Wahlperiode
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Lorenz Gösta Beutin DIE LINKE
Lorenz Gösta
Beutin
DIE LINKE
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Im Sommer 2016 hat dieses Parlament an dieser Stelle den Paragrafen zur Bürgerenergie im Erneuerbare-Energien-Gesetz mit heißer Nadel gestrickt. Die Linke hat damals schon auf das Missbrauchsproblem bei der Bürgerenergie hingewiesen; und so ist es dann ja auch tatsächlich gekommen. Über 90 Prozent der Zuschläge für Windenergie an Land gingen an sogenannte Bürgerenergiegesellschaften, die trickreich von Großprojektierern in größerer Anzahl allein für diesen Zweck gegründet worden waren. Damit hat die GroKo die Bürgerenergie letztlich ausgebremst. Die Reform ging damals in die vollkommen falsche Richtung. Deswegen stimmen wir zu, dass für alle Windprojekte künftig mit den Geboten eine Bundes-Immissionsschutzgenehmigung vorzulegen ist und dass sie die gleichen Realisierungsfristen wie alle Projekte haben sollten. Aber wo wir als Linke keinesfalls zustimmen können, ist erstens beim zu niedrigen Ausschreibungsvolumen. Sie haben ja bereits zugegeben: Die Klimaziele 2020 werden Sie verfehlen. Im Koalitionsvertrag steht jedoch: 2030 werden sie auf jeden Fall erreicht. Aber wie wollen Sie die Ziele 2030 erreichen? Ich erinnere daran, dass in Ihrem Koalitionsvertrag Sonderausschreibungen vorgesehen sind. Möglicherweise liegt es an der Blockade im Bundeswirtschaftsministerium von Herrn Altmaier, dass das nicht zustande kommt. Wie in vielen anderen Fällen drängt sich auch hier der Eindruck auf, dass wir es bei dieser Großen Koalition nur noch mit einer Chaostruppe zu tun haben, die zu zukunftsfähigen Entscheidungen nicht mehr in der Lage ist. Kurz und gut: Wir brauchen noch in diesem Jahr den Beschluss zu Sonderausschreibungen. Wenn wir überhaupt annähernd an die Klimaziele 2030 herankommen wollen, wenn wir diese Lücke tatsächlich schließen wollen, müsste man 2018, also noch in diesem Jahr, zusätzliche 5 Gigawatt für Photovoltaik und Windenergie aufsetzen und in den kommenden Jahren weitere zusätzliche 3 Gigawatt. Davon ist bei Ihnen keine Rede. Wir als Linke schlagen aber genau diesen Weg als Alternative vor. Zweitens müssen wir den Weg gehen, die echte Bürgerenergie zu retten. Ich weiß nicht, wie es in Ihren Wahlkreisen aussieht, aber auch dort werden Sie wohl konfrontiert mit Zweifeln von Bürgerinnen und Bürgern, die mit dem Bau von Windkraftanlagen zu tun haben. Hier müssen wir doch gucken: Wie können wir die Identifikation mit Windenergie, wie können wir die Identifikation mit den erneuerbaren Energien stärken? Also: Wir brauchen eine Regelung zur Rettung der echten Bürgerenergie, der Identifikation mit der Energiewende und mit den erneuerbaren Energien. Haben Sie endlich den Mut und reißen Sie das Steuer herum! Vielen Dank. Vielen Dank, Kollege Beutin. – Letzte Rednerin: Ingrid Nestle für Bündnis 90/Die Grünen.
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Maria Klein-Schmeink BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Maria
Klein-Schmeink
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrte Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister! Ich bin ein bisschen erstaunt über den Verlauf dieser Debatte. Man muss ja ehrlich sagen: Hier ist gerade ein sehr guter Gesetzentwurf eingebracht worden, zwar mit kleinen Abstrichen, aber im Kern ist das ein sehr gutes Gesetz. Es ist ein Gesetz, das tatsächlich die Solidarität und den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft wieder stärkt. Eine zentrale Stellschraube, um die zehn Jahre lang gerungen wurde, ist dabei die Wiederherstellung der paritätischen Finanzierung der Gesundheitsausgaben, nämlich Hälfte Arbeitnehmer, Hälfte Arbeitgeber. Das ist doch ein riesiger Schritt. Ich muss sagen: Herzliche Gratulation, liebe SPD, dass Sie das durchgesetzt haben. Sie tun vielen Menschen in Deutschland damit einen Gefallen. Das ist nicht nur ein materieller Gefallen, sondern das hat auch für die Zukunft eine große Wirkung; denn es geht darum, dass wir sicher sein können, dass gemeinsam die Kosten und die Herausforderungen der demografischen Entwicklungen gestemmt werden. Deshalb ist das ein ganz wichtiges Signal. Das gehört gewürdigt und darf nicht in Petitessen und im üblichen Hin und Her untergehen. Das ist ganz klar ein wichtiger Schritt. Ich bin sehr froh, dass dieser nun gegangen wird. Wenn wir über Solidarität reden, müssen wir natürlich auch über den nächsten Schritt reden. Wir müssen in die Solidarität auch all diejenigen einbeziehen, die heute noch nicht Teil sind. Das sind im Wesentlichen die Beamten, die sehr gut Verdienenden sowie Unternehmer und Selbstständige, die sich nicht gesetzlich versichern, meistens dann nicht, wenn sie viel verdienen. Die anderen begeben sich nämlich in den solidarischen Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung. Auch da werden wir die nächsten Schritte gehen. Wir werden weiter fordern, dass wir weiter in Richtung Bürgerversicherung gehen oder, man könnte auch sagen, weiter in Richtung gesetzliche Krankenversicherung für alle, unter Beteiligung von allen und gemeinsam mit allen gehen. Wir reden hier nicht über eine Petitesse, sondern wir reden über eine Entlastung in Höhe von 6,9 Milliarden Euro. Da möchte ich mal sehen, durch welche Steuerentlastungspakete Sie diese Summe bei den Versicherten, bei den kleinen Einkommen, in den Familien ankommen lassen wollen. Das ist ein erheblicher Schritt, und das ist gut so. Gut ist auch, dass wir eine Regelung für die Selbstständigen schaffen; denn natürlich ist es so, dass gerade die kleinen Selbstständigen überfordert waren. Aber, Frau Aschenberg-Dugnus, man muss ganz klar sagen, auch in Richtung der Linken: Man kann nicht mit einer Mindestbemessungsgrundlage von 450 Euro arbeiten. Das heißt, dass die kleine angestellte Friseurin für ihre Chefin zahlt, und das kann auch nicht angehen. Wir müssen Vergleichbarkeit haben. Denn jeder Versicherte, der angestellt ist, bezahlt auf Grundlage seines Bruttoeinkommens. Die Selbstständigen müssen ihr Nettoeinkommen verbeitragen. Deshalb ist der Vorschlag der Bundesregierung gar nicht unklug. Wir hätten einen ein klein wenig anderen Weg gewählt, aber der jetzt gewählte ist im Kern gut und klug, und von daher gehen wir diesen Weg mit. Aber gehen wir noch ein anderes Thema an: Wir haben zehn Jahre hinter uns, wo es nur um Dumpingpreise, um die billigste Krankenkasse ging und nicht darum, dass eine Krankenkasse dafür belohnt wird, dass sie gute Leistungen, gute Versorgung und erstklassigen Service für ihre Versicherten anbietet. Dahin müssen wir kommen; davon sind wir leider noch weit entfernt. Das ist der Teil, der uns in diesem Gesetz tatsächlich fehlt. Wir möchten gern, dass man als Versicherter sehr schnell sehen kann: Setzt sich die Versicherung für mich ein? Tut sie etwas für die gute Versorgung eines Diabetikers? Tut sie etwas dafür, dass ich meine Antragsleistungen schnell bekomme? Habe ich eine gute Qualität bei der Hilfsmittelversorgung? Das wären die Fragen, die wir klären sollten. Wir sollten die Krankenkassen dafür belohnen, wenn sie sich einsetzen, wenn sie gute Qualität abliefern, wenn sie sich an die sozialen Bürgerrechte halten. Das würden wir gerne sehen, und das werden wir auch in die weiteren Beratungen mit einbringen. Danke schön. Vielen Dank, Maria Klein-Schmeink. – Nächster Redner: Stephan Pilsinger für die CDU/CSU-Fraktion.
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Ulla Jelpke DIE LINKE
Ulla
Jelpke
DIE LINKE
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Frei, seit Jahren diskutieren wir über europäische Maßstäbe, seit Jahren diskutieren wir über Griechenland und über die Überforderung Griechenlands. Da nutzt es meines Erachtens nicht, hier eine Klein-Klein-Aufrechnung zu machen, sondern Deutschland sollte tatsächlich Vorbild im solidarischen humanitären Handeln sein. Das bedeutet eben tatsächlich, Kinder und Jugendliche, die unbegleitet sind, ohne ihre Eltern in diesen geschlossenen katastrophalen Lagern, in Deutschland aufzunehmen. Die Kapazitäten sind da, und die Hilfsbereitschaft der Menschen in unserem Land ist auch vorhanden. Die Lebensbedingungen in den Hotspots sind von Not und Gewalt geprägt. Es fehlt dort an allem: an Schlafplätzen, an sanitären Einrichtungen, an ärztlicher Versorgung, an psychologischer Betreuung, am Zugang zu Bildung. Im größten Lager Moria waren jetzt kürzlich etwa 20 000 Schutzsuchende untergebracht. 40 Prozent von ihnen sind Minderjährige. Ihre Rechte werden in einem teils bedrohlichen Ausmaß verletzt. 2019 sind drei Kinder in der Folge dieser Bedingungen dort gestorben. Diese erbärmlichen Zustände wurden bewusst, Herr Frei, durch den schäbigen Flüchtlingsdeal mit Erdogan geschaffen, mit dem alleinigen Ziel, Menschen abzuschrecken, nach Europa zu kommen. Man bezahlt Erdogan dafür, dass er Flüchtlinge abhält, wirklich Schutz zu finden. Das ist ein Riesenskandal, meine Damen und Herren. Der damalige Innenminister de Maizière hat übrigens 2016 im Bundestag mit den Worten auf uns eingeredet: Auch wenn wir jetzt einige Wochen ein paar harte Bilder aushalten müssen: Unser Ansatz ist richtig. – Wir sehen aber: Es geht nicht um einige Wochen, sondern es geht um Jahre. Und wenn Sie ehrlich sind, wissen Sie auch, dass die Menschen dort jahrelang warten, bis ihr Verfahren durchgeführt wird. Davon mal ganz abgesehen: Nein, wir wollen diese Bilder nicht ertragen und aushalten, sondern wir wollen die untragbaren Zustände in den griechischen Lagern ändern. Und dafür können wir hier auch ganz viel tun. Meine Damen und Herren, die Aufnahmebereitschaft in Deutschland ist groß. Ich sagte es eben schon: Die Liste der Städte und Gemeinden, die öffentlich erklärt haben, mehr Flüchtlinge aufnehmen zu wollen, wird immer länger. Etwas über 120 haben sich schon bereit erklärt. Die Länder Berlin, Niedersachsen und Thüringen haben Innenminister Seehofer im Dezember ihre Bereitschaft signalisiert und sogar um Zustimmung zur Aufnahme der unbegleiteten Kinder und Jugendlichen gebeten. Doch Seehofer stellt sich quer. Das ist wirklich eine Schande, meine Damen und Herren. Viele der in den Hotspots festsitzenden Flüchtlingskinder haben Angehörige, die bereits im Asylverfahren in Deutschland sind. Sie haben gemäß der Dublin-Verordnung einen Rechtsanspruch auf Familienzusammenführung. Doch das BAMF verwehrt selbst ihnen immer häufiger die Aufnahme nach Deutschland. Zwischen Juni und Dezember hat die Asylbehörde mehr als 70 Prozent der Übernahmeersuchen aus Griechenland mit fadenscheinigen Begründungen abgelehnt. So darf man mit dem Menschenrecht auf ein Familienleben nicht umgehen. Das BAMF muss meines Erachtens unmissverständlich angewiesen werden, diese Regelung der Dublin-Verordnung zur Familienzusammenführung großzügig auszulegen. Mit unserem Antrag schlagen wir vor, dass wenigstens die 2 000 unbegleiteten Kinder aus den Horrorlagern herausgeholt werden. Das kann aber nur der Anfang sein. Die Bundesregierung muss sich auf EU-Ebene für die sofortige Aufkündigung des Türkei-Deals und für die Schließung dieser in EU-Verantwortung liegenden Hotspots einsetzen. Frau Jelpke. Wir brauchen ein europäisches Asylsystem, das diesen Namen wirklich verdient. Ich danke Ihnen. Vielen Dank, Ulla Jelpke. – Nächste Rednerin: für Bündnis 90/Die Grünen Luise Amtsberg.
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Frank Steffel CDU/CSU
Frank
Steffel
CDU/CSU
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor allen Dingen: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich am 2. Dezember 1990 als damals jüngster Abgeordneter in das erste freie Gesamtberliner Parlament gewählt wurde, hätte ich mir nicht vorstellen können, dass ich heute, im Juni 2021, um Mitternacht im Deutschen Bundestag eine Rede zu Auslandseinsätzen unserer deutschen Bundeswehr halten darf. Denn erstens hatte ich damals die naive Hoffnung, dass der gerade beendete Kalte Krieg dazu führt, dass vor uns ein friedliches Jahrhundert, ein friedliches Jahrtausend ohne militärische Auseinandersetzungen liegt. Zweitens habe ich mir aufgrund der historischen Ausgangslage des geeinten Deutschlands, wenige Wochen nachdem die Soldatinnen und Soldaten der Nationalen Volksarmee in die Bundeswehr übernommen wurden, nicht vorstellen können, dass deutsche Soldaten Auslandseinsätze – auch Friedensmissionen – weltweit durchführen könnten. Und drittens habe ich als leidenschaftlicher Unternehmer damals und bis heute Politik als Hobby verstanden und nie vermutet, einmal fast 31 Jahre parlamentarisch zu arbeiten. Im Teilzeitparlament in Berlin damals war das ohnehin noch einfacher möglich. Es ist, wie Sie wissen, alles anders gekommen. Heute wird, wenn ich das recht überblicke, eine große Mehrheit von Bündnis 90/Die Grünen über die FDP und die SPD bis zur CDU/CSU die Verlängerung des Auslandseinsatzes in Libanon beschließen. Das heißt, wir werden uns weiterhin mit maximal 300 Soldatinnen und Soldaten an dem Friedenskontingent, das übrigens seit vielen Jahrzehnten 10 000 Soldaten umfasst, beteiligen. Wir werden versuchen, einen kleinen Beitrag dazu zu leisten, dass in dieser schwierigen Region Seerechte gelten und Waffenschmuggel weiter zurückgedrängt wird. Ich selbst wurde zehnmal direkt in ein Parlament gewählt, davon dreimal in den Deutschen Bundestag. In einer Großstadt wie Berlin dreimal mit dem besten Ergebnis aller Wahlkreisbewerber gewählt zu werden, ist für einen CDU-Bewerber nicht die Regel. Insofern möchte ich natürlich kurz Dank sagen. Da mir meine Unabhängigkeit in der Politik immer wichtig war – sowohl die persönliche als auch die wirtschaftliche –, möchte ich meiner Partei Dank sagen, die immer verstanden hat, dass jemand, der auch ein Leben außerhalb der Politik führt, nicht das gleiche Zeitkontingent hat wie Rentnerinnen und Rentner oder Studierende. Ich möchte auch meinen Wählerinnen und Wählern Dank sagen. Ich hatte den Eindruck, das Gefühl, dass viele mich nicht trotz, sondern gerade wegen meiner unternehmerischen Unabhängigkeit gewählt haben. Gestatten Sie mir, dass ich das mit einem Appell verbinde: Ich habe den Eindruck, dass der Zugang zu Parteien, zur Politik und zu Parlamenten für Menschen, die wirtschaftlich ein Leben außerhalb der Politik führen, eher schwieriger geworden ist. Wir sollten darauf achten, dass diese Menschen auch in Zukunft hier im Parlament ihren Platz finden. Ich möchte mich abschließend sehr herzlich bei den Kolleginnen und Kollegen bedanken, die ich hier kennenlernen durfte. Wenn ich das ganz menschlich sagen darf: Mich haben die Kollegialität und der sachlich wirklich anregende und außergewöhnlich respektvolle Austausch hier positiv überrascht. Das sollte vielleicht auch die Generation nach uns motivieren, sich in den sozialen Netzwerken etwas anders zu artikulieren, als ich das oft erlebe. Mir macht das Sorge, und ich möchte Ihnen dafür danken, dass Sie mir Anregungen gegeben haben und wir so respektvoll miteinander umgegangen sind. Mir hat das große Freude bereitet. Ich wünsche allen, die wieder kandidieren, Freude und Spaß im Bundestagswahlkampf. Meinen Kollegen von meiner Fraktion wünsche ich neben Spaß und Freude natürlich vor allen Dingen auch Erfolg. Da ich, wie Sie wissen, in Berlin lebe, freue ich mich auf ein Wiedersehen mit Ihnen allen. Herzlichen Dank. Lieber Kollege Steffel, das Präsidium bedankt sich im Namen des Hohen Hauses für die jahrelange sehr gute Zusammenarbeit, wünscht Ihnen beruflich viel Erfolg und im persönlichen Leben alles Gute. Das Wort geht an Alexander Kulitz von der FDP-Fraktion.
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Dr.
Dr. Marc Jongen AfD
Marc
Jongen
AfD
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Ende des Zweiten Weltkriegs jährte sich am 8. Mai zum 75. Mal. Coronadringlichkeit schön und gut; es kann aber nicht sein, dass der Deutsche Bundestag keine halbe Stunde Zeit findet, um über den richtigen Umgang mit diesem erinnerungspolitisch so wichtigen Datum zu diskutieren. Nachdem von der Regierungskoalition nichts kam, hat also die AfD-Fraktion dieses Thema auf die Tagesordnung gesetzt. Und inzwischen nannte ja Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, gespenstisch einsam vor der Neuen Wache in Berlin stehend, den 8. Mai 1945 den „Tag der Befreiung“. Und er fügte hinzu: „Damals wurden wir befreit. Heute müssen wir uns selbst befreien!“ Er zählt dann auf: von der „Versuchung eines neuen Nationalismus“, von „Abschottung“, „Fremdenfeindlichkeit“ und von „Hass und Hetze“, die nichts anderes seien – Zitat – „als die alten bösen Geister in neuem Gewand“. Diese politische Geisterbeschwörung des Bundespräsidenten gipfelte in der Losung: Scheitert Europa, dann scheitert das „Nie wieder!“! Meine Damen und Herren und werter Herr Bundespräsident, ich rufe es Ihnen von dieser Stelle aus zu: Sie missbrauchen die Erinnerung an ein historisches Datum, um notwendige und legitime Debatten in der Gegenwart zu unterdrücken! Jeder, der die Nation als Garant der Demokratie verteidigt, der die skandalöse Politik der offenen Grenzen ablehnt oder der keinen zentralistisch regierten EU-Superstaat will, wird von ihnen quasi unter Nazigeneralverdacht gestellt. Das ist historisch und politisch abwegig, es spaltet die Gesellschaft, und es ist eines Bundespräsidenten unwürdig. Und eines noch: Sie können ja der Meinung sein, Herr Bundespräsident und viele hier im Saal ebenso, dass man Deutschland „nur mit gebrochenem Herzen lieben“ kann. Ich sage Ihnen: Es gibt Deutsche – und es sind nicht wenige –, die ihre Heimat mit vollem Herzen lieben, und sie werden sich auch nichts anderes verordnen lassen von Ihnen. Doch kommen wir zu dem Schlagwort „Tag der Befreiung“, das Richard von Weizsäcker in seiner berühmten Rede 1985 durchaus noch differenzierter verwendet hat. SPD und Grüne wollen ja einen solchen Feiertag, wie man hört, Die Linke sowieso, in bester DDR-Tradition, wo es darum ging, mit dem Tag der Befreiung vom unfreien Charakter der SED-Diktatur abzulenken. Ja, natürlich, meine Damen und Herren, Deutschland und die Welt wurden am 8. Mai 1945 befreit: vom verbrecherischen NS-Regime und vom Ausnahmezustand der Vernichtung, den dieses in Europa entfesselt hatte. Es war ohne Einschränkung ein Tag der Befreiung für die von den Nazis verfolgten Gruppen: die Juden Europas, die überfallenen und misshandelten Nachbarvölker, auch für weite Teile des eigenen Volkes, soweit sie sich in Sicherheit befanden. Aber – und diese Ambivalenz der Geschichte gilt es auszuhalten –: Es war eben keine Befreiung für die 2 bis 3 Millionen Deutschen, die in den ehemaligen deutschen Ostgebieten durch Vertreibung, Flucht und Verschleppung nach 1945 noch umgekommen sind. Es war keine Befreiung für die rund 11 Millionen deutschen Kriegsgefangenen, von denen 1,6 Millionen gar nicht mehr zurückkehrten, die meisten anderen erst nach jahrelanger unmenschlicher Lagerhaft. Und es war definitiv keine Befreiung für die geschätzt 2 Millionen nach dem 8. Mai noch vergewaltigten deutschen Frauen und Mädchen, von denen 10 Prozent starben, die übrigen teils schwer traumatisiert wurden. Allein die Pietät diesen keineswegs Befreiten gegenüber verbietet es, den 8. Mai zum Feiertag zu erheben, meine Damen und Herren, es sei denn, man ginge von einer Kollektivschuld aller Deutschen aus, was aber massiv zynische Implikationen hätte und was jedenfalls Richard von Weizsäckers Diktum widerspricht – hören Sie mal zu! –, der nämlich sagte: „Schuld oder Unschuld eines ganzen Volkes gibt es nicht. Schuld ist, wie Unschuld, nicht kollektiv, sondern persönlich.“ Lassen Sie uns daher diesen Jahrestag zum Anlass nehmen, um endlich auch für die deutschen Opfer des Zweiten Weltkrieges eine Gedenkstätte zu errichten. Zentral in der Bundeshauptstadt gelegen, sollte sie über die einzelnen Opfergruppen, wie ich sie vorhin nannte, aber auch über die Opfer des Bombenkrieges in einem angeschlossenen Dokumentationszentrum auf dem heutigen Stand der Forschung informieren. Ein Wettbewerb sollte ausgeschrieben werden und ein Expertengremium eingesetzt, das dem Deutschen Bundestag gegenüber rechenschaftspflichtig ist. Zu den bestehenden Gedenkstätten für die Opfer des NS-Regimes, allen voran dem Denkmal für die ermordeten Juden Europas, soll diese Gedenkstätte ausdrücklich nicht ins Konkurrenz-, sondern ins Ergänzungsverhältnis treten, ganz im Sinne der Worte des ehemaligen Bundespräsidenten Herzog: „… man kann weder Ruhe noch Versöhnung finden, wenn man sich nicht der ganzen Geschichte stellt“ – der ganzen Geschichte. – Das tun wir, im Gegensatz zu Ihnen. Wir glauben auch – ich komme zum Schluss –, dass die Freundschaft zu den ehemaligen Kriegsgegnern inzwischen gefestigt genug ist, dass diese auch den Deutschen die Trauer um die eigenen Kriegsopfer zugestehen werden, wenn wir diese umsichtig, würdig und im Einklang mit den historischen Fakten begehen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger fordert unser Antrag. Vielen Dank. Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist für die Fraktion der CDU/CSU die Kollegin Elisabeth Motschmann.
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Dr.
Dr. Martin Neumann FDP
Martin
Neumann
FDP
Guten Morgen, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um eines gleich klarzustellen: Wir sind für den Kohleausstieg, schon weil es bestehende Revierkonzepte gibt. Wir sind auch für eine nachhaltige Strukturentwicklung in den Kohleregionen. Aber, liebe Bundesregierung, in Ihr Boot steigen wir nicht. Wir lehnen Ihren Weg ab. Jetzt liegt ein Gesetzespaket vor, es kommt viel zu spät, aber es gibt dieses Paket. Positiv ist die Tatsache, dass Geld in die Strukturentwicklung in den betroffenen Regionen fließen soll. Das ist aber gleichzeitig auch der erste negative Punkt, den ich hier heute ansprechen möchte. Von den versprochenen 40 Milliarden Euro sind nur etwa 14 Milliarden zusätzliche Mittel. Der Rest soll im Umfang des jeweiligen Haushaltgesetzes bereitstehen. Liebe Koalition, ist Ihnen aufgefallen, dass es einen Widerspruch gibt zwischen den geplanten Finanzhilfen für Kommunen nach Artikel 104 des Grundgesetzes und dem Ausschluss direkter Förderung privater Investitionen? Anreize für private Investitionen? Klare Fehlanzeige! Der Änderungsantrag der Koalition, im Ausschuss vorgelegt, umfasst fast 60 Seiten. Außerdem gibt es noch einen Entschließungsantrag, ebenfalls im Ausschuss vorgelegt, in dem Sie private Investitionen und Sonderabschreibungen fordern. Genau das fordern wir auch. Aber warum schreiben Sie das nicht gleich ins Gesetz? Es geht um die Verantwortung für die Menschen, für die Beschäftigten, für die Unternehmen und für die Kommunen in den Regionen. Ihnen muss eine echte Perspektive geboten werden, indem Arbeitsplätze geschaffen werden. Die Liste an Dingen, meine Damen und Herren, die in beiden Gesetzen falsch angegangen werden, ist endlos. Ich nenne als Beispiel die Hängepartie bei den Entschädigungen. Wir wissen – das ist nicht neu –: Immer wenn Politik in Wirtschaft eingreift, kostet das. Trotzdem schafft die Bundesregierung – das will ich hervorheben – mit den Gesetzen keine Rechtssicherheit, sondern einen planwirtschaftlichen Irrgarten. Es bleiben Diskriminierungen der jungen Steinkohlekraftwerke und der Kraftwerke in Süd- und Ostdeutschland. Der staatliche Eingriff seitens der Bundesregierung zieht immer weitere Tatbestände nach sich. Auf der einen Seite wird gegen Entschädigungen in Milliardenhöhe abgeschaltet, und auf der anderen Seite fließen Milliarden Subventionen in Alternativen über das EEG und das KWKG. Und am Ende muss der Steuerzahler die daraus resultierenden Strompreise bezahlen. Dabei ist aber auch allen hier im Saal klar, dass eine robuste und wettbewerbsfähige Wirtschaft günstige Strompreise braucht. Wir geraten in der Energiepolitik immer tiefer in ein staatliches Mikromanagement zulasten der Versorgungssicherheit sowie der Bezahlbarkeit von Energie. Für Versorgungssicherheit und geordnete Strukturentwicklung spielen nicht nur Garzweiler, sondern auch die ostdeutschen Kraftwerke eine große Rolle. Die Bundesregierung betreibt hier, offenkundig getrieben durch die „Ideologitis“ der Grünen, eine teure Symbolpolitik. Bisher schalten wir nur ab. Wo befinden sich die Einschalter? Ein durchgehendes Gesamtkonzept, liebe Bundesregierung, ist hier nicht erkennbar. Wir brauchen deutlich mehr Marktwirtschaft und einen Wettbewerb emissionsarmer Energieträger, eine intelligente Kombination aus erneuerbaren Energien, innovativen Energiespeichern, Entbürokratisierung, Netzausbau und Digitalisierung. Zum Schluss möchte ich noch ganz kurz auf eine Passage im Entschließungsantrag der Grünen eingehen. Dort steht: Wir lehnen Straßenbauprojekte ab. – Da frage ich mich ganz ehrlich: Auf welchen Straßen dürfen denn dann in Zukunft die batteriebetriebenen Elektrofahrzeuge fahren? Ich fasse zusammen: Wir brauchen erstens einen starken Emissionshandel. Wir brauchen zweitens einen Wettbewerb emissionsarmer Energieträger. Wir brauchen drittens Versorgungssicherheit und ein Energiemonitoring. Und wir brauchen viertens Wirtschaftswachstum, Innovationen, Entbürokratisierung und private Investitionen. Kurz gesagt: Erinnern Sie sich an die drei V! Die Menschen brauchen Vertrauen, Verbindlichkeit und Verantwortung. Herzlichen Dank. Nächster Redner ist der Kollege Lorenz Gösta Beutin, Die Linke.
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Rüdiger Lucassen AfD
Rüdiger
Lucassen
AfD
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung macht in Mali die gleichen Fehler wie in Afghanistan: keine klaren Zielvorgaben und deswegen auch keine Strategie mit kontrollierbaren Wegmarken. Das Ergebnis in Mali wird das gleiche sein wie in Afghanistan: ein unausweichliches und totales Scheitern. Meine Damen und Herren, was die Bundesregierung tut, ist aber nicht nur politisch falsch. Sie verletzt auch die Fürsorgepflicht gegenüber unseren Soldaten. Denn zum ersten Mal bricht das Verteidigungsministerium mit einer eisernen Regel, dass nämlich jeder verwundete deutsche Soldat innerhalb einer Stunde Zugang zu ärztlicher Versorgung auf dem Niveau eines deutschen Kreiskrankenhauses erhält, auch wenn seine Einheit unter Feuer liegt. In Mali ist das nun nicht mehr möglich; denn seit einiger Zeit werden die Rettungshubschrauber für das deutsche Einsatzkontingent nur noch von einer zivilen Firma gestellt. Das heißt im Klartext: zivile Hubschrauber mit zivilen Piloten, ohne Bewaffnung und ohne Schutz. Die Bundesregierung sagt selbst, dass deshalb die Evakuierung von Verwundeten nur noch aus gesicherten Landezonen möglich ist. Und was ist, wenn ein deutscher Soldat um sein Leben kämpft und es keine gesicherten Landezonen gibt? Liebe Soldaten, wie die Bundesregierung mit Ihnen umgeht, ist ein Skandal. Dieser Skandal, eine GmbH mit der Rettung verwundeter deutscher Soldaten zu beauftragen, legt aber auch den erbärmlichen Zustand der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr offen. In der gesamten Bundeswehr scheint es keine vier Hubschrauber mehr zu geben, die zum Schutz unserer Soldaten nach Mali geschickt werden können. Dafür trägt die Bundesregierung die volle Verantwortung. Meine Damen und Herren, wer die Einsatzbereitschaft seiner Streitkräfte so zugrunde gerichtet hat, sollte erst recht die Finger von sinnlosen Auslandsabenteuern lassen. Die AfD hält Auslandseinsätze der Bundeswehr grundsätzlich für das falsche Mittel, um Außenpolitik zu machen. Für uns gilt das Prinzip der Nichteinmischung in die Angelegenheiten fremder Staaten. Die Völkerrechtlerin Annalena Baerbock weiß, welch hohen Stellenwert dieses Prinzip hat. Verteidigungsbereite Streitkräfte zum Schutze Deutschlands und seiner Verbündeten, dafür steht die AfD. Wie wichtig Verteidigungsbereitschaft im Falle eines Angriffs ist, sehen wir dieser Tage in Israel. Das bringt mich zu folgendem Punkt: Ich wünsche den Israel Defense Forces viel Soldatenglück und speziell der israelischen Luftwaffe bei der Suche nach den Terrorführern der Hamas eine gute Jagd und fette Beute. Das Wort geht an Jürgen Hardt von der CDU/CSU-Fraktion, und ja, ich werde im Protokoll nachlesen, ob es eine Rüge wert ist, was der Kollege Lucassen von der AfD geäußert hat.
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Dr.
Dr. Frithjof Schmidt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Frithjof
Schmidt
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Ausbildungsmission EUTM Mali ist inzwischen eigentlich eine Art Ergänzungsmandat der Europäischen Union zum eigentlichen Mali-Mandat für MINUSMA, der Mission der Vereinten Nationen, geworden. Über dieses Mandat für MINUSMA haben wir heute und auch vor wenigen Wochen schon intensiv diskutiert, und deswegen will ich nicht alles wiederholen, was wir in der Debatte vor zwei Stunden schon einmal gesagt haben. Aber ich glaube, für alle ist deutlich geworden, dass die politische Lage in Mali inzwischen nicht nur im Norden, sondern zunehmend auch im Zentrum und im Süden des Landes deutlich schlechter geworden ist. Deswegen ist es wichtig, zu sagen, dass Sicherheit und Stabilität in erster Linie politisch erreicht werden müssen und dass es jetzt in Mali zentral um eine Stärkung der Zivilgesellschaft im Kampf gegen die Korruption in der alten Führungselite des Landes geht. Hier müssen die internationale Gemeinschaft sowie wir als Europäische Union und auch als Bundesrepublik Deutschland unsere Anstrengungen energisch verstärken. Das fehlt mir in dieser Debatte. Ich glaube, dass wir über diese politische Komponente nicht ausreichend sprechen. Wir müssen in diesem Zusammenhang übrigens auch unsere französischen Freunde davon überzeugen, dass sie zu einer Korrektur ihrer Politik des Françafrique, des Festhaltens an der alten Elite in diesem Land kommen müssen. Nur dann wird sich eine demokratische Entwicklung wirklich verstärken lassen. Nur dann wird man grundlegende Veränderungen herbeiführen können. Die Antwort muss also in erster Linie politisch sein. Aber es kann auch keinen Zweifel daran geben, dass in dieser schwierigen politischen Lage die Ausbildung der malischen Armee durch die Europäische Union ein wichtiger Beitrag zur Stabilisierung des Landes ist. Nur so können dort die Grundlagen für den Aufbau des Staatsapparates gelegt werden. Deshalb haben wir Grüne es von Beginn an unterstützt, dass die Europäische Union gesagt hat: Okay, wir machen eine solche Ausbildungsmission. – Als Grüne bleiben wir auch in dieser schwieriger gewordenen Situation dabei. Deswegen werden wir diesem Mandat auch heute wieder zustimmen. Nachdem ich das gesagt habe, komme ich jetzt zu einer wichtigen Kritik an der Art, wie Sie dieses Mandat fortschreiben. Was wir nicht in Ordnung finden, ist die schleichende Ausdehnung dieses Mandates zur Ausbildung in unterschiedlichen Nachbarländern. Mit dem neuen Mandat dürfen deutsche Soldaten nämlich jetzt auch in Niger, in Mauretanien und im Tschad die G-5-Antiterroreingreiftruppe ausbilden und beraten. Das ist eine faktische Vermischung dieses Einsatzes in Mali mit dem Einsatz in den anderen Ländern. Das unterläuft nach meiner Meinung den Grundsatz der Mandatsklarheit. Deswegen sage ich an die Adresse der Bundesregierung: Wenn Sie ein Mandat für eine militärische Ausbildungsmission im ganzen Sahelgebiet wollen, ohne Ansehen der Frage, ob es sich bei beteiligten Regierungen um diktatorische, autoritäre Regime handelt, dann sollten Sie das erstens klar sagen und zweitens dafür ein eigenständiges Mandat vorlegen. Das, was Sie bei EUTM Mali machen, ist ja kein Einzelfall. Das ist jetzt in kurzer Zeit das dritte Mandat, in dem eine schleichende Entgrenzung des Einsatzgebietes enthalten ist. Das gilt für das kürzlich verabschiedete Anti-IS-Mandat für Syrien und den Irak. Diesen Punkt hat damals die FDP zu Recht kritisiert. Ich verstehe nicht, dass Sie das bei diesem Mandat nicht erkennen. Aber auch für das entgrenzte Mandat der Operation Sea Guardian, das faktisch eine Ausbildungsmission in allen Mittelmeeranrainerstaaten zugleich erlaubt, gilt das. Wir fordern Sie deshalb auf, sich im Mandat für den Einsatz in Mali auf die Aufgaben in Mali zu beschränken. Sonst untergraben Sie die Akzeptanz für diesen richtigen Einsatz. Wer den Einsatz der Bundeswehr im Rahmen von EU und UN in Mali unterstützt, der muss deshalb noch lange nicht die Unterstützung und Aufrüstung eines Diktators wie Herrn Déby im Tschad billigen. Deswegen sind Mandatsklarheit und Mandatswahrheit so wichtige Grundsätze für unsere Parlamentsarmee. Das sollte die Bundesregierung nicht missachten. Danke für die Aufmerksamkeit. Nächste Rednerin die Kollegin Gabi Weber, SPD-Fraktion.
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Karsten Hilse AfD
Karsten
Hilse
AfD
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Zuschauer! Da wir die Forderungen in den Anträgen der Altparteien schon mehrmals diskutiert haben, gehe ich jetzt nicht extra darauf ein. Worauf ich aber eingehen muss und will, ist das gestrige öffentliche Fachgespräch. Das unsägliche Verhalten von Professor Levermann, dem Sachverständigen der SPD, und des Herrn Lenkert von den Linken, hat Professor Shaviv von der Hebräischen Universität in Jerusalem sehr deutlich gezeigt, wie man hier in Deutschland mit Wissenschaftlern umgeht, die sich nicht dem Mainstream unterwerfen. Ein für einen Bundestagsabgeordneten so unwürdiges Verhalten hätte ich selbst einem Linken nicht zugetraut. Wenn ein Abgeordneter der AfD sich nur ansatzweise so unverschämt gegenüber einem Professor aus Israel verhalten hätte, wäre er mit Antisemitismusvorwürfen konfrontiert gewesen. Ich erspare mir das an dieser Stelle, weil ich mich nicht auf Ihr Niveau herunter begebe. Dieses Fachgespräch hat außerdem sehr deutlich gezeigt, dass das Pariser Klimaübereinkommen und die ihm zugrundeliegende Hypothese auf tönernen Füßen stehen. Wenn dann auch noch konkrete Fakten und Zahlen ins Spiel kommen, gerät das Ganze in eine ordentliche Schieflage. Auf die mehrmals nicht beantwortete Frage nach dem konkreten Temperaturausgangswert, von welchem aus eine Erwärmung um 2 Grad nicht überschritten werden soll, antwortete Professor Levermann dann doch, dass der Wert aus dem Jahre 1850 gelte, das seien 15 Grad Celsius. Die NASA, die NOAA und die Weltorganisation für Meteorologie bezeichneten das Jahr 2016 mit einer durchschnittlichen Temperatur von 14,8 Grad Celsius aber als das wärmste Jahr seit Aufzeichnungsbeginn. Wir hätten dann also einen Temperaturrückgang von 0,2 Grad. Bei der nächsten Fragerunde, quasi im selben Atemzug, behauptete Herr Levermann, dass die Temperatur seit 1850 um 1,1 Grad Celsius gestiegen sei. Auf meinen deutlich vernehmbaren Zwischenruf – er saß direkt vor mir –, dass wir dann ja jetzt eine Durchschnittstemperatur von 16,1 Grad haben müssten, sagte er gar nichts mehr. Er sagte nur, dass die These vom menschengemachten Klimawandel felsenfest stehe – mehr nicht. Eine reine Behauptung ohne jeden wissenschaftlichen Beweis. Noch einmal: Es gibt keinen einzigen wissenschaftlichen Beweis, kein Experiment, keinen Versuch, der die Hypothese eines Ursache-Wirkung-Zusammenhangs zwischen CO 2 und Klima beweist. Nichts, es gibt gar nichts. Ich möchte noch einmal kurz auf unseren Antrag zum sofortigen Stopp der Klimaschutzbemühungen „wegen erwiesener Nutz- und Wirkungslosigkeit“ eingehen. Er steht ja heute zur Abstimmung. Der Kollege Jung behauptete in der ersten Lesung steif und fest, dass die AfD den Klimawandel leugne, obwohl von Klimawandel kein Wort im Antrag steht. Richtig allein ist, dass wir den menschengemachten Anteil daran infrage stellen. Sie, werte Frau Dr. Scheer, beanstandeten in der ersten Lesung Tabellen im Antrag, obwohl es da gar keine gibt. Sie beanstandeten Quellenangaben, die von der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen stammen. Das ist sozusagen die Quelle der Quellen, der Goldstandard für offizielle Zahlen zu Energieerzeugung und -verbrauch in Deutschland. Dass Sie diese AG Energiebilanz nicht kennen, ist eigentlich schon schlimm genug. Dass Sie diese Unkenntnis hier am Rednerpult auch noch der Öffentlichkeit preisgeben, ist – na ja – peinlich. Hier noch einmal die wichtigsten Inhalte unseres sehr detailliert begründeten Antrags. Die Bemühungen der Bundesregierung, die deutschen CO 2 -Emissionen zu senken, erbrachten seit 2008 keine merkbaren Ergebnisse, sind also rundherum gescheitert. Die klar formulierten Zwischenziele des Klimaschutzplans 2050 und seiner jeweiligen Unterpläne im Bereich des Anteils erneuerbarer Energien am Energieendverbrauch bis 2020 werden weit verfehlt. Die geplanten Absenkungen sowohl des Primär­energie- als auch des Energieverbrauchs liegen uneinholbar weit unter den klar formulierten Zielen 2020 bzw. 2030. Die ebenfalls geplante Umstellung des Individualverkehrs auf E‑Mobilität verschiebt sie noch weiter ins Land Absurdistan, obwohl wir uns in diesem ja sowieso befinden. Wenn wir alle CO 2 -Emissionen in allen Bereichen auf null brächten – wenn man dieser absurden Hypothese glaubte –, würde das eine Temperaturminderung von nur 0,000653 Grad Celsius bewirken. Dafür nur auch nur einen einzigen Cent auszugeben, ist wirtschaftlicher Irrsinn. Dies alles ist auch der Bundesregierung bekannt oder müsste es sein. Trotz totaler Zielverfehlung, trotz völligen Versagens pumpen Sie weiterhin Hunderte Milliarden in diese völlig unsinnigen Maßnahmen. Für alle Menschen, die ihre fünf Sinne noch beieinander haben, kann es nur eine einzige sinnvolle Schlussfolgerung geben, nämlich diesen verschwenderischen Unsinn einzustellen. – Ja, ich beantworte die Zwischenfrage, falls es gewünscht ist, jederzeit. Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen? Ja, das mache ich, wenn Sie die Uhr anhalten. Ich halte die Zeit immer an. Keine Sorge. Aber natürlich. Sehr geehrter Herr Kollege, ich höre Ihnen sehr interessiert zu. Ich bin auch der Meinung, wir sollten mit der AfD sehr viele Diskussionen im Deutschen Bundestag zum Thema Klimapolitik führen. Denn ich glaube, dass Sie gegen die große Mehrheit der Bevölkerung stehen und es Ihnen schaden wird, solche Verschwörungstheorien von sich zu geben. Ich stelle Ihnen eine ganz konkrete Frage. Vor wenigen Tagen hat die US-Administration – 13 der führenden Bundesbehörden inklusive der NASA – US-Präsident Trump einen 1 556 Seiten langen Bericht ausgehändigt und der Öffentlichkeit übergeben, in dem im Kern gesagt wird: Der Klimawandel ist erstens menschengemacht, zweitens sind die wirtschaftlichen Schäden heute zu spüren, drittens werden wir, wenn wir jetzt nicht handeln, in ein ökonomisches und natürlich auch klimapolitisches Desaster rennen. Ich frage Sie als AfD: Sitzen in der US-Administration die Klimaleugner und diejenigen, die diese Thesen infrage stellen? Was sind das für Leute? Sind das Leute, denen Sie zustimmen können? Oder ist das alles eine Verschwörungstheorie auf der ganzen Welt? Gut, ich kann Ihnen nicht sagen, wie sich diese Kommission zusammensetzt. Sie wird sich wahrscheinlich aus denselben Leuten zusammensetzen, die Sie als die 97 Prozent, was gar nicht stimmt, bezeichnen, die einen Konsens bezüglich des menschengemachten Klimawandels haben. – Ja, ja, schreien Sie ruhig, schreien Sie ruhig. Ich sage Ihnen nur eines: Zu Zeiten von Kopernikus sind hundert Prozent davon ausgegangen, dass die Erde im Mittelpunkt steht. Bis 1930 sind hundert Prozent aller Wissenschaftler davon ausgegangen, dass es keine Kontinentaldrift gibt. Es kann sich auch die Mehrheit irren. Außerdem ist Wissenschaft keine Demokratie, sondern basiert auf wissenschaftlichen Fakten und nicht auf Mehrheitsverhältnissen. – Ja, ja. Herr Präsident, wissen Sie, dass ich acht Minuten Redezeit habe und nicht nur fünf? Die Uhr ist schon ziemlich abgelaufen, aber es ist egal. – Okay. Die hysterischen Zwischenrufe in der letzten Woche, als ich ausführte, dass jährlich Hunderttausende Greifvögel und Fledermäuse Ihren so geliebten Windkraftanlagen zum Opfer fallen, haben eindeutig gezeigt, dass die Grünen mit Tierschutz nichts am Hut haben. Das ist symptomatisch für den Großteil der Grünen. Sie sind ideologiegetrieben, und da haben ehrlicher Natur- und Umweltschutz keinen Platz. Eigentlich ein Verrat an allen Menschen, die Sie wählen, weil sie wirklich ein grünes Herz haben. Sie aber verstecken sich unter Ihrem grünen Mäntelchen und sind darunter tiefrot. Unter diesem grünen Mäntelchen haben sich in der Geschichte Ihrer Partei Pädophile, Inzestverharmloser, Kommunisten, Maoisten und bis zum heutigen Tag Deutschlandhasser und Deutschlandabschaffer versteckt. Die Linken und ihre Antifa tragen ihren Deutschlandhass wenigstens offen vor sich her. Sie verstecken sich hinter der fast täglichen Postulierung von neuen Katastrophen: Waldsterben, Insektensterben, Untergang der ganzen Welt durch die vermeintlich menschengemachte Klimakatastrophe. Sie sollen ablenken von Ihrem eigentlichen Ziel: die Abschaffung des Nationalstaates Deutschland. – Dass die SPD mitmarschiert, ist klar. Sie haben in Ihrer Geschichte Deutschland nicht nur einmal verraten. Die FDP heißt nicht umsonst im Sprachgebrauch außerhalb dieses Hauses Steigbügelhalterpartei, weil sie sich seit Jahrzehnten jeder Partei anbiedert, um auch ein Stück vom Kuchen abzubekommen. Aber dass die CDU mit diesen Ideologen in das parlamentarische Bettchen steigt, ist ein Zeichen dafür, dass die Zeiten von Adenauer, Strauß und Kohl endgültig vorbei sind. Ich weiß, dass es in der CDU einige Kollegen gibt, die sich ihren gesunden Menschenverstand bewahrt haben, in der FDP auch. Ich kenne einige von ihnen. Aber ich spreche hier die Kollegen der CDU explizit an. Sie wissen, dass diese Bundesregierung falsch liegt. Sie haben einfach zu viel Platz im Schritt, um gegen diesen ideologischen Irrsinn offen zu opponieren. Seit Merkels Machtübernahme in der CDU wird diese geflutet von roten und grünen Systemlingen, die die noch verbliebenen konservativen Werte, die Sie einmal ausgemacht haben, von innen wie ein Krebsgeschwür auffressen. Die letzte verbliebene konservative Partei ist die AfD. In dieser versammeln sich aufrechte Patrioten, die ihre Heimat wirklich lieben und schützen. Ich schließe mit den Zeilen eines Kinderliedes: Und wir lieben die Heimat, die schöne, und wir schützen sie, weil sie dem Volke gehört, weil sie unserem Volke gehört. Vielen Dank. Herr Kollege Hilse, unter der Voraussetzung, dass die Uhr wirklich geht – davon gehe ich aus –, haben Sie exakt acht Minuten gesprochen plus Beantwortung der Zwischenfrage. Wir sind sehr sorgsam bei der Überwachung der Zeitnahme. Es ist wie beim Fußball. – Ich habe den Zwischenruf leider nicht verstanden, aber es war wahrscheinlich nicht so wichtig. Liebe Kolleginnen und Kollegen, als Nächste spricht zu uns die Bundesministerin Svenja Schulze. Entschuldigung, Frau Ministerin, Sie müssen einen ganz kleinen Moment Geduld haben. Sie können auf dem Stuhl der Kanzlerin Platz nehmen, wenn ich einmal diesen Vorschlag machen darf. Der Kollege Ralph Lenkert hat um eine Kurzintervention gebeten, weil er sich persönlich angegriffen fühlt durch den Beitrag des Kollegen Hilse.
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Rudolf Henke CDU/CSU
Rudolf
Henke
CDU/CSU
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Von 1995 bis 2009 war ich Mitglied des Landtags von Nordrhein-Westfalen. Die Rede, die wir gerade gehört haben, hätte ich damals in der Zeit der Schröder/Fischer-Regierung auch halten können. Manche von uns haben sie auch damals im Landtag von Nordrhein-Westfalen gehalten, als wir in der Opposition waren und mit dem Verweis auf Bonn bzw. Berlin gesagt haben: Es ist unerträglich, wie schlecht die Ausstattung von allem ist, weil der Finanzminister des Bundes nicht genügend Geld gibt. Aber, verehrte Frau Kollegin, ich finde, so eine Rede dürfen Sie im Deutschen Bundestag nicht halten, und heute schon gar nicht; denn die Länder, finanziell jedenfalls, sind durch die Politik der vergangenen Koalitionsregierungen stärker geworden als der Bund. Der Bund ist durch deren permanente erfolgreiche Einwerbung von Mitteln aus dem Bundeshaushalt für viele, viele Zwecke in eine Belastungssituation geraten; jedenfalls ist nicht jeden Tag Wunschkonzert. Ich finde, Sie machen es sich ein klein bisschen zu einfach, wenn Sie von der grundsätzlichen Aufteilung der Aufgaben ablenken. Bildungspolitik ist nach dem Grundgesetz nun mal Sache der Länder; sie ist das Privileg der Länder. Die Länder halten sich den Bund, dem sie Aufgaben übertragen, und die anderen Aufgaben erfüllen sie selbst. Sie machen es sich zu einfach, wenn Sie sagen: Wir nehmen einfach die Länder aus der Verantwortung heraus. Ich will mich bei Ihnen von den Linken trotzdem für eines bedanken. Sie schreiben in Ihrem Antrag „Unterstützung für Schulen in der Pandemie“, den wir demnächst beraten werden – es geht in dieser Drucksache um die gleiche Thematik wie in dieser Aktuellen Stunde –: Die von der Bundesregierung ergriffenen Maßnahmen, um die Pandemie einzudämmen und damit das Leben vieler Menschen zu schützen und alle Beschäftigten im Medizin- und Pflegesektor nicht zu überfordern, sind im Grundsatz notwendig und richtig – – danke dafür – aber nicht ausreichend. Ja, welche Opposition bezeichnet die Maßnahmen der Regierung schon als ausreichend? Das verlange ich nicht, und das erwarte ich auch nicht. Aber ich sage, weil das in dieser Ausführlichkeit noch gar nicht hier vorgetragen worden ist, Danke dafür, dass wir uns in der Frage des Fortbestehens der epidemischen Lage von nationaler Tragweite wieder angenähert haben. Bei der gestrigen Entscheidung gab es 422 Jastimmen und 134 Enthaltungen bei der FDP und bei den Linken. Das nehme ich als ein Zeichen des gemeinsamen Sorgens. Ich glaube, dass wir die Maßnahmen, die wir jetzt getroffen haben, optimistisch beurteilen können; denn wir erleben in der Tat ein Abfedern der exponentiellen Dynamik. Die Notbremse zeigt also Wirkung, und sie zeigt ihre Berechtigung. Die Vereinbarung der Regierungschefinnen und ‑chefs hatte eine klare Botschaft: Schulen und Kindergärten bleiben offen, die Länder entscheiden über die erforderlichen Schutzmaßnahmen. Ich sage an dieser Stelle: Ich will, dass das möglich bleibt, aber Sie haben recht, wenn Sie darauf aufmerksam machen, dass in den Schulen das Infektionsrisiko nicht gleich null ist und dass es natürlich auch durch Schülerinnen und Schüler zu einem Eintrag von Infektionen in ihre Familien kommen kann, und zwar auch in solche Familien, in denen möglicherweise Hochrisikopersonen leben. Deswegen bedarf die Frage, wie wir das Infektionsrisiko zurückdrängen können, in der Tat intensiver Beachtung. Ich bin Ihnen dankbar, wenn Sie auf die Präventionsmaßnahmen in Schulen während der Covid-19-Pandemie aufmerksam machen, die das Robert-Koch-Institut vorgelegt hat. Diese Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts für Schulen erkenne ich in den Anträgen auch teilweise wieder. An die FDP habe ich eine Frage. Sie sagen, das von den Schulen ausgehende epidemiologische Risiko sei winzig, eigentlich seien die Schulen keine Virenschleudern; so hat es einer Ihrer Landesminister vor ein paar Tagen im Gespräch mit einem Journalisten formuliert. Aber wenn das der Fall ist, dann frage ich mich natürlich schon: Aus welchem Grund sollen wir dann alle Schulräume mit Lüftungsfiltern ausstatten? Ich habe mir im Sommer von Firmen Lüftungsfilter für mein Büro vorstellen lassen. Für Räume mit einer Größe von 10 mal 10 Quadratmetern oder 10 mal 8 Quadratmetern wurden Preise von bis zu 90 000 Euro aufgerufen. Sie sagen, man kann kleine Geräte zum Preis von 300 bis 500 Euro in den Ecken aufstellen. Kollege Henke, das ist hochspannend, aber die Frage müssen Sie mit der FDP an anderer Stelle klären und jetzt einen Punkt setzen. Ja. – Ich erinnere nur noch an den Hinweis von Staatssekretär Bareiß von gestern: Im Rahmen des Förderprogramms des Wirtschaftsministeriums kann man über den Einsatz von mobilen Luftfiltern reden, wenn ein entsprechender Beleg für ihre Wirksamkeit vorliegt. So. Aber dazu müsste das Infektionsgeschehen in den Schulen ein anderes als von Ihnen behauptet sein. Ich denke, über die Anträge können wir dann noch mal beraten. Herr Henke, bei der nächsten Aufforderung muss ich den Knopf hier bedienen. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und für Ihre Großzügigkeit. – Jetzt darf ich nicht vergessen, die Maske wieder aufzusetzen, – Das ist richtig. – sonst kriege ich den nächsten Tadel. Herzlichen Dank. Für die SPD-Fraktion hat nun die Kollegin Marja-Liisa Völlers das Wort.
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Kirsten Lühmann SPD
Kirsten
Lühmann
SPD
Für die Realisierung unserer Verkehrsinfrastrukturvorhaben muss sich eine Planungs- und Beteiligungskultur etablieren, die sich auf allen Seiten durch ein offenes und vor allem lösungsorientiertes Miteinander auszeichnet. Vorbehalte betroffener Bürgerinnen und Bürger müssen ernst genommen werden. Zugleich lohnt es sich im Sinne der Projektoptimierung, den vor Ort artikulierten Sachverstand zu nutzen. Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das steht im Vorwort des „Handbuches für eine gute Bürgerbeteiligung“, und das gibt es bereits seit 2014 – ein hervorragendes Werk; ich empfehle es jedem und jeder zur Lektüre. Aber was ist das Problem? Es wurde hier schon angesprochen: Die Anwendung dieses Handbuches ist nicht verpflichtend. Warum wird es so selten angewandt? Zum einen kostet gute Bürgerbeteiligung Geld. Zum anderen glauben immer noch viele Planer und Planerinnen, gute Bürgerbeteiligung koste zu viel Zeit. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist ein gravierender Fehler. Wir brauchen, um unsere Klimaschutzziele zu erreichen, einen verstärkten Ausbau von Bahn und Wasserstraßen. Wir haben in diesem Haus für alle Verkehrsträger, aber insbesondere für diese beiden sehr viel Geld zur Verfügung gestellt. Ich glaube, dass die Menschen in diesem Lande von uns nicht nur erwarten, dass wir das Geld zur Verfügung stellen, sondern auch, dass wir dafür sorgen, dass damit die dringend benötigte Infrastruktur auch gebaut werden kann. Aber jede Baumaßnahme belastet die Anwohnenden durch Lärm, durch Erschütterungen, durch Flächenverbrauch. Natürlich: Wer davon betroffen ist, wird sich auch mit einer Klage zur Wehr setzen. Unsere Idee ist jetzt: Wenn wir diese vorgezogene Bürgerbeteiligung machen und die ganzen Bedenken jetzt schon im Vorfeld aufnehmen, dann wird es später, bei den Erörterungsterminen, weniger Probleme geben. Das heißt, wir können schneller bauen und nicht langsamer. Aber die Frage ist: Was ist gute Bürgerbeteiligung? Gute Bürgerbeteiligung ist nicht das, was ich eben gehört habe; es geht nicht um die Frage, ob wir bauen oder nicht. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Ob haben wir im Bundesverkehrswegeplan geklärt. Das ist erledigt. Gute Bürgerbeteiligung heißt aber, dass man sich über das Wie Gedanken macht, und zwar nicht so, dass einem die Varianten eins und zwei hingeschmissen werden, und dann kann man wählen, und das war’s. Gute Bürgerbeteiligung heißt vielmehr: Die Menschen werden von Anfang an bei der Entwicklung dieser Varianten einbezogen. Das wollen wir mit diesem Gesetz realisieren. Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Keul? Ja. Vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Frau Kollegin, Sie haben ja jetzt noch mal betont, wie wichtig Bürgerbeteiligung, Vertrauen und Akzeptanz sind. Das teile ich alles. Aber wieso meinen Sie, dass die Menschen, zum Beispiel auch in dem Gebiet zwischen Hannover und Bielefeld, jetzt mehr Vertrauen in die Bürgerbeteiligung haben sollten, wenn man ihnen von vornherein klarmacht, dass sie keine Klage mehr gegen einen Verwaltungsakt erheben können, und man ihnen den Rechtsweg abschneidet, indem jetzt der Bundestag anstelle einer Planungsfeststellungsbehörde entscheidet, was jedoch überhaupt nicht unsere Aufgabe ist und was die Experten überwiegend als verfassungswidrig bezeichnet haben? Warum soll ausgerechnet dieses Gesetz das Vertrauen der Bürger in die Prozesse erhöhen? Herzlichen Dank für die Frage. – Ich glaube, wir können das Vertrauen gerade dieser, aber auch anderer Bürgerinnen und Bürger dadurch erlangen, dass wir ihnen sagen, was in diesem Gesetz wirklich steht. In diesem Gesetz steht nicht, dass wir die Bürgerbeteiligung beim möglichen Bau einer neuen Bahnstrecke Hannover–Bielefeld mit einem Maßnahmengesetz dieses Bundestages beenden werden; das steht da ausdrücklich nicht. – Nein, das steht da nicht. Da steht etwas drin, was für die Bürgerbeteiligung sehr von Vorteil sein wird, insbesondere bei dieser Strecke, nämlich dass eine frühzeitige Bürgerbeteiligung verpflichtend ist, also nicht eine nette Geste der Bahn oder von uns. Die Bürgerinnen und Bürger haben also ein Recht darauf. Sie haben auch ein Recht auf eine bestimmte Qualität der Bürgerbeteiligung. Das haben wir ja gerade in unserem Änderungsantrag festgeschrieben. Auch dass diese Bürgerbeteiligung zusätzlich ist, es also eine weitere Bürgerbeteiligung in dem normalen, anschließenden Planfeststellungsverfahren gibt, haben wir im Änderungsantrag festgeschrieben. Das heißt, wir weiten Bürgerbeteiligung aus; wir schränken sie nicht ein. Und Sie haben recht: Am Ende dieses Planungsverfahrens steht nicht automatisch das Maßnahmengesetz im Bundestag – Sie haben ja die verfassungsrechtlichen Bedenken angesprochen –, sondern dann muss abgewogen werden, auch für das Projekt Hannover–Bielefeld: Kann man ein Maßnahmengesetz machen? Sind die Vorteile der Beschleunigung dieser Maßnahmen so groß, dass die Nachteile, die Sie angesprochen haben – dass man nur noch einen Klageweg hat –, dadurch aufgehoben werden? Das ist ein Abwägungsprozess, den uns das Verfassungsgericht aufgegeben hat. Der wird auch bei Hannover–Bielefeld zwingend sein. Bei diesem Verfahren kann durchaus herauskommen, dass man sagt: Nein, mit einem Planfeststellungsverfahren geht es genauso schnell. – Dann übrigens ist das Maßnahmengesetz verboten. Dann können wir nicht sagen: Wir wollen das, das ist hübscher. – Dann dürfen wir es nicht, und dann wird es auch nicht kommen. Ich glaube, wenn wir den Menschen klarmachen, dass dieses Maßnahmengesetz für Hannover–Bielefeld nur kommt, wenn alle Bedingungen des Verfassungsgerichtsurteils erfüllt sind – das heißt, wenn der Vorteil für die Allgemeinheit den Nachteil, dass man nur einen Klageweg hat, überwiegt –, dann wird es kommen. Der Vorteil dabei ist, dass sie eine bessere Bürgerbeteiligung haben. Ich glaube, dann können wir das – wie Sie zu Recht ansprechen: verlorengegangene – Vertrauen wiedergewinnen. Jetzt habe ich schon viel dazu gesagt, wie das Verfahren laufen wird. Es wird nicht nur bei Hannover–Bielefeld so laufen, sondern es wird bei allen Verfahren so laufen. Das heißt, zusammenfassend kann ich feststellen: Wir haben erstens nicht weniger Bürgerbeteiligung, sondern wir haben mehr Bürgerbeteiligung. Das legen wir mit unserem Änderungsantrag noch mal fest. Das Zweite ist: Nicht alle diese 14 Projekte, die jetzt auf der Liste stehen, werden mit einem Maßnahmengesetz beendet werden – davon bin ich fest überzeugt –, sondern nur wenige: die, die geeignet sind. Das Dritte ist aber: Für alle diese 14 Projekte wird es einen sofortigen Einstieg in die vorgezogene Bürgerbeteiligung geben. Wir haben aus dem Ministerium gehört, dass das gemacht wird. Das heißt, für diese 14 Projekte gibt es nicht nur eine bessere Bürgerbeteiligung, sondern auch eine Beschleunigung des Verfahrens. Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen, ich glaube, die Menschen in diesem Land erwarten von uns, dass wir uns kümmern, damit wir einen schnelleren Ausbau von klimaneutralen Verkehrswegen haben, dass wir neue Verfahren testen, dass wir Erfahrungen sammeln und dass wir beim Verfahren Verbesserungen vornehmen. In diesem Sinne rufe ich Sie auf: Lassen Sie uns gemeinsam aktiv werden, im Sinne der Menschen, im Sinne der Mobilität und im Sinne des Klimaschutzes! Herzlichen Dank. Vielen Dank. – Der nächste Redner: für die FDP-Fraktion der Kollege Oliver Luksic.
