Wahlperiode
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Corinna Rüffer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Corinna
Rüffer
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Herr Hebner, ich habe überhaupt keine Lust, auf Sie einzugehen, weil ich mich Wochen und Monate mit Ihnen beschäftigen musste. Das ist überhaupt nicht zielführend. Ich möchte hier alle noch einmal darauf hinweisen: Ich habe aus einem Artikel zitiert. Wenn Sie ihn nicht gelesen haben, sollten Sie das tun; denn in dem Artikel werden auch Sie zitiert und als geistiger Brandstifter entlarvt. Der Artikel ist am 14. April 2019 im Berliner „Tagesspiegel“ unter dem Titel „Wie gefährlich ist rechte Desinformation im Netz?“ erschienen. Ich rechne nicht damit, dass Sie irgendetwas daraus gelernt haben. Sie haben sich bis heute nicht entschuldigt für das Unheil, das Sie angerichtet haben. Sie haben viele Menschen in der Verwaltung hier zutiefst in die Bredouille gebracht. Sie wissen ganz genau, was Sie getan haben. Wenn Sie das bis heute nicht einsehen, dann haben Sie null Unrechtsbewusstsein und aus meiner Sicht in diesem Hohen Haus überhaupt nichts verloren. Ich bitte jetzt, die notwendige Aufmerksamkeit herzustellen, damit wir die Debatte zum Tätigkeitsbericht des Petitionsausschusses fortsetzen können. Dazu hat nun der Abgeordnete Marc Henrichmann für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.
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Dr.
Dr. Volker Ullrich CDU/CSU
Volker
Ullrich
CDU/CSU
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Rechtsdurchsetzung für Verbraucher wird einer der Schwerpunkte in der Rechtspolitik der Großen Koalition sein. Wir kümmern uns deswegen darum, weil wir um die strukturelle Ungleichheit bei der Durchsetzung von Klein- und Streuschäden wissen. Der Zugang zum Recht ist oftmals erschwert durch die fehlende Möglichkeit, direkt und einfach Recht zu bekommen, aber auch durch die Hürden, die das aktuelle Zivilprozessrecht vorsieht. Das wollen wir ändern. Wir sagen: Wir wollen den Zugang zum Recht weiter erleichtern und gleichzeitig für die Gerichte die Voraussetzungen für die Anwendung des Rechts verbessern. Wir wollen das deswegen tun, weil die bisherigen Instrumente noch nicht vollständig geeignet sind, diese Ziele zu erfüllen. Die Klagemöglichkeiten der Verbände nach dem Unterlassungsklagengesetz sind präventiv und ein gutes Instrument, um verbraucherfeindliche Klauseln gerade in den Bereichen Mobilfunk und Elektrizität zu unterbinden. Das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz hat sich in der Praxis – da müssen wir ehrlich sein – als zu schwerfällig und zu langwierig erwiesen. Das zeigt beispielsweise das Verfahren um die Erstattung bei der Telekom, das sich jetzt mittlerweile über ein Jahrzehnt zieht. Deswegen brauchen wir ein neues und ein gutes Instrument, um die Ansprüche von Verbrauchern zu bündeln und um Verbrauchern zu ihrem Recht zu verhelfen. Wir stehen an der Seite der Verbraucher. Jetzt ist die Frage, ob der vorgeschlagene Gesetzentwurf der Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen diesem Ansinnen gerecht wird. Wir haben diesen Gesetzentwurf bereits mehrmals im Deutschen Bundestag debattiert. Die grundlegenden juristischen Fragestellungen, die dieser Gesetzentwurf aufwirft, aber nicht beantwortet, bleiben bestehen. Frau Kollegin Rottmann, Sie haben gesagt, es dürfe nicht auf das Geld ankommen, ob jemand bei Klein- oder Streuschäden klagt oder nicht. Wenn Sie aber von jemandem verlangen, dass er einen Anwalt nimmt – Sie wollen ja einen Anwaltszwang verankern –, dann muss er entweder die Erstberatungsgebühr von über 200 Euro aufbringen oder umständlich erst einmal seine Rechtsschutzversicherung fragen, ob er klagen darf. Das ist kein einfacher Zugang zum Recht. Sie erschweren den Zugang zum Recht. Sie müssen auch sehen, was mit § 619 Ihres Entwurfs bewirkt würde. Da führen Sie einen sogenannten Gruppenkläger ein. Der Gruppenkläger soll für die Gruppe die entsprechenden Prozesshandlungen vornehmen. Das Problem ist aber, dass Sie im gleichen Paragrafen sagen, dass dieser Gruppenkläger durch die anderen nicht in Haftung genommen werden kann und dass kein Schuldverhältnis begründet wird. Das heißt übersetzt: Der Gruppenkläger kann machen, was er will. Das ist nicht verbraucherfreundlich. Sie müssen bitte auch sehen, was für eine komplizierte Regelung in § 623 bezüglich der Frage des Vergleiches vorgesehen ist. Demnach soll ein Vergleich nur zustande kommen, wenn weniger als 30 Prozent den Austritt aus dem Vergleich erklären. Warum haben Sie es nicht andersherum gelöst und festgelegt: „Wenn 50 Prozent beitreten, dann gilt der Vergleich“? Das wäre eine wesentlich einfachere Regelung gewesen. Schließlich sind auch die Regelungen über die Berufung ziemlich kompliziert und verbraucherfeindlich. Der Gruppenkläger kann nämlich Berufung einlegen, auch mit Wirkung für die Gruppe, ohne dass jemand aus der Gruppe irgendwie aus der Berufung austreten kann. Damit erhöhen Sie das Prozesskostenrisiko für die gesamte Gruppe auf Kosten derjenigen, die eigentlich nur eine Erstattung der Streuschäden wollen. Insofern ist Ihr Gesetzentwurf zu kompliziert, baut zu hohe Hürden auf und kann den Anspruch, die Rechtsdurchsetzung für den Verbraucher zu verbessern, nicht erfüllen. Deswegen lehnen wir Ihren Gesetzentwurf ab – aus inhaltlichen Gründen. Meine Damen und Herren, wir werden als Große Koalition alsbald einen Gesetzentwurf zur Musterfeststellungsklage vorlegen. Sie werden erkennen, dass damit der Zugang zum Recht wesentlich erleichtert wird. Es werden nur anerkannte Verbände klagebefugt sein, es wird ein sehr niederschwelliges Klageregister geben, und wir wollen auch die Verfahrensfristen verkürzen, damit die Durchsetzung des Rechts anders als im Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz nicht Monate oder Jahre dauert. – Ich würde die Zwischenfrage zulassen, Herr Präsident. Bitte schön, Frau Kollegin Rottmann. Vielen Dank, Herr Ullrich, dass Sie die Frage zulassen. – Gestern ist ein VW-Händler verurteilt worden. Der arme Mann oder die arme Frau – ich weiß es nicht genau – kann ja gar nichts für diesen mangelhaften Wagen. Er könnte sich jetzt mit anderen Händlern zusammentun und seinerseits VW in Regress nehmen, da der Konzern für diese Manipulation verantwortlich ist. Welche Verbraucherzentrale, glauben Sie, wird diesen Händler vertreten, und wie wollen Sie das Problem lösen, dass der Händler kein Verbraucher ist? Er steht alleine gegen VW. Die Frage der Klagebefugnis im Rahmen der Musterfeststellungsklage wird von der gesetzlichen Ausgestaltung abhängig sein. Gerade für den Bereich des Handwerks oder der kleineren Händler, für den ich Sympathie habe, wollen wir beispielsweise eine Klagebefugnis der Industrie- und Handelskammern in das Gesetz schreiben, damit wir ihnen genau in den Fällen, in denen Händler oder Handwerker letzten Endes auf dem Regress sitzen bleiben würden, eine Rechtsschutzmöglichkeit gegenüber den größeren Unternehmen geben. Fairness muss auf beiden Seiten vorhanden sein. Deswegen bitte ich Sie, dass Sie genau bei diesem Punkt an den Gesetzesberatungen mitwirken. Meine Damen und Herren, wir müssen uns auch überlegen, wie wir kleinere Streuschäden oder Erstattungsbeträge im Bereich von wenigen Euro für die Verbraucher handhabbarer machen. Das typische Beispiel ist: Jemand kauft sich über eine App eine Fahrkarte bei einem Verkehrsunternehmen wie der Deutschen Bahn. Der Zug kommt nicht. Um den Erstattungsanspruch von 4,90 Euro oder 7,80 Euro geltend zu machen, muss oftmals umständlich ein Formular ausgefüllt werden. Hier muss zukünftig gelten, dass die Erstattung auf die gleiche Art und Weise vorgenommen werden kann wie der Kauf der entsprechenden Fahrkarte. Auch hier brauchen wir Waffengleichheit und Fairness. Wir haben das übrigens in der letzten Wahlperiode schon dadurch gelöst, dass wir gesagt haben: Ein Vertrag muss auf die gleiche Art und Weise gekündigt werden können, wie er geschlossen wurde. – Das gilt auch für die Erstattungen. Wir haben viel vor im Bereich des Verbraucherschutzes. Wir werden es beherzt und sehr tatkräftig anpacken. Ich lade jeden ein, hier mitzuwirken. Herzlichen Dank. Die letzte Rednerin in dieser Sitzungswoche ist die Kollegin Sarah Ryglewski für die SPD-Fraktion.
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Philipp Amthor CDU/CSU
Philipp
Amthor
CDU/CSU
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch zu fortgeschrittener Stunde können wir uns bei dieser Debatte jetzt vorkommen wie in einem Hollywoodfilm, nämlich wie in dem Hollywoodfilm „… und täglich grüßt das Murmeltier“. Der tägliche Gruß ist Ihr Antrag zur Demokratie. Sie sind das Murmeltier, und ich bin heute Bill Murray. Das bin nicht nur ich heute, das waren schon viele Kollegen vor mir. Liebe Frau Pau, Sie haben gesagt, dieser Antrag wurde schon oft eingebracht – in der Tat: 13-mal hier im Deutschen Bundestag seit dem letzten Jahrtausend, seit Ende der 90er-Jahre. Ich sage Ihnen: Durch häufigeres Einbringen werden Anträge nicht besser. Und der Bundestag ist nicht der richtige Ort für eine parteipolitische Therapiesitzung. Ihr Vorschlag enthält ein Potpourri aus verschiedenen Grundgesetzänderungen. Meine Redezeit reicht gar nicht aus, um das alles zu widerlegen, deswegen nenne ich drei Punkte, bei denen es nicht passt. Zum einen die Schwellen. Schauen wir sie uns an: Ab 100 000 Wahlberechtigten wollen Sie schon ermöglichen, eine Volksinitiative einzubringen. Das ist eine offensichtlich zu geringe Schwelle. Außerdem frage ich mich: Welches Vertrauen haben Sie denn eigentlich in die Bürger? Sie sagen in Ihrem Gesetzentwurf, Volksinitiativen, Volksabstimmungen sollen vorab durch das Bundesverfassungsgericht geprüft werden können. Das gilt im Übrigen für Ihre parlamentarischen Initiativen nicht; also halten Sie sich scheinbar für schlauer als die Bürger. Hinzu kommt noch: Wenn das Bundesverfassungsgericht Ihren Gesetzentwurf vorab prüfen würde, würde es feststellen, dass Ihr Gesetzentwurf nicht verfassungskonform ist, und das aus einem ganz einfachen Grund: In Artikel 79 Absatz 3 sieht unser Grundgesetz eine Ewigkeitsgarantie vor, unter anderem für die grundsätzliche Mitwirkung der Länder an der Gesetzgebung. Der Bundesrat wird durch Ihren Gesetzentwurf faktisch von der Gesetzgebung ausgeschlossen, und das mit einer ganz lapidaren Formulierung. Sie schreiben: Bei Volksentscheiden soll das Ergebnis der Abstimmung in einem Bundesland als Abgabe seiner Bundesratsstimme gelten. Ich sage Ihnen eins: Das ist ein Schulbeispiel für verfassungswidriges Verfassungsrecht. Das können Sie in jedem guten Grundgesetzkommentar nachlesen. Meine Damen und Herren, der Hammer kommt aber zum Schluss, unabhängig dieser handwerklichen Fehler. Frau Pau, Sie haben das zum Abschluss so en passant erwähnt. Ich kann Ihnen nur sagen: Besonders bemerkenswert und besonders ärgerlich ist der Vorschlag – liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie sich das auf der Zunge zergehen –, dass die Linken wollen, dass nicht nur Deutsche, sondern auch Ausländer, die länger als fünf Jahre in unserem Land leben, das Wahlrecht auf Bundesebene erhalten sollen. Es zieht einem echt die Schuhe aus, wenn man sich anschaut, wie Sie das begründen. Sie schreiben – und ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten –: Dem Grundgesetz wohnt der Gedanke inne, dass der Souverän die Bevölkerung ist. Ich sage Ihnen: Das ist völliger Unsinn. Der Souverän ist nicht die Bevölkerung, Wer der Souverän ist, können Sie vielmehr sehen, wenn Sie morgens hierher zur Arbeit fahren. Sie müssen einfach mal die Augen aufmachen. Hier am Bundestag steht nicht: „Denen, die hier schon länger leben“, sondern: „Dem deutschen Volke“. Der Souverän ist das deutsche Volk, meine Damen und Herren. Deswegen kann ich Ihnen nur sagen – dafür brauchen Sie nicht mal ein Seminar in Staatsrecht –: Schauen Sie einfach mal in Artikel 20 nach; dort steht: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.“ Gemeint ist dort das deutsche Staatsvolk. Das deutsche Staatsvolk ist Ausgangspunkt unserer staatlichen Gewalt. Es ist das Subjekt unserer Politik. Das deutsche Staatsvolk sind die deutschen Staatsangehörigen; das ist und bleibt so. – Das kann man anders sehen, aber ich sage Ihnen: Lesen Sie einfach mal in einem soliden Grundgesetzkommentar nach und nicht in der „Roten Hilfe“ oder der „Jungen Welt“. Dann finden Sie auch richtige Antworten. Wir wehren uns entschieden gegen solche kosmopolitischen Phantastereien. Ich sage Ihnen zum Abschluss ganz konkret: Für uns bedeutet Staatsbürgerschaft eine Korrelation zwischen Rechten und Pflichten. Wir wollen trennen zwischen einer politischen Schicksalsgemeinschaft und einer Verantwortungsgemeinschaft. Auch Ausländer haben natürlich Rechte bei uns; sie sind Teil unserer Verantwortungsgemeinschaft, aber sie sind nicht Teil unserer politischen Schicksalsgemeinschaft. Deswegen sagen wir: Wir werden Ihren Gesetzentwurf ablehnen. Ich hoffe, „… und täglich grüßt das Murmeltier“ ersparen Sie uns in der nächsten Legislaturperiode. Herzlichen Dank. Vielen Dank, Herr Kollege Amthor. – Bei aller Erregung, Herr Kollege Kraft, Sie wissen, dass der von Ihnen im Zuruf verwendete Begriff – ich will ihn jetzt nicht wiederholen – unparlamentarisch ist. Auch der Zwischenruf vorhin aus der Unionsfraktion – ein Zwischenruf mit dem Anfangsbuchstaben „A“ – ist einfach unparlamentarisch. – Nein, nicht Amthor. – Wir sollten uns trotz später Stunde an die Gepflogenheiten halten. Als Nächster hat der Kollege Dr. Christian Wirth für die AfD-Fraktion das Wort.
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Lisa Badum BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Lisa
Badum
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich erwarte von euch im Bundestag, dass ihr die Verantwortung wahrnehmt, die ihr für unsere Generation habt. Unsere Zukunft liegt in euren Händen. Ich zitiere einen der Sprecher der Fridays-for-Future-Bewegung nicht, weil sie eine Fürsprecherin brauchen – sie haben heute laut, klar und deutlich gesprochen, mit über 300 000 Menschen in ganz Deutschland –, sondern ich zitiere diesen Satz, weil er zeigt, worum es hier geht. Es geht nicht um Parteipolitik, sondern es geht darum, ob wir Abgeordnete eine Antwort auf diese globale Bewegung „Fridays for Future“ finden, ob wir lernfähig sind, ob wir bereit sind, eine Politik für die Zukunft zu machen. Darum geht es. Angesichts mancher Reaktionen auf die Fridays-for-Future-Bewegung frage ich mich das umso mehr. Wir reden hier von der globalen Jugendbewegung, die mit Digitalisierung und Globalisierung aufgewachsen ist. Das ist kein Neuland für sie. Sie sind darin aufgewachsen, und sie wollen dieses Land gestalten. Es ist ihr Land, es ist ihre Welt, und sie werden weitaus länger in dieser Welt sein als viele von uns hier in diesem Raum. Und da stellen wir Politikerinnen und Politiker uns hin und sagen: Denkt doch über Bezahlbarkeit, Arbeitsplätze und Versorgungssicherheit nach! Oder: Das Thema ist zu komplex; fragt doch mal einen Experten! Wissen Sie eigentlich, wie daneben diese Haltung ist? Als würden Wissen und Macht immer noch anhand von Alters- und Geschlechtergrenzen verteilt. Diese Reaktionen zeigen das Gegenteil von Expertentum. Aber auch Lob, wie wir es jetzt auch von der Regierungsbank wieder gehört haben, kann vergiftet sein: Wie toll, dass ihr euch politisch engagiert! – So können wir uns gegenseitig auf die Schultern klopfen, für unsere putzige politische Nachwuchsgeneration. Aber das wird der Größenordnung dieser Bewegung und der Größenordnung unserer Versäumnisse in den letzten Jahrzehnten nicht gerecht. Ein Lob – zumindest wenn es ein selbstzufriedenes Lob ist – ist keine Grundlage für einen Austausch auf Augenhöhe und für gegenseitiges Lernen. Wenn wir von gegenseitigem Lernen sprechen, dann möchte ich auch auf Greta Thunberg zu sprechen kommen, und zwar in ganz anderer Weise, als es hier unverschämterweise passiert ist. Greta Thunberg ist die Initiatorin und Herz und Kopf von Fridays for Future. Ja, sie redet offen über ihr Asperger-­Syndrom. Sie sagt, dass ihr Asperger-Syndrom einer der Treiber für ihr politisches Engagement war, weil sie die Welt anders sieht als andere, weil sie sich weigert, soziale Spiele mitzuspielen, weil sie ihre Zeit für Machtspiele nicht verschwenden will. Es schmerzt sie, wenn es einen Widerspruch gibt zwischen dem, was Menschen sagen, und dem, was Menschen tun, dem, was geboten wäre, und dem, was getan wird. Wenn sie einmal ein Ziel hat, dann ist sie von diesem Ziel nicht mehr abzubringen. Dann bleibt sie hartnäckig dran. Was können wir Politikerinnen und Politiker von ­Greta Thunberg wohl lernen? Was können wir von Fridays for Future lernen? Es war vielleicht noch nie so klar wie in den letzten Tagen mit Fridays for Future und Scientists for Future, was Politik im 21. Jahrhundert bedeutet. Es bedeutet, dass wir eine globale Herausforderung haben. Aber es bedeutet auch, dass wir globales Engagement, Idealismus, Expertentum und Menschen haben, die in über 2 000 Städten der Welt auf die Straße gegangen sind, eine globale Generation, inspiriert von einem 16-jährigen schwedischen Mädchen, in Los Angeles, Mumbai, Sydney usw. und in fast allen unseren Wahlkreisen. Diese Menschen zeigen uns: Politik kann gelingen, wenn wir den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts auch die Lösungen des 21. Jahrhunderts entgegensetzen. Ich frage mich: Worauf warten wir noch? Wir haben die Mittel. Wir haben das politische Wissen. Aber uns fehlen der Mut und der Wille für die großen Veränderungen. Ich weiß nicht, wie oft ich in den letzten Wochen das Stichwort „Gelbwesten“ gehört habe, wenn es um Veränderungen ging. Wir haben Angst vor den potenziellen Widerständen auf der Straße, anstatt uns dem realen Mut auf der Straße anzuschließen. Es stimmt: Demokratische Prozesse sind langsam, und die Art, wie wir Kompromisse suchen, ist zermürbend. Trotzdem ist es das bestmögliche System, das wir kennen. Aber der Verweis auf die Langsamkeit und die Notwendigkeit von Konsens ist oft genug eine Ausrede für fehlenden Mut, für Verzagtheit, für Verantwortungslosigkeit, für bloßen Lobbyismus, für das Verspielen unserer gemeinsamen Zukunft, für ein schüchternes Politikmikado, bei dem der verliert, der sich als Erster bewegt. Auch hier können wir von Fridays for Future lernen, deren Unterstützer uns entgegenrufen: Es gibt unsere Bewegung nur, weil ihr euch nicht bewegt. – Wir wissen, was unsere Aufgabe ist. Wir müssen unsere Art des Wirtschaftens vom CO 2 -Ausstoß entkoppeln. Das ist unsere Aufgabe. Packen wir es an, und machen wir eine Politik für diese Zukunft. Vielen Dank. Vielen Dank. – Als Nächster hat das Wort der fraktionslose Kollege Mario Mieruch.
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Lisa Paus BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Lisa
Paus
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Über ein Jahr Pandemie liegt inzwischen hinter uns. Hoffentlich sind bald alle, die es wollen, auch zweimal geimpft. Hoffentlich bereiten wir uns in diesem Sommer besser auf den Herbst vor als im letzten Sommer, damit mit Delta nicht die vierte Welle rollt und unsere Kinder wieder die Hauptleidtragenden sein werden. Die Krise ist noch nicht vorbei. Aber es lohnt sich, heute eine kleine Zwischenbilanz zu ziehen, wie Deutschland wirtschaftlich durch die Krise gekommen ist. Wir wissen, Covid hat die Ärmsten in unserer Bevölkerung nicht nur am Härtesten und am Existenziellsten getroffen, sondern wir wissen inzwischen auch, dass sich durch Covid-19 die Schere zwischen Arm und Reich noch einmal drastisch vergrößert hat. Wir wissen: Die Wirtschaft wurde durch Covid sehr, sehr unterschiedlich getroffen. In den Straßen sehen wir langsam, wie viele Geschäfte, wie viele Kneipen, Cafés, wie viele Restaurants aufgeben mussten. Alle kennen sicherlich aus ihrem Bekanntenkreis mindestens noch mal genauso viele, die mit verdeckter Not zu kämpfen haben, gerade Soloselbstständige, Veranstalter, Kulturschaffende. Auf der anderen Seite ist der größte Teil der Wirtschaft, Gott sei Dank, auch dank Milliarden öffentlicher Mittel ganz ohne wirtschaftliche Einbußen durch die Krise gekommen. Es gab auch Dritte, die aufgrund des Lockdowns sogar von der Krise profitiert haben, zum Beispiel Maskendealer von der CDU/CSU, zum Beispiel Supermarkt- und Baumarktketten, zum Beispiel DHL und andere Paketlieferer, vor allem aber Amazon und Co, während der stationäre Einzelhandel zusehen und Hygienekonzepte machen musste. Das, meine Damen und Herren, ist aus mindestens drei Gründen bitter: Erstens. Amazon profitierte zwar am meisten und hat seine Milliardengewinne verdreifacht, Amazon zahlt aber von diesen Erträgen keinen einzigen Euro Steuern für das Gemeinwesen in Deutschland. Das ist ein Problem, meine Damen und Herren. Zweitens. Das ist nicht nur bitter für unser Gemeinwesen, sondern eben auch für den stationären Einzelhandel. Denn der Einzelhandel hat Marktanteile verloren, der Einzelhandel hat im Gegensatz zu den vollen Kassen von Amazon jetzt leere Kassen, und der Einzelhandel muss jetzt trotzdem Geld in neue angepasste Geschäftsmodelle investieren. Das ist kein fairer Wettbewerb, meine Damen und Herren. Drittens. Es ist bitter, weil es so nicht hätte kommen müssen. Wir Grüne fordern seit Jahren eine faire Besteuerung des Cafés um die Ecke und von Starbucks, des lokalen Einzelhandels und von Amazon und Co. Schon seit 2017/18 liegen Vorschläge der EU-Kommission für eine europäische Digitalsteuer auf dem Tisch. Aber Deutschland, vorneweg Olaf Scholz und die CDU/CSU, haben diese Vorschläge auf europäischer Ebene blockiert. Dabei hatten Merkel und Olaf Scholz noch 2018 in Meseberg verkündet, dass die Digitalsteuer kommt. Aber auf Druck von Lobbyverbänden haben Scholz und Altmaier diese Pläne fallen lassen. Das rächt sich jetzt in dieser Krise doppelt. Es geht zulasten des Einzelhandels und führt zur Verödung der Innenstädte, meine Damen und Herren. Daran ändert auch die Feier von Olaf Scholz zur jüngst vom G‑7-Gipfel verkündeten 15 Prozent Mindeststeuer erst einmal gar nichts. Denn die Wahrheit ist: Der G‑7-Beschluss zur Mindeststeuer verdeckt, dass man sich eben gerade nicht, wie eigentlich vereinbart, unter den 137 OECD-Staaten geeinigt hat. Das war der Plan, das war das Versprechen von Olaf Scholz. Statt einer europäischen Digitalsteuer hatte er eine weltweite ab spätestens 2021 versprochen. Aber geliefert hat er bisher nichts. Selbst wenn ich mal unterstelle, dass der G‑7-Beschluss irgendwann Gesetz wird: Ob dann diese von Olaf Scholz verhandelte globale Mindeststeuer wirklich zu einer Verringerung der Steuerlücke bei Digitalkonzernen führen wird, das bleibt wahrlich abzuwarten. Amazon beispielsweise macht 7,7 Prozent seines weltweiten Umsatzes zurzeit in Deutschland. Laut G-7-Kompromiss wird es dann aber auch weiterhin so sein, dass diese 7,7 Prozent nicht der deutschen Besteuerung unterliegen, sondern nur 20 Prozent davon oder womöglich nur 20 Prozent des Residualgewinns. Der Rest wird vermutlich weiterhin in Steuersümpfe fließen, vermutlich sogar mehr. Denn da man sich nicht einmal unter den G‑7-Ländern auf 21 Prozent Mindestbesteuerung einigen konnte, sondern nur auf 15 Prozent, bleibt die Gewinnverschiebung weiterhin attraktiv. Die unfaire Verteilung von Last und Profit in der Covid-Krise findet aber jetzt statt. Weltweit findet deswegen – nicht nur hier – aktuell eine Diskussion darüber statt, ob und wie die Unternehmen, die durch die staatlichen Maßnahmen eine Art Monopolgewinn machen konnten, weil die Märkte für andere eben eingeschränkt waren, einen Teil dieser Extraprofite durch eine Extrasteuer an das Gemeinwesen zurückgeben. Ökonomen weltweit empfehlen es, der IWF empfiehlt es. Die südkoreanische Regierung diskutiert es. Es gibt historische Beispiele, die zeigen, dass solch eine Maßnahme wichtig sein kann, um eben das Vertrauen in die Fairness von Politik und Wirtschaft zu erhalten, damit dieses keinen Schaden nimmt. Es gibt auch konkrete Vorschläge der Umsetzung, wie zum Beispiel die Invested Capital Method oder auch die Average Earnings Method. Eine solche Maßnahme wäre auch mit dem Grundgesetz vereinbar. Das hat ein von mir beauftragtes Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes bestätigt. Die Krise ist noch nicht vorbei. Der Zeitpunkt für solche Überlegungen in Deutschland ist aktuell definitiv zu früh. Aber der Fall „Amazon versus Einzelhandel“ zeigt: Es gibt Handlungsbedarf. Wir werden darüber reden müssen, und wir brauchen eine noch höhere globale Mindeststeuer, meine Damen und Herren. Das Wort geht an die CDU/CSU-Fraktion mit Sebastian Brehm.
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Alexander Dobrindt CDU/CSU
Alexander
Dobrindt
CDU/CSU
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, es ist die letzte Sitzung des Deutschen Bundestags vor der Wahl. Lassen Sie mich deswegen zu Beginn meiner Rede noch ein paar Sätze sagen: Es ist eine Epoche, die zu Ende geht. Sie haben vor 16 Jahren von Rot-Grün ein Land mit Rekordarbeitslosigkeit, Rekordverschuldung, mit einem Negativrekord beim Wachstum übernommen. Wir leben heute in einem Land mit 45 Millionen Erwerbstätigen, mit 2,5 Millionen Arbeitslosen weniger, mit Chancen für junge Menschen bei Ausbildung und Beschäftigung. Das war eine gute Richtungsentscheidung. Ich habe mit Ihnen in den letzten Jahren in verschiedenen Funktionen zusammengearbeitet, gern zusammengearbeitet. Das verlief nicht immer konfliktfrei. Aber ich darf an dieser Stelle ausdrücklich sagen: Es war immer geprägt von meinem höchsten Respekt gegenüber Ihnen persönlich, Ihrer Haltung, Ihrem Amtsverständnis und Ihrem Dienst für unser Land. Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, liebe Angela, danke, Glück auf und Gottes Segen! Dass in Deutschland eine Richtungsentscheidung ansteht, hätte eigentlich nicht deutlicher werden können als durch die Rede von Herrn Korte. Sehr geehrter Herr Korte, das war doch keine Rede zur Lage und Situation in Deutschland, das war eine reine Bewerbungsrede für Rot-Rot-Grün; nichts anderes steckt dahinter. Unglaublich, dass Sie jetzt auf eine Antwort warten und Olaf Scholz diese noch nicht gegeben hat. Wir alle warten darauf, ob sie heute noch kommt. Herr Kollege Dobrindt, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Lötzsch? Noch eine Bewerbungsrede? Die Frage war zunächst, ob Sie die Frage oder die Zwischenbemerkung erlauben. Wenn das eine Frage an mich und nicht an Olaf Scholz ist, gerne. Ja. – Herr Präsident, unsere Geschäftsordnung sieht ja auch Zwischenbemerkungen vor. In meinem Fall ist es eher eine Danksagung. Der Kollege Dobrindt hat ja ein Video produziert, in dem er meint, vor Rot-Rot-Grün warnen zu müssen. Mich lässt er dort auch auftreten, und zwar direkt nach Arnold Schwarzenegger, und zwar mit den Worten: Schwarze Null als Fetisch. – Nun gingen Sie augenscheinlich davon aus, dass die Bürgerinnen und Bürger entsetzt sind. Ich kann Ihnen aber sagen: Ich habe viel Fanpost bekommen. Erstens: Schwarze Null als Fetisch. Das ist richtig; die Bürger haben mir zugestimmt. Zweitens haben sie gesagt: Endlich mal eine Frau mit einer ordentlichen roten Lederjacke. Und drittens haben sie gefragt: Kann man die Linke auch in Bayern wählen? Das kann ich bestätigen. Ich bedanke mich für diese Werbung für meine Partei und mich und verzichte ausdrücklich auf ein Honorar. Vielen Dank. Herr Kollege Dobrindt, Sie können ohne Anrechnung auf die Redezeit darauf antworten. Liebe Kollegin, vielen Dank auch für diesen Werbeblock. Das Video „Richtungsentscheidung“ kann man sehen auf www.csu.de. Herzlichen Dank dafür! Aber es geht ja um mehr als diese eine Richtungsentscheidung, die Sie angesprochen haben – nämlich die Frage, ob wir die Neuverschuldung ins Unendliche treiben oder ob wir zur schwarzen Null stehen –; es geht auch darum, ob Familien weiter entlastet werden oder ob sie belastet werden. SPD, Grüne und Linke wollen das Ehegattensplitting abschaffen. Wer das Ehegattensplitting abschafft, der macht doch nichts anderes, als dass er für Millionen von Familien die Steuern erhöht; das ist das Ergebnis dieser Entscheidung. Ja, Frau Giffey hat vor Kurzem dazu gesagt: Das trifft ja nur Alleinverdienerfamilien. Erstens ist das falsch, und zweitens sage ich Ihnen: Was für Sie „nur“ ist, das ist für uns die Mitte der Gesellschaft; um die geht es da. Ihr Parteivorsitzender übrigens, Norbert Walter-Borjans, sagt dazu, dass die Abschaffung des Ehegattensplittings ja „nur“ die Reichen trifft. Ich sage Ihnen: 80 Prozent der Familien, die vom Ehegattensplitting profitieren, haben ein Familieneinkommen von unter 60 000 Euro im Jahr. Und das sind für Sie die Reichen? Für mich ist das die Mitte der Gesellschaft, und die gehört entlastet und nicht belastet, meine Damen und Herren! Übrigens: Auf die Frage einer jungen Familie mit drei Kindern und zwei Einkommen, wie dieser Familie mehr von ihrem Einkommen übrig bleiben kann, hat Frau Giffey letzte Woche eine Gegenfrage gestellt, nämlich ob denn schon Sozialleistungen beantragt worden seien. – Ist das ernsthaft Ihre Vorstellung von sozialer Gerechtigkeit: Steuervorteile wegnehmen und dafür Sozialleistungen anbieten? Ich sage Ihnen: Wir wollen etwas anderes. Das Ehegattensplitting erhalten, den Kindervorteil ausweiten und Alleinerziehende um 5 000 Euro pro Jahr entlasten; das ist unser Modell. Und wir wollen Deutschland fit machen für die Zukunft. Herr Bundesfinanzminister, zu einer wettbewerbsfähigen Wirtschaft gehören auch wettbewerbsfähige Unternehmensteuern. Entlastungen für Unternehmen sind für Sie, Herr Bundesfinanzminister – wörtliches Zitat – „ein absurder Einfall“. Stattdessen wollen Sie die Erbschaftsteuer erhöhen, eine Vermögensteuer einführen. Da gibt es in der Regel sehr viel Applaus von der ganz linken Seite. Aber ich will Ihnen auch deutlich sagen: Mit diesen Ideen werden Sie nicht das Vermögen besteuern; Sie werden im Mittelstand, bei Familienbetrieben, bei der Landwirtschaft die Substanz besteuern. Das zerstört Investitionen und Innovationen, und das führt am Schluss nicht zu mehr Beschäftigung, sondern zu Arbeitslosigkeit. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik. Sie haben heute wieder von Respekt gesprochen. Dieser Respekt gilt offensichtlich nicht dem deutschen Mittelstand. Sie haben hier vorhin pauschal unterstellt, dass diese Unternehmen riesige Gewinne machen. Sehr geehrter Finanzminister, es wäre besser gewesen, Sie hätten hier erwähnt, wie viele Unternehmen – auch Familienunternehmen – in den letzten Monaten auf ihre Rücklagen und Ersparnisse zurückgreifen mussten und dass sie nicht riesige Gewinne gemacht haben, sondern große Risiken eingehen mussten, eigenes Kapital in die Hand genommen haben, um Unternehmen und Arbeitsplätze zu schützen. Und diese brauchen Entlastungen und keine Belastungen von Ihnen. Wir müssen eine Diskussion über die Souveränität führen – Souveränität von Deutschland und Europa. Wir haben in der Pandemie doch mehr als deutlich festgestellt, dass die Globalisierung Fehler hat. Die Globalisierung hat ihre Fehler gezeigt, als Masken und Schutzausrüstung gefehlt haben, als Medikamente knapp geworden sind. Jetzt gerade sehen wir, dass in Deutschland Automobilbänder stillstehen, weil Computerchips nicht ausreichend zur Verfügung stehen. Deswegen brauchen wir auch in Deutschland und Europa eine Souveränitätsoffensive. Produkte auch wieder in Deutschland und Europa herstellen – das ist keine Absage an einen freien Welthandel. Im Gegenteil: Das ist das Bekenntnis zu einem freien Welthandel, aber auf Augenhöhe. Wir brauchen deswegen die Bereitschaft, uns nicht dauerhaft einseitig von einer einzigen Region in der Welt abhängig zu machen. Hier wurde mehrfach darüber gesprochen, dass Deutschland ein Industrieland bleiben soll. Ich will das auch. Ich will aber auch, dass Deutschland ein Automobilland bleibt. Wir erleben gerade den Start der IAA, der Internationalen Automobil-Ausstellung, und wir erleben gerade auch, wie die Aggression gegen das Automobil und gegen diese internationale Ausstellung auf den Straßen entbrennt. Wir erleben gerade, wie sogenannte Aktivisten Autobahnen blockieren, sich von Autobahnbrücken abseilen und sich und Verkehrsteilnehmer in Gefahr bringen. Es wäre schön, wenn die Grünen an dieser Stelle doch mal deutlich sagen würden, ob diese Aktivisten in Deutschland, die jetzt wieder Gefahr auf unsere Straßen bringen, die gegen das Automobil sind, Ihre Unterstützung haben oder ob Sie sich endlich von so einem Vorgehen distanzieren. Wir stehen zum Automobilstandort Deutschland. Dazu gehört auch, dass wir Spitzentechnologien nicht einfach aufgeben. Die Automobilindustrie ist im Wandel. Das ist der Weg auch hin zur Elektromobilität, aber es hängen auch viele, viele Arbeitsplätze vom Verbrennungsmotor ab. Der Verbrennungsmotor ist deutsche Hochtechnologie, und ich will nicht, dass wir Hochtechnologie in Deutschland einfach aufgeben. Die Batterieelektrik ist ein Weg, aber das ist nicht der einzige Weg; wir brauchen auch die synthetischen Kraftstoffe. Ich will, dass der Verbrennungsmotor CO2-frei weiterbetrieben wird und Arbeitsplätze und Hightech in Deutschland sichert. Übrigens gilt das Gleiche auch für die Luftfahrtindustrie. In einer schwierigen Situation braucht auch genau diese Industrie Zukunftsperspektiven. Die Grünen sagen jetzt, sie wollen die Kurzstrecken überflüssig machen. Aber was Sie damit tun, ist, dass Sie die Mobilität in Europa einschränken werden. Europa ist aber nicht nur ein Freiheitsversprechen; Europa ist auch ein Mobilitätsversprechen. Die Menschen wollen in Europa zusammenkommen, und Europa wird zusammengeführt, weil die Menschen zusammenkommen. Dafür braucht es die schnelle Mobilität, und wenn Sie diese schnelle Mobilität unterbinden, dann unterbinden Sie das Zusammenwachsen Europas. Das ist kein proeuropäischer Akt; das ist ein Akt gegen Europa. Wer die Innovationen beim Fliegen nicht durchsetzen, sondern das Fliegen abschaffen will, der begeht einen antieuropäischen Akt. Das Klima spielt in dieser ganzen Diskussion eine große Rolle. Ich bin dafür, dass wir beim Klimaschutz Ambition und Akzeptanz verbinden: Genau darum geht es bei uns. Beides muss möglich sein, wenn wir über Klimaschutz reden. Man rettet das Klima nicht, wenn man das gesellschaftliche Klima vergiftet. Deutschland muss Vorreiter beim Klimaschutz sein. Deswegen haben wir in dieser Wahlperiode auch die CO2-Bepreisung für Mobilität und für Wärme beschlossen. Aber gleichzeitig haben wir beschlossen: Wenn der CO2-Preis steigt, dann sinkt der Strompreis. Wenn der CO2-Preis steigt, dann steigt die Pendlerpauschale. Wenn der CO2-Preis steigt, dann wird die Umrüstung der Ölheizung auf Erneuerbare billiger. Das nennt man Umsteuern. Das ist unser Weg an der Stelle – immer mit Entlastungen gepaart. Sehr geehrte Frau Baerbock, ich habe Ihnen zugehört. Wenn Sie über das Energiegeld reden, dann reden Sie von etwas grundlegend anderem. Sie machen nichts anderes als das: Der CO2-Preis geht an der Zapfsäule rauf. Dann geben Sie einen 75-Euro-Gutschein an die Menschen, den man an der Tankstelle wieder einlösen kann. Das ist doch kein Umsteuern; das ist ein Sich-im-Kreis-Drehen. – Ja, doch. Aber Sie können es ja gerne mal konkretisieren, wenn Ihnen jetzt aufgeht, dass das Ganze, was Sie an dieser Stelle erzählen, keinen Sinn macht. Es sei Ihnen aber gerne zugestanden: Sie sind die ökologische Linke in diesem Haus, alles okay. Uns geht es um Ambitionen und Anreize gleichermaßen, und deswegen sind wir die ökologische Mitte in diesem Haus. Herr Scholz, noch eine abschließende Frage an der Stelle: Wären Sie eigentlich bereit, Ihren Satz zu wiederholen, den Sie vor einiger Zeit hier bezüglich des EU-Coronawiederaufbaufonds gesagt haben, dass er nämlich der notwendige Einstieg in eine dauerhafte Fiskalunion ist? Das wäre interessant zu wissen, weil diese Fiskalunion, Herr Scholz, nichts anderes als die Schuldenvergemeinschaftung, die Haftungsunion, die Schuldenunion in Europa ist. Ich will Ihnen an dieser Stelle erklären: Es gibt einen Unterschied, ob man in einer krisenhaften Situation seinen engsten Nachbarn in Europa unterstützt oder ob man für eine dauerhafte Schuldenvergemeinschaftung ist. Wir lehnen die Schuldenunion in Europa ab. Danke schön. Vielen Dank, Herr Kollege Dobrindt. – Die nächste Rednerin ist für die Fraktion der SPD die Kollegin Katja Mast.
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Dietmar Friedhoff AfD
Dietmar
Friedhoff
AfD
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Goethe sagte: Es waren verständige, geistreiche, lebhafte Menschen, die wohl einsahen, dass die Summe unserer Existenz, durch Vernunft dividiert, niemals rein aufgehe, sondern dass immer ein wunderlicher Bruch übrig bleibe. Dieser Bruch kann auch als Wertebruch in unserem Empfinden, in unseren Handlungen und in unserer Kultur definiert werden. Für die weitere Beurteilung ist es wichtig, dass wir uns im zeitlichen, sozialen und umfeldbedingten interkulturellen Kontext dieser Geschichte nähern. Das schließt definitiv die Sichtweise von Herrn Adorno, Frankfurter Schule, aus, der gesagt hat, dass es kein richtiges Leben im falschen gibt. Denn es gibt sehr wohl Richtiges im Falschen: Genau daraus nehmen wir die Kraft und die Hoffnung für die Zukunft, und es ist die Basis unserer christlichen Wertegemeinschaft. Alles in allem leiten wir aus diesen Erkenntnissen ab, dass wir eine differenzierte Betrachtung dieser historischen Ereignisse vornehmen müssen. Denn wir wollen damit verhindern, dass es 51 Jahre nach 1968 mit dem Hamburger Denkmalsturz, dem Sturz des Denkmals von Hermann von Wissmann, wieder zu einer vereinheitlichten Anprangerung deutscher Geschichte kommt und damit zu einer eventuell folgenden unkontrollierten Namensänderungswut, der Änderung der Namen von Plätzen und Straßen in deutschen Städten. Auch im Falschen erscheint oft Gutes. Ich leite damit über zu Hermann von Wissmann, Gouverneur in Deutsch-Ostafrika, der 1895 sagte: Man soll Religion, Sitten und Bräuche des Afrikaners strengstens respektieren. Der Afrikaner soll erkennen, dass wir ein Herz für ihn haben. – Von Wissmann selbst wird von Afrikanern als großer Afrikaner bezeichnet. Dazu kommt: Die Araber betrieben im Osten Afrikas Plantagen mit afrikanischen Sklaven. Das Deutsche Kaiserreich entschloss sich, einzugreifen und den Sklavenhandel zu beenden. Also gab es neben der funktionierenden Land- und Viehwirtschaft der deutschen Siedler in einem funktionierenden Wirtschaftsraum doch auch Gutes. Die deutsche Kolonialzeit startete auch nicht mit kaiserlichen Eroberungskriegen – die lehnte Bismarck nämlich ab –, sondern das geht zurück auf deutsche Kaufleute wie Adolf Lüderitz, die in Afrika eine Chance für ihre Zukunft sahen. 1904 kam es zu Übergriffen auf die deutschen Farmer durch die Hereros, ausgehend von dem Herero-Anführer Samuel Maharero, der sagte: Tötet alle Deutschen! – Frau Sommer, als was genau beurteilen Sie diesen Aufruf? Die Verfolgung der Hereros wurde von circa 1 500 deutschen Soldaten durchgeführt. Das Einsatzgebiet war so groß wie die Schweiz. Die Hereros befreiten sich aus einer Zangenbewegung. Im Laufe der Gefechte und der Verfolgung kam eine ungewisse Zahl von Hereros ums Leben. Es gibt keine verlässlichen Zahlen. Ich möchte anmerken, dass jedes verlorene Leben auf beiden Seiten ein Leben zu viel ist, unentschuldbar und auf beiden Seiten. Ich komme zur Schuldfrage. Trägt die Bundesrepublik die Schuld? Politisch wurde das mehrfach positiv beantwortet. Juristisch kann man diese Frage nicht anders beantworten, als sie bereits beantwortet wurde. Juristische Maßstäbe unterliegen dem Wandel der Zeit. Aber das Recht des 21. Jahrhunderts kann nicht – mehr als 110 Jahre – in die Geschichte zurückgeführt werden. Darüber hinaus beklagen sich die Hereros, dass die Regierung in Namibia ihnen keine deutschen Entwicklungsgelder zukommen lässt. Es ist also auch ein internes Problem, das nun auf offener Bühne politisch instrumentalisiert wird. Kommen wir, da es die Linken direkt betrifft, zur Aufarbeitung der deutschen Geschichte. Wir brauchen kein tief rückwärtsgewandtes, einseitig betrachtendes deutsches Kolonialzeitverächtungsdenkmal – wie übrigens von Ihnen gefordert –, weil es in keiner Weise der Geschichte gerecht wird. Frau Sommer, Die Linke setzt sich gerne mit der Vergangenheit auseinander. Als Nachfolgepartei der SED haben sich Teile Ihrer Partei 1990 und 2014 ebenfalls politisch entschuldigt, entschuldigt für die Drangsalierungen, Misshandlungen und Tötungen bei den Bürgern der ehemaligen DDR – politisch, nicht juristisch. Ich zitiere aus n‑tv vom 8. November 2014: Gleichzeitig mahnt die Partei – Die Linke – jedoch auch, dass die Realität in der DDR komplexer gewesen sei, als sie heute oft dargestellt werde. Und weiter: Die Unterzeichner wenden sich zugleich gegen eine „Schwarz-Weiß-Malerei“ bei der Erinnerung an die DDR, die dem Land und den Menschen überhaupt nicht gerecht werde. Genau das, Frau Sommer, wäre auch der richtige Maßstab für die Beurteilung der Geschichte in Namibia. Deutschland will auf der ganzen Welt Frieden schaffen und nimmt sich immer wieder jeder Schuld an. Unbewusst wird das zu einer Reflexhandlung, und die schadet unserer gesunden Zukunft. Um den Frieden in der Welt zu wahren und um unser Volk zu einen, hat Deutschland mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag die bestehenden Grenzen nach 1945 angenommen und somit eben auch Vertreibung und Unrecht an Deutschen ertragen. Das machen wir mit Blick in die Zukunft, die eben auch vergeben und verzeihen muss. Genau das schafft Frieden in der Welt – und eben keine politischen Forderungen, die ideologisch getrieben sind. Denn das tritt die Opfer mit Füßen, und das entweiht das Gedenken. Deswegen lehnen wir Ihren Antrag ab. Vielen Dank, Herr Kollege. – Die Kollegin Gabi Weber, SPD-Fraktion, hat ihre Rede zu Protokoll gegeben.1  Anlage 14 Deshalb wird der Kollege Olaf in der Beek, FDP-Fraktion, jetzt das Wort erhalten.
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Armin-Paulus Hampel AfD
Armin-Paulus
Hampel
AfD
Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Besucher haben wir keine. Liebe Zuschauer, wenn Sie noch an den Schirmen sind, zu Hause! Vieles, lieber Herr Löbel – wo sitzt er? –, was Sie gerade gesagt haben, ist ja richtig. Es stimmt, wir Deutschen haben ein großes Interesse daran, dass diese Verträge weitergeführt werden. Wir haben ein Interesse daran, dass die INF-Regelungen beibehalten werden und wir keine neuen Mittelstreckenraketen in Europa haben. Nur, das Traurige ist – das können Sie in allen Einzelheiten jetzt darstellen, egal von welcher Fraktion hier –: Es interessiert, meine Damen und Herren, in Washington kein Schwein. Das ist das Traurige an der Sache: Ob in China ein Sack Reis umfällt oder im Deutschen Bundestag diskutiert wird, interessiert in Washington keinen mehr, und das nicht erst seit Donald Trump, sondern ich verweise darauf, dass es schon eine Forderung der Obama-Regierung war, dass der deutsche Verteidigungsanteil auf 2 Prozent hochgeschraubt wird. Auch die Demokraten haben im Kongress dafür gestimmt, Deutschland wegen Nord Stream 2 mit Sanktionen zu belegen. Warum das alles? Weil es einen Dialog zwischen den Vereinigten Staaten und der Bundesrepublik Deutschland seit der Präsidentschaft Trump gar nicht mehr gibt. Weil wir anfangen, dem amerikanischen Präsidenten rote Linien aufzeigen zu wollen. Ein deutscher Bundespräsident ignoriert den US-Präsidenten bei seinem USA-Besuch, ein ehemaliger Außenminister nannte ihn im Wahlkampf Hassprediger, und Frau Merkel sagt mal kurzfristig G7 ab, weil man ja eventuell ahnt – oder auch hofft –, im Herbst könnte der Mann nicht mehr Präsident sein. Das ist derzeitige deutsche – was heißt „Politik“? – Nichtpolitik. Wir haben im Auswärtigen Ausschuss den Staatsminister gefragt. Wenn eine solche Situation, wie sie jetzt entstanden ist, in früheren Zeiten entstanden wäre, dann wäre jeder deutsche Außenminister subito nach Washington geflogen; den Kanzler hätte er mitgenommen, oder umgekehrt. Und man hätte mit den amerikanischen Freunden das Problem so lange diskutiert, bis es vom Tisch ist. – Heute reist kein Schwein mehr nach Washington. Erstens sind wir nicht willkommen, zweitens zeigen wir rote Linien auf, und drittens gibt es nicht mal auf Anfrage an die Bundesregierung einen Reisetermin von Herrn Maas oder Frau Merkel. Das ist das Unglaubliche in der heutigen deutsch-amerikanischen Situation. – Ich kann Ihnen eins sagen: Auf die Frage, warum denn Frau Merkel nicht reist, wurde angeführt, dass die Coronaeinreisebestimmungen Probleme machen könnten. So absurd wird heute im Auswärtigen Ausschuss diskutiert. Das ist doch lächerlich. Zum Thema zurück: Auch für uns ist eine weitere Fortführung des Vertrages interessant, wichtig und gut. Aber wir müssen uns schon bereitfinden, mit den Amerikanern wieder einen Dialog führen, und zwar auf realpolitischer Basis, Herr Kollege, nicht auf Träumerbasis à la Merkel und Maas. Sie müssen mit dem Präsidenten leben, den Sie in Washington haben, und sich nicht irgendeinen erträumen, den es dann im Herbst vielleicht doch nicht geben wird. Auch dann geht die Weltpolitik weiter. Wir sind also dafür, dass wir eine Verständigung mit Russland suchen – ich habe es schon mal gesagt –, um den INF-Vertrag vielleicht auf Basis einer gemeinsamen europäischen Regelung fortzuführen. Beim START-Vertrag bleibt Ihnen in der Tat nichts anderes übrig, als nach Washington zu reisen. Nur, ob das heute erhobenen Hauptes noch möglich ist, wage ich zu bezweifeln. Noch mal: In Washington interessiert das deutsche Lamento und auch Ihr Lamento, Frau Kollegin, zurzeit kein Schwein. Das ist die traurige Realität. Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren. Für die SPD-Fraktion hat als Nächstes das Wort der Kollege Dr. Karl-Heinz Brunner.
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Dr.
Dr. Frithjof Schmidt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Frithjof
Schmidt
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass die Vereinten Nationen die Verantwortung für die Stabilisierung der Lage in Mali übernommen haben und mit großem Einsatz dort aktiv sind, ist gut. Man muss darauf hinweisen, dass es Frankreich war, das in einem Noteinsatz al-Qaida im nördlichen Maghreb und Ansar al-Din auf dem Vormarsch in den Süden Malis gestoppt hat. Frankreich hat gesagt: Wir wollen diesen Einsatz internationalisieren. Wir wollen, dass die Vereinten Nationen die Verantwortung übernehmen. Wir wollen, dass die Europäische Union dort mit uns gemeinsam Politik macht. – Ich glaube, es ist richtig, dass Deutschland Frankreich dabei intensiv unterstützt. Meine Fraktion trägt deshalb diesen Einsatz der Bundeswehr mit. Man muss sich wirklich klarmachen, dass der islamistische Terror von al-Qaida im nördlichen Maghreb existiert. Das ist keine Fiktion; die Terroristen sind immer noch da und immer noch schlagkräftig. Es ist außerordentlich schwierig, dort Frieden zustande zu bringen. Die UNO hat das versucht. Es gibt ein Friedensabkommen. Es gibt aber schwere Rückschläge dabei. Wir müssen die Lage sehr ernsthaft analysieren und uns intensiv damit beschäftigen, diesen Friedensprozess wieder auf den Weg zu bringen. Aber das geht eben nur, wenn die UNO ihre Stabilisierungsmission fortsetzt. Denn die UNO ist die einzige Kraft, die alle Konfliktparteien zusammenbringen kann. Deswegen geht es darum, die UNO zu stärken und sie nicht, indem man ihr Kräfte entzieht, zu schwächen. Aber zur Analyse der Situation gehört eben auch, dass man feststellen muss, dass sich die Lage in der Mitte und im Süden Malis in den letzten Jahren verschlechtert hat und dass es so nicht weitergehen darf. Es muss Druck auf die malische Regierung ausgeübt werden, damit endlich die inneren Reformen und der Kampf gegen die Korruption an die erste Stelle gesetzt werden. Dabei ist die Stärkung der malischen Zivilgesellschaft absolut zentral. Nur die malische Zivilgesellschaft kann und muss der Motor für die Durchsetzung der notwendigen Reformen sein. Das ist die politische Kraft, die wir stärken müssen. Das sind die politischen Aufgaben für deutsche und europäische Politik. Da muss man sehr deutlich sagen – das möchte ich auch ansprechen, Staatsminister Annen –: Ich glaube, dass wir unserem Partner Frankreich gegenüber deutlich machen müssen, dass man hier auf eine klare politische Akzentsetzung hinarbeiten muss. Die alten Eliten aus der Zeit von Françafrique haben abgewirtschaftet. Die Menschen im Land empfinden das auch so. Aber unsere französischen Freunde halten an diesen Eliten nach wie vor in einem politischen Ausmaß fest, das absolut kontraproduktiv ist. Sosehr ich dafür eintrete, dass wir Frankreich unterstützen, und sosehr ich mich hier für eine enge deutsch-französische Zusammenarbeit einsetze – deswegen tragen wir diesen Militäreinsatz mit; es ist gut, dass er von der deutschen Politik intensiv gestützt wird –, muss ich aber auch sagen: Wenn man die innenpolitische Situation in Mali nicht in Richtung eines Reformprozesses treiben kann, dann wird das politisch eine ganz schwierige Sache. Ich denke, Frankreich muss klargemacht werden, dass man diesen Prozess nicht so blockieren darf, wie er im Augenblick weiterhin blockiert wird. Zum Abschluss möchte ich noch eine Bemerkung zum Einsatz der Bundeswehr machen. Frau von der Leyen, ich habe genau zugehört. Sie haben gesagt, die Kanadier stellen jetzt Hubschrauber, wenn unsere Hubschrauber abgezogen werden. Ich hoffe, dass das in ausreichendem Maße nicht nur auf die MedEvacs, sondern auch auf die Kampfhubschrauber zutrifft. Das wäre gut; das ist auch meine Aufforderung an Sie. Das muss sichergestellt werden; denn sonst macht dieser Einsatz in den nächsten Monaten in der Tat nur wenig Sinn. Wir unterstützen diesen Einsatz. Danke für die Aufmerksamkeit. Damit kommen wir mit dem Kollegen Thomas Erndl von der CDU/CSU zum letzten Redner in dieser Debatte.
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Harald Ebner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Harald
Ebner
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Rede von Frau Ministerin Klöckner war aus meiner Sicht an Dreistigkeit tatsächlich nicht zu überbieten. Sie schreiben das jahrzehntelange Höfesterben wegen der Agrarindustrialisierung genau den Kritikern dieser Entwicklung zu! Also dreister geht es wirklich nicht. Und Herr Hocker, welche NGO haben Sie denn gemeint? Die einzige NGO, der die Ministerin folgt, ist der Deutsche Bauernverband. Vielleicht können Sie das noch konkretisieren. Jetzt hat sie den Wald entdeckt, die Frau Ministerin. Leider Gottes ist es wie immer: Erst wenn Ihnen gar nichts anderes übrig bleibt, Frau Ministerin, dann beginnen Sie über das Reagieren nachzudenken. Der Wald hätte schon viel früher Ihre Aufmerksamkeit verdient gehabt, und er hätte auch Gewicht im Haushalt bekommen müssen; aber Ihnen, Frau Ministerin, ist die Überschrift wichtiger als der Text. Letzte Woche haben Sie den Aktionsversuch Insektenschutz vorgestellt, eine lange Aufzählung voller Hintertüren. Nicht einmal das, was da übrig bleibt, schlägt sich im Haushaltsentwurf Ihres Hauses nieder. Ganz im Gegenteil: Dort sind 500 000 Euro Aufwuchs vorgesehen. Aber dann streichen Sie gerade die Programme zusammen, die Umwelt und Insekten nützen. Beim Ökolandbau und der Eiweißstrategie kürzen Sie um fast 1,5 Millionen Euro. Da rutscht Ihr ohnehin kläglicher Saldo ruckzuck ins ökologische und ins haushalterische Minus. So wird das nichts, Frau Ministerin. Sie wollen ja gar nichts ändern; Sie wollen so weitermachen wie bisher mit ein paar kosmetischen Änderungen an der Fassade. Sie schichten bei der GAP ein bisschen zugunsten der Agrarumweltmaßnahmen um. Es wäre möglich, noch 10 Prozent umzuschichten. Sie schichten 1,5 Prozent um. Ist das Ihr Ernst? Auch das Tierhaltungskennzeichen ist so angelegt, dass sich garantiert nichts ändert. Nur wer will, macht mit. Marktdurchdringung: Fehlanzeige! Das hilft keinem Tier. Und jetzt also noch der Wald. Der war bislang Ihr Stiefkind. Aber jetzt können Sie sich dem Ruf nach Finanzhilfen nicht mehr entziehen. Ja, dem Wald geht es schlecht. Es geht ihm nicht so schlecht wie dem Amazonas-Regenwald, der wegen Fleisch- und Sojahunger brennt, aber auch hier brennt der Wald. Er verdorrt und wird von Käfern totgefressen, vor allem wegen des jahrzehntelang verschleppten Klimaschutzes hierzulande, aber eben auch wegen des viel zu oft verschleppten Waldumbaus und wegen einer intensiven Holznutzung, die dem Waldboden schadet, ihn verdichtet und den Wasserhaushalt schädigt. Der Wald ist mehr als ein Haufen ungesägter Bretter. Große Monokulturen aus Nadelhölzern sind leichte Beute für Feuer und Käfer. Entwässerung und Verdichtung durch schwere Maschinen tun das ihre. Es ist schon lange Zeit, etwas zu tun, Frau Ministerin. In Ihrem Haushaltsentwurf können wir dazu nichts entdecken. Er ist unzureichend. Wenn man alle Titel zum Wald im Einzelplan 10 zusammenrechnet, haben Sie gerade einmal 5 Millionen Euro zusätzlich eingestellt. Versprochen haben Sie 500 Millionen Euro, und davon haben Sie noch keinen einzigen Cent in der Kasse. Da werden Sie sicher nachsteuern müssen. Ja, wir brauchen Geld für den Wald, aber nicht für ein Weiter-so. Es geht heute darum, dieses Geld sinnvoll in einen Wald zu investieren, der Zukunft hat, statt Fehler der Vergangenheit zu belohnen. Wir werden darauf drängen, dass die Investitionen hier ökologisch sinnvoll und langfristig wirksam angelegt werden, damit der Wald ökologischer und stabiler wird und selber zum Klimaretter wird bzw. Klimaretter bleibt. Den Waldumbau, Frau Ministerin, müssen Sie verbindlich regeln, damit das Geld, das wir hier ausgeben, in eine ökologisch sinnvolle Zukunft investiert wird, sonst sind Ihre 500 Millionen Euro hinausgeschmissenes Geld. Danke schön. Für die CDU/CSU-Fraktion ist der nächste Redner der Kollege Albert Stegemann.
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Katrin Zschau SPD
Katrin
Zschau
SPD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte auch voranstellen, dass es vor dem Hintergrund der aktuellen Krise ein positives Signal ist, dass der Einzelplan 30 insgesamt stabil bleibt. Auch vor dem Hintergrund der Zuständigkeit der Länder für die schulische Bildung und vor dem Hintergrund, dass die Länder derzeit Unterstützungsmaßnahmen auf den Weg bringen, muss der Bund natürlich seinen verlässlichen Anteil an den Gesamtausgaben sicherstellen. Es ist gut, dass der Bund die Hochschulen mit der Qualitätsoffensive Lehrerbildung unterstützt. Mit den Programmen „Leistung macht Schule“ und „Schule macht stark“ fördert der Bund gemeinsam mit den Ländern sowohl leistungsstarke Kinder und Jugendliche als auch sozial benachteiligte Schüler/-innen. Wichtig und unverzichtbar ist die Förderung der MINT-Bildung entlang der Bildungskette mit dem MINT-Aktionsplan 2.0. Gleiches muss auch verstärkt für die Angebote der kulturellen Bildung, der Bildung für nachhaltige Entwicklung und der Volkshochschulen gelten. Im vorliegenden Regierungsentwurf kommt es durch Umschichtungen in einzelnen Titeln, wie dem Titel „Stärkung der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens“, zu einer deutlichen Absenkung der Mittel, über die wir in den kommenden Haushaltsberatungen dringend sprechen müssen. Auch wir möchten der beruflichen Bildung den nötigen Rückenwind geben und sorgen für die notwendige Finanzierung; denn hier gehören alle in den Blick. Jugendliche mit niedriger Schulbildung haben erheblich eingeschränkte Ausbildungsperspektiven. Dabei werden aus Sicht der Experten die Qualitätsanforderungen in den Ausbildungsberufen, die für Jugendliche mit niedrigen Schulabschlüssen relevant sind, steigen. Ich zitiere aus der Delphi-Befragung der DKJS und der Bertelsmann-Stiftung: Im Sommer 2020 verließen in Deutschland bundesweit 168.759 Schülerinnen und Schüler die Schule ohne Schulabschluss bzw. mit einem Hauptschul- bzw. Ersten Schulabschluss … Dies entspricht einem Anteil von 22,5 % aller Schulabgänger:innen. … Trotz vieler unbesetzter Ausbildungsstellen bleibt … mehr als ein Drittel … der Personen mit Hauptschulabschluss zwischen 20 und 34 Jahren ohne Ausbildung. Von denjenigen ohne Schulabschluss sind es sogar fast zwei Drittel … Dieser Bildungsverlauf kündigt sich früh an. Immer mehr Grundschulkindern fehlen, gemessen an den von der Kultusministerkonferenz festgelegten Standards, grundlegende Fähigkeiten in den Fächern Mathe und Deutsch. Jeder fünfte Viertklässler scheitert am Lesen, Zuhören und in Mathematik, an Rechtschreibung fast jeder Dritte. Während der Coronapandemie fiel es noch stärker ins Gewicht – das wissen wir –, dass es bundesweit vielerorts an Lehrkräften, an geeigneten Räumen, an digitaler Ausstattung und an weiteren pädagogischen Fachkräften mangelte. So waren und sind Kinder, die Probleme haben, dem Unterricht zu folgen, benachteiligt; sie tragen damit ganze Lernpakete unordentlich gepackt mit sich herum. Eltern können das nicht auffangen, und Lehrkräfte gelangen permanent an ihre Belastungsgrenzen. Circa 20 Prozent der Kinder in Deutschland wachsen in Armut auf. Ihre oft in prekären Verhältnissen lebenden Eltern haben sich vielfach damit abgefunden, daran nichts ändern zu können. Dieses negative Zukunftsbild macht etwas mit den Kindern. Wenn psychische oder Suchterkrankungen der Eltern hinzukommen und wenn Kinder Gewalt erleben, sind die negativen Auswirkungen auf das Lernverhalten und ‑vermögen sowie auf die soziale Kompetenz der oft auf sich allein gestellten Kinder um ein Vielfaches höher als bei den Kindern, die in soliden und gesicherten Verhältnissen aufwachsen. Mit dem Startchancen-Programm haben wir im Koalitionsvertrag den Zusammenhang von Bildung und sozialer Herkunft adressiert. Es ist notwendig, aber nicht trivial, ein Programm von so großer Reichweite, das grundlegend wirken soll, auf den Weg zu bringen. Die Erfahrungen bisheriger Bund-Länder-Programme, insbesondere auch von erfolgreichen Länderinitiativen, müssen hier mit einfließen. Die Voraussetzungen der einzelnen Länder spielen für die erfolgreiche Umsetzung eine große Rolle, ebenso die wissenschaftliche Begleitung. Mit dem DigitalPakt Schule als gemeinsamem Kraftakt von Bund und Ländern mit ihren kommunalen und privaten Schulträgern erproben wir eine neue und notwendige Form der Bildungszusammenarbeit. Die Motivation erwuchs aus der Einsicht in die Notwendigkeit erheblicher Investitionen in die Digitalisierung des Bildungswesens. Wir meinen, Chancen für 20 Prozent der Kinder in unserem Land – mindestens 20 Prozent – sollten Motivation genug sein. Ich danke Ihnen.
