur sein kann: die revolutionäre Interventionsmethode von insgesamt schwachen revolutionären Kräften." An diesen Formulierungen wird deutlich, dass die RAF im Grunde selbst das Produkt eines Internationalisierungsprozesses ist, nämlich der Verbreitung der Idee revolutionärer Kriegführung, die mit den Namen Fidel Castro, Che Guevara, Régis Debray und Carlos Marighella verbunden war. Um den Reiz dieser spezifischen Ideologie für die späteren Mitglieder der Rote Armee Fraktion verständlich zu machen, muss kurz auf die komplexe Vorgeschichte der RAF eingegangen werden. Die Vorgeschichte der RAF: Studentenproteste der 1960er Jahre Den Hintergrund für die Entstehung der RAF bildeten die Studentenbewegung und Debatten innerhalb des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS). Der SDS war bis 1961 die Jugendorganisation der SPD. Als sich die Sozialdemokraten im Rahmen ihres Godesberger Programms politisch neu ausrichteten und die Mitgliedschaft in SPD und SDS als unvereinbar erklärten, wurde der SDS zum Sammelbecken der linken Außerparlamentarischen Opposition (APO). Dabei war es vor allem der Vietnamkrieg, der zu einer Radikalisierung der Studentenschaft und zu zunehmend gewalttätigen Demonstrationen führte, wie z.B. gegen den US-amerikanischen Vizepräsidenten Hubert H. Humphrey, der im April 1967 West-Berlin besuchte. Gleichzeitig fand eine breite Solidarisierung mit den Freiheitsbewegungen in der Dritten Welt statt. Aufmerksam wurden die Debatten auf der Konferenz der Trikontinentale in Havanna 1966 registriert, auf der die kommunistischen Regime der Welt sich auf eine Strategie zur Unterstützung marxistischer Freiheitsbewegungen zu einigen versuchten. Noch im gleichen Jahr übersetzten Rudi Dutschke und Gaston Salvatore die Botschaft von Ernesto Che Guevara an die Trikontinentale, die in der Aufforderung gipfelte, "zwei, drei, viele Vietnam" zu schaffen. In ihrer Einführung zogen Dutschke und Salvatore die Konsequenzen, die sich ihrer Meinung nach aus diesem Aufruf für die deutsche Studentenbewegung ergab: "Der Beitrag der Revolutionäre aus den Metropolen [...] ist doppelter Natur: und zwar die Mitarbeit an der Herstellung der 'Globalisierung der revolutionären Opposition' (H. Marcuse) durch direkte Teilnahme am aktuellen Kampf in der dritten Welt, durch Herstellung der internationalen Vermittlung, die nicht den Parteibürokraten überlassen werden darf, und durch die Entwicklung spezifischer Kampfformen, die dem in den Metropolen erreichten Stand der geschichtlichen Entwicklung entsprechen." Welche Form des Kampfes der geschichtlichen Entwicklung in Deutschland genau entsprach, ließen die Autoren freilich offen. Auf dem Internationalen Vietnam-Kongreß, den der SDS im Februar 1968 in West-Berlin organisierte, wurde die "Gewaltfrage" kontrovers diskutiert und in der Schlusserklärung folgendermaßen resümiert: "In dieser Situation muß die Oppositionsbewegung in den kapitalistischen Ländern ihren Kampf auf eine neue Stufe heben, ihre Aktionen ausweiten, verschärfen und konkretisieren. Die Oppositionsbewegung steht vor dem Übergang vom Protest zum politischen Widerstand." Die durch diese Debatte verschärfte Krise des SDS erreichte ihren Höhepunkt, als am 11. April 1968 Rudi Dutschke auf offener Straße angeschossen und lebensgefährlich verletzt wurde. Die danach einsetzende Desintegration des SDS und die Zersplitterung der Studentenbewegung erzeugten eine Vielzahl linker und linksextremer Gruppen, die ihre Ziele auf die unterschiedlichsten Weisen verfolgten. Die Gruppe, die die Aufforderung, den Befreiungskampf in der Dritten Welt mit "spezifischen Kampfformen [...] in den Metropolen" zu unterstützen, am radikalsten umsetzte, war die RAF. Che Guevara und die Focustheorie Ernesto "Che" Guevara: Der Revolutionär und Guerilla-Krieger wurde unter Linksradikalen als Pop-Ikone verehrt. (© AP) Allerdings konnte dabei nicht einfach die Guerillatheorie von Che Guevara übernommen, sondern musste den Bedingungen der "Metropole" angepasst werden. Die Focustheorie, von der Guevara irrtümlich behauptete, sie fasse die Erfahrungen des kubanischen Freiheitskampfes zusammen, besagte nämlich Folgendes: "1. Die Kräfte eines Volkes können einen Krieg gegen eine reguläre Armee gewinnen. 2. Nicht immer muß man warten, bis alle Bedingungen für eine Revolution gegeben sind, der aufständische Fokus kann solche Bedingungen selbst schaffen. 3. Im unterentwickelten Amerika müssen Schauplatz des bewaffneten Kampfes grundsätzlich die ländlichen Gebiete sein." Als Focus bezeichnete Guevara eine kleine Gruppe professioneller Revolutionäre, die durch bewaffnete Aktionen den revolutionären Funken auf die Bauernschaft überspringen lässt. Diese Theorie wurde von Guevara selbst in der sogenannten "Zweiten Havanna-Deklaration" 1962 und später von Régis Debray, einem französischen Intellektuellen und engen Vertrauten Fidel Castros, 1965 überarbeitet. Dabei wurde die Focustheorie allerdings eher den strategischen Interessen Kubas als den Erfahrungen lateinamerikanischer Freiheitsbewegungen angepasst. Interessant ist nämlich, dass die Sowjetunion sich immer wieder kritisch gegen über der Theorie des guerrillismo geäußert hatte und stattdessen den Aufbau kommunistischer Parteistrukturen in den lateinamerikanischen Staaten befürwortete. Che Guevaras Focustheorie hielt Moskau für revolutionäres Abenteurertum. Doch Guevara und Debray hielten – mit Unterstützung Castros – an der Idee eines aktiven Revolutionsexports nach Lateinamerika fest und lehnten den Aufbau traditioneller Parteikader ab. Auf der bereits erwähnten Konferenz der Trikontinentale 1966 akzentuierte Fidel Castro den politischen Gegensatz zwischen Kuba und der Sowjetunion, indem er zur ideologischen Begründung Mao Tse-tung zitierte und sich zumindest verbal auf die Seite der Volksrepublik China stellte. Erst als Che Guevara mit seinem Plan scheiterte, in Bolivien einen revolutionären Brückenkopf zu errichten, und 1968 umgebracht wurde, musste die Focustheorie auf den Prüfstand. Dabei wurde allerdings nicht die Idee in Frage gestellt, dass eine bewaffnete Avantgarde das revolutionäre Bewusstsein der Massen wecken könne. Lediglich die Betonung des ländlichen Raumes wurde revidiert und durch die Forderung ersetzt, die revolutionären Aktionen in die städtischen Zentren zu tragen. Während Carlos Marighella dieses Konzept in Brasilien theoretisch ausarbeitete, setzten es die Tupamaros in Uruguay praktisch um. Strategie: Revolutionäre Praxis in der Metropole 1971 verschickt die RAF ihre erste Kampfschrift "Das Konzept Stadtguerilla", in der sie versucht, ihren "bewaffneten Kampf" ideologisch zu begründen. (© HDG) Mit dem "Konzept Stadtguerilla" stellte sich die RAF in die Tradition des lateinamerikanischen guerrillismo und zog für sich die Konsequenzen aus dem Scheitern der Studentenbewegung: "Die Studentenbewegung zerfiel, als ihre spezifisch studentischkleinbürgerliche Organisationsform, das 'Antiautoritäre Lager' sich als ungeeignet erwies, eine ihren Zielen angemessene Praxis zu entwickeln [...]. Die Rote Armee Fraktion leugnet im Unterschied zu den proletarischen Organisationen der Neuen Linken ihre Vorgeschichte als Geschichte der Studentenbewegung nicht, die den Marxismus-Leninismus als Waffe im Klassenkampf rekonstruiert und den internationalen Kontext für den revolutionären Kampf in den Metropolen hergestellt hat." Trotz der Betonung des Marxismus-Leninismus ist die Nähe zum Castrismus und Maoismus unverkennbar. Das "Konzept Stadtguerilla" ist mit Mao-Zitaten gespickt; Che Guevara und Régis Debray werden zustimmend zitiert. Damit übernimmt die erste Generation der RAF die Kritik am orthodoxen Kommunismus sowjetischen Stils. Für sie bestand die Welt zwar aus zwei Blöcken, aber nicht aus Ost und West, sondern aus Imperialismus und Dritter Welt. In den frühen Verlautbarungen der RAF kommt deswegen die Sowjetunion kaum vor. Im "Konzept Stadtguerilla" findet sich sogar eine vage Kritik am "Ausgleich und Bündnis zwischen US-Imperialismus und Sowjetunion". Später, 1976 aus dem Gefängnis, äußern sich Baader, Ensslin, Meinhof und Raspe dezidiert kritisch über den "Rückzug [der Sowjetunion, C. D.] von der Führung des inter nationalen Klassenkampfes und ihre Ersetzung durch die Außenpolitik der 'friedlichen Koexistenz' und die Instrumentalisierung der kommunistischen Parteien für diese Politik". Für die erste Generation der RAF waren also nicht die Sowjetunion und der orthodoxe Kommunismus, sondern Kuba und der Castrismus die ideologischen Bezugspunkte. Damit wurde der eigene Kampf in den Zusammenhang weltweiter Befreiungskämpfe gestellt. In der bereits zitierten "Erklärung zur Sache" stellen die Gefangenen von Stammheim 1976 rückblickend den Zusammenhang zwischen ihren Anschlägen in Deutschland und den nationalen Befreiungskämpfen in der Dritten Welt explizit her: "Dazu kommt die unmittelbar logische Funktion der BRD – es waren die US-Stützpunkte, die als Schaltstelle für Truppentransporte nach und von Vietnam und für Waffenlieferungen fungierten, aus deren Arsenalen im Oktober '73 Israel mit Waffen versorgt wurde und weiter versorgt wird. Es sind die US-Depots und die der Bundeswehr, mit denen die Konterrevolution gegen die arabischen und afrikanischen Völker ausgerüstet wird, und es sind die elektronischen Kommandozentralen hier, von denen aus die Kriegsmaschinerie im südlichen Afrika und im Mittleren Osten gesteuert wird. Aus der logischen Bedeutung der Waffen- und Ausrüstungsarsenale in den Metropolen zur Sicherung kontinuierlichen Nachschubs und vor allem aus der strategischen Bedeutung, die ungehinderten Kommunikationsfluß zwischen den Regelungs- und Steuerungszentralen und den Einsatzorten für die imperialistische Kriegsmaschinerie zukommt, ist eine militärtaktische Funktion der Guerilla in der Metropole für den Befreiungskampf der Völker der Dritten Welt bestimmt: die Notwendigkeit des Angriffs." Man mag dies als Rhetorik abtun oder als Selbstbeschreibung ernst nehmen. Tatsache ist, dass der deklaratorische Internationalismus für das, was die RAF "revolutionäre Praxis" nennt, radikal relokalisiert wird. Folglich stellte die RAF ihre frühen Anschläge konsequent in den Zusammenhang eines globalen Guerillakampfes; so heißt es in der Erklärung zum Anschlag auf das Hauptquartier der US-Armee in Frankfurt, die USA müssten nun "wissen, daß ihre Verbrechen am vietnamesischen Volk ihnen neue erbitterte Feinde geschaffen haben, [und] daß es für sie keinen Platz mehr geben wird in der Welt, an dem sie vor den Angriffen revolutionärer Guerilla-Einheiten sicher sein können". Dass allerdings auch die Anschläge von Augsburg und München, das Attentat auf den BGH-Richter Buddenberg und der Sprengstoffanschlag auf das Springer-Hochhaus Guerilla-Aktionen waren, ließ sich schon weniger leicht vermitteln. Ob allerdings der Anschlag auf das amerikanische Militär in Heidelberg danach nur aus pragmatischen Gründen verübt wurde, nämlich um die Sympathisanten, die die Anschläge auf nationale Ziele verurteilt hatten, zu beschwichtigen, ist eher spekulativ. Dennoch zeigt sich schon in dieser frühen Phase der RAF, dass es ein Problem war, die internationalistische Programmatik strategisch konsequent umzusetzen. Ein ähnliches Problem bei der Einhaltung eigener Standards stellte sich hinsichtlich der Frage, ob Gewalt gegen die Bevölkerung ein legitimes Mittel der Stadtguerilla sein könne. In der Schrift "Über den bewaffneten Kampf in Westeuropa" nimmt die RAF 1971 zum Aspekt des Terrors deutlich Stellung: "Dieser richtet sich selbstverständlich nicht gegen das Volk, gegen die Massen, auch nicht gegen solche Schichten, die nach ihren Lebensbedingungen und ihrer Klassenlage dem Proletariat zwar nahe stehen, sich aber nicht zur Teilnahme an der revolutionären Bewegung entschließen können. Der revolutionäre Terror richtet sich ausschließlich gegen Exponenten des Ausbeutungssystems und gegen Funktionäre des Unterdrückungsapparates, gegen die zivilen und militärischen