Wahlperiode
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Cansel Kiziltepe SPD
Cansel
Kiziltepe
SPD
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Jahr nach der öffentlichen Anhörung im Finanzausschuss zu einer möglichen Doppelbesteuerung bei Renten und nach mehrfacher Ankündigung liegt uns nun endlich der Antrag der FDP vor. Da hat wohl eine Fraktion sechs Monate vor der Bundestagswahl die Rentnerinnen und Rentner für sich entdeckt, Herr Herbrand. Anders kann ich mir Ihren Stimmungswandel nicht erklären, weil Sie sich in der Anhörung genau gegenteilig geäußert haben. Wir in der SPD kümmern uns nicht nur in Wahljahren um die Rentnerinnen und Rentner. Für uns ist klar: Es darf keine doppelte Besteuerung von Renten geben! Dies war immer unsere Position, und diese Position wird sich nicht ändern. Im Moment stecken wir mitten im Umstellungsprozess bei der Rentenbesteuerung, den der Kollege Gutting beschrieben hat, hin zur nachgelagerten Besteuerung. Diese Umstellung ist auf insgesamt 35 Jahre angelegt. Begonnen hat der Prozess im Jahre 2005. Grund für diese Umstellung ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Dieses Urteil beinhaltete damals vor allem zwei Punkte: Es darf keine unterschiedliche Behandlung von Renten und Pensionen geben, und es darf keine doppelte Besteuerung geben. – Wir befinden uns aktuell mitten in der Umsetzung der ersten Vorgabe. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die zweite Vorgabe ist grundsätzlicher Natur. Welche Aspekte zu einer Doppelbesteuerung führen, hat Karlsruhe nicht näher definiert. Hier gibt es unterschiedliche Auffassungen dazu, was eine Doppelbesteuerung überhaupt auslösen kann. Die Frage ist bis heute nicht vollständig geklärt. Es gibt zwei anhängige Verfahren beim Bundesfinanzhof, und ein Urteil wird für das zweite Quartal dieses Jahres erwartet. Anders als die FDP behauptet, waren sich bei der Anhörung im letzten Jahr nicht alle Sachverständigen einig, wie genau eine Doppelbesteuerung zu definieren sei. Unsere Auffassung ist bisher: Der Sonderausgabenabzug für die Kranken- und Pflegeversicherung beispielsweise und auch der Grundfreibetrag führen dazu, dass auch der steuerpflichtige Teil der Rente in bestimmtem Umfang steuerunbelastet zufließt. Nach dieser Auffassung käme es eben zu keiner Doppelbesteuerung. Wir als SPD-Fraktion wollen natürlich eine starke gesetzliche Rente. Das Gleiche wollen auch die Linken in ihrem sozialpolitischen Antrag. Der Antrag der Linken ist aber nicht Teil einer finanzpolitischen Debatte, da er sich überwiegend mit sozialpolitischen Fragestellungen beschäftigt. Ich will ihn hier aber trotzdem erwähnen. Wir als SPD-Fraktion haben in den vergangenen Jahren mehrfach die Renten in Deutschland gestärkt: mit dem Rentenpakt zur Stabilisierung des Rentenniveaus, mit der Grundrente und der digitalen Rentenübersicht – um nur einige Erfolge sozialdemokratischer Rentenpolitik zu nennen. Das ist gerechte, nachhaltige Politik und keine Show im Wahlkampfjahr. Vielen Dank. Vielen Dank, Frau Kollegin. – Herr Theurer, da wir eine Stunde hängen, bin ich gebeten worden, etwas zur Beschleunigung beizutragen, und diesem Wunsch der breiten Massen werde ich nachkommen. Der nächste Redner ist der Kollege Matthias W. Birkwald, Fraktion Die Linke.
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Lisa Badum BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Lisa
Badum
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sie verkaufen seit Freitag Ihre Klimaeckpunkte als großen Wurf. Sie sprechen von einem Paradigmenwechsel. Sie verkaufen der internationalen Staatengemeinschaft einen CO2-Preis von 10 Euro pro Tonne als die Innovation deutscher Klimapolitik. Meinen Sie das ernst? Vielleicht von mir eine ganz kleine Hilfe zur Beantwortung dieser Frage: Ihr eigener wissenschaftlicher Berater bescheinigt Ihnen, ein wirkungsloses Sammelsurium zusammengeschmissen zu haben, mit dem Sie die Pariser Klimaziele nicht nur nicht erreichen werden, sondern das sogar zu mehr Emissionen führt. SPD-Abgeordnete sprechen von einem „fatalen Signal“ und „teurem Murks“. Parents for Future ruft zu mehr zivilem Ungehorsam auf, weil sie sagen: Die Politik schützt unsere Kinder nicht genug. „Paradigmenwechsel“ sagen Sie; „Pillepalle“ sagt eine Mehrheit der Gesellschaft. Nur so zum Realitätsabgleich: Die Rettung des GroKo-Klimas ist nicht die Rettung des Weltklimas. Sie lösen da Ihre Probleme und kehren im Scherbenhaufen der vergangenen Jahre umher. Ich weiß, es ist schwer; ich weiß, Sie durchwachen die Nächte. Aber ich sage Ihnen: Es dient niemandem, nicht diesem Land, nicht dieser Welt. Sie haben letzten Freitag die Absage an die Pariser Klimaziele unterschrieben! Und wie rechtfertigen Sie diese Bankrotterklärung? Was haben wir heute von Ihnen, von den verschiedensten Rednern gehört? Sie sprechen von einem schwierigen Balanceakt zwischen Sozialverträglichkeit und Umweltschutz. Hier liegt schon das ganze Problem: Ihre Art und Weise, Klimaschutz zu denken und darüber zu sprechen, spaltet diese Gesellschaft und schadet der Klimapolitik und dem politischen Klima nachhaltig. – Ja, Frau Weisgerber. – Ich sage Ihnen die drei Beispiele dafür: Sie spielen das Land gegen die Stadt aus. Ihr eigenes Versagen, den ÖPNV auszubauen, nehmen Sie jetzt als Argument für weniger Klimaschutz und einen niedrigeren CO2-Preis. Das ist Populismus in Reinform. Das ist aber noch nicht alles. Sie spielen Arme gegen Reiche aus. Sie begründen einen niedrigeren CO2-Preis mit sozialer Gerechtigkeit und begünstigen auf der anderen Seite mit der Pendlerpauschale die Besserverdiener. Sie behaupten, Mieterinnen und Mieter zu schützen; aber Sie geben vor allem Anreize für Immobilienbesitzer. Und: Sie spielen ein ganz gefährliches Spiel mit der Glaubwürdigkeit von Politik. Wenn Sie ständig von Verboten und Planwirtschaft faseln, ja, dann machen Sie das, was wir hier tun, schlecht, dann stellen Sie das, was wir tun, infrage. Die Politik ist dafür da, Regeln zu setzen. Dafür sind wir gewählt, auch und gerade in der Klimapolitik. Ich habe in den letzten zwei Jahren – seit genau zwei Jahren bin ich im Bundestag – viele Begründungen für Ihr Nichthandeln gehört. Mal ist der Pendler auf dem Land schuld, den Sie schützen müssen, mal ist es der Bergbauarbeiter in der Lausitz, oder mal ist es Oma Erna und ihre Ölheizung. Hören Sie auf, die Bevölkerung als Geisel für ihre eigene Unfähigkeit zu nehmen! Hören Sie auf, die Bevölkerung vorzuschieben, weil Sie Angst haben, der Wirtschaft Regeln aufzuerlegen! Es gibt mehr als genug Begründungen fürs Handeln. Erst letzten Freitag wieder haben wir ganz viele Stimmen gehört – 1,4 Millionen Menschen –, die Ihnen diese Begründungen entgegenrufen, und die haben eben keine Geduld mehr für Spielchen. Ein solches Spiel – das muss ich als Fränkin und Bayerin sagen – spielt natürlich auch der selbsternannte Klimaschützer Herr Söder. Neben dem Ende des Ausbaus der Erneuerbaren in Bayern hilft er auch im Bund mit, die Erneuerbaren zu bremsen. Aber Sie spielen dieses unsägliche Spiel auch beim Waldschutz. Ich sehe, einige Personen von der CSU sind da. Wir reden ja über den Waldschutz. Ich sage Ihnen eines: Es nutzt nichts, sich an Bäumen fotografieren zu lassen, wenn man sie hinter den Kulissen abholzt. Wenn Sie Waldschutz in Bayern machen wollen, dann ist ganz klar, was jetzt zu tun ist: Es gibt ein Gebiet in Bayern, das UNESCO-Weltnaturerbe sein könnte: der Steigerwald als Buchenurwald. Da könnten Sie einen dritten Nationalpark machen. – Sie machen es nicht, weil Sie Spielchen spielen. Und was steht am Ende aller Spielchen, meine Damen und Herren? Frau Merkel war ja ganz gerührt, dass Greta Thunberg die Menschheit aufrief, sich hinter der Wissenschaft zu vereinen. Tja, lassen wir in diesem Sinne einen Wissenschaftler das letzte Wort haben. Herr Mojib Latif hat zu Ihrem Klimapaket gesagt: Das ist Sterbehilfe für das Weltklima. Vielen Dank. Das Wort hat Dr. Anja Weisgerber für die CDU/CSU-Fraktion.
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09:00
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Jürgen Pohl AfD
Jürgen
Pohl
AfD
Herr Präsident! Liebe Zuschauer! Werte Kollegen! Wir sind heute zusammengekommen, um einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Thema Zwangsarbeit zu debattieren, den diese seit knapp fünf Jahren vor sich herschiebt. Das ist schon eine herausragende Leistung, besteht der Entwurf doch aus insgesamt zwei Artikeln. Da kann man schon mal sagen: Hut ab, alle zweieinhalb Jahre ein Artikel. Aber gehen wir in medias res, und schauen wir uns an, was die Kollegen von der Regierungsbank uns hier vorgelegt haben. Die Bundesregierung möchte das Protokoll der ILO zum Thema Zwangs- und Pflichtarbeit endlich auf nationaler Ebene in Kraft setzen. Das ist natürlich äußerst lobenswert, soll doch die Arbeitsleistung eines jeden Einzelnen nicht rechtswidrig ausgebeutet werden. Auch ist die ILO als internationaler Vertreter für Arbeitsrecht hierbei Vorreiter, stammt doch die Grundlage für das gegenständliche Protokoll aus dem Jahr 1930. Die ILO hat heute auf den Tag vor genau 100 Jahren ihre Tätigkeit aufgenommen. Glückwunsch dazu, das mag ein Grund für frische Schnittchen sein, aber nicht für frische Gesetze. Die Vorgaben bestehen größtenteils aus reinen Absichtserklärungen und Empfehlungen, die in der Zukunft vermutlich – wie überall und immer wieder – zu neuen rechtlichen Regelungen in Deutschland führen werden, und davon hat Deutschland eigentlich genug. Wir werden eh schon als Streber auf dem internationalen Schulhof der Politik belächelt. Die Umsetzung der Vorgaben der ILO ist mal wieder ein Paradebeispiel dafür. All die Punkte, in denen wir bitte schön aufgefordert werden, sie national umzusetzen, sind bei uns doch schon lange rechtlich geregelt: Schwarzarbeitsbekämpfung, Schutz von Prostituierten, Verbot der Kinderarbeit, rechtliche Regelungen nebst Amt zum Arbeitsschutz, das Recht zum Arbeitskampf, das Recht auf Arbeitnehmervertretungen – alles ist rechtlich geregelt. Ein Punkt stößt mir jedoch in der Debatte so richtig sauer auf: Nebenbei wird erklärt, dass die Bundesregierung an einem neuen Opferentschädigungsgesetz arbeitet, durch das auch die Opfer von Menschenhandel und letztlich Zwangsarbeit entschädigt werden sollen. Erst schaffen wir die Möglichkeiten zum Rechtsbruch bei uns in Deutschland, wir kontrollieren an den Grenzen mehr zum Schein, um dann geschleuste und verschleppte Arbeitnehmer für die Folgen zu entschädigen. Das ist widersinnig. Wir laufen wiederum Gefahr, Anreize für die illegale Einwanderung zu schaffen, die dann den Druck auf die Niedriglöhner erhöht. – Das ist so. Damit wir uns verstehen: Schutz vor Zwangsarbeit ist gut und wichtig, aber die Definition von Zwangsarbeit hat sich doch wesentlich geändert. Waren es nach früherem Verständnis die kleinen Kinder, die Fußbälle in den Hinterhöfen von Bangladesch genäht haben, so haben wir mittlerweile kriminelle Zustände auf dem deutschen Arbeitsmarkt geschaffen. Um diese kriminellen Zustände zu sehen, müssen Sie nicht einmal investigativ tätig sein. Fahren Sie einfach nach Duisburg-Marxloh. Da sehen Sie den Arbeitnehmerstrich ganz ungeniert auf offener Straße. Die Folgen sind Löhne, von denen niemand leben kann. Der redliche deutsche Arbeitnehmer muss bei einer Vollzeitbeschäftigung mit Hartz IV aufstocken. Dies ist so, weil die von Ihnen geförderte und protegierte Arbeitnehmerfreizügigkeit und unkontrollierte Migration zu Lohndumping geführt haben. Die Arbeitnehmer stehen im Lohnkampf mit den verelendeten Zwangsarbeitern, meine Damen. Lohndruck, Abhängigkeit, Ausbeutung, Mietwucher, Prostitution, Verelendung – das sind die Folgen dieser unseligen Politik. Jetzt wollen Sie ganz selbstgefällig Ihre Unterschrift unter ein Gesetz setzen, um solche Zustände angeblich zu bekämpfen. Für mich ist das ein Taschenspielertrick. Auf der einen Seite verurteilen Sie die Zwangsarbeit und schwadronieren von Menschenhandel, den es einzudämmen gilt, auf der anderen Seite fördern Sie durch Ihre eigene Zuwanderungs- und Freizügigkeitspolitik ebensolche Zustände. Wissen Sie noch, wie wir von der AfD im Jahr 2015 verteufelt wurden, als wir diese Verelendung der Massen bereits vorhergesagt haben? Das haben wir 2015 gesagt. Sie haben durch Ihre Politik der offenen Grenzen erst dafür gesorgt, dass solche neuen Gesetze notwendig werden. Sie wollen jetzt die Geister bekämpfen, die Sie selbst riefen. Aber nicht mit uns! Wir als AfD stehen für den vorrangigen Schutz des deutschen Arbeitnehmers und des deutschen Arbeitsmarktes. Danach können wir uns Gedanken über unsere Nachbarn machen. Wir haben aber hohe moralische Ansprüche. Wir achten das Wirken der ILO. Wir werden uns deswegen nicht gegen dieses Gesetz und auch nicht gegen dieses Protokoll stellen. Insofern werden wir uns enthalten. – Bitte schön, Sie können weiter rufen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Rede von Michael Gerdes, SPD, geht zu Protokoll, und die nächste Rednerin ist die Kollegin Gyde Jensen für die FDP-Fraktion.1  Anlage 10
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Ina Latendorf DIE LINKE
Ina
Latendorf
DIE LINKE
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Im Januar hat, wie gerade eben auch, der Minister eine flammende Rede zu agrarpolitischen Herausforderungen gehalten. Aber danach ist dieser Etat eine einzige Enttäuschung. Die Kürzung um 570 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr ist aus meiner Sicht ein Skandal. Es stehen 7,1 Milliarden Euro im Plan. Nach Abzug der Mittel für Rente, Unfall- und Krankenversicherung bleiben gerade noch 3,3 Milliarden Euro – nur 3,3 Milliarden! - für Gestaltung, also für mehr Tierwohl, verbesserte Arbeitsbedingungen, bessere Lebensverhältnisse im ländlichen Raum. Ich sage: Hier werden Versprechen gebrochen. Die alten Probleme wie Insektenschwund, Tierwohldefizit, sterbende Wälder und mehr sind alles andere als abgeräumt. Corona und ASP sind hinzugekommen; wir haben Nahrungsmittel- und Energiepreiserhöhungen. Eine Lösung der alten und neuen Probleme ist mit den veranschlagten Mitteln einfach utopisch. Für die Rüstung sind plötzlich 100 Milliarden Euro da. Dieses Geld wäre viel, viel besser angelegt bei Investitionsförderung, Unterstützung für Bäuerinnen und Bauern oder beim Umsteuern für eine gesunde Ernährung, für eine soziale und ökologische Landwirtschaft. Aber das ist Ihnen alles nur 3,3 Milliarden wert. Eine Schande! Angesichts der weltweiten Nahrungsmittelkrise wäre eine elementare Stärkung globaler Zusammenarbeit erforderlich. Und was machen Sie? Sie kürzen die Mittel für die Hilfsorganisationen der Vereinten Nationen, der FAO und anderer Partner, von 12,7 Millionen Euro auf 11,2 Millionen Euro. Im Einzelplan 23 ist es noch schlimmer. Geht uns der Hunger in der Welt nichts mehr an? Herr Minister, ich schlage vor, Sie nehmen die Gelder, die Sie in die staatliche Förderung von Agrarexporten stecken, und unterstützen damit die Welthungerhilfe und die FAO für eine echte Entwicklung. Und noch ein Punkt: Ich bin im ländlichen Raum, Vorpommern, groß geworden, lebe im zweitgrößten Flächenland Deutschlands. Die Kürzung um rund 15 Millionen Euro im Bundesprogramm Ländliche Entwicklung hat mich wirklich erschrocken, und das bei Vorhaben, die dazu dienen sollen, ländliche Räume als attraktive Lebensräume zu erhalten. Ehrlich gesagt: Ich und meine Fraktion halten das für blanken Hohn! Mit diesem Etat ist eine moderne, neue Agrarpolitik für die Zukunft nicht zu machen. Vielen Dank. Für seine erste Rede im Deutschen Bundestag erhält jetzt das Wort Niklas Wagener für Bündnis 90/Die Grünen.
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1,571,270,400,000
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Katja Suding FDP
Katja
Suding
FDP
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Digitalisierung und künstliche Intelligenz erleichtern heute schon unser Leben. Suchmaschinen geben Auskünfte in Bruchteilen von Sekunden. In der Landwirtschaft spart künstliche Intelligenz Fläche, Dünger und Pflanzenschutzmittel. Und in der Medizin erkennt KI Tumore und Herzinfarkte, rettet also Leben. Ein solches Smart Germany kann aber noch viel mehr. Dazu bringen wir als FDP-Fraktion in dieser Sitzungswoche 25 Anträge in den Deutschen Bundestag ein; denn wir brauchen und wir wollen unbedingt ein solches Update für Deutschland. Der uns hier vorliegende Antrag befasst sich mit künstlicher Intelligenz an den Schulen; denn auch an den Schulen kann künstliche Intelligenz durch Learning Analytics eine ganze Menge bewirken. Interaktive Schulbücher erfassen den Lernfortschritt. Sie werten Wissenslücken aus und schlagen passgenaue Übungen vor. Algorithmen erkennen, ob ein Schüler besser im Frontalunterricht, in Gruppenarbeit oder mit einem Video lernt. Auch die Gefahr, ein Lernziel zu verfehlen, erkennt die künstliche Intelligenz frühzeitig, sodass Lehrer und Schüler leichter gegensteuern können. Das mag für manchen wie Science-Fiction klingen, ist aber längst Realität – nur nicht an deutschen Schulen, und genau das müssen wir verändern. Auch in Deutschland wollen viele Lehrer anfallende Lerndaten nutzen, um ihre Schüler besser zu unterrichten. Aber sobald sich ein Lehrer absichern will, dass er die Daten auch rechtskonform einsetzt, beginnt für ihn ein Hürdenlauf in der Dunkelkammer. Die Fallstricke erkennt er erst, wenn es zu spät ist, wenn er gestolpert ist. Denn schon für den Einsatz eines digitalen Vokabeltrainers braucht ein Lehrer Einverständniserklärungen aller Eltern und auch der Schüler, sobald sie älter als 16 Jahre sind. Manche müssen 120-seitige Datenschutzerklärungen unterzeichnen ohne Rechtsbeistand. Wieder andere werden vom Datenschutzbeauftragten erst dann gestoppt, wenn die digitalen Lernmittel längst eingesetzt werden. Wir brauchen endlich Klarheit darüber, was erlaubt ist und was nicht, meine Damen und Herren. Das Ausland macht uns übrigens längst vor, wie die Nutzung von Lerndaten die Unterrichtsqualität verbessert. Dafür brauchen wir auch in Deutschland klare Standards, welche Lerndaten wie, wofür und wie lange erhoben und genutzt werden dürfen. Klare Standards geben allen Betroffenen Sicherheit. Die Schüler wissen, dass der Ausrutscher in Mathe kein Problem bei der Bewerbung für ein späteres Studium wird. Die Lehrkräfte wissen, welches interaktive Schulbuch sie einsetzen dürfen und welches eben nicht. Und die Entwickler wissen, welche Vorgaben ihre Software erfüllen muss. Von klaren Regeln haben also alle was, meine Damen und Herren. Wir müssen darüber hinaus die Lehrkräfte unterstützen; denn mit ihnen steht und fällt die Nutzung von Lerndaten. Einige Lehrer sind als KI-Pioniere an den Schulen unterwegs; ihr Wissen haben sie sich selbst angeeignet. Wir müssen aber allen Lehrern, und zwar schon im Lehramtsstudium und auch in Fortbildungen, vermitteln, wie sie ihren Unterricht mithilfe von Daten verbessern können und wie sie ihre pädagogischen Konzepte dadurch unterstützen können. Als Bund haben wir genug Möglichkeiten, gemeinsam mit den Ländern die Nutzung und den Schutz von Lerndaten zu fördern. Die müssen wir nutzen. Das Thema „smarte Datennutzung“ gehört in die Qualitätsoffensive Lehrerbildung. Fördern wir doch entsprechende Forschungsprojekte! Und nutzen wir die Möglichkeiten des neuen Artikel 104c Grundgesetz! Frau Karliczek ist bei dieser wichtigen Debatte nicht hier. Ich fordere sie aber an dieser Stelle noch mal auf: Die Verhandlungen über einen Digitalpakt 2.0 müssen jetzt endlich beginnen. Wenn wir Learning Analytics an unseren Schulen fördern und dem einen klaren Rahmen setzen, dann stärken wir die Bildung unserer Kinder und dann schützen wir gleichzeitig ihre Lerndaten. Das und nicht weniger haben unsere Schülerinnen und Schüler verdient: weltbeste Bildung. Vielen Dank, Frau Kollegin Suding. Das war vorbildlich: Sie haben die Redezeit eingehalten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie haben gesehen, die Sitzungsleitung hat gewechselt. Da wir es nach 23 Uhr haben, gelten folgende Regelungen: Zwischenfragen und Interventionen werden nicht mehr zugelassen. Die Redezeiten werden exakt eingehalten. Nach einmaliger Aufforderung von mir werden binnen zehn Sekunden die Mikrofone ausgeschaltet. Das erlaubt § 35 Absatz 3 der Geschäftsordnung nicht nur, das schreibt sie sozusagen vor, und daran wollen wir uns jetzt halten – damit da keine Missverständnisse entstehen. Auch appelliere ich noch mal an die Bereitschaft von einigen Kolleginnen und Kollegen, die ich sehr schätze – insbesondere auch aus meiner eigenen Fraktion –, darüber nachzudenken, ob sie ihre Reden wirklich halten müssen. Denn um diese Uhrzeit kann es manchmal sinnvoller sein, sie zu Protokoll zu geben, als sie zu halten. Als Nächster hat das Wort der Kollege Andreas Steier, CDU/CSU-Fraktion.
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1,583,452,800,000
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Marian Wendt CDU/CSU
Marian
Wendt
CDU/CSU
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute ist ein guter Tag, ein guter Tag für die 80 000 Helfer und Helferinnen des Technischen Hilfswerkes. Heute novellieren wir das THW-Gesetz. Zunächst einen ganz besonderen Dank und einen ganz besonderen Gruß an eine Delegation des Technischen Hilfswerkes, die auf der Plenarsaaltribüne Platz genommen hat und die Debatte stellvertretend für alle Helferinnen und Helfer aus Deutschland verfolgt. Grüßen Sie die THW-Familie ganz herzlich vom gesamten Haus. Das THW ist nicht mehr das THW von vor 30, 40 Jahren. Die Bedrohung ist nicht mehr ein Kalter Krieg, ein Szenario der eingestürzten Häuser. Nein, das THW ist mittlerweile weltweit im Einsatz. Unterstützung bei der örtlichen Gefahrenabwehr, Bekämpfung von Cyberangriffen, Überwindung von Problemfällen bei Stromausfällen, Flut, Sturm, schnell abfließende Gewässer, Migrationslagen, Stärkung von Katastrophenschutzbehörden in anderen Ländern, Ausbildung von Helferinnen und Helfern, zum Beispiel in den Maghreb-Staaten und im Nahen Osten – all das sind die neuen Aufgaben des Technischen Hilfswerkes. Wir als Deutscher Bundestag sind bereits auf einem guten Weg. Wir haben gemeinsam in den letzten Jahren unter Führung des Innenministers Horst Seehofer das THW gestärkt. 2016 hat der Deutsche Bundestag dem THW 225 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. In diesem Jahr sind es 314 Millionen Euro. Das ist eine Steigerung von 40 Prozent des THW-Haushaltes, um all den neuen Aufgaben gerecht zu werden. Ich sage ganz selbstbewusst: Das ist auch ein Verdienst des Parlaments; denn wir – Kollege Martin Gerster, mein Vizepräsident in der THW-Bundesvereinigung, und auch unser Kollege Gröhler – haben sehr oft in den letzten Stunden der Haushaltsdebatten diese Erhöhungen mit hineinverhandelt. Deswegen ist das THW auch ein Stück weit eine Behörde unseres Deutschen Bundestages, des Parlaments. Wir haben in den letzten Jahren die finanziellen Ressourcen gestärkt. Wir haben die Gebäudeprogramme aufgelegt. Wir haben das Fahrzeugprogramm aufgelegt. Wir gehen an die Überarbeitung der Einsatzausrüstung mit den neuen Einsatzanzügen heran. Letztlich wird auch das THW-Gesetz novelliert. Der Entwurf aus dem Bundesinnenministerium, den unser Kollege Stephan Mayer als Staatssekretär vorgestellt hat, ist ein guter Vorschlag. Er beinhaltet insbesondere die Neuorientierung des Begriffs „Dienste“, der hier bereits ausgeführt wurde. Es ist klar, dass auch die Vor- und Nachbereitung eines Einsatzes zum Dienst gehört, dass auch besondere Ausbildungsszenarien zu den Diensten gehören. Ich kann Ihnen, auch der Fraktion der FDP, versichern, dass mit der Definition des Begriffes „Dienste“ vonseiten des THW sehr verantwortungsvoll umgegangen wird. Nicht jedes Treffen von THW-Mitgliedern ist gleich ein Dienst. Dort, wo es notwendig ist, haben wir eine Klarstellung. So ist es richtig und wichtig, dass die Unternehmen unterstützt werden, die die Helferinnen und Helfer freiwillig entsenden. Aber es ist auch klar: Hier muss ein Dienst ein Dienst sein. Dafür ist die Freistellung und auch die Entschädigung bei den Lohnkosten möglich. Ein weiterer Punkt ist – das haben die Kolleginnen und Kollegen bereits angesprochen – das Thema Kosten. Meine Damen und Herren, ich habe es nie verstanden, warum eine vom Steuerzahler finanzierte Behörde einer anderen vom Steuerzahler finanzierten Behörde Rechnungen schreibt und dazwischen ein gewisser Apparat bedient wird, der das verwalten muss, der eine Rechnung schreiben muss und eine Kasse betreiben muss. Das versteht draußen niemand, insbesondere wenn es darum geht, die Sicherheitsarchitektur zu stärken und die zur Verfügung stehenden Mittel, die wir beim THW haben, besser in den Einsatz zu bringen. Dieses Thema wollen wir jetzt gemeinsam in den Beratungen angehen. Ich freue mich auf die zugesagte Unterstützung. Wenn wir das zügig durchführen, können wir dem THW insgesamt helfen. Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss. Gemeinsam wollen wir das unter dem Motto tun, das der Leitspruch der THW-Bundesvereinigung ist, die ich heute ein Stück weit repräsentieren darf: Wir helfen denen, die helfen. – In dem Sinne: Gute Beratung! Vielen Dank. Als nächster Redner erhält das Wort der Kollege Christoph Bernstiel, ebenfalls CDU/CSU-Fraktion.
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Maja Wallstein SPD
Maja
Wallstein
SPD
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Besucherinnen und Besucher, schön, dass Sie da sind! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Serviceopposition – ganz besonders Sie seien gegrüßt –, ich spiele ja ernsthaft mit dem Gedanken, Ihrem Antrag zuzustimmen. Ich stimme zum Beispiel zu: Ja, wir müssen Klimaneutralität bis 2045 erreichen, und dafür brauchen wir eine echte Transformation. Mir ist Ihr Sinneswandel in diesem Bereich natürlich nicht entgangen. Ich finde es schön, dass Sie, liebe Union, das mittlerweile fordern. Spitzfindige Zungen hier im Haus haben ja heute schon erwähnt: Hätte Ihre Partei, Ihr Minister Altmaier das früher auch schon gut gefunden, dann wären wir heute schon weiter. Aber so spitzfindig bin ich heute gar nicht. Vielmehr möchte ich Ihnen zustimmen. Dem Antrag kann man, wie ich sagte, zustimmen, wenn wir gemeinsam ein paar Änderungen vornehmen: wenn wir zum Beispiel sortieren und das Potpourri zusammengewürfelter und auch zusammenhangloser Forderungen bereinigen. Also, wenn Sie meine Stimme wollen – und so hatte ich Sie verstanden –, müssten Ihre Forderungen nach einer Technologieagenda und einer Mission „Neue Energien“ aus dem Antrag rausgestrichen werden. Das klingt eigentlich sehr schön, das sind aber eigentlich nur Überschriften ohne Inhalte. So etwas konnte ich noch nie leiden. In drei Ihrer zwölf Forderungen erwähnen Sie kleine und mittlere Unternehmen und Start-ups, um diese zu bevorzugen. Es ist sinnvoll, Start-ups und KMU zu fördern; gerade in Ostdeutschland haben wir viele kleine und mittlere Unternehmen. Aber zum einen glaube ich nicht, dass das die Rolle der Wissenschaft in der Bundesregierung stärkt, wie es ja der Titel Ihres Antrages fordert, zum anderen sollte man, wenn man Wissenschaft fördern und stärken will, nicht die Auswahl der Kooperationspartner verengen. Ihre Forderung zur Zusammenarbeit der Ressortforschung mit der akademischen Forschung finde ich interessant, ein bisschen unklar, aber interessant. Die Ressortforschungseinrichtungen der Bundesministerien arbeiten ja nicht losgelöst von der sonstigen Wissenschaft, sondern die betreiben doch schon akademische Forschung. Sie kooperieren mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Universitäten und publizieren auch in den üblichen Journals. Die Ressortforschung wird auch vom Wissenschaftsrat regelmäßig evaluiert mit Blick auf ihre wissenschaftliche Qualität. Jetzt frage ich mich: Welche der Ressortforschungseinrichtungen, die zu neuen Energien forscht, arbeitet denn Ihrer Meinung nach nicht vernünftig mit der akademischen Forschung zusammen? Also ernsthaft, ich frage mich, welche der Forschungseinrichtungen Sie da auf dem Kieker haben. Das würde mich interessieren. Wir haben heute noch ein paar Redebeiträge. Vielleicht gehen Sie darauf ein. Aber zwei Ihrer zwölf Forderungen unterstütze ich; denn da wollen Sie ja tatsächlich die Rolle der Wissenschaft in der Bundesregierung entsprechend des Antragstitels stärken. Das sind Punkt 2 und Punkt 4. Und die gute Nachricht ist: „Unabhängige, ergebnisoffene wissenschaftliche Analysen zu einer sicheren, bezahlbaren und klimafreundlichen Energieversorgung in Deutschland“, so wie Sie es hier schreiben, ja, das machen wir bereits, und zwar im Förderbereich Energiesystemanalyse des Energieforschungsprogramms des BMWK. Außerdem gibt es ein Projekt mit dem Titel „Langfristszenarien für die Transformation des Energiesystems“, ebenfalls im Auftrag des BMWK. Und die Bundesregierung wird 2023 ein neues Energieforschungsprogramm vorlegen. Ihre grundsätzliche Forderung nach der Förderung von Forschung und Entwicklung von neuen Energien ist natürlich absolut richtig. Und auch hier eine gute Nachricht: Auch das tun wir schon. Das 7. Energieforschungsprogramm der Bundesregierung „Innovationen für die Energiewende“ hat einen Umfang von 917 Millionen Euro. Sie fordern konkret unter anderem Forschung zu Speichertechnologien und Leitungssystemen. Super, super! Die werden zum Beispiel direkt in meinem Wahlkreis in Cottbus erforscht. Das neue „Energie-Innovationszentrum“ der BTU Cottbus-Senftenberg wird vom BMBF gefördert und soll gezielte Innovation sowie industrienahe, produktorientierte Technologieentwicklung und ‑transfer vorantreiben. Auch vom BMBF gefördert wird das neue DLR-Institut für elektrifizierte Luftfahrtantriebe in Cottbus, das emissionsärmere Flugtriebwerke erforschen wird, und das Fraunhofer-Institut für Geothermie und Energieinfrastrukturen, ebenfalls bei mir zu Hause in Cottbus. Cottbus entwickelt sich immer mehr zu einer der dynamischsten Energieforschungsstandorte Deutschlands. Kommen Sie mich sehr, sehr gerne besuchen. Sie sind sowieso immer ganz besonders herzlich willkommen, und bei Cottbuser Baumkuchen und „Fürst Pückler“-Bier kann man sich auch gut entspannen. Das nimmt dann ein bisschen den Stress raus, den Sie jetzt vielleicht hier empfinden. Zusammengefasst: Das, was logisch und sinnvoll ist in Ihrem Antrag, machen wir bereits. Darum werden Sie sicherlich Verständnis haben und einsehen, dass ich Ihrem Antrag dann am Ende doch nicht zustimmen kann. Aber die Einladung steht. Herzlichen Dank. Vielen Dank, Frau Kollegin. Das wird ja eine richtige Sause, wenn 736 Abgeordnete zu Ihnen nach Hause kommen. – Nur die Union? Ich glaube, das ist ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot von Andersgläubigen. Nächster Redner ist der Kollege Stephan Albani, CDU/CSU-Fraktion.
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Omid
Nouripour
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! ISIS ist auf dem Rückzug; und das ist gut. Es gibt viele, denen man danken muss: der Bundeswehr und vielen anderen, die sich den Barbaren in den Weg gestellt haben, nicht nur mit der Waffe in der Hand. Ich möchte an dieser Stelle eine Gruppe erwähnen, bei der mir schlicht die Dankesworte fehlen, weil das, was sie geleistet hat, so unglaublich ist. Das ist „Raqqa Is Being Slaughtered Silently“. Das ist eine Gruppe von jungen Menschen, die nicht nur ihr Leben riskiert haben, sondern vielfach ihr Leben geopfert haben, um Informationen aus Rakka herauszuschmuggeln. Das ist eine unglaubliche Arbeit, die diese Menschen geleistet haben. Dafür kann man nicht ausreichend Danke sagen. ISIS ist auf dem Rückzug, aber noch lange nicht am Ende. Er muss weiter mit militärischen Mitteln bekämpft werden, auch wenn wir wissen, dass die Hauptarbeit im politischen Bereich liegt. Dabei ist es völlig richtig, dass man die Bemühungen von Haider al-Abadi, Irak zusammenzuhalten, unterstützt. Irak ist ein Frontstaat im Kampf gegen ISIS. Als wir im November letzten Jahres miteinander gesprochen und über eine Regierungsbildung beraten haben, haben wir uns auf einen Mandatstext geeinigt, dem wir auch hätten zustimmen können. Das können wir beim vorliegenden Mandat nicht. Ich will dafür einige Gründe nennen. Der erste Grund ist das Völkerrecht. Es ist gerade über den Irak gesprochen worden. Die Kollegin Dağdelen hat beschrieben, warum der Einsatz im Irak völkerrechtsgemäß ist. In Syrien ist das anders. Auch die Situation in Syrien findet ja in diesem Mandatstext Erwähnung. Die Bundesregierung sagt ausschließlich: Die Vereinten Nationen haben uns aufgefordert, ISIS zu bekämpfen. – Das ist für eine Souveränitätsverletzung nicht ausreichend. Das Zweite ist: Das Bundesverfassungsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass man Auslandseinsätze grundsätzlich nur in Systemen kollektiver Sicherheit leisten darf. Das, womit wir es hier zu tun haben, ist eine Koalition der Willigen. Das ist aus unserer Sicht nicht nur grundgesetzwidrig, sondern es ist auch eindeutig eine politische Aushöhlung der Regularien und vor allem der Gremien der Vereinten Nationen. Das ist für uns ein weiterer Grund, diesem Mandat nicht zuzustimmen. Das Dritte ist: Transparenz fehlt. Ich habe eine Antwort der Bundesregierung zu diesem Thema bekommen und möchte daraus zitieren. Zusätzlich existieren Verhaltensregeln für alle an IRKS beteiligten Nationen. ... Sie gelten für das deutsche Einsatzkontingent Counter DAESH nur innerhalb des durch das Mandat des Deutschen Bundestages festgelegten Rahmens. Eine andere Frage war: Können wir die Einsatzregeln der Bundeswehr einsehen, wie wir das auch bei anderen Mandaten machen durften? Weiter im Zitat: Die ... erwähnten zusätzlichen Verhaltensregeln ... sind Teil eines durch die USA verfassten und „SECRET-RELEASABLE TO USA ...“ ... eingestuften Dokuments. Deshalb werden wir sie nicht herausgeben. – Das sind aber Einsatzregeln für unsere Soldatinnen und Soldaten, die wir als Parlament kontrollieren. Diese Kontrolle können wir aber nicht leisten, wenn Sie diese Transparenz verweigern. Das Vierte ist die Frage, ob die Bilder, die bei diesem Einsatz gemacht werden, an die Türkei gehen. Wir haben diese Frage immer wieder gestellt. Es gab immer viele Antworten zu Red Card Holdern. Aber die Frage, ob es nicht einen Pool der NATO gibt, aus dem Bilder und Daten entnommen werden können, und wie man verhindern will, dass die Türkei, die ihre Militäraktion zurzeit nicht nur im Norden Syriens betreibt, sondern auch angekündigt hat, im Norden Iraks tätig zu werden, diese Bilder bekommt, ist nie beantwortet worden. Der letzte Grund: Mir fehlt es, ehrlich gesagt – das geht mir persönlich so –, schlicht an Vertrauen. Die Bundesregierung hat vor vier Jahren – das waren dieselben Parteien, die seit gestern wieder in der Regierung sind – ganz laut und heftig gesagt: Wir werden die Rüstungsexporte restriktiver handhaben. – Dass die Fakten der letzten vier Jahre eindeutig eine andere Sprache sprechen, wissen wir. Aber die Tatsache, dass die Bundesregierung in den letzten fünfeinhalb Wochen, seit die Türkei in Syrien einmarschiert ist, 20 Genehmigungen für den Export von Rüstungsgütern in die Türkei erteilt hat, ist schlicht ein Skandal. Ihre Behauptung ist eine Lüge, die in die Öffentlichkeit gegeben wurde. Das höhlt unser Vertrauen aus. Es ist im Übrigen hervorragend, Herr Außenminister – dafür danke ich Ihnen –, dass Sie Ost-Ghuta genannt und erwähnt haben, was dort gerade durch Assad, den Freund der AfD, passiert. Ich hätte mir gewünscht, Sie hätten auch noch Afrin genannt. Das ist nicht gleichzusetzen. Aber das ist genauso Teil des Problems in Syrien. Die Bundesregierung trägt zu diesem Problem bei, weil sie diese Rüstungsexporte genehmigt. Wir werden diesem Mandat nicht zustimmen. Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Dr. Reinhard Brandl, CDU/CSU.
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Dr.
Dr. Volker Ullrich CDU/CSU
Volker
Ullrich
CDU/CSU
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es haben sich heute bereits viele Kolleginnen und Kollegen mit sehr bewegenden Worten von diesem Hohen Haus verabschiedet. Wer immer auch Mitglied des Deutschen Bundestages ist, der erfährt eine hohe persönliche Ehre, aber von dem muss man auch erwarten, dass er die Grundzüge der Geschichte unseres Landes kennt. Wenn man über die Geschichte – ich füge hinzu: der Leidensgeschichte ‑der Roma und Sinti in unserem Lande spricht, dann darf man nicht vergessen, dass sie seit vielen Jahren als Freunde und Nachbarn in unserem Land gelebt haben, aber dass sie in den letzten 120, 130 Jahren eine unermessliche Leidensgeschichte erfahren mussten. Es begann bereits im Kaiserreich mit – ich muss leider zitieren – sogenannten „Zigeunerkonferenzen“. Es hat sich fortgesetzt in der Weimarer Republik mit den entsprechenden „Arbeitsscheuengesetzen“. Es hat den Höhepunkt erreicht im Völkermord – Sinti und Roma nennen es Porajmos – während des Dritten Reiches, während der Zeit des Nationalsozialismus. Das wirklich Perfide, was uns wirklich beschämen muss, ist der Umstand, dass in der Bundesrepublik Deutschland unter der Herrschaft des Grundgesetzes der BGH 1953 geschrieben hat, dass Roma und Sinti sittliche Antriebe fehlen – das Urteil war zehn Jahre lang in Kraft –, und dass es in den 50er-Jahren noch Landfahrerordnungen gab, die Menschen effektiv diskriminiert haben. Erst 2012 wurde hier in Berlin ein Denkmal für die Opfer des Völkermords eingeweiht. Wer diese Geschichte negiert und hier von „alberner Kommission“ oder von „linksextremen Umtrieben“ spricht, der hat nichts, aber auch gar nichts kapiert. Das ist eine Schande für dieses Hohe Haus! Sie müssen die Welt – und das können Sie nicht – auch mit den Augen der anderen Menschen sehen, sich in sie hineinversetzen, wissen, dass es für Menschen verletzend ist, wenn sie mit diesen oder jenen Begriffen benannt werden. Das setzt Menschen herab, das entwürdigt sie. Das beginnt mit der Sprache. Wenn es die Sprache gibt, werden daraus Gedanken, und aus Gedanken werden Taten, und aus Taten wird Hass. Das dürfen wir in diesem Land nicht zulassen. Ich bin der Kommission sehr dankbar, dass sie auf über 500 eng bedruckten Seiten diese Leidensgeschichte zusammengefasst hat und uns damit auch die Augen geöffnet hat, dass unser Land in diesem Bereich noch Nachholbedarf hat, dass wir auch dem Antiziganismus mit der vollen Kraft des Rechtsstaats entgegentreten müssen. Das ist übrigens auch eine Frage von Prävention und Bildung. Wir müssen über Lehrpläne reden, über die Frage: Wie diskutieren wir Zuschreibungen? Das beginnt mit Sprache; das beginnt in diesem Bundestag. Das haben Sie ganz bewusst so gesagt, Herr Kollege Frohnmaier, weil Sie diese Stereotype für Ihre parteipolitischen Auseinandersetzungen wollen. Das ist aber eine Strategie der Niedertracht; das sage ich Ihnen ganz offen. Es sind oftmals auch die kleinen Dinge, die Bewusstsein schaffen und im Sinne unseres gemeinsamen Ansinnens die Dinge voranbringen. In meinem Wahlkreis Augsburg gab es seit 1756 den sogenannten Zigeunerbach. Der Stadtrat hat ihn letzten Monat in „Stempflebach“ umbenannt, um damit deutlich zu machen, dass wir vor dem Hintergrund des Welterbestatus auch diesen belastenden Namen aus der Welt schaffen wollen. Ich glaube, das war die richtige Entscheidung des Augsburger Stadtrats. Lassen Sie uns als Ergebnis dieser Debatte, aber auch von dem gemeinsamen Willen getragen, Antiziganismus zu bekämpfen, die Empfehlungen der Kommission gemeinsam umsetzen und darüber diskutieren, indem wir anerkennen, dass hier Unrecht an Menschen getan worden ist und dass wir gemeinsam dieses Unrecht beheben wollen. Herzlichen Dank. Vielen Dank. – Als letzte Rednerin in dieser Debatte und mit ihrer letzten Rede hören wir Susann Rüthrich von der SPD-Fraktion.
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Jürgen Hardt CDU/CSU
Jürgen
Hardt
CDU/CSU
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zu den außen- und sicherheitspolitischen Themen sprechen; aber zunächst möchte ich an das anknüpfen, was von den Kulturpolitikern des Bundestages gerade gesagt wurde. Ich finde, wir haben ein leistungsfähiges Instrument, eine starke Stimme der freien Welt, die von uns aus, von Deutschland aus, im Ausland die freie Meinung pflegt und unsere Position und die Position der freien Welt verkündet – das ist die Deutsche Welle. Ich glaube, eine Konsequenz aus der Erfahrung der letzten Monate – mit der wachsenden Unfreiheit auch hier bei uns in Europa, mit der Aggression durch Russland, aber auch mit dem, was in China vorgeht – ist, dass wir alle gemeinsam dafür sorgen müssen, dass die Deutsche Welle ihren Auftrag noch besser erfüllen kann, als sie das schon tut. Ich finde, dass wir darüber hinaus auch darüber nachdenken müssen, wie wir den Falschinformationen und den Fake Facts, die auch in unser Land hineinstrahlen, zum Beispiel in russischer Sprache, konsequent etwas entgegenhalten, damit nicht etwa diejenigen Mitbürgerinnen und Mitbürger, die aus alter Gewohnheit und wegen ihrer Sprachkompetenz doch stark russische Medien konsumieren, mit diesen falschen Behauptungen überhäuft werden und eben keine Chance haben, ihr Bild richtigzurücken. Deswegen brauchen wir, glaube ich, in Deutschland auch eine nationale Anstrengung zur Überwindung von Fake Facts. Das ist mein Beitrag zum Kulturteil der heutigen Debatte. Ansonsten möchte ich anknüpfen an das, was zu Russlands Überfall auf die Ukraine gesagt wurde. Wir haben gegenüber dem Bundeskanzler, der Bundesregierung erklärt – es wurde durch unseren Fraktionsvorsitzenden heute bekräftigt und wiederholt –, dass wir die notwendige Politik als Konsequenz aus der Zeitenwende, die wir erleben, unterstützen. Das bedeutet aber nicht, dass wir bereit sind, alles kritiklos hinzunehmen, sondern, dass wir konstruktiv unsere eigenen Vorschläge dazu machen. Und es gibt eine Frage, die für mich über allen Debatten dieser Tage steht. Das ist die Frage: Tun wir genug, um die Ukraine zu unterstützen? Das ist die Frage, die auch letzten Donnerstag, als der ukrainische Präsident Selenskyj zu uns gesprochen hat, hier im Raum stand. Er kam zu der bitteren Aussage, dass wir aus seiner Sicht, aus der Sicht der Ukraine, nicht genug tun, um die Ukraine zu unterstützen. Jetzt kann man zu dieser Aussage unterschiedliche Meinungen haben; aber es wäre natürlich gut gewesen, wenn die Bundesregierung, wenn der Bundeskanzler sowohl gegenüber der ukrainischen als auch gegenüber der deutschen Öffentlichkeit hier klargestellt hätte, was wir tun, warum wir bestimmte Dinge, nämlich eine konkrete NATO-Einmischung in diesen Krieg, ablehnen, aber ansonsten natürlich an der Seite der Ukraine stehen. Diese Chance wurde leider nicht genutzt. Ich kann aus meiner Perspektive den Eindruck, den Präsident Selenskyj hat – wir täten nicht genug –, leider auch nicht ganz entkräften. Es gibt drei wesentliche Felder, auf denen wir agieren könnten. Das eine könnte die Verstärkung der Militärhilfe für die Ukraine sein. Dabei gäbe es die verschiedensten Wege. In diesem Zusammenhang stellt sich zum Ersten die Frage: Was hat die Bundeswehr im Bestand, was wir gegebenenfalls abgeben können? Es stellt sich zum Zweiten die Frage: Was kann die deutsche Industrie kurzfristig liefern? Dafür wären entsprechende Ausfuhrgenehmigungen zu erteilen, und es wäre im Übrigen auch die Frage zu klären, wer das bezahlt. Es gibt drittens Partnernationen, die deutsche Waffen in ihrem Bestand haben, die sie nicht ohne Weiteres, ohne unser Einverständnis, an andere Länder abgeben dürfen. Zu all diesen drei Fragen ist die Bundesregierung gefordert, kurzfristig Entscheidungen zu treffen. Wir hören jetzt seit Tagen, dass man dies unter Geheimhaltung tun will und dass man einen Weg findet, den Deutschen Bundestag zu unterrichten. Wir als Mitglieder des Auswärtigen Ausschusses – ich glaube, die Kollegen im Verteidigungsausschuss sehen das ähnlich – haben leider noch nicht ausreichende Informationen aus der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestags, was konkret geliefert ist, und wir können deswegen auch nicht gegenhalten, wenn wir Vorwürfe aus der Ukraine oder von anderswo bekommen. Das ist sehr schade, weil es unserem Image schadet, unabhängig davon, ob man die Vorwürfe im Einzelfall widerlegen kann oder nicht. Es ist einfach eine vertane Chance für uns Deutsche. Das zweite Feld, auf dem wir agieren könnten, ist die Sanktionspolitik. Dazu haben wir natürlich auch Fragen an die Bundesregierung, was konkret die Umsetzung angeht, zum Beispiel: Brauchen wir in Deutschland möglicherweise eine Verschärfung der Gesetze, um Sanktionspolitik gegen Personen im Land umzusetzen, oder brauchen wir das nicht? Auch diese Fragen sind weiterhin unbeantwortet. Ich glaube, dass die CDU/CSU-Fraktion bereit wäre, gegebenenfalls notwendige Gesetzesänderungen zur Durchsetzung von Sanktionen zu beschließen. Es ist zwar nicht unsere Sache, jetzt darüber zu entscheiden, ob das notwendig ist; aber wir sehen dort große Defizite. Drittens. Was meines Erachtens von der Regierung auch hätte kommen müssen – und der Bundeskanzler hätte heute die Gelegenheit dazu gehabt –, sind Antworten auf folgende Fragen: Was folgt eigentlich aus dem Krieg der Russen gegen die Ukraine? Was folgt aus dem Krieg Putins gegen die Ukraine für unsere strategische Gesamtaufstellung? Es langt ja nicht, dass wir uns mit den tagesaktuellen Herausforderungen beschäftigen, sondern wir müssen ja darüber hinausgehen. Was bedeutet das für unsere europäische Energiesicherheitsstrategie? Was bedeutet das für unsere Westbalkanpolitik, bei der wir als Europäische Union – das gilt auch für Deutschland – doch sehr zögerlich mit den Aufnahmeprozessen waren? Was bedeutet das für unsere Haltung gegenüber Serbien? Serbien will in die Europäische Union. Gleichzeitig betreibt der Präsident von Serbien, Herr Vucic, eine Schaukelpolitik zwischen Russland und Europa, bei der sich die Waagschale manchmal sehr stark Richtung Russland neigt. Da müssen wir klare Ansagen machen, insbesondere weil in Serbien ja in Kürze Wahlen sind. Das erwarte ich von der Bundesregierung. Ich glaube, dass wir im Hinblick auf die Einsätze in Afrika, in der Sahelzone klar sagen müssen: Es geht nicht nur um die Stabilisierung der Sahelzone und der dortigen Regierungen sowie um die Befriedung und Abwehr von Terrorismus, sondern es geht auch um die Frage: Welche Ziele und welche Interessen verfolgen eigentlich Russland und China in diesem Teil Afrikas? Die malische Militärregierung, genauso wie andere Regierungen in der Region, vertraut offensichtlich mehr auf bezahlte Söldner von Putin als auf reguläre Truppen auf der Basis von UN- oder EU-Einsätzen. Auch darauf, glaube ich, muss die Bundesregierung uns eine Antwort geben. Auch die Handelspolitik ist ein wichtiges Feld. Ich kann mich erinnern, dass der damalige Bundeswirtschaftsminister Gabriel, SPD, hier verkündet hat, CETA könne man zwar machen, aber TTIP gehe nicht. Das war ein ganz großer Fehler. Das war eine Steilvorlage für den amerikanischen Präsidenten Trump, das dann tatsächlich zu kippen. Ich glaube, dass wir den Mut und das Engagement haben sollten, auch die Handelspolitik als Teil unserer konkreten Abwehrpolitik gegen diktatorisches und aggressives Verhalten anderer einzusetzen. Das gilt meines Erachtens auch für die Frage, wie wir mit China umgehen. Ich fürchte, dass wir mit China das nächste autokratische, diktatorische Gegenüber in der Weltpolitik haben werden, dessen wir uns gemeinsam erwehren müssen. Ich glaube, dass die Bundesregierung gut beraten ist, über die Lösung der Alltagsherausforderungen hinaus auch auf diese mittel- und langfristigen strategischen Fragen Antworten zu geben. In diesem Sinne freue ich mich darauf, dass wir die Dinge vielleicht doch besprechen, dass wir das gemeinsam hier im Parlament diskutieren und dass wir dadurch dazu beitragen, dass wir insgesamt als Demokraten für die Zukunft eine bessere Situation schaffen als das, was wir heute, im Frühjahr des Jahres 2022, leider vorfinden. In diesem Sinne: Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Das Wort hat die Kollegin Simona Koß für die SPD-Fraktion.