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Dr.
Dr. Christian Wirth AfD
Christian
Wirth
AfD
Frau Präsidentin! Werte Kollegen! Ein so weitreichender Eingriff in die Grundrechte, wie es der Ausschluss vom Wahlrecht ist, muss gut begründet sein. Das heißt nicht, dass es keine Gründe geben kann. Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil schließlich klargestellt, dass es durchaus gerechtfertigt sein kann, das Wahlrecht einzuschränken, wenn die Möglichkeit der Teilnahme am Kommunikationsprozess zwischen Volk und Staatsorganen nicht in hinreichendem Maße besteht. Genauso wie wir die Sorge über unrechtmäßigen Wahlausschluss und mangelnde Teilhabe am Wahlrecht ernst zu nehmen haben, so haben wir auch die Sorge über mögliche Einflussnahmen und Manipulationen ernst zu nehmen. Dabei geht es bei letzterem Bedenken gar nicht so sehr um die betroffenen rund 80 000 vom Wahlrecht ausgeschlossenen Deutschen. Vielmehr handelt es sich um einen Verdacht gegen die Menschen, die sich teils beruflich, teils ehrenamtlich, teils aus der Familie heraus tagtäglich in den Dienst hilfsbedürftiger Menschen stellen. Es gibt keinen Grund, von ihnen weniger Ehrlichkeit zu erwarten als von all den Helfern, die bereits jetzt in der Bundeswahlordnung vorgesehen sind, um zum Beispiel Blinde oder anderweitig körperlich eingeschränkte Wähler beim eigentlichen Wahlvorgang zu unterstützen. Uns sind keine Fälle bekannt, in denen diese Position missbraucht wurde. Es erscheint auch mehr als fraglich, ob es die beste Strategie ist, eine Wahl zu manipulieren, indem man jahrelang als Betreuer fungiert, um dann eine einzelne Stimme zu verfälschen. Nein, es geht um die Teilnahme an unserer Demokratie, und Demokratie beruht auf dem Gedanken, dass der Mensch an sich nicht böse ist, nicht manipulieren will, nicht unehrlich ist. Die Erfahrung aus den Bundesländern, in denen bereits jetzt auch für in allen Angelegenheiten Betreute das Wahlrecht gilt, zeigt, dass es funktioniert. Das sollte uns ermutigen, auch auf Bundesebene den richtigen Schritt zu tun. Nicht nur wird es den neuen Wählern mehr Teilhabe ermöglichen, es wird auch unsere Demokratie bereichern; denn in Zukunft müssen wir alle hier in diesem Hohen Haus auch um diese Stimmen werben. Der grundsätzliche und pauschale Ausschluss von Menschen aufgrund ihrer Betreuungssituation geht, abgewogen gegen das Gebot der Gleichbehandlung, einen Schritt zu weit. Das hat uns auch das Bundesverfassungsgericht klar vorgegeben. Auch die UN hat über die Behindertenrechtskonvention enge Grenzen für den deutschen Gesetzgeber gesetzt. Aber wir sollten dieser Ausdehnung des Wahlrechts oder, besser gesagt, der Abschaffung der Einschränkung des Wahlrechts hier nicht nur zustimmen, weil es uns Gerichte oder die UN vorgeben. Es ist eine Anerkennung der Menschenwürde, ein notwendiger Schritt des jahrzehntelangen Abschüttelns unserer alten Vorurteile gegenüber behinderten Menschen. Als wir im März dieses Jahres zuletzt über das Thema Wahlrecht gesprochen haben, haben wir hier im Plenum gesagt, dass wir der Wiederherstellung des Wahlrechts für die betroffenen Menschen nicht im Wege stehen werden. Im Wege standen zu diesem Zeitpunkt allerdings die gerechtfertigten Bedenken gegen eine Änderung des Europawahlrechts so kurz vor der Stimmabgabe. Die mögliche Torpedierung der bereits aufgestellten Wahllisten für die Europawahl wäre wohl weder im Sinne der Betroffenen noch derjenigen, die den Gesetzentwurf vom heutigen Tage eingebracht haben. Ich habe, ehrlich gesagt, nicht so ganz geglaubt, dass Sie den hastig versprochenen eigenen Gesetzentwurf tatsächlich so schnell vorlegen würden. Das ist immerhin mal etwas Positives aus Ihren Reihen; das muss man dann auch mal anerkennen. Wir werden dem Gesetzenwurf zustimmen. Aber noch ein Wort zur SPD. Wenn Ihr Abgeordneter Röspel glaubt, uns heute Morgen populistisch vorwerfen zu müssen, wir wären im Umgang mit Behinderten scheinheilig, dann muss ich sagen: Es steht auch einer sterbenden Partei wie der SPD nicht zu, Behinderte politisch zu instrumentalisieren. Das ist scheinheilig, selbstgerecht und letztendlich auch schäbig. Vielen Dank. Danke schön, Dr. Wirth. – Nächster Redner ist der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Jürgen Dusel.
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Alois Rainer CDU/CSU
Alois
Rainer
CDU/CSU
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich zu Beginn einmal klarstellen, dass wir in Deutschland im weltweiten Vergleich die sichersten, die am besten kontrollierten und auch die besten Lebensmittel haben. Darüber hinaus haben wir die besten Kontrolleure sowie die besten und mitunter strengsten Vorschriften. Ich bin überzeugter Lebensmittelhandwerker und Lebensmittelunternehmer. Ich habe vier Jahre die Änderung des LFGB begleitet; deshalb freue ich mich, dass ich heute darüber sprechen darf. Ich habe hier einige Dinge gehört: Ja, es ist richtig: Das Bundesverfassungsgericht hat geurteilt, man solle die Löschfrist festlegen. Das steht jetzt im Raum. Sie wird auf sechs Monate festgelegt. Man kann darüber diskutieren, ob das zu kurz oder zu lang ist. Für mich persönlich ist es zu lang; denn wer einmal im Internet steht, steht immer im Netz. Also, so leicht geht das nicht raus. Lassen Sie mich eines mal erklären: Ich stehe als Lebensmittelunternehmer Rainer – ich nehme jetzt exemplarisch für viele andere meinen Namen, damit ich keinen anderen verwenden muss – im Netz, nicht weil ich einen gesundheitsrelevanten Fehler gemacht habe, sondern einen Bürokratiefehler. In Sachsen gibt es einen Bußgeldkatalog für so etwas. Da steht zum Beispiel, dass man bei der Nichtmeldung einer Schlachtung, was in der Hektik vor Weihnachten durchaus passieren kann, 500 Euro Bußgeld zahlen muss. Das steht dann auch im Netz mit dem jeweiligen Namen. Ein Großunternehmer, der ebenfalls einen Schaden in der Bürokratie verursacht hat, der aber ein No-Name-­Produkt einer großen Handelskette herstellt, steht ebenfalls im Netz. Wer, glauben Sie, hat am Ende der Tage einen Schaden? Der kleine Lebensmittelunternehmer, der mit seinem Namen wirbt, hat den Schaden, obwohl er eigentlich „nur“ einen bürokratischen Fehler gemacht hat. Deshalb bitte ich darum, dass wir in der Zeit, in der über dieses Gesetz noch verhandelt wird, miteinander reden, damit wir eventuell gesundheitsrelevante Aspekte in diese 350 Euro einbeziehen. Dann wäre ich damit einverstanden. Wenn es dann noch bürokratische Hemmnisse gäbe, dann müsste man diese Schwelle erheblich erhöhen; denn es soll zu nicht unerheblichen Verstößen gekommen sein. Jetzt stelle ich die Frage in den Raum: Bei einem Bußgeldrahmen bis 50 000 Euro, sind da 350 Euro Bußgeld nicht unerheblich? Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin absolut dafür – dazu stehe ich auch mit meiner Ehre als Lebensmittelunternehmer –, dass diejenigen, die nicht ordentlich wirtschaften, die die Gesundheit der Menschen aufs Spiel setzen, bestraft werden und dass deren Name auch genannt wird; aber es muss noch verhältnismäßig bleiben. Man muss den Großen, der einen Lebensmittelskandal verursacht hat, schon wesentlich stärker – ich sage es mal auf Bayerisch – „auf die Schultern klopfen“ – nicht auf den Kopf hauen; das will ich nicht – als einen, der einmal ein kleines bürokratisches Missverständnis erzeugt hat. Deshalb bitte ich darum, dass die Koalition noch mal in sich geht, sich Gedanken darüber macht. – Das ist durch die Regierung gegangen. Aber Sie wissen genau, liebe Kollegin, dass in der Regel kein Gesetz aus diesem Haus so rausgeht, wie es hineingegangen ist. Mit dieser Hoffnung lebe ich, und deshalb mein eindringlicher Appell heute – ich wollte das nur klarstellen –, dass man sich darüber Gedanken macht, was das alles bedeutet. Man kann über den Datenschutz reflektieren, wenn etwas über einen im Netz steht. Man kann darüber reflektieren, was es bedeutet, wenn persönliche Daten im Netz stehen. Ich habe es eingangs gesagt: Mit der Löschung schaut es auch nicht so gut aus. Wenn man einmal im Netz ist, dann wird man im Netz bleiben. Lassen Sie mich abschließend noch eine Statistik des Bundesamts für Risikobewertung von Februar 2018 zitieren. Daraus geht hervor, dass 81 Prozent der Verbraucher die Sicherheit von Lebensmitteln im Allgemeinen als „sicher“ oder „eher sicher“ einstufen würden. Das ist eine gute Zahl; die muss man verbessern. Da bin ich dabei. Sehr geschätzte Kollegin Künast, ich finde es nicht gut und nicht schön, wenn Sie pauschal vom Rattenkot in Läden und in Küchen sprechen. Ich finde das unredlich. – Doch, natürlich. Schauen Sie im Protokoll nach. Sie, Frau Künast, haben das in Ihrer Rede heute so gesagt. Ich nehme diese Lebensmittelunternehmer in Schutz. Eine pauschale Verurteilung finde ich einfach nicht gut; ich habe es bereits gesagt. Abschließend sage ich Ihnen: Wir brauchen eine gute Balance zwischen Verbraucher und Wirtschaft und Handel und keine weiteren Einschränkungen, die den Bürokratie- und Kontrollwahn nur weiter verstärken. Ich freue mich auf die weiteren Verhandlungen. Danke schön. Zur Geschäftsordnung der Abgeordnete Braun.
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Michael Frieser CDU/CSU
Michael
Frieser
CDU/CSU
Vielen Dank. – Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Da hilft alles Schreien nichts: Das, was wir vorlegen, ist weltweit das am weitesten gehende Werk, das den Umgang mit Interessenvertretung gegenüber Parlament und Regierung regelt. Das finden Sie nirgendwo auf der Welt. Ich kann nur sagen: Tatsache ist, dass wir mit einem Satz angefangen haben, und der Satz lautete: Der Deutsche Bundestag führt ein Lobbyregister ein. – Die Vorlage jetzt umfasst neuneinhalb Seiten. Ich glaube, man kann mit Fug und Recht behaupten: Wir haben den gesamten Gesetzgebungsprozess vor allem hinsichtlich der Interdependenzen zwischen Regierung und Parlament abgebildet. Deshalb tut man sich an dieser Stelle sehr schwer, in irgendeiner Art und Weise großartig Kritik an dem Gesetzentwurf anzubringen. Wie groß muss die Angst der FDP vor Interessenvertretungen wie Gewerkschaften und Kirchen sein? Entschuldigen Sie bitte, aber diese Panik kann man nicht nachvollziehen. Es sind verfassungsrechtliche Gründe, die zu den Ausnahmen geführt haben. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, Kollegen, aber angesichts dessen, was die AfD heute vorgeschlagen hat – Sie wissen, dass ich ein Faible für Karl Kraus habe –, kann ich nur sagen: Es reicht anscheinend nicht aus, nichts zu sagen zu haben, man muss auch noch unfähig sein, es auszudrücken. Jedenfalls habe ich überhaupt nicht verstanden, was letztendlich der Ansatzpunkt ist. Wir wollen die Expertise. Wir wollen den Sachverstand. Wir wollen die Meinung der Bürgerinnen und Bürger. Wir wollen, dass die Menschen, die Verbände und auch die Unternehmen mit ihrer Expertise an diesem Prozess teilhaben. Das muss bis tief in jedes einzelne Ministerium gehen. Die politische Verantwortung für jeden Entwurf, der rausgeht, liegt beim Unterabteilungsleiter. Genau so weit sind wir auch gegangen. Genau das ist wirklich sinnvoll. An die Linksbündnis/Rot-Adresse appelliert: Sie wissen, was ein legislativer bzw. ein exekutiver Fußabdruck bedeutet? Das bedeutet, dass nicht nur bei jedem innerhalb der Fraktionen, sondern auch bei der gesamten Bundesregierung über alles, was dort passiert, ein Wortprotokoll erstellt werden muss, weil Sie sonst anschließend weder Begrifflichkeiten noch sonst irgendetwas nachvollziehen können. Lesbarer und besser vorbereitet wird die gesamte Art und Weise des Gesetzgebungsverfahrens dadurch nicht. Sie als Abgeordnete sind Ihrem Gewissen unterworfen. Sie sind Ihrer eigenen Expertise unterworfen. Am Ende des Tages hilft Ihnen die Information „Jetzt weiß ich genau, wo das herkommt“, kein Jota weiter. Sie müssen Entscheidungen selbst politisch verantworten. Ihr Vorschlag wäre ein Irrsinn an bürokratischer Verwaltung. Weil die Verzweiflung schon sehr groß sein muss, weil einem nichts Gutes mehr dazu einfällt, wie man beim vorgelegten Lobbyregister noch einen draufsatteln kann, hat sich Die Linke gedacht: Ein bisschen was geht immer, also schafft man einen Beauftragten für Lobbyismus. – Das führt allerdings zu mehr Bürokratie; aber okay, wir haben nichts anderes erwartet. Aber dann kommt man zu dem Ergebnis: Wenn dieser die Angaben prüft und am Ende des Tages sagt: „Das reicht mir nicht“, erhält er darüber die Befugnis, Grundstücke zu betreten, Räume zu durchsuchen, Vorlagepflichten ohne jegliche Form von richterlichem Vorbehalt durchzusetzen. Herr Straetmanns, bitte! Dass Die Linke ein etwas gespaltenes Verhältnis zum Rechtsstaat hat, das verstehe ich ja noch; das können wir nachvollziehen. Aber das geht nun wahrlich zu weit. Dass man an dieser Stelle die Expertise, das Einbringen von Sachverstand, die Meinung, die Haltung der Menschen in diesem Land auf diese Art und Weise herauszuhalten versucht, das schlägt dem Fass nun wirklich den Boden aus. Am Ende des Tages hat das überhaupt nichts mehr mit Transparenz zu tun. Vielen Dank. Vielen Dank, Herr Kollege Frieser. Sie hatten mich vorhin so erstaunt angeschaut. Zwischenrufe beleben die parlamentarische Debatte. Ich wollte Sie jetzt nicht rügen wegen der nicht aufgesetzten Maske – Sie waren von sich so begeistert, dass mir klar war, dass das – – – Ich bin immer noch begeistert. – Ich wollte Ihnen nur sagen: Zwischenrufe beleben die parlamentarische Debatte. Dass, wenn Leute Maske tragen und zwischenrufen, wir nichts verstehen, müssen die Kolleginnen und Kollegen mit sich selbst ausmachen. Ich habe gesehen, dass die Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen das Prinzip verstanden haben und dann, wenn Sie zwischenrufen, die Maske abnehmen, damit der Zwischenruf fürs Protokoll wahrnehmbar wird. Also auch hier ist Bündnis 90/Grüne vorne. Nächster Redner ist der Kollege Marco Bülow, fraktionsloser Abgeordneter.
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Linda Teuteberg FDP
Linda
Teuteberg
FDP
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Zukunftszentrum für Deutsche Einheit und Europäische Transformation – auch um dieses Projekt geht es in dieser Zeit. Die Kommission „30 Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit“ hat es vorgeschlagen. Die Koalition hält an diesem Vorhaben fest und will es jetzt umsetzen. Wir brauchen darüber eine gesamtdeutsche Debatte, auch im Lichte der aktuellen Herausforderungen. Es ist ein gesamtdeutsches, kein ostdeutsches Anliegen, dieses Zentrum zu verwirklichen und darüber zu sprechen, was es leisten kann und muss. Es gab gerade angesichts des Krieges, den Russland gegen die Ukraine führt, auch aktuelle Debattenbeiträge dazu, was dieses Zentrum leisten muss. Da war zum Teil die Rede von Bedenken, dass es zu einer nationalen Nabelschau kommen könnte, versus die gesamteuropäische und auch stärker nach Mittel- und Osteuropa gerichtete Perspektive. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist kein Entweder-oder. Wir brauchen beides. Wir brauchen die innere Einheit und den gemeinsamen antitotalitären Konsens gesamtdeutsch und gesamteuropäisch. Darum geht es auch bei diesem Zentrum. Denn auf die auch geschichtspolitische Kriegserklärung Putins muss eine auch geschichtspolitisch fundierte Verteidigung unserer liberalen Ordnung folgen. Dazu müssen wir uns auch mit der Geschichte vor 1989 beschäftigen, zum Beispiel mit dem Beitrag, den unsere polnischen Nachbarn für diesen Kampf um Selbstbestimmung, gegen Diktatur geleistet haben. Wenn wir uns übrigens mit den Fehleinschätzungen deutscher Außenpolitik in den letzten Jahren beschäftigen, dann lohnt es sich, auch mal Stellungnahmen bundesdeutscher Politiker Anfang der 80er-Jahre zu Solidarnosc und ihrer Rolle anzusehen. Wir haben viel aufzuarbeiten für eine gemeinsame europäische Zukunft. Die Worte von Donald Rumsfeld über das alte und neue Europa sollten uns zum Nachdenken anregen. Einen solchen Konsens, der uns geeint in Europa vorgehen lässt, brauchen wir. Dazu ist die praxisorientierte Auseinandersetzung mit unserer Geschichte – gesamtdeutsch und gesamteuropäisch –, die dieses Zentrum leisten soll, ein Beitrag. Wir müssen gemeinsam außen- und sicherheitspolitisch erwachsen werden. Wenn in den letzten Jahren – manchmal auch zu Wahlkampfzwecken – wichtige Themen wie das NATO‑2-Prozent-Ziel oder auch TTIP für ein bisschen schnellen Anti-Trump-Applaus instrumentalisiert wurden, dann gilt es jetzt auch zu sehen: Der gesinnungsethischen Klarheit und Rhetorik, gerade auch in den aktuellen Fragen – dass die Ukraine unterstützt wird, dass wir um die europäische Freiheit gemeinsam kämpfen –, muss auch das verantwortungsethische Handeln in der Praxis folgen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Abstimmungen über die angemessene Ausstattung unserer Bundeswehr bieten jedem und jeder von uns Gelegenheit, zu zeigen, dass wir diese Botschaft verstanden haben und handeln. Vielen Dank. Das Wort hat der Kollege Sepp Müller für die CDU/CSU-Fraktion.
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Doris Barnett SPD
Doris
Barnett
SPD
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, die AfD thematisiert; allerdings thematisiert sie auch ihre Ahnungslosigkeit. Denn was wir hier vorgelegt haben, ist ein guter Haushalt für das Auswärtige Amt. Er umfasst 5,82 Milliarden Euro und damit genau 1,65 Prozent des gesamten Bundeshaushalts. Er ist also der drittkleinste Haushalt, aber dafür sehr effizient. Es mag ja sein, dass der Bundesrechnungshof in der Tat das eine oder andere kritisiert. Allerdings möchte ich darauf hinweisen, dass sich die Krisen seit 2006 ein klein wenig vervielfacht haben und ein klein wenig mehr los ist in der Welt. Darauf müssen wir reagieren. Es kommt natürlich immer darauf an, wie man reagiert. Sie würden natürlich Grenzen schließen, Sie würden die Leute auch im Mittelmeer ersaufen lassen, Sie würden Mauern bauen, Sie würden vielleicht sogar Schießbefehle erlassen; das kann ja alles sein. Aber das ist nicht unser Weg. Wir gehen einen anderen, und deswegen bauen wir auch die humanitäre Hilfe in Zeiten der Krisen entsprechend aus. Das muss auch so sein. Wir verplempern das Geld auch nicht; dagegen möchte ich mich wirklich verwahren. Ich kann Ihnen nur raten: Statt zum Herrn Assad zu gehen, gehen Sie vielleicht einmal in ein Flüchtlingslager im Libanon, nach Zaatari, und gucken sich an, was da mit dem Geld passiert. Wir sind heilfroh, dass dort die UNO und ihre Unterorganisationen wirklich hervorragende Arbeit leisten und die Menschen grenznah, also heimatnah, unterbringen, sodass, wenn die Krise vorbei ist, diese Leute auch wieder nach Hause gehen können. Das ist auch Ziel unserer humanitären Hilfe. Allerdings flüchten die Leute trotzdem, und zwar dann, wenn es vor Ort nicht entsprechend zugeht. Deswegen – das ist ein ganz, ganz wichtiger Grund – müssen wir auch dafür sorgen, dass der UN-Migrationspakt angenommen wird. Er sorgt nämlich dafür, dass die Leute vor Ort menschenwürdig behandelt werden. Wenn sie nicht so behandelt werden, dann fliehen sie einfach weiter und suchen sich woanders Hilfe und eine Unterkunft. Wenn es zum Beispiel keine Toilettenanlagen gibt, wenn sie nicht medizinisch versorgt werden, wenn sie nicht genug zu essen haben, sollen sie dann einfach vor Ort verrecken? Ihrer Auffassung nach wohl. Das ist halt Ihre Lösung – Hauptsache, nicht in Deutschland! Ihre Auffassung kennen wir doch. Wissen Sie, was mich am allermeisten wundert? Sie sind ja massiv gegen Migration. Doch gucken Sie sich mal Ihre eigenen Reihen an! Das ist doch ein bunter Haufen von Migranten. Sie sind doch zum Teil mit Ausländern verheiratet oder haben ausländische Wurzeln. Was soll denn diese ganze Hetzerei? Im 21. Jahrhundert brauchen wir eine friedliche Welt, eine Welt, in der sich Menschen, die in Not sind, darauf verlassen können, dass man ihnen hilft. Deswegen haben wir auch die entsprechenden Mittel verstärkt, zum Beispiel, wenn es darum geht, den Flüchtlingen zu helfen. Es ist wahr: Wir haben die Mittel massiv aufgestockt. Aber es muss auch so sein; denn andere Länder ziehen sich geflissentlich zurück. Natürlich können wir die Welt nicht komplett versorgen; aber wir können helfen, und das tun wir. Wir brauchen auch für andere Sachen Verständnis und Vertrauen. Deswegen unterstützen wir die Arbeit des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge mit weiteren 1,8 Millionen Euro, also mit insgesamt 17,8 Millionen Euro. Wir helfen den Opfern der Colonia Dignidad mit 1 Million Euro. Allerdings frieren wir die Mittel ein, weil wir erst wissen wollen, für wen genau die Gelder gebraucht werden und wie hoch die Zahlungen sein sollen. Wir haben etwas Gutes gemacht – der Bundesminister hat es vorgestellt –, nämlich eine humanitäre Geste für die Opfer der Leningrad-Blockade; denn diejenigen, die noch leben, brauchen dringend medizinische Hilfe. Wir bauen auch ein deutsch-russisches Begegnungszentrum auf. Wir fördern weiterhin die Östliche Partnerschaft – sechs Länder plus Russland – mit weiteren 4 Millionen Euro, also jetzt mit 18 Millionen Euro. Lassen Sie mich da auch mal ein Beispiel nennen: Seit 2014 veranstalten wir mit der Robert Bosch Stiftung das Programm „Meet Up!“, bei dem sich deutsche und ukrainische Jugendliche begegnen, über Zusammenarbeit reden und Verständnis über Grenzen hinweg aufbauen. Mir persönlich ist es ein großes Anliegen, dass auch russische Jugendliche miteinbezogen werden. Wie wollen wir denn Wunden heilen, wenn sich die Betroffenen nie begegnen? Gerade die Jugend muss sich begegnen. Dort habe ich noch die größte Hoffnung, dass sie Verständnis füreinander aufbauen oder sich wenigstens menschlich begegnen, wodurch vielleicht auch kleine Freundschaften entstehen, die dann über Gräben hinweghelfen. Dass wir da seit 2014 über 4 000 Menschen zusammengebracht haben, ist ein großer Erfolg. Wir unterstützen die Benediktinerabtei Dormitio und das Wissenschaftszentrum der EKD auf dem Ölberg mit jeweils 1 Million Euro. Das sind zwei kirchliche Institutionen in Jerusalem, und da tun wir ein gutes Werk. Wir erhöhen die operativen Mittel für die Alexander von Humboldt-Stiftung und das Goethe-Institut um jeweils 5 Millionen Euro, und auch die Stipendien der AvH werden mit 2 Millionen Euro unterstützt. Wir fördern auch die internationale Museumskooperation mit 8 Millionen Euro. An dieser Stelle möchte ich mich bei den Berichterstattern – trotz aller Meinungsverschiedenheiten – bedanken. Das war eine vernünftige Zusammenarbeit. Ich möchte mich aber vor allem bei dem Bundesminister und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bedanken, die jederzeit für uns zur Verfügung standen und die alle Fragen, auch die des Bundesrechnungshofs, gut beantworten können. Sie müssen sie nur fragen. Die Unterlagen, die wir zur Verfügung haben, Frau Malsack-­Winkemann, sind sehr ausführlich, gerade, was die humanitären Hilfen anbelangt. Sie fragen ja auch immer nach und kennen sämtliche Details, sämtliche Organisationen, die da unterwegs sind. – Ich möchte einen ganz herzlichen Dank an die Mitarbeiter des Haushaltsreferats richten, die da gute Arbeit leisten. Zum Schluss. Uns Haushältern sind die Sicherheit unserer Mitarbeiter und die IT-Ausstattung in den Liegenschaften vor Ort wichtig. Deswegen haben wir uns dafür eingesetzt und es erreicht – vielen Dank, Alois! –, dass sie in den nächsten drei Jahren 28 Millionen Euro zusätzlich bekommen, um endlich ihre Häuser in Ordnung zu bringen. Für die Bewältigung der wachsenden Aufgaben braucht man Personal. Die Mittel für humanitäre Hilfe und zivile Krisenprävention wachsen an. Natürlich bekommt man mit dem Personal, das da ist – und auch nicht mit zusätzlichen 71 Mitarbeitern –, nicht 2 500 Prozent mehr Geld organisiert; das geht nur mit deutlich mehr Personal. Gott sei Dank konnten wir einen Aufwuchs von 271 Stellen für diesen Haushalt erreichen. Gestern sagte Herr Boehringer, wir – also die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen – wollten mit deutschem Geld die ganze Welt retten. – Ich habe es mir extra mitgeschrieben. – Nein, wir wollen nicht die ganze Welt retten, aber helfen, sie ein bisschen besser zu machen – in unserem eigenen Interesse. Helfen Sie mit! Vielen Dank.
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Peter Aumer CDU/CSU
Peter
Aumer
CDU/CSU
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Rentenversicherung steht vor großen Herausforderungen. Man kann sich das einfach machen, wie der Kollege Kleinwächter vorhin, und Schuldzuweisungen vornehmen, oder man kann sich die Fakten betrachten. Herr Kollege Kleinwächter, alleine wenn man sich das Verhältnis von Beitragszahlern zu Rentenempfängern ansieht, erkennt man: Im Jahr 2000 lag das bei drei zu eins. Im Jahr 2050 wird das Verhältnis „ein Beitragszahler zu einem Rentenempfänger“ sein. Dann können wir auf einer anderen Grundlage, als Sie das gerade getan haben, diskutieren. Wenn man sich dann auch noch die Bezugsdauer anschaut, stellt man fest, dass sich die vom Jahr 1960 bis heute fast verdoppelt. Darin liegt der Kern der Herausforderungen. Die AfD geht in ihrem Antrag keineswegs darauf ein. Ich merke bei vielen Gesprächen mit Bürgerinnen und Bürgern meines Wahlkreises, dass den Menschen bei der Rente drei Dinge wichtig sind: Erstens muss die Rente leistungsbezogen sein; das heißt, das Erwerbsleben muss sich widerspiegeln. Zweitens muss die Rente solidarisch sein; sie muss soziale Verwerfungen wie Altersarmut verhindern. Und drittens muss die Rente natürlich sicher sein, auf der Grundlage eines dauerhaft verlässlichen Generationenvertrags stehen. Um Altersarmut zu verhindern, müssen wir weiter denken, als die AfD das in ihrem Antrag getan hat. Weitsicht, sehr geehrter Herr Kollege Kleinwächter, ist in Ihrem Antrag nicht zu erkennen, und Einsicht bei den großen Herausforderungen der Rentenpolitik auch nicht. Wir müssen, meine sehr geehrten Damen und Herren, dafür sorgen, dass es durchgängige Erwerbsbiografien gibt, dass die Kindererziehungs- und Pflegezeiten von Angehörigen wertgeschätzt und angerechnet werden. Hier haben wir sehr viel erreicht bei der Mütterrente, bei der Steigerung der Erwerbsminderungsrente, aber auch bei der Versicherungspflicht für Minijobs. Außerdem, meine sehr geehrten Damen und Herren, muss natürlich gewährleistet werden – das ist der Kern einer sicheren und auskömmlichen Rente für die Menschen in unserem Land –, dass gute Löhne gezahlt werden. Die Coronakrise zeigt die vorausschauende Politik der Bundesregierung. Das Kurzarbeitergeld, das mittlerweile für mehr als 10 Millionen Beschäftigte beantragt wurde, verhindert Arbeitslosigkeit und Unterbrechungen der Erwerbsbiografie. Das sind gute Sozialpolitik und ein gutes Krisenmanagement. Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kollegen, mit dem Rentenpaket und dem Gesetzentwurf zur Einführung einer Grundrente, der morgen eingebracht wird, zeigen die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen Handlungsfähigkeit. Wir nehmen uns des Themas „Rente und Altersarmut“ ganzheitlich und zielgenau an. Den Antrag der AfD hätte es dazu nicht gebraucht; denn wir brauchen in diesem Haus Debatten über Anträge mit Substanz. Wenn dem Redner der AfD der Inhalt des Antrages nur zwei Sätze wert war, dann spricht das auch für den Antrag selbst. Gerade beim Thema Rente bedarf es der notwendigen Sachlichkeit und Vernunft, die das Wohl der aktuellen, aber auch der zukünftigen Rentenbezieher und Beitragszahler im Blick hat. Mit Ihrem Antrag, Kollegen der AfD, geben Sie keine Antworten darauf, wie Menschen grundsätzlich Alterseinkünfte oberhalb der Grundsicherung erzielen können. Sie geben keine Antworten darauf, wie die Leistungsgerechtigkeit und der soziale Ausgleich in der Rente bewerkstelligt werden können. Sie verschlechtern sogar die bestehende Rechtslage; denn Sie berücksichtigen den im Sozialgesetzbuch bereits enthaltenen Sockelfreibetrag nicht. – Danke schön, Herr Kollege Birkwald. Mit Ihrem Antrag werden gerade Rentnerinnen und Rentner mit geringen zusätzlichen Vorsorgeansprüchen schlechter gestellt, als das bisher der Fall ist. Mit Ihrem Antrag gehen Sie auch nicht mit der Zeit. Sie haben offenkundig den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Grundrente nicht zur Kenntnis genommen. Darin verbessern wir die Freibeträge für Menschen, die langjährig geringe Beitragszahlungen geleistet haben, weit über das hinaus, Herr Kollege Kleinwächter, was Sie in Ihrem Antrag fordern. Das sollte Ihnen zu denken geben. Mit Ihrem Antrag, meine sehr geehrten Damen und Herren, wird Altersarmut nicht wirkungsvoll bekämpft. Langjährige Beitragszeiten werden sogar bestraft. Sie kommen damit weder dem Leistungsgedanken noch dem Solidaritätsprinzip in der Rente nach. Mit diesem Antrag beweist die AfD, dass sie weder die Gründe für Altersarmut noch die Rahmenbedingungen, denen sich unser Rentensystem stellen muss, erkannt hat. Deswegen lehnen wir Ihren Antrag ab. Das war der letzte Redner. – Ich schließe die Aussprache.
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Oliver Krischer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Oliver
Krischer
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Präsenz der FDP-Fraktion beim eigenen Antrag ist ja überschaubar, und offensichtlich ist es manchen Kollegen auch peinlich, was Sie da vorlegen. Deshalb hat man lieber schon einmal die Flucht ins Wochenende angetreten. Denn das, was Sie hier vorlegen – das haben die Kollegen Gremmels und Lenkert gerade schon sehr deutlich gemacht –, ist echt eine peinliche Nummer. Es ist doch zum Totlachen, dass ausgerechnet die FDP – man muss ja nur einen Tagesordnungspunkt zurückgehen – immer nur dann, wenn es um Windkraft geht, Natur- und Artenschutz entdeckt und bei allen anderen Themen auf der exakt gegenteiligen Seite steht. Meine Damen und Herren von der FDP, dass Sie sich auch noch trauen, das hier als Antrag vorzulegen, ist echt peinlich. Ich weiß ja, dass es bei Ihnen vernünftige Leute gibt, und ich hoffe, dass vielleicht der eine oder andere mal darüber nachdenkt, wie Sie sich hier positionieren. Denn das Bild Ihrer Partei – auch das muss man an der Stelle sagen – wird noch von Leuten wie einem Herrn Minister Sander aus Niedersachsen geprägt, der im Jahr 2007 höchstpersönlich mit der Kettensäge in ein FFH-Gebiet gegangen ist und dort Bäume umgesägt hat. So viel zum Thema FDP und Schutz des Waldes, meine Damen und Herren. Das gehört ein Stück weit zur Wahrheit dazu. Und, ehrlich gesagt, wenn ich hier höre, dass Sie plötzlich Ihr Herz für die Greifvögel entdecken, als Hobbyornithologe – es gibt noch einen Kollegen, der sich da gut auskennt –, dann freut mich das zwar. Aber, ehrlich gesagt, bevor Sie sich mit der Windkraft beschäftigt haben, haben Sie den Rotmilan doch für einen serbischen Freiheitskämpfer gehalten und nicht für eine Vogelart, die in Deutschland brütet, meine Damen und Herren. Ich sage Ihnen jetzt eines: Wenn Sie etwas für den Schutz der Greifvögel tun wollten – den Anspruch erheben Sie in Ihrem Antrag –, dann würden Sie in Deutschland ein Tempolimit auf Autobahnen fordern. Das ist nämlich die hauptsächliche Todesursache für Greifvögel. Ich glaube, der Grund, warum Sie diesen Antrag vorlegen, ist, dass Sie im Bereich Umweltenergie und Klima einfach überhaupt nichts in der Pfanne haben. Bei all Ihrem Gequatsche – Digital First und was wir noch alles gehört haben – ist nämlich die Wahrheit, dass Sie im fossilen Zeitalter stecken geblieben sind, und zwar nicht einmal im 20., sondern teilweise sogar im 19. Jahrhundert. Das lässt sich im Moment in Nordrhein-Westfalen besichtigen, wo Ihre Partei in Regierungsverantwortung nicht 1 Hektar, sondern 4 000 Hektar Wald zerstört. Und das ist kein Wirtschaftswald, sondern das ist ein naturnaher erhaltungswürdiger Wald, worüber Sie zynisch hinweggehen und behaupten, es sei für die Braunkohlenutzung notwendig, das zu zerstören. Sie können den Menschen nicht erklären, dass wir hier das Klimaabkommen ratifizieren und gleichzeitig über den Kohleausstieg reden, an dem die Große Koalition arbeitet, während man dort den Wald zerstört und weiter abholzt. Das können Sie an der Stelle niemandem erklären. – Die Zwischenfrage habe ich erwartet. Darauf freue ich mich jetzt, Herr Präsident. Dann ist es recht. Vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Wenn dem so ist, warum haben Sie dann, nachdem das Klimaschutzabkommen 2016 ratifiziert wurde, im Landtag von NRW zugestimmt, dass der Landesentwicklungsplan beschlossen wurde, in dem stand, dass der Hambacher Forst gerodet werden darf? Herr Kollege, ich danke Ihnen für die Frage, und ich freue mich, dass ich hier darauf hinweisen kann, dass Bündnis 90/Die Grünen als einzige Partei im nordrhein-westfälischen Landtag dafür gesorgt hat, dass 1 400 Menschen nicht aus ihrer Heimat vertrieben werden – gegen den expliziten Willen Ihrer Partei, gegen den expliziten Willen der SPD, auch gegen expliziten Willen der CDU – und dass wir das an der Stelle durchgekämpft haben. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Wenn Sie mir vorwerfen, dass ich mich nicht gegen Ihre Parteien und Sie durchsetzen konnte, die den Hambacher Wald zerstören können, dann ziehe ich mir den Schuh ganz ehrlich an. Aber ich sage Ihnen: Dass Sie jetzt hier in Berlin über den Kohleausstieg verhandeln und dort zulassen, dass auf dem Rücken von Tausenden von Polizisten Fakten geschaffen werden, können Sie den Menschen nicht erklären, und das fliegt Ihnen im Moment gerade gesellschaftlich um die Ohren. Da haben Sie eine Verantwortung, und vor der drücken Sie sich, indem Sie hier solche peinlichen Anträge stellen und Ihren Ministerpräsidenten so herumlaufen lassen. Das einzige, was Ihnen da einfällt, ist, gegen Bündnis 90/Die Grünen zu wettern. An der Stelle würde ich erwarten, dass Sie den Versuch unternehmen, diesen gesellschaftlichen Konflikt zu lösen. Aber dazu haben Sie weder die Kraft noch den Willen, weil Sie nicht im 21. Jahrhundert stehen, wo Klimaschutz und Nachhaltigkeit notwendig sind, sondern weil Sie ganz, ganz tief im fossilen Zeitalter stecken geblieben sind, anders als Sie es immer darstellen. Das ist, ehrlich gesagt, an der Stelle absolut ärmlich. Das muss ich ganz klar und deutlich sagen. Ich sage Ihnen deshalb, was hier gilt. Da will ich einmal die Worte der Gewerkschaft der Polizei zitieren. Die sagt: Reden statt räumen und roden. – Das müsste die Devise von uns allen sein. Darum sollten Sie sich kümmern, statt hier solch peinliche Vorlagen abzuliefern. Das ist Ihre Verantwortung in Nordrhein-Westfalen, wo Sie in der Landesregierung sind bzw. das wäre Ihre Verantwortung, übrigens auch die von Union und SPD, die an dieser Stelle jetzt ja ganz stiekum sind, die hier über den Kohleausstieg verhandeln, aber zulassen, dass ein gesellschaftlicher Konflikt in Nordrhein-Westfalen nicht gelöst wird. Es kann nicht sein, dass wir am Ende einen Wald zerstören und nicht einmal wissen, ob wir die Kohle, die darunter liegt, überhaupt noch in Anspruch nehmen müssen. Das können Sie den Menschen draußen nicht erklären. Deshalb sage ich: Hambi bleibt! Danke. Für die Fraktion der CDU/CSU hat der Kollege Dr. Klaus-Peter Schulze das Wort.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir beraten hier ein kleines, aber feines technisches Gesetz, das jedoch sehr viel bewirken kann: das Zeitverwendungserhebungsgesetz. Das klingt nach einem weiteren bürokratischen Monster, stellt aber die gesetzliche Grundlage für die Evaluierung unserer Familien- und Gleichstellungspolitik dar. Seit den 90er-Jahren werden alle zehn Jahre die in Deutschland lebenden Menschen zu ihrer Zeitverwendung, also dazu, für welche Tätigkeiten sie wie viel Zeit am Tag verwenden, befragt. Die Zeitverwendungserhebung liefert uns Informationen darüber, wie viel Zeit Menschen für welche Aktivitäten aufwenden und wann im Tagesverlauf sie diese Aktivitäten ausüben. So erfahren wir etwas über die Arbeitsbelastung und die Arbeitsteilung in den Familien bei der Kinderbetreuung, bei der Pflege oder über das freiwillige Engagement aller Generationen. Wir lernen etwas darüber, wie viel Zeit Kinder und Jugendliche, Männer und Frauen in unterschiedlichen Lebenslagen für welche Tätigkeit aufwenden. Mit den gewonnenen Erkenntnissen bekommen wir einen guten Einblick, wie sich die Gesellschaft entwickelt. Daraus wiederum können wir ablesen, ob unsere politischen Ansätze wirken und wenn ja, was sie bewirkt haben. Hat also beispielsweise die Einführung des Elterngeldes etwas gebracht im Hinblick auf gleichberechtigte Arbeitsaufteilung von Erwerbsarbeit und Care-Arbeit? Ja. Haben wir damit all unsere Ziele erreicht? Noch nicht ganz. Wir sollten also nachsteuern. Mit der Zeitverwendungserhebung erhalten wir aber auch Daten zu unbezahlter Arbeit wie Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen und schlicht der Hausarbeit. Das sind alles Tätigkeiten, die die klassische volkswirtschaftliche Gesamtrechnung zu Wertschöpfung und Wohlstand außen vor lässt. Erst mit diesen Daten erhalten wir eigentlich ein umfassendes, nicht rein ökonomisches Bild unserer gesellschaftlichen Entwicklung. So erfahren wir, wie es um die Lebensqualität in unserem Land bestellt ist. Wir erfahren, unter welchem Zeitdruck die Menschen stehen, welche Freiheiten sie bei ihrer Lebensgestaltung haben und wie sie ihre verfügbare Zeit verbringen. Wenn wir mehr Zeit für Eltern mit ihren Kindern wollen und feststellen, dass das bei den jetzigen Rahmenbedingungen nur schwer möglich ist, müssen wir etwas ändern. Zeitverwendungserhebungen sind also wichtig, um die Wirksamkeit unserer Politik zu bemessen. Warum müssen wir jetzt ein Gesetz machen, wenn bisher auch schon Erhebungen über die Zeitverwendung stattfanden? Die bisherigen Befragungen fanden nach § 7 des Bundesstatistikgesetzes statt. Dieses sieht eine Erhebung nur für einen kurzfristigen Bedarf vor und schließt nochmalige Erhebungen eigentlich aus. Eine kontinuierliche Erfassung der Zeitverwendungsdaten stellen wir nun mit diesem Gesetz sicher. Die Bundesländer, die einen Großteil der Kosten tragen, haben ein berechtigtes Interesse, bestimmte Daten dieser Erhebung zu erlangen. Mit unserem Änderungsantrag stellen wir sicher, dass den Ländern auf Anfrage Teildaten zur Verfügung gestellt werden können. Aus Sicht der Koalitionsfraktionen – so wie ich es verstanden habe, aber auch aus Sicht der demokratischen Fraktionen der Opposition – ist eine Erhebung in kürzeren Intervallen sinnvoll und wünschenswert, ebenso, dass die verschiedensten Familienkonstellationen, insbesondere auch Nachtrennungsfamilien, angemessen berücksichtigt werden. Dies haben wir mit unserem Entschließungsantrag noch einmal bekräftigt und verdeutlicht. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte um Zustimmung und danke für Ihre Aufmerksamkeit. Vielen Dank, Herr Kollege Schwartze. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Nicole Höchst, AfD-Fraktion.
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Siemtje Möller SPD
Siemtje
Möller
SPD
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Nachdem sich hier einige anscheinend eher im Wahlkampfzelt aufgehalten haben, komme ich jetzt zurück zur Debatte, die diesen Fokus verdient. Vor nicht einmal einem halben Jahr stand ich hier vor Ihnen und habe von der Begegnung mit Shajillah Hadeed in der afghanischen Provinz Balch erzählt. Ich habe gesagt: Die Menschen in Afghanistan – sie zählen auf uns. – Seither hat sich alles in Afghanistan geändert: Die Taliban haben das Land erneut unterworfen. Die afghanische Regierung hat das Weite gesucht. Die internationale Gemeinschaft bringt Staatsbürgerinnen, Staatsbürger und Unterstützungskräfte in Sicherheit. Und für 40 Millionen Menschen in Afghanistan beginnen wieder Jahre der Dunkelheit. Natürlich schallt auch mir immer wieder sowohl aus der Bevölkerung als auch von den Streitkräften die große W-Frage entgegen: Wofür war ich denn 18-mal in Afghanistan? Was haben wir dort die ganze Zeit gemacht? Was hatten wir da eigentlich verloren? Und jetzt übertreffen sich hochgestellte Politikerinnen und Politiker sowie die breite Öffentlichkeit darin, mit immer noch markigeren Vokabeln den gesamten 20 Jahre währenden Einsatz in Schutt und Asche zu reden. Dem möchte ich entgegenhalten: 20 Jahre haben unsere Soldatinnen und Soldaten, die Polizei und die zivilen Kräfte einen, nein, den Unterschied gemacht. Staatsbürgerinnen und Staatsbürger in Uniform, die zum Teil versehrt nach Deutschland zurückgekehrt sind, Helferinnen und Helfer, Mitarbeitende der Entwicklungsdienste, private und freiwillige Initiativen, die Afghanistan zu einer besseren Zukunft verhelfen wollten – sie alle haben Großes geleistet. Wegen ihnen gab es in Afghanistan zumindest einen kleinen Teil Sicherheit. Sie waren es, ihr wart es, auf die wir uns und die Menschen in Afghanistan sich immer verlassen konnten und die mit Herz und Hingabe und unter Eingehen von hohen persönlichen Risiken 20 Jahre dafür gesorgt haben, dass sich gesellschaftliches, politisches und wirtschaftliches Leben entwickeln konnte. Shajillah Hadeed, die beeindruckende Frau, die ich getroffen habe – sie war sich dieser Wirkung sehr bewusst. Sie bat inständig darum, dass die internationale Präsenz verlängert würde. Und gerade jetzt, in dieser akuten Situation, in der die Taliban Afghanistan erneut erobert haben, zeigt sich doch, welchen Effekt auch die geringe militärische Präsenz hatte. Liebe Afghanistan-Veteranen, liebe Angehörige, durch Ihren Beitrag haben wir, hat die Bundesrepublik einen großen Anteil an diesem Effekt gehabt. Condoleezza Rice hat in einem lesenswerten Artikel gesagt: „The Afghan people didn’t choose the Taliban.“ Shajillah Hadeed hatte sich auch nicht für die Taliban entschieden. Sie war zur Wahl gegangen, genauso wie Millionen andere Afghaninnen und Afghanen. Für sie, für alle die Menschen, denen wir über 20 Jahre ein anderes Leben als unter einer Schreckensherrschaft ermöglicht haben, für sie hat es sich gelohnt! Sie waren es wert, und sie werden diese Freiheit nicht vergessen. Ihnen allen, den Einsatzkräften und gerade auch den sich aktuell im Einsatz befindlichen Kräften mit und ohne Uniform, bin ich in Gedanken eng verbunden, und Ihnen danke ich von Herzen. Auf Sie und Ihren treuen Dienst können wir stolz sein. Kommen Sie alle unversehrt an Leib und Seele zurück, und retten Sie weiterhin so viele wie irgend möglich. Ich weiß: Sie geben Ihr Bestes. Liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte stimmen Sie dem vorgelegten Mandat zu. Das Wort hat der Kollege Henning Otte für die CDU/CSU-Fraktion.
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Dr.
Dr. Gesine Lötzsch DIE LINKE
Gesine
Lötzsch
DIE LINKE
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Weizenpreis geht durch die Decke. Kostete eine Tonne Weizen Anfang Februar 264 Euro, sind es in dieser Woche bereits 376 Euro. Hungersnöte bedrohen Millionen von Menschen. Und was tut die Bundesregierung effektiv gegen diese Not, Herr Minister? Diese Frage haben Sie nicht beantwortet. Sie wollen sich im Rahmen der deutschen G‑7-Präsidentschaft dafür einsetzen, dass die Märkte offenbleiben und der globale Handel funktioniert. Doch wie wollen Sie das machen? Wo ist im Bundeshaushalt das Geld eingestellt, um die Weizenpreise zu drücken? Wir haben es nicht gefunden, meine Damen und Herren. Marktgläubigkeit hilft nicht weiter. Der Amazon-Kapitalismus – heute bestellt und morgen geliefert – ist nicht nur hochriskant, sondern lebensgefährlich, und Vorsorge darf für diese Bundesregierung kein Fremdwort sein. Da bin ich schon bei den ökologischen Vorrangflächen; vorhin wurden Brachen genannt. Ich fand es wichtig und richtig, dass diese Flächen gesichert wurden, und nun wollen Sie einen Teil dieser Flächen für die Futterproduktion freigeben. Ich frage Sie: Wäre es nicht viel sinnvoller, ein 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen Ackerland in das Grundgesetz zu schreiben? Das wäre gut für unsere Ernährungssicherheit. In den vergangenen 15 Jahren haben sich die Preise für Ackerland verdreifacht. Gerade in Ostdeutschland haben Investoren – Franz Müntefering von der SPD nannte sie einst Heuschrecken – vielen Bäuerinnen und Bauern das Arbeiten unmöglich gemacht. Statt ökologische Flächen zu bewirtschaften, sollten sie Ackerland kaufen und preiswert verpachten. Das würde den Bäuerinnen und Bauern helfen und die Ernährung langfristig sichern. Wir brauchen einen Preisdeckel für Ackerland. Besser wäre es noch, wenn Grund und Boden Gemeineigentum wären. Das wäre wirklich nachhaltig, meine Damen und Herren. Für wen, meine Damen und Herren, ist die Lebensmittelversorgung in unserem Land wirklich gesichert? Der Hartz-IV-Satz hat schon vor der Krise nicht zum Leben gereicht. Mit steigenden Preisen für Energie und Lebensmittel wird es für viele Menschen eng und bedrohlich. Sie müssen für einen Inflationsausgleich sorgen und sofort den Hartz-IV-Satz und die Minirenten anheben. Das wäre der richtige Weg. Meine Damen und Herren, ich bin mir sicher: Ein Sondervermögen Ackerland würde uns langfristig mehr Sicherheit bringen als ein Sondervermögen Rheinmetall – ja, Rheinmetall –; denn es geht nicht um die Bundeswehr, sondern um die Aktienkurse von Rheinmetall. Nur kann man Aktien leider nicht essen. Vielen Dank. Es folgt der Abgeordnete Dr. Sebastian Schäfer für Bündnis 90/Die Grünen.
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Dr.
Dr. Christian Wirth AfD
Christian
Wirth
AfD
Frau Präsidentin! Werte Kollegen! „Gesetz zur Beschleunigung der Asylgerichtsverfahren und Asylverfahren“ klingt erst mal gut, ist es aber nicht. Der einzige gute Ansatz, über den wir gerne mit Ihnen reden, ist die Angleichung des Asylprozesses an das allgemeine Verwaltungsprozessrecht. Diese kann zu einem schnelleren, effektiven Rechtsschutz führen; denn es ermöglicht die Vereinheitlichung einer zurzeit zersplitterten Rechtsprechung. Diesen Effekt verspielen Sie aber, indem Sie aus der Revisionsinstanz des Bundesverwaltungsgerichts eine dritte Tatsacheninstanz machen wollen. Natürlich werden in Ihrem Entwurf die NGOs, die keine demokratische Legitimation haben, großzügig bedacht, indem sie gegen Vergütung im Vorfeld unentgeltlich beraten sollen. Im Übrigen ist das Gesetz geprägt von dem Vorhaben, weitere illegale Zuwanderung und Bleiberechte zu erleichtern – in einer Zeit, in der sämtliche Kommunen am Ertrinken sind. Das Wort „Abschiebung“ kommt de facto nicht mehr vor. Im Gegenteil: Ausreisepflichtige, deren Abschiebung vorübergehend ausgesetzt ist, sollen nach fünf Jahren Aufenthalt eine einjährige Aufenthaltserlaubnis auf Probe erhalten. Das Auswärtige Amt richtet ein Referat Familiennachzug ein. Hiermit sollen Minderjährige angelockt werden, die dann einen Antrag stellen können, um Eltern und Verwandte leichter und schneller nach Deutschland zu holen. Die finanziellen, gesellschaftlichen und kulturellen Folgen dieser verfehlten Politik sind bekannt. Auch heute haben wir gehört – von der FDP –, Deutschland sei ein Einwanderungsland. Das sind wir nicht. Moderne Einwanderungsländer öffnen nicht einfach ihre Grenzen. Im Gegenteil: Moderne Einwanderungsländer suchen sich aus, wen sie in ihr Land lassen, für ihren Arbeitsmarkt brauchen. Nicht umsonst sind Fachkräfte, Ärzte und Ingenieure aus zum Beispiel Syrien schon lange vor den Migrationsströmen nach den USA, Kanada und Australien ausgewandert. Wir sind Opfer unserer Regierenden, die seit mindestens 2015 nicht in der Lage sind, zwischen Zuwanderung in den Arbeitsmarkt, humanitärem Asyl, temporärem Schutz nach UN-Recht und illegaler Einwanderung zu unterscheiden. Wir sind das Opfer der Regierenden, die nur bei Corona und bei Gipfeltreffen mit ausländischen Politikern in der Lage sind, Grenzen zu schützen. Mit Migranten aus Afrika und arabischen Ländern haben Sie weder ab 2015 den Arbeitskräftemangel gelöst – wir haben es jetzt in der Flughafenkrise gesehen –, noch werden sie ihn in Zukunft lösen. Hier hilft nur eine ambitionierte Familien- und Bildungspolitik. Das Ausbeuten von Arbeitskräften aus anderen Ländern, die dort ja selbst gebraucht werden, ist dagegen reiner Kolonialismus. Alle EU-Länder haben bei der illegalen Einwanderung die Reißleine gezogen, nur Deutschland ist mal wieder der Geisterfahrer – wie auch in der Energiepolitik. Ganz pragmatisch: Sozialstaat und Gesundheitssysteme funktionieren nur so lange, wie Einzahlende und Anspruchsberechtigte sich die Waage halten. Was unsere Open-Border-Fetischisten hier im Hause nicht verstehen: Hier hilft nur der Nationalstaat mit seinen Grenzen. Regieren Sie weiter gegen die Interessen dieses Volkes, und Sie haben bald ausregiert. Vielen Dank. Glück auf! Nächster Redner ist Stephan Thomae für die FDP-Fraktion.
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Caren Lay DIE LINKE
Caren
Lay
DIE LINKE
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am vergangenen Montag fand ich vor meinem Büro in Bautzen einen großen Blutfleck. Dahinter steckte eine geschmacklose Aktion, die sich nicht nur gegen mich, sondern auch gegen die Büros von CDU, SPD und Grünen richtete. Auf Twitter bekannte sich die sogenannte Identitäre Bewegung dazu, eine Bewegung, die der AfD-Bundestagsabgeordnete Petr Bystron für eine – Zitat – „tolle Organisation“ und eine „Vorfeldorganisation der AfD“ hält. Das sind Ihre Freunde! Der Vorfall am Montag war der 28. Angriff auf meine Büros im Landkreis Bautzen. In der Vergangenheit ging es um Schmierereien mit der Aufschrift „Judenbüro“, um Hakenkreuze, um zerschlagene Fensterscheiben, um Farban­schläge, Hausfriedensbruch, aber auch persönliche Bedrohungen meiner Gäste, meiner Mitarbeiter und von mir persönlich. Nur in einem einzigen Fall kam es zu einer Festnahme. Das, meine Damen und Herren, ist erschreckend. Auch Politikerinnen und Politiker anderer Parteien werden von militanten Rechten bedroht. Bereits erwähnt worden ist die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker von der CDU. – Sie ist parteilos, Entschuldigung. – Aber auch Christoph Bergner, CDU-Bundestagsabgeordneter, Dr. Karamba Diaby von der SPD oder der Kollege Sebastian Striegel von den sächsischen Grünen waren von rechter Gewalt betroffen. Es gibt unzählige Beispiele. Aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage unserer Fraktion geht hervor: Bis September dieses Jahres gab es 111 Angriffe auf Bundestagsabgeordnete und ihre Büros. Die Verhältnisse sind sehr klar: 93 davon wurden von Rechtsextremen begangen, 18 von Linksextremen. Jeder dieser Angriffe ist ein Angriff zu viel. Die Angriffe auf Politikerinnen und Politiker stehen allerdings in keinem Verhältnis zu den zum Teil schlimmen und lebensgefährlichen Angriffen, denen andere Menschen ausgesetzt sind. Ich spreche hier von Geflüchteten, Migrantinnen und Migranten, alternativen Jugendlichen und Obdachlosen. Diese rassistische Gewalt ist das größte Problem, das unsere Demokratie bedroht. Es gab allein im letzten Jahr fast 1 000 Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte und 2 500 weitere Angriffe auf Geflüchtete. An dieser Stelle vermisse ich die Empörung der AfD. Ihre Bundestagsfraktion ist ja nicht gerade zimperlich. Es ist erwähnt worden: Der Bundestagsabgeordnete Stephan Brandner postete ein Foto von einer Machete und bedrohte das Zentrum für Politische Schönheit. Schon im Juli dieses Jahres gab es ein Foto von einer Steinschleuder mit dem Hashtag „Neuerwerb!“. Das, meine Damen und Herren, ist völlig inakzeptabel. 19 Mitglieder der AfD-Bundestagsfraktion und 33 Landtagsabgeordnete Ihrer Partei waren Mitglieder einer Facebook-Gruppe mit dem Namen „Die Patrioten“. Dort wurde ein Foto gepostet, das Anne Frank – ein Mädchen, das von Nazis ermordet wurde – auf einem Pizzakarton zeigte, mit einem Schriftzug, der so ekelhaft ist, dass ich ihn an dieser Stelle nicht zitieren kann. Das ist so was von geschmacklos und menschenverachtend, meine Damen und Herren! Schämen Sie sich! Wer darüber nicht reden und sich davon nicht distanzieren will, der soll aufhören, sich hier als Opfer zu inszenieren. Das ist einfach scheinheilig. Das ist übrigens der Grund, warum Menschen vor Ihrem Parteitag demonstrieren. Dafür gibt es auch gute Gründe. Gewalt, meine Damen und Herren, insbesondere gegen Personen, lehnen wir Linke unmissverständlich ab. Gewalt ist kein Mittel der Politik, schon gar nicht von linker Politik. Dass Sie aber jetzt so tun, als sei diese Demonstration eine linksextremistische Veranstaltung gewesen, geht nicht. Mit dabei waren Vertreterinnen und Vertreter der Kirchen, der Muslime, der Gewerkschaften und Überlebende des Holocaust. Sie alle haben Grund, sich Sorgen zu machen und gegen Ihren Parteitag zu demonstrieren. Und warum? Weil die AfD und ihr Umfeld diese Gesellschaft spalten und weil Sie Hass schüren. Sie machen Geflüchtete zu Sündenböcken für eine gescheiterte Sozialpolitik. Sie stellen Migrantinnen und Migranten als Kriminelle dar. Sie tun so, als würde es in Großpostwitz kein größeres Problem als die Burka geben oder als würde in Kleinwelka die Einführung der Scharia kurz bevorstehen. Hören Sie endlich auf damit! Hören Sie auf, Hass zu schüren! Lassen Sie Ihre scheinheiligen Anträge sein! Vielen Dank. Vielen Dank, Caren Lay. – Noch einmal – weil sich wieder jemand zu einer Zwischenfrage gemeldet hat –: In der Aktuellen Stunde gibt es keine Zwischenfragen; das legt die Geschäftsordnung fest. Nächster Redner: Sven-Christian Kindler für Bündnis 90/Die Grünen.