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Norbert Kleinwächter AfD
Norbert
Kleinwächter
AfD
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Das ist jetzt aber echt schade, Frau Müller-Gemmeke, dass Sie Ihre Rede zu Protokoll gegeben haben. Ich meine, die Linken haben ihren Antrag extra von Ihrem Antrag aus der letzten Wahlperiode kopiert, und es wäre schon interessant gewesen, zu erfahren, wie Sie sich jetzt in der Koalition dazu verhalten. Die Linke will Arbeitszeit europarechtskonform dokumentieren. Immer wenn das Wort „Europa“ fällt, stellen wir uns erst mal die Frage: Gehört das eigentlich auf die EU-Ebene? Die ganz klare Antwort ist: Nein, die EU hat in dem Bereich absolut nichts zu suchen. Das ist einfach nicht ihre Aufgabe. Wie Sie wissen, stehen wir nicht für diesen Single Market und dafür, dass Brüssel alles entscheiden soll, sondern wir sind für einen Wettbewerb der Märkte untereinander, und der wäre auch gut. Dummerweise ist das Urteil des Europäischen Gerichtshofs Ihr einziges Argument. Ich will darauf eingehen, weil Sie selbst das in Ihrem Antrag ein bisschen falsch verwenden. In dem Urteil steht ja nicht: „Die Mitgliedstaaten müssen jetzt …“, sondern da steht drin, dass die Richtlinien so auszulegen sind, dass es nach der Rechtsprechung der nationalen Gerichte gesichert sein muss, dass ein solches System in irgendeiner Form vorhanden ist. Sie haben gerade selber ausgeführt, Frau Ferschl, dass es Gerichtsurteile in Deutschland diesbezüglich gibt und dass auch unsere Arbeitsgerichte im Arbeitnehmersinne urteilen. Also frage ich Sie: Wo ist eigentlich das Problem? Tatsächlich ist die Rechtslage in Deutschland relativ klar. Wir haben § 16 Absatz 2 Arbeitszeitgesetz. Dort steht, dass alles, was über die normale Arbeitszeit hinausgeht, als Überstunden dokumentiert werden muss, und das ist auch gut so. Es ist übrigens auch egal, wie die Arbeitszeit genau aussieht; sie muss dokumentiert werden. Nach § 17 Absatz 1 Mindestlohngesetz ist es zudem so, dass die Arbeitszeit in den schwarzarbeitsgeneigten Branchen komplett dokumentiert werden muss, also Anfang, Ende und Dauer, so wie Sie sich das wünschen. Und das sind ja fast alles Branchen, in denen eine potenzielle Gefährdung des Gesundheitsschutzes besteht: Bau, Speditionen, Gastronomie und ähnliche Branchen. Also gibt es hier eigentlich keinen Regelungsbedarf. Wenn Sie sagen: „Die Vorgaben werden nicht eingehalten“, dann muss ich entgegnen: Wenn sie nicht eingehalten werden, brauchen wir aber kein drittes Gesetz, brauchen wir nicht mehr Bürokratie und brauchen wir nicht irgendwelche Systeme, die alle zu irgendetwas verpflichten, was wieder Kosten mit sich bringt, sondern dann brauchen wir einfach mal eine Klage. Darüber muss entschieden werden, und darüber wird im Sinne der Arbeitnehmer entschieden. Wir haben einfach kein Problem, Frau Ferschl. Ganz ehrlich: Bevor wir immer nach der europäischen Ebene rufen, bin ich wirklich dafür, dass wir gerade die Frage der Dokumentation von Arbeitszeit dorthin geben, wo sie hingehört, und das ist der Bereich der Tarifautonomie. Lassen Sie doch einfach mal die Gewerkschaften mit den Arbeitgeberverbänden aushandeln, wie genau die Arbeitszeit dokumentiert werden muss. Da brauchen wir doch keine Regelung auf EU-Ebene, und da brauchen wir auch keine deutlich erweiterte gesetzliche Regelung in Deutschland im Vergleich zu dem, was wir schon haben. Es gibt auch viele Sonderfälle – Beschäftigte im Homeoffice, Vertreter, die im Außendienst arbeiten –, die beachtet werden müssen. Insofern, meine Damen und Herren, ist dieser Antrag, den Sie sich da auf zwei Seiten herausgemurkst haben, leider völlig überflüssig gewesen.
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Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Als wir über dieses Gesetz in erster Lesung beraten haben, zitierte ich zu Beginn meiner Rede den Wissenschaftlichen Beirat des Wirtschaftsministeriums. Der sagte: Die Mietpreisbremse sollte ersatzlos gestrichen werden, da sie weitgehend wirkungslos ist und dort, wo sie wirkt, den Abbau von Wohnungsknappheit behindert. – Dass Sie ein gespaltenes Verhältnis zu den Wissenschaftlichen Beiräten haben, ist mir aufgefallen. Ich könnte mir das jetzt zur Tradition machen und nach diesem Wissenschaftlichen Beirat des Wirtschaftsministeriums auch Ihre Wirtschaftsweisen zitieren. Man kann es sich hier zur Tradition machen, die wissenschaftlichen Ergüsse Ihrer Beiräte zu zitieren. Die Wirtschaftsweisen haben die treffendste Beschreibung für das ganze Thema „Wohnungspolitik der Großen Koalition“ gefunden: Symptomtherapie mit gefährlichen Nebenwirkungen. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, trifft den Nagel auf den Kopf. Aber völlig unbeirrt davon machen SPD, CDU und CSU weiter. Sie sammeln vernichtende Gutachten ihrer Experten; sie sammeln sie wie Trophäen. Seit drei Jahren gibt es jetzt die Mietpreisbremse – drei Jahre, in denen die Mieten in den Städten unbeeindruckt gestiegen sind, weil Sie am Symptom rumdoktern, aber die Ursache der Wohnkosten nicht beheben. Sie von der GroKo glauben oder hoffen, das Mietproblem einfach wegregulieren zu können, und Sie drehen jetzt an allen rechtlichen Schrauben, die Sie finden. Damit wird die Wohnungssituation aber weiter verschlimmert, weil Sie Investitionen hemmen und Vermieter aus dem Markt drängen. Ihre Wissenschaftlichen Beiräte haben das erkannt. Also machen Sie sich bitte endlich ehrlich, und schaffen Sie Ihre Wohnraumbremse einfach ab! Solange die Menschen weiter in die Städte und in die Ballungsräume drängen und dort nicht in gleichem Maße neuer Wohnraum entsteht, werden die Mieten weiter steigen. An dieser einfachen Wahrheit kommt man einfach nicht vorbei. Der GroKo fällt aber nichts Besseres ein, als Vermieter an den Pranger zu stellen und so die Situation insbesondere für die Mieter weiter zu verschlimmbessern. Sie zielen mit Ihrer Politik auf die scheinbar bösen Immobilienhaie, treffen aber in Wirklichkeit die vielen Kleinvermieter, die die allermeisten Wohnungen in Deutschland bereitstellen, übrigens zu hervorragenden Konditionen und mit gutem Verhältnis zu den Mietern. Diese kleinen Vermieter drängen Sie aus dem Markt. Die tun sich das irgendwann nicht mehr an. Die verkaufen ihre Wohnung. Damit sind noch weniger Mietwohnungen am Markt, und die Mieten steigen weiter. So eine Kurzsichtigkeit und, ehrlich, so eine Ignoranz gegenüber den einfachsten wirtschaftlichen Zusammenhängen habe ich selten gesehen. Liebe Kollegen von CDU und CSU, Sie haben sich von der SPD sauber über den Tisch ziehen lassen. Allerdings werden nicht Sie die Konsequenzen tragen müssen, sondern die Mieterinnen und die Mieter, auch bei den Modernisierungen. Wenn die Vermieter bei den Modernisierungen draufzahlen müssen, dann kommen diese Modernisierungen einfach nicht. Dann wird der Aufzug nicht gebaut, und die Seniorin im dritten Stock darf weiterhin die Treppe hochsteigen und muss in ihre Dusche klettern. Sie nennen das „soziale Politik“; ich nenne das grotesk. Liebe Kollegen, Sie können es sich sicherlich denken – ich merke es auch an der Begeisterung der SPD –: Wir Freie Demokraten lehnen dieses Gesetz ab. Es löst nämlich keine Probleme; es schafft aber neue. Ihre Mietpreisbremse ist eine Wohnraumbremse. Sie wollen den Mangel verwalten; wir Freie Demokraten wollen den Mangel beheben. Deswegen müssen wir mehr bauen, schneller bauen und günstiger bauen und dürfen vor allem nicht länger den ländlichen Raum vergessen; denn nur so entsteht günstiger Wohnraum für alle. Wer den Mietern Macht geben will, der muss mehr Wohnungen bauen. So einfach ist das. Vielen Dank. Vielen Dank, Kollege Föst. – Nächste Rednerin: Caren Lay für die Fraktion Die Linke.
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Zaklin Nastic DIE LINKE
Zaklin
Nastic
DIE LINKE
Herr Ahmetovic, zum Ersten habe ich in meiner Rede gesagt, dass wir mit Herrn Dodik und seinem Nationalismus nichts zu tun haben möchten. Das habe ich gesagt. Sie haben das vielleicht überhört. Jedes Kriegsverbrechen, selbstverständlich auch die in Srebrenica, ist zutiefst zu verurteilen. Aber Srebrenica war jetzt nicht Tagesordnungspunkt, sondern ein Auslandsmandat, in das Sie einsteigen wollen. Sie müssen dann auch ehrlich sein und sagen, dass die Schaffung des Amtes des Hohen Repräsentanten gar nicht Bestandteil des Dayton-Abkommens war, sondern im Nachhinein, fast zwei Jahre später, erfolgte; es hat keine demokratische Legitimation. Sie fordern also, dass ohne demokratische Legitimation ein Präsident, den wir wahrscheinlich alle hier ablehnen – für die AfD möchte ich nicht sprechen –, abgesetzt wird. Das ist doch Wasser auf seine Mühlen. Dann sagt man dort: Ach, guck mal! Von Deutschland aus mischen sie sich ein und wollen sogar einen gewählten Präsidenten absetzen. – Finden Sie nicht, dass das widersprüchlich ist? Jetzt spricht die Kollegin Marja-Liisa Völlers für die SPD-Fraktion.
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Daniel Baldy SPD
Daniel
Baldy
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Ich hätte jetzt gerne dem Kollegen Hartmann den Vortritt gelassen; aber wenn Sie das so wünschen, dann richte ich mich da natürlich nach der Präsidentin. Entschuldigung, mir wurde mitgeteilt, dass Sie beide getauscht haben. Sie können das machen, wie Sie wollen. Jetzt bin ich ja schon hier. Jetzt sind Sie schon da. Dann machen wir es so. – Bitte schön, Herr Baldy. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Gerade gestern habe ich mit Noel Firmenich von der Jugendvertretung Bingen in meinem Wahlkreis telefoniert. Noel ist einer von vielen engagierten jungen Menschen, wie Sie sie gewiss auch aus Ihren eigenen Wahlkreisen kennen. Obwohl er sich einbringt, seine Stadt mitgestaltet und Verantwortung übernimmt, versteht er nicht, warum wir jungen Menschen in Deutschland nicht mehr zutrauen, indem wir ihnen das Wahlalter ab 16 zusprechen. Aber Noel geht es nicht nur darum, wählen zu dürfen. Für ihn ist klar, dass mit einem früheren Wahlalter auch die politische Bildung in unseren Schulen früher beginnen muss. Und deshalb sage ich auch als Sozialkundelehrer: Bereits in den Schulen müssen frühzeitig das politische System und unser Wahlrecht vermittelt werden. Solange man im Wahllokal am Wahlsonntag noch Sätze hört wie: „Für was ist noch mal die Erststimme da?“, so lange ist auch die politische Bildung noch nicht am Ziel. Es muss aber auch einen Auftrag an uns Politikerinnen und Politiker geben, vom Gemeinderatsmitglied in meinem Heimatort Münster-Sarmsheim bis hin zum Bundeskanzler Olaf Scholz hier in Berlin: Wir müssen Politik nahbarer machen, wir müssen auf junge Menschen zugehen, wir müssen mit ihnen auf Augenhöhe sprechen, und wir müssen sie für die Themen begeistern, für die wir selbst brennen, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen. Lassen Sie uns Noel und den vielen anderen jungen Menschen das Vertrauen geben, das sie verdienen. Lassen wir sie mitbestimmen, mitentscheiden, sich einbringen und ihrer Stimme Gewicht geben. Lassen Sie uns gemeinsam das Wahlalter mit 16 auf die Schiene bringen. Doch nicht nur beim aktiven Wahlrecht bedarf es eines echten Aufbruchs und Fortschritts. Auch beim passiven Wahlrecht besteht Handlungsbedarf. Denn 103 Jahre nachdem Frauen bei der Wahl zur Weimarer Nationalversammlung erstmals an die Urne treten durften, liegt der Anteil von Frauen im aktuellen Bundestag bei gerade einmal 34 Prozent. Das darf so nicht bleiben, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Als ich vor elf Jahren in die SPD eingetreten bin und bei den Jusos aktiv wurde, habe ich nicht verstanden, wofür es eine Quote braucht; denn schließlich stand doch allen alles offen. Männer und Frauen sind gleichberechtigt, und damals gab es auch noch eine Frau als Kanzlerin. Aber mit der Zeit habe ich auch festgestellt: Es sind die Männer, die häufiger sprechen. Bei Listenaufstellungen sind es eher die Herren, die ihren Hut für vordere Plätze in den Ring werfen, und Sitzungen finden zu Zeiten statt, die alles andere als familienfreundlich sind. All die schönen Worte der letzten Jahre, die wir zu diesem Thema gehört haben, haben daran leider nichts geändert: 34 Prozent der Abgeordneten im Bundestag sind Frauen, in den Landesparlamenten sind es rund 30 Prozent und in Kommunalparlamenten zuweilen sogar nur 15 Prozent. Dies zeigt unmissverständlich: Fehlende Parität ist kein alleiniges Problem des Deutschen Bundestages; es ist ein strukturelles Problem in deutschen Parlamenten. Strukturelle Probleme werden wir nur mit strukturellen Veränderungen verbessern. Eine dieser Änderungen ist ein paritätisches Wahlrecht, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen. Nun fragt sich vielleicht der ein oder die andere zum Beispiel: Was sind denn die konkreten strukturellen Probleme, die eine Benachteiligung bewirken? Eine Befragung von 800 Politikerinnen und Politikern durch die Europäische Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft Berlin – einige von Ihnen wurden vielleicht ebenfalls dazu befragt – liefert uns aufschlussreiche Antworten. 75 Prozent der Befragten gaben an: Termine im Zusammenhang mit dem Mandat liegen oft zu Zeiten, die man lieber im Kreis der Familie verbringe. 66 Prozent gaben an, die Art der politischen Diskussion und Auseinandersetzung schrecke Frauen ab. 65 Prozent gaben an, Frauen müssten höhere Erwartungen erfüllen als Männer. Ein paritätisches Wahlrecht gleicht diese Benachteiligungen zwar aus, es schafft sie aber nicht ab. Daher gilt auch bei der Parität: Die Wahlrechtsreform ist nicht das Ende; nein, sie muss der Anfang unserer Bemühungen sein. – Das ist unser Auftrag, liebe Kolleginnen und Kollegen. Deshalb müssen wir hier im Parlament auch darüber sprechen, wie wir die Arbeit hier besser, familienfreundlicher gestalten können und wie die Vereinbarkeit von Kind und Karriere für alle Väter und Mütter besser gelingt. Meine sehr geehrten Damen und Herren, eine Quote ist nicht die letzte Maßnahme zur Herstellung von Parität; nein, sie ist die erste Maßnahme zur Parität. Unser gemeinsames Ziel hier im Bundestag muss es sein, durch die gezielte Förderung von Frauen und durch Veränderungen in unseren Parteien die Quote überflüssig zu machen. Lassen Sie mich als Feminist abschließend sagen: Es geht bei der Parität nicht um die Hälfte des Kuchens; nein, es geht um die Hälfte der Bäckerei, die Hälfte der Metzgerei und auch noch die Hälfte des Baumarkts. 103 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts ist es Zeit, auch die Macht endlich gerecht zu teilen. Vielen lieben Dank. Für die CDU/CSU-Fraktion erteile ich dem Kollegen Ansgar Heveling jetzt das Wort.
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Dr.
Dr. Karl-Heinz Brunner SPD
Karl-Heinz
Brunner
SPD
Sehr verehrter Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Ich will zu den Äußerungen zu Rüstungsausgaben in Höhe von 2 Prozent des BIP nichts sagen, weil sie so aberwitzig und absurd sind, wie die 2-Prozent-Diskussionen immer waren. Wer unser BIP anschaut, sieht: Wenn sich die wirtschaftliche Situation nicht ändert und wenn unsere Maßnahmen nicht greifen, werden wir uns auf die 2 Prozent sehr schnell zubewegen, egal, was wir wollen. Aber dann haben wir am Ende gar nichts in den Händen. Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, am 26. März 2010 – das dürfte in Deutschland unstrittig sein – hat der Deutsche Bundestag beschlossen, dass Deutschland atomwaffenfrei und nuklearfrei sein soll. Das war gut, das war richtig. Das war eine gute Entscheidung, die der Deutsche Bundestag getroffen hat. Diese Entscheidung, die der Deutsche Bundestag getroffen hat, bedarf aber zu ihrer Umsetzung einer klugen, einer vernünftigen und vor allen Dingen einer machbaren Politik. Dazu müssen wir wissen, dass Abrüstung – und nukleare Abrüstung ist am Ende dieser Kette – nur dann möglich ist, wenn es uns wieder gelingt, den Dreiklang aus Vertrauensbildung, aus Verifikation und letztendlich dann aus Abrüstung herzustellen. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, diesen Dreiklang herzustellen, gelingt uns leider Gottes nicht durch „America first“, „Russia first“, „Germany first“, sondern nur dadurch, dass wir klug und vertrauensvoll vorgehen. Dies haben wir, die Weltgemeinschaft, die Russische Föderation und die USA, mit den START-Abkommen gemacht: mit START I, mit START II und letztendlich dann mit New START, dem Vertrag, der im April 2010 in Prag durch die damaligen Präsidenten Barack Obama und Dimitrij Medwedew unterzeichnete wurde. Er hat eine gute Message, würde ich sagen, gehabt, indem die Zahl der einsatzbereitgehaltenen nuklearen Sprengköpfe auf 1 550 und die der Trägersysteme auf 800 begrenzt wurden und er einen guten Austausch von Informationen und gegenseitiger Verifikation hinsichtlich der Begrenzung ermöglichte. New START hat deshalb auch einen maßgeblichen Beitrag zur geopolitischen Stabilität nicht nur zwischen den USA und Russland geleistet, sondern auch in Europa, in Deutschland und anderswo zu friedlichem Leben geführt. New START ist – das wissen wir alle, die sich mit der Materie beschäftigen – nicht ohne Schwächen: Auch wenn Russland und die USA nach wie vor die mit Abstand größten Atommächte dieses Globus sind, versuchen auch andere Staaten – das wissen wir –, ihre nukleare Option auszubauen. Trotzdem ist klar, dass eine Welt ohne diesen Vertrag, ohne New START, so sage ich, weit weniger sicher wäre. Mittlerweile ist leider Gottes New START neben Open Skies eines der letzten verbliebenen Abkommen zur Rüstungskontrolle, und zwar zur nuklearen Rüstungskontrolle zwischen den nuklearen Supermächten USA und Russland. Schon deswegen wäre es schade, nein, ein fatales Signal, wenn 2021 New START sang- und klanglos auslaufen würde. Es wäre ein dramatischer Rückschritt für die weltweite Abrüstung. Dies gilt umso mehr, weil derzeit kein Ersatz in Sicht ist. Diese große Bedeutung von New START hebt auch der Antrag der Linken hervor. Das ist ein gutes Zeichen. Ich habe ja schon Forderungen gesehen, die sich weitaus bizarrer dargestellt haben. Zu Ihrem Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, und dem klaren Antrag der Grünen, Nuklearwaffen aus Deutschland am besten sofort abzuziehen, muss man aber sagen: Man sollte sich einmal darauf verlassen, dass die Bundesregierung, insbesondere der Außenminister, hier nicht nur hinsichtlich des Neustarts der Abrüstungsinitiativen an vielen Baustellen mit vollem Einsatz bei der Sache ist und bleiben wird, auch ohne dass der Deutsche Bundestag die Anträge einzelner Fraktionen, in denen ein bestimmtes Regierungshandeln gewünscht wird, umsetzt. Dieser Antrag zeigt eigentlich eher die Geringschätzung gegenüber der Bundesregierung. Sie soll das tun, was eigentlich ihre Aufgabe ist, und das tut sie. Alles in allem weiß ich nicht, was ich von Ihren Anträgen halten soll. Offensichtlich wissen Sie selbst es auch nicht; denn am Schluss kommen Sie alle immer zum Ergebnis: Wir müssen New START erhalten. Wie wir das machen, sagen wir nicht. – Und: Die nuklearen Sprengköpfe sollten aus Europa und aus Deutschland so schnell wie möglich abgezogen werden. Ja, man muss – und das sage ich auch ganz deutlich – über die nukleare Teilhabe reden. Man muss diskutieren. Man muss den Beschluss des Deutschen Bundestages in eine realitätsnahe Politik umsetzen; denn das ist ein wichtiges Thema. Dieses wichtige Thema muss debattiert werden, so wie die Sozialdemokratie dies macht: intern, extern mit den Menschen draußen in der Gesellschaft. Aber: Wir müssen uns bei der nuklearen Teilhabe auch im Klaren darüber sein, dass kluge Politik nicht bedeutet: Ich gebe jegliche Verhandlungsmasse auf und mache dadurch die Welt besser. Ich möchte mal ein Beispiel bringen. Wenn ich Karten spiele und bei dem Kartenspiel ein gutes Blatt habe – ich habe mir sagen lassen, da ich aus Bayern komme, dass Schafkopf und Skat natürlich ganz unterschiedlich gespielt werden –, dann werde ich bei diesem guten Blatt nicht die Joker, also die guten Karten, die ich habe, aus der Hand geben, um dann zu verhandeln. Ich sage ganz deutlich mit Blick auf Europa: Wie könnte Deutschland auf Nuklearwaffen verzichten und dabei sagen: „Wir geben auf und haben jetzt eine bessere Verhandlungsposition mit der Russischen Föderation, wenn diese gleichzeitig in Kaliningrad einen Sprengkopf hat?“ Da muss ich was im Köcher haben, um verhandeln zu können. Wenn ich abrüsten will, muss ich Maßnahmen zur Verhandlung und Einrichtungen zum Verhandeln haben, und dazu dient die nukleare Teilhabe. Ich sage auch ganz klar für die deutsche Sozialdemokratie und für unsere Fraktion in diesem Hohen Haus: Sicherheitspolitik und nukleare Teilhabe in Deutschland und in Europa bedeutet auch, dass wir mit den Parteien diese Maßnahmen verhandeln – Herr Kollege, kommen Sie zum Ende. – danke, Herr Präsident, ich komme zum Ende – und dass wir letztendlich – last, but not least – unser Ziel eines atomwaffenfreien Europa und atomwaffenfreien Deutschland nicht aus den Augen verlieren. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Zeit für die namentliche Abstimmung geht allmählich zu Ende. Wer noch nicht abgestimmt hat, sollte jetzt aufbrechen. Herr Kollege Bijan Djir-Sarai von der FDP, haben Sie schon abgestimmt? – Das ist gut. Dann erteile ich Ihnen jetzt das Wort.
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Gabriele Hiller-Ohm SPD
Gabriele
Hiller-Ohm
SPD
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute ist ein richtig guter Tag für den Tourismus. Denn mit unserem gemeinsamen Antrag von SPD und Union stellen wir heute Weichen für eine zukunftsweisende Tourismuspolitik in unserem Land. Wir haben schon im Koalitionsvertrag eine nationale Tourismusstrategie für Deutschland vereinbart. Mit unserem vorliegenden Antrag zeigen wir auf, was wir von dieser Strategie erwarten. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist eine richtig große Sache; denn bisher gibt es auf Bundesebene überhaupt keine Strategie, wie sich der Tourismus in Deutschland entwickeln soll. Wir bringen sie erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik jetzt auf den Weg. Meine Damen und Herren, das hat bisher noch keine Koalition geschafft. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der AfD, blasen heute wieder einmal die Backen mächtig auf. Aber was, so frage ich Sie, haben Sie bisher Positives für den Tourismus geleistet? Ich gebe Ihnen die Antwort: Das können Sie gar nicht; denn dafür stehen Sie sich selbst im Weg. AfD und Tourismus ist ein Widerspruch in sich. Mit Ihrem Fremdenhass, Ihrer Intoleranz und Ihrer Menschenverachtung und mit den unsäglichen Faschisten in Ihren Reihen sind Sie das größte Schreckgespenst für jede gute Tourismusentwicklung in unserem Land. Denn, meine Damen und Herren, Tourismus lebt gerade von Weltoffenheit, Gastfreundschaft, Internationalität, Aufgeschlossenheit, Hinwendung und Toleranz. Aber das alles, meine Kolleginnen und Kollegen der AfD, passt nicht in Ihr politisches Konzept. Deshalb können Sie niemals Botschafter für eine gute Tourismuspolitik sein. Meine Damen und Herren, wir werden heute festlegen, wie die Rahmenbedingungen für den Tourismus in Deutschland auf Bundesebene aussehen sollen. Ich freue mich, dass auch die Grünen einen Antrag mit ihren Forderungen an eine Tourismusstrategie eingebracht haben. Vieles läuft in die gleiche Richtung. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass wir gemeinsam etwas Gutes für den Tourismus erreichen werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit der nationalen Tourismusstrategie würdigen wir nicht nur diese wichtige Branche. Wir geben dem Tourismus und insbesondere den Menschen, die im Tourismus arbeiten, die Aufmerksamkeit, die sie verdienen. In Deutschland sind fast 3 Millionen Beschäftigte in der Tourismusbranche tätig. Jeder fünfzehnte Arbeitsplatz ist im Tourismus angesiedelt. Die Branche ist vor allem von kleinen und mittelständischen Unternehmen geprägt. Ihnen wollen wir unter die Arme greifen bei zukünftigen Herausforderungen wie Digitalisierung und demografischem Wandel. Das Tolle ist ja: Tourismus schafft Arbeitsplätze vor Ort. Deshalb profitieren vom Tourismus besonders ländliche Regionen genauso wie kleinere Kommunen und Städte. Tourismus kann also ein richtig starker Wirtschaftsmotor sein. Das ist er ja auch bereits in vielen Regionen, und das soll so weitergehen. Gleichzeitig ist Tourismus ein Dienstleistungssektor und damit, wie kaum eine andere Branche, geprägt von den Menschen, die dort arbeiten: die Taxifahrerin, der Kellner, die Reinigungskraft – sie alle sorgen dafür, dass Urlaube erholsam und erlebnisreich sind. Sie leisten oft eine knochenschwere Arbeit, häufig auch am Wochenende und nach den üblichen Öffnungszeiten, leider oft auch unter schweren Arbeitsbedingungen und zu schlechten Löhnen. Deshalb verdient ihre Arbeit die nötige Anerkennung in Form von guter sozialer Absicherung, Einhaltung gesetzlicher Arbeitszeiten und vor allem mit angemessenen Löhnen. Nach dem Mindestlohn machen wir jetzt mit der Mindestausbildungsvergütung einen weiteren wichtigen Schritt in die richtige Richtung. Bei der Einführung der flächendeckenden Tarifbindung im Gastgewerbe ist nun aber auch die Branche gefordert. Dem Fachkräftemangel müssen wir gemeinsam entgegenwirken. Deshalb haben wir in der nationalen Tourismusstrategie die Umsetzung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes verankert. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen, wir eröffnen dem Tourismus und den Menschen, die dort arbeiten, echte Zukunftsperspektiven. Menschen machen Tourismus. Für sie alle ist die nationale Tourismusstrategie. Wir, SPD und CDU/CSU, bringen sie auf den Weg. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist heute ein richtig guter Tag für den Tourismus. Vielen Dank. – Nächster Redner in der Debatte ist für die Fraktion der FDP Dr. Marcel Klinge.
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Dr.
Dr. Gero Clemens Hocker FDP
Gero Clemens
Hocker
FDP
Danke schön. – Verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon ein bisschen Ausdruck des mangelnden Tatendrangs eines Mitglieds einer Mehrheitsfraktion, Herr Kollege Spiering, wenn Sie Ihre Rede schließen mit den Worten: „Na ja, es ist halt, wie es ist.“ Weniger Gestaltungsanspruch an sich selber zu stellen, habe ich in diesem Hohen Haus bislang selten erlebt. Zur Sache. Es steht völlig außer Frage, dass Rauchen der Gesundheit nicht förderlich ist. Es gibt keine ernstzunehmende Studie in der ganzen Welt, die das in Abrede stellt. Es ist nicht nur frustrierend, sondern auch sehr traurig, wenn Menschen durch den Genuss von Zigaretten und Tabak viel früher sterben und Krankheiten wie zum Beispiel Lungenkrebs erleiden, durch die sie viel früher sterben, als es vielleicht vom lieben Gott eigentlich vorgesehen wäre. Aber vieles in unserer Gesellschaft kann unbestritten zu Erkrankungen führen. Alkohol kann Herzinfarkte befördern. Süßigkeiten können bei zu wenig Bewegung zu Fettleibigkeit und Diabetes führen. Keine andere Branche unterliegt schon jetzt derart strengen Vorgaben wie die Werbung für Tabak. Kein Autohersteller wird gezwungen, die Fotos von Unfallopfern auf seinen Produkten abzubilden. Spirituosenhersteller sind auch nicht gehalten, auf der Schnapsflasche das Foto eines Alkoholabhängigen abzudrucken. Für Tabak gelten genau solche Vorgaben bereits jetzt: keine Werbung im Fernsehen oder Radio. Auf jeder Zigarettenschachtel müssen Ekelfotos abgedruckt werden. Ich sage Ihnen eines: Dass Rauchen ungesund ist, weiß in Deutschland jedes Kind. Aber wenn eine Gefahr hinreichend bekannt ist, wie zum Beispiel das Trinken von Rotwein, der Verzehr von Süßigkeiten und auch das Rauchen, dann ist es irgendwann Aufgabe des Verbrauchers, selber für sich zu entscheiden, ob er einen individuellen Gewinn, ein Mehr an Lebensqualität haben will, indem er seiner Sucht frönt, und ob er bereit ist, statistisch gesehen auf eine gewisse Zeit Leben zu verzichten. Das ist eine Frage, die jeder Verbraucher und jeder mündige Bürger für sich selber entscheiden muss. Deswegen appelliere ich an die Grünen und die Linken – gerne auch an den Kollegen Spiering –, die die Vorlagen eingebracht haben: Hören Sie endlich auf, zu glauben, Sie könnten die Menschen erziehen zu der Haltung und Lebenseinstellung, die Sie gerne haben möchten, die Sie ihnen abverlangen! Hören Sie auf, die Übermutter oder den Übervater zu spielen, die bzw. der mit Strafsteuern, Verboten und dem immer wieder erhobenen moralisierenden Zeigefinger 80 Millionen Menschen in Deutschland zu einer bestimmten Lebensweise erziehen will, die die Betreffenden vielleicht gar nicht anstreben. Ich sage Ihnen ganz ausdrücklich: Niemand auf dieser Welt weiß besser, was mich glücklich macht, als ich selber. Nach dieser Maxime sollten Sie künftig auch Ihre Politik gestalten. Ich darf mit der freundlichen Erlaubnis des Präsidenten sagen: Wolfgang Kubicki ist bekennender Schokoladenesser und Rotweintrinker. Der Leiter meines Wahlkreisbüros raucht viel zu viel, und ich selber habe in den vergangenen Wochen bei dem guten Wetter viele Hundert Kilometer mit meinem Motorrad auf den norddeutschen Landstraßen zurückgelegt. Wir alle wissen, dass all diese Aktivitäten gefährlich sind und sofort, früher, später, mittelbar oder unmittelbar zu Verletzungen führen können, vielleicht sogar zum Tod. Wir wissen dies, und 80 Millionen Menschen in Deutschland wissen das auch. Deswegen appelliere ich an Sie: Überlassen Sie uns die Entscheidung, ob wir ein längeres Leben führen wollen, liebe Grüne, mit Rhabarbertee, Batik-T-Shirt, Stuhlkreis und grüner Political Correctness oder ob wir ein nach unserer Vorstellung freudvolles, dafür vielleicht aber statistisch mit kürzerer Lebenszeit versehenes Leben führen wollen, ohne etwas auszulassen, was Freude macht. Wenn Raucher gerne rauchen, meine sehr verehrten Damen und Herren, dann sollen sie dies tun. Es ist nicht Ihre Aufgabe, diese Menschen zu erziehen. Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Kollege. Mein letzter Satz. Ja, das ist dann auch der letzte Satz. Mein letzter Satz: Wenn Sie von den Grünen und den Linken mir einen Gefallen tun möchten, dann lassen Sie mich wissen, wie Sie den Zwiespalt überbrücken, dass Sie auf der einen Seite die Legalisierung von Cannabis und Marihuana fordern – wie wir übrigens auch –, auf der anderen Seite aber Zigarettenrauchen verbieten wollen. Ich würde mich freuen, wenn Sie mir das erklären könnten, auch heute Abend, gerne beim Bier an der Theke. Vielen Dank. Herr Kollege Dr. Hocker, wenn Sie schon Ihren letzten Satz ankündigen, dann muss es auch der letzte Satz sein. Ich kann das Mikrofon leider nicht ausschalten. Das werde ich noch ändern. Aber dass Sie in Ihrer Rede auf meine Figur angespielt haben, wird noch Konsequenzen haben. Als Nächstes für die Fraktion Die Linke der Kollege Niema Movassat.
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Christian Lindner FDP
Christian
Lindner
FDP
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Regierungserklärung war dringlich; denn selten zuvor war die Politik der Regierung so erklärungsbedürftig. Wesentliche Inhalte kannten wir aber bereits, nicht erst seit der Pressekonferenz vom gestrigen Abend oder der Unterrichtung der Fraktionsvorsitzenden; denn vorgestern bereits haben Medien berichtet über das, was das Bundeskanzleramt mit den Landesregierungen besprechen will. Während gestern das Parlament hier getagt hat und sich mit anderen Dingen beschäftigt hat, war für die breite Öffentlichkeit die Entscheidungsgrundlage der Ministerpräsidentenkonferenz bereits im Internet zum Download verfügbar. Ich rate ab, Frau Merkel, diesen Umgang mit dem Parlament zur ständigen Staatspraxis werden zu lassen. Aus gutem Grund haben drei Fraktionen dieses Hauses deshalb dazu geraten und dringend darum gebeten, dass Sie vor der Runde mit den Ländern den Deutschen Bundestag über Ihre Absichten und Grundlinien unterrichten. Damit haben wir nichts Unmögliches verlangt; denn im Vorfeld des Europäischen Rates entspricht das der Praxis der Regierung und entspricht dem Umgang der Regierung mit diesem Parlament. Das hätte die Möglichkeit geboten, dass Sie Ihre Maßnahmenvorschläge darstellen. Es hätte die Chance eröffnet, auch die wissenschaftlichen Grundlagen zu hinterfragen. Und es wäre vor allen Dingen darum gegangen, alternative Strategien hier in die Debatte einzubringen. Sie haben diese Möglichkeit leider ausgeschlagen – dabei wäre es eine Chance auch für Ihre Regierung gewesen, um Verständnis und Vertrauen der Menschen zu werben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben es unverändert mit einer gefährlichen Pandemie zu tun. Wer die Gefahren, die mit der Covid-Erkrankung verbunden sind, relativiert, der handelt fahrlässig oder gar vorsätzlich. Aber wir leben nun auch ein Jahr in und mit dieser Pandemie, wir haben, wie die Frau Bundeskanzlerin gesagt hat, gelernt. Die Infektionszahlen gehen zurück. Es gibt – zu langsame und zu beschwerliche, aber immerhin gibt es sie – Fortschritte bei den Impfungen. Deshalb und angesichts der großen Erschöpfung in unserer Gesellschaft waren die Erwartungen an die gestrige Runde groß. Diese Hoffnungen sind enttäuscht worden; denn viele Menschen haben sich mehr erwartet als einen frischen Haarschnitt. Der wesentliche Ansatz Ihrer Strategie findet sich auch in dieser Vorlage – ich zitiere –: Der Grundsatz „Wir bleiben zuhause“ bleibt das wesentliche Instrument im Kampf gegen die Pandemie … Zitat Ende. – Wirklich? Auch nach einem Jahr noch? Trotz allem, was wir gelernt haben, hangeln wir uns seit Oktober/November von einem Lockdown, von einem Gipfel zum nächsten, ohne eine klare Perspektive. Das ist bestenfalls einfallslos; mit Sicherheit, Frau Merkel, ist das nicht alternativlos. Christiane Woopen, die Vorsitzende des Europäischen Ethikrates, in diesem Haus von vielen sehr geschätzt und mit Sicherheit eine verantwortungsbewusste und umsichtige Persönlichkeit, hat dieser Tage in einem Interview Folgendes gesagt – ich zitiere –: Seit … einem Jahr drehen sich diese Runden fast unverändert um das Gleiche: den Lockdown … Ich halte es für dringend erforderlich … eine Perspektive zu eröffnen, statt Durchhalteparolen zu verkünden. Und weiter Frau Woopen: Ich habe … kein Verständnis mehr dafür, dass man vorhandene Technologien nicht nutzt. Wir haben dafür auch kein Verständnis mehr, Frau Merkel. Warum orientieren wir uns nicht an Kommunen wie Tübingen oder Rostock? Wo sind die wirksamen und hier im Hause oft genug angemahnten Strategien zum wirklichen Schutz der vulnerablen Gruppen, und zwar nicht nur in Alten- und Pflegeheimen, sondern auch etwa durch die oft hier angemahnten exklusiven Zeitfenster für den Einkauf oder Taxigutscheine? Wo ist die breite Initiative, Luftfilter in die Praxis zu bringen? Wo setzen wir systematisch Schnelltests ein? Und warum wurde die Corona-Warn-App mit großen Erwartungen öffentlich vorgestellt und danach technologisch kein bisschen weiterentwickelt? Deshalb bleiben wir hinter unseren Möglichkeiten zurück, und deshalb orientieren wir uns ausschließlich am Stillstand, statt auch mit der Bedrohung durch das Virus neue Möglichkeiten für gesellschaftliches Leben zu eröffnen. Und die werden wir brauchen; denn wir können uns nicht sicher sein, dass dies die einzige Zoonose ist, mit der die Menschheit in den nächsten Jahren umzugehen hat. Wir können uns noch nicht mal sicher sein, ob es nicht dereinst eine Mutation dieses Virus geben könnte, auf die die Impfung eben nicht mehr die wirksame Antwort ist, zumindest nicht mit den vorhandenen Impfstoffen. Also brauchen wir jetzt Methoden und eine Infrastruktur, mit der wir die Pandemie besser ausbalancieren mit dem Gesundheitsschutz, der notwendig ist, aber auch mit der Freiheit, die die Menschen auch leben müssen. Über Monate haben wir uns bei den Inzidenzen an der Zahl 50 orientiert, obwohl sie eine politische Setzung ist, obwohl Oberbürgermeister, auch CDU-Oberbürgermeister, sagen, selbstverständlich können sie auch mehr als 50 Infektionen pro 100 000 Einwohner in der Woche inzwischen nachverfolgen. Wir haben uns auf diese Zahl von 50 in Deutschland fixiert. Und nun wird sie in der zentralen Bedeutung ersetzt durch die 35, und wir wissen, dass im Kanzleramt auch schon über die 10 als Zahl gesprochen worden ist. Dadurch dass die wesentliche Entscheidungsgrundlage ausgetauscht wird, ohne Vorbereitung, ohne klare Argumentation, gefährden Sie die Akzeptanz der Maßnahmen in der Bevölkerung insgesamt. Wo ist die Berechenbarkeit? Im Infektionsschutzgesetz übrigens wird ausdrücklich auch ein regionaler Zugang angemahnt; im von der Großen Koalition beschlossenen Infektionsschutzgesetz wird angemahnt, regional zu differenzieren. Tatsächlich haben wir heute bereits eine Vielzahl von Landkreisen mit Inzidenzen von unter 50, gar unter 35. Und trotzdem gelten dort die gleichen Beschränkungen wie in den Hotspots mit Inzidenzen von über 200. Da ist bereits der Zweifel an der Verhältnismäßigkeit angelegt, Frau Bundeskanzlerin. Es ist richtig, Kitas und Schulen zu öffnen. Aber auch in Ihrer Regierungserklärung hier haben Sie gerade deutlich gemacht, mit welch hinhaltendem Widerstand aus dem Kanzleramt dies erfolgt. Herr Kretschmann hat das in der Runde dem Vernehmen nach gestern auch angesprochen. Warum stellt Frau Karliczek, finanziert mit öffentlichen Fördergeldern, in dieser Woche eine wissenschaftliche Studie zu der Frage vor, unter welchen Bedingungen, mit welchem Paket an Maßnahmen in der Pandemie die Förderung von Kindern und Jugendlichen in Kitas und Schulen möglich ist, wenn die eigenen Empfehlungen des Bundesbildungsministeriums im Bundeskanzleramt nicht ernst genommen werden? Sie öffnen die Friseure, obwohl das eine sogenannte körpernahe Dienstleistung ist und man sich nun wirklich sehr nahe kommt beim Haarschnitt. Das ermöglichen Sie, weil Sie sagen: Nun gut, da gibt es Hygienekonzepte, da wird die Maske getragen, und deshalb ist es verantwortbar, den Friseur zu öffnen. – Das ist richtig. Aber gibt es solche Hygienekonzepte nur bei den Friseuren, nicht in gleicher Weise im Sport, in Fitnessstudios, die auch gesundheitspräventive Wirkung haben? Gibt es diese Gesundheitskonzepte nicht auch im Bereich der Kosmetik? Sind sie ausgeschlossen beim Handel? Gar in der Gastronomie sind solche Hygienekonzepte denkbar. Deshalb trägt die Entscheidung für die Friseure bereits den Makel einer nichtsystematischen Ausnahme. Was wir brauchen, ist eine Systematik klarer Wenn-dann-Regeln, weil nur das die Berechenbarkeit für die Menschen und übrigens auch für die Behörden bringt. Diese Systematik in der Form eines Stufenplans war von Ihnen vor drei Wochen ja bereits auch angekündigt worden. Diese Arbeitsgruppe, falls sie tagte, hatte kein Ergebnis. Wir haben deshalb in dieser Woche einen Sieben-Stufen-Plan vorgelegt, mit dessen Systematik es möglich ist, regional zu öffnen. Und dieser von uns vorgelegte Stufenplan ist natürlich getragen von unseren Grundüberzeugungen. Vielleicht stärker als andere Fraktionen hier im Haus setzen wir Vertrauen in die Eigenverantwortung der Menschen, und setzen wir darauf, dass es für große Probleme auch innovative technische Lösungen gibt. Das muss nicht jeder teilen. Aber es gibt auch andere Stufenpläne: Innerhalb der Landesregierung von Rheinland-Pfalz mit Sozialdemokratie, den Grünen und FDP wird darüber nachgedacht. Die Landesregierung von Schleswig-Holstein mit Union, Grünen und FDP war die erste, die einen solchen Stufenplan vorgelegt hat. Wem also unser hier vorgelegter Stufenplan, der liberalen Charakter hat, zu weitgehend ist, der findet mit Unterstützung der eigenen Kolleginnen und Kollegen in den Ländern auch politische Alternativen. Dass Sie als Bundesregierung dennoch untätig gewesen sind und den einmal nicht erfüllten Arbeitsauftrag einfach in die Zukunft fortschreiben, das zeigt, dass Sie in Wahrheit gar kein Interesse an einem solchen Perspektivplan haben, so notwendig er auch ist. Und deshalb, verehrte Anwesende, meine Damen und Herren, ist diese Regierungserklärung eine Enttäuschung. Sie ist bedauerlicherweise nur ein Weiter-So. Mein letzter Gedanke. Wenn Sie schon den Lockdown jetzt weiter verschärfen – wer weiß, wie lange –, dann passen Sie Ihre wirtschaftlichen Hilfen auch an. Es ist ein schweres Versäumnis, dass die Sozialdemokratie und Herr Scholz immer noch nicht ihren Widerstand gegen das unbürokratischste, schnellste und wirksamste Instrument aufgegeben haben, Betriebe und Selbstständige zu unterstützen, nämlich den vollen steuerlichen Verlustrücktrag, und zwar auf die gesamten letzten Jahre seit 2017. Jetzt hat das Wort der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU, Ralph Brinkhaus.
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Katrin Helling-Plahr FDP
Katrin
Helling-Plahr
FDP
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Anfang März sorgte ein Richter aus meiner Heimatstadt noch bundesweit für Aufsehen, als er anordnete, dass er nur noch mit Schutzmaske verhandle, und selbst beschaffte Masken an die Beteiligten ausgab. Seitdem ist die Welt eine andere geworden. Masken gehören zu unserem Alltag. Und noch etwas anderes ist nicht nur für uns Abgeordnete zum Alltag geworden: Es vergeht kein Tag ohne Videokonferenzen. Sie bieten eine großartige Möglichkeit des Austauschs in Zeiten, in denen es besser ist, wenn sich möglichst wenige Leute persönlich begegnen. Aber sie vereinfachen Gespräche auch sonst, zum Beispiel mit Personen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht so gut aus dem Haus gehen können oder über weite Distanzen. Unsere Gerichte sind leider noch nicht wirklich in dieser neuen Welt angekommen. Parteien, Zeugen, Anwälte reisen stundenlang durch die Republik, um vielleicht nur ein paar Minuten vor Gericht auszusagen oder zu verhandeln. Termine werden immer wieder verschoben, bis auch alle Zeit haben für solche zeitaufwendigen Anreisen. Gerade in Zeiten von Corona bleibt die Akte im Zweifel auf dem Schreibtisch liegen und liegen und liegen. Oder es wird dann doch irgendwann bei entsprechendem Ansteckungsrisiko verhandelt. Das müsste nicht sein. Denn die Digitalisierung bietet gerade für Zivilprozesse tolle Chancen, mit weniger Ansteckungsrisiko, aber auch zügiger, effektiver und transparenter zu verhandeln. Damit Videoschalten im Zivilprozess auch im Jahr 2020 nicht weiterhin Rarität und Zukunftsmusik bleiben, müssen wir zwei Dinge ändern. Erstens. Die seit immerhin 18 Jahren im Zivilprozess bestehende theoretische Möglichkeit der Verhandlung im Wege der Bild- und Tonübertragung braucht ein Update! Noch steht es allein im Ermessen des Gerichts, ob im Wege der Videokonferenz verhandelt werden kann. Das ist für das Zivilrecht schon völlig unpassend. Anders als im Strafverfahren sind es im Zivilprozess immer die Parteien, die den Ton angeben dürfen. Die Dispositionsmaxime ist der wichtigste Verfahrensgrundsatz im Zivilprozess. Deshalb schlagen wir vor, dass eine Partei beginnend mit der Güteverhandlung im Wege der Bild- und Tonübertragung zugeschaltet werden muss, wenn sie dies beantragt. Die andere Partei kann ebenfalls per Videokonferenz teilnehmen. Es bleibt ihr aber auch unbenommen, wenn sie dies möchte, trotzdem vor Ort in den Gerichtssaal zu gehen. Zweitens. Prozessuale Möglichkeiten zu schaffen, ist schön und gut, wenn die tatsächliche Umsetzung dann an der oft schlicht fehlenden technischen Ausstattung vor Ort scheitert. Daher wollen wir, dass Bund und Länder im Zuge eines Digitalpakts das nachholen, was man bereits vor Jahren hätte angehen sollen – nämlich die Gerichte endlich modern auszustatten. Und wenn wir die Säle so ausstatten, dann ergibt es Sinn, über einen weiteren Punkt nachzudenken, nämlich über den der Öffentlichkeit. Nur ganz selten im Zivilprozess besteht diese aus einem oder zwei interessierten Bürgern oder einer Schulklasse – die gehen nämlich lieber zu den Strafsachen. Sie dient aber der Kontrolle und der Transparenz der durch die Gerichte handelnden Staatsgewalt. Daher ist es Zeit, Öffentlichkeit nicht nur als Saalöffentlichkeit zu verstehen, sondern von unseren verfassungsrechtlich gegebenen Spielräumen Gebrauch zu machen und bei Zustimmung der Parteien zusätzlich zur Saalöffentlichkeit eine begrenzte, registrierte Livestream-Öffentlichkeit zuzulassen. Denn auch wer virtuell verhandelt, muss dennoch real kontrolliert werden. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Vielen Dank, Katrin Helling-Plahr. – Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Dr. Volker Ullrich.
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Sylvia Lehmann SPD
Sylvia
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Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuschauerinnen und Zuschauer! Ich habe meine Rede ganz bewusst als Fachvortrag vorbereitet, eigens und extra für die AfD. Ich hoffe, dass insbesondere Frau von Storch jetzt gut zuhört. Ich beginne aber mit einem Zitat: Sage mir, wie die Minderheiten in deinem Land behandelt werden, und ich werde Dir sagen können, in was für einem Staat du lebst. Das ist ein Zitat des ehemaligen dänischen Parlamentspräsidenten Ivar Hansen. In der Europäischen Union leben über 50 Millionen Angehörige nationaler Minderheiten. Jeder achte EU-Bürger gehört entweder einer Minderheit an oder spricht eine Minderheitensprache. Neben 24 Amtssprachen gibt es rund 60 Regional- und Minderheitensprachen. Der Europarat mit 47 europäischen und benachbarten Staaten spricht von 230 indigenen Sprachen und Sprachgruppen. Da laut UNESCO die Hälfte der über 6 000 Sprachen weltweit vom Aussterben bedroht ist, kommt dem Erhalt von Vielfalt eine besondere Bedeutung zu. Die Wahrung und die Förderung der kulturellen und sprachlichen Vielfalt, ein wirksamer Schutz der Rechte nationaler Minderheiten sowie ihre gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe sind leider auch innerhalb der Europäischen Union nicht selbstverständlich, obwohl die Wahrung der Rechte der Angehörigen von Minderheiten in Artikel 2 als Grundwert der europäischen Verfassung definiert ist, obwohl Artikel 3 die EU zum Schutz und zur Entwicklung des kulturellen Erbes sowie zur Wahrung ihrer kulturellen und sprachlichen Vielfalt verpflichtet, obwohl der Europäische Gerichtshof nach einer Klage entschied, dass Vielfalt sowohl die Vielfalt zwischen als auch die Vielfalt innerhalb der einzelnen Mitgliedstaaten beinhaltet. Daraus folgt: Die Europäische Union darf und muss bei Minderheitenfragen tätig werden, natürlich ohne in die Kompetenz ihrer Mitgliedstaaten einzugreifen. Die FUEN – sie ist heute bei uns; ich darf sie herzlich begrüßen –, also die Föderalistische Union Europäischer Nationalitäten, als hauptverantwortliche Dachorganisation der autochthonen Minderheiten schreibt mit der Minority-SafePack-Initiative inzwischen Erfolgsgeschichte. Die MSPI ist die fünfte europäische Bürgerinitiative überhaupt. Sie hat somit immer noch Pioniercharakter und schon bei der Registrierung hohe Anforderungen erfüllt. Der FUEN ist es zudem gelungen, in kürzester Zeit über 1 Million Unterschriften zu sammeln. Nach Beschlüssen der Landesparlamente in Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Brandenburg beschäftigen sich – wir erleben es heute – der Bundestag und später dann das Europäische Parlament mit ihr. Was ist nun die Minority-SafePack-Initiative? Sie fordert die Förderung und den Schutz der nationalen Minderheiten auf europäischer Ebene und schlägt hierfür ein Maßnahmenpaket vor. Darin geht es unter anderem um kulturellen und sprachlichen Schutz inklusive Förderung, um Gleichstellung von staatenlosen nationalen Minderheiten wie der Sinti und Roma – sie bilden mit 12 Millionen bis 14 Millionen Menschen die größte Gruppe der autochthonen Minderheiten –, aber es geht auch um die Entwicklung eines europäischen Sprachenzentrums und die Entwicklung von Förderprogrammen für kleine Sprachgemeinschaften sowie um die Einbindung von Minderheiten in den europäischen Regionalentwicklungsfonds. Seit die MSPI mit überwiegend positivem Feedback vor dem EU-Parlament und der Kommission präsentiert wurde, tickt, liebe Kolleginnen und Kollegen, im wahrsten Sinne des Wortes die Uhr; denn bei europäischen Bürgerinitiativen beginnt mit der Präsentation eine Dreimonatsfrist. Die EU-Kommission hat nun bis zum 15. Januar nächsten Jahres die Möglichkeit, zu reagieren – oder die Initiative verstreicht. Just in diesem Moment bereiten unsere Kollegen in Analogie zu diesem Antrag eine fraktionsübergreifende Resolution des Europäischen Parlaments vor. Sie wird Mitte Dezember diskutiert und aller Voraussicht nach beschlossen, um ein eindeutiges Signal an die Kommission zu senden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns heute Vorreiter sein. Stimmen Sie diesem Antrag zu! Denn wir sind verpflichtet, prekäre Lebenssituationen zu verbessern. Wir sind auch verpflichtet, Doppelstandards endlich abzuschaffen und das hohe Niveau zum Schutz von Minderheiten nicht nur von den Staaten zu fordern, die der EU beitreten wollen, sondern auch von jenen, die bereits Mitglied sind. Es ist höchste Eisenbahn, dass Staaten wie Frankreich, Belgien oder Griechenland die Sprachen- und Minderheitencharta des Europarates endlich ratifizieren; denn die Umsetzung der MSPI kann auch Nachzügler zu solch überfälligen Schritten motivieren. Und bitte tun Sie es mir gleich: Fordern Sie die Europaabgeordneten Ihrer Fraktionen auf, der geplanten EU-Resolution zuzustimmen! Alle Beteiligten wissen, wie hürdenreich der Weg bis hierher gewesen ist. Deshalb Dank an Petra Nicolaisen und Astrid Damerow von der CDU/CSU und an die Opposition für die regelmäßigen Kleinen Anfragen. Ich danke Herrn Bundesbeauftragten a. D. Hartmut Koschyk für die vorbehaltlose Unterstützung. Ich danke auch den Minderheitenverbänden wie der Domowina, dem Bund Lausitzer Sorben und vor allem der FUEN für die gute Zusammenarbeit. Ich habe meine Rede mit einem Zitat begonnen, und ich möchte sie mit einem Zitat des Wissenschaftlers Martin Henry Fischer beenden: „Minderheiten sind die Sterne des Firmaments; Mehrheiten sind das Dunkel, in dem sie fließen.“ Herzlichen Dank. Vielen Dank, Frau Kollegin. – Ich möchte die Kolleginnen und Kollegen doch noch mal darauf hinweisen: Selbst ein Handy am Ohr befreit nicht von der Pflicht zum Tragen der Maske. Es ist mir schon wieder aufgefallen, dass zwei Kolleginnen und Kollegen den Saal mit einem Handy am Ohr verlassen haben, ohne die Maske zu tragen. Ich werde durchgreifen – in allem Ernst. – Am Platz können Sie machen, was Sie wollen, Frau von Storch; essen und trinken im Plenarsaal eigentlich auch nicht; aber das ist wahrscheinlich nicht ordnungsruffähig. Mit dem Tragen der Masken meinen wir es aber wirklich ernst. Nächste Rednerin ist die Kollegin Sandra Bubendorfer-Licht, FDP-Fraktion.
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Jens Maier AfD
Jens
Maier
AfD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn es nicht unbedingt notwendig ist, ein Gesetz zu erlassen, dann folgt daraus, dass es unbedingt notwendig ist, kein Gesetz zu erlassen. Die hier geplante Änderung des Abgeordnetengesetzes ist nicht nur nicht unbedingt notwendig, sie ist nicht einmal notwendig. Sie ist völlig überflüssig, und deshalb sollte sie unterbleiben. Richtig ist, dass es im November 2020 Störungen des Parlamentsbetriebs gegeben hat. Richtig ist, dass die Störer über zwei Abgeordnete der AfD ins Haus gelangt sind. Das ist der Sachverhalt. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass es schon zu ähnlichen Störungen in der Vergangenheit über Abgeordnete der Linkspartei gekommen ist. Damals sah man aber offenbar keinen Handlungsbedarf. Nun aber will man die Gelegenheit nutzen, um auf populistische Weise AfD-Beschimpfung betreiben zu können. Das stand ja hier vorhin im Mittelpunkt; das haben wir ja gehört. Schließlich stehen Wahlen an. Es sollen sich hier einmal alle fragen, ob der Preis für diese populistische Aktion nicht unangemessen hoch ist. Jeder hier im Raum unterliegt nämlich in weiterer Folge plötzlich einem Regime, bei dem auf der Tatbestandsseite gar nicht klar ist, wann man Sanktionen zu befürchten hat, weil die Norm viel zu unbestimmt ist. Ich zitiere aus dem Entwurf: § 44e Ordnungsmaßnahmen gegen Mitglieder (1) Wegen einer nicht nur geringfügigen Verletzung der Ordnung oder der Würde des Bundestages bei dessen Sitzungen kann der Präsident gegen ein Mitglied des Bundestages ein Ordnungsgeld in Höhe von 1 000 Euro festsetzen. Im Wiederholungsfall erhöht sich das Ordnungsgeld auf 2 000 Euro. Absatz 2, Satz 1: Wegen einer nicht nur geringfügigen Verletzung der Hausordnung des Bundestages kann der Präsident gegen ein Mitglied des Bundestages ein Ordnungsgeld in Höhe von 1 000 Euro festsetzen. „Würde des Bundestages“, „Hausordnung“, „nicht nur geringfügig“ – das alles sind unbestimmte Rechtsbegriffe, die dem Bestimmtheitsgebot in ihrer Gesamtheit nicht genügen. Es wird auch nicht zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit unterschieden. Offenbar ist da alles egal. Klar ist nur der Sanktionsrahmen: 1 000 Euro bei der ersten Tat, 2 000 Euro bei der Wiederholungshandlung. Ja, für viele da draußen sind 1 000 Euro viel Geld. Das dürfte aber wohl nicht für die Mitglieder der Regierungsparteien gelten, wenn man sich vergegenwärtigt, dass der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU-Fraktion Nüßlein nach den Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft München im Verdacht steht, sich durch Missbrauch seines Mandats ein Zubrot in Höhe von 600 000 Euro an der Steuer vorbei verdient zu haben. Da würde ich sagen: Der Mann kann es hier in diesem Hohen Hause einmal richtig krachen lassen, für den sind 1 000 Euro Peanuts. Da kann man einmal über die Stränge schlagen. Herr Amthor, der junge Mann aus MeckPomm, ist noch nicht so weit. Er muss da noch etwas üben. Mit seinen Optionen kommt er an die 600 000 Euro noch nicht heran. Aber ich bin sicher, er wird es auch einmal zum stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der CDU-Fraktion schaffen. Damit ist auch klargestellt, gegen wen sich der Sanktionskatalog richten soll, nämlich gegen die – in Anführungsstrichen – „Geringverdiener“ hier. Das sind die, die aus idealistischen Motiven in diesem Hohen Hause ihre Pflicht tun: Die meint man unter Kontrolle halten zu müssen. Gemäß dem neuen § 44e Absatz 3 Abgeordnetengesetz soll übrigens das Bundesverfassungsgericht für die rechtliche Überprüfung der Sanktionen zuständig sein. Als wenn die Richter des Bundesverfassungsgerichts nichts Besseres zu tun hätten, als sich um Sachverhalte und Sanktionen zu scheren, die normalerweise am Amtsgericht in einer Zehn-Minuten-Verhandlung behandelt werden! Die Verfassungsrichter werden sich bedanken für diese Arbeit. Insgesamt kann man diesen Gesetzentwurf nur ablehnen. Er ist völlig daneben. Vielen Dank. Das Wort hat Dr. Matthias Bartke für die SPD-Fraktion.
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Cansel Kiziltepe SPD
Cansel
Kiziltepe
SPD
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist gut, dass wir heute das Share-Deal-Gesetz beschließen können. Wir haben monatelang mit der Union um das Gesetz gerungen. Eigentlich hätten wir es schon vor mehr als einem Jahr beschließen können. Wir als SPD waren dafür bereit; doch bei der Union haben wir auf Granit gebissen. Ehrlich gesagt, ich habe nicht mehr geglaubt, dass diese Reform noch kommt. Unsere Hartnäckigkeit hat aber den Widerstand aus den Reihen der Union zerbröseln lassen. Mit aller Kraft wollte die Union der Lobby leider treu bleiben. Und auf dem Umfragehoch fühlten sich die Kolleginnen und Kollegen der Union scheinbar unantastbar. Dann kam aber der jähe Absturz. Wir mussten lernen, dass wir kein Problem mit Dealern im Görli haben, sondern hier im Bundestag. Zu viele Maskendealer in den Unionsreihen! Ein Unding, liebe Kolleginnen und Kollegen! Doch es hatte auch gute Folgen. Nicht nur, dass wir jetzt eine Minute länger heute hier reden können. Die Union konnte auch ihren Widerstand immer schlechter rechtfertigen. Endlich ist der Einsatz für Immobilienhaie auch in der Union anrüchig. So konnte es endlich im Kampf gegen die Steuertrickserei weitergehen. Der heutige Gesetzentwurf geht auf eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe zurück. Norbert Walter-Borjans hat sie seinerzeit mit eingerichtet. Sie sollte steuervermeidenden Share Deals ein Ende setzen. Nach drei Jahren kommt das Gesetz. Endlich, liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kolleginnen und Kollegen aus der Opposition, Sie können sich natürlich hierhinstellen und ein Modell X oder ein Modell Y fordern. Aber ich will hier noch einmal daran erinnern, dass alle Bundesländer, alle Parteien – also in Baden-Württemberg die Grünen, in Thüringen die Linken – diesem Vorschlag im Bundesrat zugestimmt haben. Würden wir das hier nicht umsetzen, dann hätten wir noch in fünf Jahren kein Gesetz, das steuervermeidende Share Deals erschweren würde. Sie wissen genauso wie wir: Die Länder müssen zustimmen; es ist ein zustimmungspflichtiges Gesetz. Sie sind es letztendlich auch, die auf die Grunderwerbsteuer angewiesen sind. Und die Länder haben den Weg vorgeschlagen, den wir jetzt auch gehen. Deswegen ist es gut, dass wir diese Reform auf den Weg bringen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, als SPD wollten wir auch noch weiter gehen; deshalb hat es auch so lange gedauert. Statt die Schwelle auf 90 Prozent abzusenken, haben wir für 75 Prozent plädiert. Aber die Union verließ der Mut, und am Ende blieb sie ihren Spendern treu. Die Union ist leider nicht bereit gewesen, hier bei der Schwelle noch weiter nach unten zu gehen. – Ich drücke Ihnen übrigens die Daumen, dass Sie sich von dieser Last befreien können. Viel Glück dabei! Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt auch Kleingedrucktes in diesem Gesetz, wichtiges Kleingedrucktes. Das wird den Steuertricksern zusätzlich erhebliche Kopfschmerzen bereiten. Und besonders freut es mich, dass wir endlich Co-Investorenmodellen mit Kapitalgesellschaften einen Riegel vorschieben. Eine Lücke, die Unternehmen wie Akelius bis in die vermutliche Illegalität ausnutzen. Damit wird jetzt endlich Schluss sein. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wissen auch: Gerade die zwielichtigen Deals werden in notorischen Steueroasen und an Schattenfinanzplätzen abgewickelt. Undurchsichtigkeit und die damit verbundenen Ermittlungshemmnisse spielen den Tricksern in die Hände. Dem müssen wir ein Ende setzen. Und dafür brauchen wir für Steuerpiraten und ihre Steueroasen nicht nur schärfere Regeln. Wir brauchen auch ein couragiertes Vorgehen von den Behörden, von der Öffentlichkeit und von der Politik. Vielen Dank. Der letzte Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Sebastian Brehm, CDU/CSU.