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Rainer Spiering SPD
Rainer
Spiering
SPD
Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, Herr Protschka, Sie sollten Ihren eigenen Antrag mal lesen. Sie haben uns ja jetzt ziemlich viel von den bäuerlichen Existenzen erzählt. Ich habe gelernt, dass alle Kolleginnen und Kollegen von der CDU und CSU Großgrundbesitzer sind; das lasse ich mal so im Raum stehen. Ich glaube aber, das ist nicht der Fall. Viel schlimmer, Herr Protschka, ist etwas völlig anderes. Sie streben ein Normenkontrollverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht an. Jetzt machen Sie Folgendes – ich will Ihnen das gerne mal vorlesen, wenn Sie Ihren eigenen Antrag nicht kennen –: Sie behaupten, die Änderung der Düngeverordnung schränke die Berufsausübungsfreiheit und die Eigentumsgarantie in unverhältnismäßiger Weise ein. Aus Ihrem Redebeitrag ist dazu ja nichts herausgekommen. Da Sie sich jetzt auch als naturwissenschaftlicher Experte darstellen, würde ich an beidem große Zweifel äußern. Jetzt wird es aber noch viel schlimmer – und da wird der Antrag der AfD meiner Ansicht nach hochgradig gefährlich –: – Nein, für die Landwirtschaft. – Gesetzt den Fall, wir wären so bekloppt und würden Ihnen heute folgen, dann würden Sie das Bundesverfassungsgericht zwingen, zwischen Ihren vermeintlichen Eigentumsrechten und einem wesentlich höheren Gut abzuwägen, nämlich der Unversehrtheit von Boden, Luft und Wasser. Wenn Sie das Bundesverfassungsgericht dazu zwingen würden, diese Abwägung zu treffen, dann wäre das Urteil klar. Und wissen Sie, wen Sie dann an den Pranger stellen würden? Die Landwirte. Das wäre völlig unverhältnismäßig, völlig ungerecht und – ich sage Ihnen das mal auch im Zusammenhang mit den Landwirten – eine Mordsschweinerei. Ich sage Ihnen aus siebenjähriger Erfahrung: Es gibt Anträge, die sind überflüssig. Einige sind nicht zeitgemäß, einige oder viele von der AfD sind nicht europarechtskonform, und es gibt Schaufensteranträge. Ihren Antrag würde ich heute unter „Nepper, Schlepper, Bauernfänger“ fassen. Deswegen werden wir ihn ablehnen. Die FDP schreibt: Es gibt „Regionen mit zu hohem Gülleaufkommen“. – Erst mal herzlichen Dank für die Erkenntnis. Jetzt kommt die Antwort der FDP darauf: Sie wollen den Wirtschaftsdünger auf die Straße bringen; das steht ja in Ihrem Antrag. Bei uns heißt so etwas: Gülletourismus. Jetzt komme ich ja aus einer Region, die wirtschaftlich stark ist – Albert Stegemann ist auch einer ihrer Vertreter –, mit einer allgemein starken Veredelungswirtschaft. Wir haben aber anliegende Regionen – die kennt man vielleicht in Rheinland-Pfalz nicht so – wie das wunderschöne Weserbergland, den Hochsauerlandkreis, die Nordsee, Ostfriesland, und was glauben Sie, mit welcher Begeisterung die applaudieren, wenn wir genau den von Ihnen vorgeschlagenen Gülletourismus einführen? Deswegen lehnen wir Ihren Antrag natürlich auch ab. Ich bekenne für die SPD ganz eindeutig: Wir wollen Landwirtschaft. Wir wollen Landwirtschaft in Deutschland, und zwar aus vielen Gründen: um eine Struktur zu erhalten, die über viele Jahrhunderte gewachsen ist, mit eigenständigen Landwirtinnen und Landwirten; um unserer Kulturlandwirtschaft willen, die wir unbedingt brauchen. Das hat auch etwas mit unserem Gefühl für unsere Regionen zu tun, wo wir tief verankert sind. Aber wir brauchen auch die Güter, die unser Leben ausmachen: Boden, Luft, Wasser. Deswegen glaube ich auch, dass wir neben dem, was Europa uns androht – Geldzahlungen und, und, und –, vor allen Dingen die Verantwortung für die nachfolgenden Generationen haben, damit sie das mitbekommen, was wir auch mitbekommen haben, nämlich die Unversehrtheit unserer natürlichen Umgebung und eine Perspektive, auch in Zukunft gute Böden, saubere Luft und reines Wasser zu haben. Die Frage, die Sie hier aufwerfen – die hat Johannes Röring eben aufgeworfen –, ist die der Messnetze. Da macht sich natürlich dann auch eine etwas klüngelige Politik in Deutschland bemerkbar. Als man sich vor 30 Jahren entschlossen hat, die Messnetze zu nutzen, da waren das natürlich Immissionsmessnetze. Es gab noch gar nicht die Möglichkeit, diese mit Emissionsmessnetzen zu koppeln. Wenn wir mit den Landwirtinnen und Landwirten und auch mit unserer Bevölkerung gut umgehen wollen, dann nutzen wir das, was dieses Deutschland kann, nämlich die Digitalisierung, um Daten zu erheben, um das alles überprüfen zu können. Wir müssen ein Immissionsmessnetz mit einem Emissionsmessnetz koppeln, wie es die Universität Gießen vorgeschlagen hat. Ich sage Ihnen: Wir können das. Dann können wir in der Tat auch nach dem Verursacherprinzip vorgehen, und dann können wir Ross und Reiter nennen. Wir werden feststellen, dass ein Großteil der Landwirte sich ordnungsgemäß verhält. Und einige sind eben nicht so ordentlich; denen können wir dann auf die Finger klopfen. Mir geht es aber noch um einen anderen Begriff, und der heißt Respekt: Respekt vor den Menschen, die in diesem Wirtschaftsbereich arbeiten; dazu hat der Sozialminister heute einen Gesetzentwurf vorgelegt. Wir müssen sie alle mitnehmen, alle, die in diesem Prozess arbeiten. Sie müssen alle das Gefühl haben, dass sie anständig behandelt werden: der Fleischer, die Fleischerin, die Fleischereiverkäuferin und der Fleischereiverkäufer, die Leute, die an den Arbeitsbändern stehen, die Leute, die in diesem Land unter teilweise miserablen Umständen leben. Wenn wir uns mit dem System der Fleischwirtschaft in Deutschland auseinandersetzen, dann müssen wir die Kette von A bis Z durchleuchten. Dann werden wir auch den Landwirtinnen und Landwirten und unserer Bevölkerung gerecht werden. Aber wir müssen das in einem Kreislauf sehen und Respekt für alle Menschen haben, die in diesem Bereich arbeiten. Herzlichen Dank fürs Zuhören. Die Kollegin Carina Konrad hat das Wort für die Fraktion der FDP.
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Kathrin Vogler DIE LINKE
Kathrin
Vogler
DIE LINKE
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Die Bundesregierung ist nicht zu beneiden: fortschreitende Klimakrise, Inflation, Angriffskrieg, Putins Gasembargo und dann, auch wenn wir es wirklich nicht mehr hören können, immer noch und immer wieder Corona. So viele Baustellen, so viel dringender Handlungsbedarf! Aber wenigstens beim letzten Punkt hatten doch viele Leute gehofft, dass jetzt, im dritten Pandemiejahr, mit einem Karl Lauterbach als Gesundheitsminister mal nicht erst auf den letzten Drücker ein halbgares Maßnahmennotpaket durchs Parlament gepeitscht würde, sondern dass frühzeitig geplant und sorgfältig beraten würde. Sie alle wurden schmerzlich enttäuscht. Herr Minister Buschmann, Sie sagen, wir seien gut durch den Sommer gekommen. Was aber sagen Sie den Angehörigen der über 3 000 Menschen, die in diesem Juli an Corona oder mit Corona verstorben sind? Das ist mehr als das Zehnfache von dem, was es im Juli 2020 und im Juli 2021 an Todesfällen gegeben hat. Was sagen Sie denen? Herr Minister Lauterbach, Sie sagen, wir wären sehr, sehr gut vorbereitet. Ich glaube, nicht. Ich frage mich zum Beispiel, warum im dritten Pandemiesommer diese Bundesregierung nicht die Gelegenheit genutzt hat, die Schulen nicht nur verbal in ihrem Gesetzentwurf auf den Winter und Herbst vorzubereiten, sondern auch tatsächlich mit Luftfiltern und mit einer Strategie, mit der die versprochene Verhinderung von Schulschließungen und Fernunterricht wirklich umgesetzt werden kann. Das frage ich mich. Offensichtlich haben Sie sich lange nicht einigen können. Sie haben uns sehr kurzfristig umfangreiche Änderungen zu Ihrem eigenen Gesetzentwurf auf den Tisch gelegt. Und dann haben Sie auch noch auf die Lobby gehört. Das kann man doch niemandem erzählen, dass man in Nahverkehrszügen vielleicht, in Fernverkehrszügen ausnahmslos, aber in Flugzeugen keine Maske tragen muss! Und, Herr Lauterbach, Sie waren ganz ehrlich zu uns im Gesundheitsausschuss; das fand ich wirklich beeindruckend. Sie haben uns genau beschrieben, wie die Lobbyisten von der Lufthansa AG zu Ihnen in die Bundesregierung gekommen sind und gesagt haben: Das ist alles so schrecklich kompliziert, unser Personal ist belastet mit der Durchsetzung der Maskenpflicht, und vielleicht verzögern sich dadurch auch Flüge. Meinen Sie denn, im Fernverkehr ist das Personal nicht belastet mit der Durchsetzung der Maskenpflicht? Und die Leute in den Bussen und Bahnen, die eigentlich nur die Fahrkarten kontrollieren sollen: Sind die nicht belastet davon? Bald werden die nächsten Anforderungen kommen, und dann gehen die nächsten Lobbyisten bei Ihnen ein und aus. Was ist denn das für eine Bundesregierung? Was ist das für eine Bundesregierung, wo sich der Finanzminister von Porsche die E‑Fuels in den Koalitionsvertrag schreiben lässt, der Wirtschaftsminister sich die Gasumlage von den Energiekonzernen diktieren lässt und der Gesundheitsminister vor der Luftverkehrslobby einknickt und den Gesundheitsschutz opfert? Herr Lauterbach, das ist keine gute Vorbereitung, es ist nicht konsistent. Es ist auch nicht so, dass das Ganze nur verwirrend und unplausibel klingt, sondern es ist unplausibel! Und das wird es den Menschen wahnsinnig schwer machen. Wir haben Ihnen einen Zehnpunkteplan vorgelegt, mit guten Maßnahmen, die man langfristig planen und implementieren kann, beispielsweise mit Teststrategien, mit einer besseren Kommunikation übers Impfen. Das haben Sie alles ignoriert und liegen gelassen. Ich biete es Ihnen noch mal an. Wir werden uns bestimmt noch mal hier sehen zum Infektionsschutzgesetz, vor Ende des Jahres. Nehmen Sie unsere sehr guten Punkte auf, und kümmern Sie sich darum, dass die Menschen in diesem Land sicher sein können. Diesem Maßnahmenmurkspaket werden wir nicht zustimmen. Vielen Dank, Frau Kollegin Vogler. – Als nächste Rednerin hat das Wort die Kollegin Nezahat Baradari, SPD-Fraktion.
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Dr.
Dr. Jürgen Martens FDP
Jürgen
Martens
FDP
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hasskriminalität und Rechtsextremismus gehören in der Tat heute leider oft zusammen. Wir alle können nur friedlich zusammenleben, wenn jeder von uns sich sicher sein kann, dass ihm ein Mindestmaß an Respekt entgegengebracht wird. Leider fällt es Mitbürgerinnen und Mitbürgern zunehmend schwer, anderen diesen so zwingend notwendigen Respekt entgegenzubringen. Es wird die Verrohung in der Sprache beklagt. Aus ihr folgt Hass. Er schlägt um in Bedrohung, und hieraus wird dann, so müssen wir feststellen, immer häufiger Gewalt. Dieser Gewalt müssen wir entgegentreten, aber auch vorher schon den Mechanismen, die zu solcher Gewalt führen: der Bedrohung, der Beschimpfung, dem Schüren von Ängsten. Meine Damen und Herren, Hass fällt nicht vom Himmel. Man kann ihn erzeugen. Es heißt so schön: Nichts ist schneller erzeugt als Empörung. – Man kann Ängste schüren, man kann sie instrumentalisieren, man kann sie nutzbar machen für seine politischen Zwecke. Das Internet potenziert die Wirkung von Fake News, von Beschimpfungen, Verleumdungen und Bedrohungen. Dass dagegen der Gesetzgeber einschreitet, ist notwendig und angemessen; es ist geboten. Wir als Liberale sehen positiv die Vorschriften zur schärferen Ahndung von öffentlichen Beleidigungen und die Erweiterung des Kataloges von Straftaten, deren Androhung strafbar sein soll. Es ist auch nicht einzusehen, warum Telemedien nicht die gleiche Qualifikation erfahren wie Telekommunikation. Und – das ist leider notwendig –: Auch die Ausweitung des Schutzes von Kommunalpolitikern ist geboten, so leid einem das tun mag. Auch die FDP hat hierzu im Gesetzgebungsverfahren den Vorschlag eingebracht, das Melderechtsrahmengesetz des Bundes und die Meldegesetze der Länder entsprechend anzupassen, sodass Auskunftssperren auch für kommunalpolitisch tätige, ehrenamtlich tätige Mitbürger ausgesprochen werden können. Gleichwohl gibt es auch einige Punkte, über die man noch diskutieren muss. So möchte ich dem Eindruck entgegentreten, dass nur durch die ausdrückliche Benennung antisemitischer Motive in § 46 des Strafgesetzbuches eine besonders harte Verfolgung antisemitischer Straftaten erfolgen könne. Nein, diese Wertung ist längst getroffen, und die Gerichte treffen sie auch. Ich möchte hier noch mal betonen: Antisemitische Straftaten sind welche, die auf einem besonders niedrigen sittlichen Niveau stehen und deswegen zu Recht schon immer in besonderer Weise die Aufmerksamkeit der Strafverfolgungsbehörden nach sich gezogen haben, meine Damen und Herren. Problematisch sehen wir die Meldepflicht für Plattformbetreiber. Hier wird eine zusätzliche Komplikation eingebaut, die der Verfolgung solcher Taten nicht unbedingt dienlich ist, wenn nicht zugleich auch bei den Verfolgungsbehörden der Flaschenhals der personellen Kapazität vergrößert wird, meine Damen und Herren. Die Passwortherausgabe ist in der Tat ein sehr schwerer Eingriff in die Rechte von Nutzern von Plattformen. Vor allen Dingen sehen wir kritisch, dass sie jetzt generell anwendbar sein soll und nicht nur im Bereich der Hasskriminalität und des Rechtsextremismus. Aber eins ist wichtig – das hat Herr Lange in der Einbringungsrede hier klargemacht –: Wir müssen zeigen, dass wir es ernst meinen. Verbote auszusprechen, ist leicht. Sie durchzusetzen, ist das Schwierige. Und: Es gäbe nichts Schlimmeres, als wenn Bürger von einer Anzeige wegen Bedrohungen und Beleidigungen absähen aus der „Erwartung“ – in Anführungszeichen –, es käme am Ende eh nichts dabei heraus. Das wäre in diesem Fall ein schlimmes Versagen des Rechtsstaates. Nächste Rednerin ist die Kollegin Petra Pau, Die Linke.
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Rüdiger Kruse CDU/CSU
Rüdiger
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Ich danke unserem strengen, aber gerechten Präsidenten für das Wort und will mich an seine Maßgaben gerne halten. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als uns der Antrag der Grünen und der Antrag der FDP vorgelegt wurde, haben wir uns zunächst gefragt: Welcher AG sollen wir speziell den Grünenantrag zur Beantwortung geben? Denn darin sind nicht nur bildungspolitische Aspekte enthalten, auch Klimaschutz und Gendergerechtigkeit sind Themen. Man könnte natürlich sagen, die Grünen haben die Gelegenheit genutzt, jeder Arbeitsgruppe zu sagen: Schreibt mal auf, was ihr schon immer haben wolltet, und dann bringen wir das ein. Das könnte man machen. Aber fragen wir uns doch: Wie machen wir es selber? Und natürlich: Wenn die Regierung am 2. Juni ihr Programm präsentiert, dann wird das auch eine bunte Mischung sein, weil Corona alle Bereiche betroffen hat. Das gleichmachende auslösende Moment fordert uns auf, für alle Bereiche eine Antwort zu finden. Jetzt ist die spannende Frage: Finden wir eine Antwort, die jeweils nur in einem Bereich gültig ist, oder schaffen wir es, eine übergeordnete Struktur zu schaffen, ein größeres Ziel, auf das wir unser Handeln ausrichten können? Was mich bei den Debatten hier sehr gefreut hat, ist, dass unsere Zielvorstellungen ziemlich ähnlich sind. Wir wollen mit diesem Land, mit Europa einen Beitrag dazu leisten, dass dieses Land, diese Welt nachhaltiger werden. Wahrscheinlich hat die Union drei Kollegen ausgesucht, die hier reden sollen, die sich sehr gerne und mit Leidenschaft dem Thema Nachhaltigkeit widmen. Das, was Sie in Ihren Anträgen aufgeschrieben haben, lässt sich in den 17 Nachhaltigkeitszielen abbilden. Wir sind ja nicht die Einzigen, die sich darüber Gedanken machen. Meine Fraktion hat einen Brief von Prälat Jüsten bekommen; dieser Brief ist heute ganz frisch reingekommen. Sie können überlegen, warum wir diesen Brief bekommen haben; ich werde es Ihnen aber auch sagen. Prälat Jüsten schreibt uns unter anderem – ich zitiere –: Bitten möchte ich Sie dabei schon jetzt, sich als Mitglied des Deutschen Bundestages für die Festschreibung eines Treibgasreduktionszieles von mindestens 55, besser noch 60 Prozent einzusetzen. – Ich weiß nicht, ob das ein Hirtenbrief ist. Ich könnte auch sagen: Ich bin Protestant; gilt nicht für mich. – Aber dieser Brief zeigt, dass ein sehr breiter gesellschaftlicher Dialog dazu stattfindet. Der Brief kam als Reaktion auf das Positionspapier der CDU/CSU-Fraktion zum Green Deal. Jetzt kann man sich fragen: Wie sieht eine konservative Antwort auf die Ereignisse, auf die Krise aus? – In dieser Antwort spiegelt sich wieder, was „konservativ“ bedeutet: „Konservativ“ heißt, das Gute zu bewahren. Das schaffen wir, indem wir alles tun, um Strukturen, mit denen wir in diesem Land zufrieden sein konnten, um Strukturen, die in den letzten Jahrzehnten für unseren Wohlstand gesorgt haben, wiederherzustellen; und die Dinge, mit denen wir nicht zufrieden waren, die wir schon vor Corona verbessern wollten, die werden wir verbessern. – Das ist konservativ. Herr Krischer, Sie haben vorhin gesagt – das steht auch in Ihrem Antrag –, dass es neben Corona noch ein anderes Thema gibt: Klima. Damit haben Sie vollkommen recht. Das gilt aber auch für die aufgeregte Debatte des letzten Jahres; da gab es neben dem Klimathema auch noch andere Themen. Wir als Union haben diese Themen immer gesehen; wir waren deswegen eine Zeit lang nicht an der Frontstellung der Debatte, weil wir nicht die Aufgeregtesten waren. Das ist auch jetzt so. Auch wenn man aktuell manchmal den Eindruck hat, dass es kein anderes Thema als Corona gibt, gibt es natürlich auch andere Themen. Deswegen ist es wichtig, dass wir jetzt, wo wir auf einen Schlag so ungeheuer viel Mittel in die Hand nehmen, dafür sorgen, dass wir eben auch die Ziele, die wir seit Monaten, zum Teil seit Jahren verfolgen, erreichen. Als Haushaltspolitiker muss ich sagen, dass wir von dem, was Olaf Scholz immer als „Bazooka“ bezeichnet, nicht so viel im Schrank haben. Das bedeutet: Geld kann man nur einmal ausgeben. Wenn EU-weit 750 Milliarden Euro in den Raum gestellt werden und wir mit allen Garantien etc. über 1 Billion Euro in den Raum stellen, dann können wir das nur einmal machen. Das bedeutet, dass wir gefordert sind, diese Mittel treffsicher einzusetzen. Unsere Vorstellung ist – das können Sie an den Äußerungen der Bundeskanzlerin, aller Minister und unserer Fraktion sehen –, dass wir dabei die Nachhaltigkeitskriterien zugrunde legen. Ich habe vorhin gesagt, dass es hinsichtlich der Zielvorstellung eine große Gemeinsamkeit gibt. Es ist wichtig, dass man gemeinsame Zielstellungen für ein Land hat. Die Wege, die man einschlagen möchte, sind – das sieht man auch an diesen beiden Anträgen – aber unterschiedlich. Die FDP setzt wesentlich stärker auf Marktregulierung, und die Grünen setzen wesentlich stärker auf klare Direktiven. Das sind zwei unterschiedliche Modelle, die auch unterschiedliche Vorteile haben. Wir sagen als Partei der Mitte – man kann ganz klar sagen, dass wir auch bei diesem Thema in der Mitte liegen –: Wir wollen die bewährte Struktur der sozialen Marktwirtschaft nutzen, um eine nachhaltige Marktwirtschaft zu etablieren. Das ist unser Ziel. Wir wissen zum Beispiel, dass es nicht richtig ist, bei einer Einzelmaßnahme wie einer Unternehmensrettung – Hilfe für die Lufthansa – diesem einzelnen Unternehmen Vorschriften zu machen; denn Aufgabe des Staates ist es, den Wettbewerb insgesamt zu regulieren. Das heißt, wir müssen die umweltpolitischen, klimapolitischen und sozialpolitischen Vorstellungen für den gesamten Bereich vorgeben. Die Beispiele, die Sie vorgebracht haben, zeigen: Staatsinterventionismus in anderen Ländern hat in der Vergangenheit nicht dazu geführt, dass Firma und Land hinterher besser dastanden. Das heißt, mit dem Weg, die unternehmerische Freiheit zu stärken und gleichzeitig den ordnungspolitischen Rahmen zu setzen, liegen wir richtig. Diesen Weg wollen wir fortsetzen. Deswegen begrüße ich unsere Debatte hier sehr. Ich sage ganz klar: Wir müssen als Parlament wesentlich stärker Einfluss nehmen, damit in den Etats, die wir hier beschließen – den nächsten werden wir im November dieses Jahres verabschieden; auch sind immer wieder Nachtragshaushalte zu beschließen –, unser gemeinschaftliches Ziel einer Entwicklung in Richtung einer nachhaltigen Gesellschaft festgeschrieben wird. Das ist unsere Aufgabe. Die kann uns keiner nehmen, und die dürfen wir uns auch nicht nehmen lassen, auch nicht in Krisenzeiten. Ich bedanke mich bei allen dafür, dass wir hier so konstruktiv darüber nachdenken, mit welcher Konstruktion wir dafür Sorge tragen können, dass wir diese Unmenge an Mitteln, die wir jetzt einsetzen, so einsetzen, dass wir nicht nur die Folgen von Corona beseitigen, sondern auch die Zukunft stärken. Vielen Dank. Vielen Dank, Herr Kollege Kruse. Wirklich vorbildlich, Sie haben 30 Sekunden eingespart. – Sie haben getauscht; ich sehe es deutlich. – Nächster Redner ist für die AfD-Fraktion der Kollege Andreas Bleck.
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Dr.
Dr. Nina Scheer SPD
Nina
Scheer
SPD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zurück zur Sache: Es geht hier um viele Anträge, die heute gleichzeitig auf der Tagesordnung stehen. Ich möchte mich aber aus aktuellem Anlass auf die hier im Fokus stehenden internationalen Politikfelder konzentrieren, die gerade auch weltweit diskutiert werden. Ich möchte, so schwer es mir nach dieser Rede fällt, lieber Jürgen, auf einen Punkt eingehen, den du genannt hattest, und zwar die Frage, wie ambitioniert das nun vereinbarte Ziel von mindestens 55 Prozent ist. – Nein, eben gerade nicht 52 Prozent. Damit muss aufgeräumt werden. Für die Senken, die da eingerechnet sind, gilt quasi ein Stichtag. Man analysiert, wie viel Bindung an CO2 in den Wäldern stattfindet. – Lassen Sie mich doch mal ausführen. – Wie viel Senke ist da mit drin? Wir wissen, dass in den nächsten Jahren durch den Klimawandel ziemlich viel kaputtgehen wird von dieser CO2-Bindung. Das muss man natürlich kompensieren. Zusätzlich muss man die derzeitige und die in den nächsten Jahren stattfindende Bindung in den Wäldern dazurechnen. Das wird jetzt wahrscheinlich nicht auf Gefallen stoßen, aber de facto sind es 57 Prozent, und zwar genau mit der Rechnung, die hier auch von Ihnen angestellt wird; es sind de facto 57 Prozent – mindestens. Wir sind vom Ziel 60 Prozent also nicht mehr ganz so weit entfernt. Natürlich wären 60 Prozent toll gewesen. Aber mindestens 57 Prozent erreicht zu haben, ist ein richtiger und wichtiger Schritt. – Ja, so ist nun mal zu interpretieren. Wer das leugnet und die erreichte Zahl mit 52 Prozent beziffert, der macht die EU schlechter, als sie ist, und das ist einfach nicht richtig. Als nächsten Punkt möchte ich ansprechen, dass wir nicht immer nur auf die Ziele schauen sollten. Wir haben jetzt einen weiteren Meilenstein gesetzt. Jetzt muss man aber schleunigst auf die Ebene zurückkommen, dass auch tatsächlich umgesetzt wird. Wir erleben es aber leider landauf, landab, dass wir immer mit der Umsetzung hinterherhängen. Wir dürfen uns nicht länger was vormachen. Auch solche Fantastereien wie ein neuer Emissionshandel – noch mal hier was und noch mal da was – bringen nichts, wenn wir nicht zu einem beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien kommen. Das muss endlich geschehen, das muss nach oben gesetzt werden. Mehr Ausbau ist dringend erforderlich. Ehrlicherweise muss natürlich dazugesagt werden, dass bei all diesen Dingen, die jetzt im Zusammenhang mit der internationalen Energiewende bzw. Klimaschutzpartnerschaft in Rede stehen, auch die Atomenergie drin ist. Das muss uns bewusst sein. Das heißt, dass wir verstärkt auf die Investitionspolitik achten müssen. Investitionspolitik darf eben nicht heißen, dass in Atomenergie investiert wird, sondern es muss in erneuerbare Energien investiert werden, weil es eine Sackgasse ist, in Atomenergie zu investieren. Das muss ganz deutlich auch mit deutscher Stimme in Europa klargezogen werden; sonst rennen wir sehenden Auges in Probleme mit dieser Technologie. Denn zum Beispiel bei zunehmenden Dürren müssen die Atomkraftwerke abgeschaltet werden. Was ist denn dann mit der Atomenergie? Wir werden ein Sicherheitsproblem kriegen, noch obendrauf, zusätzlich zu den bereits bestehenden Risiken der Atomenergie. Es ist auch eine Mär, dass mit kleinen Atomkraftwerken eine neue Generation geschaffen würde; das ist einfach gelogen. Die sind zusätzlich zu den Risiken auch noch unwirtschaftlich. Überall, wo sie zum Einsatz kommen sollen, sieht man an der Konzeption, dass da zusammengefasste Projekte entstehen, dass das also doch wieder große Kraftwerke sind. Sie sind ein Sicherheitsrisiko. Sie sind keine Option. Sie führen uns nicht zu Klimaschutz. Es hat sich immer bewährt, in die Dezentralität zu vertrauen und zu investieren. Genau da muss angesetzt werden. Jeder muss dort ansetzen. Für die Internationalität, um einen letzten Punkt zu setzen, bedeutet das – das ist eine Bitte an die Grünen –, dass es uns nicht nur um die Partnerschaft zwischen den USA und Europa gehen darf, sondern es muss natürlich Russland dazukommen; es müssen all die Staaten hinzukommen, die einen Nachholbedarf haben, weil durch ein Verharren in fossilen und atomaren Energiegemengelagen ein massives Sicherheitsproblem entsteht. Das müssen wir aufgreifen. Das muss in die Umsetzung hinein. – Ich bin lange über die Zeit. Vielen Dank. Vielen Dank, Kollegin Scheer. – Das Wort geht an Dr. Lukas Köhler für die FDP-Fraktion.
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Susanne Ferschl DIE LINKE
Susanne
Ferschl
DIE LINKE
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Auf Antrag meiner Fraktion diskutieren wir heute erneut über den zu niedrigen Mindestlohn. Und ja, ich kenne Ihre Leier: Löhne werden von den Sozialpartnern festgelegt und nicht von der Politik. Aber an eines will ich Sie mal erinnern: Dass Menschen von ihrer Hände Arbeit nicht mehr leben können, ist die Folge politischer Entscheidungen in diesem Haus. Niedriglöhne sind schließlich nicht vom Himmel gefallen. Die Deregulierung des Arbeitsmarktes hat die Beschäftigten und ihre Gewerkschaften geschwächt. Hartz IV hat sie diszipliniert, und so konnten sie der Tarifflucht der Arbeitgeber kaum etwas entgegensetzen. Deswegen ist die Tarifbindung im freien Fall, und deswegen ist eine gesetzliche Lohnuntergrenze überhaupt erst notwendig geworden. Und um eines klarzustellen: Solange in diesem Parlament diese Entscheidungen nicht korrigiert werden, werden wir uns nicht davon abhalten lassen, den zu niedrigen Mindestlohn immer und immer wieder zu problematisieren. Mittlerweile haben sich die Wohlfahrtsverbände, der DGB, die Grünen und auch die SPD unserer Forderung nach 12 Euro Mindestlohn angeschlossen. Die Minister Heil und Scholz stellen ihn jetzt für 2022 in Aussicht. In Aussicht stellen ist als Teil der Regierung allerdings zu wenig. Bevor Sie sich jetzt wieder aufregen: Ich weiß, das Problem der SPD in dieser Regierung heißt Union. – Da waren einige mehr damit beschäftigt, sich Hunderttausende Euros in die eigene Tasche zu schaufeln, anstatt den Beschäftigten armutsfeste Löhne zu garantieren. Lächerliche 10 Cent Mindestlohnerhöhung haben die Kolleginnen und Kollegen bekommen. Wenn es nach einigen in der Union gegangen wäre, dann hätte es sogar eine Reduzierung gegeben. Wie verkommen muss ein Wertekompass da sein! Und als wäre das nicht schon beschämend genug, akzeptiert die Bundesregierung auch noch, dass die Menschen um den mickrigen Mindestlohn von 9,60 Euro geprellt werden. 2,4 Millionen Beschäftigte waren zuletzt Opfer von Mindestlohnbetrug. Dass Sie dieser kriminellen Energie einiger Arbeitgeber seit Jahren keinen Riegel vorschieben, ist keine Fahrlässigkeit, das grenzt mittlerweile an Vorsatz, und damit muss Schluss sein. Ein Mindestlohn von 12 Euro stützt Wirtschaft und Konjunktur und kommt überwiegend Frauen in den systemrelevanten Berufen zugute. Und er mildert die gravierenden Lohnunterschiede zwischen Ost und West ab. Sie können doch keinem mehr erzählen, dass über 30 Jahre nach der Wiedervereinigung die Kolleginnen und Kollegen in Ostdeutschland pro Jahr über 7 000 Euro weniger an Gehalt haben als ihre westdeutschen Kolleginnen und Kollegen. Deswegen: Stimmen Sie unseren Anträgen zu! Es ist Zeit für einen Mindestlohn von 12 Euro. Vielen Dank. Vielen Dank, Frau Kollegin Ferschl. – Nächster Redner ist der Kollege Peter Weiß, CDU/CSU-Fraktion.
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Sevim Dağdelen DIE LINKE
Sevim
Dağdelen
DIE LINKE
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Keine 24 Stunden im Amt, legt uns die neue schwarz-rote Bundesregierung ein halbes Dutzend Anträge zu Bundeswehreinsätzen im Ausland vor. Während die Schlangen an den Tafeln in unserem Land immer länger werden, wollen Sie in den nächsten sechs Monaten sage und schreibe 69,5 Millionen Euro allein für eines dieser vielen kostspieligen, hochgefährlichen militärischen Abenteuer ausgeben – und das, obwohl sich die Bundeswehr seit Wochen über Personalknappheit und Überlastung beschwert. Ich finde, das ist eine falsche Prioritätensetzung dieser Bundesregierung. Mit dem neuen Mandat will die Bundesregierung bis zu 800 Soldaten entsenden, um künftig nicht nur kurdische, sondern auch irakische Soldaten auszubilden. Dabei ist es noch nicht einmal ein halbes Jahr her, dass beide Seiten gegeneinander Krieg geführt haben. Ich finde, dieses Programm Ihrer Außenpolitik, das Sie hier vorführen, ist wirklich nicht nur sicherheitspolitischer Wahnsinn, sondern vollständig grotesk. Offenbar ist Ihnen alles recht, solange man beide Konfliktparteien in einem Konflikt ausbildet und auch ausrüstet, was man jetzt gerade ja auch in Afrin sieht. Ich finde es wirklich eine zynische Außenpolitik, dass Deutschland mittendrin in einem innerirakischen Konflikt ist. Als völkerrechtliche Legitimation geben Sie an, dass die Bundeswehr auf Anfrage der irakischen Regierung entsendet wird. Das stimmt; das ist richtig. Die Frage ist allerdings, ob die Entsendung der Bundeswehr ohne ein Mandat der Vereinten Nationen, allein auf Grundlage einer bilateralen Vereinbarung, mit unserem Grundgesetz vereinbar ist. Im Grundgesetz steht davon jedenfalls nichts. Deshalb ist dieser Einsatz der Bundeswehr auch ein massiver Verstoß gegen unser Grundgesetz. Erklärtes Ziel Ihrer Bemühungen – das sagen Sie in Ihrem Mandat, und die zwei Minister haben das jetzt auch gesagt – ist die Bekämpfung des „Islamischen Staates“. Das klingt zumindest erst einmal ehrenvoll, muss man sagen, es ist aber schlicht verlogen; denn zeitgleich steht die Bundesregierung an der Seite des NATO-Mitglieds Türkei, das jetzt mit deutschen Panzern an der Seite islamistischer Mörderbanden diejenigen in Syrien niederwalzt und beschießt, die seit Jahren entschieden gegen den „Islamischen Staat“ kämpfen. Türkische Truppen und mit ihnen angreifende islamistische Mörderbanden, die dem IS wirklich in nichts nachstehen, drohen in der Stadt Afrin im Norden Syriens ein furchtbares Massaker anzurichten. Viele Opfer – auch Frauen und Kinder –, die Bedrohung von Jesiden in den Dörfern durch islamistische Terrorbanden: All diese Nachrichten und Hilferufe erreichen uns seit Wochen. Und was macht die Bundesregierung? Sie schweigen dazu. Aber Sie schweigen nicht nur; Sie sind auch nicht tatenlos. Das haben ja die Berichte von heute gezeigt. Seit Beginn des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs der Türkei haben Sie Waffenexporte an die Türkei in Höhe von 4,4 Millionen Euro genehmigt. Ich finde, das ist für die deutsche Außenpolitik eine Schande in einem historischen Ausmaß. Schämen Sie sich eigentlich nicht dafür, dass Sie sich hierhinstellen und sagen, Sie möchten gegen den IS kämpfen, während Sie gleichzeitig an der Seite der Türkei stehen und damit den IS stärken und die Anti-IS-Kräfte in der Region schwächen? Hören Sie auf mit Ihrer Heuchelei, und schauen Sie sich die Bilder an, auf denen zu sehen ist, wie Ihr NATO-Verbündeter mit Terrorbanden Leichen von gefallenen kurdischen Anti-IS-Kämpferinnen verstümmelt! Dass Sie das hier seit Wochen beschweigen, ist eine große Schande. Gestern noch haben Sie als Kabinettsmitglieder geschworen, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden. Ich frage Sie wirklich: Meinen Sie, Sie wenden Schaden vom deutschen Volk ab, indem Sie fest an der Seite der Türkei stehen, die Sie selbst als zentrale Aktionsplattform für den islamistischen Terrorismus in der Region definiert haben? Glauben Sie, dieser Terror wird Deutschland nicht irgendwann erreichen? Ich finde, Ihre Außenpolitik züchtet islamistische Monster heran, die dann auch die Menschen in unserem Land und in Europa gefährden. Eine verantwortungsbewusste Außenpolitik sieht ganz anders aus. Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Omid Nouripour, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
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Falko Mohrs SPD
Falko
Mohrs
SPD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen von der AfD, ich würde fast sagen: Die Wiederholung ist die Mutter der Pädagogik. Ich wiederhole jetzt einige Dinge aus meiner Rede eben für Sie, weil Sie in den letzten Minuten, aber auch Wochen offensichtlich irgendwie sehr tief geschlafen haben. Um es auch für Sie noch mal sehr deutlich zu machen: Es geht nicht darum, dass irgendwer hier Amtseide bricht oder das Wohl des deutschen Volkes ignorieren würde. Es geht darum, dass wir an der Seite von Demokratinnen und Demokraten stehen, dass wir an der Seite eines Landes stehen, das überfallen wurde, weil Russland, weil Putin wieder Grenzen in Europa verschiebt. Wir sagen in aller Deutlichkeit: Das ist für uns nicht akzeptabel. – Das ist der Grund, warum wir diese Debatte führen, und nicht, weil irgendwelche Hirngespinste, die Sie sich überlegen, Realität sind. Es geht darum: Es gibt Sanktionen, und wir mussten uns in aller Deutlichkeit von russischen Energieimporten unabhängig machen. Wir haben nie verschleiert, auch wenn Sie das hier behaupten, dass in der Folge natürlich entsprechende Preise zu zahlen sind. Genau deswegen nehmen wir unsere Verantwortung sehr ernst und sagen: Es gibt eine Bremse für den Preis auf Strom, und es gibt eine Bremse für den Preis auf Gas. Uns ist doch klar, dass wir nicht versuchen dürfen, diese Situation im Reparaturbetrieb zu bewältigen. Vielmehr müssen wir an die Wurzel der Herausforderung für viele Millionen Haushalte und Unternehmen in diesem Land ran. Es geht um die Bezahlbarkeit von Energie. Deswegen ist das, was heute vorgelegt wurde, 200 Milliarden Euro über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds bereitzustellen, ein wichtiger Baustein, damit wir gut durch diese Krise kommen. Das ist der Doppel-Wumms, der heute angesprochen wurde, weil wir es so schaffen, sowohl den Unternehmen als auch den Haushalten Planungssicherheit zu geben. Das ist die Grundlage dafür, dass wir gut durch diesen Winter kommen. Es wird aber so sein, dass wir trotz dieser Preisbremse nicht alle Herausforderungen werden bewältigen und nicht alle Preissteigerungen werden auffangen können. Deswegen wird es für Unternehmen auch Wirtschaftshilfen geben; so sollen die Kostensteigerungen, die in direktem Zusammenhang mit den Folgen des Krieges und den Sanktionen stehen, gedämpft werden. Das werden wir so gestalten, dass es keine Mitnahmeeffekte gibt und zielgenau die Unternehmen unterstützt werden, die Arbeitsplätze gesichert werden, die in Gefahr sind. Wenn Sie hier SKW Piesteritz ansprechen, dann muss man sagen: Sie haben Ihre Hausaufgaben ganz offensichtlich nicht gemacht. Denn die Bundesregierung hat hier beispielsweise über ihren Beauftragten für Ostdeutschland, Carsten Schneider, und über das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz von Anfang an Gespräche mit der Geschäftsführung aufgenommen, um passgenau zu schauen, wie wichtige Lieferketten aufrechterhalten werden können. Deswegen: Wenn Sie es wüssten, hätten Sie das sagen können; wenn Sie es nicht wissen, lernen Sie vielleicht hinzu. Es steht ja auch die Wiederaufnahme der Produktion in Piesteritz an; denn allen Beteiligten ist klar: Über zielgenaue Hilfen sichern wir die Lieferketten in Piesteritz; wir sichern 850 Arbeitsplätze. Das genau ist die Priorität, die wir hier verfolgen. Meine Damen und Herren, ich sage es in aller Deutlichkeit: Wir lassen nicht zu, dass Putin mit Energie und Preisen als Waffe eine Verunsicherung, Spaltung und Destabilisierung unseres Landes, unserer Gesellschaft herbeiführt und damit den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährdet. Wir lassen es nicht zu, dass sich manche im Inland zu Stichwortgebern machen lassen. Wir als Regierung sind entschlossen und standhaft. Wir werden unser Land, die Unternehmen und die Menschen hier schützen. Das ist unser Auftrag, und dafür nehmen wir genau die richtigen Instrumente in die Hand. Vielen herzlichen Dank. Hansjörg Durz ist der nächste Redner für die CDU/CSU-Fraktion.
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Alexander Graf Lambsdorff FDP
Alexander
Graf Lambsdorff
FDP
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Was waren das für schreckliche Bilder! Verschwörungsfanatiker, Neonazis, Demokratiefeinde, Wissenschaftsleugner, Rassisten erstürmen das Parlament. Fahnen rechtsextremer Organisationen waren zu sehen, auch viele Abzeichen und Symbole verfassungsfeindlicher Gruppierungen. Die Polizei in der Hauptstadt war kaum darauf vorbereitet und tat ihr Bestes, den Ansturm zurückzuschlagen. Und im Parlament? Einige Abgeordnete mischten sich unter die Gewalttäter, nahmen sogar an der Demonstration teil, von der die Gewalt ausging, Gewalt, die darauf abzielte, die Freiheit, die Verfassung und die Demokratie zu untergraben, ja, zu zerstören. Schreckliche Bilder, in der Tat! Meine Damen und Herren, ich rede über den 29. August 2020 hier in Berlin. Ich rede über den – dank unserer Polizei – glücklicherweise gescheiterten Versuch, in den Bundestag einzudringen. Ich rede über die Demokratiefeinde in diesem Parlament. Es wäre nämlich ganz falsch, wenn wir uns von den Bildern in Washington abwenden und glauben würden, sie beträfen uns nicht auch, und zwar ganz direkt. Keine Partei ist den QAnon-Lügen, den Hawleys, Gosars und Cruzes näher als die AfD. Paradoxerweise ist zugleich keine Partei so antiamerikanisch wie unsere Rechtsextremen hier und bewundert, wie Donald Trump auch, nicht etwa naiver-, sondern gefährlicherweise die Autokraten der Welt, ganz gleich, ob Sie sie nun in Moskau oder Damaskus finden. Vielleicht will Herr Chrupalla demnächst einmal nach Minsk; da kann er noch etwas lernen. Meine Damen und Herren, was am 29. August 2020 hier geschah, war von der Anlage her das Gleiche wie der Sturm auf das Kapitol in Washington am 6. Januar. Ich weiß, der eine oder andere mag sagen: Solche Vergleiche sind schwierig. – Ich sage: Ein Vergleich ist keine Gleichsetzung, aber die Parallelen liegen auf der Hand. Eine große Gruppe von Menschen, die jahrelang von Freiheitsfeinden, Antidemokraten und ihren publizistischen Büchsenspannern mit Lügen in die Irre geführt wurden, schreitet unter Führung zynischer Rädelsführer und gewaltbereiter Gruppen zur Tat, zum versuchten und teilweise vollendeten Verbrechen gegen Freiheit, Rechtsstaat und Demokratie. Die Ereignisse von Berlin wie von Washington waren das Ergebnis eines jahrelangen Angriffs auf die Wahrheit, eines Angriffs auf Fakten und Vernunft, auf Wissenschaft und Logik. Schon Hannah Arendt hat das beschrieben: Die Zerstörung des Wissens um das, was richtig ist, was Fakten sind, schafft die Voraussetzung für totalitäre Regime. Der Historiker Timothy Snyder hat das letztes Wochenende in der „New York Times“ nachgezeichnet: Durch jahrelange kleine und größere Lügen hat Donald Trump es geschafft, dass seine Anhänger ihm auch seine ganz großen Lügen abgenommen haben. Seine Gegnerin von vor vier Jahren, Hillary Clinton, verleumdete er als Rechtsbrecherin. „Lock her up!“ „Sperrt sie ein“, war der Slogan auf seinen Wahlkampfveranstaltungen. Und es gibt eine direkte Linie von „Lock her up“ zu „Stop the steal“. Auftritt für Auftritt, Lüge für Lüge, Tweet für Tweet behauptete er, die Präsidentschaftswahl gar nicht verloren zu haben, nein, Joe Biden habe die Wahl gestohlen. All das war keineswegs spontan. Das war nicht naiv; das ist kein Zufall. Donald Trump folgte einem Drehbuch, dem Drehbuch der Autokraten Orban, Kaczynski, Putin oder Erdogan. Trump erklärte demokratische Wettbewerber zu Feinden des Volkes, hetzte gegen Minderheiten im eigenen Land, fabulierte von einer ständigen Bedrohung aus dem Ausland, besonders durch Zuwanderer, konstruierte angeblich globalistische Eliten und korrupte Medien, die dem Volk die Wahrheit verschweigen. Dann stilisierten er und seine publizistischen Alliierten bei „Fox News“ sich zu den Einzigen, die noch die Wahrheit sagen und das Volk beschützen könnten. Das ist zwar alles vollkommen falsch, aber wer sich die Publizistik der Neuen Rechten in Deutschland anschaut, sieht die Parallelen sofort. Es ist die Philosophie eines antidemokratischen Rechtspopulismus. Es ist die Philosophie des völkischen Autoritarismus. Es ist die Wurzel der Diktatur, und wir müssen diese Wurzel ausreißen, denn sie führt zu Gewalt, Leid und Tot. Meine Damen und Herren, mein persönlicher Held der letzten Wochen ist der republikanische Wahlleiter des Bundesstaates Georgia, Gabriel Sterling, der immer wieder darauf hinwies, dass Worte Konsequenzen haben, dass das Verhalten und die Lügen von Trump und seinen Anhängern dazu führen, dass geschossen werden wird, dass Menschen sterben werden. Aus Worten werden Taten. – Er sollte recht behalten. Aber glücklicherweise hatte er auch in einer anderen Hinsicht recht. Die demokratischen Institutionen der Vereinigten Staaten von Amerika waren stärker als ihre Feinde. Gerade in Georgia wurde das klar. Ein Staat mit einem republikanischen Gouverneur, einem republikanischen Innenminister, einem republikanischen Wahlleiter führte die Wahl seiner beiden Senatoren rechtsstaatlich, demokratisch und korrekt durch. Das Ergebnis kann jeden Freund und Kenner des amerikanischen Südens nur überraschen. Zum ersten Mal wurden ein jüdischer und ein schwarzer Politiker von den Bürgerinnen und Bürgern des Peach State als Senatoren ins Kapitol nach Washington entsandt. Ich habe lange in den USA gelebt und da studiert und gearbeitet. Damit hätte ich wirklich nicht mehr gerechnet. Aber schon vorher, in den Wochen und Monaten davor, haben sich die Wahlbehörden im ganzen Land genau wie Gerichte den antidemokratischen Umtrieben der Trump-Anhänger entgegengestellt. Richterinnen und Richter, nicht wenige von Präsident Trump selbst ernannt, haben alle Versuche zurückgewiesen, korrekt ermittelte Wahlergebnisse gerichtlich wieder zu kassieren. Auch der amerikanische Kongress hat nach Unterbrechung durch die Aktivisten, durch die Eindringlinge seine Aufgaben verfassungsgemäß erfüllt und festgestellt: Joe Biden wird der 46. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Herr Graf Lambsdorff, Sie denken bitte an die Redezeit. Jawohl. Ich komme zum Schluss. – Meine Damen und Herren, nutzen wir die Chance, die die Wahl von Joe Biden und Kamala Harris bietet! Setzen wir uns für die Erneuerung der transatlantischen Partnerschaft ein! Kämpfen wir gemeinsam den Kampf gegen die Feinde von Frieden, Freiheit und Demokratie! Lassen Sie uns in Deutschland, Europa und den USA daran arbeiten, einander gute Freunde wo möglich, faire Konkurrenten wo nötig, vor allem aber verlässliche Verbündete für die Freiheit zu sein. Herzlichen Dank. Vielen Dank, Alexander Graf Lambsdorff. – Nächste Rednerin: für die Fraktion Die Linke Petra Pau.