Führer und Hauptleute der Konterrevolution." Dies entspricht der landläufigen Unterscheidung zwischen Guerilla, die sich gegen militärische Ziele richtet, und Terrorismus, der die Zivilbevölkerung angreift. Folglich versuchte die erste Generation der RAF zu argumentieren, dass die Ziele ihrer Anschläge staatliche Institutionen oder internationale Organisationen seien und Zivilisten nur als Funktionsträger angegriffen oder aber unbeabsichtigt zu Schaden kämen. Allerdings ist die stark personalisierte Erklärung zum Anschlag auf den Richter Buddenberg ein Hinweis darauf, dass in dem Maße, in dem es um die Unterstützung inhaftierter Mitkämpfer ging, auch die Anschläge personenbezogener wurden und die Illusion, eine kriegsrechtskonforme Guerillastrategie umsetzen zu können, nicht lange würde aufrechterhalten werden können. Das Olympia-Attentat von München im Jahr 1972 forderte 17 Menschenleben. (© AP) Die Anschläge der Palästinenserorganisation Schwarzer September auf israelische Sportler während der Münchner Olympiade 1972 waren deshalb eine doppelte Herausforderung für die erste Generation der RAF. Sie musste sich zu einem direkten Angriff auf Zivilisten äußern, die zwar Vertreter, keineswegs aber Funktionsträger ihres Staates waren, und sie musste ihr Verhältnis zu einer Gruppe klären, die eindeutig eine Strategie verfolgte, die die RAF bisher abgelehnt hatte. Die inzwischen in Stammheim einsitzenden Mitglieder taten dies in einem umfangreichen Papier "Zur Strategie des antiimperialistischen Kampfes" im November 1972, in dem sie durch eine gewundene Argumentation die Anschläge als "antiimperialistisch" und "antifaschistisch" rechtfertigten: "Die Strategie des 'Schwarzen September' ist die revolutionäre Strategie des antiimperialistischen Kampfes in der Dritten Welt und in den Metropolen unter den Bedingungen des entfalteten Imperialismus der multinationalen Konzerne." Vor allem rechnete aber die RAF in diesem Papier mit den linken Kritikern ihrer eigenen Aktionen in Deutschland ab und rechtfertigte den "antiimperialistischen Krieg", der "sich der Waffen des Systems im Kampf gegen das System" bediene. Dies ist auch die Verbindung zu den Ereignissen von München, insofern den Palästinensern zugute gehalten wird, dass sie nur Gleiches mit Gleichem vergalten: "An der Aktion des Schwarzen September in München gibt es nichts mißzuverstehen. Sie haben Geiseln genommen von einem Volk, das ihnen gegenüber Ausrottungspolitik betreibt. Sie haben ihr Leben eingesetzt, um ihre Genossen zu befreien. Sie wollten nicht töten." Wie stark die RAF hier bereits ihre eigene Strategie revidierte oder nur im Sinne symbolischer Kooperation die Strategie der Palästinenser rechtfertigte, ist schwer zu sagen. Jedenfalls wurde der Wille deutlich, zumindest deklaratorisch die Reihen des "antiimperialistischen Kampfes" zu schließen. Bei diesem Artikel handelt es sich um eine gekürzte Fassung des Aufsatzes "Die RAF und der internationale Terrorismus" von Christopher Daase. Erschienen in: Wolfgang Kraushaar (Hrsg.): Die RAF und der linke Terrorismus, Hamburger Edition HIS Verlag, Hamburg 2007. Die RAF löste eine nie da gewesene Großfahndung aus. (© AP) Ernesto "Che" Guevara: Der Revolutionär und Guerilla-Krieger wurde unter Linksradikalen als Pop-Ikone verehrt. (© AP) 1971 verschickt die RAF ihre erste Kampfschrift "Das Konzept Stadtguerilla", in der sie versucht, ihren "bewaffneten Kampf" ideologisch zu begründen. (© HDG) Das Olympia-Attentat von München im Jahr 1972 forderte 17 Menschenleben. (© AP)
Article
Christopher Daase
"2022-01-03T00:00:00"
"2011-12-21T00:00:00"
"2022-01-03T00:00:00"
https://www.bpb.de/themen/linksextremismus/geschichte-der-raf/49256/die-erste-generation-der-raf-1970-1975/
1970 wird Andreas Baader aus der Haft befreit. Die RAF war geboren. Bis 1975 tötete die erste RAF-Generation vier Menschen. 41 wurden verletzt.
[ "Rote Armee Fraktion", "RAF", "Terrorismus", "Chronologie", "Andreas Baader", "Guerilla" ]
30,791
Historical Development of Immigration and Immigration Policy | France | bpb.de
Most other industrialized states, including Germany, had higher birth rates and were primarily countries of emigration. The shortages on the French labor market were aggravated still further as a result of the decline in population brought about by the wars of 1870-71 and 1914-1918. In order to alleviate this, France concluded labor recruitment agreements with e.g. Italy (1919), Poland (1906), Czechoslovakia (1920) and Spain (1932). At the beginning of the 1930s, France was the second most important country in the world for immigration after the USA by absolute numbers. At that time there were about 2.7 million immigrants living in France (6.6% of the total population). After the Second World War and during the economic upturn of the 1950s and 1960s, France once again recruited (predominantly male) workers on the basis of bilateral recruitment agreements with Italy (1946), Greece (1960), Spain (1963), Portugal (1964), Morocco (1964), Tunisia (1964), Turkey (1965) and Yugoslavia (1965). At the same time, immigration from the former colonies increased due the process of decolonization. As a result of the Algerian War (1954–62) and the subsequent independence of Algeria in 1962, a large number of French settlers and pro-French Algerians moved to France. In 1964, France negotiated an agreement for the recruitment of Algerian workers with the now independent country. During the economic crisis of the early 1970s, France followed the example of other European countries and in 1974 stopped all recruitment programs for foreign workers. At the point in time when labor recruitment was halted, 3.5 million migrants lived in France, and they made up in total 7 percent of the entire French population. Portuguese and Algerians were the largest groups, each with about 20 percent. Ending the recruitment of foreign labor did, however, lead neither to immigrants returning to their own countries, nor to a decrease in immigration. On the contrary, many immigrants remained in France and fetched their families to join them. In terms of numbers, family reunification has since become the most important channel for immigration, yet with currently declining tendency. In the late 1980s and early 1990s, the conservative Minister of the Interior, Charles Pasqua, (Rassemblement Pour la République) pursued the aim of a zero immigration policy (immigration zéro). Numerous regulations were tightened up as a result. For example, the waiting time for family reunification was extended from one year to two, and foreign graduates from French universities were forbidden to take up employment in France. Especially the “fight” against irregular migration moved to political center stage. The introduction of the so-called “Pasqua laws” was, however, a source of considerable dispute. The protests reached their high point in 1996 in the occupation of a church in Paris by Africans and Chinese who had lived for many years in France without a residence permit and who wanted to draw attention to their precarious situation. Thousands of people supported the protest campaigns of the sans papiers. Under the centre-left government of Prime Minister Lionel Jospin (Parti Socialiste, PS), many of the restrictive Pasqua regulations were withdrawn or toned down from 1997 onwards. For example, a special immigration status was created for highly qualified employees, scientists and artists. In 1997 a legalization program was drawn up for foreigners who were residing in the country without authorization (see “Irregular Immigration”). Since a Conservative government came into power in 2002, one can observe a return to a more restrictive immigration policy. This course was continued under Nicolas Sarkozy (Union pour un Mouvement Populaire, UMP), who won the presidential elections in April 2007 (compare “Current Developments”). The perception of immigration as a problem, however, is tempered by a growing awareness that it represents an enrichment of French society. There are several examples for this development: the Soccer World Cup in 1998 (most players in the equipe tricolore had a migration background, and the team won the title in their own country), the opening of a museum on the history of immigration (Cité nationale de l‘histoire de l’immigration, CNHI, inaugurated on October 10, 2007), as well as the naming of Rachida Dati as the first female minister who came from a migrant family (in office 2007-2009). The presidential and parliamentary elections in 2012 will determine the future course in French migration politics (compare “Future Challenges”). In the First World War alone, 1.4 million French people were killed or disabled. Even before the signing of the Recruitment Agreement, France already had contractual provisions with Italy regarding the organization of labor migration. This country has traditionally provided the most important source of foreign labor. For detailed information on bilateral migration treaties in Europe between 1919 and 1974, see Rass (2010). In total, this concerned about two million people, who were mostly described as pieds-noirs (“black feet”). Among them there were also about 100,000 so-called Harkis, i.e. Muslim Algerians who had fought on the side of the French army during the Algerian War of Independence. While the majority of the Harkis were killed after the French withdrawal, a small number managed to immigrate to France. Their legal position was long a matter of dispute. Rassemblement pour la Republique existed from 1976 to 2002 when it merged with the Union pour la Majorité Présidentielle, later renamed the Union pour un Mouvement Populaire (UMP). In English: “without papers.” This is a term often applied to irregular migrants in France.
Article
Marcus Engler
"2022-01-19T00:00:00"
"2012-04-30T00:00:00"
"2022-01-19T00:00:00"
https://www.bpb.de/themen/migration-integration/laenderprofile/english-version-country-profiles/133522/historical-development-of-immigration-and-immigration-policy/
France has a long history of immigration. Immigrants were brought in as early as the 18th and 19th century because the process of industrialization in conjunction with the fall in the birth rate had resulted in a labor shortage. In this sense, France
[ "Frankreich ", "France", "immigration policy", "immigration", "Einwanderungspolitik" ]
30,792
Wirtschaftsentwicklung in den 90er-Jahren | Polen | bpb.de