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Dirk Wiese SPD
Dirk
Wiese
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Botschafterin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Land wie Indien, das sich zwei Jahre vor der Bundesrepublik Deutschland, im Jahr 1947, auf einen demokratischen Weg begeben hat, mit Namen wie Mahatma Gandhi, Jawaharlal Nehru und Bhimrao Ambedkar, verdient Aufmerksamkeit. Es ist genau richtig, dass wir gerade jetzt diesen Antrag der Koalitionsfraktionen auf den Weg bringen, gerade auch im Rahmen des 150. Geburtstages von Mahatma Gandhi, aber auch im Vorfeld der deutsch-indischen Regierungskonsultationen. Es ist wichtig, dass wir uns dieser deutsch-indischen Beziehungen annehmen und dass wir sie noch viel stärker in den Fokus stellen. Ja, es ist gesagt worden in der Debatte gerade: Wenn wir die deutschen Tageszeitungen sehen, wenn wir die deutsche Debatte sehen, dann müssen wir feststellen: Wir haben einen sehr starken Fokus auf China. Aber ich glaube, Indien verlangt die gleiche Aufmerksamkeit: als wichtiger Staat, als freundschaftlicher Partner in der Region, in Asien. Ich glaube, hier müssen wir alles tun, um Indien, die deutsch-indischen Beziehungen, noch viel weiter, stärker auszubauen. Wenn wir zurückblicken, dann erkennen wir: Wir haben in den deutsch-indischen Beziehungen in den vergangenen Jahren immer wichtige Punkte gehabt. Wir hatten Indien zum Beispiel als Gastland, als Partnerland der Hannover Messe, mit einem beeindruckenden Auftritt, gerade auch mit Kampagnen wie „Make in India“. Wir haben gleichzeitig an vielen Stellen gute Beziehungen, die laufen. Wir haben ein sehr gutes Projekt aus der Bundesregierung heraus, über das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, das sogenannte GINSEP-Projekt, das German Indian Startup Exchange Program, wo wir gerade auch junge Leute und junge Unternehmen unserer beiden Länder zusammenbringen. Wir haben ein Indo-German Young Leaders Forum. Wir haben eine sehr gut arbeitende Indo-German Chamber of Commerce vor Ort in Mumbai. Aber was wir brauchen – ich glaube, das ist wichtig –, das ist eine kontinuierliche Beschäftigung, das heißt nicht immer gewisse Highlights, mit denen wir letztendlich versuchen, bestimmte Punkte voranzubringen, nein, wir brauchen eine kontinuierliche Beschäftigung mit Indien, wir brauchen hier auch mehr Kapazitäten, glaube ich, in den Thinktanks, wir brauchen auch mehr Aufmerksamkeit. Im Januar findet wieder eine der wichtigsten sicherheitspolitischen Konferenzen der Region statt, der Raisina Dialogue. Auch dieser verdient viel mehr Aufmerksamkeit, gerade auch von deutscher und europäischer Seite. Ich glaube, hier können wir alle gemeinsam dazu beitragen, diese Beziehungen damit auch zu stärken. Aber es ist auch richtig – es ist angesprochen worden, und das gehört natürlich dazu –: Wir machen uns schon Sorgen über die Situation in Kaschmir. Wir sehen, dass die Unsicherheit immer noch da ist, dass die Bevölkerung vor Ort auch verunsichert ist. Wir sehen auch die Registrierungsverfahren, die in Assam stattgefunden haben, die uns mit Sorgen erfüllen. Es ist richtig, dieses in den bilateralen Beziehungen immer wieder auch anzusprechen und auf die Tagesordnung zu setzen; denn das gehört in einer freundschaftlichen Beziehung letztendlich dazu. Ich komme zum Schluss. Sie alle zeigen mit Ihrer Anwesenheit in der Debatte heute, dass Sie sich auch für die deutsch-indischen Beziehungen stark machen und einsetzen wollen. Wir freuen uns alle – ich in meiner Funktion als Vorsitzender der Deutsch-Indischen Parlamentariergruppe, aber auch meine Stellvertreter, die ebenfalls der Debatte beiwohnen –, dass gleich viele den Mitgliedsantrag für die Deutsch-Indische Parlamentariergruppe ausfüllen. Ich glaube, es wäre ein gutes Signal, gerade auch für die deutsch-indischen Beziehungen, das wir alle heute noch geben können. Ich nehme die Anträge gleich entgegen. Vielen Dank. Vielen Dank, Dirk Wiese. – Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Markus Koob.
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Erwin Rüddel CDU/CSU
Erwin
Rüddel
CDU/CSU
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich war der Meinung, dieser Tagesordnungspunkt ist aufgerufen worden, um den Menschen Zuversicht zu vermitteln. Mit gegenseitigen Schuldzuweisungen kommen wir überhaupt nicht weiter; das hatten wir in den letzten Monaten jeden Tag. Ich denke, ist es wichtig, dass hier eine gemeinsame Botschaft vermittelt wird. Bei den ersten Reden hatte ich das Gefühl, dass diese gemeinsame Botschaft lauten könnte: Wir kommen gemeinsam aus dieser Pandemie heraus. – Das wollen die Menschen draußen von uns hören. Wer will den Menschen nicht eine hoffnungsvolle Perspektive geben? Deshalb bin ich froh, dass die FDP und die Grünen diese Anträge eingebracht haben, dass wir hier diskutieren können. Die Inzidenzwerte sinken. Angesichts dieser erfreulichen Tendenz diskutiert man in den Ländern über Stufenpläne. Ich denke, nebenan im Kanzleramt wird ebenfalls über Stufenpläne diskutiert; wir werden sie morgen vorgestellt bekommen. Dann werden wir das tun, was unserer Rolle entspricht: die Regierung kontrollieren. Ich habe es in meiner letzten Rede gesagt: Eine Pandemie ist die Zeit der Regierung. Das Parlament muss das Handeln beobachten, diskutieren, kontrollieren. Das machen wir fast jeden Tag im Gesundheitsausschuss, in dem uns der Minister seit dem Sommer jede Woche Rechenschaft ablegt. In diesen Sitzungen diskutieren wir eine, zwei, manchmal drei Stunden mit dem Minister über den richtigen Weg. Wir möchten, dass wir bald wieder zum Normalzustand zurückkehren. Ich weiß nicht, ob feste Ziele der richtige Weg sind; deshalb finde ich den dynamischen Ansatz der FDP gar nicht falsch. Wir brauchen aufgrund der verschiedenen Kriterien, die zu bewerten sind, Flexibilität statt eines starren Konzeptes. Um aus der Pandemie herauszukommen, ist der Fortschritt beim Impfen ganz entscheidend. Hier sehe ich sehr, sehr viel Optimismus, auch nach den ersten Wochen, in denen es Engpässe gab. Alle vorhandenen und im Zulauf befindlichen Impfstoffe sind gut; alle schützen zuverlässig vor einem schweren Verlauf. Wir werden es wahrscheinlich in der nächsten Woche schaffen, dass alle Menschen in Pflegeeinrichtungen geimpft sind. Im März wird sich die Situation umkehren: Es wird mehr Impfstoff vorhanden sein, als für die jeweiligen Gruppen benötigt wird. Es werden mehr Menschen geimpft werden können. Wir werden am Ende des zweiten Quartals den Herdenschutz erreichen können. Und wenn nach Ostern die Hausärzte in den Impfprozess einsteigen, dann, glaube ich, haben wir das Ende der Pandemie im Blick und gewinnen unser normales Leben zurück. Ich denke, wir sollten den Tag heute mit sehr, sehr viel Zuversicht beenden, dass diese Pandemie bald ein Ende hat. Vielen Dank, Erwin Rüddel. – Damit schließe ich die Aussprache.
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Dr.
Dr. Johann David Wadephul CDU/CSU
Johann David
Wadephul
CDU/CSU
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Bundesaußenminister hat vollkommen zu Recht darauf hingewiesen, dass dieser schreckliche Krieg mittlerweile ins achte Jahr geht, etwa 400 000 unschuldige Menschen ihr Leben verloren haben, Millionen Menschen vertrieben worden sind und die Menschen unendlich unter dieser katastrophalen kriegerischen Auseinandersetzung leiden. Es gab zahlreiche Debatten dazu hier im Hohen Hause. Auch große Bemühungen der westlichen Diplomatie haben leider nicht zu einem Ende der kriegerischen Auseinandersetzung führen können. Ich finde, unsere Debatte sollte dem gerecht werden, und wir sollten sehen, wie wenig wir ausrichten können. Ich glaube, der größte Beitrag, den Deutschland geleistet hat – darauf kann man durchaus ein bisschen stolz sein –, um das Leid der Menschen zu lindern, war in der Tat die Aufnahme von ganz, ganz vielen Syrerinnen und Syrern, von Kindern, von Frauen und Männern, die verfolgt worden sind. Darauf, muss ich sagen, können wir nach wie vor stolz sein, auch wenn uns das beschert hat, dass wir uns solche Reden wie die von Herrn Gauland hier anhören müssen. Es war jedenfalls ein praktischer humanitärer Beitrag, den Deutschland geleistet hat. Das wenige, das wir in dieser Situation tun können, ist, dass wir einige Grundsätze und Prinzipien der internationalen Ordnung und auch unseres eigenen Werteverständnisses aufrechterhalten, Herr Kollege Gauland. Ich finde es schon bemerkenswert, dass Sie es in dieser Debatte für richtig halten, den militärischen Schlag der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und Frankreichs, der auch nach Auskunft Russlands, auf dessen Position Sie ja immer viel Wert legen, lediglich zu Sachschaden geführt hat, zu verurteilen, aber in diesem Hause für die Opfer eines erneuten Einsatzes chemischer Kampfstoffe kein Wort finden. Sie machen sich zum Handlanger eines verbrecherischen Regimes. Da unsere internationale Ordnung an vielen Stellen infrage gestellt wird und von vielen Mächten viele Abmachungen, Verträge, Prinzipien nicht mehr eingehalten werden, glaube ich, ist das Wichtigste, wofür wir uns einsetzen müssen, dass diese Regeln verteidigt werden, und dass wir für sie eintreten. Es ist vollkommen richtig – ich verschließe mich dem nicht –, dass wir eine Diskussion darüber führen, ob ein militärischer Einsatz nach den Regeln der Vereinten Nationen gerechtfertigt gewesen ist. Da sind wir in der Tat in keiner einfachen Situation, und das ergibt sich nicht von vornherein. Aber ich finde schon, dass man sich die Genese dieser Angelegenheit anschauen muss. Dann kommt man zu dem Ergebnis, dass es mehrfach einen Einsatz von Chemiewaffen gegeben hat, dass diese seit 1925, nach den schrecklichen Erfahrungen des Ersten Weltkrieges, geächtet sind, dass es zwölf Resolutionsanläufe im UN-Sicherheitsrat gegeben hat, dass Russland das immer wieder torpediert hat. Und wenn es so ist, dass die Vereinten Nationen nicht mehr der Ort sein können, um das von ihnen selbst geschaffene Regelwerk zu verteidigen, dann muss es bei einem völkerrechtswidrigen Einsatz von Giftgas möglich sein, darauf eine militärische Antwort zu geben, und dann ist die an der Stelle auch gerechtfertigt. Ich glaube, dass wir in dieser Situation einmal mehr feststellen – deswegen sind die neuerlichen Bemühungen an der Seite Frankreichs besonders wertvoll –, dass wir hier gemeinsam handeln müssen und dass an dieser Stelle das einzig Richtige, was Deutschland machen kann, ist, sich eng an die Seite seiner Verbündeten zu stellen, insbesondere an die Seite Frankreichs. Wir werden in diesem Konflikt ohne unsere französischen Freunde, ohne Europa gar nichts erreichen. Es ist auch in diesem Hause oftmals beklagt worden, dass der amerikanische Präsident zu einem multilateralen Vorgehen, abgestimmt im Bündnis, nicht so bereit ist wie seine Vorgänger. Möglicherweise gibt es hier eine erste Trendwende. Aber eines zeigt auch diese Krise erneut: Wir werden nur dann etwas in unserem Sinne, im Sinne unserer europäischen Wertvorstellungen ausrichten können, wenn wir gemeinsam mit unseren französischen Partnern vorgehen. Deswegen kann ich nur sagen: Deutschlands Platz ist an der Seite Frankreichs. Wir sollten Frankreich an dieser Stelle unterstützen. Wir sollten die diplomatischen Bemühungen Frankreichs unterstützen, und wir sollten eng abgestimmt mit dem französischen Präsidenten international vorgehen. Dann können wir bei allem Realismus, der angebracht ist, vielleicht etwas erreichen. Die Solidarität mit Frankreich sollte im Zentrum unserer Außenpolitik stehen. Herzlichen Dank. Für die FDP spricht der Abgeordnete Graf Lambsdorff.
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Sebastian Brehm CDU/CSU
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CDU/CSU
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute beraten wir in erster Lesung den Entwurf des sogenannten Steuerentlastungsgesetzes 2022 der Ampelregierung. Im Wesentlichen geht es um die Erhöhung des Grundfreibetrages um 363 Euro, die Anhebung des Arbeitnehmerpauschbetrages um 200 Euro und um die Erhöhung der Pendlerpauschale um 3 Cent ab dem 21. Kilometer. Es ist das erste Paket der Ampel vor dem Ukrainekrieg. Was ist mit dem zweiten Paket? Was ist mit der Reduzierung der Energiesteuer auf den Sprit? Dieses Paket wollen Sie von den Grünen bereits wieder kassieren. Herr Kollege Janecek hat ein Interview in der „Augsburger Allgemeinen“ gegeben und hat gesagt: „Warum sollten wir Benzin und Diesel bei diesem Niveau noch teuer subventionieren?“ Darüber gibt es in der Regierungskoalition wieder Uneinigkeit. Die Maßnahmen werden zunächst wieder auf Eis gelegt, und das zulasten der Bürgerinnen und Bürger bei einer nicht gefühlten, sondern bestehenden Rekordinflation und extremen Preissteigerungen in allen Bereichen. Das ist, ehrlich gesagt, völlig unzureichend; denn die Bürgerinnen und Bürger brauchen jetzt eine Entlastung, und nicht erst in ein paar Monaten, wenn Sie sich vielleicht in der Regierungskoalition einigen können. Das ist keine Entlastungspolitik, sondern Chaospolitik zulasten der Bürgerinnen und Bürger, liebe Kolleginnen und Kollegen. Zur Sicherung der Arbeitsplätze. Herr Kollege Schrodi, Sie sagen, Sie machen weitreichende Vorschläge zur Sicherung von Arbeitsplätzen und Unternehmen. Die spielen in diesem Gesetz für die Ampel übrigens keine Rolle; denn für Unternehmen gibt es keine notwendigen Entlastungen. Auch mit dem Corona-Steuerhilfegesetz sind sie marginal. Auch die rasant steigenden Preise übrigens, Herr Kollege Schrodi, sind existenziell für die Unternehmen und für die Arbeitsplätze in unserem Land, und Sie tun gar nichts, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Ampel. Was ist aus Ihren Versprechen geworden, Herr Lindner? Sie haben in der Opposition zahlreiche Anträge gestellt und im Wahlprogramm versprochen. Ich möchte nur zwei Dinge zitieren: Der Staat profitiert von Rekordsteuereinnahmen … Bei Bürgern kommt davon nichts an. Auch die Unternehmen warten bisher vergeblich auf Entlastungen. Zum Einkommensteuertarif schrieben Sie, Sie wollten … den sogenannten Mittelstandsbauch vollständig abschaffen … Heute steigt die Steuerlast bei kleinen und mittleren Einkommen besonders schnell an. Von Gehaltserhöhungen greift sich der Staat mehr als die Hälfte. Das ist leistungsfeindlich und ungerecht. Ich kann nur unterschreiben, was in Ihrem Wahlprogramm steht. Aber jetzt als Finanzminister haben Sie doch die Möglichkeit, das umzusetzen. Lieber Herr Kollege Müller, Sie haben gesagt, man sollte in der Opposition nur das fordern, was man hinterher auch umsetzt. Dann frage ich Sie: Warum setzen Sie diese Maßnahmen jetzt nicht um? Der Grundfreibetrag steigt um 363 Euro, das entspricht einer Erhöhung von 6,2 Prozent. Der Sachverständigenrat geht für dieses Jahr von einer Inflation – übrigens noch vor März und ohne Ukrainekrieg – von 6,1 Prozent aus. Deshalb reicht die Erhöhung des Grundfreibetrages nicht aus, die kalte Progression auch nur im Ansatz zu beseitigen. Lieber Herr Kollege Herbrand, wir haben das gemacht. Sie machen das jetzt nicht. Die Folge Ihrer Politik ist eine Schmälerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen. Die Regierung nimmt Wohlstandsverluste einfach hin, statt eine Strategie für neue Perspektiven zu schaffen. Sowohl Wirtschaftsminister Habeck als auch Finanzminister Lindner nehmen dies hin und sagen das auch noch öffentlich. Sie nehmen einfach zur Kenntnis, dass die Menschen ärmer werden, und Sie tun nichts dagegen. Was Sie heute vorschlagen, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Wir brauchen zumindest einen vollständigen Ausgleich der Auswirkungen der kalten Progression und eine deutliche Verschiebung der Steuerkurve nach rechts. Zur Pendlerpauschale noch abschließend: 80 Prozent der Berufspendler sind laut Statistischem Bundesamt weniger als 25 Kilometer zu ihrer Arbeitsstätte unterwegs. – Übrigens, eine schwache Leistung ist das, was Sie hier vorschlagen. Das ist eine schwache Leistung, lieber Herr Kollege Schrodi, nichts anderes. Ihr Gesetzentwurf ist eine schwache Leistung. Wenn wir die Pendlerpauschale und ihre Erhöhung einmal großzügig durchrechnen, dann macht das für 80 Prozent der Pendler 10 Euro im Jahr aus. Das reicht nicht einmal für eine Tankfüllung, liebe Kolleginnen und Kollegen. Erhöhen Sie doch wenigstens die Pendlerpauschale ab dem ersten Kilometer! Das wäre richtig. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt keine Strategie der Bundesregierung gegen Inflation. Es gibt keine Strategie der Bundesregierung gegen steigende Energiepreise, und es gibt keine Strategie der Bundesregierung gegen steigende Lebensmittelpreise. Die Regierung darf die Verluste der Bürger doch nicht einfach nur verbuchen. Sie muss sie verhindern, liebe Kolleginnen und Kollegen. Deswegen: Tun Sie etwas und bessern Sie in diesem Gesetz nach! Ich danke herzlich für Ihre Aufmerksamkeit. Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Carlos Kasper.
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Dr. Petra Sitte DIE LINKE
Petra
Sitte
DIE LINKE
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vorgeburtliche Untersuchungen gehören für Schwangere zum selbstverständlichen Teil medizinischer Vorsorge. Bislang wurden die meisten Tests, wie man schon gehört hat, kassenfinanziert angeboten. Dazu gehört auch die genetische Präimplantationsdiagnostik. Mit ihr erkennt man vor dem Einsetzen der Embryonen in die Gebärmutter genetische Veränderungen. Drohen schwere Krankheiten, werden die Embryonen gar nicht erst eingesetzt. Das heißt auch: Es kommt gar nicht erst zur Schwangerschaft. Es gehört auch zu diesen Tests die Fruchtwasserpunktion in späterer Schwangerschaft nach Auffälligkeiten aus Ultraschalluntersuchungen und weiteren diagnostischen Prüfungen. Wird, sofern am Embryo tatsächlich erhebliche Beeinträchtigungen festgestellt werden, zugleich eine Gefährdung der körperlichen und seelischen Gesundheit der Schwangeren diagnostiziert, darf auch nach der zwölften Woche die Schwangerschaft unterbrochen werden. Nunmehr gibt es als dritte Methode einen Bluttest. Auch dieser kann Trisomien zeigen, und zwar viel früher. Bislang wurde dieser ausschließlich privat bezahlt. Das Besondere an diesem Bluttest: Innerhalb der Zwölfwochenfrist des § 218 Strafgesetzbuch können Mütter und Väter weitgehend frei entscheiden, ob sie ein solches Kind bekommen wollen oder nicht. Dies führt zu der berechtigten Befürchtung, dass beispielsweise Kinder mit Downsyndrom immer seltener geboren werden. Zugelassen wurde dieser Test bereits 2012, sodass er jetzt nicht bzw. kaum zu verbieten ist, ohne in eine ganz grundsätzliche Debatte über die Schwangerschaftsvorsorge zu kommen. Aber der Zugang soll erschwert werden, indem die Kassenfinanzierung verhindert wird. Das widerspricht der Praxis bei den anderen Tests. Und es würde an der aktuellen Situation auch gar nichts ändern. Da Trisomien mit dem Alter der Mutter zunehmen, wird der Bluttest nachgefragt bleiben. Aber für manche Schwangere – das haben Kollegen ja schon gesagt – sind die Kosten des Tests kaum aufzubringen. Dann bliebe er wiederum jenen vorbehalten, die ihn sich leisten können. Ich bin damit nicht einverstanden. Im Kern diskutieren wir doch eigentlich auch gar nicht die Kassenfinanzierung. Vielmehr diskutieren wir darüber, warum Schwangere den Bluttest wirklich nutzen. Viele wollen doch zunächst nur die Gesundheit des Kindes bestätigt sehen. Und dann ist plötzlich doch alles anders, und es ist alles schwer vorstellbar. Zweifel kommen auf: Kann ein Leben mit einem behinderten Kind erfüllt sein und glücklich gestaltet werden? Trägt die Partnerschaft? Und viele scheitern ja auch daran. In dieser Gesellschaft das Heranwachsen von Kindern mit Behinderungen zu meistern, ist von vielen als lebenslanges Ringen mit Behörden und Kassen usw. usf. erlebt worden, ganz zu schweigen von den Vorurteilen, die den Eltern begegnen. Frau Kollegin Sitte! Darüber, meine Damen und Herren, haben wir hier zu reden, über diese Art, gemeinsam Vielfalt zu leben. Ja, aber Sie nicht mehr, weil die drei Minuten vorüber sind. Dr. Kirsten Kappert-Gonther, Bündnis 90/Die Grünen, ist die nächste Rednerin.
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Dr. Anton Hofreiter BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
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BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Kanzlerin! Deutschland und die Welt um uns herum verändern sich rasend schnell: durch die Globalisierung, durch den digitalen Wandel, durch die Klimakrise, die mit diesem Dürresommer endgültig für alle sichtbar bei uns angekommen ist. Die Frage ist: Gestalten wir diese Entwicklung, oder lassen wir uns von ihr überrollen? All dies fordert alle und uns im Parlament ganz besonders. Viele dieser Herausforderungen können wir nicht alleine lösen, sondern nur in einer starken Europäischen Union mit internationaler Zusammenarbeit. Wie sichern wir den sozialen Frieden? Wie verhindern wir die Klimakatastrophe? Wie stärken wir ein geeintes Europa? Auf all diese Fragen muss eine verantwortungsvolle Regierung Antworten suchen und finden. Aber wie sieht die Realität aus? Wir erleben eine Koalition, die als große Selbsthilfegruppe vor allem mit sich selbst beschäftigt ist und schon lange nicht mehr mit den Sorgen und den Nöten der Menschen. Weil die Probleme aber so groß sind, ist es so dramatisch, dass diese Große Koalition noch neue schafft und selbst die überschaubaren Probleme wie die Dieselkrise nicht löst. Es ist ja schön, wenn die beiden Unionsparteien neue Vorsitzende suchen; aber man muss sich das mal im Kontext der vergangenen Monate anschauen: Erst haben sie sich zerstritten, dann kam die Sommerpause, dann haben sie sich wieder zerstritten, und jetzt schon wieder Selbstbeschäftigung. Und die SPD? Die SPD sitzt da wie das berühmte Kaninchen vor der Schlange. Die Menschen in Deutschland sind da schon viel weiter. Bei den großen Demonstrationen in München, Chemnitz und Berlin haben wir doch gesehen, wie die gesellschaftliche Mehrheit ein Stoppschild aufgestellt hat, nicht nur gegenüber den Hetzern da am äußersten rechten Rand. Und die Hetzer da am äußersten rechten Rand haben auch etwas missverstanden. Hier geht es um die Generaldebatte zur Politik der Bundesrepublik Deutschland, hier geht es um den Haushalt der Bundesrepublik Deutschland und nicht um die schwarzen Kassen einer rechtsradikalen Partei. Das ist das Thema heute hier. Nein, die Menschen haben auch ein Stoppschild aufgestellt gegenüber einer Regierungspolitik, die die großen Probleme nicht und die kleinen viel zu häufig falsch angeht. Die Menschen sind in aller Vielfalt und mit Optimismus auf die Straße gegangen, und zwar mit einer klaren Botschaft: Hören Sie auf mit der Selbstbeschäftigung, und kümmern Sie sich um die wichtigen Probleme unserer Zeit! Ein nachdenklicher Stahlarbeiter hat mich am Rande einer Veranstaltung angesprochen und zu mir gesagt: Herr Hofreiter, ich habe Kinder und weiß, für deren Zukunft müssen wir die Klimakrise in den Griff kriegen. Was ich aber nicht verstehe, ist, wie das gerade läuft. Wenn wir den CO 2 -Ausstoß teurer machen, die Stahlproduktion hier bei uns regulieren und dann Stahl zu Dumpingpreisen aus China importieren, hier die Arbeitsplätze zerstört werden und weltweit das Klima, wo ist dann der Nutzen, wo ist dann der Nutzen für die Zukunft meiner Kinder? Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Stahlarbeiter hat recht: Es gibt keinen Nutzen, wenn es so läuft. Darum braucht es eine Klimaabgabe, um unsere Wirtschaft vor Klimadumping zu schützen, um faire Wettbewerbsbedingungen für alle herzustellen. Dafür brauchen wir eine starke Europäische Union; denn eine starke Europäische Union ist die Antwort auf die Frage des Stahlarbeiters. Nur mit der Europäischen Union können wir Klima- und Sozialdumping etwas entgegensetzen, und mit einer starken Europäischen Union können wir die Klimaziele erreichen. Aber leider ist diese Bundesregierung zum Bremser und Blockierer geworden, wo beherzte Maßnahmen notwendig wären. Wohin das führt, sehen wir doch an den aktuellen Wirtschaftszahlen: Wir erleben das erste Mal seit Jahren wieder ein Minuswachstum, vor allem wegen der schlechten Zahlen in der Autoindustrie – weil die Autobosse betrogen und den Umstieg auf abgasarme Autos verschlafen und auch verschleppt haben. Auch Sie, liebe Bundesregierung, scheitern daran, für den Aufbruch, für eine zukunftsfähige Autoindustrie zu sorgen, um langfristig die Arbeitsplätze zu erhalten. Sie scheitern daran, in den Städten für saubere Luft zu sorgen. Und Sie scheitern daran, die betrogenen Dieselbesitzer zu schützen. Dabei ist die Lösung dieser dreifachen Krise überschaubar: Hören Sie auf, vor den Autobossen zu kuschen! Stellen Sie sich auf die Seite der Betrogenen und nicht auf die Seite der Betrüger! Und sorgen Sie für Dieselnachrüstungen, die blaue Plakette und, langfristig, für den Umstieg auf abgasfreie Autos! Aber auch das kriegen Sie schon seit Jahren nicht hin. Wie wollen Sie denn dann die wirklich großen, wie wollen Sie denn dann die komplexen Probleme lösen? Die Klimakrise wartet doch nicht, sie ist doch längst hier angekommen. In diesem Dürresommer hat es doch jeder selbst erleben können. Wissen Sie, je länger die Bundesregierung wichtige Maßnahmen vor sich her schiebt, desto drastischer müssen am Ende die notwendigen Maßnahmen werden. Wir sind die Generation, in deren Lebenszeit es sich entscheidet – wir selbst entscheiden –, ob wir rechtzeitig aus Kohle und Öl aus- und auf 100 Prozent erneuerbare Energien und auf emissionsfreie Autos umsteigen, ob wir Plastikmüll und Pestizide produzieren oder sie konsequent reduzieren. Liebe CDU/CSU und SPD, ja, die notwendigen Maßnahmen mögen dem einen oder anderen radikal erscheinen, was aber wirklich radikal wird, ist die Realität der Klimakrise und des Artensterbens, wenn weiter nicht gehandelt wird. Sie können ja locker den Kopf in den Sand stecken, aber dadurch verschwindet diese Realität doch nicht. Was wir brauchen, ist eine Politik, die anders ist, eine Politik, die ehrlich und radikal in der Analyse, visionär in den Zielen und pragmatisch in der Umsetzung ist. Liebe Frau Merkel, Sie haben hier eine ganz bemerkenswerte Rede gehalten, aber Ihr Kabinett ist einfach viel zu häufig realitätsverloren, wenn es um die Europapolitik geht, ideologisch verbohrt und, wenn man sich Herrn Seehofer anschaut, auch noch tölpelhaft in der Umsetzung. Dadurch vergrößern Sie viele Probleme auch noch. Das gilt auch für die Kluft zwischen Arm und Reich. Wenn heute, an diesem Tag im November, in Deutschland ein Kind in einer ärmeren Familie geboren wird, dann ist die Lebensgeschichte dieses Kindes mit hoher Wahrscheinlichkeit schon vorgeschrieben. Wenn die Eltern dieses Kindes keinen Schulabschluss haben, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass dieses Kind auch keinen Schulabschluss erreicht. Wenn die Eltern im Niedriglohnsektor arbeiten, dann wird dieses Kind wahrscheinlich auch dort landen. Wenn die Eltern zu hohe Schulden haben, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass dieses Kind sich überschulden wird. Das ist eine Gesellschaft, in der das große Versprechen, nach dem es den Kindern einmal besser oder mindestens so gut wie ihren Eltern gehen wird, nicht mehr für alle gilt. Das ist ein unhaltbarer Zustand. Deshalb, liebe CDU/CSU und liebe SPD: Tun Sie endlich wirklich etwas gegen Kinderarmut! Erhöhen Sie die Kinderregelsätze! Sorgen Sie mit einer Kindergrundsicherung dafür, dass alle Kinder in diesem Lande gleiche Chancen haben, egal in welche Familie sie hineingeboren werden! Packen Sie das Problem der explodierenden Mieten vernünftig an! Schaffen Sie endlich wirklich mehr bezahlbaren Wohnraum, und beenden Sie endlich die Immobilienspekulationen! Es ist ja schön, wenn Sie hier darüber reden, aber es muss am Ende auch bei den Leuten ankommen. Es braucht mehr bezahlbaren Wohnraum. Deshalb: Setzen Sie es endlich konsequent um, und halten Sie hier nicht nur schöne Reden! Liebe Kolleginnen und Kollegen, Armut, minimale Aufstiegschancen und mangelnde Teilhabe sind ja nur die eine Seite. Auf der anderen Seite erleben wir einen exzessiven Reichtum bei wenigen, der zunimmt. Eine der Ursachen dafür ist der ungeregelte Finanzmarkt. Das ist auch eine der Lehren aus dem Cum/Ex-Skandal. Einige Banken und Berater haben Geschäftsmodelle entwickelt, die einzig darauf angelegt sind, durch Tricks vom Staat Kasse zu machen. Auf wessen Kosten? Auf Kosten der Steuerzahler! Mittlerweile wurden die europäischen Steuerzahler durch diesen von Deutschland ausgehenden Skandal um 55 Milliarden Euro betrogen. Jeder Schwarzfahrer wird strenger verfolgt als die Banker, die die Allgemeinheit um Milliarden betrogen haben. Damit muss endlich Schluss sein. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ausgerechnet ein SPD-Minister hat sich in Brüssel wiederholt gegen die Einführung einer Steuer für die Internetkonzerne starkgemacht, einer Steuer, die endlich mal das Problem anpacken würde, dass Google und Amazon noch immer viel weniger Steuern zahlen als die Buchhändlerin um die Ecke, die mit ihnen im direkten Wettbewerb steht. Apple zahlt auf 1 Million Euro Gewinn – nicht Umsatz! – 50 Euro Steuern. Wer möchte da nicht Apple sein? Herr Scholz, beenden Sie endlich die Blockade! Setzen Sie durch, dass nicht nur die Buchhändlerin um die Ecke, sondern endlich auch die Googles und Apples Steuern in Europa zahlen! Wissen Sie, Frau Nahles, es ist ja schön, wenn Sie hier erzählen, dass dies weltweit geschehen soll. Ja, es wäre noch schöner, wenn das weltweit geschehen würde. Aber diese Methode kennt man: Wenn man was nicht umsetzen will, dann sagt man als Erstes: Das muss in Europa passieren. Wenn es in Europa passiert, dann sagt man: Das muss weltweit passieren. Das ist die klassische Ausrede derer, die sich nicht an die Konzerne herantrauen. SPD, trau dich mal an die Konzerne ran! Liebe Abgeordnete im Deutschen Bundestag, um ehrlich zu sein: In der Haut unserer britischen Kolleginnen und Kollegen möchte ich nicht stecken; denn der Brexit, so wie er stattfindet, ist in jeder Form schlecht für Großbritannien, und er ist schlecht für Europa. Man sieht da mal wieder die zerstörerische Wirkung populistischer Politik. Ich glaube, das sollte auch dem einen oder anderen hier bei uns eine dringende Mahnung sein. Wenn man sich die Ergebnisse anschaut, dann stellt man fest: Die Europäische Union ist der britischen Regierung bereits sehr weit entgegengekommen. Jetzt gilt es, dafür Sorge zu tragen, dass Umwelt- und Sozialstandards nicht hinterrücks ausgehöhlt werden. Frau Merkel, ich erwarte von Ihnen, dass Sie da in Zukunft auf der Seite Frankreichs und der Niederlande stehen und nicht wieder auf der Bremse bzw. bei den Gegnern der Sozial- und Umweltstandards. Frau Merkel, denken Sie echt europäisch, und arbeiten Sie mit Frankreich, den Niederlanden und den progressiven Ländern zusammen. Das, was eine Antwort auf den Brexit sein kann, hat hier am vergangenen Sonntag Präsident Macron dargestellt. Ich meine, er hat eine Liebeserklärung Frankreichs an Deutschland abgegeben, wie wir sie vielleicht so noch nie gehört haben. Ich glaube, sie muss politisch erwidert werden. Gemeinsam geht es jetzt darum, die Stärkung und Fortentwicklung der europäischen Idee durchzusetzen. Ich muss Ihnen sagen: Die zaghaften Schritte zu einem Euro-Budget reichen bei weitem nicht aus; denn die nächste Krise kommt ganz sicher. Dann brauchen wir stabile Mechanismen, um unsere Währung stabil zu halten, und zwar muss das Ganze unter Kontrolle des Europäischen Parlaments stattfinden. Durch die Vollendung einer Bankenunion und durch die Durchsetzung einer europäischen Unternehmensteuer wird Europa stabiler und gerechter. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen oder wenigstens die Regierung muss endlich vom Reden zum Handeln kommen, vom Blockieren zum Regieren. Wir brauchen politische Maßnahmen, die der Größe der Herausforderungen angemessen sind. Wir müssen endlich die großen Herausforderungen anpacken wie die Energiewende, die Agrarwende, die Verkehrswende, die Stabilisierung der Europäischen Union oder auch den Kampf gegen die soziale Ungleichheit in diesem Land. Immer mehr Menschen in diesem Land verstehen, dass ein Weiter-so oder ein leichtes Korrigieren an der einen oder anderen kleinen Stelle nicht mehr ausreichen, um optimistisch in die Zukunft zu blicken. Liebe Bundesregierung, fangen wir, fangen auch Sie endlich an, auf die großen Fragen unserer Zeit die angemessenen Antworten zu geben. Vielen Dank. Nächster Redner ist der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Ralph Brinkhaus.
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Gülistan Yüksel SPD
Gülistan
Yüksel
SPD
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren, die uns eventuell noch zuschauen! Jede vierte Frau in Deutschland ist einmal in ihrem Leben Opfer von körperlicher oder sexueller Gewalt geworden. Gewalt findet überall statt: im privaten wie öffentlichen Raum und verstärkt auch im digitalen. Es ist die Aufgabe des Staates, darauf zu reagieren und seine Bürgerinnen und Bürger vor Gewalt zu schützen. Was die Rechte und den Schutz von Frauen und Mädchen angeht, haben wir in den letzten Jahren über Parteigrenzen hinweg einiges erreicht. Aber wir sind noch nicht am Ziel; denn jede Frau, die Opfer einer Gewalttat wird, ist eine zu viel. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Ratifizierung der Istanbul-Konvention im November 2017 – könnten Sie bitte auf der rechten Seite ein bisschen ruhiger sein; danke - bestärkt uns alle darin, entschieden zu handeln. Sie verpflichtet uns, umfassende Maßnahmen zur Prävention, zur Intervention, zum Schutz und zu rechtlichen Sanktionen gegen geschlechtsspezifische Gewalt zu ergreifen. Die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, an der sich der Bund weiter verstärkt beteiligen muss. Deshalb haben wir in dieser Legislaturperiode bereits entscheidende Maßnahmen auf den Weg gebracht. Zum Beispiel hat die Bundesregierung den Runden Tisch gegen Gewalt an Frauen ins Leben gerufen. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, den bedarfsgerechten Ausbau und die adäquate finanzielle Absicherung der Arbeit von Frauenhäusern und ambulanten Hilfs- und Betreuungsmaßnahmen zu verbessern. Genau so haben wir das im Koalitionsvertrag auch festgeschrieben. Die Hauptverantwortung für die Finanzierung von Frauenhäusern liegt aber bei den Ländern und Kommunen; das sieht unser föderales System so vor. Dennoch sind wir alle verpflichtet, im Sinne der Frauen zu handeln. Ich begrüße es daher sehr, dass beim Runden Tisch der Bund, alle 16 Bundesländer und die kommunalen Spitzenverbände zusammenkommen und die bestehenden Probleme gemeinsam angehen. Sehr geehrte Damen und Herren, wer Gewalt an Frauen entschieden angehen will, muss dafür Geld in die Hand nehmen. Gemeinsam mit unserer Bundesfamilienministerin Franziska Giffey haben wir durchgesetzt, dass ab 2020 jedes Jahr 30 Millionen Euro zum Ausbau und zur Sanierung von Frauenhäusern bereitgestellt werden. Unser Ziel ist es, dass zukünftig keine Frauen und ihre Kinder mehr wegen Platzmangels oder eines fehlenden barrierefreien Zugangs abgewiesen werden. Als weitere wichtige Maßnahme haben wir heute Mittag im Bundestag beschlossen – Sie sind ja schon darauf eingegangen, Frau Kollegin –, dass Frauen, die Opfer von geschlechtsspezifischer Gewalt wurden, das Recht auf eine anonymisierte Spurensicherung bekommen, das heißt eine gerichtsfeste Dokumentation ihrer Verletzungen, ohne sich dem mutmaßlichen Täter offenbaren zu müssen. Dafür haben wir hart gekämpft; denn häufig kommt es aus Scham oder Furcht vor dem Täter gar nicht erst zur Anklage. Wir wollen aber nicht nur die Symptome von Gewalt bekämpfen, sondern auch die Ursachen. Deshalb starten wir am 25. November eine bundesweite Öffentlichkeitskampagne zur Ächtung von Gewalt gegen Frauen, um das Thema auch in das Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit zu tragen. Frauen müssen ermutigt werden, das Schweigen zu brechen, sich Hilfe zu holen und Gewalt anzuzeigen. Gleichzeitig darf niemand wegschauen, sondern jede Person muss befähigt werden, Gewalt zu erkennen und Hilfe zu leisten. Die Istanbul-Konvention sieht auch die Schaffung einer unabhängigen Monitoring- und Koordinierungsstelle vor, worauf ja unsere Kollegen von der Fraktion Die Linke auch eingegangen sind. In den Haushaltsverhandlungen haben wir Frauenpolitikerinnen der SPD uns hierfür stark eingesetzt, und wir lassen auch in der Bereinigungssitzung nicht locker, die ja aktuell noch tagt. Wir hoffen, wir bekommen gleich noch grünes Licht. Eine unabhängige Stelle mit dem Monitoring zu beauftragen, ist nämlich ein Ausweis von Rechtsstaatlichkeit, Transparenz und guter Regierungsführung. Auf internationaler Ebene hat der UN-Sicherheitsrat auf deutsche Initiative hin ein energischeres Vorgehen gegen sexuelle Gewalt in Krisengebieten gefordert. Deutschland hat 2020 den Vorsitz im Europarat. Ich wünsche mir, dass Deutschland den Vorsitz als Chance nutzt, Gewalt gegen Frauen auch auf europäischer Ebene verstärkt als Thema zu platzieren. Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, Gewalt – in welcher Form auch immer – darf in unserer Gesellschaft keinen Platz haben. Lassen Sie uns gemeinsam dafür kämpfen, dass Frauen nicht länger schweigen! Herzlichen Dank. Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Nicole Bauer für die Fraktion der FDP.
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Volkmar Klein CDU/CSU
Volkmar
Klein
CDU/CSU
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben jetzt schon ganz, ganz viele Zahlen gehört – klar; kein Wunder bei einer Haushaltsberatung. Die Hinweise, dass die Höhe der Zahlen vielleicht gar nicht das Entscheidende ist, sind durchaus richtig; denn am Ende geht es uns ja gar nicht um Zahlen, sondern es geht uns um Perspektive für Menschen, nicht nur in Afrika, sondern – darauf hat Peter Ramsauer eben hingewiesen – natürlich auch in anderen Ländern der Entwicklungszusammenarbeit. Aber weil Afrika in unserer direkten Nachbarschaft ist, geht es natürlich vor allem um Afrika; es hat oberste Priorität. Ich habe dazu eine brandaktuelle Publikation gefunden und mitgebracht: ein Buch, das heißt „Afrika – Europas Gemeinschaftsaufgabe Nr. 1“. Ich will einfach mal aus dem Vorwort einige Sätze zitieren. Da steht – ich zitiere –: Früher glichen politische Ereignisse oder wirtschaftliche Umwälzungen ins Wasser geworfenen Steinen. Die Wellen verebbten, bevor sie fernere Gestade erreicht hatten. Heute lösen solche Ereignisse sozusagen elektrische Störungen aus, die global und fast überall in gleicher Intensität spürbar sind. Brandaktuell! Das ist aber ein Buch, das bereits 1951 erschienen ist. Es macht deutlich, dass in der Vergangenheit sicherlich nicht alles richtig gemacht worden ist. Das unterstreicht die Notwendigkeit dessen, was auch Gerd Müller hier eben noch einmal gesagt hat: Wir brauchen einen Paradigmenwechsel. Wir müssen uns mehr um Jobs und Chancen in den Ländern der Entwicklungszusammenarbeit kümmern. Ich denke, Gerd Müllers Marshallplan mit Afrika ist genau der Paradigmenwechsel, den wir brauchen. Wir brauchen intensivere, vielleicht auch intelligentere Hilfe. Wir brauchen eine größere Wirksamkeit, und wir müssen sicherlich auch in den jeweiligen Ländern mehr einfordern. Auch darum geht es im Marshallplan mit Afrika; denn auch die Verhältnisse in den Ländern müssen sich verbessern. Ich will einfach mal vier Punkte, die ich für ganz wichtig halte, nennen. Erstens: Eigene Kräfte stärken. Wir tun das an ganz, ganz vielen Stellen mit Ausbildung und auch mit Weitergabe von Unternehmensgeist. Ich war jetzt gerade zu Besuch in Kamerun. Dort leisten wir, Deutschland, gemeinsam mit Israel – weil es genau an dieser Stelle noch mehr davon, nämlich von Mangobäumen, versteht als wir – Entwicklungshilfe. Wir helfen bei der Ausbildung von Bauern überall in Kamerun, Mangobäume zu ver­edeln, um damit die Ernten vieler veredelter Sorten von bisher drei Monaten über fast das ganze Jahr zu bringen. Das stärkt die Ernährung im eigenen Land. Das schafft auch Möglichkeiten für Exporte, und das stärkt insgesamt die eigenen Kräfte. Das ist wirklich ein gutes Beispiel; denn auch so etwas gibt es. Wenn immer davon geredet wird, dass wir nur Geld irgendwo versickern lassen, dann ist das ziemlicher Unfug. „Eigene Kräfte stärken“ läuft an vielen Stellen. Zweiter Punkt: Investitionen auch von außen stärken und ermöglichen. Wir wollen dafür den Garantierahmen auch für deutsche Unternehmen verbessern. Wenn ich heute sehe, wie wenig Investitionen aus Deutschland in Afrika bisher getätigt worden sind, wie viele gute Arbeitsplätze allein durch diese wenigen Investitionen aber schon geschaffen worden sind – das kann man in aktuellen Publikationen des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft nachlesen –, dann muss ich sagen: Das ist einfach der richtige Weg. Das müssen wir weiter stärken. Drittens – wir haben eben schon ein paar Zahlen dazu gehört –: Stärkung der Gesellschaft; das war das, was ich auch am Anfang gesagt habe. Wir brauchen bessere Korruptionsbekämpfung. Wir brauchen eine Stärkung der Gesellschaft. Das können wir erreichen, indem wir die Mittel für die Förderung der Medien stärken; denn das wird am Ende für mehr Kontrolle der Regierungen in Afrika sorgen, die sich leider in vielen Fällen einen Dreck um ihre eigene Bevölkerung kümmern. Der vierte Punkt: Sicherheit und Entwicklung – wir haben das heute Nachmittag schon an mehreren Stellen besprochen – gehören einfach zusammen. Dafür ist die G-5-Sahel-Allianz-Konferenz hier in Berlin in der letzten Woche ein beredtes Beispiel gewesen. Ohne Sicherheit keine Entwicklung und ohne Entwicklung auch keine Sicherheit. Wir brauchen beides, gerade südlich unserer Grenzen. Das unterstützen wir, nicht nur mit Worten, sondern auch mit viel Geld. Es ist ein riesiger Aufwuchs auf 9,5 Milliarden Euro. Darauf kann man schon stolz sein, vor allen Dingen auf das, was damit bewegt wird. Das soll auch in Zukunft so sein. Anja Hajduk hat eben gesagt: Im Haushaltsplan stehen weniger Verpflichtungsermächtigungen als in der Vergangenheit, als im vergangenen Jahr. – Ja, das ist aber kein Wunder. Im vergangenen Jahr standen allein 1,6 Milliarden Euro Verpflichtungsermächtigungen drin, weil wir uns im letzten Jahr, aber nur im letzten Jahr, verpflichtet haben, die Afrikanische Entwicklungsbank und die Weltbank in Zukunft mit mehr Geld auszustatten. Das steht in diesem Jahr natürlich nicht wieder drin. Also, auf dem Papier ist der Befund richtig. Es sind allein wegen dieses einen Details 1,6 Milliarden Euro Verpflichtungsermächtigungen weniger. Ich fasse zusammen: Es ist richtig, dass wir eine ganze Menge Geld in diesem Bereich ausgeben, weil es erstens für uns ethisch wichtig ist – ein Gebot der Nächstenliebe –, weil es zweitens aber auch in unserem eigenen deutschen Interesse ist. Wir wollen hier weiterhin in Frieden und Freiheit und Wohlstand leben. Das können wir nicht, wenn jenseits unserer Grenzen bittere Armut herrscht. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. Herr Klein, darf ich Sie bitten, noch einmal die Quelle anzugeben. Sie haben nur den Titel des Buches zitiert. Aber wir hätten fürs Protokoll gern noch die Angabe, von wem es geschrieben ist. „Afrika – Europas Gemeinschaftsaufgabe Nr. 1“, 1951 erschienen, von dem Autor Anton Zischka. Vielen herzlichen Dank. – Letzter Redner in dieser Debatte: Peter Stein für die CDU/CSU-Fraktion.
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Kai Gehring BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Kai
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BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Jarzombek, Frau Staffler, je schriller die Kritik der Union wird, umso mehr Fragen hätte ich an Anja Karliczek und Jens Spahn, der ein ganzes Buch über seine Fehler während der Pandemie geschrieben hat. Ihr Gedächtnisverlust über die verfehlte BAföG-Politik der letzten 16 Jahre ist wirklich atemberaubend; er spricht für sich. Während der Pandemiekrise und der drei Onlinesemester wurde einer von vier erwerbstätigen Studierenden entlassen oder unbezahlt freigestellt. Vor allem Studierende aus finanzärmeren Nichtakademikerhaushalten waren und sind leider auf Nebenjobs angewiesen, und daher sprechen wir hier ganz zentral über Bildungschancen. Finanzielle Unterstützung per Überbrückungshilfe à la Karliczek kam in den ersten Monaten der Pandemie zu spät und war viel zu bürokratisch – für viele Studis eine echt harte Zeit. Die Lehren daraus ziehen wir mit dem Notfallmechanismus für das BAföG, den wir heute hier beschließen. In Notsituationen haben wir damit in Zukunft über das BAföG die Möglichkeit, zügig und unbürokratisch dringend benötigte Mittel an Studierende auszuzahlen, und helfen damit auch denjenigen, die bislang kein BAföG erhalten, aber in Bedürftigkeit rutschen, im Übrigen alles digital. Niemand sollte das Studium aus finanziellen Gründen in Krisenzeiten abbrechen müssen. Kommt es wieder zu einer Lage wie in der Coronapandemie, in der der studentische Arbeitsmarkt zusammenbricht, dann reicht künftig ein Kündigungsschreiben des Arbeitgebers oder eine glaubhafte Selbsterklärung aus. Unser Notfallmechanismus ist damit aktive Krisenvorsorge. Nach 16 Jahren Ambitionslosigkeit bringt diese Bundesregierung die Studienfinanzierung auf die Höhe der Zeit. Erst im Juni haben wir die größte BAföG-Reform seit Jahrzehnten beschlossen, Elternfreibeträge um 20,75 Prozent und die Bedarfssätze um 5,75 Prozent erhöht sowie Altersgrenzen auf 45 Jahre heraufgesetzt. Schon jetzt haben wieder mehr Studierende Zugang zum BAföG; auch das war Krisenvorsorge. Wir machen Tempo für bessere Bildungschancen; denn heute kommt schon die zweite BAföG-Novelle dieser Wahlperiode. Unser Ziel ist eine Studienfinanzierung, die jungen Menschen unabhängig von ihrer Herkunft ein Studium ermöglicht. Dabei sollten unsere Studierenden nicht auf Nebenjobs angewiesen sein, sondern Zeit haben, um sich voll und ganz auf ihr Studium zu konzentrieren. – Also, Sie sind schlimmer als die AfD geworden. Was ist denn das für eine Opposition? Sie müssen sich schon ein bisschen Ihrer Vergangenheit stellen. 20,75 Prozent Erhöhung, wann hat es das zuletzt gegeben? Es ist doch irre, das nicht zur Kenntnis nehmen. Was sind Sie denn für eine Opposition? Also, nehmen Sie Druck raus für die Studierenden, um ihnen ein Studium zu ermöglichen. Und häufig scheitert das Studium – Kommen Sie bitte zum Schluss. – am Studienstart, und wenn Sie sich auf die Bedarfsätze – – – Mein Gott, sind Sie aufgeregt. – Wir haben einfach eine Bundesregierung, die sich um die Studienfinanzierung in der Republik kümmert, und als Nächstes kommt die Studienstarthilfe und dann eine weitere, noch größere Studienstrukturreform. Das wird großartig, um für mehr Bildungsgerechtigkeit in diesem Land zu sorgen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor ich das Wort zum letzten Redebeitrag an Ye-One Rhie erteile, möchte ich Sie alle bitten, danach noch kurz sitzen zu bleiben. Aber jetzt kommt erst mal Ye-One Rhie für die SPD-Fraktion
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Muhanad Al-Halak FDP
Muhanad
Al-Halak
FDP
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist eine große Ehre für mich, heute hier zu stehen, nicht nur, weil ich als Abgeordneter meine erste Rede halten darf, sondern auch, weil ich stolz bin, Bürger eines Landes zu sein, das vor 20 Jahren einen Jungen aus dem Irak so herzlich aufgenommen hat, eines Landes, das mich begleitet und mir unabhängig von der Herkunft alle Chancen geboten hat, eines Landes, das heute meine Heimat ist. Ich bin stolz, als Mitbürger und als Mitglied dieses Hohen Hauses heute zu Ihnen zu sprechen, und zwar für eine Koalition, die die Menschen, egal welcher Herkunft, in den Mittelpunkt stellt, für eine Koalition, die endlich nicht mehr nur die Komfortzone verwaltet, sondern die auch den Mut und die Vision vor Augen hat, soziale Marktwirtschaft, Nachhaltigkeit und Freiheit zusammenzudenken. Für den Verbraucherschutz heißt das: klare und verständliche Regeln für Wirtschaft und Konsumenten, Nachhaltigkeit als Design Challenge für Dienstleistungen und Produkte, Freiheit für Markt und mündige Bürger. Denn wir brauchen nicht immer nur neue Regeln. Was wir brauchen, sind klare Regeln, die auch tatsächlich durchgesetzt werden. Und diese klaren Regeln müssen Innovationssicherheit für Unternehmen genauso wie Sicherheit und Schutz für Verbraucher bedeuten. Aber hier mangelt es bislang; denn: Wo kein Kläger, da kein Richter. Das, meine Damen und Herren, darf hier nicht länger sein. Deswegen werden wir dafür sorgen, dass Verbraucher in Zukunft möglichst automatisch entschädigt werden, wenn es beim Flug oder bei der Bahn zu Verspätungen kommt. Deswegen werden wir auch die Bundesbehörden stärken, die für die Kontrolle und die Verfolgung von Verstößen zuständig sind. Wenn wir dann noch die Abläufe in den Behörden digitalisieren und vereinfachen, dann haben wir eine bessere, zuverlässigere und zukunftsfestere Infrastruktur im Verbraucherschutz; und das kommt allen zugute, meine Damen und Herren. Das gilt auch für die Nachhaltigkeit. Nachhaltigkeit, Zusammenhalt und individuelle Freiheit sind keine Gegner. Sie sind unser gemeinsamer Auftrag und voller Chancen. Deswegen packen wir es auch hier an. Wir wollen ein Recht auf Reparatur einführen, damit wertvolle Rohstoffe nicht weggeschmissen, sondern wiederbenutzt werden. Wir wollen höchstmögliche Nachhaltigkeit als Design Challenge für Produkte. So wird Nachhaltigkeit gefördert und die Innovationskraft der Wirtschaft entfesselt. Vor allem aber wollen wir auch die Bürgerinnen und Bürger stärken. Deswegen bauen wir die Verbraucherbildung aus. Wir stärken die Verbraucherzentralen und die Stiftung Warentest; denn unabhängige und niedrigschwellige Informationen sind unverzichtbar für freie Kundenentscheidungen. Das, meine Damen und Herren, ist zukunftsfeste Politik. Das ist der Dreiklang aus klaren Regeln, Nachhaltigkeit und individueller Freiheit, für den diese Regierung steht. Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Meine Eltern sind damals aus einem Staat geflohen, der weder die Würde noch das Leben seiner Bürger geschützt hat, und die Verbraucher schon gar nicht. In den nächsten vier Jahren hier als Mitglied des Deutschen Bundestages etwas zurückzugeben, erfüllt mich mit Demut und Dank. In einer Gesellschaft zu leben, in der wir mit Worten streiten, erfüllt mich mit Stolz, es ist unser ungeheures Glück. In diesem Sinne freue ich mich auf den Streit in der Sache und auf die gute Zusammenarbeit zwischen Mitbürgern. Vielen, vielen Dank. Das war eine Punktlandung in der Redezeit. – Ich erteile das Wort dem Kollegen Dr. Volker Ullrich, CDU/CSU-Fraktion.
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Helge Lindh SPD
Helge
Lindh
SPD
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die AfD hat, wie man auch an den Ausführungen gemerkt hat, ja reale aktuelle Probleme mit ihrem strategischen Rassismus in Fragen der Flüchtlinge, abgesehen vom notorischen eigenen Faschismusproblem, und das sind folgende: Zum einen haben wir uns gestern geeinigt, dass ukrainische Geflüchtete Leistungen nach SGB II und SGB XII erhalten sollen, ein Milliardenpaket für Kommunen und Länder; wir haben die Einführung von FREE für die Verteilung in Kombination mit EASY vereinbart usw. Die Organisation funktioniert. Das ist Ihr erstes Problem. Ihr zweites Problem ist: Ich verweise auf Belarus und die Situation, dass leider der Hauptakteur in Belarus Herr Lukaschenko war, Ihnen bestens vertraut; denn in Ihren Horden von Schwarmunintelligenz, die sich im Netz bewegt, wird Herr Lukaschenko wie auch Putin gefeiert. Drittes akutes Problem, das Sie haben: Nun handelt es sich bei Ukrainerinnen und Ukrainern in der Mehrzahl der Fälle um Weiße, die evangelisch, katholisch, orthodox, jüdisch oder atheistisch sind, aber eben nicht schwarze oder muslimische Menschen. Auch da funktioniert Ihr Rassismus nicht so gut, was man an Ihren Anträgen sieht. Und der letzte Punkt ist: Sie haben nachweislich, dokumentiert ja auch in internen heftigen Auseinandersetzungen bei Ihnen, ein ungeklärtes Verhältnis zum Thema „Angriffskrieg Putins“ und verschwurbeln sich immer wieder in heimlichen und unheimlichen Apologetiken. Um das deutlich zu machen: Sie verweisen ja gerne in Bezug auf die SPD auf Helmut Schmidt und zitieren ihn gerne und missbrauchen und vereinnahmen ihn. Dieser Helmut Schmidt hat im letzten Jahr seines Lebens warnend auf die Ignoranz gegenüber russischem Kolonialismus und auf die Bezüge zwischen Putin, dem Zarenreich und der Sowjetunion hingewiesen. Also, statt Schmidt falsch zu zitieren, sollten Sie ihn einfach mal lesen. Es ist aber so, dass Ihr Antragswerk diesmal nicht nur unsere Logik sowie internationales Recht, die deutsche Verfassung und das Flüchtlingsrecht verletzt; nein, ich würde es so umschreiben: Das ist insgesamt ein Aufstand gegen jede Form von Intellekt und Intelligenz. Oder um es noch präziser zu fassen: Es ist ein Aufstand gegen Anstand und Verstand. Und das muss man erst mal hinbekommen: einen Aufstand gegen Anstand und Verstand. Das kann man auch deutlich illustrieren: In Ihren Forderungen wollen Sie zum Ersten nichts anderes als systematische Grenzkontrollen und das Schließen der Grenzen. Sie wollen Mauern; wir bauen aber Brücken. Brücken statt Mauern – klarer Unterschied zwischen dieser Koalition und Ihnen. Zum Zweiten vertreten Sie ja nicht einmal verborgen eine Form des Racial Profilings; denn das ist der einzige Grund für diese Grenzkontrollen, die Sie vorschreiben. Das heißt: Nur die Personen, die in Ihre rassifizierenden Kategorien passen, dürfen überhaupt reingelassen werden. Damit kommen Sie aber zum Dritten de facto zu einer Abschaffung des Asylrechts. Lesen Sie mal Ihren Antrag. Da steht, dass Sie verhindern wollen, dass – ich zitiere – „Trittbrettfahrer, die … Asyl beantragen“ wollen, mit aus der Ukraine nach Deutschland kommen. Nun gibt es aber ein Recht in Deutschland und ein Recht in Europa und in der Welt. Und das bedeutet, dass Menschen, egal welcher Herkunft, in diesem Land Asylanträge stellen können. Sie verstoßen also gegen die deutsche Verfassung und gegen deutsches Recht. Viertens. Es hört ja nicht auf. – Also, Sie haben einen ganzen Katalog des Rechtsbruchs in Ihrem Gesamtkunstwerk zusammengefriemelt. Sie wollen auch, dass Drittstaatsangehörige eben nicht einen Aufenthaltsstatus bekommen und entsprechend möglichst Deutschland verlassen. Alle Details und Möglichkeiten, die die EU-Richtlinie anbietet, ignorieren Sie. Ich komme zum fünften Punkt, und jetzt wird es ganz interessant. Sie forcieren Abschiebungen. Sie wollen, dass alle geduldeten vollziehbar Ausreisepflichtigen dieses Land verlassen. Was machen wir? Wir machen aber das Gegenteil. Wir werden mit Hochdruck ein Chancenaufenthaltsrecht einführen, damit ganz viele Menschen, die jahrelang hier leben, gut integriert sind und arbeiten, aus dieser unwürdigen Situation der drohenden Abschiebung herauskommen. Sechstens. Nicht nur das! Sie schaffen es ja, sich selbst dann noch zu steigern. Sie wollen auch in Bezug auf subsidiär Schutzberechtigte – das muss man sich mal zu Gemüte führen – den Familiennachzug komplett aussetzen, während wir über die Kontingentierung hinaus wieder den privilegierten Nachzug einführen wollen, und das ist richtig so. Fundamentaler Gegensatz! Im Übrigen darf ich auch mal fragen, weil Sie eben und auch in den vorigen Debatten die Familie erwähnten: Was ist das für ein Familienbild, das Sie so deutlich beschwören, wenn Sie Familien das Recht verweigern, zusammenzukommen? Was sagt das über Ihr Familienbild und über Ihr Menschenbild? Siebtens wollen Sie eine komplette Aussetzung aller laufenden und geplanten Aufnahme- und Relocation-Programme. Und auch da müssen wir Sie leider, nein, richtigerweise enttäuschen; denn wir werden gucken, dass wir sehr bald ein humanitäres Aufnahmeprogramm für Afghanistan auf den Weg bringen und genau das Gegenteil dessen tun, was Sie machen, nicht die Ukraine gegen Afghanistan ausspielen, sondern in beiden Fällen handeln, menschlich sein, pragmatisch agieren. Ich möchte aber abschließend noch etwas deutlich machen, weil Sie das ja immer im Gestus der Sicherheit machen: Sie setzen sich für Sicherheit ein. Nun gibt es zwei Personen, die nicht der Verteidigung einer Open-Border-Politik, eines libertären Grenzregimes verdächtig sind: Romann und Dr. Sommer, wobei Dr. Sommer, um es Ihnen deutlich zu machen, nicht der Dr. Sommer der „Bravo“ ist, sondern derjenige vom BAMF. Und Dr. Sommer hat völlig unaufgeregt öffentlich und im Innenausschuss deutlich gemacht, dass es genau richtig ist, dass da registriert wird, wo wirtschaftliche Leistungen beantragt werden, und registriert wird, wenn Aufenthaltserlaubnisse beantragt werden, weil nun mal Visafreiheit für Ukrainerinnen und Ukrainer gilt und weil § 24 Aufenthaltsgesetz gilt. Romann und Dr. Sommer haben es verstanden; Sie haben es nicht verstanden. Deshalb: Lesen Sie, setzen Sie sich hin, beschäftigen Sie sich mit Ihrem internen Rassismus und klären Sie mal die Auseinandersetzung zwischen Herrn Kotré und Herrn Kleinwächter, und dann reden wir weiter. Vielen Dank. Als nächster Redner in der Debatte erhält für die CDU/CSU der Kollege Moritz Oppelt das Wort. Es ist seine erste Rede im Deutschen Bundestag.