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Dr.
Dr. Matthias Heider CDU/CSU
Matthias
Heider
CDU/CSU
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir haben in dieser Woche schon zweimal über Wirtschafts- und Industriepolitik gesprochen. Das ist ein gutes Zeichen. Alle Fraktionen des Hauses haben dabei das Erfolgsmodell der sozialen Marktwirtschaft gelobt. Erstaunlich ist nur, dass unterschiedliche Aussagen über die Bedeutung der sozialen Marktwirtschaft gemacht werden. Als Feind der sozialen Marktwirtschaft macht Die Linke die Arbeits- und Wohnungspolitik der Bundesregierung aus, die Grünen machen die Klimapolitik als Feind aus, die AfD macht die Europapolitik als Feind aus – und die FDP hat alles bei Friedrich Merz abgeschrieben. Also, Herr Houben, nachdem Sie uns das offenbart haben, lassen Sie mich mal festhalten: Erstens. Die Eckpunkte sind gar nicht von der FDP. Zweitens. Die Qualitätssicherung findet außerhalb der FDP statt. Drittens. Ein Großteil der FDP bittet inständig um ein Gespräch mit Friedrich Merz und um Aufnahme in die CDU. Das scheint mir offensichtlich zu sein. Sie sehen daran: Die Instrumente der Wirtschaftspolitik, die hier diskutiert werden, sind sehr unterschiedlich. Aber lassen Sie uns eins gemeinsam tun – und das gilt im Hinblick auf alle Unternehmen unseres Marktes, im Hinblick auf Handwerk, Mittelstand und Industrieunternehmen jeglicher Größenordnung –: Lassen Sie uns den Wirtschaftsunternehmen durch radikale Marktansätze nicht das Vertrauen entziehen. Denn es gilt der alte Satz: Das Vertrauen verlässt den Markt auf dem Rücken eines Pferdes, und es kehrt nur sehr langsam zurück. Wenn wir an dem Punkt, meine Damen und Herren, erst mal angekommen sind, dass das Vertrauen in die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit unseres Landes erschüttert ist, dann wird es zu spät sein, so hehr die Ansätze, die Sie bringen, auch sein mögen. Lassen Sie uns einen Moment über einen ganz wichtigen Aspekt sprechen, nämlich über die Anstrengungen, die wir im digitalen Bereich selbstverständlich unternehmen müssen. Wir müssen das Vertrauen dort bekräftigen. Wir müssen uns um Lösungen bemühen, und sie liegen nicht auf der Hand. Auch wenn wir den Rahmen für ein fortschrittliches Wettbewerbsrecht in Europa neu setzen wollen, soll eine Vermachtung von Märkten durch wenige Konzerne darin nicht vorkommen. Aber die Instrumente, um die es dabei geht, liegen nicht auf der Hand. Ich habe heute Morgen mit dem Generaldirektor der Direktion Wettbewerb diskutieren können. Auch in der Europäischen Kommission scheint es, jedenfalls nach seinen Einlassungen, für radikale Instrumente keine Ansätze zu geben. Meine Damen und Herren, Deutschland mag in einigen Bereichen der Digitalisierung hinterherhinken. Wir sind im Markt nicht so schlecht, wie in der Öffentlichkeit manchmal gesagt wird. Hidden Champions aus Deutschland bringen derzeit mit ihren Technologien die ersten E-Frachtschiffe aufs Wasser, die ersten E-Helikopter in die Luft. Ein Unternehmen in Göppingen ist Weltmarktführer in der Fernwartung von Computern. Europa beschäftigt mehr Softwareentwickler als die USA und Siemens mehr als Google. Auch im Bereich der Industrieplattformen haben wir in Deutschland einen guten Stand. Nur: Die Bedeutung ist gegenüber dem großen Bereich, den Plattformen wie Google und andere bearbeiten, nicht so groß. Diese Aspekte müssen wir berücksichtigen. Aber das werden wir in aller Ruhe tun und dabei nicht über jedes Stöckchen springen, das Sie uns bei dieser Gelegenheit hinhalten. Herzlichen Dank. Vielen Dank, Herr Heider. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 19/9955 und 19/9923 an die Ausschüsse vorgeschlagen, die in der Tagesordnung aufgeführt sind. – Damit sind Sie einverstanden. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
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Erhard Grundl BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Erhard
Grundl
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wer ein Problem lösen will, der muss es zuallererst einmal verstehen. Dazu ist manchmal Zeit nötig. Wer aber als politisch Verantwortlicher quälende acht Monate ins Land ziehen lässt, ohne ernsthaft zu versuchen, sich wenigstens an die Lebenswirklichkeiten der Betroffenen heranzutasten, der hat eigentlich nach acht Monaten fertig. Die Veranstaltungsbranche steht mit dem Rücken zur Wand. Sie sind die Ersten, die zugemacht wurden, und die Letzten, die wieder aufmachen dürfen. Ihre Überbrückungshilfen, verehrte Damen und Herren der Koalition, versagen, und sie sind auch nach Überarbeitung nicht viel besser. Acht Monate lang haben Sie, die Fraktionen von CDU/CSU und SPD, die Veranstaltungsbranche und damit 1,5 Millionen Beschäftigte und Soloselbstständige im Stich gelassen. Es reicht einfach nicht mehr, wenn Ihre Vertreter und Vertreterinnen – wie vorgestern im Angesicht der Branche am Brandenburger Tor – ankündigen, in den nächsten Wochen würden sie über den Unternehmerlohn beraten. Jetzt müssen Sie handeln. Der fiktive Unternehmerlohn wird in einem Bundesland ja schon praktiziert, seit März dieses Jahres. Ich möchte hier besonders an Sie, meine Damen und Herren von CSU und CDU appellieren. Wenn jetzt – endlich – sogar schon Ihr Kanzlerkandidat in Lauerstellung, der bayerische Ministerpräsident Söder, ankündigt, Baden-Württembergs Modell nachmachen zu wollen, dann freue ich mich über Ihre Zustimmung zu unserem heute vorliegenden Antrag; denn der greift genau das auf. Aktuell erklärt Herr Minister Altmaier in Interviews, er wäre schon immer für den fiktiven Unternehmerlohn gewesen. Wenn das also ein Herumgeschiebe des Schwarzen Peters ist, muss ich mich wohl an die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wenden: Es war insbesondere die sozialdemokratisch geführte Bundesregierung unter Gerhard Schröder, die vielen Menschen – auch durch finanzielle Anreize – den Weg in die Soloselbstständigkeit schmackhaft gemacht hat. Ganz viele davon, nicht nur in der Veranstaltungsbranche, aber besonders da, sind jetzt durch die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie in ihrer Existenz bedroht. Wenn Sie nicht an politischer Amnesie leiden, dann übernehmen Sie, vor allem die Herren Minister Heil und Scholz, endlich Ihre Verantwortung für diese Menschen. Liebe SPD, ziehen Sie sich Ihre Bleischuhe aus, und kommen Sie endlich in die Puschen! Wir haben mit unserem Antrag einen Plan vorgelegt, der die Handlungsempfehlungen der Veranstaltungsbranche ernst nimmt. Jetzt müssen Sie, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, hier im Parlament Stellung beziehen. Ich sage es, obwohl den Betroffenen von den wohlfeilen Solidaritätskundgebungen bestimmt schon die Ohren klingen: Ja, Kunst und kulturelle Veranstaltungen sind unverzichtbar für unsere Gesellschaft. Sie sind unverzichtbar für Deutschland. Wir alle wollen auch nach der Pandemie ins Konzert, ins Theater, in den Klub, auf Messen und auf die Volksfeste gehen. Das wird aber nur möglich sein, wenn Sie jetzt sehr schnell handeln und die Künstlerinnen und Künstler und all diejenigen, die ihre Arbeit ermöglichen – die Bühnen- und Tontechniker, die Roadies und viele mehr –, zielgenau unterstützen, um sie durch die Pandemie zu bringen. Meine Damen und Herren der Koalition, wir haben Ihnen mit dem vorliegenden Antrag eine Setlist geschrieben. Jetzt packen Sie die Klampfe aus, und spielen Sie unsere Setlist nach! Dann wird das vielleicht doch noch etwas mit dem Neustart Kultur. Das Zeitfenster, um die Soloselbstständigen und die Veranstaltungsbranche zu retten, schließt sich nämlich sehr schnell. Lassen Sie Taten sprechen, und stimmen Sie unserem Antrag zu. Ich danke Ihnen. Vielen Dank, Erhard Grundl. – Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Carsten Müller.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin doch verwundert über die teilweise zögerliche und fahrlässige Haltung gegenüber der Zukunft Europas – in einem Umfeld internationaler Unsicherheit, in einem Umfeld, in dem Europa auseinanderzudriften droht. Ich frage mich: Was will der Koalitionspartner eigentlich? Hat der Koalitionspartner die Signale nicht gehört, den Koalitionsvertrag nicht gelesen? Ich frage mich, Herr Rehberg: Kann es sein, dass Dobrindts Glück Ihr Programm ist? Aus unserer Sicht kann Dobrindts Glück nicht unser Programm sein, und schon gar nicht das Programm Deutschlands. Man kann sich jetzt wie ein trotziges Kind in die Ecke stellen und Schwarz-Gelb nachtrauern. Man kann auch, wie die Briten, über Bord gehen. Aber man kann auch gemeinsam für ein soziales und solidarisches Europa kämpfen. Wir als Sozialdemokraten wollen mehr Europa, ein solidarisches und soziales Europa. Hierfür ist es notwendig, die Statik der europäischen Architektur zu stärken; und das geht nur mit einer Vertiefung der Europäischen Währungsunion. Seit der Finanzkrise ist bereits einiges in der Euro-Zone passiert. Es wurde eine Bankenunion gegründet. Die Großbanken werden jetzt nicht mehr von jedem Euro-Land einzeln überwacht, sondern gemeinsam. Es gelten gleiche Regeln für die Banken; sie wurden verschärft und innerhalb der Staaten harmonisiert. Auch die Abwicklung von Banken kann jetzt auf europäischer Ebene stattfinden, und das mit Regeln, die eine zwischenstaatliche Beteiligung der Eigentümer vorsehen. Doch die Bankenunion ist noch nicht vollendet. Es fehlen noch eine Einlagensicherung und die Letztsicherung für die Abwicklung. Beide sind notwendig, damit das Verzocken einer Bank nicht wieder ganze Staaten an den Rand des Bankrotts führt. Das setzt voraus, dass die bereits vorhandenen Risiken angemessen reduziert werden. Doch Risikoreduktion betrifft nicht nur Ausfallraten bei Krediten. Wir müssen Banken verpflichten, Kapital bereitzuhalten, um auch größere Verluste ausgleichen zu können. Es darf sich nämlich nicht wiederholen, dass Banken mit Steuergeld gerettet werden müssen. Die vergangenen Jahre haben uns allen gezeigt: Auch Staaten in der Euro-Zone können finanziell in Schwierigkeiten kommen. Um dieses Problem zu lösen, brauchen wir unserer Ansicht nach einen Europäischen Währungsfonds. Wir wollen den ESM also zu einem EWF weiterentwickeln. Die Geburt des ESM war nicht einfach, und die Geburt des EWF wird auch nicht einfach sein – das haben auch die letzten Tage gezeigt. Im Koalitionsvertrag haben wir uns aber darauf geeinigt, dass wir das tun wollen. Ich empfehle Ihnen, das noch mal nachzulesen. Es kann aber auch nicht angehen, dass wir eine reine Kopie des IWF machen; denn die Politik des IWF hat gezeigt, dass ein Währungsfonds an Legitimität verlieren kann, wenn er ausschließlich Austerität durchsetzt. Das wollen wir nicht. Deshalb begrüße ich Vorschläge, die klare Abläufe für die Stabilisierung im Krisenfall vorsehen. Einige Maßnahmen wurden hier auch angesprochen. Dazu gehören zum Beispiel eine europäische Arbeitslosenversicherung, ein gewisser Investitionsschutzmechanismus, aber auch ein Notfallfonds. Welchen Weg wir gehen, werden die kommenden Tage und Wochen und die Gespräche mit den Partnern hier und in Europa zeigen. Eines ist jedoch klar, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind Europäer. Europa ist für uns eine Schicksalsgemeinschaft. In Europa liegt unsere Zukunft. Deswegen war es uns so wichtig, dass Europa an erster Stelle in unserem Koalitionsvertrag steht, und deswegen werden wir die offene Hand Frankreichs nicht ausschlagen. Vielen Dank. Das Wort hat der Kollege Alexander Radwan für die CDU/CSU-Fraktion.
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Matthias Hauer CDU/CSU
Matthias
Hauer
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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Wirecard-Skandal hat das Vertrauen in den Finanzplatz Deutschland massiv beschädigt. Dieses Vertrauen gilt es nun zurückzugewinnen. Wirecard steht für Milliarden Euro, die verschwunden sind oder vielleicht nie existiert haben, für Manager, die von Interpol gesucht werden, für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die um ihren Arbeitsplatz bangen, und für Anlegerinnen und Anleger, die viel Geld verloren haben. Wir wollen diesen Skandal lückenlos aufklären: strafrechtlich, aufsichtsrechtlich und politisch. Bei der strafrechtlichen Aufklärung sind in allererster Linie die Strafverfolgungsbehörden und die Gerichte am Zug. Wer in diesen Dimensionen betrügt, den muss die volle Härte des Gesetzes treffen. Bei der politischen Aufklärung ist vor allem Olaf Scholz als Bundesfinanzminister in der Pflicht. Herr Bundesfinanzminister, machen Sie sich zum obersten Aufklärer und zum obersten Reformer! Als Aufklärer sollten Sie für volle Transparenz bei der Aufarbeitung des Skandals sorgen, gerade als Bundesfinanzminister, der für die Finanzaufsicht BaFin und auch für die Geldwäscheaufsicht FIU zuständig ist. Mir ist schon klar: Es ist angenehmer, über künftige Reformen zu reden als über etwaige Fehler im eigenen Ministerium. Aber es geht nicht darum, was angenehmer ist. Es geht um Sachaufklärung. Wir stehen zur Aufklärung bereit. Tragen auch Sie mit vollem Einsatz dazu bei! Machen Sie Schluss mit der Salamitaktik! Als Reformer sollten Sie Schwachstellen identifizieren und konkrete Gesetzentwürfe dazu vorlegen. Der Wirecard-Skandal wird auch politisch Spuren hinterlassen. Wir prüfen derzeit sehr genau: Wo muss bei der Aufsicht nachgeschärft werden? Wo bestehen Regelungslücken? Wo müssen Prozesse oder Zuständigkeiten verbessert werden? Das werden wir nicht durch Aktionspläne und auch nicht durch blinden Aktionismus lösen. Wir brauchen politisch abgestimmte Gesetzesinitiativen, die klug abgewogen sind und konkrete Probleme lösen. Einen Aktionsplan vorzulegen, das ersetzt noch keine Gesetzgebung. Herr Bundesfinanzminister, legen Sie endlich Gesetzentwürfe dazu vor! Als Unionsfraktion stehen wir jederzeit für Sondersitzungen des Finanzausschusses bereit; das hatte ich vor der Sommerpause hier an diesem Pult gesagt. Es ist gut, dass wir gemeinsam, Koalitionsfraktionen und Opposition, von diesem Werkzeug der Aufklärung Gebrauch gemacht haben. Drei Sondersitzungen mit knapp 24 Stunden Befragungen, das hat viele Antworten gebracht, aber eben auch viele Fragen aufgeworfen. Die Sitzungen waren wichtig, aber die Aufklärung muss weitergehen. Die Fraktionen von FDP, Linken und Grünen haben sich darauf verständigt, die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu beantragen. Untersuchungsausschüsse sind ein wichtiges Werkzeug der parlamentarischen Kontrolle. Wie das bei Werkzeugen so ist, so hat jedes Werkzeug seine eigene Verwendung. Wenn Sie einen Nagel in die Wand schlagen wollen, sind der Schraubenzieher oder der Zollstock doch nur die zweitbeste Lösung. Ob der Untersuchungsausschuss zur Aufklärung des Wirecard-Skandals das beste Werkzeug ist, werden wir gemeinsam mit den Antragstellern erörtern. Das hängt natürlich maßgeblich vom Untersuchungsauftrag ab. Der muss passgenau und rechtssicher sein. Die Einsetzung ist an strenge verfassungsrechtliche Vorgaben gebunden. Deshalb ist es gut, dass sich vorab der Geschäftsordnungsausschuss mit dem Thema befasst. Wir als Unionsfraktion werden im Untersuchungsausschuss konstruktiv und mit Hochdruck daran mitarbeiten, den Fall Wirecard so weit, wie es nur irgendwie geht, aufzuklären. Nach dem größten Finanzskandal in der Geschichte der Bundesrepublik dürfen wir nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Inhaltlich sind nach wie vor viele Fragen unbeantwortet: Hätte die BaFin die Wirecard AG als Finanzholding einstufen und sie damit auch unter ihre Aufsicht nehmen müssen? Wieso hat die BaFin keine eigene Bilanzprüfung bei Wirecard vorgenommen? Wieso haben Justizministerium und Finanzministerium kaum Einfluss auf die DPR-Prüfungsverfahren genommen? Wieso wurden Probleme mit dem zweistufigen Bilanzprüfungsverfahren nicht frühzeitig erkannt und auch behoben? Wieso unterlag die Wirecard AG eigentlich weitgehend überhaupt keiner Geldwäscheaufsicht? Wie konnte es ein Unternehmen wie Wirecard, dessen Erfolg weitgehend auf Betrug aufgebaut war, in den DAX schaffen? Gerade der Frage, welche Kontrollmechanismen versagt haben, werden wir uns in den kommenden Wochen und Monaten widmen. Ich hoffe, dass wir am Ende ein möglichst vollständiges Bild davon haben, wie es zu diesem Skandal kommen konnte und wie wir gemeinsam einen zweiten Fall Wirecard verhindern können. Als Unionsfraktion ist uns an vollständiger Sachaufklärung gelegen. Fair im Umgang, aber hart in der Sache! Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Das Wort hat der Abgeordnete Kay Gottschalk für die AfD-Fraktion.
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Karin Maag CDU/CSU
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Herr Buschmann, selbstverständlich teilen wir das Ziel, die Freiheit für Geimpfte und natürlich auch für die Genesenen so schnell wie möglich wiederherzustellen. Genau deshalb hat die Regierung in Abstimmung mit uns und mit den Ländern die Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung vorgelegt. Schnell und rechtlich einwandfrei! Genau deshalb hat die Koalition der Verordnung heute Morgen auch zugestimmt. Beratung und Abstimmung über das letzte Wochenende, Kabinett am Dienstag, Bundestag heute, Bundesrat morgen, Verkündung am Samstag, Inkrafttreten am Sonntag – ich meine, mehr Geschwindigkeit, mehr Unmittelbarkeit gehen nicht. Und Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, hatten heute jedenfalls auch die Chance, Ihren Einsatz für die Freiheit nicht nur anzukündigen – das passiert ja relativ oft –, sondern mit Ihrer Zustimmung zur Rechtsverordnung auch zu beweisen, dass es Ihnen damit ernst ist. Kraftvoll enthalten haben Sie sich. Schade, Sie haben diese Chance vertan. Wie gesagt, ich teile das Ziel. Was ich nicht teile, ist Ihr Arbeitsansatz: Für das Unangenehme, nämlich die harten Maßnahmen, um die Infektionszahlen herunterzubekommen, ist die Koalition zuständig. So viel Verantwortung wollten Sie aufseiten der FDP dann doch wieder nicht übernehmen. Sie klinken sich quasi nach der Pflicht wieder ein, wenn es um die Kür geht. Ihr Leib- und Magenthema: die Freiheitsrechte. Ja, wir in der Koalition haben mit der sogenannten Notbremse dafür gesorgt, dass bei einer Inzidenz von über 100 bundeseinheitliche Maßnahmen das Infektionsgeschehen eindämmen. Herr Buschmann, ich als Gesundheitspolitikerin teile den Ansatz meines Fraktionsvorsitzenden und hätte es sogar mit strengeren Maßnahmen probiert. Aber richtig ist auch: Die Notbremse, erst seit 23. April in Kraft, sorgt bereits heute dafür, dass die Inzidenz in Deutschland endlich wieder sinkt. Ich erinnere daran: Am 23. April lag die Inzidenz bundesweit bei 187. Heute liegt sie bei 129. Die rückläufigen Zahlen gehen genau auf diese Notbremse zurück. Das sage nicht nur ich, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich zitiere den Präsidenten der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, Professor Marx: Wir sind zuversichtlich, dass die Zahl der Covid-19-Patienten auf den Intensivstationen sinken wird – und das hängt dann unmittelbar mit den Maßnahmen der Bundes-Notbremse, wie aber auch dem deutlichen Fortschritt beim Impfen zusammen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, uns geht es natürlich vor allem um die Menschen. Ich freue mich jetzt vor allem, dass mit der Ausnahmenverordnung zum Beispiel für geimpfte und genesene Senioren in den Einrichtungen wieder Geselligkeit möglich ist: Besuche, Karten spielen, schlicht Lebensqualität. Sie haben vorhin das Stichwort „Spaltung der Gesellschaft“ in den Mund genommen. Ja, wir haben auch der jüngeren Generation in dieser Pandemie sehr viel zugemutet. Erst musste sie zum Schutz der alten Menschen auf ihr normales Leben verzichten, dann musste sie sich beim Impfen hinten einreihen. Aber auch da – das sage ich jetzt sehr bewusst – ist Licht am Ende des Tunnels. Im Mai ist im Wesentlichen die Prioritätsgruppe 3 dran. Das sind die Verkäuferinnen, das sind die Busfahrer, all jene, die nicht im Homeoffice sein können und die auch schon seit vier Monaten auf die Impfung warten. Anfang Juni ist es dann so weit: Wenn die Priorisierung aufgehoben wird, dann sind auch die jungen Gesunden dran. Die herzliche Bitte an die Jüngeren: Es geht um vier Wochen. Ich bitte herzlich noch mal um so viel Geduld. Mehr Freiheit, liebe FDP, gibt es auch für die Kinder und Jugendlichen. Bisher ist der Impfstoff von BioNTech ja erst ab 16 Jahren zugelassen. In Kanada ist der Impfstoff bereits für Jugendliche zwischen 12 und 15 Jahren zugelassen. Gleiches ist für Europa beantragt. Im Juni werden wir aller Voraussicht nach den Impfstoff für die Kinder und Jugendlichen ab 12 Jahre zur Verfügung haben. Alles in allem ist die Lage ermutigend. Die Impfkampagne läuft, 30 Prozent Erstgeimpfte, 9 Prozent vollständig Geimpfte. Gestern 200 000 Zweitimpfungen, insgesamt 1,1 Millionen Impfungen pro Tag – das hat bisher noch kein einziges europäisches Land geschafft. Die Betriebsärzte sind ab 7. Juni dabei. Das Impfen wird für alle noch mal bequemer. Im Laufe des Juni wird die Priorisierung aufgehoben. Alle weiteren Parameter zeigen in die richtige Richtung. Über 10 000 Teststationen sichern den Rechtsanspruch auf mindestens einen kostenlosen Schnelltest pro Woche. Testgestütztes Öffnen ist eine reale Perspektive. Wir bleiben bei unserer Maxime: Vorsicht und Umsicht wollen wir beibehalten, aber Zuversicht kann ich heute allen Zuhörerinnen und Zuhörern vermitteln. Herzlichen Dank. Vielen Dank, Frau Kollegin Maag. – Für die Fraktion der AfD hat als Nächstes das Wort der Abgeordnete Detlev Spangenberg.
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Daniela Wagner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Daniela
Wagner
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dem Baustellen-sind-blöd-Antrag der AfD ist überdeutlich anzumerken, dass er von Autonarren und Geschwindigkeitsfanatikern verfasst wurde. Meine Damen und Herren, so wenig das Abholzen zahlreicher Alleen in den neuen Bundesländern nach der Wende ein Beitrag zu mehr Reisekomfort und Verkehrssicherheit war, so wenig ist es einer, Firmen und Menschen im 7-Tage- und 24-Stunden-Betrieb arbeiten zu lassen, damit Baustellen schneller fertig werden – von der praktischen Umsetzbarkeit einmal ganz abgesehen. Weshalb mehrere kurze Baustellen weniger Stauenden, also Gefahrenpunkte, bedeuten als eine lange Baustelle, erschließt sich logisch schon überhaupt nicht – jedenfalls wahrscheinlich niemandem im Hause außer Ihnen. Baustellen sind in der Tat Einschränkungen und führen zu gefährlichen Situationen. Da sowohl Lkw als auch Pkw aber leider immer größer und schwerer werden, nimmt auch der Fahrbahnsanierungsbedarf drastisch zu, mit der Folge, dass die Zahl der Baustellen unabwendbar immer größer wird. Und es kommen ständig neue Straßen und damit neuer Unterhaltungsbedarf hinzu. Das Streckennetz wächst ständig. Es gibt nur ein probates Mittel gegen die damit verbundenen Nachteile und Gefahren: angemessenes und angepasstes Autofahren. Hinzu kommt: Je gleichmäßiger der Verkehrsfluss, desto höher der Fahrzeugdurchsatz. Oder anders gesagt: Große Geschwindigkeitsunterschiede, permanentes Bremsen und wieder Beschleunigen machen das Fahren nicht schneller, sondern gefährlicher für alle Verkehrsteilnehmenden, einschließlich der Arbeitenden auf den von Ihnen so geschmähten Baustellen. Und deren Job ist wahrlich hart genug, man möchte ihn kaum machen. Deswegen ist es wichtig, dass sie wenigstens sicher sind. Eine solche Fahrweise kostet Sprit, erhöht die Emissionen, erhöht den Reifenabrieb, erzeugt also Feinstaub, erzeugt mehr Lärm und strapaziert die Nerven aller Verkehrsteilnehmenden. Deshalb ist unsere Losung: Nur eine langfristig angekündigte und gut erkennbare Baustelle auf der einen Seite und angepasste Geschwindigkeiten auf der anderen Seite sind angemessene und die besten Mittel gegen jedwede Unfallrisiken. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Vielen Dank, Daniela Wagner. – Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Arno Klare.
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Kordula Schulz-Asche BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Kordula
Schulz-Asche
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir erleben gerade die Erschütterung Europas durch den Krieg gegen die Ukraine. Millionen Menschen jeden Alters flüchten aus ihrem Land und viele davon zu uns. Wir müssen befürchten, dass dieser Krieg länger dauert. Deswegen stehen wir hier zusammen im Kampf für Demokratie und Frieden in der Ukraine und auch weltweit. Wir müssen aber auch darauf achten, dass durch solche Entwicklungen andere Krisen nicht in Vergessenheit geraten. Dazu gehört der demografische Wandel, den wir in Deutschland in den nächsten Jahrzehnten erleben werden. Und dazu gehört der Pflegenotstand, den es schon vor Corona gab, der sich aber durch die Coronapandemie erheblich verschärft hat. Deswegen wird diese Regierung handeln. Ich möchte meinen Vorrednerinnen Frau Westig und Frau Baehrens ausdrücklich für ihre Beiträge danken. Lassen Sie mich aus meiner Sicht noch mal einige Punkte hervorheben. Dazu gehört die Steigerung der Attraktivität der Pflegeberufe. Das geht durch höhere Löhne, vor allem aber durch bessere Arbeitsbedingungen. – Danke schön. Ich bin auch Verdi-Mitglied. Das geht durch höhere Löhne, das geht durch bessere Arbeitsbedingungen, vor allem auch durch bessere Personalbemessungsinstrumente, durch familienfreundliche Arbeitszeiten usw. usf. Wir müssen die Pflege durch ein Zusammenspiel im Gesundheitswesen aufwerten, durch heilkundliche Tätigkeiten, durch neue Berufsbilder wie die Community Health Nurse in der Gemeindepflege, und wir brauchen mehr Unterstützung für die pflegenden Familien, auch durch Infrastruktur wie Tages- und Kurzzeitpflege. Das sind alles überfällige Projekte, die in den letzten Jahrzehnten vernachlässigt wurden. Und wir brauchen mehr Menschen, die bereit sind, in der Pflege zu arbeiten, und zwar so schnell wie möglich. Pflege muss für junge Menschen attraktiv sein. Deswegen fangen wir natürlich mit Ausbildung, Fort- und Weiterbildung an. Aber ich möchte auch über die Anerkennung ausländischer Fachkräfte reden. Die müssen wir endlich deutschlandweit harmonisieren. Meine herzliche Bitte an die Bundesregierung und die Bundesländer ist, jetzt möglichst schnell ein bundeseinheitliches Verfahren der Berufsanerkennung für Pflegefachkräfte aus der Ukraine zu schaffen, mit allem, was dazugehört, mit Sprachkursen usw. usf., und dieses Verfahren, wenn es etabliert ist, bitte auch bei allen anderen ausländischen Pflegekräften, die zu uns kommen, anzuwenden. Wir brauchen bundeseinheitliche Lösungen. Dieses Hin und Her zwischen den Bundesländern muss endlich ein Ende haben. Wir werden sonst den demografischen Wandel nicht meistern können. Wir haben nicht mehr viel Zeit, der steigenden Anzahl von Menschen, die auf professionelle Hilfe angewiesen sind, und den Familien, die sie unterstützen, zu helfen. Lassen Sie uns gemeinsam endlich ein massives und gutes Fundament für die Pflege schaffen! Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. Vielen Dank, Frau Kollegin. – Nunmehr erhält das Wort für die AfD-Fraktion Jörg Schneider.
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Nicole Höchst AfD
Nicole
Höchst
AfD
Herr Präsident! Werte Kollegen! Frau Ministerin! Als Partei, die sich auf allen Ebenen für das Ehrenamt starkmacht, begrüßt die AfD das Ansinnen der Bundesregierung, bürgerliches Engagement und Ehrenamt insbesondere in strukturschwachen und ländlichen Räumen zu fördern und zu stärken. Es sei an dieser Stelle meine große Dankbarkeit und Wertschätzung all den Menschen gegenüber ausgedrückt, die sich mit ihrem Dienst an der Gesellschaft herausragend am Gelingen des Gemeinwesens überall beteiligen. Bürger sehen vor Ort, was notwendig ist, und engagieren sich entsprechend für das Wohl aller. Das ist großartig, und das sollte nicht an überbordender Demokratie, mangelnden Informationen über Organisationsentwicklung, DSGVO usw. scheitern. Eine zentrale Anlaufstelle auf Bundesebene mit Serviceangeboten, Informationen zur Organisationsentwicklung und dem Ziel der Vernetzung scheint der Bundesregierung geboten. Die AfD hinterfragt eindringlich, ob die Errichtung einer Stiftung hier der richtige Weg ist; denn es gibt viel grundsätzlich Nachdenkenswertes zum Thema Stiftungen. In der „Stiftungswelt“ ist zu lesen, man wolle als Reaktion auf den Brexit und das Erstarken der sogenannten Rechtspopulisten in der Stiftungsarbeit klare Kante für demokratische Werte und ein geeintes Europa zeigen. Da kann man ja nicht ernsthaft dagegen sein, oder? Aber was hier passiert, ist genauso brisant wie besorgniserregend. Es wird nämlich unterstellt, dass ebenfalls demokratische, nur eben andere politische Ideen undemokratisch und einem geeinten Europa abträglich seien. Gegenüber ebendiesen wolle man klare Kante zeigen. Wie geschieht das? Da ist näher hinzusehen. Stiftungen haben großen Einfluss, oft getragen von Steuermitteln. Ist es Sinn und Zweck von Stiftungen, zum politischen Machterhalt von Ideen beizutragen, die Teile der Bürger und Wähler ausschließen? Ist es Aufgabe von Stiftungsarbeit, andersdenkende, regierungskritische Bürger mit Etiketten wie „rechtspopulistisch“, „rechts“ usw. zu versehen und ihnen Meinungen abzusprechen? Ist es tatsächlich die Aufgabe von Stiftungen, sich das Recht herauszunehmen, gottgleich Entscheidungen zu treffen zwischen den guten und den bösen Meinungen und die Gesellschaft entsprechend aufzuspalten? Von was für einer Demokratie reden wir hier eigentlich? Von der, die auf dem Grundgesetz fußt? Wirklich? Oder reden wir von der von Ihnen allen hier mit Zähnen und Klauen verteidigten sogenannten Konsensdemokratie, die die Haltung von konsenskritischen Menschen anprangert und sie von der demokratischen Teilhabe ausschließt? Meine Damen und Herren, Ihre sogenannte Konsensdemokratie ist nicht mehr und nicht weniger als die Diktatur der herrschenden Haltung. Die Zusammensetzung des Stiftungsrats lässt weitere Schritte in diese Richtung befürchten; denn die in Ihrem Gesetzentwurf begünstigten vier Mitglieder des Deutschen Bundestages werden von der Regierung benannt. Auch der Vorstand der Stiftung, bestehend aus zwei hauptamtlichen Amigoposten für die Bundesregierung, wird von der Regierung bestellt. Nachtigall, ick hör dir trapsen! Ebenfalls bedenklich ist die verklausulierte, rechtlich verbindliche Andockung von Bundesprogrammen. Da fällt mir sofort das Programm „Demokratie leben!“ ein mit seinem Hauptzweck, nichtlinke Ansichten unter dem Deckmäntelchen des Kampfes gegen rechts zu ächten. Nehmen Sie eigentlich selbst gar nicht wahr, dass Ihre sogenannte Konsensdemokratie seltsame Blüten treibt? Zum Beispiel gestern Abend in meiner Heimatstadt Speyer: Unter der Ägide der SPD-Oberbürgermeisterin Stefanie Seiler wurde mehrheitlich eine sogenannte Antidiskriminierungsagenda unterzeichnet, die die grundgesetzlich verbrieften Rechte einkürzt. Unter Berufung auf diese Antidiskriminierungsagenda werden zukünftig Bürger und Mandatsträger wegen ihrer politischen Anschauung diskriminiert. Nicht nur in Speyer, sondern auch im Bundestag herrscht seitens der Haltungsdemokraten bisweilen ein Demokratieverständnis, das sich besonders vom Artikel 3 Grundgesetz weit entfernt hat und das die Spaltung der Gesellschaft in besorgniserregender Weise befördert. Meine Damen und Herren, wie stellen Sie sicher, dass die geplante Stiftung wirklich den ehrenamtlich engagierten Bürgern dient und nicht zusätzlich Steigbügelhalter für eine Haltungsdiktatur in Deutschland sein wird? Als fest auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehende freiheitliche und konservative Demokraten lehnen wir Extremismus jedweder Couleur und Ausprägung ab. Die Stiftung einer Regierung, die zum Teil der Ideologie der Antifa nähersteht als unserem Grundgesetz, lehnen wir ab. Nie wieder Diktatur in Deutschland, nie wieder, auch keine rot-grün-sozialistische Haltungsdiktatur! Vielen Dank. Martin Patzelt, CDU/CSU, ist der nächste Redner.
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Peter Weiß CDU/CSU
Peter
Weiß
CDU/CSU
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Bei mancher Rede kann man ja schaudern, was Schreckliches auf uns zukommt. Ich will das nur einmal festhalten: Wir diskutieren über den Haushaltsansatz Arbeit und Soziales für 2020. Das ist der größte Posten im Bundeshaushalt. Wir steigern ihn erneut, das heißt, sein Anteil am Gesamtbundeshaushalt wird noch größer. Darüber hinaus liegt eine mittelfristige Finanzplanung vor, in der der einzige Haushalt, der in den kommenden Jahren noch weiter anwachsen wird, dieser Haushalt ist, der Haushalt für Arbeit und Soziales, der von heute 41 Prozent am Gesamthaushalt auf knapp 44 Prozent am Gesamthaushalt im Jahr 2023 anwachsen wird. Allein diese Fakten zeigen doch: Wir, die Regierungskoalition, bekennen uns zu einem starken und handlungsfähigen Sozialstaat. Dieser Haushalt zeigt: Unser Sozialstaat ist und bleibt leistungsfähig. Zu Recht machen wir uns Sorgen um einige Anzeichen krisenhafter Entwicklungen in unserer Wirtschaft. Wenn schon über die Renten-, die Arbeitslosenversicherung usw. diskutiert wird, will ich als Erstes sagen: Wir werden Ende dieses Jahres in der gesetzlichen Rentenversicherung voraussichtlich eine Rücklage von 40 Milliarden Euro haben. Das haben wir schon ewig lange nicht mehr gehabt. Bei der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg werden wir am Ende des Jahres voraussichtlich eine Rücklage in Höhe von 25 Milliarden Euro haben. Das haben wir noch nie gehabt. Das heißt unter dem Strich: Mit diesen hohen Rücklagen – vor allem der der Bundesagentur für Arbeit – sind wir für die Bekämpfung etwaiger Krisen besser gerüstet als je zuvor. Das ist die Sicherheit, die unsere Bürgerinnen und Bürger haben. Ich verstehe ja, dass die Opposition etwas zu kritisieren finden muss und dass sie natürlich vor allen Dingen von Krisen spricht, die auf uns zukommen könnten. Aber auch wenn uns Krisen drohen, ist die wichtigste Nachricht doch: Wir sind Gott sei Dank finanziell handlungsfähig, und wenn es notwendig ist, werden wir diese Rücklagen auch dafür einsetzen, Arbeitsplätze in Deutschland zu sichern und den Bürgerinnen und Bürgern Sicherheit zu gewähren. Das ist das Wichtige. Wenn man schon über krisenhafte Entwicklungen spricht, dann wäre es schön, man würde auch feststellen, dass sie nicht hausgemacht sind. Die Verunsicherung der deutschen Wirtschaft, die sich derzeit breitmacht, kommt vor allen Dingen extern zustande, durch die Handelskriege, die auf dieser Welt angezettelt werden, und auch durch den Brexit. Es wäre schön, wenn alle Fraktionen dieses Parlaments diese klare Analyse teilen und sich für eine Stärkung der europäischen Idee, gegen Handelskriege und für freien Handel in dieser Welt einsetzen würden. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir nutzen diesen Haushalt und die Gesetzgebung in diesem Herbst auch dafür, die Bürgerinnen und Bürger weiter zu entlasten. Aus vielen Zuschriften weiß ich, dass die Frage von Angehörigen Pflegebedürftiger, ob sie unterhaltspflichtig sind, wenn das Geld des Pflegebedürftigen nicht ausreicht, eine große Rolle spielt. Deswegen ist es in der ganzen Palette von Entlastungen für die Bürgerinnen und Bürger, die wir uns miteinander vorgenommen haben, ein wichtiges Vorhaben, dass wir in diesem Herbst das Angehörigen-Entlastungsgesetz beschließen werden. Personen, die nicht mehr als 100 000 Euro Jahreseinkommen haben, werden künftig von der Verpflichtung, für die Pflege einzustehen, befreit werden. Das ist für viele Menschen in unserem Land eine befreiende Nachricht, und sie zeigt: Unser Staat ist handlungsfähig. Wir entlasten die Bürgerinnen und Bürger dort, wo wir können. Ich finde, es muss immer die Aufgabe der Sozialpolitik sein, zuallererst auf die zu schauen, die Hilfe am dringendsten notwendig haben. Ich habe mich deswegen in diesem Sommer aufgemacht, mehrere Jobcenter zu besuchen und zu schauen, ob das, was wir für die Integration von Langzeitarbeitslosen beschlossen haben, also von denen, die es am allerschwersten haben, wieder auf den Arbeitsmarkt zurückzukommen, wirklich ankommt. Bei den Gesprächen mit betroffenen Mitbürgerinnen und Mitbürgern, die diese Förderung jetzt über fünf Jahre erhalten können, habe ich glückliche Gesichter gesehen, weil sie das Gefühl haben, endlich wieder gebraucht zu werden. Ich habe mit sehr vielen Coaches gesprochen. Ich muss sagen: Wir haben in unseren Jobcentern tolle Coaches, die sich wirklich umfassend kümmern. Das zeigt eines: Es kommt nicht immer nur auf das große Geld an, sondern viel wichtiger ist vielleicht, die persönliche und personale Hilfe zu gewährleisten. Ich muss sagen: Ich bin stolz darauf, dass wir die Stellung des Coaches so stark im Gesetz verankert haben. Mit der finanziellen Förderung und mit der Unterstützung durch einen Coach kann es uns gelingen, Langzeitarbeitslosigkeit wirklich aufzubrechen und Menschen eine Perspektive zu geben, die daran schon gar nicht mehr geglaubt haben. Es sind vor allen Dingen Menschen mit Behinderungen, die, wie ich finde, in einem Sozialstaat einer ganz besonderen Aufmerksamkeit bedürfen. Wir haben uns mit dem Bundesteilhabegesetz, in der letzten Legislaturperiode beschlossen, auf den langen Weg in die inklusive Gesellschaft gemacht. Wir werden mit diesem Haushalt und mit den in diesem Herbst zu verabschiedenden Gesetzen zwei weitere wichtige Punkte beschließen. Der erste Punkt – das ist im Haushalt abgebildet –: Wir werden die unabhängige, ergänzende Teilhabeberatung, also die neue Beratungsstruktur, die wir im Land als Experiment aufgebaut haben, entfristen und dauerhaft finanzieren. Eine wichtige Nachricht für alle Menschen mit Behinderungen und deren Angehörige! Zweiter Punkt. Wir hatten schon im Bundesteilhabegesetz das Budget für Arbeit eingeführt. Wir führen jetzt auch ein Budget für Ausbildung ein. Ich glaube, der wichtigste Ansatz in der Arbeit mit und für Menschen mit Behinderungen ist es, den Weg in Arbeit für junge Menschen mit Behinderungen besser zu öffnen. Das ist das Ziel, das wir mit dem Budget für Arbeit verfolgen, welches wir im Herbst zusammen beschließen wollen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist jetzt vielfach das Thema Rente angesprochen worden. Ja, wir wollen ein zukunftsfestes System der Alterssicherung in Deutschland gestalten, das es vor allen Dingen mit den großen Herausforderungen durch den demografischen Wandel aufnimmt. Dazu gehört eine zielgerichtete Grundrente. Wir als Union bekennen uns dazu. Wer 35 Jahre gearbeitet, gepflegt, Kinder erzogen hat, der sollte am Schluss auf jeden Fall mehr haben als Grundsicherung. Das werden wir auch verwirklichen. Aber wir wollen, dass die Bürgerinnen und Bürger insgesamt in der Zukunft auf eine ausreichende Altersversorgung blicken können. Deswegen sollte man nicht nur auf die gesetzliche Rente schauen, sondern auch auf die ergänzende Altersvorsorge. Wir haben in der letzten Legislaturperiode mit Unterstützung von Herrn Dr. Schäuble, damals noch als Bundesfinanzminister, ein bemerkenswertes Betriebsrentenstärkungsgesetz beschlossen. Ich bin aber über die Umsetzung nicht so wahnsinnig glücklich. Deswegen halte ich es zum Beispiel für eine wichtige Frage, die in der Rentenkommission geklärt werden muss: Sollen wir nicht die betriebliche Altersvorsorge, auf die heute rund 60 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bauen können, für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und für alle Unternehmen in Deutschland verpflichtend machen? Solche Fragen werden wir miteinander diskutieren und prüfen müssen. Ich möchte, dass die Altersvorsorge, durchaus auch auf mehreren Beinen sicher stehend, für die Deutschen ausreichend ist, dass man mit ihr auch im Alter den Lebensstandard halten kann. Dafür ist nicht nur die gesetzliche Rente, sondern auch eine zusätzliche Altersvorsorge ein Thema, dessen wir uns nach den Beratungen der Rentenkommission annehmen müssen. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, der Bundeshaushalt 2020 – zusammen mit der Gesetzgebung, die wir in diesem Herbst vorhaben – setzt ein starkes Signal für den Sozialstaat. Zudem: Das, was wir hier leisten, kann sich sehen lassen. Die Bürgerinnen und Bürger können darauf vertrauen: Wir werden den Krisen mit den Mitteln, die wir haben, entschieden entgegentreten, um die Arbeit für die Menschen in diesem Land zu sichern. Vielen Dank. Nächster Redner ist der Kollege Otto Fricke, FDP.
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Christine Aschenberg-Dugnus FDP
Christine
Aschenberg-Dugnus
FDP
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man kann es nicht oft genug sagen: Impfen ist gut, Impfungen sind wichtig, und Impfungen retten Leben! Jetzt noch mal ganz deutlich: Niemand hier im Hause zwingt die Bürgerinnen und Bürger zu Impfungen, weder mit digitalem Impfpass noch ohne digitalen Impfpass. Wer das behauptet, der kann sich gleich in das Lager der Coronaleugner und Querdenker rüberschieben lassen; denn es ist Blödsinn, wenn jemand anderes behauptet, meine Damen und Herren. Das muss hier mal ganz deutlich gesagt werden. Deutschland arbeitet zusammen mit der EU an der Einführung eines digitalen Impfpasses. Ja, das ist gut so; denn wir brauchen mehr Digitalisierung in unserem Land und nicht weniger. Wir checken digital ins Flugzeug und in die Bahn ein. Wir bestellen Onlinetickets für Kulturveranstaltungen. Und hoffentlich haben wir bald alle eine App, mit der wir in der Pandemie eine schnelle Kontaktdatenübermittlung bei Infektionen erreichen. Und Sie wollen zurück in die digitale Steinzeit. Was für ein Unsinn, meine Damen und Herren! Sie jammern darüber, dass Reiseveranstalter Impfungen voraussetzen. Ja, das ist nun mal so in einem Rechtsstaat. In der freien Marktwirtschaft darf ein Unternehmer so eine Entscheidung treffen, meine Damen und Herren. Mit einem digitalen Impfpass können wir innerhalb Europas die von uns allen gewollte Freizügigkeit schnell und unkompliziert wiederherstellen. Sie fordern in Ihrem Antrag, die Bundesregierung solle – ich zitiere jetzt – „die Einführung eines digitalen Corona-Impfpasses innerhalb und außerhalb der EU … sofort … stoppen“. Ja, wie stellen Sie sich das denn vor? Das zeigt doch nur Ihr verschrobenes Weltbild. Ihre Coronapolitik lässt leider weder Plan noch Ziel erkennen. Mal wird hartes Durchgreifen gefordert, mal wird die Existenz des Virus negiert. Ja, was denn nun, meine Damen und Herren? Der digitale Impfpass in Deutschland und Europa hat doch gerade zum Ziel, den Menschen ihre Grundrechte zurückzugeben, meine Damen und Herren. Nebenbei bemerkt sind Grundrechte keine Privilegien – um das mal ganz deutlich zu sagen –, sondern man gibt etwas zurück, was man bei der Geburt erlangt hat. Sie haben ja kritisiert, mit dem digitalen Coronaimpfpass könne man wieder ins Theater, ins Kino, auf das Konzert gehen. Ja, warum denn nicht? Entweder ist man geimpft, oder man hat einen negativen Test vorzuweisen. Das ist doch alles ganz selbst verständlich. Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage? Ja, sicher. – Ich gestatte immer Zwischenfragen. Sogar von Ihnen. Vielen Dank, Frau Kollegin, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Das ist ja nicht selbstverständlich, dass wir als AfD-Abgeordnete hier Zwischenfragen stellen dürfen. Deshalb noch mal meinen herzlichen Dank dafür. Frau Kollegin, Sie haben gerade eben behauptet, dass aus unseren Reihen bestritten – Sie sagten sogar: geleugnet – worden sei, dass der Coronavirus an sich existent sei. Ich kann mich nicht erinnern, dass irgendeiner aus den Reihen unserer AfD-Fraktion das Bestehen des Coronavirus geleugnet hat. Können Sie das vielleicht etwas mehr untermauern, vielleicht sogar nachweisen? – Danke. Erstens habe ich das in dem Sinne nicht gesagt; wir können ja gerne mal in das Protokoll schauen. Zweitens weiß ich sehr wohl, dass man aus dem, was aus Ihren Reihen so in den sozialen Medien verbreitet wird, sehr wohl solche Dinge herauslesen kann. Ich werde Ihnen gerne – dafür bin ich Demokratin – nachweisen, wer sich in der Richtung geäußert hat. Insofern bin ich dazu gerne bereit. Ich kann nur noch mal wiederholen: Ich lasse jede Zwischenfrage zu. Das gilt auch für Sie, weil ich, wie gesagt, eine Demokratin bin. Meine Damen und Herren, ich darf meine Rede weiterführen. Selbstverständlich darf es auf Dauer keine Diskriminierung zwischen Geimpften und Nichtgeimpften geben. Deswegen müssen wir insgesamt Grundrechtseingriffe zurücknehmen, und zwar nach unserem Stufenplan, den wir vorgelegt haben, und das lieber heute als morgen. Für diejenigen – ich habe es schon gesagt –, die sich nicht impfen lassen wollen oder können, gibt es ja, solange das Virus fortbesteht, immer noch die Möglichkeit einer Testung. Deswegen schauen wir mal: Wenn wir noch mehr von den Schnelltests bekommen und wenn mehr getestet wird, haben wir das ganze Problem auch nicht mehr. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Der Nächste ist für die Fraktion der SPD der Kollege Dirk Heidenblut.
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Dr.
Dr. Alexander S. Neu DIE LINKE
Alexander S.
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DIE LINKE
Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Die Linke fordert den unverzüglichen Abzug der Bundeswehr aus dem Nahen und Mittleren Osten. Von Anfang an haben wir erkannt, dass der Kampf gegen den IS immer auch den Willen Deutschlands beinhaltet, sich in der Region dauerhaft festsetzen zu wollen. Die ständigen Erklärungen – auch heute wieder –, der IS sei nicht hinreichend besiegt, dienen nämlich als Begründung, um dort bleiben zu können. Die Einschätzung des Westens steht konträr zu den Einschätzungen Iraks, Syriens und Irans. Auch die Resolution des irakischen Parlaments besagt, dass der IS besiegt sei. Diese drei Staaten verneinen vehement die Gefahr eines behaupteten Machtvakuums, wenn der Westen abzöge. Im Gegenteil: Der Abzug des Westens als Chaosverursacher Nummer eins in der Region erhöhe vielmehr die Chancen auf eine Stabilisierung der Region. So diese drei Staaten. Was machen die USA? Die USA verweigern den Abzug und drohen dem Irak offen mit Konsequenzen. Die Bundesregierung macht es etwas subtiler: Sie übt Druck auf die irakische Regierung hinter verschlossenen Türen aus, damit die Bundeswehr bleiben kann. Ich kann nur sagen: Es ist unfassbar, wie hier mit dem Irak umgegangen wird. Fakt ist doch: Verbleiben ausländische Streitkräfte im Irak gegen den Willen des Iraks, so wäre das eine militärische Besetzung des Iraks – so auch das Ergebnis eines Gutachtens des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages. Ein weiteres Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages stimmt auch unserer Position zu, dass die Tötung Soleimanis nicht vom Völkerrecht gedeckt ist und somit einen heimtückischen Mord darstellt. Was macht die Bundesregierung? Die Bundesregierung äußert ständig ein an Zustimmung heranreichendes Maß an Verständnis für diesen Mord. Zur Erinnerung: Deutschland ist gegen die Todesstrafe und gegen den Terrorismus. Was macht die Bundesregierung? Sie liefert eine politische und rechtliche Bankrotterklärung. Dieser Mord, sehr geehrte Damen und Herren, ist Staatsterrorismus erster Klasse, begangen durch die USA. Vieles spricht dafür, dass der US-Militärstützpunkt Ramstein dabei eine wesentliche Rolle spielt. Wir fragten die Bundesregierung, und sie erklärte, sie habe die USA gefragt, aber die USA antworte nicht. Fällt der Bundesregierung irgendetwas auf? Fällt ihr auf, dass der Gast USA die Auskunft gegenüber dem Gastland Deutschland verweigert, was sie auf deutschem Territorium treiben? Nein, es fällt nicht auf. Stattdessen spricht die Bundesregierung ihr vollstes Vertrauen gegenüber den USA aus. Wie naiv kann man nur sein? Das ist ein Armutszeugnis deutscher Außen- und Sicherheitspolitik, sehr geehrte Damen und Herren. Ich möchte an dieser Stelle nur mal an den Amtseid der Kanzlerin erinnern. Er lautet nicht: Deutschland dient den USA. Sehr geehrte Damen und Herren, Die Linke fordert daher neben dem Abzug der Bundeswehr aus der Region die Schließung aller US-Militärstützpunkte in Deutschland. Beginnen wir mit Ramstein! Die Linke hat auch einen Abzugsantrag gestellt. Leider hat die AfD verhindert, dass unser Antrag ihrem Antrag beigelegt wird. Das ist ein Eingeständnis der AfD, dass unser Antrag der bessere ist. Vielen Dank. Vielen Dank. – Nächster Redner in der Debatte ist für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Kollege Dr. Tobias Lindner.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mir ging es wie bestimmt vielen von Ihnen: Als ich gehört habe, dass der damals noch amtierende Präsident Trump bei Twitter und dann auch bei Facebook gesperrt wurde, habe ich zunächst gesagt: Jawoll, richtig so! – Ich finde es auch im Nachhinein richtig, dass er gesperrt wurde. – Ja, wenn Sie gesperrt werden würden, wäre es mir auch recht. Aber man muss ja auch Blödheiten ertragen. Man hat ja eindrucksvoll sehen können, wozu Hass und Hetze führen, nämlich an den schrecklichen Bildern der Erstürmung des Kapitols, wo es ja auch Todesopfer zu beklagen galt. Donald Trump ist nur das prominenteste Beispiel in dieser Reihe. Weniger Prominenz ist dort drüben zu sehen; Frau von Storch, Sie beweisen es jeden Tag eindrucksvoll aufs Neue. Aber es ist auch richtig, dass ein Gefühl, das einen beschleicht, natürlich keine Bewertungsgrundlage im politischen Diskurs und im politischen Entscheidungsprozess sein kann. Das ist ein Dilemma, das wir beim Netzwerkdurchsetzungsgesetz ausführlich diskutiert haben und auch bei der Novellierung noch ausführlich diskutieren werden. Zweifelsohne ist das Netzwerkdurchsetzungsgesetz ein wirksames Instrument gegen Hass und Hetze im Internet. Schwierig ist natürlich die Abgrenzung zwischen noch zulässiger Meinungsäußerung und Straftat. Dürfen also Beiträge auch dann gelöscht werden, wenn sie nicht gegen geltendes Recht verstoßen? Damit ist die Frage verbunden, ob Twitter und Facebook eigene Regeln erlassen und damit selbst definieren können, welche Beiträge ihnen genehm sind und welche nicht. Diese Problematik sehen wir, und dieser stellen wir uns natürlich. Es ist nachvollziehbar, dass ein Forum der Katzenzüchterfreunde auch nur Katzenfreunde zulässt; das ist klar. Problematisch wird es aber dann, wenn eine Plattform allein durch ihre Größe und durch ihre Nutzeranzahl eine erhebliche Rolle für die gesellschaftliche Debatte und Meinungsbildung spielt. Aber dass man gar nicht sperrt, wenn kein Strafrecht berührt ist, kann ja auch nicht sein; so einfach ist das nicht. Es ist nämlich auch so, dass gerade diejenigen von einem gesellschaftlichen Klima profitieren, die dieses gesellschaftliche Klima der Angst durch ihren Hass und ihre im Internet verbreitete Hetze erst erzeugen und sich danach auf die Meinungsfreiheit berufen. Es werden auch schon Menschen im Vorfeld von der Debatte ausgeschlossen, die sich einfach nicht mehr diesem Hass und dieser Hetze in den sozialen Medien stellen wollen und lieber ruhig sind, weil sie sagen: Das tue ich mir nicht mehr an. – Das ist auch nicht gewollt; das kann nicht das Ziel sein. Wer darf also die Regeln festlegen? In einer Demokratie ist es in der Tat schwer vermittelbar, dass das alleine Entscheidungsträger bei sozialen Netzwerken und Manager im Silicon Valley sein dürfen. So ist es bei uns ja auch nicht; deswegen haben wir das Instrument des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes geschaffen. Ja, es ist nicht perfekt. Es gilt, es weiterzuentwickeln. Genau das tun wir. Man braucht dazu ein Spektrum aus der Zivilgesellschaft, das uns hierbei berät. Auch das findet statt. Und es braucht zuvorderst ein Höchstmaß an Transparenz und Regeln sowie die Möglichkeit für jeden und jede, der oder die sich ungerechtfertigt gesperrt sieht, in einem Gegenvorstellungsverfahren wiederum seine oder ihre Argumente vortragen zu können. Und dann braucht es wieder Transparenz, um das Ergebnis dieses Gegenvorstellungsverfahrens öffentlich darzustellen. Genau das werden wir im Rahmen der Novellierung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes, das hoffentlich im April abgeschlossen sein wird, tun. Ich freue mich auf die weiteren Diskussionen und Debatten hier im Hause. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Carsten Müller das Wort.
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Matern von Marschall CDU/CSU
Matern
von Marschall
CDU/CSU
Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind hier um kurz vor Mitternacht zusammengekommen – nach einem 15‑stündigen Sitzungstag –, um einen Antrag der Linken zu debattieren. Ich hoffe, das steht in Übereinstimmung mit Ihren Vorstellungen von Arbeitszeit und Gesundheit; jedenfalls ist es ein ernstes Thema. Es geht um die historische Aufarbeitung der deutschen Verantwortung in Namibia. Diese Verantwortung ist groß, und Deutschland nimmt sie sehr ernst. Ihr Antrag trägt den Titel „Versöhnung mit Namibia“. Das ist an sich erst mal gut. Ich will nachher noch beleuchten, ob Sie das auch wirklich meinen. Im Jahr 2015 wurden unter dem seinerzeitigen Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier Sonderbeauftragte, nämlich der vormalige Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses Ruprecht Polenz auf deutscher Seite und Dr. Ngavirue auf namibischer Seite, eingesetzt, um diesen strukturierten politischen Dialog zur Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit – der dunklen kolonialen Vergangenheit – gemeinsam auf den Weg zu bringen. Ich betone „gemeinsam“; das ist ein Dialog der Regierungen. Von namibischer Seite steht er allen beteiligten und insbesondere den betroffenen Gruppen offen; es machen aber nicht alle Gruppen mit. Ich würde diejenigen – das richte ich jetzt mal an die Fraktion Die Linke –, die im Moment nicht dabei sind, sehr ausdrücklich bitten und ermutigen und ermuntern, sich dort, nämlich unter dem Dach der Regierung, die allen betroffenen Gruppen offen gegenübersteht, einzufinden und an diesem Dialog teilzunehmen. – Sie wollen nicht. – Ich kann Ihnen mal Folgendes sagen: Es geht – auch in Ihrem Antrag – um die Unterscheidung zwischen dem, wovon wir überzeugt sind, nämlich dass es sich um eine politisch-moralische Angelegenheit handelt, und der Tatsache, dass Sie und auch Herr Rukoro weiterhin vollkommen ohne jede Chance und auch ohne jede Berechtigung von einem rechtlichen Prozess sprechen. Zum dritten Mal ist vor einem New Yorker Gericht die Klage abgewiesen worden – nicht nur wegen der Immunität der Staaten, sondern offensichtlich auch wegen der Unbegründetheit dieses Antrages, insbesondere wegen des Rückwirkungsverbotes in Bezug auf die UN-Völkermordkonvention von 1948. Ihr Partner – wenn ich Herrn Rukoro so nennen darf – sagt – ich zitiere jetzt mal aus dem, was ich den Medien entnommen habe –: „… der Krieg geht weiter …“. Ich bin nicht ganz sicher, ob es mit der Terminologie „… der Krieg geht weiter …“ gelingt, Versöhnung zu stiften. Insofern bitte ich Sie sehr herzlich, diesen Herrn Rukoro dort einmal einzubinden. Ich hoffe, dass wir diesen Dialog nach unterdessen neun Verhandlungsrunden vielleicht noch vor den Wahlen in Namibia im November dieses Jahres erfolgreich abschließen können. Es wird an eine Stiftung für Erinnerungskultur gedacht. In anderen Teilen Deutschlands – namentlich zum Beispiel von der grünen Wissenschaftsministerin in Baden-Württemberg, Theresia Bauer – sind übrigens schon wichtige Initiativen auf den Weg gebracht worden, etwa die Rückgabe der Bibel von Hendrik Witbooi – das liegt wenige Tage zurück –, die dort mit großer Aufmerksamkeit zur Kenntnis genommen wurde. Ich glaube, diese Rückgabe ist ein sehr wichtiger symbolischer Schritt gewesen, so wie übrigens auch die Rückgabe in einem noch viel sensibleren Bereich, nämlich die Rückgabe menschlicher Gebeine. Wir wollen uns mit dieser Stiftung für Erinnerungskultur auf einen gemeinsamen Weg machen, um ein gemeinsames historisches Verständnis und auch eine gemeinsame Sprache über das Geschehene – auch das schreckliche Geschehene –, für das Deutschland Verantwortung zu übernehmen hat, zu finden. Das ist ein wichtiger Weg. Ich glaube, wir können dazu vieles tun, beispielsweise – das ist auch vorgesehen – den Austausch zwischen Parlamentariern und auch den Austausch zwischen jungen Menschen zu fördern. Ich selber bin im Parlament Vertreter des Deutsch-Französischen Jugendwerkes. Wir haben in diesem Zusammenhang jahrzehntelange sehr gute und wertvolle Erfahrung zur Aussöhnung gefunden. Ich denke, diese Analogie können wir dorthin übertragen. Der Austausch junger Menschen ist sicher ein ganz wichtiger Punkt. Schauen wir auf schon bestehende Initiativen. Ich will nur eine nennen, nämlich das Schuldorf Otjikondo, einen vormaligen Besitz aus der Familie von Trotha, von der die schrecklichen Taten auch herrühren. Dort ist eine Grundschule eingerichtet worden, an der 250 Kinder erfolgreich unterrichtet werden. Sie gehört zu den besten Grundschulen im ganzen Land. Das sind beispielhafte Projekte nicht nur historischer Versöhnung, sondern auch mit Blick in die Zukunft, der unsere gemeinsamen Beziehungen stärkt. Ich finde, daran sollten wir zusammen weiter arbeiten, alle zusammen. Selbstverständlich werden wir Ihren Antrag ablehnen. Sie können dem zuvorkommen – das hielte ich für sinnvoller –, indem Sie ihn zurückziehen und diejenigen, mit denen Sie zusammenarbeiten, auffordern, unter dem Dach der namibischen Regierung den Versöhnungsdialog weiter auf guten Weg zu bringen, damit wir erfolgreich zu einem Abschluss kommen, vielleicht noch vor den Wahlen im November dieses Jahres. Herzlichen Dank. Vielen Dank, Herr Kollege. – Als nächster Redner spricht zu uns der Kollege Dietmar Friedhoff, AfD-Fraktion.