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Pia Zimmermann DIE LINKE
Pia
Zimmermann
DIE LINKE
Vielen Dank für die Nachfrage. – Zum ersten Punkt kann ich sagen, dass unsere Anträge dazu bereits vorliegen; das hätte man nachlesen können. Natürlich, Frau Schulz-Asche, ist es auch unsere Forderung – darüber haben wir gesprochen –, den Pflegevorsorgefonds aufzulösen, um Sofortmaßnahmen ergreifen zu können. Ich habe auch zur Kenntnis genommen, dass eine solidarische Pflegeversicherung für Sie diskutabel ist. Aber wir haben zwei unterschiedliche Anträge, und wir haben unterschiedliche Ansätze. Das heißt, es steht zwar das Gleiche drauf, es ist aber nicht das Gleiche drin. Darüber muss man natürlich trefflich streiten. Aber ich will auch eines sagen – die Kolleginnen und Kollegen von der SPD sind auch angesprochen worden –: Wir hätten es doch in der letzten Legislatur durchsetzen können. Mit Grünen, SPD und Linken hätten wir die solidarische Pflegeversicherung – wenigstens die! – durchsetzen können. Aber das war ja nicht zu machen. Jetzt rudern die Kolleginnen und Kollegen von der SPD schon wieder zurück, weil man nicht ganz genau weiß, ob man vielleicht noch in die Regierungsverantwortung kommt. Was ich überhaupt nicht leiden kann, ist, in Wahlkämpfen immer einen sozialpolitischen Bauchladen vor sich herzutragen, und wenn man dann in der Regierung ist, wird er fein säuberlich eingepackt, und dann spielt das keine Rolle mehr. So kommen wir nicht zu einer auskömmlichen Finanzierung in der Pflege. Das funktioniert so nicht. Ich erteile als nächstem Redner das Wort dem Kollegen Erich Irlstorfer von der CDU/CSU-Fraktion.
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Hagen Reinhold FDP
Hagen
Reinhold
FDP
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Erste, was mir einfiel, als ich mir die Anträge durchgelesen habe, war: Etikettenschwindel. Da wir von den im Gleichklang rechts Marschierenden hier drüben nichts anderes gewohnt sind, hat es mich jetzt gar nicht gewundert, dass sie staatliche Kundenumerziehungsmaßnahmen organisieren wollen. Sie sind die Ersten, die aufschreien, wenn es um Planwirtschaft und Sozialismus geht. Wenn man sich den Antrag mal anschaut und guckt, wie Sie staatlich verordnet Innenstädte organisieren wollen, dann wird einem schon schlecht; denn mehr Planwirtschaft geht eigentlich gar nicht. Dann lese ich weiter und finde was über Sauberkeit und innere Ordnung. Da habe ich eigentlich nur noch darauf gewartet, dass ein Fahnengebot für Häuser in der Einkaufszone kommt. Das hätte das Ganze perfekt gemacht. Ich war entsetzt, ehrlich gesagt. Und dass jetzt Händler langfristig angesiedelt sein müssen, damit sie überhaupt in den Genuss der Förderprogramme kommen: Na ja, egal. Aber wie oldschool die AfD ist, zeigt sich eigentlich an einem anderen Punkt. Nun habe ich überhaupt nichts gegen Bibliotheken. Aber Einkaufszentren ersetzen wir jetzt durch Bibliotheken? Ich bin mir nicht sicher, wie lange Bibliotheken in der jetzigen Struktur noch bestehen werden; aber ob das das Konzept der Zukunft ist, das wage ich zu bezweifeln. Gleiches ist mir aber, ehrlich gesagt, auch bei den Grünen aufgefallen. Sie sind die Ersten, die schreien: Wenn „gesund“ oder „Kirsche“ draufsteht, dann muss auch gesund oder Kirsche drin sein. – Das kann ich nachvollziehen. Aber wer in seinen Antrag schreibt, dass für kleinere und mittlere Unternehmen der § 313 BGB geändert werden soll, der muss auch die ganze Wahrheit sagen und darf nicht Etikettenschwindel betreiben. Das gilt dann natürlich auch für die großen Filialisten und für all diejenigen, die im März/April ratzfatz ihre Mieten gesenkt haben. Das gilt dann nicht nur für kleine und mittlere Unternehmen; in einem Rechtsstaat – es sei denn, Sie wollen ihn umgestalten; dann müssen Sie das mal ehrlich sagen – gilt das Recht immer noch für alle. Ich glaube, § 313 BGB ist extra so global gestaltet, damit er eine Vielfältigkeit abbilden kann. Ihr Vorschlag würde kein Problem lösen. Selbst wenn Sie festschreiben: „Corona ist eine außergewöhnliche Situation; es muss reagiert werden“, wer sagt denn dann, wie viel Prozent der Miete demnächst erlassen werden können? Das ist doch viel zu individuell. Entweder gehen Vermieter und Mieter aufeinander zu und einigen sich, wie es deutschlandweit tausendfach in der Coronakrise schon geschehen ist und auch aktuell geschieht, oder sie landen vor Gericht, weil sie sich nicht einigen können, wie hoch die Miete überhaupt ist. Den Gang vor Gericht ersparen Sie dadurch keinem. Schnellere Justizprozesse, das wäre das Richtige. Eine Justiz, die viel zu ausgedünnt ist, kann Rechtsstaatlichkeit nicht umsetzen. Das sollten wir jetzt angehen, mehr aber nicht. Wenn wir etwas für den Handel in den Innenstädten tun wollen, könnten wir im Bereich der Baunutzungsverordnung so einiges machen. Solange wir Städte segmentiert in Wohnen, Arbeiten, Industrie und Handel aufteilen, ist keine Stadt der Zukunft in Sicht, sondern eine Stadt der Vergangenheit. Wenn Innenstädte belebt sein sollen, wenn Arbeit zurück in die Städte kommen soll, brauchen wir eine Änderung. Das ist doch logisch. Auch bei den Quadratmeterzahlen können wir etwas machen; denn die Aufteilung in Groß- und Einzelhandel funktioniert überhaupt nicht mehr; dazwischen liegen so viele Schritte. Die Baunutzungsverordnung kann angepackt werden. Los geht’s! Da ist eine ganze Menge Luft nach oben. Wenn wir alles – Gewerbe, Arbeiten, Wohnen – zurück in die Stadt holen wollen, müssen wir sehen, dass die TA Lärm das behindert. Eine Experimentierklausel wäre hilfreich. Sie könnte uns helfen, die Innenstädte zu beleben. Digitalisieren Sie die Innenstädte. Tun Sie was, damit wir Waffengleichheit zwischen Online- und Offlinehandel haben. Wenn Sie digitalisieren, dann werden die Leute, die durch die Städte laufen, über Apps auf Geschäfte und Angebote aufmerksam gemacht und können beim Gang durch die Innenstadt bestellen. So retten Sie den Handel vor Ort, wenn Sie das wirklich wollen. Waffengleichheit zwischen Online- und Offlinehandel, das ist das Gebot der Stunde. Setzen Sie die Umsatzsteuer überall im Internet durch. Erste Schritte wurden gemacht; das reicht aber noch nicht. Nur so sichern wir den Handel in Deutschland in Zukunft. Es gibt noch eine ganze Menge, was wir selber machen können. Das wäre richtig. Solange die B-Pläne in Deutschland acht Jahre brauchen, nutzt das schönste Gesetz, das im Bundestag beschlossen wird, nichts, weil sich der Handel vor Ort dann gar nicht so schnell ändern kann. Kollege Reinhold, auch wenn Sie schon vermeiden, Luft zu holen, müssen Sie jetzt trotzdem Schluss machen. Das wollte ich gerade. – Ich wollte noch allen einen schönen Nachmittag wünschen. Das mache ich jetzt trotzdem, in der gegebenen Ruhe: Ich wünsche allen einen schönen Nachmittag und danke für die Redezeit. Manchmal macht man sich hier vorne auch Sorgen. Das Wort hat der Kollege Bernhard Daldrup für die SPD-Fraktion.
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Peggy Schierenbeck SPD
Peggy
Schierenbeck
SPD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Innenministerin Faeser! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich werde Sie jetzt überraschen: Ich stimme mit der CDU/CSU überein. Die Union hält in ihrem Antrag den Rechtsextremismus derzeit für die größte Gefahr für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung. Und nicht nur ich stimme an dieser Stelle mit der Union überein, sondern die gesamten Fraktionen der SPD, der Grünen und der FDP. Das können Sie sogar nachlesen: Koalitionsvertrag, Seite 107, Zeile 3 587. Ich zitiere: „Rechtsextremismus ist derzeit die größte Bedrohung unserer Demokratie.“ Die Zahlen zeigen eindeutig, dass die Fälle von rechtsmotivierter Kriminalität sehr hoch sind, höher als die durch linke, durch religiöse oder durch ausländische Ideologien motivierten Straftaten. Die Zahlen zeigen auch, wie dringend es ist, gegen den Rechtsextremismus wirksam vorzugehen. Wenn die Zahl der von rechtem Gedankengut geprägten Straftaten doppelt so hoch ist wie die der von linkem geprägten, dann muss uns das doch allen zeigen, dass wir zuerst dagegen vorgehen müssen, dass wir uns erst damit beschäftigen müssen, dem Hass, der Hetze und der Gewalt von rechts Einhalt zu gebieten. Verstehen Sie mich richtig: Jede Straftat ist eine zu viel, jede Gewaltanwendung ist eine zu viel, jede Gewaltanwendung ist zu verurteilen. Denn wir haben auch schon linksextreme Ausschreitungen gesehen, Bilder von vermummten Menschen, die Autos anzünden, um Systemkritik auszudrücken. Das Anzünden eines Autos ist aber keine Systemkritik. Das ist erst mal Sachbeschädigung. Sachbeschädigung ist übrigens auch das Feld, in dem von links motivierte Täter/-innen sich am häufigsten betätigen. Damit möchte ich zum nächsten Punkt kommen. Sachbeschädigung ist die Beschädigung einer Sache. Es wird etwas beschmiert, kaputtgemacht, angezündet. Das wird mit aller Konsequenz strafrechtlich verfolgt. Dennoch können wir diese Dinge reparieren. Was wir nicht reparieren können, das sind die Angriffe auf die Seele, seien es fremdenfeindliche, antisemitische, islamfeindliche oder volksverhetzende Äußerungen, Äußerungen gegen die sexuelle Orientierung oder Identität. All diese Äußerungen hinterlassen Spuren in den Lebensbiografien von Menschen. Das sind Verletzungen und Wunden, die nicht sichtbar sind und die die Geschädigten oft ihr ganzes Leben lang mit sich tragen werden. Solche Äußerungen kommen in der Masse von rechts. Deswegen lohnt es sich, zu sagen, dass Rechtsextremismus nicht nur unsere Demokratie bedroht, sondern uns Demokratinnen und Demokraten bereits angreift. Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus oder Volksverhetzung sind häufig nicht so gut zu erkennen wie zum Beispiel ein brennendes Auto. Und genau deshalb, weil diese Angriffe auf die Demokratie so schwer zu erkennen sind, sollten wir mit aller Macht daran arbeiten, sie als erste zu verhindern. Wir müssen mit aller Kraft den Aktionsplan gegen Rechtsextremismus umsetzen. Wir dürfen die Opfer von Rechtsextremisten und Rechtsextremistinnen nicht alleinlassen, und wir müssen Mandatsträger/-innen vor Angriffen schützen. Wir müssen eine demokratische Streitkultur fördern, die politische Bildung stärken und die Medienkompetenz steigern. Wir müssen die Hetze im Internet bekämpfen, Verschwörungsideologien entkräften und so der Radikalisierung vorbeugen. Wir müssen Rechtsextremistinnen und Rechtsextremisten entwaffnen und rechtsextreme Netzwerke zerschlagen. Wir müssen mit Sachverstand darangehen, Extremismus in jeder Form zu bekämpfen. Gefühle sind ein schlechter Berater, wenn es um nichts weniger geht als um unsere Demokratie. Wir brauchen mehr Erkenntnisse, wenn wir Extremistinnen und Extremisten effektiv bekämpfen wollen. Der periodische Sicherheitsbericht wird uns langfristig dabei helfen, Tendenzen und Ursachen zu erkennen und Lösungsansätze zu finden. Ich habe zu Beginn meiner Rede den Koalitionsvertrag erwähnt und ausgeführt, dass die Koalition mit der CDU/CSU übereinstimmt. Es tut mir leid, wenn Sie den Eindruck gewonnen haben, dass wir uns nicht nur mit den dringendsten und größten Problemen beschäftigen. Der Koalitionsvertrag geht natürlich weiter. Ich zitiere: „Wir treten allen verfassungsfeindlichen, gewaltbereiten Bestrebungen entschieden entgegen – ob Rechtsextremismus, Islamismus, Verschwörungsideologien, Linksextremismus oder jeder anderen Form des Extremismus.“ Sehr verehrte Damen und Herren, von 2005 bis 2021 war das Innenministerium in der Hand der Union, die in ihrem Antrag selbst schreibt, dass die Zahl der Extremistinnen und Extremisten seit Jahren zunimmt. Anscheinend haben Sie viel zu wenig unternommen, um dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten. Nun haben wir mit Nancy Faeser eine kluge und starke Frau, die mit Entschlossenheit und Fachkenntnis ihr Amt ausübt. Mit ihr gemeinsam werden wir als fortschrittsgewandte Koalition entschieden gegen jegliche Art von Extremismus vorgehen. Dem Antrag der CDU/CSU werden wir nicht zustimmen; er ist unzureichend. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Vielen Dank, Frau Kollegin. – Nächster Redner ist der Kollege Dr. Christian Wirth, AfD-Fraktion.
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Sebastian Münzenmaier AfD
Sebastian
Münzenmaier
AfD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! – Ja, es ist interessant, dass Sie lachen, wenn wir über dieses Thema reden. Das ist sehr interessant. Wir werden dazu gleich noch ein bisschen mehr hören. Stellen Sie sich vor, es ist der Morgen des 15. Juli, und versetzen Sie sich bitte einmal in die Person der damaligen rheinland-pfälzischen Umweltministerin Anne Spiegel. Sie sehen an diesem Morgen auf Bildern und Videos das Ausmaß der Flutkatastrophe, die das Ahrtal in der vergangenen Nacht erfasst hat. 134 Menschen haben ihr Leben verloren, ein Sachschaden in Milliardenhöhe wird bleiben. Woran hätten Sie denn beim Anblick dieser Bilder als Erstes gedacht? An die vielen kaputten Straßen und Häuser, die die Flut weggerissen hat? An die vielen Menschen, die im Moment um ihr Hab und Gut kämpfen? Oder an die vielen Toten, die diese Katastrophe schon zu diesem Zeitpunkt forderte? Anne Spiegel hat an diesem Morgen zuerst einmal an sich selbst gedacht. Was in Anbetracht des Ausmaßes der Katastrophe eigentlich unglaublich erscheint, ist aus SMS-Verläufen mit ihren Mitarbeitern belegt. Darin schreibt die heutige Familienministerin – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin –: „… das Blame-Game könnte sofort losgehen, wir brauchen ein Wording, dass wir rechtzeitig gewarnt haben …“. Meine Damen und Herren, um ein Hochwasseropfer aus dem Ahrtal zu zitieren: Wie kann man nur so kaltherzig sein? Das moralische Versagen der Anne Spiegel am 15. Juli hat jedoch eine Vorgeschichte. Schon am Vortag, kurz bevor die Flut über das Ahrtal hereinbrach, lagen genügend Hinweise auf die nahende Katastrophe vor. Doch das Spiegel-Ministerium versagte in der Kommunikation restlos. Eine einzige Pressemitteilung wurde versandt, und zwar um 16.43 Uhr, auf der Grundlage eines Lageberichts von 11 Uhr morgens. In dieser Pressemeldung wurde erklärt, dass „kein Extremhochwasser“ drohe. Vom Entwurf der Meldung bis zum Versand änderte sich einiges. Die Warnstufe war von 2 auf 4 angehoben worden. Die Pegel im Ahrtal stiegen unablässig an. Eine Bürgermeisterin vor Ort bat sogar um die Ausrufung des Katastrophenfalls. Und was tat Anne Spiegel? – Sie gab die völlig veraltete Meldung frei, aber sie bestand auf einer Änderung: aus „Campingplatzbetreibern“ müssten „CampingplatzbetreiberInnen“ werden. Meine Damen und Herren, korrektes Gendern war Anne Spiegel offensichtlich wichtiger als eine lebensrettende Warnung an die Bürger im Ahrtal. Angesichts eines solchen Politikversagens stellen sich viele Menschen die Frage: Was kann man von einer Ministerin in einer Ausnahmesituation wie dieser eigentlich erwarten? Ich verlange ja gar nicht, dass eine Ministerin im Schlamm steht und Häuser wiederaufbaut, wie es die vielen freiwilligen Helfer getan haben, denen ich an dieser Stelle von Herzen danken möchte. Doch als Minister muss man lenken, man muss führen, und man muss Verantwortung übernehmen. Frau Spiegel, wieso riefen Sie denn in Absprache mit dem Innenministerium nicht sofort einen Krisenstab ins Leben, der die Lage laufend bewertet hätte, der in Kontakt mit den zuständigen Kräften vor Ort gestanden hätte? Wieso fuhren Sie nicht zum SWR und warnten im lokalen Rundfunk oder im Fernsehen, etwa in einer Sondersendung, die vielen Menschen im Ahrtal vor der auf sie zukommenden Katastrophe? Warum führten Sie denn nach 22.30 Uhr kein einziges dienstliches Telefonat mehr, nicht einmal mit der Ministerpräsidentin? Meine Damen und Herren, all das wäre echtes Krisenmanagement gewesen und hätte an diesem Tag Leben retten können. Das Krisenmanagement der Anne Spiegel bestand in einem Abendessen mit grünem Parteifreund, und während Häuser einstürzten, saß Anne Spiegel dann zu Hause vor dem Laptop, und ihr zuständiger Staatssekretär schaute Nachrichten und trank nach eigener Aussage wahrscheinlich noch ein Bierchen, meine Damen und Herren. Der gesamte Auftritt von Anne Spiegel und ihrer Behörde war in diesen Tagen von Desinteresse, von Unwissenheit und von völliger Inkompetenz geprägt. Bis heute hat sich Anne Spiegel weder entschuldigt noch Fehler eingestanden. Dass man noch heute von „reibungslosen Abläufen“ spricht, wenn 134 Menschen ihr Leben verloren haben, ist für mich makaber, unfassbar und herzlos, meine Damen und Herren. Sie sollten sich schämen. Sie sollten nicht den Überbringer der schlechten Nachricht kritisieren. Reden Sie mit Anne Spiegel, und sorgen Sie dafür, dass diese Dame zurücktritt! Fassen wir also noch mal zusammen: fatale Fehleinschätzung am Vorabend der Flut, fehlende Warnung in Funk und Fernsehen. Am Morgen der Katastrophe steht dann die Imagepflege über Menschenleben. Danach will die Ministerin über ihr Verhalten täuschen und hat Erinnerungslücken im Untersuchungsausschuss, und dann wälzt sie die Verantwortung auf andere ab. Meine Damen und Herren, die Konsequenz ist klar: Anne Spiegel ist als Ministerin völlig untragbar, auf Landes- und auch auf Bundesebene. Mit Ihrem Verhalten, Frau Spiegel, haben Sie gezeigt, dass Sie nicht nur unmoralisch, sondern auch im höchsten Maß unfähig sind. Daher rufe ich heute die Bundesfamilienministerin dazu auf: Wahren Sie bitte noch Ihren letzten Rest Anstand, treten Sie zurück, und bitten Sie die Menschen um Verzeihung, die auch wegen Ihres Versagens alles verloren haben! Für die SPD-Fraktion spricht Daniel Baldy.
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Sabine Dittmar SPD
Sabine
Dittmar
SPD
Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Seit 1985 ist die Fruchtwasseruntersuchung – auch auf Trisomien – bei Risikoschwangerschaften eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Diese invasive Untersuchung ist immer mit Risiken für Mutter und ungeborenes Kind verbunden: Fehlgeburtsrate bis zu 1 Prozent. Jetzt berät der Gemeinsame Bundesausschuss, ob er für die seit über 30 Jahren erlaubte invasive Diagnostik einen Bluttest, der in der Aussagekraft sicher ist und vor allem für Mutter und Ungeborenes kein Risiko birgt, als Kassenleistung zulassen soll. Ich finde das richtig, und es ist mir wichtig, noch einmal klarzustellen: Es geht nicht um eine Kostenübernahme für alle Schwangeren im Sinne einer Reihenuntersuchung. Im Gegenteil: Der Gemeinsame Bundesausschuss schlägt in seinem Beschluss­ entwurf eine wesentlich differenziertere individuelle Risikoabschätzung vor, als dies bisher der Fall ist. Und schon heute müssen laut Gendiagnostikgesetz Ärztinnen und Ärzte vor einer Pränataldiagnostik über deren Wesen, Bedeutung und Tragweite aufklären. Gegenstand der Aufklärung ist ausdrücklich auch das Recht auf Nichtwissen. Ist das Testergebnis positiv, wird die Frau medizinisch, psychisch und sozial beraten, und Unterstützungsangebote werden aufgezeigt. Das passiert heute schon, ist aber – unbestritten – in der Praxis verbesserungswürdig. Für mich ist aber ganz klar: Ich möchte, dass Frauen, die bisher allein auf einen riskanten invasiven Test wie die Fruchtwasseruntersuchung angewiesen sind, Zugang zu der risikoärmeren Blutuntersuchung haben, und zwar unabhängig von ihrem finanziellen Leistungsvermögen. Das ist für mich eine Frage der Gerechtigkeit. Natürlich haben schwangere Frauen ein Recht auf Nichtwissen; aber sie haben auch ein Recht auf Wissen. Es Frauen zuzumuten, grundsätzlich oder aus Einkommensgründen auf medizinisches Wissen verzichten zu müssen – das ist aus meiner Sicht unethisch. Es ist die höchstpersönliche Entscheidung der Frau, ob sie sich für Pränataldiagnostik entscheidet oder dagegen. Und es ist die höchstpersönliche Entscheidung der Frau, wie sie nach der Beratung mit einem positiven Testergebnis umgeht, ob sie sich in ihrer konkreten Lebenssituation auf ein Leben mit einem behinderten Kind einstellen kann oder sich dagegen entscheidet. Und keine Frau wird diese Entscheidung leichtfertig treffen. Hier zeigen im Übrigen internationale Daten, dass die Abbruchraten nach einer nichtinvasiven Pränataldiagnos­tik rückläufig sind. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. Pascal Kober, FDP, hat als nächster Redner das Wort.
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Stephan Brandner AfD
Stephan
Brandner
AfD
Meine Damen und Herren! Liebe Besucher auf der Tribüne! In diesem Jahr wird unser Grundgesetz 70 Jahre alt. Es hat bislang ziemlich viele Änderungen er- und überlebt. Der Staats- und Verfassungsrechtler Grimm beklagte unlängst die Aufblähung des Grundgesetzes – aus gutem Grund; denn alles, was in der Verfassung geregelt ist, wird der Politik entzogen. Jede Grundgesetzänderung schränkt den Souverän, also das Volk und die zurzeit 709 Mitglieder des Bundestages, die fast alle hier sitzen, massiv ein. Jede Grundgesetzänderung stärkt und politisiert das Bundesverfassungsgericht mit seinen nur 16 Mitgliedern. Es gibt also eine Schieflage durch jede Grundgesetzänderung, wodurch wir uns binden. – Meine Damen und Herren, das vorweg. Der hier diskutierte Gesetzentwurf der Grünen kommt unter dem sympathischen Titel „Stärkung der Kinderrechte“ daher. Er verfolgt aber das gleiche Ziel wie der Gesetzentwurf der Linken. Das passt übrigens zu der Beobachtung, wonach diese beiden linken hetzerischen und spalterischen Extreme des politischen Spektrums sehr häufig und vor allem hier im Bundestag komplizenhaft zulasten Deutschlands und der Deutschen agitieren und agieren. Der Bürger muss wissen: Da, wo „links“, „grün“ oder „bunt“ draufsteht, ist stets sehr viel international sozialistisches Rotes drin. Genauso ist es auch hier: Sie wollen – typisch! – Freiheiten einschränken und die Familie entwerten. Sie von Grün bis ganz links wollen den Eltern in die Erziehung der Kinder pfuschen. Im Ergebnis wollen Sie unsere Kinder verstaatlichen. Das ist die unterste Schublade politischen Handelns und sollte jedem, der für unsere freiheitliche Gesellschaftsordnung steht, und jedem, der gegen noch mehr Staat ist, zu denken geben und von jedem, der so tickt, abgelehnt werden. Deshalb werden wir von der AfD den Gesetzentwurf ablehnen. Etwas Entwarnung gibt es: Die grünen und die linken Antragsteller verfolgen ihre verwerflichen Ideen nicht so richtig mit Verve. Sie wollen – noch offenbar – nur ein wenig provozieren; ansonsten hätten sie ihre lieblos zusammengeschusterten Gesetzentwürfe nicht erst vor wenigen Stunden in schlechter Schriftform präsentiert: Der Gesetzentwurf der Linken erinnert an einen lieblos zusammengestückelten Entwurf einer Verwaltungsvorschrift und erfüllt nicht annähernd die Ansprüche an einen ernstzunehmenden Entwurf eines Gesetzes zur Änderung unseres Grundgesetzes. Sie zitieren nicht einmal die richtige Version des Grundgesetzes. Da haben Sie offensichtlich falsch gegoogelt. Formell etwas besser, liebe Grüne, ist Ihr Gesetzentwurf, inhaltlich aber nicht. Sie kennen Artikel 6 Absatz 1 unseres Grundgesetzes – er wurde heute oft zitiert –: Ehe und Familie stehen unter staatlichem Schutz. – Zur Familie gehören, sofern vorhanden, natürlich auch die Kinder. Deshalb gehören sie begrifflich genau an diese Stelle und dürfen von den Familien nicht getrennt werden. Das, was in Artikel 6 Absatz 2 geregelt ist, reicht völlig aus. Die Kinder sind volle Grundrechtsträger; Kollegin ­Harder-Kühnel hatte darauf hingewiesen. Von Anfang an war Ihnen das aber ein Dorn im Auge. Die linken Gruppierungen haben die Äxte an die Keimzelle unserer Gesellschaft und die wichtigste Gemeinschaft unseres Zusammenlebens gelegt, in den letzten Jahren noch zunehmend mit Hilfe der Schwarzen, der Hellroten und der Gelben, wenn ich an die Homo-Ehe denke, die verfassungswidrig ist. Meine Damen und Herren, als nächster Schritt sollen nun die Kinder verstaatlicht werden. Da machen Sie offenbar alle mit. Das, was Kollege Ullrich und die Kollegin Dilcher gerade geschildert haben, lässt tief blicken und uns mit großer Sorge aus dieser Debatte herausgehen. Meine Damen und Herren, diese unheilige Allianz aus Rot und Grün, meist unterstützt durch Schwarz und Gelb in der Familienpolitik, zeigt auch heute wieder, wes Geistes Kind Sie sind. Sie wollen Familien zerstören. Sie wollen Eltern entrechten und Kinder mithilfe des Staates in Position gegen ihre Eltern bringen. Da machen wir nicht mit. Sie wollen nicht mehr Kinderrechte, Sie wollen weniger Familie und mehr Staat. Das geht mit der AfD nicht. Dafür werden wir kämpfen. Ihre Zweidrittelmehrheit, die Sie hier in den Raum gestellt haben, können Sie sich abschminken. Wir lehnen diese familien- und gesellschaftsfeindlichen Gesetzentwürfe ab. Dabei sei nur am Rande der bekannte berüchtigte Umgang der Grünen mit Kindern erwähnt. Ich sage nur Frühsexualisierung, Pädophilie und nenne exemplarisch Herrn Cohn-Bendit. Diese Bemerkungen können Sie jetzt leider nicht mehr machen. Sie müssen bitte einen Punkt setzen. „Braucht’s des?“, fragte einer von Ihnen beim letzten Mal; ich glaube, das war der Herr Grundl. Herr Brandner, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Ich bin gehalten, Ihnen das Wort zu entziehen, wenn Sie nach der zweiten Ermahnung nicht den Punkt setzen. Ich gebe diese Frage gerne zurück. Das braucht es nicht, genauso wenig wie Sie. Danke schön. Das Wort hat die Kollegin Susann Rüthrich für die SPD-Fraktion.
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Dr.
Dr. Götz Frömming AfD
Götz
Frömming
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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Von nun an geht es bergab, könnte man in Anspielung auf einen bekannten Schlager der 60er-Jahre mit Blick auf die PISA-Ergebnisse sagen. Rund 20 Prozent der 15-jährigen Schüler können nicht einmal auf Grundschulniveau lesen. Dabei wäre es so einfach, unsere Schulen wieder auf Vordermann zu bringen. Dafür müssten zunächst die Klassen verkleinert werden. An jeder dritten Grundschule in Berlin wird die zulässige Größe von 26 Schülern überschritten, konnten wir vor Kurzem in der Presse lesen. Meine Damen und Herren, haben Sie einmal in einer Klasse mit 30 Schülern oder mehr in einem Brennpunktviertel unterrichtet? Dann wissen Sie, wovon ich spreche. Maximal 20 Schüler in der Grundschule und 25 in den Oberschulen: Mehr sollten es im Idealfall nicht sein. Dann brauchen wir eine Rückbesinnung auf bewährte Tugenden und Unterrichtsmethoden. Wir brauchen mehr Disziplin, Wiederherstellung der Autorität des Lehrers und ein nach Leistung differenzierendes Schulsystem, das Erfolge und Niederlagen kennt. Eine Durchlässigkeit zwischen den verschiedenen Schultypen: Ja, das soll und muss es geben. Alle Schulgebäude müssen dringend renoviert werden. Das ist wichtiger, als einer konzeptlosen Digitalisierung des Lernens das Wort zu reden. Schließlich muss eine langfristig denkende Bildungspolitik auch den Mut haben, eine Neuordnung der Asyl- und Einwanderungspolitik zu fordern. Die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte haben gezeigt, dass sich ein niedriger Bildungsstand der Eltern trotz aller Anstrengungen unseres Bildungssystems über Generationen hinweg vererbt oder, wenn Sie so wollen, tradiert. Deshalb fordert die AfD-Fraktion einmal mehr: Bildungsstand und Bildungsfähigkeit müssen ein zentrales Kriterium eines zukünftigen Einwanderungsgesetzes sein. Meine Damen und Herren, jetzt kurz zum Antrag der FDP. Im Kern will die FDP den Föderalismus überwinden und die Schulbildung von Berlin aus steuern. Dazu bedienen Sie sich politischer Kampfbegriffe und fordern genau wie die Linken die Abschaffung eines vermeintlichen Kooperationsverbots zwischen Bund und Ländern, das es bekanntlich gar nicht gibt. Für die FDP stehen die deutschen Schüler im Wettbewerb mit Schülern in Kanada oder Japan. Sie folgt damit dem von der Lobbyorganisation OECD vorgegebenen Kurs hin zu einer Ökonomisierung und Globalisierung des Bildungswesens. Dem halten wir entgegen: Erstens. Schulen sind keine Fabriken. Zweitens. Schüler sind auch keine Arbeiter. Und drittens. Meine Damen und Herren, Bildung ist keine Ware. Meine sehr geehrten Damen und Herren, Bildung ist dann am besten, wenn sie ihren Zweck zunächst nur in sich selbst hat. Das hat bereits Wilhelm von Humboldt erkannt. Er legte damals in Preußen die Grundlagen für ein Bildungssystem, aus dem im Laufe der Jahre zahlreiche Forscher, Erfinder und Nobelpreisträger hervorgingen. Deutschlands Wiederaufstieg nach dem Zweiten Weltkrieg, das Wirtschaftswunder und der internationale Erfolg unserer Unternehmen: All dies war möglich, obwohl oder vielleicht auch weil die Schulpolitik von den Ländern und nicht vom Bund gemacht wird. Wir als AfD-Fraktion sind deshalb der Anwalt der Länder, und wir bekennen uns auch zum Grundgesetz, das die föderale Ordnung unseres Staates zu Recht unter einen besonderen Schutz gestellt hat. Vielen Dank. Vielen Dank. – Nächste Rednerin in der Debatte ist für die Fraktion der SPD die Kollegin Marja-Liisa Völlers.
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Markus Koob CDU/CSU
Markus
Koob
CDU/CSU
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 75 Jahre Vereinte Nationen – ein Grund zum Feiern! Aber wir erleben heute doch, dass zwei der drei Gratulanten mit giftigen Geburtstagswünschen und verwelkten Blumen zu dieser Geburtstagsfeier gekommen sind. Dazu später etwas mehr. Es sind vergiftete Glückwünsche an eine Organisation, die für die Menschen in allen Teilen dieser Welt etwas Positives bedeutet. Die Vereinten Nationen bedeuten für die Kinder in Mali ein Stück Sicherheit, für die Kinder in Europa ein Stück Kultur, für die Kinder im Kosovo ein Stück Frieden, für die Kinder im Jemen ein Stück Essen und Trinken. Die Vereinten Nationen sind ein Tausendsassa zum Wohle der Menschheit. Ja, die Vereinten Nationen müssen reformiert werden, aber die Zahlen auf der Erde sind entgegen der Aufstellung in einigen der Anträge dank der Arbeit der Vereinten Nationen heute vielversprechend und keinesfalls rückschrittlich: Die Alphabetisierung hat auf knapp 90 Prozent zugenommen. Die Kindersterblichkeit ist auf knapp 4 Prozent gesunken. Auf den Hunger ist bereits eingegangen worden. Der Anteil der Menschen, die in extremer Armut leben, hat sich in den letzten 20 Jahren halbiert. Die Kinderarbeit ist seit 1950 um zwei Drittel zurückgegangen. Der Anteil der Menschen, die mit Wasser aus geschützten Quellen leben können, konnte von 1980 bis 2015 von 58 Prozent auf 88 Prozent gesteigert werden. Die Zahl der HIV-Infektionen hat sich halbiert. Der Artenschutz wurde massiv ausgeweitet. Die Zahl der Impfungen hat sich seit 1980 vervierfacht. – So könnte ich fortfahren mit beliebigen anderen Beispielen aus den unterschiedlichsten Themengebieten. All dafür arbeiten die Vereinten Nationen. Man muss dafür danken, dass sie in diesen Bereichen für diese Erfolge verantwortlich sind. Es ist viel gesagt worden: Die Vereinten Nationen können nur so erfolgreich sein, wie es die Mitgliedstaaten möchten. Die Menschheit befindet sich insgesamt aber auf einem positiven Weg, der maßgeblich auch von den Vereinten Nationen bestimmt und geleitet wird. Dafür verdienen die Vereinten Nationen, vor allem aber auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Dank von uns allen. Die Gründung der Vereinten Nationen vor 75 Jahren war das Resultat von Krieg und Massenmord. Auch all das ist schon gesagt worden. Die Idee dahinter ist 75 Jahre alt, aber sie ist heute wichtiger und moderner denn je. Neun der Friedensnobelpreise gingen in den 75 Jahren an Organisationen der Vereinten Nationen, neun an Einzelpersonen aus dem Umfeld der Vereinten Nationen. Das zeigt: Die Vereinten Nationen sind erfolgreich. – Und sie werden weiterhin gebraucht. Was aber machen nun AfD und Linke in ihren Anträgen daraus? Für die Linken bedeuten die Vereinten Nationen vor allem einen Ort, um ihre Gesinnungsethik gegen vermeintlichen amerikanischen Imperialismus durchzudrücken: pauschales Atomwaffenverbot, eine allumfassende Entmilitarisierung der UN, pauschales Drohnenverbot. Es ist langsam etwas müßig, mit Ihnen immer wieder darüber zu diskutieren. Wir machen das ja bei den Einsätzen in Mali immer wieder. Ohne gerade die UN-Einsätze vor Ort gibt es keine Entwicklungshilfe und eben auch keine Perspektive für die betroffenen Menschen. Da Sie hier von einem Menschenrecht auf Frieden reden, könnten Sie Ihre Kontakte nach Moskau ja auch mal nutzen, um einen Beitrag dafür zu leisten. Für die AfD hingegen sind die Vereinten Nationen ein Mittel zum Zweck, um mehr Posten mit Deutschen zu besetzen, um Flüchtlinge und Migranten weltweit schlecht zu behandeln, den Klimaschutz zu beerdigen oder ihren Verschwörungstheorien bei der WHO zu frönen. Die UN sind das, was AfD-Anträge in diesem Haus noch nie waren oder sein werden: Brückenbauer zwischen Nationen und Kulturen, Wächter der Menschenrechte, Kämpfer für die Grundbedürfnisse der Schwächsten, Botschafter des Friedens, von uns allen geschätzt, gebraucht und wichtig – vor 75 Jahren genauso wie heute oder in 75 Jahren. Herzlichen Glückwunsch, Vereinte Nationen! Vielen Dank, Herr Kollege Koob. Bevor ich dem letzten Redner zu diesem Tagesordnungspunkt das Wort erteile, möchte ich noch aufklärend wirken. Herr Kollege Podolay, vielen Dank, dass Sie uns darauf hingewiesen haben, dass die Allgemeinverfügung des Bundestagspräsidenten einer Erneuerung bedarf. Die Verwaltung ist offensichtlich nicht so schnell wie der Rest der Republik. In allen Coronaverordnungen der Länder wird die Mund-Nase-Bedeckung wie folgt definiert – und ich zitiere aus der Verordnung des Landes Berlin, § 4 Absatz 3 –: Eine Mund-Nasen-Bedeckung ist eine aus handelsüblichen Stoffen hergestellte, an den Seiten eng anliegende, Mund und Nase bedeckende, textile Barriere, die aufgrund ihrer Beschaffenheit geeignet ist, eine Ausbreitung von übertragungsfähigen Tröpfchenpartikeln und Aerosolen durch Atmen, Husten, Niesen und Aussprache zu verringern, unabhängig von einer Kennzeichnung oder zertifizierten Schutzkategorie. Die Mund-Nasen-Bedeckung ist so zu tragen, dass Mund und Nase so bedeckt werden, dass eine Ausbreitung von Tröpfchen und Aerosolen durch Atmen, Husten, Niesen oder Sprechen vermindert wird. Ich bewerte das jetzt nicht, aber da sich der Deutsche Bundestag entschlossen hat, den Verordnungen der Länder – sinnvoll oder nicht sinnvoll – zu folgen, wird die entsprechende Allgemeinverfügung angepasst werden. Nur damit keine Missverständnisse entstehen: Sie befinden sich im Recht; aber das Recht, das wir jetzt haben, wird geändert werden. Der letzte Redner zu diesem Tagesordnungspunkt wird der Kollege Dr. Volker Ullrich, CDU/CSU-Fraktion, sein.
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Dr.
Dr. Alice Weidel AfD
Alice
Weidel
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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Deutschland steht vor einer Rezession: keine einfache Konjunkturdelle, sondern ein handfester Rückgang der Wirtschaftsleistung. Die Exporte brechen mit zweistelligen Verlusten in einigen wichtigen Ausfuhrländern ein: China, Großbritannien und Russland. Besonders betroffen: Automobilindustrie und Maschinenbau, das Rückgrat unserer industriellen Produktion und damit unseres Wohlstands. Die Meldungen über massive Stellenstreichungen in tragenden Unternehmen und Schlüsselbranchen reißen nicht ab. Das Wirtschaftswachstum stagniert, das Bruttoinlandsprodukt ist im zweiten Quartal 2019 sogar geschrumpft. Damit sind wir im Vergleich mit den übrigen EU- und Euro-Mitgliedstaaten Schlusslicht. Die Krise kommt nicht, die Krise ist bereits da. Die nächste Rezession wird weder ein vom Himmel gefallenes Schicksal sein noch das Werk böser Mächte. Sie ist in erster Linie hausgemacht. Die Schwierigkeiten, in die die deutsche Wirtschaft und damit das ganze Land hineinrutscht, sind die Folge Ihrer verhängnisvollen und wirtschaftsfeindlichen Politik, einer im Kern grün-sozialistischen Ideologie, die unser Land ruiniert und seiner Zukunftsfähigkeit beraubt. Diese Regierung trägt die Verantwortung für die Demontage der Autoindustrie durch Klimaschutzwahn und E-Auto-Planwirtschaft. Sie ruinieren unser Land mit der absurden Idee, gleichzeitig aus Atomenergie und Kohleverstromung aussteigen zu können und zu einem fiktiven Datum in nicht allzu ferner Zukunft – typisch Planwirtschaft! – das Land CO2-neutral zu machen. Das muss man sich einmal vorstellen. Das ist absolut grotesk. Das ist ein ökonomischer und naturwissenschaftlicher Nonsens, der uns jetzt schon die höchsten Stromkosten in Europa beschert, Hunderttausende Haushalte von Geringverdienern und der Mittelschicht in existenzielle Bedrängnis bringt, die Versorgungssicherheit gefährdet und energieintensive Industrien nach und nach aus Deutschland vertreibt. Ihr vorgeblicher Klimaschutz ist nichts anderes als ein monströses Deindustrialisierungsprogramm, verbunden mit veritabler Arbeitsplatzvernichtung. Sie verschwenden Abermilliarden, um imaginierte Weltuntergänge in ferner Zukunft abzuwenden. Sie lassen sich von fragwürdigen Lobbyisten wie der Deutschen Umwelthilfe – aus meiner Sicht gehört diese Lobbyorganisation verboten – am Gängelband führen und zerstören dafür die Grundlagen unseres Wohlstands und unsere Fähigkeit, die ganz realen und drängenden Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte zu meistern. Ich nenne zum Beispiel die unbewältigten Folgen der ungeregelten Migration in die Sozialsysteme und die Kriminalstatistik. – Ja, ich weiß schon, warum Sie so quietschen. – Der frühere Bundesnachrichtenchef, August Hanning, spricht von mehr als 2 Millionen überwiegend jungen Männern, die seit 2015 eingewandert sind. Und die nächste Welle steht schon vor der Tür. Die Bilder aus Lesbos sind ein Menetekel. Der Türkei-Deal, an den Sie sich ja so gerne und so lange geklammert haben, ist gescheitert. Die Balkanroute ist offen, und Sie verschließen einfach die Augen davor. Wir könnten die Migration übers Mittelmeer beenden, wenn Sie bereit wären, mit Italien und anderen Mittelmeeranrainern dafür zu sorgen, dass keiner mehr illegal übers Meer nach Europa gelangen kann. Was wird aber gemacht? Stattdessen ermuntern Sie die humanitären Schleuser und Menschenhändler, auch NGOs genannt, lassen deren illegal eingeschleusten Passagiere noch nach Deutschland einfliegen und wollen sogar noch einen staatlichen Wassertaxidienst einrichten. Das ist wirklich nur noch grotesk, sehr geehrte Damen und Herren! Eine wirksame Sicherung und Kontrolle der Grenzen ist möglich. Die Kosten würden sich jährlich im einstelligen Milliardenbereich bewegen – und das wissen Sie. Kein Vergleich mit den ökonomischen, politischen und vor allem gesellschaftlichen Folgekosten der anhaltenden ungeregelten Einwanderung! Sie wollen Millionen Bürger durch Verbote, Strafsteuern und dirigistische Maßnahmen in ihrer individuellen Mobilität einschränken, aber illegale Einwanderer können sich weiter frei und ungehindert über unsere Grenzen bewegen. Selbst wenn die Asyltäuschung auffliegt und der Aufenthaltstitel verweigert wird, müssen sie kaum eine Abschiebung fürchten. Sie haben das Geld für die abseitigsten Partikularinteressen übrig, aber nicht für die effektive Kontrolle unserer Grenzen und den Schutz unserer Bürger, die Ihnen einen Rekordanteil des von ihnen erwirtschafteten Einkommens überlassen müssen. Die Gegenleistungen bleiben Sie schuldig. Inzwischen hat jeder zweite Hartz-IV-Empfänger einen Migrationshintergrund. Dazu kommt: Fast zwei Drittel der sogenannten Flüchtlinge leben von Hartz IV. Also zwei Drittel Ihrer Fachkräfte leben von Hartz IV! Asylzuwanderer sind übrigens überproportional kriminalitätsbelastet, gemessen am Bevölkerungsanteil. Schwere Sexual-, Raub- und Tötungsdelikte durch Zuwanderer haben erschreckend zugenommen. Das Lagebild zur Zuwanderungskriminalität des Bundeskriminalamts bestätigt das doch schwarz auf weiß. Hören Sie doch auf, hier so rumzubrüllen! Dass für die Bürger die Sicherheit im öffentlichen Raum mehr und mehr verloren geht, lässt Sie offenkundig gleichgültig. Man sieht das hier. Eine ältere Hypothek ist das gescheiterte Euro-Experiment. Zehn Jahre Euro-Rettung durch verlorene Hilfskredite und Geldschöpfung auf Knopfdruck sind zehn Jahre Umverteilung von unten nach oben und vom Bürger zum Staat. Die Nullzinspolitik, über die sich Olaf Scholz ja gestern so gefreut hat, führt die deutsche Mittelschicht und den Sparer ins Prekariat. Das Märchen vom reichen Land stimmt schon lange nicht mehr. In Europa belegen die Deutschen beim Vermögen den letzten Platz. Wenn die Draghi-Blase platzt, zündet der Euro-Geldsozialismus. Das wissen wir. Der Anteil der faulen Kredite in den Bilanzen südeuropäischer Banken – die Summen, die im Feuer stehen – ist gigantisch. Das Kartenhaus der Zombiebanken steht auf dem wackligen Boden der Negativzinspolitik der EZB, und die zerstört unaufhaltsam das Geschäftsmodell der soliden Banken. Wir stehen vor einem gigantischen Bankencrash, sehr geehrte Damen und Herren! Wir werden bei gleichbleibender Entwicklung eine Staatsschulden- und Bankenkrise erleben, Hyperinflation und anschließend eine Währungsreform, bei der die Menschen alles verlieren werden. Und Sie sagen es ihnen nicht. Was tun Sie, um das zu verhindern? Natürlich gar nichts. Im Gegenteil: Sie befeuern die Entwicklung auch noch. Von EZB-Chefin Christine Lagarde ernten Sie dafür Beifall und ganz viel Umarmung, von jener Frau, die 2010 als IWF-Direktorin erklärte – ich zitiere –: Wir müssen die Verträge brechen, um den Euro zu retten. Und das ist genau Ihr Verständnis von Rechtstreue. Für eine andere Lösung als eine zum deutschen Nachteil hätten Sie aber vermutlich auch gar keine Mehrheiten zusammenbekommen. Denn Sie haben Deutschland in Europa isoliert, und niemand nimmt Sie mehr ernst. Bei internationalen Konferenzen sitzen Sie im Abseits, während die anderen ihre Interessen verfolgen und auch durchsetzen. Sie haben das Verhältnis zu den USA zerrüttet, die Briten aus der EU getrieben und tun im Kielwasser der Franzosen nichts für eine vernünftige Brexit-Lösung. Und jetzt legen Sie uns einen Haushalt vor, der vor allem eins erkennen lässt: dass Sie und Ihr Kabinett nicht verstanden haben, was die Stunde geschlagen hat. Sie verkonsumieren die immer noch reichlich kassierten Steuergelder, als würde der Segen ewig weiterfließen. Was passiert denn dann, wenn die geburtenstarken Jahrgänge, die jetzt auf dem Höhepunkt ihrer beruflichen Laufbahn sind, in zehn Jahren in Rente gehen und nicht mehr bis zum Anschlag gemolken werden können? Vorsorge für schlechte Zeiten ist in diesem Haushalt ein Fremdwort. Der Investitionsanteil ist trotz des Rekordvolumens lächerlich niedrig und akrobatisch schöngerechnet. Dazu verdient – das ist auch absolut absurd – der Bundesfinanzminister sogar noch am Schuldenmachen, weil Anleger für langlaufende Anleihen Negativrenditen zahlen. Das allein zeigt, wie das Geldsystem aus den Fugen geraten ist, sehr geehrte Damen und Herren; denn es sind die Bürger, die durch Negativzinsen wie durch eine Sondersteuer kalt und gnadenlos enteignet werden. Es ist das Geld der Bürger, direkt und indirekt eingetrieben, das Sie verschleudern. Der Ökonom Daniel Stelter berechnet – ich zitiere –: Allein auf Bundesebene wurden in den letzten zehn Jahren 460 Milliarden Euro zusätzlich verfügbares Geld für Konsum und Wahlgeschenke verplempert. – Zitat Ende. Dabei gibt es genug Baustellen im Land, in denen das Geld der Bürger besser und sinnvoller ausgegeben werden könnte. Die Infrastruktur verfällt, Straßen verkommen, Schulgebäude verfallen, die Bahn funktioniert immer schlechter, schnelles Internet gibt es anderswo, von Großprojekten wie Flughäfen, die nie fertig werden, gar nicht zu reden. Die Sozialsysteme sind überlastet und nicht zukunftsfähig. Deutschland droht eine massive Altersarmut. Die öffentliche Ordnung leidet, Sicherheit geht verloren. – Dass das die Grünen nicht interessiert, weiß ich. Die Bundeswehr ist kaum noch einsatzfähig, die arbeitende Bevölkerung ist mit hohen Steuern und Abgaben belastet. Statt den Bürgern das zu viel abgenommene Geld zurückzugeben – nicht einmal den Soli können Sie rechtskonform abschaffen –, brüten Ihre Regierung und die sie tragenden Parteien schon über neue Steuern: CO2-Steuer, Vermögensteuer, Sonderabgaben auf alles Mögliche. Jeder Vorwand scheint Ihnen recht, um den Bürger immer weiter zu belasten, weil Sie mit dem überreichlich vorhandenen Steuergeld doch gar nicht umgehen können. Das ist doch die Wahrheit! So kann es einfach nicht weitergehen. Ein grundsätzliches Umdenken tut not: Umwelt- und Ressourcenschonung statt Klimaschutz, Schluss mit der kopflosen Energiewende, Stopp der unkontrollierten Einwanderung und Sicherung unserer Grenzen, Abkehr von der Euro-Inflationspolitik und vor allem mehr Freiheit für die Bürger und alle, die in diesem Land Werte schaffen. Denk- und Redefreiheit statt Diffamierung Andersdenkender, die das politische Klima vergiftet. Wirtschaftliche Freiheit statt Gängelung und neue Verbote, Entlastung bei Steuern und Abgaben statt Steuerwucher, Bürokratismus und Umverteilung. Hören Sie auf Ludwig Erhard – ich zitiere –: Kümmere du, Staat, dich nicht um meine Angelegenheiten, sondern gib mir so viel Freiheit und lass mir von dem Ertrag meiner Arbeit so viel, dass ich meine Existenz, mein Schicksal und dasjenige meiner Familie selbst zu gestalten in der Lage bin. Das ist freiheitliche, bürgerliche Politik, die unser Land so dringend nötig hat und die in dieser Regierung keine Heimat und keinen Fürsprecher mehr hat. Ich bedanke mich. Nächste Rednerin ist die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel.