Nach dem tiefen Wirtschaftseinbruch zu Beginn der neunziger Jahre erholte sich die polnische Volkswirtschaft 1992 und 1993 mit einem jahresdurchschnittlichen (JD) Wachstum von 3,1 Prozent. Verantwortlich waren dafür auf der Nachfrageseite des BIP vor allem der Konsum (JD: 4,2 Prozent) sowie die Exporte (JD: 6,9 Prozent). In dieser Erholungsphase konnte die polnische Volkswirtschaft offensichtlich ohne größere in- und ausländische Investitionen den bestehenden Kapitalstock zumindest teilweise an die neuen Nachfragestrukturen anpassen. Ab 1994 bis 2000 folgte eine strukturelle Anpassungsphase, in der das BIP-Wachstum jahresdurchschnittlich beachtliche 5,4 Prozent erreichte und stärker von den Investitionen (Bruttoanlageinvestititonen, JD: 13,2 Prozent) und den Exporten (JD: 12,1 Prozent) getragen wurde. Polens Sozialprodukt lag im Jahr 2000 etwa ein Drittel über dem Niveau von 1989, also dem Jahr vor der Transformationskrise. Die Investitions- (circa 25 Prozent) und vor allem die private Sparquote (circa zwölf Prozent, gesamtwirtschaftliche Sparquote circa 20 Prozent) liegen unter den Werten rasch wachsender Volkswirtschaften, insbesondere der asiatischen. Während die polnische Investitionsquote derjenigen vieler west- und ostmitteleuropäischer Volkswirtschaften ähnelt, liegt die Sparquote deutlich niedriger. Erklären lässt sich die niedrige private Sparquote nicht nur durch den starken Nachholbedarf der Polen beim Konsum, sondern auch bis 1999 durch die geringen Anreize zur privaten Altersvorsorge. Ausländische Kapitalzuschüsse in Form von Direktinvestitionen (Ende der neunziger Jahre circa sechs Prozent des BIP und circa 25 Prozent der Bruttoanlageinvestitionen) spielen deshalb für den Modernisierungs- und Umstrukturierungsprozess eine immer größere Rolle. Auf der Angebotsseite wurde das Wirtschaftswachstum von 1994 bis 2000 durch die Industrie (JD: 7,9 Prozent), die Bauwirtschaft (JD. 6,1 Prozent) und vor allem durch den Dienstleistungssektor getragen. Die Landwirtschaft, die sich in der Wirtschaftskrise als stabilisierender Faktor erwies, stagnierte in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre. Dadurch veränderte sich die sektorale Struktur des BIP vor allem zugunsten des Dienstleistungssektors, der seinen Anteil am Sozialprodukt von 1992 bis 2000 von etwa 50 Prozent auf circa 60 Prozent erhöhte, wogegen die BIP-Anteile der Industrie von etwa 35 Prozent auf 27 Prozent und die der Landwirtschaft von sieben Prozent auf unter fünf Prozent zurückgingen. Der Bausektor blieb dabei konstant bei circa acht Prozent. Die Wachstumsdynamik in der Industrie und im Dienstleistungssektor ist vor allem auf den dynamischen Privatsektor mit über zwei Millionen kleineren und mittleren Unternehmen zurückzuführen. Polens Industrie verzeichnete im Zuge des Wachstumsprozesses hohe Steigerungen der Arbeitsproduktivität, die auch ab 1992 deutliche Reallohnsteigerungen zuließen. Die polnischen Bruttomonatslöhne lagen im Jahr 2000 nach amtlichen Wechselkursen bei circa 480 Euro, das heißt bei etwa 17 Prozent des deutschen Niveaus. Gemessen an der realen Kaufkraft lagen sie indes fast doppelt so hoch (rund 930 Euro). Die Kehrseite der hohen Produktivitätssteigerungen in der Industrie ist eine hohe Arbeitslosigkeit, die 2001 die Marke von 16 Prozent überschritt. Kennzeichnend für die polnische Wirtschaftsentwicklung ist auch die zunehmende Abhängigkeit vom Export und damit vor allem von der westlichen Konjunkturentwicklung. Mittlerweile werden fast 70 Prozent der Exporte und circa 62 Prozent der Importe mit der Europäischen Union abgewickelt (Defizit 2001: 7,8 Milliarden Euro). Deutschland ist mit einem Exportanteil von 35 Prozent und einem Importanteil von 24 Prozent Polens wichtigster Handelspartner (Defizit 2001: 2,6 Milliarden Euro). Eine Abkühlung der westlichen Konjunktur, wie jetzt zuletzt im Herbst 2001, wirkt sich damit unmittelbar auf die Binnenkonjunktur aus. Positiv ist, dass Polen seine Exportstruktur deutlich zugunsten höher verarbeiteter Erzeugnisse (Maschinen und Ausrüstungen) verändert hat, obwohl noch immer Erzeugnisse aus dem arbeitsintensiven Bereich stark vertreten sind. Makroökonomische Politik Die positive Wirtschaftsentwicklung in den neunziger Jahren ist das Ergebnis einer erfolgreichen makroökonomischen Politik, also der prozesspolitischen Steuerung des Wirtschaftsablaufs mit Hilfe des Geld-, Fiskal- und Wechselkurses. Die Geld- und Fiskalpolitik blieb restriktiv, so dass die Inflation (1991 noch 70 Prozent, 2000 etwa zehn Prozent) schrittweise reduziert und die Haushaltsdefizite schwankend um die drei Prozent des BIP konsolidiert werden konnten. Auch erwies sich der Übergang vom festen Wechselkurs zu einem Crawling-peg-System (zentraler von der Nationalbank festgelegter Leitkurs wird stetig abgewertet, wobei der aktuelle Kurs in einer Bandbreite schwanken kann) im Jahre 1991 und dann zu einem freien Wechselkurs im Jahre 2000 als flexibel genug, um binnen- und außenwirtschaftliche Ungleichgewichte im Rahmen des Wachstumsprozesses zu vermeiden. Wichtig war zudem, dass die westlichen Staaten Polen in einer wichtigen Phase (1994) durch weitreichende Streichungen seiner Auslandsschulden (circa 50 Prozent) unterstützt haben. Angesichts der strukturellen und institutionellen Defizite (besonders gravierend wirkten sich das Übergewicht der Schwerindustrie und die Dominanz des Staatseigentums aus) bedeutete die makroökonomische Steuerung insbesondere zu Beginn der Transformation, in der ersten Hälfte der neunziger Jahre, eine besondere Herausforderung. Vor dem Hintergrund der vielen Regierungswechsel hatten in den Wahlkämpfen konservative sowie post-sozialistische Kräfte eine Abkehr von der stabilitätsorientierten Wirtschaftspolitik gefordert. Sie bewiesen jedoch, sobald sie jeweils die Regierung stellten, genügend Realismus, um entgegen ihren Absichtserklärungen keine wirtschaftspolitischen Experimente zu vollziehen, die eine Rückkehr zu Inflation und Stagnation bedeutet hätten. Wie die jüngste Krisenentwicklung des Jahres 2001 zeigt, drohen mit zunehmender Liberalisierung des Kapitalverkehrs Gefahren (Finanzkrisen, Kapitalabzug), mit denen rasch wachsende Volkswirtschaften typischer Schwellenländer zu kämpfen haben. Polen steht jedoch im makroökonomischen Bereich in den nächsten Jahren vor großen Herausforderungen. So sind unter anderem die Maastricht-Kriterien der Europäischen Union (Kriterien zum Beitritt zur Währungsunion) dauerhaft zu erfüllen. Dies ist zwar keine Voraussetzung für den EU-Beitritt, jedoch für den später verpflichtenden Eintritt in die Währungsunion. Wie stellen sich die Probleme nun im einzelnen dar? Budgetdefizit und Verschuldung Auf den ersten Blick scheint Polen in diesem Bereich weitgehend die Maastricht-Kriterien mit einem Budgetdefizit von 2,2 Prozent des BIP und der öffentlichen Haushalte von 3,3 Prozent im Jahre 2000 sowie einer öffentlichen Verschuldung von circa 40 Prozent des BIP zu erfüllen. Diese Betrachtung greift allerdings zu kurz, da der Kapitalmarkt zur Finanzierung der Defizite relativ klein ist und damit den Unternehmenssektor zusätzlich belastet. Zudem ist der Staatshaushalt noch immer durch einen hohen Anteil von Sozialausgaben, besonders durch die Beiträge zur Sozialversicherung ZUS (Zaklad Ubezpieczen Spotecznych) sowie durch das Gesundheits- und Rentensystem belastet. Auch die Einnahmeseite steht, unter anderem durch hohe Steuerausfälle von verlustreichen Staatsbetrieben, auf schwachen Füßen. Eine Vielzahl von schwer kontrollierbaren Spezialfonds und zunehmend auch die stärkere Unabhängigkeit der lokalen Behörden erschweren es, die öffentlichen Haushalte unter Kontrolle zu halten. Aufgrund des geringen Wirtschaftswachstums und der gestiegenen Ausgaben wird für 2001 mit einem Defizit von über fünf Prozent des BIP gerechnet. Ohne Revision der Ausgabenpolitik kann das Defizit 2002 sogar auf über zehn Prozent des BIP ansteigen, was den Reformdruck des öffentlichen Finanzsystems und der Fiskalpolitik verdeutlicht. Reformen im Renten- und Gesundheitssystem wurden 1999 begonnen, doch verursachten diese zunächst höhere Kosten. Weitere Reduzierungen der Sozialausgaben und Änderungen im Steuersystem sind notwendig, um den Haushalt langfristig zu konsolidieren und Überschüsse zu erzielen. Inflation und Zinsen Die Inflation erweist sich als hartnäckig. Der Sprung in den einstelligen Bereich dürfte 2001 gelingen (Schätzung: fünf bis sechs Prozent), doch wird es noch einige Zeit dauern, bis sie unter die Zwei-Prozent-Marke fällt, die Voraussetzung zum EU-Beitritt ist. Dies gilt damit zwangsläufig auch für das Zinskriterium (Angleichung an das EU-Zinsniveau). Wesentlicher Grund hierfür ist, dass Anpassungen der administrierten Preise, beispielsweise für Mieten und Energie, Änderungen der Preisstruktur und Änderungen im Steuersystem bis 1999, stetige Abwertungen sowie implizite Lohnindexierung (Bindung der Löhne an die Inflationsrate), höhere Inflationsraten hervorriefen. Gleichzeitig weisen Länder mit einem rasch aufholenden Wachstum aufgrund des stärkeren Produktivitätswachstums tendenziell höhere Inflationsraten auf. Mit einer restriktiven Geldpolitik ist diesen inflationären Tendenzen nur teilweise beizukommen, will man nicht das Wirtschaftswachstum unnötig beeinträchtigen. Bei weitgehender Liberalisierung des Kapitalverkehrs hat die polnische Geldpolitik zudem mit den Problemen ausländischer Kapitalzuflüsse zu kämpfen. Diese erhöhen die Geldmenge, was entweder teuere Sterilisierungsmaßnahmen (unter anderem zusätzlicher Verkauf von Staatspapieren bzw. Anleihen) erfordert oder zu höherer Inflation führt. Die Zentralbank ist nunmehr auch in Vorbereitung auf die Währungsunion in der geldpolitischen Steuerung auf direkte Inflationszielgrößen übergegangen, was helfen soll, die Inflationserwartungen zu reduzieren. Sie hat sich in der Vergangenheit durchaus flexibel erwiesen, die Zinssätze an veränderte makroökonomische Rahmenbedingungen anzupassen. Wie schwierig die geldpolitische Steuerung ist, zeigt die Entwicklung der Jahre 2000 und 2001. So hat sich die Zentralbank ab Mitte 2000 für eine restriktive Geldpolitik entschieden, um dem hohen Leistungsbilanzdefizit durch eine Abschwächung der Binnenkonjunktur (geringerer Importbedarf) entgegenzuwirken. Zwar blieb das Defizit in vertretbaren Margen, doch in Zusammenhang mit dem Abflauen der westlichen Konjunktur hat dies die polnische Volkswirtschaft stärker als erwartet abgekühlt. Die Konsequenz ist eine höhere Arbeitslosigkeit von mehr als 16 Prozent. Wechselkurs Das Wechselkurskriterium der Währungsunion verlangt im Rahmen eines EWS-2-Systems (EWS: Europäisches Währungssystem) mindestens zwei Jahre einen relativ stabilen Umtausch des Zloty zum Euro, der sich nicht aufgrund einer festen Fixierung, sondern auf den Devisenmärkten ohne größere Intervention der Zentralbanken durchsetzt. Hiervon ist Polen weit entfernt, obwohl mit dem Übergang zu einem freien Wechselkurs im April 2000 ein erster wichtiger Schritt eingeleitet wurde. Nominell hat sich der Zloty auch in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre zwar abgewertet, real jedoch aufgewertet, weil die Abwertung nicht der Inflationsdifferenz zwischen Polen und der EU entsprach. Während die Russland- und die Asienkrise zu keinen ernsthaften Auswirkungen auf den polnischen Finanzmarkt und den Zloty führten, scheint die Wachstumsabschwächung 2001 den polnischen Zloty stärker unter Druck zu setzen. Auch in den nächsten Jahren ist mit weiteren Schwankungen des Wechselkurses zu rechnen, die jedoch umso stärker tendenziell abnehmen, je nachhaltiger die Maastricht-Kriterien erfüllt werden und je näher die Aufnahme in die Währungsunion rückt. Eine einseitige rasche Übernahme des Euro, wie von einigen Ökonomen gefordert, wird sicherlich von der EU nicht akzeptiert werden. Zahlungsbilanz Obwohl es kein eigenes Zahlungsbilanzkriterium für den Beitritt zur Währungsunion gibt, ist deren Zustand jedoch zweifelsfrei ein Kriterium für die Wettbewerbsposition und finanzielle Solidität eines Landes. Da Polen aufgrund des Wachstums einen hohen Importbedarf an Investitions- und Konsumgütern hat, weist die Handelsbilanz seit Jahren hohe Defizite (Zollstatistik: zwischen 17 und 18 Milliarden US-Dollar) aus, die nur teilweise durch Überschüsse im Dienstleistungsbereich ausgeglichen werden konnten. Dadurch wuchsen die Leistungsbilanzdefizite auf kritische Margen (bis sieben Prozent des BIP), die jedoch durch Zuflüsse von ausländischen Direktinvestitionen (zwischen acht und zehn Milliarden US-Dollar) und Portfolio-Kapital (Kapitalzuflüsse zum Kauf von Aktien und Anleihen) ausgeglichen werden konnten. Die Finanzsituation Polens blieb trotz einer wieder steigenden Brutto-Auslandsverschuldung in Höhe von circa 64 Milliarden US-Dollar angesichts hoher Währungsreserven von circa 29 Milliarden US-Dollar stabil, da Zinsen und Schuldendienst fristgerecht bezahlt wurden. Quellen / Literatur Auszug aus: Informationen zur politischen Bildung, Externer Link: "Polen" Auszug aus: Informationen zur politischen Bildung, Externer Link: "Polen"
Article
Wolfgang Quaisser
"2021-12-09T00:00:00"
"2011-11-17T00:00:00"
"2021-12-09T00:00:00"
https://www.bpb.de/themen/europa/polen/40721/wirtschaftsentwicklung-in-den-90er-jahren/
Anders als seine Nachbarstaaten kommt Polen bisher ohne Rezession durch die Wirtschaftskrise. In den Jahren nach der Wende sah es dagegen ganz anders aus. Wolfgang Quaisser fasst die Entwicklung der 1990er Jahre zusammen.