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Christoph Bernstiel CDU/CSU
Christoph
Bernstiel
CDU/CSU
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Als letzter Redner in dieser teilweise sehr erfrischenden Debatte hat man die Möglichkeit, das eine oder andere klarzustellen und zusammenzufassen. Ich möchte gerne die Punkte herausgreifen, auf die noch nicht eingegangen wurde. Das Erste ist: Wir merken wieder einmal wunderbar den Unterschied zwischen Regierung und Opposition. Unsere Bundesregierung hat allein in den letzten zwei Jahren über zehn Bundeseinrichtungen in Ostdeutschland angesiedelt. Ich nenne das Fernstraßen-Bundesamt, das Hauptzollamt – mein Kollege Amthor hat mehrere Einrichtungen genannt, die in Mecklenburg-Vorpommern angesiedelt werden – und die Cyberagentur, die, wie erst im Januar dieses Jahres bekannt gegeben wurde, nach Halle kommt. Dann passiert etwas Wundersames: Die Opposition bemerkt, dass Landtagswahlen sind und dass sie ja auch mal wieder etwas für die Ostdeutschen tun müsste. Das merken Sie daran, dass die Linkspartei sogar Gregor Gysi aus der Mottenkiste holt, nachdem wir ihn Monate nicht im Parlament gesehen haben. So weit ist das ja auch noch okay und das gute Recht der Oppositionsparteien. Aber man muss schon sagen, liebe AfD: Wenn Sie einen Antrag stellen, der nur aus einem einzigen Satz besteht, dann ist das schon etwas dünn. Bei der Linkspartei ist es auch nicht viel besser. Sie kommen 30 Jahre nach dem Mauerfall auf die innovative Idee, eine Ostquote zu fordern. Das finde ich wirklich etwas spät. Meine Kollegen haben es bereits angesprochen: 40 Jahre haben Sie unser Land heruntergewirtschaftet. Jetzt kommen Sie an und kritisieren die Bundesregierung, die dieses Land wieder aufgebaut hat, dafür, dass sie zu wenig tut. Das ist scheinheilig. Apropos Quote. Wenn wir schon über eine Quote reden – das wurde hier bereits angesprochen –, dann muss man fragen: Wen meinen Sie überhaupt mit „ostdeutsch“? Sie wissen genauso gut wie ich, dass es Kritik am Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes gibt und dass es nicht eindeutig ist. Was Sie verschwiegen haben, ist: Zählen zu den Ostdeutschen für Sie auch die, die nach der Wende nach Ostdeutschland gekommen sind und mittlerweile den größten Teil ihres Lebens in Ostdeutschland verbracht haben? Oder was ist mit meiner Generation? Nach dem Gutachten, auf das Sie sich beziehen, wäre ich kein Ostdeutscher. Ich bin in Ostdeutschland geboren, aber leider nach dem Stichtag. Philipp Amthor hat es gesagt: Ich fühle mich als Deutscher eines gesamten Deutschlands, und ich möchte diese Stigmatisierung als Ostdeutscher von Ihnen von links und auch von Ihnen von rechts definitiv nicht mehr hören. Wissen Sie, mit Ihrer Quote stigmatisieren Sie eine ganze Generation von Ostdeutschen – warum? –, weil Sie sagen: Die Ostdeutschen schaffen es nicht aus eigener Kraft, die zweifelsfrei noch bestehenden Rückstände aufzuholen. Wir können das nur mit einer Quote schaffen. – Das ist eine Beleidigung für alle Ostdeutschen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von Linken und AfD, ich lasse mich von Ihnen nicht als Jammerossi stigmatisieren. Und wenn wir schon über Leistungen reden und darüber, wie wir Ostdeutschland voranbringen – das hat keiner meiner Vorredner getan –, dann müssen wir auch über die Unternehmen sprechen; denn es sind die Unternehmen mit innovativen Konzepten und mit guten Wachstumsprognosen, die Jobs schaffen und die dafür sorgen, dass der Steuertopf größer wird. Wenn wir darüber reden, dann möchte ich keine Quote, die privatwirtschaftliche Unternehmen in den Osten zwingt. Vielmehr müssen wir über Leistungen reden, über gute Standortfaktoren und darüber, wie wir Unternehmen von einer freiwilligen Ansiedlung überzeugen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist es, wofür die Union steht, wenn wir vom Aufbau Ost sprechen: mit klugen Ideen, mit Fleiß und mit einem selbstbewussten Auftreten unser Land voranzubringen und nicht mit bittstellerischen Quoten aus dem letzten Jahrhundert, so wie es AfD und Linke fordern. Herzlichen Dank. Vielen Dank, Herr Kollege Bernstiel. – Herr Kollege Dehm, schön, dass Sie wieder bei uns sind. Der Kollege Bernstiel hat niemanden mit einer Motte verglichen. Er hat unzutreffenderweise darauf hingewiesen, dass der Kollege Gregor Gysi aus der Mottenkiste gekommen sei. – Quatsch! – Ich kann sicher sagen, dass selbst Gregor Gysi in keine Mottenkiste passt. Insofern möchte ich als Norddeutscher jetzt die Aussprache beenden. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 19/8013 und 19/8279 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
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Katrin Staffler CDU/CSU
Katrin
Staffler
CDU/CSU
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 45 Tage sind vergangen, seit die Bundesregierung das dritte Entlastungspaket verkündet hat, 45 Tage, seit Sie, Frau Bundesbildungsministerin, über die offensichtlichen Probleme in der Auszahlung des Zuschusses einfach schweigen, 45 Tage, in denen die Bundesregierung immer noch keine Lösung gefunden hat, wie die 200 Euro auf den Konten der Studis ankommen sollen. Stattdessen hören wir seit 45 Tagen immer nur Ausreden: Man ist ja in Gesprächen mit den Ländern, man ist in Gesprächen mit den Hochschulen, man muss erst die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen schaffen usw. usf. – Ich bin schon gespannt auf die Ausreden, die wir heute hier in dieser Debatte wieder hören werden. Wahrscheinlich sind es die gleichen. Ich würde allerdings sagen: Machen wir uns doch an der Stelle einfach mal ehrlich, liebe Kolleginnen und Kollegen. Hören Sie auf, zu vertuschen, dass die Bundesregierung überhaupt keinen Plan hat, wie sie die 200 Euro Zuschuss auszahlen will. Das ist ja auch überhaupt nicht verwunderlich. Wenn man keinen Plan in der Tasche hat, wie es funktionieren soll, dann kann man natürlich auch nicht sagen, wann die 200 Euro ausgezahlt werden. Trotzdem – das muss ich sagen – bin ich fast rückwärts vom Stuhl gefallen, als ich gehört habe, dass laut internen Zeitplanungen der Bundesregierung mit einer Auszahlung erst im kommenden Jahr zu rechnen ist – im kommenden Jahr! Das kann unmöglich Ihr Ernst sein. Der Kollege Kai Gehring hat in der letzten Wahlperiode an die Adresse der ehemaligen Bundesbildungsministerin gesagt – ich zitiere –, sie sei eine „Trödelministerin“, als es um die pandemiebedingten Überbrückungshilfen gegangen ist. Später hat er ihr dann ein – ich zitiere wieder – „unverantwortliches Krisenmanagement“ vorgeworfen. Der Parlamentarische Staatssekretär Jens Brandenburg hat in der Debatte zur sozialen Lage der Studierenden vor zwei Jahren gesagt – auch da zitiere ich wieder –: „… Abwarten ist in der Krise gerade keine Lösung.“ Ich verrate Ihnen was: Bei der Überbrückungshilfe in der Coronapandemie sind zwischen Ankündigung der Überbrückungshilfe und den ersten Anträgen, die gestellt wurden, 40 Tage vergangen – 40! Keine 41, keine 42, keine 43, auch keine 44, schon gar keine 45; es waren 40. Seit letztem Freitag also, seit dem 14. Oktober, geht jeder einzelne Tag, an dem kein einziger Cent bei den Studenten, bei den Studentinnen, bei den Fachschülern ankommt, auf Ihr politisches Konto, Frau Ministerin. Deswegen fordern wir als Union, dass das Geld allerspätestens bis zum 15. November 2022 bei denen, die es jetzt so dringend brauchen, ankommt. Das ist das Mindeste, was wir tun können, um wenigstens ein kleines bisschen zu zeigen, dass die Bundesregierung die Nöte ernst nimmt. Ersparen Sie es uns bitte heute, dass Sie sich wieder für die vielen tollen Maßnahmen abfeiern, die Sie für die Studentinnen, für die Studenten schon auf den Weg gebracht haben. Wenn man sich das nämlich mal genauer anschaut, dann wird deutlich, dass nichts daran „Wumms“ hat – um mal im Sprachgebrauch der Regierung zu bleiben. Beispiele: Heizkostenzuschuss. Da haben noch nicht mal alle Antragsberechtigten den ersten bekommen, was dazu geführt hat, dass in der vorletzten Ausschusssitzung sogar die Kolleginnen und Kollegen von der SPD und von den Grünen gefragt haben, wie lange so eine Auszahlung überhaupt dauern kann. Die FDP verweist auf die Zuständigkeit der Länder – spannend. Nach neuesten Informationen heute aus dem Ausschuss schaut es, mit Ausnahme von Thüringen, zum Glück ein bisschen besser aus. Das Ergebnis ist trotzdem immer noch unzureichend. Zweites Beispiel: die BAföG-Novelle. Wie kann man stolz sein auf eine BAföG-Novelle, die von der Inflation schon aufgefressen gewesen ist, bevor sie überhaupt in Kraft tritt? Eigentlich ist es traurig, wie einfach Opposition bei Ihnen geht. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt überhaupt keinen Grund, wirklich gar keinen, diesem Antrag heute nicht zuzustimmen, und zwar in Sofortabstimmung – keine Überweisung an den Ausschuss, keine langen Beratungen, keine Verzögerungstaktik mehr, sondern ein eindeutiges Ja hier und jetzt. Die Studenten da draußen schauen heute auf uns. Sie schauen auf dieses Parlament, in der Hoffnung, dass wir ihnen ein starkes Signal senden. Enttäuschen wir sie nicht! Danke. Lina Seitzl hat das Wort für die SPD-Fraktion.
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Katrin Göring-Eckardt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Katrin
Göring-Eckardt
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Sommer schien alles schön; es fühlte sich an, als gäbe es gar kein Corona. Gut für die Bürgerinnen und Bürger, die Urlaub hatten und machen konnten. Allerdings scheint es mir so, als ob dieses Gefühl von Pause auch bei der Bundesregierung um sich gegriffen hat und sie im Sommer irgendwie vergessen hat, dass es Corona gibt. Und dann kamen plötzlich die Urlaubsrückkehrerinnen, und dann kam plötzlich der Schulanfang, und dann kamen plötzlich die Herbstferien. Und das ist ein Problem. Ich will das gar nicht wohlfeil sagen. Vielleicht ist das ja auch verständlich, nach einem auch für alle politischen Verantwortungsträgerinnen und Verantwortungsträger wahnsinnig aufreibenden Frühjahr. Aber es hat verdammt viel gekostet: Es hat Vertrauen gekostet. Es hat Existenzängste, Verunsicherung und Stille ausgelöst. Es hat Theateraufführungen und Konzerte gekostet. Es kostet Begegnungen. Gewusst haben wir alle, dass der Herbst kommen wird, dass es kälter wird, dass die Infektionszahlen steigen werden. Aber Sie waren nicht vorbereitet. Stattdessen erst mal hektisches Agieren, Wirrwarr, Hin und Her, Bund und Länder, dies und jenes, Flickenteppich in Deutschland. So ist aus der Infektionskrise auch eine Vertrauenskrise geworden. Diese gilt es jetzt zu beheben mit großer Kraft, mit Entschlossenheit und mit Gemeinsamkeit, meine Damen und Herren. Wir stehen an einem wirklich kritischen Punkt. Um den Anstieg der Infektionszahlen zu bremsen, Menschen zu schützen und eine Überforderung des Gesundheitssystems zu verhindern, müssen wir tun, was Sie vorgeschlagen haben – nicht im Einzelnen, aber im Grundsatz –, nämlich die Welle brechen. Daran führt kein Weg vorbei. Ich bedauere, das sagen zu müssen, aber ich sage auch: Im Kern stimmen wir dem zu. Ich finde es aber im Hinblick auf das Vertrauen in die Bundesregierung unfassbar wichtig, dass wir jetzt nicht wieder sagen: Nächste Woche, am 2. November, wird erst mal alles dichtgemacht, aber wie genau die Hilfe für die Leute aussieht, die dichtmachen müssen, das liefern wir dann mal nach. – Das wäre die nächste Vertrauenskrise. Das sollten Sie so bitte nicht machen. Wenn jetzt, wie angekündigt, noch einmal vieles, was uns lieb ist, was Spaß macht, was uns wichtig ist, was die Seele, was die Gemeinschaft, was die Gesellschaft braucht, unterlassen werden muss, dann muss auch klar sein, dass diese Zeit genutzt werden muss, folgende Fragen zu beantworten: Wie kommen wir denn dann wieder da raus? Wie werden wir in den nächsten Monaten nach dem Lockdown mit diesem Virus leben? Wie sorgen wir dafür, dass gesellschaftliches Leben stattfindet, dass Kultur stattfindet, dass wir draußen sein können? Ja, natürlich mit Vorsicht, mit Hygienekonzept, mit all dem, was in den letzten Monaten von vielen Einzelnen so gut und so klar erarbeitet worden ist. Das ist jetzt die Aufgabe von Politik, damit wir aus diesem Lockdown, aus dieser Krise herauskommen als Gesellschaft, die zusammenhält, und als Gesellschaft, die mit diesem Virus umgehen kann; denn eigentlich können wir das in unserem Land. Dazu gehört, Menschen nicht mehr hinzuhalten. Ich denke hier zum Beispiel an den Unternehmerinnenlohn für die Selbstständigen, für die Soloselbstständigen. Ich sage das besonders an die SPD gewandt. Nein, die sind nicht arbeitslos, und nein, die sind nicht richtig beim Grundsicherungsamt. Deswegen meine herzliche Bitte: Diese Leute haben wirklich durchgehalten. Viele haben mit großer Angst und mit großen Schmerzen durchgehalten, haben ihre Rentenvorsorge aufgebraucht oder auf Pump von der Familie gelebt. Geben Sie denen jetzt die Sicherheit, und zwar auch rückwirkend. Es ist notwendig für deren Existenz, aber auch dafür, dass wir im nächsten Jahr noch Kunst, Kultur und Veranstaltungen in diesem Land haben. Das geht, das ist möglich, das ist finanzierbar. Ja, wir sind nicht mehr in der gleichen Situation wie im Frühjahr. Wir wissen jetzt mehr. Wir wissen noch nicht alles, aber wir wissen mehr. Deswegen braucht es jetzt wirklich eine Strategie für die nächsten Monate. Dazu gehört als Erstes der Schutz von Risikogruppen. Wir müssen sie natürlich vor einer Ansteckung mit dem Virus schützen, aber eben auch gleichzeitig vor Einsamkeit und vor Verzweiflung. Die dunkle Jahreszeit kommt ja erst noch. Menschen brauchen Kontakt, sie brauchen Begegnung. Deswegen sind Dinge wie beispielsweise Schnelltests – sie sind zur Verfügung zu stellen – wichtig und zentral. Ich erwarte, dass das jetzt auch wirklich mit großer Kraft angegangen wird und dass es nicht wieder an irgendetwas fehlt, weil die Pandemiewirtschaft doch nicht funktioniert. Dazu gehört, dass wir bundesweit klare, einheitliche und rechtssichere Vereinbarungen haben, welche Dinge bei welcher Stufe des Infektionsgeschehens notwendig sind. Da geht es nicht darum, dass man eine Ausnahme macht, wenn es nur – nur! – einen Schlachthof betrifft. Ich hätte es übrigens gut gefunden, wenn wir die Arbeitsbedingungen in den Schlachthöfen sofort geändert hätten. Aber das nur am Rande; es gehört eigentlich nicht in diese Debatte. Es muss gemeinsam geschehen. Es muss nachvollziehbar sein. Wir müssen wissen, was wann passiert. Es sollte nicht auf den Schultern der Landrätinnen, der Bürgermeisterinnen ausgetragen werden, die dann immer vor Ort für alles verantwortlich gemacht werden, was woanders entschieden worden ist. Das geht nicht mehr, meine Damen und Herren. Dazu gehören bessere Informationen auf allen Kanälen und in allen Sprachen. Wenn wir nicht wissen, wie 75 Prozent der Infektionen zustande gekommen sind, wenn wir das wirklich nicht wissen, dann ist doch spätestens jetzt der Moment, das zu erforschen. Meine Kollegin Katharina Dröge hat schon im Sommer danach gefragt. Sie haben sich nicht genug damit beschäftigt. Deswegen: Schauen Sie es sich jetzt an, und finden Sie heraus, woher die Infektionen kommen. Wir können nicht mehr damit arbeiten, dass man sagt: Wir wissen es eben nicht. – Nein, wir müssen es jetzt wissen. Wir müssen es herausfinden, damit wir nach diesem November gezielt und vernünftig arbeiten können. Schließlich. Das öffentliche Leben wieder öffnen, und zwar verantwortungsbewusst mit Hygienekonzepten, das geht, das ist möglich, und das muss dann auch möglich sein. Es gibt Vorschläge. Es gibt das Know-how. Wenn nicht irgendjemand das so gut zeigen kann wie die Veranstaltungsbranche, wer denn sonst? Wer gestern auf der Demonstration vor dem Brandenburger Tor war, der hat gesehen: So gut, wie dort die Hygienekonzepte eingehalten wurden, klappt das kaum irgendwo, übrigens auch nicht hier im Bundestag; das hat vor allen Dingen mit den Herrschaften auf dieser Seite zu tun. Da kann man jedenfalls sehen, was geht, wenn man es gut organisiert, meine Damen und Herren. Die tief in unseren Alltag eingreifenden Beschränkungen gehören jetzt aber auch endlich auf solide gesetzgeberische Füße gestellt. Ich sage das – Herr Mützenich, vielen Dank für das Angebot – mit allem Nachdruck: Es macht keinen Sinn, dass dieses Parlament nach den Entscheidungen gestern hier debattiert. Es ist gut, dass wir Argumente austauschen. Aber die Beschlüsse gehören hierher. Es ist gut, dass wir mit den Ländern diskutieren, und es ist gut, dass wir Bund und Länder haben, ja, natürlich. – Wir haben auch Gewaltenteilung; auch das ist vollkommen richtig. Aber Gewaltenteilung heißt eben auch: Der Bundestag beschließt, und der Bundesrat beschließt, beide zusammen. Das ist der Weg, und den müssen wir jetzt gehen, meine Damen und Herren. Es gehört zum Selbstbewusstsein für uns als Parlamentarierinnen und Parlamentarier. Es gehört zur Rechtssicherheit. Es gehört zur Nachvollziehbarkeit der Beschlüsse, die dann gefasst werden. Ich hoffe sehr und ich wünsche, dass wir nicht warten, dass die Pandemie eine Pause macht, Herr Brinkhaus, sondern dass wir hier – wir können es; es gibt dazu Vorschläge – zeigen, dass wir gerade in dieser schwierigen Situation als Parlament in der Lage sind, die notwendigen Beschlüsse zu fassen. Ich bin sicher, dass wir alle hier, die demokratischen Fraktionen in diesem Parlament, das sehr gut können mit hohem Verantwortungsbewusstsein. Natürlich braucht es für Beschlüsse eine wissenschaftliche Grundlage. Ich sage noch mal: Ein Pandemierat wäre dafür ein gutes Gremium, weil er alles einbeziehen würde, nämlich sowohl die virologischen, die gesundheitlichen Fragen wie auch die sozialen und die ökonomischen. Damit könnten wir eine gute Grundlage für das schaffen, was in den nächsten Monaten vor uns liegt. Meine Damen und Herren, im März haben wir gesehen, wie es bei klarem, nachvollziehbarem, gemeinsamem Vorgehen eine große Akzeptanz in der Bevölkerung gibt. Diese Akzeptanz gilt es jetzt zurückzuholen. Es gilt sie zurückzuholen mit klaren Angaben darüber, wie unsere Zukunft mit dem Virus aussehen kann. Ich will es ganz klar sagen: Das Virus wird uns nicht besiegen. Aber wir sagen auch: Wir lassen uns nicht vom Virus besiegen. Das ist das, was wir gelernt haben, was wir im Frühjahr gelernt haben. Viele Menschen waren solidarisch miteinander. Ich erwarte jetzt, dass wir diese Solidarität zurückgeben an all diejenigen, die große Probleme haben. Ich erwarte jetzt, dass wir nicht noch mal mit einer Art von: „Wir wissen es jetzt noch nicht genau“ auf eine nächste große Schwierigkeit zusteuern. Es braucht jetzt Klarheit, es braucht Planbarkeit. Wir wissen so viel über das Virus, dass wir das können. Deswegen, meine Damen und Herren: Zusammenhalt der Gesellschaft, das heißt Debatte, das heißt klare Entscheidung, das heißt Perspektive für die Zukunft. Halten wir uns in diesem Land gemeinsam an die Regeln. Halten wir Abstand, und halten wir zusammen. Dann kann das gelingen. Vielen Dank. Jetzt erteile ich das Wort der Ministerpräsidentin des Landes Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer.
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Tino Sorge CDU/CSU
Tino
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf, den wir heute hier abschließend debattieren, hatte zwei klare Aufgaben. Erste Aufgabe: Lockerungen verantwortungsbewusst für das Frühjahr vorbereiten. Zweite Aufgabe: Absicherung dafür herstellen, falls sich die Infektionslage verbessert oder verschlechtert. Beides leistet der Gesetzentwurf nicht. Vielmehr erzeugt er ein Wirrwarr. Dieses Wirrwarr haben nicht nur wir kritisiert, sondern auch alle Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Bundesländer. Ich finde es schon bemerkenswert, Herr Kollege Lauterbach, wenn Sie sich hierhinstellen und sagen, in der Koalition sei Einigkeit darüber erzielt worden, was Hotspots sind. Ich habe jetzt Ihren Bundesjustizminister nicht klatschen sehen; denn er sieht das offensichtlich ganz anders als Sie, was ein Hotspot sein kann. Insofern: Wenn Sie sich schon nicht einig sind, dann müssen Sie sich nicht wundern, wenn die Länder nicht wissen, wie sie das umsetzen sollen. Ich kann Ihnen ganz klar sagen: Gestern fand ja die Ministerpräsidentenkonferenz der Länder statt. Es ist ein absolutes Novum in ihrer Geschichte, dass 16 Ministerpräsidenten und Ministerpräsidentinnen der Bundesrepublik Deutschland in Protokollerklärungen sagen, dass das so nicht geht, dass das Wirrwarr erzeugt, dass die Ampel auf Rot, Gelb und Grün steht und dass das im Grunde Chaos mit Ansage ist, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich könnte es mir sehr einfach machen. Ich müsste ja im Grunde bloß diese Protokollerklärung vorlegen. Ich habe sie auch tatsächlich mitgebracht. Ich lese mal die ersten beiden Punkte bei TOP 6 dieser Protokollerklärung vor. Da schreiben zahlreiche Bundesländer: Die ... Länder bedauern, dass die geplanten Änderungen des Infektionsschutzgesetzes weitestgehend ohne Beteiligung der Länder konzipiert worden sind, obwohl die Länder maßgeblich für den Vollzug zuständig sind. Erster Punkt. – Weiterer Punkt: Die nunmehr durch den Bund angestrebte Änderung des Infektionsschutzgesetzes bleibt hinter diesem Schutzniveau zurück. Zudem ist die vorgesehene Hotspotregelung rechtlich nicht sicher umsetzbar und praktisch nicht durchsetzbar. Da frage ich Sie allen Ernstes: Was wollen Sie mit diesem Gesetz erreichen? Glauben Sie ernsthaft, dass wir mit diesem Gesetz Rechtssicherheit in den Ländern erzeugen, liebe Kolleginnen und Kollegen? Sie haben hier gesagt, Herr Kollege Lauterbach, dass Sie definieren, wie dieser Instrumentenkasten aussehen könnte. Die Bundesländer haben gesagt: Wir brauchen einen Instrumentenkasten, der eben genau auf diese dynamische Lage reagieren lassen kann. Sie haben definiert: „höhere Pathogenität“. Also, wenn sich ein Virus mit einer höheren Pathogenität zeigt, kann man schneller reagieren. Aber Sie definieren nicht, was höhere Pathogenität ist. Sie sagen: In Bereichen, wo es zu einer besonders hohen Anzahl von Neuinfektionen kommt, kann reagiert werden. Keiner weiß, was Sie mit „besonders hohen Anzahl von Neuinfektionen“ meinen. Die Erläuterung, wann eine drohende Kliniküberlastung im Hinblick auf die Hotspots zu erwarten ist, ist genau der maßgebliche Punkt, den Sie innerhalb der Koalition nicht geklärt haben, Herr Kollege Lauterbach. Da sollten Sie dringend nacharbeiten, liebe Kolleginnen und Kollegen. Deshalb kann ich Ihnen nur sagen: Wir werden diesen Gesetzentwurf ablehnen, weil er handwerklich schlecht gemacht ist, weil viele Einzelheiten nicht geklärt sind, weil er ein einziger unscharfer Rechtsbegriff ist. Wir als Opposition werden ihn ablehnen, aber auch Ihre Kolleginnen und Kollegen in den Ländern kritisieren ihn. Frau Giffey beispielsweise hat ja schon gestern, noch vor Verabschiedung des Gesetzentwurfes, angekündigt, dass das Gesetz nachgebessert werden muss. Insofern gehe ich davon aus, dass wir uns hier sehr zeitnah wiedersehen werden. Vielen Dank. Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die Kollegin Dr. Kirsten Kappert-Gonther das Wort.
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Katja Dörner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
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Dörner
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Vielen Dank, Herr Präsident. – Schade, dass Frau ­Harder-Kühnel meine Zwischenfrage nicht zugelassen hat, um dann unmittelbar zu antworten. Das ist jetzt der zweite Durchlauf an Haushaltsberatungen, die wir in diesem Parlament unter Beteiligung der AfD erleben. Sie haben hier einen langen Sermon abgelassen, was alles zu tun ist. Ich möchte Sie ganz konkret fragen, auch angesichts der letzten Haushaltsberatungen: Welche konkrete Initiative hat es im Haushaltsausschuss oder in diesem Parlament bis dato seitens der AfD gegeben, um etwas gegen Kinderarmut oder Familienarmut zu tun? Frau Kollegin Harder-Kühnel, Sie dürfen antworten, wenn Sie möchten. Es gibt keine Pflicht, zu antworten.
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Martin Hohmann AfD
Martin
Hohmann
AfD
Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Haushalt für das Ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz ist ein kleiner Haushalt, ja sogar der kleinste der Ministerien. Die Größe des Haushaltes sagt allerdings nichts über seine Wirkungen und Wirkungsmöglichkeiten aus. Frau Ministerin Barley, Sie starten in einem Jahr, das einen Doppelhaushalt und somit erhebliche Gestaltungsmöglichkeiten mit sich bringt. Hierfür wünsche ich Ihnen eine gute Hand und das nötige Quäntchen Glück. Die bekanntermaßen großen Unterschiede in den politischen Grundpositionen werden uns nicht davon abhalten, ein faires Miteinander zu suchen. Eine wichtige Baustelle ist für uns das NetzDG; Baustelle mehr im negativen Sinn. Wir sind für einen Abriss, für einen Totalabriss. Warum? Ihr Vorgänger Heiko Maas ist mit seinem Gesetz weit über jedes vertretbare Ziel hinausgeschossen. Eines der höchsten Güter unserer freiheitlichen Demokratie ist das Recht auf Meinungsfreiheit gemäß Artikel 5 Grundgesetz. Dort heißt es: Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. … Eine Zensur findet nicht statt. Der Widerstand gegen das Netzwerkdurchsetzungsgesetz speist sich aus vielen Quellen. Im aktuellen Bericht zur Medienfreiheit des EU-Parlaments werden die Mitgliedstaaten des EU-Parlaments ausdrücklich von der Kommission davor gewarnt, die Freiheit im Internet einzuschränken. Das EU-Parlament mahnt an, dass jede Maßnahme zur Beschränkung von Inhalten im Internet nur unter klaren Bedingungen und unter strikten juristischen Kontrollen erfolgen darf. Das aber ist beim Zensurgesetz des Herrn Maas nicht der Fall. Das NetzDG privatisiert, es verlagert staatliche Autorität. Private Unternehmen werden zu Anklägern, Richtern und Vollstreckern gemacht. Kurzer Prozess. Das akzeptieren wir nicht. Besonders bedauerlich: Bei Internetnutzung, die zu Unrecht gelöscht wurde, wird kein ausreichender Schutz gewährt. Sehr vielsagend ist auch, dass die Reporter ohne Grenzen die Nähe zu chinesischen und iranischen Regelungen aufgedeckt haben. Auch der Deutschlanddirektor von Human Rights Watch äußert weitgehend dieselben Bedenken wie die AfD. Der Staat darf seine hoheitlichen Kontrollrechte und -pflichten nicht aus der Hand geben. Mündige Bürger wollen nicht erzogen und nicht gegängelt werden. Und wenn schon abgeräumt wird: Das Erneuerbare-Energien-Gesetz, EEG, – ebenfalls weg damit. Wie bereits in der Vorbesprechung im Ministerium verdeutlicht, werden wir besonders auf einen Punkt ein wachsames Auge richten, wenn es nämlich um die Frage geht, ob bei der Gewährung von Härtefallleistungen für die Opfer extremistischer Übergriffe alle Opfer tatsächlich in gleicher Weise und gerecht bedacht werden. Übrigens werden wir uns alle der grundsätzlichen Frage stellen müssen, wie wir uns zu den Konflikten zwischen unseren freiheitlich-rechtlichen Regelungen einerseits und andererseits den damit im Widerstreit stehenden Regelungen des Korans und der Scharia verhalten. Ich nenne als Stichworte das hierher importierte Demokratiedefizit der islamisch geprägten Länder, die Gewaltbereitschaft besonders jüngerer Muslime und den muslimischen Ruf nach Sonderrechten, die von keiner anderen Zuwanderergruppe erhoben werden. Ich erinnere an den Appell von 300 französischen Politikern, Prominenten und Intellektuellen, darunter Nicolas Sarkozy und Manuel Valls. Sie beklagen, Juden würden in Einwanderervierteln Opfer einer „schleichenden ethnischen Säuberung“ – ich zitiere – und sie liefen der Polizeistatistik zufolge „25-mal mehr Gefahr als muslimische Bürger“, angegriffen zu werden. Weiter heißt es dort: Der Koran, der – ich zitiere wieder – „zum Mord und zur Bestrafung der Juden, Christen und Ungläubigen“ anhalte, – das ist ein Zitat – müsse reformiert werden. Nur: Gibt es im Islam eine Institution mit einer solchen Kompetenz? So eine Art Super-EKD-Synode? Das Islamthema ist zu ernst, das Gewaltpotenzial bei Menschen mit muslimischem Hintergrund ist zu dramatisch, als dass man die Debatte mit Schlagworten wie „Islamophobie“ oder „Islamfeindlichkeit“ abtun könnte. Ich mahne für die AfD eine ehrliche, tiefgründige und vorurteilsfreie Auseinandersetzung an. Gesetzliche Regelungen müssen folgen. Wir stehen erst am Anfang. Danke. Jetzt hat das Wort der Kollege Dr. Stephan Harbarth, CDU/CSU.
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Dr.
Dr. Petra Sitte DIE LINKE
Petra
Sitte
DIE LINKE
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Sattelberger, ja, es stimmt: Die Koalition überrascht uns immer wieder; das ist so erstaunlich. Die großen Herausforderungen unserer Zeit – so einer der Lieblingssätze der Koalition – lassen sich nur mit Innovationen angehen. – Was für eine kolossale Feststellung, und das im Rahmen dieser Debatte. Sie versprechen damit vor allem – jetzt wird es ernst –, dass die bestehende Lebensweise fortgesetzt werden könne. So ist es genau nicht. Wandel kann nicht nur technisch-technologisch gemeistert werden, er muss auch sozialer Natur sein. Soziale Sicherungssysteme müssen gestärkt und Verwaltungen gestaltet werden. Technisch-technologische Innovationen verändern Arbeits- und Lebenswelt massiv. Nehmen sie nur Digitalisierung und künstliche Intelligenz, die mehr und mehr, bisweilen sogar unbemerkt, unseren Alltag durchdringen. Daher bedürfen Innovationen heute mehr denn je einer Einbettung in die Gesellschaft, und vor allem bedürfen sie mehr demokratischer Mitsprache. Klar ist: Anwendungen müssen sich an den Bedürfnissen der Menschen ausrichten; das fordern wir den Hightech-Strategien ab, seit es sie gibt. Inzwischen finden wir zwar ein paar warme Worte zu sozialer Innovation und Beteiligung in den Berichten, aber es muss deutlich mehr passieren. Es muss mehr her als Überschriften. Was mir in dem Zusammenhang wichtig ist: Es geht nicht nur darum, um Akzeptanz für technologische Entwicklungen zu werben. Nein, es geht auch darum, Menschen an strategischen Entscheidungen der Innovationspolitik stärker zu beteiligen. Dafür wären beispielsweise die bereits erwähnten Empfehlungen des Hightech-Forums allemal gut gewesen. Der Bericht zur Hightech-Strategie bleibt uns insgesamt eine Umsetzungsperspektive schuldig. So viele Institutionen und Programme auch aufgezählt und geschaffen wurden, der strategische Ansatz versandet dabei, weil vieles gar nicht konsequent verfolgt wird, sondern in befristeten Projekten angelegt ist. Ärgerlich ist auch, dass Ergebnisse von Gremien von Ihnen ignoriert werden, und zwar von Gremien, die Sie selbst eingesetzt haben. So hat die Datenethikkommission eine dicke Schwarte vorgelegt und uns konkrete Handlungsempfehlungen gegeben. Dazu findet man hier nichts. Umsetzung? Fehlanzeige! Die Cyberagentur – Herr Sattelberger hat sie gerade erwähnt –, gegründet mit höchst fragwürdigem Konzept in meinem Wahlkreis, in Halle – einige bei uns haben schon feuchte Augen bekommen –, hat ihren Geschäftsführer und andere Mitarbeiter schon verloren. Sie haben entnervt aufgegeben, weil ihnen die ministeriale Mikrosteuerung, wie es ausgedrückt wurde, auf den Keks geht. Die Bestimmung von Forschungsbedarfen sollte vorgenommen werden. Dafür braucht man Freiräume! So kann man die eigenen Ideen natürlich trefflich austrocknen. Schließlich verlieren Sie selbst den Überblick. Sie beziehen sich in Ihrem Bericht auf die Open-Access-Strategie. Und ich denke: Wie? Open-Access-Strategie? Noch nie hier gesehen, die gibt es gar nicht. – Das ist doch extrem peinlich. Meine Damen und Herren, wir haben gestern hier über Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft diskutiert, und Sie singen in dem Bericht jetzt das Hohelied auf wertvolle Fachkräfte. Es ist notwendig, hier nicht nur ständig zu reden und von schönsten Ferienerlebnissen zu sprechen. Machen ist die Devise! Danke. Frau Kollegin Sitte, die Mund-und-Nasen-Abdeckung tragen! Dr. Anna Christmann, Bündnis 90/Die Grünen, hat als Nächstes das Wort.
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Markus Grübel CDU/CSU
Markus
Grübel
CDU/CSU
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ohne Not hat der US-Präsident in Syrien ein Riesendesaster angerichtet. Durch den Abzug der US-Truppen wurden die Voraussetzungen geschaffen, dass türkische Militärs in das syrisch-türkische Grenzgebiet auf syrischem Boden eindringen konnten. Es ging um 50 bis 100 Soldaten, also um ein kleines Kontingent, das abgezogen wurde, und das, wie gesagt, ohne jede Not. Einmal mehr waren innenpolitische Erwägungen wichtiger als die Verantwortung für die Welt und die Verantwortung in der Welt. Die Operation der türkischen Streitkräfte ist mit dem Völkerrecht unvereinbar. Durch diese Operation wird die ganze Region noch instabiler. Gestärkt wird der IS; dem IS werden Räume für ein Wiedererstarken eröffnet. Gestärkt wird Assad; er hat Land- und Prestigegewinne. Und gestärkt wird Russland; Russland kann seine Interessen ungestört verfolgen und sich der Welt als zuverlässiger Partner präsentieren. Der US-Präsident hat also ein Geschenk gemacht – dem IS, Assad, Putin und dem Iran. Für die Türkei, glaube ich, war es eher ein Danaergeschenk, ein Geschenk, das der Türkei auf die Füße fallen wird. Die Beschlüsse des EU-Rats für Außenbeziehungen zu Nordostsyrien von Montag reichen nach meiner Überzeugung nicht aus. Syrien ist unser unmittelbarer Nachbar – einen Steinwurf weg von den griechischen Inseln. Darum muss sich die EU hier viel stärker einbringen. Die türkische Militäroperation belastet das Verhältnis zwischen der Türkei und der Europäischen Union, und sie belastet auch das Verhältnis in der NATO. Wir hätten eigentlich bei dem gegenwärtigen Zustand der Welt allen Grund, hier enger zusammenzurücken, statt Streit zu säen. Sehr geehrte Damen und Herren, die türkische Militäroperation bringt auch neue Unsicherheit in den Nordirak. Die türkische Operation löst eine Flüchtlingsbewegung aus. Es wird von rund 200 000 Menschen gesprochen, die schon geflohen sind. Neues unsägliches Leid kommt über die Menschen. Flüchtlinge aus Syrien, darunter auch IS-Anhänger, kommen in die Ninive-Ebene. Noch sind es wenige. Bis zum heutigen Tag sollen 500 Flüchtlinge dort angekommen sein. Aber es werden mehr werden. Die vielfältigen Maßnahmen, die wir, die Bundesregierung, das BMZ, viele Organisationen, getroffen haben, um die Sicherheit im Nordirak zu verbessern, die Infrastruktur der zerstörten Städte und Gemeinden im Nordirak wieder aufzubauen, den Menschen eine Lebensgrundlage zu bieten und so die Voraussetzungen für eine Rückkehr in die alte Heimat zu schaffen, werden dadurch gestört. Gerade die religiösen Minderheiten – Christen, Jesiden und andere – leiden ganz besonders darunter. Die sowieso schon komplizierte Lage in Syrien wird durch einen weiteren Konflikt, ein weiteres Konfliktfeld verschärft. Wir setzen Hoffnungen auf den Verfassungsprozess. Aber es ist zu befürchten, dass ein gestärkter Assad hier überhaupt keine Beiträge mehr leistet. Wir bräuchten dringend eine Einigung, wie die Lage im Raum Idlib gelöst werden kann. Immer dann, wenn Kämpfer eingeschlossen waren, eingekesselt waren, war die Lösung, dass sie freies Geleit bekommen und nach Idlib abziehen. Aber für Idlib wird es kein Idlib geben, und darum brauchen wir hier eine Lösung. Die Kämpfer radikalisieren sich weiter, und unter die Räder kommt die Zivilbevölkerung, die in der Raumschaft Idlib lebt. Eine Einigung könnte herbeigeführt werden, wenn Russland und die USA gemeinsam eine Lösung suchen würden. Aber dazu müsste die US-Regierung eine Initiative ergreifen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir verhandeln nächste Woche im Bundestag abschließend das Anti-IS-Mandat. Durch die neue Lage wird das deutsche Engagement im Bereich Luftaufklärung und Luftbetankung wieder wichtiger. Eine gute Aufklärung hilft, den wiedererstarkten IS zu bekämpfen. Darum komme ich zu einem völlig anderen Ergebnis als Sie, Frau Brugger: Wir brauchen diesen Einsatz dringender denn je. – Darum sollten wir auch in der Koalition nachdenken, ob die veränderte Lage nicht auch eine veränderte Antwort verlangt in der Frage, ob das Ende Luftaufklärung/Luftbetankung wirklich Ende März 2020 sein soll. Ich verstehe ja, dass die SPD gerade andere Diskussionen führt und erst diese Dinge lösen muss. Aber danach, Ende des Jahres, sollten wir uns in aller Sachlichkeit die Lage anschauen und fragen, ob wir auf die neue Lage mit veränderten Antworten reagieren müssen. Zu Ihnen von der AfD: Sie haben die doppelte Staatsangehörigkeit angesprochen. Die Möglichkeit des Entzugs haben wir längst beschlossen. Das haben wir im Juni dieses Jahres, meine ich, durch Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes beschlossen. Sie sind also mit Ihren Forderungen manchmal hinter dem, was die von Ihnen kritisierte Koalition alles macht. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann kurz zusammenfassen: Es ist nichts besser geworden, aber vieles schlechter im Nahen Osten. Vielen Dank. Die nächste Rednerin: die Kollegin Aydan Özoğuz, SPD-Fraktion.
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Uli Grötsch SPD
Uli
Grötsch
SPD
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kubicki, ich will an dieser Stelle einmal klarstellen, dass es traurig genug ist, dass es zu den von Ihnen in aller Breite dargestellten Treffen überhaupt kommen musste. Der Grund dafür war, dass der Bundesinnenminister keine Konsequenzen daraus gezogen hat, dass sein Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz die Ereignisse von Chemnitz ganz offensichtlich verharmlost hat. Das war ja der Auslöser für diese Gespräche. Ich sage Ihnen aber: Es ist durchaus bezeichnend, dass sich auch der Titel dieser Aktuellen Stunde vor allem mit der Personalie befasst und dass die Personalie die Ereignisse von Chemnitz, die ja der Auslöser dafür waren, auch hier wieder überstrahlt. Es ist bezeichnend, dass wir die Ereignisse von Chemnitz noch in keinem Gremium des Bundestages ausführlich erörtert haben. Es stimmt nämlich nicht, Herr Mayer, dass der Verfassungsschutzpräsident das im Innenausschuss dargelegt hat. Er hat vielmehr sein mediales Handeln gerechtfertigt. Das war es, was im Innenausschuss über weite Strecken passiert ist. Diejenigen, die diesem Haus schon länger angehören, werden sich noch an die letzte Wahlperiode erinnern, als wir hier Aktuelle Stunden zu den Ereignissen von Clausnitz und anderswo hatten, in denen wir uns alle miteinander Gedanken darüber gemacht haben, wie wir als Vertreter der demokratischen Parteien dem erstarkenden Rechtsextremismus in Deutschland gemeinsam entgegentreten können. Mein Eindruck ist, dass es in diesem Haus inzwischen zu viele gibt, die nicht mehr darüber reden wollen, die es akzeptieren, dass so etwas in Teilen dieses Landes alltäglich geworden ist, und die, aus welchen Gründen auch immer, diesem Thema und solchen Ereignissen nicht die Aufmerksamkeit schenken, die dringend notwendig wäre. Wir haben auch nirgends darüber diskutiert, was denn eigentlich die Aufgabe des Verfassungsschutzes ist, nämlich die Vorfeldaufklärung, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ganz gewiss gehört es nicht zu den Aufgaben des Verfassungsschutzes, Politik zu machen, schon gar nicht tendenziöse Politik. Ich sage Ihnen: Die SPD-Bundestagsfraktion wird nicht zuschauen, wenn seitens der Führungsebene des Bundesamtes für Verfassungsschutz auch zukünftig weiter tendenziell Bericht erstattet wird. Es ist meiner Wahrnehmung nach in den letzten Wochen nicht zu leugnen, dass von den tatsächlichen Gefahren, aus welchen Gründen auch immer, abgelenkt wird. Die Gefahr in diesem Land kommt nämlich von rechts. Der Rechtsruck in diesem Land, der wiedererstarkte Rechtsextremismus ist eine Gefahr für den sozialen Frieden in diesem Land. Die rechten Hetzer sind die Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung und das friedliche und moderne Zusammenleben in diesem Land und in ganz Europa, meine Damen und Herren. Ich will Ihnen sagen, was ich von dem neuen Präsidenten oder auch gerne der neuen Präsidentin des Bundesamtes für Verfassungsschutz erwarte: Ich erwarte, dass die neue Hausspitze einen Geist im Amt etabliert, der dem rechtsnationalen Zeitgeist, den wir in Teilen dieses Landes haben, spürbar entgegenwirkt. Und es muss um die Wiederherstellung von Vertrauen im Verfassungsschutzverbund gehen. Das NSU-Desaster, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat uns gezeigt, was dabei herauskommt, wenn im Bereich des Verfassungsschutzes nicht vertrauensvoll und Hand in Hand zwischen Bund und Ländern zusammengearbeitet wird. Deshalb steht die SPD-Bundestagsfraktion für einen Verfassungsschutzverbund, in dem vertrauensvoll zusammengearbeitet wird zwischen dem Bundesamt als Zentralstelle und allen Bundesländern, für einen Verfassungsschutz, in dem ernsthafte Bedrohungen früh erkannt werden und der durch seine Arbeit dafür sorgt, dass der soziale Frieden, der Zusammenhalt im ganzen Land und am besten in ganz Europa gestärkt wird. Am Ende will ich sagen: Die größte Gefahr für den Zusammenhalt in diesem Land sitzt neuerdings hier in diesem Haus. Wir wollen, dass ein Bundesamt für Verfassungsschutz das zukünftig erkennt. Deshalb fordern wir zukünftig die Beobachtung der AfD durch das Bundesamt für Verfassungsschutz. Liebe Kolleginnen und Kollegen, der erstarkende Rechtsnationalismus in Deutschland und in ganz Europa kann zum Ende des vielleicht größten Friedensprojekts in der Geschichte der Menschheit führen, zum Ende der Europäischen Union. Aber gegen den erstarkenden Rechtsnationalismus und für Europa wird es auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten ein Bollwerk geben, seien Sie sich dessen ganz sicher, und dieses Bollwerk sitzt hier. Vielen Dank. Vielen Dank, Uli Grötsch. – Nächster Redner in der Debatte: Jan Korte für die Fraktion Die Linke.
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Sonja Eichwede SPD
Sonja
Eichwede
SPD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Der Haushalt des Bundesministeriums der Justiz ist im Vergleich zu anderen Einzelplänen recht klein, in seiner Leistung und Reichweite aber bei Weitem nicht zu unterschätzen. Gerade in der heutigen Zeit, einen Monat nach dem völkerrechtswidrigen Überfall und Angriffskrieg Putins auf die Ukraine, und in einer Zeit, in der wir weltweit eine Zunahme von autoritären Regimen haben, ist es wichtig, einen gut funktionierenden Rechtsstaat nach innen und nach außen zu haben. Aus diesem Grund begrüßen wir ausdrücklich die Entscheidung des Internationalen Strafgerichtshofes, den Angriffskrieg als völkerrechtswidrig darzustellen und Putin aufzufordern, die Kriegshandlungen sofort einzustellen; der Minister wies darauf hin. Nach innen ist es sehr wichtig, dass der Generalbundesanwalt entsprechende Ermittlungen, wie schon angesprochen wurde, aufgenommen hat. In der Ampelkoalition arbeiten wir gemeinsam an der Fortentwicklung, der Modernisierung und der Stärkung unseres Rechtsstaats; denn es gilt die Stärkung des Rechts und nicht das Recht des Stärkeren. Hierfür sind natürlich gerade die Haushaltsverhandlungen und ‑entscheidungen entscheidend; denn insbesondere die Ausstattung der obersten Bundesgerichte und des Generalbundesanwalts haben hier einen unermesslichen Stellenwert. Hinter dem vermeintlichen Standardtitel „Finanzierung der Bundesgerichte“ verbirgt sich folglich das Rückgrat unseres Rechtsstaats. Besonders herauszustellen ist dabei, dass an unseren Gerichten gerade während der Coronapandemie – nicht nur auf Bundesebene, die wir ja hier heute besprechen – fortwährend ein erhöhtes Maß an Arbeit unter besonders schwierigen Bedingungen geleistet wurde; denn die Arbeit konnte nicht verkürzt werden. Sie musste fortwährend weitergeführt werden. Hierfür gebührt allen Kolleginnen und Kollegen in der Justiz unser aufrechter Dank. Denn mit jedem Blick in eine einzelne Akte machen sie unseren Rechtsstaat lebendig. Hier ist jeder einzelne Cent sehr, sehr gut investiertes Geld. Darüber hinaus bietet der Haushaltsplan auch weitere Unterstützung und Zuschüsse für wichtige Organisationen, die unser demokratisches Zusammenleben und unsere Sicherheit fördern, die auch Hand in Hand mit dem Vorhaben der Koalitionsparteien gehen, notwendige rechtliche Veränderungen in unserem Land anzustreben. Dafür möchte ich hier drei Beispiele herausgreifen. Erstens. Hass und Hetze im Internet sind täglich präsent. Betroffenen wiederum muss aber Orientierung gegeben werden, und es muss ihnen Hilfe dabei zuteilwerden, wie sie juristische Möglichkeiten nutzen können. Die Organisation HateAid setzt genau hier an, bietet kostenlose Beratung für Betroffene und die Möglichkeit, Prozesskostenfinanzierung zu beantragen. Diese Förderung ist unglaublich wichtig; denn Hass ist keine Meinung. Zweitens. Die Stärkung unserer demokratischen Zivilgesellschaft und der Kampf gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus müssen weiter vorangetrieben werden, gerade in den heutigen Zeiten. Deshalb ist die weitere Förderung der Amadeu-Antonio-Stiftung sowie des Anne-Frank-Zentrums elementar; denn Rechtsextremismus ist die größte Gefahr für Demokratie und Rechtsstaat, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen. Drittens nenne ich noch ein weiteres sehr wichtiges Thema aus einem anderen Bereich: Denn die Förderung des Vereins Gewaltfrei in die Zukunft e. V. bringt den Kampf gegen häusliche Gewalt in Form einer Non-Profit-App ins digitale Zeitalter. Durch diese App wird Betroffenen Hilfe angeboten. Es werden ihnen Hinweise zu Einrichtungen und Frauenhäusern bereitgestellt und somit ein Weg aus der Gewalt aufgezeigt. Hier müssen wir nämlich nicht nur rechtlich bessere Weichen stellen, sondern auch darüber hinaus handeln. Deshalb begrüße ich diese Förderung sehr. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, zwar ist der Umfang des Einzelplans durch den Wegfall des Verbraucherschutzes – es wurde schon angesprochen – etwas kleiner geworden, aber wir wissen den Verbraucherschutz auch bei unseren Kolleginnen und Kollegen im Umweltministerium sehr gut aufgehoben. Bei den Themen, die noch bei uns liegen, wie die Umsetzung der Verbandsklagerichtlinie, werden wir uns mit Herzblut einbringen. Zusammenfassend ist zum Einzelplan 07 des Bundeshaushalts zu sagen: Er ist vielfältiger, als er auf den ersten Blick erscheint. Er enthält hochaktuelle Titel. Er ist gerade in unserer jetzigen Zeit wichtig; denn wir müssen den Rechtsstaat stärken und schützen, und wir brauchen diese Projekte auch, um die verantwortungsvolle Politik, für die wir als Ampel stehen, umzusetzen. Dort, wo wir Verbesserungs- und Erweiterungspotenzial sehen, werden wir uns in die Verhandlungen einbringen. Ebenso werden wir weiter an der Fortsetzung des Pakts für den Rechtsstaat und des DigitalPakts arbeiten, um der Justiz die Unterstützung in Personal und Ausstattung zukommen zu lassen, die sie braucht. Ich freue mich auf die anstehenden Beratungen und auf die weitere Debatte und verbleibe mit herzlichem Dank.
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Karin Maag CDU/CSU
Karin
Maag
CDU/CSU
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will es an dieser Stelle gerne noch mal betonen: Das Gesundheitsversorgungs- und Pflegeverbesserungsgesetz stellt wichtige Weichen für eine bessere medizinische und pflegerische Versorgung. Das sage übrigens nicht nur ich, sondern zum Beispiel auch die Caritas zu Beginn ihrer Stellungnahme. Kurz: Wir in der Union und in der SPD reden, wir machen und kündigen nicht nur an, was wir machen könnten. Ich freue mich jedenfalls über 20 000 neue Assistenzstellen in der Altenpflege. Für uns ist das ein wichtiger Schritt hin zur Einführung einer verbindlichen Personalbemessung, Frau Kollegin Zimmermann. Und ich freue mich auch über eine bessere Versorgung der Schwangeren auf den Geburtsstationen. Die Krankenhäuser können mit diesem Förderprogramm jetzt Hebammen neu einstellen, Teilzeitstellen aufstocken, unterstützendes Fachpersonal einstellen. Wir reden nicht nur darüber, sondern schaffen durch unser Gesetz tatsächliche Verbesserungen. Selbstverständlich kümmern wir uns auch weiterhin um den ländlichen Raum. Vor allem können nun auch die Kinderkrankenhäuser und die Fachabteilungen für Kinder- und Jugendmedizin von den Sicherstellungszuschlägen profitieren. Wir erweitern die Möglichkeit für Krankenkassen, innovative Versorgungsverträge anzubieten; auch da geht es insbesondere darum, regionale Innovationen zu fördern. Wenn wir die Selektivverträge so ausrichten, dass künftig auch andere Sozialleistungsträger einbezogen werden können, dann wird das künftig Versorgungsbrüche gerade verhindern. Wir reden auch über Schutzschirme, über Hilfen für viele im Gesundheitssystem tätige Berufsgruppen und Betroffene. Da geben wir nicht einfach Geld aus; vielmehr ist das notwendige Hilfe in Coronazeiten. Ich nenne ausdrücklich – und bedanke mich herzlich für ihre Arbeit – die stationären und ambulanten Vorsorge- und Rehaeinrichtungen, selbstverständlich einschließlich des Müttergenesungswerks. Die Heil- und Hilfsmittelerbringer profitieren, Pflegeeinrichtungen profitieren. Ebenso haben wir die Familienpflegezeit flexibilisiert und verlängert. Und schließlich ermöglichen wir es auch den Kassenzahnärztlichen Vereinigungen, sich um junge Zahnärztinnen und Zahnärzte zu kümmern, die sich neu niedergelassen haben und coronabedingt zu wenig Patienten versorgen können. Liebe Kolleginnen und Kollegen – für einige war das tatsächlich das wichtigste Thema –, ja, 2021 zeichnet sich bei den gesetzlichen Krankenkassen ein Defizit von rund 16 Milliarden Euro ab. Genau deshalb haben wir die Finanzen der gesetzlichen Krankenkassen neu justiert. Wir sorgen dafür, dass auch 2021 ausreichend Mittel zur Verfügung stehen und gleichzeitig der Zusatzbeitrag stabil bleibt. Wir haben in den Verhandlungen darum gerungen – ja, das ist richtig – und haben ein Bündel von Maßnahmen im Angebot, mit dem es gelungen ist, auch die Sozialgarantie bis 2022 einzuhalten. Wir erhöhen den Steuerzuschuss – ja – um 5 Milliarden Euro auf jetzt 19,5 Milliarden Euro. Finde ich nicht zu wenig. Die gesetzlichen Krankenkassen müssen auch ihren Beitrag leisten. Wir alle leisten unseren Beitrag. Sie haben Rücklagen in stark ungleicher Verteilung von gut 20 Milliarden Euro noch im Sommer gehabt. 8 Milliarden Euro davon müssen die Kassen mit den hohen Rücklagen jetzt abgeben, in den Gesundheitsfonds zurück, damit dieses Geld wiederum für die Versorgung, für die Gesundheit der Versicherten zur Verfügung steht. Finde ich vollkommen in Ordnung. Die Kassen mit den hohen Rücklagen dürfen übrigens 2021 ihre Zusatzbeiträge so lange nicht anheben, bis die Rücklagen in Richtung des Doppelten der Mindestrücklage abgesunken sind. Klar, die Kassen sehen das kritisch. Man begrüßt natürlich, dass eine pandemiebedingte Finanzierungslücke geschlossen werden soll. Man begrüßt natürlich auch das Ziel der weiteren Stabilisierung des Zusatzbetrags. Aber, wie es gemacht werden soll, wer sich beteiligen soll, dazu kam nichts. Wir sind den Kassen in den Verhandlungen entgegengekommen. Wir haben gestattet, dass einmalig zum 1. Januar ein höherer Zusatzbeitrag anfallen darf. Wir haben dafür gesorgt, dass das Rücklagenpolster nicht ganz abgeschmolzen wird. Wir haben 100 Prozent auf das, was aus dem BMG kam, draufgeschlagen. Wir haben bei den kleinen Kassen ein Schonvermögen von 3 Millionen Euro angesetzt. Ich finde, das sind sinnvolle Vorschläge, von denen ich übrigens weder von den Krankenkassen noch von der Opposition in irgendeiner Form etwas gehört habe. Am Ende des Tages danke ich all denen, die diesen Staat am Laufen halten. Ihnen wollen wir helfen und, ich glaube, ihnen kommen wir mit diesem Gesetz ein gutes Stück entgegen. Dieses Gesetz ist ein gutes Gesetz. Deswegen bitte ich um Ihre Zustimmung. Vielen Dank, Frau Kollegin Maag. – Letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt wird sein: die Kollegin Heike Baehrens, SPD-Fraktion.
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Dr.
Dr. Götz Frömming AfD
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AfD
Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir reden heute über die sachgerechte Verwendung des uns vom deutschen Steuerzahler anvertrauten Geldes. Bildung und Forschung sind für die Zukunft dieses Landes von zentraler Bedeutung; darüber sind wir uns einig. Deshalb ist es gut, wenn wir über 17 Milliarden Euro in diesen Bereich investieren. Allerdings verbergen sich im vorliegenden Entwurf zahlreiche ideologisch eingefärbte Posten, über deren Höhe und Berechtigung man geteilter Meinung sein kann. Brauchen wir tatsächlich eine Bundesförderung für Bildung für nachhaltige Entwicklung? Brauchen wir vom Bund geförderte europäische Schulen? Muss die empirische Bildungsforschung vom Bund mit über 2 Millionen Euro zusätzlich gefördert werden? Und schließlich: Brauchen wir einen Nationalen Bildungsrat, und wenn ja, welche Kompetenzen sollte dieser haben? Da gab es ja schon, Frau Ministerin, ordentlich Gegenwind aus den Ländern. Dies sind nur einige Beispiele. Welche Forschung und welche Bildung braucht dieses Land wirklich, um auch in Zukunft noch wettbewerbsfähig sein zu können? Hier gehen die Meinungen offenbar auseinander. Das ist auch gut so. SPD, Linke, Grüne und auch Teile der CDU streben ein Einheitsschulsystem an, mit dem eine weitere Absenkung des Niveaus einhergeht. – Lachen Sie nur! – Die AfD setzt sich hingegen für den Erhalt des klassischen und seit 200 Jahren in seinen Grundzügen bewährten leistungsorientierten, gegliederten Bildungssystems ein. Meine Damen und Herren, wir werden genau beobachten, wie sich die CDU in dieser Frage positioniert. Wenn der Bund sich künftig mehr in die Bildungspolitik der Länder einmischen will – und das wollen Sie ja offenbar –, sollten Sie dem Wähler auch verraten, wohin die Reise geht. In Baden-Württemberg hat sich die CDU ja nicht gerade mit Ruhm bekleckert und sich von den Grünen über den Tisch ziehen lassen. Die Ergebnisse sprechen für sich. An den Grundbedingungen des Lernens und Lehrens wird sich übrigens auch durch den Einzug digitaler Techniken an unseren Schulen nichts ändern. Bei dem Hype, der in diesem Haus um das Thema getrieben wird, hat man ja fast den Eindruck, das Internet sei gerade erst erfunden worden. Digitalisierung und digitale Bildung darf „kein Selbstzweck“ sein; das hat der Kollege Thomas Rachel zu Recht in einer Debatte zum gleichen Thema am 24. November 2016 – so lange reden Sie schon darüber – in diesem Hause gesagt. Die Antwort auf die Frage, was Sie mit einer digitalen Bildung aber genau meinen und erreichen wollen, haben bisher weder er noch Frau Wanka und auch nicht Frau Ministerin Karliczek in ihrer an Phrasen reichen Rede eben gegeben. Sie dürfte Ihnen auch schwerfallen; denn schon Ihre Grundannahme ist falsch, dass es eine digitale Bildung gäbe. Bildung ist seit Sokrates und Platon analog und wird es auch bleiben, da sich Bildung immer auf den Menschen bezieht und beziehen muss. Wer das versteht, den wundert dann auch nicht mehr, was wissenschaftliche Studien zu dieser Frage – oft zur Überraschung der Auftraggeber – zutage gefördert haben. Die OECD-Studie „Students, Computers and Learning“ von 2015 hat ergeben, dass eine verstärkte Investition in digitale Medien nicht zu besseren Leistungen führt. Meine Damen und Herren, ich habe den Eindruck, dass Sie alle miteinander auch deshalb so gerne über Digitalisierung reden, weil Sie dann nicht über die wirklichen Probleme in diesem Land und insbesondere an unseren Schulen sprechen müssen. Aber jetzt sind wir ja da, um Sie daran zu erinnern. An unseren Schulen bahnt sich nämlich eine Katastrophe an. Deutschland braucht nach Berechnungen von Bildungsforschern bis 2025 105 000 neue Grundschullehrer. Es stehen aber im selben Zeitraum nur 70 000 Absolventen von Universitäten zur Verfügung. Wo sollen die 35 000 fehlenden Lehrer herkommen? Keine Antwort. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau hat die Gesamtkosten für die Instandsetzung maroder Schulen in Deutschland auf 34 Milliarden Euro beziffert. Wie viel haben Sie davon in Ihrem Haushalt eingeplant? – Sie müssen nicht antworten, das war eine rhetorische Frage. Viele Schulen in Deutschland sind inzwischen nur noch dem Namen nach das, was wir uns unter einer Schule vorstellen. Immer wieder haben Schulleiter, Lehrer und Eltern sich in Brandbriefen an die Politik gewandt. In der „Berliner Zeitung“ von heute steht: Eine unbegrenzte … Integration von verhaltensauffälligen … Kindern kann … nicht gelingen. Kleinere Klassen wären hilfreich, schreiben die Kollegen. Stattdessen werden die Klassen größer, auch dank der konzeptlosen Einwanderungspolitik, die Sie betreiben. In einem Hilferuf von Lehrern aus Saarbrücken heißt es, dass physische und verbale Gewalt gegen Mitschüler und Lehrer, Messerattacken, Sachbeschädigungen, Drogen und Alkohol zum Schulalltag gehören. In Berlin wurde jüngst ein Fall bekannt, bei dem ein jüdisch gläubiger Junge die staatliche Schule verlassen und auf einer Privatschule Zuflucht suchen musste. Meine Damen und Herren, das ist eine Schande für dieses Land und nicht der Hinweis auf diese Missstände. Sagen Sie jetzt bitte nicht, das alles sei doch Ländersache. Wer sich mit einem Leuchtturmprojekt wie dem DigitalPakt schmücken und dafür sogar das Grundgesetz ändern will, der sollte vor den Problemen, die ich angesprochen habe, nicht die Augen verschließen. Was tun Sie, um den Ländern bei der Bewältigung dieser historischen Aufgaben zu helfen? Ach ja, richtig, es gibt vielleicht ein paar Computer mit Internetanschluss, für deren Installation, Software und Wartung die Länder auch noch selbst aufkommen dürfen. Frau Ministerin, das reicht nicht! Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Als nächstem Redner erteile ich dem Kollegen Dr. Karl Lauterbach für die sozialdemokratische Fraktion das Wort.
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Johann Saathoff SPD
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Saathoff
SPD
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, Sie haben gesagt: Ländliche Räume sind die Kraftzentren in Deutschland. – Da muss ich Ihnen beipflichten. Das ist richtig; das sehe ich genauso. Sie haben auch gesagt: Das Landwirtschaftsministerium ist das Ministerium für den ländlichen Raum. – Dazu komme ich gleich noch. Und Sie sagen: Wenn die ländlichen Räume als Kraftzentrum für Deutschland agieren, dann werden wir die Ideen der Menschen unterstützen und das Ehrenamt besonders fördern. – Das ist löblich; keine Frage. Aber wir müssen gemeinsam konstatieren, dass sich die ländlichen Räume nicht so entwickelt haben, wie wir es gerne gehabt hätten. Auch mit Blick auf die letzten vier Jahre müssen wir das ehrlich eingestehen. Wenn es in Ostfriesland um die ländlichen Räume geht, dann fragt man: Wat köst mi dat, un wat hebb ik daarvan? Wir müssen uns also fragen: Wo ist eigentlich das Problem, das dazu führt, dass sich die ländlichen Räume nicht wie erhofft entwickelt haben? Es wurde aus meiner Sicht der falsche Fokus auf die ländlichen Räume gelegt. Ich glaube, es kommt wesentlich darauf an, dass in den ländlichen Räumen Wertschöpfung möglich ist, dass Arbeit möglich ist und dass die Menschen dort Arbeit finden. Wichtig ist, dass in ländlichen Räumen der Mittelstand, kleine Unternehmen, Start-ups und das Handwerk gefördert werden. Es kommt zum Beispiel darauf an, dass wir in den ländlichen Räumen nicht nur Milch produzieren, sondern sie auch veredeln. Wir brauchen eine regionale Vermarktung. Diese müssen wir massiv fördern. Es geht dabei um regionale Produkte. Haben Sie schon einmal ostfriesische Milch getrunken? Das wird Ihnen nicht gelingen. Ich finde trotzdem, dass sie ein wichtiges Produkt ist. Ich bin mir auch ganz sicher, dass Sie alle eigentlich gerne ostfriesische Milch trinken würden. Dabei geht es auch um die Festsetzung bestimmter Kriterien. So kann man festlegen, dass die Milch nicht mehr als 100 Kilometer transportiert wird, dass sie gentechnikfrei ist, dass die Kühe nicht enthornt wurden und dass es sich um Zweinutzungsrinder handelt. Man kann also Qualitätsstandards festlegen, die die Menschen nachfragen und befürworten. Genauso wie es solche Kriterien für regionale Milch gibt, kann es sie auch für regionales Fleisch oder sogar für die regionale Tourismusförderung geben. So kann man den Urlaub bewusst mit einem ökologischen Fußabdruck, der nicht enorm ist, verbringen und eine schöne Zeit mit der Familie erleben. Was gehört dazu? Dazu gehört Infrastruktur – und daran mangelt es, meine Damen und Herren –: Straße, Schiene, Wasserstraße, aber vor allen Dingen öffentlicher Personennahverkehr. Versuchen Sie einmal, bei uns in Ostfriesland mit dem Bus zu fahren. Da brauchen Sie verdammt viel Zeit. Dazu gehören auch die Breitbandausstattung und die Herausforderungen bei der 5G-Ausschreibung, vor denen wir stehen. Wir wollen Precision Farming, Frau Ministerin. Aber das haben wir nur dann, wenn es auch eine vernünftige Breitbandabdeckung gibt. Da fehlt es aber an allen Ecken und Enden. Das ist so, als wenn Sie versuchen, sich mit einem Handtuch zuzudecken: Egal wohin Sie es ziehen, irgendetwas ist immer kalt. Dazu gehört natürlich auch Gesundheitspolitik. Wir haben in den ländlichen Räumen schon längst das Problem, dass man keinen Hausarzt mehr findet. Außerdem ist die Krankenhausversorgung nicht mehr ausreichend. Wenn dann der Hinweis auf Telemedizin kommt, ist das für uns nicht ernüchternd, sondern eher besorgniserregend. Vielleicht haben wir zu lange Ursachen und Symptome verwechselt. Wir haben darüber gesprochen, dass wir der demografischen Entwicklung entgegenwirken müssen. Aber Demografie ist das Symptom. Die Ursache ist die fehlende öffentliche Infrastruktur. Hier müssen wir eine neue Antwort finden. Ein Ministerium für die ländlichen Räume hatte ich schon einmal in einer meiner Reden gefordert, und ich finde, dass das immer noch richtig ist. Es ist jedenfalls richtiger, als ein Ministerium für Heimat zu fordern, weil dort eine Zersplitterung und keine Bündelung stattfindet. Wir brauchen – ähnlich wie bei der Energiepolitik, wo es eine Sektorenkopplung gibt – eine Kopplung von verschiedenen Ministerien und Institutionen. Wir haben allein fünf Ministerien, die sich mit der Frage beschäftigen, wie die ländlichen Räume gefördert werden – Landwirtschaft, Innen, Finanzen, Wirtschaft, Verkehr und digitale Infrastruktur –, und wir haben Zuständigkeiten des Bundes und der Länder. Wenn sich die Menschen in meiner Region fragen: „Warum wollen eigentlich alle die ländlichen Räume fördern, und warum merken wir das im ländlichen Raum nicht?“, dann hat das etwas mit dieser Zersplitterung der Zuständigkeiten zu tun. Wir brauchen die vielzitierte Sektorenkopplung endlich auch bei der Förderung der ländlichen Räume, damit diese Hilfe dort ankommt, wo sie hingehört: im ländlichen Raum. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Die nächste Rednerin ist die Kollegin Carina Konrad, FDP-Fraktion.