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Thomas Ehrhorn AfD
Thomas
Ehrhorn
AfD
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Zuschauer! Der hier vorliegende Gesetzentwurf zeigt wieder einmal in eindrücklicher Weise, wie weit sich diese Bundesregierung im Allgemeinen und wie weit sich die Sozialdemokratie im Besonderen von jeglicher Lebenswirklichkeit und den tatsächlichen Problemen der Menschen in diesem Lande entfernt hat. Wir befinden uns doch gerade in einer Situation, in der der Dauer-Lockdown die finanziellen Reserven von Hundertausenden Gewerbetreibenden in diesem Land vernichtet hat. Wir befinden uns in einer Situation, in der diese Menschen nach Ende des Lockdowns feststellen werden, dass sich ihre Existenz, für die sie jahrelang gearbeitet und geschuftet haben, über Nacht in Luft aufgelöst hat. Aber damit nicht genug: Diese Bundesregierung hat ja auch noch die Gunst der Stunde genutzt, um im Schatten von Covid-19 ein lange geplantes Projekt umzusetzen, welches unter anderen Bedingungen niemals möglich gewesen wäre, nämlich die Weichenstellung für die endgültige und totale Vergemeinschaftung europäischer Schulden, für deren Tilgung man den deutschen Steuerzahler in Zukunft weiter und weiter enteignen wird. Mit anderen Worten: Diese Bundesregierung hat gerade die eigene Bevölkerung so schnell über den Tisch gezogen, dass so mancher die dabei entstehende Reibungshitze möglicherweise sogar als Nestwärme empfinden wird. Fast könnte man sagen, dass es dann in diesem Kontext auf ein paar weitere Millionen für feministische Ideologieprojekte auch nicht mehr ankommt, Projekte wie die Bundesstiftung Gleichstellung. Aber das Problem liegt doch schon darin, dass man gleich am Anfang Begrifflichkeiten wie „Gleichberechtigung“ und „Gleichstellung“ in völlig unzulässiger Weise, und zwar offenkundig absichtsvoll, miteinander vermengt, dass man nicht einsehen will oder kann, dass die im Grundgesetz garantierte Chancengleichheit eben nicht zur Ergebnisgleichheit führen kann und muss, also nicht zu einer 50-prozentigen Parität an jeder Stelle und überall. Will man sich nun der Frage nähern, welches nun eigentlich der Sinn dieser sagenumwobenen Stiftung ist, findet man immer wieder den gleichen Satz – hören Sie gut zu –: Die Stiftung wird ein offenes Haus werden, so heißt es, in dem sich Menschen treffen, vernetzen und bestärken. – Na, das ist doch mal was Tolles. Das sollte doch dem deutschen Steuerzahler einen zweistelligen Millionenbetrag in den nächsten Jahren wert sein. Es heißt weiter: Es ist ein Ort, an dem sich wissenschaftlich fundiert der gerechten Partizipation von Frauen in der Gesellschaft gewidmet wird. – Man will also den immer gleichen Sud von angeblichen gläsernen Decken, strukturellen Benachteiligungen, von Ähnlichkeitsprinzip und Gender Pay Gap und sonstigen pseudowissenschaftlichen Halb- und Unwahrheiten immer weiter aufkochen, um dann diesen grünen Brei einer möglichst ahnungslosen Bevölkerung unterzujubeln, das allerdings natürlich erst, nachdem man sich in einem Stuhlkreis darauf geeinigt hat, ob Bürgersteige nicht in Zukunft „Bürger/-innensteige“ heißen müssten. Der „Focus“ schreibt dazu: Tatsächlich soll „die ‚Stiftung Gleichstellungʼ feministische Lobbygruppen mit Macht und Geld“ ausstatten. Man könnte auch sagen: Hier werden weitere Versorgungsposten für arbeitslose linke Geschwätzwissenschaftler geschaffen. Sei’s drum. Kümmern Sie sich weiter um Gendersternchen und darum, deutsches Volkseigentum in Europa zu verteilen! Wir, die AfD, haben andere Prioritäten; denn wir sind die Partei der arbeitenden Menschen. Vielen Dank. Das Wort geht an Silvia Breher von der CDU/CSU-Fraktion.
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Stefan Liebich DIE LINKE
Stefan
Liebich
DIE LINKE
Lieber Paul Ziemiak, ich wollte Sie jetzt nicht mit meiner Zwischenfrage aus dem Konzept bringen. Das ist ein ganz normales parlamentarisches Mittel. Aber wenn Sie sie nicht zulassen wollen, dann mache ich das jetzt eben auf dem Wege der Kurzintervention. Sie unterliegen einem Irrtum, wenn Sie glauben, dass die massive Kritik an Annegret Kramp-Karrenbauers Antwort auf Herrn Macron dem Neid der anderen Parteien geschuldet ist. Die Kritik basiert tatsächlich auf inhaltlichem Widerspruch. Über den Flugzeugträger ist ja schon eine Weile geredet worden. Ich will hier aber etwas anderes ansprechen. Wir üben natürlich auch massive Kritik an der Europäischen Union, wie sie jetzt ist; aber es gibt eine Sache, die wirklich alle gut finden: Das sind die offenen Grenzen in der Europäischen Union. Und dann lesen wir, dass Annegret Kramp-Karrenbauer sagt, dass die Einzigen, denen sie nutzen würden, Kriminelle sind. Da würde ich schon gerne wissen, was Sie davon halten. Das ist eine massive Absage an das Beste, was die EU bietet, und da bin ich an Ihrer Position interessiert.
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Karsten Klein FDP
Karsten
Klein
FDP
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Natürlich gilt zuallererst unser Dank all denjenigen, die durch ihre Leistungsbereitschaft unseren Wohlstand in diesem Land sichern – keine Frage, Herr Minister. Aber unser Auftrag muss dann auch sein, dafür zu sorgen, dass diese auch in Zukunft in der Lage sind, ihre Leistungsbereitschaft in Wohlstand zu transferieren. Man muss festhalten: Seit Mai 2018 sind die Auftragseingänge des produzierenden Gewerbes rückläufig. Seit vier Quartalen schrumpft die Wertschöpfung in diesem Wirtschaftsbereich. Im letzten Quartal ist die Wirtschaftsleistung von ganz Deutschland geschrumpft. Jetzt ist es sicher nicht Ihre Aufgabe, Herr Minister, zuallererst das Wort „Rezession“ in den Mund zu nehmen – keine Frage. Aber es wäre Ihre Aufgabe, zuallererst über Maßnahmen nachzudenken, Maßnahmen zu konzipieren, die dieser Abwärtsentwicklung entgegenwirken. Davon können wir leider viel zu wenig feststellen in den letzten Wochen und Monaten. Maßnahmenpaket eins. Wir befinden uns in einem harten internationalen Steuerwettbewerb. Amerika, Großbritannien und Frankreich haben die Steuern für ihre Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen gesenkt. Aber was findet hier in Deutschland statt? Die Große Koalition leistet sich eine spießbürgerliche Diskussion über ein politisches Versprechen, über eine verfassungsmäßig gebotene Komplettabschaffung des Solidaritätszuschlags. Die Kolleginnen und Kollegen der Union lassen es zu, dass die SPD den Solidaritätszuschlag zu einer „Reichensteuer light“ verkommen lässt. Wir Freie Demokraten haben eine klare Vorstellung und Erwartungshaltung an diese Bundesregierung, nämlich dass ab dem 1. Januar 2020 der Solidaritätszuschlag komplett abgeschafft ist. Maßnahmenpaket zwei: strukturpolitische Maßnahmen. Herr Minister, es ist in keiner Weise feststellbar, dass Sie mit Ihren vorhandenen Instrumenten, mit Ihren Werkzeugen und Ihren Fördertöpfen einen strukturpolitischen Maßnahmenkatalog in Ihrem Haushalt geschaffen haben, der diesem Abwärtstrend, den ich vorhin beschrieben habe, entgegenwirkt. Sie tun gerade so, als hätte es in den letzten 24 Monaten keine gesellschaftspolitischen Diskussionen in diesem Land gegeben, die dazu geführt haben, dass vor allem der Automobilbereich extrem an Wettbewerbsfähigkeit verloren hat. Ihr Einzelplan spiegelt die Instrumente von vor vier Jahren wider. Das ist Vergangenheit. Wir möchten, dass Sie endlich in die Pötte kommen und gegen diesen Abwärtstrend etwas machen, Herr Minister. Dritter Bereich: Energie. Sie haben zu Recht angesprochen, dass wir in Deutschland immer noch die höchsten Strompreise in Europa haben. Das ist die aktuelle Situation, und das belastet die Arbeitsplätze in diesem Land. Aber wie ist die aktuelle Situation in Ihrem Haus, in der Bundesregierung? Durch Ihre Maßnahmen im Hinblick auf den Kohleausstieg führen Sie die Fehler der Vergangenheit fort: Wieder spielt Geld keine Rolle. Wieder setzen Sie auf zentralistische, planwirtschaftliche Instrumente. Die Erfahrungen der Vergangenheit und der Bundesrechnungshofbericht, der ein vernichtendes Urteil über das Management der Energiewende in Ihrem Haus spricht, bleiben unter Ihrer Führung völlig unberücksichtigt. Ich will auf die Inhalte der Zielsetzung der Kohlekommission und auf das Ergebnis gar nicht eingehen. Aber letztlich ist es doch so, Herr Minister: Jeder, der am Verhandlungstisch saß, hat etwas versprochen bekommen. Aber wer das bezahlt und wie viel das kostet, davon haben Sie als federführender Minister überhaupt keine Ahnung. Seit Januar fragen wir in regelmäßigen Abständen zu den Kosten und dazu, wer sie tragen soll, in Ihrem Haus nach. Die Antworten sind blumig, aber – kurzgefasst –: Sie wissen es nicht. Ich, liebe Kolleginnen und Kollegen, weiß nicht, was schlimmer ist: eine Bundesregierung, die in einen solch epochalen Wandlungsprozess einsteigt, keine Ahnung von den Kosten und davon, wer sie tragen soll, hat, oder eine Bundesregierung, die in Wahrheit die Zahlen kennt, aber diesem Haus, dem Deutschen Bundestag, und den Bürgerinnen und Bürgern, der deutschen Öffentlichkeit, diese Zahlen bewusst vorenthält. Deshalb kann ich Sie, Herr Minister, nur auffordern, dieses Versteckspiel bezüglich der Kosten des Kohleausstiegs und des Klimawandels zu beenden. Nennen Sie diesem Haus die Kosten! Noch tollkühner wird die ganze Sache mit den Vorschlägen, den Kohleausstieg und die Bekämpfung des Klimawandels über neue Schulden oder Schattenhaushalte zu finanzieren. Ganz frei nach dem Motto: Kaputte Welt oder Schuldenberge, mit einem von beidem müssen zukünftige Generationen schon leben können. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das kann kein Weg für Deutschland, für unser Land, sein. Herr Minister, ich fordere Sie auf: Beenden Sie die Versteckspiele bei der Finanzierung! Packen Sie es mutig an! Nehmen Sie sich ein Beispiel an uns Freien Demokraten! Setzen Sie bei der Bekämpfung des Klimawandels auf die Menschen in diesem Land und auf die soziale Marktwirtschaft! Ziehen Sie die CO2-Bremse, indem Sie den Zertifikatehandel auf den Gebäude- und den Verkehrssektor ausweiten! Und stellen Sie endlich Technologieoffenheit in Ihren Förderinstrumenten sicher! Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht nicht um den Fortbestand der Großen Koalition, und es geht auch nicht um das nächste Konjunkturprogramm für Bündnis 90/Die Grünen, sondern es geht um unser Land und um die Arbeitsplätze. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Das Wort hat die Kollegin Heidrun Bluhm-Förster für die Fraktion Die Linke.
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Amira Mohamed Ali DIE LINKE
Amira
Mohamed Ali
DIE LINKE
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Die Vergiftung von Alexej Nawalny ist in der Tat ein furchtbares Verbrechen. Herr Kollege Saathoff, Sie haben es gerade schon gesagt, ich möchte es noch mal wiederholen: Es ist gut, dass es ihm inzwischen ein bisschen besser geht, dass er aus dem Koma aufgewacht ist, und auch ich wünsche ihm – ich glaube, wie jeder hier im Saal – weiter gute Genesung. Und auch das ist jetzt mehrfach richtigerweise gesagt worden: Es ist wichtig, dieses Verbrechen lückenlos aufzuklären, und die Verantwortlichen müssen entsprechend zur Rechenschaft gezogen werden. In der Tat, es ist dringend notwendig, dass Russland hier vollständig kooperiert und bei der Aufklärung mithilft; das geht nicht anders. Es muss kooperiert werden, aber eben auch von beiden Seiten. Stattdessen haben wir es erlebt, dass reflexartig nach neuen Sanktionen gegen Russland gerufen worden ist und – das ist auch heute hier gesagt worden – nach dem sofortigen Stopp des Baus der Pipeline Nord Stream 2. Das kommt vor allem aus Teilen der Union, von den Grünen kommt das, und die FDP hat sich ja eben auch noch einmal so geäußert. Manuela Schwesig, SPD-Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, sagte aber zu Recht, dass dieses Verbrechen eben nicht dazu benutzt werden darf, Nord Stream 2 infrage zu stellen. Und auch der CDU-Ministerpräsident von Sachsen, Michael Kretschmer, äußerte sich so. Aus wirtschaftlicher Sicht wäre der Stopp zum jetzigen Zeitpunkt – und das kann man nicht anders sagen – absoluter Wahnsinn. Die Pipeline ist zu 94 Prozent fertiggebaut. Den Bau jetzt zu stoppen, das hieße, eine 12-Milliarden-Euro-Investition in den Sand zu setzen, und es drohen außerdem Schadensersatzforderungen in Milliardenhöhe von Unternehmen, die an Nord Stream 2 beteiligt sind. Und auch aus ökologischer Sicht ist der Baustopp nicht vernünftig. Denn wenn Nord Stream 2 nicht kommt, dann besteht die große Gefahr, dass wir auf Frackinggas aus den USA angewiesen sind. Aber genau das darf nicht passieren. Fracking gehört zu den umweltschädlichsten Technologien überhaupt. Es werden hochgiftige Chemikalien in die Erde gepresst, Trinkwasser wird verseucht, rund um die Frackingstelle gibt es erhöhte Krebsraten und Erdbeben. – Das ist bei Fracking nun mal so, Herr Kollege von den Grünen; das müssten Sie ja eigentlich wissen. Aus ökologischer Sicht muss man diese Technologie also ablehnen, nicht nur in Deutschland, sondern auf der ganzen Welt. Ich meine, dass ausgerechnet Sie jetzt sagen: „Wir sollten uns abhängig machen vom Frackinggas aus den USA“, das finde ich befremdlich. Zum Glück ist die Mehrheit der Bevölkerung hier klüger. Sie lehnt laut einer jüngsten Umfrage den Baustopp von Nord Stream 2 ab. Wenn wir jetzt mal schauen, wer als Erster den Bau von Nord Stream 2 stoppen wollte – oder zumindest hat er behauptet, er wolle es –, stellen wir fest: Das war der US-Präsident Donald Trump. Donald Trump hat in der Tat kein Interesse daran, dass die Wirtschaftsbeziehungen zu Russland ausgeweitet werden. Im Gegenteil: Er möchte uns zwingen, sein dreckiges Frackinggas zu kaufen. Um Nord Stream 2 zu verhindern, ist die Trump-Administration sogar bereit, das Völkerrecht zu brechen und Firmen und Kommunen hierzulande mit Sanktionen zu drohen. Die Bundesregierung hätte diese Drohung übrigens klar zurückweisen müssen. Denn natürlich dürfen wir uns nicht von Donald Trump erpressen lassen. Und wenn Donald Trump sich heute hinstellt und mit Verweis auf die Vergiftung von Herrn Nawalny den Baustopp von Nord Stream 2 fordert und öffentlich verkündet, man könne von einem solchen Staat wie Russland kein Gas beziehen, dann scheint er das wirklich wörtlich zu meinen. Denn in der Tat: Die USA beziehen kein Gas aus Russland. Sie beziehen stattdessen große Mengen Rohöl. Hier wurden die Liefermengen kürzlich sogar erhöht, und es ist überhaupt nicht die Rede davon, dass diese Importe eingestellt werden sollen. Man sieht also, es geht bei dieser Forderung nicht um Menschenrechte; es geht um die wirtschaftlichen Interessen von US-Konzernen. Ich muss sagen, ich finde es auch befremdlich, Herr Kollege Röttgen, dass Sie sich da eins zu eins die Argumente der US-Administration und der Frackingindustrie zu eigen machen. Was man hier leider sieht, ist, dass in der Außenpolitik eben oft doppelte Standards gelten. Es gibt viele, aber ich möchte nur ein Beispiel nennen: Ich erinnere mich noch gut daran, als im Jahr 2018 der regierungskritische Journalist Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul auf bestialische Weise ermordet worden ist. Damals hat von der Regierungsseite niemand gefordert, dass wir die wirtschaftlichen Beziehungen zu Saudi-Arabien abbrechen. Soviel ich weiß, beziehen wir nach wie vor unverändert Öl aus Saudi-Arabien. Damals war die Menschenrechtsfrage nicht so relevant, obwohl in diesem Fall ja auch handfeste Beweise vorgelegen haben. Diese Doppelstandards sind durchsichtig, und sie helfen nicht weiter, insbesondere nicht bei der Aufklärung dieses wirklich furchtbaren Verbrechens. Danke.
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Andreas Audretsch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Andreas
Audretsch
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Vielen Dank. – Was wir gerade gesehen haben, ist ein Muster, das wir vonseiten der AfD immer wieder sehen: zum einen das ewige Vermischen von Themen – egal worüber man spricht, es wird immer Hass und Hetze gegen Geflüchtete ausgepackt, jedes Mal und auch heute wieder –; zum anderen breiten Sie jedes Mal eine erstaunliche Faktenfreiheit aus. Was wir machen, ist, mit der Situation umzugehen, dass ganz viele Menschen unter das Asylbewerberleistungsgesetz fallen und keine Chance haben, da herauszukommen, weil es keinen Prozess gibt. Und was wir jetzt tun, ist, diesen Menschen den Zugang zu Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II und dem Sozialgesetzbuch XII zu öffnen, weil sie dann die Möglichkeit haben, in den Arbeitsmarkt einzusteigen, weil sie dann die Möglichkeit haben, Unterstützung zu bekommen, Schulungen zu bekommen, Weiterbildungen zu bekommen. Das Ziel ist, dass die Menschen, die jetzt hier sind, Teil unseres Arbeitsmarktes werden. Gehen Sie mal raus! Schauen Sie mal in die kleinen Betriebe! Sie alle brauchen Fachkräfte. Wir haben Fachkräfte hier. Wir haben Fachkräfte, die aus der Ukraine gekommen sind, hier. Wir wollen, dass sie Teil der Gesellschaft werden, dass sie an der Gesellschaft teilhaben und uns mit ihren Kenntnissen und mit allem anderen weiterbringen. Im Moment sind es noch einige Hunderttausend. Aber auch, wenn es 1 Million werden: Es ist der bessere Weg, Menschen hier eine Perspektive zu geben, es ist der bessere Weg, Menschen in die Gesellschaft, in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Wir alle werden davon profitieren. Das ist die Logik, die Sie nicht verstanden haben. Deswegen fangen Sie immer wieder an, hier das Pferd von hinten aufzuzäumen. Danke schön. Herr Kleinwächter, wollen Sie reagieren?
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Alois Rainer CDU/CSU
Alois
Rainer
CDU/CSU
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen heute in erster Lesung über die Änderung des Grundgesetzes, die Änderung der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland. Es gibt viele Gründe dafür; viele sind auch schon angesprochen worden. Ein Grund ist, dass es im Koalitionsvertrag verankert worden ist. Ich bin und bleibe ein großer Fan des Föderalismus in unserer Bundesrepublik Deutschland. Er wurde schon 1949 im Grundgesetz verankert. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn ich immer mal wieder höre, es gibt Schulhäuser, in denen die Toiletten nicht in Ordnung sind, dann mag das durchaus stimmen. Ich erinnere mich gerne an meine Zeit als Bürgermeister. Das war eine gute Lehrzeit. Ich kann an jeden Bürgermeister und auch an jede Landesregierung nur appellieren: Setzen Sie Prioritäten! Zeigen Sie nicht immer mit dem Finger auf den Bund! Fordern Sie nicht immer, der Bund soll sanieren! Denn es gibt Zuständigkeiten, und hier liegen sie nun einmal bei den Kommunen und bei den Ländern. Ja, wir wollen helfen, und das ist gut. Bisher hatten wir nur notleidenden Kommunen unter die Arme greifen können. In Zukunft sollen wir bei der Bildungsinfrastruktur jeder Kommune unter die Arme greifen können. Man kann sich seine Gedanken darüber machen. Ich hoffe, dass am Ende der Tage nicht wir im Deutschen Bundestag die Verantwortung für marode Schulhäuser tragen. Wenn es um Bildungsinfrastruktur geht, geht es auch um Investitionen in die Köpfe. Wir müssen uns darüber miteinander unterhalten. Aber ich denke, es wird schwierig werden, den Kultusministerinnen und ‑ministern unserer Bundesländer zu sagen, wie sie es machen sollen. Sie nehmen gerne das Geld, das wir für Investitionen zur Verfügung stellen, aber die Entscheidungen darüber sollen bei den Ländern liegen. Ich finde das auch gut. Ich weiß auch, dass sich die Kultusminister zum Beispiel schon länger über das Thema unterhalten, dass man die Abiturnoten in Deutschland harmonisieren könnte. Na ja, wenn man sich am bayerischen System orientiert, dann kann ich mir es durchaus gut vorstellen, dass das funktioniert. Aber andere Länder werden das nicht mitmachen. Ich bin stolz darauf, Mitglied dieser regierungstragenden Partei zu sein. Wir haben die kommunalfreundlichste Bundesregierung, die es je gab, schon in der letzten und auch in dieser Legislatur. Der Bund entlastet die Länder und Kommunen im Jahr 2018 um circa 75 Milliarden Euro. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist richtig gut. Das darf man auch einmal sagen. Für eine Grundgesetzänderung braucht man eine Zweidrittelmehrheit. Das finde ich gut. So ein wichtiges Gesetz braucht eine breite Mehrheit. Auch hier muss man sich noch unterhalten. Wir werden mit dieser Grundgesetzänderung die Möglichkeit schaffen, den Ländern mehr Geld zum Beispiel für den sozialen Wohnungsbau zu geben. Es wurde vorhin schon darüber gesprochen, welche Länder das zur Verfügung gestellte Geld bisher ordentlich eingesetzt haben. Ich hoffe, es folgen viele Länder dem Beispiel Bayerns, indem man das Geld, das der Bund für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung stellt, auch für den sozialen Wohnungsbau verwendet. Das ist unglaublich wichtig. Wir haben einen Wohnungspakt. Wir wollen zusätzliche bezahlbare Wohnungen bauen lassen. Wir lassen uns auch gerne in die Verantwortung nehmen, aber wir lassen nicht zu, dass sich die Länder aus ihrer Verantwortung stehlen. Das darf nicht passieren. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich fordere ausdrücklich: Wenn der Bund mehr Geld zur Verfügung stellt, dann brauchen wir verfassungsmäßig die entsprechende Kontrolle über das Geld, das wir zur Verfügung stellen. Es soll nämlich für den Zweck verwendet werden, für den wir es zur Verfügung stellen. Es soll der Grundsatz gelten: keine Leistung ohne Gegenleistung. Ich freue mich auf die kommenden spannenden Verhandlungen zu diesem Thema. Wir haben am Montag der nächsten Sitzungswoche eine Anhörung zu den geplanten Grundgesetzänderungen. Ich bin der Meinung, man sollte sich die Zeit nehmen, über diese wichtigen Änderungen unserer Verfassung ausführlich zu diskutieren. Vielen Dank. Der letzte Redner zu diesem Tagesordnungspunkt: der Kollege Tankred Schipanski, CDU/CSU-Fraktion.
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Jens
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Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, heute Abend hat die NATO mit Luftschlägen … in Jugoslawien begonnen. Damit will das Bündnis weitere schwere und systematische Verletzungen der Menschenrechte unterbinden und eine humanitäre Katastrophe im Kosovo verhindern. Der jugoslawische Präsident Milosevic führt dort einen erbarmungslosen Krieg … Wir führen keinen Krieg, aber wir sind aufgerufen, eine friedliche Lösung … auch mit militärischen Mitteln durchzusetzen … Das sagte Kanzler Schröder am 24. März 1999 dem deutschen Volk in einer Fernsehansprache. Die NATO griff die Bundesrepublik Jugoslawien unter der Beteiligung 14 deutscher Tornados an, ohne dafür ein UN-Mandat zu haben und ohne dass ein NATO-Mitgliedstaat angegriffen und so der NATO-Bündnisfall ausgelöst worden wäre. Von den damaligen und heutigen Befürwortern wird der Kosovo-Krieg als einer der ersten humanitären Kriegseinsätze bezeichnet und als Maßnahme zum Schutz vor weiteren Menschenrechtsverletzungen der jugoslawischen Sicherheitskräfte gerechtfertigt. Die serbische Regierung beklagte damals bei großen Teilen der albanischen Bevölkerung des Kosovo Abspaltungstendenzen und berief sich auf das Recht Serbiens, die seit 1997 auf dem damaligen Staatsgebiet mit Guerillamethoden agierende UCK zu bekämpfen. Zusammen mit Kanzler Schröder, Außenminister Fischer und Verteidigungsminister Scharping wurde an einer großen Lüge gestrickt, um diesen Krieg zu rechtfertigen. Eine dieser Lügen war das angebliche Massaker von Rogovo, der angebliche Hufeisenplan zur ethnischen Säuberung des Kosovo. Nach letztendlich geschätzten 3 500 Todesopfern endete 1999 die Bombardierung Serbiens damit, dass Milosevic nachgab, seine Truppen zurückzog und den Weg für die Stationierung von NATO-Truppen freimachte. Die Bundeswehr rückte daraufhin mit einem großen Kontingent gemeinsam mit seinen Verbündeten in das Kosovo ein. Seit über 18 Jahren steht die Bundeswehr im Kosovo, und wir beraten heute über eine Fortsetzung der deutschen Beteiligung an der internationalen Truppenpräsenz im Kosovo, kurz KFOR. Ich selbst durfte als Mitglied des zweiten Kontingents der KFOR die Zerstörungen und die verfeindeten Volksgruppen begleiten. Ich spürte den Hass der Albaner auf die Serben und die tiefe Angst der verbliebenen serbischen Bevölkerung im Kosovo. Die Bundeswehr hatte unter anderem den Auftrag, die verbliebenen Serben in Enklaven wie Velika Hoca und in Stadtteilen von Orahovac und Prizren zu schützen. Ich habe die brennenden Häuser von serbischen Familien, die geflohen waren, gesehen, von Albanern entzündet, um deren Rückkehr zu verhindern. Ich habe bestialisch ermordete Serben in Prizren gesehen. Auf der anderen Seite musste ich auch mit ansehen, wenn albanische Frauen die Kleidung ihrer getöteten Ehemänner aus dem Grab heraus identifizieren mussten. Ich habe die Mordlust in den Augen der albanischen Bevölkerung gesehen, mit ihren eindeutigen Gesten, wenn wir im Rahmen unseres Auftrages serbische Familien in Bussen eskortiert haben, die ihre Verwandten in Mitrovica im nördlichen Kosovo besuchen wollten. Warum sage ich das alles? Weil ich mich schon damals gefragt habe, ob eine reine Präsenz der Streitkräfte ausreicht, um dauerhaft Frieden in dieses Land zu bringen. Schon damals war mir klar: Hier muss eine nachhaltige politische Lösung angestrebt und gefunden werden. Im Jahr 2002 war ich dann Teil eines weiteren Kontingentes KFOR und konnte mir ein Bild von den angeblichen Erfolgen, die auch hier heute so angepriesen wurden, seit meiner ersten Einsatzzeit machen. Kriegsverbrecher und Mörder der UCK-Führung wie Hashim Thaci, die ich noch 1999 an Checkpoints kontrollierte, gehörten nun zur politischen Elite des Kosovo und sind heute Ansprechpartner für uns. Immer noch gab es Hass auf beiden Seiten. Sicherlich besserten sich die Infrastruktur und die Sicherheitslage des Landes – das nicht zuletzt durch die Unsummen an Hilfsgeldern, die an das Kosovo flossen und immer noch fließen –, aber eines war deutlich ersichtlich: An der politischen Lage hatte sich nichts, aber auch gar nichts verbessert. Korruption, Vetternwirtschaft und Kriminalität waren damals spürbar und sind heute immer noch ein fester Bestandteil des Kosovo, auch weil gerade die alten Kader der UCK immer noch in wichtigen Funktionen verankert sind. Der Kosovo war damals und ist heute aus meiner Sicht ein gescheiterter Staat. Dieses Elend sollte beendet werden. Wo sind die zukunftsweisenden politischen Lösungen, die dazu beigetragen haben, dieses Land in eine wie auch immer geartete – keine Zwischenfrage; Sie können, wenn Sie möchten, danach etwas fragen – friedliche Zukunft zu entlassen? Jeder einzelne Soldat hat stets seinen Auftrag im Kosovo erfüllt und sein Bestes gegeben – für alle Menschen, sei es für Serben, sei es für Albaner. Aber wo ist denn nun letztendlich die wirkliche politische Lösung für diesen Konflikt in Sicht? Es wurden seit damals Fakten geschaffen im Kosovo. Wir als AfD, wir stehen für Verstand statt Ideologie und Träumerei. Es gibt mit uns keinen Persilschein für einen unendlichen Einsatz deutscher Kräfte im Kosovo. Wie könnte eine realistische politische Lösung aussehen? Herr Kestner, achten Sie bitte auf die Zeit. Ja, ich komme zum Ende. – Eine ganz einfache Lösung wäre: der serbische Teil zu Serbien, der albanische Teil zu Albanien. Man könnte die Farce eines eigenständigen politischen Gebildes namens Kosovo beenden. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Peter Tauber.
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Bettina Margarethe Wiesmann CDU/CSU
Bettina Margarethe
Wiesmann
CDU/CSU
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Unsere Gesellschaft und unsere Grundansichten sind nicht starr, sondern verändern sich. Auch das Grundgesetz wurde immer wieder angepasst, seit 1949 mehr als einmal pro Jahr. Das ist lebendige Demokratie, und auf diese Elastizität, zu der auch ein Stück Widerstand gegenüber Moden gehört, können wir stolz sein. Warum brauchen wir ein Kindergrundrecht? Weil Kinder, Minderjährige für unsere Gesellschaft von elementarer Bedeutung sind. Sie sind nicht eh da, wie man früher gedacht hat, und sie sind kein Anhängsel; sie sind systemrelevant. Deshalb dürfen wir nicht hinnehmen, dass bis heute Kinder weder ausreichend geschützt noch angehört werden, wenn es um ihr Wohlergehen geht. Übrigens: Ohne soziale Kontakte und ohne Schule werden junge Menschen in ihrer Entwicklung beeinträchtigt. Wir müssen uns schon fragen, ob wir das in der Pandemie genügend beachten. Wir können das jedenfalls nicht allein den Eltern überlassen. Legislative, Exekutive, alle Ebenen sind gefragt. Dass Kinder alle Grundrechte beanspruchen dürfen, musste uns das Bundesverfassungsgericht seit 1968 mehrfach ins Stammbuch schreiben. Man kann das in den 154 Bänden der Entscheidungen suchen, oder man schreibt es eben doch an die richtige Stelle ins Grundgesetz, wo es von jedem gefunden und dann auch beachtet werden kann. Worum geht es uns dabei im Einzelnen? Erstens. Pflege und Erziehung sind Recht und Pflicht der Eltern. Sie haben die Erstverantwortung für ihre Kinder; das betonen wir in dem Entwurf nochmals und stärken damit das Elternrecht. Zweitens. Kinder sind in ihren Rechten und in ihrer eigenen Entwicklung zu achten und zu schützen. Selbstverständlich? Nein, das müssen wir manchen Eltern bis heute, aber vor allem auch vielen staatlichen Stellen hinter die Ohren schreiben. Ich will weder übergriffige Eltern noch einen übergriffigen Staat. Wir stärken die Kinder, ohne sie dem Staat auszuliefern, und natürlich stärken wir damit auch Familien. Drittens. Das Wohl des Kindes ist angemessen zu berücksichtigen. Jeden Tag sorgen Eltern als Treuhänder für das Wohl ihrer Kinder. Der Staat als Wächter muss das Wohl erst ermitteln; denn jedes Kind ist einzigartig. „Angemessen“ heißt deshalb, das Wohl des Kindes zu berücksichtigen – nicht ausschließlich, aber auch nicht nachrangig. Mehr verlangt übrigens auch die UN-Kinderrechtskonvention nicht. Damit verpflichten wir besonders den Staat zur Sorgfalt; das ist wichtig. Viertens. Kinder müssen rechtliches Gehör finden. Sie können sich kaum selber auf Artikel 103 Grundgesetz berufen. Staat und Justiz müssen Wege finden, um Kinder in Rechtssachen immer zu achten. In dieser Wahlperiode haben wir dazu viel auf den Weg gebracht, aber wir sind noch nicht am Ziel. Werden Kinder richtig beachtet, wenn sich Eltern scheiden lassen, wenn sie Jugendhilfeverfahren unterliegen, wenn sie missbraucht, misshandelt worden sind? Wir wissen das seit Langem, aber es dauert zu lange. Deshalb erhöhen wir mit dieser Grundgesetzänderung den Schutz und die Beteiligung der Kinder in eigener Sache. Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Regierungskompromiss weist einen klugen Weg. Kompromisse sind Errungenschaften aus vertiefter Debatte und der Bereitschaft, aufeinander zuzugehen. Bitte kommen Sie zum Schluss, Frau Kollegin. Das ist ein Wesenskern unserer Ordnung. Ich danke deshalb dem Koalitionspartner für die Bereitschaft bisher, und ich ermuntere Grüne, FDP und gern auch die Linken, auf die Koalition zuzugehen. Jetzt, bitte. Ihre Gesetzentwürfe lassen das zu. Ein guter Kompromiss wird realen Missständen abhelfen. Frau Kollegin Wiesmann, bitte. Es müssen auch die Zurückhaltenden unter uns diese Verantwortung wahrnehmen. Ich für meinen Teil werde jeden weiter loben, der dazu beiträgt, und ich bedanke mich. Gut. Vielen Dank, Frau Kollegin Wiesmann. – Nächste Rednerin ist die fraktionslose Kollegin Dr. Frauke Petry.
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Filiz Polat BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Filiz
Polat
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich möchte an die Stellungnahme der Kollegin anschließen. Es geht hier nicht nur darum, dass dies ein Lügenantrag ist. Aus dem Büro des Kollegen Abgeordneten Hebner sind mehrere Petitionen lanciert worden, die zutiefst antisemitisch sind und um deren öffentliche Mitzeichnung gebeten wird. Ich fordere auch die Fraktionen der Koalition auf, dem Antrag nicht zu entsprechen, dass diese Petitionen öffentlich behandelt werden, weil sie zutiefst antisemitisch sind. Sie kommen aus dem Büro des Kollegen Hebner und entsprechen der AfD-Kampagne, Verschwörungstheorien voranzutreiben. Zudem ist eine Mitarbeiterin der Bundestagsverwaltung diffamiert worden. Dazu müssen Sie sich erklären. Die Frage ist, ob Sie den entsprechenden Mitarbeiter entlassen haben. Herr Hebner.
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Benjamin Strasser FDP
Benjamin
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Selbstbestimmung in allen Lebenslagen, das ist nicht nur eine Lebenseinstellung, die ich als junger Mensch und Liberaler habe. Es ist ein Wert, auf den sich, glaube ich, ganz viele Kolleginnen und Kollegen in diesem Haus verständigen können; denn Selbstbestimmung ist auch Ausfluss der Würde eines Menschen. Und trotzdem ist nicht alles im Leben planbar und auch nicht alles im Leben selbstbestimmt. Es gibt Situationen, die uns sprichwörtlich aus der Bahn werfen: Drogen, Schulden, Depressionen, eine schwere körperliche Erkrankung. Es sind diese Grenzsituationen im Leben, die oftmals mit einer als unerträglich empfundenen Lebenssituation und vor allem einer tiefen Hoffnungslosigkeit einhergehen. Hoffnungslosigkeit engt uns ein und führt vor allem zu einer Einschränkung unserer Selbstbestimmung. Es gibt Menschen, die diese Situation als unerträglich empfinden und sich das Leben nehmen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil den assistierten Suizid legalisiert, uns aber auch vor schwerwiegende Fragen gestellt, und diese Fragen diskutieren wir aus meiner Sicht noch zu wenig: Was bedeutet selbstbestimmtes Sterben denn konkret? Und wie sichern wir als Gesetzgeber auch in Grenzsituationen den freien Willen des Einzelnen? Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sollten nicht dem Fehler unterliegen, Autonomie mit Autarkie zu verwechseln. Menschen sind keine autarken Wesen. Ob wir es wollen oder nicht, wir sind eingebunden in eine Gemeinschaft. Wir alle werden beeinflusst von unseren Wahrnehmungen und unseren Mitmenschen, im Positiven wie im Negativen. Wer also selbstbestimmtes Sterben ernst nimmt, der muss Menschen gerade in diesen Grenzerfahrungen effektiv vor missbräuchlichem Druck durch Dritte oder eine unausgesprochene gesellschaftliche Erwartungshaltung schützen. Das muss für uns als Gesetzgeber der Anspruch sein. Das Bundesverfassungsgericht selber erkennt in seiner Entscheidung an, dass von der Normalisierung des assistierten Suizids als Form einer Lebensbeendigung und dem Angebot der geschäftsmäßigen Suizidhilfe eine Gefahr für die Selbstbestimmung des Einzelnen ausgeht. Wir sollten deshalb aus meiner Sicht das Verbot der geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe weiter im Strafrecht regeln, um Missbrauch von Dritten bei der freien Entscheidung des Einzelnen effektiv zu unterbinden. Selbstbestimmtes Sterben ist ohne eine effektive Suizidprävention nicht denkbar. Den Betroffenen muss klar sein, welche Auswege es aus ihrer Hoffnungslosigkeit gibt. Der Zugang zu einem todbringenden Medikament darf nicht einfacher sein als derjenige zur Palliativversorgung oder zu anderen Angeboten. Ein einmaliges Beratungsgespräch, liebe Kollegen, ist keine Suizidprävention. Die bestehenden Angebote beispielsweise der Sucht- und Schuldnerberatung müssen effektiv ineinandergreifen und zeitnah zur Verfügung stehen. Und ja, zur Stärkung der Suizidprävention muss diese auch mit konkreten Maßnahmen unterlegt werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen nach dem Urteil handeln. Wir können die Menschen nicht im Ungewissen lassen. Kommen Sie zum Schluss. Aber echte Selbstbestimmung im Sterben zu gewährleisten, ist ohne ein wirksames Schutzkonzept, das vor Missbrauch schützt, nicht denkbar. Vielen Dank. Vielen Dank, Herr Kollege Strasser. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Kathrin Vogler aus der Fraktion Die Linke.
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Lothar Binding SPD
Lothar
Binding
SPD
Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben schon oft gehört, dass das Jahressteuergesetz diesmal Umsatzsteuerausfälle beim Handel mit Waren im Internet vermeiden will. Das deutet schon in eine ganz spezielle Richtung und macht deutlich, dass sich die Welt verändert. Ingrid Arndt-Brauer hat heute Mittag zu mir gesagt: Wie ist das eigentlich mit Wish Shopping? Diese Wish-Shopping-App kann man nicht mit einem Zollstock messen, die ist viel dramatischer. Dieses virtuelle Unternehmen ist ein Onlineunternehmen, das zur Hälfte einem Chinesen gehört, mit Sitz in San Francisco. Sie bezahlen per Sofortüberweisung über Klarna, einen schwedischen Online-Payment-Anbieter. Jetzt würde ich gerne von Ihnen, Frau Hessel, wissen: Wie würden Sie denn Ihrem Anspruch, dort die Umsatzsteuerumgehung zu vermeiden, genügen? Dazu interessiert uns Ihre Idee; das ist nämlich etwas richtig Kompliziertes. Dieser Gesetzentwurf ist deshalb so gut, weil er sich erstmals um so etwas kümmert. Das BMF hat versucht, der virtuellen Welt Herr zu werden. Wir haben neue Wettbewerber. Es gibt neue Steuerumgehungen. Die virtuelle Welt konkurriert mit der realen Welt, und das hat etwas mit uns zu tun – wir haben es schon gehört –, mit dem Einzelhandel, mit den Innenstädten, ja mit unserem Leben im Land. Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage? Ich führe es jetzt zu Ende; ich denke, das ist eine ganz geschickte Sache. Sie hatten schon auf die Zeit verwiesen; wir haben noch eine lange Debatte darüber. Fairer Wettbewerb geht verloren. Auf elektronischen Marktplätzen verletzen Anbieter aus Drittstaaten unser Steuerrecht. Das kann nicht sein. Auf die Details in diesem Zusammenhang gehe ich jetzt gar nicht mehr ein. Aber es ist völlig klar: Die Plattformbetreiber trifft erst mal keine Schuld. So ist es auch gar nicht gemeint. Nur, wenn sie in dieser Welt anbieten, müssen sie auch versuchen, sich sozusagen fair gegenüber der realen Welt zu verhalten. Deshalb: Wenn Betrug vorliegt, Steuerhinterziehung in dieser Welt an die Grenze der Normalität gerückt wird, dann sollen die Plattformen sich beteiligen, sollen Aufzeichnungspflichten erfüllen, sollen Steuernummern erheben, sollen Zeitpunkt und Höhe der Umsätze festhalten. Es muss klar sein: Hier gibt es eine Verantwortung derjenigen, die dort Geld verdienen; sie sollen auch helfen, die Steuer zu erheben. Von daher ist das ein sehr guter Ansatz. Zu Firmenwagen will ich nicht viel sagen. Natürlich kann man die bisherige Firmenwagenregelung kritisieren. In diesem Gesetzentwurf wird zumindest ein starkes Signal gesetzt in Richtung E-Mobilität – mit Sicherheit nicht für alle Zukunft, aber es ist ein starker Einstieg. Und wer in die richtige Richtung geht, der hat ein Lob verdient und keinen Tadel! Was wir noch machen und was sehr wichtig ist: Wir unterstützen Sanierungen. Das ist uns sehr wichtig; denn es geht um Arbeitsplätze. Wir sagen: Wenn Sanierungen gut gemacht werden, kann man Arbeitsplätze erhalten. Da geht es einmal – das haben wir schon gehört – um die Verlustnutzung, die wir neu regeln. Nun ist es ja so: Wenn ein Unternehmen Probleme hat, hat es Schulden. Wenn man Schulden hat, hat man Gläubiger. Wenn jetzt der Gläubiger auf die Begleichung der Schuld verzichtet, ist das praktisch ein Gewinn für das Unternehmen. Den müssten wir eigentlich besteuern, wollen ihn aber nicht besteuern. Denn derjenige, der auf die Begleichung der Schuld verzichtet, will das Unternehmen retten und Arbeitsplätze erhalten. Deshalb ist es ein guter Ansatz, zu sagen: Wir verzichten auf die Besteuerung dieser Sanierungserträge. Das ist eine gute Sache. Da merkt man schon, dass dieser Gesetzentwurf einen ganzen Strauß von neuen Bedingungen in den Blick nimmt. Last, but not least: Wir lösen auch Probleme, die im Sportbereich entstanden sind. Dachverbände können gemeinnützig und steuerbefreit sein. Wenn aber die Mitglieder steuerlich wirtschaftliche Tätigkeiten ausüben, dann könnte es sein, dass ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb entsteht. Dann muss natürlich der Dachverband diese Entwicklung bei seinen Mitgliedern berücksichtigen und kann nicht so tun, als ob gar nichts war. Der Bundesfinanzhof hat gesagt: Vorsicht, da habt ihr nicht aufgepasst, ihr habt etwas versäumt, da muss was passieren. – Jetzt sind wir in der Falle und müssen uns was Kluges überlegen, damit die Vereine und auch die Dachverbände eine handhabbare Lösung bekommen. Daran lasst uns arbeiten! Das wird keine leichte Sache. Ich denke dabei nicht nur an die Dachverbände des Sports. Gerechtigkeit heißt, auch an Kultur-, Sozial- und humanitäre Vereine sowie deren Dachverbände zu denken. Es ist immer klug, wenn man alles in den Blick nimmt. Schönen Dank, alles Gute und schönen Abend. Der letzte Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Sebastian Brehm, CDU/CSU-Fraktion.