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Doris Achelwilm DIE LINKE
Doris
Achelwilm
DIE LINKE
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Anwesende! Blutspenden retten Leben. Sie müssen absolut sicher und möglichst ohne Diskriminierung ablaufen. Auf der Achse der Diskriminierungsfreiheit ist noch deutlich Luft nach oben. Lange waren schwule und bisexuelle Männer kategorisch von der Blutspende ausgeschlossen. Nach einer Aufforderung durch den Europäischen Gerichtshof, weniger pauschale und belastende Methoden des Gesundheitsschutzes zu prüfen, wurde die Blutspenderichtlinie der Bundesärztekammer überarbeitet, allerdings nur sehr fadenscheinig und formal. Männer, die Sex mit Männern haben, dürfen in Deutschland seit 2017 nach einjähriger Abstinenz Blut spenden. Diese Fortsetzung der alten Grenzziehung stößt Betroffene, die helfen wollen, verständlicherweise vor den Kopf und ist so nicht länger haltbar. Es geht auch anders, ohne dass dadurch die nötige Sicherheit von Blutprodukten beeinträchtigt wäre. Diverse Länder in Europa praktizieren hier eine Rückstellungsfrist von drei Monaten. Dänemark und Frankreich planen eine Dauer von vier Monaten. Bestimmte Fristen sind auch notwendig, um das diagnostische Zeitfenster von sechs Wochen zum Nachweis einer HIV-Infektion einzuhalten. Eine exklusive Sonderausschlusszeit von einem Jahr hingegen ist lebensfremd und nicht notwendig. Die Richtlinie Hämotherapie gehört in diesem Sinne geklärt: Wie genau müssen wir mit mehr Zeit und vielen Sachverständigen prüfen und diskutieren? Dass die medizinische Beurteilung zur sicheren Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen bestimmten Risikogruppen gegenüber auf recht fragwürdigen Grundlagen beruht, zeigt sich insbesondere auch beim Ausschluss transgeschlechtlicher Menschen. Sie unterstellt neben beruflichen Vorlieben, dass Transpersonen gesundheitlich immer mit einer gewissen Vorsicht zu betrachten sind, was völlig absurd ist. Noch mal zur Erinnerung: Eine Person mit sexuellem Risikoverhalten ist bereits durch bestehende Ausführungen von der Blutspende ausgeschlossen. Eine doppelte Markierung schafft nicht automatisch mehr Sicherheit, aber bestätigt definitiv Vorurteile auf Kosten der so markierten Menschen. Das passiert dann ganz konkret: Den Blutspendefragebogen mit diesen Ausführungen lesen alle, die ihn beim Spenden gewissenhaft ausfüllen, und ich denke, dass es außer den direkt Betroffenen gesellschaftliche Mehrheiten gibt, die sich hier klare diskriminierungs- und widerspruchsfreie Kriterien wünschen. Verantwortung beim Blutspenden tragen Menschen ohnehin nicht aufgrund ihrer sexuellen Orientierung, die so oder so gelebt werden kann, sondern aufgrund ihres individuellen Risikoverhaltens. Die Richtlinie sollte diesen Grundsatz stärken und nicht Vorurteile reproduzieren. Zur Abwägung und Klärung offener Fragen sind Gesetzgeber und Exekutive also auch aus unserer Sicht gefordert. Die Aufgabe sollte nicht allein einer wissenschaftlichen Fachebene überlassen werden, auch wenn Einvernehmen mit dem Paul-Ehrlich-Institut als zuständiger Bundesoberbehörde selbstverständlich herzustellen ist. Nichts spricht dagegen, dass wir uns jetzt in Ausschüssen mit der nötigen wissenschaftlichen Beratung, demokratisch legitimiert, transparent und unter Einbeziehung zivilgesellschaftlicher Gruppen dafür einsetzen, dass Blutspenden auf jeder Ebene optimal geregelt sind. Im Gegenteil: Vieles spricht dafür. Vielen Dank. Vielen Dank, Doris Achelwilm. – Nächster Redner: für Bündnis 90/Die Grünen Sven Lehmann.
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Klaus Stöber AfD
Klaus
Stöber
AfD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich muss mich schon wundern über die Äußerungen, die bisher zu diesem Gesetzentwurf getroffen wurden. Wir können froh sein, dass die Landwirte zu dieser Tageszeit arbeiten müssen und das nicht hören müssen; sie würden sich sonst wahrscheinlich aus lauter Verzweiflung vor den Mähdrescher werfen. Wenn man hier sagt, man vertritt die Interessen der Landwirtschaft, und sie gleichzeitig mit 95 Millionen Euro neu belastet, passt das, glaube ich, nicht so ganz zusammen. Herr Kollege Görke, Sie hatten in der letzten Woche angemerkt, unsere Fraktion würde EU-Bashing betreiben. Das kann ich so natürlich nicht bestätigen. Ich denke, die EU hat genug Aufgaben, die sie eigentlich erfüllen könnte, zum Beispiel im Wirtschaftskampf mit Russland, den USA oder China. Aber sie konzentriert sich zu unserem Leidwesen darauf, uns mit Bürokratie zu belasten und insbesondere den Landwirten das Leben schwer zu machen. Vielleicht sollte der eine oder andere mal den Eid verinnerlichen, den Kanzler, Minister oder wir als Bundestagsabgeordnete geleistet haben: zum „Wohle des deutschen Volkes … seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden“. Da steht nichts von Europa. Aber wir wollen heute nicht über Europa sprechen, sondern wir wollen uns über die Fakten unterhalten. Ich hatte schon in der letzten Woche in meiner Rede bemängelt, dass das Tempo, mit dem das Gesetz verabschiedet wird, unangemessen hoch ist; in der Sachverständigenanhörung am Montag war das das Hauptthema. Am 4. November wurden die Verbände angeschrieben. Am 5. November mussten sie schon eine Stellungnahme abgeben, also innerhalb von 24 Stunden. Die mündliche Anhörung erfolgte am 15. November, und heute, am 18. November, soll der Gesetzentwurf bereits verabschiedet und am 1. Januar 2022 in Kraft treten. Da das ein landwirtschaftliches Thema ist, könne man salopp sagen: Das Gesetz soll im Schweinsgalopp durch die Gremien gepeitscht werden. Wenn ich dann im Entwurf lese, dass die internen Kosten der Unternehmen bei der Umsetzung in 180 000 Fällen bei 170 000 Euro liegen sollen, muss ich schon lachen. Das kann nur jemand geschrieben haben, der von der Praxis keine Ahnung hat. Eine solche Gesetzesänderung löst natürlich einiges aus. Die Rechnungslegung muss geändert und die Buchführungsprogramme müssen angepasst werden, es müssen Verträge bezüglich der neuen Umsatzsteuer teilweise rückwirkend geprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Vielleicht muss sogar externe Beratung herangezogen werden. Das alles in drei Minuten für 1 Euro pro Fall! Das ist schon sehr realitätsfremd. Deshalb haben wir einen Änderungsantrag eingebracht, der vorsieht, dass diese Änderung nicht zum 1. Januar 2022, sondern erst zum 1. Juli 2022 in Kraft treten soll. Das würde auch mit dem abweichenden Wirtschaftsjahr, welches die meisten Landwirte anwenden, konform gehen. Das würde gleichzeitig die Möglichkeit eröffnen – das war der zweite Kritikpunkt in der Anhörung am Montag –, dass die Berechnungsgrundlage des Durchschnittssatzes angepasst wird; denn es können nur die Unternehmen einbezogen werden, die unter 600 000 Euro Umsatz pro Jahr liegen. Das ist im Moment nicht der Fall. Meine Damen und Herren, ich weiß, bei Anträgen der AfD ist man meist skeptisch. Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Kollege. Der letzte Satz. Danke. – Aber es geht hier nicht um Migration oder Corona, es geht hier um unsere Landwirte. Deswegen bitte ich, dem Änderungsantrag aus Realitätsgründen zuzustimmen. Vielen Dank. Für die Fraktion Die Linke erhält das Wort der eben angesprochene Kollege Christian Görke.
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Gyde Jensen FDP
Gyde
Jensen
FDP
Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was im April galt, Herr Braun, das gilt immer noch. Dieser Antrag der AfD-Fraktion ist nichts als ein Feigenblatt für Ausgrenzung von Religionsgemeinschaften. – Die Spaltung kommt noch, Herr Gauland. Christenverfolgung wird in Ihrem Antrag einseitig als Problem islamischer Staaten deklariert. Damit zerstören Sie das Prinzip der Gleichwertigkeit aller Glaubensgemeinschaften. Meine Damen und Herren, in diesem Antrag steht, dass Christen geschützt werden sollen. Dem stimmen wir als Freien Demokraten natürlich definitiv zu. Die Wirkung des Antrags der AfD-Fraktion ist allerdings eine ganz andere. Religionen werden hier gegeneinander ausgespielt. Das ist Ihr Ziel. Unser Ziel ist das nicht. Wer Religionen gegeneinander ausspielt, schadet allen Religionen – auch dem Christentum. Für die AfD-Fraktion geht es bei diesem Thema nicht um den Schutz vor Verfolgung; es geht um die Ausgrenzung von Muslimen. Genau so verstehen Sie eben auch Menschenrechte: Für die einen gelten sie ein bisschen mehr, für die anderen ein bisschen weniger. Im Gegensatz zu Ihnen bin ich fest davon überzeugt, dass uns in diesem Hohen Hause gerade der Glaube an die Gültigkeit der Menschenrechte und daran, dass diese für alle gleichermaßen gelten, einen sollte. Wenn ich Ihren Antrag lese, muss ich feststellen: Sie scheinen das Konzept von Menschenrechten vorsätzlich falsch verstehen zu wollen. Als Vorsitzende im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe habe ich schnell eines gelernt: Die Art, wie Sie Politik machen, hat Methode. Was Sie machen, ist eigentlich nichts anderes als gesellschaftliche Brandstiftung. Ich möchte Ihnen gern noch mal erklären, warum das so ist. Im politischen Streit darf es nie um das Ob von Menschenrechten gehen. Niemand in diesem Haus darf ernsthaft die These aufstellen, dass Menschenrechte für bestimmte Gruppen mehr oder weniger gelten. Es gibt keine Menschenrechte light. Es gibt auch keine Menschen erster und zweiter Klasse. Ihr Auftreten an dieser Stelle ist ein ausgewiesenes Beispiel für die Demagogie, die Sie in die Gesellschaft tragen wollen. Das hat auch nichts mit schlechter Kinderstube zu tun. Vielmehr entscheiden Sie sich bewusst für Provokation um jeden Preis. Wir müssen hier viel mehr darüber reden, wie Menschenrechte zur Geltung gebracht werden können. Da ist noch viel zu tun: international, national. Doch während wir hier über die Akzeptanz von Vielfalt sprechen, versuchen Sie nur – und jetzt kommt es, Herr Gauland –, zu spalten. – Sie können gerne Bullshit-Bingo spielen; es ist trotzdem wahr. – Menschenrechte sind nicht an Bedingungen geknüpft. Sie müssen nicht verliehen werden. Sie sind für alle gleich, und sie sind unveräußerlich. Das hat Herr Gehring von den Grünen ebenfalls gesagt. Genau aus diesem Grund fordert das Grundgesetz nicht: Die Würde des Menschen darf nicht angetastet werden. Vielmehr steht dort: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Jeder, der Menschenrechte anrührt, verletzt sie. Zu Menschenrechten kann man daher auch keine Meinung haben. Entweder man achtet sie und liegt richtig, oder man achtet sie nicht und liegt falsch. Der Deutsche Bundestag sollte auf dem Boden der Verfassung, auf dem Boden von Rechtsstaatlichkeit ein Zeichen gegen jedwede religiöse Gewalt setzen. Wir sind in der einzigartigen Position, so viel für Menschenrechte tun zu können – für den Schutz von Leben, für Religionsfreiheit, für Freiheit und Menschenrechte weltweit. Mit diesem Antrag machen Sie von der AfD-Fraktion sich zu einer unheiligen Sammlung von Biedermännern und Brandstiftern. Das ist ein Buch von Max Frisch. Das sollten Sie vielleicht auch mal lesen. Vielen Dank. – Nächster Redner ist Sebastian Brehm für die Fraktion CDU/CSU.
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Holger Mann SPD
Holger
Mann
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ob die Ionen- und Elektronenquellen am Leibniz-Institut für Oberflächenmodifizierung oder auch die Kühlkammern oder die DNA-Sequenzierer mit Bioproben am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie – an der Stelle sei gesagt, Herr Jarzombek, weil Sie den Nobelpreis jemand anderem zugesprochen haben, es war Swante Pääbo, der die Forschung leistete, die ihm den Nobelpreis einbrachte und damit sicherlich auch dem Max-Planck-Institut; an dieser Stelle noch einmal herzlichen Glückwunsch an ihn und die Forschungsorganisation –, ob im Gewächshaus des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung, ob im Lesesaal der Deutschen Nationalbibliothek oder auch in ihrem Archiv, überall brauchen Forscher und Wissenschaftler Energie, um ihre Arbeit fortzusetzen, oder auch nur, um die Forschungsgegenstände konservieren zu können. So wie an diesen vier Forschungsinstitutionen im Nordosten von Leipzig steigen gerade in ganz Deutschland die Kosten für Strom und Wärme. Kurzum: Natürlich ist auch die Wissenschaft stark betroffen und braucht Unterstützung in der Energiepreiskrise. Deshalb sage ich deutlich: Die SPD steht dafür, dass Forschungseinrichtungen von der Gaspreis- und Strompreisbremse profitieren. Die SPD-Bundestagsfraktion hat dies bereits am 2. September in ihrem Positionspapier „Die Krise gemeinsam und solidarisch meistern“ beschlossen. Nach den folgenden Koalitionsbeschlüssen ist die Gaspreis- und Strompreisbremse nun in Vorbereitung, und das ist wirklich gut. An der Stelle sei schon einmal gesagt, auch wenn uns das morgen noch einmal beschäftigen wird: Wir alle können morgen im Bundestag mit dem Beschluss zum Wirtschaftsstabilisierungsfonds selbst einen Beitrag dazu leisten, dass dies schnell auf den Weg kommt. Ich bin zudem dankbar, dass gerade erst am Dienstag bei acatech der Bundeskanzler Olaf Scholz eindeutig klargemacht hat: Natürlich fallen auch die Forschungseinrichtungen unter die Regelungen der Gaspreis- und zukünftigen Strompreisbremse. Und wenn bisher schon galt „You will never walk alone“, gilt jetzt erst recht „You will never do research on your own“. Die Wissenschaft ist also weder von der Wirtschaft noch von der Gesellschaft entkoppelt und kann sich daher darauf verlassen, dass wir die Energiepreiskrise gemeinsam und solidarisch bewältigen. Die Bundesregierung bereitet deshalb die systemische Unterstützung per Gaspreis- und Strompreisbremse vor, und das halte ich auch für richtig, weil viele Einzellösungen uns zu viel Zeit kosten werden. Das ist der richtige Ansatz. Ich finde auch, die Voraussetzungen dafür, dass dies schnell bei Forschungseinrichtungen ankommt, sind gegeben. Die meisten Forschungsinstitute haben einen großen Energiepreisanbieter mit langfristigen Verträgen. Das Andocken an die Gaspreis- und Strompreisbremse ist also im Vergleich relativ einfach zu realisieren, wie auch bei großen Industrieunternehmen. Zudem handelt es sich hier nicht um gewinn-, sondern um gemeinwohlorientierte Einrichtungen. Es muss also auch niemand befürchten oder gar unterstellen, dass subventionierte Energie weiterverkauft wird. An dieser Stelle, glaube ich, ist dieses Instrument geeignet, um die Energiekostensteigerungen abzufangen. Darüber hinaus – das haben Sie ja gerade auch noch einmal gewürdigt – haben sich Bund und Länder im Pakt für Forschung und Innovation langfristig zu kontinuierlichen Mittelaufwüchsen der Forschungsgemeinschaften verpflichtet. Da sei zumindest gesagt: Die vier großen Forschungsgemeinschaften haben aktuell mehrere 100 Millionen Euro Rücklagen, und – wir können das ja auch einmal stolz sagen – sie haben auch das Know-how und das Personal, um weitere Effizienzgewinne zu heben. Für die SPD kann ich zudem sagen: Wir erwarten von der GWK am 3. November weitere Einigungen zwischen Bund und Ländern für die finanzielle Unterstützung des gesamten Wissenschaftssystems. Herr Jarzombek, ich halte bei allem notwendigen Problembewusstsein und bei aller Krisenbekämpfung nichts von Panikmache. Um Existenzbedrohung, wie in Ihrem Antrag formuliert, geht es derzeit wirklich in anderen Bereichen. Dennoch gebe ich Ihnen an einer Stelle recht: Das BMBF wird den Dialog mit den unterschiedlichen Forschungseinrichtungen stärker führen müssen, insbesondere was die Risikovorsorge für den Fall einer Stromnotlage angeht. Ich will zum Schluss zumindest noch kurz darauf hinweisen, dass wir neben all den institutionellen Vorkehrungen auch auf individueller Ebene mit mehreren Entlastungspaketen schon einiges getan haben; konkret mit dem Heizkostenzuschuss I und ab heute auch mit dem Heizkostenzuschuss II – hoffe ich doch –, mit der Einmalzahlung, mit der BAföG-Erhöhung oder dem neuen Notfallmechanismus. Direkte finanzielle Unterstützung gibt es darüber hinaus auch für Lernende und Forschende. Und – das will ich hier festhalten – wir werden im Verbund mit den Ländern alles Notwendige tun, um den Betrieb der Bildungs- und Forschungseinrichtungen zu sichern und damit die Zukunft unseres Landes und unserer Wissenschaft. Danke schön. Der nächste Redner für die AfD ist Dr. Marc Jongen.
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Carsten Müller CDU/CSU
Carsten
Müller
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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich das Fazit meiner Rede gleich vorwegnehmen: Die FDP hätte bei ihrem Credo der momentanen Legislaturperiode bleiben sollen: besser kein Gesetzentwurf als ein grottenschlechter Gesetzentwurf. Dann wäre uns vieles erspart geblieben. Schon in Ihrer Grundannahme, die Ihrem Vorspann zu entnehmen ist, laufen Sie in die Irre. Ich zitiere: Eine öffentliche Diskussion wie in einem Gesetzgebungsverfahren, in dem alle Positionen zu Wort kommen und Bedenken und Verbesserungsvorschläge vorgebracht werden können, findet nicht statt. In der unmittelbar vorlaufenden Debatte rühmte sich Ihr Fraktionsvorsitzender, dass Sie in vielen Debatten irrsinnig gute Vorschläge eingebracht hätten. Da müssen Sie sich mal entscheiden: Gab es die Debatten, oder gab es sie nicht? Sie schreiben Unsinn, und diese Irreleitung erklärt auch Ihren abenteuerlichen Gesetzentwurf, meine Damen und Herren. Ich will Ihnen ein paar Beispiele geben: 435 Minuten – es ist genannt worden – diskutieren wir in dieser Woche über das Thema. Es gab 8 Aktuelle Stunden, 285 Anträge, mehr als 500 Kleine Anfragen, mehr als 1 500 schriftliche und 300 mündliche Fragen an die Bundesregierung, 6 Regierungserklärungen, 12 Regierungsbefragungen. Das Protokoll des Bundestages weist das Wort „Corona“ im letzten Jahr über 5 400-mal aus. Und – noch viel wichtiger – es gab 52 Gesetzgebungsverfahren, davon die meisten von der Koalition – sie sind auch die besten – sowie einige wenige von der Opposition, die keine Mehrheit gefunden haben. 52 Gesetzgebungsverfahren! In unterschiedlichen Ausschüssen und Expertenanhörungen wurde das Thema diskutiert. Meine Damen und Herren, was mich besonders erschreckt: Ihre Ausführungen in Ihrem vorgelegten Gesetzentwurf – der passt übrigens auf eine DIN-A6-Seite in ausreichend großer Schrift – sind nicht nur irreführend, sondern auch unredlich. Sie sind deswegen unredlich, weil sie ein bewusst falsches Bild zeichnen, und das kennt man eigentlich nur von Ihren Sitznachbarn zur Rechten. Sie stellen sich dort in eine Reihe. – Sie kommen ab und zu mal mit rechts und links durcheinander. – Richtig ist allerdings, dass in diesem Haus kein Thema so intensiv wie das Coronathema im vergangenen Jahr und wahrscheinlich in der gesamten Geschichte des Bundestages diskutiert worden ist. Meine Damen und Herren, ich finde es auch unredlich, dass Sie die Abstimmungen zwischen Bund und den Ländern kritisieren und diskreditieren wollen. Meine Damen und Herren, auf Basis der jeweils von den Parlamenten im Bund und in den Ländern beschlossenen gesetzlichen Rahmen sind genau dort, wo die Exekutive zum Handeln beauftragt ist, die Maßnahmen eingeleitet und verabschiedet worden. Jede der einzelnen Entscheidungen ist parlamentarisch kontrolliert und legitimiert. Wer etwas anderes behauptet – und das machen Sie –, legt die Axt an unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung. Meine Damen und Herren, Sie schreiben im Übrigen von bundeseinheitlichen Beschlüssen, die die Bundesregierung herbeizuführen beabsichtigt. Ich frage Sie: Was außer bundeseinheitlichen Beschlüssen soll die Bundesregierung denn sonst anstreben? Das zeigt schon mal, dass Sie sich auch in Ihren eigenen Texten vollkommen verheddert haben. Meine Damen und Herren, ein Parlament muss nicht jeder Einzelmaßnahme der Exekutive, einer Regierung zustimmen. Die Kollegin der SPD hat es richtigerweise gesagt: In den Landesregierungen, in denen die FDP beteiligt ist – es ist zugegebenermaßen eine überschaubare Anzahl –, passiert das überhaupt nicht. Sie werden Ihren eigenen Ansprüchen überhaupt nicht gerecht. Meine Damen und Herren, wir haben den Gesetzentwurf sorgfältig gelesen. Das ging ja relativ schnell; bei intensiver Befassung mit Ihrem Gesetzentwurf braucht man etwa 15 Sekunden, um ihn vollständig durchzulesen. Sie werden Ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht. Wir werden den Ansprüchen gerecht. Ein gutes Beispiel ist das Verfahren zum Dritten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite. Nur am Rande – das ist einmal kurz erwähnt worden –: Sie wollten bereits feststellen lassen, dass es diese pandemische Lage nicht mehr gibt. Das zeigt: Sie sind staatsorganisatorisch und inhaltlich komplette Irrläufer. Erschreckend! Und, meine Damen und Herren, Ihnen ist offensichtlich – das wundert mich bei Ihnen, Dr. Buschmann – das Thema der Gewaltenteilung vollkommen abhandengekommen. Ich konzediere: Sie zeigen häufig eine ganz gute Präzision in Ihren Ausführungen. Davon ist bei Ihnen nichts mehr zu finden. Das Parlament kontrolliert die Regierung, es ersetzt nicht die Regierung! Ihrem Gesetzentwurf wohnt doch eines inne: der tiefe Schmerz, vor etwas über drei Jahren eine ähnlich irrsinnige Entscheidung getroffen zu haben wie mit diesem Gesetzentwurf, der heute zur Abstimmung steht. Meine Damen und Herren, ich will das Thema der Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung nicht noch ansprechen. Aber – das finde ich bemerkenswert – Sie erfreuen sich der Unterstützung der Linkspartei. Glückwunsch dazu! Sie sind endgültig in der politischen Candy-Crush-Liga angekommen. Vielen Dank. – Das Wort geht an Stephan Brandner von der AfD-Fraktion.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! An den Sana-Kliniken sieht man wunderbar, was alles schiefläuft im deutschen Gesundheitssystem, und dass der Staat nicht die Lösung ist, sondern die Ursache des Problems. Während zu normalen Zeiten maximal ein paar Hundert Krankenhausbeschäftigte in Kurzarbeit sind, sind es in diesem Lockdown 10 000; im ersten Lockdown waren es gar 60 000. Das liegt schlicht daran, dass die Regierung das ganze Gesundheitssystem hysterisch auf die Bekämpfung einer einzigen Krankheit ausrichtet, obwohl viel mehr Menschen an anderen Krankheiten sterben. Ganze Abteilungen oder gar Kliniken werden geschlossen, Reha- und Vorsorgetermine verschoben und Behandlungen gestrichen oder gekürzt. Service und Patientennähe sind gerade nicht gefragt. Die passen nicht in die Hysterie. Da ist es nur konsequent, dass die Sana-Kliniken über 1 000 Stellen im Servicebereich streichen. Liebe Sana-Mitarbeiter, Sie werden arbeitslos, weil die Bundesregierung Ihre Arbeit nicht wertschätzt. Die Fokussierung der Regierung nur auf Corona kostet nicht nur Tausende Arbeitsplätze, sondern sie schädigt auch die Gesundheit von Millionen Menschen. Unzählige Menschen erkranken psychisch schwer durch den Lockdown, und die Entwicklungsschäden bei Millionen Kindern durch Panikmache und soziale Isolation sind katastrophal. Experten sagen uns, dass 20 000 Menschen zusätzlich an Krebs sterben werden, weil durch den Lockdown Vorsorgeuntersuchungen verschoben wurden. 240 000 Menschen, also die Einwohnerzahl eines kompletten Bundestagswahlkreises, sterben jedes Jahr an Krebs. Wo ist das konsequente politische Vorgehen gegen Krebs? Wo sind die Politiker, die eine Kerze für diese vielen Toten anzünden? Es gibt sie nicht, weil Sie nur dann Trauer heucheln, wenn es Ihnen politisch nutzt. Ihre Politik hat dafür gesorgt, dass in großen Teilen des medizinischen Bereichs nicht die Gesundheit der Patienten im Vordergrund steht. Sie machen Deutschland zur gesundheitspolitischen Servicewüste. Ein Beispiel: Obwohl sich die Zahl der Geburten in Deutschland in den letzten 30 Jahren kaum geändert hat, wurde die Zahl der Geburtskliniken halbiert. Selbst in der angeblichen Pandemiebekämpfung stellen Sie völlig falsche Weichen. Seit März letzten Jahres wissen wir aus China, dass zu frühe invasive Beatmung für Coronapatienten tödlich ist. Darauf weist auch der oberste deutsche Lungenfacharzt Thomas Voshaar hin. Und die Daten aus Krankenhäusern zeigen uns auch schon lange: Dort, wo frühzeitig invasiv beatmet wird, ist die Todesrate um ein Vielfaches höher als dort, wo nur im äußersten Notfall invasiv beatmet wird. Und was machen Sie? Sie setzen einen fetten fünfstelligen Betrag pro Patient als Anreiz für die Krankenhäuser, frühzeitig invasiv zu beatmen. Ihre Politik tötet Menschen. Ihre Politik macht Menschen arbeitslos, und sie schürt Hysterie. Seit Juli letzten Jahres gibt es keinen Anstieg bei den Intensivpatienten. Die Zahl ist über die ganzen Monate hinweg konstant. Das Bundesgesundheitsministerium selbst sagte wortwörtlich: Im Jahresdurchschnitt waren 4 Prozent aller Intensivbetten mit Coronapatientinnen und ‑patienten belegt. – Da die Auslastung der Betten übers Jahr hinweg konstant ist, Sie aber Hysterie schüren wollen, sorgen Sie für eine Abnahme der Zahl der freien Betten. Mit dem § 21 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes bekommen Krankenhäuser deutlich mehr Geld, wenn sie zumindest zu 75 Prozent oder 85 Prozent ausgelastet sind. Sie haben einen finanziellen Anreiz dafür geschaffen, dass Krankenhäuser freie Kapazitäten abbauen. Die Sana Kliniken suchen übrigens trotzdem händeringend Personal, nämlich als Pflegekräfte. Und obwohl der Pflegemangel seit Jahren bekannt ist, versagt die Politik auch hier. Wo bleiben denn die Maßnahmen, um Pfleger und Intensivpfleger zu gewinnen und langfristig zu halten? Wo bleibt die Aufstockung der Kapazitäten? Wo bleibt die Rettung von Menschenleben, indem man Krankenhäusern Anreize schafft, erst dann invasiv zu beatmen, wenn es gar keine andere Möglichkeit mehr gibt? All diese Maßnahmen gibt es nicht, und ich kann Ihnen auch sagen, warum es sie nicht gibt: weil für Sie nicht die Gesundheit der Menschen im Vordergrund steht, sondern nur die eigene Profit- und Machtgier. Wir müssen diesen gesundheitspolitischen Irrweg beenden. Es muss endlich wieder das Wohl der Patienten im Vordergrund stehen. Dann ist auch wieder Platz für ausreichend Servicemitarbeiter im Gesundheitswesen. Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Martina Stamm-Fibich, SPD-Fraktion.
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Dr.
Dr. Eva Högl SPD
Eva
Högl
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich betone es zu Beginn noch einmal: Wohnen ist nicht weniger als ein Menschenrecht. Deswegen müssen wir alle gemeinsam hier im Deutschen Bundestag, in den Ländern und in den Kommunen alles dafür tun, dass alle Menschen ein Dach über dem Kopf haben. Ich sage es noch einmal: Es geht um alle Menschen. Es geht um die, die hier schon lange leben, und auch um die, die zu uns gekommen sind. Da machen wir keinen Unterschied. Wir machen Wohnungspolitik für alle Menschen. Wohnen ist zu Recht das Topthema. Wir wissen, dass die Lage in Deutschland sehr unterschiedlich ist, aber wir reden hier vor allem über die angespannten Mietmärkte in den Großstädten. Was uns besorgt machen muss – das ist die neue soziale Frage –, ist, dass diese Lage von Vermieterinnen und Vermietern ganz brutal ausgenutzt wird. Deswegen finde ich es absolut richtig – das sage ich für die SPD; wir sind nämlich mitmarschiert –, dass die Menschen auf die Straße gehen. Das war ein sehr gutes und wichtiges Zeichen. Allein in Berlin sind 40 000 Menschen auf die Straße gegangen und haben gesagt: Wir brauchen eine neue Wohn- und Mietpolitik. – Da sind natürlich auch wir gefragt. Für die SPD sage ich klar und deutlich: Wir stehen an der Seite der Mieterinnen und Mieter. Und, liebe Kolleginnen und Kollegen – ich sage das jetzt in Ihre Richtung –, da können wir in der Koalition noch eine Schippe drauflegen. In der Bau- und Mietpolitik können wir nämlich noch eine ganze Menge mehr machen. Ich fange einmal damit an, zu betonen, dass wir beim Bauen eine gemeinsame Kraftanstrengung der öffentlichen Hand und der privaten Investorinnen und Investoren brauchen. Da muss man nicht gegeneinander diskutieren; da sind alle gemeinsam gefragt. Wir sind hier zwar nicht im Berliner Abgeordnetenhaus, aber Berlin ist oft Thema gewesen, und ich glaube, auch in Richtung des Koalitionspartners in Berlin kann man sagen: Wir brauchen auch hier eine gemeinsame Kraftanstrengung, damit wir mehr bezahlbaren Wohnraum in Berlin schaffen. Was wir im Deutschen Bundestag gemacht haben, liebe Kolleginnen und Kollegen, um den sozialen Wohnungsbau zu fördern, ist ein erster wichtiger Schritt. Dafür nehmen wir richtig viel Geld in die Hand, nämlich 5 Milliarden Euro. Was wir auch noch tun sollten, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist, darüber nachzudenken, ob wir nicht mehr gegen den Leerstand tun können, indem wir eine ganz andere Liegenschaftspolitik auf den Weg bringen. Die BImA macht schon jetzt eine andere Liegenschaftspolitik. Aber wir könnten uns, wenn Grundstücke nicht bebaut werden oder wenn Wohnungen leerstehend gelassen werden, auch überlegen, noch stärker die Möglichkeiten zu nutzen, die uns das Baugesetzbuch gibt. In Bezug auf das Mietrecht ist das größte Problem der Preisanstieg, die exorbitant ansteigenden Mieten, die Menschen aus den Kiezen vertreiben, die Kieze völlig verändern und die auch die Gefahr bergen, dass eine Stadt irgendwann nicht mehr bewohnbar ist und es nur noch eine Bewegung zum grünen Stadtrand gibt. Was wir natürlich wollen, ist, dass unsere Innenstädte bewohnt werden, dass hier Leben stattfindet. Für Berlin kann ich sagen: Die Attraktivität unserer schönen Hauptstadt hängt ganz maßgeblich davon ab, dass Menschen im Zentrum von Berlin leben und wohnen, und das wollen wir erhalten. Wir müssen noch mehr machen, um die exorbitanten Preissteigerungen in den Griff zu bekommen. Wir haben die Mietpreisbremse gemeinsam auf den Weg gebracht. Die wollen wir entfristen und weiter schärfen. In Berlin – das ist ein gutes Modell auch für andere Bundesländer – haben wir eine weitere Idee auf den Weg gebracht, nämlich den Mietendeckel; denn in der Zeit, in der neue Wohnungen entstehen, besteht dringender Handlungsbedarf, Mietsteigerungen abzumildern, im wahrsten Sinne des Wortes zu deckeln, damit die Mieterinnen und Mieter ihre Wohnungen nicht verlassen müssen. Ein Hauptthema bei Mietsteigerungen sind Modernisierungen. Da haben wir mit dem neuen Mieterschutzgesetz, das seit 1. Januar gilt, die Umlagen nach Modernisierungen von 11 Prozent auf 8 Prozent gesenkt und auch die wichtige Kappungsgrenze eingeführt. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben hier im Deutschen Bundestag noch eine ganze Menge zu tun; ich habe das schon gesagt. Zum einen müssen wir die Beschlüsse des Wohngipfels umsetzen. Ich bin einigermaßen besorgt, wenn ich höre, dass es daran Zweifel gibt, dass das für uns verbindliche Vereinbarungen sind. Ich hätte heute gerne die Bundeskanzlerin dazu gefragt; das ist ja bei der Befragung Thema gewesen. Ich erwarte, dass wir die Beschlüsse umsetzen. Dazu gehört der Mietspiegel. Dazu gehören natürlich auch das Bestellerprinzip und die Mietpreisbremse. Dazu gehören vor allen Dingen auch Regelungen im Mietrecht, beispielsweise zu den Eigenbedarfskündigungen, die ein großes Problem sind, oder zur Umwandlung von außerordentlichen in ordentliche Kündigungen. Es gibt beim Mietrecht also noch eine ganze Menge zu tun. Ein Satz zum Thema Enteignungen. Auch für uns ist das in der aktuellen Lage keine Lösung der Probleme; aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir von der SPD sind froh, dass es Artikel 15 im Grundgesetz gibt, dass wir grundsätzlich die Möglichkeit haben, mit einer Vergesellschaftung im Wohnbereich tätig zu werden. Wir brauchen nämlich mehr Wohnungen in öffentlicher Hand, wir müssen auch zurückkaufen. Deswegen ist diese Diskussion jedenfalls ein wichtiger Beitrag, auch wenn Enteignungen unsere Probleme im Moment nicht lösen. Ein letzter Punkt – es blinkt schon, aber das ist mir noch wichtig –: Was wir auch gemeinsam machen müssen, ist, Obdachlosigkeit zu verhindern. Viele Menschen haben kein Dach über dem Kopf. Da muss es eine gemeinsame Kraftanstrengung geben. Insofern stelle ich fest: Wir haben noch viel zu tun. Ich würde mich freuen, wenn wir das hier in möglichst großer Übereinstimmung gemeinsam anpacken würden. Vielen Dank. Der nächste Redner für die AfD-Fraktion: der Kollege Udo Hemmelgarn.
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Andreas Mattfeldt CDU/CSU
Andreas
Mattfeldt
CDU/CSU
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister Habeck! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich zum Wirtschaftsstabilisierungsfonds komme, Herr Habeck, möchte ich Ihnen zur Ernennung zum Minister für Wirtschaft und Klimaschutz ganz herzlich gratulieren. Ich habe gehört: Sie haben ein gut bestelltes Haus übertragen bekommen. Wie es sich in einer Demokratie gehört, ist der Übergang sehr professionell vonstattengegangen. Den ersten Gesetzentwurf, den Sie in Ihrer neuen Verantwortung einbringen, betrifft die Fortführung des Wirtschaftsstabilisierungsfonds, den Ihr Vorgänger Peter Altmaier bereits initiiert hat. Sie haben ein paar Anpassungen vorgenommen, die zumindest für mich schlüssig sind, und wollen den Maximalbetrag für Garantien von vormals 400 Milliarden Euro auf 100 Milliarden Euro festlegen. Das kann man machen. Ich glaube, das ist in dieser Phase verantwortbar. Dass Sie dieses Instrument fortführen, ist eine gute Nachricht, insbesondere für die Unternehmen, aber infolgedessen natürlich auch für die Arbeitnehmer, die beide – das dürfen wir mal sagen – in dieser Pandemie vielfach über sich hinausgewachsen sind. Uns war bei der Konstruktion des WSF wichtig, dass wir ein Signal senden, das Signal, dass man sich auf den Staat verlassen kann. Den Unternehmen, die durch die Coronamaßnahmen unverschuldet in Schwierigkeiten geraten sind, musste geholfen werden. Alles andere wäre verantwortungslos gewesen. Deshalb werden wir diesem Gesetzentwurf zum WSF heute selbstverständlich zustimmen. Sehr geehrter Herr Minister, wir sollten nicht vergessen, dass wir ebendiesen finanziellen Kraftakt nur stemmen können, weil wir in den vergangenen Jahren vielleicht nicht alles, aber doch sehr vieles richtig gemacht haben. Sie, Herr Habeck, sind für mich der sechste Wirtschaftsminister, den ich als Haushälter begleite. Ich freue mich auf die anstehenden Haushaltsberatungen mit Ihnen. Ich kann Ihnen versprechen: Wir werden in den kommenden Wochen und Monaten viel miteinander zu tun haben. Ich fand es toll – das darf man vielleicht auch mal sagen –, dass Sie bei Ihrer Antrittsrede im Ministerium gesagt haben, dass das bessere Argument gewinnen soll, und hinzugefügt haben: nur geschlagen von dem noch besseren. Ich kann Ihnen versichern: Sie werden aus den Reihen der Unionsfraktion, auch von mir ganz persönlich, nur noch bessere Argumente hören, die Sie dann hoffentlich aber auch aufnehmen. Ein wenig verwundert war ich allerdings, Herr Minister, dass Ihre anscheinend zweite Amtshandlung erst einmal die Schaffung von 28 neuen hochdotierten Personalstellen hauptsächlich für das Amt des Vizekanzlers war. Da haben Sie fast ein Ministerium im Ministerium geschaffen; das muss man erst mal bringen. Sie befinden sich hier aber – das darf man vielleicht auch mal sagen – in guter Tradition mit einem Ihrer Amtsvorgänger, mit Sigmar Gabriel, der auch sofort nach Amtsantritt für die Vizekanzlerschaft Stellen geschaffen hat. Aber ganz ehrlich: Der war bescheidener als Sie; so opulent hat er das nicht gemacht, und das soll schon was heißen. Übrigens wurde die Zahl der Stellen im Ministerium nie zurückgefahren, sodass Sie nun im Wirtschaftsministerium rein rechnerisch zwei Vizekanzlerabteilungen haben. Das ist schon großartig, wie ich finde. Ich darf an dieser Stelle sagen: Mir machte auch der Stellenaufwuchs bei der vorherigen Regierung große Sorge. – Otto, ich habe schon während der vorherigen Regierungszeit gefordert, dass wir Haushälter vielleicht eine jährliche 1-prozentige Stelleneinsparung ausweisen müssen. Seinerzeit, lieber Otto, gab es da großen Applaus bei euch. Heute ist das anscheinend anders. Herr Habeck, ich würde mich freuen, wenn Sie neben dem sicherlich auch in der Union unumstritten notwendigen Thema Klima nicht vergessen, dass die Industrie, dass das Handwerk, dass der Handel, dass der Tourismus, dass der gesamte Mittelstand das Brot-und-Butter-Geschäft Ihres Hauses ist. Bitte lassen Sie, wenn Sie auf den Klimaschutz schauen, diese wichtigen Bereiche nicht verkümmern. Legen Sie den Unternehmen nicht Fesseln an, sondern entfesseln Sie diese mit Ideenreichtum! Dann wissen Sie die Union, dann wissen Sie mich als Ihren Haushälter und Hauptberichterstatter an Ihrer Seite. In diesem Sinne: Herzlichen Dank! Zu ihrer ersten Rede im Deutschen Bundestag hat nun die Kollegin Verena Hubertz für die SPD-Fraktion das Wort.
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Tabea Rößner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Tabea
Rößner
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kultur-, Sport- und Freizeiteinrichtungen geht es gerade ziemlich schlecht: keine Veranstaltungen, keine Einnahmen. Viele Ticketinhaber unterstützen deshalb bereits jetzt ihr Festival, ihr Theater oder ihren Marathon-Veranstalter, indem sie einen Gutschein statt einer Rückerstattung des Ticketpreises akzeptieren oder sogar ganz darauf verzichten. So bekunden sie ihre Solidarität, und das ist toll. Diese Freiwilligkeit sollten wir unterstützen. Die Koalition will aber alle Menschen verpflichten, Gutscheine anzunehmen. Das wird der individuellen Situation von Verbrauchern und Unternehmen nicht gerecht. Auch viele Verbraucherinnen und Verbraucher sind hart von der Krise getroffen und auf jeden Euro angewiesen. In Ihrem Gesetzentwurf sehen Sie eine Härtefallklausel für den Fall vor, dass die Annahme eines Gutscheins für Verbraucher unzumutbar ist. Was aber ist „unzumutbar“? Das ist total unklar. Daher brauchen wir Regelbeispiele: zum Beispiel von Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit Betroffene. Schülerinnen und Schüler, Studierende oder Azubis müssen pauschal ausgenommen bleiben. Denn die brauchen ebenfalls unsere Unterstützung. Und was ist, wenn das Unternehmen pleitegeht? Dann ist der Gutschein wertlos. Deshalb müssen Sie diese Zwangsgutscheine gegen Insolvenz absichern. Die Rettung der Unternehmen darf nicht einseitig auf Kosten der Verbraucherinnen und Verbraucher gehen. Sie unterscheiden auch nicht nach Art und Größe des Veranstalters. So besteht natürlich die Gefahr, dass alle Unternehmen, egal ob groß oder klein, ihre Kunden mit Gutscheinen abspeisen, unabhängig davon, ob dies für das Überleben des Unternehmens notwendig ist. Daher sollten nur Unternehmen unter die Regelung fallen, die wirklich nicht in der Lage sind, Erstattungsansprüche auszuzahlen. Wir halten freiwillige Lösungen für den besseren Weg. Um es mit den Worten einer Betroffenen aus der Klubszene zu sagen – Zitat –: Gutscheinpflicht ist Mist. – Wir brauchen also statt eines zinslosen Zwangskredits ausgewogene und gerechte Lösungen. Das ist Ihr Vorschlag nicht. Im Gegenteil: Die geplante Regelung könnte sogar nach hinten losgehen, wenn nämlich die Kultur- und Sportinteressierten in Zukunft beim Kauf von Tickets zurückhaltend sind. Das befürchten übrigens auch viele Veranstalter. Ein verlorenes Vertrauen wäre langfristig ein weitaus größerer Schaden für die Branche, und den gilt es wirklich dringend abzuwenden. Wir Grüne wollen die vielfältige Kulturlandschaft natürlich auch retten. Deshalb fordern wir einen Kulturrettungsfonds, der mit Direktzahlungen Kulturschaffende und Veranstalterinnen und Veranstalter zielgenau unterstützt. Kredite gehen an der Lebensrealität der Branche vorbei. Es ist schon unverzeihlich, wie wenig Engagement die Kulturstaatsministerin bei direkten Hilfen für Kultureinrichtungen zeigt. Unsere Vorschläge anzunehmen, wäre ein erster Schritt in die richtige Richtung. Machen Sie diesen Schritt, Frau Staatsministerin! Lassen Sie uns also an Lösungen arbeiten, mit denen wir gerecht, gemeinsam und solidarisch diese Krise bewältigen können! Vielen Dank. Vielen Dank. – Als Nächstes spricht für die Fraktion der CDU/CSU die Kollegin Elisabeth Motschmann.
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Matthias W. Birkwald DIE LINKE
Matthias W.
Birkwald
DIE LINKE
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren Abgeordnete von der AfD! Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht für Sie. Die gute Nachricht: Wir werden Ihren Antrag nicht deshalb ablehnen, weil er von der AfD kommt. Die schlechte Nachricht für Sie: Ich nehme Ihren Antrag ernst. Fangen wir gleich mal an. Die Überschrift lautet: „Sofortmaßnahme Armutsbekämpfung bei Rentnern“. Also, erstens wissen wir alle hier in diesem Haus, dass vor allen Dingen Frauen von Altersarmut besonders betroffen sind. Egal wie hoch der Gender Pension Gap angegeben wird: Frauen sind zu zwei Dritteln diejenigen in Altersarmut, und deswegen müssen wir in erster Linie was gegen die Altersarmut von Frauen tun. Die kommen bei Ihnen aber gar nicht vor. Es ist aber noch schlimmer. Bei Altersarmut geht es um alle Menschen ab 65 Jahren, die arm sind, also auch um Seniorinnen und Senioren. Die finde ich in dem Antrag nicht. Sie beschränken sich auf Rentner. 27 Prozent der Menschen in der Grundsicherung hatten aber nie eine Rente. Das ist schon der zweite Punkt. Dazu sagte der Sachverständige Professor Werding in der Anhörung zu Ihnen: „Im Grunde geht es bei Ihnen“ – der AfD – „nicht um Altersarmut, sondern um die Armut von Rentnern.“ Das, meine Damen und Herren, ist deutlich zu dünne Suppe. In Ihrem Antrag steht, es seien 620 000 Betroffene, die in Altersarmut sind; Pascal Kober hat ebenso verharmlosende Zahlen genannt. In Wirklichkeit sind 18,2 Prozent aller Menschen ab 65 nach den EU-Kriterien arm. 1,7 Millionen Frauen und 1,3 Millionen Männer haben im Monat weniger als 1 136 Euro zum Leben. Das ist Altersarmut – nicht die 814 Euro, von denen hier immer die Rede ist. Dann nehme ich mir mal Ihren wunderbaren Satz auf Seite 2 vor. Zitat: Eine wesentliche Erhöhung der niedrigen Bestandsrenten, sei es durch eine Erhöhung des Rentenniveaus, sei es durch andere Aufwertungsmaßnahmen, ist zumindest nicht zeitnah zu erwarten, so dass sich gegenwärtig zur Abmilderung von Altersarmut ein Handlungsbedarf ergibt. „Abmilderung von Altersarmut“? Sagen Sie mal, geht’s noch? Auf den Straßen und Plätzen dieser Republik tun Sie so, als wenn Sie die großen Systemfeinde wären, aber hier wollen Sie ein bisschen „Abmilderung“ im Hartz-IV-Rentner-System? Da sage ich Ihnen nur: Sie sind als Tiger gestartet und als Bettvorleger gelandet. Das reicht vorne und hinten nicht. Nein, wir müssen die Altersarmut nicht abmildern, wir müssen sie bekämpfen, meine Damen und Herren! Dazu gehören gute Tarifverträge, Allgemeinverbindlichkeitserklärungen, ein gesetzlicher Mindestlohn von 12 Euro und natürlich ein Rentenniveau von 53 Prozent als Prävention, als Prophylaxe. Das brauchen wir. Und: Das Äquivalenzprinzip in der Rentenversicherung hat nichts mit Armutsbekämpfung zu tun. Da geht es um Artikel 1 des Grundgesetzes: Die Würde des Menschen ist unantastbar. – Das müssen wir einhalten und nicht das Äquivalenzprinzip. Viel wichtiger wäre, die Abschläge bei den heutigen und künftigen Erwerbsminderungsrentnerinnen und ‑rentnern zu streichen. Was den Freibetrag, dieses Minireförmchen, angeht: Wenn das durchkommt, was Sie vorschlagen, dann senken Sie das, was morgen bei der sogenannten Grundrente beschlossen werden soll, theoretisch um die Hälfte. Da sage ich im Namen aller armen Rentnerinnen und Rentner: Herzlichen Dank an diese Bundesregierung, wenn sie im Gegensatz zu Ihnen sogar das Doppelte hinkriegt! Setzen, sechs! Danke schön. Der nächste Redner ist für Bündnis 90/Die Grünen der Kollege Markus Kurth.
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Andreas Bleck AfD
Andreas
Bleck
AfD
Werte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Verpackungsgesetzes beinhaltet das sinnloseste umweltpolitische Verbot dieser Legislaturperiode. Das Inverkehrbringen von Kunststofftragetaschen mit einer Wandstärke von weniger als 50 Mikrometern soll verboten werden. Die Bundesregierung begründet das unter anderem mit europarechtlichen Vorschriften und dem Umweltschutz. Keiner der aufgeführten Gründe hält jedoch einer kritischen Betrachtung stand. Tatsache ist: Die EU-Mitgliedstaaten sind verpflichtet, den jährlichen Pro-Kopf-Verbrauch von Kunststofftragetaschen bis 2025 auf höchstens 40 zu reduzieren. So weit, so gut. Durch die freiwillige Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und dem Handelsverband Deutschland konnte der Verbrauch von 2015 bis 2018 von 68 auf 24 Kunststofftragetaschen reduziert werden, also um fast zwei Drittel. Das bedeutet: Die Bundesrepublik Deutschland übererfüllt europarechtliche Vorschriften bereits heute – und das ohne direkten staatlichen Eingriff in den Markt. Damit hat sich die freiwillige Vereinbarung als erfolgreich erwiesen. Statt den Händlern mit ihrem Gesetzentwurf in den Rücken zu fallen, sollte die Bundesregierung ihre Leistung also anerkennen und wertschätzen. In einer Pressemitteilung zum Gesetzentwurf sagte die Umweltministerin – Sie haben es heute auch wiederholt –, dass die Kunststofftragetasche der Inbegriff von Ressourcenverschwendung sei und diese häufig in der Umwelt landen würde. Ganz so einfach, Frau Umweltministerin, ist es nicht. Erstens. Kunststofftragetaschen machen nur einen Anteil von 1 Prozent an den Kunststoffabfällen aus. Zweitens. Es gibt keinen wissenschaftlichen Beweis dafür, dass Kunststofftragetaschen eine größere Rolle bei der Vermüllung der Umwelt spielen. Drittens. Es gibt auch keinen wissenschaftlichen Beweis dafür, dass Kunststofftragetaschen mehr Ressourcen verschwenden als beispielsweise Papiertragetaschen. Stattdessen kommen viele Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass die Ökobilanzen von Kunststofftragetaschen besser sind als die Ökobilanzen von Papiertragetaschen. Die Frage nach den Ökobilanzen ist von entscheidender Bedeutung für ein Verbot bestimmter Tragetaschen; denn durch ein Verbot wird der eigentliche Zweck der Tragetasche ja nicht mit abgeschafft. Die Verbraucher möchten auch in Zukunft Waren sicher und zuverlässig transportieren, und darauf werden die Händler reagieren. Mit diesem Gesetzentwurf ersetzt die Bundesregierung also nur die Kunststofftragetasche durch die Papiertragetasche, und die ist umweltpolitisch eben kontraproduktiv. Und genau deshalb lehnt die AfD den Gesetzentwurf ab. Auch der im Ausschuss vorgelegte Änderungsantrag von CDU/CSU und SPD vermag daran nichts zu ändern. Die Verlängerung der Übergangsfrist auf ein Jahr, damit die Händler ihren Vorrat an Kunststofftragetaschen verbrauchen können, wird in der von Ihnen verschuldeten Lockdown-Krise verpuffen. Einzig und allein der Entschließungsantrag der AfD ist hier konsequent. Wir halten nämlich fest, dass der Gesetzentwurf einen direkten staatlichen Eingriff in den Markt darstellt, der weder mit europarechtlichen Vorschriften noch mit dem Umweltschutz begründet werden kann. Außerdem halten wir darin fest, dass der Gesetzentwurf nicht die Vermeidung, sondern die Substitution stärkt. Daher fordern wir die Bundesregierung auf, ihren Gesetzentwurf einzustampfen. Stattdessen sollte sie die erfolgreiche freiwillige Vereinbarung fortschreiben und eben auch Daten zum Verbrauch von Papiertragetaschen erheben. Werte Kolleginnen und Kollegen, Ihre Umweltpolitik besteht im Wesentlichen nur noch aus Verteuern, Verknappen, Verbieten. Sie lassen sich bei Ihrer Umweltpolitik von der grünen Regulierungs- und Verbotspartei treiben. Die AfD ist die einzige Partei im Deutschen Bundestag, die Mitte und Maß in ihrer Umweltpolitik walten lässt. Wir sind der Anwalt der Bürger, die sich von Ihnen nicht mehr abzocken und einengen lassen wollen. Vielen Dank. Danke schön. – Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Björn Simon.
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Timon Gremmels SPD
Timon
Gremmels
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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jetzt mussten wir am Freitagnachmittag zwei Redner der AfD ertragen, die hier sieben Minuten unserer Zeit geraubt haben, sich sozusagen an allen anderen abgearbeitet haben, aber nicht einen einzigen Vorschlag geliefert haben, wie sie sich vorstellen, wie wir die Konjunktur ankurbeln können – nicht einen Vorschlag! Das ist erbärmlich, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ich hoffe, das haben sehr viele Menschen draußen an den Bildschirmen gesehen. Wir als SPD sagen: Ja, wir müssen aus dieser größten Krise nach dem Zweiten Weltkrieg rauskommen. Wir müssen die Wirtschaft ankurbeln, wir müssen die Wirtschaft unterstützen, und wir müssen hier etwas tun. Wir beschäftigen uns damit heute hier in einer Debatte. Wir hatten schon am Mittwoch eine Diskussion darüber in der Aktuellen Stunde gehabt, die wir als Große Koalition beantragt hatten. Heute sind die Grünen und die FDP dran, und zwar unter der Überschrift „Sozial-ökologische Transformation“. Das kommt mir etwas bekannt vor: Im Berliner Programm aus den 80er-Jahren und im Wahlprogramm 1990 war vom sozial-ökologischen Umbau die Rede; ihr habt ein bisschen abgekupfert und daraus „Transformation“ gemacht. Es sei euch gestattet. Wir wissen also, wie man die Chance nutzt, die Gesellschaft sozial-ökologisch weiterzuentwickeln, meine sehr verehrten Damen und Herren. Und wir haben es auch gemacht. Wir haben es übrigens zusammen gemacht, liebe Grüne, damals in der Regierung Gerhard Schröder/Joschka Fischer. Wir haben gesagt: Wir wollen aus der Atomenergie raus. Wir haben auch gesagt, was wir stattdessen wollen. Wir haben nämlich damals die Energiewende mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz eingeleitet. Gemeinsam haben wir das gemacht, und es war ein echtes Konjunkturprogramm. Wir haben da gute Arbeitsplätze geschaffen. Im Jahre 2013 waren das über 370 000 Arbeitsplätze im Bereich erneuerbarer Energien. Wir haben Bürgerinnen und Bürger mitgenommen, Stadtwerke mitgenommen. Wir haben regionale Wertschöpfung generiert. Wir wissen also, wie man nachhaltig die Energiewende voranbringt, die Wirtschaft ankurbelt und die Menschen mitnimmt, meine sehr verehrten Damen und Herren. Daran können wir anknüpfen. Und ich bin sehr dankbar, dass Svenja Schulze als unsere Umweltministerin hier gute Vorschläge geliefert hat. Denn es geht jetzt darum, die Klimakrise und die Coronakrise eben nicht gegeneinander auszuspielen und sie auch nicht gleichzusetzen. Aber wenn wir die Chance haben, jetzt im dreistelligen Milliardenbereich Investitionen anzukurbeln, dann ist das doch die historisch einmalige Chance, beide Krisen, die existenziell sind, gemeinsam zu bearbeiten. Bei mir im Wahlkreis würde man sagen: Wir wären doch mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn wir diese beiden elementaren Herausforderungen, diese beiden elementaren Krisen nicht gemeinschaftlich angingen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Deswegen gehören diese Dinge untrennbar zusammen, auch wenn wir sie nicht gleichsetzen. Ich bin dankbar, dass es gute Vorschläge aus dem Bundesumweltministerium gibt: Sonderabschreibungen für Investitionen erstens im Bereich der Energieeffizienz, zweitens im Bereich des Wärmesektors, indem wir Anreize für energetische Gebäudemodernisierung auf den Weg bringen. Weitere Vorschläge, die ich sehr begrüße: Innovationsfonds für die Start-up-Szene auf den Weg bringen, um den Klimaschutz zu verbessern, die Umstellung von Heizungen auf Erneuerbare weiter fördern, die Förderprogramme, die sehr gut nachgefragt sind, weiter ausbauen, die EEG-Umlage weiter absenken, endlich die Photovoltaik und die Windkraft weiter stärken und nicht zurücksetzen. Deswegen ist es gut, dass die Große Koalition sich jetzt endlich darauf geeinigt hat, nicht Windkraft und Photovoltaik gegeneinander auszuspielen, sondern den PV-Deckel aufzuheben und die Windkraft auszubauen. Das zeigt auch, dass diese Große Koalition zwar lange braucht, aber handlungsfähig ist, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ja, wir müssen auch den Wasserstoff voranbringen. Wasserstoff soll eine zentrale Bedeutung bekommen. Wir müssen da ambitioniert vorangehen. Deswegen brauchen wir eine Wasserstoffstrategie, um grünen Wasserstoff zu produzieren; da brauchen wir eine Produktion mit einer Leistung von insgesamt 10 Gigawatt. Das ist das, was wir jetzt auf den Weg bringen müssen. Das ist nachhaltige ökologische Politik, die der Wirtschaft hilft, der Industrie hilft und die den Beschäftigten hilft, meine sehr verehrten Damen und Herren. Mit Blick auf die Beschäftigten sage ich Ihnen ganz klar: Wir müssen im Automobilland Deutschland auch die Automobilbranche mitberücksichtigen. Und ehrlich gesagt: Wenn ich höre, dass Frau Göring-Eckardt der SPD vorwirft, wir wären Lobbyisten der Autoindustrie, kann ich nur entgegnen: Nein, wir sind nicht Lobbyisten der Vorstände von VW, von Mercedes oder von BMW; wir sind die Lobbyisten der 2 Millionen Menschen, die im Bereich der Automobilindustrie arbeiten, meine sehr verehrten Damen und Herren. Deren Anwältin ist die Sozialdemokratie. Darauf sind wir stolz. Wir müssen den Wandel gemeinschaftlich mit den Beschäftigten, gemeinschaftlich mit den Gewerkschaften, gemeinschaftlich mit den Betriebsräten voranbringen, weil wir eine nachhaltige, zukunftsfähige Automobilwirtschaft in Deutschland brauchen, um aus der Krise zu kommen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Deswegen machen wir das mit den Beschäftigten, weil auch sie wollen, dass wir in die Zukunft und nicht in die Vergangenheit investieren. Denn sie wissen: Nur wenn wir in die Zukunft investieren, sind ihre Arbeitsplätze auch morgen noch sicher. – Deswegen sind wir stolz darauf, die Anwälte der Beschäftigten in der Automobilwirtschaft zu sein, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ich sage Ihnen: All das, was wir jetzt entscheiden, muss zugleich ein Beitrag zu mehr sozialer Gerechtigkeit sein. Wenn wir ein solches Konjunkturprogramm auf den Weg bringen, muss es ökologisch und ökonomisch sinnvoll sein, und es muss ein Beitrag zu mehr sozialer Gerechtigkeit leisten. Deswegen sage ich Ihnen, dass wir pauschale Unternehmensteuersenkungen ablehnen. Auch den Vorschlag der Union, jetzt die oberen 10 Prozent um 10 Milliarden Euro zu entlasten, halten wir für falsch. Wir wollen stattdessen Familien stärken, wir wollen Kinder stärken. Da müssen wir investieren. Das ist unsere Zukunft, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wir dürfen auch nicht – das sage ich an die Adresse unseres Koalitionspartners, insbesondere an Herrn Pfeiffer und an den Wirtschaftsrat der Union – klimapolitische Zielvorgaben, wie von Ihnen vorgeschlagen, zeitlich strecken oder erst einen Kassensturz machen. – Schmarrn ist das. Wir brauchen jetzt in diesem Bereich Investitionen. Wir dürfen im Klimaschutz nicht nachlassen. Wir dürfen die Standards nicht absenken, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das müssen wir ganz klar mitnehmen. Noch eines, lieber Herr Krischer: Sie haben vorhin das Stichwort „Lufthansa“ genannt. Ja, auch das ist ein wichtiges Unternehmen. Aber es bekommt die Staatshilfe nicht als Freibrief. Auch da gibt es klare Vorgaben, etwa dass 80 Prozent der Flugzeugbestellungen auf energieeffiziente und energiearme Maschinen entfallen müssen. Diese klare Verknüpfung haben wir vorgegeben, meine sehr verehrten Damen und Herren. Sie sehen: Wir sind sozial und ökologisch gut aufgestellt. Herr Präsident, lassen Sie mich zum Schluss kommen mit einem Zitat: „Gesamtwirtschaftlich ist nichts vernünftig, was ökologisch unvernünftig ist.“ Mit diesem Zitat aus dem Berliner Programm der SPD wünsche ich Ihnen ein schönes Pfingstfest. Glück auf! Vielen Dank. Vielen Dank, Herr Kollege Gremmels. – Ich hindere niemanden daran, zum Schluss zu kommen. – Ich hätte damit noch ein bisschen gewartet. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Katharina Dröge, Bündnis 90/Die Grünen.