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Carl-Julius Cronenberg FDP
Carl-Julius
Cronenberg
FDP
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es dürfte das Hohe Haus nur bedingt überraschen, wenn ich feststelle, dass die Idee, den gesetzlichen Mindestlohn auf 12 Euro anzuheben, nicht dem Wahlprogramm der Freien Demokraten entsprungen ist. Aber offensichtlich haben unsere Partner von der Sozialdemokratie bei den Koalitionsverhandlungen so bestechende Argumente vorgetragen, dass wir schon jetzt einen Gesetzentwurf einbringen können. Noch schneller als wir war die Kritik der Union; denn die kam schon im Januar. Der geschätzte Kollege Knoerig hat dabei seine Argumentation ausgiebig auf einen FDP-Antrag aus dem letzten Jahr gestützt, in dem die Bedeutung der Unabhängigkeit der Mindestlohnkommission betont wurde. Also wenn die Anpassung des Mindestlohns als Erstes dazu führt, dass die Union ihren ordnungspolitischen Kompass an den Anträgen der FDP ausrichtet, dann ist das erst einmal eine gute Nachricht, liebe Kolleginnen und Kollegen. Dennoch, werte Kollegen von der Union, empfehle ich einen Blick ins Gesetz. § 1 Absatz 2 des Mindestlohngesetzes besagt, dass die Anpassung des Mindestlohns durch Rechtsverordnung der Bundesregierung auf Vorschlag der Mindestlohnkommission erfolgt. Würde die Regierung bei der Erhöhung auf 12 Euro die Mindestlohnkommission einspannen, wie von Ihnen im Januar gefordert, würde sie diese quasi nötigen, 12 Euro zu empfehlen. Dann hätten wir genau die Einschränkung ihrer Unabhängigkeit, die wir vermeiden wollen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Deshalb hat die Koalition bewusst einen anderen Weg gewählt und die Kommission einmalig aus dem Spiel genommen, um ihre Unabhängigkeit zu schützen. Wir alle wissen, dass viele Betriebe, die einen hohen Personalkostenanteil haben – oft betrifft dies kleine Betriebe; vielfach auch solche, die unter Corona gelitten haben –, durch die Erhöhung um 15 Prozent belastet werden. Die Koalition weiß das und nimmt die Sorgen sehr ernst. Aus diesem Grund entlasten wir kleine und mittlere Unternehmen an anderer Stelle: Die vorgezogene Streichung der EEG-Umlage hilft genauso wie die Bürokratieentlastungen, die kommen werden, und die Sicherung der Minijobs; darauf ist eingegangen worden. Kollege Stracke, wir haben auch den steuerlichen Grundfreibetrag kräftig angehoben, um die Folgen für diejenigen, die jetzt mehr verdienen, zu relativieren. Die Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns mag man richtig oder falsch finden, aber eines ist klar: Niemand kann sich wünschen, dass Menschen, die fleißig arbeiten, am Monatsende nur mit Mindestlohn nach Hause gehen. Nun wird, rein statistisch gesehen, die kräftige Erhöhung des Mindestlohns voraussichtlich erst einmal dazu führen, dass der Anteil an Mindestlohnempfängern unter allen Beschäftigten vorübergehend steigt. Lassen Sie mich klar sagen: Unser gemeinsames Ziel muss es sein, mit kluger Politik dafür zu sorgen, dass diese Quote wieder sinkt, dass so viele Menschen wie möglich die Chance bekommen, am Arbeitsmarkt bessere Jobs zu finden als Mindestlohnjobs. Deshalb schaffen wir Investitionsanreize für Unternehmen in der Transformation. Investitionen schaffen neue, meistens gut bezahlte Jobs, zum Beispiel bei Tesla in Grünheide, Northvolt in Schleswig-Holstein oder Intel in Magdeburg. Deshalb fördern wir Beschäftigte, die sich weiterbilden wollen. Qualifizierung sichert nicht nur Jobs, sondern schafft auch Aufstiegsmöglichkeiten. Ein Wort zum Antrag der Linken: Wer Ausnahmen vom Mindestlohn für Auszubildende abschafft, der riskiert Ausbildungsplätze. Wer Ausnahmen für Langzeitarbeitslose abschafft, der erschwert ihnen den Weg zurück in den Arbeitsmarkt, statt zu helfen. Beides finde ich nicht sozial. Da machen wir nicht mit, liebe Kolleginnen und Kollegen. Freuen wir uns mit den Menschen, die nach der Verabschiedung des Gesetzes in Zukunft mehr Geld verdienen werden. Bis dahin freue ich mich auf die weiteren Beratungen. Vielen Dank, Kollege Cronenberg. – Nächster Redner aus der CDU/CSU-Fraktion ist der Kollege Axel Knoerig.
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Reinhard Houben FDP
Reinhard
Houben
FDP
Es bleibt mir leider nichts anderes übrig. Bitte. Erstens, Herr Brandner: Ich arbeite seit meinem 17. Lebensjahr, habe zum Teil mein Studium selbst finanziert, bin mit 23 Jahren in das Familienunternehmen eingetreten und habe bis zum letzten Jahr gearbeitet und ganz brav Steuern gezahlt. Deswegen ist der Anwurf, ich werde bezahlt und Sie nicht, an der Stelle, glaube ich, etwas irre. Wir alle werden vom Steuerzahler getragen, die AfD genauso wie alle anderen Kolleginnen und Kollegen hier im Hause. Deswegen ist der Anwurf irrig. Sie wollen unbedingt eine konkrete Aussage haben: Die Kollegin meiner Fraktion ist leider nicht da, aber sie ist Düsseldorferin und hat deswegen genauso viel Humor wie ich als Kölner. Lassen Sie den Kollegen ausreden. Das ist der typische Effekt: Der Herr Braun bekommt immer einen besonderen Hormonschub bei solchen Fragen; das merkt man leider immer. Ich will es konkretisieren: Die Kollegin Strack-­Zimmermann aus Düsseldorf hatte in einer der letzten Sitzungen eine Lederjacke an. Was Ihre Kollegen dort von sich gegeben haben, war einfach unterirdisch. – Die Gelegenheit wollte ich wahrnehmen, weil Sie ein konkretes Beispiel wollten. – Es ist dann eben über Lederkleidung und Frauen entsprechend philosophiert worden. Meine Herren, das ist nicht gentlemanlike, und deswegen sind Sie keine bürgerliche Partei. Nachdem das geklärt ist, machen wir jetzt weiter in der Rednerliste. Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Dr. Andreas Lenz für die CDU/CSU.
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Dr.
Dr. Anton Hofreiter BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Anton
Hofreiter
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin insbesondere den Kollegen der CDU/CSU dankbar für diese Aktuelle Stunde und für die Ehrlichkeit. Da wird deutlich, wo Sie stehen und dass Ihr ganzes Wortgeklingel zu Klimaschutz, wenn es darauf ankommt, nichts wert ist. Danke dafür! Bei der SPD schaut es noch bitterer aus. Die SPD ist auch eine Betonierer-, eine Asphaltiererpartei. Und dann stellt ihr euch hierhin und beschwert euch über die Grünen, dass wir nicht ausreichend verhindert haben, was ihr wollt, insbesondere unter Rot-Grün, als ihr 40 Prozent hattet und wir 8 Prozent. – Steht doch wenigstens zu eurer Verantwortung! Seid doch wenigstens so ehrlich wie die CDU/CSU! 2016, im Zusammenhang mit dem Bundesverkehrswegeplan, hat die damalige UBA-Präsidentin festgestellt: Durch den starken Fokus auf die Straßen zementiert dieser Bundesverkehrswegeplan weitgehend die nicht nachhaltige Verkehrspolitik der vergangenen Jahre. – Des Weiteren wurde beim letzten Bundesverkehrswegeplan festgestellt: Von zwölf Umweltzielen wurden elf nicht erreicht. Die Kritik von damals stimmt jetzt umso mehr; denn wir haben erlebt, wie sich die Klimakrise verschärft, wir haben doch erlebt, was in Australien los war, wir haben erlebt, was in Kalifornien los ist, und wir haben erlebt, dass es in vielen Regionen drei Dürresommer hintereinander gab. Wir haben gesehen, dass seit 30 Jahren der CO2-Ausstoß im Verkehrsbereich nicht sinkt. Deshalb ist es notwendig, da grundlegend etwas anders zu machen. Auf der Homepage des Bundesverkehrsministeriums findet sich die schöne Erklärung, dass das gesamtdeutsche Straßennetz doppelt so lang ist wie die Entfernung zwischen Erde und Mond. Hier haben Sie jetzt behauptet, dass – obwohl wir nach eigener Aussage eines der dichtesten Straßennetze aller Flächenländer weltweit haben – zusätzlicher Straßenbau noch Wohlstand schafft. Wenn wir im Jahr 1960 wären, könnten wir darüber ernsthaft diskutieren – auch wenn es damals klüger gewesen wäre, auch die Bahn mit auszubauen –, aber wir sind im Jahr 2020, und in den vergangenen 60 Jahren sind Tausende von Kilometern Autobahn geschaffen worden. Angesichts dessen, was in der Autoindustrie los ist, ist es notwendig, auf ganz andere Dinge zu setzen. Wir sehen doch die Megatrends Elektrifizierung, Digitalisierung und Automatisierung. Deshalb brauchen wir einen Ausbau von 5 G, einen Ausbau der Ladesäulentechnologie, einen Ausbau der Batteriekapazitäten und ein schnelles Internet. Kommen Sie endlich im 21. Jahrhundert an! Hören Sie endlich auf mit Ihrer Technologiefeindlichkeit! Dieser Bundesverkehrswegeplan, der nicht erkennt, dass es moderne Technologie – 5 G, Internet, Ladesäulen, Batterietechnik – braucht, soll bis zum Jahr 2030 gelten, bis zu dem Jahrzehnt, das so entscheidend dafür werden wird, dass wir die Klimakrise in den Griff kriegen. Meinen Sie das wirklich im Ernst? Glauben Sie wirklich, dass dieser Bundesverkehrswegeplan, der völlig aus der Zeit gefallen ist, uns wirklich in das nächste Jahrzehnt führen wird? Ich glaube das nicht. Damit gefährden Sie nicht nur die Mobilität. Mobilität bedeutet, dass alle Menschen mobil sein können und nicht nur diejenigen, die einen Führerschein haben und ein Auto besitzen. Deshalb ist es notwendig, dass Sie endlich Ihre Technologiefeindlichkeit einstellen, dass Sie endlich dafür sorgen, dass unsere Autoindustrie auch in der Zukunft noch eine Chance hat. Für den Anschluss von vielen Regionen brauchen wir einen deutlichen Bahnausbau. Am Ende zeigt es die Realität. Es werden hier schöne Reden auf die Bahn gehalten. Im Jahr 2019 sind 232 neue Kilometer Bundesfernstraßen dazugekommen. Und wie viele Kilometer Bahn sind dazugekommen? Wie viele Kilometer Bahn sind dazugekommen? Eine einstellige Zahl. Das kann doch wohl nicht wahr sein: 232 Kilometer Bundesfernstraßen und eine einstellige Kilometerzahl Bahnstrecke! So wird das nichts mit der Verkehrswende. Deshalb: Sorgen Sie endlich dafür, dass die Bahn flottgemacht wird! Sorgen Sie dafür, dass Personal eingestellt wird, dass die Planungsprozesse schneller werden! Sorgen Sie dafür, dass die Verkehrswende endlich in der Realität ankommt! Dann wird sich zeigen, ob Bahnkilometer ausgebaut werden oder das bloß behauptet wird. Ihr Bundeswirtschaftsminister hat gesagt: Wir haben wegen der Klimapolitik das Vertrauen von vielen Menschen der jungen Generation verloren. Und er hat gesagt: Man muss nicht bloß partiell ein paar Dinge ändern. – Damit hat er recht. Deshalb: Lassen Sie endlich den Worten Taten folgen! Es gibt den schönen alten biblischen Spruch „An ihren Taten sollt ihr sie erkennen“ – das gilt insbesondere für die Regierung. Vielen Dank. – Nächster Redner in dieser Debatte ist für die Bundesregierung der Bundesminister Andreas Scheuer.
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Dr.
Dr. Michael Espendiller AfD
Michael
Espendiller
AfD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen! Liebe Zuschauer im Saal und bei Youtube! Nirgendwo liegen Glanz und Elend so nah beieinander wie in der deutschen Forschungspolitik; denn eines ist trotz aller Unkenrufe immer noch der Fall: Wir haben in diesem Land die klügsten Köpfe der Welt. Die wissenschaftlichen Leistungen unserer Forscher sind brillant und bewegen sich auf Spitzenniveau. Wenn man sich diese Fähigkeiten und unsere Forschungserfolge ansieht, könnte man meinen, wir gingen einer glänzenden Zukunft entgegen. Doch das ist leider nicht der Fall; denn unsere hart erarbeiteten Forschungsleistungen werden häufig andernorts, im Ausland, kommerzialisiert. Es scheint, als hätten wir noch immer einen starken Wissensdrang und eine ausgeprägte Tüftlerkultur, jedoch fehlt der Unternehmergeist. Im Ausschuss für Bildung und Forschung haben wir in dieser Wahlperiode oft über den Transfer von Forschungsergebnissen in zukunftsweisende und marktfähige Produkte gesprochen; doch so richtig weitergekommen sind wir nicht. Das liegt hauptsächlich an einer zentralen Fehlvorstellung, die auch allen heute vorliegenden FDP-Anträgen innewohnt. Und zwar meine ich damit den Irrglauben an eine Art wissenschaftliche Planwirtschaft, den hier alle Parteien außer der AfD pflegen. Schauen wir uns mal an, welche Rohrkrepierer die Altparteien so vorschlagen und angeschoben haben: Da gab es von der Bundesregierung die vielgepriesene Agentur für Sprunginnovationen. Diese Agentur soll entscheiden, welche Forschungsprojekte gefördert und zu marktfähigen Produkten gepusht werden sollen. Da sitzt also ein Gremium von zehn Leuten, das munter das Geld unserer Steuerzahler zum Fenster rauswirft, und zwar 100 Millionen Euro, jedes Jahr. Sie fragen nach Erfolgen? Die gab es bisher nicht. Man kann diese Agentur also mit Fug und Recht als wahre Geldverbrennungsmaschine bezeichnen. Und sonst so? – Die FDP will unbedingt ihre Deutsche Transfergemeinschaft. Was ist das jetzt schon wieder? Die Magenta-Sozialisten wollen eine superbürokratische Behörde schaffen, die eine Art Fünfjahresplan für die Produktion von Innovationen herausgibt und überwacht. Und das ist auch der Grund, warum ich Sie immer Magenta-Sozialisten nenne, liebe Kollegen: Sie sind – und das haben Sie in dieser Legislaturperiode zur Genüge gezeigt – pink angemalte Sozialisten. Mehr noch: Anstatt wissenschaftliche Exzellenz zu fördern und kompromisslos durchzusetzen, sind Sie auch noch dem Wahn verfallen, Gendergerechtigkeit und höhere Diversityquoten über alles andere zu stellen. Diese Quoten helfen nicht, wenn Sie mehr Ausgründungen haben wollen. Sie behindern nur! Aber egal, ob wir hier über Ausgründungen reden, über die Qualität bei der wissenschaftlichen Lehre, über sinkende Standards im Schulbildungsbereich oder über das leider erfolglose Dauerprojekt MINT-Bildung: Sie alle reden, reden und reden, aber Sie kriegen nichts zustande. Wobei: Das ist jetzt nicht so ganz fair; denn Sie haben es mittlerweile geschafft, die Forschungsfreiheit in Deutschland zu beerdigen, und ganz nebenbei haben Sie auch noch die zukunftsweisende Kernenergieforschung plattgemacht. Sie kämpfen absolut verbissen für Quoten statt für Qualität, und Ihnen fällt nicht mal mehr auf, wie Sie den Niedergang dieses Landes dadurch immer mehr beschleunigen. Sie ignorieren das, was Erfolg bringt, zugunsten von Klimagedöns und wohlfeilem Gerede von angeblich benachteiligten, tagesaktuell wechselnden Opfergruppen. Aber es gibt auch noch einen anderen Weg. Sie wollen Ausgründungen und Unternehmergeist? Dann hören Sie auf, die Leute mit Ihren realitätsfremden Anträgen und Initiativen zu nerven, und machen Sie den Weg frei für eine selbstbestimmte Forschungslandschaft! Stoppen Sie den Quotenwahn, und machen Sie wieder Platz für echte wissenschaftliche Brillanz! Dann wandern Ihre herbeigesehnten Spitzenforscher auch nicht mehr ins Ausland ab. – Das habe ich nicht behauptet. In Berlin gibt es einen Mathe-Prof; der wurde nicht angenommen, weil er ein Mann war. Der ist jetzt im Ausland Spitzenforscher. Das ist die Wirkung Ihrer Quoten, und das wollen wir eben nicht haben. Bauen Sie die bürokratischen Hürden ab, und hören Sie auf, die Forschungseinrichtungen zu gängeln und zu quälen; denn Sie wissen es nicht besser als unsere Wissenschaftler und unsere Forscher. Also, gehen Sie einfach allen aus dem Weg, die etwas leisten können und leisten wollen. Damit wäre ja allen geholfen. Und an dieser Stelle möchte ich mich bei Ihnen wie immer für Ihre Aufmerksamkeit bedanken. – Allerdings möchte ich auch eine sehr wichtige Sache noch loswerden: Georg Thiel ist seit 106 Tagen wegen nicht bezahlter Rundfunkbeiträge im Gefängnis. Das ist absolut unverhältnismäßig. Also, lassen Sie Georg Thiel frei, Herr Buhrow! Danke. Das Wort hat die Kollegin Gabriele Katzmarek für die SPD-Fraktion.
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Nadine Schön CDU/CSU
Nadine
Schön
CDU/CSU
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Noch nie in den ganzen Wochen und Monaten der Krise lagen die Nerven so blank; ich denke, das spüren wir alle. Gerade die Familien sind wirklich am Limit, und viele sagen: Wir können nicht mehr. „Wir können nicht mehr“, sagen Eltern, die Homeschooling und Kinderbetreuung mit ihrer Arbeit vereinbaren müssen. Klar, es gibt den Lohnersatz; aber viele fühlen sich auch ihren Kolleginnen und Kollegen verpflichtet oder arbeiten selbst in systemrelevanten Berufen als Lehrerinnen, als Lehrer, als Pflegekräfte. „Wir können nicht mehr“, sagen auch Kinder, die gerne wieder ihre Freundinnen und Freunde sehen würden, die gerne wieder mit anderen lernen würden, die gerne andere treffen würden, um sich adäquat auf ihre Prüfungen vorbereiten zu können. „Wir können nicht mehr“, sagen auch ganz viele Alleinstehende, ob jung oder alt. Sie sagen: Ich kann nicht mal meine beste Freundin in den Arm nehmen; das fehlt mir so sehr. Wie gerne würde man jetzt sagen: Schluss jetzt! Wir haben genug, es reicht. – Der Wunsch nach einem normalen oder einem normaleren Leben ist so groß. Deshalb ist es richtig, dass auch gestern über Perspektiven gesprochen wurde und dass wir Hoffnung haben. Aber Hoffnung macht nur dann Sinn, wenn sie nicht direkt wieder enttäuscht wird. Und Perspektiven sind nur dann gut, wenn sie wirklich tragfähig sind. Leider ist das Virus noch da. Bei manchen Reden in der heutigen Debatte habe ich mich gefragt: In welcher Welt leben Sie denn? – Das Virus ist noch da. Wir haben kein lineares Wachstum; grundsätzlich wächst das Virus exponentiell. Wir können froh sein, dass die Zahlen jetzt endlich nach unten gehen, und das können wir doch nicht verspielen. Ich erinnere mich noch sehr gut, als wir im November den Lockdown light beschlossen haben und dachten, mit Hygienekonzepten, Maske und Abstand kommen wir da irgendwie gut durch. Die Wahrheit war: Das hat nicht geklappt; die Zahlen sind gestiegen. Ich erinnere mich noch gut, als wir im Dezember Nachrichten aus Sachsen hörten, dass in Krankenhäusern über Triage nachgedacht wird. Und ich erinnere mich an die Panik der Menschen, die bei steigenden Infektionszahlen sagten: Wir haben Angst um unsere Angehörigen, die vorbelastet sind, die noch nicht geimpft sind; wir haben Angst, dass das Virus um sich greift; wir haben Angst vor den Folgeschäden. – Darüber wird gar nicht gesprochen. Deshalb ist es wichtig, dass wir die Zahlen nach unten bringen und dass wir erst dann zu Öffnungen kommen, wenn wir einen Sockelwert erreicht haben, der nicht dazu führt, dass die Zahlen danach gleich wieder explodieren. Und es ist richtig – das sage ich als Familienpolitikerin –, dass wir bei den Familien anfangen, dass wir mit den Kindergärten, den Kitas und den Schulen anfangen. Aber auch hier gilt: mit System und mit Verstand. Es müssen Testkonzepte vorliegen, bevor man öffnet. Es reicht nicht, wenn es sie nur auf dem Papier gibt, und es reicht auch nicht, liebe Frau Giffey, wenn Sie sagen: Es gibt bald Eigentests. Noch gibt es die Eigentests nicht, und deshalb müssen die Kommunen Testkonzepte schaffen, damit wir die Schulen so öffnen können, dass von dort keine Gefahr ausgeht für die Schülerinnen und Schüler, für ihre Eltern, für ihre Angehörigen, für uns alle. Das ist hart, und es ist noch ein bisschen Arbeit; aber ich traue den Kommunen, den Ländern und den Schulen zu, dass sie das schaffen. Es ist ja so viel geschafft worden. Schauen Sie doch, was in den Schulen schon passiert! Mein herzlicher Dank geht auch an die Lehrerinnen und Lehrer. Was sie in den letzten Wochen und Monaten möglich gemacht haben, ist doch Wahnsinn. Da wird sich um jeden einzelnen Schüler gekümmert, es werden digitale Konzepte erarbeitet. Herr Lindner, ich habe nicht verstanden, dass Ihre FDP-Kultusministerin in NRW einer Schule, die sagte: „Wir können hybrid arbeiten“, dies nicht ermöglicht hat. Mein Appell ist: Lassen wir doch die individuellen Konzepte vor Ort zu. Lassen wir der Kreativität der Menschen ihren Entfaltungsspielraum. Dann finden wir doch viel bessere Lösungen. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen: Es ist gut, dass wir mit den Schulen anfangen. Wir müssen die Kinder in den Blick nehmen; denn es geht auch um pädagogische und um soziale Folgen, aber mit Sinn und Verstand. Dafür appelliere ich. Das ist unsere Aufgabe in den nächsten Wochen. Vielen Dank. Zu einer Zwischenbemerkung erteile ich das Wort der Kollegin Lisa Badum, Bündnis 90/Die Grünen.
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Dr.
Dr. Georg Nüßlein CDU/CSU
Georg
Nüßlein
CDU/CSU
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Unserer Gesellschaft, uns fällt es unendlich schwer, uns mit dem Thema „Lebensende, Krankheit oder Organspende“ zu beschäftigen. Aber, meine Damen und Herren, es gibt momentan 10 000 Menschen in diesem Land, die sich mit diesem Thema zwangsläufig auseinandersetzen müssen, weil sie sehnsüchtig auf ein lebensrettendes Organ warten. Ich will zu Beginn dieser Debatte – ich glaube, ich spreche für uns alle – sagen: Genau um diese Menschen geht es uns. Weil das so ist, hat sich der Deutsche Bundestag 2012 schon einmal mit dieser Thematik befasst. Wir haben gesehen: Die Spendenbereitschaft in diesem Land ist groß – theoretisch. Wir haben gedacht: Mit der Zustimmungslösung kommt man dazu, dass dann, wenn man die Menschen nur ausreichend informiert, am Schluss viele einen Organspendeausweis in der Tasche tragen. – Heute, sieben Jahre später, haben wir festgestellt, dass die Spendenzahlen zurückgegangen sind, dass wir im Jahr 2017 mit 797 Spendern den niedrigsten Stand erreicht haben und dass unser Ansatz falsch war. Deshalb diskutieren wir heute miteinander darüber, etwas anders zu machen. Da gibt es nun zwei große konkurrierende Vorschläge. Der eine besagt: Lasst uns das Bestehende in kleinen Schritten weiterentwickeln. – Der andere Vorschlag, für den ich stehe, besagt: Lasst uns zur Widerspruchslösung kommen. Lasst uns einen großen Schritt tun. Ich sage Ihnen ganz offen: Ich habe in den letzten Wochen und Monaten keinen Transplantationschirurgen getroffen, der gesagt hat: Das solltet ihr nicht tun. – Aber ich habe viele, viele hoffnungsvolle Patientinnen und Patienten getroffen, die mir gesagt haben: Jetzt ist es an der Zeit, dass der Deutsche Bundestag nicht kleine Schritte macht, nicht noch einmal ein Experiment durchführt und mit unserem Leben spielt, sondern dass er jetzt einen großen Schritt macht und diese Widerspruchslösung einführt. Das ist meine Motivation. Jeden Tag sterben drei Menschen, weil wir zu wenige Organspenden haben. Es gibt welche, die sagen: Ja, aber die Widerspruchslösung schränkt doch unser Recht ein, uns mit der Thematik gar nicht beschäftigen zu müssen. – Nein, meine Damen und Herren, auch wenn wir eine Widerspruchslösung haben, muss man sich mit der Thematik nicht beschäftigen. Aber die Rechtsfolge ist eine andere, nämlich dass man dann als Spender gilt. Was ist da dabei? 95 Prozent sagen, sie würden im Zweifel ein Organ annehmen, wenn sie schwer krank sind. Wenn das die Regel ist, kann ich doch auch erwarten, dass die breite Mehrheit dann auch bereit ist, ein Organ zu spenden. Das ist doch miteinander verknüpft, das kann man doch nicht trennen. In der Tat, wenn man theoretisch fragt, sagen über 80 Prozent, sie wären bereit, ein Organ zu spenden. Für sie ist es im Grunde ein Service, dass sie in Zukunft gar nichts tun müssen, dass ihre Spendenbereitschaft an dieser Stelle dokumentiert ist und dass sie nicht auf einen Organspendeausweis angewiesen sind, der nach einer Weile so aussieht wie meiner und im Zweifel dann, wenn man hirntot im Krankenhaus liegt, gar nicht aufgefunden wird. Ich halte es für das ganz zentrale Argument: Es gibt nichts Christlicheres, nichts, was mehr mit Nächstenliebe zu tun hat, als im Tode einem anderen das Leben zu retten. Ich will, meine Damen und Herren, dass wir die Chance größer machen, dass ein Mensch dann, wenn er hirntot ist, als Spender identifiziert werden kann. Genau das leistet diese Widerspruchslösung in einer ganz besonderen Art und Weise. Sie nimmt niemandem etwas. Denen, die sagen: „So etwas gibt es doch in unserer Rechtsordnung gar nicht“, antworte ich ganz offen: Es gibt viele Fälle, in denen man einfach mit dem leben muss, was der Deutsche Bundestag an dieser Stelle an Rechtsfolgen festlegt. Ein Beispiel ist das Testament. Wenn ich keines schreibe, dann muss ich einfach damit klarkommen, dass der Gesetzgeber festlegt, wer letztendlich Erbe ist. Ein anderes Beispiel, das näher am Thema ist: Wenn ich keine Patientenverfügung mache, dann muss ich damit klarkommen, dass dann am Schluss einfach lebensverlängernde Maßnahmen durchgeführt werden. So ist es in Zukunft dann auch bei der Organspende. Der Regelfall ist dann: Man gilt als Spender, es sei denn, man hat widersprochen. Nur dann muss man sich mit der Thematik beschäftigen. Wer kein Organspender sein will und das nicht ertragen kann, der kann widersprechen. Ich glaube, das ist etwas, was einen großen Schritt bedeutet, etwas, was uns klar voranbringt. Ich bitte herzlich um Unterstützung für diesen Gesetzentwurf. Herr Kollege, bitte kommen Sie zum Schluss. Viele, viele leidgeprüfte Patientinnen und Patienten, die heute immer noch auf der Warteliste stehen und die kein Organ bekommen, setzen auf uns; das ist ganz wichtig. Deshalb bitte ich herzlich um Unterstützung. Vielen Dank. – Als nächste Rednerin spricht zu uns die Kollegin Annalena Baerbock.
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Jürgen Pohl AfD
Jürgen
Pohl
AfD
Herr Präsident! Verehrte Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren an den Geräten! Die Anhörung der Sachverständigen und die Sitzung im Ausschuss haben ergeben, dass das Angehörigen-Entlastungsgesetz ein großer Wurf zur Entlastung der Kranken und Pflegebedürftigen und ihrer Kinder hätte werden können. Herausgekommen ist jedoch eine rechtliche Regelung, der es an vielem mangelt. Richtig ist, Herr Minister – das unterstreiche ich genauso wie Sie –: Es darf durch die Pflege kein Pflegebedürftiger und kein Angehöriger zum Sozialfall werden. Das muss ehernes Ziel unserer Gesellschaft sein. Aber – ein großes Aber – stattdessen machen Sie mit diesem Gesetz die Kommunen zum Sozialfall unserer Gesellschaft; dazu komme ich später. Ein Blick in die Nachbarländer zeigt, dass die angedachte rechtliche Regelung eine massive Steigerung der stationären Pflegeleistungen hervorbringen wird, und zwar bis zu 25 Prozent. Diese Steigerung wird zu verschiedenen Problemen führen. Erstens. Die Vorrangigkeit der ambulanten Pflege – das heißt, unsere Eltern dürfen in gewohnter Umgebung, zu Hause in Würde altern – wird durch dieses Gesetz konterkariert; denn dieses Gesetz bevorzugt die ambulante häusliche Pflege nicht. Es bevorzugt die stationäre Pflege. Dabei ist es gerade die häusliche Pflege, verbunden mit der Liebe zu unseren Eltern, die unserer Gesellschaft ihren humanen Rückhalt gibt. Das ist entscheidend. Warum wir den Vorrang der ambulanten Pflege verlassen, wenigstens wirtschaftlich verlassen, das bleibt bisher völlig im Dunkeln. Gerade die Kinder dieser Eltern, die zu Hause bleiben, tragen die Hauptlast der Pflege und hätten es verdient, von der Gesellschaft anerkannt und besser gefördert zu werden. Aber es gibt noch ein zweites großes Problem. Wir wissen es, die Kommunen sagen es: Unter der Last der Finanzierung dieses Gesetzes werden viele Kommunen zusammenbrechen. Der Gesetzentwurf rechnet mit Kosten für den Bund von circa 24 Millionen Euro. Machbar. Den Kommunen werden 300 Millionen Euro aufgelastet. Im Rahmen der Anhörung sprachen die Sachverständigen von Kosten von rund einer halben Milliarde Euro, und das zu Anfang. Wenn die Kommunen dann pleite sind, haben wir neben der Pflege die nächste große Herausforderung in unserer Gesellschaft, das nächste große Problem. Drittens. Wir müssen uns folgendem Problem stellen: Bei einem Aufwuchs des Bedarfes der stationären Pflege, verbunden mit dem Altern unserer Gesellschaft, müssen wir uns fragen: Wo sind die Pflegekräfte, die wir dann brauchen? Wo sind die Heime, die Heimplätze, die wir brauchen? Wer trägt die Kosten dieser notwendigen Investitionen? Das sind die Fragen, die heute auch anstehen, wenn wir über dieses große Gesetz sprechen wollen. In einer Gesamtschau sieht es wie folgt aus: Es wird die ambulante Pflege de facto mal wieder außen vor gelassen. Es gibt eine Einkommensgrenze, die völlig unflexibel ist und kein Vermögen berücksichtigt. Da werden Ungerechtigkeiten bei der Bewertung von Einkommen bei Beamten und Selbstständigen zugelassen. Da wird ein Gesetz vorgelegt, ohne dass die Finanzierung steht. Auch wenn das Thema viel zu ernst ist, ich muss es sagen: Hier wird einfach ins Blaue hinein eines Ihrer Gute-Laune-Gesetze verabschiedet. Ich sage Ihnen: Um die Realität müssen sich dann irgendwelche anderen kümmern. Wir sind der Meinung: Setzen Sie sich noch einmal hin, machen Sie Ihre Hausaufgaben, kümmern Sie sich um die Finanzierung und um die Ausgestaltung! Bis dahin können wir diesem Gesetzentwurf in dieser Form nicht zustimmen. Wir werden uns enthalten. Danke schön. Der nächste Redner: für die CDU/CSU-Fraktion der Kollege Wilfried Oellers.
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Dr.
Dr. Dietmar Bartsch DIE LINKE
Dietmar
Bartsch
DIE LINKE
Lieber Jürgen Trittin, zunächst mal will ich darauf aufmerksam machen, dass es nicht nur den Beifall der AfD gab, sondern auch den der Sozialdemokraten, der Union und der FDP. Zweitens. Um das ganz klar zu sagen, damit es keine Missverständnisse gibt: Es gelten selbstverständlich überall gleiche Maßstäbe. Es darf keine Unterschiede geben. Aber wenn plötzlich ausschließlich aus Anlass des Falls Nawalny ein Antrag gestellt wird, frage ich mich: Wo waren denn die Grünen mit einem Antrag und einer Debatte im Bundestag, als Khashoggi ermordert worden ist? Eine Debatte hat es hier nicht gegeben! Ich bin genau dafür, dass etwas passiert. Ich hätte mir mal gewünscht, dass der Bürgermeister von Sassnitz und Gesellschafter des Hafens von Mukran, Frank Kracht – seines Zeichens Mitglied der Linken –, hier verteidigt wird, dass auch das Projekt verteidigt wird. Genau das passiert nicht. Man kann energiepolitisch gern über diese Pipeline streiten; das ist nicht die Frage. Da kenne ich auch in meiner Fraktion unterschiedliche Meinungen. Aber Fakt ist: Alles rechtsstaatlich; 97 Prozent sind gebaut. Gerne können wir den Streit darüber führen. Aber die Unterstellung, die von euch angeführt wird, ist nicht korrekt. Wir legen hier keine unterschiedlichen Maßstäbe an, sondern beurteilen das Projekt wirklich anhand der Maßstäbe in der Energiepolitik. Herzlichen Dank. Wir fahren in der Debatte fort. Das Wort hat Dr. Andreas Lenz für die CDU/CSU-Fraktion.
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Josephine Ortleb SPD
Josephine
Ortleb
SPD
Das freut mich. – Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Anfang letzten Jahres hat der Deutsche Frauenrat, also der größte Interessenverband von und für Frauen in Deutschland, weibliche Abgeordnete zu einem Parlamentarischen Frühstück eingeladen. Der Deutsche Frauenrat stellte fest, was wir hier täglich sehen: Es gibt mehr als doppelt so viele Männer wie Frauen im Deutschen Bundestag, und das 100 Jahre nach der Einführung des Frauenwahlrechts. Das will der Deutsche Frauenrat mit seinen 60 Mitgliedsverbänden nicht hinnehmen, genauso wenig wie ich, meine Fraktion und meine Partei. Die gleichberechtigte politische Teilhabe und Repräsentanz von Frauen ist ein Herzensthema für mich, das auch viele andere Menschen bewegt, innerhalb und außerhalb des Parlaments. Umso mehr hat es mich gefreut, dass nach dem besagten Parlamentarischen Frühstück ein Konsens aller Frauen zu spüren war, dass wir in Sachen Parität gemeinsam etwas bewegen können. Die Position der SPD-Fraktion war dabei immer klar: Wir stehen zu gesetzlichen Maßnahmen zur Erreichung von Parität. Mehrere interfraktionelle Treffen haben uns dann gezeigt: Mit den Grünen und den Linken eint uns das Ziel, Parität gesetzlich zu regeln. Mit der Union eint uns der Koalitionsvertrag und die Vereinbarung, immer gemeinsam abzustimmen. Die Einrichtung einer Kommission, etwa angesiedelt beim Bundestagspräsidenten, hätte eine Brücke und ein Kompromiss sein können. Eine langatmige Enquete-Kommission war für uns schnell vom Tisch. Eigentlich wollte ich es nicht sagen, aber nach dieser Rede von Frau Höchst kann man sich nicht vorstellen, dass die AfD den Vorsitz einer solchen Enquete-Kommission bekommt. Für uns war aber auch klar: Das Einsetzen von Kommissionen birgt die Gefahr, den Anschein zu erwecken, es gäbe ein Erkenntnisdefizit. Das haben wir aber nicht; wir haben ein Handlungsdefizit. Studien belegen: Frauen werden bei Nominierungen, insbesondere für aussichtsreiche Direktkandidaturen, systematisch benachteiligt. Auch da, wo Listen nicht nach Reißverschlussverfahren aufgestellt werden, sind mehr Männer auf den aussichtsreichen vorderen Plätzen. Der Reißverschluss wirkt; das zeigt auch die SPD-Fraktion. Wir dürfen die Parteien bei der Herstellung der gleichberechtigten Teilhabe aber nicht alleinlassen. Den strukturellen Benachteiligungen von Frauen müssen wir strukturell entgegnen. Damit beauftragt uns auch das Grundgesetz. Der Weg zur Parität ist möglich. Das zeigen uns 21 Mitgliedstaaten der Europäischen Union, und auch in Deutschland zeigen Brandenburg und Thüringen, dass es geht. An Vorbildern und Beispielen, wie die gleiche Repräsentanz von Frauen und Männern in Parlamenten erreicht werden kann, mangelt es uns also nicht. Aber klar war auch: Ein Kompromiss funktioniert nur, wenn alle mitmachen. Wir haben jetzt Beiträge aus einigen Fraktionen gehört; sie zeigen: Das ist einfach nicht der Fall. Einige Unionsfrauen – ich hatte immer das Gefühl, dass sie unsere Haltung teilen – bringen immer wieder die Enquete-Kommission ins Spiel. Hier fehlt es leider an der notwendigen Geschlossenheit. Liebe FDP, man könnte fast meinen, es wird zur liberalen Tradition, sich oft zu treffen, Verantwortung dann aber nicht anzunehmen. Heute lehnen Sie mit Ihrem Antrag gesetzliche Maßnahmen zur Erreichung von Parität sogar gänzlich ab. Das ist wirklich sehr bedauerlich. Wie lange wollen Sie eigentlich noch warten, bis Gleichstellung in diesem Haus Wirklichkeit wird? Sehr geehrte Damen und Herren, ein Kompromiss ist nicht zustande gekommen. Inzwischen hat die Debatte um eine Wahlrechtsreform wieder voll an Fahrt aufgenommen. Und weil wir Frauen alles können, sogar Fußballrhetorik bedienen, sage ich es mal so: Die Debatte um die Wahlrechtsreform wurde jetzt angepfiffen. Der Ball liegt jetzt auf dem Spielfeld. Ich glaube, wir Frauen tun nicht gut daran, auf der Ersatzbank auf unseren Einsatz irgendwann zu warten. Wir sollten jetzt unsere Schuhe schnüren und das Spiel mitgestalten. Frau Kollegin Ortleb, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Haßelmann? Nein. – Denn viel zu oft mussten Frauen zuschauen, wie Männer die Spielregeln festlegen, wie Männer über Lebensrealitäten entscheiden und wie Männer Frauen auf irgendwann vertrösten. 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts geht es nicht mehr um ein Irgendwann. Es geht um das Hier und Jetzt. Parität und Wahlrecht sind zwei Seiten derselben Medaille, einer Medaille, die den echten gleichberechtigten Zugang zur politischen Macht für Frauen sicherstellt. Für uns von der SPD-Fraktion ist klar: Wir legen beim Thema Parität unsere ganze Kraft in die Debatte um die Wahlrechtsreform. Uns bietet sich noch mal ein kleines Zeitfenster und somit die Chance, in dieser Legislaturperiode etwas Historisches zu vollbringen. Liebe Grüne, liebe Linke, ich merke schon, es entsteht Unruhe. Im November letzten Jahres gab es einen gemeinsam getragenen Gesetzentwurf zur Änderung des Bundeswahlgesetzes. Darin habe ich nicht einen Vorschlag zur Erhöhung des Frauenanteils im Deutschen Bundestag gefunden. Da habe ich mich auch gefragt: Warum nicht? Denn die Frage der Parität wird im Wahlrecht entschieden und nicht in einer Kommission. Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns die Reform des Wahlrechts und die sich uns bietende Chance nutzen. Wir wollen gleichberechtigte Parlamente; wir brauchen gleichberechtigte Parlamente, und wir Frauen lassen uns bei diesem Spiel nicht auf die Ersatzbank schicken. Vielen Dank. Vielen Dank, Frau Kollegin. – Ich erteile das Wort zu einer Kurzintervention der Kollegin Britta Haßelmann.
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Volkmar Klein CDU/CSU
Volkmar
Klein
CDU/CSU
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit Kofi in seinem ghanaischen Dorf weit nördlich von Accra zu reden darüber, wie er sich ein besseres Leben vorstellt, ist so ein bisschen wie das Durchgehen der SDGs, der nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen: Er will keine Armut – Ziel 1 –, keine Hungersnot – Ziel 2 –, gute Gesundheitsversorgung – Ziel 3 –, hochwertige Bildung – Ziel 4 –, sauberes Wasser und sanitäre Einrichtungen – Ziel 6. Er will aber auch nicht abhängig sein von der Hilfe anderer. Er will sich das selber verdienen; er will einen Job – SDG 8. Und er ist damit in seinem Land auch noch nicht einmal allein. Die Vision des ghanaischen Präsidenten ist: „Ghana Beyond Aid“. Dafür werden Investitionen gebraucht, Jobs werden gebraucht, Infrastruktur wird gebraucht, Innovationen und Investitionen; auch das wird in den SDGs abgebildet. Nachhaltig soll das natürlich sein, sich selbst tragend, also langfristig ausgeglichen; nicht mehr verbrauchen, als verfügbar ist. Das gilt in mehrerer Hinsicht. Das gilt für die natürlichen Ressourcen; auch das wird durch mehrere dieser UN-Ziele untermauert. Das gilt aber auch für die Finanzen. Gut, dass wir in Deutschland in den letzten Jahren finanziell nachhaltig gearbeitet haben! Das gibt uns jetzt die Möglichkeit, sowohl in unserem eigenen Land die richtigen Antworten auf die Coronakrise zu finden wie auch richtig viel Solidarität mit vielen, vielen anderen Ländern in der Welt üben zu können. All das ist für Samira nur wenige 100 Kilometer nördlich von Kofi im Osten von Burkina Faso völlig unerreichbar. Ihre Schule, vielleicht früher mal von Deutschland finanziert, ist geschlossen, wie viele Hundert andere Schulen auch, weil IS-Terroristen nicht wollen, dass Mädchen in die Schule gehen, weil sie nicht wollen, dass SDG 5 gilt. „Frieden und Gerechtigkeit“, also das UN-Ziel 16, wird am Beispiel von Samira auch noch einmal ganz besonders krass deutlich. Vernetzte Sicherheit muss im Sinne von Nachhaltigkeit auch unser Anliegen sein. Entwicklung und Sicherheit sind gerade in der Sahelzone zwei Seiten einer Medaille. Wenn wir jetzt darüber nachdenken und dabei mithelfen, Perspektiven für Kofi und für Samira zu schaffen, dann ist das zweierlei: Dann ist das einerseits für uns ein ethisches Gebot, auch ein Stück weit christliche Verpflichtung. Dann ist es andererseits aber auch gleichzeitig in unserem praktischen Interesse; denn wenn es nicht gelingt, dort erfolgreich zu sein, dann wird unsere Welt immer instabiler, dann werden am Ende auch wir unseren Wohlstand, unsere Freiheit und unsere Sicherheit verlieren. Das können wir nicht wollen. Sowohl ethisch als auch aus unserem praktischen Interesse ist es richtig, dass wir etwas tun. Das klingt erst mal nach großen Worten. Üblicherweise wird hier auch das, was man für Prioritäten hält, finanziell untermauert. Die Kollegin Claudia Roth hat da – wahrscheinlich aus Zeitmangel – eben vergessen, der Regierung und der jetzigen Mehrheit zu danken. Das ergibt sich, wenn man sich anguckt, wie sich die Zahlen entwickelt haben: 2004, zum Ende der Zeit, zu der die Grünen selber noch in der Regierung waren, umfasste der Haushalt des BMZ 3,7 Milliarden Euro; die ODA-Quote lag bei 0,28 Prozent. Das war so zum Ende der grünen Regierungsbeteiligung. Heute umfasst der Haushalt 12,4 Milliarden Euro; die ODA-Quote liegt bei rund 0,7 Prozent. Ich sage ja: Es lag sicherlich ausschließlich am Zeitmangel, weshalb Claudia Roth nicht auf diesen Sachverhalt hingewiesen und nicht auch ein bisschen der heutigen Regierung gedankt hat. Wir machen damit deutlich, wo unsere Prioritäten sind, und zwar nicht nur verbal, sondern einfach mit Fakten. Ich finde, faktenorientiert zu argumentieren, ist besser, als nur mit Worten. Dieses Geld wird einerseits für Nothilfe ausgegeben; auch das sichert Stabilität. Wir haben gestern im AwZ David Beasley zu Gast gehabt. Er hat uns darüber berichtet, wie denn die 1 Milliarde Euro, die Deutschland beiträgt, sinnvollerweise ausgegeben wird. Auf der anderen Seite geht es darum, Investitionen in Compact-with-Africa-Ländern zu erhöhen, zu helfen, die richtigen Anreize für mehr Investitionen zu schaffen, also wirklich um Nachhaltigkeit im kompletten Sinne. Genau das wird gebraucht. Denn – das ist mein Traum – die Vision des ghanaischen Präsidenten sollte sich nicht auf Ghana beschränken. Wir brauchen die Vision „Africa Beyond Aid“. Vielen Dank. Für die AfD-Fraktion hat das Wort der Kollege Markus Frohnmaier.
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Sabine Dittmar SPD
Sabine
Dittmar
SPD
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon gesagt worden: Es ist das dritte Digitalisierungsgesetz im Bereich Gesundheit in dieser Wahlperiode. Ich denke, wir können sagen: Der gordische Knoten in Sachen Digitalisierung ist hiermit ein für alle Mal durchschlagen. Aber bei aller Euphorie und Dankbarkeit über das gemeinsam Geleistete gibt es – das muss ich jetzt einfach so deutlich sagen – für mich auch einen Wermutstropfen. Deshalb erlauben Sie mir, nachdem mein Kollege Dirk Heidenblut, unser Berichterstatter, bereits ausführlich auf die wirklich vielen positiven Effekte und Inhalte dieses Gesetzes eingegangen ist, auch ein paar kritische Bemerkungen zu machen. Digitalisierung ist kein Selbstzweck. Sie muss in erster Linie den Versorgungsalltag der Menschen verbessern. Das gilt für den Versicherten, den Patienten, den Beschäftigten im Gesundheitswesen genauso wie für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte. Deshalb ist es unsere Aufgabe, hier die passenden Rahmenbedingungen für die Digitalisierung gezielt voranzutreiben. Und die Maßnahmen müssen sich daran messen lassen, dass sie die Versorgung erleichtern und verbessern und im Einklang stehen mit den Grundpfeilern unseres Gesundheitssystems. Einer dieser Grundpfeiler ist die Frage der Beteiligung, die Frage der Mitbestimmung der Akteure der Selbstverwaltung inklusive der Patientinnen und Patienten. Deshalb sage ich für meine Fraktion ganz deutlich: Die Entscheidung, welche digitalen Gesundheits- und Pflegeanwendungen in der gesetzlichen Krankenversicherung erstattungsfähig sind, gehört in die Hand der Selbstverwaltungsakteure und nicht in die Hand der Bundesregierung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht dass Sie mich hier jetzt falsch verstehen: Nicht das Fast-Track-Verfahren zur Prüfung der DiGAs und DiPAs ist das Problem, sondern die fehlende Hinzuziehung der Selbstverwaltungsakteure sowie Patientinnen und Patienten bei der Entscheidung über die Erstattungsfähigkeit. Auch die Frage der freien Preisbildung im ersten Jahr von digitalen Gesundheitsanwendungen durch Hersteller ist aus Sicht meiner Fraktion, der SPD, sehr problematisch. Wir werden deshalb die anstehenden Entscheidungen über Höchstpreisgruppen bei DiGAs sehr genau im Auge behalten. Denn klar für uns ist, dass die Zahlung von Mondpreisen für digitale Gesundheitsanwendungen aus Beitragsmitteln im ersten Jahr nicht sachgerecht ist. Meine Damen und Herren, trotz der eben aufgezeigten Problemfelder, bei denen wir abhängig von den künftigen Entwicklungen sicher nachsteuern müssen, ist das DVPMG ein gutes Gesetz, dem sicherlich auch noch einige nachfolgen werden. Denn auch schon vor der Coronapandemie war uns allen klar, wie wichtig Digitalisierung im Gesundheitswesen ist und welches Potenzial darin liegt. Egal ob digitale Angebote wie die Videosprechstunde, das E-Rezept oder die AU-Bescheinigung, der Anschluss weiterer Leistungserbringer oder die Einbindung der Pflege: Dies alles sind wichtige Aspekte für eine wirklich gute zeitgemäße Versorgung. Die bringen wir mit dem vorliegenden Gesetz ein ganzes Stück weiter. Dementsprechend bitte ich um Ihre Zustimmung und bedanke mich für die guten Beratungen. Bleiben Sie gesund! Vielen Dank, Kollegin Dittmar. – Als letzten Redner in der Debatte hören wir von der CDU/CSU-Fraktion Stephan Pilsinger.
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Metin Hakverdi SPD
Metin
Hakverdi
SPD
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Sturm auf das deutsche Parlament, den Deutschen Bundestag, von Mitgliedern – – So, jetzt ist Herr Hakverdi dran. Wollen Sie den Versuch unternehmen, Herr Baumann, mich niederzubrüllen? Ist das Ihre Art? Erneut? – Das war eine rhetorische Frage. Der Versuch auch Ihrer Parteimitglieder, den Deutschen Bundestag im August letzten Jahres zu stürmen, die Tatsache, dass Sie Menschen hier in unser Haus gelassen haben, um offensichtlich die innere Ordnung zu stören, und natürlich auch die Tatsache, dass Sie hoffentlich bald vom Verfassungsschutz beobachtet werden, zeigt – – Lassen Sie ihn jetzt bitte ausreden. Das ist so üblich in der Nichtdemokratie, niemanden ausreden zu lassen, nicht wahr? – Ja, Sie distanzieren sich von Ihrer Fraktion, Herr Glaser, aus gutem Grund. Das verstehe ich. Sie sind die Feinde der Demokratie. Ich werde Ihre Frage nicht beantworten. Und ich werde auch niemanden aus Ihrer Fraktion zum stellvertretenden Bundestagspräsidenten wählen. Ich danke Ihnen. Vielen Dank, Kollege Glaser. Vielen Dank, Kollege Hakverdi. – Ich gebe jetzt ab an meinen sehr geschätzten Kollegen Kubicki. Frau Kollegin Dr. Lötzsch, Sie haben als Nächste das Wort.
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Dr.
Dr. Karl-Heinz Brunner SPD
Karl-Heinz
Brunner
SPD
Sehr verehrter Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Manches von dem, was der Kollege Ullrich angesprochen hat, könnte ich jetzt mit vollster Inbrunst wiederholen, weil verfassungsrechtliche Fragen als solche richtig beantwortet wurden. Wir beraten heute in zweiter und dritter Lesung, werte Kolleginnen und Kollegen, den Entwurf eines Gesetzes, eingebracht durch Bündnis 90/Die Grünen, das vorsieht, Auslandseinsätze jeglicher Art durch das Bundesverfassungsgericht auf ihre verfassungsgemäße Legalität zu überprüfen. Ich sage es Ihnen vorweg: Dieser Gesetzentwurf ist abzulehnen; denn er gefährdet zum einen die Sicherheit der Soldatinnen und Soldaten und zum anderen die Sicherheit unserer Einsätze, ohne dass hierfür eine verfassungsrechtliche Notwendigkeit besteht. Erlauben Sie mir an dieser Stelle, dies auch zu begründen. Zum einen: Nach dem Entwurf sollen nicht nur ein Viertel der Mitglieder des Bundestages antragsberechtigt sein, sondern auch einzelne Fraktionen. Wie groß diese Fraktionen sind, sagt der Entwurf nicht. Dass damit die politische Handlungsunfähigkeit der Bundesregierung und des Bundestages herbeigeführt werden kann, kann man nur erahnen. Sie vermischen hier die Antragsfähigkeit der abstrakten Normenkontrolle und des Organstreitverfahrens. Beide Verfahren sind aber strikt zu trennen. Und es gibt gute Gründe, diese abstrakten Rechtsfragen nur nach Antrag einer qualifizierten Mehrheit zu prüfen. Die Rechtsfolgen als solche sind fragwürdig. Aber, verehrte Kolleginnen und Kollegen, zuletzt spricht gegen diesen Antrag, dass eine Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht auch aus verfassungsrechtlichen Gründen schlicht nicht geboten ist. Die Entscheidung über Auslandseinsätze aller Art, ob zur Verteidigung oder im Rahmen eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit, obliegt nicht nur der Abstimmung durch die Regierung, sondern auch dem Beschluss des Deutschen Bundestages. Das ist das Wesen unserer Parlamentsarmee. Mit diesem Beschluss des Bundestages ist die gefestigte und langjährige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verbunden; denn es überprüfen bereits zwei Verfassungsorgane die Rechtmäßigkeit, nach einer sehr umfassenden Debatte und einer umfassenden Erörterung. Auch über kurzfristige Auslandseinsätze muss der Bundestag immer qualifiziert unterrichtet werden. Bundestag und Bundesregierung sind Verfassungsinterpreten, die sich umgehend mit der Frage der Legalität von Auslandseinsätzen beschäftigen. Zudem geht es bei der Entscheidung über Einsätze der Bundeswehr im Kern weniger um rechtliche, schon gar nicht um verfassungsrechtliche, vielleicht völkerrechtliche Fragen. Es geht aber im Wesentlichen um politische Fragen. Wir sollten bedenken, welche politische Signalwirkung ein solcher Machtzuwachs des Bundesverfassungsgerichts bei der Frage von Auslandseinsätzen auf unsere Bündnispartner hätte. Aus guten Gründen hat sich das höchste deutsche Gericht bei diesen schwierigen sicherheitspolitischen Abwägungsentscheidungen bisher äußerst zurückgehalten und der Politik einen extrem weiten Einschätzungs- und Ermessensspielraum zugestanden. Aus diesen rechtlichen und politischen Erwägungen heraus und weil es keine Rechtsschutzlücke gibt, – Kommen Sie bitte zum Schluss. – ist der Antrag abzulehnen. Wir werden auf jeden Fall nicht diese Rechtsunsicherheit schaffen. Wir wollen Handlungsfähigkeit des Bundestages herstellen bzw. behalten, und dies nicht auf Kosten der Sicherheit. Vielen Dank, Herr Kollege Brunner. – Nächster Redner ist der Kollege Dr. Jürgen Martens, FDP-Fraktion.
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Markus Kurth BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Markus
Kurth
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Menschen, die den größten Teil ihres Lebens gearbeitet, Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt haben“, sollen im Alter mehr haben als die Grundsicherung. Das steht im Wahlprogramm von Bündnis 90/Die Grünen und stand in den Vorjahren in Beschlüssen. Es steht tatsächlich fast genau so im Koalitionsvertrag der Großen Koalition – man staune! Wir hatten es auch in die Sondierungspapiere für Jamaika reingeschrieben. Jetzt plötzlich steht hier mein Kollege Ralf Kapschack und verkündet es als Kernbotschaft bei der Grundrente. Zumindest in dieser Hinsicht der Werte- und Zielausrichtung sieht man: Grün wirkt. – Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, da kommen Sie jetzt natürlich ins Raunen. Ich weiß, dass sich ein Mitglied Ihres Kabinetts mit Plagiatsvorwürfen plagt. Aber in der Politik gibt es kein Copyright. Da dürfen Sie ruhig abschreiben und Ideen von uns übernehmen. Sogar FDP und AfD können sich zumindest dem Sog dieser Botschaft nicht entziehen. Sonst hätten wir die Anträge nicht. Allerdings hätten Sie es besser so wie die SPD gemacht, wenngleich sie auch nicht 100 Prozent unseres Garantierentenkonzepts übernommen hat. Sie hätten aber ruhig etwas bei uns abschreiben sollen. Dann wären Ihre Anträge besser als das, was Sie hier vorlegen. Ihre Anträge sind letzten Endes Täuschkörper und Mogelpackungen; denn im Kern bleiben Sie der Grundsicherungslogik verhaftet, wenn auch auf etwas unterschiedliche Art und Weise. Es sind keine Lösungen im Rahmen des Versicherungssystems; aber darauf käme es an. Das ist im Übrigen, Matthias Birkwald, der Vorteil der Garantierente gegenüber der Mindestsicherung der Linken, die wiederum Vermögensprüfungen und dergleichen vorsieht. Eine vernünftige, niedrigschwellige Garantierente, von der gerade Frauen profitieren, die – wie beschrieben – ihr ganzes Leben in verschiedenen Feldern gearbeitet haben, ist wesentlich besser innerhalb des Versicherungssystems anzulegen und umzusetzen. Der von der AfD vorgeschlagene Freibetrag birgt eine große Gefahr für das Versicherungssystem. Frau Schielke-­ Ziesing hat es direkt gesagt: Bei Hartz IV könne man ja auch was behalten. – So würden Sie eine Kombirente und damit das Pendant zum Kombilohn schaffen. Wenn man in der Grundsicherung einen Freibetrag einführen würde, würde dies dazu führen, dass das Rentenniveau sehr stark unter Druck gerät und dass plötzlich das Versicherungssystem nur noch ein Anhängsel des Grundsicherungssystems ist. Das würde die Grundfesten der gesetzlichen Rentenversicherung untergraben. – Diese systematischen Überlegungen zum Sozialrecht haben Sie offensichtlich gar nicht erst angestellt, und das ist sehr schade. Es ist so, dass die Garantierente, wie wir sie vorschlagen, etwas besser ist als das, was jetzt bei der SPD im Gespräch ist, weil die Anspruchsvoraussetzung bei uns nur 30 Versicherungsjahre sind. Dadurch können wir insbesondere weibliche Bevölkerungsgruppen, die stark von Altersarmut betroffen sind, dort wesentlich besser mit hineinnehmen. Wir schlagen ebenfalls vor, dass man die Anreize für Betriebsrenten und private Vorsorge erhält. Das heißt, Riester-Renten und Betriebsrenten werden nicht angerechnet. Zielgenauigkeit können wir sehr gut durch eine Teilung der Rentenansprüche im Rahmen eines Rentensplittings erreichen, unabhängig davon, wie sich Ehepaare Erwerbs- und Sorgearbeit aufteilen. Beide Ehepartner erhalten eigenständige Ansprüche, was zur Folge hat, dass die Garantierente zielgenau und bedarfsgerecht wirken kann. Wir werden diese Punkte in die Debatte einbringen und hoffen, dass wir einen guten Ansatz in den parlamentarischen Beratungen noch sehr viel besser machen können, damit Grün dann auch in der Praxis wirklich wirkt. Danke schön. Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun die Kollegin Jana Schimke das Wort.
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Ursula
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Syrien ist ein zutiefst gebeuteltes Land. Es wird nicht nur, wie derzeit so viele Länder weltweit, von Corona heimgesucht, sondern – da liegt das Hauptproblem – schon seit 2011 von seiner eigenen Regierung. Das Assad-Regime ist ähnlich zerstörerisch wie das Virus und genauso heimtückisch und unempfindlich gegen gute oder schlechte Ratschläge von außen. Ähnlich wie das Virus im schlimmsten Fall den eigenen Wirt tötet, richtet sich auch Assad perfiderweise seit Jahren gegen sein eigenes Volk und zerstört sein eigenes Land, das doch eine so unglaublich reiche Kultur und Geschichte hat und dank seiner Bodenschätze und seiner jungen, gut ausgebildeten Bevölkerung auch ökonomisch sehr wohlhabend sein könnte. Leider ist im Gegensatz zu Corona bei Assad nicht einmal ansatzweise ein Impfstoff in Sicht, ganz sicher nicht in Ihren Anträgen. Ihre Haltung zu Syrien erinnert mich auf ungute Weise an Ihr Verhalten bei Corona. Auch in Syrien hilft kein blindes Zurück zum Normalzustand, kein Ignorieren der Tatsache, dass aus Syrien Geflüchtete kein Zuhause mehr haben, und vor allem keine falsche Toleranz eines Unrechtsregimes, auch nicht unter dem Deckmantel der Bekämpfung der Coronapandemie und schon gar nicht Besuche von AfD-Abgeordneten in Syrien. Ja, Sanktionen treffen immer auch die Bevölkerung. Aber leider sind sie oftmals fast die einzige wirksame Medizin gegen ein krankes Regime. Weder Viren noch Diktatoren verschwinden oder werden dadurch ungefährlicher, dass man kurzerhand erklärt, sie seien eigentlich ganz harmlos. Hier helfen nur Völkerrecht und Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft, und zwar in zwei Formen: zum einen mit massiver humanitärer und medizinischer Hilfe, wie sie seit Jahren von der Bundesrepublik Deutschland mit Millionensummen und großer Expertise, beispielsweise aus dem BMZ, unterstützt wird, zum anderen aber auch mit strenger Kontrolle durch die Vereinten Nationen, wie wir sie gemeinsam mit unseren europäischen Partnern, allen voran Frankreich, praktizieren. Nur so können wir Syrien stabilisieren und irgendwann auf Frieden hoffen. Vielen Dank. Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Djir-Sarai das Wort.
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Karsten Hilse AfD
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Landsleute! Wieder einmal stehen die Altparteien vor einem Scherbenhaufen, den ihre Energiepolitik – von uns vorausgesagt – angerichtet hat. Wieder einmal kann die AfD nur den Finger in die Wunde legen; denn wieder einmal wird der mit Volldampf gefahrene Weg ins Verderben fortgesetzt werden. Zu den selbstgemachten Problemen der bisher schon immensen, aber gewollten Energieverteuerung kommt jetzt als Brandbeschleuniger der Ukrainekrieg hinzu, der wiederum ein unsägliches Possenspiel von Sanktionen gegen unseren wichtigsten Energielieferanten mit katastrophalen Schäden für Deutschland ausgelöst hat. Putin dreht uns nun unbeeindruckt von sämtlichem Sanktionsgefasel Stück für Stück den Gashahn zu. Klar denkende Menschen, die darauf hinweisen, dass Deutschland mit seinen Sanktionen, die uns selbst am meisten schaden, die Drosselung förmlich herausgefordert hat, haben laut Minister Habeck eine präfaschistische Position. Aber um zu glauben, dass, wenn man Putin ständig mit dem Stopp des Bezugs von Erdgas und Öl droht, dieser nicht von selbst auf die Idee kommt, an der Lieferschraube zu drehen, muss man schon sehr dumm oder sehr ideologisch sein, was aber natürlich auf dasselbe herauskommt. Nun bricht hierzulande Panik aus – völlig zu Recht; denn Deutschland wird schon den kommenden Winter, wenn nicht mehrere Wunder geschehen, kaum überstehen. Zu viele nur dem Klimawandel geschuldete Stilllegungen von völlig intakten und sicheren Kraftwerken sind schon erfolgt, Braunkohletagebaue sind geschlossen und die Produktion von einheimischem Schiefergas ist verunmöglicht worden. Jetzt gaukeln Sie dem Volk vor, dass Sie irgendwas aktiv an der Vermeidung des selbsterzeugten Mangels ändern wollten. Das könnten Sie mit einer 180-Grad-Wende Ihrer gesamten Energiepolitik. Allerdings hängen Sie wie Marionetten an den Strippen der Windkraftlobby und den Planern des Great Reset. Diese flüstern Ihnen ein, was Sie hier behaupten, zum Beispiel, dass immer mehr Vogelschredder eine positive Wirkung auf unser Versorgungsproblem hätten. Vollkommen absurd! Sie nutzen weder dem Klima etwas – das wissen alle –, noch lösen Sie mit Ihrem Flatterstrom das Versorgungsproblem. Im Gegenteil: Sie verstärken es; denn zu jeder Windindustrieanlage gehört ein Gaskraftwerk, um die schnellen Windfluktuationen auszugleichen, betrieben mit Gas, was wir nicht haben – heute nicht, morgen auch nicht. Denn der Weltmarkt wartet nicht auf Deutschland als Gaskunden. Da nützt auch kein noch so tiefer Bückling vor den Kataris oder vor „Sleepy Joe“. Wo nichts ist, kann nichts geliefert werden. Und dann behaupten Sie und auch andere hier, dass man die Kernkraftwerke nicht weiter betreiben könnte, weil beispielsweise die Brennstäbe fehlten; dazu sei es zu spät. Doch fast immer, wenn Kommunisten den Mund aufmachen, lügen sie. Denn wie die Firma Westinghouse dem „Handelsblatt“ sagte, habe sie der Bundesregierung schon im März mitgeteilt, dass man sehr wohl rechtzeitig liefern könne. Aber man habe von der Bundesregierung seitdem nichts mehr gehört. Das Zeitfenster schließt sich nun schnell. Eine Anfrage müsste rasch erfolgen. Daher können wir hier nur feststellen: Gnade uns Gott; denn eine dermaßen zerstörerische Energiepolitik gegen das eigene Volk hätte sich wohl keiner unserer Feinde ausdenken können. Das können nur Sie und Ihre Deutschlandhasser. Vielen Dank. Olaf in der Beek spricht für die FDP-Fraktion.