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Fabian Jacobi AfD
Fabian
Jacobi
AfD
Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 25. März haben wir hier das COVID‑19-Insolvenzaussetzungsgesetz beschlossen, um die gesetzliche Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags für Unternehmen, die durch die staatlichen Coronamaßnahmen zahlungsunfähig oder überschuldet werden, für sechs Monate auszusetzen. Wir als AfD-Fraktion haben diesem Gesetz damals zugestimmt. Die Begründung dafür ist auch rückblickend richtig – Zitat –: Wer in dieser völlig unübersehbaren Lage um sein Unternehmen und um die Arbeitsplätze seiner Mitarbeiter kämpft, der soll bis auf Weiteres nicht auch noch mit der strafbewehrten Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags zusätzlich belastet werden. Zwei Dinge sind hier wichtig: zuerst einmal die seinerzeit in der Tat völlig unübersehbare Lage. Niemand konnte im März die weitere Entwicklung absehen: welche Formen und Ausmaße das Geschehen annehmen würde, welche Maßnahmen erforderlich werden würden, welche Folgen diese Maßnahmen für Unternehmen haben würden und welche staatlichen Hilfen es geben würde, um diese Folgen abzumildern. In dieser Situation größter Ungewissheit und wegen dieser Ungewissheit war die vorübergehende Aussetzung der Insolvenzantragspflicht richtig. Damit sind wir beim zweiten wichtigen Aspekt meiner damaligen Begründung: die Worte „bis auf Weiteres“. Für uns jedenfalls war schon damals klar, dass die Suspendierung einer für eine Marktwirtschaft so elementaren Regel wie der Insolvenzantragspflicht nur unter extremen Bedingungen erfolgen kann und dass sie zu enden hat, sobald diese extremen Bedingungen nicht mehr vorliegen. Das ist heute unseres Erachtens eindeutig der Fall. Die geschilderte Situation größter Ungewissheit, wie wir sie im März hatten, besteht schlicht nicht mehr. Das Geschehen hat seinen Lauf genommen, die ergriffenen Maßnahmen sind bekannt, ihre Auswirkungen sind bekannt, die zur Verfügung stehenden staatlichen Hilfen sind bekannt. Und nun kommen die Regierungsfraktionen und möchten die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht verlängern – nicht in Gänze, aber für den Insolvenzgrund der Überschuldung. Die nachzulesende Begründung des Gesetzentwurfs ist kurz, lapidar und oberflächlich: Es wird schlicht statuiert, eine Überschuldungsprüfung sei wegen der vermeintlich fortbestehenden Ungewissheiten gar nicht möglich, da könne man diesen Insolvenzgrund auch weiter unberücksichtigt lassen. – Das überzeugt uns nicht. Zum einen bleibt die pauschale Behauptung allgemeiner und fundamentaler Ungewissheiten ebendies: eine bloße Behauptung. Zum anderen wird die Begründung der Bedeutung des Insolvenzgrunds der Überschuldung nicht gerecht. Seine weitere Aussetzung liefe darauf hinaus, Unternehmen, deren Vermögen bereits heute ihre Verbindlichkeiten nicht mehr decken, weiter wirtschaften zu lassen und damit andere, die in Geschäftsverbindung mit diesen Unternehmen stehen oder noch treten, der Gefahr auszusetzen, bei einer später doch eintretenden Insolvenz mit in den Abgrund gezogen zu werden. Wenn die Regierungsfraktionen also nicht noch erheblich bessere Gründe für ihren Vorschlag liefern sollten als die, die man in dieser rudimentären Begründung bisher nachlesen kann, dann werden wir diesen Vorschlag voraussichtlich ablehnen. Schauen wir mal! Vielen Dank. Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächster Redner ist der Kollege Dr. Heribert Hirte, CDU/CSU-Fraktion. – Ja, ich weiß, dass der Kollege Hirte Professor ist. Aber wir haben uns darauf verständigt, dass die Professoren nur mit Doktor angeredet werden wollen.
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Christian Lindner FDP
Christian
Lindner
FDP
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten diesen Gesetzentwurf im Zusammenhang mit konkreten Maßnahmen. Anfang November sind einschneidende Freiheitseinschränkungen befristet für diesen Monat beschlossen worden. Wenige Tage, im Grunde Stunden nachdem diese eigentlich befristeten Maßnahmen beschlossen worden sind, wurde bereits aus der Spitze der Regierungskoalition infrage gestellt, ob diese Befristung tatsächlich Bestand haben kann. Am Montag dieser Woche wollte das Bundeskanzleramt selbst noch zusätzliche Freiheitseinschränkungen, ohne dass die bisherigen Beschränkungen bei Gastronomie, Kultur, Sport und Freizeiteinrichtungen konkret analysiert worden wären. Durch solche raschen Veränderungen von Positionen, Einschätzungen und Ankündigungen stellt man das unverändert große Vertrauen der Bevölkerung in die Politik unnötig auf die Probe. Unverändert fehlt eine dauerhaft durchhaltbare Risikostrategie. In den Beschlüssen von Bund und Ländern am Montag gibt es aber bereits eine Richtungsweisung. Wir haben bereits vor Monaten vorgeschlagen, besonders von gesundheitlichen Risiken Betroffenen FFP2-Masken zur Verfügung zu stellen. Wir begrüßen, dass die Regierung diesen Schritt jetzt geht; aber es müsste konsequenter erfolgen. Wir müssen die vulnerablen Gruppen konsequent schützen; denn das wäre ein Baustein, um Freiheits- und Gesundheitsschutz besser auszubalancieren als bisher. Das neue Infektionsschutzgesetz leistet zu einer durchhaltbaren Risikostrategie leider nur wenige Beiträge, etwa mit Blick auf die Teststrategie oder die Digitalisierung. Wir lehnen es aber insbesondere wegen seines § 28a ab. Er ist im Kern eine Aufzählung von Freiheitseinschränkungen. Diese Grundrechtseingriffe müssten nach dem Prinzip „Wenn-dann“ klar einer konkret definierten Situation zugeordnet werden. Nur dann können die Menschen staatliches Handeln einschätzen. Nur dann wissen auch Landesregierungen und Kommunen, welche Maßnahme in welcher Lage zu ergreifen ist. Es ist ein schweres Versäumnis von Union und SPD, dass diese klare Zuordnung unterlassen wird. Wie notwendig sie wäre, hat sich am Sonntag und Montag ja gezeigt: Bund und Länder haben sich beispielsweise über die Frage der Halbierung des Schulunterrichts zerlegt. In der Sache wie vom Verfahren her war das Vorgehen des Kanzleramtes fragwürdig. Wieder Millionen Familien im Stich zu lassen und gerade den Schwächsten ihr Bürgerrecht auf Bildung zu nehmen, das ist weder sinnvoll noch notwendig. Aber vor allem hat sie am Montag gezeigt, dass die gemeinsame Bewertungsgrundlage für die Lage und ein Verständnis über eine angemessene Reaktion fehlen. Wir, das Parlament, können in einer dynamischen Lage nicht täglich neu beurteilen. Aber wir können und wir müssen die Entscheidungen der Regierungen lenken und ihnen klare Leitplanken geben, wenn in Grundrechte eingegriffen wird. Der Entwurf von Union und SPD gibt der Regierung aber keine Leitplanken vor, sondern er stellt – im Gegenteil – einen Freifahrschein aus. Im Übrigen auch: Die alleinige Orientierung an der Zahl von 50 Infektionen pro 100 000 Einwohner ist willkürlich gegriffen. Sie spiegelt nur die aktuelle Personalsituation der Gesundheitsbehörden wider. Auch andere Kriterien müssen berücksichtigt werden, um die pandemische Lage einschätzen zu können. Insbesondere nach Verfügbarkeit eines Impfstoffs und der Impfung besonders gefährdeter Personen wird sich auch die Bewertung der Pandemie ändern. Die praktische Tauglichkeit Ihres Gesetzesvorschlags hat deshalb eine viel zu geringe Halbwertszeit. Zudem unterscheidet sich das Pandemiegeschehen regional. In Schleswig-Holstein gibt es andere Zahlen als in Bayern; deshalb muss ein regional differenziertes Vorgehen weiter möglich sein. Es kann eine Lage eintreten, in der auch empfindliche Grundrechtseingriffe nötig sind, empfindlichere sogar als im Moment. Es fehlt aber die Möglichkeit, dass sich beispielsweise Betriebe durch eine behördlich genehmigte Hygienekonzeption von Beschränkungen befreien können. Für Gastronomie und Kultur wäre das eine Chance auf Öffnung. Stattdessen gibt es in der Aufzählung von Union und SPD sogar überflüssige Maßnahmen wie eine allgemeine Ausgangssperre für Menschen. Vom Vor-die-Tür-Treten geht aber kein Infektionsrisiko aus. Halten Sie das im Normtext tatsächlich für erforderlich, selbst wenn es nur als Ultima Ratio gemeint ist? Für uns wäre Hausarrest für Menschen prinzipiell unverhältnismäßig, und deshalb sollte diese Maßnahme besser gar nicht im Gesetz erwähnt werden. Zu diesem und zu anderen Aspekten haben wir Ihnen konkrete Vorschläge unterbreitet. Es wäre im allgemeinen Interesse, wenn sich die politische Debatte schließlich auf Entscheidungen in der Sache und nicht schon auf die Rechtsgrundlage konzentrieren könnte. Im Frühjahr hatte sich die Regierungskoalition noch um Gemeinsamkeiten mit der Opposition bemüht. Jetzt, im Herbst, gab es nicht einmal ein Gesprächsangebot von Union und SPD, Herr Brinkhaus. Das ist die Entscheidung des zuständigen Fachministers und der Regierungsfraktionen. Es gibt auch keine Verpflichtung für Sie, den Austausch mit der Opposition zu suchen. Aber die Suche nach Gemeinsamkeiten hier im Haus, das wäre zugleich ein Beitrag zur Befriedung eines gesellschaftlichen Konflikts gewesen. Nächster Redner ist der Kollege Jan Korte, Die Linke.
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Dr.
Dr. Carsten Linnemann CDU/CSU
Carsten
Linnemann
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Weltwirtschaft ist mit dem Coronavirus infiziert. Länder auf diesem Globus, die über 50 Prozent des weltweiten Bruttosozialproduktes erwirtschaften, befinden sich derzeit im Lockdown. Das trifft unsere Wirtschaft mit voller Wucht. Es geht auch ins Mark, gerade für den Mittelstand, der sehr stark exportorientiert ist und unter den abgebrochenen oder unterbrochenen Lieferketten leidet. Es trifft unsere ganze nationale Wirtschaft. Wir haben Branchen, die derzeit keine Umsätze machen, aber laufende Kosten haben. Ich denke da an die Veranstalter, an den Einzelhandel, an die Gastronomie, an das Reisegewerbe, an Schausteller, Messebauer, Hotels und vieles mehr. Der Arbeitsmarkt – das muss man nüchtern sagen – ist heute um ein Vielfaches heftiger getroffen als bei der letzten Rezession 2008/2009. Wir haben heute über 700 000 Firmen und Unternehmen, die das Instrument Kurzarbeit nutzen; das ist fast ein Drittel aller Unternehmen in Deutschland. Das geht ins Mark. Darauf hat die Regierung reagiert, unterm Strich – bei aller Kritik – richtig. Die CDU/CSU-Fraktion – das hat auch Ralph Brinkhaus eben deutlich gemacht – unterstützt das Vorgehen. Nur, klar ist auch – auch das wurde deutlich –: Unsere Möglichkeiten sind nicht unendlich, sondern endlich. Wir können nicht monatelang – das wissen wir alle – so weitermachen, als gäbe es kein Morgen. Auch unser Staat kommt irgendwann an seine Grenzen. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns heute Gedanken auch über die Zeit nach Corona machen: Welche Trends gibt es? Wie wird die Entwicklung sein? Ich sehe vor allen Dingen drei Trends. Erstens. Die Welt wird digitaler sein. Unternehmen und Staaten erleben gerade – das hat die Kollegin Katja Leikert gesagt – einen Crashkurs in E-Commerce, in digitalem Arbeiten und digitaler Kommunikation. Zweitens. Die globalen Lieferketten werden sich neu ordnen, die Lagerhaltung wird zunehmen. Das macht etwas aus für ein Unternehmen: Das Unternehmen wird auf der einen Seite widerstandsfähiger sein, aber auf der anderen Seite auch weniger profitabel. Jetzt kommt ein dritter Punkt, und der ist für mich zentral: Es wird einen Konzentrationsprozess in der Wirtschaft geben, flankiert mit dem Umstand, dass der Staat sich mehr einmischt, sich mehr beteiligt, mehr umverteilt. Dieses beides zusammen – ein Konzentrationsprozess in der Wirtschaft und ein ausgeweiteter Staat – mag im Einzelfall notwendig, ja, sogar richtig sein – das sehen wir im Moment –, aber langfristig ist das natürlich Gift für Wachstum, Wohlstand und Beschäftigung. Deswegen – das ist meine Überzeugung – brauchen wir jetzt in dieser Krise ein kluges Vorgehen. Wir müssen akut helfen. Dabei geht es vor allen Dingen um Liquidität. Das, was heute Nacht beschlossen wurde – Stichwort „Verlustverrechnung im steuerlichen Bereich“ –, ist absolut richtig; das ist eine absolut richtige Maßnahme. Hier müssen wir weiterkommen. Wir müssen daneben die Sozialversicherungsbeiträge länger stunden; hier ist Mai zu früh. Auch die Abschaffung der Vorfälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge ist jetzt, denke ich, ein zielgerichtetes Instrument, um der Wirtschaft zu helfen. Wir müssen auch europäisch helfen, und zwar mit voller Wucht. Der Kollege Rehberg hat das, wie ich finde, richtig angesprochen. Wir müssen erstens mit viel Geld helfen, aber – auch das wurde deutlich – wir dürfen Solidarität nicht mit Haftungsvergemeinschaftung verwechseln. Wir müssen zweitens den Firmen eine Perspektive geben, sodass sie genau wissen, unter welchen Auflagen und Bedingungen sie langsam wieder Fahrt aufnehmen können. Drittens müssen wir den Exit vorbereiten. Wir müssen immer wissen, dass die Instrumente, die wir jetzt auf den Weg bringen – ich denke hier beispielsweise an den Wirtschaftsstabilisierungsfonds mit Staatsbeteiligung –, immer befristet sind und dass wir da wieder herausmüssen. Die soziale Marktwirtschaft kann das auf Dauer nicht aushalten, und wir müssen allen entgegentreten, die eine Verstaatlichung von Unternehmen und eine Vergemeinschaftung von Haftung vorantreiben wollen. Die soziale Marktwirtschaft – um das ganz klar zu sagen – ist und bleibt unser Erfolgskonzept – vor der Krise, in der Krise und nach der Krise. Vielen Dank. Vielen Dank. – Letzter Redner in der Debatte ist für die Fraktion der CDU/CSU der Kollege Dr. Georg Nüßlein.
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Linda Teuteberg FDP
Linda
Teuteberg
FDP
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatten über die Themen der Anträge, die bei diesem Tagesordnungspunkt zu beraten sind, nämlich die Frage der Gemeinnützigkeit politischer Organisationen und Fragen des Linksextremismus, sind voll von Missverständnissen und Doppelmoral. Zu den Missverständnissen gehört, dass es eine scharfe Trennlinie zwischen Gemeinnützigkeit und politischem Engagement gäbe. Nein, anders wird ein Schuh daraus. Aus guten Gründen sieht unser Grundgesetz die politischen Parteien als besondere Organisationsform für das politische Engagement mit allgemeinpolitischem Mandat vor. Auch das ist ein gemeinnütziges Engagement, aber eben ein besonderes, das aus guten Gründen, aus historischer Erfahrung, durch die Verfassung besonders erwähnt und geschützt wird. Und aus guten Gründen gibt es deshalb auch hohe Anforderungen, die an Parteien gestellt werden. Sie betreffen vor allem die demokratische Verfasstheit der Parteien und weitgehende Rechenschafts- und Transparenzpflichten – Pflichten, die andere Vereine so nicht haben, das allerdings aus gutem Grund. Ein Beispiel für die Doppelmoral in der Debatte darüber ist ein Treffen von NGOs 2019 in der Brandenburger Landesvertretung – Zivilgesellschaft im Regierungsgebäude: schon interessant und bezeichnend –, die nicht verlegen waren, konkrete Formulierungshilfen für ihre Vorstellungen von Gemeinnützigkeitsrecht zu geben. Dabei ging es um Steuerbegünstigungen, die sonst, wenn es um andere geht, gern als Teufelszeug geschmäht werden, frei nach dem Motto: Lobbyisten sind immer nur die anderen. Wir brauchen eine versachlichte Debatte über dieses Thema, eine sinnvolle Reform des Gemeinnützigkeitsrechts – in der nächsten Legislaturperiode nämlich –, und daran gibt es einige Anforderungen. Zum einen darf das Gemeinnützigkeitsrecht kein Schlupfloch für intransparente Parteienfinanzierung sein, die am Parteienrecht vorbei funktioniert. Es muss aber sinnvolle Rahmenbedingungen für vielfältiges ehrenamtliches Engagement jenseits der Parteien geben – auch dies muss das Gemeinnützigkeitsrecht leisten –, und es muss sinnvoll differenziert werden zwischen einerseits dem Brauchtum, das das Grundgesetz eher überwinden will, wie exklusive Männerklubs, und andererseits zum Beispiel Chören, die sich in Ausübung ihrer Kunstfreiheit dafür entscheiden, entweder Männer- oder Frauenchöre zu sein. Da gibt es genug sinnvolle Differenzierungen für die, die sich dabei Mühe geben wollen. Eine solche sinnvolle Reform brauchen wir in der nächsten Legislaturperiode. Wichtig ist mir bei dem Thema allerdings auch: Es wird so gern über Shrinking Spaces, über schrumpfende Räume für zivilgesellschaftliche Organisationen, geklagt. Schrumpfende Räume gibt es zum Teil auch für die ehrenamtlichen Aktiven in politischen Parteien, wenn in unseren Kommunen öffentliche Räume zunehmend so gewidmet werden, dass sie nicht mehr an Parteien vermietet werden. Dabei braucht Demokratie Räume, um sich zu versammeln, um gerade den demokratischen Pflichten gerecht zu werden. Und deshalb: Aus Angst vor extremistischen Parteien die Bewegungsfreiheit aller politischen Parteien zu beschränken, ist der falsche Weg. Verfassungspatriotismus im besten Sinne und Daseinsvorsorge für unsere Demokratie, zu der politische Parteien gehören, ist vielmehr, hier für gute Rahmenbedingungen zu sorgen. Deshalb fand ich es auch schade, Herr Kollege Schrodi, dass Sie das wohlfeile Verhalten gezeigt haben, das man so oft mitbekommt, und „Parteipolitik“ so pauschal als Schimpfwort genutzt haben. Man kann immer am konkreten politischen Handeln Kritik üben; aber Parteipolitik ist etwas, was unser Grundgesetz will, und wir sollten uns selbst nicht daran beteiligen, das verächtlich zu machen. Kollegin Teuteberg, kommen Sie bitte zum Schluss. Genau. – Abschließende Bemerkung zum Linksextremismus, der ja auch in den Anträgen zu diesem TOP angesprochen ist. Er ist kein „aufgebauschtes Problem“, wie es die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern mal gesagt hat; er ist eine ernste Gefahr für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung. Kollegin Teuteberg, meines Wissens halten Sie heute nicht Ihre letzte Rede. Das heißt, die Toleranzgrenze ist überschritten. Gewalt kann keine Rechtfertigung in Gemeinnützigkeit finden. Wir brauchen Menschen, die sich friedlich engagieren, und eine Reform der Rahmenbedingungen dafür. Vielen Dank. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte wirklich darum, die vereinbarten Redezeiten einzuhalten und nicht zu überschreiten. Sie wissen: Wir haben eine Vereinbarung im Präsidium, was Verabschiedungen oder letzte Reden betrifft. Aber das setzt voraus, dass alle anderen sich bitte auch an die Spielregeln halten. Das Wort hat die Kollegin Ute Vogt für die SPD-Fraktion.
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Dr.
Dr. Manja Schüle SPD
Manja
Schüle
SPD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Herr Sattelberger, ich bin begeistert und ich freue mich über Ihren Antrag, wirklich wahr. Wissen Sie auch, warum ich so ein wohliges und neugieriges Gefühl hatte, als ich den Antrag gelesen habe? Weil ich ihn vor sechs Monaten schon einmal gelesen habe, nämlich bei acatech, bei der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften. Aus diesem Konzept haben Sie passagenweise wortwörtlich abgeschrieben. Aber das sei Ihnen gestattet. Ich freue mich: Das war eine tolle Idee. Eingangs sei mir aber auch die Bemerkung gestattet, lieber Herr Sattelberger – das kam ein bisschen zu kurz –: Deutschland ist kein Lummerland für Innovation und Forschung, sondern Deutschland gehört zu den zehn forschungsintensivsten Volkswirtschaften der Welt. 650 000 Beschäftigte aus Wissenschaft und Forschung garantieren, dass wir beim Anteil weltmarktrelevanter Produkte und Patente gut dastehen und der Umsatz mit Produktinnovationen steigt. Aber das stellt uns nicht zufrieden – richtig –; denn in unserer Innovationslandschaft fehlen die Sprunginnovationen, also Innovationen, die das Potenzial haben, komplette Dienstleistungen oder Produkte vom Markt zu verdrängen oder durch andere zu ersetzen. Ja, da brauchen wir Rahmenbedingungen für wagemutige Forscher und Entwickler; denn Glühbirnen, MP3 – das haben Sie auch gesagt – oder LED wurden nicht von einsamen Tüftlern erfunden, die plötzlich einen Heureka-Moment hatten, sondern durch Kooperationen, Mut und Kreativität. Weil wir das wissen, haben wir uns im Koalitionsvertrag, anders als Sie es in Ihrem Antrag beschrieben haben, auf neue Instrumente zur Förderung von Sprunginnovationen verständigt. Das wissen Sie, lieber Herr Sattelberger. Darüber haben wir nämlich schon zweimal im Ausschuss gesprochen. Ich werde jetzt nicht jede Forderung des acatech-Papiers zitieren, die in Ihrem Antrag steht. Nein, ich habe einmal geguckt, welche Teile Sie nicht übernommen haben oder welche Sie hinzugefügt haben. Da fällt mir auf: Sie wollen eine Agentur mit einer größtmöglichen Distanz zur politischen Steuerung. Sie sagen, dass Scheitern „ein Indikator für Experimentierfreude, Agilität und Innovationsdrang“ ist. Das Ganze garnieren Sie dann ganz hübsch in Ihrem gestrigen Interview, in dem Sie wörtlich sagen: Vor allem müssen wir die etablierten Kontrolleure in Schach halten. Wir müssen dem Rechnungshof klarmachen: Hier bist du nicht gefragt. Lieber Herr Sattelberger, bei aller Wertschätzung, der Bundesrechnungshof ist nun wirklich keine Frittenbude, die man als Zaungast außen vorlässt, sondern der Bundesrechnungshof sorgt dafür, dass öffentliche Gelder, also Gelder unserer Steuerzahler, rechtmäßig verwendet werden. Lieber Herr Sattelberger, an dieser Stelle kommen wir ganz sicherlich nicht zusammen; denn „Digital first. Bedenken second“, Ihr Wahlkampfslogan, ist nicht die Art von Politik, die mir vorschwebt. Im Übrigen werden Sie mit Ihrer Haltung auch bei acatech keine Freunde finden; denn die Autoren haben klar und deutlich gesagt: Öffentlich finanzierte Einrichtungen sind dem Steuerzahler gegenüber verantwortlich. Wir müssen ein Organisationsmodell finden, das dem Rechnung trägt, was nicht trivial ist. – Ja, Herr Sattelberger, Sie kommen gleich dran. Noch eine Forderung in Ihrem Antrag stößt mir bitter auf. Sie schreiben, private Investoren scheuen das Risiko. Gleichzeitig fordern Sie, dass die Agentur für private Investoren geöffnet wird. Ihrer Logik folgend müsste ich also erst einmal das Risiko minimieren, auf das private Investoren in meine Agentur einzahlen sollen. – Nein. – Da frage ich Sie ganz ehrlich: Was machen Sie denn an dem Punkt, an dem die Agentur scheitert? Was machen Sie an dem Punkt, an dem die Agentur Erfolg hat? Wer soll sie denn verwerten, der Markt oder der Staat? Ganz ehrlich kann ich nur sagen: Mit uns gibt es eine Vergemeinschaftung des Risikos und eine Privatisierung des Erfolges nicht. Wir werden unternehmerisches Risiko nicht einseitig auf den Steuerzahler abwälzen. Sich mit dieser Frage auseinanderzusetzen, macht dann eben doch den Unterschied zwischen einer Fraktion, die in Regierungsverantwortung steht, und einer Fraktion, die aus lauter Angst, falsche Politik zu machen, lieber in die Opposition geht. Lieber Herr Sattelberger, ich verspreche Ihnen, mit dem Bundesministerium zusammen und auch mit den Kollegen von den Unionsfraktionen werden wir die Probleme aus dem Weg räumen; denn uns sind dornige Chancen auch nicht ganz unbekannt. Sehr geehrte Damen und Herren, Martin Stratmann, Präsident der Max-Planck-Gesellschaft und Mitinitiator dieses Papiers, hat unlängst in einem Interview gesagt: „Wissenschaft lebt von dem Unerwarteten.“ Ihr Antrag, liebe Kollegen von der FDP, ist alles andere als unerwartet. Er ist der sehr erwartbare Versuch, ein Thema für sich zu vereinnahmen, auf das sich die Große Koalition schon längst verständigt und an dem auch schon längst intensiv gearbeitet wird. Kommen Sie bitte zum Ende. Wenn Sie, lieber Herr Sattelberger, kritisieren, dass das Ministerium 2012 geschlafen hat, dann muss ich Sie ehrlicherweise fragen: Wer hat denn 2012 regiert? Herzlichen Dank. Vielen Dank, Dr. Manja Schüle. – Nächste Rednerin für die Fraktion Die Linke: Dr. Petra Sitte.
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René Röspel SPD
René
Röspel
SPD
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich muss den Haushältern Kompliment und Lob aussprechen: Sie haben wirklich noch mal ein paar richtig gute Dinge finanziert. Dass wir jetzt 114 Millionen Euro für den Start der Agentur für Sprunginnovationen bekommen haben, ist, finde ich, ein richtiger Ansatz. Ich will noch mal in Erinnerung rufen: Unser Koalitionsvertrag ist gerade mal ein halbes Jahr alt. Die Agentur für Sprunginnovationen innerhalb eines halben Jahres von der Idee bis hin zur Finanzierung auf den Weg gebracht zu haben, ist so schlecht nicht, wie der Westfale sagt. Von daher ist das schon ganz gut gelaufen. Frau Beer, nach Ihrem Beitrag habe ich feststellen müssen, wie gut die SPD eigentlich in ihrer Oppositionszeit war. Denn wir haben es so gehandhabt: Wenn wir Anträge gestellt haben, haben wir uns mit anderen Arbeitsgruppen immer darüber abgestimmt, was wir wirklich fordern und tatsächlich finanzieren können. – Von der FDP höre ich gerade: 114 Millionen Euro sind offenbar nicht genug. Es müssen 3 Milliarden Euro sein, wie in den USA. Gleichzeitig will die FDP aber die Steuern senken und die Schulden abbauen. Das, finde ich, ist keine seriöse Oppositionspolitik. Es ist gut, dass wir regieren; denn wir machen eine solide und seriöse Finanzpolitik. Sehr freue ich mich darüber, dass wir 10 Millionen Euro mehr im Bereich Arbeitsforschung für „Arbeit an und mit Menschen“ bekommen haben. Es ist total wichtig, in diesen Bereich mehr zu investieren, um zu schauen: Wie werden wir eigentlich in einigen Jahren und Jahrzehnten arbeiten? Und wie setzen wir das mit Menschen um, damit nicht Maschinen über uns bestimmen, sondern immer noch wir die Hoheit über Maschinen haben? Eine letzte Zahl will ich noch nennen: Dass wir jetzt 500 Millionen Euro für die Strategie Künstliche Intelligenz zur Verfügung haben, ist auch ein großer Schritt. Aber ich will auch mal deutlich sagen: Es ist ja nicht so, als würden wir in Deutschland erst jetzt mit Forschung im Bereich künstliche Intelligenz anfangen. Das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz in Kaiserslautern ist 30 Jahre alt. Es gibt viele Wissenschaftsorganisationen und Institute, die im Bereich künstliche Intelligenz bereits forschen, und zwar auf einem international sehr hohen Niveau. Wenn man in die Industriebetriebe geht, wird man feststellen, dass Industrie 4.0 in vielen Bereichen schon selbstverständlich ist und Deutschland sich da nicht verstecken muss. Trotzdem ist es natürlich gut, dass die 500 Millionen Euro an dieser Stelle bereitgestellt werden. Nach dem vielen Lob für die Haushälter will ich aber auch Kritik äußern. Ich muss ausdrücklich sagen, dass ich das Sperren von 25 Prozent der Helmholtz-Betriebsmittel, bis die Selbstbewirtschaftungsmittel aufgebraucht sind, nicht nachvollziehen kann und auch für einen Fehler halte. Ich kann über den einstimmigen Beschluss, der im Haushaltsausschuss getroffen worden ist, nur den Kopf schütteln. Den Schweizer Wissenschaftler, der sagt, dass er das für ein desaströses Signal an die Wissenschaftsgemeinschaft hält, will ich jetzt nicht zitieren. Ich kann an dieser Stelle nur die Möglichkeit nutzen, die Haushälter aufzufordern, jetzt ganz schnell Gespräche mit den Betroffenen zu suchen; denn sie sind im Moment wirklich desorientiert und wissen nicht, was sie falsch gemacht haben. Nachdem wir ganz viel über Zahlen gesprochen haben, sollte vielleicht auch noch einmal herausgestellt werden: Von den 500 Millionen Euro für künstliche Intelligenz kaufen wir nicht nur Maschinen oder bauen nur neue Gebäude, sondern dabei handelt es sich um Investitionen in Köpfe. Wir motivieren und unterstützen junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den unterschiedlichen Forschungsbereichen, sodass sie jetzt verlässlich arbeiten können. Ich bin jetzt an dem entscheidenden Punkt: Gute Forschung in Deutschland, erfolgreiche Wirtschaftspolitik ist nur möglich, wenn wir gute Bildung hinkriegen. Ich sage ausdrücklich: Ich bin davon überzeugt, dass die Nobelpreisträger aus Deutschland von morgen gerade geboren werden, im Kindergarten, in der Schule oder schon auf der Universität sind. Wir kennen sie aber noch nicht. Es geht darum, keinen von denen zu verlieren. Deswegen ist die SPD seit Beginn ihrer Existenz immer darauf aus gewesen, zu sagen: Bildung ohne Herkunft! Es darf nicht sein, dass zum Beispiel jemand von den Jugendlichen, die oben auf der Tribüne sitzen, nicht studieren kann, nicht das Beste aus sich machen kann, weil das Geld nicht da ist. Deswegen haben wir Ganztagsschulen ausgebaut; deswegen haben wir vor 40 Jahren das BAföG eingeführt, damit eben auch Arbeiterkinder studieren können. Zum Vergleich: Das Modell, das die AfD im Ausschuss geliefert hat, beinhaltet, BAföG um ein Drittel zu kürzen, mit der Begründung, man wolle die Studierendenquote wieder auf einen angemessenen Wert reduzieren. – Was heißt das denn, wenn das BAföG gesenkt wird? Dass die Kinder von reichen Eltern, dass meine Kinder getroffen werden? Nein! Es heißt, dass die Menschen, die auf BAföG angewiesen sind, künftig nicht mehr studieren sollen. Das ist ein Modell, das in die Vergangenheit führt. Das wollen wir nicht. Wir wollen ein Deutschland, das modern in die Zukunft geht. Vielen Dank. Vielen Dank, René Röspel. – Dann schließe ich die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 30 – Bundesministerium für Bildung und Forschung – in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Dann enthält sich niemand. Der Einzelplan 30 ist angenommen. Zugestimmt haben die Fraktionen von SPD und CDU/CSU, dagegengestimmt haben die Fraktionen Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und AfD. Ich bitte um Aufmerksamkeit: Die heutige Tagesordnung soll um die Beratung einer Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung auf Drucksache 19/5958 zu einem Antrag auf Genehmigung zur Durchführung eines Disziplinarverfahrens erweitert und diese jetzt gleich als Zusatzpunkt 4 aufgerufen werden. Dieses Verfahren entspricht einer langjährigen Praxis hier im Deutschen Bundestag. Erhebt sich dagegen Widerspruch? – Ich sehe das nicht. Dann ist das so beschlossen. Ich rufe den soeben aufgesetzten Zusatzpunkt 4 auf: Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (1. Ausschuss) Antrag auf Genehmigung zur Durchführung eines Disziplinarverfahrens Drucksache 19/5958 Eine Aussprache ist dazu nicht vorgesehen. Der Ausschuss empfiehlt, die Genehmigung zu erteilen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Gibt es Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist einstimmig angenommen. Jetzt sind wir tatsächlich am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Freitag, den 23. November 2018, um 9 Uhr, ein. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend, wie und mit wem Sie ihn verbringen. Die Sitzung ist geschlossen. (Schluss: 18.45 Uhr)
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Dr.
Dr. Johann David Wadephul CDU/CSU
Johann David
Wadephul
CDU/CSU
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jeder hier im Hause weiß, dass dies ein schwieriger, ein blutiger und einer unserer am längsten geführten Einsätze ist und – da knüpfe ich an die Ausführungen der Kollegin Özoğuz an – dass wir uns in der Tat jedes Mal wieder verantwortlich neu der Frage stellen müssen, ob der Einsatz gerechtfertigt ist. Ich sage für die CDU/CSU-Fraktion – erstens –: Die Begründung dieses Einsatzes – auch wenn Sie versuchen, das zu diskreditieren – besitzt Gültigkeit. Wir haben viel erreicht in diesem Land. Wir haben dafür gesorgt, dass Kinder wieder unterrichtet werden, dass Frauen nicht weiter misshandelt und unterdrückt werden. – Dass Ihnen möglicherweise eine Beendigung der Unterdrückung der Frauen in Afghanistan nicht am Herzen liegt, nehmen wir zur Kenntnis. Für uns ist das wichtig; es ist ein Fortschritt im Sinne der Humanität, der erreicht worden ist, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wir unterstützen die afghanischen Streitkräfte. Und: Sie sollten die Staatlichkeit Afghanistans nicht so infrage stellen, welches selber in den letzten Monaten zum Teil Verluste von bis zu 600 Soldaten im Monat hatte. Das heißt: Das afghanische Volk kämpft für eine neue Gemeinschaft und einen neuen Staat, kämpft gegen Terrorismus und für eine stabile Staatlichkeit. Wir sollten die Afghanen in dieser Situation nicht im Stich lassen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Herr Wadephul, gestatten Sie eine Zwischenfrage? Nein. Zweitens. Wir stehen jetzt vor der Möglichkeit – man kann darüber diskutieren, ob es frühere Möglichkeiten oder Notwendigkeiten gegeben hätte –, zu einer friedlichen Einigung zu kommen. Sowohl die Russen als auch die Amerikaner führen mit erheblicher Verspätung unter Einbeziehung der Taliban – das ist richtigerweise gesagt worden; auch das hätte man früher sagen können; ich meine, Kurt Beck hat das schon vor vielen Jahren gesagt, er ist damals zu Unrecht verlacht worden – Friedensgespräche. Auch die afghanische Regierung muss in diesen Prozess eingeschlossen werden. Das ist die Linie der deutschen Außenpolitik. Das vertreten wir auch im europäischen Rahmen. Gerade in dieser Situation – das möchte ich zur vorangegangenen Rede sagen –, in der es die Chance auf eine friedliche Einigung gibt – es liegt im Interesse vieler, zu einer friedlichen Einigung zu kommen, an der auch Pakistan beteiligt wird, das vielleicht auch seinen Teil der Verantwortung besser erkennt als noch vor einiger Zeit –, muss Deutschland standhaft bleiben und kalkulierbar sein. Gerade in dieser Situation dürfen wir unseren militärischen Einsatz nicht infrage stellen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Zum Entschließungsantrag der Freien Demokraten möchte ich sagen – darüber haben wir schon mehrfach, auch im Auswärtigen Ausschuss, fruchtbare Diskussionen geführt –: Natürlich muss der Einsatz ressortübergreifend evaluiert werden, um zu konkreten Ergebnissen zu kommen. Insofern können wir – Sie werden das verstehen – Ihrem Entschließungsantrag nachher nicht zustimmen, aber ich will darauf verweisen, dass es in unserer gemeinsamen Diskussion bei den von Ihnen aufgeworfenen Fragen große Übereinstimmung gibt. Der letzte Punkt, der von Bedeutung ist – darüber wurde in den letzten Tagen diskutiert –: Wie verlässlich ist Deutschland im Bündnis? Angesichts mancher kritischen amerikanischen Wortmeldung sollten wir noch einmal betonen: Der Einsatz der NATO und auch der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan waren von Beginn an ein Musterbeispiel für internationale Solidarität und gemeinsames Handeln. Zeitweise waren Soldatinnen und Soldaten aus rund 50 Nationen Schulter an Schulter im Einsatz. Es war der erste Artikel‑5-Einsatz des gegenseitigen Beistandleistens der NATO. Deutschland hat keine Sekunde gezögert, an der Seite der Vereinigten Staaten von Amerika für mehr internationale Sicherheit zu sorgen. Seit 2002 sind wir dort mit unterschiedlichen Koalitionsmehrheiten ununterbrochen im Einsatz. Wir sind der zweitgrößte Truppensteller und bleiben auch in dieser entscheidenden Situation, in der es Friedensverhandlungen gibt, kalkulierbar im Einsatz. Deswegen ist es anlässlich manch einer Diskussion, die im Bündnis geführt wird, in der kritische Bemerkungen aus Washington kommen, vielleicht wichtig, zu sagen: Wir Deutsche sind verlässlich. Unsere Bundeswehr leistet mit Selbstbewusstsein ihren Beitrag im Bündnis. Wir brauchen uns nicht vorhalten zu lassen, wir müssten mehr tun. Nein, Deutschland ist sicherheitspolitisch präsent. Abschließend möchte ich sagen: Ich finde, wir sollten uns hier im Hause nicht teilen lassen. Wir sollten auch nicht zwischen den Soldaten unterscheiden: zwischen Mannschaftsdienstgraden, Unteroffizieren und Offizieren, die dort ihren Dienst leisten. Mein Dank gilt allen Soldatinnen und Soldaten. Wir stehen hinter allen Soldatinnen und Soldaten, die dort ihren Einsatz geleistet haben. Wir betrauern den schrecklichen Verlust vieler Kameradinnen und Kameraden, die tapfer dort gekämpft haben. Wir sollten zum Ausdruck bringen, dass der Deutsche Bundestag geschlossen hinter diesem Einsatz steht. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion der FDP der Kollege Bijan Djir-Sarai.
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Marian Wendt CDU/CSU
Marian
Wendt
CDU/CSU
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Schulz, es ist schön, dass wir Sie wieder hier im Plenum dabei haben. Es ist schön, zu sehen, dass es Ihnen allmählich besser geht. Ich muss ehrlich sagen: Als ich den Antrag las, traute ich so recht meinen Augen nicht. So wenig passt er doch aus meiner Sicht zum traditionellen Leitbild der FDP. Da spricht nicht mehr eine linksliberale FDP, welche die individuelle Freiheit und Privatsphäre verabsolutiert und jegliche staatliche Einmischung ablehnt. Auf einmal soll laut FDP der Staat, insbesondere im Internetbereich, eine übergeordnete Rolle spielen und Kontroll- und sogar Garantiefunktionen übernehmen. Ich war wirklich überrascht. Die Liberalen schlagen etwas nebulös ein „Recht auf Verschlüsselung“ vor. Mir stellt sich die Frage, wie und wem gegenüber diese neue Rechtsposition in einem globalen Netz durchzusetzen ist. Wem gegenüber soll dieser Rechtsanspruch entstehen? Das alles ist aus meiner Sicht nicht nur diffus, sondern sieht vor allem nach zusätzlichem bürokratischem und unnötigem Aufwand aus. Ein Mehr an Bürokratie – auch das sind neue Töne aus der FDP. Dabei ist es gerade die Große Koalition und insbesondere die Union, zuständig für das Innenressort, die nach wie vor die digitale Sicherheit maßgeblich vorantreiben. Bereits die Digitale Agenda 2014-2017 hat das Ziel verankert: Deutschland soll Verschlüsselungsstandort Nummer eins auf der Welt werden. Insofern ist es konsequent, dass wir uns im Koalitionsvertrag sehr deutlich für eine elektronische Identifizierung und eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung aussprechen. Wir wollen ein Recht auf Verschlüsselung; wir wollen es aber einfach und vor allen Dingen für jedermann verfügbar machen. Eine verschlüsselte und somit sichere Kommunikation zwischen Bürgern und Verwaltung ist ganz klar unser Ziel. In der Cybersicherheitsstrategie des Innenministeriums spielt das Thema Verschlüsselung eine ganz wichtige Rolle. Darin verpflichtet sich die Bundesregierung, spezifische Hemmnisse beim Einsatz von Verschlüsselungslösungen zu untersuchen und Initiativen zum Abbau dieser Hemmnisse zu fördern. Meine Damen und Herren der FDP, Sie sehen: Wir streben nach vorn, wir haben bereits viel geleistet; Ihr Antrag war also gar nicht nötig. Sie sprechen in Ihrem Antrag auch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik an – aus meiner Sicht eine Schlüsselbehörde im Bereich der Internetsicherheit. Auch hier sind wir Ihnen voran. Das BSI haben wir mit weitreichendsten Kompetenzen im Präventions- und Aufklärungsbereich ausgestattet. Sie wollen das BSI zum Verwalter von IT-Sicherheitslücken herunterqualifizieren. Wir hingegen wollen das BSI als nationale Cybersicherheitsbehörde ausbauen und in seiner Rolle als unabhängige, neutrale und nutzerfreundliche Beratungsstelle für Fragen der IT-Sicherheit stärken. Zertifizierung und Standardisierung, IT-Gütesiegel und Verbraucherschutz sind weitere Themen aus dem Arbeitsportfolio des BSI. Sie stellen die Sicherheit durch Verschlüsselung in den Vordergrund. Dabei ist vor allen Dingen auch Sicherheit trotz Verschlüsselung ein Bestandteil der Cybersicherheitsdebatte. Denn ja, die Strafverfolgungsbehörden müssen unter strengen gesetzlichen Voraussetzungen im Einzelfall befugt sein, verschlüsselte Kommunikation zu entschlüsseln und zu umgehen. Das dient unserer Sicherheit in Deutschland. Das Beispiel mit der DDR ist natürlich sehr kompliziert. Ich selber bin 1985 in Torgau in Sachsen geboren. Durch familiäre Bindungen kenne ich die Eingriffe des Staatsapparates. Der Vergleich hinkt massiv. Denn wenn bei uns Polizeibehörden, Strafverfolgungsbehörden in die Rechte der Bürger, in ihre Kommunikation eindringen, dann wird das kontrolliert, dann brauche ich dazu einen richterlichen Beschluss, dann gibt es dazu parlamentarische Kontrolle, auch in den Gremien, in denen auch Ihre Kolleginnen und Kollegen sitzen. Deswegen hinkt der Vergleich. Denn bei uns wird jeder Eingriff in die Bürgerrechte kontrolliert und überwacht – anders als im totalitären System. Meine Damen und Herren, die digitale Sicherheit ist ein zentrales Thema für uns in der Union, und das fassen wir viel weiter und sehen nicht nur die Verschlüsselung. Als Präsident der THW-Bundesvereinigung kann ich das Vorbild der neugeschaffenen Fachgruppe N im THW nennen. Bei etwaigem Ausfall kritischer Infrastrukturen, beispielsweise durch einen IT-Angriff, kümmert sich diese schnell und unbürokratisch um die Versorgung und Behebung der Schäden der Bevölkerung. Also, liebe Kolleginnen und Kollegen, fassen wir das Thema viel weiter! Nehmen wir die Bürger, die Verwaltung insgesamt mit! Werben wir dafür, dass jeder Einzelne stärker auf seine Sicherheit und auf die Informationen, die er preisgibt, achtet, und beraten wir dies gemeinsam im Ausschuss weiter! Vielen herzlichen Dank. Vielen Dank, Marian Wendt. – Nächste Rednerin: Joana Cotar für die AfD-Fraktion.
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Steffi Lemke BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Steffi
Lemke
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann mich wegen meiner zweiminütigen Redezeit nicht an Weihnachtsessendiskussionen beteiligen. Aber ich möchte daran erinnern, dass Weihnachten 2017 niemand von uns eine solche Debatte geführt hat, wie wir sie jetzt führen. Zwei Jahre, zwei trockene Sommer und vor allem die trockenen Winter haben ausgereicht, um hier eine Debatte über den deutschen Wald zu erzeugen, von der ich mir wünschen würde, dass wir sie etwas zukunftsgerichteter und vor allem gemeinschaftlicher im Interesse des Waldes führen würden. Frau Klöckner, deswegen kann ich es Ihnen nicht ersparen: Sie haben mit Ihrer Aussage heute, dass uns Bäume 80 Jahre Schatten spenden, bewiesen, was im Bundeslandwirtschaftsministerium falsch läuft. 80 Jahre ist ungefähr das Hiebalter von Kiefern und Fichten, aber es ist nicht das Alter von Bäumen in einem Wald. Wir reden von 300-jährigen, 400-jährigen Buchen oder von Eichen, die über tausend Jahre alt werden können. Ich glaube, dass wir in dieser Diskussion – der Wald ist nach zwei trockenen Sommern und Wintern massiv geschädigt – über den Wald als Ökosystem reden müssen. Frau Kollegin Lemke, gestatten Sie eine Zwischenfrage aus der FDP? Ja. Sie haben gerade davon gesprochen, dass Sie Buchenwälder mit Umtriebszeiten von etwa 300 Jahren betreiben wollen. Nein, falsch. Ich kann Ihnen als einziger Förster im Deutschen Bundestag sagen: Das geht nicht. Die Buche zerfällt vorher. Normale Zeiten bei der Buche sind 120 bis 140 Jahre. Dann können Sie noch anständiges Möbelholz ernten oder daraus Furnier machen. Also, wir müssen schon realistisch bleiben. Es ist auch nicht richtig, was die Bundeslandwirtschaftsministerin gesagt hat, dass wir beim Wald am Ende bei 80 Jahren sind. Das ist natürlich auch falsch. Bei der Eiche haben Sie Umtriebszeiten von etwa 200 bis 220 Jahren. Ich danke Ihnen für die Frage. – Es geht mir wirklich darum, dass wir als Gesellschaft in diesem Diskurs vorankommen. Ich habe nicht über Buchenforsten mit einem Umtriebsalter von 120 Jahren geredet, sondern ich habe beispielsweise über Wälder mit ihrem ökologischen Wert wie die Heiligen Hallen in Mecklenburg-Vorpommern geredet, die durch die Klimakrise massiv beschädigt sind; ein Totalreservat, das seit 1850 existiert, und nach meinem Wissen war da an die Grünen noch nicht zu denken. Der Gedanke, Wälder unter Schutz zu stellen, Wildnis und Totalreservate zuzulassen, um Biodiversität zu schützen und um gesunden, intakten Wald als Naturdenkmal zu haben, das ist eine andere Diskussion als die über die Waldnutzung. Mir geht es darum, deutlich zu machen, dass wir diese beiden Dinge besser zusammendenken müssen, dass wir uns in der Diskussion vom Wald als Nutzfaktor lösen und über die Wasserspeicherfähigkeit des Waldes und der Waldböden reden müssen. Ich komme aus Sachsen-Anhalt, einer der schon jetzt trockensten Regionen. Ich bin im Frühjahr 2018 bei einem Förster im Norden Sachsen-Anhalts gewesen, der früher Förster im Staatswald war und jetzt für eine kleine Forstbetriebsgemeinschaft tätig ist. Er war verzweifelt und fragte: Was soll ich machen? Was soll ich in diesem knistertrockenen Wald pflanzen? Ich habe kein Wasser, weder von oben noch von unten; das ist mein Problem. – Und er will nicht aufforsten. Er hat sich für die natürliche Verjüngung dort entschieden und sich über jeden kleinen Sämling, der von allein hochgekommen ist, gefreut. Die Frage ist: Investieren wir jetzt Steuergelder in Höhe von 1 Milliarde Euro in Aufforstung und Schadholzberäumung, oder halten wir kurz mal inne und überlegen, was wir jetzt machen? Natürliche Verjüngung an der einen Stelle, an anderer Stelle möglicherweise forsten und pflanzen – das ist kein Entweder-oder. Wir müssen kurz innehalten und darüber nachdenken, was wir jetzt tun, statt weiter zu polemisieren gegen Naturreservate und gegen den Wald, den wir auch schützen und nicht nur nutzen müssen. Wir müssen darüber diskutieren, dass er auch andere Leistungen erbringt, als Holz zur Verfügung zu stellen. Wald speichert Wasser – das habe ich bereits gesagt –, und er sorgt für Abkühlung. 10, 20 Grad Temperaturunterschied – das macht bei 40 Grad Außentemperatur einen relevanten Effekt aus. Den Wald als Ökosystem zu betrachten und die Ökosystemleistungen in den Mittelpunkt unserer Diskussion in der Politik zu rücken, das ist mein Anliegen. Ich hoffe, dass wir in der Weihnachtszeit gemeinsam ein Stück vorankommen. Voraussichtlich letzte Rednerin in dieser Debatte ist die Kollegin Gitta Connemann, CDU/CSU.