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Dr.
Dr. Manuela Rottmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Manuela
Rottmann
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir schaffen heute für notwendige Eingriffe in die Grundrechte einen gesetzlichen Rahmen. Wir definieren den Zweck der Maßnahmen: Der Zweck ist die Sicherung der Funktionsfähigkeit unseres Gesundheitswesens. Daran werden die Gerichte in Zukunft die Geeignetheit, die Erforderlichkeit und die Verhältnismäßigkeit der Rechtsverordnungen der Länder messen. Wir verpflichten die Länder dazu, ihre Rechtsverordnungen zu begründen, und wir befristen die Geltung auf vier Wochen. Für Untersagungen von Versammlungen und religiösen Zusammenkünften, für Besuchsbeschränkungen in Alten- und Pflegeheimen und Krankenhäusern gelten in Zukunft erhöhte Voraussetzungen. Unter allen Umständen muss in Zukunft ein Minimum an sozialen Kontakten gewahrt bleiben. Der besondere Verfassungsrang von Kunst und Kultur wird anerkannt. Kontaktdaten dürfen nur noch zur Nachverfolgung von Infektionsketten verarbeitet und weitergegeben werden; eine eindeutige Löschfrist ist festgelegt. Die epidemische Lage von nationaler Tragweite wird gesetzlich definiert. Wir legen damit heute die Grundlage dafür, dass gut begründete, evidenzbasierte Maßnahmen auch einer gerichtlichen Kontrolle standhalten. Das schulden wir all denjenigen, die jetzt auf den Intensivstationen und in den Gesundheitsämtern mit dieser zweiten Infektionswelle kämpfen, und wir schulden es ihnen heute. Sind wir rundherum glücklich mit diesem Gesetzentwurf? Nein, das sind wir nicht. Einen Schönheitspreis wird er nicht gewinnen. Es wäre gut gewesen, schon in diesem Gesetz für Bürgerinnen und Bürger klar erkennbar zu machen, dass sich doch auch unsere Abwägungen seit März und April geändert haben. Wir sind uns doch hier vielfach einig – Ministerpräsidenten stimmen uns zu, hier im Haus stimmen uns viele zu –, dass zum Beispiel das Kindeswohl einen viel höheren Stellenwert in der Abwägung haben muss. Das hätten wir in den Gesetzentwurf reinschreiben können. Kinder und Jugendliche brauchen den Kontakt zu anderen Kindern. Und Kontakt- und Reisebeschränkungen müssen natürlich respektieren, dass Familie, Partnerschaft und Ehe geschützt sind. Bei der Untersagung von Konzerten müssen wir andere Abwägungen treffen als bei der Absage eines Kochkurses. Und die sogenannte Arbeitsquarantäne, mit der ausländische Saisonarbeitskräfte trotz Infektion weiter ausgebeutet werden, muss beendet werden. Wir Grüne wollen mehr als das, was in diesem Gesetz steht: Wir wollen eine umfassendere Berichtspflicht der Bundesregierung. Und wir sind immer noch davon überzeugt: Mit einem Pandemierat können wir all diese Fragen „Was ist der richtige Maßstab? Bei welcher Inzidenz müssen Maßnahmen ergänzt werden?“ vernünftig, unter Einbeziehung diversen Sachverstandes diskutieren und damit diese gesetzliche Grundlage auch verbessern. Wir bitten Sie deswegen um Unterstützung für unseren Änderungsantrag. Ich halte diesen Änderungsantrag auch im Bundesrat für zustimmungsfähig. Der Gesetzentwurf der Koalition kann für uns nur ein Anfang sein; vielleicht ist er in Teilen sogar auch nur ein Provisorium. Die Gerichte werden uns weitere Hinweise geben. Wir müssen die Frage der Entschädigung anpacken – da beißt die Maus keinen Faden ab –; wir müssen sie gesetzlich regeln. Herr Korte, einen eigenen Vorschlag der Linken sehe ich hier nicht. Sie sagen, die Bundesregierung hätte seit Sommer Zeit gehabt. Ich höre nur: Hätte, hätte, hätte. – Der Leiter der Staatskanzlei in Thüringen, Benjamin Hoff, hat ein sehr schönes Video ins Internet gestellt, in dem er begründet, warum er nachher im Bundesrat diesem Gesetzentwurf zustimmt. Den Laden hält man so nicht zusammen. Die FDP – Herr Lindner ist ausnahmsweise noch da – gewinnt, wie so oft, heute den Preis für schönen Schein. Ihr gestern Abend verschickter Änderungsantrag ist von der Regelungstechnik tatsächlich deutlich besser als der Entwurf der Koalition. Er ist deutlich besser. Er ähnelt sogar verdächtig stark einem Entwurf, der in meiner Schublade liegt. Über manches müsste man streiten: Dass die Schließung von Schulen einfacher möglich sein soll als die Schließung von Betrieben, überzeugt mich nicht. Bei dem komplexen Thema der Entschädigung sind Sie gerade nicht präzise, sondern ziemlich grob und ziemlich schlampig. Aber die Details mal weggelassen: Das hätte eine gute Diskussionsgrundlage sein können. Krise bewältigt man aber nicht mit schönen Anträgen. Ich habe in der letzten Woche mehr als mir und mehr als der Koalition lieb ist mit Vertretern der Koalition telefoniert. Ich bin ihnen hinterhergelaufen. Ich sehe aufgrund dessen wesentliche Verbesserungen in dem geänderten Gesetzentwurf, der auch mit den Ländern abgestimmt ist. Sie haben offenbar kein einziges Mal irgendwo angerufen. Sie haben nicht versucht, diesen Gesetzgebungsprozess zu beeinflussen. Im Ausschuss am Montag habe ich von Ihnen nur die Klage gehört, wie kurz die Beratungsfrist sei. Die Beratungsfrist für Ihren Änderungsantrag ist null, weil Sie ihn gestern Abend erst verschickt haben. Wir reden hier heute über die Verfassung. Sie wissen ganz genau, dass dieses Gesetz im Bundesrat zustimmungspflichtig ist und dass nicht ein Buchstabe Ihres Änderungsantrags – nicht ein Buchstabe! – mit den Bundesländern abgestimmt ist, insbesondere nicht die unbestimmte Entschädigungsregelung, die unkalkulierte Risiken auf die Länder verschiebt. Sie wissen, dass das auch Ihre Landesregierungen nicht mittragen werden, nicht diese Woche und auch nicht nächste Woche. Wenn das anders sein sollte, dann zeigen Sie mir die Unterschrift Ihres Generalsekretärs unter diesem Änderungsantrag. Sie stellen also einen Änderungsantrag, von dem Sie wissen, dass er jetzt im Bundesrat nicht zustimmungsfähig ist. Das sieht nur auf den ersten Blick gut aus. In Wahrheit ist das die alte Haltung der FDP: Lieber nicht! Lieber kein Problem lösen! Vielen Dank. Nächster Redner ist der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn.
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Markus Kurth BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Markus
Kurth
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Eines muss man der FDP allerdings lassen: Sie hat einen gewissen Sinn für antizyklische politische Kommunikation. Wir stehen eine Woche vor dem Weihnachtsfest, einem Weihnachtsfest, das leider für viele Rentnerinnen und Rentner ein stilles und zu oft auch ein einsames Weihnachtsfest sein wird. Die Rentnerinnen und Rentner im Westen jedenfalls wissen schon, dass im Jahr 2021 eine Nullrunde bei der Rente kommt. In dieser Situation – gleichzeitig die größte gesundheits- und wirtschaftspolitische Krise unseres Landes seit Langem – fällt der FDP nichts Besseres ein, als an genau diese Personengruppe die Botschaft zu senden, dass 2022 wohlmöglich eine weitere Nullrunde gewünscht ist. Das verstehe, wer will. Ein sehr eigenwilliger Sinn für das politische Timing! Ich will aber zum politischen Hauptargument der FDP kommen, dass die Aussetzung des Nachholfaktors mit dem Prinzip der lohnbezogenen Rente bricht. Das ist richtig. Aber das ist – das ist auch in der Anhörung sehr deutlich geworden – in der Geschichte rentenpolitischer Entscheidungen überhaupt nichts Neues. Manche Brüche dieser Art sind sinnvoll. Das sind jeweils politische Entscheidungen, wie der Kollege Kapschack zu Recht gesagt hat. Manche stellen sich im Nachhinein als nicht so sinnvoll heraus. Da möchte ich insbesondere die Absenkung des Rentenniveaus nennen, die durch die Riester-Treppe passiert ist. Das ist das Entscheidende. Kollege Birkwald, den Nachhaltigkeitsfaktor will ich an dieser Stelle nur kurz als Fußnote nennen; denn er hat bislang rentensteigernd und nicht rentensenkend gewirkt. Aber der Riester-Faktor, der inzwischen ausgelaufen ist, hat das Niveau der gesetzlichen Rente um 13 Prozent abgesenkt. Das heißt, es wurde mit dem Prinzip der lohnbezogenen Rente gebrochen, in der Hoffnung darauf, dass möglichst alle Leute privat vorsorgen, dass die Verzinsung dauerhaft bei 4 Prozent liegt und dass der Anteil der Verwaltungskosten nur 10 Prozent beträgt. Heute, nach ungefähr 20 Jahren, sind wir etwas schlauer und sehen, dass nur 6,4 Millionen Riester-Verträge voll bespart werden, dass also dieses Koppelgeschäft nicht wirklich aufgegangen ist. In dieser Lage kann man durchaus argumentieren – ich tue das –, dass das Aussetzen des Nachholfaktors – er ist ja gar nicht abgeschafft – ein klitzekleiner Ausgleich für das Abweichen vom Prinzip der lohnbezogenen Rente in den Jahren zuvor ist. So kann man sich die ganze Sache durchaus einmal ansehen. Die Vertreter der gesetzlichen Rentenversicherung haben bei der Anhörung sehr deutlich gesagt, dass sie die finanziellen Konsequenzen für absolut überschaubar halten. Sie, meine Damen und Herren von der FDP, machen hier aus einer Mücke einen Elefanten, und das zu einem Zeitpunkt, wo Rentnerinnen und Rentner tatsächlich Stabilität und Vertrauen und nicht zusätzliche Verunsicherung brauchen. Vielen Dank. Vielen Dank, Herr Kurth. – Das Wort geht an Frank Heinrich von der CDU/CSU-Fraktion.
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Brigitte Freihold DIE LINKE
Brigitte
Freihold
DIE LINKE
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Einigungsvertrag von 1990 bezeichnet das vereinte Deutschland als „Kulturstaat“, dessen kulturelle Aufgaben einschließlich der Finanzierung zu sichern sind. Vor zehn Jahren hat die Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ einstimmig empfohlen, Kultur als Staatsziel im Grundgesetz zu verankern. Das ist übrigens auch eine Forderung der Linken. Doch umgesetzt wurde das bislang leider nicht. Dieses Versäumnis zeigt sich auch bei den Haushaltsberatungen. So wurden zwar die Kulturförderfonds aufgestockt – auch eine langjährige Forderung der Linken –, das Ungleichgewicht des Kulturetats bleibt jedoch insgesamt bestehen. Zwei unterfinanzierte Bereiche möchte ich hervorheben. Das ist zum Ersten die kulturelle Bildung. Kulturelle Bildung ermöglicht kulturelle Teilhabe, die Auseinandersetzung mit dem eigenen kulturellen Hintergrund und der kulturellen Vielfalt unserer Gesellschaft. Sie steht für gesellschaftlichen Zusammenhalt und unsere Identität in Europa. Kulturelle Bildung braucht die Verankerung in den Schulen und die Interaktion mit kulturellen Einrichtungen. Nur so ist eine lebendige, kreativitätsfördernde Vermittlung zu gewährleisten. Deshalb fordern wir eine Erhöhung des Budgets für kulturelle Vermittlung um 1,5 Millionen Euro. Ohne diese Mittel gehen kreative Ressourcen verloren. Das können wir uns nicht leisten, besonders angesichts der vielfältigen Bedrohungen unserer Demokratie! Die Herausforderungen unserer divers-kulturellen Gesellschaft sind langfristig. Und langfristig und sicher muss auch die Finanzierung kultureller Vermittlung sein. Zum Zweiten. Im Bereich der Pflege des Geschichtsbewusstseins kompensiert bürgerschaftliches Engagement leider allzu häufig mangelndes staatliches Engagement. Die „Topographie des Terrors“ wäre ohne bürgerschaftliche Vereine wie das „Aktive Museum Faschismus und Widerstand in Berlin e. V.“ und die Berliner Geschichtswerkstatt gar nicht entstanden. Viele weitere Beispiele wären zu nennen. Die Mitarbeiter der Stiftung Topographie des Terrors leisten trotz personeller Unterbesetzung vorbildliche Arbeit. Die Räumlichkeiten platzen aus allen Nähten, und ein Neubau wäre nötig. Gestern wurde dort die Ausstellung zur „Aktion Reinhardt“ eröffnet. Die Bundesregierung hat es hingegen versäumt, den 75. Jahrestag der „Aktion Reinhardt“, bei der 2 Millionen Juden sowie Sinti und Roma ermordet wurden, angemessen zu begehen. Ich finde, das ist ein Skandal. Bekennen Sie sich zu Ihrer historischen Verantwortung! Stimmen Sie deshalb am Donnerstag unserem Entschließungsantrag – Drucksache 19/3131 – zur Erinnerung an die Opfer der „Aktion Reinhardt“ zu, der die Dimensionen von Wissenschaft und Forschung mit historischer Vermittlung und Gedenken verbindet. Die Gedenkstätten sind insgesamt strukturell unterfinanziert und in ihrer Tätigkeit eingeschränkt. Frau Kollegin, auch Sie müssen zum Schluss kommen. Ein Satz. – Der Haushaltsentwurf 2018 gleicht den Verantwortungszuwachs der Gedenkstätten nur zum Teil aus. Um die gedenkstättenpädagogische Arbeit zu sichern, fordern wir eine Erhöhung der Mittel um weitere 2,5 Millionen Euro. Herzlichen Dank. Herzlichen Dank, Frau Kollegin. – Als Nächstes spricht zu uns für die SPD-Fraktion die Kollegin Michelle Müntefering.
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Gunther Krichbaum CDU/CSU
Gunther
Krichbaum
CDU/CSU
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es verwundert nicht, dass die heutigen Haushaltsberatungen ganz im Lichte des bestialischen Angriffskriegs von Russland gegen die Ukraine stehen. Herr Gauland redete vorhin von den Fehlern des Westens, weil man die Einflusssphären von Russland nicht respektiert habe. Das ist schon deshalb falsch, weil souveräne Länder grundsätzlich selbst darüber entscheiden, welchen multistaatlichen Bündnissen sie sich anschließen; sie haben ihr Schicksal selbst in der Hand. Selbst das ist aber irrelevant in dem Moment, in dem Bomben auf unschuldige Menschen geworfen werden, Geburtskliniken, Krankenhäuser, Schulen, Kindergärten zerschossen werden. Dann gibt es keine Neutralität mehr. Es ist doch schon längst kein Krieg „Armee gegen Armee, Militär gegen Militär“ mehr. Es ist ein Krieg der russischen Armee, des sie befehligenden Präsidenten gegen die Zivilbevölkerung; es ist ein Krieg gegen die Menschen. Mariupol und andere Städte werden eingekesselt. Es ist das Schlagwort der humanitären Katastrophe darauf angewandt worden. Ich glaube, es gilt, das ein Stück weit zu übersetzen: Es gibt keinen Strom mehr. Es gibt keine Wärme mehr; die Temperaturen nachts fallen unter den Gefrierpunkt. Es gibt keine Nahrungsmittel. Es gibt kein Trinkwasser; Menschen dehydrieren. Noch vor wenigen Tagen haben die Menschen den Schnee geschmolzen, den es jetzt aber aufgrund der Temperaturen gar nicht mehr gibt. Sie trinken das Wasser aus verbliebenen Pfützen, sie trinken das Wasser aus den Heizungsrohren. Von den sanitären Umständen ganz zu schweigen! – Wir machen uns in Deutschland kein Bild davon! Grüne Korridore, die es erlauben würden, dass die Flüchtlinge die Stadt verlassen können, werden von Russland verweigert. Es ist nicht nur eine Entvölkerungsstrategie, es ist ein Vernichtungskrieg, der hier geführt wird. Deshalb müssen die Sanktionen deutlich und spürbar verschärft werden. Solange Gas fließt, fließt auch Geld. Geld, das in die Kriegsmaschinerie von Putin geht. Deshalb: Setzen Sie die Forderungen der Union um, und sanktionieren Sie! Schließen Sie Nord Stream 1! Setzen Sie die größte russische Bank, die Sberbank, auf die Sanktionsliste! Begleichen Sie die Rechnungen, wie es Christoph Heusgen, der neue Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, eingefordert hat, mit Überweisungen auf ein Treuhandkonto! Doch was macht die deutsche Bundesregierung? Sie zaudert, und sie zögert. Frau Baerbock, die Bundesregierung sitzt im Bremserhäuschen. Das war bei Waffenlieferungen so, das war bei SWIFT so und zuletzt auch hier, als der Deutsche Bundestag peinlicherweise eine Aussprache nach dem flammenden Appell von Selenskyj verweigerte. Es war ein kollektives Versagen, das wir hier erlebten. Es mangelt an allem, es mangelt aber auch an Waffen. Ich darf mit der Erlaubnis der Präsidentin aus einem Statement der Präsidialadministration der Ukraine zitieren: Es mangelt stark an Waffen. Wir haben Dutzende, Tausende von mobilisierten Freiwilligen, die bereit wären, zu kämpfen. Aber sie haben keine Waffen. Grob gesagt: Pro sechs kampfbereiten Freiwilligen gibt es nur ein Gewehr. Wichtig ist nicht nur, die Waffen zu haben, sondern sie auch rechtzeitig zu bekommen. Hätten wir genug davon, auch von schweren Waffen, könnten wir schon längst Konterattacken starten. Denn den Russen fehlt es vor allem an Munition, Benzin, Essen. Wir haben bloß nicht genug Waffen, um diese Konterattacken zu starten. So weit der O‑Ton aus der Ukraine selbst. Nehmen wir es ernst! Die Enttäuschung der Ukraine über die deutsche Bundesregierung – es muss so offen ausgesprochen werden – sitzt knochentief. Knochentief! Überdies: Die Bundesregierung ist auch nicht in Europa wahrnehmbar. Macron ist der Taktgeber. Herr Scholz, Sie brauchen ja nicht unbedingt Angela Merkel zum Vorbild nehmen; aber Helmut Schmidt wäre schon zupackender gewesen. An dieser Entschlossenheit fehlt es. Ich höre immer wieder: Die ukrainische Armee kann diesen Krieg nicht gewinnen. Es wird nur in eine Richtung spekuliert, nämlich: Wie viele Tage wird es wohl dauern, bis die Ukraine tatsächlich zusammenbricht? – Meine Gegenfrage ist: Warum sollte die Ukraine diesen Krieg eigentlich nicht gewinnen können? Erlauben Sie eine Zwischenfrage aus der FDP-Fraktion? Ja, bitte. Vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Herr Kollege, Sie haben ja davon gesprochen, die Bundesregierung würde zu wenig Waffen liefern. Ich würde gerne von Ihnen wissen: Können Sie mir erklären, warum die Bundeswehr, obwohl der Verteidigungshaushalt schon in den letzten Jahren ja durchaus gestiegen ist, überhaupt keine Waffen hat, die sie liefern kann? Ist Ihnen bekannt, dass es viele Überlegungen gab, Waffen zu liefern, dass aber die Bundeswehr uns gesagt hat: „Wir können diese Waffen nicht liefern; denn wir haben sie nicht“? Welche Waffen sollte die Bundesregierung also liefern, wenn die Bundeswehr – unter anderem nach Aussage des Generalinspekteurs – blank ist? Ich bedanke mich ausdrücklich für diese Zwischenfrage, weil sie mir Gelegenheit gibt, das etwas ausführlicher zu sagen und darzustellen. Es war die deutsche Bundesregierung, die sich beharrlich geweigert hat, andere europäische Länder, die lieferbereit waren, liefern zu lassen. Deswegen diese Verzögerungen. – Das ist der erste Punkt. Der zweite Punkt: Die Industrie kann liefern. Hier auf dieser Bank sitzt die Bundesregierung; sie muss nur Ja dazu sagen. Ich möchte eines hier durchaus differenzieren. Es war Wirtschaftsminister Habeck, der schon vor Monaten gesagt hat: Wir müssen bereit sein, auch diesen „Schwarzen Schwan“ neu zu denken, dass wir also auch Waffen in eine Krisenregion liefern. – Wir können hier nicht zuschauen, wie eine ganze Region, ein ganzes Land vor die Hunde geht! – Bitte bleiben Sie noch stehen. – Dieser Realitätssinn hat seitens der Bundesregierung gefehlt, und dieses Fehlen kostet Menschenleben – jeden Tag, jede Stunde! Deswegen liegt es an uns, zu handeln, an dieser Bundesregierung, zu handeln! Dass sie das nicht tut, ist nicht länger hinnehmbar. Deshalb bitte ich auch Sie alle, die Sie diese Bundesregierung tragen: Setzen Sie sich dafür ein, dass endlich entschlossener gehandelt wird, damit die Menschen dort nicht zugrunde gehen! Ganz herzlichen Dank. Die Frage ist beantwortet. Ich sage Ihnen in aller Deutlichkeit: Wir müssen mehr tun, um die Ukraine zu stützen. Die Ukrainer sind kampfbereit, sie sind widerstandserprobt. Ein Satz auch noch dazu, weil es oft in Vergessenheit gerät: Die Ukraine hat schon im letzten Jahrhundert unter Russland gelitten. Der Holodomor, der hier in Deutschland nur wenigen etwas sagt, sagt in der Ukraine jedem Kind etwas. Stalin hat systematisch Städte ausgehungert. Nach den untersten Schätzungen gab es 3 Millionen Tote, nach den oberen das Doppelte. Die Ukrainer möchten sich widersetzen und Widerstand leisten. Wir sollten sie nicht alleine lassen. Ein Letztes: Es wird sich auch die Frage stellen, wer für die angerichteten Schäden einzustehen hat. Natürlich könnte man sagen: ein internationaler Fonds. Das ist die eine Möglichkeit; dann zahlen auch die Steuerzahler. Oder man wendet das Verursacherprinzip an; das heißt: Russland selbst muss herangezogen werden, seine Devisenreserven. Wir sollten jetzt auch völkerrechtlich alle Möglichkeiten überprüfen, die es erlauben, Russland in Haftung zu nehmen für die entstandenen Schäden. Herzlichen Dank. Vielen Dank. – Als Nächstes erhält das Wort für die SPD-Fraktion der Kollege Frank Schwabe.
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Pascal Kober FDP
Pascal
Kober
FDP
Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hartz IV ist in aller Munde, Reformvorschläge von vielen Seiten liegen vor – natürlich, traditionell, von der Linken, aber auch realpolitische Parteien haben sich dem Thema jetzt neu gewidmet. Es gibt natürlich die Vorschläge der Sozialverbände, es gibt aber auch die Vorschläge der Wirtschaftsweisen. Der Einzige, der sich nicht bewegt, ist Ihr Minister, lieber Martin Rosemann. Dass Sie hier Vorschläge machen, ist ja aller Ehren wert, aber der Mann hat eine Adresse und eine Telefonnummer. Sprechen Sie ihn an! Ich vermute, Sie sind per Du mit ihm. Also, wir sind gespannt, was der Minister hier in den nächsten Wochen und Monaten an Reformvorschlägen einbringen wird. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn man sich die verschiedenen Reformvorschläge anschaut, dann sieht man: Da gibt es in der Tat ganz große Unterschiede; manches liegt also ganz fern voneinander. – Es würde sich aber lohnen, auch einmal auf die Punkte zu schauen, wo es vielleicht doch eine breite Mehrheit in diesem Haus gibt, und sie zu reformieren. Ich würde sagen, es lohnt sich, lieber Hubertus Heil, einmal das Gespräch mit den Fraktionen hier zu suchen. Liebe Kollegen von den Grünen, wenn Sie schreiben, dass die Arbeitsförderung nicht allein auf schnellstmögliche Eingliederung verengt werden darf, dann sagen wir als FDP: Ja, richtig; denn das Ziel muss eine nachhaltige Vermittlung in den Arbeitsmarkt sein. Wenn Sie zugleich allerdings von einem Recht auf Ausbildung sprechen, dann fragen wir: Soll das Recht einfach so für jede Ausbildung gelten, ohne eine gewisse Zielvorgabe, also ohne einen konkreten Arbeitsplatz und ohne Bezug auf einen bestimmten regionalen Arbeitsmarkt mit tatsächlich auch Arbeitschancen? Da hätten wir dann wiederum Gesprächsbedarf. Wenn Sie schreiben, dass wir eine Vielzahl von aufeinanderfolgenden Schritten für den Einzelnen brauchen, dann sagen wir auch wieder: Richtig, wir brauchen Teilqualifizierungen, wir brauchen mehr Angebote modularer Ausbildungsgänge. Das sind die Dinge, die wir brauchen, um individueller auf die Menschen zugehen und an ihren Chancen arbeiten zu können. Das ist richtig. Wenn Sie sagen, dass die Vergabeverfahren für Maßnahmen der Arbeitsförderung regionaler und individueller ausgestaltet werden sollten und dass die Vergabeverfahren regionaler erfolgen müssten, dann sagen wir: Das ist richtig; denn das ermöglicht es, dass die Arbeitsförderung konkreter an einem regionalen Arbeitsmarkt orientiert ist. Was mir aber fehlt – das hat wiederum der Kollege Zimmer in die Debatte eingebracht –, ist das positive Menschenbild. Wenn man Ihren Antrag liest, dann hat man in der Tat den Eindruck – wie gesagt: wir sind hier nicht allein; es wurde schon vorhin in der Debatte so empfunden –, dass Ihnen gänzlich der ermutigende Blick auf den Menschen fehlt. Sie sehen den Menschen als ein Fürsorgeobjekt – viel zu sehr jedenfalls. Wir wollen lieber einen Sozialstaat, der die Menschen ermutigt. Das bedeutet aber auch, dass wir den Menschen durchaus auch etwas zumuten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser realistische, dieser ermutigende Blick auf den Menschen prägt unsere Sozialpolitik. Aber ich glaube, dass wir doch an der einen oder anderen Stelle konkrete Lösungen gemeinsam erarbeiten können, um Hartz IV ein Stück weit zu reformieren. Vielen Dank. Vielen Dank, Herr Kollege Kober. – Als nächste Rednerin spricht für die Fraktion Die Linke die Kollegin Jessica Tatti.
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Gökay Akbulut DIE LINKE
Gökay
Akbulut
DIE LINKE
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren heute über mehrere Gesetzentwürfe, unter anderem den Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes, der als sogenannter Beitrag zur Integration geflüchteter Menschen dienen soll, aber neben geringen Verbesserungen erhebliche Einschränkungen mit sich bringt. Es ist zynisch, dass Sie in Ihrem Gesetzentwurf das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 18. Juli 2012 zitieren; denn Sie haben offensichtlich nicht verstanden, was das höchste Gericht dieses Landes damit sagen wollte. Die in Artikel 1 Grundgesetz garantierte Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren. Das bedeutet auch, dass eine weitere Kürzung für Leistungsempfängerinnen und -empfänger nicht hinnehmbar ist. Dennoch steht es so in Ihrem Gesetzentwurf. Sie schlagen unter anderem eine 10-prozentige Leistungskürzung bei Bewohnern in Gemeinschaftsunterkünften vor, nur weil Menschen da zusammenwohnen. Diese Zwangsverpartnerung von Menschen, die sich nicht einmal kennen, ist schlichtweg untragbar. Oder finden Sie es gut, mit Ihrem Nachbarn Ihr Duschgel zu teilen? Sie sollten sich schämen, dass Sie denjenigen, die sowieso wenig bis gar keine Ressourcen haben und hierherkommen, um endlich in Würde und Schutz zu leben, auch noch das letzte Hemd wegnehmen. Auch die SPD-Abgeordnete Daniela Kolbe sprach in der ersten Lesung dieses Gesetzes davon, dass die Begründung an den Haaren herbeigezogen sei. Das sei aber einem politischen Kompromiss geschuldet – einem Kompromiss auf Kosten von Grund- und Menschenrechten. Dazu sagen wir Nein, liebe SPD. Das sagen wir auch zu dem gesamten migrationspolitischen Paket, das Sie hier durchpeitschen wollen. Was wir diese Woche erlebt haben, entbehrt aller Grundsätze einer parlamentarischen Demokratie. Wo bleiben eigentlich die Turbopakete der Großen Koalition zur Wohnungs-, Renten- und Umweltpolitik? Wo bleibt da das schnelle Durchpeitschen? Da brauchen wir schnelle und gute Lösungen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir fordern die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes. Für Schutzsuchende sollten die gleichen Regelungen gelten wie für alle anderen Menschen in unserer Gesellschaft. Wir wollen deshalb eine Überführung in das allgemeine System der sozialen Sicherung nach den Sozialgesetzbüchern. Herr Heinrich von der CDU hat in der ersten Lesung dieses Gesetzentwurfs sogar eingeräumt, dass es der CDU hier darum geht, nicht noch mehr Anreize zu schaffen. Das ist einfach perfide. Hier hat sich das Bundesverfassungsgericht ganz klar positioniert. Ich zitiere – vielleicht hören Sie ja auch zu –: Migrationspolitische Erwägungen, die Leistungen an Asylbewerber und Flüchtlinge niedrig zu halten, um Anreize für Wanderungsbewegungen durch ein im internationalen Vergleich eventuell hohes Leistungsniveau zu vermeiden, können von vornherein kein Absenken des Leistungsstandards unter das physische und soziokulturelle Existenzminimum rechtfertigen. Aber genau das passiert mit diesem Gesetz. Damit widersprechen Sie ganz klar dem Bundesverfassungsgericht. In Bezug auf Anreize möchte ich hier wiederholen, was Experten in der Anhörung am Montag dieser Woche gesagt haben: Es gibt keine Empirie dazu, dass Menschen aufgrund der gesetzlichen Rahmenbedingungen in Deutschland nach Deutschland kommen. – Ihre Begründung mit den Pull-Faktoren können Sie sich sparen; das ist einfach untragbar. Die Linke trägt diesen Verfassungsbruch der GroKo nicht mit. Vielen Dank. Für Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort die Kollegin Filiz Polat.
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Bengt Bergt SPD
Bengt
Bergt
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Dr. Ploß, ich finde es sehr interessant, dass Sie hier von der Unterstützung der erneuerbaren Energien sprechen. Noch vor vier Jahren war ich persönlich bei Ihnen und musste Ihnen sagen, dass der größte Arbeitgeber in Ihrem Wahlkreis die Windenergie ist; davon wussten Sie gar nichts. Das war sehr interessant. Nun sind wir es, die Tempo machen beim Ausbau der Windkraft und der Solaranlagen. Wir stärken die Bürgerbeteiligung, damit Kommunen von Windparks profitieren. Wir bauen Biogas aus, wir machen Strom aus erneuerbaren Energien auch für die Selbsterzeuger attraktiver und vieles, vieles mehr. Ich will das alles nicht mehr aufzählen. Kurzum: Wir starten in dieser Woche eine nationale Kraftanstrengung für die erfolgreiche Energiewende und für mehr Unabhängigkeit von Gas, Öl und Kohle. Und da kann ich die Union beruhigen: Auch den Aufbau der LNG-Infrastruktur treiben wir natürlich voran. Wir werden jetzt richtig Gas geben, weil wir vom Aggressor im Osten unabhängig werden müssen und – auch das ist Teil der Wahrheit – weil Sie von der Union jahrelang auf der Bremse standen. Wir haben uns äußerst ambitionierte Ziele gesetzt. Wir werden klimaneutral bis zum Jahr 2045. Das ist kein Pappenstiel – das wissen wir –, denn wir leiten hier nichts weniger ein als den grundlegenden Umbau der deutschen und europäischen Wirtschaft. Und die Union versucht uns hier im Bundestag mit ihrem Antrag ein faules Ei ins Nest zu legen. Ihnen geht es mit Ihrem Oppositionsgetrommel nicht um die Energiewende oder um Energiesicherheit oder um die Wirtschaft in Norddeutschland; Sie wollen bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein schlicht ihren blassen Ministerpräsidenten stützen. Der Schuss geht aber mächtig nach hinten los; denn ein einfacher Blick auf die Zahlen beweist es: Fünf Jahre regiert Daniel Günther in Schleswig-Holstein, und in diesen fünf Jahren ist unterm Strich nicht eine einzige zusätzliche Windkraftanlage gebaut worden. 2017 gab es 2981 Anlagen, und – raten Sie mal – dieses Jahr sind es exakt genauso viele. Und Vopak, der Investor, der sich seit Jahren um den Bau eines LNG-Ports in Brunsbüttel bemüht, scheitert seit fünf Jahren an der fehlenden Zulassung durch die CDU-geführte Regierung in Schleswig-Holstein. Diese Blockade hat den Investor jetzt schon über 11 Millionen Euro gekostet. Erst jetzt, durch das Eingreifen der Ampelregierung im Bund, geht es endlich voran. Aber ich möchte mich nicht zu lange mit den Versäumnissen der Union befassen. Wichtig ist, dass wir jetzt nach vorne schauen und unsere Energieversorgung auf Zukunft trimmen. Für den Bau von LNG-Anlagen und der notwendigen Infrastruktur werden wir nicht nur Flüssiggas anlanden. Genau diese LNG-Anlagen werden zukünftig auch grünen Wasserstoff von dort ins Netz einspeisen. Es ist genau dieser grüne Wasserstoff, der ganze Industriezweige klimaneutral machen wird und vollkommen neue Produkte für den Weltmarkt möglich macht. Made in Germany, meine Damen und Herren! Es wird klimaneutral gebaute Häuser geben. Autos werden nicht nur mit erneuerbaren Energien gebaut; sie werden auch mit klimaneutralen Kraftstoffen fahren. Neue Technologien werden sich ansiedeln und Deutschland an die Weltspitze einer dekarbonisierten Wirtschaft katapultieren. Das, meine Damen und Herren, ist ja nicht nur Vision oder Utopie. Die Ansiedlung von Tesla, Intel und Northvolt zeigt uns gerade sehr deutlich, dass die Verfügbarkeit grüner Energie ein entscheidender Standortvorteil in Deutschland ist. Er wäre – so ehrlich muss man leider sein – noch viel größer, wenn dies in der letzten Legislaturperiode nicht aktiv von den unionsgeführten Landesregierungen verhindert worden wäre. Dort, wo Daniel Günther stehen geblieben ist und nur schnackt, laufen wir jetzt los und machen. Der Antrag beinhaltet das, was wir eh schon tun, ist damit redundant und überflüssig und darum abzulehnen. Vielen Dank. Einen schönen guten Abend, liebe Kolleginnen und Kollegen! – Der nächste Redner ist Stefan Seidler. – Bitte schön.
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Marlene Schönberger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Marlene
Schönberger
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! In der Planung und Durchführung der Documenta hat die Leitung versagt. Die antisemitischen Exponate haben Jüdinnen und Juden nicht nur in Deutschland, sondern weltweit erschüttert und entsetzt. Das hat die Kulturstaatsministerin Claudia Roth im Kulturausschuss in aller Klarheit benannt, und dafür danke ich ihr. Die Kulturstaatsministerin handelt. Genau deshalb können wir Ihrem Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen der Unionsfraktion, nicht zustimmen. Anstatt die Staatsministerin in ihrem entschiedenen Vorgehen zu unterstützen, machen Sie den Skandal um die Documenta zu einem Gegenstand parteipolitischer Auseinandersetzungen. Das ist schäbig und wird der Sache nicht gerecht. Es gibt nichts zu beschwichtigen. Die vieldiskutierten Darstellungen in der Documenta treten in die Fußstapfen des europäischen Antisemitismus. Ritualisiert wird in diesem Land wiederholt: Hier ist kein Platz für Antisemitismus. – Tatsache ist aber: Antisemitismus hatte in Deutschland schon immer einen Platz. Um das zu ändern, brauchen wir mutiges Handeln. Dazu gehört der Fünf-Punkte-Plan. Dazu gehört die vorgeschlagene Strukturreform der Documenta. Dazu gehören das Überprüfen und das konsequente Entfernen aller antisemitischen Exponate von der jetzigen Ausstellung. Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage aus der CDU/CSU-Fraktion? Nein. Gut. Darüber hinaus müssen wir die Frage stellen: Wie konnte es passieren, dass offensichtlich antisemitische Darstellungen seitens der Documenta hingenommen bzw. nicht erkannt wurden? Wenn der vulgäre Antisemitismus schon nicht aufgefallen ist, wie ist es dann erst mit dem Antisemitismus, der über Umwege und Chiffren geäußert wird? Beide bedrohen Jüdinnen und Juden und unsere demokratische Ordnung auf die gleiche Weise. Daniel Botmann, der Geschäftsführer des Zentralrats der Juden, hat gestern eindringliche Worte gefunden. Die Kritik von Jüdinnen und Juden und die Bedenken der Antisemitismusforschung wurden seitens der Documenta-Leitung ignoriert, missachtet und zum Teil lächerlich gemacht. Wir müssen ernst nehmen, wenn sich jüdische Künstler/-innen und Kulturschaffende nicht gewollt oder unsicher fühlen. Liebe Kolleginnen, das werden wir nicht hinnehmen. Die Kulturstaatsministerin hat es unmissverständlich ausgedrückt. Die Bekämpfung des Antisemitismus muss so global sein wie der Antisemitismus selbst. Wer Kunst schafft, muss Kritik an seinem Werk ertragen können. Die Kunst ist frei, aber nicht kritikfrei. Die Freiheit der Kunst beinhaltet nicht die Freiheit, gegen Menschen zu hetzen. Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss. Deshalb brauchen wir in Kunst und Kultur Haltung, eine Haltung, die besonders nach Auschwitz jedem Antisemitismus den Kampf ansagt. Vielen Dank. Vielen Dank, Frau Kollegin Schönberger. – Letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt ist die Kollegin Katrin Budde, SPD-Fraktion.
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Sebastian Brehm CDU/CSU
Sebastian
Brehm
CDU/CSU
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Welt ist in Aufruhr, und die Demokratie wird vielerorts mit Füßen getreten. Jeden Tag müssen wir Meldungen hinnehmen – übrigens heute ganz aktuell zu den Wahlen in den Vereinigten Staaten –, die uns große Sorgen machen, so auch aus Belarus. Seit der Präsidentschaftswahl am 9. August werden hier eklatante Menschenrechtsverletzungen vorgenommen: Wahlbetrug, Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit, massenhafte Verhaftungen und Folter ohne Rechtsgrundlage, Gewalt gegen friedliche Demonstrantinnen und Demonstranten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir dürfen das nicht unkommentiert lassen, und wir dürfen das auch nicht ignorieren. Wir müssen gemeinsam aufstehen für Demokratie und für Rechtsstaatlichkeit, gerade auch als deutsches Parlament. Deswegen bin ich heute dankbar, dass wir den gemeinsamen Antrag der CDU/CSU, der SPD und der Grünen heute hier zur Abstimmung stellen. Die Zahl der Festgenommenen in Belarus stieg auf über 16 000. Heute kam die Meldung, dass Studentinnen und Studenten, die am Wochenende an den Protesten teilgenommen haben, exmatrikuliert wurden. Das erinnert an die dunkelste Zeit der Geschichte. Doch das belarussische Volk gibt nicht auf. Der Mut der Belarussinnen und Belarussen ist beeindruckend und verdient höchsten Respekt. Wir können von hier aus noch mal sagen: Wir stehen als deutsches Parlament an Ihrer Seite! Eines ist klar: Wenn ein Regime, um an der Macht zu bleiben, Gewalt auf offener Straße zulässt, seine Bürgerinnen und Bürger verhaftet und diese in den Gefängnissen foltern lässt, dann hat dieses Regime längst verloren. Wir wollen heute noch einmal aus diesem Bundestag klarstellen: Wahlfälscher dürfen niemals Wahlsieger sein! Das Ergebnis der Präsidentschaftswahl erkennen wir nicht an. Wir begrüßen die am 2. Oktober durch den Rat der Europäischen Union beschlossenen restriktiven Maßnahmen, ebenso die heute in Aussicht gestellten Maßnahmen. Das Land braucht eine Verfassungsreform, damit die Macht Einzelner eingeschränkt wird und die Rechte des Parlaments gestärkt werden. Das belarussische Volk muss in die Lage versetzt werden, über seine Zukunft selbst zu entscheiden. Deswegen fordern wir ein Ende der Gewalt, die Freilassung aller politischen Gefangenen und faire Neuwahlen mit internationaler Wahlbeobachtung. Ich darf am Ende unseren ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog zitieren: Ohne Demokratie kann es keinen dauerhaften Frieden geben ... Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns weiter gemeinsam für Demokratie und Menschenrechte einsetzen, um Frieden zu schaffen. Herzlichen Dank. Vielen Dank, Sebastian Brehm. – Damit schließe ich die Aussprache.
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Dr.
Dr. Matthias Bartke SPD
Matthias
Bartke
SPD
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Willy Brandt sagte in seiner ersten legendären Regierungserklärung: Wir wollen mehr Demokratie wagen. Wir werden unsere Arbeitsweise öffnen und dem kritischen Bedürfnis nach Information Genüge tun. Deswegen ist es wichtig, dass die Bundesregierung auch hier im Plenum Rede und Antwort steht. Dafür steht uns das Instrument der Regierungsbefragung zur Verfügung. Ich habe mir gestern extra noch einmal die Befragung von Landwirtschaftsministerin Klöckner angeschaut. Frau Haßelmann, Sie habe ich dort übrigens nicht gesehen. Nun bin ich Hamburger und nicht der ganz große Landwirtschaftsexperte. Aber ich muss zugeben: Durch den kontroversen Frage-Antwort-Modus habe selbst ich gestern viel über Lebensmittelverschwendung gelernt, und die Knackpunkte wurden auch deutlich. Dennoch: Insgesamt hat das Instrument der Regierungsbefragung die in sie gesetzte Erwartung nicht erfüllt. Deswegen haben wir im Koalitionsvertrag die Kanzlerinnenbefragung vereinbart. Zentrales Element der Parlamentsreform ist bei allen Fraktionen die Kanzlerbefragung – oder besser: die Kanzlerinnenbefragung. Wir haben sie im Vorgriff auf unsere Änderung der Geschäftsordnung bereits eingeführt. Das hat im Koalitionsvertrag übrigens die SPD durchgesetzt. Ich finde, das Ergebnis zeigt: Ein voller Erfolg! Das ist gelebter Parlamentarismus. Aber ich gebe zu: Auch die SPD hätte vier statt drei Kanzlerbefragungen im Jahr besser gefunden. Aber so ist das in einer Koalition. Aber Ihre Kritik an der Terminierung der Kanzlerbefragung ist wirklich armselig, als wenn Ihnen sonst nichts einfällt. Es gibt einen zentralen Dissens zur Opposition, der sich bei den Berichterstattergesprächen herausgestellt hat: Wir möchten, dass mindestens immer ein Minister oder eine Ministerin im Reihumverfahren zur Regierungsbefragung kommt. Dadurch wollen wir sicherstellen, dass jede Regierungsbefragung einen fachlichen Schwerpunkt hat und dass jeder drankommt. Die Grünen möchten, dass das gesamte Kabinett bei den Befragungen anwesend ist. Wir finden das nicht gut. Wir fürchten, dass sich die Fragen bei einem solchen System immer auf einige wenige Minister konzentrieren – im Zweifelsfall immer auf die gleichen. Das gilt insbesondere insofern, als die Kanzlerin nach Ihren Vorstellungen auch immer dabei sein soll. Es ist doch klar, dass sie dann die allermeisten Fragen abbekommt. Damit würde die von Ihnen allen gewünschte neugeschaffene Kanzlerbefragung automatisch abgewertet werden. Also, wir das lehnen ab. Meine Damen und Herren, vorgestern haben wir dann ja auch noch den Gesetzentwurf der AfD bekommen. Sie fordert darin ganz offen eine Nachahmung des britischen Parlaments. Ich sage Ihnen: Wir sind hier in Berlin und nicht in London. Und die Vizepräsidentin ruft auch nicht „Order! Order! Order!“ Und es gibt auch keine Distanzen, die in Schwertlängen gemessen werden. Das englische Parlament ist ein Redeparlament. Der Bundestag ist dagegen ein Arbeitsparlament. Der Schwerpunkt bei einem Arbeitsparlament liegt auf der Ausschussarbeit. Meine Damen und Herren von der AfD, dass Ausschussarbeit nicht Ihr Schwerpunkt ist, das hat mittlerweile ja auch der Letzte gemerkt. Man kann in Ausschüssen eben keine Facebook-Videos drehen. Danke. Ich schließe die Aussprache. Tagesordnungspunkt 13 a. Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung auf Drucksache 19/7859 zur Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, hier: Anlagen 4 und 7, Fragestunde und Regierungsbefragung. Wer stimmt für die vom Ausschuss unter Buchstabe a der Beschlussempfehlung empfohlenen Änderungen der Geschäftsordnung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen. Tagesordnungspunkt 13 b. Wir setzen die Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung auf Drucksache 19/7859 fort. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrages der Fraktion Die Linke auf Drucksache 19/7 zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU mit dem Titel „Weitergeltung von Geschäftsordnungsrecht“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen. Tagesordnungspunkt 13 c. Der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung empfiehlt unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 19/7859 die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 19/240 mit dem Titel „Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages – hier: Regierungsbefragung“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der CDU/CSU-Fraktion und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen. Tagesordnungspunkte 13 d und 13 e. Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 19/7862 und 19/7939 an den Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung vorgeschlagen. Sind Sie mit der Überweisung an den Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung einverstanden? – Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Tagesordnungspunkt 13 f. Abstimmung über den Antrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 19/7860 mit dem Titel „Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages – hier: Abschaffung der Fragestunde“. Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der AfD und bei Enthaltung der Linken und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt. Tagesordnungspunkt 13 g. Abstimmung über den Antrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 19/7861 mit dem Titel „Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages – hier: Stärkung der Regierungsbefragung“. Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Antrag ist gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen abgelehnt.
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Falko Mohrs SPD
Falko
Mohrs
SPD
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Höferlin, ich muss sagen: Eigentlich nix mit Serviceopposition, nix mit neuen Inhalten in diesem Antrag! Wenn ich was von Service entdecken konnte, dann das, dass ich kurz überlegt habe, ob ich einfach meine Rede vom Februar zu dem Antrag der Grünen noch mal halte; denn irgendwie haben Sie wenig neue Punkte in Ihrem Antrag aufzeigen können. Was mich beim Lesen ehrlicherweise sehr geärgert hat: Ihr Kollege, Herr Lindner, twittert irgendwas von „#GermanMut zum groß denken“, und dann legen Sie hier einen Antrag vor, in dem Sie eigentlich nichts machen – außer Deutschland schlechtzureden. Von vorn bis hinten reden Sie dieses Land schlecht. Bei allen Defiziten, die es vielleicht noch gibt, muss man schon sagen: Es gibt aber gerade im Digitalbereich auch viel Positives. – Warten Sie ganz kurz ab, Frau Kollegin! – Deutschland steht nämlich nicht nur in der Industrie gut da; Deutschland steht auch mit einigen guten Beispielen im Bereich der Start-up-Szene sehr gut da. Das Münchner Datenanalyseteam von Celonis hat übrigens letzte Woche erst etwas geschafft, was europäischen Unternehmen in diesem Bereich im Moment sehr selten gelingt: Es hat nämlich die 1-Milliarde-Dollar-Grenze beim Firmenwert geknackt. Celonis nennt seine Technologie „Process Mining“. Indem es Daten von Unternehmen durchleuchtet, spürt es Schwächen und Ineffizienzen auf. Ich schenke mir an dieser Stelle jeglichen Vergleich zu dem heute vorliegenden Antrag. Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Höferlin? Ich glaube, in Anbetracht der Zeit schenken wir uns das für den Moment. Wir diskutieren das Ganze ja noch im Ausschuss, und dann schauen wir weiter. – Das ist nicht schwach, das ist zeiteffizient. Wir diskutieren das mit Sicherheit im Ausschuss. Deshalb können wir heute beschleunigt weitermachen. Das heißt, Deutschlands Zukunft – deswegen ist dieser Vergleich hier auch sehr richtig – liegt darin, dass wir die Stärke unserer Industrie mit unserer Stärke zur Innovation bei Daten zusammenbringen. Wir konnten sowohl auf der CeBIT wie auch auf der Hannover Messe sehen, dass wir an der Stelle gut dastehen. Also hören Sie bitte auf, uns schlechtzureden! Helfen können Sie uns gern dabei, Dinge dort zu beschleunigen, wo wir beschleunigen müssen! Wir müssen mit Sicherheit auch mit dem Verkehrsministerium schnellstmöglich dazu kommen, dass wir die Förderkulisse für den Glasfaserausbau hinbekommen. Da können Sie uns gern helfen, dass wir das entsprechend schnell umsetzen. Wir sind dabei, wenn es darum geht, den Ausschuss Digitale Agenda zu stärken. Deswegen haben wir als SPD übrigens in dieser Woche ein Eckpunktepapier dazu vorgelegt, wie wir in der aktuellen Wahlperiode die Digitale Agenda fortschreiben wollen, wo wir als SPD die Prioritäten setzen, wie wir strategisch vorgehen wollen. Das ist für uns übrigens eine planvolle Stärkung des Ausschusses Digitale Agenda. Eine Sache – das muss hier noch mal deutlich erwähnt werden – hat mich beim Lesen Ihres Antrags sehr irritiert. Ausgerechnet Sie loben hier quasi China zum Thema „Best Practice“, wenn es um den Bereich „künstliche Intelligenz“ geht, China, das im Bereich „künstliche Intelligenz“ gerade ein Social Credit System einführt, wo Bürger gelistet werden, bewertet werden, die ihre Rechnung nicht bezahlen, die bei Rot über die Ampel gehen, und dann quasi zu Bürgern zweiter Klasse degradiert werden. Ein Vertreter der Kommunistischen Partei schlussfolgert, dass diesen diskreditierten Menschen am Ende jeder Schritt schwergemacht werden muss. Es geht also offensichtlich in dem Fall darum, dass China den kommunistischen Musterbürger erschaffen möchte. Dass ausgerechnet Sie als FDP das als Beispiel hier loben, das ist an Realsatire nicht zu überbieten. Unterm Strich: nett gemeint, netter Versuch. Das Gegenteil von gut ist nicht böse, sondern gut gemeint. Denken Sie darüber beim nächsten Mal nach, wenn Sie einen Antrag formulieren! Danke sehr. Nach diesen Worten schließe ich die Aussprache. Tagesordnungspunkt 15 a. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 19/2991 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Die Federführung ist jedoch strittig. Die Fraktionen der CDU/CSU und SPD wünschen Federführung beim Ausschuss für Wirtschaft und Energie; die Fraktion der FDP wünscht Federführung beim Ausschuss Digitale Agenda. Ich lasse zuerst abstimmen über den Überweisungsvorschlag der Fraktion der FDP, Federführung beim Ausschuss Digitale Agenda. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist dieser Überweisungsvorschlag gegen die Stimmen von Freien Demokraten, AfD, Bündnis 90/Die Grünen und Linken und einer Stimme aus der Fraktion der SPD – ich habe das gesehen, Herr Kollege – mit den Stimmen der übrigen Mitglieder der SPD und den Stimmen der CDU/CSU-Fraktion abgelehnt. Ich lasse nun abstimmen über den Überweisungsvorschlag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD, Federführung beim Ausschuss für Wirtschaft und Energie. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist dieser Überweisungsvorschlag gegen die Stimmen von AfD, FDP, Bündnis 90/Die Grünen und Linken mit den Stimmen der SPD- und der CDU/CSU-Fraktion angenommen. Tagesordnungspunkt 15 b. Wir kommen zur Beschluss­empfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Innovationen als Teil einer kohärenten Digitalisierungsstrategie fördern“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 19/1072, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 19/588 abzulehnen. Wer stimmt dieser Beschlussempfehlung zu? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – „Wie hat die FDP-Fraktion gestimmt?“, wenn ich das mal fragen darf. – Es war nicht sichtbar. Das höre ich jetzt. Ich wiederhole: Wer ist für diese Beschlussempfehlung? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist diese Beschlussempfehlung mit den Stimmen von SPD, CDU/CSU und Freien Demokraten gegen die Stimmen von AfD und Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Linken angenommen.
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Steffen Kotré AfD
Steffen
Kotré
AfD
Schönen guten Morgen! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Energiewende ist nicht mehr zu retten. Was hat die Bundesregierung bisher alles versucht, um diese instabile, unökonomische und ungeeignete Stromerzeugung aus Wind und Sonne zu retten? Verhundertfachung der Netzeingriffe, Abregelung von Windindustrieanlagen, Stromsperren bei Strommangel, verstärkten Stromimport, Netzausbau, Wasserstoff, Mieterstrom, Bürgerenergie und vieles andere mehr. Um die Preise dieser Planwirtschaft zu stabilisieren, werden also auch bald wie zu DDR-Zeiten nicht nur die Stromkunden zur Kasse gebeten, sondern jetzt auch der Steuerzahler, der dann die Subventionen mitbezahlen muss, meine Damen und Herren. Die Anzeichen, dass es nicht funktionieren kann, finden sich auch in dem Gesetzesverfahren selbst. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz ist ständig novelliert worden. Der Entwurf des Gesetzes zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und anderer Gesetze der Koalition ist bereits in erster Lesung im Plenum gewesen und wird jetzt trotzdem mit einem 320-seitigen Änderungsantrag geändert werden. Das, meine Damen und Herren, ist kein Ausdruck dessen, dass die Opposition hier ihre Gedanken mit einbringen konnte. Nein, das ist Ausdruck dessen, dass die Koalition handwerklich nicht gut arbeitet, dass aus den Ministerien Gesetzentwürfe kommen, die handwerklich nicht gut gemacht worden sind und die nachgebessert werden müssen. Das passiert immer häufiger, meine Damen und Herren. Aber das ist eben auch kein Wunder bei der Komplexität dieser Planwirtschaft; da muss man eben ständig nachbessern. Ich denke, wir werden hier also kurz- und mittelfristig wieder weitere Änderungen erleben. Der Änderungsantrag zum Änderungsantrag, 320 Seiten, ist uns 50, nein, 70 Minuten vor der eigentlichen Ausschusssitzung, in der dieser Änderungsantrag behandelt werden sollte, zugegangen. 70 Minuten! Zu allem Überfluss kamen noch zwei mündliche Änderungsanträge hinzu, auf die wir uns natürlich auch nicht vorbereiten konnten. Das ist keine Sternstunde der Demokratie, meine Damen und Herren. Die Stromerzeugung hat früher der Markt geregelt. Die Unternehmen hatten verlässliche Rahmenbedingungen. Es hat funktioniert: geringe Strompreise, hohe Stromversorgung, umweltschonende Energieversorgung. Aber diese Marktwirtschaft haben wir jetzt nicht mehr. Ich kann Ihnen mal gerne den Wust der Gesetze und Verordnungen vorlesen, die jetzt notwendig sind, um diese Planwirtschaft zu regeln. Also, wir haben da Biomassestrom-Nachhaltigkeitsverordnung, Erneuerbare-Energien-Ausführungsverordnung, Besondere Ausgleichsregelung-Gebührenverordnung, EEG- und Ausschreibungsgebührenverordnung, Erneuerbare-Energien-Verordnung, Besondere Ausgleichsregelung-Durchschnittsstrompreis-Verordnung, Grenzüberschreitende-Erneuerbare-Energien-Verordnung, Herkunfts- und Regionalnachweis-Durchführungsverordnung, Herkunfts- und Regionalnachweis-Gebührenverordnung, Innovationsausschreibungsverordnung, Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz-Gebührenverordnung, Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz, Kraft-Wärme-Kopplungs-Ausschreibungsverordnung, Windenergie-auf-See-Gesetz, Verordnung zur Anrechnung von strombasierten Kraftstoffen und mitverarbeiteten biogenen Ölen auf die Treibhausgasquote, Gesetz zur Beschleunigung des Energieleitungsausbaus, Kohleverstromungsbeendigungsgesetz und, und, und. Damit haben wir ganz klar auf dem Tisch: Wir haben es hier mit Planwirtschaft zu tun. Wir haben es hier mit Bürokratieaufbau zu tun, den wir ohne das alles nicht hätten. Damit haben wir hier ein komplexes System, das so bald nicht mehr funktioniert. Deswegen sagen wir: Weg mit dem EEG und Begleitgesetzen! Das ist die einfache Richtung, und das ist Marktwirtschaft, meine Damen und Herren. Vielen Dank. Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Dr. Matthias Miersch, SPD.