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Jürgen Trittin BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Jürgen
Trittin
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ja, mit der Situation in Xinjiang und der Erinnerung an Tiananmen haben wir keine angenehmen Themen auf der Tagesordnung. Hinzu kommt die Situation in Honkong. 70 Jahre nach Gründung der Volksrepublik und 22 Jahre nach Beendigung der britischen Kolonialherrschaft demonstrieren seit Wochen Hunderttausende von Menschen in Hongkong für ihre Rechte. Zunächst richtete sich ihr Anliegen auf die Zurückziehung eines Auslieferungsabkommens mit China. Das ist nun viel zu spät und formal immer noch nicht von Carrie Lam zurückgezogen worden. Aber die Demonstrationen hören nicht auf. Es kommt immer wieder zu gewaltsamen Zusammenstößen. Bis heute wurden Tausende von Menschen festgenommen, darunter Jugendliche und Kinder. Viele von ihnen mussten erst per Gerichtsbeschluss wieder freigelassen werden. Bei den Demos wurden Menschen zum Teil sehr, sehr schwer verletzt. Schlägerbanden griffen vermeintliche Wortführer der Demokratiebewegung an, und die Polizei schaute unzählige Male weg. Aber auch aus friedlichen, geduldeten Demonstrationen heraus kam es zu gewaltsamen Protesten, zur Zerstörung von U-Bahnhöfen, zum Abwurf von Molotowcocktails auf Polizeireviere oder zu Angriffen auf Geschäfte. Diese Situation muss uns besorgen – nicht etwa, weil es in Hongkong 600 deutsche Unternehmen gibt, die dort tätig sind, sondern weil die Gewalt die Grundrechte der in Hongkong lebenden Menschen gefährdet. Ich will es in aller Deutlichkeit sagen: Wir stehen an der Seite der friedlichen Demonstrantinnen und Demonstranten. Sie haben recht, wenn sie eine unabhängige und unparteiische Aufarbeitung der Gewalt fordern. Ich kann mir gar keinen anderen als diesen Weg vorstellen, um zu einer Deeskalation zu kommen. Diese Auseinandersetzungen gefährden auch den Status von Hongkong. 1984 vereinbart, gilt ein Grundprinzip, das lautet: „Ein Land, zwei Systeme“. Dieses wurde im Basic Law Hongkongs niedergelegt. Darin garantiert China grundlegende Freiheitsrechte wie die Meinungsfreiheit, die Pressefreiheit und die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit. Es garantiert unterschiedliche Sozial- und Wirtschaftssysteme, eigene Zölle, eine eigene Währung. „Ein Land, zwei Systeme“ ist – darauf legen die Chinesen immer Wert – eine Absage an Separatismus, aber es ist gleichzeitig der Anspruch an Vielfalt in der Einheit, und deshalb darf es in Hongkong nur eine friedliche Lösung auf der Grundlage des Basic Law geben. Ich weiß, dass das nicht einfach ist. Es sind wirklich zwei unterschiedliche Systeme. Hongkong galt einmal als die liberalste Marktwirtschaft der Welt. 51,5 Stunden durchschnittliche Arbeitszeit – das ist die längste der Welt gewesen. Es gibt dort viele Millionäre und Milliardäre, aber es gibt auch unzählige Menschen, die sehr, sehr arm sind. 20 Prozent der Bevölkerung in Hongkong verdienen weniger als die Hälfte des mittleren Einkommens, sind also Armut ausgesetzt. Diese Ungleichheit ist auch ein Treiber der Proteste. Aber ich will eines hinzufügen: Diese Entwicklung und die Infragestellung von „Ein Land, zwei Systeme“ werden auch durch die Veränderungen in China selbst verursacht. Aus einer lange Zeit autoritären, aber fragmentierten Herrschaft ist unter Xi Jinping ein immer autoritäreres – manche sagen auch: totalitäreres – System geworden. Während in Hongkong Menschen für ihre sozialen Rechte auf die Straße gehen, müssen in China mittlerweile Journalisten über Apps Tests absolvieren, um ihren Presseausweis verlängert zu bekommen. Da steht dann zur Auswahl, der Journalist habe sich a) streng an den Wahrheitsgehalt der Nachricht zu halten oder b) streng daran zu halten, positive Propaganda hervorzuheben. Es versteht sich von selbst, dass b) die richtige Antwort ist. Ich will nur darauf verweisen, dass der Begründer von „Ein Land, zwei Systeme“, ein gewisser Deng Xiaoping, das anders gesehen hat. Der wurde nämlich berühmt mit der Parole „Die Wahrheit in den Fakten suchen“. Ich finde, das ist der wichtigste Grund, weswegen es einer unabhängigen Untersuchung der Vorfälle in China bedarf. Ich füge zum Schluss hinzu: - Denken Sie bitte an die Redezeit. – Ich habe dieser Tage gelesen, dass Xi Jinping und Emmanuel Macron erklärt haben, sie wollten das Pariser Abkommen zum Klimaschutz unumkehrbar machen. Sie haben sich zum Multilateralismus bekannt. Ich finde, man muss Xi Jinping an dieser Stelle beim Wort nehmen: Wer den Multilateralismus lobt, der muss völkerrechtliche Verträge einhalten. Nichts anderes verlangen wir, wenn wir sagen: Das Prinzip „Ein Land, zwei Systeme“ muss in Hongkong auch von China respektiert werden. Vielen Dank, Jürgen Trittin. – Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Michael Brand.
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Lamya Kaddor BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Lamya
Kaddor
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es sind Szenen, die ich nicht vergessen werde, und ich möchte diese gerne hier mit Ihnen teilen. Hauptbahnhof Berlin, Freitagnachmittag, Ende einer Sitzungswoche, vor mir eine junge Frau mit einem Säugling im Wagen. Sie kann ihr Abteil nicht finden; mehrere Taschen hängen an ihr. Sie beginnt zu schwitzen. Die Reihung der Waggons hat sich verändert; die DB hat das auch schon durchgesagt. Aber wie soll sie das verstehen? Ihr Ticket und das Abteil wollen einfach nicht zusammenpassen. Ihr Säugling schreit, und sie kann einfach nicht mehr, zumindest denke ich das. Ihr fällt sichtlich ein Stein vom Herzen, als ich sie auf Englisch frage, ob ich ihr helfen kann. Sie muss ein paar Abteile weiter. Sie lächelt mich an und geht dann von dannen. Was, denke ich bei mir, wenn ich das wäre, mit meinen Kindern an der Hand in einem fremden Land, in einem fremden Zug, ein paar Habseligkeiten, die ich retten konnte, zusammengerafft in einer Tasche, mein Mann zu Hause geblieben, um Deutschland zu verteidigen? In welches Land würde ich überhaupt gehen? Wer würde mir helfen? Szenenwechsel: Zu Hause in Duisburg angekommen; mein Nachbar, Frührentner, ist ehrenamtlich beim THW aktiv. Er möchte nach Polen fahren, um dort direkt zu helfen. Seine Frau will ihn auf keinen Fall fahren lassen; sie hat Angst um ihn. Meine Damen und Herren, sie hat Angst, weil ihr Mann nach Polen will – Europa. Wir sprechen hier von Europa. Wir erleben gerade tektonische Verschiebungen, und Sicherheit, also die Sicherheit, in der wir uns zu sehr wähnten, ist ein zerbrechliches Gut. Ich bin den ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern so dankbar für die Selbstverständlichkeit, mit der sie helfen, den Polizistinnen und Polizisten, den THW-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern, auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Städten und Gemeinden. Wir stemmen gerade als Land und als EU eine Menge, und ich bin – das möchte ich einmal deutlich sagen – beeindruckt von meinem Land und, ja, dankbar, dass wir das so hinkriegen. Ich bin auch sehr dankbar dafür, dass wir für die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen eine europäische Einigung herbeigeführt haben. So geht Europa. Es ist unser Europa, und es ist gut möglich, dass dieses Europa den Kreml überrascht hat. Und wenn dem so ist, dann ist das gut. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, und doch: Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine stellt uns nicht nur international, ganz anders als in den letzten Jahrzehnten, vor immense Herausforderungen. Was heißt das eigentlich für eine vorausschauende Innenpolitik? Wir brauchen eine nationale Sicherheitsstrategie, die einen erweiterten Sicherheitsbegriff zur Grundlage hat. Ich bin dem Bundeskanzler sehr dankbar, dass er gestern hier im Hohen Haus von Verteidigung und Sicherheit sprach. Wir können und dürfen militärische Verteidigung nicht ohne den zivilen Krisenschutz für die Menschen in unserem Land denken. Die vergangenen Tage haben auch gezeigt: In der Ukraine handelt es sich nicht nur um einen militärischen Krieg, sondern auch um einen Informationskrieg, der im digitalen Raum ausgefochten wird. Gegen hybride Angriffe sollten wir gewappnet sein. Mögliche Beeinträchtigungen der kritischen Infrastruktur auch durch Cyberangriffe müssen ernst genommen werden. Dazu gehört ein möglicher Ausfall der Strom-, Wasser- oder Wärmeversorgung. Wir wollen eine strategische Neuausrichtung und zügige Umsetzung der Konzeption „Zivile Verteidigung“. Stellen wir uns nur einen Stromausfall in einer Großstadt wie Hamburg oder in meinem Wahlkreis Duisburg vor. Nur drei Tage ohne Strom würden uns lahmlegen und Chaos erzeugen. Wir müssen schnell reagieren können. Wir müssen handeln, bevor so etwas passiert, nicht wenn so etwas passiert. Hier geht es aber auch nicht um Panikmache; aber kluge Politik handelt vorausschauend. Deshalb gehen wir mit klarem Blick unsere neuen Aufgaben an. Es ist daher genau richtig, dass Sie, Frau Bundesinnenministerin Faeser, bereits angekündigt haben, den Zivilschutz auszubauen. Jetzt gilt es, das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik unabhängiger zu stellen. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe braucht eine massive personelle und materielle Stärkung. Das BBK muss eine Zentralstelle sein, um sich an veränderte Lagen schnell anpassen zu können. Auch das THW steht bereit, seine Aufgaben umfassend zu erfüllen und, wo nötig, anzupassen, zum Beispiel bei der Lebensmittelbevorratung, die zentral organisiert gehört. Die Resilienzfähigkeit ist für unsere hochtechnologisierte Gesellschaft einfach zentral, und zwar nicht nur beim Zivilschutz. Es ist ein Trauerspiel, wie die Behörden, die im Ernstfall genuine Schutzpflichten des Staates umsetzen müssen, in den vergangenen Jahren vom zuständigen CSU-geführten Haus kleingehalten und personell abgekanzelt wurden. „Wie konnte das geschehen?“, möchte man an dieser Stelle Herrn Seehofer fragen. Aber gut, lassen wir das jetzt; es würde aller Voraussicht nach nichts bringen. Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, die russische Invasion der Ukraine hat auch durch Desinformation und Cyberattacken eine ernstzunehmende Bedrohungslage geschaffen. Aber hybride Angriffe sind nicht erst ein Problem seit Beginn des Putin’schen Krieges. – Sofort, Herr Präsident. – Eines ist aber auch klar: Demokratiefeinde mit Zugang zu Informationen, Waffen und Munition, Extremisten jeglicher Art dürfen nicht Diener dieses Staates sein; auch jeder Einzelfall ist einer zu viel. Das werden wir nicht dulden und, wo nötig, auch das Dienstrecht anpassen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Vielen Dank, Frau Kollegin. – Sie haben sich alle so gefreut, dass ich wieder präsidiere; das wird sich ändern mit der Freude, glaube ich. Nächster Redner ist der Kollege Dr. Christian Wirth, AfD-Fraktion.
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Dr.
Dr. Karl Lauterbach SPD
Karl
Lauterbach
SPD
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich auf Folgendes hinweisen: Wenn man die Diskussion hier im Parlament verfolgt – das ist auch in vielen anderen Debatten so –, in denen wir uns mittlerweile maßgeblich über Fragen unterhalten wie: „Wie sind Kopf-ab-Gesten zu interpretieren? Was ist die Bedeutung von ‚Krematoriumsascheʼ?“, und dann ein paar Jahre zurückdenkt, muss man festhalten: Das wäre undenkbar gewesen! Wer von uns hätte das für möglich gehalten! – Daher ist es tatsächlich so – das muss man einfach zugeben –: Die AfD ist auf dem Weg, die, sagen wir mal, bundesparlamentarische Vertretung der NPD zu werden. Das ist eine Schande. Wir müssen alle zusammen dafür kämpfen, dass wir diese Entwicklung zurückdrängen; denn das entwertet alles, was wir hier machen. Die sogenannten Altparteien sind die Parteien, die noch für alte Werte stehen. Zu diesen alten Werten, zu denen auch ich mich bekenne, gehört Anstand. Dazu gehört Vernunft. Dazu gehört auch der Respekt vor anderen. Ich komme zum eigentlichen Thema. Ich als jemand, der der Großen Koalition in den letzten Monaten nicht immer komplett, sagen wir mal, konstruktiv gegenüberstand, möchte Christine Lambrecht in ihrer neuen Rolle danken. Ich muss einräumen, dass hier wichtige Akzente gesetzt worden sind. Einer dieser Akzente ist das Gesetz für faire Verbraucherverträge, für das es einen Referentenentwurf gibt. Dieser Referentenentwurf konzentriert sich auf die Bereiche Energiewirtschaft, Telefonverträge, aber auch Vermittlungsvorteile und anderes. Das ist ein wichtiger Schritt nach vorn. Wir sind im Zeitalter der Digitalisierung immer rascher in einem Vertrag, für den man dann lange zahlen muss, weil man nicht mehr rauskommt. Hier haben wir Akzente zu setzen. Das passiert. Wir haben auch wichtige Akzente im Gesundheitsbereich zu setzen. – Meine Redezeit ist leider schon verbraucht. Herr Lauterbach, gestatten Sie eine Zwischenfrage eines Kollegen der AfD? Ja. Das ist die einzige Möglichkeit, noch Redezeit zu bekommen. Na gut. Diese Redezeit nehme ich dann sehr gerne an. Herr Lauterbach, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Wie heißen Sie? Keuter ist mein Name. – Nachdem der Kollege eben nicht in der Lage war, die Definition von „Judaslohn“ weiter auszuführen: 2010 haben Sie gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ das Wort „Judaslohn“ verwandt. Ich möchte Ihnen jetzt nicht Antisemitismus unterstellen. Vielleicht klären Sie uns und unsere Zuschauer darüber auf, wie Sie das Wort „Judaslohn“ interpretieren. Sehr gerne. – Sie wissen ja, dass es immer darauf ankommt, in welchem Kontext man einen Begriff verwendet. Der Unterschied ist hier der: Als ich diesen Begriff damals in einer Auseinandersetzung in der Sache mit Kollegen – – – Wollen Sie jetzt meine Antwort hören, oder nicht? Was ist jetzt Sache? – Okay. Ich danke Ihnen, wenn Sie mir dann auch zuhören. – Wenn ich den Begriff „Judaslohn“ in einer Auseinandersetzung verwende, in der es um Inhalte geht, in der weder Herr Rösler noch ich in irgendeiner Hinsicht jemals im Verdacht stehen, antisemitische Äußerungen getan zu haben, dann ist die Vermutung von Antisemitismus weit hergeholt. Aber wenn von Ihnen jeden Tag Begriffe wie „Krematoriumsasche“ oder von Kopf-ab-Debatten und dergleichen zu hören ist, dann weiß das jeder einzuordnen. Bitte stellen Sie sich doch nicht dümmer, als Sie sind. Ich komme zum Abschluss. Wir haben noch einiges zu tun. Christine Lambrecht wird auch im Gesundheitsbereich aktiv werden. Wir haben bei der elektronischen Patientenakte durch ein Gesetz, in dem es um die Sicherheit der elektronischen Patientenakte geht, zunächst einmal entschleunigt. Das ist eine der wichtigsten Interventionen, die im Gesundheitsbereich von uns überhaupt getätigt wird. Da geht es darum: Hilft die neue Datenwelt den Patienten, oder schadet sie ihnen? Kommt es zum Verkauf und zum Missbrauch der Daten, oder wird dadurch die Therapie besser? Christine und ich werden uns dafür einsetzen, dass die Therapie besser wird. Darauf freue ich mich. Ob in der Großen Koalition oder nicht, sei dahingestellt. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Letzter Redner in der Debatte ist der Kollege Sebastian Steineke für die Fraktion der CDU/CSU.
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Andreas Schwarz SPD
Andreas
Schwarz
SPD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren vor den Bildschirmen! Lassen Sie mich mit einem Zitat beginnen: Das Militär ist eine Pflanze, die man sorgfältig pflegen muss, damit sie keine Früchte trägt. Ich denke, mit dem vorgelegten Verteidigungshaushalt und dem Stellenplan sind wir auf dem richtigen Weg, dieses Ziel zu erfüllen. Einige Schlagworte: 46,8 Milliarden Euro, 1,2 Milliarden Euro mehr. Wir nähern uns mit 1,5 Prozent der NATO-Quote an. Sie ist höher als vorgesehen. Das sind erst einmal gute Nachrichten an die Truppe, aber natürlich auch gute Nachrichten an die Bündnispartner. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, das viele Geld muss natürlich auch da ankommen, wo es dringend gebraucht wird, nämlich bei den Soldatinnen und Soldaten. Lassen Sie mich an dieser Stelle meine Wertschätzung, meinen Respekt und meine Anerkennung an die Truppe zum Ausdruck bringen und Dankeschön sagen. Da ich für den Einzelplan 14 ganz frisch zuständig bin, erfahre ich jetzt nach und nach, wo in der Truppe der Schuh drückt. Die Bundeswehr freut sich bestimmt, dass mit diesem Haushalt mehr Geld in allen Bereichen ausgegeben werden kann. Aber, meine Damen und Herren, es gibt trotzdem noch zu viele Baustellen, die jetzt beseitigt werden müssen. Ich nenne sie einfach mal die drei Bs. Was sind die drei Bs? Beschaffen, Betrieb und Bauen. Fangen wir mit der Beschaffung an. Viele Kommandeure vor Ort beklagen – ich habe mir sagen lassen, das ist auch kein neuer Zustand –, dass es an vielen Dingen fehlt. Meistens sind es die Kleinigkeiten des Lebens wie Rücksäcke, Kampfstiefel, Schutzwesten, aber manchmal auch schweres Gerät wie Fahrzeuge oder Hubschrauber. Machen wir mit dem Betrieb, dem nächsten B, weiter. Viele Fahrzeuge funktionieren leider nicht, und es dauert Wochen oder gar Monate – im Schiffsbereich teilweise Jahre –, bis sie repariert und damit wieder einsatzfähig sind. Und das dritte B, das Bauen. Meine Damen und Herren, so mancher unserer sehr gut ausgebildeten Soldaten ist in Unterkünften untergebracht, die mehr als sanierungsbedürftig sind, teilweise fehlen sogar Unterkünfte für die Truppe. Das empfinde ich als unwürdig. Und es sorgt auch für einen gewissen Unmut in der Truppe. Respekt und Wertschätzung müssen sich auch in der Unterbringung unserer Soldatinnen und Soldaten wiederfinden. Da müssen wir ansetzen. Geld ist nun da, nicht nur für prestigeträchtige Großprojekte, sondern vor allen Dingen auch für die persönliche Ausstattung unserer Soldatinnen und Soldaten. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Geld allein wird aber nicht ausreichen. Ich bin leider zu der Überzeugung gekommen, dass die vielen Vorschriften und umständlichen Prozesse dazu führen, dass man sich teilweise selbst im Wege steht. Wir kommen auf einen ganz gefährlichen Pfad, wenn wir als Verantwortliche diese Missstände als normal akzeptieren und einfach als gegeben ansehen. Gerade jetzt könnte und muss die Bundeswehr auch konjunkturelle Akzente setzen, beispielsweise im Flugzeugbereich. In diesem Zusammenhang müssen wir aber auch über den Ausbau und den Schutz von deutschen Schlüsseltechnologien reden. Liebe Bürgerinnen und Bürger, jetzt fragen Sie sich bestimmt: Was genau muss passieren? Ganz einfach: weniger Juristerei und mehr praktischer Menschenverstand, weniger Sonderanforderungen und mehr von der Stange kaufen, siehe das letzte gescheiterte Großprojekt „schwerer Transporthubschrauber“. Warum können andere NATO-Partner mit konventioneller Ausstattung fliegen, und wir haben Anforderungen an die Technik, die erst entwickelt werden muss? Natürlich begrüße ich es, dass die Kommandeure vor Ort mittlerweile ein Handgeld erhalten, um notwendige kleine und überschaubare Anschaffungen zu tätigen. Doch hier gibt es ein Problem: Handelt es sich um eine etwas größere oder teurere, aber notwendige und eilige Anschaffung, endet der Spielraum bei 4 999 Euro. Somit legt man jedem Kommandeur ein enges Korsett an, das ihm am Ende zum Handeln die Luft abdrückt. Dieser Zustand, meine Damen und Herren, ist ineffektiv, er zermürbt viele Soldatinnen und Soldaten bei ihrer täglichen Arbeit und zeugt auch nicht von viel Vertrauen. Und, ich glaube, Vertrauen müssen wir in unsere Truppe setzen. Das haben die Soldatinnen und Soldaten mit Sicherheit auch verdient. Sie sorgen für Sicherheit national, aber auch international. Und ich weiß aus vielen Gesprächen, dass unsere Armee hier ein anerkannter, auch ein geschätzter und gut ausgebildeter Partner in den internationalen Organisationen ist. Ich wünsche mir und hoffe, dass das am Ende auch so bleibt. Dafür, meine Damen und Herren, müssen wir hier im Parlament zusammenstehen. Wir haben eine Parlamentsarmee, auf die wir stolz sind. Es macht unsere Bundeswehr am Ende auch so einmalig in der Welt, dass sie ihren Auftrag ja nur von diesem Hohen Haus bekommt. Meine Damen und Herren, es gibt noch viel zu tun. Frau Ministerin, die Lenkwaffen gegen Bürokratie haben Sie in Ihrem Haus. Ich kann Ihnen eines versichern: Die SPD-Fraktion ist an Ihrer Seite, wenn wir im Sinne der Truppe schneller und effizienter werden und diese Lenkwaffen dann gegen die Bürokratie einsetzen. Die drei Bs – Bauen, Beschaffen, Betrieb – brauchen somit dringend eine Reform. Wagen wir einfach mehr Vertrauen in die Kommandeure, in die Truppe, in uns selber. Liebe Kollegen, machen wir uns an die Arbeit und gestalten wir die Zukunft unserer Bundeswehr, pflegen wir unsere Pflanze im Sinne von Sicherheit und Effizienz. Die Soldatinnen und Soldaten haben es verdient. Danke schön. Das Wort hat der Kollege Karsten Klein für die FDP-Fraktion.
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Dr. Dr. h. c.
Dr. Dr. h. c. Karl A. Lamers CDU/CSU
Karl A.
Lamers
CDU/CSU
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor wenigen Tagen, zum Jahreswechsel, haben wieder viele Menschen in unserem Land gute Vorsätze für das neue Jahr gefasst. Das gilt auch für uns. Wir wollen am Vorsatz der NATO festhalten, die Verteidigungsausgaben bis 2024 schrittweise bis zur Zielmarke von 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts anzuheben. Wenn wir der Fraktion Die Linke folgen, machen wir genau das nicht. Und das ist schlecht, meine Damen und Herren. Herr Kollege Pflüger, Ihr Antrag ist kurz und knapp, aber er ist leider inhaltlich zu kurz gesprungen. Es geht nämlich nicht um mehr Geld für Rüstung, sondern um mehr Geld für Sicherheit. Dem Kollegen Lindner sage ich: Es geht nicht um einen Pappkameraden, sondern um eine Zielmarke, und dabei soll es bleiben. Die Vereinbarung von Wales im September 2014 – diese wurde übrigens im Konsens aller NATO-Mitgliedstaaten mitgetragen, auch, lieber Kollege Hitschler, von unserem heutigen Bundespräsidenten und damaligen Außenminister Steinmeier – hat damals genauso Sinn gemacht wie heute. Der Beschluss dient unserer Sicherheit in einer instabiler gewordenen Welt. Der Grund für den damaligen NATO-Beschluss lag in der geostrategischen Veränderung im Umfeld der NATO. Ich denke an die völkerrechtswidrige Annexion der Krim – für Die Linke buchstabiere ich es noch einmal: völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch Russland – und den andauernden Konflikt im Osten der Ukraine. Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage? Nein, das möchte ich nicht. Ich sehe gerade, dass der Kollege Neu sich meldet. Wir haben schon so oft darüber diskutiert. Hören Sie einfach zu, dann verstehen Sie es. So erklärt sich auch die Bereitschaft aller NATO-Staaten, die Verteidigungsausgaben generell zu erhöhen. Wir alle wissen: Das hat nicht originär etwas mit US-Präsident Donald Trump zu tun, der das nur – wie wir ihn halt kennen und wie es seine Art ist – ein bisschen unfreundlicher und direkter formuliert. Gefordert wird es schon lange – seit 2002 –, etwa von US-Präsident Barack Obama und vielen anderen hochrangigen US-Politikern. Und wenn wir in uns hineinhorchen, dann erkennen wir, dass sie alle doch nicht ganz unrecht haben. Denn in einer Gemeinschaft – das ist doch die NATO; Henning Otte hat zu Recht davon gesprochen – haben wir nicht nur Rechte, sondern müssen auch Pflichten, Lasten und Bürden gerecht miteinander teilen. Herr Neu kennt diese Diskussionen aus vielen Debatten in der Parlamentarischen Versammlung der NATO, gell? In einer immer fragiler werdenden Welt ist Sicherheit natürlich nicht zum Nulltarif zu bekommen. Entscheidend ist für mich dabei auch, die Bündnis- und Landesverteidigung zu stärken. Den Linken rufe ich zu: Lösen Sie sich von Ihren ideologischen Scheuklappen, und erkennen Sie, dass Verteidigungsfähigkeit und Verteidigungsbereitschaft in einem Bündnis die Voraussetzungen dafür sind, dass man sich auf uns verlassen kann. Das ist wichtig. Hinzu kommt, dass wir gut beraten sind, als Europäer mehr in unsere eigene Sicherheit zu investieren. PESCO ist genannt worden. Zur Erklärung: Das ist die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit in Europa, die zugleich der Stärkung des europäischen Pfeilers der NATO dient. Dazu brauchen wir eine Bundeswehr mit modernster Ausrüstung. Mit der von unserer Bundesverteidigungsministerin eingeleiteten Trendwende ist ein wichtiger Schritt getan worden. Jetzt heißt es, diese Trendwende zu verstetigen – mit einer planbaren Steigerung der Haushaltsmittel. Das sind wir unseren Soldatinnen und Soldaten schuldig. Wer über das 2-Prozent-Ziel der NATO spricht, muss den Menschen aber auch deutlich machen, dass es nicht von heute auf morgen erreicht werden soll, sondern eben bis 2024. Unsere Politik – es ist wichtig, auch das zu betonen – ist immer auch mit Dialogbereitschaft verbunden. Lassen Sie mich zum Schluss auf den Wappenspruch der NATO verweisen: „Wachsamkeit ist der Preis der Freiheit“. So steht es im Wappenspruch der NATO. Diese Freiheit unseres Landes und unseres nordatlantischen Bündnisses wollen wir unter allen Umständen erhalten und notfalls auch verteidigen. Wenn sich Die Linke in einer ruhigen Minute einmal vertieft Gedanken darüber macht, dann wird sie erkennen, wie richtig das ist. Herr Kollege. Bis zur Diskussion im Verteidigungsausschuss haben Sie dazu genügend Zeit. Ich danke Ihnen. Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen Neu von der Fraktion Die Linke das Wort.
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Marcus Weinberg CDU/CSU
Marcus
Weinberg
CDU/CSU
Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Ministerin, auch von uns aus ein herzliches Willkommen im Kreis der Lobbyisten für die wichtigste gesellschaftliche Gruppe, die es in Deutschland gibt, nämlich die Familien. Sie merken: Wir sind nett – fast alle und auch fast immer. Und wenn es darum geht, die Familien zu stärken, dann vereint uns auch der Wille, gemeinsam Lösungen zu erarbeiten. Ich glaube, das war immer der Geist unserer Familienpolitik. Man kann verschiedene Positionen haben. Wir alle haben uns aber an den Bedarfen der Familien und der Kinder zu orientieren. Ich werde gleich darauf eingehen, dass wir nicht alles geschafft haben. Wir haben in den letzten Jahren gemeinsam in der Familienpolitik vieles zum Positiven verändert; aber es gibt noch offene Punkte. Die Themen Kinderarmut und Kinderschutz werden eine bedeutende Rolle spielen. Ich will nur an eines erinnern: In dieser einen Stunde, in der wir hier über die Familienpolitik debattieren, sind es mehr als vier Familien, aus denen Kinder herausgeholt werden, weil sie Gewalt oder Missbrauch erfahren oder weil sie vernachlässigt werden. Solange diese Situation in Deutschland vorherrscht, haben wir als Lobbyisten in der Familienpolitik die besondere Aufgabe, uns um die Kinder zu kümmern. Frau Kollegin Harder-Kühnel, Sie werden noch konstatieren müssen, dass wir seit 2005 einen Paradigmenwechsel in der Familienpolitik erlebt haben. Wir streiten über die Themen, aber wir streiten dafür, dass wir die Freiheit der Familien bzw. ihre Wahlfreiheit stärken. Wir wollen die Familien stärken, statt unsere eigene Ideologie zu verkörpern. Das heißt, dass wir Wertschätzung an den Tag legen und Möglichkeiten schaffen, um Bindungen und Verantwortungsübernahme zu stärken; wir wollen kein ideologiebehaftetes Bild der Familienpolitik darstellen. Wenn Sie einen Blick in den Koalitionsvertrag werfen und das mit dem in Verbindung bringen, was wir in den letzten Jahren in der Familienpolitik geschaffen haben, dann werden Sie sehen, dass die Ergebnisse durchaus positiv sind. Ja, die Geburtenrate ist in den letzten Jahren gestiegen, Frau Kollegin. Das ist auch eine Auswirkung der Maßnahmen, die wir bereits vor vielen Jahren auf den Weg gebracht haben. Ich will drei Bereiche in der allgemeinen Familienpolitik ansprechen, die dieses Dreieck abbilden: Infrastruktur, mehr Zeit für die Familie – denn Zeit ist die Ressource der Zukunft – und natürlich auch finanzielle Sicherheit. Wir werden uns jetzt in der Großen Koalition vornehmen, die Infrastruktur weiter auszubauen. Es ist bereits angesprochen worden: Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf schaffen Möglichkeiten für Eltern, dieses zu kombinieren. Dazu gehört der Ausbau im Krippenbereich. Auch dafür haben wir die 3,5 Milliarden Euro auf den Weg gebracht. Was die Frage angeht, was uns besonders wichtig ist, werden wir den Qualitätsausbau im Kitabereich ebenso wie den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz in der Ganztagsbetreuung im Grundschulalter auf den Weg bringen. Denn das haben uns die Familien gespiegelt. Sie haben uns gesagt: Es ist zwar toll, dass ihr einen Rechtsanspruch für den Kitabereich auf den Weg gebracht habt; aber wenn das Kind in die Schule kommt, bricht diese Betreuung ab. Deswegen muss es eine Linie geben, und deswegen haben wir uns an genau diesen Bedarfen zu orientieren. Das werden wir jetzt in der Großen Koalition umsetzen. Wir werden in der Großen Koalition insbesondere das Thema Digitalisierung – das Thema der FDP – aufgreifen, Stichwort „Vereinfachung für Familien“. Dabei geht es auch um die Umsetzung der Möglichkeiten, die die Digitalisierung bietet. Im Zusammenhang mit dem Thema Zeit sehen wir Zuschüsse für die Inanspruchnahme haushaltsnaher Dienstleistungen und das Recht auf befristete Teilzeit vor. Das ermöglicht den Familien Flexibilität bei der Gestaltung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Gerade das, was wir bei den haushaltsnahen Dienstleistungen vorsehen, wird zu Entlastungen führen. Wir haben uns bei den finanziellen Leistungen einiges vorgenommen. Ich will nur das Baukindergeld oder die Erhöhung des Kindergeldes um 25 Euro erwähnen. Mir ist wichtig, in der heutigen Generalaussprache, in der man merkt, wo die Linien verlaufen und wo die grundsätzlichen Positionen übereinstimmen und wo nicht, noch zwei Punkte zu erwähnen. „Die Menschlichkeit einer Gesellschaft zeigt sich nicht zuletzt daran, wie sie mit den schwächsten Mitgliedern umgeht“, hat schon Helmut Kohl gesagt; auch Sie haben das Wohl der Kinder angesprochen. Man darf Dinge nicht leugnen, die es gibt. Die Kinderarmut ist weiterhin bedrückend. Wir wissen, dass fast jedes fünfte Kind arm oder armutsgefährdet ist und dass für mehr als die Hälfte der betroffenen Kinder Armut ein Dauerzustand ist. Deswegen haben wir in der 18. Legislaturperiode viel gemacht. Wir haben unter anderem den Kinderzuschlag, das Kindergeld und den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende erhöht sowie das Unterhaltsvorschussgesetz auf den Weg gebracht. Wir müssen aber auch feststellen: Das reicht noch nicht. Deswegen haben wir uns in der Koalition vorgenommen, nicht nur den Kinderzuschlag zu erhöhen, sondern auch endlich die sogenannte Abbruchkante zu beseitigen. Wir legen Wert darauf, dass wir mit Kindergeld und Kinderzuschlag unter dem Strich auf das sächliche Existenzminimum in Höhe von 399 Euro kommen. Weitere Punkte sind der Freibetrag für Vermögen und Einkommen des Kindes aus Erwerbstätigkeit und die Entbürokratisierung der familienpolitischen Leistungen. Einfachheit nutzt gerade denen, die nicht in der Lage sind, das ganze System der familienpolitischen Leistungen zu durchschauen. Dazu gehört auch die Verbesserung der Teilhabe an Kultur und Bildung. Es geht hier um Ausbau und Entbürokratisierung des Teilhabepakets. Die Zahl der Einzelanträge soll reduziert werden. Die Mittel für das Schulstarterpaket sollen aufgestockt werden. Der Eigenanteil bei der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung in Kitas und Schulen soll endlich entfallen. Der Ausbau der Kindertagesbetreuung dient – darauf komme ich immer wieder zurück – insbesondere auch der Erreichung dieses Ziels. Zur Bekämpfung der Kinderarmut wollen wir die staatlichen Leistungen effizienter, zielgenauer und bedarfsorientierter gestalten. Wir wollen Anreize und insbesondere Leistungsanreize schaffen. Ich nenne hier den schon oft erwähnten Ranzen als Beispiel. Es geht darum, dass Kinder mit einem vernünftigen Ranzen zur Schule gehen. Aber der Ranzen muss von ihren Eltern bezahlt werden können; denn es macht die Kinder stolz, wenn die Eltern in der Lage sind, den Ranzen zu bezahlen. Hier müssen wir Leistungsbereitschaft und Berufstätigkeit fördern. Ich will zum Schluss noch einen Punkt ansprechen, den ich bereits am Anfang erwähnt habe. Das ist das Thema Kinderschutz. Vier Kinder werden in der Stunde, in der wir hier diskutieren, aus einer Familie herausgeholt, weil sie gefährdet sind. Deswegen haben wir den Kinderschutz als Schwerpunkt im Koalitionsvertrag festgelegt. Wir werden die frühen Hilfen fortführen. Wir werden uns den Kampf gegen sexuellen Kindesmissbrauch, die Prävention, den Opferschutz und das Verfolgen von Straftaten im Netz – Stichwort „Cyber-Grooming“ – auf die Fahnen schreiben. Bei Hinweisen auf sexuelle Gewalt muss zur Einschätzung der Gefährdungslage eine Stellungnahme von Fachleuten für Gewaltschutz und, soweit relevant, der Rechtsmedizin eingeholt werden. Die Kinder- und Jugendhilfe muss weiter reformiert werden. Wir haben in der letzten Legislaturperiode beim Kinder- und Jugendschutzgesetz einen ersten Schritt gemacht. Das hängt leider noch im Bundesrat. Wir werden darauf aufbauen und uns in den nächsten Monaten und Jahren intensiv damit befassen, wie wir die Reform der Kinder- und Jugendhilfe vernünftig und in breiter Absprache mit Verbänden, Trägern und Betroffenen auf den Weg bringen können. Viele Eltern haben uns die Rückmeldung gegeben, dass sie nicht verstehen können, warum sie im Umgang mit ihrem Kind so benachteiligt werden. Es ist unsere Aufgabe, Familien in schwierigen Fragen Unterstützung zu gewähren. Ich hoffe, dass wir in zwei, drei Jahren eine Reform der Kinder- und Jugendhilfe gemeinschaftlich auf den Weg gebracht haben, die diesen Namen auch verdient. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Ich erteile das Wort für die FDP-Fraktion der Kollegin Katja Suding.
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Dr. Michael Espendiller AfD
Michael
Espendiller
AfD
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Zuschauer im Saal und vor den Bildschirmen! Es gibt so Tage in diesem Parlament, da weiß man nicht, auf welchen Unsinn welcher Fraktion man zuerst draufhauen soll. Heute ist wieder so ein Tag. Wir debattieren jetzt das Thema „Digitalisierung in der Bildung“. Es liegen drei Anträge vor: von der Fraktion der Linken, der Grünen und der FDP. Fangen wir an bei den ganz Linken. Offenbar waren Sie in Ihrem Fünfjahresplan in Sachen Antragsproduktion etwas unter dem Soll. Glückwunsch! Sie haben einen lieblosen zweiseitigen Antrag geschrieben. Das Wort „digital“ kommt da auch irgendwie ein bisschen drin vor. Natürlich kommt diffuse Kapitalismuskritik; Frau Kemmer hat das gerade schon erwähnt. Danke, solche Anträge brauchen wir nicht. Weg damit! Die Grünen spielen auch mit. Sie bringen ihre Oldies „Ganztagsschule“, „Inklusion“ und „Integration“ unter. Ihr Antrag ist nichts als Worthülsenkompott, und Sie wollen mal eben Mehrausgaben im zweiste lligen Milliardenbereich erreichen. Aber Sie erwähnen in Ihrem Antrag mit keinem Wort, wo das Geld herkommen soll. Sie wollen die Steuern dafür sicherlich erhöhen. Das ist ein billiges Wahlkampfmanöver. Auch damit können wir nichts anfangen. Und dann wären da noch unsere Magenta-Sozialisten. Ihr Antrag konnte immerhin zeigen, dass die Bundesregierung weder Ahnung von Bildung noch von Digitalisierung hat. Die Sau, die Sie hier allerdings wieder durchs Dorf treiben, heißt „Digitalisierung first, Bedenken second“. Sie betreiben die Digitalisierung um der Digitalisierung willen. Sie machen in Ihrem Antrag aber einen schweren Fehler: Sie wollen nämlich rennen, bevor Sie überhaupt laufen können. Was meine ich damit? Immer wieder lesen und hören wir, dass Schulen, Universitäten und Ausbildungsbetriebe digitale Kompetenzen vermitteln müssen. Aber was Sie alle in Ihrem Digitalisierungswahn vollkommen übersehen, sind die Bedürfnisse und Kenntnisse unserer Schüler. Wir haben letzte Woche gehört, dass Schüler sich über eine allzu schwierig empfundene Mathe-Abiturprüfung beschwert und deswegen eine Onlinepetition gestartet haben. – Ja, digitale Kompetenz. – Traurig ist, dass in dieser Onlinepetition gegen die angeblich zu schwere Abiturprüfung massenweise Rechtschreibfehler enthalten waren. Einige Tage später wandte sich dann die Deutsche Mathematiker-Vereinigung mit einem Forderungskatalog an die Politik. Wesentlicher Inhalt: Der Mathematikunterricht an deutschen Schulen befähigt nicht mehr zum Studium in einem MINT-Fach oder in den Wirtschaftswissenschaften. Merken Sie da was? Auf der einen Seite haben wir überforderte Abiturienten, auf der anderen Seite Studienanfänger, die für die Uni nicht mehr fit sind. Vorgestern schlug dann noch die Stiftung Handschrift Alarm, dass Kinder nicht mehr richtig schreiben können. 51 Prozent der Jungen und 31 Prozent der Mädchen haben Probleme mit der Handschrift. Zwei Drittel der Schüler bekommen nach 10 bis 15 Minuten sogar einen Schreibkrampf. Und dann haben wir die Ausbildungsbetriebe, die seit langem beklagen, dass Lehrlinge weder richtig rechnen können noch fehlerfrei die deutsche Rechtschreibung beherrschen. Werte Kollegen, in Ihren Anträgen lese ich von diesen Problemen rein gar nichts. Ja, die Digitalisierung hat Potenzial. Aber, liebe FDP, ich habe hier meine Bedenken. Fakt ist doch: Bevor wir über digitale Kompetenzen reden, sollten wir erst einmal über den sicheren Erwerb von Grundkompetenzen reden. Wenn unsere Schüler nicht fehlerfrei rechnen und schreiben können, was wollen sie dann mit Tablets, digitalen Lernmitteln und Plattformen? Wir sind in Deutschland lange Zeit dem Humboldt’schen Bildungsideal gefolgt. Aus unseren Kindern sollen mündige und aufgeklärte Menschen werden. Durch den Gebrauch der Vernunft sollen sie lernen, eigenständig zu denken und unabhängig zu werden. Und am Ende sollen sie selbstbestimmt und frei über ihren Lebensweg entscheiden können. Humboldt war überzeugt, dass die Schule dem Menschen das Rüstzeug hierfür mitgeben muss; aber das machen wir in letzter Zeit immer weniger. Ich befürchte, dass wir mit einer allzu stark betriebenen Digitalisierung blind unsere alten erfolgreichen Bildungsideale über Bord werfen. Wir konzentrieren uns zu sehr auf Tablets und Apps. Am Ende landen wir in einer Gesellschaft, wo das Smartphone smarter ist als der Benutzer. Ja, die Digitalisierung findet statt, und das ist auch gut so. Aber wir haben hier Bedenken. Lassen Sie uns zunächst einmal den ersten Digitalpakt mit Leben füllen, bevor wir unter dem Deckmantel der Digitalisierung unser restliches Bildungssystem gänzlich in Schutt und Asche legen. Unsere Kinder sind keine x-beliebigen Experimentiermasse. Bedenken und Vorsicht sind hier durchaus angebracht. Herzlichen Dank. Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist für die Fraktion der SPD die Kollegin Marja-Liisa Völlers.
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Petra Pau DIE LINKE
Petra
Pau
DIE LINKE
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Erst jüngst haben wir der Opfer des Nationalsozialismus gedacht – hier im Bundestag und bundesweit. Das ist wichtig, nicht allein des Erinnerns wegen, sondern damit sich eine solche Barbarei niemals wiederholt. Die Zahl der Naziopfer ist millionenschwer – quer durch alle gesellschaftlichen Schichten. Nicht zu vergessen: die Völkermorde an den europäischen Jüdinnen und Juden sowie an den Sinti und Roma. Das waren einzigartige Verbrechen, an die zu Recht Mahnmale unweit des Deutschen Bundestages erinnern. Aber es gibt auch KZ-Opfer, die nicht so bekannt sind. Zu ihnen gehören sogenannte „Asoziale“ und „Berufsverbrecher“. Das ist natürlich Nazijargon. Zu ihnen zählten die Nazis Obdach- und Arbeitslose, Prostituierte und viele andere mehr, oder auch die Gruppe der Jenischen. Lange wurden sie ausgeblendet, in der Bundesrepublik alt ebenso wie in der DDR. Nun soll ihr Schicksal endlich ins öffentliche Bewusstsein geholt werden. Es ist höchste Zeit. CDU/CSU und SPD haben einen gemeinsamen Antrag eingebracht und Maßnahmen vorgeschlagen, wie die Erinnerung an diese Opfergruppe praktisch gestaltet werden sollte, in der Bildung, im Gedenken, durch Anerkennung und Entschädigung. Die demokratischen Oppositionsfraktionen haben eigene Anträge eingebracht, also auch die Fraktion Die Linke. Und auch wir unterstreichen: Niemand saß zu Recht im KZ. Ganz deutlich: Wir verwahren uns zugleich gegen den Versuch der AfD, KZ-Opfer erster und zweiter Klasse zu schaffen; das ist absurd. Die Anträge der Linksfraktion, von Bündnis 90/Die Grünen und der FDP unterscheiden sich von dem der Großen Koalition keineswegs im Grundsatz, wohl aber im Detail. Die drei genannten Oppositionsfraktionen waren bereit, mit der CDU/CSU und der SPD einen gemeinsamen Antrag zu erarbeiten, doch das wollten die Koalitionsfraktionen, namentlich die Union, offenbar nicht. Ich bedaure das ausdrücklich; denn dieses Anliegen taugt einfach nicht zur parteipolitischen Profilierung. Wir werden Ihrem Antrag heute zustimmen. Zugleich werbe ich um Zustimmung für den Antrag der Linken, zumal er die Bundesregierung verpflichtet, nicht bei Gelegenheit, sondern sofort konkret tätig zu werden und noch 2020 erste Ergebnisse vorzulegen. Ich finde, das sind wir den Naziopfern schuldig, und uns selbst auch. Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Erhard Grundl für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
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Angelika Glöckner SPD
Angelika
Glöckner
SPD
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für ein Leben ohne Barrieren – darüber debattieren wir heute. Ich denke, das ist ein sehr aktuelles und wichtiges Thema; und dafür gibt es drei gute Gründe: Erstens. Die UN-Behindertenrechtskonvention – das wurde schon mehrfach gesagt – wurde vor mehr als zehn Jahren angenommen und verpflichtet uns zur Inklusion. Zweitens. Die Inklusion ist aber nur möglich, wenn es gelingt, Barrieren abzubauen. Und drittens. Für uns, für die SPD, ist klar, dass wir damit noch nicht am Ziel sind. Es ist ein stetiger Prozess. Auch Sie, Kolleginnen und Kollegen von der FDP und von den Linken, wollten dies mit Ihren Anträgen wahrscheinlich auch zum Ausdruck bringen. Insoweit besteht kein Dissens. Gleichwohl will ich aber auch ganz deutlich darauf hinweisen, dass wir viel für mehr Barrierefreiheit getan haben. Das Bundesteilhabegesetz – es wurde mehrfach genannt; und ja, so ist es auch – bedeutet mehr selbstbestimmte Lebensführung für Menschen mit Behinderungen. Das geht auch einher mit einem Mehr an Selbstverantwortung. Und natürlich, Herr Beeck, ist das ein Prozess, der sich einüben muss. Sie kritisieren das sehr stark. Aber ganz ehrlich: Wenn wir nie den Mut aufbringen, Prozesse zu verändern, werden wir nie zu etwas Neuem kommen und immer da bleiben, wo wir herkommen. Wir haben mit der Novelle des Behindertengleichstellungsgesetzes Behörden und Institutionen verpflichtet, digitale Angebote barrierefreier zu gestalten. Wir haben mit der Umsetzung der Marrakesch-Richtlinie darauf hingewirkt, dass der Zugang zu Literatur für blinde und sehbehinderte Menschen wesentlich vereinfacht wurde. Wir haben mit der Beendigung des Wahlrechtsausschlusses von Menschen mit Behinderungen darauf hingewirkt, dass diese Menschen endlich ihr Wahlrecht ausüben können. Wir als SPD haben schon lange darauf hingearbeitet und uns dafür eingesetzt. Und wir haben mit den Budgets für Ausbildung und Arbeit Menschen mit Behinderungen auch außerhalb von Werkstätten Perspektiven auf dem ersten Arbeitsmarkt gegeben: Entfristungen, Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung. Ich könnte noch viele Beispiele aufführen, die alle zu mehr Barrierefreiheit geführt haben. Es geht aber doch darum – das ist uns als SPD ganz besonders wichtig –, dass wir die individuellen Bedürfnisse von Menschen bei unserer Gesetzgebung in den Mittelpunkt stellen, dass der Mensch im Mittelpunkt steht, dass wir passende Unterstützungsangebote finden. Das ist doch ganz wichtig, dass wir diesen Weg gehen, und ein entscheidendes Merkmal, wenn wir über neue Gesetze reden. In diesem Sinne wollen wir als SPD Schritt für Schritt Barrieren für Menschen mit Behinderungen weiter abbauen. Dabei haben wir natürlich im Blick, dass es um ganz viele Bereiche geht. Wir haben vieles bewirkt, und wir wollen auf diesem Weg weitergehen. Leider ist meine Redezeit zu Ende. Ich kann nur sagen: Die Linken wollen wieder ein buntes Sammelsurium. Sie haben wie immer nicht auf die Kostenaspekte, auf die Finanzaspekte geachtet. Sie kommen inhaltlich aber auch nicht über das hinaus, was wir die ganze Zeit schon umzusetzen versuchen bzw. umgesetzt haben. Das ist ebenso bei der FDP der Fall. Frau Kollegin. Insofern bringen uns Ihre Anträge nicht weiter. Ich sehe meine Fraktion, die SPD, auf einem guten Weg. In diesem Sinne wollen wir fortfahren. Wir werden Ihre Anträge ablehnen. Vielen Dank. Die letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt: die Kollegin Dr. Astrid Freudenstein, CDU/CSU-Fraktion.
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Dagmar Schmidt SPD
Dagmar
Schmidt
SPD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema, ob und, wenn ja, wie Selbstständige sozial abgesichert werden, hat in der Pandemie an Bedeutung gewonnen. Uns beschäftigt es aber bereits eine ganze Weile länger. Nicht erst seit der Pandemie verändert sich die Arbeitswelt. Erwerbsbiografien werden flexibler, daneben gibt es Beschäftigungsformen wie unständig Beschäftigte, die aus der Zeit gefallen scheinen: früher Tagelöhner am Hafen, heute Schauspielerinnen oder Synchronsprecher, die befristet jeweils weniger als sieben Tage arbeiten. Und daneben gibt es das Thema „soziale Absicherung für Selbstständige“, das in der Pandemie zu Recht an Bedeutung gewonnen hat. Für alle diese Fragen wollen wir am liebsten eine Lösung. Für abhängig Beschäftigte haben wir die solidarisch getragene Arbeitslosenversicherung. Eine solche solidarische Möglichkeit, sich abzusichern, haben wir für Selbstständige nicht. Bisher gibt es die Arbeitslosenversicherung für Selbstständige nur mit einer Brückenfunktion – Frau Schimke hat es gesagt – für diejenigen, die sich aus der abhängigen Beschäftigung heraus selbstständig machen. Wir glauben, dass wir dort mehr brauchen. Trivial ist das allerdings nicht, und deswegen ist es auch richtig, Frau Zimmermann, dass Sie ein solches Gesetz in sozialdemokratische Hände beim Arbeits- und Sozialministerium geben wollen. Es gibt aus unserer Sicht zwei Lösungswege: Der eine Lösungsweg ist, für unterschiedliche Arbeitsformen und Branchen eben auch unterschiedliche Versicherungen zu schaffen. Ein Beispiel dafür ist die Künstlersozialkasse. Die zweite Möglichkeit – die ist mir deutlich sympathischer, und die wäre aus meiner Sicht auch besser – ist eine Versicherung für alle; denn unser Sozialstaat ist schon kompliziert genug, vor allem für die Bürgerinnen und Bürger. Eine Versicherung, die durch die Erwerbsbiografien begleitet, so unterschiedlich diese auch sein mögen, wäre sicher die bürgerfreundlichste Lösung. Dann entstehen allerdings andere Probleme und Gerechtigkeitsfragen, die es zu lösen bzw. zu beantworten gilt: Wann sind denn Selbstständige arbeitslos? Bisher gilt als arbeitslos unter anderem, wer den Vermittlungsbemühungen der Bundesagentur für Arbeit zur Verfügung steht, sich bemüht, die Beschäftigungslosigkeit zu beenden, und weniger als 15 Stunden in der Woche arbeitet. Was könnte das für Selbstständige heißen? Was sind vergleichbare Kriterien? Soll es eine Pflichtversicherung sein, oder soll es eine freiwillige Versicherung sein? Und wie stelle ich dann sicher, dass nicht nur die in schwierigen sozialen Lagen an der Solidargemeinschaft beteiligt sind und andere keinen Beitrag leisten, während bei den abhängig Beschäftigten alle solidarisch organisiert sind, unabhängig von ihrer Einkommenssicherheit? Was sind die Grundlagen und der Rahmen für den Versicherungsfall? Folgen wir weiter dem Tagesprinzip, oder wechseln wir zu einem Monatsprinzip? Welches Einkommen legen wir wann und wie zugrunde? Alles das werden wir weiter beraten und diskutieren. Es ist ein wenig komplizierter, als der Antrag der Linkspartei glauben machen will. Aber es ist die Mühe wert – nicht nur zu Zeiten der Pandemie. Ich freue mich auf die weitere Diskussion. Vielen Dank. – Das Wort geht an Johannes Vogel von der FDP-Fraktion.
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Dr.
Dr. Gesine Lötzsch DIE LINKE
Gesine
Lötzsch
DIE LINKE
Herzlichen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Preisexplosionen bei Energie, Lebensmitteln und Mieten bedrohen viele Menschen existenziell. Gleichzeitig frisst die Inflation die Löhne und Gehälter auf. Da müssen wir wirksam gegensteuern, meine Damen und Herren. Wir als Linke werden heute der Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro zustimmen. Aber wir wissen alle: Es ist nicht ausreichend. Die nächsten Schritte müssen folgen. Eigentlich müssten es jetzt schon 13 Euro sein, meine Damen und Herren. Der Kanzler will nun eine konzertierte Aktion von Arbeitgebern und Gewerkschaften zusammenrufen, um die Lohn-Preis-Spirale zu verhindern. Ich glaube aber, wir hier im Bundestag könnten doch Sofortmaßnahmen beschließen. Es wäre doch möglich, einen bundesweiten Mietendeckel zu beschließen – hier, heute und sofort. Das wäre eine wirksame Entlastung. Wir brauchen ein weiteres Entlastungspaket, das diesen Namen auch verdient. Herr Minister Heil, Sie sind für die Renten zuständig. Alleinlebende mit niedriger Rente hat die Inflation schon jetzt mehr gekostet, als sie je an Entlastung bekommen werden. Wie kann es sein, frage ich Sie, dass die Rentnerinnen und Rentner bei der Energiekostenpauschale leer ausgehen, Sie aber als Minister diese 300 Euro bekommen? Finden Sie das gerecht? Wir nicht. Ich frage Sie: Wo ist der Preisdeckel für Energie und Benzin, wie wir ihn in Spanien und Portugal sehen? Das muss endlich auch hier beschlossen werden. Herr Minister Heil, Sie haben ein Klimageld gefordert. Das ist eine richtige Forderung, die wir unterstützen, die aber leider von Finanzminister Lindner sofort wieder abgeräumt wurde. Sie haben in Ihrem Ministerium natürlich auch genügend offene Baustellen. Sie haben nichts zum Bürgergeld gesagt. Wann kommt das endlich? Sie haben nichts zur Kindergrundsicherung gesagt. Wann kommt die? Hier besteht Handlungsbedarf, meine Damen und Herren. Wenn sich die FDP – und da müssen Sie gegensteuern, Herr Heil – bei diesen Modellen durchsetzt, dann werden die Menschen noch weniger Geld in der Tasche haben als jetzt, und das darf nicht geschehen. Meine Damen und Herren, schon jetzt ist für viele die Situation unerträglich. Der Hartz‑IV-Satz wurde um ganze 3 Euro angehoben. Für Stromkosten bekommen Hartz‑IV-Betroffene – das sind nicht nur Arbeitslose; das sind auch Menschen, die mit einem geringen Lohn abgespeist werden – eine Pauschale von 36 Euro pro Monat. Aber derzeit zahlt man schon fast das Doppelte, wenn man einen Neuvertrag beim günstigsten Anbieter abschließt. Der Paritätische Wohlfahrtsverband fordert, die Regelsätze deutlich anzuheben, und zwar auf 678 Euro pro Monat. Diese Forderung unterstützen wir. Das ist eine Forderung der sozialen Gerechtigkeit. Das ist eine Forderung der Chancengleichheit. Darum müssen Sie hier endlich entschlossen handeln. Vielen Dank. Nächste Rednerin: für die FDP-Fraktion Claudia Raffelhüschen.
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Margit Stumpp BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Margit
Stumpp
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit der Novelle des Jugendschutzgesetzes strebt die Bundesregierung an, den Jugendmedienschutz zu modernisieren. Dafür ist es tatsächlich höchste Zeit. Bislang besteht Jugendschutz im Internet im Kern aus Filterprogrammen, die für Kinder und Jugendliche ungeeignete Inhalte automatisch blockieren sollen. Nur: Fast niemand kennt diese Programme. Deshalb, weil sie niemand einsetzt, stören sich die Anbieter auch nicht daran. Die Besonderheiten der vielen von Nutzerinnen und Nutzern erstellten Inhalte wie Posts, Videos, Fotos – sprich: User-generated Content – werden von den bisherigen Vorgaben erst gar nicht erfasst. Wir brauchen Gesetze, die dem Phänomen der sogenannten Medienkonvergenz gerecht werden. Der vorliegende Entwurf erfüllt diesen Anspruch nicht – leider. Das bisherige Kompetenzchaos zwischen Bund, Ländern und den freiwilligen Selbstkontrollen der Digital- und Medienwirtschaft bleibt weitgehend unangetastet: zu viel Rücksicht auf gewachsene Strukturen, zu wenig Mut zur Innovation. Ministerin Giffey will immerhin die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien zu einer Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz umbauen. Das ist ein Fortschritt, weil für diese neue Bundeszentrale eine koordinierende Rolle und eine Bündelung von Zuständigkeiten vorgesehen ist. Ob sie diese Rolle wirklich ausfüllen kann, wenn sie sich ständig mit der Kommission für Jugendmedienschutz und den vielen verschiedenen Selbstkontrollen abstimmen muss, ist zu bezweifeln. Ergo: Eine einheitliche Medienaufsicht, wie sie bereits 2016 im Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission zur Medienkonvergenz vereinbart wurde, rückt in weite Ferne. Schade! Für Eltern und Erziehungsberechtigte ist vor allem eines wichtig: ein hoher, medienübergreifender Schutz. Sie brauchen einheitliche und leicht verständliche Regelungen über alle unterschiedlichen Dienste und Plattformen hinweg. Kontakt- und Interaktionsrisiken wie Cybermobbing, Cybergrooming oder gefährliche Mutproben, wie sie vor allem über Plattformen mit Chatfunktion bestehen, sind mittlerweile ein ernstes Problem. Es ist Erziehungsberechtigten nicht zu vermitteln, warum solche Risiken beispielsweise in der Alterseinstufung bisher keine Berücksichtigung finden. Trotzdem wollen wir, dass Kinder und Jugendliche das Internet weiterhin mit seinen Plattformen und Apps interaktiv nutzen. Was wir nicht wollen, sind abgeschottete, komplett kontrollierte Räume und schon gar keine Totalüberwachung jeder individuellen Kommunikation von Kindern. Umso wichtiger ist es daher, dass die Diensteanbieter in die Pflicht genommen werden, sichere Voreinstellungen anzubieten, Jugendschutz by Design. Dazu gehören auch Meldewege und Hilfsangebote in kindgerechter Sprache. Wir unterstützen deshalb ausdrücklich die Intention dieses Gesetzes. Aber wir haben auch die gespaltenen Reaktionen darauf wahrgenommen. Während die neuen Regelungen den Akteuren des Kinder- und Jugendschutzes nicht weit genug gehen, regt sich im Bereich der Medienpolitik erheblicher Widerstand gegen dieses Gesetz. Dieses Gesetz wird wirkungslos bleiben, wenn nicht alle Beteiligten an einem Strang ziehen. Es ist deshalb gut, dass wir im Januar eine öffentliche Anhörung im federführenden Ausschuss durchführen. Wir werden uns auch dort lösungsorientiert und im Sinne des bestmöglichen Schutzes von Kindern und Jugendlichen im Internet engagieren. Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Svenja Stadler für die SPD-Fraktion.
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Alexander Graf Lambsdorff FDP
Alexander
Graf Lambsdorff
FDP
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Deutschland am 22. Juni 1941 die Sowjetunion überfiel, machten weder die nationalsozialistischen Machthaber noch das Oberkommando der Wehrmacht einen Unterschied zwischen Russen, Weißrussen und Ukrainern. Es war ein Überfall auf einen Vielvölkerstaat, den Deutschland in „Bloodlands“, in ein Blutland verwandelte, wie Timothy Snyder es geschrieben hat. Dieses Buch zu lesen, genauso wie Navid Kermanis Reisebericht „Entlang den Gräben“, entlang Schlachtfeldern, Erschießungsorten, Gedenkstätten, ist bis heute tief bewegend und für Deutsche tief beschämend. Wladimir Putin, der Präsident der Russischen Föderation, hat in einem langen Gespräch kürzlich erklärt, die Sowjetunion habe damals durch ihren Sieg über den Faschismus die Welt gerettet. Gemeinsam mit den Alliierten ist das geschehen. Der Blutzoll, den die Völker der Sowjetunion entrichtet hatten, ist dramatisch. Unser Gedenken gilt den 24 Millionen Opfern der deutschen Aggression, unser Dank gilt all denen, die sich für Versöhnung einsetzen, und unsere Arbeit hier in diesem Hohen Haus gilt einer friedlichen Gegenwart und Zukunft Europas und seiner Völker in allen Teilen unseres Kontinents, meine Damen und Herren. Liebe Kolleginnen und Kollegen, jedes Jahr um den 27. Januar herum gedenken wir der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz. Es steht wie kein anderes der Vernichtungslager des wahnwitzigen NS-Regimes für den unbedingten Vernichtungswillen der NS-Herrschaft. Die Geschichte hat uns das so aufgegeben. Die Geschichte hat aber auf eine eigenartige Art und Weise dafür gesorgt, dass dadurch ein Leid ein wenig in den Schatten gerückt ist, dessen wir genauso gedenken müssen, und das ist die Blockade von Leningrad. Auch am 27. Januar, aber ein Jahr zuvor, 1944, endete sie, nach einer Zeit des Leidens, des Hungers, der Krankheit und des massenhaften Sterbens. 1 Million Menschen sind in Leningrad bei der völkerrechtswidrigen Blockade der Stadt umgekommen. Noch heute ist es so, dass, wenn Sie durch Sankt Petersburg gehen, Sie hin und wieder blaue Schilder entdecken, die die Bewohnerinnen und Bewohner davor warnen, dass auf dieser Straßenseite der Angriff der Artillerie schwerere Folgen hat als auf jener Seite der Straße. Das Gedenken an die Blockade von Leningrad in die richtige Position zu rücken, ist etwas, das wir gemeinsam beschlossen haben, und ich danke der Bundesregierung dafür, dass sie dieses sichtbare Zeichen gesetzt hat. Meine Damen und Herren, Leningrad und die Blockade stehen für das Leid der Völker der Sowjetunion. Es ist richtig, dass wir daran erinnern. Genauso wichtig ist, dass wir akzeptieren, was Historiker ermittelt haben: Der Krieg war von Anfang an als Vernichtungskrieg geplant, Leningrad ist ein Beispiel. Aber auch das Massaker von Babyn Jar ist ein solches Beispiel: 33 771 Jüdinnen und Juden wurden in der Nähe von Kiew erschossen, von SS-Einsatzgruppen, aber auch von ganz normaler deutscher Polizei – Männer, Frauen und Kinder, fast 34 000 Menschen. Dieser Vernichtungskrieg begann schon früher. 1939 ist Deutschland in Polen eingefallen, als Folge des Hitler-Stalin-Pakts; als Folge desselben Pakts hat die Sowjetunion 1940 die baltischen Staaten besetzt. Die Lehre, die wir aus diesem Pakt ziehen müssen, ist, dass es illegitim ist, souveränen Staaten ihre Existenz abzusprechen, ihr Territorium zu besetzen oder ihre Bevölkerung gewaltsam zu vertreiben. Meine Damen und Herren, diese Lehren sind aktuell bis heute. Ich glaube, es ist ganz richtig, an das zu erinnern, was der Kollege Wadephul gerade erwähnt hat: Die Ukraine ist heute ein unabhängiger Staat; sie hat das Recht auf eine unabhängige Existenz. – Ich freue mich, dass der ukrainische Außenminister heute hier in Berlin Gespräche führt. Ich glaube, es ist richtig, dass wir die Souveränität dieses Staates verteidigen, dass wir ihr dabei helfen, ihre territoriale Integrität zu erhalten und ihre Zukunft friedlich zu gestalten. Herzlichen Dank. Nächster Redner ist der Fraktionsvorsitzende der Linken, Dr. Dietmar Bartsch.
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Florian Oßner CDU/CSU
Florian
Oßner
CDU/CSU
Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Florian Oßner. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir lassen unsere Unternehmen in dieser Pandemie nicht im Stich. Deshalb ist es völlig richtig, dass wir die Befristung der Unterstützungsleistungen in unserem Land aus dem Stabilisierungsfondsgesetz bis zum 30. Juni 2022 verlängern. Wir müssen alles – ja, wirklich alles – dafür tun, unsere gesunden Unternehmen zu schützen, Arbeitsplätze zu sichern und die Substanz unserer Wirtschaft in Deutschland zu erhalten. Dafür steht die Parteienfamilie aus CSU und CDU. Bei dem Gesamtvolumen von 50 Milliarden Euro ist auch unbedingt sicherzustellen, dass nicht genutzte Kreditermächtigungen in Abzug gebracht werden. Nichtsdestotrotz werden wir in den nächsten vier Jahren die links-gelbe Regierungskoalition insbesondere bei haushalts- und fiskalpolitischen Fragen konstruktiv kritisch begleiten. Die von der FDP immer wieder propagierte Service-Opposition werden wir zur Smart-Opposition – mit klugen Konzepten – weiterentwickeln. Alles, was bislang im Koalitionsvertrag zu lesen war, gab leider nicht zu erkennen, wie die neue Bundesregierung ihre vielen neuen Ausgabewünsche finanzieren möchte. Haushaltspolitik, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, darf am Ende kein Wunschkonzert sein. Die Ampel scheint einseitig auf Umverteilung gestellt zu sein und vergisst, dass nur das verteilt werden kann, was vorher auch erwirtschaftet wurde. Die Ampel scheint auf Vergemeinschaftung von Schulden in Europa gestellt zu sein, und die Ampel scheint auf einen haushaltspolitischen Schlendrian mit Buchungstricks gestellt zu sein und präsentiert am Ende jedem Bürger in Deutschland die Rechnung. Wir als CDU und CSU möchten keine Verschuldung auf Kosten zukünftiger Generationen. Das ist der Unterschied, liebe neue Bundesregierung. Abschließend, Frau Präsidentin, möchte ich der links-gelben Ampel einen guten Start wünschen. Am Ende muss es aber auch gut für Deutschland sein. Wir passen da gut auf. Herzliches „Vergelts Gott!“ fürs Zuhören.
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Dr.
Dr. Gesine Lötzsch DIE LINKE
Gesine
Lötzsch
DIE LINKE
Herzlichen Dank, Herr Präsident, dass Sie mir das Wort erteilen. – Ich kann Ihnen sagen: Es gibt keinen Widerspruch zwischen der Landes- und der Bundespolitik. Es gibt in Brandenburg den ganz klaren Beschluss – damals in der Opposition vorbereitet, in der Regierung weitergeführt und jetzt wieder in der Opposition weiterverfolgt –, dass aus der Braunkohle ausgestiegen werden muss. Ich habe in meiner Rede darauf hingewiesen, dass auch die Bergleute wissen, dass die Braunkohle keine Zukunft mehr hat; das wissen die. Der entscheidende Punkt ist – den dürfen wir ihnen als Politik nicht nur vermitteln, sondern wir müssen ihnen auch Angebote machen –, dass wir einen Strukturwandel brauchen. Es müssen dort Angebote gemacht werden, und es muss dort Niederlassungen von zukunftsträchtiger Industrie – also nicht irgendwelche kleinen Beschäftigungsgesellschaften – geben. Das ist der Punkt, und auch dafür haben sich meine Kolleginnen und Kollegen in der Landesregierung von Brandenburg eingesetzt. An diesem Kurs werden wir auch weiter festhalten. Vielen Dank. Vielen Dank. – Der Kollege Oliver Krischer hat das Wort für Bündnis 90/Grüne.