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Katja Suding FDP
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Suding
FDP
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Seit der Coronapandemie sind die Schwächen unseres Bildungssystems erbarmungslos sichtbar geworden. Ein repräsentativer Ländervergleich des Technologieunternehmens Citrix zeigt die erschütternde Realität: Gerade einmal bei jedem zehnten Schüler lief der Wechsel zum digitalen Unterricht zu Hause reibungslos. – Die Hälfte aller Eltern sagt, dass die Schulen gar nicht auf den Fernunterricht vorbereitet gewesen seien. Die Zeit, in der sich die Kinder mit der Schule beschäftigen, habe sich während der Coronapandemie mehr als halbiert, sagt eine Elternumfrage des ifo-Instituts. Und bei der Frage, wie gut die Schulen auf erneute Schließungen vorbereitet sind, vergeben Eltern nur die Note „mangelhaft“, wie der Digitalverband Bitkom herausfand. Meine Damen und Herren, diese Zahlen zeigen, welche Schwächen unser Bildungssystem hat und wie mangelhaft es auf eine solche Pandemie vorbereitet war. Die Leidtragenden sind unsere Kinder; ihnen wurde das Recht auf Bildung verwehrt. Diejenigen Kinder, die es schon vorher schwer hatten, trifft es besonders hart, und das ist wirklich ein unerträglicher Zustand, meine Damen und Herren. Die politische Verantwortung für dieses Unterrichtsdesaster trägt auch die Bundesbildungsministerin; denn sie ist in der Krise einfach abgetaucht. Ich bin froh, dass Sie wenigstens heute hier sind, Frau Ministerin. Das Versagen ist so groß, dass offenbar nicht einmal die Kanzlerin der Ministerin zutraut, ihren Job zu machen. Kurzerhand hat sie nämlich Frau Karliczek beim informellen Schulgipfel im Kanzleramt zum Zaungast degradiert. Doch selbst dieser Fingerzeig der Regierungschefin reichte nicht aus, die Ministerin endlich aufzuwecken, und das in einer Zeit, in der beherztes Handeln dringender denn je notwendig ist und in der Nichtstun Verrat an der jungen Generation ist. Da ist es nicht getan mit ein paar zusätzlichen Förderprogrammen, deren Mittel viel zu spät in den Schulen ankommen. Wohlklingende Sofortprogramme anzukündigen, deren Gelder die Schulen frühestens im nächsten Jahr erreichen, das bringt überhaupt nichts, liebe Frau Karliczek. Gleichzeitig liegen die Milliarden aus dem DigitalPakt Schule noch immer fast unberührt auf dem Konto des Ministeriums. Dass die Ministerin hier nicht schon längst aktiv geworden ist und die Antragstellung deutlich entschlackt hat, das grenzt wirklich an Arbeitsverweigerung. Wir müssen digitale Bildung endlich als Gesamtkonzept denken. Mehr denn je müssen wir einen Digitalpakt 2.0 auf den Weg bringen, und zwar jetzt und ohne Zeitverzug, meine Damen und Herren. Wie Hardware nicht ohne Software funktioniert, so funktioniert digitale Bildung nicht ohne entsprechende pädagogisch wertvolle Inhalte. Deshalb brauchen Schulen jetzt eigene Mittel, um Lizenzen für Schul- und Lernsoftware einzukaufen. Sie brauchen klare Handreichungen zur Umsetzung der europäischen Datenschutz-Grundverordnung im Schulalltag. Die Lehrkräfte brauchen nicht nur Zugang zu Fort- und Weiterbildung, sondern dauerhafte Unterstützung durch EdTech-Coaches, die die Brücke zwischen dem technisch Möglichen und dem pädagogisch Sinnvollen bauen. Digitale Bildung ist viel mehr als Technik; das haben wir schon vor einem Jahr sehr deutlich gemacht. Liebe Kolleginnen und Kollegen aus der Koalition, die Kleckerburgen, die Frau Karliczek baut, werden den nächsten Sturm nicht überleben. Sorgen Sie stattdessen heute endlich für echte Verbesserungen der digitalen Lernmöglichkeiten, und stimmen Sie unserem Antrag zu! Vielen Dank, Katja Suding. – Nächste Rednerin: für die Fraktion Die Linke Dr. Birke Bull-Bischoff.
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Dieter Janecek BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Dieter
Janecek
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Herr Kotré, Sie haben hier im März in einer Debatte eine russische Verschwörungstheorie verbreitet, indem Sie behauptet haben, der Westen unterhalte Biowaffenlabore in der Ukraine und das sei sozusagen ein Grund für die russische Invasion. So passt auch der heutige Antrag wieder in Ihre Verschwörungserzählung. Sie begreifen nicht, warum wir die infragestehenden Maßnahmen treffen. Ich erkläre es Ihnen noch einmal: Russland hat einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg in der Ukraine eingeleitet. Wir als Europäische Union haben uns entschieden, unsere Volkswirtschaften von der russischen Volkswirtschaft vollständig abzukoppeln. Warum haben wir das getan? Weil wir nicht möchten, dass Russland erneut in der Lage sein wird, auf unsere Kosten seine eigene Armee auszurüsten und andere Länder anzugreifen. Das ist der Grund, warum wir das tun. Trotzdem ist es richtig, offen zu sagen, dass das auch Kosten für uns bedeutet. Robert Habeck war in Schwedt. Robert Habeck ist in Leuna gewesen und hat den Menschen dort Zusagen gemacht, dass wir helfen werden, indem wir zum Beispiel Übereinkommen mit Polen schließen und sicherstellen, dass die Raffinerie in Schwedt eine Zukunft hat. Darüber hinaus tun wir auch beim Thema „Wasserstoff“, beim Thema „erneuerbare Energien“ jetzt schon sehr viel. Die Windräder, die Sie sehen, wenn Sie heute durch den Osten fahren, würden wir gern in Bayern haben. Uns fehlt die Energie; dort ist sie jetzt da. Sie haben das die ganze Zeit bekämpft und ruinieren damit letztlich ja Ihre eigenen Regionen – auch mit Ihrer Fremdenfeindlichkeit, die Sie immer vor sich hertragen. Der entscheidende Punkt ist aber – auch das verstehen Sie nicht –, dass das, was Sie beschwören, alles Vergangenheit ist. Was möchten Sie denn erreichen? Eine weitere Abhängigkeit von russischem Erdgas, Öl und Kohle? Wollen Sie das zur Abstimmung stellen in Deutschland, im Deutschen Bundestag, vielleicht sogar in Ihrer Wählerschaft? Oder wollen Sie vielleicht mal in die Zukunft blicken, nämlich in das Zeitalter von Energieeinsparung, erneuerbaren Energien, Grünem Wasserstoff, gigantischen Investitionen, die wir auf den Weg bringen? Das hat doch nicht nur begonnen, das ist voll im Schwung, und die Europäische Union hat sich committet – Andreas Jung, wir alle gemeinsam –, zu sagen: Wir wollen diesen Weg gehen. Und Sie sind ganz alleine. Sie sind ganz alleine mit dieser Haltung, zu sagen, Sie wollen den russischen Weg gehen. Die russische Volkswirtschaft ist eine der am schlechtesten diversifizierten Volkswirtschaften, die wir überhaupt in Europa, im eurasischen Raum haben. Die hat nichts mehr außer Öl, Kohle und Gas. Sie hat keine Modernisierungen vorgenommen, keine Digitalisierung. Sie hat es auch nicht geschafft, sich in irgendeiner Weise auf die Zukunft einzustellen. Die Zukunft ist das, was die Bundesregierung mit der Unterstützung von weiten Teilen der Opposition voranbringt: erneuerbare Energien, Einsparungen, nach vorne gehen, investieren, den Wohlstand halten. Das sind die Bedingungen dafür; deshalb darf man bitte nicht zurückschauen und sagen: Wir wollen mit den Zaren der Vergangenheit die Zukunft schaffen. – Das wird nicht funktionieren. Wir müssen es so machen, wie wir es gemacht haben, und das weiter vorantreiben. Ich danke Ihnen fürs Zuhören. Vielleicht denken Sie mal ein bisschen nach. Der Kollege Alexander Ulrich spricht für die Fraktion Die Linke.
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Kerstin Vieregge CDU/CSU
Kerstin
Vieregge
CDU/CSU
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Wehrbeauftragte! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Keiner hier streitet ab, dass die gesellschaftliche Wertschätzung gegenüber unserer Bundeswehr ein wichtiger Faktor für die Motivation unserer Soldatinnen und Soldaten ist. Hier gibt es zweifelsohne noch viel zu tun. Den Handlungsbedarf haben Sie schon mal erkannt, werte Kolleginnen und Kollegen von rechts außen. Aber Ihre Vorschläge sind rückwärtsgewandt, regressiv und dienen nur einem einzigen Zweck: der Relativierung des Extremismus in Ihren eigenen Reihen. In der Vergangenheit äußerten sich AfD-Funktionäre immer wieder zu der Notwendigkeit von historischen Vorbildern für unsere Soldatinnen und Soldaten. Zudem beschwören Sie weiterhin die Tradition der deutschen Militärgeschichte. Über beides kann man reden – aber nicht mit einer Partei, auf deren Parteitag Zeitschriften mit Titeln wie „Männer der Waffen-SS“ verteilt werden. Sind das etwa die Vorbilder und Traditionen, welche sich die AfD für unsere Soldatinnen und Soldaten wünscht? Wenn wir hier schon über Vorbilder sprechen: Selbsternannte schneidige Unteroffiziere a. D., die ausschließlich Erfahrung damit haben, gegen Uniformtrageverbote zu kämpfen, repräsentieren keinesfalls unsere stolze Bundeswehr. Sie sprechen aber wohl für die immer radikaler werdende AfD. – Bevor Sie fragen, Frau Präsidentin: Ich werde keine Zwischenfragen zulassen. – Aber genug davon. Sprechen wir über das Kommando Spezialkräfte und den heutigen Antrag. Die Maßnahmen, die von der damaligen Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer ergriffen wurden, waren richtig, nicht nur wegen der Häufung von Verdachtsfällen in der Einheit. Der von der Arbeitsgruppe KSK erarbeitete Maßnahmenkatalog wurde bereits fast vollständig umgesetzt, mit der Folge, dass die Struktur des Kommandos optimiert und an die Herausforderungen unserer Zeit angepasst wurde. Zu diesen strukturoptimierenden Maßnahmen gehören unter anderem die Stärkung der Stab- und Logistikstrukturen sowie die Unterstellung der Führungskompanie des KSK unter die Division Schnelle Kräfte. So kann sich die Einheit auf ihre Kernaufgaben konzentrieren. Diese Maßnahmen haben unsere Spezialkräfte gestärkt und keinesfalls geschwächt. Auch deshalb wurde der Reformprozess von der überwältigenden Mehrheit der KSK-Soldaten mitgetragen. Und ja, die vergangenen Jahre waren für die Soldaten des KSK sowie deren Angehörige nicht leicht. Trotz des politischen und medialen Drucks auf die Truppe hat sie zu keinem Zeitpunkt an Professionalität und Leistungsfähigkeit verloren. Das wurde besonders bei der Evakuierung des Kabuler Flughafens deutlich. Einiges an Ihrem Antrag ist verwunderlich; denn angesichts der Pressemitteilungen sowie der Unterrichtung des Parlamentes über den Personalmangel beim KSK kann ich mir nicht erklären, warum die AfD hier und heute die Wiederaufstellung der aufgelösten 2. Kommandokompanie fordert. Trotz der Auflösung dieser Kompanie liegt die Dienstpostenbesetzung bei den Einsatzeinheiten des KSK weit unter 100 Prozent. Warum fordern Sie die Wiederaufstellung einer weiteren, dann zweifelsohne unterbesetzten Kompanie? Zunächst müssen die Personallücken der noch bestehenden Einheiten gefüllt werden; denn dann können wir über eine Neuaufstellung der 2. Kompanie reden. Denn eines ist klar: Die sicherheitspolitischen Herausforderungen und die damit verbundenen Aufgaben für unsere Spezialkräfte nehmen nicht ab – im Gegenteil. Um in diesem sicherheitspolitischen Umfeld bestehen zu können, brauchen wir nicht nur ein starkes Kommando Spezialkräfte, sondern auch gut ausgebildete, spezialisierte Soldatinnen und Soldaten in allen anderen Teilstreitkräften und militärischen Organisationsbereichen der Bundeswehr. Dies ist nur möglich, wenn wir in sämtlichen Verbänden der Bundeswehr das Ziel der materiellen Vollausstattung erreichen und damit endlich unseren Soldatinnen und Soldaten ermöglichen, ihrem Selbstanspruch, dem Mantra „Train as you fight“, gerecht zu werden. Durch die Verbesserung des Ausbildungs- und Übungsstandes aller Soldatinnen und Soldaten vergrößern wir auch den Personalpool für die Elite unserer Steitkräfte, das KSK. Wir haben es alle oft genug in der letzten Regierungserklärung der Ministerin gehört: Jetzt ist Schluss mit Zögern und Zaudern. Von nun an wird alles besser. – Wollen wir das glauben. Für Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt Niklas Wagener.
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Dr.
Dr. Stefan Ruppert FDP
Stefan
Ruppert
FDP
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben ein Gespräch mit dem Vertreter der AfD im Haushaltsausschuss über die Frage geführt, ob es denkbar wäre, dass sich die AfD an einem Diskussionsprozess beteiligt. Es war interessant, zu sehen, wie der Mann reagierte. Erst sagte er: Rechtsstaat? Dafür sind wir auch. – Aber jetzt merken wir anhand der gerade gehaltenen Rede, dass Ihnen ja daran gelegen ist, dass die Fiebrigkeit in unserem Land, der Vertrauensverlust in Institutionen, der sich zeigt, aber auch die Zweifel manches Bürgers und mancher Bürgerin, ob nicht mitunter die Macht das Recht etwas zu sehr verdrängt hat, dass dieser angstvolle und angstmachende Zustand verstärkt und nicht ausgeräumt wird, dass Ihr Interesse ist, die Eigenständigkeit des Rechtsstaates gerade nicht nach vorne zu stellen. Genau diesem Anliegen von Ihnen tritt ein Forum Recht entschieden entgegen. Ich kann Ihnen sagen: Es ist natürlich immer einfacher, nicht an Symposien, an Veranstaltungen teilzunehmen, sich nicht damit auseinanderzusetzen, wie Ausstellungsmacher, wie Zeithistoriker, wie aber auch Akteure der Zivilgesellschaft mit der Frage umgehen, wie man das Recht darstellen kann. Sie arbeiten lieber gegen als im System. Deswegen haben Sie an all diesen Veranstaltungen nicht teilgenommen. Sie hätten Ihnen gezeigt, dass es nicht um ein Museum geht, sondern darum, das Recht erfahrbar zu machen, zu zeigen, dass es eine Grundkon­stante in der Gewaltenteilung ist, die unverzichtbar ist und die auch der Macht nicht weichen darf, insofern ein Eigenstand der Rechtsstaatlichkeit. Ich danke an dieser Stelle all den Akteuren, die dabei geholfen haben. Es waren bereichernde Termine. Ich danke Katarina Barley, die dann, wenn es manchmal hakte, einen Anstoß gegeben hat, damit es vorangeht. Ich danke aber auch Frau Baer vom Verfassungsgericht oder Frau Limperg vom Bundesgerichtshof, dem Oberbürgermeister der Stadt und den vielen Menschen in Karlsruhe. Erfreulich ist auch, dass sich nun auch die Menschen in Leipzig dafür zu interessieren beginnen, dass sie ein solches Projekt von unten, also aus der Mitte der Gesellschaft heraus, möglich gemacht haben. Insofern, glaube ich, stärken wir den Rechtsstaat. Daran haben Sie kein Interesse. Das verstehe ich aus Ihrer Perspektive sogar; das ist politisch-taktisch. Aber wir wollen dem entgegentreten. Anwälte und Richter schreiben uns an, sie wären gerne jenseits der Organe, die dort sozusagen hoheitlich vertreten sind, vertreten. Man muss ins Gespräch darüber kommen, wo dafür der richtige Ort ist. Jedenfalls ist mir persönlich wichtig, dass natürlich auch die Anwalt- und Richterschaft in den entsprechenden Gremien vertreten sind. Ich glaube aber, dass wir dafür eine gute Lösung finden können, vielleicht sogar schon gefunden haben. Lassen Sie mich nun zum Vollzug kommen. Ich glaube, es wird in den nächsten Wochen und Monaten wichtig sein, etwas zügiger voranzukommen. Wir hatten doch das eine oder andere Sandkorn im Getriebe. Da hatte man den Eindruck, da entsteht Misstrauen oder auf den anderen wird zu wenig zugegangen. Wir freuen uns über eine Finanzierungszusage. Ich freue mich auch ausdrücklich darüber, dass es in Leipzig einen zweiten Standort geben wird. Ich freue mich darüber, dass sich auch dort Menschen Gedanken machen. Aber wir sollten deswegen das Vorgehen in Karlsruhe nicht in irgendeiner Weise bremsen oder gar aufschieben oder auf andere Dinge warten. Beides können wir voranbringen: Leipzig auf der einen Seite und Karlsruhe auf der anderen Seite. Ich muss schon sagen: Es ist immer wieder ein gutes Zeichen für ein Parlament, wenn es ihm gelingt, im Dissens, aber mit der gemeinsamen Wertebasis, ein solches Projekt auf den Weg zu bringen, auch für eine Große Koalition, die sich darum bemüht, die Oppositionsfraktionen im Gespräch einzubinden. Dass Sie daran kein Interesse haben, wurde sehr schnell augenfällig. Aber ich glaube, wir können als Parlament stolz sein. Wir sind uns nicht über jeden Spiegelstrich einig. Aber das Anliegen insgesamt, das tolle Fundament des Rechtsstaates in Deutschland für diese Republik zu stärken, das eint eben in diesem Hause alle Fraktionen – bis auf eine. Herzlichen Dank. Das Wort hat der Kollege Niema Movassat für die Fraktion Die Linke.
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Dr.
Dr. Lars Castellucci SPD
Lars
Castellucci
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Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der letzten Sitzungswoche standen wir, denke ich, alle auch unter dem Eindruck der Demonstrationen, die an dem Wochenende und den Tagen davor stattgefunden haben und die die Kampfhandlungen in Israel und Palästina zum Anlass genommen haben, auch hier in Deutschland auf die Straße zu gehen. Ich will sagen: Man kann in diesem Land von seinem Demonstrationsrecht Gebrauch machen, wenn man das im Rahmen der Gesetze und im Rahmen der gegebenen Regeln tut. Aber hier ist an einigen – ich betone: an einigen – Stellen das Demonstrationsrecht missbraucht worden. Es ist gegen Jüdinnen und Juden Hass und Hetze auf den Straßen gewesen. Es wurden Flaggen verbrannt, es wurde vor Synagogen gezogen, es kam erstmals seit vielen Jahren wieder zu Sachbeschädigung an Gotteshäusern. Das – ich kann es nicht anders sagen – war ein Mob auf deutschen Plätzen und Straßen, den ich in diesem Land nicht sehen will. Dieser Mob hat die volle Härte des Rechtsstaates verdient. Schon länger ist es so – ich habe mit einigen Gemeinden gesprochen, die betroffen waren –, dass aufgerufen wird, die Kippa nicht in der Öffentlichkeit zu tragen. Zudem wurden in diesen Tagen sogar Gottesdienste abgesagt, weil man nicht für die Sicherheit der Menschen, die in diese Gottesdienste gehen wollen, garantieren kann. Ich sage ganz klar: Das ist beschämend für dieses Land. Und wir dürfen nicht nachlassen, bis in diesem Land jeder, egal welcher Religion, ohne Angst und ungehindert auf die Straße und zu seiner Religionsstätte gehen kann. Das ist unverzichtbar. Die AfD, die sich hier schon wieder lärmend bemerkbar macht, hat einen Antrag zu einem Thema vorgelegt, von dem man, wenn man liest, was sie geschrieben hat, den Eindruck bekommt, dass sie sogar im Ansatz etwas davon verstehen könnte. Sie schreiben hier ganz am Anfang Ihres Antrags – ich zitiere –, „dass sehr viele Muslime Einstellungen zu Demokratie, Rechtsstaat und Religion haben, die mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht vereinbar sind“. Davon verstehen Sie allerdings etwas; denn Sie selber haben ja viele in Ihren Reihen, die Einstellungen haben zu Demokratie, Rechtsstaat und Religion, die mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht vereinbar sind. Von Ihnen haben wir da sicherlich keine Ratschläge nötig. Sie könnten sich auch mal mit etwas Selbstdistanz, die Ihnen natürlich komplett fremd ist, überlegen, warum der Zentralrat der Juden sich immer dagegen verwahrt, von Ihnen vereinnahmt zu werden, und sagt, Ihre Unterstützung im Kampf gegen Antisemitismus werde nicht benötigt. Radikalität und Extremismus jeder Form und jeder Couleur lehnen wir ab und müssen wir uns entgegenstellen. Aber die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Der Feind der Demokratie und die antisemitischen Übergriffe in diesem Land gehen auf das Konto von rechts. Das ist das, was die Zahlen uns sagen. Deswegen ist unsere erste Aufgabe, dem verlängerten Arm dieser Extremisten im Land, der sich in deutschen Parlamenten in Gestalt Ihrer Partei breitmacht, den Kampf anzusagen; und den sage ich Ihnen hiermit auch an. Wer Radikalität entgegenwirken will, muss für drei Dinge sorgen: Das Erste ist tatsächlich der starke Rechtsstaat. Jetzt will ich auch mal den Koalitionspartner ansprechen: Ein starker Rechtsstaat und Repression heißt eben nicht immer nur, dass man eine neue Gesetzesverschärfung erfindet, sondern wir müssen in allererster Linie dafür sorgen, dass die Gesetze, die wir haben, auch umgesetzt werden. Ein Beispiel: Es gab über 500 Teilnehmende an der Demonstration in Mannheim. Die Polizei dort hat es geschafft, dass bei fast zwei Dritteln der Beteiligten Personalien festgestellt worden sind und dass mit den Ton- und Videoaufnahmen, die dort gemacht worden sind, nun ein Abgleich stattfinden kann. Ich bin sicher, dass wir in Mannheim eine hohe Aufklärungsquote haben werden und dass die Personen, die Fahnen verbrennen und sich antisemitisch äußern, zur Rechenschaft gezogen werden können. Fragen Sie mal in anderen deutschen Städten, was dort passiert ist. Dort hatte die Polizei zum Teil Mühe, allein diese Demonstrationen abzuriegeln oder zu verhindern, dass die Teilnehmenden vor die dortige Synagoge ziehen. Deswegen: Es kommt auf die Umsetzung unserer Gesetze an. Wir müssen unsere Behörden, wir müssen die Polizei stärken und mit den Ressourcen ausstatten, die sie braucht. Sie braucht auch unser Vertrauen und unsere Rückendeckung für den schwierigen Auftrag, den sie für uns alle wahrnimmt. Mehr noch als das! Warum ist es in Deutschland eigentlich so, dass man bei jedem blöden Paket, das man irgendwo bestellt hat, nachverfolgen kann, wo es gerade im Stau steckt, wenn man aber eine Anzeige macht, nicht weiß, wie es eigentlich um das Verfahren steht. Ich schlage Ihnen vor, dass wir ein Dashboard entwickeln, in dem jeder, der eine Anzeige aufgibt, jederzeit nachschauen kann, wie es um das Verfahren steht, bis es zu einer Verurteilung gekommen ist. Das wäre ein Fortschritt. Und wissen Sie, was der erste Schritt dazu gewesen wäre? Ein periodischer Sicherheitsbericht; der ist diesem Parlament auch versprochen worden. Was bis zum heutigen Tage dieser Legislaturperiode eben nicht vorliegt, ist der periodische Sicherheitsbericht. Er hätte uns möglicherweise Auskünfte zum Verlauf von Strafverfahren und zu ihrer Aufklärung geben können. Das ist ein schweres Versäumnis des Innenministeriums, und das ist an dieser Stelle, wenn man schon dabei ist, Probleme anzusprechen, auch klar zu kritisieren. Kollege Castellucci, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung aus den Reihen Ihres Koalitionspartners? Mit Blick auf die Zeit gestatte ich das jetzt nicht. Der zweite Punkt, um den wir uns kümmern müssen, ist die Prävention; Radikalisierung fällt nicht vom Himmel. Wir haben es mit ganz unterschiedlichen Fällen zu tun. Es gibt Menschen, die neu zu uns kommen, die vielleicht in ihrem Leben von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit noch nicht viel mitbekommen haben – das ist wahr –; aber es gibt auch viele Menschen, die bereits im Land sind und rechte, antisemitische, demokratiefeindliche Einstellungen haben, weil sie uns irgendwo verloren gegangen sind. Um dem entgegenzuwirken, braucht es mehr Engagement; dafür braucht man Demokratiearbeit, dafür braucht man Strukturen, da muss man die Menschen stärken, die sich für Demokratiearbeit einsetzen. Deshalb ist es ein starkes Stück, was hier passiert. Herr de Vries, Sie sprachen davon, dass es ein Positionspapier Ihrer Fraktion gibt; das ist ja wunderbar. Ich sage Ihnen mal, was ich habe: Ich habe einen Beschluss des Kabinettsausschusses für ein Demokratiefördergesetz, ich habe ein entsprechendes Eckpunktepapier des Bundeskabinetts. Sie halten die wichtige Arbeit daran hier im Parlament auf! Damit versündigen Sie sich an der inneren Sicherheit, und das wird auf Sie zurückfallen, wenn wir demnächst die Zahlen bekommen. Und ein letzter Punkt – da kann ich direkt an den Kollegen Kuhle anschließen –, den wir gegen Radikalisierung in diesem Land brauchen, ist, an einem Wir zu arbeiten, dass all die Menschen, die in diesem Land leben, die sich an die Gesetze halten, die hier Steuern zahlen, Arbeitsplätze schaffen oder einfach nur gucken, dass sie über die Runden kommen und ihre Lieben ernähren, das Gefühl haben, ein gleichberechtigter Teil dieses Landes zu sein. An diesem Wir müssen wir alle – und tatsächlich alle! – gemeinsam arbeiten. Vielen Dank. Das Wort hat die Kollegin Ulla Jelpke für die Fraktion Die Linke.
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Artur Auernhammer CDU/CSU
Artur
Auernhammer
CDU/CSU
Verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir uns den Titel unseres jetzigen Tagesordnungspunktes, den die Präsidentin gerade verlesen hat, anschauen, stellen wir fest: Er klingt zunächst einmal sehr verschachtelt, sehr kompliziert und ziemlich unverständlich. Von daher: Worum geht es heute Abend? Ganz einfach gesagt: Es geht darum, dass wir dafür sorgen müssen, dass unsere Bäuerinnen und Bauern in Deutschland und in ganz Europa auch künftig ihrer Arbeit nachgehen können. Es geht darum, dass wir in Deutschland und in Europa auch in Zukunft ausreichend Nahrungsmittel für unsere Bevölkerung produzieren können. Seit Sommer liegt nun ein Verordnungsvorschlag der EU-Kommission auf dem Tisch, der genau das infrage stellt. Deshalb sind wir als Parlament und ist unsere Bundesregierung gezwungen, zu handeln. Worum geht es bei diesem Vorschlag? Die EU‑Kommission möchte den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln drastisch reduzieren. Das ist nichts grundsätzlich Neues; das 50‑Prozent-Reduktionsziel im Rahmen des Green Deals ist bekannt. Mit dem neuen Verordnungsvorschlag wird das allerdings noch einmal konkretisiert und verschärft. Man muss sich das einmal vorstellen: In einer Zeit, in der wir wegen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine eine deutliche Verknappung der weltweit zur Verfügung stehenden Lebensmittel beobachten können, werden Vorschläge gemacht, welche die Ertragssicherheit unserer Ernten massiv gefährden. Nach einer Prognose der Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen wird der Krieg gegen die Ukraine zu einem deutlichen Anstieg der Zahl der hungernden Menschen weltweit führen; die Zahl der Hungernden wird um circa 13 Millionen Menschen ansteigen. Besonders betroffen sind die Regionen Afrika und Asien. Fast auf den Tag genau seit sieben Monaten wird ein erbitterter Krieg in der Kornkammer Europas geführt und Hunger als Waffe eingesetzt. Wir haben das in den vergangenen Monaten bereits öfter an dieser Stelle debattiert. Ich erinnere an die Debatte um die Aussetzung der 4‑prozentigen Flächenstilllegung. Es war ein monatelanges Gezerre, bis auch unser Bundeslandwirtschaftsminister über seinen ideologischen Schatten gesprungen ist und den Weg für zusätzliche Anbauflächen in Deutschland frei gemacht hat. Während die Landwirte in anderen EU-Mitgliedstaaten bereits die Herbstaussaat planten und Saatgut einkauften, ließ unser Bundeslandwirtschaftsminister wichtige Zeit verstreichen. Ein Armutszeugnis, dass in einer Zeit, in der jedes Weizenkorn zählt, dem deutschen Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft die eigene Ideologie wichtiger war, als einen Beitrag Deutschlands zur Welternährung zu leisten! Wir von der CDU/CSU wollten Anfang August eine Sondersitzung unseres Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft einberufen, um bei Minister Özdemir nochmals auf die Dringlichkeit hinzuweisen. Der Antrag auf die Sondersitzung wurde abgelehnt. Das sagt auch vieles aus. Das Gleiche erleben wir im Übrigen gerade in der Energiekrise. Wir haben die befristete Laufzeitverlängerung heute Morgen schon in diesem Haus debattiert. „Jede Kilowattstunde zählt.“ Wenn ich das richtig im Kopf habe, zitiere ich damit unseren grünen Bundeswirtschaftsminister. So wie jedes Watt zählt, zählt auch jedes Weizenkorn. Aber auch hier: ein Zögern, ein Zaudern des zuständigen Ministers mit einer vermeintlichen Scheinlösung, die niemandem etwas bringt, weil sie schlicht nicht umsetzbar ist. An diesen zwei Beispielen kann man wunderbar sehen: Es geht der Ampel nicht darum, Politik für die Menschen in diesem Land zu machen. Es geht dieser Koalition nur darum, rot-grüne Ideologien umzusetzen, koste es, was es wolle. Und die FDP hilft fleißig mit. Aber zurück zum Pflanzenschutz. Was bedeutet dieser Vorschlag? Brüssel, allen voran Klimaschutzkommissar Timmermans, strebt unter anderem ein Komplettverbot von Pflanzenschutzmitteln in Schutzgebieten, in Natura-2000-Gebieten und in Landschaftsschutzgebieten an. Ob das tatsächlich das Ende der Fahnenstange ist, lässt der Vorschlag noch offen. Hier einmal ein paar Schätzungen: Allein 3,5 Millionen Hektar Ackerfläche in Deutschland sind betroffen; das wären circa 7 Millionen Tonnen Weizen, die wir weniger produzieren würden. Uns Landwirten wurde bei der Gebietsausweisung nachdrücklich versichert, dass die Festschreibung der FFH-Gebiete keine negativen Auswirkungen auf die dort ansässigen landwirtschaftlichen Betriebe hat. Auch der deutsche Weinbau wäre vom jetzigen Vorschlag aus Brüssel extrem negativ betroffen; für viele Regionen hätte das katastrophale Auswirkungen. Mit einem Komplettverbot würde beispielsweise die Weinerzeugung an der Mosel um circa 90 Prozent zurückgehen; das schätzt der Deutsche Weinbauverband. Ähnlich dramatisch sehe es beim deutschen Obstbau aus. In Zukunft heißt es dann: Wein und Obst aus Deutschland: Fehlanzeige! Die Unterstützer des Timmermans-Vorschlags frage ich: Wollen Sie in Zukunft alles importieren? Möchten Sie nicht lieber Lebensmittel aus heimischer Produktion essen und trinken? Glauben Sie ernsthaft, dass Drittstaaten keine Pflanzenschutzmittel einsetzen? Das bringt mich zu einer Frage, die ich mir in der Diskussion rund um den vorgelegten Entwurf aus Brüssel mehrfach gestellt habe: Wissen die Unterstützer dieses Vorschlages eigentlich, was Pflanzenschutz ist? Glaubt die EU-Kommission überhaupt, dass die Zulassungsverfahren, die wir zurzeit haben, noch rechtskräftig sind, wenn sie mit solch einem Vorschlag vorangeht? Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Die Kollegin Dr. Franziska Kersten hat jetzt das Wort für die SPD-Fraktion.
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Florian Oßner CDU/CSU
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Gastel, Ihre Ausführungen verwundern mich schon ein Stück weit: Sie selbst waren bei der Ausarbeitung des Bundesverkehrswegeplans dabei, den wir verabschiedet haben. 42 Prozent von 72 Milliarden Euro bis 2030 gehen an die Bahn und in unsere Schienenstrecken. Das ist eine klare Botschaft für die Schienenwege in unserem Land. Nun zum Antrag der FDP. Er scheint mir doch ein Stück weit mit sehr heißer Nadel gestrickt worden zu sein. Man könnte frei nach Christian Lindner sagen: Lieber schnell einen Antrag schreiben, als einen guten Antrag schreiben. So steht in dem Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, dass der Deutsche Bundestag die Bundesregierung und die Deutsche Bahn dazu auffordern soll, das Parlament „zeitnah mündlich und schriftlich“ zu informieren, wie es „am 12. August 2017 zu der Tunnelhavarie bei Raststatt-Niederbühl kommen konnte“. Bereits am 5. September 2017 – das war allerdings noch vor dem Einzug der FDP in den Bundestag und ist deswegen vielleicht Ihrer Aufmerksamkeit entgangen – hatten wir hierzu eine Sitzung. Der vormalige Vorsitzende des Verkehrsausschusses, aber auch unser Staatssekretär Steffen Bilger sind darauf bereits eingegangen. In dieser Sitzung haben die DB Netz AG und der Staatssekretär Michael Odenwald vom Bundesverkehrsministerium dem Ausschuss über die ersten Erkenntnisse und Ursachen des Unfalls berichtet. Diese ersten Erkenntnisse können Sie in dem Protokoll der 117. Sitzung nachlesen. Liebe Liberale, ich kenne zwar nicht Ihre Definition des Wortes „zeitnah“, aber nach meinem Verständnis möchte ich behaupten, dass dieser kurze Zeitraum von knapp drei Wochen eindeutig hierunter fällt. Die Verantwortlichen haben eigentlich ein großes Dankeschön für die schnelle Reaktion verdient. Der schriftliche Bericht zur Tunnelhavarie von Raststatt wurde uns seitens der Bundesregierung gestern vorgelegt, sodass es auch hierfür keiner weiteren Aufforderung der Bundesregierung seitens des Parlaments mehr bedarf und Ihre Wünsche diesbezüglich – ich weiß gar nicht, warum Sie so unzufrieden sind – bereits erfüllt sind. Weiter fordern Sie in Ihrem Antrag, dass „zum besseren Management von Ausweichstrecken das Zugsicherungssystem ... und die Digitalisierung des Schienennetzes“ vorangetrieben werden sollten. Das ist absolut richtig. Auch hier kann ich als Berichterstatter für das Baustellenmanagement nur auf die eingangs erwähnte heiße Nadel verweisen. Ich bin mir sicher, liebe Kollegen von der FDP, Sie haben unseren Koalitionsvertrag aufmerksam studiert. So finden Sie auf Seite 78 folgende Passagen: Wir wollen die Digitalisierung der Schiene, auch auf hochbelasteten S-Bahnstrecken, vorantreiben und den Ausbau der europäischen Leit- und Sicherungstechnik ETCS, – also das Zugbeeinflussungssystem, das heute schon mehrfach angesprochen worden ist – elektronischer Stellwerke und Umrüstung der Lokomotiven durch den Bund unterstützen. Die Automatisierung des Güterverkehrs und das autonome Fahren auf der Schiene wollen wir durch Forschung und Förderung unterstützen. Das ist doch, so finde ich, eine klare Aussage. Alle im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien sollten diese technologischen Verbesserungen in die Eisenbahntechnik für mehr Sicherheit und Mobilität unserer Bürger unterstützen. Sie haben auch die Kategorie „Potenzieller Bedarf“ angesprochen. Auch in meiner Heimatregion gibt es ein wichtiges Projekt zwischen Landshut und Plattling. Da bin ich ganz bei Ihnen: Auch da werden wir mit großen Schritten vorangehen, um die entsprechenden Projekte zu einer Entscheidung zu führen. Sie sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir uns bereits in vielen Forderungen einig sind, diese übernommen haben und Ihr Antrag überhaupt nicht notwendig gewesen wäre. Positiv möchte ich zum Schluss noch das besonnene Krisenmanagement der Deutschen Bahn sowie des Bundesministers für Verkehr und digitale Infrastruktur unter der damaligen Leitung von Alexander Dobrindt, aber auch die heute sehr transparente Behandlung dieser Angelegenheit durch den neuen Bundesminister Andreas Scheuer ansprechen. Ein herzliches Vergelt’s Gott fürs Zuhören. Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Michael Donth für die CDU/CSU-Fraktion.
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Herr Präsident! Liebe Kollegen! Es ist typisch und auch markant, dass diese Koalition Frau Özoğuz ins Rennen schickt als gemeinsame erste Rednerin, um einen Antrag zu begründen. – Warten Sie es ab. – Frau Özoğuz, so nett Sie im persönlichen Umgang sind – ich schätze Sie im persönlichen Umgang sehr –, wissen Sie was, Ihre Initiativen, die Sie als Zuständige im Kanzleramt entwickelt haben für eine Migrationsgesellschaft, waren eindeutig gegen das Grundgesetz gerichtet. Das muss man hier einmal deutlich feststellen. Eindeutig gegen das Grundgesetz gerichtet! Die Migration darf unser Grundgesetz nicht verändern, und es muss auch nichts täglich neu ausgehandelt werden am Zusammenleben in unserem Land. Die Rechte gelten für alle. Dass diese Debatte überhaupt stattfindet, ist ein Triumph für die AfD. Viermal haben Sie sich nicht getraut, unser Thema, die Christenverfolgung, im Ausschuss zu behandeln und ins Plenum zu bringen. Im April bereits haben wir unseren Antrag „Christenverfolgung stoppen und sanktionieren“ eingebracht. Und wie wichtig dieses Thema ist, sehen Sie auch an diesem Buch von Martin Mosebach „Die 21“ über koptische Christen, die in Libyen zu Märtyrern für ihren Glauben wurden. In diesen Tagen erleben wir die zahlenmäßig größte Christenverfolgung der Menschheitsgeschichte. Das sagt die Hilfsorganisation Open Doors und andere auch. Wie kann es angesichts dessen sein, dass Sie ein geschlagenes halbes Jahr brauchen, um überhaupt irgendetwas zu religiöser Verfolgung aufs Papier zu bringen? Sie waren es, die sich ein parlamentarisches Foulspiel leisteten, indem Sie den Antrag im Juni plötzlich von der Tagesordnung nehmen ließen und dann wieder und wieder im Ausschuss für Menschenrechte – insgesamt viermal. Klärungsbedarf in der Koalition hätten Sie, hieß es von der Union. Klärungsbedarf – jawohl, das war eine parlamentarische Notbremse. Das tut man nicht, wenn es um gekreuzigte Menschen in Syrien geht, um von Bomben zerfetzte Kopten in Ägypten. Sie haben das Thema viermal von der Tagesordnung abgesetzt, Sie haben diese bitter nötige Debatte um volle vier Monate verzögert. Die größte Oppositionspartei, die AfD, hat die anderen Fraktionen vorgeführt; denn sie alle hatten nichts vorzuweisen. Nun endlich: Zwei weitere Anträge liegen vor. Was darin steht, ist auch nicht grundlegend falsch; denn es gibt überall Verfolgung, und Angehörige jeder Religion sind betroffen. Aber wie ernüchternd: Zwei Anträge voller überflüssiger Allgemeinplätze! Was Ihnen fehlt, und zwar allen Altparteien, ist die korrekte Wertung und Einordnung. Als religiöse Ideologie betreibt der Islam die weltweite Verfolgung. Das ist der entscheidende Unterschied. Das schließt nicht aus, dass auch Moslems Opfer religiöser Verfolgung sind; doch fast ausschließlich handelt es sich hier um Opfer innerislamischer Verfolgung: Moslems gegen Moslems. Diese verfolgten Menschen verdienen natürlich auch unsere Solidarität. Doch dem werden Sie nicht gerecht. Sie bringen hier nette Anträge ein, die auf ein nebulöses Weltethos zielen und die Probleme der Menschen verfehlen. Denn wer würde nicht gerne in einer Welt ganz ohne Verfolgung leben? Aber das ist ein Traum, wie der Kommunismus, wo Gott verleugnet wird, wo Völkermördern wie Lenin, Stalin, Mao und Pol Pot Tür und Tor geöffnet wird. Linke und Grüne haben dort ihre Ursprünge und Vorbilder. Sie alle wollen mit Ihren beiden Anträgen den Menschen Sand in die Augen streuen. Offensichtlich hat Sie der fundierte, sachliche und weiterführende Antrag der AfD gelähmt und Ihre Fraktionen entzweit. Auch die Union ist dabei im Lager der linksgrünen Hypermoral angekommen. Die Menschen im Lande wissen es: Das C im Namen gebührt ab jetzt der AfD! Sechs Monate – und nun dieser Antrag, verehrte Kollegen der einst christlichen Union: nicht direkt falsch, aber viel zu allgemein, zu gefällig, zu lau. Lassen Sie mich dazu die Offenbarung des Johannes zitieren, Kapitel 3, Vers 16. Dort schreibt Johannes der Evangelist im Namen Jesu Christi: Weil du aber lau bist, weder heiß noch kalt, will ich dich aus meinem Mund ausspeien. Zitat Ende. – Laue Christen sind halbe Heiden. Ein Antrag, der für alle und jeden passt, ist lau! Noch ein Wort zum Antrag der Grünen. In diesem Antrag entlarven sie sich selbst. Ausgerechnet die Islamkonferenz wird immer wieder erwähnt, eine Institution, die von muslimischen Verbänden missbraucht wird, um unseren Rechtsstaat zu verhöhnen. Ihnen fehlt offenbar jede Orientierung. Jetzt ist die Zeit, um an diejenigen zu denken, die am stärksten verfolgt werden. Ingeborg Bachmann hat gesagt: „Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar.“ Hören Sie den verfolgten Christen im Nahen und Mittleren Osten zu. Diese Menschen sagen die Wahrheit, auch die Wahrheit über den Islam. Das Wort hat als nächster Redner Michael Brand für die Fraktion der CDU/CSU.
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Katja Keul BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Katja
Keul
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin, wie Sie bereits wissen, sind wir Grüne mit der Erhöhung des Verteidigungsetats nicht einverstanden. Das hat aber nichts damit zu tun, dass wir nicht für eine gute und funktionierende Ausrüstung der Bundeswehr sind. Wir stehen zu den Streitkräften und wollen, dass diese sowohl für die Landesverteidigung als auch im Einzelfall für die Unterstützung von UN-Missionen gerüstet sind. Jeder, der die Vereinten Nationen stärken und ernsthaft für politische Einigungen im Sicherheitsrat eintreten will, hat im Übrigen unsere Unterstützung. Einsparen sollten Sie aber Einsätze, die ohne UN-Mandat als Koalition der Willigen außerhalb eines Systems kollektiver Sicherheit stattfinden und damit den Multilateralismus schwächen. Diese Einsätze belasten die Bundeswehr unnötig, weil sie per se nicht geeignet sind, Frieden und Sicherheit in der Welt wiederherzustellen. Doch nun zu Ausrüstung, Beschaffung und Entwicklung. Wir haben da schon immer kritisiert und gesagt, dass zunächst das Beschaffungswesen reformiert werden muss, bevor man mehr Geld in ein defizitäres System gibt. Was wir aber zuletzt im Untersuchungsausschuss zur Berateraffäre hören mussten, übersteigt alle meine schlimmsten Befürchtungen. Rechtswidrige freihändige Vergabeverfahren wurden weder bei der BWI noch bei der HIL versehentlich, sondern systematisch und vorsätzlich durchgesetzt. Treue und loyale Beamte und Mitarbeiter wurden von eigenmächtigen Akteuren unter Druck gesetzt, bis hin zur Nötigung, und fanden leider nicht die erhoffte und notwendige Unterstützung aus der Führungsebene. Ich bin tief beeindruckt von der Haltung der mutigen Zeuginnen und Zeugen, die trotz des jahrelangen Drucks ihre Loyalität zu Recht und Gesetz nicht aufgegeben und immer wieder versucht haben, Schaden für das öffentliche, also unser aller Vermögen zu vermeiden. Ich möchte mich als Volksvertreterin beispielhaft bedanken bei den Zeugen Moseler und Dippel für die Aufklärung der Vorgänge um die HIL GmbH, bei den Zeugen Veit und Kloevekorn im Hinblick auf die BWI und bei den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Bundesrechnungshofs, ohne deren Untersuchungen die Aufklärung nicht möglich gewesen wäre. Der Schaden ist nicht nur finanziell unermesslich, und wir kennen letztlich immer nur Ausschnitte aus dem Gesamtbild. Frau Ministerin, dieser ungeheuerliche Umgang mit öffentlichen Geldern muss nicht nur aufgeklärt und abgestellt werden. Was wir den Hinweisgebern und der öffentlichen Hand schulden, ist, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Die Protokolle der Beweisaufnahme sind ein Fall für die Staatsanwaltschaft. Am besten schicken Sie als Ministerin die Akten höchstpersönlich dorthin. Was die Verantwortlichen dort an öffentlichem Vermögen verschwendet haben, kann die Truppe weder bei Winterkleidung noch bei Stiefeln oder Nachtsichtgeräten wieder einsparen. Nun noch zum Thema Entwicklung. Die größten und teuersten Projekte sollen berechtigterweise in Zukunft europäisch entwickelt werden. Sowohl die Eurodrohne als auch das Kampfflugzeug FCAS sollen gemeinsam mit den Franzosen entwickelt werden, und das ist dem Grunde nach auch richtig. Aber warum sollen diese hochmodernen sicherheitsrelevanten Systeme dann an Drittstaaten veräußert werden, die mit uns in keinerlei Bündnis stehen? Mit dem Zusatzabkommen zum Aachener Vertrag hat die Bundesregierung unseren französischen Partnern versprochen, dem Verkauf dieser Systeme nicht zu widersprechen, egal an wen verkauft wird. Angeblich sei der europäische Markt und damit die Stückzahl zu klein, wenn wir nicht weltweit exportieren. Das wiederum entspricht aber nicht unseren europäischen Sicherheitsinteressen und stärkt auch nicht die europäische Souveränität. – Es geht hier nicht um Industriepolitik, Herr Kollege, sondern um Sicherheitspolitik. Das müssen wir mit unseren Partnern klären, und zwar bevor die Verträge unterschrieben werden. Frau Ministerin, mit dem bestehenden Etat hätten auch schon in den letzten Jahren die dringendsten Bedürfnisse der Truppe befriedigt werden können. Solange das Geld aber vorrangig in mangelhaften Verträgen mit der Industrie versickert und bei überflüssigen Beratern landet, statt bei den Soldatinnen und Soldaten, wird es von uns kein grünes Licht für einen höheren Verteidigungsetat geben. Vielen Dank. Vielen Dank, Frau Kollegin Keul. – Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Dr. Johann Wadephul, CDU/CSU-Fraktion.