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Bijan Djir-Sarai FDP
Bijan
Djir-Sarai
FDP
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um es direkt am Anfang ganz klar zu sagen: Die FDP-Fraktion wird der Verlängerung des Einsatzes mehrheitlich zustimmen. Wir haben in den letzten Wochen bei uns in der Fraktion eine sehr intensive und sachliche Diskussion darüber geführt, wie wir die Situation in Afghanistan bewerten. Wir sind der Meinung – und da unterscheiden wir uns von AfD, Linken oder Teilen der Grünen –: Wir können nicht von heute auf morgen raus aus Afghanistan. Ein solcher Schritt wäre kopflos und vor allem verantwortungslos, meine Damen und Herren. Wir sind der Meinung, dass die Frage nach der Bündnisfähigkeit und damit das Ansehen Deutschlands in der Welt eine große Rolle spielt. Gemeinsam rein, gemeinsam raus, das war die Leitlinie des Einsatzes. Diese Leitlinie war damals richtig, ist heute richtig und wird auch morgen richtig sein. Wir ignorieren nicht, dass sich die Welt um uns herum ändert und sich damit auch bestimmte Rahmenbedingungen ändern. Gehen die Amerikaner raus aus Afghanistan, ändert sich für uns die gesamte Geschäftsgrundlage des Einsatzes. „Gemeinsam rein, gemeinsam raus“ würde dann bedeuten, dass wir mit unseren Verbündeten gemeinsam eine Abzugsperspektive entwickeln müssen. Wir müssen uns alle zusammen mit der Frage beschäftigen, wie es in Afghanistan militärisch und vor allem politisch weitergehen wird, wenn die Amerikaner ihre Truppen abziehen oder auf die Hälfte reduzieren. Auf diese Frage hat die Bundesregierung noch keine Antwort. Sie weist bis zum heutigen Tag darauf hin, dass bis jetzt keine offizielle Meldung seitens der US-Administration vorliegt. Das ist definitiv zu wenig. Hier muss die Bundesregierung aktiv werden. Wir sind der Meinung – wie im letzten Jahr übrigens auch –, dass nach 18 Jahren Afghanistan-Engagement der Einsatz endlich politisch, militärisch und strategisch evaluiert werden muss. Hier muss die Bundesregierung einfach liefern. Sie darf keine Angst vor den Ergebnissen der Bewertung haben. Die internationale Gemeinschaft ist 2001 nach Afghanistan gegangen, um die Terrororganisation al-Qaida zu bekämpfen. Dieses Ziel ist erfolgreich erreicht worden. In einem zweiten Schritt hat die internationale Gemeinschaft versucht, einen demokratischen afghanischen Staat aufzubauen. Dieses Ziel ist krachend gescheitert. Dann gab es noch das dritte Ziel, durch die afghanische Armee und die afghanische Polizei funktionierende Sicherheitsstrukturen zu schaffen. Dieses Ziel ist bis heute nicht erreicht worden. Hier hat die internationale Gemeinschaft noch viel Arbeit vor sich, und die Zeit drängt. Wir als FDP-Fraktion haben einen Entschließungsantrag vorbereitet, der die kritischen Punkte aufgreift. Wir hätten es gerne gehabt, dass diese Punkte im Mandatstext berücksichtigt worden wären. Unsere Vorschläge sind konkret. Wir fordern zum Beispiel eine unabhängige Evaluation für das gesamte deutsche Engagement bis zum 30. Juni. Wir fordern, dass die Bundesregierung gemeinsam mit unseren internationalen Partnern die Kriterien und die Strategie für einen Abzugsplan erarbeitet. Zuletzt hätte man den Einsatz zunächst um sieben Monate verlängern können. So hätte man auch den Wahlen und den möglichen Friedensgesprächen Raum gegeben. Es wäre klug gewesen, wenn die Bundesregierung diese Bedenken im Mandatstext berücksichtigt hätte. Meine Damen und Herren, wir von der FDP sind Opposition im Deutschen Bundestag. Wir hätten es uns ganz leicht machen können. Wir hätten uns zurücklehnen und populistische Forderungen stellen können. Das haben wir bewusst nicht gemacht, sondern wir haben in den letzten drei Wochen eine intensive und sachliche Debatte in unserer Fraktion geführt. Die Ergebnisse habe ich vorgetragen. Ich glaube, gelegentlich kann man auch im Plenum des Deutschen Bundestages sagen, dass man sehr stolz auf die Arbeit der eigenen Fraktion ist. Vielen Dank. Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion Die Linke der Kollege Tobias Pflüger.
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Volker Münz AfD
Volker
Münz
AfD
Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin Giffey! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Haushaltsentwurf des hier zu debattierenden Einzelplans umfasst ein Gesamtvolumen von 10,3 Milliarden Euro. Davon entfallen rund 80 Prozent auf gesetzliche Leistungen für Familien. Das hört sich zunächst gut an; denn auch meiner Fraktion liegt die Familienförderung sehr am Herzen. Wenn man sich aber die Mittelverwendung genauer anschaut – nicht nur bei den Leistungen für Familien, sondern insbesondere auch bei nicht familienbezogenen Leistungen –, dann erkennt man, dass hier vieles im Argen liegt. Hier wird mit dem Geld der Steuerzahler leichtfertig umgegangen, meine Damen und Herren. – Ja, das hat auch der Bundesrechnungshof in der Vergangenheit bereits mehrfach gerügt. Was die familienbezogenen Leistungen angeht, so haben wir einerseits einen gigantischen Verwaltungsapparat. Kollege Mattfeldt hat das vorhin schon gesagt: Im Familienministerium gab es seit 2013 einen Stellenaufwuchs von 40 Prozent. Wir haben einen bürokratischen Dschungel, in dem sich die Bürger und insbesondere die Familien bei der Beantragung der ihnen zustehenden Leistungen kaum noch zurechtfinden. Auf der anderen Seite sind vielfach unzureichende Kontrollen und fehlende Konsequenzen bei zu Unrecht gezahlten Leistungen festzustellen. Das betrifft viele Leistungen, so zum Beispiel die Rückforderungen bei zu viel gezahltem Elterngeld und die Rückholung beim Unterhaltsvorschuss. Ein eklatantes Beispiel sind die Missstände bei der Zahlung von Kindergeld für im EU-Ausland lebende Kinder. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit in Kombination mit dem Kindergeldbezug hat einen Anreiz zur Einwanderung in unser Sozialsystem geschaffen, weil deutsche Kindergeldleistungen in Mitgliedstaaten mit niedrigem Lohnniveau eine signifikante Einkommensquelle darstellen können. So erhalten Eltern für drei Kinder rund 600 Euro Kindergeld pro Monat. Das entspricht dem doppelten Durchschnittseinkommen in Bulgarien. Mehrere Oberbürgermeister, gerade auch sozialdemokratische, haben vor kurzem angesichts unhaltbarer Zustände in einigen Städten Alarm geschlagen. Der Missbrauch der Arbeitnehmerfreizügigkeit zum Zwecke des Kindergeldbezuges muss verhindert werden, meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat dazu noch vor der Sommerpause einen Antrag zur Indexierung – – – Hören Sie doch mal auf, hier ständig dazwischenzuquatschen! Sie können eine Zwischenfrage stellen oder eine Intervention machen. Ich bitte darum, Herr Präsident, dass Sie da einschreiten. Fahren Sie fort. Meine Fraktion hat dazu noch vor der Sommerpause einen Antrag zur Indexierung der Kindergeldzahlung am Lohnniveau des Heimatlandes vorgelegt. Wir sollten uns dem österreichischen Vorgehen anschließen, meine Damen und Herren. Bei den nicht familienbezogenen Leistungen sticht besonders der Haushaltstitel „Maßnahmen zur Stärkung von Vielfalt, Toleranz und Demokratie“ mit 115 Millionen Euro hervor. Ja, die Demokratie muss gestärkt werden. Dem können wir von der AfD mit vollem Herzen zustimmen. Deswegen ist meine Fraktion im Deutschen Bundestag. Denn zur Demokratie gehört, dass es eine Alternative gibt zur Einheitspolitik der Altparteien, meine Damen und Herren. Die größte Beschädigung unserer Demokratie, unseres Rechts- und Sozialstaats sowie der inneren Sicherheit hat die Bundesregierung zu verantworten, indem sie 2015 die Grenze nicht geschlossen hat und entgegen Recht und Gesetz eine Massenzuwanderung zugelassen hat. Auch mehrere namhafte Verfassungsrechtler stufen dies als Rechtsbruch ein, meine Damen und Herren. Ja, die Demokratie muss geschützt werden, gegen alle Versuche, sie zu zerstören. Der Kampf muss gegen alle Extremisten geführt werden, dazu gehören Rechtsextremisten, Linksextremisten und islamische Fundamentalisten. Aber was hier mit Steuermitteln in erster Linie gefördert wird, ist der Kampf gegen alles, was nicht links ist; denn die politische Linke hat zusammen mit CDU/CSU und FDP den Kampf gegen Rechtsextremismus in einen Kampf gegen rechts umgedeutet. Der Kampf gegen rechts gilt der bürgerlichen Mitte, wie auch Kristina Schröder, eine der Vorgängerinnen von Ministerin Giffey, vor kurzem öffentlich zu Recht gesagt hat. Im Kampf gegen rechts haben Vertreter der Altparteien und hohe Repräsentanten unseres Staates keine Skrupel, mit Linksextremen zusammen zu marschieren, aufzutreten oder für diese zu werben. Das ist ein Skandal, meine Damen und Herren! Dass in Chemnitz – am Ort, an dem ein Mensch gestorben ist, ermordet worden ist! – ein Konzert mit linksextremen Bands stattfinden durfte, auf dem gewaltverherrlichende Lieder und Texte – hören Sie doch mal zu; das war doch Ihre Klientel, die da war –, die Verachtung von staatlichen Institutionen zum Ausdruck bringen, vorgetragen wurden, ist eine Schande. Dazu passt, dass die Demokratieklausel, die Kristina Schröder eingeführt hatte, nach ihr wieder abgeschafft wurde. Seitdem werden mit Mitteln aus dem Familienministerium auch Organisationen gefördert, die mit Demokratie nicht viel am Hut haben, nämlich linke und islamische Extremisten. Wir wollen, dass das Bekenntnis zur Demokratie wieder Voraussetzung für die Beantragung von Mitteln aus dem Programm „Demokratie leben!“ wird. Außerdem werden wir eine Kürzung dieser unverhältnismäßig hohen Mittelansätze beantragen. Ich bin auf die Berichterstattergespräche gespannt. Danke für Ihre Aufmerksamkeit. Nächste Rednerin ist Nadine Schön für die Fraktion der CDU/CSU.
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Ingo Bodtke FDP
Ingo
Bodtke
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der vorliegende Antrag „Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel aussetzen“ soll einkommensschwache Haushalte unterstützen. Sie argumentieren damit, dass Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen einen größeren Teil ihres Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben als Spitzenverdiener. Allerdings haben Sie außer Acht gelassen, dass in Deutschland die Ausgaben für Grundnahrungsmittel prozentual am verfügbaren Einkommen gar nicht so hoch sind. Die Einspareffekte für den einzelnen Verbraucher – sei er nun reich oder arm – werden nicht signifikant im Geldbeutel der Menschen spürbar sein. Diese Art von Sozialpolitik mit der Gießkanne funktioniert nicht, weil sie nicht zielsicher auf die betreffenden Personengruppen ausgerichtet ist. Eine Mehrwertsteuersenkung für Grundnahrungsmittel verfehlt in diesem Fall ihre Wirkung. Vielmehr sollte eine zielgenaue Entlastung erfolgen, beispielsweise über eine Einkommensteuersenkung. Eine direkte Subventionierung ist ebenfalls treffsicher. Mit den Entlastungspaketen I und II hat die Bundesregierung zielgerichtete Maßnahmen auf den Weg gebracht, um schnell und unbürokratisch zu helfen. Die Einmalzahlung in Höhe von 200 Euro für Sozialhilfeempfänger und der Kinderbonus in Höhe von 100 Euro stellen eine echte Entlastung für einkommensschwache Menschen dar. Ich gebe zu bedenken: Mit dem Aussetzen der Mehrwertsteuer werden auch Gutverdiener entlastet, obwohl sie nicht die Zielgruppe für die Steuerentlastung sind. Fakt ist: Durch eine solche Maßnahme gehen dem Staat Einnahmen in Milliardenhöhe verloren. Angesichts der aktuell angespannten Haushaltslage können wir es uns einfach nicht leisten, auf diese Steuereinnahmen zu verzichten. Das eigentliche Ziel einer Entlastung der Geringverdiener wird verfehlt. Sehr geehrte Damen und Herren, unser Außenminister machte jüngst den Vorschlag, die Mehrwertsteuer für Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte abzuschaffen – Entschuldigung, Sie haben recht: der Landwirtschaftsminister –, um damit einkommensschwache Haushalte zu entlasten. Bei den Hülsenfrüchten scheint er eines nicht bedacht zu haben: Wer mehr Hülsenfrüchte isst, stößt mehr CO2 aus. Im gleichen Atemzug wird das Argument vorgebracht, dass die Menschen dann auch mehr Obst und Gemüse kaufen und damit einen Anreiz erhalten, sich gesünder zu ernähren. Es hört sich für mich so an, als ob die Mehrwertsteuerbefreiung eine Lenkungswirkung in Richtung gesunde Ernährung übernehmen soll. Herr Kollege. Sehen Sie mir die Kritik nach, aber für mich ist das nichts anderes als Klientelpolitik, und der Steuerzahler zahlt die Zeche. Zum Glück konnte sich dieser Vorschlag auch in der Koalition nicht durchsetzen. Die beiden Anträge lehnen wir ab. Vielen Dank. Der Wunsch nach einer Zwischenfrage nach dem CO2-Ausstoß war schon am Rand der Redezeit; deswegen konnte ich sie nicht zulassen. Das kann man ja von dort, wo man wünscht, nachzufragen oder eine Intervention zu machen, nicht sehen. Deswegen rufe ich jetzt den Kollegen Michael Schrodi für die SPD-Fraktion auf.
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Uwe Schummer CDU/CSU
Uwe
Schummer
CDU/CSU
Verehrtes Präsidium! Meine Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Kollegin Ferschl, das war ja eine Menge Ideologie und ein Sammelsurium dessen, was in der Programmatik der Linken vorhanden ist, aber mit wenig Substanz und wenig Praxisbezug. Gleich zu Beginn des Antrags der Linken geht es um die Frage aller Fragen und um den Schlüssel für alle Türen, die wir öffnen wollen. Er wirft nämlich einen vermeintlichen Widerspruch auf zwischen einer schwarzen Null, also einer soliden Haushaltsführung, auf der einen Seite und notwendigen Investitionsprogrammen auf der anderen Seite. Ich kann Ihnen nur sagen: Diese Regierung kann beides, solide Haushaltsführung und Investitionsprogramme. Wir können beides miteinander verbinden; das ist kreative Politik, statt das eine gegen das andere auszuspielen. Wir haben heute hier im Plenum auch über ein Beispiel debattiert: die aktive regionale Strukturpolitik in den Kohleregionen. Diese werden wir unter anderem mit 40 Milliarden Euro unterfüttern, damit der Wandel Hand in Hand geht, nicht nur der Ausstieg gelingt, sondern auch der Einstieg in moderne und perspektivische Unternehmen. Es fehlt auch nicht an Geld, es fehlt an Fachkräften. Wir haben Genehmigungsverfahren – auch darüber haben wir heute bereits diskutiert –, die zu langsam sind. Bei Verkehrs- und Energietrassen haben wir im Schnitt eine Wartezeit zwischen 15 und 20 Jahren. Da müssen wir beschleunigen. Der Zeitfaktor ist das Problem, das wir angehen müssen. Da sind wir als Regierung hier im Parlament auch tätig, wie die heutigen Debatten zeigen. Wir hatten im Ausschuss für Arbeit und Soziales ein Gespräch mit dem Vorstandsvorsitzenden der Arbeitsagentur Detlef Scheele. Seine Botschaft an uns: Der Arbeitsmarkt bleibt stabil. Die Betriebe halten weitgehend an den Beschäftigten fest, weil sie wissen, dass aufgrund der demografischen Entwicklung und des Fachkräftemangels die Menschen, die Beschäftigten, das Gold in den Unternehmen sind. Was wir angesichts der Schnelligkeit, mit der sich Berufe verändern, aufbauen müssen, ist eine lebensbegleitende Berufs- und Qualifizierungsberatung; auch da sind wir miteinander dran. Die Arbeitsagentur hat insgesamt – ich war etwas verwirrt durch das Klatschen – Rücklagen in Höhe von 25 Milliarden Euro gebildet. Das heißt, mit diesen Rücklagen ist die Arbeitsagentur so gut gerüstet, dass sie auch auf Krisen reagieren kann. Sie hat einen Instrumentenkasten, und dieser Instrumentenkasten ist finanziert. Auch das ist eine Botschaft, die wichtig ist und für die man mal Beifall klatschen kann. Die Koalitionsrunde hat vor gut einem Tag beschlossen, das Kurzarbeitergeld neu zu regeln – das kommt gerade der Metallwirtschaft zugute –, sodass der Bezug des Kurzarbeitergeldes auf 24 Monate verlängert werden kann. Auch ich bin der Meinung, dass man Kurzarbeitergeld generell immer mit Qualifizierung verbinden sollte, dass Qualifizierung und Kurzarbeit zusammengehören, damit nicht Untätigkeit, sondern immer und immer wieder Qualifizierung finanziert wird. Denn das ist der Schlüssel, um eben nicht nur eine konjunkturelle, sondern auch eine strukturelle Krise zu bekämpfen, die länger andauern wird als die des Jahres 2008, aus der wir nach zehn, elf Monaten – auch mit einer Verlängerung des Kurzarbeitergeldes und dem Festhalten an den Beschäftigten – herauskamen. Angesichts des Strukturwandels wird die Bewältigung dieser Krise natürlich längere Zeit benötigen, und da sind Bildung und Qualifizierung der Schlüssel. Beides müssen wir weiter stärken. Wir wissen: Nichts ist beständiger als der Wandel. 1810 war die Schlüsseltechnologie die Dampfmaschine, 1850 die Eisenbahn, 1900 die Elektrifizierung, 1950 die Automobilindustrie, 1995 die Computerisierung und heute die Digitalisierung. Aber noch nie gab es eine Politik, die den Wandel so intensiv mit vorausschauender Struktur- und Arbeitsmarktpolitik begleitet hat. Das ist das Entscheidende bei dieser Großen Koalition: die vorausschauende Struktur- und Arbeitsmarktpolitik. Wir wollen den Wandel, aber wir wollen ihn menschlich gestalten. Wir wollen nicht nur perfekte Technik, wir wollen auch, dass das Soziale, dass das Gemeinschaftliche weiter erhalten bleibt. Zum Antrag der Grünen. Ich finde es spannend, dass vor 100 Jahren, 1920, in der Weimarer Zeit das Betriebsrätegesetz durch einen katholischen Priester, den Reichsarbeitsminister Heinrich Brauns, durchgesetzt wurde. Er wurde „der Eiserne Heinrich“ genannt, weil er 16 Regierungsumbildungen in der Weimarer Zeit überstanden hat. Wir haben also im Grunde ein Jubeljahr, nämlich 100 Jahre betriebliche Mitbestimmung. Ich bin dabei der Überzeugung, dass das Betriebsrätegesetz und die betriebliche Mitbestimmung insgesamt ein Update benötigen, dass wir hier auf den Stand der Zeit kommen müssen. Die Union und die Sozialdemokraten werden dieses Jubeljahr der Mitbestimmung auch nutzen, um entsprechende Maßnahmen in das Parlament einzubringen. Wir wissen: Dort, wo sie existiert, funktioniert die betriebliche Mitbestimmung. Wir haben in erster Linie kein Qualitätsproblem, wir haben aber in vielen Unternehmen ein Quantitätsproblem. Derzeit sind 41 Prozent der Beschäftigten in nur 9 Prozent der Unternehmen überhaupt durch einen Betriebsrat vertreten, und wir sehen, dass die Erosion zunimmt. Deshalb wollen und werden wir Initiatoren besser schützen. Wir werden Onlinewahlen ermöglichen, auch ein einfacheres Wahlrecht schaffen und das Initiativrecht der Betriebsräte für Weiterbildung stärken. Das wird noch in diesem Jahr kommen; denn 2020 ist das Jubeljahr der betrieblichen Mitbestimmung. Ich freue mich von daher auf konstruktive Diskussionen. Alles Gute! Bleibt tapfer! Vielen Dank, Herr Kollege Schummer. – Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Uwe Witt, AfD-Fraktion.
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Karlheinz Busen FDP
Karlheinz
Busen
FDP
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Jahrzehnte wurde der Stallbau von der Politik stiefmütterlich behandelt. Als selbstständiger Bauingenieur habe ich über viele Jahrzehnte Ställe gebaut, und aus Erfahrung kann ich sagen: Stallbau ist hochkomplex. Es ist trotzdem völlig überflüssig, für kleinste Änderungen eines Stalles, die dem Wohl der Tiere dienen, riesige Bauanträge vorzusehen. Der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen ist gut gemeint. Aber auf einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan sind die wenigsten Betriebe angewiesen. Stattdessen bleiben die Vorschriften im Bundes-Immissionsschutzgesetz bestehen. Solange diese Vorschriften bestehen bleiben, bringt der Gesetzentwurf keinen Mehrwert. Der zudem vorgelegte Antrag der Koalitionäre ist mit der heißen Nadel gestrickt. Sie wollten doch nur nicht schon wieder mit leeren Händen dastehen, während wir Freie Demokraten Ihnen immer gute Vorschläge unterbreiten. Frau Klöckner, Sie sollten auch Ihre Prioritäten klären. Setzen Sie sich für umfassende Erleichterungen im Stallbaurecht ein! Das Herzensanliegen, Frau Ministerin, die Tierwohlkennzeichnung, ist leider nicht erfolgreich. Trotz eines guten privaten Kennzeichnungssystems in Deutschland wollen Sie ein nationales Label gesetzlich und freiwillig einführen. Finanzieren wollen Sie das mit einem Umverteilungsmodell ähnlich wie beim EEG. Wer mehr Tierwohl will, soll dafür an der Ladentheke bezahlen. Ein Tierwohl-EEG braucht dieses Land aber nicht. Ambitioniert wäre ein europäisches Label, das die Standards bei der Tierhaltung europaweit harmonisiert. Ihr Vorschlag eines nationalen Alleingangs ist ambitionslos, mutlos und nutzlos. Gestern noch hat mir der Wissenschaftliche Dienst bestätigt: Eine Tierwohlabgabe, wie von Ihnen geplant, wäre verfassungswidrig. Wenn Sie einen nationalen Tierwohlkonsens erreichen wollen, dann müssen Sie mehr liefern als nur kalten Kaffee. Die Folgen einer scheinheiligen Politik mit immer höheren Auflagen sieht man in der Schlachtindustrie. Drei Unternehmen beherrschen mehr als 50 Prozent des Schlachtmarktes. Das ist die direkte Folge einer ideologischen grünen Politik. Wenn Sie Menschen bürokratisieren, bevormunden und abkassieren, müssen Sie sich nicht wundern, wenn es nur noch wenig Platzhirsche am Markt gibt. Kleinbetriebe können bei diesem Regulierungswettlauf nur verlieren. Werkverträge und Zeitarbeit gibt es in diesem Ausmaß nur, weil Rote und Grüne es verbockt haben, den Unternehmen genug Beinfreiheit zu lassen. Wenn Sie bei der Tierhaltung so sehr gegen große Stallanlagen sind, dann dürfen Sie die bürokratischen Fesseln nicht immer enger ziehen. Der grüne Antrag zeigt einmal mehr: Es geht nur um Ideologie. Für eine erfolgreiche Zukunft brauchen wir allerdings keine Ideologie, sondern nur Vernunft. Danke. Für die Fraktion Die Linke hat das Wort die Kollegin Dr. Kirsten Tackmann.
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Kai Wegner CDU/CSU
Kai
Wegner
CDU/CSU
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben jetzt viel über innere Sicherheit gesprochen – zu Recht. Aber es gibt nicht nur die innere Sicherheit, es gibt auch die soziale Sicherheit. Hier sind wir sehr schnell bei den Themen „Lebensqualität“, „Heimat“, „Wohnumfeld“, aber selbstverständlich auch beim Thema „Wohnung“, dem Zuhause. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich freue mich sehr, dass diese Koalition im Bereich des Wohnungsbaus einen neuen Anlauf nimmt und neuen Schwung holt. Ich glaube, wir müssen deutlich machen, dass die Zeit des Redens vorbei ist und dass diese Legislaturperiode die Zeit des Handelns wird. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, verdienen die Menschen in unserem Land. Ja, der Koalitionsvertrag legt hierbei einen Schwerpunkt, und der ist auch nicht wegzudiskutieren. Ich verstehe manche Fragen, die Sie gestellt haben, gar nicht. Sie müssen sich doch nur einmal angucken, welche Maßnahmen wir heute im Rahmen unserer Wohnungsbauoffensive beschließen. Dann sehen Sie doch, welche Antworten diese Koalition gibt. Wir werden die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass in dieser Legislaturperiode 1,5 Millionen neue Wohnungen gebaut werden – neue Wohnungen und Eigenheime. Das ist ein anspruchsvolles Ziel; das wissen wir. Wir wissen auch: Wir werden das nicht alleine schaffen. Wir brauchen die Länder; wir brauchen die Kommunen. Wir brauchen im Übrigen auch die Wohnungsbaugesellschaften, die kommunalen wie die privaten Gesellschaften. Wir brauchen auch die Genossenschaften. Ich würde mich freuen, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn das alle Länder so sehen würden. In Berlin höre ich immer von den privaten Gesellschaften und mittlerweile auch von den Genossenschaften, dass sie sich ausgegrenzt fühlen. Das ist der falsche Weg. Wir brauchen alle Beteiligten, um unsere großen Ziele im Wohnungsbereich umzusetzen. Kollege Wegner, gestatten Sie eine Zwischenfrage aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen? Ach, Herr Kühn. – Gern. Kollege Wegner, danke, dass Sie diese Zwischenfrage zulassen. – Sie haben ausgeführt, welche Maßnahmen diese Koalition mit diesem Haushalt auf den Weg bringt, um den Wohnungsbau voranzutreiben. Sie haben gerade ausgeführt, dass Sie Genossenschaften und kommunale Wohnungsbauunternehmen fördern wollen. Welche Maßnahme in diesem Haushalt oder welche Maßnahme, die die Große Koalition im Augenblick plant, führt dazu, dass kommunale Unternehmen oder genossenschaftliche Unternehmen oder ehemals gemeinnützige Unternehmen nur 1 Cent mehr haben? Keine, meiner Einschätzung nach. Aber welche sehen Sie denn? Ich glaube, die entscheidende Frage, lieber Herr Kühn – hier muss die Regierung gleich nach der Sommerpause ansetzen; ich weiß, dass das auch in Planung ist –, und ein ganz wichtiger Punkt, übrigens auch für den Wohnungsgipfel, ist: Wie können wir Bauland schneller mobilisieren? Wie können wir Bauland schneller verteilen? Was eine mietpreisdämpfende Wirkung angeht, muss hierbei in der Tat auch ganz konkret an Genossenschaften gedacht werden. Lieber Herr Kühn, lassen Sie uns dafür gemeinsam streiten und kämpfen! Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir rammen mit diesem Haushalt in der Tat Pflöcke ein. Ja, wir setzen das Baukindergeld durch. Das eine oder andere Gespräch war doch nötig – das merken Sie vielleicht auch an meiner Stimme; sie ist immer noch leicht angeschlagen –, und ich bin froh und dankbar, dass wir Familien nicht einschränken, dass wir sie nicht hinsichtlich der Quadratmeterzahl begrenzen, um so mit dem Baukindergeld eine breitestmögliche Wirkung zu erzielen – für die Familien in unserem Land. Sie haben es verdient. Wir wollen nicht akzeptieren, dass Deutschland bei der Wohneigentumsquote in Europa ganz weit hinten steht. Wir wollen den Familien Mut zum Eigentum machen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das schaffen wir mit diesem Baukindergeld; davon bin ich überzeugt. Wir setzen einen weiteren Schwerpunkt auf den sozialen Wohnungsbau. Wir nehmen viel Geld in die Hand. Und, liebe Kolleginnen und Kollegen, lieber Herr Föst – es wurde ja schon angesprochen –, was machen die Länder? Ich erwarte, dass die Länder alle diese Mittel des Bundes endlich konsequent zweckgebunden für die soziale Wohnraumförderung einsetzen. Wir brauchen den sozialen Wohnungsbau. Der Bund, diese Koalition, hat das verstanden, ich hoffe, alle Länder auch, liebe Kolleginnen und Kollegen. Es wird endlich die Sonder-AfA für den Mietwohnungsbau kommen. Das hätten wir schon in der letzten Legislaturperiode haben können. Jetzt haben wir es endlich erreicht. Ich glaube, das ist ein weiterer ganz wichtiger Punkt. Meine Damen und Herren, um hier auch einmal mit einer Legende aufzuräumen: Ja, wir nehmen viel Geld für das Baukindergeld in die Hand. Das ist gut; das ist richtig. Aber es ist alles andere als ein Reichenförderprogramm, Frau Wagner. Wir setzen eine Einkommensobergrenze. Wir wollen, liebe Frau Wagner – das ist der Unterschied zu Ihnen –, nicht für eine bestimmte Klientel in Deutschland Politik machen, sondern wir wollen für jeden Geldbeutel, für alle, die es verdient haben, gefördert zu werden, Politik machen. Wir wollen auch die Normalverdiener in den Blick nehmen, die in den letzten Jahren vielleicht ein Stück weit zu kurz gekommen sind, liebe Kolleginnen und Kollegen. Die sind uns nämlich auch wichtig. Wenn Sie sagen, wir würden uns nur noch auf diese Menschen konzentrieren, dann sage ich: Das ist Quatsch. Wir geben fast doppelt so viel für die soziale Wohnraumförderung aus wie für das Baukindergeld – fast doppelt so viel. Deswegen bitte ich Sie einfach, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken, auch von den Grünen: Hören Sie auf mit diesen Neiddebatten in unserem Land. Hören Sie auf mit der Klassenkampfrhetorik beim Thema Wohnungsbau. Das verdienen die Menschen in unserem Land nicht. Lassen Sie uns die fördern, die Förderung verdienen. Das sind die Menschen, die wenig bis gar nichts haben. Das sind aber auch die Familien, die dieses Land aufrechterhalten, liebe Kolleginnen und Kollegen, und den Laden zum Laufen bringen. Das machen wir. Wir wollen gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land. Deswegen sind wir ein verlässlicher Partner für die Städte und für die Kommunen im Bereich der Städtebauförderung. Wir wollen Steine aus dem Weg räumen, die oftmals noch in Form von Gesetzen vorhanden sind. Wir wollen die Steine lieber nutzen, um neue Wohnungen zu bauen, meine Damen und Herren. Dafür bietet dieser Haushalt eine ganz hervorragende Grundlage. Herzlichen Dank. Nächste Rednerin ist die Kollegin Susanne Mittag, SPD.
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Cansel Kiziltepe SPD
Cansel
Kiziltepe
SPD
Danke schön. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Haushaltsdebatte sprechen wir viel darüber, was wir mit den Steuergeldern machen, und dabei dürfen wir nicht vergessen: Dieses Geld kommt von Millionen von ehrlichen Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern. Sie stehen jeden Tag auf, arbeiten hart und schaffen damit die Grundlage sowohl für ihr Leben als auch für unsere Gesellschaft. Ihnen gebührt unser Dank. Danke dafür, dass die Kindergärten und Schulen gebaut und finanziert werden können, dass an den Universitäten gelehrt und geforscht werden kann, dass unsere Straßen sicher und sauber sein können, dass die Digitalisierung vorangetrieben werden kann. Danke dafür, dass wir gute Rahmenbedingungen für unsere Wirtschaft schaffen können, dass Menschen in Not geholfen werden kann und dass der Kampf gegen Corona und den Klimawandel bezahlt werden kann. Ohne die vielen ehrlichen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler wäre all dies nicht möglich. Doch es gibt auch die anderen, diejenigen, die versuchen, sich um jeden Steuercent zu drücken, und nicht davor zurückschrecken, auch die Grenze der Legalität zu überschreiten. Wer die Früchte dieses Landes ernten will, muss zu dieser Gesellschaft auch beitragen. Das haben die Ehrlichen verdient. Dafür setzen wir uns als SPD-Bundestagsfraktion ein. Ehrlichkeit ist gut für uns alle. Sie muss sich für jeden persönlich lohnen. Deswegen unterstützen wir bei den Coronahilfen auch die umsatzbezogenen Instrumente. Damit wird nämlich jenen geholfen, die ihre Umsätze korrekt angegeben haben. Die Ehrlichen haben es verdient, dass ihnen in schlechten Zeiten unter die Arme gegriffen wird. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen mit diesem Haushalt auch noch stärker gegen Schwarzarbeit vorgehen und Missbrauch von Sozialleistungen verhindern. Wir wollen faire und gerechte Arbeitsbedingungen und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor Ausbeutung schützen. Es ist eben ein Haushalt der Ehrlichen. Er belohnt die Ehrlichen, und er erschwert das Leben der Unehrlichen. Ehrlich wäre es auch, Steuerschlupflöcher endlich zu schließen. Viel zu lange müssen wir uns schon anschauen, wie sich Investoren mit Share Deals um die Grunderwerbsteuer winden, während einfache Wohnungskäuferinnen und ‑käufer ihren Beitrag leisten. Ich hoffe inständig, dass sich diese Einsicht auch bei unserem Koalitionspartner noch durchsetzt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist wichtig und richtig, dass wir auf die Coronakrise mit einem Wumms, mit einer Bazooka, reagieren. Wir dürfen unseren Kindern keine Ruinen hinterlassen. Wir müssen Arbeitsplätze sichern, weiter und mehr investieren und die sozialökologische Transformation vorantreiben. Krisen sind Zeiten von Verantwortung, und die zeigen wir mit diesem Haushalt. Eines will ich auch ganz deutlich sagen: Wer in diesen Zeiten massive Steuersenkungen fordert, wie die FDP, der will keine Verantwortung übernehmen, sondern die öffentlichen Haushalte gegen die Wand fahren. Als ich heute Morgen aufgestanden bin, musste ich im Radio den Kollegen Otto Fricke von der FDP-Fraktion hören – Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage? – einen Moment; ich bringe den Satz noch zu Ende, dann gerne –, wie er die Streichung der Grundrente – zulasten der Ärmsten – gefordert hat, statt über solide Staatseinnahmen nachzudenken. Das ist zynisch, und das werden wir nicht zulassen. Jetzt gestatten Sie dem Kollegen Fricke eine Zwischenfrage? Ja. Herr Kollege Fricke. Frau Kollegin, bei so vielen Falschbehauptungen fange ich mal Stück für Stück an. Erstens. Jemand, der hier sagt, dass sich Ehrlichkeit lohnen muss, sollte seinen eigenen Moralkompass hinterfragen. Zweitens. Ich habe nicht gesagt, dass die Grundrente gestrichen werden muss. Wenn Sie ehrlich und fair gewesen wären – Ehrlichkeit ist ja Ihr Thema –, hätten Sie gesagt: Der Kollege Fricke hat gesagt, dass man in Notzeiten eine solche Frage wie die einer Grundrente verschieben sollte, damit denen, die auf Hilfen angewiesen sind, genügend Geld gegeben werden kann. Drittens, Frau Kollegin, darf ich Sie darauf hinweisen, dass sich die FDP-Bundestagsfraktion mit ihrer Basisrente gerade um diese Gruppe kümmert. Jetzt haben Sie gesagt, dass man mit Steuersenkungen ja alles kaputtsparen würde. Das sagen Sie einer Fraktion, die selber anerkennt, dass eine Notsituation besteht. Jetzt frage ich Sie: Trifft es zu, dass Sie einer Fraktion angehören, die im Haushalt 2021 Steuersenkungen in zweistelliger Milliardenhöhe anstrebt – ja oder nein? Und wenn Sie sagen, dass Steuersenkungen falsch sind: Wollen Sie dann damit sagen, dass Sie diese Steuersenkungen und gleichzeitig auch noch die Steuersenkungen für Familien mit Kindern nur machen, weil die böse CDU da ist? Oder ist das einfach etwas unehrlich gewesen? Herr Kollege Fricke, vielen Dank für Ihre Frage. – Ich hätte mir heute Morgen gewünscht, zu hören, dass Sie sich dafür aussprechen, die Teilabschaffung des Solis aufgrund der Notlage, die wir hier in Deutschland gerade haben, zu verschieben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen eine Haushalts- und Fiskalpolitik, die uns durch die Krise bringt und die Weichen von morgen stellt. Wir brauchen keine Steuersenkungen für die Superreichen. Wir brauchen eine Lastenverteilung, in der stärkere Schultern – Vorbild kann von mir aus die Adenauer-Abgabe sein – mehr tragen. Vielleicht sollten die Kollegen von der CDU/CSU auch mal in ihren Geschichtsbüchern rumkramen. Das lohnt sich auf jeden Fall. Liebe Kolleginnen und Kollegen, zu den Weichenstellungen von morgen würde es aber auch gehören, Artikel 3 des Grundgesetzes endlich umfassend im Haushalt zu würdigen. Die Gleichstellung von Mann und Frau muss auch im Haushalt vorangetrieben werden. Und ja, sehr geehrte Herren im Saal: Bei der geschlechtergerechten Haushaltsplanung besteht noch erheblicher Diskussionsbedarf. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Voraussichtlich letzter Redner in dieser Aussprache ist der Kollege Markus Uhl, CDU/CSU.
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Sabine Dittmar SPD
Sabine
Dittmar
SPD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist allgemein bekannt, dass die SPD die gesetzliche Krankenversicherung für weitere Beschäftigtengruppen öffnen möchte und damit Schritt für Schritt auf die Einführung einer Bürgerversicherung hinarbeitet. In eine Bürgerversicherung würden – wie der Name schon sagt – alle Bürgerinnen und Bürger einbezogen werden, also auch Freiberufler, Selbstständige und Beamte. Damit würden alle Berufsgruppen Beiträge in die solidarische Krankenversicherung einzahlen, und die Lasten würden auf mehr Schultern verteilt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind uns einig, dass es auch in der gesetzlichen Krankenversicherung Reformbedarf gab und gibt. So haben wir zum Beispiel die Mindestbeiträge für Soloselbstständige um mehr als die Hälfte gesenkt und Zeitsoldaten den Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung ermöglicht. Damit haben wir die GKV für weitere Personengruppen attraktiver gemacht. Es ist aber auch kein Geheimnis, dass sich die PKV mittlerweile selbst entzaubert hat. Mit jeder neuen Welle von Prämiensteigerungen zum Jahresende erreichen uns Briefe von verzweifelten Privatversicherten, die angesichts der davongaloppierenden Versicherungsbeiträge nicht mehr wissen, wie sie diese in Zukunft bezahlen sollen. Und da hilft auch nur bedingt ein Notlagen- oder Basistarif. Verschärft wird dieser Trend durch die fortdauernde Niedrigzinsphase, die die wirtschaftlichen Verhältnisse der PKV durcheinanderwirbelt. Prämiensteigerungen von mehr als 15 Prozent sind keine Seltenheit. Bei einer echten Wahlfreiheit begeben sich viele Bürgerinnen und Bürger schon heute lieber in den sicheren Hafen der GKV. Hier kann man sich als Versicherter nicht nur auf planbare Beiträge verlassen, sondern hat auch die Sicherheit, nach den Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin behandelt zu werden. Deshalb bin ich davon überzeugt, dass die PKV in der heutigen Form über kurz oder lang ein Auslaufmodell sein wird. Das Neukundengeschäft für Vollversicherungen ist – außer bei Beamten – nahezu zum Erliegen gekommen. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, es macht einen erheblichen Unterschied, ob man die private Krankenversicherung in einen echten Wettbewerb mit den gesetzlichen Kassen schickt oder ob man die Beitragsbemessungsgrenze und die PKV von jetzt auf gleich zum Stichtag X abschaffen möchte. Denn da gibt es erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken und auch sehr konträre Rechtsauffassungen; das haben uns die vielen Anhörungen gezeigt, die wir zu dieser Thematik ja schon durchgeführt haben. Wir Sozialdemokraten setzen daher lieber auf einen Versicherungsmarkt mit gleichen Regeln für alle und echte Wahlfreiheit für die Versicherten. Hamburg hat es vorgemacht und bietet für neue Beamte eine echte Wahlfreiheit zwischen privater und gesetzlicher Krankenversicherung an. Auch in der GKV bekommt man nun die pauschale Beihilfe. Mittlerweile machen auch Berlin, Brandenburg, Thüringen und Bremen ihren Neubeamten dieses Angebot. Auch die Beamten, die sich bislang schon in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert haben, weil sie beispielsweise aufgrund einer Vorerkrankung überhaupt keine private Krankenversicherung gefunden haben, erhalten nun endlich den Arbeitgeberzuschuss. Es wäre nur konsequent, auch auf Bundesebene für die Beamtinnen und Beamten aktiv zu werden. Leider hat die Union bislang weder ein Interesse daran, die Situation der gesetzlich versicherten Bundesbeamten zu verbessern, noch daran, den Beamten eine echte Wahlfreiheit zu ermöglichen. Diese Haltung der Union könnte man ja noch mit einer – ja – ideologischen Nibelungentreue zur PKV erklären. Aber richtig fragwürdig für mich ist die ablehnende Haltung des Beamtenbundes, der glaubt, seine Mitglieder vor einer freien Entscheidung zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung schützen zu müssen. Er nimmt dabei als Kollateralschaden in Kauf, dass gesetzlich versicherte Beamte den kompletten Beitrag alleine zahlen müssen, während ihr Beihilfeanspruch komplett ins Leere läuft. Das ist für mich, Kolleginnen und Kollegen, wirklich sehr bemerkenswert. Über die Bundesländer könnte hier auch wieder ein bisschen Dynamik in das Geschehen kommen, wenn man sich beispielsweise in Baden-Württemberg mit dem grünen Gesundheitsminister dafür einsetzen würde, dass der Arbeitgeberzuschuss auch für die Beamtinnen und Beamten in der GKV geleistet wird. Kolleginnen und Kollegen, es wird zweifelsohne noch ein langer Weg sein, bis wir ein einheitliches und solidarisches Versicherungssystem haben: für alle Bürgerinnen und Bürger, unabhängig vom Status, ob Beamter, Angestellter, Freiberufler oder Selbstständiger. Aber – davon bin ich überzeugt –: Die Bürgerversicherung – oder wie immer man sie dann auch nennen mag – wird kommen. Davon bin ich überzeugt, und dafür werden wir als SPD weiterkämpfen. Die Anträge der Linken lehnen wir allerdings ab. Denn wir setzen weniger auf verfassungsmäßig fragwürdige Verbote, als vielmehr auf die Überlegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung. Das Wort hat die Kollegin Christine Aschenberg-Dugnus für die FDP-Fraktion.
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Maria Klein-Schmeink BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Maria
Klein-Schmeink
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Danke sehr, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Hause! Zu einer Regierungserklärung gehört natürlich auch der Widerspruch aus der Opposition. Aber ich muss an dieser Stelle sagen: Nie zuvor war der Druck Richtung Veränderung so groß, wie er jetzt in dieser Situation ist, und gleichzeitig war das Fragezeichen nie so groß. Wie können wir eigentlich bei diesem Regierungswechsel die Probleme, die so drängend vor uns stehen, lösen? Das, denke ich, muss man an dieser Stelle deutlich betonen. Herr Brinkhaus, Herr Dobrindt, Sie haben konstruktive Opposition angekündigt; dafür sind wir dankbar. Denn natürlich können im Widerstreit der Parteien und der Fraktionen tatsächlich gute Lösungen entstehen. Aber ich habe von Ihnen keinen einzigen Vorschlag für eine Lösung der Probleme gehört. Da, glaube ich, müssen Sie noch deutlich nachlegen. Ich bin mir nicht sicher, ob die Einigkeit, die Sie uns absprechen, bei Ihnen eigentlich vorhanden ist. Das fängt damit an, wenn wir uns anschauen, in welcher Lage wir jetzt bei der Coronabewältigung sind. Ich muss sagen: Ich war gestern einigermaßen erschüttert, zu hören, dass der Impfstoff für das erste Quartal 2022 nicht ausreichend ist, um wirklich alle Menschen boostern zu können. Mit einer großen Kraftanstrengung werden wir vielleicht 30 Millionen Menschen bis zum Jahresende geimpft haben. Hier gilt an erster Stelle ein großer, großer Dank an alle, die sich jetzt so ins Zeug legen. Das ist wirklich eine große Leistung, und sie ist für unser aller Wohlergehen unglaublich wichtig, weil wir wissen: Auch bei der neuen Virusvariante wird das Boostern helfen. Es wird vielleicht nicht zu 100 Prozent helfen, aber sehr, sehr deutlich. Deshalb ist es so wichtig. Es ist ein enormes Versäumnis, dass die entsprechenden Impfdosen nicht bestellt wurden. Wir können auch nicht sicher sein, dass für die Kinderimpfung eine ausreichende Anzahl an Dosen bestellt wurde. Ob wir sie am Markt noch erhalten werden, ist unklar. Insofern starten wir durchaus mit großen, großen Beschwernissen in ein neues Jahr. Das will ich an dieser Stelle deutlich sagen. Und wir sehen, dass das Prinzip der vorausschauenden Arbeit, der vorausschauenden Politik, der vorsorgenden Politik insgesamt in dieser gesellschaftlichen Lage von besonderer Bedeutung ist. Ebenso wichtig ist es, die Wissenschaft, die wissenschaftlichen Erkenntnisse einzubeziehen. Ich bin sehr froh, dass das nun regelmäßig geschieht, dass wir den Expertenrat haben, dass wir den Krisenstab haben, der sich jetzt mit den logistischen Fragen auseinandersetzen wird. Da bin ich sehr, sehr froh. Wir gehen einen entscheidenden Schritt. Aber wir alle müssen uns klarmachen: Das, was vor uns liegt, ist nicht leicht. Das wird Zusammenhalt nötig machen. Das wird Respekt nötig machen, insbesondere vor denjenigen, die sich jetzt unermüdlich für uns einsetzen. Wenn wir sehen, was auf den Intensivstationen vor sich geht, wenn wir die Belastung dort sehen, wenn wir sehen, dass auf den Stationen bald die 5 000er-Grenze erreicht sein wird – alle Fachleute sagen, dass das eigentlich das Limit für eine verantwortbare Arbeit ist –, dann wissen wir: Wir haben noch einiges vor uns. Insofern ist es sehr wichtig, dass wir alle miteinander den Zusammenhalt deutlich nach draußen tragen, dass wir dafür sorgen, solidarisch zu sein, und dass wir dafür werben, dass alle Menschen diesen Weg mitgehen. Deshalb muss ich in Richtung AfD ganz klar sagen: Was Sie da betreiben, ist unverantwortlich, und zwar gegenüber jedem Einzelnen und der Gesellschaft. Wir sind als Koalition der Veränderung angetreten, nicht nur weil wir Veränderung wollen, sondern weil Veränderung dringend geboten ist. Wir werden die ökologischen Herausforderungen nicht ohne Veränderung stemmen. Wir werden sie auch in wichtigen gesellschaftlichen Bereichen nicht ohne Veränderung stemmen. Ich nenne da als Erstes all das, was mit der Gesundheitsversorgung zu tun hat. Wir wissen, dass wir drängende Fragen wie den enormen Fachkräftemangel, der gerade in der Pflege besteht, vor uns haben. Wir werden die Herausforderungen, die wir zu stemmen haben, nicht stemmen, wenn wir nicht insgesamt dafür sorgen, dass es eine Aufwertung in diesen Bereichen gibt, wenn wir nicht für deutlich bessere Arbeitsbedingungen in diesen Bereichen sorgen und wenn wir nicht dafür sorgen, dass die Wertschätzung der Gesellschaft für diesen wichtigen Bereich unseres Gemeinwesens enorm gesteigert wird. Da sind wir alle gefordert, nicht nur die, die Regierungsfraktionen stellen, sondern alle hier im Hause. Denn es geht um das Wohlergehen der Gesellschaft insgesamt. Vielen Dank, Frau Kollegin Klein-Schmeink. – Nächster Redner ist der Kollege Tino Chrupalla, AfD-Fraktion.
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Dr.
Dr. Matthias Bartke SPD
Matthias
Bartke
SPD
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ordnungsmaßnahmen des Sitzungspräsidiums gegenüber Parlamentariern sind so alt wie der Parlamentarismus selber. Manchmal sind Ordnungsmaßnahmen so, dass sie regelrechte Staatskrisen auslösen. 1949 in einer der ersten Sitzungen des Bundestages bezeichnete Kurt Schumacher Konrad Adenauer als „Kanzler der Alliierten“. Dafür wurde er für 20 Sitzungstage ausgeschlossen. Manchmal sind die Anlässe für Ordnungsmaßnahmen aber auch durchaus lustig. So gibt es ein ganzes Buch über Herbert Wehner, das den Titel trägt „Ordnungsrufe“. Den Inhalt können Sie sich lebhaft vorstellen. Da ist zum Beispiel zu lesen, dass er in einer Rede die Hälfte der Anwesenden als Trottel bezeichnete. Dafür kassierte er natürlich sofort einen Ordnungsruf. Darauf entschuldigte er sich und sagte: Ich nehme das zurück. Die Hälfte der hier Anwesenden sind keine Trottel. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt viele lustige Begebenheiten, die der Parlamentsbetrieb zuweilen mit sich bringt. Der Anlass für unseren heutigen Gesetzentwurf zum Ordnungsrecht im Bundestag – Herr Schnieder hat es gesagt – ist leider überhaupt nicht lustig. Wenn man sich den Katalog der Ordnungsmaßnahmen in der Geschäftsordnung und im Abgeordnetengesetz anschaut, so stellt man fest, dass sich alle auf den Plenarbetrieb beziehen. Das ist so seit Anbeginn der Republik. Niemand konnte sich in den letzten 70 Jahren vorstellen, dass es einmal notwendig werden würde, außerhalb der Plenarsitzungen Ordnungsmaßnahmen gegen Abgeordnete verhängen zu müssen. Niemand konnte sich früher auch vorstellen, dass eine Partei wie die AfD wieder ins Parlament einziehen würde. Hintergrund des Gesetzentwurfes sind natürlich die Ergebnisse rund um die Debatte zum Dritten Bevölkerungsschutzgesetz am 18. November. AfD-Abgeordnete dieses Parlamentes haben wissentlich und willentlich Randalierer in das Hohe Haus gelassen. Ein Abgeordneter rief die Demonstranten per Video dazu auf, sich Abgeordnete – Zitat – „zu krallen“. Glücklicherweise ist niemand zu Schaden gekommen. Was rechter Mob anrichten kann, das wissen wir in Deutschland ganz genau. Und ganz sicher wissen wir das nicht erst, seitdem Donald Trump den rechten Mob zum tödlichen Sturm auf das Kapitol aufrief. Dass viele der AfD-Anhänger von so etwas wie diesem Sturm träumen, dürfte leider die traurige Wahrheit sein. Die Gefahr, dass Abgeordnete zu einem solchen Sturm auch auf den Bundestag beitragen, ist seit dem 18. November leider ziemlich real. Deshalb schlagen wir die vorliegende Ergänzung des Abgeordnetengesetzes vor. Künftig soll das Bundestagspräsidium Ordnungsmaßnahmen auch außerhalb von Sitzungen verhängen dürfen. Herr Maier, Sie bemängeln, dass die Formulierung „Wegen einer nicht nur geringfügigen Verletzung“ im neuen § 44e Absatz 2 in unserem Gesetzentwurf zu unbestimmt sei. Die Formulierung ist aber exakt übernommen aus § 44a des Abgeordnetengesetzes, der die Ordnungsgelder bei Plenardebatten regelt. Seit Bestehen des § 44a hat noch nie jemand Anstoß an dieser Formulierung genommen. Aber jetzt ganz plötzlich? Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist völlig offensichtlich: Diese Kritik ist vorgeschoben. Dass eine solche Kritik von Ihnen, von der AfD, kommt, ist ja wahrlich nicht weiter verwunderlich. Verwunderlich ist es aber schon, dass die Linke ganz offenbar ins gleiche Horn stößt. Liebe Linke, der AfD-Beifall ist Ihnen sicher. Ich finde das ziemlich befremdlich. Aber die gute Nachricht zum Schluss: Seit gestern ist die AfD vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft. Die FUNKE Mediengruppe schrieb dazu heute Morgen: Die AfD hat sich die Einstufung als „Verdachtsfall“ redlich verdient. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das kann jeder hier im Haus bezeugen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf macht eines deutlich: Wir haben nicht nur ein wehrhaftes Grundgesetz, wir haben auch ein wehrhaftes Parlament! – Ich bitte um Zustimmung. Ich danke Ihnen. Das Wort hat der Kollege Dr. Marco Buschmann für die FDP-Fraktion.
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Dr.
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Wolfgang
Strengmann-Kuhn
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In diesen unsicheren ökonomischen Zeiten ist es sehr richtig, dass der vereinfachte Zugang zum Kurzarbeitergeld verlängert wird. Das ist wichtig für die Sicherheit der Beschäftigten. In dem Gesetzentwurf, der heute vorliegt, geht es aber gar nicht darum, sondern es geht um drei konkrete Detailregelungen, an denen wir Kritik üben. Erster Punkt ist die Verlängerung der Aufstockung des Kurzarbeitergeldes nach einer gewissen Zeit: nach drei Monaten um 10 Prozentpunkte und nach sechs Monaten um 20 Prozentpunkte. Das ist aber viel zu spät; denn die Menschen brauchen schon ab dem ersten Tag einen Aufschlag auf das Kurzarbeitergeld. Für Menschen, die ein geringes Einkommen haben, sind 70 Prozent oder 80 Prozent Kurzarbeitergeld viel zu wenig. Deswegen haben wir vorgeschlagen, keine zeitlich gestaffelte Erhöhung vorzunehmen, sondern eine nach dem Einkommen gestaffelte Erhöhung. Damit bekommen gezielt Menschen mit mittleren und kleinen Einkommen ein Kurzarbeitergeld, das existenzsichernd ist: mit Mindestlohn 90 Prozent. Diejenigen mit höherem Einkommen brauchen keine 70 Prozent, 80 Prozent oder 90 Prozent, wie die Linken es fordern. Es müssen vielmehr gezielt die unteren und mittleren Einkommen unterstützt werden. Zweiter Punkt. Sie verschlechtern die Ausnahmeregelungen bei den Hinzuverdienstmöglichkeiten und begrenzen das auf Minijobs. Warum eigentlich? Es wäre doch besser, wenn die Hinzuverdienstmöglichkeiten nicht bei 450 Euro begrenzt würden, sondern die alte Regelung einfach fortgeführt würde. Dritter Punkt. Es ist gesagt worden: Es wird der Anreiz für Weiterbildung verbessert. – Ja, das ist richtig, aber erst ab Juli 2021. Wie bescheuert ist das denn? Wir brauchen jetzt Anreize für mehr Weiterbildung! Wir brauchen jetzt eine Qualifizierungsoffensive! Wir Grünen haben entsprechende Vorschläge gemacht: Führen Sie einen Weiterbildungsbonus ein! Zahlen Sie zusätzlich zum Arbeitslosengeld und zum Kurzarbeitergeld 200 Euro, wenn eine Weiterbildung gemacht wird. Das wäre ein Anreiz, der sofort wirken würde. Und: Wir brauchen eine Qualifizierungskurzarbeit, damit die Menschen in dieser Zeit wirklich etwas Neues lernen können. Wir brauchen also eine echte Qualifizierungsoffensive, die verbunden wird mit Kurzarbeitergeld und mit dem Arbeitslosengeld, damit die Menschen besser aus dieser Krise herauskommen, damit sie fit gemacht werden für die Zukunft und somit bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Ich möchte ganz kurz noch zwei Punkte ansprechen, die in dem Gesetzentwurf nicht enthalten sind. Wir brauchen nicht nur eine Verlängerung beim Kurzarbeitergeld, sondern wir müssen auch die Sonderregelung beim Arbeitslosengeld verlängern, damit die Menschen nicht durch die Coronakrise in den Bezug von Arbeitslosengeld II abstürzen. Auch das muss dringend verlängert werden. Last, but not least: Schaffen Sie endlich eine einfache, unbürokratische Leistung, damit für die Selbstständigen zumindest das Existenzminimum gesichert ist! Das ist als Ergänzung dringend nötig. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Vielen Dank, Herr Kollege. – Vorletzter Redner ist der Kollege Bernd Rützel, SPD-Fraktion.
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Eckhard Pols CDU/CSU
Eckhard
Pols
CDU/CSU
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Unsere Fraktion beobachtet mit großer Sorge, dass die Erinnerungskultur und die Deutung des Zweiten Weltkrieges widersprüchlicher, ja, umstrittener sind denn je. Historiker sprechen gar von einem Erinnerungskrieg, der das Potenzial hat, neue Konflikte in Europa zu schüren. Der „Spiegel“ schreibt Anfang Mai: „Dabei verläuft die am schwersten umkämpfte Frontlinie zwischen Polen und Russland.“ Das sind erstaunlicherweise die Länder, die am meisten unter dem Zweiten Weltkrieg gelitten haben. Streitpunkte sind etwa die eigene Opferrolle, der Hitler-Stalin-Pakt, der 1939 zur Aufteilung Polens führte, und die damit verbundene Frage, ob die Sowjetunion eine Mitschuld am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges trägt. Meine Damen und Herren, diese Auseinandersetzung wird auch hierzulande geführt, und die versuchte Einflussnahme reicht bis in den Deutschen Bundestag. Aufgrund der deutschen Verantwortung für die Millionen Opfer der größten Tragödie des 20. Jahrhunderts muss sich die Bundesrepublik Deutschland dieser geschichtspolitischen Herausforderung stellen. Warum ist diese Entwicklung so brandgefährlich? Weil in Deutschland die politische Rechte unter Führung der AfD eine Neubewertung des Nationalsozialismus anstrebt. Bewusst werden einzelne Ereignisse des Weltkrieges, wie die Bombardierung Dresdens, instrumentalisiert und Deutsche ausschließlich als Opfer thematisiert. Dahinter steckt die Strategie, den Fokus auf die Kriegsverbrechen der Alliierten zu richten, um die deutsche Schuld zu relativieren. Der vorliegende AfD-Antrag benutzt in geradezu skandalöser Weise die wegweisende Rede des Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker zum 8. Mai 1945, um eine Gedenkstätte für deutsche Opfer des Zweiten Weltkrieges zu begründen. Dabei blendet sie die Vorgeschichte des Krieges, die Machtergreifung der Nationalsozialisten, und die Millionen NS-Opfer, die Weizsäcker selbstverständlich in den Vordergrund gestellt hat, völlig aus. Weizsäcker erinnerte aber eben auch an die deutschen Opfer des Widerstands oder an die Heimatvertriebenen. Die AfD hantiert, etwa bei Flucht und Vertreibung, mit höheren Opferzahlen, als sie in der aktuellen Forschung als gesichert gelten. Es ist ein Angriff auf die deutsche Erinnerungskultur, die uns Achtung in der Welt verschafft hat, wenn die AfD den Opfermythos der 50er-Jahre wiederbeleben will. Zudem ist der Antrag handwerklich miserabel. Der Antrag ist gemessen an wissenschaftlichen Standards wahrhaftiger Aufarbeitung des Zweiten Weltkriegs eine absolute Niederlage, und Sie werden damit auch nicht durchkommen. Die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag hat sich seit 1949 für Versöhnung und Wiedergutmachung gegenüber den NS-Opfern und für Solidarität und Lastenausgleich in der eigenen Bevölkerung eingesetzt, die von den Kriegsfolgen unterschiedlich betroffen war. Wir verurteilen deshalb jede Form von Geschichtsklitterung in Bezug auf den Zweiten Weltkrieg auf das Schärfste. Angesichts der neuen geschichtspolitischen Herausforderungen ist es zwingend erforderlich, über die bisherigen Initiativen zur Erweiterung des Gedenkens an den Zweiten Weltkrieg und dessen Opfer hinauszugehen. Die zukünftige Aufarbeitung des Zweiten Weltkrieges muss mit einem umfassenden Ansatz erfolgen. Dabei müssen alle Aspekte seiner Geschichte – von der Besatzungsherrschaft über die Zwangsarbeit bis zum Bombenkrieg – ausgewogen berücksichtigt werden. Unsere Fraktion hält am Postulat von Weizsäcker fest: Wir müssen der historischen Wahrheit ins Auge sehen, „ohne Beschönigung und ohne Einseitigkeit“. Ich stimme daher dem Staatsminister Michael Roth vollkommen zu, der am 8. Mai in der „Frankfurter Rundschau“ äußerte, dass Erinnern kein Kampfinstrument der politischen Auseinandersetzung sein darf. Gedenken darf nicht spalten! Vielen Dank. Vielen Dank. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe deshalb die Aussprache.