[ "Polen", "Wirtschaftsentwicklung", "Makroökonomische Politik", "Inflation" ]
30,793
Sich im Alltag für die eigene Meinung einsetzen | einfach POLITIK | bpb.de
Interner Link: Dieses Kapitel als Hörangebot Auch in Ihrem Alltag machen Sie Politik. Sie können sich einmischen. Sie können sich für Ihre Meinung und Ihre politischen Ziele einsetzen. Fahrradstraßen Sie wollen vielleicht, dass mehr Fahrradstraßen gebaut werden. Weil Ihnen nicht gefällt, dass die Luft in den großen Städten immer mehr verschmutzt. Sie können zum Beispiel Aufkleber verteilen, auf denen steht: "Mehr Fahrradstraßen in meiner Stadt." Oder Sie sprechen mit anderen über Fahrradstraßen. Einige Menschen sind anderer Meinung als Sie. Sie sagen: "Auf den Straßen sind viele Autos und es gibt deshalb viele Staus. Fahrradstraßen nehmen den Autos Platz weg. Und so gibt es noch mehr Staus." Andere sind der gleichen Meinung wie Sie. Vielleicht weil Sie mit Ihnen gesprochen haben und die anderen Ihre Meinung gut finden. Sie sagen: "Wenn es gute Fahrradstraßen gibt, müssen nicht so viele Menschen Auto fahren." Vielleicht macht es Ihnen auch Spaß, etwas gemeinsam mit anderen zu planen. Sie planen vielleicht, gemeinsam mit Ihren Kollegen mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren. Dadurch lernen Sie Ihre Kollegen besser kennen und tun außerdem etwas für den Umweltschutz. Fahrrad (© bpb) Sie können noch mehr tun: Sie können in einen Verein eintreten, der sich für die Interessen von Fahrradfahrern einsetzt. Bürgermeisterin (© bpb) Sie können mit der Bürgermeisterin Ihrer Stadt sprechen. Ihre Bürgermeisterin hat vielleicht eine Sprechstunde. Dort können Sie hingehen und sagen, was Ihnen wichtig ist. Leserbrief (© bpb, Leitwerk) Sie können auch einen Leserbrief an Ihre Zeitung schicken. Ninia LaGrande Mein Name ist Ninia LaGrande. Ich arbeite als Moderatorin und Autorin. Mir ist Respekt und Gleichberechtigung für alle wichtig. Deshalb setze ich mich zum Beispiel für die Rechte von Kindern, Menschen mit Behinderungen oder Frauen ein. Auch andere Themen sind mir wichtig, zum Beispiel, was mit alten Gebäuden in meiner Stadt passiert, die erneuert werden müssten. Oder der Wahlkampf zur Bundestagswahl. Dazu mache ich Videos, schreibe Texte ins Internet und halte Vorträge. Ich schreibe gerne lustige Texte und hoffe, dass viele Menschen über meine Texte lachen und nachdenken. Vielleicht bilden sie sich dann eine eigene Meinung und sagen auch öffentlich, was sie denken. So können wir gemeinsam etwas ändern. Sich einmischen, wenn Menschen ausgegrenzt werden Bestimmte Menschen werden öfter als andere ausgegrenzt und abgewertet. Zum Beispiel: Menschen, die aus einem anderen Land kommen oder deren Familie aus einem anderen Land kommt. Menschen, die eine andere Hautfarbe haben. Menschen, die eine Behinderung haben. Menschen, die aufgrund ihres Geschlechts ausgegrenzt werden. Menschen, die aufgrund ihrer Religion ausgegrenzt werden. Menschen, die aufgrund ihrer Sexualität ausgegrenzt werden. Diese Ausgrenzung beobachten Sie vielleicht in Ihrem Alltag. Vielleicht hören Sie in Ihrer Stammkneipe jemanden sagen: "Die Schwarzen sind doch alle dumm." Vielleicht beobachten Sie, wie jemand eine Frau an den Brüsten oder dem Po berührt. Sie haben den Eindruck, dass die Frau das nicht will. Oder es fragt jemand Eltern mit einem behinderten Kind: "Warum habt ihr das Kind nicht abgetrieben?" In all diesen Fällen könnten Sie sich einmischen und zum Beispiel sagen: "Das ist ein Vorurteil. Ob man eine schwarze oder eine weiße Hautfarbe hat, sagt nichts darüber aus, wie klug jemand ist." Oder: "Haben Sie nicht gemerkt, dass die Frau mit den Berührungen nicht einverstanden ist?" Sie können auch zu der Frau sagen: "Geht es Ihnen gut? Sind Sie mit den Berührungen einverstanden?" Manchmal ist es nämlich schwer, zu sagen, dass man etwas nicht möchte. Oder Sie sagen: "Behinderung gehört zum Menschsein dazu. Behinderung ist normal. Jeder hat ein Recht auf Leben." Das erfordert Mut. Vielleicht sind in der Kneipe aber auch Menschen, die ähnlich denken wie Sie. Vielleicht sind diese Menschen froh, dass Sie Ihre Meinung gesagt haben. Eine ganze Gruppe in der Kneipe kann dann sagen: "Beleidigung und Diskriminierung gehören nicht zu einem guten Zusammenleben." Mischen Sie sich aber nur ein, wenn Sie sich dabei nicht selbst in Gefahr bringen! Sag Nein zum Rassismus (© bpb) Ein Beispiel: Die Aktion "Sag Nein zum Interner Link: Rassismus" Gemeinsam gegen Rassismus (© bpb) Auch im Fußball werden manchmal Menschen beleidigt, nur weil sie eine andere Hautfarbe haben. Sie werden von anderen Spielern auf dem Spielfeld oder von Zuschauern auf der Tribüne beleidigt. Deswegen hat der Fußballverband UEFA eine Aktion gestartet. Die Aktion heißt: "Sag Nein zum Rassismus". Auch die Spieler der deutschen Nationalmannschaft machen bei der Aktion mit. Was bedeutet "Rassismus" Rassismus? Rassismus ist eine Art von Diskriminierung. Durch Rassismus werden Menschen zum Beispiel wegen ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe, ihrer Haare, ihres Namens oder ihrer Sprache diskriminiert, ausgegrenzt und abgewertet. Rassismus ist die Erfindung, dass es bei Menschen unterschiedliche „Rassen“ gibt. Und Rassismus ist die Erfindung, dass diesen „Rassen“ eine Ordnung oder eine Reihenfolge haben. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bestätigen heute: Die Erfindung der „Rassen“ ist falsch. Rassismus diskriminiert, Menschen.Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bestätigen heute: Die Erfindung der „Rassen“ ist falsch. Ein rassistischer Gedanke ist zum Beispiel: Weiße Menschen sind besser als Schwarze Menschen. Wer rassistisch denkt, beachtet nicht die Persönlichkeit des einzelnen Menschen. Man denkt: Er oder sie hat eine dunkle Haut, eine bestimmte Sprache oder eine bestimmte Herkunft. Dann ist er oder sie auch weniger wert oder in der Reihenfolge weiter hinten. Das Internet: Information und Austausch Im Internet können Sie sich informieren. Zum Beispiel ob es in Ihrer Stadt einen Verein gibt, der Sie interessiert. Oder was Sie gegen Ausländerfeindlichkeit machen können. Oder auch über Religionen, die Sie nicht kennen. Schauen Sie immer auf mehreren Internetseiten nach. So lernen Sie unterschiedliche Meinungen zum Thema kennen. Internet - soziale Netzwerke (© bpb) Ihre Stadt oder Gemeinde hat auch eine Internetseite. Sie können dort lesen, wann der Bürgermeister eine Sprechstunde hat und welche Menschen Sie im Stadtrat vertreten. Sie können in den Sozialen Netzwerken Artikel teilen, die Sie wichtig finden. Ein Soziales Netzwerk ist zum Beispiel Facebook oder Twitter. Kommentar (© bpb) Ihre Stadt will zum Beispiel ein Jugendzentrum bauen und Sie lesen darüber im Internet einen Artikel. Dann können Sie einen Kommentar schreiben: "Das Jugendzentrum ist eine tolle Idee. Ich finde wichtig, dass es für Rollstuhlfahrer barrierefrei ist." Dann kennen andere Ihre Meinung. Vielleicht haben viele andere dieselbe Meinung und schreiben auch Kommentare zu Interner Link: Barrierefreiheit. Jemand von der Stadt liest die Kommentare dann und weiß: Vielen Einwohnern ist Barrierefreiheit wichtig. Jeder darf im Internet seine Meinung sagen. Aber es ist verboten, zum Hass aufzurufen oder anderen Menschen mit Gewalt zu drohen. Vielleicht lesen Sie im Internet Artikel, die zu Gewalt aufrufen. Oder Sie werden selbst beleidigt oder bedroht. Das können Sie dagegen machen: Melden Sie die Texte bei den Betreibern. Sie können Personen melden, die zu Hass aufrufen. Wenn Sie zum Beispiel auf "Diese Person melden" klicken, können Sie auf Diskriminierung oder Hass hinweisen. Suchen Sie Hilfe bei Leuten, denen Sie vertrauen. Verbreiten Sie keine Hassnachrichten weiter. Entfernen oder blockieren Sie Menschen aus Ihrer Freundesliste, die Hassnachrichten verbreiten. Sie können auch eine Strafanzeige wegen Beleidigung bei der Polizei stellen. Lassen Sie sich nicht einschüchtern! Was bedeutet "Barrierefreiheit" Barrierefreiheit Barriere bedeutet Hindernis. Etwas ist dann barrierefrei, wenn Menschen mit und ohne Behinderung es in allgemein üblicher Weise nutzen können. Menschen mit Behinderung sollen ohne Probleme alle Häuser und alle Wege benutzen können. ohne Probleme Geldautomaten, Handys und Internet nutzen können. ohne Probleme Briefe, Zeitungen und andere Texte verstehen. Beispiele für Barrierefreiheit sind: Ampeln mit Geräusch für blinde Menschen Häuser ohne Stufen und mit Aufzügen. Hilfe durch einen Gebärdensprachdolmetscher, ein Blindenhund oder jemand, der einen Text vorliest. Klicken Sie auf der Seite Externer Link: www.behindertenbeauftragte.de auf das Wort "Themen." Dort wird Barrierefreiheit genau erklärt. Fairer Handel Auch beim Einkaufen können Sie genau hinsehen. Sie sind im Supermarkt und bekommen Appetit auf Schokolade. In dem Regal liegen viele Sorten Schokolade. Manche dieser Sorten haben ein besonderes Zeichen. Das Zeichen bedeutet Fairer Handel. Bauer - Fairtrade (© bpb) Bauern und Hersteller in Afrika und Südamerika bekommen für ihre Waren oft zu wenig Geld. Weil sie zu wenig Geld bekommen, reicht das Geld nicht zum Leben. Der Faire Handel möchte das ändern. Fairer Handel heißt auf Englisch fairtrade. Wenn Sie diese Zeichen auf einem Produkt sehen, kaufen Sie etwas fair Gehandeltes. Produkte (© bpb) Sie finden vielleicht den Fairen Handel gut. Beim nächsten Einkauf entscheiden Sie sich deshalb für Schokolade, Kaffee, Honig, Kleidung, einen Fußball oder ein Fahrrad mit einem Zeichen für fairen Handel. Wenn Sie fair gehandelte Produkte kaufen, zeigen Sie: "Mir ist fairer Handel wichtig". Die Handelsgesetze ändern sich dadurch aber nicht. Um den Welthandel gerechter zu machen, braucht man Geduld und viele Leute, die sich einmischen. Das können Sie zum Beispiel machen: Sie können in einem Verein mitmachen, der sich für einen gerechten Welthandel einsetzt. Der Verein macht zum Beispiel einen Diskussionsabend oder einen Informationsstand über fairen Handel. Sie können eine Partei wählen, die die gleiche Meinung zum Welthandel hat wie Sie. Was eine Partei will, steht im Parteiprogramm. Sie können Bekannte auf interessante Internetseiten zum Welthandel hinweisen. Sie können eine Petition unterschreiben oder selbst eine verfassen. Eine Petition ist ein Text, in dem Sie sich über Gesetze und Entscheidungen beschweren oder in dem Sie um etwas bitten können. Gesetze und Verträge zum Handel in der Welt können geändert werden. Wenn viele Menschen in Europa und der ganzen Welt sich dafür einsetzen, können die Gesetze und Verträge gerechter werden. Maike Raab Ich bin Maike Raab und bin 18 Jahre alt. In unserer Schule gibt es eine Arbeitsgemeinschaft, die Produkte aus fairem Handel verkauft. Wir wollen damit auf den ungerechten Welthandel aufmerksam machen. Oft diskutieren wir auch über fairen Handel und andere politische Themen. Wir setzen uns auch für andere Menschen ein. Zum Beispiel treffen wir uns mit Flüchtlingen und üben mit ihnen Deutsch. Fahrrad (© bpb) Bürgermeisterin (© bpb) Leserbrief (© bpb, Leitwerk) Mein Name ist Ninia LaGrande. Ich arbeite als Moderatorin und Autorin. Mir ist Respekt und Gleichberechtigung für alle wichtig. Deshalb setze ich mich zum Beispiel für die Rechte von Kindern, Menschen mit Behinderungen oder Frauen ein. Auch andere Themen sind mir wichtig, zum Beispiel, was mit alten Gebäuden in meiner Stadt passiert, die erneuert werden müssten. Oder der Wahlkampf zur Bundestagswahl. Dazu mache ich Videos, schreibe Texte ins Internet und halte Vorträge. Ich schreibe gerne lustige Texte und hoffe, dass viele Menschen über meine Texte lachen und nachdenken. Vielleicht bilden sie sich dann eine eigene Meinung und sagen auch öffentlich, was sie denken. So können wir gemeinsam etwas ändern. Sag Nein zum Rassismus (© bpb) Gemeinsam gegen Rassismus (© bpb) Rassismus? Rassismus ist eine Art von Diskriminierung. Durch Rassismus werden Menschen zum Beispiel wegen ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe, ihrer Haare, ihres Namens oder ihrer Sprache diskriminiert, ausgegrenzt und abgewertet. Rassismus ist die Erfindung, dass es bei Menschen unterschiedliche „Rassen“ gibt. Und Rassismus ist die Erfindung, dass diesen „Rassen“ eine Ordnung oder eine Reihenfolge haben. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bestätigen heute: Die Erfindung der „Rassen“ ist falsch. Rassismus diskriminiert, Menschen.Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bestätigen heute: Die Erfindung der „Rassen“ ist falsch. Ein rassistischer Gedanke ist zum Beispiel: Weiße Menschen sind besser als Schwarze Menschen. Wer rassistisch denkt, beachtet nicht die Persönlichkeit des einzelnen Menschen. Man denkt: Er oder sie hat eine dunkle Haut, eine bestimmte Sprache oder eine bestimmte Herkunft. Dann ist er oder sie auch weniger wert oder in der Reihenfolge weiter hinten. Internet - soziale Netzwerke (© bpb) Kommentar (© bpb) Barrierefreiheit Barriere bedeutet Hindernis. Etwas ist dann barrierefrei, wenn Menschen mit und ohne Behinderung es in allgemein üblicher Weise nutzen können. Menschen mit Behinderung sollen ohne Probleme alle Häuser und alle Wege benutzen können. ohne Probleme Geldautomaten, Handys und Internet nutzen können. ohne Probleme Briefe, Zeitungen und andere Texte verstehen. Beispiele für Barrierefreiheit sind: Ampeln mit Geräusch für blinde Menschen Häuser ohne Stufen und mit Aufzügen. Hilfe durch einen Gebärdensprachdolmetscher, ein Blindenhund oder jemand, der einen Text vorliest. Klicken Sie auf der Seite Externer Link: www.behindertenbeauftragte.de auf das Wort "Themen." Dort wird Barrierefreiheit genau erklärt. Bauer - Fairtrade (© bpb) Produkte (© bpb) Ich bin Maike Raab und bin 18 Jahre alt. In unserer Schule gibt es eine Arbeitsgemeinschaft, die Produkte aus fairem Handel verkauft. Wir wollen damit auf den ungerechten Welthandel aufmerksam machen. Oft diskutieren wir auch über fairen Handel und andere politische Themen. Wir setzen uns auch für andere Menschen ein. Zum Beispiel treffen wir uns mit Flüchtlingen und üben mit ihnen Deutsch.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2022-05-02T00:00:00"
"2022-05-02T00:00:00"
"2022-05-02T00:00:00"
https://www.bpb.de/themen/politisches-system/politik-einfach-fuer-alle/259128/sich-im-alltag-fuer-die-eigene-meinung-einsetzen/
Auch im Alltag machen Sie Politik. Sie können sich einmischen. Sie können sich für Ihre Meinung und ihre politischen Ziele einsetzen.