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Hansjörg Müller AfD
Hansjörg
Müller
AfD
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die FDP erkennt selbst: Freihandelsabkommen mit Werteideologie zu verbrämen, ist ein Problem der EU-Handelspolitik. – Das steht unten auf Seite 1 Ihres Antrags. China dagegen realisiert pragmatisch Handelsvorteile. Die Lösung laut FDP sei, einen neuen Anlauf für das gescheiterte Transatlantische Handelsabkommen TTIP zu starten, diesmal – ich zitiere – „schrittweise“ und „auf Basis der gemeinsamen Werte“. Dieser Ansatz ist doch auch wieder ideologisch und löst nicht das Problem des fehlenden Pragmatismus in der EU-Handelspolitik. Die heutigen Ausgangsbedingungen sind schlechter als noch vor zehn Jahren: Handelskriege, Zollschranken, Russland-Sanktionen, WTO-Blockadepolitik. Daran wird auch der hingetrickste Präsident Joe Biden nichts ändern, der sich eher für die globale Finanzindustrie einsetzt als für den globalen Handel. – Schön, dass Sie wieder mal die Realität nicht hören wollen. – Es ist abwegig, zu erwarten, dass China tatenlos zusehen wird, wenn sich die EU über ein TTIP 2.0 den USA erneut unterordnet, um China im Welthandel zu bekämpfen. Hallo, liebe fünf Linksfraktionen hier im Deutschen Bundestag, kommen Sie mal von Ihrem militärischen Blockdenken runter! Weltweiter Freihandel ist eine friedliche Veranstaltung. Und als Exportnation darf sich Deutschland keinesfalls einseitig nach Westen ausrichten, sondern muss sich alle Optionen offenhalten. Einseitige Handelsallianzen unterminieren den freien Handel Deutschlands in alle Himmelsrichtungen, den wir – auch Sie von den fünf Linksfraktionen – so dringend brauchen. Aber vielleicht kommt es sowieso ganz schnell ganz anders, als alle denken: wenn Sie nämlich mit dem Lockdown-Wahnsinn und der Ruinierung des Euro unserer Wirtschaft das Lebenslicht auch schon vorher ausgeblasen haben. Nein, alter Wein in neuen Schläuchen kann nicht die Lösung sein. Was also dann ist die Lösung? Endlich mehr Eigennutz in unserer Handelspolitik verfolgen, statt als Missionar Freihandelsverträge mit linksgrünem ideologischen Blabla zu überfrachten. Es ist völlig legitim, wenn Deutschland im Handel zuerst einmal seine eigenen Interessen und die Interessen der deutschen Unternehmen vertritt. Deutschlands politisch oft nachteilige geografische Mittellage ist wirtschaftlich unser großer Vorteil. Wir sitzen nicht nur in der Mitte Europas; wir sitzen auch verbindend zwischen dem östlichen, dem westlichen und dem asiatischen Wirtschaftsraum. Sich dann einseitig Richtung Westen anzuketten, ist törichte Selbstbeschränkung. Der eurasische Wirtschaftsraum ist der Turbo für Deutschland und seine Unternehmen im 21. Jahrhundert, und zwar analog zur EWG, nicht zur EU. Russische Rohstoffe und deutsche Technologie sind eine großartige Symbiose. Vor 20 Jahren machte uns ein russischer Staatsmann genau von diesem Rednerpult aus das Angebot grenzenlosen Wirtschaftens von Lissabon bis Wladiwostok. Und nicht ohne Grund versucht die NATO seitdem, genau das zu verhindern. Genau über Eurasien bekommen wir unmittelbaren Zugang zum neuen asiatischen Wirtschaftsraum und dessen Freihandelsabkommen RCEP, genau was Sie von den fünf Linksfraktionen ja wollen. Aber das ist ein realistischer Ansatz. Selbstverständlich werden wir die älteren Wirtschaftsverbindungen mit dem Westen auch weiterhin hegen und pflegen. Aber wir werden offen auch auf die östlichen und asiatischen Wirtschaftsverbindungen zugehen. Das heißt: Realpolitik auch in der Wirtschaft. Ich bedanke mich. Für die SPD hat nun Markus Töns das Wort.
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Hubertus Zdebel DIE LINKE
Hubertus
Zdebel
DIE LINKE
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Dass jetzt der Bundestag eine Entschädigung von bis zu 1 Milliarde Euro für RWE und Vattenfall im Atomgesetz gesetzlich regeln muss, ist juristisch Folge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2016. Aber warum – daran muss meines Erachtens nach immer wieder erinnert werden – ist es überhaupt zu diesem Urteil gekommen? Weil die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung 2010 den Atomausstieg zurückgenommen und gleichzeitig bei der Einführung der Brennelementesteuer massiv geschlampt hat und diesen Dilettantismus wenige Monate später beim Atommoratorium 2011 nach dem Super-GAU in Fukushima wiederholte. Dabei wurden Schadensersatzrisiken bewusst ignoriert, und das, obwohl schon damals nahezu alle Tageszeitungen über die rechtlichen Risiken der Stilllegungen berichtet hatten. Bevor in dieser Frage Nebelkerzen geworfen werden, lesen Sie dazu noch mal den abweichenden Bericht der Fraktionen von SPD und Linken zum Biblis-Untersuchungsausschuss im Hessischen Landtag – das liest sich wie ein Krimi –, dann kommen Sie dahinter, was damals tatsächlich passiert ist. Anstatt heute nur Krokodilstränen über juristische Sachzwänge zu vergießen, sollte dieser Zusammenhang nicht vergessen werden. Es ist nämlich in der Tat eine bittere Pille, dass Unternehmen für den Atomirrsinn der Vorvorgängerregierung aus CDU/CSU und FDP entschädigt werden müssen und die Steuerzahler dafür letztlich die Zeche zahlen. Ich möchte anerkennen – jetzt komme ich zu dem vorliegenden Gesetzentwurf –, dass die Fraktionen von CDU/CSU und SPD bei der Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts nun immerhin der Versuchung widerstehen, die Atomkonzerne mit Laufzeitverlängerungen zu entschädigen. Ich weiß, dass das auch in der Diskussion war und dass das in der Koalition lange strittig war. Ich finde es erst mal richtig, eben nicht auf die Laufzeitverlängerung zu setzen, sondern einen anderen Weg zu gehen. Das erkenne ich für unsere Fraktion ausdrücklich an. Es bleiben aber natürlich noch einige andere Fragen offen, nicht nur die, die Frau Skudelny gerade aufgeworfen hat, sondern es geht auch um andere Regelungen im Gesetzentwurf, wo meines Erachtens zumindest die Chance bestünde, den Atomausstieg zu beschleunigen und so die Risiken eines Super-GAUs zu minimieren und den anfallenden Atommüll zu reduzieren. Zum Beispiel geht es um die Übertragung von Strommengen auf Atommeiler in den Netzausbaugebieten für Brokdorf und Emsland. Sie hätten diese untersagen können; denn in diesen Gebieten blockieren die AKWs weiterhin die erneuerbaren Energien. Die Stromkunden müssen dafür letztlich die Rechnung zahlen. Wenn die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler erneut 1 Milliarde Euro an die Konzerne RWE und Vattenfall zahlen sollen, dann wäre es für Stromkundinnen und Stromkunden allemal gerecht, wenn künftig wenigstens die Ausgleichszahlungen für abgeschaltete Windanlagen entfallen. Das könnte man zum Beispiel regeln, und ich finde es relativ logisch, darüber auch noch mal bei der Anhörung nächste Woche zu diskutieren. Möglicherweise gibt es da ja Ihrerseits noch Bewegungsspielraum. Anträge, die diskutiert werden, gibt es ja auch schon im Bundesrat. Ich denke, es wäre eine spannende Diskussion, in der man möglicherweise noch den einen oder anderen Weg finden könnte für das, was jetzt notwendigerweise geregelt werden muss. Gleiches gilt – das habe ich diese Woche schon in der Fragestunde angesprochen – für die Neuregelung der Brennelementesteuer; denn diese wird leider nicht erneut ins Auge gefasst. Ich finde es eigentlich ernüchternd, dass auch die SPD, die sich ja in der Vergangenheit auch immer für die verfassungskonforme Einführung der Brennelementesteuer ausgesprochen hat, das bisher nicht ins Auge fasst und diese Sache hier so durchlaufen lässt. Es wird immer gefährlicher. Das gilt gerade für die letzten Jahre, in denen die Atomkraftwerke am Netz sind. Ich denke, auch da wäre es nötig, die Konzerne – notfalls auch mit einer steuerlichen und gesetzlichen Regelung – in die Verantwortung zu nehmen, damit nichts passiert. Zu guter Letzt: Ich glaube, wir haben noch eine ganze Reihe Fragen zu diskutieren. Ich freue mich auf die Auseinandersetzung mit den Sachverständigen in der Anhörung und auf die weiteren Beratungen im Ausschuss. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Die nächste Rednerin ist die Kollegin Sylvia Kotting-­Uhl für Bündnis 90/Die Grünen.
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Josephine Ortleb SPD
Josephine
Ortleb
SPD
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Heute reden wir über ein Thema, über das in diesem Hohen Hause selten gesprochen wird. Warum ist das so? Weil wir uns oft schwer damit tun, offen über Sexualität zu reden, vielleicht aber auch, weil wir nicht zu der Gruppe der einkommensschwachen Menschen gehören. Aber was ist der eigentliche Kern der Debatte? Es geht um Selbstbestimmung – die Selbstbestimmung, das eigene Leben so zu gestalten, wie man es möchte. Und heute reden wir über die Menschen, denen die finanziellen Mittel für diese Selbstbestimmung fehlen. Aus diesem Grund geht mein Dank an die Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke, die sich mit ihren Anträgen um nichts weniger als um diese Selbstbestimmung kümmern. Wir beschäftigen uns mit einem Thema, das aus gleichstellungspolitischer Sicht ein Feld ist, welches immer noch hauptsächlich Frauen überlassen wird – im Kopf und im Geldbeutel. Als in den 60er-Jahren die Verhütung durch die Pille populär wurde, war das ein Meilenstein der Selbstbestimmung der Frau. Durch den sicheren Zugang zu Präservativen ist es uns gelungen, Frauen und Männern die freie und sichere Gestaltung ihrer Sexualität und familiären Zukunftsplanung zu ermöglichen. Das Recht, selbst über den Zeitpunkt einer Schwangerschaft zu entscheiden, oder die Entscheidung, kinderlos zu leben, hat eine neue Qualität bekommen: die Qualität eines Menschenrechtes. Das hat die internationale UN-Konferenz in Kairo 1994 festgelegt. Auch die CEDAW-Konvention führt uns das immer wieder vor Augen. Sie stellt klar, dass der Staat die notwendigen Mittel bereitstellen muss, um Frauen das Recht zur freien und verantwortungsbewussten Familienplanung zu ermöglichen. Diese Konvention der Vereinten Nationen ist gerade in politisch unruhigen Zeiten ein verlässlicher Wertekompass, der für uns als SPD einen hohen Stellenwert hat. Wir haben schon vieles umgesetzt, und bei manchem ist auch noch Luft nach oben, so auch bei der sexuellen und reproduktiven Selbstbestimmung der Frau. Aber ich bin froh, dass auf der Bundesebene bereits an einer Lösung gearbeitet wird wie zum Beispiel durch das bereits erwähnte vom Bundesfrauenministerium geförderte und von pro familia durchgeführte Modellprojekt biko. An bundesweit sieben Standorten ermöglicht das Projekt einen einfachen Zugang zu verschreibungspflichtigen, sicheren und gut verträglichen Verhütungsmitteln für Frauen mit wenig Geld. Dabei wird die kostenlose Abgabe der Verhütungsmittel nicht ausschließlich an den Empfang von Sozialleistungen geknüpft. Die Studentin, die durch biko den verschriebenen Verhütungsring erstattet bekommt, die Sozialhilfeempfängerin, die ihre Familienplanung abgeschlossen und mit der Spirale nun eine sichere Langzeitverhütung hat, oder die Frau mit sehr niedrigem Einkommen, die durch die Pille nun ihre Familienplanung selbst in der Hand hat – diese Beispiele machen deutlich: Selbstbestimmte Familienplanung darf nicht vom Geldbeutel oder den Lebensumständen abhängen. Neben der Kostenübernahme stellt pro familia als zweiten Schwerpunkt vor allen Dingen aber auch das Angebot einer umfassenden Verhütungs- und Familienplanungsberatung bereit. Denn oft reichen die klassischen Informationsgespräche in den Arztpraxen nicht aus, und es ist gerade dieses Zusammenspiel von Kostenübernahme und Beratungsangebot, von dem das Projekt biko lebt. Ich freue mich sehr, dass auch in meiner Heimatstadt Saarbrücken einer der Modellstandorte zu finden ist. Aus dem Gespräch mit den Mitarbeiterinnen der dortigen Beratungsstelle weiß ich: Der Bedarf ist da, und er ist hoch. In Ihrem Anliegen, liebe Antragstellerinnen, sind wir uns hier also einig. Trotzdem müssen wir die offenen Fragen im Verlauf des parlamentarischen Verfahrens klären. Die Auswertung des biko-Modellprojekts wird uns wertvolle Erfahrungen aus der Praxis liefern: Erfahrungen dazu, wie wir den Zugang für Frauen am besten gestalten und somit das Recht auf Selbstbestimmung weiter stärken können. Liebe Kolleginnen und Kollegen, beim Sprechen über Sexualität tun wir uns schwer. Oft reden wir nicht offen darüber. Ja, wir können es uns vermeintlich leisten, nicht darüber zu reden. Aber Menschen mit niedrigem Einkommen können es sich nicht leisten, dass wir hier nicht darüber reden. Vielen Dank. Letzte Rednerin in dieser Debatte ist Melanie ­Bernstein für die CDU/CSU.
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Dr.
Dr. Lukas Köhler FDP
Lukas
Köhler
FDP
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben jetzt von Herrn Stracke und von der Ministerin viel über Effizienz gehört. Man muss sich, glaube ich, noch mal ein bisschen näher angucken, ob das, was Sie da mit Ihrem Klimaschutzgesetz gemacht haben, wirklich so effizient ist. Sie haben einen klaren Auftrag vom Bundesverfassungsgericht gehabt. Eben wurde gesagt: Sie müssen ein europäisch integrierbares Gesetz machen. Sie müssen für Effizienz und Technologieoffenheit im Klimaschutz sorgen, und Sie müssen einen klaren Plan vorlegen, der zeigt, in welche Richtung und wie Sie absenken wollen. Über den klaren Plan kann man streiten. Man kann darüber nachdenken, ob Sie das sozusagen ab 2030 wirklich hinbekommen. Aber was Sie gemacht haben, ist kein europäisch integrierbares Gesetz; Sie sind vorgeprescht. Sie haben sich einfach überlegt: Mensch, wir machen es möglichst hart, möglichst schnell oder möglichst so, dass niemand anders mit uns diskutieren kann. – Wer in einer Verhandlungssituation von vornherein seinen Preis schon festgelegt hat, der kann nicht mehr verhandeln; der läuft nur noch hinterher. Das ist doch ein Trauerspiel in der Klimapolitik, wenn Sie nicht gemeinsam mit anderen europäischen Ländern zusammengehen. Das ist doch nicht effizient. Herr Stracke, Sie haben es ja gerade gesagt: Eine europäisch integrierte Lösung wäre effizient gewesen. – Sie haben sie aber nicht gemacht. Sie haben selber gesagt, Sie ziehen Klimaneutralität auf 2045 vor und legen für 2030 Ziele fest. Wenn der Rest Europas jetzt sagt: „Na ja, wir machen beim Ziel 2045 nicht mit“, dann haben Sie fünf Jahre im Emissionshandel Zertifikate einfach mal verschenkt. Herzlichen Glückwunsch! Das ist nicht effizient. Das ist genau das Gegenteil davon. Frau Schulze, was mich wirklich gewundert hat: Man kann der Meinung sein, dass Sektorziele klug sind. Man kann der Meinung sein, dass sie funktionieren. Aber man kann nicht der Meinung sein, dass sie effizient sind; denn Sie sorgen nicht dafür – das ist völliger Nonsens –, dass der Euro da ausgegeben wird, wo er am effizientesten eingesetzt werden kann. Man kann das machen, aber nur, wenn man an einen starken Staat, der genau weiß, wo was passieren muss, glaubt. Dieser Glaube ist ein absolut aberwitziger Irrglaube, der niemals in Erfüllung gehen wird. Das einzig effiziente und funktionierende System ist ein einheitlicher Emissionshandel, der über sein CO2-Limit dafür sorgt, dass sichergestellt werden kann, dass Sie Klimaschutz betreiben. Bei allem anderen müssen Sie herumdoktern. Liebe Union, dass Sie sich so über unser wunderbares Wahlprogramm freuen und daraus eine Reihe von Dingen abschreiben, freut uns. Das finden wir gut. Folgen Sie uns gerne, folgen Sie uns auch im nächsten Jahr, in der nächsten Legislatur weiter. Da sind wir gerne dabei. Aber das Problem ist doch: Das, was Sie heute beschließen, hat natürlich Auswirkungen auf morgen, hat natürlich Auswirkungen auf die nächste Legislatur. Dass Sie diese Sektorziele mitmachen, das kann ich nicht verstehen. Denn Sie müssen mir eine Sache beantworten – bei der SPD habe ich mittlerweile aufgegeben, dass sie diese Antwort liefert –: Was macht Ihr aktueller Verkehrsminister, wenn in einem Jahr die Ziele nicht erreicht werden? Was ist die Sofortmaßnahme, die Sie in drei Monaten beschließen und in sechs Monaten umsetzen, und zwar so, dass Sie damit Ziele erreichen? Nicht irgendwelche absurden Ideen, irgendwelche Tempolimits oder Flugverbote, von denen selbst Herr Habeck sagt, dass sie nur symbolisch sind. Sie brauchen Sofortmaßnahmen, und Sofortmaßnahmen heißen im Zweifel Fahrverbote. Das möchte ich mal sehen, dass das jemand bei Ihnen durchsetzt. Das ist doch keine Effizienz, das ist Wahnsinn. Das ist vor allen Dingen keine Klimapolitik. Einzelne Sektorziele vorzugeben, macht keinen Sinn. Es geht um den Gesamtausstoß, die gesamte Menge an CO2, die wir noch ausstoßen dürfen und die wir noch ausstoßen können. Die können Sie limitieren. Wir haben funktionierende effiziente und bereits eingeführte Instrumente, mit denen Sie das machen können. Dazu gehören aber keine CO2-Steuer, die jährlich vorgibt, wie teuer CO2 ist, und keine anderen Sachen. Natürlich geht alles in Richtung Emissionshandel. Die Grünen haben es verstanden – Sie haben doch gerade Frau Badum gehört –: Das ist das Effizienteste, weil alles andere, was Sie im Ordnungsrecht dazu machen, Sie immer viel Geld kosten wird. Da, liebe Grüne, erwarte ich von Ihnen Transparenz, nicht nur mit Blick auf die Tatsache, dass Ihre CO2-Steuer Geld kostet. Auch alle anderen Maßnahmen – Verbrennerverbote, Fahrverbote, egal was Sie machen wollen – kosten eine Menge Geld. Das müssen Sie mal transparent machen, weil das nämlich das wirklich Unsoziale ist. Ich freue mich auf eine offene Debatte in der aktuell laufenden Diskussion. Ich glaube, wir können gemeinsam viel für den Klimaschutz erreichen. Vielen Dank. Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Köhler. Nächste Rednerin ist die Kollegin Sabine Leidig, Fraktion Die Linke.
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Stefan Gelbhaar BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Stefan
Gelbhaar
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach jahrelangem Ringen zwischen Regierung und Opposition, zwischen den Bundesländern und dem Bund gibt es jetzt einen tragfähigen Kompromiss. Das ist wichtig für die gesamte Branche und für die Fahrgäste. Auch der Protest der Fahrerinnen und Fahrer hat das bewirkt. Nach dem Vorlauf sind mir die Sorgen und der Argwohn mehr als verständlich. Diese Arbeit, die geleistet wird, schafft Mobilität, und das ist ein Wert. Den Fahrerinnen und Fahrern schulden wir einen ordentlichen und einen fairen Rahmen für ihren Beruf. Ich meine, das Taxigewerbe wird mit diesem Kompromiss bestehen. Die Taxitarife werden flexibler, die Rückkehrpflicht für die Mietwagen bleibt. Auf unseren Druck hin können Mietwagenangebote wie Uber strenger reguliert werden. Plattformen müssen sich jetzt wie alle anderen auch eine Genehmigung holen. Und das ist gut so. Unser Ziel ist es, Dumping zum Nachteil von Bus, Bahn, Taxi und Pooling auszuschließen. Deswegen haben wir die versprochenen Antidumpingregeln durchgesetzt. Preisuntergrenzen schieben dem Unterbietungswettbewerb – Frau Leidig, der existiert jetzt schon in den Kommunen – einen Riegel vor. Davon profitiert nicht nur die Taxifahrerin, sondern auch der Uber-Fahrer. Der Beweis, dass das funktioniert, muss jetzt auf der Straße erbracht werden. Wir wollen mit der Novelle aber noch einiges mehr erreichen, nämlich mehr Mobilität bei weniger Verkehr. Für Pooling-Verkehre wie MOIA, CleverShuttle und BerlKönig schaffen wir dafür erstmalig eine Rechtsgrundlage und damit Planungssicherheit. Und das wird gebraucht. Denn wir haben Defizite am Stadtrand, wir haben Defizite in den ländlichen Räumen, im Nacht- und Wochenendverkehr. Die müssen wir angehen. Pooling-Dienste, aber auch Mietwagen können hier eine Ergänzung zum klassischen ÖPNV und Taxi bieten. Alle zusammen sind dann eine starke Konkurrenz für das eigene Auto. Das ist unser Ziel. Wir haben dafür jetzt das notwendige Update des Personenbeförderungsgesetzes. Ich sage aber auch: Mit dem Gesetz ist beileibe nicht alles gelöst und fein. Die Kommunen bekommen deutlich mehr Spielraum – das ist gut –, aber sie tragen auch eine verdammt hohe Verantwortung. Die Sozial- und Klimastandards sowie die Barrierefreiheit müssen bei den Mobilitätsdiensten vor Ort durchgesetzt werden. Das ist die Aufgabe. Da müssen wir auch als Bundespolitik genau hinschauen. Denn für die Sozialstandards, wie zum Beispiel Höchstarbeits- und Pausenzeiten, gibt es nur eine Kannregelung. Ich rufe die Städte auf: Macht davon intensiv Gebrauch! Auch Barrierefreiheit und Klimaschutz sind unterschiedlich und lückenhaft geregelt. Entschuldigung, Herr Kollege. – Frau von Storch, würden Sie bitte die Maske aufsetzen. Sie kriegen das hin, Frau von Storch. Es ist nicht so schwierig, eine Maske aufzusetzen. Also: Es gibt Lücken. Das muss jetzt durch exekutives Handeln, durch Regierungshandeln, gelöst werden. Das bedeutet auch: Von Anfang an muss durch die Regierung begleitet und evaluiert werden. Abwarten geht nicht. Sollten sich Defizite zeigen, muss angepasst werden. Insgesamt: Ja, es ist ein Kompromiss, aber einer, der den Schritt in die richtige Richtung macht. Das sagt übrigens, Frau Leidig, auch der VDV. Das sagen auch die Kommunen. Aus diesen genannten Gründen stimmen wir heute diesem unserem Kompromiss natürlich zu. Vielen Dank. Vielen Dank, Stefan Gelbhaar. – Nächster Redner: für die Bundesregierung Minister Andreas Scheuer.
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Alexander Hoffmann CDU/CSU
Alexander
Hoffmann
CDU/CSU
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir zu dem Antrag drei Anmerkungen. Zum einen offenbart er – und das ist nicht sonderlich überraschend – natürlich in eklatanter Art und Weise, dass wir völlig unterschiedliche Herangehensweisen an die Sicherheitsarchitektur in unserem Land haben. Uns allen ist klar, dass diese Sicherheitsarchitektur aus einem gerechten Ausgleich zwischen Freiheit und Sicherheit besteht. Uns allen ist auch klar, dass wir dabei natürlich die Grundrechte des Einzelnen gewährleisten müssen. Aber wir von der Union sind überzeugt davon, dass sich Freiheit und Sicherheit eben nicht gegenseitig ausschließen, sondern sich bedingen. Das heißt, ohne Freiheit wird es keine Sicherheit geben, und ohne Sicherheit gibt es am Ende des Tages keine Freiheit. Deshalb sind wir bereit, für maximale Sicherheit bis an die Grenze des durch das Grundgesetz Möglichen zu gehen. Die Linken wollen dafür einen „Sicherheitsabstand“; so nennen sie es. Ich sage Ihnen: Das ist mit uns nicht zu machen. Meine Damen, meine Herren, es geht um die Bekämpfung rechtsextremistischer, linksextremistischer Gewalt; es geht um die Bekämpfung islamistischen Terrors und antisemitischen Terrors. Wir wollen dafür einen möglichst vollen Instrumentenkasten und keinen halb leeren. Auf die Wahrung der Grundrechte haben wir als Union im Übrigen immer größten Wert gelegt. Das zeigt ein Blick in die letzte Legislaturperiode; ich erinnere an das IT-Sicherheitsgesetz 2.0 und an das Verfassungsschutzgesetz. Die Mechanismen funktionieren ja auch; im Übrigen funktionierten sie auch schon vor dieser letzten Legislaturperiode. Sie selbst schreiben ja in Ihrem Antrag, dass „FinFisher“ nicht eingesetzt wurde, und in der Begründung, dass „Pegasus“ angepasst wurde. Zudem erwecken Sie den Eindruck, dass wir es hier mit einem Massenphänomen der Spähsoftware zu tun hätten; und auch das ist falsch. Gestatten Sie mir am Ende die dritte Anmerkung, und die geht Richtung Ampel. Wer genau hingehört hat, der hat schon gemerkt, dass es völlig unterschiedliche Ansichten gibt, also wie die SPD das sieht im Vergleich zu den Ausführungen der FDP und der Grünen. Im Übrigen, Ihnen von den Grünen und der FDP möchte ich mal ins Stammbuch schreiben: Das muss Ihnen doch zu denken geben, wenn Sie zu einem Antrag, den Die Linke im Bereich des Sicherheitsrechts vorlegt, in der Tat sagen: Sie tragen damit Eulen nach Athen, denn wir gehen ja noch viel weiter. – Das lässt bei uns die Sorge aufkeimen, dass Sie unter Umständen Gefahr laufen, die Sicherheit zu opfern zuungunsten von Ideologie und Ihrem Begriff von Freiheit. Auch heute haben Sie wieder viel angekündigt. Ich sage Ihnen: Sie müssen aufpassen! Sie werden nämlich irgendwann, wenn Sie so weitermachen, eine reine Ankündigungskoalition. Schauen Sie sich diese Plenarwoche an: Wir hatten ganz wenige Plenarpunkte. Und woran liegt das? Die Wahrheit sieht so aus, dass Sie bisher kaum etwas auf die Schiene gesetzt haben. Sie kündigen nur jede Woche an und lesen immer wieder Ihren Koalitionsvertrag vor. Dazu passt es, dass wir bis heute nicht einmal ein neues PKGr, ein Parlamentarisches Kontrollgremium, eingesetzt haben. Wissen Sie, warum? Wegen Postenschacherei. Die Grünen und die SPD können sich nicht einigen, wer den Vorsitz übernimmt. So wichtig sind Ihnen die Grundrechte und die Kontrollfunktion dieses Organs, dass Sie da jetzt die Postenschacherei über alles stellen! Das sollte man in dieser Diskussion auch erwähnen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
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Linda Teuteberg FDP
Linda
Teuteberg
FDP
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Verleihung der Staatsangehörigkeit ist eine der weitreichendsten Rechtskreiserweiterungen, die ein Rechtsstaat vornehmen kann. Es geht um das bedeutendste Statusrecht. Deutschland ist ein weltoffenes Land mit einer in der jüngeren Geschichte reichen, bereichernden Einwanderungsgeschichte – von der Ansiedlung französischer Hugenotten in Preußen im 17. und 18. Jahrhundert bis zum Zuzug von Unionsbürgern in unserer jüngsten Geschichte, ermöglicht durch Arbeitnehmerfreizügigkeit und Niederlassungsfreiheit in der Europäischen Union. Zugleich ist unser Land für qualifizierte Fachkräfte nicht so attraktiv, wie es sein könnte. Mit der Einbürgerung werden Zuwanderer Teil des Staatsvolkes. Sie dürfen dann an Wahlen teilnehmen und die politische Richtung des Landes mitbestimmen. Weil der demokratische Rechtsstaat kein Interesse daran hat, in relevantem Umfang ungeeignete Personen zu seinen Bürgern zu machen, darf und muss er die Einbürgerung an Voraussetzungen knüpfen. Die gelungene Integration in unsere Gesellschaft ist für uns dabei die Hauptvoraussetzung. Zugleich ist die Möglichkeit des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit Ausdruck der Offenheit und Voraussetzung für Zusammenhalt und Integration. Einige Eckpunkte für uns Freie Demokraten für eine Reform des Staatsangehörigkeitsrechtes sind: Dass die Verleihung der Staatsangehörigkeit Ergebnis und Ziel einer gelungenen Integration in die deutsche Gesellschaft ist. Sie ist keine Vorleistung, kein Vorschuss in der Hoffnung auf mögliche zukünftige Integrationsleistungen. Es darf keine Rabatte bei den Integrationsanforderungen geben, wie Sprachkenntnisse, Bekenntnis zu und Achtung von Werte- und Rechtsordnung und Bestreitung des Lebensunterhaltes. Eine Rechtsordnung, die sich selbst ernst nimmt, darf keine Fehlanreize für die Missachtung ihrer selbst setzen. Ein Staat muss niemanden zu seinem Bürger erklären, der ihm nicht sagt, woher er kommt, wer er ist, wie er heißt. Es darf bei Identitätstäuschungen zwar keinen völligen Ausschluss der Einbürgerung geben, aber das muss spürbare Konsequenzen haben. Der freiheitliche Rechtsstaat sollte für humanitäre Härten Regelungen vorsehen, aber er muss und sollte sich nicht auf der Nase herumtanzen lassen. Und nach spätestens zwei Generationen sollten sich Einwanderer in der Regel für eine Staatsangehörigkeit entscheiden müssen. Für gut qualifizierte und integrationsbereite Einwanderer muss Deutschland ein Leuchtturm sein. Wenn die Voraussetzungen erfüllt sind und eine Entscheidung für unser Land vorliegt, dann ist das ein Grund zum Feiern. Und zwar nicht zaghaft und hinter verschlossenen Türen, sondern feierlich mit den Symbolen unseres Landes: mit der Flagge, mit dem Singen der Hymne, mit der Übergabe unseres Grundgesetzes und der jeweiligen Landesverfassung. Wir werden uns konstruktiv in die Beratungen für ein angemessenes Staatsangehörigkeitsrecht einbringen und erwarten einen Entwurf der Bundesregierung. Vielen Dank. Vielen Dank, Frau Kollegin Teuteberg. – Nächste Rednerin ist für die Fraktion Die Linke die Kollegin Gökay Akbulut.
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Michael Groß SPD
Michael
Groß
SPD
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Präsident, Sie haben natürlich jetzt die Latte sehr hoch gelegt. Ich hoffe, meine Rede muss ich nicht zu Protokoll geben. Ich möchte darauf hinweisen, dass die steigenden Mieten hauptsächlich mit Gewinnerwartungen und Spekulation etwas zu tun haben und nicht mit anderen Dingen. Ich weiß nicht, in welcher Welt Sie leben. Der zweite Punkt. Ich bin froh, dass der Mietendeckel – ich schaue jetzt Eva Högl an – jetzt in Berlin umgesetzt wurde. Eva, noch einmal herzlichen Dank für den Vorschlag! Herr Luczak, Sie wissen auch, dass der Mietendeckel nicht für Neubau gilt. Also, er wird keinen Neubau gefährden. Sie haben ja schon mehrfach darauf hingewiesen – Sie selber sehen es jeden Tag –: In vielen Städten, etwa im Ruhrgebiet, in meiner Heimat, ist es so, dass viele Ladenlokale schließen, dass die multifunktionale Gestaltung der Stadtteile nicht mehr vorhanden ist, dass die Vielfalt sinkt. Aber in diesen Städten hat das hauptsächlich damit zu tun, dass die Kaufkraft sinkt, dass die Umsätze sinken, während die Mieten stabil bleiben. Aber es gibt eben auch andere Regionen: Berlin, München, Köln; das muss ich Ihnen nicht sagen. Auch eine Stadt im Ruhrgebiet entwickelt sich positiv. Dort liegen die Gewerbemieten zwischen 4 Euro und 220 Euro pro Quadratmeter. Dann passiert natürlich Folgendes: Wenn der Umsatz aufgrund von Onlinehandel, anderen Dingen und der fehlenden Kaufkraft sinkt, dann geht uns ebendiese Vielfalt verloren. Wir als Bundesregierung verschließen davor auf keinen Fall die Augen. Wir haben zum Beispiel mit dem Programm „Lebendige Zentren“ in der Städtebauförderung mit 300 Millionen Euro dafür gesorgt, dass hier Impulse gegeben werden. Das hilft den einzelnen Mietern nicht; aber es nützt der Gestaltung des Stadtteils. Wir müssen dafür sorgen – deswegen ist der Antrag der Linken an dieser Stelle natürlich richtig –, dass wir uns das genau anschauen. Es fehlt leider aus unserer Sicht an der Datengrundlage. Wir müssen natürlich genau schauen, wen wir durch den Schutz eigentlich erreichen wollen. Es darf nicht sein, dass wir Ketten unterstützen. Das kann auf keinen Fall der Sinn sein. Vielmehr müssen wir die kleinen Gewerbetreibenden und die sozialen Einrichtungen erreichen. Außerdem haben wir für die sozialen Einrichtungen schon etwas bei der letzten Mietrechtsreform getan, und zwar beim Mieterschutz bei Weitervermietung zu sozialen Zwecken. Also, wir sind auf dem Weg. Ich kann den Vorschlag von Herrn Luczak nur aufgreifen – er orientiert sich jetzt nach hinten –, dass wir bei den sozialen Einrichtungen in dieser Legislatur noch was tun. Bei den anderen Fragen wollen wir das noch auf den Weg bringen. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass ich zwei Vorschläge für sehr problematisch halte; einer wundert mich etwas. Die erste Problematik sehe ich bei der Mietpreisbremse. Die Mietpreisbremse ist verfassungsrechtlich insoweit geprüft, als es einen besonderen Schutzstatus für die Wohnungen gibt – aus einem bekannten Grund; den muss ich jetzt nicht wiederholen. Die Frage ist: Lässt sich das auf das Gewerbe übertragen? Ich muss mich deswegen wundern, weil ich gestern Frau Lay im Fernsehen bei Phoenix gesehen habe. Sie haben da sozusagen zitiert: Die Mietpreisbremse ist der letzte Mist, sie wirkt nicht, und sie treibt die Preise. Wenn Sie also einen Antrag stellen, wonach die Mietpreisbremse sozusagen das richtige Instrument ist, dann müssen Sie auch schlüssig bleiben. Da sollten Sie sich überprüfen. Wir halten sie für das richtige Instrument. Ich bin leider jetzt am Ende meiner Redezeit. Ich will den Präsidenten auch nicht ärgern. Ich danke Ihnen herzlich für die Aufmerksamkeit. Vielen Dank, Herr Kollege Groß, für diesen Beitrag. – Als Nächste hat das Wort die Kollegin Katharina Willkomm, FDP-Fraktion.
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Dorothee Martin SPD
Dorothee
Martin
SPD
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Gäste! Werte Kolleginnen und Kollegen! Minister Wissing und auch die Ampelkolleginnen und ‑kollegen haben schon ganz viele wichtige Punkte und Aufgaben skizziert. Ich möchte drei Schwerpunkte hier heute hervorheben. Erstens wurde zu Recht schon viel von dem von der Ampel auf den Weg gebrachten 9‑Euro-Ticket geredet. Das war ein voller Erfolg. Ursprünglich als reine Entlastungsmaßnahme für Pendlerinnen und Pendler gedacht, hat es sich als echte Chance für die Zukunft des Nah- und Regionalverkehrs erwiesen und nicht als Marketing-Gag. Ich finde das sehr zynisch, was Sie sagen. Der Erfolg hat sich auch für das Klima und für die soziale Teilhabe gezeigt, liebe Kolleginnen und Kollegen. „Wir wollen die 2020er Jahre zu einem Aufbruch in der Mobilitätspolitik nutzen“ – so steht es in unserem Koalitionsvertrag. Das bundesweit gültige Ticket, das wir zu einem allgemeinen Preis von 49 Euro, vergünstigt für 29 Euro etwa für Azubis, Studierende oder Senioren, fortführen wollen, wird langfristig einen Beitrag dazu leisten. Um es noch mal ganz konkret zu sagen: Dieses Projekt der Ampel ist ein Gamechanger in der Verkehrspolitik. Der Bund leistet dafür seinen finanziellen Anteil, und jetzt sind auch die Bundesländer gefragt, übrigens auch die Bundesländer, in denen CDU und CSU mitregieren. Wir sind gemeinsam in der Verantwortung, dieses Erfolgsprojekt auch gemeinsam fortzusetzen. Wer diesen Sommer das Ticket genutzt hat – ich glaube, das waren ja fast alle –, der konnte ganz unkompliziert in Deutschland unterwegs sein. Aber es wurde eben auch deutlich, wo neben der Debatte um die Ticketpreise wirklich dringender Handlungsbedarf besteht, nämlich bei der Infrastruktur, bei Zügen oder auch beim Personal. Um es klar zu sagen: Kollege Riexinger, was nutzt einem ein günstiges Ticket allein, wenn der Bus nur alle zwei Stunden fährt, wenn die Anschlüsse nicht vernetzt sind oder wenn gar kein Angebot besteht? Wir brauchen den flächendeckenden Ausbau; wir brauchen Bus und Bahn in der Fläche, auf dem Land, sodass wirklich alle davon profitieren. Übrigens: Auch das ist soziale Gerechtigkeit. Kollegin Martin – ich habe die Uhr angehalten –, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Riexinger? Das mache ich gerne, ja. Vielen Dank, dass Sie die Frage zugelassen haben. – Ich verstehe nicht, warum Sie das einander gegenüberstellen. Wir brauchen beides: Wir brauchen einen Ausbau des ÖPNV und billigere Ticketpreise. Deshalb verstehe ich jetzt nicht, warum Sie alle unsere Anträge auf eine Erhöhung der Regionalisierungsmittel – damit wird ja der Ausbau des ÖPNV finanziert – abgelehnt haben. Sie legen bei den Regionalisierungsmitteln im Haushalt eigentlich nix drauf. Das verstehe ich überhaupt nicht. Das widerspricht praktisch Ihrem Ziel, den ÖPNV auszubauen und die Investitionen zu erhöhen. Lieber Herr Riexinger, ich schätze Sie wirklich sehr, auch für Ihre sachlichen Beiträge. Was ich aber bei Ihnen und auch generell bei den Kolleginnen und Kollegen der Linken wirklich nicht verstehe, sind die Sachfremdheit und das Ausblenden von Haushaltsrealitäten. Wir können den Euro leider nur einmal ausgeben. Deswegen wünsche ich mir auch von Ihnen und den von Ihnen mitregierten Bundesländern, dass Sie sich daran beteiligen. Und natürlich müssen wir eine soziale Gerechtigkeit herstellen. Ich sage Ihnen aber auch: Wir arbeiten jetzt an einem System, bei dem die allermeisten das Ticket für 49 Euro bekommen werden. Unsere Modelle sind also unterschiedlich. Wenn Sie sagen: „Jeder soll 365 Euro zahlen“, dann ist das für mich gerade nicht sozial gerecht. Ich möchte da eine Abstufung haben, um auch mehr Möglichkeiten zu haben, gleichzeitig noch im Bestand was zu sichern, hohen Energiepreisen entgegenzuwirken und eben auch auszubauen. Das ist der Dreiklang, der uns wichtig ist. Das kommt mir bei Ihren Debattenbeiträgen, in denen Sie sich zu sehr auf die Ticketpreise fokussieren, einfach zu kurz, und auch die Antworten auf die Haushaltsfragen, die wir beantworten müssen, haben Sie einfach nicht geliefert. Ich darf fortfahren, Frau Präsidentin? – Ich habe es eben schon gesagt: Neben den Themen „Ticketpreis und Ausbau“ besteht bei vielen Verkehrsunternehmen im Moment die Gefahr, dass Busverkehr, gerade Schülerverkehr, abbestellt und Fahrpreise angehoben werden. Das müssen wir verhindern. Und ja, dafür, um das Angebot im Nahverkehr zu erhalten, aber vor allem auch zu verbessern, brauchen wir mehr Bundesmittel. Der zweite große Punkt – das hat dieser Sommer auch gezeigt; Kollegin Piechotta hat darauf hingewiesen – ist, wie wichtig auch weitere Investitionen in die gesamte Bandbreite der Verkehrsinfrastruktur sind. Ich sage das, weil die Leistungsfähigkeit und auch die Zuverlässigkeit darüber entscheiden, wie gut wir Krisen mit Auswirkungen auf Lieferketten oder auch Energieversorgung gelöst bekommen. Das gilt vor allem – das haben wir sehr deutlich gesehen – für unsere Wasserstraßen, nicht nur für den Rhein. Ich war mit einigen Kolleginnen und Kollegen am Nord-Ostsee-Kanal. Wir dürfen die Bedeutung des Güterverkehrs nicht unterschätzen und müssen daher dafür sorgen, dass Wasserstraßen, Kanäle, Schleusen und unsere Häfen leistungsfähig bleiben. Für uns als SPD ist klar: Die Schiene ist der Verkehrsträger der Zukunft. Eine weitere halbe Milliarde Euro für die Schiene, wie am Wochenende beschlossen, ist ein ganz starkes Signal; das brauchen wir auch. Wir brauchen mehr Geld für die Schiene, für Bahnhöfe, für Kapazität, für Überholgleise, für die Digitalisierung; denn so sorgen wir für spürbare Verbesserungen im Personen- und im Güterverkehr, die ja bei den Kundinnen und Kunden direkt ankommen müssen. Zum Schluss, meine Damen und Herren. Mobilität – ich glaube, das haben wir alle gemerkt – ist weit mehr, als nur von A nach B zu kommen. Das heißt, sicher zur Schule zu kommen, zur Arbeit, zum Sportverein. Das heißt auch, die Welt zu entdecken. Das heißt, dass die Waren im Supermarkt ankommen müssen, dass auch die Industrie am Laufen gehalten wird. Deswegen kann man sagen: Mobilität hat für uns alle einen sehr hohen Stellenwert, für die Menschen in Deutschland, aber auch vor allem für uns als Ampelkoalition. Vielen Dank. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dirk Spaniel für die AfD-Fraktion.
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Philipp Hartewig FDP
Philipp
Hartewig
FDP
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der Wahlprüfung der Bundestagswahl ist diesem Haus eine höchst verantwortungsvolle Aufgabe zugewiesen. Was am 26. September 2021 im Land Berlin geschehen ist, hat das Vertrauen vieler Menschen in demokratische Entscheidungsprozesse massiv erschüttert. Nur eine sorgsame Aufarbeitung auf allen zuständigen Ebenen kann das Vertrauen in die Wahl zumindest teilweise wiederherstellen. Wie schon angesprochen, ist die Aufgabe, die Wahl auf Wahlfehler zu überprüfen und daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen, zunächst Sache des Bundestages, wie es Artikel 41 Grundgesetz uns vorschreibt. Wir schlagen Ihnen heute vor, zu beschließen, dass die Wahl zum 20. Deutschen Bundestag im Land Berlin in insgesamt 431 Wahlbezirken wiederholt wird. Fest steht: Die Organisation der Wahl zum Deutschen Bundestag war im Land Berlin von schwerwiegenden strukturellen Mängeln geprägt. Wenn in einem Wahllokal falsche Stimmzettel ausgegeben werden oder Wahlhandlungen für viele Minuten unterbrochen werden müssen, weil nicht genügend richtige Stimmzettel zur Verfügung stehen, dann liegen darin klare Wahlfehler. Besonders viele Einsprüche bezogen sich auf Fälle, in denen Wahllokale weitaus länger als bis 18 Uhr geöffnet hatten. Es entspricht der Lebenserfahrung und der bisherigen Spruchpraxis des Wahlprüfungsverfahrens, dass nicht jede Warteschlange automatisch auf einen Wahlfehler schließen lässt; wer vor 18 Uhr am Wahllokal ist, der soll auch noch abstimmen können. Erreicht die Wartezeit jedoch eine gewisse Länge, so kann man daraus auf ein organisatorisches Versäumnis schließen. In diesem Fall kann dann ein Wahlfehler vorliegen. Nach Vorschlag des Ausschusses ist eine solche Schlussfolgerung jedenfalls ab 18.30 Uhr plausibel. Bei der Entscheidung, ob ein festgestellter Wahlfehler auch zu einer Wahlwiederholung führt, ist stets zu berücksichtigen, ob dieser Fehler überhaupt einen Einfluss auf die Zusammensetzung des Bundestages haben konnte. Nur wenn eine – es wurde schon angesprochen – Mandatsrelevanz gegeben ist und wenn eine Wahlwiederholung überdies verhältnismäßig ist, darf sie auch stattfinden; denn einer aus einer Wahl hervorgegangenen Volksvertretung kommt auch Bestandsschutz zu; dies folgt unmittelbar aus dem Demokratieprinzip. Auch in Berlin haben weitaus mehr Wählerinnen und Wähler ihr vornehmstes Recht in der Demokratie fehlerfrei ausgeübt, als Wählerinnen und Wähler durch Wahlfehler an der Abgabe ihrer Stimme gehindert wurden. Ein Indiz ist tatsächlich die Wahlbeteiligung von 75,2 Prozent. In den Bestand eines gewählten Bundestages darf daher nur insoweit eingegriffen werden, wie es nötig und verhältnismäßig ist, um mandatsrelevante Wahlfehler und deren Folgen zu heilen. Das Bundesverfassungsgericht bezeichnet diesen Gedanken als das Gebot des geringstmöglichen Eingriffs. Weil das in der öffentlichen Diskussion oft durcheinandergebracht wird, möchte ich zur Unterscheidung der Einsprüche, über die wir hier entscheiden, und der Einsprüche zur Wahl des Abgeordnetenhauses von Berlin, über die nächste Woche entschieden wird, noch mal erläutern: Die Wahlfehler, beispielsweise falsche Stimmzettel, waren bei den am 26. September 2021 vorgenommenen Wahlen nicht automatisch deckungsgleich. Außerdem ist die individuelle Mandatsrelevanz eines festgestellten Wahlfehlers mit Blick auf das Land typischerweise deutlich geringer als mit Blick auf den Bund. Entsprechend sind auch Unterschiede bei möglichen Veränderungen in der Zusammensetzung der jeweiligen Parlamente. Auch bei der Prüfung der Wahl zum Abgeordnetenhaus gilt das Gebot des geringstmöglichen Eingriffs. Zur vorläufigen Rechtsauffassung des Landesverfassungsgerichts Berlin erklärte der Berliner Verfassungsrechtler Christian Pestalozza deshalb am 29. September 2022 gegenüber der dpa – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin –: Der Umfang einer Wahlwiederholung muss im Verhältnis zu den Wahlfehlern stehen. Man kann nicht flächendeckend neu wählen, wenn die Wahl zu großen Teilen fehlerfrei war. Diese Auffassung sollte sich auch der Deutsche Bundestag zu eigen machen! Es ist das gute Recht jeder Fraktion, gegen eine solche Entscheidung Wahlprüfungsbeschwerde einzulegen. Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in dieser Sache hätte den Vorteil, dass Karlsruhe auch zu den bisher nicht höchstrichterlich geklärten Fragen – einige wurden angesprochen – Stellung nehmen könnte. Noch ein abschließender Gedanke: Mit der heutigen Entscheidung allein ist es natürlich nicht getan. Das Land Berlin muss seine schweren organisatorischen Mängel abstellen. Es ist peinlich und unwürdig, dass die Behörden in der Bundeshauptstadt nicht in der Lage waren oder sind, einen im Wesentlichen fehlerfreien Wahlprozess zu organisieren. Vielen Dank. Für die Fraktion Die Linke hat das Wort Alexander Ulrich.
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Dr.