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Rüdiger Lucassen AfD
Rüdiger
Lucassen
AfD
Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! EUTM Mali ist in den Augen der Bundesregierung für die sogenannte Nachhaltigkeit zuständig, in einem Land, das fast viermal so groß ist wie Deutschland. MINUSMA soll stabilisieren. EUTM Mali soll örtliche Kräfte ausbilden, die dann irgendwann einmal selbst stabilisieren. Ein solcher komplementärer Ansatz kann theoretisch funktionieren, aber sicherlich nicht so, wie es sich die Bundesregierung vorstellt. Seit fünf Jahren bemühen sich deutsche Soldaten redlich, die Streitkräfte Malis einigermaßen auf Stand zu bringen. Herr Außenminister, Sie haben eine ganze Reihe von Erfolgen aufgelistet. Das Verteidigungsministerium behauptet, dass 10 300 malische Soldaten ausgebildet wurden. Das wären 60 Prozent des gesamten Heeres dieses Landes. Wenn dem so ist: Müssten dann nicht bereits deutliche Verbesserungen in der Sicherheitslage erkennbar sein? In Ihrem Antrag geben Sie die Antwort. Sie lautet: Nein. – Ich zitiere: Die Sicherheitslage hat sich … insgesamt verschlechtert. Und: Die malischen Streitkräfte sind aufgrund ausgebliebener struktureller Reformen … nur sehr eingeschränkt in der Lage, diesen Herausforderungen zu begegnen. Die Bundesregierung bescheinigt sich in diesem Antrag also ihr eigenes Versagen in Mali, will aber genauso weitermachen wie bisher. Jetzt wäre die Stunde für dieses Parlament gekommen, sich auf seine eigene Rolle zu besinnen und der Regierung zu sagen: Stopp, so nicht! Der Auftrag der deutschen Soldaten in Mali ist unter anderem die Beratung des malischen Verteidigungsministeriums und der operativen Führungsstäbe. Genau dort müssten also strukturelle Reformen greifen – tun sie aber nicht. Warum nicht? Sind die Beratung und die Ausbildung falsch? Ist der gesamte Ansatz der Bundesregierung bei diesem Einsatz falsch? Oder liegt es etwa an den afrikanischen Partnern, die mit dem, was dort vermittelt werden soll, einfach nichts anfangen können? Ich stelle fest: Der Einsatz funktioniert nicht. Das liegt nicht an den Männern und Frauen in unseren Streitkräften, sondern an dem falschen konzeptionellen Ansatz der Bundesregierung. Wie bei jedem anderen Einsatz der Bundeswehr legt die Regierung auch bei EUTM Mali größten Wert auf den sogenannten vernetzten Ansatz. Die Grünen sind von dieser Worthülse ja schon fast abhängig. Sie ist so etwas wie das Propofol für die eigene Basis. So kann man den altersschwachen Ostermarschierern sagen: Nein, um Gottes willen. Wir schicken nicht nur Militär, wir leisten auch unheimlich viel zivile Aufbauhilfe. Doch stimmt das? Heute debattieren wir nur über die Aufgaben der Bundeswehr vor Ort. Doch was macht eigentlich das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in Mali? Das wäre ja das entscheidende Ressort, wenn es um die oft zitierte Bekämpfung von Fluchtursachen geht. Wo sind die Erfolge? Antwort: Nicht existent. – Eine Art hauseigene Geldverteilungsmaschine des BMZ, die GIZ, ist mit über 260 Mitarbeitern in Mali vor Ort. Was haben diese Leute bisher erreicht? Die Antwort gibt es wieder im Antrag der Bundesregierung. Ich zitiere – hören Sie einfach zu –: Zudem mangelt es an grundlegenden sozioökonomischen Perspektiven für weite Teile der Bevölkerung. Also auch hier Schulnote „ungenügend“; Versetzung in die nächste Mandatsverlängerung nicht möglich. Die Bundeswehr ist seit fünf Jahren in Mali stationiert, die deutsche Entwicklungshilfe bereits seit 58 Jahren. Nach über einem halben Jahrhundert technischer und finanzieller Hilfe lautet das Ergebnis: Mangel an grundlegenden Perspektiven für weite Teile der Bevölkerung. Ich sage Ihnen: Die gesamte deutsche Entwicklungshilfe gehört auf den Prüfstand. Bei EUTM Mali bleibt die Regierung ihrer Linie treu. Es gibt keine tragfähige Strategie, keine definierten politischen Ziele und deshalb auch keine Erfolgsaussichten. Der Aufwand, den die Bundeswehr betreiben muss, steht in keinem angemessenen Verhältnis zum Ergebnis. Sie wollen keinen robusten Einsatz gegen Terror, gegen Kriminalität und gegen irreguläre Migration, weil Sie die Risiken scheuen. Stattdessen wurschteln Sie seit Jahren herum und binden dadurch Kräfte, die vor allem in der Landes- und Bündnisverteidigung fehlen. Das muss aufhören. Deswegen wird die AfD dem Antrag auf Mandatsverlängerung nicht zustimmen, der Überweisung schon. Ich erteile das Wort dem Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Peter Tauber.
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Katja Mast SPD
Katja
Mast
SPD
Zuerst einmal, vielen Dank, Frau Ministerin, dass Sie gesagt haben, dass wir das im Laufe dieses Jahres regeln können; denn sonst steht diese weltweite Initiative – „40 Days for Life“ nennt sie sich – in einem halben Jahr wieder an der gleichen Stelle: 40 Tage lang. Deshalb ist die heutige Botschaft: nicht noch einmal 40 Tage! – Insofern freue ich mich ganz besonders über diese Äußerung. In meinem Wahlkreis in Pforzheim stehen regelmäßig Vertreter dieser Initiative in Sichtweite der Pro-Familia-Beratungsstelle, aktuell gegenüber, an einer vierspurigen Straße. Ich finde es ist nicht nur wichtig, zu berücksichtigen, ob die Frauen angesprochen werden; vielmehr geht es auch darum, dass sie, ohne erkannt zu werden, ohne Beobachtungsgefühl, ohne Stigmatisierung durch Gebete, Gesänge oder Plakate letztendlich ihrer Pflicht – die wir ihnen in § 218a StGB auferlegt haben –, in eine Beratungsstelle zu gehen, nachkommen können. Deshalb ist meine Frage, ob Sie glauben, dass wir auch regeln können, dass weder angemeldete Gottesdienste noch Demonstrationen noch Einzelpersonen sich dauerhaft in unmittelbarer Nähe zu solchen Beratungsstellen oder auch zu Arztpraxen aufhalten können. Denn das findet aktuell in Stuttgart statt.
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Dr.
Dr. Matthias Bartke SPD
Matthias
Bartke
SPD
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frage: Was haben die Länder Hamburg, Berlin, Brandenburg, Bremen, Schleswig-Holstein und NRW jetzt schon gemeinsam? Antwort: All diese Länder haben das inklusive Wahlrecht bereits eingeführt. Und jetzt macht es auch der Bund. Der Ihnen vorliegende Koalitionsantrag zur Abschaffung der Wahlrechtsausschlüsse ist das glückliche Ende einer sehr, sehr langen positiven Entwicklung, einer Bewusstseinsentwicklung. Diese allmähliche Bewusstseinsveränderung für die berechtigten Anliegen von Menschen mit Behinderung betrifft uns alle. Auch die SPD wurde gefragt: Wollt ihr wirklich Menschen wählen lassen, die eine Betreuung in allen Angelegenheiten haben? Antwort: Ja, das wollen wir. – Denn wir wissen, dass eine Behinderung nicht das politische Bewusstsein beeinträchtigt. Menschen mit Behinderung haben häufig ein ganz klares Gespür dafür, was sie politisch richtig und was sie politisch falsch finden. Und sie haben häufig auch eine ganz klare Meinung darüber, welche Partei sie gut finden. Meine Damen und Herren, man darf Menschen das Wahlrecht nicht vorenthalten, nur weil sie unter Vollbetreuung stehen. – Dieser Satz ist die Quintessenz der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung vom 29. Januar dieses Jahres. Rein rechtlich wäre es dem Gesetzgeber nach der Entscheidung des Gerichts nicht verwehrt gewesen, Individualprüfungen zur Wahlrechtsfähigkeit einzuführen; Herr Ullrich hat eben noch mal darauf hingewiesen. Ich weiß, dass unser Koalitionspartner lange mit diesem Weg geliebäugelt hat. Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, möchte ich mich ausdrücklich bei Ihnen dafür bedanken, dass Sie diesen Weg am Ende nicht gegangen sind. Ich sage Ihnen: Es wäre der grundfalsche Weg gewesen. Keine Person und keine Institution auf der ganzen Welt haben das Recht, Menschen wegen irgendwelcher Eigenschaften das Wahlrecht abzusprechen. Der richtige Weg ist der, den wir jetzt gehen. Es ist der Weg, Menschen mit Behinderung von der Wahl nicht auszuschließen, sondern ihnen durch Unterstützung und Wahlassistenz die Ausübung ihres Wahlrechts zu ermöglichen. Liebe behindertenpolitischen Sprecherinnen und Sprecher der Opposition, auch bei Ihnen möchte ich mich bedanken. Wir haben das Thema Wahlrechtsausschlüsse in vielen Sitzungen diskutiert, und die Diskussionen waren immer solidarisch und im Interesse der Betroffenen. Umso mehr tut es mir leid, dass wir Ihren Anträgen nicht zustimmen können. Frau Rüffer, ich weiß, dass sie wirklich gut gemeint sind; aber wie der Volksmund sagt: Gut gemeint ist häufig das Gegenteil von gut gemacht. So ist es leider auch hier. Sie möchten, dass die Vollbetreuten bereits bei der Europawahl in zwei Monaten wählen können. Ich finde, das ist ein sehr verständliches Anliegen. Mit Ihrer vorgeschlagenen Rechtsänderung verändern Sie aber nicht nur den potenziellen Kreis der Wählerinnen und Wähler, sondern auch den der Kandidaten. Alle Parteien haben ihre Kandidaten für die Europawahl aber längst aufgestellt. Sie wollen also nach Aufstellung der Kandidaten, aber noch vor der Wahl die Regularien für das passive Wahlrecht verändern. Das ist ein absolut unzulässiger Eingriff in die Kandidatenaufstellung der Europawahl. Ich sage Ihnen: Das geht gar nicht. Die Europäische Kommission für Demokratie durch Recht, die sogenannte Venedig-Kommission, hat aus gutem Grunde festgestellt, dass Wahlrechtsänderungen nur bis ein Jahr vor der Wahl stattfinden dürfen. Herr Beeck, wenn wir Ihren Änderungen des Europawahlgesetzes zustimmen würden, so hätte das mit Sicherheit eines zur Folge, nämlich die nächste Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. Die Koalition wird daher in den nächsten Wochen ein Gesetz vorlegen, das erst nach der Europawahl, nämlich am 1. Juli 2019, in Kraft tritt. Meine Damen und Herren, abgesehen von diesem Dissens möchte ich am Ende doch eines betonen: Wir haben es gemeinsam geschafft, einen großen überparteilichen Konsens für die Abschaffung der Wahlrechtsausschlüsse herzustellen. Daher sage ich mit großer Freude: Heute ist ein guter Tag für die Inklusion. Ich danke Ihnen.
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Dr.
Dr. Bettina Hoffmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Bettina
Hoffmann
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, es stimmt: Bakterien kommen überall vor. Und das ist erst mal gut so. Wir brauchen Bakterien auf unserer Haut, in unserem Darm, im Boden und auch überall sonst in der Umwelt. Und ja, es ist auch richtig, dass gerade im Wasser sehr häufig sehr resistente Keime vorkommen. Das ist erst mal kein Grund zur Sorge. Aber was wir jetzt finden, ist etwas völlig anderes. In Seen und Bächen wurden Keime in relevanter Zahl gefunden, die auch beim Menschen vorkommen und die gerade gegen sehr wichtige Antibiotika resistent sind. Das kommt nicht von ungefähr. Nach dem Motto „Viel hilft viel“ wurden in der Behandlung von Menschen zu häufig und teilweise falsch dosiert Antibiotika eingesetzt. Aber noch viel mehr – das muss man bedenken – wurden und werden sie in der Tierhaltung, nämlich tonnenweise, verwendet. Mittlerweile gibt es Einschränkungen, doch das reicht längst nicht. Es haben sich Resistenzen herausgebildet. Diese werden zwischen den Bakterien weitergegeben, und letztendlich erreichen sie über Umwege auch uns Menschen. Und das ist dramatisch. Denn immerhin sterben jedes Jahr weltweit über 700 000 Menschen an Infektionen durch multiresistente Bakterien. Das dürfen wir einfach nicht hinnehmen. Bakterielle Erkrankungen waren eine Geißel der Menschheit, bis die Wirkung der Antibiotika entdeckt wurde und sie für alle Menschen, zumindest hier bei uns, zur Verfügung standen. Das ist noch nicht lange her. Fragen Sie mal nach, wie viele Kinder und Erwachsene an Diphtherie, entzündeten Wunden oder sogar an einem lächerlichen vereiterten Zahn gestorben sind. Ich habe zehn Jahre lang in der Diagnostik bakterieller Erkrankungen gearbeitet. Ich weiß, wie schwer und vor allen Dingen wie schnell ein Krankheitsverlauf ist, wenn nicht das geeignete Medikament gefunden wird. Ich sage Ihnen: Das wollen wir alle nicht haben. Es ist nicht lustig, wenn Sie solche Keime nach einer ganz einfachen OP plötzlich im Knie haben oder wenn sie auf Ihrer Herzklappe sitzen; da sitzen sie nämlich sehr gerne. Wenn genau diese Keime heutzutage in Badegewässern, in unseren Bächen und Flüssen gefunden werden, dann ist das keine abstrakte Gefahr mehr. In Hessen ist zum Beispiel ein Mann gestorben, der in einen Bach gefallen ist. Er ist nicht ertrunken, er ist an einer Infektion mit Bakterien gestorben, die nachweislich aus diesem Bach stammten. Damit dieses Schicksal nicht weitere Menschen trifft, müssen wir jetzt handeln. Zum einen brauchen wir einen Überblick. Nicht die Presse, sondern unsere Behörden müssen das Wasser untersuchen. Möglichkeiten sind da. Allein in Hessen gibt es über 200 Messstellen. Man muss nur weitere Parameter untersuchen. Das ist machbar, und das ist bezahlbar. Zum anderen müssen wir den Umgang mit Medikamenten überdenken, ganz grundsätzlich, und bei der Herstellung mehr Wert auf Umweltverträglichkeit legen, auf gezielte Verschreibungen achten und bei der Entsorgung aufpassen, dass Rückstände und Keime nicht ins Wasser gelangen. Vor allen Dingen muss Schluss sein mit dem Einsatz von Reserveantibiotika, zum Beispiel Colistin. Das wird beim Menschen nur verwendet, wenn nichts anderes mehr hilft. Im Geflügelstall gehört das noch zum Standardprogramm. Das alles schlagen wir in unserem Antrag vor, um die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger zu schützen; denn Wasser ist Lebenselixier, und das muss es bleiben, und zwar um jeden Preis. Vielen Dank. Herzlichen Dank, Frau Kollegin Dr. Hoffmann. – Als Nächster erteile ich das Wort meiner schleswig-holsteinischen Kollegin Astrid Damerow für die CDU/CSU-Fraktion. Ich darf darauf hinweisen: Auch für sie ist es die erste Parlamentsrede im Deutschen Bundestag.
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Eva-Maria Schreiber DIE LINKE
Eva-Maria
Schreiber
DIE LINKE
Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! In Kolumbien werden Mitglieder des Volkes der Nutabe wegen eines gigantischen Wasserkraftwerks von ihrem Land vertrieben, ihre politischen Führer von Todesschwadronen verfolgt. In der Demokratischen Republik Kongo verlieren indigene Batwa durch die Gründung eines Nationalparks ihre Existenzgrundlage und werden von Parkwächtern geschlagen, vergewaltigt, ermordet. In Paraguay kämpfen die Sawhoyamaxa seit Jahrzehnten für ihr traditionelles Land, das sich ein deutscher Rinderzüchter angeeignet hat. Weltweit werden die Rechte indigener Gemeinschaften mit Füßen getreten; ihr Leben ist vielfach in Gefahr. Deswegen ist es wichtig, dass die Bundesregierung endlich die Konvention 169 der International Labour Organization ratifiziert. Danach müssen Staaten die Rechte indigener Völker respektieren, wie das Recht auf ihr angestammtes Land und das Recht der Mitbestimmung in allen Angelegenheiten, die sie betreffen. Leider ignoriert Deutschland das viel zu oft. Das Wasserkraftwerk in Kolumbien wird von der IPEX-Bank finanziert, einer Tochtergesellschaft der staatlichen KfW. Die kongolesische Nationalparkbehörde und die Parkwächter beziehen einen beträchtlichen Teil ihrer Einnahmen von der Bundesregierung. Das deutsch-paraguayische Investitionsschutzabkommen hat lange verhindert, dass indigene Gemeinden ihre legitimen Landrechte durchsetzen konnten. Wenn Deutschland ein Vorbild bei der Umsetzung indigener Rechte sein will, reicht die bloße Ratifizierung der ILO 169 nicht. Die Bundesregierung muss das Selbstbestimmungsrecht indigener Völker wirklich ernst nehmen. Eine Messlatte dafür ist der Naturschutz. Deutschland unterstützt das globale Ziel, die unter Naturschutz stehende Fläche in den kommenden zehn Jahren zu verdoppeln, und hat dazu einen eigenen Fonds gegründet, der mit 80 Millionen Euro ausgestattet ist. Zentrale Partner sind der WWF und die Zoologische Gesellschaft Frankfurt, die Geld und Schutzgebiete verwalten sollen. Indigene kommen in der Initiative nicht vor. Dabei sind sie es, die ihre natürlichen Lebensräume besonders gut bewahren – Socio Bosque im Amazonas lebt es vor. Doch leider erleben Indigene in Afrika und Asien Schutzgebiete oft als Bedrohung. Unter Berufung auf ein höheres Gut, den Naturschutz, werden sie entrechtet, vertrieben und getötet. Das muss ein Ende haben. Indigene Führer fürchten, dass die massive Ausweitung von Schutzgebieten für sie in eine Katastrophe, den größten Landraub der Geschichte, münden könnte. Greenpeace warnt eindringlich vor einer Ausweitung eines autoritären Festungsnaturschutzes. Die ILO 169 ernst nehmen heißt, diese Sorgen ernst zu nehmen. Die Bundesregierung muss Indigene zu ihren zentralen Partnern machen, und das nicht nur, wenn es um die Lösung der globalen Umweltkrise geht, sondern generell in der Entwicklungszusammenarbeit. Frau Kollegin, kommen Sie zum Schluss. Ansonsten bleibt die Ratifizierung der ILO 169 leere Symbolpolitik. Vielen Dank, Frau Kollegin Schreiber. – Die nächste Rednerin ist für Bündnis 90/Die Grünen die Abgeordnete Margarete Bause.
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Bijan Djir-Sarai FDP
Bijan
Djir-Sarai
FDP
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit zwölf Tagen müssen wir und damit die Weltöffentlichkeit entsetzt zusehen, wie türkisches Militär auf syrischem Staatsgebiet kämpft. Zwar war die Türkei in der Vergangenheit auch Zielscheibe des IS, jedoch richten sich die derzeitigen Handlungen vor allem gegen die Kurden im Norden Syriens. Es handelt sich eindeutig nicht um einen Einsatz gegen den Terrorismus, sondern um eine Mission, die den Einfluss der Kurden in diesen Gebieten mit allen Mitteln zerstören soll. Ich sage bewusst „mit allen Mitteln“. Wir wissen von unzähligen Toten – Soldaten und Zivilisten –, und wir haben die Bilder der Zerstörung in Afrin gesehen. Tausende Menschen sind erneut auf der Flucht. Gebiete, die für ihre Bewohner noch vor kurzem sicher waren, sind es nicht mehr. Das ist schrecklich für die betroffenen Menschen vor Ort, es ist aber auch schrecklich für die internationale Gemeinschaft. Wir sind daher in Deutschland dazu verpflichtet, diese Ereignisse und Handlungen scharf zu verurteilen, meine Damen und Herren. Die Boden- und Luftoffensive unseres sogenannten Bündnispartners Türkei ist völkerrechtlich durch ein Mandat weder der NATO noch der Vereinten Nationen gerechtfertigt und autorisiert. Dabei ist das türkische Argument der Selbstverteidigung nicht nur scheinheilig, es ist sogar dreist. Ich bedauere zutiefst, dass die geschäftsführende Bundesregierung in dieser Frage keine glasklare Position bezogen hat. Ich zitiere an dieser Stelle: „Die Bundesregierung betrachtet die Berichte über die türkische Militärintervention im Nordwesten Syriens mit großer Sorge“, so die Bundesregierung. Das ist vor dem Hintergrund und angesichts der Tragweite der Ereignisse definitiv zu wenig, meine Damen und Herren. Rüstungsexporte in Konfliktregionen können bereits instabile Regionen noch weiter destabilisieren. Die Unsicherheit und Bedrohung für die Menschen in den betroffenen Gebieten werden hierdurch nachhaltig erhöht und Chancen auf Friedens- und Konfliktlösungen verhindert. Es sollte deshalb ein Grundpfeiler deutscher Außenpolitik sein, Rüstungsexporte in Konfliktregionen auszuschließen. Ich bedauere außerordentlich, dass die Bundesregierung diese wertvollen Leitsätze der deutschen Außenpolitik so missachtet hat. – Wenn Sie etwas zu sagen haben, dann lassen Sie sich von Ihrer Fraktion Redezeit geben. Dazwischenrufen ist nicht hilfreich. Im Sondierungspapier von Union und SPD können wir bezüglich der Türkei nachlesen: Die Lage der Demokratie, von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten hat sich verschlechtert. Deshalb wollen wir bei den Beitrittsverhandlungen keine Kapitel schließen und keine neuen öffnen. Nein, meine Damen und Herren, um Kapitel geht es hier nicht. Es geht hier um Waffenexporte, es geht hier um machtpolitische Interessen, und – was noch wichtiger ist – es geht hier um Menschenleben. Wir müssen der Türkei ganz deutlich machen, dass sie hier eine Grenze überschritten hat. Sie hat nicht nur geografisch die türkisch-syrische Grenze überschritten, sondern auch die Grenze dessen, was man in einer echten Partnerschaft dulden kann. Deutschland hat die Türkei bisher als Partner bevorzugt behandelt. Aber ein Staat, der sich nicht an internationale Absprachen hält, muss auch mit möglichen Konsequenzen rechnen. Die Türkei verhält sich nicht, wie wir es von einem NATO-Partner erwarten dürfen. Deshalb erwarten wir sowohl von der NATO als auch von der geschäftsführenden Bundesregierung eine deutliche Verurteilung der Militäroffensive. Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch die innenpolitischen Entwicklungen in der Türkei verdeutlichen uns schon lange, dass die derzeitige politische Führung der Türkei vor nichts zurückschreckt. Die Türkei hält deutsche Staatsbürger unbegründet gefangen und verhandelt über ihre Freilassung, was man sonst eher von kriminellen Geiselnehmern gewohnt ist. So gehen Partner nicht miteinander um. Und mit so einem Demokratieverständnis wollen wir nichts zu tun haben. Nicht zuletzt fordern wir – das tun wir schon länger –, die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei komplett zu beenden. Früher galt die Türkei als moderner Staat, der Stabilität in die Region brachte und eine mögliche Bereicherung für die EU hätte sein können – früher. Wir wissen heute alle, dass die Türkei davon inzwischen Lichtjahre entfernt ist. Das aktuelle Verhalten der türkischen Führung stellt eine weitere Entfremdung der Türkei vom Westen dar. Dieses Verhalten kann nicht geduldet werden. Herr Präsident, ein letzter Satz. Die NATO-Staaten sind durch gemeinsame Werte verbunden, die von allen Partnern auch geachtet werden müssen. Die NATO-Gremien müssen jetzt dringend die Politik der Türkei auf den Prüfstand stellen. Und sollte man feststellen, dass die Türkei kein verlässlicher Partner mehr ist, dann stellen sich noch viel mehr Fragen als nur die nach Rüstungsexporten. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Herzlichen Dank, Herr Kollege Bijan Djir-Sarai. – Als Nächste: Kollegin Katja Keul für Bündnis 90/Die Grünen.
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Johannes Kahrs SPD
Johannes
Kahrs
SPD
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man sich so anhört, was es in den beiden Oppositionsreden, die wir bisher hören durften, über diesen Bundeshaushalt zu reden gab, dann stellt man fest, dass dieser Haushalt deutlich stärker war als diese Oppositionsreden. Otto, von dir bin ich wirklich Besseres gewohnt. Normalerweise bringst du inhaltliche Vorschläge – heute: nichts. Herr Boehringer hat zumindest immer noch ein bisschen Science-Fiction dabei gehabt. Selbst dafür hat es heute nicht gereicht. Also, dieser Haushalt scheint so gut zu sein, dass zumindest die Oppositionsvertreter außer einem Hauch Pathos und etwas Rilke nicht viel zu bieten hatten. – Otto! Ernsthafterweise muss man doch feststellen, dass der Höhepunkt dieser Debatte die Rede des Bundesfinanzministers war. Viele hier in diesem Hohen Hause hatten unsere Regionalkonferenzen kritisiert. Ehrlicherweise: Ich finde, das Ergebnis kann sich sehen lassen. Im Kern ist es doch so, lieber Otto – wenn ich noch einmal darauf zurückkommen darf –: Als du hier die letzten acht Jahre die Finanzminister kritisiert hast, hast du immer zu dem jetzt amtierenden Bundesfinanzminister geguckt. Hättest du Augen in deinem Hinterkopf gehabt, dann hättest du den Blick gesehen, den der amtierende Bundestagspräsident dir zugeworfen hat. – Darüber hast du aber geurteilt. Deswegen sollte man ja nicht über Dinge urteilen, die man nicht versteht. Wenn man sich die Reden der Opposition anhört, stellt man fest: Bisher war da nichts; vielleicht kommt ja noch mal was. Wenn man sich mit diesem Haushalt beschäftigt, dann sieht man: Er ist ein solider Haushalt, er ist vernünftig, er ist ehrlich, und er ist transparent. Diese Koalition hat wieder einen Haushalt ohne neue Schulden vorgelegt. Gleichzeitig kommt der ganze Themenbereich Klima erst – das stimmt, jawohl –, nachdem das Klimakabinett getagt hat. Ehrlicherweise: Wann soll er denn sonst kommen? Haushaltsklarheit, Haushaltswahrheit: Wir reden hier über den Kernhaushalt. Das, was das Klimakabinett noch vorbringt, wird hier vorgelegt. Wir haben noch entsprechende Diskussionsmöglichkeiten; darüber können wir reden. In diesem Haushalt werden wir über Klimawandel, Digitalisierung und Wohnungsbau entscheiden. „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ in diesem Land heißt zum Beispiel auch, zu fragen, wie man Kommunen entschuldet. Wir werden darüber reden, wie der Kohlekompromiss umgesetzt werden kann. Man sieht: Alle diese Aufgaben werden in dem Haushalt angegangen. Der Bund schreitet in vielen Punkten voran. Man muss aber auch einmal anmerken, dass es nicht angehen kann, dass der Bund hier in die Vorleistung geht und die Länder es nicht tun. Der Kollege Rehberg wird sich bestimmt – ohne dass ich seine Rede kenne – dazu heute wieder ausführlich äußern. Im Ergebnis haben alle Länder Überschüsse – etwas, womit wir nicht gesegnet sind. Damit zahlen sie ihre eigenen Altschulden auf Landesebene zurück, statt sich um die Kommunen, die Digitalisierung, die Infrastruktur oder andere Dinge zu kümmern. Ich höre bestimmt gleich von den Grünen, was wir alles hätten tun müssen, sollen und überhaupt. Eine grüne Finanzministerin in Schleswig-Holstein kümmert sich darum, dass sie Altschulden zurückzahlt. Das ist ein Beispiel dafür, wie grüne Haushaltspolitik in der Praxis geht. Das ist nicht das, was der Kollege Kindler gleich fordern wird – auch ohne dass ich die Rede gelesen habe, kann ich mir das entsprechend denken. Wir stellen fest, dass die Bürger durch diesen Haushalt entlastet werden. Der Bundesfinanzminister hat es gesagt: Der Soli wird für 90 Prozent der Menschen in diesem Land abgebaut. Und wenig überraschend: Die AfD, die sich ja immer zwischen neoliberal und rechtsradikal bewegt, will natürlich auch die Reichen in diesem Land entlasten. Wenn die Wähler der AfD wüssten, dass die AfD sie gar nicht im Sinn hat, sondern das staatliche Rentensystem abschaffen will, die Reichen entlasten möchte und sich nicht um ihre Wähler und die Bürger kümmert, dann wüssten sie auch, dass es sich überhaupt nicht lohnt, rechtsradikal zu wählen, sondern dass es sich lohnt, eine solide, eine vernünftige, eine pragmatische Haushaltspolitik zu wählen. Da nun die AfD keinen einzigen Vorschlag gemacht hat und die FDP auch keinen, können wir darauf zurückkommen, was in diesem Bundeshaushalt steht: Es gibt Rekordinvestitionen in Höhe von 40 Milliarden Euro in jedem Jahr bis 2023. Wir investieren ein Drittel mehr als in der letzten Legislaturperiode. Wir investieren 50 Milliarden Euro in die Bahn. Es gibt für die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung eine Laufzeit von zehn Jahren und nicht nur von fünf Jahren. Es gibt die von allen geforderte Planungssicherheit, damit man Kapazitäten aufbauen kann, damit die Firmen wissen, was auf sie zukommt, damit sie neue Mitarbeiter einstellen und Maschinen kaufen können, damit Investitionen langfristig abfließen. Genau das ist gemacht worden. Wir investieren in den öffentlichen Nahverkehr. Hier werden die Mittel verdoppelt – noch einmal einen ganz herzlichen Dank, Herr Finanzminister; ich glaube, dass das eine gute Sache ist, weil gerade der öffentliche Nahverkehr für uns wirklich wichtig ist. Gleichzeitig investieren wir insbesondere im Bereich „sozialer Wohnungsbau“. Alleine in 2020 geht dorthin 1 Milliarde Euro. Es wäre schön, wenn die Länder das Geld, das sie von uns für den sozialen Wohnungsbau bekommen, auch für den sozialen Wohnungsbau ausgeben würden; das ist in der Vergangenheit in vielen Ländern nicht passiert. Das ist einer der Gründe, warum wir die Probleme haben, die wir haben. Der Bund muss aufpassen, dass sein Geld auch zielgerichtet ausgegeben wird. Wir brauchen nicht nur Sozialwohnungen; wir brauchen auch im normalen Mittelfeld bezahlbare Wohnungen. Man muss sich darüber unterhalten, welche Maßnahmen dafür richtig sind. Die Bundesländer haben da unterschiedliche Ansichten. Aber auch als Bundesgesetzgeber müssen wir uns vielleicht einmal darüber unterhalten, ob so ein Unsinn wie Index- und Staffelmieten etwas ist, was man den Menschen zumuten kann. Es werden Mietverträge unterschrieben, weil der Zwang groß ist, weil man keine Alternativen hat, und dann hat man diese Index- und Staffelmieten. Ich glaube, das ist etwas, worauf man dankend verzichten kann. Wenn man sich anguckt, wie viel Geld wir im Bereich „sozialer Arbeitsmarkt“ investieren, kann man sagen, dass wir auch da gut aufgestellt sind. Die „Süddeutsche Zeitung“ hat Bundesfinanzminister Olaf Scholz dafür gelobt, dass er alle Vorhaben, die im Koalitionsvertrag stehen, durchfinanziert hat, ohne neue Schulden zu machen. Ich meine: Wenn die „Süddeutsche Zeitung“ einen lobt und die AfD einen kritisiert, dann hat man, hast du, Olaf, alles richtig gemacht. Ich glaube, der Mix macht es, und das ist gut. Die Bundeskanzlerin hat erklärt, dass auch sie zum Ziel eines ausgeglichenen Haushaltes steht. Jetzt wird mir gesagt, dass ich keine Zeit mehr habe, um fortzufahren; aber der Kollege Rehberg wird bestimmt da weitermachen, wo ich aufgehört habe. Ich danke allen Beteiligten und wünsche uns weiterhin eine konstruktive Debatte. Vielen Dank. Jetzt erteile ich das Wort der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch, Die Linke.
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Christine Aschenberg-Dugnus FDP
Christine
Aschenberg-Dugnus
FDP
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unser Land erlebt derzeit einen Anstieg des Infektionsgeschehens, und dadurch, dass wieder mehr Ältere infiziert sind, steigt leider auch die Zahl der Intensivpatienten und der Beatmungspatienten. Die Pandemie ist noch lange nicht vorbei. Es handelt sich nach wie vor um ein gefährliches Virus, das gerade für Risikopatienten bedrohlich ist. Gerade in der jetzigen Phase müssen wir gemeinsam die Bürger darin bestärken, die notwendigen Maßnahmen einzuhalten. Die Bereitschaft der Bevölkerung zur Mitarbeit ist hierbei ganz essenziell. Ohne die Kooperation mit unseren Bürgern laufen alle Maßnahmen ins Leere. Wenn sich aber Verordnungen als widersprüchlich, als unlogisch, als nicht nachvollziehbar darstellen, dann entsteht ein Akzeptanzproblem, und an diesem Punkt sind wir gerade, meine Damen und Herren. Mittlerweile hat die Rechtsprechung in mehr als 80 Fällen festgestellt, dass die entsprechenden Maßnahmen verfassungswidrig sind. Bestes Beispiel ist das sogenannte Beherbergungsverbot. Mit einem solchen Unfug verlieren wir die Akzeptanz der Bevölkerung, meine Damen und Herren. Alle Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung müssen zielgerichtet und auch für die Bevölkerung nachvollziehbar sein. Die gestern beschlossene komplette Schließung der Gastronomie und das undifferenzierte Verbot von Kulturveranstaltungen sind weder zielgerichtet noch nachvollziehbar. Gerade in diesen Bereichen hat die Vergangenheit doch gezeigt, dass mit Hygienekonzepten, mit Filteranlagen, mit Trennwänden ein Offenhalten möglich ist. Hauptursache der Ausbrüche sind doch nicht die Gastronomen und die Kulturveranstaltungen, sondern – das wurde doch festgestellt – der private Bereich. Da müssen wir ansetzen; das bestätigt auch die Wissenschaft. Es ist doch weniger gefährlich, wenn Sie in einem Restaurant mit strikten Kontaktverfolgungsmaßnahmen sitzen, als wenn Sie sich zu Hause treffen, wo es kein Kontaktverbot gibt, wo Superspreader sich entfalten können, meine Damen und Herren. Auch von der Ärzteschaft und der Wissenschaft ist ja gestern ein Strategiewechsel ins Spiel gebracht worden mit einem besseren Schutz von Risikogruppen und Gesundheitspersonal – ich würde das ausweiten auf systemrelevante Berufe wie die Polizei – und vor allen Dingen mit keinem undifferenzierten Lockdown. Über all diese Vorschläge würden wir gerne im Deutschen Bundestag um die besten Lösungen ringen. Aber statt eines öffentlichen parlamentarischen Abwägens von Handlungsalternativen erleben wir hier lediglich ein nachträgliches Zur-Kenntnis-Geben, ein Präsentieren der Ergebnisse, meine Damen und Herren. Das wollen wir ändern, und das ist Inhalt unseres Antrages. Wir fordern parlamentarische Erlassvorbehalte. Wir fordern Unterrichtungspflichten. Wir fordern unter anderem eine Konkretisierung der Generalklausel, um Infektionsschutzmaßnahmen der Länder auf eine klare gesetzliche Grundlage zu stellen, meine Damen und Herren. Das fordern auch nicht nur wir. Auch der Bundestagspräsident teilt diese Auffassung und stützt sich dabei auf ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes. Wir nehmen auch das Thema Befristung auf und beantragen, dass die Feststellung der epidemischen Lage nach zwei Monaten automatisch endet. Dann muss man argumentieren, um sie zu verlängern. Das ist ein Legitimationsgewinn. Das wird dazu führen, dass getroffene Maßnahmen immer auf den Prüfstand der Parlamente gestellt werden. Das erhöht die Akzeptanz der Maßnahmen, aber nicht nur das, es erhöht auch die Qualität der Maßnahmen, meine Damen und Herren. Rechtsstaat und Gewaltenteilung sind kein Hindernis bei der Pandemiebekämpfung, sondern eine Stärke unserer Demokratie und genau der richtige Schritt aus der Krise heraus. Ich fordere Sie als Parlamentarier eindringlich dazu auf, Demokratie und Parlamentarismus zu stärken und unserem Antrag zuzustimmen. Herzlichen Dank. Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Rudolf Henke das Wort.
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Dr.
Dr. Stefan Ruppert FDP
Stefan
Ruppert
FDP
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich fürchte, mit dem Eintritt der AfD in die Parlamente und in den Deutschen Bundestag tritt die deutsche Erinnerungskultur, ein Phänomen, auf das wir sehr stolz sein können, in eine neue Phase ein. Wir alle spüren, dass die repräsentative Demokratie unter Druck geraten ist, dass allein der Umstand, dass Sie hier sitzen, auch immer eine Anfrage an uns alle ist, was wir tun können, um unsere Politik zu erklären und zu transportieren. Ich will meine Rede etwas anders intonieren, als das in der von mir geschätzten Rede von Konstantin von Notz geschehen ist. Ich habe mir in den Monaten, die wir jetzt nebeneinandersitzen müssen, angeschaut, wie Sie sich verhalten. Ich habe am Anfang gedacht: Sie befassen sich mit einzelnen Themen, Sie steigen in Sachdebatten ein. – Ich habe merken müssen, wie Sie die Ambivalenz kultivieren, das Schillernde des Begriffs, wie Sie sich daran begeistern, dass das Wort „entartet“ in einer Rede von Ihnen untergebracht worden ist – entartete Pässe –, und am Ende dann vorbereitete Zitate von anderen haben, die das auch benutzen. Sie legen es immer darauf an, in einer Art Ambivalenz Ihre im Kern letztlich menschenfeindlichen Positionen am Ende durchzusetzen und uns hier vorher vorzutragen. Ich habe – ich glaube, das machen viele in diesem Parlament – mit mir gerungen, wie ich damit umgehe. Ich glaube, wir haben noch keine endgültige Antwort gefunden. Ich habe mir gesagt: Wir wollen keine Ächtung durch Verfahren. – Ich habe Sie deswegen in Ausschussvorsitze gewählt, mit meiner Stimme, weil ich mir gesagt habe: Wir müssen den Schmerz, den diese Positionen uns zufügen, im Verfahren aushalten. Ich habe gesagt: Ich gucke mir genau an, wie Sie dort agieren. – Ich musste feststellen: Sie tun alles, um letztlich die Ängste, von denen Sie anscheinend selbst ergriffen worden sind, auf andere zu übertragen, um Ambivalenzen, um Entartungen und Formulierungen, die jenseits allen Geschmacks sind, in dieses Parlament zu tragen, und das ist einfach erbärmlich. Wenn es etwas gibt, worauf dieses Land besonders stolz sein kann, dann ist es seine Erinnerungskultur. Wir haben es geschafft, von einer Phase des Verschweigens, des Nichtthematisierens in eine Phase des Anklagens und dann sogar in eine Phase des Verstehens, des Den-Schmerz-Aushaltens in unserer Erinnerungskultur zu kommen. Wir können wie kaum andere Länder, die eine solche Vergangenheitspolitik, wie der Historiker Norbert Frei sagte, betreiben, stolz darauf sein, dass wir aushalten und dass wir verstehen wollen, wie es dazu kam. Sie aber wollen instrumentalisieren. Sie wollen nicht verstehen, sondern Sie wollen Geschichte klittern, und das ist erbärmlich. Wie also reagieren wir darauf? Ich glaube, wir alle müssen uns selbst hinterfragen, wie wir besser werden können, wie wir Menschen besser erreichen, wie wir ihre Probleme lösen. Ich glaube in der Tat: Ihre parlamentarische Existenz ist nicht so sehr Ihren Positionen geschuldet, sondern sie ist auch eine Anfrage an uns selbst, was wir besser machen können, welche Probleme wir lösen müssen. Insofern empfinde ich diesen Schmerz, den Ihre Anwesenheit hier macht, zwar nur ungern, aber als reife, plurale Gesellschaft werden wir ihn aushalten, und wir werden auch darüber hinwegkommen. Ich bin optimistisch, dass Sie sich irgendwann als politisches Phänomen erledigen werden. Es fällt mir schwer, mir vorzustellen, wie Sie nachts am Computer sitzen und Mails über Frau Merkel schreiben mit Begriffen, die meine bürgerliche Erziehung mir verbietet überhaupt in den Mund zu nehmen. Es fällt mir schwer, mir vorzustellen, wie Sie sich daran ergötzen, Formulierungen zu finden, die andere diskreditieren, die Angst schüren und die Menschen kleinmachen. Es muss Ihnen wohl eine tiefe Befriedigung verschaffen, so etwas zu tun. Meine bürgerliche Erziehung verbietet mir, offen gesagt, einige der Vokabeln, die Sie in diesem Parlament schon in den Mund genommen haben. Wir werden also darum ringen, besser zu werden. Wir werden die von Ihnen aufgeworfenen Probleme lösen; denn daran haben Sie ja kein Interesse. Wir werden darum kämpfen, dass am Ende eine plurale, eine tolerante und eine weltoffene Gesellschaft – denn das ist im Kern das, worauf Deutschland stolz sein kann – siegt und nicht Ihre Angstmacherei und Ihre Kleinmacherei. Vielen Dank. Vielen Dank, Herr Kollege Ruppert. – Als Nächstes für die Fraktion Die Linke die Kollegin Petra Pau.
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Pascal Meiser DIE LINKE
Pascal
Meiser
DIE LINKE
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! 2,5 Millionen Beschäftigte im öffentlichen Dienst beim Bund und in den Kommunen kämpfen zurzeit für eine bessere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen. Dafür haben sie aus meiner Sicht die größtmögliche Unterstützung, die man sich vorstellen kann, mehr als verdient. Diese Beschäftigten, das sind diejenigen, die bei der Stadtreinigung jeden Tag unser aller Müll entsorgen, das sind die Krankenpflegerinnen in den Krankenhäusern, die Erzieher in den Kitas oder diejenigen, die in den Arbeitsagenturen in einem großen Kraftakt dafür gesorgt haben, dass Millionen Menschen ihr Kurzarbeitergeld erhalten haben. Sie alle und noch viele mehr, sie haben dafür während der Coronapandemie viel Applaus erhalten, und das zu Recht. Ich wünsche mir wirklich, dass sie alle erfahren, wie verächtlich insbesondere die AfD heute über sie und ihre Arbeit hier gesprochen hat. Von Applaus allein kann man weder seine Familie ernähren noch seine Miete bezahlen. – Ja, getroffene Hunde bellen. – Ich war in den vergangenen Tagen persönlich auf mehreren Streikkundgebungen, und ich kann Ihnen sagen: Viele von diesen Heldinnen und Helden des Alltags haben die Schnauze gestrichen voll davon, wie jetzt mit ihnen umgesprungen wird. Wenn sich der Verhandlungsführer der kommunalen Arbeitgeber, der Lüneburger Oberbürgermeister Ulrich Mädge, leider von der SPD, hinstellt und sinngemäß sagt, die Beschäftigten sollten froh sein, dass ihnen in der aktuellen Krise nicht gekündigt werde, dann ist das einfach eine Respektlosigkeit ohnegleichen. Wenn die Arbeitgeberseite es auch nach mehreren Wochen und zwei Verhandlungsrunden nicht hinbekommt, überhaupt nur ein Angebot vorzulegen, wenn sie jetzt sogar faktisch mit Lohnkürzungen droht, dann ist das ein Schlag ins Gesicht all derer, die im öffentlichen Dienst den Laden in den letzten Monaten am Laufen gehalten haben. Deshalb sage ich auch hier klipp und klar: Die Verantwortung für die Warnstreiks der letzten Wochen und die damit für viele Bürgerinnen und Bürger einhergehenden Unannehmlichkeiten, die trägt einzig und allein die Arbeitgeberseite und damit auch Herr Minister Seehofer als Verhandlungsführer des Bundes. Nun argumentieren die Kommunen ja damit, dass ihnen aufgrund der Coronakrise das Geld für Lohnerhöhungen fehle. Sie aber, meine Damen und Herren von der Koalition, haben heute hier wieder behauptet, Sie hätten den Kommunen die coronabedingten Lasten abgenommen. Ja, was stimmt denn nun, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU und der SPD? Entweder Sie stellen sich jetzt hierhin und sagen: „Die Kommunen sagen die Unwahrheit und sollen in den laufenden Tarifverhandlungen endlich ihre Blockadehaltung aufgeben“, oder aber Sie haben der Öffentlichkeit bisher Sand in die Augen gestreut; dann müssen Sie aber jetzt dafür sorgen, dass alle Kommunen tatsächlich finanziell so abgesichert werden, dass sie anständige Lohnerhöhungen auch über den Tag hinaus finanzieren können. Und wenn Sie nicht wissen, wie Sie das finanzieren sollen: Holen Sie das Geld einfach dort, wo es ist: bei den Milliardären und Multimillionären in unserem Land. Wir haben gestern wieder erfahren: Die sind auch in der Krise reicher geworden und haben genug, um abzugeben. Klar ist: Die Verantwortung dafür, wie es mit dem öffentlichen Dienst nicht nur beim Bund, sondern auch in den Kommunen weitergeht, trägt in diesen schwierigen Zeiten ganz zuvorderst die Bundesregierung. Und deswegen sind auch Ihre Hinweise auf die Tarifautonomie hier völlig fehl am Platz. Das Besondere am öffentlichen Dienst ist doch, dass der Staat, die Bundesregierung und damit, ja, die Politik mit am Verhandlungstisch sitzt; das unterscheidet ihn doch von der Privatwirtschaft. Herr Kollege, die Redezeit ist abgelaufen. Deswegen ist es doch auch tatsächlich so, dass wir hier darüber diskutieren müssen, was der richtige Weg ist, wie die Bundesregierung mit den Kolleginnen und Kollegen im öffentlichen Dienst umgeht. Die Linke garantiert: Wir stehen weiterhin an ihrer Seite. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Der nächste Redner: für Bündnis 90/Die Grünen der Kollege Stefan Schmidt.
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Petr Bystron AfD
Petr
Bystron
AfD
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Bevor ich anfange, wurde ich gebeten, eine technische Durchsage zu machen. Die russische Nationalmannschaft hat das Eröffnungsspiel 5 : 0 gewonnen. Wir gratulieren ganz herzlich. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir entscheiden heute über die Verlängerung der UNIFIL-Mission im Libanon. Die AfD lehnt diesen Einsatz der Bundeswehr ab. Wir haben dazu schon in den vorangegangenen Gremien Gründe genannt. Die drei Gründe, die die Regierung für diesen Einsatz angeführt hat, sind hinfällig. Erstens. Die Sicherung des Friedens in der Region hat nicht funktioniert. Zweitens. Den Waffenschmuggel auf dem Seeweg zu unterbinden, geht nicht. Die Waffen werden auf dem Landweg über Syrien geschmuggelt. Drittens. Die Sicherung der libanesischen Grenze ist vollkommen überflüssig. Das hat die Regierung selbst in ihrem Antrag angeführt: Beide Parteien haben an einer Eskalation kein Interesse. Das heißt, es gibt keinen Grund mehr, deutsche Soldaten in diesen Einsatz zu schicken. Trotz dieser Fakten möchten Sie diesen Einsatz weiter verlängern. Für die Auslandseinsätze der Bundeswehr gelten besonders hohe Hürden. Wir sollen jedes Jahr neu beraten, ob die Gründe noch immer vorliegen. Da bitte ich Sie alle über die Fraktionsgrenzen hinweg, wirklich darüber nachzudenken: Ist es noch sinnvoll, deutsche Soldaten in diese Mission zu schicken? Die Kollegin Hendricks von der SPD hat das wunderbar ausgeführt. Diese Mission wird seit 40 Jahren betrieben. Die Mission heißt United Nations Interim Force in Lebanon. Das heißt – für diejenigen, die nicht wissen, was „Interim“ bedeutet –: vorübergehend. Seit 40 Jahren wird da etwas vorübergehend gerettet. Ehrlich gesagt: Was hat dieser Einsatz in den 40 Jahren gebracht? Weil Sie unsere Argumente nicht so mögen, zitiere ich lieber aus der „Welt“ aus dem Jahr 2014: Mit drei Schnellbooten helfen die Deutschen auf dem Mittelmeer bei der Suche nach Schmugglern, die ... die Hisbollah mit Waffen versorgen. ... Das Ergebnis dieser Kontrollen in acht Jahren ...: Null. „Null“, liebe Freunde. Und warum? Begegnet ihnen ein verdächtiges Boot, zücken sie ihre schärfste Waffe: das Funkgerät. ... Das verdächtige Boot, so sieht es das UN-Mandat vor, dürfen die Deutschen auch im Verdachtsfall nicht betreten. Stattdessen geben sie eine Meldung an die libanesischen Partner durch. Was die draus machen, ist ihre Sache. Darüber wird nicht Buch geführt. Damit ist klar: Wir werden nicht gebraucht, und der Einsatz hat nichts gebracht. Vor 40 Jahren als „vorübergehend“ aufgesetzt: Ziehen Sie mit uns einen Schlussstrich drunter! Zum Schluss. Liebe Kollegen von der CDU/CSU, erlauben Sie mir eine Anmerkung wegen der aktuellen Diskussion. Heute wurde das Plenum für vier Stunden unterbrochen, weil jetzt auch die CDU/CSU endlich darüber diskutiert, dass man die Grenzen schützt – nach mittlerweile drei Jahren, in denen viele Menschen in Deutschland und in Europa vergewaltigt und ermordet wurden durch Täter, die gar nicht hier wären, wenn Sie vor drei Jahren die Grenzen geschützt hätten. – Was das damit zu tun hat, sage ich Ihnen gleich: Es ist den deutschen Bürgern nicht vermittelbar, dass wir Soldaten entsenden – 3 500 Kilometer Luftlinie entfernt –, um irgendwelche Grenzen zu schützen, und unsere eigene Grenze nicht beschützen. Meine liebe Kollegen, ich möchte versöhnlich schließen. Das ist doch eine Chance. Lassen Sie uns über die Fraktionsgrenzen hinweg dafür eintreten, dass unsere Soldaten aus dem Libanon abgezogen werden. Sie machen damit Horst Seehofer glücklich, weil er dann seine Grenze schützen kann. Sie machen damit Angela Merkel glücklich, weil das ein Schritt hin zu einer europäischen Lösung ist. Lassen Sie uns die Grenzen beschützen, die wir beschützen müssen, und zwar unsere Grenze, die europäische Grenze auf dem Mittelmeer, gemeinsam mit den Italienern. Vielen, vielen Dank. Für die Fraktion der CDU/CSU spricht als Nächster Jürgen Hardt.
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Andreas Steier CDU/CSU
Andreas
Steier
CDU/CSU
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ein gutes Signal, dass die letzte Sitzungswoche vor den Sommerferien ganz im Lichte von Forschung und Innovation steht. Die Coronapandemie hat uns noch einmal deutlich gezeigt, wie wichtig Forschung und Innovation in Deutschland und die Vernetzung auf europäischer und internationaler Ebene sind. Unser Erfolg: Wir können die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen der Pandemie nur deshalb so gut bewältigen, weil wir früh hier in Deutschland in Forschung und Innovation investiert haben und kluge, schlaue Köpfe, anders als meine Vorredner es gesagt haben, hier in Deutschland gebunden haben. Unser Ziel ist jetzt: Bis 2025 werden wir die jährlichen Ausgaben für Forschung und Innovation weiter steigern, von 3,1 auf 3,5 Prozent unseres Bruttoinlandsproduktes. Unser Fahrplan ist die Hightech-Strategie 2025 – ressortübergreifend und in Missionen gebündelt. Die Strategie zeigt uns den Weg zu internationaler Stärke in Schlüsseltechnologien wie künstlicher Intelligenz, Quantentechnologie oder Wasserstoff. – Darauf können wir stolz sein. Drei Eckpunkte sind mir dabei besonders wichtig: Erstens. Innovation ist eine Querschnittsaufgabe. Deshalb gehen wir die großen gesellschaftlichen Herausforderungen auch in der Breite an, vom jungen Gründer über den innovativen Mittelständler bis zum industriellen Forschungsverbund. Zweitens. Wir fördern die Entwicklung von Zukunftstechnologien, und wir stärken die digitalen Kompetenzen der Menschen hier vor Ort. Zum Beispiel geben wir 5 Milliarden Euro für die KI-Strategie bis 2025, zusätzliche KI-Professuren, 400 Millionen Euro für das Rahmenprogramm Mikroelektronik und 6,5 Milliarden Euro für den DigitalPakt Schule. Drittens. Der Transfer von der Grundlagenforschung in die Anwendung ist besonders wichtig; denn damit Wissen auch wirklich zu Wertschöpfung und damit zu Wohlstand führt, braucht es ein starkes lnnovationssystem. Hier setzen wir die richtigen Schritte: Im Rahmen des Zukunftsfonds stehen 10 Milliarden Euro zur Förderung von jungen Start-ups zur Verfügung; das ist gut, gerade in der Wachstumsphase. Die Agentur für Sprunginnovationen und das Programm EXIST sind weitere wichtige Maßnahmen. Für mich ist klar: Transfer kann nur dann gelingen, wenn wir wirklich eine entsprechende Kultur in der Forschung schaffen, so wie wir sie in dem Pakt für Forschung und Innovation angelegt haben, wenn wir bereit sind, den Wettbewerb und unternehmerisches Denken zu fördern, und wenn wir Eigeninitiative vor Ort wirklich belohnen. Zudem beraten wir hier das Forschungsrahmenprogramm „Digital. Sicher. Souverän.“. Klar ist, Anwendungen wie künstliche Intelligenz oder Quantentechnologie können nur dann gelingen, wenn wir den großen Datenschatz auch nutzen. Wichtig ist dabei natürlich, die richtige Balance zu finden. Auf der einen Seite brauchen wir Wertschöpfung mit Daten, auf der anderen Seite müssen wir aber auch den Schutz der Daten, des Eigentums sicherstellen. Hier setzt das neue Programm zur Forschung für eine sichere digitale Welt an, und zwar auf Basis unserer Werte. Bis 2026 stehen mindestens 350 Millionen Euro bereit. Fazit: Wir haben in dieser Legislaturperiode viel erreicht. Mit den Lehren aus der Pandemie können wir mit neuem Mut auch in die Zukunft, in die Forschungspolitik investieren. Innovationen entstehen dann am besten, wenn wir genügend Freiräume für unsere Forscher hier vor Ort schaffen, wenn der Staat das Engagement insbesondere der innovativen Köpfe fördert und wenn wir viele schlaue Köpfe hier in Deutschland finden können. Da sind wir auf einem guten Weg. Wir von der CDU/CSU werden uns auch in der nächsten Legislaturperiode weiterhin für unsere Forschungs- und Innovationspolitik in Deutschland einsetzen. Vielen Dank. Dr. Wiebke Esdar, SPD, ist die nächste Rednerin.
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Paul Ziemiak CDU/CSU
Paul
Ziemiak
CDU/CSU
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Alex Dobrindt hat gerade genau richtig gesagt: Es geht in Europa in Zukunft nicht nur um die Frage des Ob, sondern auch um die des Wie. Die übergroße Mehrheit in diesem Haus sagt Ja zu Europa. Wir sollten daher diskutieren, wie wir in Zukunft dieses Europa gestalten. Wie wir es nicht gestalten wollen, sehen wir am Beispiel Großbritanniens und am Chaos, das dort durch Menschen, die vor dem letzten Referendum falsche Versprechen machten, hinterlassen wurde. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich kann bei allen Fraktionen die Aufregung über die Vorschläge von Annegret Kramp-Karrenbauer verstehen. Es ist für jeden Generalsekretär einer anderen Partei ärgerlich, dass die Union schon wieder die erste Partei ist, die mit inhaltlichen Vorschlägen für die Zukunft der Europäischen Union kommt. – Ja, das ist doch so. Es ist doch selbstverständlich. Was haben Sie denn gemacht? Was war denn die Debatte der letzten Tage nach diesen Vorschlägen? Das geht nicht, das passt uns nicht, das könnte noch besser sein. Aber von Ihnen – von der SPD, von den Linken, von den Grünen, auch von der FDP; von der AfD brauche ich gar nicht zu sprechen – habe ich keinen einzigen Vorschlag gehört. Meine Damen und Herren, wir erleben die ganze Zeit eine Debatte, in der gesagt wird: Frau Bundeskanzlerin, machen Sie dieses oder jenes. Ich gebe Ihnen recht, dass Europa auch nach Berlin, nach Deutschland schaut, weil wir ein Hort von Stabilität in der Europäischen Union sind. Das hat mit der Arbeit dieser und auch der letzten Bundesregierung zu tun, und vor allem ist es das Verdienst – das will ich ganz deutlich sagen – von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die in manchen Stunden diese Europäische Union mit kluger, weiser und weitsichtiger Politik zusammengehalten hat. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sage zu den Vorschlägen von Annegret Kramp-Karrenbauer: Lassen Sie uns, wenn wir über Klimaschutz sprechen, darüber nachdenken, einen europäischen Klimapakt zu machen und nicht ideologische Politik. Ich habe übrigens einmal geguckt, was Sie von der AfD für Vorschläge haben. Im Grundsatzprogramm der AfD steht auf Seite 156: Kohlendioxid (CO 2 ) ist kein Schadstoff, sondern ein unverzichtbarer Bestandteil allen Lebens … Je mehr es davon … gibt, umso kräftiger fällt das Pflanzenwachstum aus. So viel zu Ihrer Einstellung zum Thema Klimaschutz und CO 2 . Ich bin kein Freund von Schulschwänzen und Demons­trationen. Trotzdem hätte es Ihnen vor dem Schreiben des Grundsatzprogramms nicht geschadet, dort mitzugehen und ein bisschen frische Luft zu schnappen. Bevor Sie so einen Quatsch in Ihr Grundsatzprogramm schreiben, müssen Sie die Dinge auch mal im größeren Zusammenhang sehen. Herr Ziemiak, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Liebich? Herr Präsident, ich muss fortfahren, damit auch die Abgeordneten der Linken die Möglichkeit haben, das alles in einen geordneten Zusammenhang zu bringen. Sonst werden sie von den einzelnen Zwischenfragen abgelenkt, die uns bei der Europapolitik aus dem Konzept bringen. Es ist so! Jetzt kommen wir zum zweiten Punkt, zum Freihandel. Wir haben eine klare Position zum Thema Freihandel. Herr Hofreiter, Sie bedauern jetzt die Politik von Donald Trump. Sie sind, als wir mit Barack Obama ein Freihandelsabkommen schließen wollten, bei den Demonstrationen gegen TTIP mitgelaufen. Und jetzt bedauern Sie das, was Sie selbst mit Ihrer Politik, mit dem Schüren von Vorurteilen und der Drohung, dass Chlorhühnchen nach Deutschland einwandern und alles bevölkern, verhindert haben. Meine Damen und Herren, lassen Sie uns auch über Sicherheitspolitik sprechen. Wir sagen: Ja, wir brauchen einen europäischen Sicherheitsrat, mehr gemeinsame Sicherheitspolitik, Schutz der EU-Außengrenzen und natürlich auch gemeinsame Rüstungsexporte. Die SPD begeht einen schweren Fehler, indem sie das Sicherheitsbedürfnis der Menschen in Europa gegen die Frage der sozialen Sicherheit ausspielt. Das ist nicht redlich, das wird nicht helfen; denn die Menschen wollen beides: Sicherheit im Sozialen, aber auch Sicherheit in der Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden bei der Bekämpfung von Terror und organisierter Kriminalität in Europa. – Ja, das wissen Sie. Ich habe den wunden Punkt getroffen. Danke für die Bestätigung! Jetzt komme ich natürlich auch noch zu Christian Lindner. Christian Lindner sagt: Die Konjunktur trübt sich ein, wir müssen unsere Wettbewerbsfähigkeit stärken, die Wirtschaft – ich glaube, so haben Sie es gesagt – wetterfest machen. – Sie haben jetzt ganz tolle Forderungen nach – unterm Strich – mehr sozialer Marktwirtschaft aufgestellt. Das unterstütze ich. Aber Sie treten mit Ihrer Partei mit den Vorschlägen von Macron bei der Wahl zum Europäischen Parlament an, Sie machen mit ihm gemeinsame Sache. Sie wollen einen einheitlichen europäischen Mindestlohn, die Aufweichung des europäischen Wettbewerbsrechts, eine einheitliche europäische Grundsicherung, ein milliardenschweres, von einigen Ländern nicht zu finanzierendes Euro-Zonenbudget und die Aufweichung der Maastricht-Kriterien, um die Gelbwesten in Schach zu halten. Lieber Christian Lindner, wenn Sie das wollen, was Sie heute hier gesagt haben – das können Sie machen –, dann müssen Sie bei der Europawahl nicht FDP wählen, sondern die Union; denn sie steht für Stabilität und Wettbewerbsfähigkeit. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Werte sind hier angesprochen worden. Werte sind das, was uns in der Europäischen Union zusammenhält, auch mit Blick auf den Populismus und die Leute, die nicht für Europa sind. Ich hätte mir aber gewünscht, dass Katarina Barley – leider ist sie nicht mehr da – als Spitzenkandidatin der SPD bei der Europawahl die Debatte über den nächsten Europäischen Rat verfolgt. – Sie ist ja beim Europäischen Rat, und sie ist nicht die Spitzenkandidatin. Herr Ziemiak, Sie müssen langsam zum Schluss kommen. Ist Frau Barley wieder auf einer Demo gegen die Bundesregierung, oder was? Ich sage Ihnen eines: Ich hätte mir gewünscht, dass die Spitzenkandidatin der SPD etwas zu den Vorkommnissen in Rumänien sagt, zu der Regierung dort, zur Korruption, zur Aufweichung des Rechtsstaats. Sie müssen jetzt Ihren Schlusssatz sagen, Herr Ziemiak. Sie haben schon eine Minute überzogen. Ja, Herr Präsident. – Ich hätte mir gewünscht, dass sich die SPD mal von den Leuten distanziert, mit denen sie gemeinsam Europawahlkampf macht und im Europäischen Parlament zusammenarbeiten will, die korrupt sind und den Rechtsstaat aufweichen. Vielen Dank, Herr Präsident. Stefan Liebich hat eine Kurzintervention angemeldet. Ich erteile ihm das Wort.