[ "Einfach Politik", "Einfache Sprache", "leichte Sprache", "Einmischen. Mitentscheiden." ]
30,794
M 03.09 Pro-Contra-Dimension Information und Kommunikation | Digitalisierung - Meine Daten, meine Entscheidung! | bpb.de
Welche Möglichkeiten der Digitalisierung und Einsatzmöglichkeiten für Big Data und KI gibt es für die Dimension Information und Kommunikation? Recherchiert für diese Dimension konkrete Anwendungsbeispiele und achtet dabei insbesondere auf positive und negative Aspekte, d.h. Argumente für bzw. gegen diese Einsatzmöglichkeiten. Haltet die Argumente in Form einer Pro-Contra-Liste fest. Um die Recherche etwas einzugrenzen, könnt ihr euch an den untenstehenden „Recherche-Leitsätzen“ orientieren und gezielt dazu recherchieren. Ihr könnt darüber hinaus aber auch noch weitere Aspekte und Beispiele recherchieren. Recherche-Leitsätze: Soziale Netzwerke * führen zu einer weitreichenden globalen Vernetzung. Soziale Netzwerke können als Informationsquelle für Veranstaltungen, Vereine, Neuigkeiten und Tagesgeschehen dienen. Suchmaschinen stellen ihren Nutzerinnen und Nutzern eine sehr große Menge an Informationen zur Verfügung. Soziale Netzwerke nutzen Methoden des Web Analytics **, um beispielsweise nachzuverfolgen, welche Seiten Nutzende besuchen und welche Beiträge ihnen gefallen. Die meisten Suchmaschinen verwenden ebenfalls Methoden des Web Analytics und sammeln unter anderem Daten über besuchte Websites und Sucheingaben. * Beispiele Sozialer Netzwerke: u.a. Facebook, Instagram & Co, aber auch Kommunikationsmedien wie WhatsApp, Skype und Snapchat ** Viele Suchmaschinen und Websites, aber auch soziale Netzwerke verwenden Methoden des Trackings. Dabei werden Daten gesammelt, um das Nutzungsverhalten einer Person im Internet zu analysieren. So kann beispielsweise durch Cookies mitverfolgt werden, welche Seiten Nutzerinnen und Nutzer zuvor aufgerufen, wie lange sie sich mit welchen Bereichen einer Internetseite beschäftigt und welche Seiten sie im Anschluss besucht haben.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2021-06-23T00:00:00"
"2020-05-17T00:00:00"
"2021-06-23T00:00:00"
https://www.bpb.de/lernen/angebote/grafstat/digitalisierung-grafstat/310021/m-03-09-pro-contra-dimension-information-und-kommunikation/
[ "Digitalisierung", "soziale Netzwerke", "Suchmaschine", "Web Analytics" ]
30,795
Zwischen Literatur und Kunst: Erzählen im Comic | Comics | bpb.de
Der Eintritt des Comics in die digitale Welt hat in den vergangenen Jahren immer wieder zu Diskussionen über die Definition dieser Kunst geführt. In der Tat verkörpern die sogenannten e-comics oder webcomics – gemeint sind Werke, die speziell für dieses neue Umfeld geschaffen wurden und keine schlichten Scans von gedruckten Comics – zwei bedeutsame Innovationen: zum einen die Erweiterung um einen multimedialen Inhalt durch das Hinzufügen von bewegten Bildern und/oder Ton, zum anderen die Interaktivität. Der Comic wird so als interaktives Hypermedium neu definiert. Wenn nun der Comic durch die Kreuzung mit Techniken aus dem Animationskino, Videospielen, der EDV oder der Internetnavigation zunehmend hybridisiert wird, wird uns vielleicht mit etwas Abstand bewusst, dass hier in Wahrheit ein ganz neues Medium entsteht. Ein Hybrid ist der Comic schon an sich und ist es auch immer gewesen. Denn er verbindet und verflicht zwei unterschiedliche Sprachen miteinander oder – wie es in der Semiotik heißt – zwei Codes, zwei "Ausdrucksweisen": die Sprache des Wortes und die Sprache des Bildes. Diese zwei Komponenten spielen im Comic auf vielfältige Art und Weise ineinander. Es gibt eine reiche Tradition von Comics ganz ohne Worte, die ihre Geschichte allein durch die sequenzielle Abfolge einzelner Szenen erzählen. Diese mimetische, im Sinne von Aristoteles handelnde Personen abbildende Kunst, die der Comic seinem Wesen nach verkörpert, ähnelt der Pantomime. Doch sind die Körper der handelnden Personen nicht das Einzige, worauf es ankommt. Kulisse und Requisiten können sehr wichtig sein und einen wesentlichen Beitrag zum "Schauspiel" auf dem Papier leisten. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang nur zwei bedeutende Alben erwähnen: "Arzak" von Moebius aus dem Jahr 1976 und "Ein neues Land" ("The Arrival") von Shaun Tan aus dem Jahr 2006. Man sollte sich tatsächlich davor hüten, "stumme" Comics (in den USA silent strip oder pantomime strip genannt) über den vermeintlichen Makel der Wortlosigkeit zu definieren. Es handelt sich nicht um eine unvollständige, verstümmelte Form, sondern um eine Spielart des Ausdrucks, die Zeichnerinnen und Zeichner ganz bewusst wählen, um bestimmte Effekte zu erzielen, die anders nicht erreicht werden könnten. Sie verlangt den an den "sprechenden" Comic gewöhnten Leserinnen und Lesern einen anderen modus legendi ab und damit eine Aufmerksamkeit besonderer Art. Umgekehrt haben einige Zeichner (insbesondere innerhalb der Literaturwerkstatt Ouvroir de bande dessinée potentielle, einer Abspaltung des berühmten literarischen Zirkels namens Oulipo) Comicerzählungen ganz ohne Zeichnungen verfasst, die allerdings das typische Instrumentarium des Comics beibehalten: eine aufgeteilte Seite, Rahmen, Sprechblasen. Die Mehrheit der Comics präsentiert sich jedoch in gemischter Form. Handlungsablauf und Sinn ergeben sich infolge eines dialektischen Vorgangs des Zusammenspiels zwischen Text und Bild, Wort und Symbol. Schon im 19. Jahrhundert betonte der Wegbereiter des Comics, Rodolphe Töpffer: "Die Zeichnungen, ohne Text, hätten eine nur verschwommene Bedeutung; der Text, ohne Zeichnungen, bedeutete nichts." Manche Comics sind regelrechte literarische Schöpfungen. Wenn ich mich nur auf den frankophonen Raum beschränke, waren Töpffer sowie zur Jahrhundertwende sein Schüler Christophe ("Die unfreiwillige Weltreise der Familie Fenouillard" ab 1889) wahre Schriftsteller, wie später Edgar P. Jacobs ("Blake und Mortimer" von 1946 bis 1971) und Jean-Claude Forest ("Barbarella", 1964). Die beiden Letztgenannten begannen übrigens damit, eine lange Novelle oder einen kurzen Roman zu schreiben, die sie anschließend als Comics adaptierten. Die Vermittlung des geschriebenen Wortes war wesentlich für die Gestaltung ihrer Bilderwelten. Eine Claire Bretécher ("Die Frustrierten" von 1975 bis 1980, "Agrippina" von 1988 bis 2009) hat sich als beeindruckende Dialogautorin mit besonders spitzer Feder etabliert. Und was ist noch über US-amerikanische Klassiker wie "Popeye", "Krazy Kat" oder "Pogo" zu sagen, deren Dialoge vor sprachlicher Kreativität nur so sprühen? Unidentifiziertes kulturelles Objekt Diese Mischung der Ausdrucksformen im Comic macht seine Lektüre so besonders. Es handelt sich um eine sowohl geschriebene als auch gezeichnete Erzählung – doch allein die Art und Weise der Wahrnehmung von Text und Bild ist vollkommen verschieden: Das Lesen eines Textes ist Dechiffrierung, während das Lesen eines Bildes kraft seines analogen, mimetischen Charakters auf dem Prinzip des (Wieder-)Erkennens, der unmittelbaren Identifizierung sowie der Interpretation beruht. Es wäre falsch, das Szenario – die Geschichte – mit den Worten in den Sprechblasen gleichzusetzen. Im Comic wird ein wesentlicher Teil der Erzählung in den Bildern und über die Bilder vermittelt. Zwar gibt es eine Trennung zwischen dem (in Worten) Gesagten und dem (über die Zeichnung) Gezeigten, doch ist das Gezeigte selbst ein Gesagtes. In den Worten des Comiczeichners Chris Ware: "Der Comic ist eine visuelle Sprache, die gelesen wird, auch die Zeichnungen werden gelesen." Gerade weil er sowohl zu den visuellen Künsten gehört als auch eine literarische Form darstellt, ist der Comic unter den vielen herkömmlichen und medialen Kunstrichtungen schwer einzuordnen. Ich habe ihn in einem meiner Essays als "unidentifiziertes kulturelles Objekt" bezeichnet – weniger aufgrund seiner hybriden Natur, als wegen seines ungewissen Stellenwerts in Hinblick auf künstlerische Anerkennung und kulturelle Hierarchien. Ein Symptom dieser grundlegenden Unklarheit: In Frankreich hat das Kulturministerium, das seit 1983 Beihilfen für die Schaffung, Herausgabe und Verbreitung von Comics vergibt, die Zuständigkeit für Comics sukzessive der Abteilung für Bildende Künste und einige Jahre später der Abteilung für Buch- und Lesekultur übertragen. Der Ausdruck "gezeichnete Literatur", wie ihn insbesondere der Comicforscher Harry Morgan verwendet, bringt die Synthese zwischen den Bereichen des Geschriebenen und der visuellen Kunst sehr gut zum Ausdruck. Morgan präzisiert, dass der Begriff der Literatur "auf der gleichzeitigen Präsenz des Buches (…), des Manuskripts als dessen Ursprung (…) sowie des Lesens als Art der Informationsaufnahme beruht". Der Ausdruck "gezeichnete Literatur" bezeichne auch "die Gesamtheit der Werke, die durch Rückgriff auf dieses Medium entstanden sind", ein riesiges Corpus, das sich in verschiedene Genres, Subgenres, Serien, Formate und Schulen gliedert. "Der Plural ‚gezeichnete Literaturen‘ bezieht sich auf die Vielfalt dieser Werke, je nach geografischer Lage, Epoche und formellen Mitteln." Schon Töpffer hatte von "littérature en estampes" ("Literatur in Bildern") gesprochen. Wilhelm Busch um eine Generation voraus, hatte der Wegbereiter des Comics das Glück, zugleich Illustrator und Schriftsteller zu sein: Töpffers literarisches Werk umfasst zwei Romane, zahlreiche Novellen, acht Theaterstücke, Reiseerzählungen und Kunstessays. Später wirkten diese Talente oftmals getrennt voneinander – die Geschichte des Comics kennt viele Beispiele für die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen einem Mann der Bilder und einem Mann der Worte: Albert Uderzo und René Goscinny für "Asterix", José Muñoz und Carlos Sampayo für "Alack Sinner" oder auch Benoît Peeters und François Schuiten mit ihrem Zyklus der "Geheimnisvollen Städte". Gerade dieses Werk ist übrigens beispielhaft für den Facettenreichtum des Comics: Themen, Motive und Situationen werden Schriftstellern wie Jules Verne, Franz Kafka, Jorge Luis Borges, Adolfo Bioy Casares, Italo Calvino, Georges Perec oder Ismael Kadaré entliehen; gleichzeitig werden visuelle Einflüsse aus der Welt des Films (Orson Welles, Fritz Lang), des Kupferstichs oder Holzschnitts (Giovanni Battista Piranesi, Frans Masereel), der Malerei (Brueghel oder die belgischen Symbolisten und Surrealisten), der Architektur (Victor Horta, Étienne-Louis Boullée, Hugh Ferriss) und des Comics selbst übernommen (Winsor McCay, Edgar P. Jacobs). Der Synkretismus eines solchen Werkes macht deutlich, dass der Comic genau am Schnittpunkt zwischen Literatur und grafischer Kunst zu verorten ist. Dieser Mischcharakter der Comickunst macht aus der Originalseite, der Handarbeit eines Zeichners, ein ambivalentes Produkt. Als Fragment einem Manuskript entnommen, ist die einzelne Seite notwendigerweise unvollständig – sofern nicht auf einer Seite eine ganze Geschichte erzählt wird, wie bei den Gags mit Gaston Lagaffe oder Titeuf. Ihre Bestimmung ist es, reproduziert und vervielfältigt und nicht ausgestellt zu werden. Dennoch gibt es immer mehr Comicausstellungen seit jener ersten im Musée des Arts décoratifs in Paris 1967 ("Bande dessinée et figuration narrative"). Inzwischen sind spezialisierte Museen entstanden, und das Publikum hat sich daran