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Elisabeth Motschmann CDU/CSU
Elisabeth
Motschmann
CDU/CSU
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Vor 80 Jahren brannten Syna­gogen. Der 9. November 1938 gehört zu den dunkelsten Kapiteln in unserer Geschichte. Der 9. November 1989, der Tag des Mauerfalls, gehört hingegen zu den glücklichsten Momenten und Tagen der deutschen Geschichte. Dieses Wechselbad der Gefühle wird bleiben, weil beide Ereignisse auf einen Tag fallen. Heute reden wir aber über 1989. Dass es gelungen ist, eine friedliche Revolution hinzubekommen, und dass nicht, wie viele im Osten befürchtet haben, sowjetische Panzer rollten, ist ein historisches Geschenk und ist keineswegs selbstverständlich. Noch im August 1989 wurden auf Anweisung der SED-Führung Internierungspläne erstellt, und in einem Schreiben von Erich Honecker an die SED-Bezirksleitungen vom 22. September 1989 forderte er – Zitat –, dass die feindlichen Aktionen im Keim erstickt werden müssen. Jeder kann sich noch ganz genau daran erinnern, wo und wann ihn vor 29 Jahren die Nachricht vom Fall der Mauer erreichte. Viele konnten es zunächst kaum glauben. Die Bilder von jubelnden und vor Freude weinenden Menschen haben wir alle noch in Erinnerung. Es gibt wohl keinen anderen Tag in unserer jüngeren Geschichte, an den sich die Menschen in Ost und West vereint mit so großer Freude und Dankbarkeit erinnern. Meine Damen und Herren, wir müssen wieder lernen, uns zu freuen und auch dankbar zu sein. Das kommt mir oft viel zu kurz. Über 25 000 DDR-Bürger waren im Sommer 1989 geflohen. Hunderttausende Menschen hatten immer mehr Mut gefasst, für ihre Freiheit auf die Straße zu gehen. Ohne den Mut dieser Menschen wäre der Fall der Mauer undenkbar gewesen, und ohne den Mut dieser Menschen wäre auch ein Jahr später die deutsche Einheit nicht möglich gewesen. Ich danke diesen Mutigen ganz ausdrücklich an dieser Stelle. Für mich sind das Helden. An sie wollen wir mit dem Freiheits- und Einheitsdenkmal in Berlin erinnern. Wir wollen dieses Denkmal nicht nur für uns bauen, sondern wir wollen es für die nächsten Generationen bauen. Wir hatten das Glück, den Mauerfall mitzuerleben, und wollen dieses Glück weitertragen. Für viele Menschen kam der Mauerfall zu spät; auch das will ich hier noch einmal sagen. 250 000 Menschen wurden in der DDR aus politischen Gründen verhaftet. 135 000 Minderjährige wurden in Spezialheime verlegt. Die Mauer, der sogenannte antifaschistische Schutzwall, war 1 400 Kilometer lang und wurde von 30 000 Soldaten mit Schießbefehl bewacht. Hunderte von Menschen verloren ihr Leben beim Versuch, zu fliehen. Die aktuelle Debatte um die genaue Zahl der Toten befremdet mich. Jeder Tote an der Grenze unseres Landes war ein Toter zu viel. Meine Damen und Herren, wir stehen heute nicht am Beginn der Debatte über das Freiheits- und Einheitsdenkmal, sondern Gott sei Dank an deren Ende. Bereits vor 20 Jahren – man mag es kaum sagen – forderten die Initiatoren Florian Mausbach, Günter Nooke, Jürgen Engert und Lothar de Maizière in einem offenen Brief ein Freiheits- und Einheitsdenkmal. Für diese Initiative erhielten sie übrigens 2008 den Deutschen Nationalpreis. Vor elf Jahren, am 9. November 2007, haben wir hier im Bundestag mit großer Mehrheit den Beschluss gefasst, dieses Denkmal zu bauen. 2008 haben wir dann mit großer Mehrheit auch den Standort des Freiheits- und Einheitsdenkmals beschlossen. Ich rufe Ihnen den Beschluss noch einmal in Erinnerung – Sie haben ihn offenbar vergessen, Herr Jongen –: Nach Abwägung historischer und inhaltlicher Aspekte ist als Standort der Sockel des Kaiser-­Wilhelm-Denkmals auf der Schlossfreiheit vorgesehen. Nach diesem Beschluss kam es wie so oft in Denkmalschutzprozessen zu Zeit- und Planungsverzögerungen und zu einem erheblichen Abstimmungsbedarf mit dem Land Berlin. 2015 konnte dann die Baugenehmigung erteilt werden. Ich gehe davon aus, dass sie ordnungsgemäß erteilt worden ist, meine Damen und Herren; das wurde hier in Zweifel gezogen. Bereits damals sind alle Aspekte des Denkmalschutzes in die Baugenehmigung eingeflossen, auch die historischen Mosaiken. Nachdem es durch den Zeitverzug zu Kostensteigerungen kam, haben wir im Juni 2017 mehrheitlich den Beschluss gefasst, am Freiheits- und Einheitsdenkmal festzuhalten. Dreimal haben wir hier beschlossen, es zu bauen. Auch im Koalitionsvertrag – das interessiert Sie nicht, aber das interessiert uns schon – haben wir uns erneut zu dem Denkmal bekannt. Ich sage hier auch ganz klar: 15 Millionen Euro sind viel Geld. Aber dieses Denkmal ist es wert. Punkt! Seit einem Monat liegen nun alle Voraussetzungen für die Realisierung vor. Nach einem 20-jährigen Prozess können und wollen wir nun endlich den Bau starten. Alles ist entschieden. Alles ist demokratisch entschieden. Und nun kommt die AfD um die Ecke und will das Denkmal stoppen. Ich will Ihnen mit einem Zitat unserer Kulturstaatsministerin antworten. Sie hat gesagt: Wer das Denkmal will, muss es jetzt so bauen wie geplant. Die Beschlusslage nun erneut infrage zu stellen, macht das Projekt kaputt. Jede neue Debatte – das sage ich jetzt nach rechts gerichtet – ist ein „Killerargument“. Wir wollen dieses Denkmal aber nicht killen, sondern endlich bauen. Dazu sollten Sie sich auch durchringen; denn es kann nicht sein, dass Sie an diesen Tag nicht erinnern wollen. Wir wollen das. Im kommenden Jahr feiern wir den 30. Jahrestag des Mauerfalls. Ich freue mich schon jetzt darauf, dass wir dann hoffentlich den ersten Spatenstich machen. Sie können ja fernbleiben, wenn Sie das nicht gut finden. Ich komme und freue mich auf den Tag. Vielen Dank, meine Damen und Herren. Das ist schön, Frau Motschmann. Vielen Dank auch an Sie. – Als nächster Redner hat der Kollege Hartmut Ebbing, FDP-Fraktion, das Wort. Ich weise darauf hin: Das ist seine erste Parlamentsrede.
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Andreas Jung CDU/CSU
Andreas
Jung
CDU/CSU
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In den Bundeshaushalt ist in den Reden bereits eingeführt worden. Ich möchte noch mal herausstellen: Dieser Bundeshaushalt verfügt über so hohe Staatseinnahmen wie noch nie. Das liegt nicht etwa daran, dass wir Steuern erhöht hätten, sondern es liegt daran, dass die allermeisten Menschen in Deutschland Arbeit haben. Es liegt daran, dass die Beschäftigungsquote hoch ist und die Arbeitslosenquote gering. Es liegt daran, dass trotz der Eintrübung in der Wirtschaft die Unternehmen Aufträge haben, Umsätze machen, Gewinne generieren und Steuern abführen. Deshalb möchte ich diese Debatte auch nutzen, mich bei all diesen Menschen zu bedanken. Das sind die Menschen, die die soziale Marktwirtschaft ermöglichen. Sie sind die Säulen der sozialen Marktwirtschaft in Deutschland. Diese soziale Marktwirtschaft kommt in diesem Haushalt zum Ausdruck. Wir geben mehr als jeden zweiten Euro für Soziales, Familien, Gesundheit, Pflege, Rente, für die sozialen Aufgaben aus. Und wir werden deshalb unserem Anspruch, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen, gerecht. Das ist das eine. Aber wir müssen eben auch in die Zukunft investieren; denn wir haben eine Verantwortung, nicht nur für die Menschen heute, sondern wir haben eine Verantwortung für die nächsten Generationen. Wir müssen deshalb die Weichen dafür stellen, dass das, was wir heute haben – unser Land steht an der Spitze und liegt im Wettbewerb vorne –, auch morgen gelingt. Das kommt in diesem Haushalt durch Innovation, Infrastruktur und Investitionen zum Ausdruck. Das ist der rote und schwarze Faden, der Faden der Großen Koalition, der diesen Haushalt durchzieht. Damit bringen wir Deutschland auf die Erfolgsspur. Ich möchte es an einigen Punkten deutlich machen, da es hinterfragt wurde: Ja, wir investieren mit diesem Haushalt so viel Geld wie noch nie. Wir investieren Milliarden Euro in den nächsten Jahren in die Schiene, wir bringen PS auf die Schiene. Wir tun damit etwas für den Klimaschutz und für die Infrastruktur in diesem Land. Wir investieren weiter in die Straßen. Das will ich den Grünen auch sagen: Sie reden jeden Tag von Elektromobilität. Elektroautos können viel, sie können aber nicht fliegen; auch Elektroautos brauchen Straßen. Deshalb ist Ihre Politik gegen den Straßenbau – das haben Sie auf Ihrem Parteitag beschlossen – falsch. Wir brauchen Schiene und Straße, eine gute, ausgewogene Infrastruktur, die Deutschland voranbringt. Und wir brauchen digitale Infrastruktur; darin investieren wir. Es ist kritisiert worden, es würde in Deutschland zu wenig für Bildung getan. Ich erinnere daran, dass bei den Schulen zuerst einmal die Länder in der Pflicht sind und ihrer Verantwortung gerecht werden müssen. Aber wir helfen ja. Wir haben festgestellt, dass bei den Schulen zu wenig im Bereich der digitalen Infrastruktur gemacht wird, dass es hier Handlungsbedarf gibt. Und obwohl der Bund nicht zuständig ist, haben wir gesagt: Wir bekennen uns zu dieser Verantwortung. – Wir haben sogar das Grundgesetz dafür geändert und es geschafft, dass die Bildungshoheit der Länder erhalten bleibt, der Bund aber in die digitale Infrastruktur investieren kann. Denn wir haben gesagt: Da entscheidet sich die Zukunft unseres Landes. Wir tun etwas für Schulen und für Schüler, für die Zukunft unseres Landes, für Innovation in Deutschland. Das haben wir gemeinsam gemacht, und das bildet sich in diesem Haushalt ab. Wir fördern Forschung und Entwicklung. Das tun wir durch ganz konkrete Programme. Wir fördern die künstliche Intelligenz. Wir investieren in Programme für Wasserstoff, für synthetische Kraftstoffe, weil wir einen Schritt weiterdenken. Wir müssen fragen: Wo kommt der Wohlstand von morgen her? Wie schaffen wir es, an der Spitze zu bleiben? Wie schaffen wir es, in einem weltweiten Wettbewerb, in dem es keine Selbstverständlichkeiten gibt, auch morgen vorne dabei zu sein? Deshalb investieren wir in diese Programme. Wir schaffen eines, worüber wir lange diskutiert haben und was lange eine Forderung aus dem Mittelstand war: Wir führen – wenn der Bundesrat am Freitag zustimmt; da sind wir ganz optimistisch – zum nächsten Jahr die steuerliche Forschungsförderung ein und zeigen damit, dass wir diejenigen unterstützen, die in den Unternehmen an morgen denken, die sagen: Ja, wir müssen entwickeln, wir müssen forschen, wir müssen neue Produkte auf den Markt bringen, damit wir im internationalen Wettbewerb erfolgreich sind. – All das unterstützen wir mit diesem Haushalt und kommen dabei wesentlich voran. Ja, es ist ein Haushalt, über dem die schwarze Null steht. Herr Fricke, dieser Haushalt ist ausgeglichen. Ich habe bei Ihrer emotionalen Rede den Eindruck gewonnen, dass er sogar sehr viel ausgeglichener ist als Sie. Es ist jedenfalls ein Haushalt ohne neue Schulden, und ich will den Rednern auf der linken Seite dieses Hauses – je linker, desto mehr – doch sagen: Dahinter steht keine Ideologie. Er ist Ausdruck von Grundsätzen; er ist Ausdruck von Verantwortung. Wir haben durch die schwarze Null Schluss gemacht mit dem Schuldenstaat vergangener Jahrzehnte. Wir haben gesagt: Es ist falsch, die Aufgaben von heute den künftigen Generationen als Lasten zu übertragen. Dieser Haushalt ist Ausdruck von Nachhaltigkeit, und zwar Nachhaltigkeit im richtig verstandenen Sinne. Wenn Sie und übrigens auch die Grünen auf ihrem Parteitag sagen: „Wir müssen davon abrücken; die Aufgabe ist doch heute so groß, dass wir jetzt Schulden machen können, die spätere Generationen zurückzahlen müssen“, dann sage ich Ihnen: Es ist eine grundsätzlich falsche Annahme, wenn man glaubt, die Herausforderungen, die wir heute haben – ja, sie sind groß –, sind viel größer als die, die in 10, 20 oder 30 Jahren auf die Menschen zukommen; denn das können wir nicht wissen. Deshalb ist diese Haltung nichts anderes als ein gegenwartsbezogener Egoismus und das Gegenteil von Verantwortung. Ich habe mich schon gewundert, dass Sie nicht nur von der schwarzen Null abrücken wollen, sondern dass die Grünen auch von der Schuldenbremse abrücken wollen, die ja in anderen Zeiten Flexibilität bieten würde. Das ist nicht unser Weg. Da zeigen Sie, dass Sie eine Schieflage bei der Nachhaltigkeit, über die Sie gerne sprechen, haben. Wir wollen die schwarze Null jetzt um die grüne Null ergänzen – ergänzen, nicht ersetzen. Wir gehen den Weg zur Klimaneutralität. Deshalb haben wir das Klimapaket auf den Weg gebracht, das mit der CO2-Bepreisung auf neue Instrumente setzt und mit dem Klimaschutzgesetz die Voraussetzung dafür schafft, dass keine Lücken mehr entstehen, dass wir Klimaziele einhalten. Darin sind ganz konkrete Unterstützung und Förderung durch Programme vorgesehen, damit wir im Klimaschutz vorankommen, und zwar so, dass wir die Menschen mitnehmen. Deshalb fördern wir Heizungsaustausch, deshalb fördern wir Gebäudesanierung, deshalb fördern wir die Schiene, den ÖPNV, Ökoautos und Ladeinfrastruktur. Das sind doch die Dinge, die wir konkret brauchen, damit Klimaschutz mit den Menschen geht. Das findet sich in diesem Haushalt, und das wird sich in den nächsten Haushalten finden. So bringen wir schwarze Null und grüne Null zusammen und setzen auf Nachhaltigkeit in der ganzen Breite. Es wurde gesagt: Es ist nicht über Wirtschaft gesprochen worden. – Oh doch. Ich habe Dinge im Bereich von Innovation und Forschung sowie die steuerliche Forschungsförderung angesprochen. Gerade beim Klimaschutz legen wir allergrößten Wert darauf, dass wir beides zusammenbringen. Wir machen das mit Augenmaß. Wir sind für einen konsequenten Klimaschutz. Wir gehen das aber so an, dass wir Wirtschaft und Soziales zusammendenken. Ökonomie und Ökologie, schwarze Null und grüne Null – wir wollen das sozial gerecht und sozialverträglich umsetzen, damit es hier keine gelben Westen gibt. Das ist für uns Ausdruck von Verantwortung, und diese findet sich in diesem Haushalt wieder. Herzlichen Dank. Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Christian Dürr, FDP.
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Oliver Krischer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Oliver
Krischer
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, man muss die Debatte hier vom Kopf auf die Füße stellen. Wir haben seit Jahren in deutschen Innenstädten massive Grenzwertüberschreitungen, weil die Automobilindustrie – das betrifft Hersteller aller Marken – aus Deutschland und dem Ausland den Menschen Fahrzeuge verkauft hat, die die Grenzwerte teilweise um das Mehrfache überschritten haben. Die Menschen haben diese Fahrzeuge im guten Glauben gekauft, sie kauften ein sauberes Auto. Das Einzige, was Sie nach bald vier Jahren Abgasskandal jetzt zustande bringen, ist, dass Sie hier eine Shownummer vorlegen, mit der Sie in der Konsequenz versuchen, an den Grenzwerten herumzuschrauben. Meine Damen und Herren, das ist umweltpolitisch ein Skandal, was Sie hier machen. Das ist unverantwortlich. Das löst kein einziges Problem. Ehrlich gesagt: Das Verrückteste an der Debatte ist ja, dass Sie in die Begründung Ihres eigenen Gesetzentwurfes hineinschreiben, dass dadurch kein einziges Fahrverbot verhindert wird. Da steht nämlich drin, meine Damen und Herren, dass als Ultima Ratio selbstverständlich Fahrverbote ergriffen werden müssen, auch wenn Messwerte zwischen 40 und 50 Mikrogramm festgestellt werden, und zwar dann, wenn an dieser Stelle nichts anderes mehr hilft. Das nennen die Juristen einen Zirkelschluss. Deshalb ist dieser Gesetzentwurf ein reiner Witz. Er ist am Ende nur ein Arbeitsprogramm für Gerichte und Rechtsanwälte. Er löst kein Problem. Er schafft nur Rechtsunsicherheit. Das, meine Damen und Herren, ist ein Armutszeugnis für eine Bundesregierung. Ich finde auch, dass Sie mit einem solchen Gesetzentwurf hier kommen, statt dass Sie endlich, bald vier Jahre nach dem Bekanntwerden des Abgasskandals, mal die Verantwortlichen aus der Automobilindustrie zur Rechenschaft ziehen, das ist nichts anderes als ein Kotau vor dieser Industrie. Das muss an dieser Stelle mal klar gesagt werden. Meine Damen und Herren, dass Ihnen vom rechten Block – Schwarz-Braun-Gelb – hier alles egal ist, wenn es um den deutschen Diesel geht, das wissen wir ja. Nach Ihrem ganzen Kreuzzug gegen die Deutsche Umwelthilfe, bei dem Sie ja bereit waren, den Rechtsstaat abzuschaffen, wundert mich das inzwischen nicht mehr. Aber dass die Sozialdemokraten und die Umweltministerin das mitmachen und dass der Staatssekretär das hier noch als Erfolg verkauft, das ist, ehrlich gesagt, eine umweltpolitische Bankrotterklärung der Umweltministerin und der SPD in der Bundesregierung. Auch das, meine Damen und Herren, gehört zur Wahrheit, und das muss an der Stelle mal gesagt werden. Herr Pronold, Sie haben eben von Hardwarenachrüstung gesprochen. Bei einem Ihrer zahllosen Dieselgipfel war der Deal, dass Sie für diesen komischen Gesetzentwurf, der gar nichts bewirkt, der eine Shownummer ist, Hardwarenachrüstungen kriegen und dass damit die Luft in den Innenstädten endlich wirklich sauberer wird. Meine Damen und Herren, was ist passiert – jetzt, fast ein Jahr später? Gar nichts ist passiert. Nicht ein einziges Fahrzeug hat bis heute eine Hardwarenachrüstung bekommen, weil der Verkehrsminister, der sich dahinten in der letzten Reihe versteckt – das würde ich an seiner Stelle auch tun –, an der Stelle überhaupt nichts macht, sondern versucht, im Sinne der Automobilindustrie dieses Problem weiter auszusitzen. Meine Damen und Herren, damit bin ich bei Andi Scheuer, der in den letzten Wochen ja nichts anderes zu tun hatte, als irgendwelchen Lungenärzten mit Rechenschwäche hinterherzulaufen. Ich habe mich gestern gefreut, als die EU-Kommission diesen Verkehrsminister mal so richtig gegen die Pumpe hat laufen lassen und ihm erklärt hat, dass das substanzlos ist und dass seine Intervention eher dazu führt, dass die Europäische Union die Grenzwerte verschärft – was wissenschaftlich richtig wäre –, als dass sie sie aufweicht. Da kann ich nur sagen, frei nach einer Aussage von Christian Lindner: Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss, bitte. Angesichts der Verkehrspolitik in diesem Land mit diesem Verkehrsminister wäre es besser, gar keine Bundesregierung zu haben als diese Bundesregierung. Das muss hier mal in aller Klarheit gesagt werden. Danke schön. Vielen Dank, Herr Kollege Krischer. – Nur fürs Protokoll, Kollege Krischer: Herr Minister Scheuer versteckt sich nicht in der letzten Reihe; das ist der ihm zugewiesene Platz. Als nächster Redner spricht zu uns der fraktionslose Abgeordnete Mario Mieruch.
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Dr.
Dr. Gottfried Curio AfD
Gottfried
Curio
AfD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Moria: Die griechische Regierung teilt mit: Die Migranten haben selbst Feuer gelegt; es handele sich um Menschen, die ihr Gastland nicht respektieren. Österreichs Innenminister sagt: Wer unsere Hilfsbereitschaft mit Füßen tritt, kann nicht mit Schutz in Europa rechnen. Die Niederländer sagen, dass sie keine Menschen übernehmen. Eine europäische Lösung wird’s nicht geben. Alle wissen: Im Zweifelsfall nimmt Merkel am Ende auch wieder alle alleine. Was war passiert? In der Nacht wurden zeitgleich mehrere Brände gelegt, Feuerwehrleute beim Löschen mit Steinen beworfen, Migranten singen „Bye-bye, Moria!“. Nachts drauf erneut: was noch heil war, wird abgefackelt, noch unversehrte Zelte und Unterkünfte niedergebrannt. Dieselbe infame Strategie wie bei den Bootsbetrügern vor Libyen: Man macht sich hilflos, um daraus Ansprüche zu erpressen. Was für eine unverschämte Anspruchshaltung – alles seit September 2015! Die Linke gibt den Wirtschaftsmigranten und Asylbehauptern die Losung vor: Wenn dir die erste geschenkte Hütte nicht mehr zusagt, fackle sie ab, dann müssen sie dir was Besseres geben. – Wollen wir wirklich Leute hier haben, die nächtlich Feuer legen, Rettungskräfte angreifen, noch Häuser der Inselbewohner abfackeln? Die Sankt-Georg-Kirche auf Lesbos wurde komplett verwüstet, Inventar zerstört, Heiligenikonen verbrannt. Vor einem Jahr legten Migranten ein Feuer, in dem eine Frau und ein Kind starben. Diese Klientel will Die Linke hier im Lande und wirbt: Die Feuerteufel von Moria – bald auch in Ihrer Nachbarschaft! – Die deutschen Bürger lehnen dankend ab, meine Damen und Herren. Warum sollte Deutschland Wirtschaftsmigranten und Erpresser auch noch belohnen mit Sozialhilfe und Luxusunterkünften? Hilfe ist vor Ort zu leisten. Das heißt nicht auf griechischen Inseln, sondern in den Heimatregionen. Dorthin ist zu evakuieren. Die Reise nach Deutschland gäbe einen Nachzugseffekt, ein Fass ohne Boden – und nur eine Frage der Zeit, bis weitere Lager brennen. Soll das Schule machen? Und wenn sie dann hier sind, werden dann wieder Asylheime angesteckt, um luxuriösere Unterkünfte zu erzwingen? So wie 2016 ein Marokkaner in Düsseldorf sein Flüchtlingsheim abfackelte, weil er keinen Schokopudding bekam – wirklich eine Schande, dass es keinen Schokopudding gab! Die sind zu 70 Prozent aus Afghanistan. Wenn in Leipzig bald Bürgerkriegszustände herrschen, gehen Sie dann nach Griechenland oder Afghanistan oder nicht eher nach Bayern oder Brandenburg? Was für eine schamlose Lüge, dieser als Flucht verbrämte Sozialtourismus! Was hier nottut, ist: konsequent Grenzen schützen, Migranten abweisen, Illegale abschieben. Dann kommen keine mehr, keine überfüllten Lager, keine Brände, keine Mittelmeertoten. Und mit den eingesparten Milliarden kann man hundertmal mehr vor Ort helfen. Das wäre wahre Humanität! Aber wer jetzt wieder Asylbehaupter importieren will, kann Kanzler – ein Überbietungswettbewerb der Kandidaten beginnt: eben noch: „Wer ist der härteste Coronasheriff?“, jetzt: „Wer holt mehr Sozialhilfeempfänger?“ Laschet: 1 000, Röttgen: 5 000; fehlen noch: Merz: 10 000, Söder: ganz Afrika. Plant er, das von Neuschwanstein aus zu verkünden? Nein, meine Damen und Herren! Dieselben Leute, die „Wir haben Platz!“ skandieren, beschweren sich über Mietexplosionen in den Städten, zu wenig Kitaplätze, schicken ihre Kinder auf teure Privatschulen ohne Migranten. Und wo haben wir Platz? Berlins Grüne meinen: in Hotels. Während arbeitende Deutsche keine bezahlbare Wohnung mehr finden, werden von ihrem Steuergeld Wohnungen für illegale Scheinflüchtlinge finanziert, mit Mieten oft über 100 Prozent über den ortsüblichen. Aber dass genug Platz in Deutschland sei, das wird ja schon zweifelsfrei durch Stühle vorm Reichstag bewiesen. Erst die Stühle, dann das Feuerwerk. Die geistigen Brandstifter sitzen hier in Deutschland! Was für eine peinliche choreografierte Show, diese konzertierte Aktion! Für wie dumm halten die Umsiedlungsfanatiker den Wähler eigentlich? Nein, meine Damen und Herren, Deutschland ist keine weltweite Hilfsorganisation mit lediglich angehängter Steuersklavenbevölkerung. Aufgabe der Regierung ist es, die Interessen des Volkes zu vertreten, des deutschen Volkes. Da haben Sie in der von Ihnen verursachten Lockdownkrise jetzt wahrlich genug zu tun. Danke schön. – Wir kommen zurück zur Debatte über die Konsequenzen aus dem Brand in Moria und der humanitären Katastrophe vor Ort. Die nächste Rednerin ist Ute Vogt für die SPD-Fraktion.
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Martin Hess AfD
Martin
Hess
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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag der FDP zielt darauf ab, Terrorismus und organisierte Kriminalität zu bekämpfen, indem man ein europäisches Kriminalamt schafft, das diese Aufgabe wahrnehmen soll. Dabei ist doch die FDP, übrigens gemeinsam mit allen anderen Altparteien, verantwortlich dafür, dass wir überhaupt eine so massive islamistische Terrorgefahr haben. Sie tragen die Politik der offenen Grenzen mit, die der illegalen Massenmigration und damit auch dem islamistischen Terrorismus Tür und Tor öffnet. Aber anstatt Ihre Fehler einzusehen und sich unserer Forderung nach effektivem Grenzschutz anzuschließen, schlagen Sie jetzt eine europäische Superbehörde als Lösung vor. Nehmen Sie zur Kenntnis: Jeder Praktiker wird Ihnen sagen, dass das völlig realitätsfern und daher reines Wunschdenken ist. Sie sind noch nicht einmal in der Lage, effektive Terrorbekämpfung in Deutschland umzusetzen. Sie verweigern sich vehement den Maßnahmen, die dringend erforderlich wären, um die Sicherheitslage für unsere Bevölkerung nachhaltig zu verbessern. Es ist doch angesichts der massiven Bedrohungslage für unsere Bürger nicht mehr nachvollziehbar, dass wir immer noch keine Bundeszuständigkeit bei der islamistischen Terrorbekämpfung haben, wie von der AfD gefordert. 16 verschiedene Länderpolizeigesetze verhindern, dass Sicherheitsbehörden den islamistischen Terror effektiv bekämpfen können. Dies wird von allen Sicherheitsexperten massiv bemängelt. Sie haben diesen Missstand bis heute nicht abgestellt. Damit beweisen Sie, dass Sie den Terror nicht bekämpfen, sondern verwalten. Aber genau das ist mit der AfD nicht zu machen. Der hocheffektive längerfristige Gefährdergewahrsam ist immer noch nicht bundesweit geltendes Recht. Sie haben es daher mitzuverantworten, dass sich in Deutschland immer noch islamistische Gefährder frei bewegen können, obwohl die Sicherheitsbehörden von einer sehr hohen Anschlagsgefahr ausgehen. Solange Sie Ihre Politik nicht ändern – damit meine ich nicht nur die FDP –, so lange werden Sie den Terror auch nicht effektiv bekämpfen können. Da hilft kein europäisches Kriminalamt und keine Europäische Staatsanwaltschaft. Wer im nationalen Rahmen schon so versagt, wie Sie das tun, der versagt erst recht auf europäischer Ebene. Um nicht missverstanden zu werden: Eine verbesserte Zusammenarbeit im Schengen-Raum zur Kriminalitätsbekämpfung ist durchaus sinnvoll – vor allem im Bereich des Datenaustausches –, und auch eine europaweit einheitliche Gefährderdefinition muss endlich umgesetzt werden, und zwar so schnell wie möglich; denn nur so ist eine effektive europäische Terrorbekämpfungsstrategie möglich. Dass dies bis heute nicht umgesetzt ist, zeigt doch, dass Europa die islamistische Terrorgefahr eben gerade nicht beseitigen kann. Zur effektiven Terrorbekämpfung brauchen wir kein europäisches Kriminalamt, das Kapazitäten an sich zieht, die wir zur Terrorbekämpfung selbst dringend benötigen, und das nur zu einem noch größeren Kompetenzwirrwarr führen würde. Das ist deshalb definitiv der falsche Weg. Bei Ihrem Antrag hat man den Eindruck, Sie wollen unsere massiven Sicherheitsprobleme überhaupt nicht lösen, sondern sie einfach nur auf die europäische Ebene verschieben. Sie können den Kollegen von der SPD die Hand geben; denn auch ihr Motto scheint zu sein: „Europa ist die Antwort“, wenn sie im Bundestag nicht mehr weiterwissen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es macht keinen Sinn, die EU mit weiteren staatlichen Funktionen und Institutionen auszustatten, um den Terror zu bekämpfen, solange man nicht die eigenen nationalen Möglichkeiten voll ausgeschöpft hat. Wir müssen zuallererst selbst handeln, und zwar sofort. Wir müssen unverzüglich unsere Grenzen schützen, und die Bekämpfung des islamistischen Terrors muss in die Zuständigkeit des Bundes fallen, damit wir endlich bundesweit allen Gefährdern, bei denen eine Abschiebung nicht möglich ist, die Freiheit entziehen können. Wir brauchen eine konsequente Abschiebung nichtdeutscher Gefährder und Terrorsympathisanten und einen sofortigen Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft bei Terrorkämpfern und deren Unterstützern. Wer zu diesen Maßnahmen nicht bereit ist, der beweist, dass ihm die Sicherheit unserer Bürger nur in Sonntagsreden wichtig ist, aber eben nicht in der Realität. Da der Bürger genau dies immer mehr erkennt, versuchen Sie mit diesem Antrag, sicherheitspolitische Aktivität vorzutäuschen. Ihr Antrag dient im Grunde nur einem Zweck: Ihr Versagen in der nationalen Terrorbekämpfung zu kaschieren, um zukünftig ein europäisches Kriminalamt für Ihr Versagen verantwortlich machen zu können. Das wird die AfD nicht mittragen. Wir lehnen Ihren Antrag ab. Als nächste Rednerin erhält das Wort die Kollegin Susanne Mittag, SPD-Fraktion.
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Norbert Kleinwächter AfD
Norbert
Kleinwächter
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Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Dieser Gesetzentwurf zeigt einmal wieder besonders deutlich, warum wir die Europäische Union in dieser Form verlassen müssen. Da ersinnt die EU-Kommission eine Zwangsrichtlinie zu vorhersehbaren und transparenten Arbeitsbedingungen. Ich sage Ihnen ganz offen: Die EU hat im deutschen Arbeitsrecht absolut nichts verloren! In Deutschland, Frankreich, Italien leben wir anders, wir wohnen anders, wir bauen anders, wir arbeiten anders. Das ist gelebte Diversität; das ist Pluralität. Das wäre Europa und keine hirnlose Nivellierung von Brüssel. Zumal diese Richtlinie wirklich absolut nichts transparenter, absolut nichts vorhersehbarer, sondern alles nur wesentlich bürokratischer macht. Wir haben in Deutschland eigentlich ein wunderbares Nachweisgesetz, und das funktioniert auch wunderbar. Aber jetzt plötzlich kommen neue Nachweispflichten auf die Unternehmen zu, Unternehmen übrigens, die gerade gar nicht wissen, womit sie anfangen sollen ob der Coronafolgen Ihrer Politik, ob der drohenden Gasknappheit, ob der Inflation, mit der sie auch kämpfen müssen. Die haben echt eigentlich keine Lust, jetzt eine EU-Richtlinie umzusetzen, die absolut niemandem etwas bringt. Zumal Sie in dem Gesetzentwurf auch noch schlecht von der Richtlinie abgeschrieben haben. Ja, Sie haben im Endeffekt deutsches Arbeitsrecht verunstaltet mit Tintenklecksen aus Brüssel, weil Sie Begriffe importiert haben, die zwar in der Richtlinie so halbwegs definiert sind, aber nirgendwo im deutschen Recht. Plötzlich taucht dort eine „Referenzstunde“ auf oder eine „begründete Antwort“ oder ein „entsprechender Arbeitsplatz“. Aber nirgendwo haben Sie das definiert, weder in der Begründung noch im Gesetzestext selbst. Damit ist der Gesetzentwurf einfach schlecht. Ich habe immer meinen Schülern gesagt: Lieber nicht abschreiben als schlecht abschreiben. – Das darf gerne auch einmal bei den Altparteien ankommen. Die beiden großen Hauptprobleme sind tatsächlich neben der Bürokratielast diese Unsicherheit in den Rechtsfolgen gewisser Bestimmungen. Nach sechs Monaten sollen jetzt eben Leiharbeitnehmer und befristet Beschäftigte – und das mag ja gut sein – ein Übernahmegesuch an den Arbeitgeber stellen. Aber dieser Arbeitgeber muss dann eine „begründete Antwort“ geben. Die Frage ist: Was passiert denn, wenn es keine „begründete Antwort“ gibt? Und was ist vor allem eine „begründete Antwort“? Ist „Mir passt deine Nase nicht“ oder „Du bist mir zu häufig krank“ eine begründete Antwort? Sie würden das sicherlich verneinen. Aber da sehen Sie schon, wie der Spielraum für Rechtsstreitigkeiten eröffnet wird. Das Gleiche bei der Probezeitdebatte; Herr Oellers hat es kurz angesprochen. Da soll jetzt die Probezeit bei befristeten Arbeitsverhältnissen im Verhältnis stehen zur Dauer des Arbeitsverhältnisses. Es steht aber nicht im Gesetz, was passiert, wenn die Probezeit zu lang ist, ob die dann einfach gar nicht gilt oder ob die als kürzer vereinbart gilt. Beide Definitionen sind möglich. Sie sehen schon: Sie lassen einfach einmal wieder eine Flut auf die Arbeitsgerichte zurollen, und das ist nicht in Ordnung. Meine Damen und Herren, dieser Gesetzentwurf bringt keinem einzigen Arbeitgeber was, er bringt keinem einzigen Arbeitnehmer was, er bringt unserem Land nichts. Er bedient lediglich Ihr Bedürfnis, absolut unsinnige Vorlagen aus der Europäischen Union irgendwie, und zwar mehr schlecht als recht, in deutsches Recht umzusetzen. So kann man keine Politik machen. Das Wort hat Carl-Julius Cronenberg für die FDP-Fraktion.
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Sebastian Fiedler SPD
Sebastian
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich versuche jetzt mal, nicht direkt über jedes Stöckchen zu springen, sondern wähle einen anderen Ansatz. Ich hatte nämlich eine persönliche Erfahrung. Wir hatten als SPD-Fraktion am 11. Oktober im Paul-Löbe-Haus eine tolle Veranstaltung zur Umweltkriminalität. Kurz vor Ende der Veranstaltung hat tatsächlich einer von der sogenannten „Letzten Generation“ den Brandmelder ausgelöst, und wir mussten den ganzen Laden evakuieren. Ich habe mich, ehrlich gesagt, ein bisschen gewundert, dass die Union auf diese Teilaspekte, die hier im Hause stattgefunden haben, mit keiner Silbe eingegangen ist. Das finde ich einigermaßen bemerkenswert. Ich will aber auf den eigentlichen Zusammenhang zu sprechen kommen; denn es ist natürlich kein intellektueller Höhenflug, wenn man sich für Klima- und Artenschutz einsetzt und ausgerechnet eine Veranstaltung zu diesem Thema sprengt. Worum ging es da? Es ging um das drittgrößte Kriminalitätsphänomen der Welt. Die Schätzungen gehen von einem Schaden in Höhe von 100 bis 300 Milliarden Euro jährlich aus; so genau weiß man es nicht. Ich zitiere den WWF: Wir befinden uns … im größten Artensterben seit dem Ende der Dinosaurierzeit vor 65 Millionen Jahren. Ein Viertel der Säugetierarten, jede achte Vogelart, … 30 Prozent der Haie und Rochen sowie 40 Prozent der Amphibienarten sind bedroht. Und ich ergänze: Ein Großteil davon ist deswegen bedroht, weil es sich bei Umweltkriminalität um eine große Kriminalitätsform handelt; die ist ein großer Treiber. Ich will das Thema in ein paar Teilaspekte aufgliedern. Zunächst geht es dabei um illegalen Holzhandel und Holzeinschlag. Aus den Medien wissen wir, dass unsere schöne „Gorch Fock“ mit höchster Wahrscheinlichkeit aus „blutigem“, illegalem Holz aus Myanmar wieder zusammengeschustert worden ist. In jeder Minute, die wir hier gerade reden, fällt etwa ein Fußballfeld Regenwald der Rodung zum Opfer. Das heißt, wir reden über 680 Fußballfelder während dieser Debatte. Weiter geht es um illegale Fischerei. Viel davon landet auf unseren Tellern. Es geht dabei um Sklavenhandel, der betrieben wird. Es geht um Wilderei, illegalen Artenhandel, illegalen Handel mit Müll und dessen Entsorgung, illegalen Bergbau usw. usw. Das alles ist verbunden mit Kernthemen, die wir hier diskutieren: Lieferketten, Korruption, Geldwäsche, Hinweisgeberschutz und vieles mehr. Deswegen – und das war Thema der Veranstaltung – hat die Bundesinnenministerin angekündigt, eine zentrale Ansprech- und Koordinierungsstelle auf Ebene des Bundes einzurichten. Ein kleiner Hinweis an die CDU in Nordrhein-Westfalen: Das ist eine Stelle, die Sie aufgelöst haben. Wir richten sie auf Bundesebene ein. Aus den naheliegenden Gründen, die ich gerade genannt habe, wird sich ein wesentlicher Teil der Strategie zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität – das hat Nancy Faeser richtigerweise gesagt und deutlich gemacht – mit der Bekämpfung der Umweltkriminalität beschäftigen. Wir alle hier im Haus tun gut daran, wenn wir die Beratungen auf europäischer Ebene konstruktiv begleiten. – Ich komme auf Ihr Thema; keine Sorge. Machen Sie sich keine Sorgen. – Wenn es darum geht, die Kriminellen und auch die Unternehmen, die sich an solchen Straftaten beteiligen, härter zu bestrafen, bin ich sehr auf Ihre Hinweise dazu gespannt, wie wir da auf europäischer Ebene zu einer Harmonisierung kommen, genauso wie dazu – darüber diskutieren wir –, ob die Europäische Staatsanwaltschaft hier mehr Mandatsbereiche bekommen muss. Warum spreche ich das alles an? Das geht natürlich auch in Richtung all derjenigen, die sich aus guten Gründen fürs Klima und für Artenschutz engagieren. Wir tun viel, und wir packen sogar Themen an, die noch gar nicht auf der öffentlichen Tagesordnung zu finden sind. Also: Wir tun gut daran, viel gemeinsam zu tun. Das geht an all diejenigen, die legal demonstrieren: Pushen Sie bitte auch dieses Thema! Eines gehört noch dazugesagt: Weder die Bundesregierung noch dieses Haus lassen sich erpressen. Wenn man den Wortlaut auf der Homepage der sogenannten „Letzten Generation“ liest, dann kommt man nämlich ein bisschen zu diesem Eindruck. Diese Aktionen – das muss ich nicht alles wiederholen – sind sehr gefährlich für Menschenleben, sie sind strafbar, sie bedrohen einzigartige Kulturgüter, und – das hatten Sie dummerweise vergessen – sie bedrohen die Demokratieprozesse hier im Haus. Wenn der Brandmelder losgeht und wir alle auf die Straße müssen, ist das durchaus ein wesentliches Thema. Das ist eine völlig fehlgeleitete Energie; denn wir müssen, wenn wir hier etwas erreichen wollen, tatsächlich alle gesellschaftlichen Kräfte zusammenbringen. Auch diese Botschaft muss von hier ausgehen: Die Bedrohungen sind real, und diese Bedrohungen machen Angst. Das darf man durchaus denjenigen zugestehen, die sich hier demokratisch beteiligen. Die Ziele sind richtig; die Mittel sind grundfalsch, und sie sind eben auch kriminell. Ich komme zum Ende meiner Rede. Sie merken, warum ich mir die Redezeit so aufgeteilt habe. Der Kollege Konstantin Kuhle, die Kollegin Eichwede und andere haben schon viel zum Inhalt Ihres Antrags gesagt. Ich möchte noch hinzufügen: Das ist Kriminologie, das ist Kriminalstrategie erstes Semester. Also wenn Sie hier den Leuten erzählen wollen, durch die Androhung irgendeiner erhöhten Strafe würde sich jemand nicht festkleben oder würde keinen Kartoffelbrei auf irgendetwas schmeißen, dann ist das populistischer Unfug sondergleichen. Das weiß jeder, der ein bisschen Kriminologie gelesen hat. Und weil Sie sich so gerne als Law-and-Order-Partei geben: Wenn wir hier in den nächsten Wochen und Monaten darüber diskutieren, die Strafen für Umweltverbrecher zu erhöhen, dann werde ich Sie beim Wort nehmen. Wenn es darum geht, Unternehmen, die illegal geschlagenes Holz einschleppen, mit schärferen Unternehmenssanktionen zu kriegen, wenn es darum geht, diese umsatzabhängig zu machen, dann bin ich gespannt, wie Ihre Law-and-Order-Politik bei diesen Verbrechern aussieht. Das gehört nämlich mit zur Vollständigkeit dazu und zeichnet ein konsistentes Bild. Das Wort hat Stephan Brandner für die AfD-Fraktion.
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Manfred Todtenhausen FDP
Manfred
Todtenhausen
FDP
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, mit Ihrem Antrag haben Sie tatsächlich ein Thema aufgegriffen, mit dem sich Politik regelmäßig befassen muss. Die Zukunft von Innovation und Forschung im Bereich Gesundheit und Pharma ist gerade in Deutschland wichtig. Das weiß die Bundesregierung, und das nimmt sie auch sehr ernst. Ein Beispiel: Das Forschungsministerium misst gerade auch den kleinen und mittleren Unternehmen eine sehr hohe Bedeutung zu und plant noch in diesem Monat die Umsetzung einer gezielten Förderrichtlinie zu KMU-innovativ. Es heißt in Bezug auf angewandte Forschung und Umsetzung im Antrag der Union folgerichtig – ich zitiere –: Mit Hilfe der mRNA-Technologie konnte das Mainzer Biotechnologieunternehmen BioNTech zügig einen wirksamen und marktgängigen Impfstoff zum Schutz vor dem Covid-19-Virus entwickeln. … Zugleich hat der wirtschaftliche Erfolg von BioNTech das enorme Potenzial der Biotechnologie zur Stärkung unseres Wirtschaftsstandorts verdeutlicht. Meine Damen und Herren, wir sind uns hier alle einig. Schließlich wurde die mRNA-Technologie in Deutschland entwickelt und verbessert. Lassen Sie mich aber auch auf die allgemeine Situation von Pharma in Deutschland blicken. Hierzulande wächst die Sparte weiterhin, mehr noch: Sie alleine hat laut Verband der Chemischen Industrie zu einem Wachstum von 0,5 Prozent der Gesamtbranche beigetragen. Ohne dieses Wachstum gäbe es eine Bilanz von minus 3 Prozent. Und wir kennen die Gewinner, die natürlich erfolgreich geholfen haben. Ja, es war BioNTech an erster Stelle, die früh das passende Vakzin entwickelt und weltweit exportiert haben. Zusammen mit Pfizer haben sie eine transatlantische Partnerschaft begründet und zum guten Ruf des Standorts Deutschland beigetragen. So gilt etwa Berlin, in dem viele Start-ups aus diesem Bereich gegründet wurden, in den USA mittlerweile als das „Boston an der Spree“. Mehr Anerkennung geht ja wirklich nicht. Bayer etwa findet hier mit seiner Pharmasparte – hier im Wedding – talentierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Auch die Zusammenarbeit mit Start-ups im Ökosystem Berlin klappt hervorragend. Meine Damen und Herren, was ich sagen will: Derzeit ist die Biotechbranche gut aufgestellt. Das trägt Früchte. So hat BioNTech an seinem Standort Mainz einen solch hohen Umsatz erbracht, dass die Stadt Ende des Jahres schuldenfrei ist und nun weiter am Biotech-Campus bauen kann. Und selbst die Adresse von BioNTech klingt wie eine Verheißung. Der Standort befindet sich An der Goldgrube in Mainz; das ist tatsächlich der Straßenname und zeigt eigentlich schon jetzt den Erfolg. In diesem Umfeld, sei es jetzt in Mainz, Berlin, Tübingen oder auch bei dem Mittelständler IDT in Dessau, ist die Biotechnologie gut aufgestellt und kann investieren. Und das tut sie auch. Insofern stellt sich die Frage: Warum jetzt staatlich oder europäisch zusätzlich fördern, wenn die Unternehmen selbst finanziell gut aufgestellt sind? In anderen europäischen Ländern mag das ja vielleicht nötig sein. Deswegen wollen sich auch, wie angesprochen, 16 Länder bei IPCEI zusammenschließen und eine Industriestrategie ergründen. Die Teilnahme ist offen, kein „closed shop“, aber Deutschland wird derzeit nicht mitmachen, so wie übrigens auch Schweden, wo das schwedisch-britische Gemeinschaftsunternehmen AstraZeneca den zweiten europäischen Impfstoff herausgebracht hat. Wir handeln also nicht isoliert, sondern kalkuliert. Ordnungspolitisch kann man sagen: Wir handeln hier genau richtig. Im Gegensatz zu Speicherchips, Wasserstoff- und Batterietechnologie, wo wir bisher vor allem von Asien abhängig waren und daher bei IPCEI mitmachen, prüfen wir das bei Pharma in aller Ruhe. Akut ist da aber kein Bedarf, meine Damen und Herren. Gerade in Zeiten begrenzter Mittel gilt es, Prioritäten richtig zu setzen und nicht Wirtschaftszweige zu fördern, die sich gegenwärtig sehr gut selber helfen können. Mehr noch: Wir wollen und müssen jetzt endlich wieder die Schuldenbremse einhalten, die uns das Grundgesetz vorschreibt. Da frage ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union: Wollen Sie da nicht mehr mitmachen? Ich glaube, eigentlich sind Sie auch dafür. Die Pandemie hat gezeigt: Unsere innovativen Firmen können das leisten. Was wir besser machen können, sind sicher die Regularien bei der Finanzierung und Zulassung von Betriebsstätten; das ist keine Frage. Aber das ist ein anderes Thema, womit sich die Bundesregierung beschäftigt. Vielen Dank. Bleiben Sie gesund! Nächste Rednerin: für die CDU/CSU-Fraktion Katrin Staffler.
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Katrin Werner DIE LINKE
Katrin
Werner
DIE LINKE
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit dem hier vorliegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung wird endlich die Möglichkeit geschaffen, dass auch Menschen unter 27 Jahren den Bundesfreiwilligendienst in Teilzeit verrichten können. So können junge Menschen in Zukunft den Bundesfreiwilligendienst, ein Freiwilliges Soziales Jahr oder ein Freiwilliges Ökologisches Jahr in Teilzeit – mindestens 20 Stunden in der Woche – absolvieren, wenn gewichtige persönliche Gründe das erforderlich machen. Das können, wie bereits erwähnt, die Betreuung eines eigenen Kindes oder eines anderen Angehörigen, eine Behinderung oder vergleichbare Gründe sein. Ja, es ist gut, dass diese Teilzeitmöglichkeit eingeführt wird. Dadurch wird endlich der Freiwilligendienst für junge Menschen geöffnet, die vorher ausgeschlossen waren. Die Barrieren für Menschen mit Behinderung werden gesenkt, und auch die Vereinbarkeit von Familie und Engagement wird verbessert. Aber leider ist dieser Entwurf, wieder einmal, nur ein kleiner Schritt. Die Chance für notwendige Veränderungen, um Freiwilligendienste wirklich inklusiv zu gestalten, haben Sie wieder nicht genutzt, Frau Giffey. Dabei wäre das relativ einfach gewesen. Der Unterausschuss Bürgerschaftliches Engagement hat im Namen aller Fraktionen eine Empfehlung ausgesprochen und Vorschläge unterbreitet. Der Familienausschuss hat diese Empfehlung bestätigt. Dieses gemeinsame Papier wurde an das Ministerium gesandt. Sie haben unsere Vorschläge nicht aufgegriffen und die Chance, so finden wir, vertan, den Freiwilligendienst inklusiver zu gestalten. Es gibt keine Verbesserung bei der pädagogischen Begleitung. Deswegen bleibt die Öffnung für unterschiedliche Zielgruppen mangelhaft. Es muss darum gehen, die Teilhabe aller unterrepräsentierten Gruppen zu stärken. Dazu zählen Menschen mit Behinderung, Menschen mit Migrationshintergrund und sozial benachteiligte Menschen und Menschen aus bildungsfernen Schichten. Zur Anerkennungskultur. Auch dazu wurden in dem Papier Vorschläge unterbreitet. Auch dazu finden wir in dem Gesetzentwurf nichts. Freiwillige setzen sich schon lange unter dem Motto „Freie Fahrt für Freiwillige“ für eine kostenlose Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs ein. Diese Forderung haben Sie nicht aufgegriffen, Frau Giffey. Warum schaffen Sie nicht endlich einen bundesweit einheitlichen Freiwilligenpass, der engagierten Menschen die kostenlose Nutzung von ÖPNV, von Freizeit-, Kultur- und Sporteinrichtungen ermöglicht? Das wäre ein erster Schritt, um die Anerkennungskultur stärker in den Mittelpunkt zu stellen. Engagement muss man sich leisten können. Deshalb ist es notwendig, dass endlich die Anrechnung des Taschengeldes auf Sozialleistungen abgeschafft wird. Das tun Sie nicht. Für sozial benachteiligte Menschen bleiben deswegen weiterhin Barrieren beim Freiwilligendienst bestehen. Die Freiwilligendienste bleiben ein Privileg für ökonomisch bessergestellte Menschen. Das muss endlich aufhören. Auch das Thema Arbeitsmarktneutralität packen Sie wieder nicht an. Fest steht: Die Freiwilligendienststellen dürfen keine regulären Arbeitsplätze verdrängen oder deren Schaffung verhindern. Gerade im Pflegebereich, wo wir einen massiven Personalnotstand haben, ist das ein riesiges Problem. Doch von Ihnen kommen keine Vorschläge, wie man das besser kontrollieren könnte oder wie das verhindert werden kann. Der Pflegenotstand darf nicht auf dem Rücken von Freiwilligen behoben werden; denn das geht immer zulasten der Freiwilligen oder der Pflegebedürftigen. Sehr geehrte Damen und Herren, selbst bei der Gestaltung dieses Gesetzentwurfs gibt es Mängel. Die Möglichkeit, den Dienst in Teilzeit zu absolvieren, soll nur für junge Menschen mit einem berechtigten Interesse bestehen. Was ist ein „berechtigtes Interesse“? Das wird im Berufsbildungsgesetz geregelt. Die Kriterien legt der Hauptausschuss des Bundesinstituts für Berufsbildung fest. Die Entscheidung darüber muss aber bei denjenigen liegen, die am Freiwilligendienst beteiligt sind, das heißt bei den Freiwilligen, bei den Trägern und bei den Einsatzstellen. Aus unserer Sicht müssen wir da die Freiwilligen stärken. Wenn jemand einen Freiwilligendienst leisten möchte, soll das auch möglich sein. Das Taschengeld für Freiwillige, die ihren Dienst in Teilzeit verrichten, soll gekürzt werden. Das könnte sich in manchen Fällen negativ auswirken. Gerade junge Menschen, die Angehörige oder Kinder betreuen, sind leider häufig auf dieses Taschengeld angewiesen. Eine Kürzung könnte sie vom Freiwilligendienst ausschließen. Das Taschengeld ist keine Aufwandsentschädigung und auch kein Lohn. Über die Höhe des Taschengeldes sollten in einem bestimmten Rahmen die Träger und die Einsatzstellen zusammen mit den Freiwilligen entscheiden. Wir brauchen keine starren Vorgaben, die am Ende wieder Menschen ausschließen. Außerdem sieht der Gesetzentwurf keine Regelungen zu Übergängen von Voll- in Teilzeit vor. Sie haben die Möglichkeit vertan, Klarstellungen ins Gesetz aufzunehmen und damit die Zahl der Abbrüche von Freiwilligendiensten zu reduzieren. Frau Giffey, ich finde es schade, dass Sie die Vorschläge, die in dem gemeinsamen Papier vom Unterausschuss gemacht wurden, nicht aufgenommen haben. Wir würden uns schon wünschen, dass in der Nacharbeit mehr aufgenommen wird. An dieser Stelle möchte ich den Paritätischen Gesamtverband zitieren, der in seiner Stellungnahme schreibt: … die Chance [bleibt] ungenutzt, umfassende strukturelle Änderungen zur inklusiven Ausgestaltung von Freiwilligendiensten zu ermöglichen. Mit dem FWDTeilzeitG wird lediglich der zeitliche Umfang in der Einsatzstelle reformiert. Ein an den gesellschaftlichen Notwendigkeiten und Bedürfnissen … ausgerichteter Freiwilligendienst umfasst jedoch mehr … Viele junge Menschen bleiben weiterhin ausgeschlossen. Die großen Themen wie Anerkennungskultur, Arbeitsmarktneutralität und pädagogische Begleitung fassen Sie nicht an. Da haben sich viele Beteiligte mehr erhofft. Danke. Vielen Dank, Katrin Werner. – Nächste Rednerin für Bündnis 90/Die Grünen: Dr. Anna Christmann.
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Ingmar Jung CDU/CSU
Ingmar
Jung
CDU/CSU
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Movassat, ich habe fast geahnt, dass wir heute zum zweiten Mal die Schwarzfahrdebatte führen dürfen und Sie die Ersatzfreiheitsstrafe zum Anlass nehmen, wieder darüber zu reden. Ich möchte als Erstes die Punkte aufgreifen, die Sie eben genannt haben; denn man kann das einfach nicht alles so stehen lassen. Sie suggerieren hier etwas, was sich in unserem Rechtssystem in keiner Weise widerspiegelt. Zum Ersten. Ich kenne jetzt den Fall mit dem Neugeborenen und der Mutter mit dem Busticket für 2,50 Euro nicht; aber Sie wissen auch, dass die StPO vorsieht, dass bei unbilligen Härten die Ersatzfreiheitsstrafe eben gerade nicht vollstreckt wird. Ich kann den Einzelfall nicht bewerten – ich kenne die Vorgeschichte nicht –; aber jetzt tun Sie doch bitte nicht so, als ob eine junge Mutter, die mit dem Bus fährt und einmal das Ticket für 2,50 Euro nicht bezahlt, in den Knast geht und das Kind zu Hause bleibt. Das hat doch nichts mit der Realität zu tun. Sie suggerieren hier etwas, was einfach nicht wahr ist. Zum Zweiten haben Sie als Argument vorgebracht, § 47 StGB sähe vor, dass eine kurze Freiheitsstrafe nur in Ausnahmefällen vorgesehen ist. Ja, das ist ja genau hier der Fall. Wir sprechen doch nur von Fällen, in denen eine Geldstrafe im Urteil steht, die uneinbringlich ist, bei der nicht eine Vereinbarung über eine andere Erbringung getroffen wurde, sodass die Strafe weiterhin nicht vollstreckt werden kann. Dann kommt es zu einer Ersatzfreiheitsstrafe. Das ist ein absoluter Ausnahmefall. Genau deswegen ist das auch im Einklang mit den sonstigen Regelungen. Jetzt will ich noch mal kurz auf Ihr Argument zurückkommen, es sei doch bei einem Busticket nicht einzusehen, dass das den Staat so viel kostet. Wenn wir anfangen, den Rechtsstaat aufzurechnen und auszurechnen, ob der Staat das Geld für das Busticket zurückholt, dann haben wir nicht verstanden, wofür das Strafrecht überhaupt da ist. Und das wissen Sie auch: Wer einmal das Busticket für 2,50 Euro nicht kauft und schwarzfährt, der bekommt in Deutschland überhaupt keine Strafe. Sie tun immer so, als wäre es anders. Das entspricht einfach nicht der Realität. Wenn Sie Gegenbeispiele haben, zeigen Sie sie uns. Die gibt es nämlich nicht. – Sie versuchen doch, es aufzurechnen. Wenn Sie der Auffassung sind, dass das Strafrecht dafür da ist, Schäden auszugleichen oder Geldverluste auszugleichen, dann haben wir eine völlig unterschiedliche Auffassung von unserem Rechtssystem, und es ist auch schlicht und ergreifend falsch. Sie haben „Schwitzen statt Sitzen“ angesprochen. Die Rechtsordnung sieht das vor: Die Länder können Verordnungen erlassen, die regeln, dass gemeinnützige Arbeit geleistet werden kann; mit Zustimmung des Verurteilten kann dann anstatt der Ersatzfreiheitsstrafe gemeinnützige Arbeit geleistet werden. Ja, das geht heute schon. Das geht sogar in allen Bundesländern; das haben alle umgesetzt. Sie haben gesagt, da gebe es zu wenig Personal, deswegen würde das nicht wahrgenommen. Ich wüsste gerne mal, was sich durch Ihren Gesetzentwurf daran ändern soll. Wo soll das Personal plötzlich herkommen? Wenn Sie der Meinung sind, dass die Möglichkeiten der Umwandlung der Ersatzfreiheitsstrafe in den Ländern nicht ausreichend genutzt werden, weil es da nicht genug Personal gibt, dann müssten wir halt mal in Verhandlungen mit den Ländern treten oder Ähnliches machen. Aber daran etwas zu ändern, schaffen Sie nicht durch Ihren Gesetzentwurf. Ihr Vorschlag unterscheidet sich an einer Stelle doch ganz fundamental von dem, was wir jetzt haben. Schon jetzt ist es möglich, bei Ersatzfreiheitsstrafen mit Zustimmung des Verurteilten gemeinnützige Arbeit zu leisten, damit die Ersatzfreiheitsstrafe eben nicht vollstreckt wird. Bei dem, was Sie wollen, geht es aber um die Frage: Was passiert denn, wenn der Verurteilte das gerade nicht will, wenn er nicht mitmacht, wenn die Ersatzfreiheitsstrafe nicht vollstreckt wird? Sie wollen dann, dass er auf eine uneinbringliche Geldstrafe zurückfällt und am Ende sanktionslos bleibt. Das ist es doch, worum es Ihnen im Kern geht: Sie wollen, dass verurteilte Straftäter bei Kleinkriminalität am Ende sanktionslos bleiben. Das ist nicht unser Verständnis von Rechtsstaat, und das wollen wir an der Stelle genau nicht, meine Damen und Herren. Ich will etwas Weiteres aufgreifen, was Sie kurz vor Ende gesagt haben: Beim jetzigen System sei es ja ungerecht oder zumindest inakzeptabel, dass sich der Verurteilte selbst darum kümmern muss, wenn er statt der Ersatzfreiheitsstrafe gemeinnützige Arbeit leisten möchte. Meine Damen und Herren, ich finde, das können wir nun wirklich auch erwarten. Sie wissen doch, dass er auch im Urteil darauf hingewiesen wird; er erhält auch Rechtsberatung. Wenn es einer nicht weiß, dann können Sie es ihm sagen, dann kann ich es ihm sagen, wenn ich ihn treffe. Aber es kann doch nicht sein, dass wir jetzt schon eine Mitwirkungspflicht nicht mehr für angemessen halten. Wir reden doch immerhin von verurteilten Straftätern. Das müssen wir an der Stelle auch mal sehen. Ich weiß, Sie mögen da weniger als andere einen Unwertgehalt sehen; aber dann müssen wir an die Strafgesetze herangehen. Das versuchen Sie auch an der Stelle – ich weiß –; aber wenn – – – Jetzt lassen Sie mich doch mal einen Satz ausreden. Wenn Sie immer dasselbe dazwischenrufen, wird es doch einfach nicht richtiger, Herr Kollege. Lassen Sie mich doch einfach mal nur einen Satz ausreden. Wenn Sie eigentlich die Straffreiheit wollen, dann müssen Sie an das Strafgesetz herangehen. Das haben Sie an der Stelle schon versucht; jetzt versuchen Sie es hier noch einmal über den Umweg. Ich glaube, meine Damen und Herren, wir haben ein klares System, das weitestgehend rechtseinheitlich ist, auch über die Länder hinweg. Der einzige Unterschied zu Ihren Forderungen ist: Im Moment werden in den Ländern zwischen vier und sechs Stunden pro Tagessatz angerechnet. Sie sagen: Ein Tagessatz darf nur drei Stunden Arbeit beinhalten. Ja, man kann darüber reden, wie lang der Arbeitstag sein sollte bzw. wie viel anzurechnen ist. Der fundamentale Unterschied ist der, dass Sie nicht bereit sind, zu akzeptieren, dass in den Fällen, in denen ein verurteilter Straftäter einen Ersatz – und sei es eine gemeinnützige Arbeit – nicht erbringen will, er als letzte Sanktionsmöglichkeit wieder auf die Ersatzfreiheitsstrafe zurückfällt. Genau das wollen Sie abschaffen. Sie wollen de facto am Ende eine Straffreiheit schaffen. Das machen wir nicht mit, meine Damen und Herren. Es ist jetzt 0.51 Uhr. Ich schenke Ihnen 90 Sekunden. Vielleicht mögen die Nachredner es mir gleichtun. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. Herzlichen Dank, Herr Kollege, für dieses wunderbare Geschenk. – Als Nächstes für die AfD-Fraktion der Abgeordnete Thomas Seitz.
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Patricia Lips CDU/CSU
Patricia
Lips
CDU/CSU
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! In Kürze wird die Europäische Kommission Vorschläge machen für eine Reform der Schuldenregeln in Europa, für eine Weiterentwicklung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes. In Zeiten, in denen sich aktuell fast alle Schleusen öffnen, mag die Debatte seltsam anmuten, aber genau jetzt ist sie richtig. Es geht um finanzielle Nachhaltigkeit über den Tag hinaus, um fiskalpolitische Disziplin und damit am Ende um Preisstabilität. Die Bedeutung gerade dieses Begriffes erfahren wir doch jeden Tag aufs Neue. Ein Rückblick: Während der Pandemie wurde die sogenannte Ausweichklausel des Stabilitäts-und Wachstumspaktes aktiviert – diese Ausnahme wurde bis heute verlängert –; verkürzt bedeutet das: Die Mitgliedstaaten konnten kreditfinanziert zusätzliche Ausgaben tätigen – an den eigentlichen Fiskalregeln vorbei. Die Maßnahme war zugeschnitten auf die besonderen Herausforderungen der Pandemie. Deshalb war es richtig, dies alles auf Einmaligkeit und auch nur dort so anzulegen. Nun stehen wir erneut vor Herausforderungen. Sie erfordern in Teilen neue Antworten. Aktuell gilt dies insbesondere im Hinblick auf die Energiekosten und die Bekämpfung der Inflation in ganz Europa. Diese Inflation – sie liegt in Deutschland inzwischen bei 10 Prozent – hat verschiedene Ursachen. Ganz sicher heizen jedoch auch Schulden diese Inflation weiter an. So wichtig manche Maßnahme erscheinen mag und wahrscheinlich auch ist, muss uns dies bewusst sein. Gleichzeitig steigen nun die Zinsen zu Recht; auch sie belasten die Haushalte zusätzlich. Ein Teufelskreis droht. Es gilt: Am Ende führen alle Schulden fiskalisch zum selben Ergebnis und engen ganz klar den Gestaltungsspielraum künftiger Generationen ein. Alle bisherigen Ausnahmetatbestände und Flexibilisierungen des Paktes – so gut sie gemeint waren –, auch manche Maßnahme der EZB – das gehört zur Wahrheit dazu – führten doch gerade nicht zu einer nachhaltigen Trendwende bei der öffentlichen Verschuldung innerhalb der EU. Oft genug geschah das Gegenteil. Deshalb müssen wir zu den Grundprinzipien zurück. Es kann nicht sein, dass dauerhaft die Ausnahme die Regel bestimmt. Erst Stabilität schafft Vertrauen. Wir wollen Europa mit der Reform als Stabilitätsunion wieder stärken. Eine Schuldenstandsquote von 60 Prozent und ein öffentliches Defizit von 3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes müssen auch in Zukunft ihre Gültigkeit behalten. Wir begrüßen das Bekenntnis der Bundesregierung zu diesen Kriterien durchaus. Es ist aber zu befürchten, dass es ein Lippenbekenntnis bleibt. Wir stellen die von ihr gewünschten – ich zitiere – „Anpassungen der Flexibilitätsklausel“ infrage. Was als „wachstums- und innovationsfreundliche Weiterentwicklung“ bezeichnet vermeintlich immer gut klingt, öffnet der geschilderten Erfahrung nach am Ende zu oft Tür und Tor für neue Schulden ohne sichtbare Steigerung der Produktivität. Es ist auch unnötig; denn solide Haushaltspolitik ist ja erst die Basis für Wachstum und Innovation. Für die Zukunft: Es geht um eine Rückführung auf die grundlegenden Regeln. Sie bieten bereits hinreichend Flexibilität. Es geht auch darum, dass eine grundsätzliche Verpflichtung zur Rückführung von Schulden aufrechterhalten bleibt. Es geht um die Durchsetzbarkeit der Regeln. Unzählige Male wurden sie gebrochen – ohne sichtbare Konsequenzen. Das ist ja geradezu absurd. Und es bleibt natürlich gültig: Verantwortung und Haftung in der Fiskalpolitik müssen künftig an einer Stelle bleiben. Eine Vergemeinschaftung von Schulden darf es nicht geben. Kolleginnen und Kollegen, wir sollten die aktuelle Situation wie auch die künftige Rolle des Stabilitätspakts vielleicht auch als Chance begreifen, eine Aufgabenkritik auf den Weg zu bringen – auf europäischer Ebene wie auch im eigenen Land. Es geht um Zuständigkeiten. Es geht um Prioritätensetzung in schwieriger Zeit und um die Zielführung im Ergebnis mancher Maßnahmen. Dabei wären sicher Ressourcen für Entlastungen gegeben, ohne die eigene Verschuldung in derart schwindelerregende Höhen zu treiben wie zurzeit – mit allen Folgen und wie beschrieben. In diesem Sinne: Es braucht den Pakt nicht trotz, sondern auch wegen dieser und künftiger Krisen. Stimmen Sie unserem Antrag zu! Vielen Dank. Nächste Rednerin: für die SPD-Fraktion Bettina Hagedorn.