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Norbert Kleinwächter AfD
Norbert
Kleinwächter
AfD
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Werter Herr Kollege Spahn, Sie haben ja vollkommen recht: Die Inflation hat Toppriorität. Sie ist das absolut wichtigste Thema, gerade für Menschen in meiner Generation, in meiner Altersgruppe. Viele von meinen Studienkollegen, Freunden wissen gar nicht mehr, wie sie ihr Leben finanzieren sollen. Die Immobilienpreise sind ins Unermessliche gestiegen, jetzt steigen die Lebensmittelpreise, die Energiepreise steigen. Diese Inflation ist unverantwortlich, unverantwortlich den Bürgern in unserem Land gegenüber. Sie haben die Aufmerksamkeit auf Biden gerichtet. Sie haben gesagt, er habe sie zur Toppriorität gemacht. Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit mal auf ein Land richten, das weniger weit weg ist. Das ist ein Land, das nicht in der EU ist, das nicht in der Eurozone ist, dafür eine vernünftige Politik und direkte Demokratie hat. Das ist die Schweiz. Während wir in Deutschland mit einer Inflation von 7,5 Prozent kämpfen, hat die Schweiz eine Inflation von lediglich 2,5 Prozent. Das bedeutet, irgendwas ist ja wohl in der Europäischen Union schiefgelaufen. In der Europäischen Union ist schiefgelaufen, dass die EZB ohne Ende Geld gedruckt hat. Diese Inflation fällt doch nicht vom Himmel, sondern sie ist das Ergebnis einer stetigen Geldmengenausweitung. Wenn Sie die Quantitätsgleichung kennen, die man im Grundstudium der Volkswirtschaftslehre lernt, dann wissen Sie: Geldmenge ist gleich Preisniveau. Wenn Sie also die Geldmenge ausweiten, steigt auch das Preisniveau. Das haben wir über Jahre bei den Immobilienpreisen gesehen, das sehen wir jetzt bei den Energie- und Lebensmittelpreisen, das sehen wir auf allen möglichen Märkten. Herr Spahn, Sie sind Mitglied des letzten Kabinetts gewesen. Deshalb frage ich Sie: Das Kabinett Merkel hat auf EU-Ebene von der Leyen produziert, es hat auf EU-Ebene eine Christine Lagarde als Chefin der EZB produziert; Christine Lagarde hat Angela Merkel als persönliche Freundin bezeichnet. Was hat die Bundesregierung getan? Herr Kollege, das weitet sich jetzt zu einem Redebeitrag aus. Die Zeit ist um. Ich stelle jetzt diese Frage: Was hat die Bundesregierung je getan? Wann hat sie je gesagt: „Wenn diese Geldmengenausweitung weitergeht – mehr als doppelt so viel Geldmenge wie 2005 –, dann werden wir widersprechen, – Das war ernst gemeint. Das geht jetzt weit über eine Kurzintervention hinaus. – dann werden wir das nicht mittragen, dann werden wir aus dem Euro gehen“? Herr Spahn, möchten Sie reagieren? – Bitte schön.
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Thomas Seitz AfD
Thomas
Seitz
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Zeit dieser Koalition ehemaliger Volksparteien mit einer verbrauchten Kanzlerin nähert sich zum Glück dem Ende. Leider blieb so viel unerledigt, dass Sie diese Debatte gleich für drei Gesetzesvorhaben ohne jeden inhaltlichen Bezug zueinander nutzen müssen. Und was heißt Debatte? Das ist nicht mal eine schlechte Simulation. Beim Thema „Nachstellung und Cyberstalking“ gibt es sogar ein kleines Lob. Hier ist die Koalition doch ausnahmsweise einigen Kritikpunkten der Sachverständigen gefolgt. Offenbar sind Sie also doch nicht völlig beratungsresistent, sondern nur langsam im Verstehen. Oder liegt das vielleicht an der näher kommenden Bundestagswahl? So oder so: Die AfD Fraktion begrüßt es, dass im Änderungsantrag neben dem Ausspähen von Daten nun auch das Abfangen von Daten und die entsprechenden Vorbereitungshandlungen erfasst werden. Auch der Wegfall des Antragserfordernisses liegt im Interesse der Opfer. Die Ausweitung des Schutzes der Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution ist ebenfalls überfällig und richtig. Wenn die Freierstrafbarkeit zukünftig auch leichtfertiges Handeln umfasst, ist dies unbedingt zu begrüßen. Diesem Gesetzentwurf werden wir zustimmen, weil es im Sinne der Opfer und im Sinne der Strafverfolgung ein richtiger Schritt ist. Nicht zustimmungsfähig ist dagegen Ihr Gesetzentwurf rund um sogenannte Feindeslisten. Die vorgesehene Strafvorschrift gegen die Anleitung zu Kindesmissbrauch ist zwar sinnvoll. Aber der ideologisch gefärbte Tatbestand der „verhetzenden Beleidigung“ ist das Gegenteil, da absehbar einseitig angewandtes Gesinnungsstrafrecht. Aber das ist wohl Absicht. Wenn eine unschöne Bezeichnung für Nichtdeutsche als Volksverhetzung verfolgt wird, aber man umgekehrt Deutsche folgenlos als „Köterrasse“ bezeichnen darf, dann läuft etwas gehörig falsch. Die Einführung einer Strafnorm für das gefährdende Verbreiten personenbezogener Daten, geframt als „Feindeslisten“, ist Unrecht, das Sie zum Gesetz erheben. Denn mit dem Verweis auf § 86 Absatz 3 StGB sorgen Sie bewusst dafür, dass Aufrufe zu Gewalt und Outingaktionen straffrei bleiben werden, wenn sie nur dem Kampf gegen rechts dienen – und darunter verstehen Autonome und Antifa nun mal alle, die nicht mindestens linksradikal sind. Dass Linke, Grüne, SPD diese Gewalttäter schützen und fördern, ist verständlich. Aber dass die Kollegen von der Union dabei mitmachen, zeigt wieder einmal, wo das Rückgrat fehlt. Es gibt leider keinen verfassungsrechtlichen Auftrag, kriminelle Linksextremisten zu schützen. Komisch? Nein, richtigerweise sollten alle Extremisten, ungeachtet ihrer Couleur, gleichermaßen verfolgt werden. Als verfassungstreue Partei des Rechtsstaats können wir diesen Gesetzentwurf nur ablehnen. Natürlich stimmen wir sinnvollen Anträgen gegen Terror und Terrorpropaganda auch dann zu, wenn sie vom politischen Gegner kommen – die Verweigerung konstruktiver Parlamentsarbeit überlassen wir den Altparteien. Dem Entschließungsantrag der FDP zur Hamas können wir daher zustimmen. Nun zum letzten Punkt: Kriminelle Handelsplattformen im Internet bekämpfen. Gute Idee, aber schlechte Umsetzung. Aus verfassungs- wie rechtspolitischer Sicht ist die überschießende Sanktionierung bedenklich. Dazu werden wir uns enthalten. Beim Blick hier in die Runde weiß ich wie fast immer in den letzten vier Jahren nicht, was schlimmer ist: Ihr Unvermögen oder Ihr Unwille, das Richtige zu tun? Der fehlende Mut oder die fehlende Integrität? Was Sie beherrschen, ist die Einschränkung von Grundrechten, ganz besonders der Meinungsfreiheit. Dissident und Straftäter, das wird in diesem Land mittlerweile oft synonym gedacht. Vor dem System Merkel war das für eine Demokratie noch undenkbar. Kommen Sie bitte zum Ende. Aber ich verspreche Ihnen eines: Sie haben die AfD vier Jahre lang verteufelt. Wir werden Ihnen auch die nächsten vier Jahre hier zur Hölle machen. Die Kolleginnen und Kollegen Fechner, Jung, Martens, Möhring, Bayram, Alexander Hoffmann und Dilcher geben ihre Reden zu Protokoll.1 Anlage 28 Ich schließe damit die Aussprache.
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Marian Wendt CDU/CSU
Marian
Wendt
CDU/CSU
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist fast rührend: Die Lieblingsbeschäftigung der AfD, die Wiedergabe der Kremlpropaganda, musste der vermeintlichen Sorge um Extremismus weichen. Die AfD hat zu diesem TOP ein Russland-Pamphlet durch einen diffusen Text zum Linksextremismus ersetzt. Das Ziel ist klar: Die AfD lässt keine Gelegenheit aus, um sich zum Opfer zu stilisieren. Dabei ist sie selbst ein „Prüffall“ für den Verfassungsschutz. Jens Maier, der selbsternannte „kleine Höcke“, wurde aus meiner Sicht zu Recht wegen rassistischer Beleidigung auf ein Schmerzensgeld in Höhe von 15 000 Euro verurteilt. Ich denke, die Demokratie und der Rechtsstaat müssen nicht nur vor linken Gewalttätern, sondern vor allem auch vor der AfD geschützt werden, liebe Kolleginnen und Kollegen. Der Antrag spekuliert darauf, Bund und Länder würden den Linksextremismus vernachlässigen. Ein ganz frisches Beispiel, warum das nicht stimmt: Vor wenigen Tagen wurde die Durchsuchung des Black Triangle in Leipzig durchgeführt. Dies ist einzig und allein dem Engagement der sächsischen sowie der Bundespolizei zu verdanken. De facto wurde damit das Objekt geräumt. Wir gehen konsequent mit unseren Einsatzkräften gegen Linksextremismus vor. Ihnen gelten Respekt und Anerkennung. Der Linksextremismus ist eine Plage, die es nicht nur verbal zu verurteilen, sondern mit jedem rechtsstaatlichen Mittel zu bekämpfen gilt. Er greift die freiheitlich-demokratische Grundordnung und somit unser Gemeinwesen an. Das Bundesamt für Verfassungsschutz registriert die Ausweitung der Ziele, der Handlungsfelder des Linksextremismus und auch die Steigerung der Zahl der Aktiven im linksextremistischen Milieu. Das linksextremistische Personenpotenzial ist 2017 um knapp 4 Prozent auf insgesamt 29 500 Personen angewachsen. Der Zuwachs an gewaltorientierten Linksextremisten betrug dabei 6 Prozent. Körperverletzungen, Brandstiftungen, Sachbeschädigungen, Blockaden, Landfriedensbruch, Angriffe auf Polizeibeamte – das sind nur einige der gefährlichen Aktivitäten von links. Die Täter: Antiglobalisten, Antifaschisten, Antikapitalisten, selbsternannte Antirassisten, alle möglichen Splittergruppen, trotzkistische Sekten, kurzum: gewaltbereite Antidemokraten. Und wir? Wir müssen regelmäßig vor diesen Gefahren gewarnt werden und dagegen vorgehen. Das ist ein Verdienst des Bundesamtes für Verfassungsschutz, das sich engagiert dem Kampf gegen links stellt. Und es ist ein Verdienst der CDU/CSU-Fraktion, die dies auch ohne die AfD in all den Jahren immer wieder thematisiert hat und hier im Plenum vorgetragen hat. Dem neuen Präsidenten Haldenwang wünsche ich für seine neue Aufgabe alles Gute. Wir werden gemeinsam den Kampf gegen Extremisten fortsetzen. Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat auch in letzter Zeit bereits viel getan, um linksextremistische Aktivitäten im Internet und in den sozialen Medien zu bekämpfen. So wurde unter Thomas de Maizière die Website linksunten.indymedia bereits im August 2017 verboten. Das muss weitergehen; wir unterstützen diesen Weg. Ich sage auch: Für ein konsequentes Vorgehen gegen linksextremistische Webseiten sind auch die Länder mitverantwortlich. Hier braucht es, koordiniert durch den Bund, eine noch stärkere Zusammenarbeit, um dieser Plage, wie gesagt, Herr zu werden. Meine Damen und Herren, die Bekämpfung des Linksextremismus ist ein zentrales Anliegen der Union. So konnten wir im Koalitionsvertrag unsere genuine Forderung nach nachhaltiger Absicherung von qualitativ guten Programmen zur Demokratieförderung und Ex­tremismusprävention sowie den Ausbau unserer erfolgreichen Programme, unter anderem gegen diese Art von Extremismus, verankern. Herr Wendt, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hampel? Immer zu. Herr Kollege Wendt, stimmen Sie mir zu, dass Sie die Seite linksunten.indymedia und andere ähnliche Seiten mit dem gleichen Inhalt heute nach wie vor im Internet finden? – Nummer eins. Und: Können Sie mir sagen, warum Sie seit Jahren in der Regierungsverantwortung nichts gegen diese Seite unternommen haben, obwohl dort zu Terroranschlägen aufgerufen wurde, Mordaufrufe erfolgt sind und selbst gegen Ihren Parteifreund in der Berliner CDU Mordhetze betrieben worden ist? Können Sie mir sagen, warum Sie überhaupt so viele Jahre gebraucht haben, um da einen Staatsanwalt aktiv werden zu lassen? Stimmen Sie mir zu, dass die Seiten nach wie vor im Internet zu lesen und zu empfangen sind? Herr Hampel, Thomas de Maizière hat die Seite linksunten.indymedia im letzten Jahr verboten, sie ist von deutschen Servern gelöscht. In einem Rechtsstaat, den unser Land nun einmal darstellt, können wir nicht auf die Server in anderen Ländern zugreifen. Wir können dies durch Kooperation machen; da sind wir dabei. Wir können aber nicht, wie Ihnen das vielleicht vorschwebt, die Kavallerie schicken oder einfach einmarschieren und die Server kaputtmachen. Wir handeln als Rechtsstaat. Das mag Ihnen nicht schmecken; aber so funktioniert das in unserem Land. Diesen Weg, den rechtsstaatlichen Weg, werden wir konsequent weitergehen. Dort, wo diese Dinge im Ausland lagern, werden wir Entsprechendes tun. Sie können vielleicht Herrn Putin fragen, ob er zu dieser Kooperation bereit ist. Ich glaube, sehr viele Server, die unsere Sicherheit bedrohen, stehen in diesem Land. Dann wäre uns sehr geholfen. – Vielen Dank. Damit bin ich bei einem weiteren Punkt: Es hilft nicht, nur nach Verboten zu suchen. Nein, wir müssen auch weiterhin die Befugnisse der Sicherheitsbehörden stärken. Es braucht Quellen-TKÜ, es braucht Onlinedurchsuchungen, es braucht Verantwortung von Internet- und Mobilfunkprovidern, um die Ermittlungen gegen Links- und Rechtsextremisten weiter zu unterstützen. Aber ich sage grundsätzlich an uns alle gerichtet auch: Das probate Mittel gegen links, ja gegen jede Art von Extremismus ist die Stärkung der Mitte. Der Rechtspopulismus der AfD hilft hier nicht; er ist sogar schädlich. Rechtsgerichtete Parolen und eine vermeintlich konservative Hetze feuern die Linksextremisten nur an. Rechts mobilisiert links und umgekehrt; so entsteht Extremismus. Eine starke Mitte hingegen, die heute nur die Unionsfamilie darstellt, ist einzig und allein in der Lage, den Links- und Rechtsextremismus politisch zu neutralisieren. Lassen Sie uns deshalb den Antrag der AfD ablehnen und vielmehr die Politik der Bundesregierung in der Bekämpfung des Linksextremismus unterstützen. Vielen Dank. Als Nächste spricht für die Fraktion der FDP die Kollegin Linda Teuteberg.
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Renata Alt FDP
Renata
Alt
FDP
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor vier Wochen sagte Bundesaußenminister Maas zu Bergkarabach – ich zitiere –: Eine bessere Verhandlungsposition lässt sich nicht auf dem Schlachtfeld erringen. Herr Staatsminister Annen, ich glaube, die Präsidenten Alijew und Erdogan sehen das anders. Der Konflikt in Bergkarabach ist zwar immer noch nicht gelöst, aber es wurden militärisch Fakten geschaffen – wohlgemerkt: während Deutschland und die EU unter deutscher Ratspräsidentschaft zugeschaut haben. Deutschland hat die heiße Phase des Konflikts – anders kann man es nicht sagen – erfolgreich ausgesessen. Mit Ihrem Antrag rufen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von Union und SPD, die Bundesregierung dazu auf, endlich zu handeln. Ihre Forderungen kommen aber verspätet und sind halbherzig und zaghaft. Ja, es sind sinnvolle Maßnahmen in Ihrem Antrag enthalten. Er geht uns Freien Demokraten aber an vielen wichtigen Stellen nicht weit genug. Sie fordern, dass das Rote Kreuz Zugang zur Konfliktregion bekommen soll. Das kann man nur begrüßen. Aber warum fordern Sie nicht auch, dass der UNHCR, die UNESCO und andere Strukturen der Vereinten Nationen in und um Bergkarabach aktiv werden? Meine Damen und Herren, sogar Wladimir Putin und Sergej Lawrow plädieren für mehr internationale Hilfe in der Konfliktregion – das muss man sich einmal vorstellen! Mit Ihrem Antrag akzeptieren Sie, dass Deutschland und die EU nichts, aber wirklich gar nichts im Südkaukasus zu sagen haben. Die OSZE kann und sollte in diesem Konflikt eine größere Rolle spielen. Wir brauchen unbedingt eine OSZE-Beobachtermission. Wir brauchen internationale Experten, die das Einhalten des Waffenstillstands dauerhaft und genau überwachen. In Ihrem Antrag keine Spur davon. Frau Dr. Hendricks, Sie sagen, Transformationsprozesse in Armenien müssten weiterhin unterstützt werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Armenien befindet sich in einer tiefen politischen Krise. Es braucht dringend humanitäre Hilfe. Die Chance, Reformprozesse in Armenien zu unterstützen, haben Sie längst verpasst. Russland und die Türkei stellen im Südkaukasus die Weichen. Deutschland und die EU wurden zu Kommentatoren degradiert. Lieber Herr Staatsminister, setzen Sie sich jetzt endlich für die Stabilisierung von Nagornij Karabach ein. Vielen Dank, Frau Kollegin Alt. – Nächster Redner ist der Kollege Dr. Gregor Gysi, Fraktion Die Linke.
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Dr.
Dr. Bernd Baumann AfD
Bernd
Baumann
AfD
Herr Präsident! Wir haben heute ein wirklich wichtiges Kernthema vorgetragen, das die Herzkammer des Parlamentarismus betrifft. Es geht um Demokratie, Abstimmungen und Wahlen. Wir haben uns nicht darauf beschränkt, ganz konkrete Vorschläge zu machen und einen Katalog von zehn Punkten vorzulegen, von denen ein oder zwei abgelehnt werden können. Hier im Parlament konnte man ja die Erfahrung machen, dass viele Fraktionen solche Vorschläge gemacht haben. Sie sind dann immer abgelehnt worden, weil es keine Übereinstimmung ab. Deswegen haben wir jetzt die Einsetzung einer Enquete-Kommission beantragt, Frau Haßelmann, einer Enquete-Kommission, in der wir gemeinsam beschließen können, was möglich ist und was nicht, um das Volk stärker zu beteiligen, das gerade Ihre Rede gehört und wahrgenommen hat, mit welch fadenscheinigen Verleumdungen auch uns gegenüber Sie gearbeitet haben. Ihr ganzer angeblicher Einsatz für Demokratie, Menschenrechte und was Sie hier alles vorgetragen haben, ist reine Heuchelei. Im Hintergrund steht Ihre Machtpolitik, wenn Sie einen solchen Antrag so sehr verdammen, ohne Argumente zu nennen, Frau Haßelmann. Was hier und heute deutlich geworden ist wie im Brennglas, ist die totale Verweigerungs- und Blockadestrategie, die Sie fahren, und zwar gemeinsam mit linken Teilen von SPD und Union. Es ist ja nicht so, dass wir nur eine Enquete-Kommission einsetzen wollen, in der alle Fraktionen mitarbeiten und sich gemeinsam Gedanken machen sollen, welchen Vorschlag man dem deutschen Volk unterbreiten kann, um eine stärkere Beteiligung zu ermöglichen. Nicht nur dem haben Sie nicht zugestimmt. Vielmehr geht es auch um die Überweisung an den Ausschuss, Frau Haßelmann, wo man weiter daran arbeiten und die Dinge verfeinern kann. Wir wollen, dass alle Ebenen durch gemeinsame Arbeit zu einer besseren Durchführung von Demokratie, Volksabstimmungen und allem, was da möglich ist – die Schweiz und die USA machen es uns vor –, beitragen. Sie blockieren sogar das, um die AfD zu blockieren, Frau Haßelmann. Das lassen wir nicht auf sich beruhen. Frau Kollegin Haßelmann, wenn Sie mögen, können Sie antworten.
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Matthias W. Birkwald DIE LINKE
Matthias W.
Birkwald
DIE LINKE
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister Heil, das Motto des gestern zu Ende gegangenen Kongresses des Sozialverbandes VdK lautete: „Die soziale Spaltung stoppen!“ Sorry, aber dazu findet sich in Ihrem Haushalt so gut wie nichts. Immer noch ist fast jeder zweite Langzeiterwerbslose länger als vier Jahre arbeitslos; und nur 5 von 100 Betroffenen werden überhaupt in Arbeit vermittelt. Das ist beschämend und zeigt: Hartz IV ist gescheitert. In Deutschland sind 850 000 Menschen langzeiterwerbslos; das ist die offizielle Zahl. In Wirklichkeit sind es viel mehr. Sehr geehrter Herr Bundesminister, für den Kampf gegen Langzeitarbeitslosigkeit wollen Sie gerade einmal zusätzliche 300 Millionen Euro ausgeben – für Lohnzuschüsse für 20 000 Menschen. Das betrifft nur 20 000 von über 850 000 Langzeitarbeitslosen in Deutschland. Nein, Herr Heil, damit haben Sie die erste Chance verpasst, ein echtes, ein deutliches und vor allem ein glaubwürdiges Signal im Kampf gegen die Langzeitarbeitslosigkeit zu setzen. Ja, ich weiß – Sie haben es gerade gesagt –, dass Sie in den kommenden Jahren 4 Milliarden Euro für circa 150 000 Menschen bereitstellen wollen. Das ist nicht besonders ehrgeizig; denn wir brauchen 300 000 voll sozialversicherungspflichtige und aus öffentlichen Mitteln finanzierte Arbeitsplätze, die die Existenz sichern. Das heißt, die Menschen müssen von ihrem Lohn leben können. Darum muss der gesetzliche Mindestlohn auf ein existenzsicherndes Niveau angehoben werden – das hat der Deutsche Gewerkschaftsbund übrigens vorgestern auf seinem Bundeskongress so beschlossen –, und das sind derzeit gut 12 Euro pro Stunde, Herr Minister. Ihr Ministerium hat uns bestätigt: Nur ein Stundenlohn von aktuell 12,63 Euro brutto verhindert im Alter den Gang zum Sozialamt. Im Übrigen: Sie planen die öffentlich geförderten Jobs nur für Menschen, die seit acht Jahren oder länger im Hartz-IV-Bezug stecken. Da sage ich: Das ist keine gute Idee. Die Stellen im sozialen Arbeitsmarkt müssen allen Erwerbslosen, die seit einem Jahr oder länger arbeitslos sind, freiwillig offenstehen. Kommen wir zu Hartz IV! Herr Heil, Sie haben in der „FAZ“ geschrieben – ich zitiere –: Ich bin davon überzeugt, dass es Aufgabe des Sozialstaates ist, allen Bürgerinnen und Bürgern ein Leben in Würde zu garantieren. Sehr richtig! Und darum dürfen Sie Arbeitsuchende und arme Rentner nicht mit einem Regelsatz von 416 Euro im Monat abspeisen. Stichwort „Monitor“ gestern Abend: Hören Sie damit auf, die Grundbedürfnisse armer Menschen kleinzurechnen! Das ist entwürdigend. Schluss damit! Hartz-IV-Betroffene müssen sich auch einmal einen Kaffee oder einen Theaterbesuch leisten können. Arme Kinder, Rentnerinnen und Rentner, Erwerbslose und Asylbewerber – sie alle brauchen mehr Geld. Darum, liebe Kolleginnen und Kollegen von Union und SPD, fordere ich Sie auf: Sorgen Sie dafür, dass die Miet- und Heizkosten vollständig übernommen werden, und heben Sie endlich für Menschen im Hartz-IV-Bezug und für jene, die im Alter und bei Erwerbsminderung von Grundsicherung leben müssen, den Regelsatz an – so wie es der Paritätische Wohlfahrtsverband vorgeschlagen hat: auf 570 Euro im Monat. Meine Damen und Herren, in aller Kürze zu einem Rententhema, der Mütterrente: Kindererziehung geht uns alle an, auch die Beamten, die Politikerinnen und Politiker und vor allem die Reichen. Deshalb muss Ihre sogenannte Mütterrente II – wie auch immer sie dann ausgestaltet sein wird – aus Steuern finanziert werden. Das fordert die Deutsche Rentenversicherung, das fordern alle Gewerkschaften, alle Sozialverbände, die Arbeitgeber, die Grünen und Die Linke. Also tun Sie es einfach! Wenn Sie, Herr Heil, die Steuerfinanzierung der Mütterrente II nicht gegen Ihren Genossen Finanzminister durchsetzen, werden Jahr für Jahr knapp 10 Milliarden Euro aus der Rentenkasse verschwinden. 10 Milliarden Euro! Damit könnten Sie die Ostrenten sofort den West­renten angleichen, Ihren geplanten Härtefallfonds für benachteiligte ostdeutsche Rentnerinnen und Rentner auf den Weg bringen und die Renten von Erwerbsminderungsrentnerinnen und ‑rentnern deutlich anheben. Und wenn Sie bei Herrn Scholz abblitzen sollten, dann gehen Sie bitte zur Verteidigungsministerin. 1,5 bis 2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung auszugeben, hieße, statt 38,5 Milliarden Euro mit bis zu 70 Milliarden Euro Rüstung und Militär zu finanzieren. Dazu sage ich: Was für ein Irrsinn! No 2 Percent! Frieden geht anders. Mehr Rente statt mehr Panzer! Danke schön. Jetzt hat das Wort der Kollege Markus Kurth, Bündnis 90/Die Grünen.
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Kathrin Vogler DIE LINKE
Kathrin
Vogler
DIE LINKE
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Lauterbach, Sie haben gerade in Ihrer Rede gesagt, Sie seien mehr so ein Mann der Tat als ein Mann großer Worte, und das bezog sich auf die Krankenhausfinanzierung. Allen Ernstes – es tut mir leid –, ich musste da lachen. Aber ich fürchte, den Kolleginnen und Kollegen in nordrhein-westfälischen Universitätskliniken, die jetzt seit einem Monat für vernünftige Arbeitsbedingungen und Entlastungen streiken, ist das Lachen im Halse stecken geblieben, als sie das gehört haben. Während in den Gesundheitsberufen Hunderttausende Mitarbeitende fehlen und die gefährlichen Zustände für die Patientinnen und Patienten und die krankmachende Arbeitsüberlastung für die Beschäftigten anhalten, bekommt diese Regierung es nicht einmal hin, die lang versprochene und als „kurzfristig“ im Koalitionsvertrag angekündigte Pflegepersonal-Regelung 2.0, die PPR 2.0, auf den Weg zu bringen. Das ist doch ein Schlag ins Gesicht der Pflegekräfte und aller anderen Beschäftigten im Gesundheitswesen. 17 Milliarden Euro fehlen in der gesetzlichen Krankenversicherung. Das ist ein dramatisches Defizit. Deswegen hatten Sie, Herr Minister, doch ein Finanzierungsgesetz angekündigt. Das ist dann aber klammheimlich wieder in der Versenkung verschwunden. Ich vermute mal, das hat mit Ihrem kleinsten Koalitionspartner zu tun. Denn für eine auskömmliche Finanzierung der Krankenkassen bräuchte es entweder mehr Beitragszahlende – also etwa auch Beamte, Selbstständige und Gutverdienende – oder mehr Steuerzuschüsse. Beides ist mit der FDP, dem Freundeskreis der Privatversicherungsunternehmen, offensichtlich nicht zu machen. Deswegen werden die Krankenkassen 2023 erhebliche Beitragserhöhungen vornehmen müssen zulasten all der Menschen, die gerade sowieso nicht wissen, wie sie am Ende des Monats noch ihre Lebensmitteleinkäufe oder die Stromrechnung bezahlen sollen. Da, finde ich, muss diese Bundesregierung endlich etwas tun. Herr Lauterbach, für Ausgaben für Pflege und Gesundheit soll die Schuldenbremse ab nächstem Jahr wieder gelten. Frau Kollegin. Aber mit einem Federstrich können 100 Milliarden Euro neue Schulden für Panzer und Kampfflugzeuge ins Grundgesetz geschrieben werden. Das ist nicht hinnehmbar! Das macht Die Linke nicht mit. Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Maximilian Funke-Kaiser das Wort.
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Dr.
Dr. Volker Ullrich CDU/CSU
Volker
Ullrich
CDU/CSU
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir debattieren zwei Anträge der AfD: einen zum Thema Parlamentsfernsehen und einen zum Thema Bürgerstunde im Deutschen Bundestag. Beide Anträge haben eines gemein, und damit entlarven Sie sich selbst. Und zwar geht es um Folgendes: In Ihren Anträgen – – Herr Brandner, könnten Sie das bitte unterlassen? – Herr Brandner, jetzt hören Sie bitte auf. Das ist doch kein parlamentarisches Verhalten hier. – Nein, jetzt ist mal Ruhe. – Herr Brandner, bitte. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Beide Anträge haben eins gemein, nämlich zwischen den Zeilen einen mangelnden Respekt für die parlamentarische Demokratie und für die Gepflogenheit in diesem Haus. Und so wie Sie sich heute aufführen, zeigen Sie, dass das, was zwischen den Zeilen steht, Ihrer wahren Gesinnung entspricht. Wer hier die Frau Kollegin Haßelmann so angeht, hat kein Interesse an einer sachlichen Auseinandersetzung, sondern daran, das Parlament selbst zu beschädigen und eine ordentliche Debatte ad absurdum zu führen. Beim Parlamentsfernsehen schreiben Sie die Erzählung weiter, dass die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land nicht die Chance hätten, sich über Politik zu informieren. Das ist doch falsch. Bei der Gelegenheit will ich mal für 20 Sekunden eine Lanze für all diejenigen brechen, die 10 Minuten nach Beendigung einer Rede den Wortbeitrag ins Internet stellen, sodass jeder die Möglichkeit hat, die Rede auch nachzuhören. Ich finde, das ist eine großartige Leistung der Parlamentsverwaltung, die man mal würdigen kann. Der zweite Punkt betrifft die 100 000 Zeichner für eine Bürgerstunde im Parlament. Da wird deutlich, dass Sie das Wesen der Petition nicht verstanden haben. Petition bedeutet nicht Agitation und bedeutet nicht, dass die lautesten Stimmen gehört werden, sondern Petition bedeutet, dass wir auch den leisen Tönen einen Raum geben, dass wir die Petitionen ordnungsgemäß behandeln, bei denen Menschen echte Sorgen haben. Bei dieser Bürgerstunde geht es nicht um die echten Sorgen, sondern es geht darum, die Agitation, die Sie täglich bei Youtube, Facebook und Twitter verbreiten, ins Parlament zu tragen. Das ist nicht demokratisch. Das ist etwas, was das Parlament von innen aushöhlen soll, meine Damen und Herren. Ich glaube, wir sollten uns darüber verständigen, dass wir den Kolleginnen und Kollegen, die im Petitionsausschuss eine tolle Arbeit leisten, den Rücken stärken und dass wir die Arbeit im Petitionsausschuss wertschätzen – übrigens einer der Pflichtausschüsse nach unserem Grundgesetz. Ich will auch nicht mehr, dass irgendwie gesagt wird: Na ja, wenn es der oder der Ausschuss nicht wird, dann wird es der Petitionsausschuss. Es sollte das Gegenteil der Fall sein: der Petitionsausschuss als ein zentraler Ausschuss für das Kümmern um die wirklichen Anliegen der Menschen in unserem Land. Deswegen werden wir, so wie das der Kollege Storjohann beschrieben hat, an dem Thema weiterarbeiten, aber Ihre Anträge ablehnen, meine Damen und Herren. Die letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt ist die Kollegin Sonja Steffen, SPD-Fraktion.
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Wilhelm von Gottberg AfD
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von Gottberg
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Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Zunächst ein kritisches Wort zur gewählten Formulierung für diese Aktuelle Stunde: „Wohnungsmarkt als Spielball der Politik“ ist daneben. Was die FDP meint, wird im zweiten Teil des Themas zum Ausdruck gebracht: „Haltung der Bundesregierung zu Freiheit und Eigentum im Wohnungsmarkt“. Politik muss sich um die Menschen kümmern. Deren Grunderfordernisse sind kein Spielball. Privateigentum fördert Eigenverantwortlichkeit und gewährleistet eine graduelle Unabhängigkeit der Menschen. Eigentum fördert das Selbstbewusstsein der Menschen. Unsere gesamten Bildungsbemühungen für Kinder und Jugendliche haben zum Ziel, eigenständige, selbstbewusste Bürgerinnen und Bürger heranzubilden. Meine Damen und Herren, dieses Bildungsziel kann nur erfolgreich sein, wenn das Mitdenken der erforderlichen materiellen Dimension dazukommt. Deshalb müssen Freiheit und Eigentum im Wohnungsmarkt ein zentrales Anliegen für jede Bundesregierung sein. Die Realität sieht anders aus. Die Einführung des Mietendeckels wurde hier in Berlin von einer SPD-geführten Koalition abgesegnet – von der SPD, die auch im Bund mitregiert. Wir mussten eine weitere Verschärfung der Mietpreisbremse und ihre Verlängerung bis 2025 registrieren sowie eine fragwürdige Reform des Wohnungseigentumsgesetzes zur Kenntnis nehmen, die die Rechte der einzelnen Eigentümer weiter beschneidet. In diesen Negativkatalog gehört auch noch die Absenkung der Sanierungsumlage auf 8 Prozent oder weniger. Auch die kommende Regelung der Baugesetzbuchnovelle lässt für die Zukunft nichts Gutes erahnen. Meine Damen und Herren, es sei zugestanden: Der eben aufgeführte Negativkatalog soll für eine weniger gut verdienende größere Anzahl von Menschen preiswerte Wohnungsmieten ermöglichen. Aber, meine Damen und Herren auf der linken Seite des Hauses, Sie vernachlässigen dabei die Beachtung des politischen Grundsatzes „Maß und Mitte“. Wenn man heute einen Kleinvermieter in Berlin fragte, wie es um seine Freiheit und um sein Eigentumsrecht bestellt ist, würde der eine wohl ernüchternde Antwort geben. Die Gesetzgebung der Vergangenheit hat beides auf einen kläglichen Rest zusammenschrumpfen lassen. Frau Bayram von den Grünen hat sich in dieser Frage klar positioniert – ich zitiere –: „Wenn wir jetzt die Mieten deckeln, wird später das Enteignen leichter“. Zu dieser Perspektive passt der jüngste Vorstoß des Kollegen Hofreiter, den Bau von neuen Einfamilienhäusern zu verbieten. Ein beachtlicher Teil der Kolleginnen und Kollegen auf der linken Seite des Plenums vergisst, dass gerade die vielen Kleinvermieter ihre Wohnungen aus erarbeitetem Geld erworben und dafür jahrelang Konsumverzicht erbracht haben. Für diese Vermieter ist es also keineswegs leistungsloses Einkommen, wie immer behauptet wird, sondern es sind erbrachte Arbeitskraft und Fleiß, die in diesen Wohnungen angelegt wurden. Die Bundesregierung ist auch diesen Menschen gegenüber zum Schutz verpflichtet. Politik hat das Allgemeinwohl zu fördern. Die Zufriedenheit und das Selbstwertgefühl der erwachsenen Menschen hängen maßgeblich an vier Faktoren: an einer Wohnung, die ihren Bedürfnissen entspricht, an einer harmonischen Partnerschaft, an einer erfüllenden Berufstätigkeit, an der Anerkennung ihrer persönlichen Individualität. Wohnen hat oberste Priorität und ist ein Grundrecht. Gelebt heißt das: Wohnen ist zu Hause sein. Alle Kreise der Bevölkerung streben auf ihre Weise danach. Das reicht vom Eigentum bis zum Mietobjekt. Die Bewältigung der Krise auf dem Wohnungsmarkt kann einzig und allein durch die Ausweitung des Wohnungsangebotes erreicht werden. Dafür brauchen jedoch alle, die Geld in die Hand nehmen, egal ob Häuslebauer oder Investor, verlässliche Rahmenbedingungen. Sie brauchen die Sicherheit, dass die Regeln von heute auch morgen noch gelten. Nur dann werden Freiheit und Eigentum zu Triebkräften, die Wohlstand schaffen. Dies allen Fraktionen und insbesondere der Regierungskoalition ins Stammbuch zu schreiben, muss Ziel dieser Aktuellen Stunde sein. Danke. Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächster Redner ist der Kollege Dr. Johannes Fechner, SPD-Fraktion.
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Dr.
Dr. Götz Frömming AfD
Götz
Frömming
AfD
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin schon ein bisschen verwundert. Nachdem ich den beiden Vorrednern zugehört habe, muss man sich schon fragen: Was haben Sie eigentlich die ganze Zeit gemacht? – Frau Budde befindet sich gerade in einem Gespräch, wie ich sehe. Dann fange ich mit der Kollegin von der CDU/CSU-Fraktion an. Sehr geehrte Frau Kollegin, die CDU/CSU-Fraktion hat ja die sogenannte BKM gestellt. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie wir sie, als sie im Kulturausschuss war, gefragt haben, wie es nun vorangegangen ist. Es gab schließlich mehrere Beschlüsse des Deutschen Bundestages. Richtig, die Initiativzündung kam schon in den 90er-Jahren. Aber die Beschlüsse haben wir schon 2015, 2019 gefasst. Nun ist schon die dritte Legislaturperiode, in der wir wieder etwas beschließen. Drei Mal nimmt dieser Bundestag Anlauf. Meine Damen und Herren, wir müssen endlich auch einmal schießen und dürfen nicht nur Anlauf nehmen. Sie müssen sich schon fragen lassen, was Frau Grütters in dieser Zeit denn gemacht hat. Und, Frau Budde, mit Verlaub, ich nehme Ihnen schon ab, dass Sie verwundert waren, als auf die Nachfrage, wer denn nun bei der BKM für die Fortentwicklung des Mahnmals zuständig sei, die Antwort kam: Na ja, da haben wir eine Praktikantin abgestellt; die betreibt das ein bisschen nebenbei. – Da waren Sie entsetzt, da waren wir alle entsetzt. Sie haben der BKM dann sozusagen die Pistole auf die Brust gesetzt, wir als Ausschuss haben gesagt: Das muss vorangehen! – Aber es ist offenbar immer noch nicht vorangegangen. Das, meine Damen und Herren, ist ein Riesenproblem; denn wir haben es hier mit einer Verschleppung zu tun, die sich schon über 30 Jahre hinzieht. Nun könnten Sie natürlich sagen: Wir sind ja 30 Jahre auch gut ohne dieses Mahnmal ausgekommen; dann kommt es doch auf ein paar Jahre mehr auch nicht an. – Aber, meine Damen und Herren, schauen wir einmal, was wir derzeit erleben: Wir haben eine Innenministerin – heute Morgen war das wieder Thema –, die für das Magazin „antifa“ schreibt. Wir haben einen Bundespräsidenten, der Gudrun Ensslin zu einer bedeutenden Persönlichkeit der Weltgeschichte erklärt. Und wir haben eine demokratische Opposition, die nach dem Willen aller anderen Fraktionen durch den Verfassungsschutz beobachtet werden soll. Meine Damen und Herren, Sie mögen das als Lappalien abtun; das sind aber keine Lappalien, das sind Alarmzeichen für den Zustand unserer Demokratie. Angefangen hat es hier ganz links mit dem Framing: wir, die demokratischen Parteien. – Dieses Virus hat sich fortgepflanzt und ist jetzt bei der Union angekommen. Wenn ich das immer höre, „wir, die demokratischen Parteien“, dann kann ich Ihnen nur empfehlen, sich einmal an die Geschichte zu erinnern. Wer hat sich denn immer selber demokratisch nennen müssen? Das war die Deutsche Demokratische Republik. Oder die Demokratische Republik Kongo. Schlagen Sie mal im Lexikon nach, wie Nordkorea sich selbst bezeichnet! Auch dieses Land bezeichnet sich als demokratisch. Wer wirklich Demokrat ist, meine Damen und Herren, der muss das nicht ständig als Mantra vor sich hertragen, der lebt das tagtäglich, und der akzeptiert auch eine Opposition, die eine andere Meinung hat. Schauen Sie sich bitte unseren Antrag an; er zeigt einen klaren Weg auf, wie wir schnell zu einem Denkmal kommen können. Sie müssen ihm nur zustimmen. Lassen Sie uns in dieser Legislaturperiode endlich das Mahnmal errichten! Ich danke Ihnen. Thomas Hacker hat das Wort für die FDP-Fraktion.
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Kordula Schulz-Asche BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Kordula
Schulz-Asche
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Die einrichtungsbezogene Impfpflicht gegen Covid-19 hat zum Ziel, Menschen zu schützen, die hochbetagt sind, pflegebedürftig oder schwer krank oder alles gemeinsam, und zwar durch die Impfung des Personals – für den eigenen Schutz des Personals und für den Schutz der ihnen anvertrauten Menschen. Das gilt auch für die Omikron-Variante. Die gestrige Anhörung im Ausschuss für Gesundheit hat gezeigt, dass die von einigen hier beschworene Gefahr eines massenhaften Ausstiegs von Pflegekräften aus der Pflege nicht eingetreten ist. Es gibt keinen signifikanten Anstieg bei Kündigungen oder bei Meldungen von Arbeitslosigkeit bei Pflegekräften. Die Impfquote in Krankenhäusern liegt im Durchschnitt bei über 95 Prozent – es gibt Unterschiede – und damit weit über der Impfquote der Gesamtbevölkerung. Für die Langzeitpflege liegen noch keine abschließenden Ergebnisse vor. Ich selber war vor Kurzem in einem Pflegeheim in meinem Wahlkreis, in dem es natürlich Verunsicherung gab, in dem natürlich die Aufklärung und die Diskussionen weitergingen. Inzwischen liegt die Impfquote in diesem Pflegeheim bei 100 Prozent. Das ist auch kein Wunder; denn, meine Damen und Herren, Pflegeeinrichtungen in Deutschland arbeiten wissenschaftsbasiert nach den Vorgaben des Robert-Koch-Instituts und des Paul-Ehrlich-Instituts. Das ist auch gut so. Zudem sind Pflegekräfte in Deutschland befähigt, eigenverantwortlich zu handeln. Sie wissen um ihre besondere Verantwortung und die Sorgfaltspflicht für die Menschen, die ihnen anvertraut sind, und deren Familien. Professionelle Pflegekräfte orientieren sich an wissenschaftlichen Empfehlungen unserer Institutionen. Dazu gehören, wie schon erwähnt, das Robert-Koch-Institut und das Paul-Ehrlich-Institut. Wir werden auch von diesen Instituten erfahren, wie der weitere Verlauf dieser Pandemie sein wird, wie die Varianten sich verhalten und welche Impfstoffe wir brauchen, um diese Varianten in den Griff zu bekommen. Deswegen sind die Empfehlungen von Robert-Koch-Institut und Paul-Ehrlich-Institut Empfehlungen für die Bevölkerung im Interesse der Bevölkerung. Pandemien haben immer zur Folge, dass es ein Spannungsverhältnis zwischen Grundrechten auf der einen Seite und dem Schutz vor Infektionen auf der anderen Seite gibt. Für uns sind in der aktuellen Situation der Infektionsschutz und die Impfung Solidarität mit den Schwächsten, gerade in Zeiten der Pandemie. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Die nächste Rednerin: Kathrin Vogler, Fraktion Die Linke.
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Dr.
Dr. Götz Frömming AfD
Götz
Frömming
AfD
Danke schön. – Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Selle, vieles an Ihrer Rede würde ich loben – er hört noch nicht zu, aber vielleicht gleich –, und vieles an diesem Antrag ist durchaus auch zu loben, vieles können wir unterschreiben. Insbesondere gefällt uns, dass hier erstmals neben der NS-Diktatur auch die SED-Diktatur in den Mittelpunkt gerückt und auch klar benannt wird. Es gab ja in letzter Zeit einige Unklarheiten, insbesondere in der SPD, dass die DDR ein Unrechtsstaat war. Das steht hier ausdrücklich drin. Wir begrüßen das und finden das sehr gut. Ebenfalls gut gefällt mir der Satz in Ihrer Einleitung: Jeder Relativierung der Verbrechen des Nationalsozialismus muss entschieden entgegengetreten werden. Ich hoffe, meine Damen und Herren, Sie erinnern sich daran auch, wenn das nächste Mal wieder jemand in Versuchung geraten sollte, die AfD auch nur in die Nähe der NSDAP zu rücken. Denn das wäre genau das: eine Relativierung der Verbrechen des Nationalsozialismus. Meine Damen und Herren, neben vielem, was zu loben ist, gibt es aber doch etwas zu kritisieren, was uns letztlich dazu bringt, diesem Antrag nicht zustimmen zu können: Erstens ein formaler Einwand: Erneut erleben wir hier einen Eingriff und auch einen Übergriff des Bundes auf die Kulturhoheit der Länder. Das ist insofern besonders interessant, da gerade die Kulturhoheit der Länder im Grundgesetz besonders fest verankert ist und übrigens auch ein Bollwerk sein sollte gegen jegliches Wiedererstarken einer zentralistischen Diktatur. Der Antrag widerspricht sich hier ein Stück weit sogar selbst. Zweitens. Sie wollen Bezüge zu aktuellen Fragen herstellen; das klang auch in Ihrer Rede eben an, sehr verehrter Herr Kollege. Auch da läuten bei uns die Alarmglocken. Geschichte ist nicht dafür da, sie für tagespolitische Zwecke zu instrumentalisieren. Das möchten wir bitte schön verhindert wissen. Geschichte soll um ihrer selbst willen betrachtet werden. Wie es der große Leopold von Ranke so schön ausgedrückt hat: Geschichtsschreibung heißt erst einmal, hinzugucken, wie es denn eigentlich gewesen ist, und das andere kommt dann später. Drittens. Wir haben hier wieder mal einen Antrag vor uns, meine Damen und Herren, der eine rein negative Sicht auf die deutsche Geschichte beinhaltet. Insbesondere wenn es Ihnen darum geht – wie Sie das eben ja auch sagten –, auch jüngere Menschen, insbesondere neu zu uns gekommene Menschen, für Deutschland zu begeistern, dann brauchen wir doch endlich mal ein Programm, um die positiven Seiten der deutschen Geschichte darzustellen, meine Damen und Herren. Davon finden wir leider in diesem Programm nichts und auch nicht in den Programmen der Länder, die ja weiß Gott schon viel in dieser Richtung machen. Es ist ja nicht so, dass man nun auf den Bund hätte warten müssen, damit es Kulturfahrten oder Fahrten zu Erinnerungsstätten gäbe. Aber es fehlt hier wirklich der Blick auf eine positiv-identitätsstiftende Geschichtsbetrachtung. Die haben wir in unserem Programm gefordert als AfD. Wir hoffen, dass Sie sich vielleicht auch mal dazu durchringen können, Programme zu entwickeln, in denen wirklich das Gute und Schöne der deutschen Geschichte auch mal in den Mittelpunkt gerückt werden. Vielen Dank. Vielen Dank. – Die letzten fünf Redner geben ihre Rede zu Protokoll.1 Anlage 15 Ich schließe deshalb die Aussprache.
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Markus Kurth BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Markus
Kurth
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor rund anderthalb Jahren habe ich in meiner Rede zum Haushalt 2017 den Zustand der damaligen Großen Koalition beschrieben und gesagt: Die Regierungsfraktionen haben … in etwa die Dynamik einer Herde satter Wasserbüffel: Bräsig stehen Sie im Brackwasser Ihrer unambitionierten Vorhaben. Jetzt beraten wir den Haushalt 2018, und man kann vergleichend feststellen: Die Büffel sind magerer geworden, aber wirklich vorangekommen sind Sie nicht. Dabei verfügen Sie über hervorragende ökonomische und damit auch finanzielle Rahmenbedingungen. Und trotzdem verschleppen Sie Strukturvorhaben, trotzdem wiederholen Sie – Beispiel Mütterrente – Fehler der Vergangenheit. Geradezu exemplarisch für diese Selbstzufriedenheit, mit der Sie sich bewegen, ist hier der Auftritt des ansonsten von mir geschätzten Kollegen Peter Weiß von der Union gewesen, der die niedrigen Beitragssätze in der Rentenversicherung bejubelt und vollkommen unter den Tisch fallen lässt, dass wir in einer demografisch und ökonomisch absoluten Schönwetterphase leben und eine Menge Zukunftsfragen zu klären hätten. Diese Form von Selbstgefälligkeit, muss man fast schon sagen, ist wirklich dramatisch. Das ist hochgradig fahrlässig. Die falsche Finanzierung der Mütterrente – lassen Sie mich das noch sagen – ist keine Sache, die wir nur als akademische Fingerübung vorrechnen und bei der wir eine Steuerfinanzierung nur aus Gründen irgendeiner abstrakten Systematik einfordern. Das ist auch eine ganz konkrete Verteilungsfrage; denn einen Teil des Spielraums, den Sie durch die Steuereinnahmen haben, wollen Sie ja für Steuersenkungen verwenden. Aber die alleinerziehende Friseurin, die gar keine Steuern zahlt, muss mit ihren Sozialbeiträgen über die falsch finanzierte Mütterrente die Steuersenkungen für Besserverdienende quasi mittragen. Das ist der Kern des Problems, den Sie immer vergessen. Herr Gröhe, das Wort „Generationsgerechtigkeit“ – das habe ich der Union schon vor vier Jahren bei der Diskussion um die Mütterrente I zugerufen – dürfen Sie von der Union gar nicht in den Mund nehmen. Ich will gar nicht in Abrede stellen, dass Sie an der einen oder anderen Stelle versuchen, die Zukunftsfragen zu lösen. Aber es bleibt immer Stückwerk. Ein Beispiel etwa ist die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung, die Sie eben nicht hinbekommen. Da machen Sie jetzt einen Vorschlag mit einer Schwellenwertgrenze, der mutmaßlich aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken gar nicht tragfähig ist. – Sie haben nicht mit der FDP verhandelt und mit ihr zu tun gehabt. – Machen Sie doch einmal einen richtigen Schritt, Martin Rosemann, und schaffen Sie die sachgrundlose Befristung ab. Das Beispiel der Deutschen Post dieser Tage zeigt doch, dass sie eine geradezu gemeinwohlschädliche und gesundheitsgefährdende Verlängerung der Probezeit darstellt; ein exemplarisches Beispiel dafür, dass diese Regelungen einfach nicht zum Leben der Menschen passen. Da müssen Sie rangehen. Wir Grüne haben eine Vision: Wir wollen durch Befähigung, Anreize und soziale Garantien jedem Individuum eine selbstbestimmte, positiv gestaltbare Lebenschance eröffnen. Eine leistungsfähige soziale Infrastruktur ist auch die Grundlage dafür, dass wir wieder Vertrauen in im Grundsatz bewährte Sozialversicherungssysteme aufbauen können. Wenn uns das nicht gelingen sollte, dann stehen wir vor dem Risiko, dass Scharlatane mit falschen Heilslehren die Oberhand gewinnen, dass im schlechtesten Fall der Sozialstaat unter Vorgabe eines falschen Etiketts entkernt wird. Das wollen wir Grüne ausdrücklich nicht riskieren. Deswegen arbeiten wir auch in Zukunft an einem Leitbild emanzipativer Sozialpolitik. Wenn Sie sich davon wenigstens eine kleine Scheibe abschneiden würden, zum Beispiel die Abschaffung der besonderen Sanktionen für unter 25-Jährige – das wäre ein kleiner Schritt –, dann würden wir Ihnen das wirklich gönnen. Vielen Dank. Jetzt hat das Wort der Kollege Peter Aumer, CDU/CSU.
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Roderich Kiesewetter CDU/CSU
Roderich
Kiesewetter
CDU/CSU
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir beraten heute einen Antrag auf Beendigung des Irak-Mandats. Der Antragsteller begründet das wie folgt: Erstens. Es gebe keine ausreichende Legitimität mehr für diesen Einsatz aufgrund der irakischen Parlamentsentscheidung. Zweitens sei die Sicherheitslage durch die Eskalation so, dass wir die deutschen Soldaten aus Sicherheitsgründen abziehen sollten. Der Antrag, meine sehr geehrten Damen und Herren, berücksichtigt zwei entscheidende Punkte nicht: Erstens. Die internationale Gemeinschaft hat sehr klug auf die Eskalation in der Region reagiert und den Ausbildungseinsatz vorübergehend eingestellt, um der irakischen Regierung Zeit für eine Orientierung und uns selbst Zeit für eine Lagebeurteilung zu geben. Zweitens. Was die Legitimation angeht, ist sehr klar – das ist auch durch das internationale Recht und auch durch die Verfassung des Irak festgestellt –: Zuständig ist die irakische Regierung. Durch die Zurückhaltung unseres Engagements im Moment geben wir der irakischen Regierung auch ausreichend Zeit für eine Bewertung der Parlamentsentscheidung, die nur vom schiitischen Teil des Parlaments getroffen wurde. Meine sehr geehrten Damen und Herren, für die Unionsfraktion ist das kein Grund, das Mandat zu beenden. Im Gegenteil: Wir lehnen einen deutschen Sonderweg ab – und damit auch diesen Antrag. Ich möchte aber die Gelegenheit nutzen und diese Debatte dafür verwenden, über unser europäisches Interesse nachzudenken. Wir Europäer – wer sind wir? das sind die Europäische Union und die E3, nämlich Frankreich, Großbritannien und die Bundesrepublik – haben ein sehr hohes Interesse, in dieser Region an der Stabilität mitzuwirken. Ich möchte fünf Gründe dafür nennen: Erstens. Es ist der Irak selbst, der aus einer schiitischen, sunnitischen und kurdischen Bevölkerungsgruppe besteht. Unser Interesse ist es doch, dass diese drei Gruppen verbunden mit vielen anderen Religionen friedvoll zusammenleben. Unser Beitrag ist, dafür zu sorgen, dass der Irak als Land zusammenhält und eine friedvolle Zukunft hat; deswegen sind wir dort. Zweitens haben wir ein Interesse, das vom IS-Terror geschüttelte Land zu stabilisieren. Wir sind mit über 60 Staaten und 4 internationalen Organisationen in der Region, um den IS einzudämmen, der schon wieder in regionalen Bereichen sehr intensiv tätig wird. Wir müssen einen Flächenbrand verhindern und deshalb den IS gemeinsam auf der Basis des UN-Mandats bekämpfen. Unser drittes Interesse ist, dass der Iran die Bedingungen des Nuklearabkommens wieder einhält, und es ist unsere Aufgabe, über das Abkommen hinaus darauf hinzuwirken, dass der Iran die vom Potenzial seiner ballistischen Raketen ausgehende Bedrohung offenlegen muss, dass der Iran öffentlich an den Pranger gestellt wird für die Art und Weise, wie er in einigen Staaten, im Libanon, insbesondere in Syrien, aber auch im Jemen, für Destabilisierung sorgt. Und wir müssen alles tun – das ist wirklich Ausdruck einer intensiven Sorge –, dass der Iran nicht eskaliert; denn wird er zur Nuklearmacht, werden wir ein nukleares Wettrüsten in der Region haben. Denn auch Saudi-Arabien oder die Türkei oder Ägypten haben ein Interesse daran. Unser viertes Interesse ist sehr klar, das Existenzrecht Israels zu schützen und den Nahostfriedensprozess voranzutreiben. Diesen werden wir nicht vorantreiben, wenn wir uns aus der Region zurückziehen. Und unser fünftes Interesse, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist, als Europa dafür zu sorgen, dass die USA wieder mitwirken, ihre risikoreiche Politik aufgeben und die regelbasierte internationale Ordnung unterstützen. Dieses Interesse müssen wir als Europäer unserem engsten Verbündeten, den USA, näher bringen als bisher. Deswegen begrüßen wir als CDU/CSU-Fraktion auch die Initiative der E3. Von daher führt dieser Antrag bei Weitem nicht in die von uns geforderte politische Richtung eines starken europäischen Engagements. Wir lehnen den Antrag ab und sind für eine stärkere europäische Präsenz, wenn Irak es wünscht. Danke schön. Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion der FDP der Kollege Alexander Müller.
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Stephan Pilsinger CDU/CSU
Stephan
Pilsinger
CDU/CSU
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Menschen in Deutschland können sich darauf verlassen, in unseren Kliniken jederzeit bestens versorgt zu werden. Dieses System haben wir stetig weiterentwickelt. Mit dem GKV-Gesundheitsreformgesetz wurde 2000 die Einführung der diagnosebezogenen Fallgruppen, kurz: DRGs oder Fallpauschalen, im deutschen Gesundheitswesen beschlossen. Seit 2003 bilden die Fallpauschalen die Grundlage für ein durchgängiges, leistungsorientiertes und pauschalierendes Vergütungssystem zur Abrechnung stationärer Krankenhausaufenthalte. Die Besonderheit dieses Systems lag schon immer darin, dass es sich weiterentwickelt und sich den veränderten Gegebenheiten in unserem Gesundheitswesen anpasst. Zu diesen Weiterentwicklungen zählt auch, dass wir die Kosten der Pflege aus den DRGs herauslösen. Damit wird künftig jede zusätzliche und jede aufgestockte Pflegestelle am Bett vollständig von den Kostenträgern refinanziert. Mit diesem Schritt schaffen wir konkrete und vor allem spürbare Verbesserungen im Alltag der Patienten und Pflegekräfte. In ihrem Antrag fordert die Fraktion der AfD nun die Abschaffung dieses erfolgreichen Systems zugunsten klinikindividueller Budgets. Wenn ich mir das Papier so anschaue, dann frage ich mich: Was passiert denn, wenn die Budgets aufgebraucht sind? Wollen Sie die Patienten dann wieder nach Hause schicken? Sorgen bereiten mir auch Ihre Pläne, die Patientenströme in die regionalen Kliniken zu lenken. Sicherlich benötigen wir auch vor Ort weiterhin eine qualitativ hochwertige stationäre Versorgung. Aber wie wollen Sie denn mit einer solchen Maßnahme die Versorgung hochkomplexer Fälle garantieren? Dafür brauchen wir auch weiterhin unser dichtes Netz von Spezialzentren, und dazu muss auch jeder Patient zu jedem Zeitpunkt ungehinderten Zugang haben. Meine Damen und Herren, über die konkrete Ausgestaltung unseres stationären Vergütungssystems können wir gerne diskutieren. Aber das, was Sie hier als Reformvorschlag vorlegen, würde unser international hoch anerkanntes Krankenhauswesen finanziell austrocknen. Das ist gefährlich, aber das werden wir auch im Anhörungsverfahren noch einmal intensiv erörtern. Vielen Dank. Ich schließe die Aussprache.
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