gewöhnt, einzelne Comicseiten zu bewundern, ohne immer deren Bedeutung im Einzelnen zu erfassen oder zu ermessen, dass ihre Ausstellung zwangsläufig die grafische und bildliche Dimension der "neunten Kunst" auf Kosten ihrer narrativen Dimension überbewertet. Nachdem ihm lange vorgeworfen wurde, sich der Kunstentwicklung im 20. Jahrhundert nicht anzupassen, kein Zeitgenosse der zeitgenössischen Kunst zu sein, hat sich der Comic – genauer gesagt: ein bestimmter Comic – dieser in den vergangenen 15 Jahren sichtbar angenähert. Viele Comicautorinnen und -autoren scheinen sich inzwischen von den gleichen Ambitionen leiten zu lassen wie ihre Kolleginnen und Kollegen aus der bildenden Kunst, indem sie einen immer mehr piktoralen, poetischen und freien Zugang zum gezeichneten Erzählen entwickeln. Manche von ihnen stellen in Galerien aus oder nehmen an szenischen Abenteuern teil, wo sie mit Größen des Theaters oder des Tanzes zusammenarbeiten. Eine Bruchlinie verläuft derzeit durch den Berufsstand der Comickünstlerinnen und -künstler: Einerseits gibt es Zeichner wie Chris Ware, die die Auffassung vertreten, dass Comics als visuelle Erzählkunst auf die Teilnahme und Empathie des Lesers begründet und damit ein Gebiet sind, auf dem sich ein gewisser Widerstand ausdrückt gegen "diese Art emotionale Distanz und Reserviertheit, die einen so großen Teil der Kunst des 20. und nun auch des 21. Jahrhunderts charakterisiert". Andererseits finden sich Zeichner, die mehr an rein formellen Fragestellungen wie Rahmen, Reihung und Rhythmus interessiert und bereit sind, die Entwicklung des Comics in eine eher konzeptuelle Richtung zu lenken und sogar ganz auf die erzählerische Komponente zu verzichten. In den Vereinigten Staaten ist 2009 eine erste Anthologie abstrakter Comics entstanden, die entweder aus Sequenzen abstrakter Zeichnungen bestehen oder aus Abfolgen von Zeichnungen, die figurative Elemente enthalten, "deren Aneinanderreihung aber keine kohärente Erzählung ergibt". Gezeichnete Bilder lesen: dechiffrieren … Wie bereits erwähnt, werden die Zeichnungen eines Comics nicht nur angeschaut, sondern wahrhaftig gelesen. Doch wie erfasst der Leser das gezeichnete Bild? Angesichts einer Comicerzählung, die er erstmals entdeckt, wird der Leser vor allem von einem Gefühl ergriffen, das jede Geschichte auslöst: Neugier. Er will wissen, wie es weitergeht und die Handlung bis zum Ende weiterverfolgen. Diese Neugier lässt ihn die Bilder unaufhaltsam durchschreiten, sie konsumieren, in ihnen die Informationen suchen, die er braucht, um die Geschichte zu verstehen. Diese Informationen finden sich in veränderlichen Anteilen sowohl in den Bildern als auch im Text. Ohne Priorität oder Hierarchie pflückt der Leser sie mal hier, mal da. Nur die Neulinge unter den erwachsenen Comiclesern, die nicht seit der Kindheit mit der Sprache des Comics vertraut sind, stellen sich die Frage, was man zuerst lesen soll, das Bild oder den Text. Der versierte Leser stellt intuitiv die Verbindung her, und wenn er sich diese Frage nach der Methode stellen müsste, würde er prompt aufhören zu lesen. Doch das Bild liefert nicht nur die für den Handlungsablauf nötigen Informationen, es ist auch Träger mehr oder weniger kontextueller Informationen, je nachdem ob der Zeichenstil eher schematisch oder deskriptiv ist. Verweilt der Leser länger bei einem Bild als für das Verständnis der Handlung notwendig, kann er die Kulisse studieren, etwa eine Landschaft oder die Gestaltung eines Innenraums, und beispielsweise feststellen, wie das Wetter ist, das Zusammenspiel der Farben analysieren, sich intensiv mit den Nuancen des Ausdrucks der "Darsteller" beschäftigen und noch vieles mehr. Das Bild ist sowohl in Worte fassbar als auch beschreibbar. Als in Worte fassbares Element sagt das Bild eine einfache Sache aus, die in einem Satz (manchmal in zwei Sätzen) in die Sprache der Worte übersetzt werden kann. Dieses virtuell Ausgesprochene, das die Fragen wer, was, wann, wo der entstehenden Handlung beantwortet, entspricht dem, was der Leser gesehen und verstanden haben muss, um seine Lektüre fortzusetzen. Selbst auf dieser Ebene des unmittelbaren Dechiffrierens will ein einzelnes Comicbild aufgrund seiner Einbettung in die Sequenz und den Dialog mit den benachbarten Bildern jedoch anders gelesen werden als eine isolierte Illustration. Durch seinen sequenziellen Charakter ist beim Comic das Ganze mehr als die Summe seiner Teile. In den aufeinanderfolgenden Bildern wiederholt sich oftmals die Darstellung ein- und derselben Figur: der Hauptperson, des "Helden" in Aktion. Der Philosoph Étienne Gilson schrieb einst über die Unbeweglichkeit der gemalten Bilder: "Um beim Betrachten eines Gemäldes unserer Vorstellungskraft zu erlauben, eine seiner Figuren zum Leben zu erwecken, ob durch Fortsetzung ihrer Bewegung oder Beenden ihrer Geste, müssen wir im Geiste ein neues Werk schaffen, das anders ist als jenes vor unseren Augen. Damit die so begonnene Bewegung fortfahren kann, müssten wir sogar eine Reihe einzelner Werke schaffen." Genau diese Einbindung einer Figur in eine Bewegung oder Handlung, die sich in einer Reihe von Bildern fortsetzt, vollzieht der Comic. Im Comic ist Zeit in Raum umgewandelt. Was im zeitlichen Ablauf der Handlung später geschieht, befindet sich auch im Raum der Seite oder des Buches an späterer Stelle. Der Leser ist daher geneigt, die zeitliche Abfolge auf eine kausale Beziehung zurückzuführen und die Folge der Ereignisse nach der kanonischen Regel zu interpretieren, wonach ein Handlungsstrang nach dem Motto post hoc, ergo propter hoc (danach, also deswegen) strukturiert ist. Ein Panel, das auf ein anderes folgt, sollte auch eine Handlung darstellen, die auf jene im vorhergehenden Panel folgt und somit im Lichte der zuvor vermittelten Informationen verstanden werden kann. Tatsächlich fällt jedoch nicht immer das Später der Lektüre notwendigerweise mit dem Später der Erzählung, der Handlung, zusammen. Andere Arten des Zusammenhangs sind möglich: Der Autor kann uns nacheinender zwei parallele Handlungen präsentieren; er kann in der Zeit zurückgehen; er kann, indem er den Standpunkt einer Person einnimmt oder sich in seine Psyche versetzt, von einer objektiven Schilderung in eine subjektive Perspektive wechseln; er kann nacheinander Bruchstücke eines unbeweglichen Ganzen (zum Beispiel eines Hintergrunds) präsentieren; er kann schließlich zu einem Stilmittel wie der Analogie oder der Metapher greifen. In all diesen Fällen geht es nicht um das, was vermutlich zwischen zwei Panels passiert, sondern vielmehr um das, was ihr Nebeneinander bedeutet. betrachten … Ein Bild ist nicht beschreibend im Sinne eines Textes, sondern beschreibbar. Es zählt nicht nacheinander die Einzelheiten oder Eigenschaften eines Ortes, Gegenstandes oder einer Figur auf, die es darstellt, sondern zeigt sie in ihrer Gesamtheit, als Ganzes. Der Leser kann sich damit begnügen, dieses "Ganze" wahrzunehmen, ohne dessen Teile oder charakteristische Eigenschaften zu registrieren. Mit kontemplativem Blick kann er aber auch die Beschreibung, die das Bild vornimmt, ausarbeiten und sie vollenden. Dafür muss er sich weniger der Erzähldynamik hingeben und über die einfache Sinneswahrnehmung hinausgehend sein Bewusstsein für die Gesamtheit der Informationen in einem Bild schärfen. Es kommt allerdings selten vor, dass der Leser ein Bild ausschöpfend betrachtet und alle Details registriert. Abhängig von seiner Bereitschaft, seinem Interesse und seiner Sensibilität wird jeder Leser aus einem Bild mitnehmen, was für ihn von Bedeutung ist – und zweifellos bei erneuter Lektüre eine Menge Dinge entdecken, die er beim ersten, begierigen Lesen gar nicht bemerkt hat. interpretieren … Abbildung 2 Quelle: Craig Thompson, Habibi, New York 2011, S. 30 f. Auf einer höheren Sinnebene ist das Bild dann interpretierbar. Im Französischen ist lire (lesen) ein Anagramm von lier (verbinden). Bei der Interpretation stellt der Leser neue Verbindungen her, indem er sich sowohl auf Referenzen oder Erklärungen außerhalb des Werkes bezieht (als Rückgriff auf die Enzyklopädie im Sinne Umberto Ecos), als auch im Werk selbst komplexere stufenförmige Mechanismen entdeckt. Dieser Prozess ist das größte Spezifikum des Comics – und auch das aufregendste. Wenn der Leser über die lineare Lektüre hinausgeht, bei der sich Schritt für Schritt anhand der Panelabfolge der Sinn erschließt, wird ihm oft klar, dass manche Bilder mit anderen zusammengeführt werden müssen, die im Erzählfluss weiter vorne oder weiter hinten liegen. Dies führt zur Überwindung des Stadiums der Sequenz zu Gunsten einer Betrachtung der Bilder als Teile eines vernetzten Ganzen. Der Comic erleichtert diesen Vorgang. Denn anders als beim Film, wo stets ein einziges Bild zu sehen ist, das sich im nächsten auflöst, präsentieren sich die vielen Abbildung 3 Quelle: Craig Thompson, Habibi, New York 2011, S. 22. Bilder eines Comics gleichzeitig. Sie teilen sich einen aufgegliederten Raum und bleiben präsent, weil gedruckt und unveränderlich, und stehen bereit für ein zweites Durchlesen, beispielsweise für die Überprüfung eines Details. Ich schlage vor, diese Beziehungen zwischen auseinanderliegenden Bildern, wie eine Reprise, ein Echo, eine Übereinstimmung oder die Abwandlung eines Motivs, in einer Kategorie zusammenzufassen: Verflechtung. Die Verflechtung ist immer ein zusätzlicher Vorgang, ein special effect, der weder alleine mit den Erfordernissen der narrativen Kontinuität gerechtfertigt, noch einfach als kausal-deduktive Verbindung zwischen den Panels beschrieben werden kann. Es handelt sich vielmehr um eine Vervollständigung, Verstärkung und Steigerung der Seiteneinteilung, ohne diese zu ersetzen. Dieser Effekt der Verflechtung ist leicht zu übersehen und bleibt sicherlich oft unbemerkt. Zur Verdeutlichung möchte ich ein Beispiel aus dem 2011 erschienenen Album "Habibi" des US-amerikanischen Zeichners Craig Thompson zitieren. In dieser großartigen orientalisierenden Variation des Themas der unmöglichen Liebe sind die formellen Analogien, die Verschiebungen und Metaphern allgegenwärtig. Zum Beispiel stellt der Autor eine Parallele her zwischen dem befleckten Körper einer Frau und der Verschmutzung der Erde, des "Körpers" des Planeten. Eine andere visuelle Analogie bringt die tanzende Bewegung der Dünen mit jener der Wellen in Verbindung, die wiederum an jene der arabischen Schrift erinnert. An dieser Stelle möchte ich das Hauptaugenmerk auf das Motiv des Flusses legen. Erstmals erscheint das Motiv im ersten Kapitel "Karte des Flusses" auf Seite 9 – als ein Fluss aus Tinte (Abbildung 1). Zehn Seiten weiter zeigt ein Bild einen Tropfen Blut neben einer Hand, dessen Herabfließen an jenen Fluss erinnert. Dabei handelt es sich um einen Ausschnitt aus einem anderen Panel auf Seite 22: Das erweiterte Blickfeld eröffnet die Sicht auf einen Mann, dessen Hals durchgeschnitten wurde (Abbildung 3). Abbildung 4 Quelle: Craig Thompson, Habibi, New York 2011, S. 473. Das Motiv kehrt auf der Doppelseite 30/31 zurück (Abbildung 2); seine geschlungene Form ist jetzt explizit an jene der Buchstaben der arabischen Schrift angelehnt. Entsprechend zeigen die Szenen davor und danach den Unterricht in arabischer Kalligraphie, den die Heldin des Buches, Dodola, zuerst ihrem Ehemann