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Dr. Götz Frömming AfD
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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Katarina Barley, SPD, hat kürzlich verlangt, Polen und Ungarn finanziell auszuhungern, wenn sie sich den Brüsseler Anordnungen nicht beugen wollten. Die Reaktion aus Ungarn folgte postwendend. Zoltan Kovacs, Staatssekretär für Außenbeziehungen, sagte Folgendes – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten –: Wenn Frau Barley … von „Aushungern“ spricht, dann möchte sie auf welches Element des deutschen Know-how zurückgreifen? Auf das von Stalingrad? Leningrad? Warschau? Der Schriftsteller Daniil Granin – er hat vor einigen Jahren auch hier im Bundestag gesprochen – erinnert sich an die Blockade Leningrads: Ein Einwohner bekam erst 200 Gramm, dann nur noch 125 Gramm Brot, es war eine Sterbensration. Während der fast 900 Tage andauernden Blockade der Stadt kamen nach Schätzungen bis zu 1 Million Menschen ums Leben. Ja, meine Damen und Herren, das war ein Kriegsverbrechen, angeordnet vom Führer persönlich, ausgeführt von der deutschen Wehrmacht. Aber so richtig es ist, diese Verbrechen beim Namen zu nennen, so falsch wäre es, die einzelnen Soldaten der Wehrmacht als Verbrecher zu bezeichnen. Richard von Weizsäcker oder Helmut Schmidt waren Soldaten der Wehrmacht, keine Verbrecher. Beide nahmen übrigens an der Blockade Leningrads teil. Sie haben ihre Pflicht erfüllt, genauso wie Daniil Granin, der damals als Kriegsfreiwilliger auf der anderen Seite kämpfte. Als letztes Jahr der 75. Jahrestag der Befreiung Leningrads oder Sankt Petersburgs, wie es heute wieder heißt, mit einer Militärparade gefeiert wurde, haben das viele Zeitungen in Deutschland kritisiert, also praktisch alle Linken. Die Kritik entzündete sich vor allem daran, dass die Russen sich partout nicht als Opfer sehen wollen, sondern eher als Helden und Sieger. Aber, meine Damen und Herren, was ist daran eigentlich so schlimm? Warum müssen wir die Russen belehren, wie sie ihre Geschichte zu deuten haben? Hier liegt der neuralgische Punkt des Antrags, den Sie uns heute vorgelegt haben. Es gibt eben keine postnationale, sozusagen gesamteuropäische Erinnerungskultur im Hinblick auf den Zweiten Weltkrieg. Denkbar wäre sie erst, wenn die Völker und Nationen Europas sich komplett aufgelöst und zu etwas Neuem verschmolzen hätten. Ich weiß, meine Damen und Herren, dass einige hier in diesem Hause sich das erhoffen: die Vereinigten Staaten von Europa, als Bundesstaat. Dahinter steckt auch der heimliche Wunsch nach Erlösung von der deutschen Geschichte, für die dann ganz Europa Verantwortung übernehmen müsste oder niemand mehr. Meine Damen und Herren, wir, die AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag, wollen das nicht. Wir übernehmen Verantwortung für Deutschland. Wir stehen zu diesem Land, zu unserem Volk und zu unserer Geschichte mit all ihren Höhen und Tiefen. Und wir respektieren – anders als Frau Barley – unsere osteuropäischen Nachbarn. Ich danke Ihnen für Ihr freundliches Zuhören. Jetzt gebe ich das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Schlussabstimmung über den Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD eines Fünfundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes, Drucksachen 19/20596 und 19/23197, bekannt: abgegebene Stimmkarten 622. Mit Ja haben gestimmt 353, mit Nein haben gestimmt 268, eine Enthaltung. Der Gesetzentwurf ist angenommen. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 622; davon ja: 353 nein: 268 enthalten: 1 Ja CDU/CSU Dr. Michael von Abercron Stephan Albani Norbert Maria Altenkamp Peter Altmaier Philipp Amthor Artur Auernhammer Peter Aumer Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Maik Beermann Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Sybille Benning Dr. André Berghegger Melanie Bernstein Christoph Bernstiel Peter Beyer Marc Biadacz Steffen Bilger Peter Bleser Norbert Brackmann Michael Brand (Fulda) Dr. Reinhard Brandl Silvia Breher Sebastian Brehm Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Dr. Carsten Brodesser Gitta Connemann Astrid Damerow Alexander Dobrindt Michael Donth Marie-Luise Dött Hansjörg Durz Thomas Erndl Hermann Färber Uwe Feiler Enak Ferlemann Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Thorsten Frei Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Hans-Joachim Fuchtel Ingo Gädechens Alois Gerig Eberhard Gienger Ursula Groden-Kranich Hermann Gröhe Klaus-Dieter Gröhler Michael Grosse-Brömer Astrid Grotelüschen Markus Grübel Manfred Grund Oliver Grundmann Monika Grütters Fritz Güntzler Olav Gutting Christian Haase Florian Hahn Jürgen Hardt Matthias Hauer Mark Hauptmann Dr. Matthias Heider Thomas Heilmann Frank Heinrich (Chemnitz) Mark Helfrich Rudolf Henke Michael Hennrich Marc Henrichmann Ansgar Heveling Christian Hirte Dr. Heribert Hirte Alexander Hoffmann Karl Holmeier Erich Irlstorfer Hans-Jürgen Irmer Thomas Jarzombek Andreas Jung Ingmar Jung Alois Karl Anja Karliczek Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Ronja Kemmer Roderich Kiesewetter Michael Kießling Dr. Georg Kippels Volkmar Klein Axel Knoerig Jens Koeppen Markus Koob Carsten Körber Alexander Krauß Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Dr. Roy Kühne Dr. Dr. h. c. Karl A. Lamers Andreas G. Lämmel Katharina Landgraf Ulrich Lange Dr. Silke Launert Jens Lehmann Paul Lehrieder Dr. Katja Leikert Dr. Andreas Lenz Antje Lezius Andrea Lindholz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Nikolas Löbel Bernhard Loos Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Dr. Saskia Ludwig Karin Maag Yvonne Magwas Gisela Manderla Dr. Astrid Mannes Matern von Marschall Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Dr. Michael Meister Jan Metzler Dr. h. c. (Univ Kyiv) Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Dietrich Monstadt Karsten Möring Elisabeth Motschmann Axel Müller Sepp Müller Carsten Müller (Braunschweig) Stefan Müller (Erlangen) Dr. Andreas Nick Petra Nicolaisen Michaela Noll Wilfried Oellers Florian Oßner Josef Oster Henning Otte Ingrid Pahlmann Sylvia Pantel Dr. Joachim Pfeiffer Stephan Pilsinger Dr. Christoph Ploß Eckhard Pols Thomas Rachel Kerstin Radomski Alexander Radwan Alois Rainer Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Josef Rief Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Stefan Rouenhoff Erwin Rüddel Albert Rupprecht Stefan Sauer Anita Schäfer (Saalstadt) Andreas Scheuer Jana Schimke Tankred Schipanski Christian Schmidt (Fürth) Dr. Claudia Schmidtke Patrick Schnieder Nadine Schön Felix Schreiner Dr. Klaus-Peter Schulze Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Torsten Schweiger Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Thomas Silberhorn Björn Simon Jens Spahn Katrin Staffler Frank Steffel Dr. Wolfgang Stefinger Albert Stegemann Andreas Steier Peter Stein (Rostock) Sebastian Steineke Johannes Steiniger Christian Frhr. von Stetten Dieter Stier Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Dr. Peter Tauber Dr. Hermann-Josef Tebroke Hans-Jürgen Thies Alexander Throm Dr. Dietlind Tiemann Antje Tillmann Markus Uhl Dr. Volker Ullrich Arnold Vaatz Kerstin Vieregge Volkmar Vogel (Kleinsaara) Christoph de Vries Kees de Vries Dr. Johann David Wadephul Marco Wanderwitz Nina Warken Marcus Weinberg (Hamburg) Dr. Anja Weisgerber Peter Weiß (Emmendingen) Ingo Wellenreuther Marian Wendt Kai Whittaker Annette Widmann-Mauz Bettina Margarethe Wiesmann Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Oliver Wittke Tobias Zech Emmi Zeulner Paul Ziemiak Dr. Matthias Zimmer SPD Niels Annen Ingrid Arndt-Brauer Bela Bach Heike Baehrens Ulrike Bahr Nezahat Baradari Doris Barnett Dr. Matthias Bartke Sören Bartol Lothar Binding (Heidelberg) Dr. Eberhard Brecht Leni Breymaier Dr. Karl-Heinz Brunner Katrin Budde Dr. Lars Castellucci Bernhard Daldrup Dr. Daniela De Ridder Dr. Karamba Diaby Esther Dilcher Sabine Dittmar Dr. Wiebke Esdar Saskia Esken Yasmin Fahimi Dr. Johannes Fechner Dr. Fritz Felgentreu Ulrich Freese Dagmar Freitag Michael Gerdes Angelika Glöckner Timon Gremmels Bettina Hagedorn Metin Hakverdi Dirk Heidenblut Gabriela Heinrich Marcus Held Wolfgang Hellmich Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Thomas Hitschler Frank Junge Thomas Jurk Elisabeth Kaiser Ralf Kapschack Gabriele Katzmarek Cansel Kiziltepe Arno Klare Lars Klingbeil Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe Elvan Korkmaz-Emre Anette Kramme Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Sylvia Lehmann Helge Lindh Kirsten Lühmann Heiko Maas Caren Marks Christoph Matschie Hilde Mattheis Dr. Matthias Miersch Klaus Mindrup Susanne Mittag Falko Mohrs Claudia Moll Siemtje Möller Bettina Müller Detlef Müller (Chemnitz) Michelle Müntefering Dr. Rolf Mützenich Dietmar Nietan Ulli Nissen Thomas Oppermann Josephine Ortleb Mahmut Özdemir (Duisburg) Aydan Özoğuz Christian Petry Sabine Poschmann Florian Post Achim Post (Minden) Florian Pronold Martin Rabanus Mechthild Rawert Andreas Rimkus Sönke Rix Dennis Rohde Dr. Martin Rosemann René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Susann Rüthrich Bernd Rützel Sarah Ryglewski Axel Schäfer (Bochum) Marianne Schieder Udo Schiefner Dr. Nils Schmid Ulla Schmidt (Aachen) Dagmar Schmidt (Wetzlar) Carsten Schneider (Erfurt) Johannes Schraps Michael Schrodi Ursula Schulte Martin Schulz Swen Schulz (Spandau) Frank Schwabe Stefan Schwartze Andreas Schwarz Rita Schwarzelühr-Sutter Rainer Spiering Svenja Stadler Martina Stamm-Fibich Sonja Amalie Steffen Mathias Stein Kerstin Tack Claudia Tausend Michael Thews Markus Töns Carsten Träger Ute Vogt Marja-Liisa Völlers Dirk Vöpel Dr. Joe Weingarten Bernd Westphal Gülistan Yüksel Dagmar Ziegler Stefan Zierke Dr. Jens Zimmermann Fraktionslos Dr. Frauke Petry Nein AfD Dr. Bernd Baumann Marc Bernhard Andreas Bleck Peter Boehringer Stephan Brandner Jürgen Braun Marcus Bühl Matthias Büttner Petr Bystron Tino Chrupalla Siegbert Droese Thomas Ehrhorn Berengar Elsner von Gronow Dr. Michael Espendiller Peter Felser Dietmar Friedhoff Dr. Anton Friesen Markus Frohnmaier Dr. Götz Frömming Dr. Alexander Gauland Albrecht Glaser Franziska Gminder Wilhelm von Gottberg Kay Gottschalk Armin-Paulus Hampel Mariana Iris Harder-Kühnel Dr. Roland Hartwig Jochen Haug Udo Theodor Hemmelgarn Waldemar Herdt Dr. Heiko Heßenkemper Karsten Hilse Nicole Höchst Martin Hohmann Dr. Bruno Hollnagel Leif-Erik Holm Johannes Huber Fabian Jacobi Dr. Marc Jongen Jens Kestner Stefan Keuter Norbert Kleinwächter Enrico Komning Steffen Kotré Dr. Rainer Kraft Rüdiger Lucassen Frank Magnitz Jens Maier Dr. Lothar Maier Dr. Birgit Malsack-Winkemann Andreas Mrosek Hansjörg Müller Volker Münz Sebastian Münzenmaier Christoph Neumann Jan Ralf Nolte Gerold Otten Tobias Matthias Peterka Paul Viktor Podolay Stephan Protschka Martin Reichardt Martin Erwin Renner Roman Johannes Reusch Ulrike Schielke-Ziesing Jörg Schneider Uwe Schulz Thomas Seitz Martin Sichert Detlev Spangenberg Dr. Dirk Spaniel René Springer Beatrix von Storch Dr. Harald Weyel Wolfgang Wiehle Dr. Heiko Wildberg Uwe Witt FDP Grigorios Aggelidis Renata Alt Christine Aschenberg-Dugnus Nicole Bauer Jens Beeck Dr. Jens Brandenburg (Rhein-Neckar) Mario Brandenburg (Südpfalz) Sandra Bubendorfer-Licht Karlheinz Busen Carl-Julius Cronenberg Britta Katharina Dassler Bijan Djir-Sarai Christian Dürr Hartmut Ebbing Dr. Marcus Faber Daniel Föst Otto Fricke Thomas Hacker Reginald Hanke Peter Heidt Katrin Helling-Plahr Markus Herbrand Torsten Herbst Katja Hessel Dr. Gero Clemens Hocker Manuel Höferlin Dr. Christoph Hoffmann Reinhard Houben Ulla Ihnen Olaf In der Beek Gyde Jensen Karsten Klein Dr. Marcel Klinge Daniela Kluckert Pascal Kober Dr. Lukas Köhler Wolfgang Kubicki Konstantin Kuhle Alexander Kulitz Alexander Graf Lambsdorff Ulrich Lechte Christian Lindner Michael Georg Link (Heilbronn) Till Mansmann Dr. Jürgen Martens Christoph Meyer Alexander Müller Roman Müller-Böhm Frank Müller-Rosentritt Dr. Martin Neumann (Lausitz) Matthias Nölke Hagen Reinhold Bernd Reuther Dr. h. c. Thomas Sattelberger Christian Sauter Frank Schäffler Dr. Wieland Schinnenburg Matthias Seestern-Pauly Frank Sitta Bettina Stark-Watzinger Benjamin Strasser Katja Suding Linda Teuteberg Michael Theurer Stephan Thomae Manfred Todtenhausen Dr. Florian Toncar Dr. Andrew Ullmann Gerald Ullrich Johannes Vogel (Olpe) Sandra Weeser Nicole Westig Katharina Willkomm DIE LINKE Doris Achelwilm Gökay Akbulut Simone Barrientos Dr. Dietmar Bartsch Matthias W. Birkwald Heidrun Bluhm-Förster Michel Brandt Christine Buchholz Dr. Birke Bull-Bischoff Jörg Cezanne Sevim Dağdelen Fabio De Masi Dr. Diether Dehm Anke Domscheit-Berg Klaus Ernst Susanne Ferschl Brigitte Freihold Nicole Gohlke Dr. Gregor Gysi Dr. André Hahn Heike Hänsel Matthias Höhn Andrej Hunko Ulla Jelpke Dr. Achim Kessler Jan Korte Jutta Krellmann Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Stefan Liebich Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Pascal Meiser Amira Mohamed Ali Cornelia Möhring Niema Movassat Norbert Müller (Potsdam) Zaklin Nastic Dr. Alexander S. Neu Thomas Nord Sören Pellmann Victor Perli Tobias Pflüger Bernd Riexinger Eva-Maria Schreiber Helin Evrim Sommer Friedrich Straetmanns Dr. Kirsten Tackmann Jessica Tatti Kathrin Vogler Andreas Wagner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Luise Amtsberg Lisa Badum Annalena Baerbock Margarete Bause Dr. Danyal Bayaz Canan Bayram Dr. Franziska Brantner Agnieszka Brugger Dr. Anna Christmann Ekin Deligöz Katharina Dröge Harald Ebner Matthias Gastel Kai Gehring Stefan Gelbhaar Katrin Göring-Eckardt Erhard Grundl Anja Hajduk Britta Haßelmann Dr. Bettina Hoffmann Dr. Anton Hofreiter Ottmar von Holtz Dieter Janecek Dr. Kirsten Kappert-Gonther Uwe Kekeritz Katja Keul Sven-Christian Kindler Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Stephan Kühn (Dresden) Christian Kühn (Tübingen) Renate Künast Markus Kurth Monika Lazar Sven Lehmann Steffi Lemke Dr. Tobias Lindner Dr. Irene Mihalic Claudia Müller Beate Müller-Gemmeke Dr. Ingrid Nestle Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Cem Özdemir Lisa Paus Filiz Polat Tabea Rößner Claudia Roth (Augsburg) Dr. Manuela Rottmann Corinna Rüffer Manuel Sarrazin Ulle Schauws Dr. Frithjof Schmidt Stefan Schmidt Charlotte Schneidewind-Hartnagel Kordula Schulz-Asche Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Margit Stumpp Markus Tressel Dr. Julia Verlinden Daniela Wagner Beate Walter-Rosenheimer Gerhard Zickenheiner Fraktionslos Marco Bülow Verena Hartmann Lars Herrmann Enthalten CDU/CSU Dr. Wolfgang Schäuble Abgeordnete, die sich wegen gesetzlichen Mutterschutzes für ihre Abwesenheit entschuldigt haben, sind in der Liste der entschuldigten Abgeordneten (Anlage 1) aufgeführt. Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Martin Rabanus, SPD.
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Josef Rief CDU/CSU
Josef
Rief
CDU/CSU
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Ausmaße der Pandemie werden denen der Spanischen Grippe vor 100 Jahren immer ähnlicher: ebenfalls Verharmlosung – nicht wissen, nicht wollen, nicht können – und, wie wir wissen, mit zig Millionen Opfern. Hören wir deshalb nicht auf Leute, die das Ganze verharmlosen oder mit zweifelhaften Maßnahmen bekämpfen wollen, was von manchen Zeitgenossen auch in diesem Raum sogar noch anerkannt wird. Das erinnert mich frappierend an den Hexenglauben und das Flagellantentum in Notzeiten des Mittelalters. Oder auf heute übertragen: Globuli heilen und schützen nicht vor Covid-19. Nur unsere evidenzbasierte moderne Medizin und die Produktion der chemisch-pharmazeutischen Industrie sind langfristig die einzige Chance, die Gesundheit und das Leben vieler Menschen zu retten. Dieser Gesundheitshaushalt ist eine der Grundlagen dafür. Nur ein funktionierendes Gesundheitssystem und die Anstrengungen, ja Mühen, auch Zumutungen für jeden Einzelnen machen es uns möglich, die Pandemie einzudämmen. Auf welch schmalem Grat wir uns bewegen, sehen wir in den Gesundheitszentren, in den Krankenhäusern und Arztpraxen. Auch unser Gesundheitssystem – das ist richtig – leidet. Ich habe hohen Respekt davor, was dort überall geleistet wird. Herzlichen Dank dafür! Der Gesundheitsetat ist mit seinen 35,5 Milliarden Euro am stärksten gewachsen. Wir Haushälter sparen, wenn es möglich ist; ebenso stellen wir Geld zur Verfügung, wenn dies nötig ist. Ja, wir machen neue Schulden, weil das jetzt notwendig ist, um Leben zu schützen und Spätfolgen dieser tückischen Covid-19-Erkrankung zu minimieren. Mit diesem riesigen Zuwachs fangen wir auch die pandemiebedingten Kosten der Krankenversicherungen auf. Damit halten wir für Arbeitnehmer und Unternehmer die Beiträge stabil und bleiben wettbewerbsfähig. Gleichzeitig gewährleisten wir mit einer Freihalteprämie von 2 Milliarden Euro, dass Betten auf Intensivstationen vorgehalten werden, um katastrophale Zustände wie im Frühjahr in Italien oder in den USA zu verhindern. Wir wollen in Deutschland keine Bilder sehen, wo Militärfahrzeuge die Toten abtransportieren müssen oder Kühllaster im Krankenhaushof als Leichenschauhaus dienen müssen. Meine Damen und Herren, wir haben es selbst in der Hand. Ich appelliere daher an alle Menschen in unserem Land, weiter Kontakte zu minimieren. Die Impfungen werden uns weiterhelfen. Wir haben allein zur Beschaffung der Impfstoffe 2,6 Milliarden Euro eingeplant. Noch einmal 2,9 Milliarden Euro halten wir für die weitere Anschaffung von Schutzausrüstung, Beatmungsgeräten und Medikamenten bereit. Zukünftig bauen wir mit 750 Millionen Euro eine nationale Reserve für Schutzausrüstung und Medizinprodukte auf. Wir stärken die Zusammenarbeit mit den Gesundheitszentren durch Digitalisierung mit 60 Millionen Euro. Die Krankenhäuser machen wir zusätzlich mit einem 3-Milliarden-Euro-Zukunftsprogramm fit. Das ist eigentlich nicht unsere Aufgabe, das ist eigentlich eine Aufgabe der Bundesländer. Wir erhöhen unsere Beiträge an die WHO auf 140 Millionen Euro und haben unsere wichtigsten Institute wie das Robert-Koch-Institut und das Paul-Ehrlich-Institut mit entscheidend mehr Geld und auch mit mehr Personal ausgestattet. Alles zur Bekämpfung dieser Coronakrise. Meine Damen und Herren, es wird auch eine Zeit nach Corona geben. Deshalb starten wir wichtige Projekte neu und verstärken bestehende. Ich will stellvertretend nur die Erforschung der Schlafkrankheit CFS nennen. Die Dogenprävention wird jetzt mit 13,2 Millionen Euro eine noch höhere Priorität bekommen. Wir haben durchgesetzt – das war mir ein großes Anliegen –, dass wir den Ansatz für das Landärzteprogramm noch einmal um 8,5 Millionen Euro erhöhen. Zu einem lebenswerten ländlichen Raum gehört eben eine wohnortnahe ärztliche Versorgung. Zum Beispiel für Leipzig unterstützen wir die Neueinrichtung eines Sicherheitszentrums für Infektionskrankheiten. Wir unterstützen auch das Kneipp-Jubiläum im kommenden Jahr. Pfarrer Kneipp war einer der Pioniere der naturnahen, aber wirksamen Medizin. Ich möchte es nicht versäumen, mich ganz herzlich für die Zusammenarbeit bei den Haushaltsberatungen und auch für die Arbeit in dieser so schwierigen Zeit bei Minister Jens Spahn und allen seinen Mitarbeitern zu bedanken. Wir wissen und schätzen sehr, was dort schon seit dem Frühjahr geleistet wird. Ich danke auch meinen Kolleginnen und Kollegen im Haushaltsausschuss, den Berichterstattern und allen Mitarbeitern, die an diesem Haushalt beteiligt waren. Meine Damen und Herren, der Gesundheitshaushalt ist entsprechend den Herausforderungen ausgestattet. Wir haben gezeigt, dass wir im Krisenfall jederzeit reagieren können. Frei nach Sophokles: Das Schönste ist, gerecht zu sein, das Beste die Gesundheit, das Angenehmste, wenn man erreicht, was man braucht. Bei der ersten Beratung habe ich gesagt: Wir sind bei der Überwindung der Pandemie 100 Meter vor dem Ziel. – Heute kann ich sagen: Wir stehen 50 Meter davor. Doch sind wir uns im Klaren: Die letzten Meter sind die schwierigsten. Halten wir durch! Befolgen wir die notwendigen Maßnahmen! – Bleiben Sie alle gesund. Herzlichen Dank. Vielen Dank, Josef Rief. – Da wird’s mir ganz heimelig ums Herz; wir kommen nämlich aus der gleichen Eck. – Noi, mir kommet net aus Sachsen, mir kommet aus Schwaben, Herr Rief und ich. – Aber in Illertissen sind Sie geboren und in Babenhausen aufgewachsen; aber das ist ein anderes Thema. Vielen herzlichen Dank. – Ihnen einen schönen Tag! – Der nächste Redner: für die FDP-Fraktion Karsten Klein.
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Markus Tressel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Markus
Tressel
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit über zwei Monaten liegt die Tourismuswirtschaft weltweit brach, und genauso lange wartet die Reisewirtschaft in Deutschland in ihrer gesamten Breite nicht nur auf passgenaue konkrete Hilfe, sie wartet auch auf ein Zeichen des Verständnisses und der Wertschätzung. Der französische Premierminister Édouard Philippe hat gestern ein Hilfsprogramm für die französische Tourismuswirtschaft in Höhe von rund 18 Milliarden Euro angekündigt. Die Rettung der Tourismuswirtschaft habe nationale Priorität. Und in Deutschland? Während die Automobilindustrie einen Gipfel bei der Kanzlerin abhält, nimmt eine Branche mit über 3 Millionen Beschäftigten maximal am Katzentisch dieser Bundesregierung Platz. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das hat nichts mit Priorität und Rettungsplan zu tun. Abwarten ist hier die Maxime dieser Bundesregierung. Aber die Reisewirtschaft hat keine Zeit mehr, zu warten, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das ist eine existenzbedrohliche Situation für einen ganzen Wirtschaftszweig mit Millionen Beschäftigten, und deshalb brauchen wir endlich eine Strategie dieser Bundesregierung zur Unterstützung der Tourismuswirtschaft. Sie ist wichtig für den Wirtschaftsstandort Deutschland, und sie ist auch wichtig für Hunderttausende Arbeitsplätze. Die Betroffenen haben am Mittwoch, auch vor dem Brandenburger Tor, nicht aus Jux und Tollerei demonstriert. Acht Wochen sind Sie dieser Gutscheinlösung nachgelaufen, wohl wissend, dass das mit EU-Recht nicht kompatibel ist. Sie haben in einer Situation, in der jeder Tag zählt, acht lange Wochen keine Strategie, keinen Fonds, kein Programm entwickelt, das jetzt zeitnah an den Start gehen kann, mit dem wir den Menschen in der Tourismuswirtschaft eine Perspektive geben können. Und wenn der eine oder andere es immer noch verwechselt: Tourismus ist ja mehr als Großkonzerne wie TUI oder die Lufthansa; über die wird ja wenigstens gesprochen. Aber der Großteil dieser Branche besteht aus kleinen und mittelständischen Unternehmen, aus Familienunternehmen, aber auch aus den Jugendherbergen, den Schullandheimen; Kerstin Kassner hat das angesprochen. Und die sind oft unterhalb des Wahrnehmungsradars. Diese Branche, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist auch immens wichtig für die Prosperität vieler Regionen in Deutschland, und sie braucht jetzt einen Rettungsfonds, und sie braucht auch einen Kundengeldabsicherungsfonds für die Pauschalreise, damit wir Liquidität im System halten und künftig auch eine Insolvenzsicherung aufbauen können, die diesen Namen endlich verdient. Aber dafür müssen Sie diesen Fonds endlich schnell aufsetzen, ohne Wenn und Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen. Und wir brauchen auch mehr tourismuspolitische Koordination, in Europa und in Deutschland. Was geht in den kommenden Monaten touristisch und was nicht? Da braucht es Klarheit und kein Kommunikationschaos. Doch genau das haben wir in den vergangenen Tagen erlebt, auch innerhalb dieser Bundesregierung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben einen Antrag vorgelegt, in dem wir Lösungsvorschläge machen. Ich glaube, das wäre für alle ein gangbarer Weg. Diesen Antrag hat die Koalition am Mittwoch im Ausschuss nicht mal abstimmen wollen, weil es noch Beratungsbedarf in der Koalition gibt. Was müssen Sie denn nach acht Wochen Krise noch eruieren? Die Optionen liegen auf dem Tisch, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn Sie unseren Antrag hier und heute schon nicht debattieren wollen, dann legen Sie doch endlich irgendetwas Eigenes vor, und bitte, bitte, lassen Sie sich nicht wieder acht Wochen Zeit. Die Tourismuswirtschaft braucht eine Zukunft, und der Bund muss jetzt endlich handeln. Wir haben keine Zeit mehr. Herzlichen Dank. Das Wort hat Dr. Klaus-Peter Schulze für die CDU/CSU-Fraktion.
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Beatrix von Storch AfD
Beatrix
von Storch
AfD
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer im Jahr 2022 über Antisemitismus redet, kann von der gefährlichsten antisemitischen Bewegung in Westeuropa nicht schweigen, der BDS-Bewegung. Die hat eine Schlüsselfunktion. Sie ist das dreckige Bindeglied zwischen dem linken und muslimischen Antisemitismus von Intellektuellen, Künstlern, Aktivisten, von Greta Thunberg und Claudia Roth und dem gewaltbereiten muslimischen Antisemitismus von Hisbollah und Hamas. Der Titel dieser Aussprache lautet „… Erinnern heißt handeln“. Also erinnern wir uns: Der Bundestag hat eine Resolution zu BDS verabschiedet und eine gegen Antisemitismus, alles ohne jede messbare Wirkung. Die Antisemitismusresolution fordert ausländerrechtliche Konsequenzen, also Abschiebung bei Antisemitismus. Das ist nicht ein einziges Mal passiert. Die BDS-Resolution sagt, dass die BDS-Bewegung keine Räume mehr bekommt und keine finanziellen Mittel. Das lehnt Kulturstaatsministerin Roth in ihrer Abstimmungserklärung vom 17. Mai 2019 expressis verbis ab. Solange sich Deutschland also eine solche Kulturstaatsministerin leistet, ist der Kampf gegen Antisemitismus eine Farce, bestenfalls eine Farce, eigentlich eher eine Verhöhnung der Opfer. Kommen wir zum Handeln. Wenn man etwas gegen den Judenhass erreichen will, sollte man sich das Land angucken, in dem sich die Juden als einziges seit Merkels Flüchtlingskrise 2015 sicherer fühlen, weniger angegriffen fühlen als vor Merkels Flüchtlingskrise. Das ist Ungarn. Die Europäische Union hat in ihrer zweiten großen Erhebung 2018 16 000 Juden in Westeuropa befragt. Das Ergebnis ist eindeutig: Der Anteil der Juden, die zum Beispiel Angst vor gewaltsamen Angriffen haben, wurde in Ungarn zwischen 2012 und 2018 auf unter 30 Prozent halbiert. In Deutschland ist im selben Zeitraum diese Quote auf über 60 Prozent gestiegen. Angst vor Übergriffen haben nach einer Erhebung der Europäischen Union über 60 Prozent der Juden. Der Anteil der Juden, die tatsächlich Opfer von Übergriffen wurden, ist in Ungarn auf 17 Prozent zurückgegangen und in Deutschland um etwa ein Drittel auf knapp 30 Prozent gestiegen – knapp 30 Prozent aller Juden in Deutschland Opfer von Angriffen. Rabbiner Slomo Köves sagte, das gute Beispiel Ungarn sollte man auf die ganze EU anwenden. Merkels Buntland ist für Juden immer gefährlicher, und Orbans dezidiert katholisches Ungarn ist für Juden immer sicherer. Oder, wie im Dezember 2017 die linksliberale israelische Zeitung „Haaretz“ titelte – ich zitiere wörtlich –: „Hungary Is Keeping Jews Safe by Keeping Muslims Out …“ Zitat Ende. Statt Hans-Georg Maaßen zu verleumden, sollten sich unsere linken Klimaterroristen um Luisa Neubauer dem Antisemitismus in ihrer Klimasekte widmen. „Von Hamburg bis nach Gaza Klimaintifada“, das war der Schlachtruf. Mehr muss man gar nicht wissen. Diese grünen Klimaspinner sind ideologisch verloren, extremistisch und auch antisemitisch. Wir sollten die alle irgendwohin kleben, an irgendeinen hohlen Baumstumpf, wo sie niemanden stören und keinen mehr töten können. „Erinnern“ und „handeln“ steht über dieser Debatte heute. Sie sind in der Regierung und könnten handeln, aber Sie werden wieder nichts tun. Wenn die AfD regiert, werden wir Judenhasser und Islamisten abschieben und keine neuen mehr hereinlassen, werden wir Hassmoscheen schließen, die BDS-Bewegung verbieten, die Auslandsfinanzierung von Moscheen unterbinden. Und wo die AfD regiert, wird der Muezzinruf in unseren Städten verstummen. Vielen Dank. Nächste Rednerin ist die Kollegin Linda Teuteberg, FDP-Fraktion.
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Michael Kießling CDU/CSU
Michael
Kießling
CDU/CSU
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch die Baubranche wird zunehmend digitalisiert und wird die Digitalisierung als Chance nutzen; davon bin ich fest überzeugt. Genau wie in anderen Branchen wird auch ihre künftige Wettbewerbsfähigkeit von der Umsetzung der Digitalisierung abhängen. Für uns ist es hier wichtig, dass Planer, Unternehmer, Handwerker und auch die Verwaltung Schritt halten können. Klar ist auch, dass wir in Deutschland hier noch einiges an Potenzial haben, das wir durchaus heben können. Bauen ist teuer und mit Risiken verbunden. Wir wollen schneller, effektiver und auch sicherer bauen. Deshalb gilt es einfach, das Potenzial der Prozesskette Bauen entsprechend zu heben und das, was dort versteckt ist, auch sichtbar und transparent zu machen. Hier hilft die Digitalisierung. Wie gesagt: Es geht darum, Risiken zu erkennen und fundierte Aussagen über das Bauwerk zu erhalten – und das am besten bevor gebaut wird, weil man während der Planung die meisten Kosten beeinflussen und sparen kann. Deshalb haben wir als Fraktion zusammen mit der SPD einen Antrag zum Thema „Digitalisierung Bau“ gestellt. Im Zentrum steht dabei die Etablierung des Building Information Modeling. Dabei geht es nicht darum – was viele meinen –, dass BIM ein 3-D-Modell ist, sondern es ist wesentlich mehr. Es geht darum, Informationen auszutauschen und nutzerbezogen zur Verfügung zu stellen, Konflikte vor der Bauausführung zu erkennen, Transparenz herzustellen und die Kommunikation der Beteiligten entsprechend zu fördern. Mit der Digitalisierung sollen Qualität, Kostensicherheit, Termintreue leichter gewährleistet werden, da die Informationen schon vorab zur Verfügung stehen. Es gilt, Konflikte, die auf der Baustelle entstehen können, schon vorher zu erkennen und nicht erst auf der Baustelle zu sehen, dass ein Unterzug einem Rohr im Wege steht – oder andersrum. Es ist eine Binsenweisheit – ich habe es schon gesagt –: Die Planung macht es aus. Dabei kann man die Kosten am meisten beeinflussen. Im Koalitionsvertrag haben wir das Thema BIM auf die Tagesordnung gesetzt, und wir wollen es speziell für den Hochbau auch noch weiter vorantreiben. Dazu haben wir bereits folgende Maßnahmen ergriffen: die Einführung des Branchendialogs zwischen Bundespolitik und Bauwirtschaft, die Eröffnung des nationalen Zentrums für Digitalisierung des Bauwesens – BIM Deutschland –, um einheitliche Vorgaben für den Hochbau und Infrastrukturbau im Bundesbau zu erstellen, und die Förderung von Pilotprojekten im Bundeshochbau – beispielsweise der Neubau der deutschen Botschaft in Wien –, um das Thema BIM breitenwirksam zu kommunizieren. Liebe FDP, Sie haben einen Antrag zum Smart Building gestellt. Ich muss sagen: Der Antrag ist so zielführend wie fünf Runden im Kreisverkehr. Sie sollten unseren Antrag einfach intensiver lesen. Dadurch könnten die Doppelungen vermieden werden. Dabei spielt – wir haben es vorhin von unserem Staatssekretär gehört – unter anderem die Normierung eine große Rolle – die Standardisierung der Prozesse, hersteller- und softwareunabhängige Datenstandards –; denn verlässliche offene Standards sind Voraussetzung dafür, dass wir alle am Bau Beteiligten entsprechend mitnehmen können. Dafür müssen wir letztendlich auch das BIM-Know-how, das wir über die Pilotprojekte gewinnen, zur Verfügung stellen. Dadurch schaffen wir Transparenz und Akzeptanz. All die Möglichkeiten, die Sie in Ihrem Blockchain-Antrag beschrieben haben, sind in unserem Antrag eigentlich schon enthalten; denn wir fordern, die Bauwirtschaft technologieoffen zu unterstützen und zu digitalisieren und nicht in ein Korsett zu zwängen. Das Credo der FDP ist eigentlich, technologieoffen zu fördern. Warum Sie sich hier jetzt auf die eine Technologie versteifen, ist mir nicht ganz begreiflich. Vermutlich handelt es sich um Buzzword-Bingo, um einfach die Schlagworte entsprechend abzudecken. Die Vorteile von BIM wird man noch deutlicher spüren, wenn Synergieeffekte aufgrund von anderen Entwicklungen in der Branche eintreten. Hier meine ich unter anderem die Digitalisierung der Bauleitplanung und der Baugenehmigungsprozesse. Wenn Bauwirtschaft und Verwaltung digital arbeiten, werden wir die Synergieeffekte um ein Vielfaches steigern können; denn dadurch sind die Kommunikation und die Beurteilung von entsprechenden Projekten leichter möglich. Andere Dinge, wie serielles und modulares Bauen, können auch Synergieeffekte mit sich bringen. Deshalb, denke ich, müssen wir auch die Einführung der bundesweiten Typengenehmigung noch weiter vorantreiben. Zusammengefasst: Mit der Digitalisierung der Baubranche bietet sich die große Chance, Prozesse schneller, zuverlässiger und transparenter zu gestalten. Das sollte technologieoffen geschehen und mit offenen Standards entsprechend vorangetrieben werden, sodass wir alle mitnehmen: Planer, Handwerker, Unternehmer und auch die Verwaltung. Herzlichen Dank. Zu seiner ersten Rede im Deutschen Bundestag hat nun der Kollege Dr. Joe Weingarten für die SPD-Fraktion das Wort.
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Oliver Krischer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Oliver
Krischer
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Frau Ministerin, ich habe eine Frage zum gleichen Sachverhalt. Ich komme gerade aus einer Anhörung im Umweltausschuss. Da waren viele Wissenschaftler und Sachverständige anwesend, die noch einmal sehr eindrücklich dargelegt haben, wie notwendig Stickoxidgrenzwerte für die Gesundheit von Menschen sind. Ich hätte mir gewünscht, der Abgeordnete Scheuer hätte an dieser Anhörung teilgenommen. Er hätte da sehr, sehr viel lernen können. Meine Frage an die Bundesregierung ist – wir haben die Äußerungen von Herrn Scheuer gehört –: In welcher Weise wird Herr Scheuer bzw. die Bundesregierung in dieser Frage aktiv werden? Und welche Konsequenzen folgen aus dieser Ankündigung des Bundesverkehrsministers? Herr Staatssekretär Ferlemann. – Jetzt lassen Sie ihn doch antworten, bevor Sie Zwischenrufe machen.
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Stephan Brandner AfD
Stephan
Brandner
AfD
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie gibt es seit 2017. Die Nationale Nachhaltigkeitsstrategie seit 2002 – erst Schröder, dann Merkel, jetzt Scholz mit seiner hellbraunen Truppe. Und was ist bisher daraus geworden? Nichts! Ich bin jetzt der 26. Redner in dieser Debatte. 22‑mal haben wir bisher heiße klimaschädliche Altparteienluft gehört. „Warum?“, frage ich mich. Ich sage Ihnen, warum: weil Sie seit 20 Jahren in der Nachhaltigkeit herumstochern, sich im Nachhaltigkeitssumpf herumsuhlen, und es hat zu nichts geführt. Der bisherige Erfolg Ihrer Nachhaltigkeit ist: Sie haben Deutschland nachhaltig geschadet. Sie haben Deutschland nachhaltig ruiniert. Unser Deutschland steht nachhaltig am Abgrund, und zwar von diesem Abgrund nicht mehr weit entfernt. Und wenn Sie nachhaltig so weitermachen, dann sind wir demnächst einen Schritt weiter, nämlich im Abgrund – nachhaltig. Die Armut, meine Damen und Herren, nimmt rasant zu. Die Inflation galoppiert. Die Verbraucher- und Energiepreise explodieren. Wir sind verteidigungsunfähig. Wir sind bei Energie, Pharmazie, IT und Lebensmitteln abhängig vom Ausland. Das ist der Erfolg Ihrer Nachhaltigkeitsstrategie seit 20 Jahren. Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen, was wir brauchen: Wir brauchen eine nachhaltige Umsetzung des AfD-Programms. Die brauchen wir und nichts anderes. Wir stehen für die Existenz unseres Deutschlands, für geschlossene Grenzen und die Beendigung der illegalen Einwanderung. Wir stehen für ein Leben, das man sich leisten kann, für Energiesicherheit und Versorgungssicherheit, für Wohlstand und die Stärkung der Wirtschaft. Wir stehen für Grundrechte, für Freiheit, die demokratischen Prinzipien, für Gewaltenteilung, die Freiheit der Meinung, die Demonstrationsfreiheit, für eine freie Presse und für die freie Entfaltung der Persönlichkeit. Wir stehen schlicht und ergreifend dafür: Unser Deutschland, unser Land zuerst. Vielen Dank. Für die FDP-Fraktion hat das Wort Ria Schröder.
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Tino Chrupalla AfD
Tino
Chrupalla
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Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Altmaier, schön, dass Sie in Ihrer Rede bemerkt haben, dass die Menschen in Ostdeutschland Angst um ihren Arbeitsplatz haben und dass daran nicht die AfD schuld ist. Vielen Dank dafür; denn sonst sind wir ja Ihrer Meinung nach für die Ängste zuständig. Der Kollege Kotré hat es bereits erwähnt: Die AfD kritisiert die Zuschüsse für erneuerbare Energien, die die Bundesregierung im Haushaltsplan 2018 vorsieht. Es handelt sich um einen Posten von insgesamt 1,7 Milliarden Euro. Der größte Anteil davon sind Maßnahmen zur Energieeinsparung an Wohn- und Nichtwohngebäuden, also auch zur CO 2 -Gebäudesanierung, deren Effizienz unter Experten und Laien inzwischen als äußerst fragwürdig gilt. Die dazugehörige PR-Maschine wird übrigens auch aus diesen Mitteln finanziert. Der Posten Öffentlichkeitsarbeit im Bereich Energieeffizienzprogramm wird im Einzelplan 60 explizit aufgeführt. Unser Antrag auf Streichung der Titel wurde von den Konsensparteien im Wirtschaftsausschuss wie üblich abgelehnt. Lassen Sie mich hier noch einige Gedanken zur CO 2 -Gebäudesanierung ausführen. Aus meinem Arbeitsalltag kann ich bezeugen, was Ihnen viele meiner Kollegen aus dem Handwerk und vom Bau bestätigen können und was auch zahlreiche Studien mittlerweile belegen: Die Wärmedämmung hat sich in vielen Fällen gar nicht gerechnet. Sie hat kaum zur Senkung von Heizkosten geführt. Die behauptete Wirtschaftlichkeit war also ein leeres Versprechen. Viele private Hausbesitzer sind darauf hereingefallen und haben viel Zeit und Geld in unnütze Maßnahmen investiert, zu denen sie mittels geschickter PR überredet wurden. Um wirklich etwas einzusparen, müsste man 150 Jahre alt werden. Allein die gesundheitsgefährdenden Begleiterscheinungen von Wärmedämmung werden dies jedoch verhindern. Das zur Wärmedämmung eingesetzte Styropor erwies sich nämlich als hoch entflammbar und musste deshalb mit Brandschutzchemikalien behandelt werden, die sich wiederum als hochgradig gesundheitsgefährdend erwiesen. Die als Flammschutz eingesetzte Chemikalie HBCD schädigt das Nervensystem und beeinträchtigt die Fruchtbarkeit. Diesen Giftstoffen waren nicht nur Bewohner, sondern vor allem auch Bauarbeiter und Handwerker beim Verbauen dieser Materialien ausgesetzt. Aufgrund mangelnder Luftzirkulation sind viele Gebäude von Schimmel und Algen befallen, die wiederum mit hochgiftigen Fungi- und Algiziden bekämpft werden müssen. Hinzu kommt die aufwendige Entsorgung dieser umweltschädlichen Giftstoffe. Aber was tut man nicht alles, um die Welt zu retten. Der deutsche Dämmwahn wurde von höchsten Kreisen aus CDU und SPD mit Kampagnen wie „Dämmen lohnt sich“ gefördert. Auch Zocker aus Übersee wie BlackRock haben entdeckt, dass man aus der Energiewende in Deutschland Profit schlagen kann. In den Großstädten sind die Mieten so hoch wie nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Auch dies ist eine Folge der staatlich subventionierten Sanierungsindustrie. Schließlich konnten Hauseigentümer die Modernisierungskosten für neue Doppelfenster oder Plattenfassaden auf die Miete aufschlagen. Die mit steigenden Mieten einhergehende Abwanderung sozial schwächerer Haushalte beklagt sogar die Grünen-nahe Heinrich-Böll-Stiftung. Aber von einem Umdenken keine Spur. Man will sich ja partout nicht eingestehen, dass man ein totes Pferd reitet. Unsere Städte und Wohnungen sind dadurch nicht schöner geworden. Im Gegenteil: An Häusern aus der Gründerzeit werden Jugendstil-Stuckelemente abgeschlagen – einer Ideologie zuliebe. – Ja, das findet statt. – Holzfenster werden heute durch unschöne Isoplastefenster ersetzt, deren Haltbarkeit wesentlich geringer ist. Die Zeiten, in denen sich Bauherren und Architekten auf ästhetische Gesichtspunkte konzentrieren konnten, sind in weite Ferne gerückt. Dies vielleicht als Hausaufgabe für das neue Heimatministerium: Harmonie und Schönheit erhöhen die Lebensqualität und tragen dazu bei, dass man sich an einem Ort zu Hause fühlt, was in unseren durchmodernisierten Groß- und Kleinstädten von Tag zu Tag schwieriger wird. Die Achillesferse des Deutschen ist seine Liebe zur Natur. Dies wissen offenbar diejenigen, die die Energiewende in Deutschland zur nationalen Aufgabe erklären und den gutgläubigen Deutschen mit grüner Rhetorik das Geld aus der Tasche ziehen. Tatsächlich gibt es aber kaum etwas, das ökologisch weniger Sinn macht als die CO 2 -Gebäudesanierung. Die Idee, Gebäude zu dämmen, ist übrigens so alt wie die Geschichte der Baustoffe, deren erste Vorschriften, veranlasst durch König Hammurabi im alten Babylon, in eine Dioritsäule gemeißelt wurden. Demnach musste ein Baumeister, der falsche Baustoffe einsetzte, geteert, gefedert und aus der Stadt gejagt werden. Herr Chrupalla, Sie können natürlich weitersprechen. Ich mache Sie aber darauf aufmerksam, dass Sie das ab jetzt auf Kosten der Redezeit Ihres folgenden Kollegen tun. Was ich damit sagen will, liebe Regierungsbaumeister, das können Sie sich ja vielleicht selber denken. Vielen Dank. Das Wort hat die Abgeordnete Gabriele Katzmarek für die SPD-Fraktion.
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Artur Auernhammer CDU/CSU
Artur
Auernhammer
CDU/CSU
Geschätzter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren jetzt schon sehr lange über die deutsche Agrarpolitik, und ich danke der Bundesministerin Julia Klöckner für die Vorstellung des Haushaltes. Es ist wieder ein Rekordhaushalt von über 6,5 Milliarden Euro. Vieles ist bereits gesagt. Notwendiger denn je ist es aber heute, die Stimme zu erheben für eine wettbewerbsfähige, nachhaltige und bäuerliche Landwirtschaft in Deutschland. Es geht um die Zukunft unserer Bäuerinnen und Bauern, und es geht um noch viel mehr: Es geht auch um die Zukunft der jungen Menschen im ländlichen Raum, die sich in diesen Wochen, in diesen Tagen dazu entschlossen haben, den Beruf des Landwirts, den Beruf der Bäuerin zu erlernen oder ein Studium in der Landwirtschaft zu beginnen. Sie wollen eine Perspektive in der Landwirtschaft und keine Diskussion, wie sie heute hier teilweise geführt worden ist, meine Damen und Herren. Die Stimmungsmache in Bezug auf die Landwirtschaft hat schon fast etwas Flächenbrandartiges, angefeuert von linksgrüner Ideologie, von NGOs, die nicht müde werden, die Landwirtschaft in ihrer gesamten Breite zu verteufeln. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das lassen wir Ihnen nicht durchgehen. Eben wurden die Antibiotika angeprangert. Sie haben kein Wort davon gesagt, wie der Antibiotikaeinsatz in der Humanmedizin ist. Sie haben kein Wort davon gesagt, wie viele Antibiotika die Menschen eigentlich zu sich nehmen und dass das dann im Abwasser landet und dann wieder in den Kreislauf kommt. Auch das gehört zur Wahrheit dazu. Der Antibiotikaeinsatz in der Landwirtschaft hat sich enorm reduziert. Heute haben wir auch wieder gehört, wir müssten noch mehr in die Bioproduktion einsteigen, wir müssten noch mehr Betriebe dazu bewegen, umzustellen. Wir sind längst aus der ideologischen Diskussion heraus. Die Betriebsleiter heute entscheiden nach rein betriebswirtschaftlichen Argumenten. Ich kann Ihnen Betriebe zeigen, ich kann Ihnen Milchbauern zeigen, die auf Biomilch umstellen wollen. Die gehen zu ihrer Molkerei, und die Molkerei sagt: Sorry, wir haben zu viel Biomilch; wir können sie nicht mehr vermarkten. – Auch das gehört zur gesamten Wahrheit dazu. Ich sehe ja ein, dass wir eine öffentliche Diskussion haben, die sehr unterschiedlich gelagert ist. Wir haben viele Menschen, die über die Landwirtschaft diskutieren, die kluge Vorschläge machen, aber wir haben auch die Menschen, die in der Landwirtschaft arbeiten. Es sollte unsere Aufgabe als Politik sein, hier auch als Brückenbauer unterwegs zu sein und diese wieder zusammenzuführen. Teile dieser Debatte haben nicht dazu geführt. Es gibt vieles, was wir in letzter Zeit der deutschen Landwirtschaft zugemutet haben. Ich denke an die Düngeverordnung. Wir haben 2017 eine Düngeverordnung erlassen, die viele Betriebe vor große Schwierigkeiten stellt und die sich auch auf die kleinbäuerlichen Strukturen enorm auswirkt. Viele kleinbäuerliche Betriebe können diese Auflagen nicht erfüllen. Sie können nicht in neue Technik investieren. Sie werden die Lösung nehmen, dass sie sagen: Wir steigen aus. – So ist es mit vielen Aufgaben. Wenn wir nicht aufpassen, wenn wir mit den ganzen Auflagen unserer Landwirtschaft noch mehr aufbürden, dann ist dies eigentlich ein Befeuern des Strukturwandels, und dagegen müssen wir kämpfen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, in diesem Sommer waren viele Kolleginnen und Kollegen im Walde unterwegs. Das finde ich positiv. Es hilft aber nicht, Bäume nur zu umarmen; man muss auch etwas tun für den deutschen Wald. Der deutsche Wald braucht unbedingt unsere Unterstützung. Man muss den Wald pflanzen, und man muss ihn pflegen. Man muss den Wald schützen, aber man muss ihn auch nutzen dürfen. Teile dieses Hauses sind der Meinung, den Wald sollte man nicht nutzen, sondern stilllegen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch der deutsche Wald ist ein Riesen-CO2-Speicher, ein Riesenlieferant von Baustoffen und auch ein Energielieferant. Das müssen wir noch stärker in den Fokus rücken. Damit sind wir gut unterwegs im deutschen Wald. Wir werden die anstehende Beratung nutzen, um über das eine oder andere zu diskutieren. Ich könnte jetzt noch etwas zum Tierwohl-Label sagen, aber ich möchte nur anmerken, dass mir eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung wichtig ist, damit der Verbraucher weiß, wo das Produkt herkommt. Viele Verbraucher sagen uns, sie wollen wissen, wo das Produkt herkommt. Wenn draufsteht, das Produkt kommt aus Deutschland – noch besser: es ist aus Bayern –, dann kauft er es auch. Wenn das Produkt aus anderen europäischen Ländern oder aus Ländern der übrigen Welt stammt, ist er vielleicht etwas zurückhaltend. – Ich habe nicht Nordrhein-Westfalen erwähnt, Herr Kollege, keine Angst. – Hier brauchen wir eine noch etwas weiter gehende Entwicklung, aber ich glaube, wir sind im parlamentarischen Verfahren in einer guten Diskussion. Insgesamt muss man sagen: Die Motivation der jungen Menschen, die jetzt in die Landwirtschaft einsteigen, die jetzt den Beruf ergriffen haben, die jetzt an die Universitäten gehen, um Landwirtschaft zu lernen, ist sehr groß. Wir wollen dazu beitragen, dass diese Motivation anhält und dass sie eine gute Zukunft haben. Vielen Dank. Vielen Dank, Herr Kollege Auernhammer. – Jetzt kommen wir zur ersten Rede unserer neuen Kollegin Isabel Mackensen von der SPD. Die erste Rede in der ersten Sitzungswoche, das sieht mir sehr rekordverdächtig aus.
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Nezahat Baradari SPD
Nezahat
Baradari
SPD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die gegenwärtigen Krisen sind leider vielfältig. Russlands völkerrechtswidriger Krieg gegen die Ukraine erschüttert die europäische Sicherheitsordnung in ihren Grundfesten. In Zeiten des russischen Angriffskrieges ist es umso wichtiger, dass Solidarität und Zusammenhalt nicht allein Schlagworte bleiben, sondern auch in Europa gelebt werden. Die Coronapandemie ist weiterhin eine nicht zu unterschätzende Gefahr. Die Inzidenzzahlen steigen wieder. Die Situation im Herbst ist für uns derzeit kaum abzuschätzen, aber eine neue Coronawelle auch nicht unwahrscheinlich. Hinzu kommt eine mögliche Influenzawelle. Hier gilt es, gemeinsam zu handeln, etwa in der Impfstoffbeschaffung. Deutschland kommt durch seine Vorreiterrolle in der EU eine besondere Verantwortung in der Bewältigung der Krisen zu – und nimmt diese auch an, etwa über eine Stärkung des WHO Hub for Pandemic and Epidemic Intelligence in Berlin mit 30 Millionen Euro. Eine europäische Gesundheitspolitik muss im Zeitalter von Pandemien, Klimakrise und Krieg vernetzt gedacht und in Partnerschaft durchgeführt werden. Deshalb habe ich als Vorsitzende der deutschen Delegation zur Parlamentarischen Versammlung der Union für den Mittelmeerraum letzte Woche intensive Gespräche vor Ort in Barcelona geführt. Die Themen waren Umweltschutz, erneuerbare Energien, Migration, Frauenrechte und Sicherheitspolitik im Mittelmeerraum. Deutschland stellt sich dieser Verantwortung und plant, mehr als 500 Millionen Euro für gute Arbeit im südlichen Mittelmeerraum bereitzustellen. Eine weitere Herausforderung für Deutschland, den Mittelmeerraum, Europa und den Rest der Welt ist zweifelsohne die Klimakrise. Durch die Klimakrise können Krankheiten mit verursacht oder verschlechtert werden, insbesondere in Hitzewellensituationen. Sie führen zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit Todesfolge, insbesondere bei Kindern und bei älteren Personen. Ich möchte hier auf einige Punkte eingehen, die für mich als Gesundheitspolitikerin und Europapolitikerin von besonderer Bedeutung sind. Dabei weise ich auf die Ergebnisse des EPSCO-Rates vom 14. Juni hin. Aber für mich ist auch Folgendes noch wichtig: Bei der Konferenz zur Zukunft Europas haben sich die beteiligten Bürgerinnen und Bürger klar und deutlich mit folgenden Forderungen im Bereich Gesundheit positioniert: Erstens. Das europäische Gesundheitssystem muss gestärkt werden – durch Investitionen in die Gesundheitssysteme, insbesondere in den öffentlichen und nicht gewinnorientierten Bereich, in die Infrastruktur und in einen digitalen Gesundheitsraum. Gerade junge Menschen wünschen sich eine gemeinsame europäische Gesundheitspolitik, also eine Gesundheitsunion. Zweitens. Alle Menschen in Europa sollen Zugang zu Informationen über eine gesunde Ernährung und zu bezahlbaren Lebensmitteln bekommen. Drittens. Wir brauchen endlich einen ganzheitlichen Gesundheitsansatz, der über Krankheiten und Heilung hinaus auch einen präventiven Ansatz berücksichtigt. Nötig ist die Verstetigung des Ansatzes „Eine Gesundheit“, „One Health“, der als grundlegender Grundsatz, der alle EU-Politikfelder umfasst, hervorgehoben werden sollte. Viertens. Lassen Sie uns ein Recht auf Gesundheit schaffen, indem allen Menschen in der EU der gleichberechtigte Zugang zu einer präventiven, kurativen und vor allem hochwertigen Gesundheitsversorgung gerade in Gesundheitskrisen garantiert wird. Wir als Politikerinnen und Politiker sind alle aufgefordert, die Ergebnisse der Zukunftskonferenz zu respektieren und in die politischen Entscheidungsprozesse mit einfließen zu lassen. Sehr geehrte Damen und Herren, die Herausforderungen sind komplex und vielschichtig. Mögliche Lösungen können nur in einer gemeinsamen Kraftanstrengung auf den Weg gebracht werden. Daran arbeitet diese Regierung jeden Tag mit voller Kraft. Und wir können froh und stolz sein, dass wir einen sozialdemokratischen Bundeskanzler Olaf Scholz haben, der uns besonnen, mit ruhiger Hand und mit klarem Kompass durch diese vielfältigen Krisen navigiert. Sehr geehrter Herr Kanzler, vielen Dank. Wir als Parlamentarierinnen und Parlamentarier stehen Ihnen gerne zur Seite. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Damit schließe ich die Aussprache.
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Nicola Beer FDP
Nicola
Beer
FDP
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dürre ist das Thema dieses Sommers – abgesehen von der Regierungstragödie, die wir beobachten konnten –: massive Ernteausfälle, Notschlachtungen, weil für Tiere nicht genug Futter vorhanden war, monatelang extreme Waldbrandgefahr. – Herr Kollege, die Wissenschaft warnt seit Jahren davor, dass unsere Sommer heißer und trockener werden, und auch vor den Konsequenzen, die das für die Landwirtschaft hat. Eine Strategie, wie sich die Landwirtschaft an diesen Klimawandel anpassen kann, eine entsprechende Forschung bei Ihnen, Frau Karliczek, oder bei der Kollegin Klöckner? Fehlanzeige! Es gibt punktuelle Förderung ohne System, das war’s – ressortübergreifende Dürre. Diese strategische Dürre ist das Markenzeichen der Großen Koalition. Die Auswirkungen des Versagens der Bundesregierung bei dem Wettlauf um Zukunftstechnologien werden wir erst in der Zukunft zu spüren bekommen, ja, aber die Folgen werden gravierend sein, weil wir genau so den Anschluss an den technologischen Fortschritt verpassen und damit die Basis für künftigen Wohlstand verspielen. Beispiel Digitalisierung. Die Bundesregierung will die Chancen der Digitalisierung in Bildung und Forschung stärken – sagt sie, heute auch wieder. Eine entsprechende Strategie sucht man im Haushalt vergeblich. Im Einzelplan für Bildung und Forschung ist nicht einmal ein eigenes Kapitel dazu vorgesehen, im gesamten Haushalt 2019 nur der Sonderfonds, den wir schon aus dem letzten Jahr kennen. Von daher: Hier ist weiter nichts vorangegangen. Sehr geehrte Frau Karliczek, das reicht hinten und vorne nicht, nicht einmal für die Ausstattung der Schulen mit Breitband und Tablets. Dabei wäre so viel mehr notwendig als nur Ausstattung. Sie sprechen hier von Schul-Clouds, das ist woanders längst Standard. Andere Staaten haben auch digitale Lernmethoden zur individuellen Förderung schon als Standard. Wir hinken hinterher, und Sie haben es noch nicht einmal für nötig befunden, mit uns über eine Grundgesetzänderung zu sprechen, die auf Qualität setzt und nicht nur auf Beton. Ich kann Ihnen nur sagen: Die Vorschläge liegen auf dem Tisch. Wir hätten kurzfristig Zeit. Kommen Sie auf uns zu. Ihnen fehlen in diesem Haus noch ein paar Stimmen. Ein Beispiel, Herr Schipanski. Künstliche Intelligenz ist eine der Schlüsseltechnologien für die Zukunft. Auch hier sind wir in Deutschland längst abgehängt, wenn man auf USA, China oder andere guckt. Und wie sieht die Strategie der Bundesregierung aus? Künstliche Intelligenz hat endlich einen eigenen Mittelansatz bekommen: 1 Million Euro. – Wow! Die GroKo hat genau 1 Million Euro für die Aufholjagd zur Verfügung gestellt. Die Wettbewerber, Frau Karliczek, zittern schon vor dem Wettbewerb aus Deutschland. Was für eine Investition! Ansonsten wieder nur das Übliche: ein bisschen punktuell hier und da, kein Gesamtkonzept. Kurz: erneut Dürre, das Markenzeichen der Großen Koalition. Kommen wir zum Thema Sprunginnovationen. Viele Kollegen haben es angesprochen. Andere Staaten haben schon lange erkannt, dass es für bahnbrechende Erfindungen bei Schlüsseltechnologien Experimentierwerkstätten ohne Denkverbote, ohne Vorgaben braucht. Immerhin: Die Bundesregierung hat, nachdem wir als Freie Demokraten uns den Mund fusselig geredet haben, nun endlich als notwendig erkannt: Wir brauchen eine Agentur zur Förderung von Sprunginnovationen. Tja, leider gibt es wieder kein fertiges gemeinsames Konzept. Dann wird es im Haushalt 2019 halt eben nichts mit der Agentur zur Förderung von Sprunginnovationen. – Man will mit einem Netzwerk Zeit gewinnen, Herr Kollege Schipanski, aber die Zeit ist uns längst davongelaufen. Es ist die Zeit, die wir nicht mehr haben. Bildung und Forschung sind die Grundpfeiler unseres künftigen Wohlstands. Es geht darum, den Menschen das Leben zu erleichtern, die Lebensqualität zu verbessern, Chancen für wirklich jeden in unserem Land zu eröffnen, Lösungen für heutige und auch für zukünftige, für absehbare Probleme zu finden. Aber wir? Wir hecheln bei vielem wieder nur hinterher. Warum lernen Sie nicht daraus und installieren ein Frühwarnradar, das auf künftige Trends hinweist? Dann aber, Frau Karliczek, bräuchte man auch freie Gelder im Haushalt für Neues. Doch bei Ihnen? Dürre! Sie verschlafen die Zukunft unseres Landes schlicht durch Nichtstun. Der Fachkräftemangel ist angesprochen worden. Er ist schon spürbar: 10 000 unbesetzte Lehrstellen, Dürre in der Bewerberlandschaft, Dürre bei der Mitarbeitersuche, weil es immer weniger Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt gibt. Aber, Herr Schipanski, wenn ich dann in den Haushalt schaue, stelle ich fest – mit Verlaub –, wie wenig ambitioniert Sie agieren. 1,7 Milliarden Euro investieren Sie in die berufliche Bildung. Das sind noch nicht einmal 10 Prozent des Bildungsetats und weniger als 0,5 Prozent des Bundeshaushalts. Mit Verlaub, Sie versündigen sich an dieser Stelle an der Zukunft der jungen Menschen im Land. Wie gerne hätte ich mit Ihnen über neue Ideen und Konzepte diskutiert. Aber Sie sind offensichtlich zu müde, Sie sind zu erschöpft, um genau dieses Zukunftsfeld in Deutschland mit Investitionen zu bedienen. Ich kann das ja verstehen; denn statt über die besten neuen Ideen zu streiten, sehen wir wieder eine Krise der Großen Koalition: Ausgang ungewiss. Die Parteivorsitzenden tagen gerade parallel zum Plenum. Hören Sie doch endlich auf, sich mit sich selbst zu beschäftigen! Fangen Sie an zu regieren, fangen Sie endlich an, zu handeln und etwas umzusetzen! Vielen Dank, Nicola Beer. – Nächste Rednerin: Dr. Petra Sitte für die Fraktion Die Linke.
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