und später dem kleinen Zam gibt, dessen Schicksal eng mit dem ihren verbunden sein wird. Das Motiv des Flusses kehrt an mehreren Stellen wieder, etwa wenn Ismaels Füßen ein Bach entspringt oder vier Flüsse aus den Wurzeln des Lotusbaumes quellen, sowie mit dem Abfluss unter freiem Himmel, den der verschmutzte Fluss in der Stadt verkörpert, oder mit der auf dem Boden verschütteten Wasserflasche. Auffallend ist, dass die verschiedenen Flüssigkeiten stets eine ähnliche Fließrichtung nehmen und sich diese Bilder in der Gesamtkomposition besonders einprägen. Auch andere Schlangenformen – eine Nabelschnur, eine Schlange, einer Wasserpfeife entsteigender Rauch – können mit dem Motiv des Flusses assoziiert werden. Dieses dichte Netz an Bildern, die aufeinander verweisen, läuft in dem alles umfassenden Panel zusammen, das die gesamte Seite 475 ausfüllt (Abbildung 4): Eine Mischung aus Tinte und Wasser bahnt sich den Weg über den Körper von Dodola und windet sich von ihrem Mund zu ihrem Bauch. Das Gebräu enthält Buchstaben. So sind in "Habibi" die drei Hauptthemen des Lebens (Blut), des Wissens (Tinte) und der Ökologie (Wasser) durch eine wohl konzertierte Reihe visueller Reime miteinander verflochten, was diese großartige Graphic Novel so stimmig macht. Indem er aus dem stufenförmigen Aufbau der Bilder sowohl auf den Seiten als auch im Buch seinen Nutzen zieht, kann der Comic das Stadium des "Kinos auf dem Papier" überwinden und eine ihm ganz eigene Ebene des Erzählens erreichen. … und genießen Ein Bild ist in Worte fassbar, beschreibbar, interpretierbar – und letztlich immer auch genießbar. Der Leser kann das Bild als grafische Leistung schätzen, es aus dem Erzählfluss herausnehmen, um sich an seiner Komposition, seiner Dynamik und seinen ganz eigenen plastischen Eigenschaften zu erfreuen. Gleichwohl funktioniert der Comic so, dass das Bild nie alleine steht, sondern immer von anderen Bildern umgeben ist, die um es herum angeordnet sind und somit das bilden, was der belgische Comicautor Benoît Peeters als das "Um-Feld" (péri-champ) bezeichnet hat. Die vielen verschiedenen Bilder folgen also nicht nur im Lesefluss zeitlich aufeinander, sondern teilen sich auch denselben Raum und koexistieren innerhalb des verbindlichen Formats einer Seite. Hier kommt der Seitenaufbau – das Layout – ins Spiel, der für den Comic wesentlich ist und ihn vom Kino unterscheidet. Das Layout organisiert und verbindet die verschiedensten Parameter: Es entscheidet über die Dichte der Seite, die von der Anzahl der Panels abhängt, aus denen sie sich zusammensetzt. Zu diesem Zweck legt es zuerst die Anzahl der Strips, der Streifen beziehungsweise Zeilen, auf einer Seite fest und anschließend die Anzahl der Panels, der Einzelbilder, innerhalb jedes Strips. Durch den Platz, den es den einzelnen Panels einräumt, bestimmt das Layout ihre jeweilige Bedeutung. Es definiert den Weg des lesenden Auges. Manche Bilder kann es durch atypische Formen hervorstechen lassen, zum Beispiel indem es sie in die Höhe oder Breite zieht oder ihre Konturen verschwimmen lässt. Im Gegensatz zum Kino, wo sich jede Aufnahme an ein immer gleichbleibendes und vorbestimmtes Format halten muss, zeichnet sich der Comic durch die einzigartige Fähigkeit aus, Form und Größe seiner "Leinwand" jederzeit neu festzulegen. Wenn er sich dieser Möglichkeit bedient, tut er das normalerweise unter dem Diktat der Erzählung: Der Inhalt der Bilder verlangt dieses oder jenes Rahmenformat. So wird eine Landschaft normalerweise in einem horizontalen Bild dargestellt, eine gehende Person in einem vertikalen, eine Menschenmenge erfordert ein großes Panel, während sich die Nahaufnahme eines Gesichtes mit einem kleinen begnügen kann. Dennoch kann der Zeichner sich auch für ein herkömmliches Layout entscheiden und jedem seiner Bilder ein gleichbleibendes Format geben. Das Resultat entspricht dem, was der belgische Zeichner André Franquin ein "Waffeleisen" nannte: ein orthogonales Raster, das sechs, neun, zwölf oder sechzehn Bilder enthält. Es gibt kein Modell für einen Seitenaufbau, das als solches besser wäre als ein anderes. Die Aufteilung der Panels innerhalb des begrenzten Rahmens einer Seite kann nur dem gesamten erzählerischen und künstlerischen Werk entsprechend gewürdigt werden. Dies ist – in aller Kürze – die künstlerische Vielschichtigkeit des Comics: ein harmonisches Zusammenspiel vielfältiger Parameter im Dienste einer Sache, die immer und untrennbar zugleich bildlich und erzählerisch sein wird. Abbildung 2 Quelle: Craig Thompson, Habibi, New York 2011, S. 30 f. Abbildung 3 Quelle: Craig Thompson, Habibi, New York 2011, S. 22. Abbildung 4 Quelle: Craig Thompson, Habibi, New York 2011, S. 473. Rodolphe Töpffer, Notiz zu "L’Histoire de Mr Jabot", in: Bibliothèque universelle de Genève, Nr. 18 vom 18. Juni 1837, S. 334. Benoît Peeters, Gespräch mit Chris Ware, in: ders./Jaques Samson, Chris Ware, La bande dessinée réinventée, Brüssel 2010, S. 48. Thierry Groensteen, Un objet culturel non-identifié, Angoulême 2006. Harry Morgan, Principles of Drawn Literatures, Angoulême 2003, S. 19. Chris Ware, Vorwort, in: Uninked, Phoenix 2007, S. ii. Andrei Molotiu, Abstract Comics, Seattle 2009, o.S. Vgl. Thierry Groensteen, Système de la bande dessinée, Paris 1999. Etienne Gilson, Peinture et réalité, Paris 1972 (1958), S. 38. Vgl. Thierry Groensteen, Bande dessinée et narration, Paris 2011, S. 35–40. Benoît Peeters, Lire la bande dessinée, Paris 1998, S. 23.
Article
, Thierry Groensteen
"2021-12-07T00:00:00"
"2014-08-05T00:00:00"
"2021-12-07T00:00:00"
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/189534/zwischen-literatur-und-kunst-erzaehlen-im-comic/
Im Comic spielen die Sprache des Wortes und die Sprache des Bildes auf vielfältige Art und Weise ineinander. Die Worte in den Sprechblasen können wir lesen, doch wie erfassen wir das gezeichnete Bild?
[ "Comics", "Literatur", "Text", "Bild", "Wort", "Symbol", "Kunst" ]
30,796
"Hauptstadt Berlin – das darf nicht ein bloßes Etikett sein" | Hauptstadtbeschluss | bpb.de
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute eine wahrhaft wichtige Frage zu debattieren, und wir haben zu entscheiden. Nachdem sich gestern eine Mehrheit des Bundestages gegen einen Volksentscheid in der Hauptstadtfrage gewandt hat, kann sich dasselbe Parlament heute nicht weigern, selbst eine Entscheidung zu fällen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, der FDP, der PDS/Linke Liste und des Bündnisses 90/GRÜNE) Berlin oder Bonn, Bonn oder Berlin oder beide – ein Streit voller Emotionen, mit Ängsten und Hoffnungen verbunden. Ich verstehe die Menschen, die sich gestern auf dem Bonner Marktplatz aus Sorge um ihre eigene Zukunft versammelt haben. Es müssen und sollten hier und heute nicht Hymnen auf die eine und Spottlieder auf die andere Stadt gesungen werden. (Beifall im ganzen Hause) Die Wirklichkeit beider Städte – so unterschiedlich sie sind – widerspricht solchen Versuchen, die allzuleicht zu Karikaturen geraten. Beide Städte sind in jedem Falle grauer oder vor allem bunter als ihre Verzeichnungen, und Bonn ist eine glückliche Stadt. Nein, es geht heute nicht um einen Wettstreit zwischen zwei Städten. Es geht vielmehr um die zukünftige gesellschaftliche und politische Entwicklung, nämlich um einen entscheidenden Schritt bei der Vollendung der Einheit Deutschlands. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der FDP) Bei der Entscheidung, die wir heute zu treffen haben, kann es eigentlich, so glaube ich, keinen wirklichen Sieger geben, dafür aber Verlierer mit schwer zu heilenden Verletzungen. Es geht eben nicht nur um 100.000 Menschen in der Region Bonn, sondern auch um ebenso viele oder mehr Menschen in Berlin. Die Stadt ist eben keine menschenleere Gegend. Berlin hat schon Hauptstadtfunktionen, Verwaltungsfunktionen verloren und kämpft auch deshalb mit großen ökonomischen und sozialen Problemen. Darüber hinaus geht es generell um das Verhältnis zwischen Ost und West in Deutschland. Ebenso steht die Frage zur Debatte nach der Identität des gemeinsamen deutschen Staates, nach seiner Selbstdarstellung, nach seinem, unserem Verhältnis zur deutschen Geschichte, nach Kontinuität und geschichtlichem Neuanfang zugleich, nach unserem Verständnis von Europa, zu dem doch wohl wieder und endgültig das östliche Europa gehört. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, der FDP und des Bündnisses 90/GRÜNE) Das sind Stichworte, die die Dimensionen der Entscheidung umreißen und die Schwierigkeiten eines überzeugenden Kompromisses verdeutlichen. Wir Berlin-Befürworter haben in unserem Antrag Elemente eines solchen notwendigen Kompromisses zu formulieren versucht, die auch den Sorgen von Stadt und Region Bonn Rechnung tragen sollen, die zugleich aber die volle Funktionsfähigkeit von Parlament und Regierung garantieren. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Bündnisses 90/GRÜNE) Hauptstadt Berlin – das darf nicht ein bloßes Etikett sein, hinter dem sich nichts Substantielles verbirgt. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, der FDP und des Bündnisses 90/GRÜNE) Die Abfindung mit sogenannten Repräsentativfunktionen – Berlin als Ort für besondere Anlässe –, das wäre denn doch nicht nur eine Beleidigung für die Berliner, sondern auch eine Erniedrigung der Bürger im Osten Deutschlands. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des Bündnisses 90/GRÜNE – Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir halten den Parlamentssitz für das Herzstück einer wirklichen Hauptstadt. Dehalb sollte der Bundestag seinen Sitz in Berlin nehmen. Erst dann ist Berlin wirklich die Hauptstadt Deutschlands. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, der FDP und des Bündnisses 90/GRÜNE) Wir wollen allerdings keinen Wanderzirkus, keine Scheinpräsenzen oder nur symbolische Sitzungen in Berlin. Deshalb soll der Bundestag erst nach Berlin umziehen, wenn dort seine volle Funktionsfähigkeit gesichert ist und wenn das Zusammenwirken von Parlament und Regierung möglich ist, wenn das Parlament also seiner Kontrollfunktion voll nachkommen kann. Deshalb schlagen wir eine realistische Planung und einen vernünftigen Realisierungszeitraum für diesen Umzug vor. Was spricht für Berlin? Das erste Argument: politische Glaubwürdigkeit. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, der FDP und des Bündnisses 90/GRÜNE) Wer sich 40 Jahre immer wieder feierlich zu Berlin bekannt hat, sollte jetzt nicht eine totale Kehrtwendung vornehmen nach dem Motto: Was schert mich mein Geschwätz von gestern? Wer so handelt, zerstört das Vertrauen in die Demokratie, mit dem wir Deutschen (Ost) in die Einheit gegangen sind. Bitte, man sage nicht, daß der Einigungsvertrag diese Kontinuität des Bekenntnisses zu Berlin einfach erledigt hat. Das zweite Argument: politische Gerechtigkeit. Die deutsche Einigung ist unter unerhörtem Tempodruck vollzogen worden; sie verläuft unter extremem Problemdruck. Das hat zu Verletzungen, Ungleichgewichten, Verzerrungen und Benachteiligungen geführt. Ich sage das ohne jeden Vorwurf in irgendeine Richtung. Denn wir hatten im Grundsätzlichen keine Wahl. Die Chance mußte genutzt werden. Man konnte sie sich nicht aussuchen. Man kann eine Chance höchstens vertun. Aber jetzt, im weiteren Fortgang der deutschen Einigung, müssen wir auf Ausgleich bedacht sein. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, der FDP und des Bündnisses 90/GRÜNE) Bisher ist nämlich zu vieles von Ost nach West gewandert: Arbeitsplätze, Arbeitskräfte, also Menschen, Gewinne und nicht zuletzt wirtschaftliche und politische Entscheidungskompetenzen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Bündnisses 90/GRÜNE) Das ist ein Prozeß, der bisher und wohl auf absehbare Zeit nicht so schnell und so wirksam, wie wir es uns alle wünschen müssen, umgekehrt werden kann, auch durch immense finanzielle Mittel nicht. Deshalb sind besondere politische Anstrengungen zur Herstellung von Gleichberechtigung nötig. Wie könnte das besser dargestellt und bewiesen werden als durch eine Hauptstadt, zu der Ost und West gleichrangig beisteuern, eben Berlin? (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, der FDP und des Bündnisses 90/GRÜNE) Ob das vereinigte Deutschland im Gleichgewicht, im Einklang mit sich selbst sein wird, das wird vor allem in seinem problematischen, bisher benachteiligten, gedrückten Teil entschieden, im Osten. Was ist das für ein Staatsschiff, in dem alle wirklichen Schwerpunkte im Westen liegen? Frankfurt bleibt Finanzzentrum, Rhein-Ruhr Wirtschaftszentrum, Hamburg-Bremen Handelszentrum, Stuttgart-München Zentrum technologischer Modernität. Was bleibt für den Osten Deutschlands? Das Problemgebiet? Der Sozialfall? Nein, hier muß eine politisch bewußte Entscheidung für ein Zentrum östlich der Elbe gegensteuern. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, der FDP und des Bündnisses 90/GRÜNE) Das dritte Argument: der Föderalismus, jenes unersetzliche Element der gelungenen demokratischen Kultur der Bundesrepublik. Ich denke, wir stärken den Föderalismus eher dadurch, daß wir die Hauptstadt dorthin verlegen, wo sie inmitten der schwächeren Länder liegt, und nicht dadurch, daß wir sie unbedingt im einwohnerstärksten und wirtschaftlich mächtigsten Land belassen. Zudem, was ist das für ein Föderalismus, der meint nicht berücksichtigen zu müssen, daß sich zwölf – nachdem Baden-Württemberg gestern auch für Berlin gestimmt hat – der 16 Länder für Berlin ausgesprochen haben? (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU, der FDP, der PDS/Linke Liste und des Bündnisses 90/GRÜNE) Darunter sind alle neuen Länder, weil sie der Überzeugung sind, daß die Entscheidung für Berlin in ihrem ureigenen Interesse liegt. Ich bitte die Bonn-Befürworter sehr, ihre Definitionsmacht nicht so weit zu treiben, daß sie dekretieren, was Interesse der neuen Länder ist oder nicht. Das können die schon selber tun, und das haben sie auch eindeutig getan! (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU, der FDP und des Bündnisses 90/ GRÜNE) Viertes Argument: finanzielle Seriosität. Es wird oft gegen eine Entscheidung für Bonn eingewandt, der Umzug sei zu teuer, die Kosten dafür würden dem Aufbau in den neuen Ländern fehlen. Ich will dazu nur drei Sätze sagen: Eine Entscheidung für Berlin wäre eine ökonomisch segensreiche Investition des Vertrauens in die Entwicklung der neuen Länder. Eine Entscheidung gegen Berlin könnte am Schluß vielleicht doch teurer sein als eine positive Entscheidung. Auch die Entscheidung für Bonn ist nicht kostenlos; sie kostet vielmehr viele Milliarden, weil auch hier gebaut werden muß und wird. Man sollte nicht mehr an der Behauptung festhalten, daß in Berlin alles neu geschaffen werden müsse, während in Bonn alles beim alten bleiben könne. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Bündnisses 90/GRÜNE) Wer so denkt und redet, macht Bonn wirklich zum Symbol des "Weiter so", als wäre in Deutschland durch die Wiedervereinigung nichts geschehen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der FDP) Fünftes Argument: gesamtdeutsche Solidarität. Es ist meine Sorge – ich bitte um Entschuldigung –, daß die deutsche Einigung noch immer mißlingen könnte, daß jedenfalls die ökonomische, soziale und menschliche Spaltung nur allzu langsam und opferreich überwunden werden könnte, weil kollektive Besitzstandswahrung, die im einzelnen immer verständlich ist, im Wege steht. Auch ich erinnere an den wichtigsten Satz des vergangenen Jahres, den Lothar de Maizière in seiner Regierungserklärung für die große Koalition gesprochen hat: daß die Teilung nur durch Teilen überwunden werden kann. Es geht bei der heutigen Entscheidung eben nicht nur um ein Symbol, wie die Bonn-Befürworter behaupten. Im Gegenteil, Berlin zum Ort der Repräsentation machen zu wollen, Berlin mit dem Hauptstadttitel nur zu schmücken heißt, den Osten Deutschlands mit einem Symbol abzufinden. Es geht um wirkliche Solidarität, wenn sie anfängt, einerseits – in der Region Bonn – weh zu tun und andererseits – in den neuen Länder – wirksam zu sein. Was wird uns im Osten Deutschlands nicht alles an grundlegenden, auch schmerzlichen Änderungen des Lebens abverlangt? Alles muß und wird bei uns anders werden. Das ist für sehr viele Menschen wahrhaftig nicht leicht. Ist demgegenüber die gewiß unbequeme Änderung, die mit der Verlegung des Parlamentssitzes verbunden ist, eine solch unanständige Zumutung? Meine Damen und Herren, nicht der Umzug von Parlament und wichtigeren Regierungsfunktionen muß schnell vollzogen werden, sondern die Grundsatzentscheidung für Berlin muß jetzt erfolgen. Sie wäre ein Zeichen, ein wunderbarer Anlaß der Hoffnung auf wirkliche Gemeinsamkeit und Solidarität, einer Hoffnung, die uns, die Menschen im östlichen Deutschland, die großen Probleme der nächsten Jahre leichter überstehen ließe, die uns in Deutschland wirklich näher zusammenrücken ließe. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, der FDP und des Bündnisses 90/GRÜNE) Die Entscheidung für Berlin wäre ein durch nichts – durch nichts! – zu ersetzender Schritt zur Verwirklichung der politischen, sozialen, menschlichen Einheit Deutschlands. Ich bitte Sie, ich appelliere an Sie, dieses Zeichen zu setzen, diesen Schritt zu tun. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, der FDP, der PDS/Linke Liste und des Bündnisses 90/GRÜNE)
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2021-06-23T00:00:00"
"2011-11-12T00:00:00"
"2021-06-23T00:00:00"
https://www.bpb.de/themen/deutsche-einheit/20-jahre-hauptstadtbeschluss/39743/hauptstadt-berlin-das-darf-nicht-ein-blosses-etikett-sein/
Der Parlamentssitz sei das Herzstück einer wirklichen Hauptstadt, so formulierte es Wolfgang Thierse 1991. Eine Abfindung mit sogenannten Repräsentativfunktionen wäre nicht nur eine Beleidigung für die Berliner, sondern auch eine Erniedrigung der Bür
[ "Wolfgang Thierse", "Deutsche Einheit", "Hauptstadtbeschluss", "Parlamentssitz", "Rede", "Deutschland" ]
30,797
Hilal Sezgin | 14. Bundeskongress politische Bildung 2019 | bpb.de
Hilal Sezgin. (© Barbara Fisahn) geboren 1970, studierte Philosophie in Frankfurt am Main und arbeitete danach mehrere Jahre im Feuilleton der Frankfurter Rundschau. Seit 2007 lebt sie als freie Schriftstellerin und Publizistin in der Lüneburger Heide, wo sie auch einen Lebenshof mit alten Schafen und anderen Tieren betreut. Ihre Themen sind vor allem Philosophie, Sachbücher, Feminismus, Islam und Tierethik. Sie schreibt für Zeitungen und Rundfunk sowie Romane und Sachbücher. Im Winter 2015/2016 baute sie eine Notunterkunft für so genannte Transitflüchtlinge auf; die dort gemachten Erfahrungen sowie ihr Engagement als Tierrechtlerin gaben den Impuls zu ihrem aktuellen Buch Nichtstun ist keine Lösung. Politische Verantwortung in Zeiten des Umbruchs, DuMont Buchverlag 2017. Hilal Sezgin. (© Barbara Fisahn)
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2021-06-23T00:00:00"
"2018-12-17T00:00:00"
"2021-06-23T00:00:00"
https://www.bpb.de/veranstaltungen/reihen/bundeskongress-politische-bildung/282776/hilal-sezgin/
[ "14. Bundeskongress Politische Bildung", "Referentin" ]
30,798
Internationaler Tag der Muttersprache | Deine tägliche Dosis Politik | bpb.de
Zǎoshang hǎo (Chinesisch), subha udǣsanak (Singhalesisch), szép jó reggelt (Ungarisch), śubhōdaya (Kannarisch), sabah al-khayr (Arabisch), guten Morgen! Heute ist der "Internationale Tag der Muttersprache", ausgerufen von der UNESCO. Aber warum heißt es eigentlich "Mutter"-Sprache? Der Begriff stammt aus dem frühen Mittelalter und tritt zuerst auf Latein als "Lingua Materna" auf. Er beschreibt die Sprache, die – im Gegensatz zur Bildungssprache Latein – von klein auf im Alltag gelernt und gesprochen wurde, also nicht erst in der Schule. "Muttersprache" ist also eher ein alltäglicher Begriff. In der Wissenschaft unterscheidet man verschiedene Arten von Sprachen. Die Amtssprache etwa – die offizielle Sprache eines Staates für Gesetzgebung, Verwaltung, Gerichte und Schulen. Die sogenannte Erstsprache hingegen ist die Sprache, die ein Mensch beim Aufwachsen als Erstes lernt. Und dann gibt es die Herkunftssprache. Diese bezeichnet eine Sprache, die innerhalb der Familie gesprochen wird, aber nicht die Sprache der umgebenden Mehrheitsgesellschaft ist. Wie sieht es in Deutschland um diese verschiedenen Arten von Sprachen aus? Schaut man auf Kinder zwischen 3 und 6 Jahren in ganz Deutschland, so sprechen rund 23 % in ihren Familien hauptsächlich eine andere Sprache als Deutsch. Wenn es um Deutsch als Muttersprache geht, so haben diese laut einer repräsentativen Studie etwa 88 % der Menschen in Deutschland. Unter den anderen Muttersprachen sind am häufigsten Russisch, Türkisch, Polnisch, Italienisch und Englisch. Werden Menschen aufgrund ihrer Sprache diskriminiert, so nennt man das Linguizismus. Eine strukturelle Diskriminierung von Sprachen sehen wir zum Beispiel, wenn ein arabischer Akzent im Deutschen schlechter bewertet wird als ein französischer und so Sprachen unterschiedliche Werte zugeschrieben werden. Menschen mit anderen Herkunftssprachen als Deutsch können noch vor weiteren Barrieren stehen. Zum Beispiel kann die oft als kompliziert empfundene Amtssprache insbesondere Migrant/-innen den Zugang zu Behörden und Bürokratie erschweren. Mehrsprachig aufzuwachsen galt lange als Nachteil. Häufig wurde angenommen, dass Kinder das Lernen mehrerer Sprachen überfordert oder sie schlechter Deutsch lernen. Heute weiß man, dass die Förderung von Mehrsprachigkeit zu mehr Inklusion und Bildungserfolg führen kann. Auch deshalb legt der Welttag der Muttersprache einen Fokus auf Mehrsprachigkeit im Unterricht. Schülerinnen und Schüler auf der ganzen Welt sollen Zugang zu Unterricht in ihrer Hauptsprache erhalten. In Deutschland verfolgt ein Großteil der Bundesländer dieses Ziel mit sogenanntem herkunftssprachlichen Unterricht. Für Integrationsbeauftragte wie Sprachwissenschaftler/-innen längst überfällig: Denn eine gut ausgebildete Muttersprache erleichtert das Deutschlernen – und schafft mehr Chancengleichheit.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
"2023-02-22T00:00:00"
"2023-02-17T00:00:00"
"2023-02-22T00:00:00"
https://www.bpb.de/kurz-knapp/taegliche-dosis-politik/518367/internationaler-tag-der-muttersprache/
Heute ist der "Internationale Tag der Muttersprache", ausgerufen von der UNESCO. Aber warum heißt es eigentlich "Mutter"-Sprache?
[ "Deine tägliche Dosis Politik", "Internationaler Tag der Muttersprache", "Muttersprache", "Herkunftssprache" ]
30,799