Dr. Karl-Heinz Brunner SPD
Karl-Heinz
Brunner
SPD
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ursprünglich hatte ich ein Redemanuskript und wollte mich mit verfassungsrechtlichen Fragen auseinandersetzen, aber ich glaube, das lasse ich besser sein; denn wir wissen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, dass bei beiden Vorlagen – dem Gesetzentwurf der Linken und dem Antrag der AfD – weder im Deutschen Bundestag noch im Bundesrat eine verfassungsgebende Mehrheit zum Tragen kommt und deshalb beide nach dem heutigen Tag sowieso Geschichte sind. Ich erzähle eingangs meiner kurzen dreiminütigen Rede eine persönliche Geschichte, wie sie viele von Ihnen wahrscheinlich auch erleben. Als es noch keine Beschränkungen aufgrund der Coronapandemie gab, hatten wir zahlreiche Besuchergruppen von Schülerinnen und Schülern und Erwachsenen aus den Wahlkreisen. In der Regel haben zumindest meine Besucherinnen und Besucher immer die Frage gestellt: Herr Brunner, was ist für Sie die schwierigste Entscheidung im Deutschen Bundestag gewesen? – Und ich sage Ihnen, und ich bin stolz darauf: Die schwierigste Entscheidung für einen Abgeordneten, zumindest für mich, ist jedes Mal die namentliche Abstimmung über einen robusten Einsatz der Bundeswehr, einen robusten Einsatz unserer Soldatinnen und Soldaten; denn ich weiß, dass ich damit nicht nur eine politische, nicht nur eine rechtlich begründbare, sondern eine Entscheidung treffe, die gleichzeitig das Wohl und Wehe und das Leben von Menschen mitbeeinflusst. Deshalb ist das die wichtigste Entscheidung. Ich bin stolz darauf, dass dieses Parlament als quasi zweites Verfassungsorgan neben der Regierung die elementare Entscheidung trifft, wie, wann, wo und zu welchem Zeitpunkt die Bundeswehr zum Einsatz kommt. Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, die beiden Anträge sind diametral gestaltet: Die Linke geht auf den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Überprüfbarkeit ein; die AfD möchte die Einsätze gerne im Grundgesetz verankern. Um was geht es denn? Der AfD geht es darum, den Artikel 24 Absatz 2 Grundgesetz auszuhebeln, also aus kollektiven Sicherheitssystemen auszutreten, die Bundeswehr und Deutschland nur noch solitär zu sehen. Ich sage ganz deutlich: Das wollen wir nicht, weil das System der kollektiven Sicherheit ein Teil unseres Gens ist. Und Die Linke, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, will mit ihrem Gesetzentwurf im Grunde genommen in die gleiche Richtung gehen, nämlich die Entscheidungen des Deutschen Bundestags lahmzulegen und keine entsprechenden Entscheidungen mehr herbeizuführen. Ich glaube, wenn wir diesen Anträgen wirklich nähertreten wollten, würden wir unsere Bundeswehr lahmlegen, das Regierungshandeln lahmlegen, aber auch viel von unserem Selbstverständnis und unserer Zuständigkeit als Abgeordnete aufgeben. Dies sollten wir in den Mittelpunkt stellen: die, glaube ich, weltweit einzigartige Situation, dass ein Parlament mit den Frauen und Männern, die ihm angehören, als Verfassungsorgan nach außen transparent sagt: Wir haben dafürgestimmt, wir übernehmen die Verantwortung! – Das sollte im Mittelpunkt stehen, und bitte keine Schaugefechte um die Verfassung, keine Schaugefechte um eine vermeintliche Überprüfbarkeit beim Bundesverfassungsgericht. Wir brauchen ein klares Bekenntnis zum kollektiven Sicherheitssystem und ein klares Bekenntnis zur Bundesrepublik Deutschland, unserer Verfassung und zu unserem Selbstverständnis. Vielen herzlichen Dank. Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun Dr. Volker Ullrich das Wort.
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René Röspel SPD
René
Röspel
SPD
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach 23 Jahren Plenarzugehörigkeit ist das meine letzte Rede. Viele und vieles werden mir fehlen, einiges nicht. Ich wollte zunächst auf die FDP-Anträge zu sprechen kommen, aber das wäre der Reihenfolge nicht angemessen. Nicht fehlen werden mir die Reden und die Zwischenrufe der AfD. Ich habe schon in meiner Jugend viele Protokolle und Debatten aus der Weimarer Republik gelesen. Ihr Bild eines düsteren Deutschlands, Ihr Hass und Ihre Hassreden gegenüber Minderheiten und Menschen, die sich nicht wehren können, erinnert fatal an die Zeiten der NSDAP und die Protokolle, die ich gelesen habe. Ich sage ausdrücklich: Ich werde das hier im Parlament nicht mehr bekämpfen. Aber außerhalb des Parlaments werde ich mich mit vielen Menschen, von denen ich weiß, dass ihnen Demokratie, Freiheit und Toleranz wichtig sind, zusammenraufen und gegen Ihr Deutschland, das Sie wollen, weiterhin kämpfen. Nicht fehlen werden mir auch – das liegt aber viele Ebenen darunter; das muss ich der FDP zugestehen – die Anträge der FDP. Warum? Ich bin als Nordrhein-Westfale sozialisiert worden, auch mit Johannes Rau, der viele wichtige Worte gesagt hat; und Matthäus 7, Vers 12 ist ja schon von Gerd Müller zitiert worden. Johannes Rau hat aber einen wichtigen Leitsatz gehabt: „Sage, was du tust, und tue, was du sagst.“ Das ist der Anspruch: Prüfe deine Versprechungen, ob und wie du sie halten kannst. – Das war tatsächlich für uns handlungsleitend. Das ist immer schwer, wenn man in eine Regierungskoalition geht, wo man verhandeln muss: Welche Versprechen kann man umsetzen und welche nicht? Aber es ist gelungen. Wir haben 1998 ganz schnell Dinge durchgesetzt wie die Wiedereinführung der gesetzlichen Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und den Zahnersatz für Jugendliche – all das muss man sich vor Augen führen – und das Schlechtwettergeld. Für manche Versprechungen wird man nicht belohnt oder gelobt. Meistens gibt es dort Schwierigkeiten, wo man Versprechen nicht oder auf lange Frist nicht einhalten kann. Auch da sind wir relativ gut gewesen, glaube ich – natürlich immer auch mit Problemen. Ich hätte mir vor 20 Jahren nicht vorstellen können, dass heute fast die Hälfte unseres Stroms aus erneuerbaren Energien kommt – ein großer Erfolg! Und: Wir als Rot-Grün haben 1998 Deutschland als kranken Mann übernommen, und heute stehen wir wieder als Forschungsstandort da, der international Reputation hat, wo es der Alexander von Humboldt-Stiftung gelingt, renommierte KI-Professoren aus dem Ausland zu uns zu holen, und wo Nobelpreise gewonnen werden von Menschen, die nicht nur zu uns gekommen sind – ich denke an Emmanuelle Charpentier und andere –, sondern auch hier bleiben und nicht wieder gehen. Dieses „Sage, was du tust, und tue, was du sagst“ haben wir tatsächlich auch für die vier Jahre Oppositionszeit, die ich habe mitmachen müssen – das ist übrigens Mist –, als SPD angewandt. Das war nicht immer einfach. All unsere Anträge, die wir geschrieben oder entwickelt haben, haben wir mit den Haushältern in schwierigen Diskussionen geprüft und uns gefragt: Können wir das auch finanzieren und umsetzen? An der Stelle – das muss ich sagen – hat die FDP tatsächlich einen großen Nachholbedarf. Die Rede, die Otto Fricke heute gehalten hat, hätte er mal nicht nur hier im Hause halten sollen, sondern vielleicht auch vor der Fraktion. Sie fordern viele spannende Sachen in Ihren Anträgen: mehr Wagniskapital, 1 Milliarde Euro mehr für eine Transfergesellschaft, mehr Risikoförderung, mehr Investitionen in Infrastruktur, Verdoppelung der Humboldt-Professuren, mehr Stipendien. Aber all das passt nicht mal in den bisherigen Etatansatz für Bildung und Forschung. Es wäre spannend, zu sehen, wie Sie solche Versprechen umsetzen. Ziehen wir den Kreis mal noch weiter. Wir hatten gestern die Debatte über ein neues Rentenreformmodell der FDP. Es führt dazu, dass es entweder künftig Rentenkürzungen gibt oder Sie mit 25 Milliarden Euro von staatlicher Seite die Lücken ausgleichen müssen. Wo finanzieren Sie das eigentlich? Und nicht nur das: Sie wollen auch noch Steuern senken und 10 Milliarden Euro über den Soli den richtig Reichen hinterherschießen. Deswegen sage ich: Wenn man Sie an Johannes Raus Worten „Sage, was du tust, und tue, was du sagst“ misst, können Sie das nicht halten. Deswegen sind Ihre Anträge in Teilen nicht schlecht, aber sie werden von uns abgelehnt, weil Sie Ihr Versprechen nicht halten können; und wir wollen Versprechen halten. Es gibt aber auch viele gute Punkte. Sie sagen, wir brauchen mehr Frauen in Führungsverantwortung und in Leitungspositionen. Dem können wir zustimmen. Sie machen da keine harten Kriterien. Wenn wir manchmal erleben, Herr Sattelberger, wie gnadenlos – – Kollege Röspel, ich habe die Uhr angehalten. Gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung aus der FDP-Fraktion? Gerne. Vielen Dank. – Herr Kollege, der Bundeshaushalt 2020 hatte im Bildungsbereich eine Steigerung von, glaube ich, 0,1 oder 0,2 Prozent. Ich würde Sie gern fragen: Würden Sie mir nicht zustimmen, dass die Bundesrepublik Deutschland im Bereich Bildung insgesamt zu wenig Geld ausgibt? Und würden Sie mir auch zustimmen, dass es unser gemeinsames Ziel sein müsste, mehr Geld in diesem Haushalt in den Bildungsetat umzuschichten? Wenn wir das tun würden, dann hätten wir auch Geld für viele der innovativen Projekte, die wir hier in unseren Anträgen vorschlagen. Danke für die Fragen. – Dem ersten Punkt kann ich unumwunden zustimmen. Natürlich haben wir immer viel zu wenig Geld für Bildung und für Forschung; das ist gar keine Frage. Da kämpften wir hier übrigens in den letzten Jahren alle gemeinsam dafür, dass das mehr wird. Der zweite Fehler ist, glaube ich, dass man, wenn man die Gelder für Bildung betrachtet, nicht auch die Zuständigkeiten betrachtet. Da gibt es eben den Bund mit einer begrenzten Zuständigkeit für Bildung und die vielen Länder. Wenn man das einrechnet, wird das auch ein ziemlich großer Topf. Tatsächlich muss man es trotzdem seriös finanzieren. Wir haben da gute Vorschläge. Wir haben einen Bundesfinanzminister, der sich bei seiner Prozedur tatsächlich genau an Johannes Rau hält: am Anfang nicht zu viel zu versprechen, aber dann eben doch Erfolge vorzuweisen, zum Beispiel, indem internationale Konzerne hoffentlich möglichst bald besteuert werden und dann Geld reinkommt, das wir für sinnvolle Ausgaben wie die für Bildung und Forschung verwenden können. Ausdrücklich lehne ich ab, im Bereich von Sozialem oder anderem zu sparen, um dann eben Bildung und Forschung zu unterstützen. Das halte ich für einen Weg, der die sozialen Disparitäten in unserer Gesellschaft eher vertiefen würde. Und das ist der falsche Weg. Deshalb sagen wir: Es ist richtig, sich immer zu prüfen, inwieweit man Versprechen einhalten und sich an seine Worte halten kann. Frau Präsidentin, es ist meine letzte Rede. Sie erlauben mir, noch ein paar Gedanken und Dankesworte zu sagen. Ich habe übrigens am 19. Januar 2006 in meiner Rede dem Deutschen Bundestag drei Minuten Redezeit gespendet. Vielleicht kann ich jetzt eine halbe Minute davon wieder verwenden. Die sind sicherlich der Diskontinuität verfallen. Darüber diskutieren wir noch. Aber Sie haben natürlich recht. Danken möchte ich ganz zuallererst den Menschen, die diesen Betrieb aufrechterhalten, häufig ohne überhaupt gesehen zu werden. Das ist die Verwaltung, das sind die Menschen, die an der Pforte stehen, in der Garderobe arbeiten, bei der Polizei sind, oder die, die den Putzdienst machen und längst schon wieder aus unseren Büros weg sind, wenn wir ankommen. Deswegen, finde ich, möchte ich auch von meiner Seite für die Freundlichkeit, der ich da begegnet bin, meinen großen Dank ausrichten, auch für die Arbeit – das kann ich wahrscheinlich auch in Ihrem Sinne sagen –, die dort verrichtet wird. Sehr dankbar bin ich dafür, dass ich immer Glück hatte, gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu haben; denn sie sind ja für unsere Arbeit wichtig und unverzichtbar. Wir kriegten alles gar nicht richtig hin, wenn wir nicht gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten. Deswegen danke an Jacqueline Puci, Antonia Elshiewy, Henning Kampherbeek, Jochen Milde, Jürgen Taake, Inger Eiben und viele andere. Ohne euch hätte ich das alles nicht hingekriegt. Um Verzeihung muss ich meine Familie bitten, insbesondere meine Kinder Steffen, Tobias, Randi und Daniel, wenn ich vielleicht zu häufig nicht zu Hause war. Ich kann aber jetzt versprechen: Ich werde die Zeit nicht nachholen. Keine Sorge! Aber das geht wahrscheinlich uns allen so, die Familie haben, dass man häufig hin- und hergerissen ist zwischen den Verantwortungen, die man hat. Ganz herzlich möchte ich auch Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen aus allen Fraktionen, danken für den Streit, den wir haben durften. Ich will ausdrücklich sagen, dass ich in vielen Fraktionen – ich will gar keine Namen nennen – ganz viele engagierte Kolleginnen und Kollegen kennengelernt habe, mit denen es Spaß gemacht hat zusammenzuarbeiten. Dafür bedanke ich mich recht herzlich. Das werde ich in guter Erinnerung mitnehmen. Ich wünsche Ihnen alles Gute und Glück auf! Danke. Kollege Röspel, wir wünschen Ihnen natürlich alles Gute für diesen neuen Lebensabschnitt. 23 Jahre sind eine lange Zeit. Gleichzeitig – ich weiß, das verhallt mit wenig Nachdruck – bitte ich aber: Wir haben heute und auch in der folgenden Sitzungswoche noch einige Kolleginnen und Kollegen, die das letzte Mal hier ans Pult treten. Versuchen Sie doch wenigstens, die Danksagungen und sonstigen Dinge ein wenig mit einzupreisen in die Redezeit, die Ihnen die Fraktionen geben. Wir kommen ansonsten tatsächlich auch auf dem Rücken der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr, sehr spät hier raus. – Das weiß ich; das ist geklärt. Aber bitte, bitte. Das Wort hat der Kollege Mario Brandenburg für die FDP-Fraktion.
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Christian Görke DIE LINKE
Christian
Görke
DIE LINKE
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin schon etwas erstaunt. Wie auch vor vier Monaten, liebe Kollegin Beck, haben Sie heute einen argumentativen Rittberger hingelegt, warum die Abschöpfung von Übergewinnen aus diesem oder jenem Grund angeblich nicht richtig funktioniert. Mittlerweile, meine Damen und Herren – auch das gehört zur Wahrheit –, haben Sie im dritten Entlastungspaket zumindest eine Fake-Übergewinnsteuer beim Strom anmoderiert. Trotzdem muss die Frage gestattet sein: Woher kommt der Sinneswandel in dieser Koalition, der die FDP, die Grünen und die SPD angehören? Sie sind ja nicht über Nacht Sozialisten geworden; wohl kaum. Ich glaube, Sie haben sich nach der Blockade bei der FDP politisch verrannt, und jetzt sitzt Ihnen das Damoklesschwert der EU-Kommission mit dieser Solidarabgabe für die Öl- und die Gasindustrie, mit der Übergewinne abgeschöpft werden sollen, im Nacken. Das ist die Wahrheit. Insofern begrüßt meine Fraktion außerordentlich die Pläne der EU-Kommission, die die entsprechenden Leitplanken festgelegt hat. Gott sei Dank, meine Damen und Herren, gibt es bei der Ampel jetzt diese Leitplanken, sonst würde diese Zufallsgewinnabgabe, die konzipiert wird, möglicherweise so stümperhaft ausgestaltet wie die Gasumlage, die wir vorhin zum Thema hatten, oder die Abschöpfung würde noch über Monate hinausgezögert werden, bis die diesjährigen Übergewinne vielleicht sogar verjährt wären. Wir sagen ganz deutlich: Das sind richtige Vorschläge. Warum sage ich das so klar? Weil Sie es in den letzten Monaten nicht ehrlich gemeint haben, Sie als SPD und auch Sie als Grüne. Denn vor fast einem halben Jahr hat Italien die Übergewinnsteuer über die Umsatzbesteuerung angekündigt und umgesetzt. Lieber Kollege Güntzler, selbst im konservativen Großbritannien unter Boris Johnson ist die Übergewinnsteuer – Stichwort „Steuerrecht“ – für Energie- und Mineralölunternehmen auf 25 Prozent festgesetzt worden, gepaart mit einer Abschreibung für Investitionen bei den Erneuerbaren; durchaus ein vernünftiger Vorschlag, darüber sollte man nachdenken. Sie, meine Damen und Herren von der Koalition – speziell Sie von den Grünen und den Sozialdemokraten –, haben uns über den Sommer mit blumigen Worten eine Larifari-Unterstützung präsentiert. Bei der FDP gab es Mythen über Mythen; da hat sich heute auch die Union angeschlossen. So der Mythos von Christian Lindner – ich zitiere –: Eine Übergewinnsteuer ist eine Katastrophe für das Investitions- und Innovationsklima in der Bundesrepublik Deutschland. – Das ist ein wirklicher Humbug. Oder mein persönliches Highlight – Zitat Christian Lindner –: Er kann keine Gründe für eine Übergewinnsteuer erkennen. Insofern ist es bemerkenswert, dass mit den Übergewinnplänen der EU die FDP und Christian Lindner jetzt sehend gemacht werden. Meine Damen und Herren, es freut mich sehr – auch wenn Sie unserem Antrag heute überraschenderweise nicht zustimmen –, dass Sie jetzt indirekt unsere Forderungen aufnehmen und bereit sind, Übergewinne bei Krisenprofiteuren im Energiemarkt anzugehen. Trotzdem dürfte jedem klar sein, dass die in den letzten Jahren stattgefundene finanzielle Umverteilung von unten nach oben mit dieser temporären Übergewinnsteuer bestenfalls abgeschwächt wird. Die eklatante Schieflage in der Bundesrepublik Deutschland mit sage und schreibe 13 Millionen Menschen – 13 Millionen! –, die in Armut leben, bleibt bestehen. Deshalb bleiben unsere Forderungen nach einer einmaligen Vermögensabgabe für Superreiche und vor allen Dingen nach einer gerechten Steuerreform auf dem Tisch. Vielen Dank. Maximilian Mordhorst, FDP-Fraktion, ist der nächste Redner.
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Dr.
Dr. Dietmar Bartsch DIE LINKE
Dietmar
Bartsch
DIE LINKE
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Lambsdorff, mir ist einigermaßen unklar, wie Sie ausgerechnet heute mit einer so kleinteiligen innenpolitischen Münze bezahlen können, und das angesichts der Geschichte Ihrer Partei. In Ihren Reihen saß einmal Herr Möllemann. Ich könnte darüber so lange reden. Lassen Sie uns aus diesem Anlass über diese Dinge wirklich schweigen. Am 14. Mai wird Israel den 70. Jahrestag seiner Gründung begehen. Das ist für uns richtigerweise ein Anlass, erneut über uns, unser Verhältnis zu Israel, zum jüdischen Volk und auch über unsere historische Verantwortung nachzudenken. In diesem Haus über Israel zu reden, ist mit besonderer Verantwortung verbunden und mit notwendiger Demut; denn die Geschichte Israels ist auch die Geschichte des Judentums, das von Verfolgung, Unterdrückung und Diskriminierung geprägt ist. Dass Antisemitismus immer auch ein Herrschaftsinstrument war, ein Mittel zur Rechtfertigung brutalster innenpolitischer Maßnahmen, auch das gehört zur bitteren Wahrheit. Aber die Geschichte Israels ist auch die Geschichte von Widerständigkeit, von Kampf um Selbstbestimmung und Emanzipation. Die Gründung Israels war und ist eine logische Konsequenz aus all diesen Teilen jüdischer und europäischer Geschichte. Deutschland hat in diesem Zusammenhang eine moralische Pflicht, dem Staat Israel solidarisch zur Seite zu stehen. Nach dem Sieg über das nationalsozialistische Deutschland wurde deutlich, dass es zur Gründung eines jüdischen Staates keine Alternative gibt. Dass Jüdinnen und Juden nur sicher und frei in einem eigenen Staat leben können, ließ sich nicht mehr ignorieren. Zudem war es vielen Überlebenden des Holocaust nicht zumutbar, nach Deutschland zurückzukehren oder in andere Länder, in denen zumindest ein Teil der Bevölkerung Mittäter war. Großbritannien, mit der Situation im Mandatsgebiet Palästina überfordert, sah die UNO als geeigneten Ort zur Lösung des Problems an. Heraus kam der Teilungsplan, und nach kriegerischen Auseinandersetzungen verlas bekanntermaßen Ben-Gurion am 14. Mai 1948 die Unabhängigkeitserklärung und verkündete den Staat Israel. Ein palästinensischer Staat konnte bis heute nicht verkündet werden. Die Gründe dafür sind zweifelsfrei vielschichtig. Sie reichen von fehlender Empathie und fehlendem Mitgefühl auf allen Seiten über die Kontroverse um die Siedlungspolitik, innerisraelische Probleme bis hin zur strategischen Unfähigkeit der palästinensischen Führung. Auch wenn das nicht Gegenstand der heutigen Debatte ist, bleibt dieses Thema auf der Tagesordnung. Die Palästinenserinnen und Palästinenser brauchen einen eigenen Staat. Ich habe über die Kurzfassung der Geschichte Israels gesprochen, weil sie deutlich macht, worin die besondere Verantwortung Deutschlands für Israel besteht. Es ist kein „Schuldkult“, wie es aus der rechten Ecke heißt. Es ist die Einsicht in die moralische Pflicht, alles zu tun, dass Auschwitz sich nicht wiederholt. Für die Linke ist klar: Durch Auschwitz ist Israel zu einer Notwendigkeit geworden. Das Existenzrecht Israels ist selbstverständlich unverhandelbar. Israel ist auch gegründet worden, damit Jüdinnen und Juden überall auf der Welt in dem Fall, dass ihr Leben bedroht ist, einen sicheren Hafen haben. Wir sehen dieser Tage in Europa leider deutlich, dass dieser Hafen weiterhin benötigt wird, sei es in Polen oder in Frankreich, in Ungarn oder in Belgien oder eben leider auch im Prenzlauer Berg. Zu der Demonstration gestern, die sehr beeindruckend war, hat Volker Kauder das Notwendige gesagt. Überall machen sich antisemitische Parolen und Gewalttaten breit, werden Jüdinnen und Juden für ihre bloße Existenz bedroht. Mich macht das fassungslos, und es ist beschämend. Sehr viel ist neuerdings von einem importierten Antisemitismus, den es zweifelsfrei gibt, die Rede; aber die Reduktion darauf halte ich für groben Unfug und Ausdruck von Geschichtsvergessenheit. Antisemitismus in Deutschland gibt es nicht ausschließlich in migrantischen Milieus, sondern überall. Denken wir nur an die jüdischen Einrichtungen, die seit Jahrzehnten polizeilich geschützt werden müssen – 7 Tage, 24 Stunden. Dass Antisemitismus in Deutschland aber überhaupt noch da ist, ist schlicht und ergreifend eine Schande. An dieser Stelle lässt sich manches von der sogenannten Israel-Kritik kaum von hasserfülltem Antisemitismus unterscheiden. Auch ich habe schwerwiegende Kritik an politischen Entscheidungen in Israel. Natürlich wünsche ich mir als Linker, dass sich in Israel die säkularen und auch die sozialistischen Traditionen durchsetzen. Natürlich kritisieren wir die Beschränkungen bei NGOs. Natürlich wünsche ich mir, dass die Demokratie dort gestärkt wird, ausgebaut wird und dass nicht antidemokratische Kräfte an Boden gewinnen. Aber als deutscher Staatsbürger und demokratischer und linker Politiker ist es nicht meine Aufgabe, Israel zu belehren. Israel ist eben seit seiner Gründung ein bedrohter Staat. Seine Sicherheitsinteressen müssen auch von uns ernst genommen werden; aber die Ansprüche an Rechtsstaat und Demokratie in Israel sind von uns genauso ernst zu nehmen. Deshalb ist auch von Israel das Völkerrecht zu akzeptieren. Rechtsstaatlichkeit zwischen den Staaten muss gewahrt bleiben, und zwar von allen Seiten. Eine Zweistaatenlösung kann und muss es auf völkerrechtlicher Grundlage geben. Alles andere wäre fatal. Deswegen muss sich die Bundesregierung auch fragen, wie man einem erfolgreichen Friedensprozess am besten dient. Da ist für Die Linke ganz klar: durch kluge Diplomatie. Um es mit den Worten des ermordeten israelischen Ministerpräsidenten Yitzhak Rabin zu sagen: „Der Weg des Friedens ist dem Weg des Krieges vorzuziehen.“ So oder so muss das Ziel sein, dass alle Menschen in der Region ein Leben in Freiheit und Würde führen können. Denn eins ist klar: Nur in einem sicheren Umfeld kann Israel sicher leben. In diesem Sinne alles Gute zum 70.! Nächste Rednerin ist die Vorsitzende der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Katrin Göring-Eckardt.
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Dr.
Dr. Petra Sitte DIE LINKE
Petra
Sitte
DIE LINKE
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will eine Vorbemerkung machen und kann da sehr gut an Herrn Grundl anschließen: Wir sollten uns in dieser Debatte schon über die Dimension aktueller Diskussionen klar werden, insbesondere mit Blick auf die Geschichte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Er wurde nach dem Zweiten Weltkrieg, insbesondere nach dem Vorbild der britischen BBC, als Antwort auf die Gleichstellung aller Medien zu Zeiten des Faschismus, also als Antwort auf Goebbels’ Propagandamaschinerie, gegründet und entwickelt. Seitdem trägt der öffentlich-rechtliche Rundfunk den öffentlichen Auftrag, ein inhaltlich wie finanziell unabhängiges, vielfältiges Medienangebot zu schaffen. Es ist also nicht irgendeine Wahl, die man dort treffen kann. Vielfalt ist Auftrag – nicht als schönes Beiwerk, sondern als Mitgarant für demokratische Ordnung. In diesem Auftrag erwächst eine große Verantwortung, die immer wieder eingefordert werden muss. Ich sage Ihnen: Die aktuellen Ereignisse lassen einen da schon manchmal verzweifeln. Da gibt es selbstherrliche Intendanzen. Da meinen welche, das sei ein Selbstbedienungsladen. Oder es versagen eben tragischerweise auch Kontrollstrukturen. Das ist nicht nur ein Schlag ins Gesicht der Gebührenzahlerinnen und ‑zahler, sondern auch der eigenen Mitarbeitenden. Da haben Sie völlig recht, Herr Lindh. Deren oft unter prekären Bedingungen geleistete gute Arbeit gerät nämlich in Mithaftung und in Misskredit. Das dürfen wir nicht zulassen. Gleichwohl gilt es, auch Folgendes festzuhalten: Dass die Aufklärung über solche Vorgänge auch in den betroffenen öffentlich-rechtlichen Medien selbst stattfindet, halte ich jedenfalls für bemerkenswert. Ich kann mir den Vorgang schwer in privaten Medien vorstellen. Meine Damen und Herren, die Beschäftigten, Freie und feste Freie müssen jetzt bei allen anstehenden Entscheidungen unbedingt gehört werden. Sie müssen mitentscheiden können. Und sie verdienen gleichzeitig unsere Unterstützung im Kampf um bessere Arbeitsbedingungen. Nicht genug, dass Journalistinnen und Journalisten offen während ihrer Arbeit, beispielsweise auf Demonstrationen, behindert, bedroht oder körperlich direkt angegriffen werden. Nein, jetzt wird einem populistischen Impuls folgend auch noch Berichterstattung verächtlich gemacht. Meine Damen und Herren von der CDU, Ihr letzter Parteitag war ein Beleg dafür, wie man genau mit diesen Fragen nicht umgehen sollte. Was beim NDR beispielsweise geschehen ist, ist ein noch viel schwierigeres Problem, weil das nämlich die Glaubwürdigkeit, die Vertrauenswürdigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks infrage stellt. Und deshalb müssen wir auch dagegen ankämpfen. Ich finde eben, dass es sich Politik bisweilen zu einfach macht; wir tragen nämlich auch konkrete Mitverantwortung. Vielleicht mal so ein Histörchen aus den Befreiungskriegen: Ich war 14 Jahre Fraktionsvorsitzende in Sachsen-Anhalt. Und als ich aufgehört habe, haben mir MDR-Kollegen gesagt: Wissen Sie, Frau Sitte, Sie haben in den ganzen Jahren zweimal angerufen. Das haben wir uns gemerkt, weil es halt so selten war. Aber es gibt Kollegen in Ihrem Landtag, die rufen zweimal wöchentlich an. – Das geschieht ja nicht versehentlich, sondern natürlich mit der konkreten Absicht, Einfluss zu nehmen. Deshalb muss man das dringend verändern, und zwar nicht erst, wenn ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe gefällt wird. Schließlich nicht ohne Grund hat die antidemokratische Rechte weltweit den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als Feindbild identifiziert. Wer mit diesen Wölfen heult, trägt nicht zu Lösungen bei, sondern zu Auflösungen. Das wollen Sie, und das wissen Sie natürlich. Die Versuche in Großbritannien und in Frankreich oder eben auch in anderen Ländern, den öffentlichen Rundfunk gefügig zu machen, sollten uns tatsächlich ein warnendes Beispiel sein. Aber genauso fatal wäre es jetzt, in eine Wagenburgmentalität zu verfallen. Die Politik muss bei diesen Reformen Mittreiber sein. Sie muss aber die Unabhängigkeit, die unabhängige Aufsicht des öffentlich-rechtlichen Rundfunks tatsächlich stärken und, wie gesagt, nicht auf Gerichtsprozesse bzw. Urteile warten. Für diese nötige Entwicklung braucht es einen gesellschaftlichen Dialog – das sehe ich genauso, Herr Lindh –, und es braucht mehr Teilhabe und Mitbestimmung. Ein starker öffentlich-rechtlicher Rundfunk muss sich auf das besinnen, was von ihm, im Unterschied zu privatwirtschaftlichen Medien, erwartet wird, und zwar nicht nur im Angebot, sondern in der gesamten Arbeitsweise. Abschluss: Wenn es die Öffentlich-Rechtlichen – so sagt der eine oder andere bisweilen – nicht gäbe, müsste man sie erfinden. Meine Lieblingsprogramme sind 3Sat und Arte. Aber treffender wäre doch wohl, zu sagen: – Frau Kollegin. – wenn wir wollen – letzter Satz –, dass es sie weiter gibt, müssen wir sie neu erfinden. Ich danke. Thomas Hacker hat für die FDP-Fraktion das Wort.
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Dr.
Dr. Karl-Heinz Brunner SPD
Karl-Heinz
Brunner
SPD
Sehr verehrter Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren auf den Zuschauerrängen! Dass die AfD heute Genderpolitik mit uns betreiben will, hat mich schon etwas verwundert. Aber es hat sich nun gezeigt, dass diese Genderpolitik sich in einem Antrag gegen Vollverschleierung widerspiegelt, der eher der Verschleierung ihrer eigenen Ziele als der Entfernung eines Grauschleiers über der Politik dient. Ich, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, komme, wie Sie wissen, aus Bayern, wo, wie man sagt, die Welt noch in Ordnung ist: Im Winter ist es kalt, im Sommer warm, zumindest meistens. – Was wir in Bayern immer haben, sind Menschen, die gerne zu uns kommen, die einen zur ärztlichen Behandlung, die anderen zum Einkaufen – in München sehen wir in der Maximilian- oder der Theatinerstraße ab und an welche –, wieder andere, um die Schönheiten Neuschwansteins zu sehen und dann entweder mit Burka oder – als Japaner – mit Gesichtsmaske den Berg hinauf­zuhecheln. Die meisten kommen aber wegen unserer Gastfreundschaft, unserer Weltoffenheit. Das ist, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht selbstverständlich. Deshalb haben wir unsere Verfassung, unsere Grundwerte, unser Grundgesetz. Das ist es, was uns wirklich wichtig ist; denn wir wollen nicht wie die Österreicher wegen „Verwaltungsübertretung“ verzwergte Rohrkrepierer oder wie die Letten Gesetze mit homöopathischer Wirkung für fünf oder sechs Personen beschließen. Vielmehr verstehen wir in Deutschland, dass Menschen auch Angst haben, Angst davor, dass sich unter einer Burka, dem Nikab oder was auch immer etwas Verbotenes verbergen kann. Wir alle wissen auch, dass Terrorismus nicht vor Kleiderordnungen haltmacht und dass er nur durch beherztes Vorgehen der Sicherheitskräfte verhindert werden kann. Das haben wir in der Großen Koalition gemacht, und das machen wir auch weiterhin. Uns ist aber auch wichtig, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, dass Frauen die gleichen Rechte wie Männer haben, ohne Einschränkung, ohne Zwang und ohne gesellschaftlichen Druck. Deshalb will ich, dass Frauen so frei leben können, wie sie wollen, dass sie selbst entscheiden, mit wem, wann, wo und wie sie ihr Leben gestalten, dass sie selbst entscheiden, was sie anziehen, was ihnen gefällt und dass sie, wenn sie es wollen, auf ihrem Dekolleté gerne ein Kreuz, den ­Davidstern oder den Halbmond tragen können. Und Frauen, die sich vor Blicken schützen wollen, sollen sich auch vor Blicken schützen können, und zwar so, wie sie es wollen, ohne dabei unsere Rechtsordnung zu beeinträchtigen. Dazu brauchen wir Regeln: Regeln gegen Ungleichbehandlung, Regeln für Chancengleichheit, Regeln für gleichberechtigte Teilnahme am gesellschaftlichen Leben auch bei uns in Deutschland. Vielleicht brauchen wir auch Quoten, und ja, Equal Pay brauchen wir dazu auch. Was wir nicht brauchen, meine Kolleginnen und Kollegen, ist ein Verbot der Vollverschleierung; das ist irrelevant, es hat mit der Wirklichkeit nichts zu tun. Denn die Wahrscheinlichkeit, in Deutschland einer vollverschleierten Frau zu begegnen, ist – außer am Flughafen München bei der Einreise aus den Golfstaaten – nicht größer, als auf dem Ku’damm einem Strauß zu begegnen. Mir ist es auf jeden Fall noch nicht passiert. Meine sehr verehrten Damen, meine sehr verehrten Herren, ich gehe davon aus, dass wir uns in dieser Legislatur noch mit vielen Anträgen dieser Art auseinandersetzen werden müssen: mit Anträgen, die Ängste schüren, mit Anträgen, mit denen Wahrheiten nicht aufgedeckt, sondern Halbwahrheiten zurechtgebogen werden sollen. Sie werden niemandem helfen, nicht den Menschen, nicht unserer Gesellschaft. Sie fügen ihnen Schaden zu. Sie werden sich gegen religiöse Gruppen, gegen Homosexuelle, gegen ausländische Mitbürger, gegen Flüchtlinge, gegen Minderheiten, gegen jeden wenden. Aber es handelt sich immer nur um platte Symbolpolitik, die unsere Zukunft nicht besser macht, sondern einfach nur Schuld zuweist und keine Verantwortung übernimmt. Worum es aber geht, ist: Wir müssen in die Köpfe und Herzen der Menschen – wir müssen aber nicht in die Kleiderschränke. Vielen Dank. Einen schönen guten Tag wünsche ich Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen. – Danke, Karl-Heinz Brunner. Letzter Redner in dieser Debatte ist Philipp Amthor. Sie waren letztens auch schon letzter Redner; das habe ich natürlich nicht vergessen. Philipp Amthor für die CDU/CSU-Fraktion.
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Martina Stamm-Fibich SPD
Martina
Stamm-Fibich
SPD
Verehrter Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich zum Inhaltlichen komme, möchte ich noch eine Anmerkung zum Beratungsprozess dieses Gesetzes machen. Als Mitglieder des Deutschen Bundestages sind wir in der Pflicht, alles dafür zu tun, die Bevölkerung in Krisen und Ausnahmesituationen zu schützen. Dieses Parlament hat es mit einer solchen Ausnahmesituation zu tun. Diese Pandemie ist eine Ausnahmesituation. Glauben Sie mir: Meine Fraktion und ich, wir nehmen diese Aufgabe sehr ernst. Es gibt aktuell viel schrille Kritik an den Maßnahmen und am Politikstil der Bundesregierung. Gleichzeitig steht der Vorwurf im Raum, dass der Deutsche Bundestag der Regierung zu viel Spielraum lässt und seine Kontrollpflichten vernachlässigt. Dazu kann ich nur sagen, dass ich diese Kritik für überzogen halte. Denn zum einen sind die Maßnahmen zeitlich klar befristet, und zum anderen hätte auch ich mir gerne mehr Zeit für die Beratung dieses vorliegenden Entwurfs genommen. Es ist aber leider so, dass diese Pandemie und die dramatischen Folgen nicht auf uns warten. In der aktuellen Situation muss man handeln. Viele der Änderungen, die wir heute beschließen, sind dringend notwendig und können nicht eine Sekunde aufgeschoben werden. Das sind die Tests, das sind die Regelungen für den Öffentlichen Gesundheitsdienst, und das sind die Regelungen für die Flexibilität, die wir für die Auszubildenden und Studierenden im Gesundheitswesen brauchen. Und ich bin wirklich aufgeregt; denn ich kann nicht ertragen, wie diese Rechten da drüben über diese Pandemie sprechen und wie sie auch die erschwerten Bedingungen, die wir alle hier im Umfeld haben, auch bei unserer Arbeit, missachten und teilweise die Regelungen, die wir in diesem Haus haben, mit Füßen treten. Das macht mich ärgerlich. – Sie können nach Hause gehen; es hindert Sie keiner daran. Die Einrichtungen, die aktuell finanziell massiv von der Krise betroffen sind, müssen wir jetzt unterstützen. Die Änderungen, die wir im SGB V für unter anderem die sozialpädiatrischen Zentren, für die medizinischen Einrichtungen, für Menschen mit einer Beeinträchtigung, für Kinder und Jugendliche gerade planen, sind ganz dringend und wichtig. Kollegin Maag, Sie haben darauf hingewiesen: Wir können die Strukturen, die wir mühsam aufgebaut haben in unserem System, nicht einfach zerstören. Deswegen müssen wir handeln. Dieses Gesetz muss sehr schnell beschlossen werden. Wir haben nicht die Zeit, wochenlang zu diskutieren. Ich finde, es muss in diesem Hohen Haus Anerkennung finden, dass man in so einer Situation so arbeitet und so schnell zu Gesetzen kommt. Wir haben viele Zeichen der Solidarität gesendet. Ich möchte zum Abschluss noch sagen: Dass wir hier in diesem Haus heute beschließen, dass wir die Kosten für die Behandlung von europäischen Patienten, die bei uns in Deutschland erfolgt, übernehmen werden, finde ich großartig. Ich hoffe, es findet den Anklang, den es finden muss. Vielen Dank. Voraussichtlich letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Stephan Pilsinger, CDU/CSU.
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Andreas Schwarz SPD
Andreas
Schwarz
SPD
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein ehemaliger britischer Premierminister hat mal gesagt: Jeder erwartet vom Staat Sparsamkeit im Allgemeinen und Freigiebigkeit im Besonderen. In diesem Spannungsfeld der Haushaltspolitik entwickelt sich die FDP gerade von der selbsternannten Serviceopposition zur Motivationsopposition. Schön, dass Sie die Arbeit der Koalition gut finden, dass Sie sie anerkennen und dass Sie uns auf unserem Weg recht geben und dann gute Regierungsarbeit hier anerkennen! Dank der hervorragenden Haushaltspolitik von Olaf Scholz und seinem Vorgänger, natürlich im Zusammenspiel mit den Koalitionsfraktionen, kommt der Bund nun schon seit Jahren ohne neue Schulden aus. Gleichzeitig können wir mit Fug und Recht von Rekord­investitionen in diesem Land reden. Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP, dass Sie uns mit Ihrem Antrag die Möglichkeit geben, das hier noch mal herauszustellen, dafür darf ich mich im Namen der Koalitionsfraktionen ganz herzlich bei Ihnen bedanken. Als Haushälter darf ich an dieser Stelle gerne aus dem Nähkästchen plaudern und auf die Erfolge unserer Haushaltspolitik verweisen. Die Schuldenbremse ist ein Erfolgsmodell, auch wenn es natürlich in jeder Partei Vertreter gibt, die das eventuell anders beurteilen. Ein Blick auf die bisherigen Zahlen seit Einführung zeigt: Die Schuldenbremse funktioniert. Trotz oder vielleicht sogar gerade wegen der Schuldenbremse steigen die Investitionen im Zeitraum von 2020 bis 2023 auf 158 Milliarden Euro. Mehr als 36 Milliarden Euro mehr als in der vergangenen Legislaturperiode. Meine Damen und Herren, welche Botschaft kann Deutschland an Europa senden? Wir schaffen erstmals seit vielen Jahren, dass die Bundesrepublik Deutschland 2019 auch wieder die Maastricht-Stabilitätskriterien erfüllen wird, das heißt, die gesamtstaatliche Schuldenquote wird unter 60 Prozent gedrückt. Das ist der Erfolg einer soliden und ausgewogenen Haushaltspolitik, vor allem aber auch ein Erfolg vieler fleißiger Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und vieler ehrlicher Unternehmen in unserem Land. Jetzt wird es spannend, meine Kolleginnen und Kollegen der FDP; denn manches aus Ihrem Antrag stimmt ja. Man muss sagen – ich habe es bereits erwähnt –: Da ist auch viel Lob für die Regierungsarbeit der Großen Koalition dabei. Ich zitiere mal ein paar Stellen aus Ihrem Antrag: „Haushaltsdefizit und öffentlicher Schuldenstand … gesunken“; „Die Schuldenuhr des Bundes läuft … rückwärts“. Alles Aussagen, die man über die schwarz-gelbe Bundesregierung damals nicht treffen konnte. Im Gegenteil: Ungern erinnere ich mich an Ereignisse Ihrer Lehrzeit in Regierungsverantwortung: Dazu gehören Rückzahlungen in Milliardenhöhe an Energiekonzerne wegen einer verfehlten Atompolitik. Ich erinnere an die Mövenpick-Steuer, die ein großzügiges Lobbygeschenk war und letztendlich auch dazu führt, dass die AfD von ihren Vergünstigungen profitiert. Jetzt behauptet die FDP in ihrem Antrag, dass sie Gerüchte aus dem Bundesfinanzministerium gehört hätte, wonach im BMF ganz ungeniert über die Auslagerung öffentlicher Investitionen nachgedacht werden würde. Wie war die Antwort des Bundesfinanzministers? Wer Olaf Scholz kennt, weiß: Da gab es eine klare Ansage. Olaf Scholz – und das schreiben Sie in Ihrem eigenen Antrag – hat diese Gerüchte umgehend dementiert. Jetzt wollen Sie aber trotzdem bereits für eventuelle und künftige Finanzminister vorbauen. Darauf will ich Ihnen ganz einfach antworten: Hätten Sie Ihren Vorsitzenden damals keinen Alleingang bei den Jamaika-Verhandlungen machen lassen, dann stünden Sie heute selber in Verantwortung und könnten all Ihre guten Ideen umsetzen. Ich bin mir aber nicht sicher, ob Sie alle diese guten Ideen jetzt noch hätten. Die Schuldenbremse ist in ihrer jetzigen Form ein Erfolgsmodell; das wollen wir behalten. Ich sehe in der jetzigen Situation weder Bedarf noch die reelle politische Möglichkeit, in Bundesrat und Bundestag eine entsprechende Veränderung herbeizuführen. Wenn Sie eine Änderung wollen, dann würde ich Ihre Aufforderung zu einem Gesetzentwurf an Sie zurückgegeben. Überzeugen Sie Ihre Landesregierungen, wo Sie beteiligt sind, sich dementsprechend einzusetzen und zu verpflichten. Ich bin gespannt auf die entsprechenden Initiativen, beispielsweise aus Nordrhein-Westfalen. Ein ganz kleiner Hinweis noch zum Schluss: Im Jahr 2018 ist in einem einzigen Flächenstaat Deutschlands die Pro-Kopf-Verschuldung nicht gesunken, sondern sie ist gestiegen, in einem einzigen, nämlich in Schleswig-Holstein. Nach meinem letzten Kenntnisstand regieren Sie da noch fleißig mit. – In Schleswig-Holstein? Welche Botschaft können wir also abschließend an das Land senden? Meine Damen und Herren, in Berlin wird solide und gut gewirtschaftet. Die Finanzen in diesem Land sind geordnet. Der Bund braucht keine Kredite. Der Bund hat die Schuldenbremse, er beachtet sie zum Wohle der Entwicklung in diesem Land. Weiterhin unserer Gesellschaft ein Glückauf! Danke für Ihre Aufmerksamkeit. Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch, Die Linke.
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Enrico
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Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Minister Altmaier! Meine Damen und Herren Kollegen! Auch ich, Herr Altmaier, freue mich, dass Sie bei dieser Debatte heute dabei sind und dass Sie auch Ihr Papier zur Nationalen Industriestrategie mitgebracht haben. Und es hat sich ja gerade so angehört, als ob Sie den FDP-Antrag hier sozusagen als überflüssig entlarven wollten. Auch wenn es nicht oft vorkommt: Ich will heute mal der FDP-Fraktion beispringen; denn das, was in Ihrem Papier steht, das steht da gut. Allerdings handeln Sie genau andersherum, und das werde ich Ihnen kurz darlegen. Die AfD-Fraktion unterstützt den Antrag der Kollegen der FDP zur Einführung einer Beteiligungsbremse für den Bund. Er enthält nämlich tatsächlich sinnvolle Forderungen, insbesondere die nach grundsätzlich nur stillen Beteiligungen oder nach Rückführung staatlicher Beteiligung auf das Vor-Corona-Niveau. Erweiterte Berichtspflichten dienen der Transparenz und beugen dem Missbrauch vor. So weit, so gut, Herr Houben. Wovon dieser Antrag allerdings ausgeht, ist, dass die massive Ausweitung staatlicher Beteiligung eine Sondersituation sei und man einfach zur Normalität, nämlich zur sozialen Marktwirtschaft, zurückkehren müsse. Diese Normalität gab es aber schon vor Corona nicht mehr. Die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen zusammen mit den beiden Linksaußenfraktionen der Grünen und der Dunkelroten wollen nämlich gar keine soziale Marktwirtschaft. Die Coronakrise bestätigt und bekräftigt einen Trend, der sich durch die Amtszeit von Frau Merkel zieht, einen Trend, der sich von der sozialen Marktwirtschaft entfernt und in eine gelenkte Staatswirtschaft mündet. Was mit der Teilverstaatlichung der Commerzbank infolge der Finanzmarktkrise begann, findet nun bei Lufthansa, bei TUI, bei der Deutschen Bahn und vielen anderen seine Fortsetzung. Herr Houben hat vorhin viele Unternehmen benannt; ich will die alle nicht noch mal wiederholen. Die Bundesregierung springt in Wahrheit nicht in der Krise ein, um die Unternehmen zu retten, sondern nutzt Krisen, um ihr neues, offensichtlich vom vermeintlichen Erfolgsmodell China inspiriertes staatskapitalistisches Modell zu installieren. Mit der aktuellen Coronakrise haben wir jetzt eine neue Qualität erreicht. Sie, Herr Altmaier, nutzen nicht nur die Krise, sondern Sie erschufen die Krise durch den Lockdown erst selber. Schon nach der damaligen Datenlage war der Lockdown unnötig, in jedem Fall unverhältnismäßig, und Herr Spahn hat dies ja unlängst selbst zugegeben. Ihr fortwährendes Drohen mit einem zweiten Lockdown lässt auch kaum einen anderen Rückschluss zu. Beteiligungen des Staates, meine Damen und Herren, folgen keinen wirtschaftlichen Notwendigkeiten. Ihr Interesse, das Interesse der Bundesregierung, ist es, sukzessiv-schleichend, sozusagen von hinten durch die Brust ins Auge, die staatliche Kontrolle über alle Bereiche von Wirtschaft und Gesellschaft auszudehnen. Und das, glaube ich, ist auch kein Hirngespinst, sondern schon lange im politischen Fokus. Ich darf Sie, Herr Präsident, mit Ihrer Erlaubnis aus einer Podiumsdiskussion aus Ihrer Zeit als Finanzminister im Jahre 2011 zitieren, als Sie gesagt haben: … wenn die Krise größer wird, werden die Fähigkeiten, Veränderungen durchzusetzen, größer. Das ist richtig; prophetische Worte, wie auch immer sie gemeint waren. Und ja, meine Damen und Herren, in der Krise werden sich die Menschen beugen. Und die Regierung ist ja eben auch schon fleißig dabei. Der Energiebranche nehmen Sie ein Kraftwerk nach dem anderen weg und zwingen sie zum Ausbau einer neuen Strominfrastruktur, die zwar dem Klima nichts bringt, aber die Steuerzahler und Konsumenten Billionen Euro Subventionen kostet. Mit der Deutschen Bank gibt es eigentlich nur noch eine echte deutsche Privatbank, und auch der gehen Sie mit Ihrer Euro-Politik ans Leder. Überraschend wäre es daher nicht, wenn von Ihren Kollegen in Ländern und Gemeinden der jüngste Vorschlag des Deutschen Städtetages, die Gewerbeflächen in deutschen Innenstädten zu verstaatlichen, mit großem Enthusiasmus aufgegriffen würde. Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass Sie die einstmalige Vorzeigeindustrie Deutschlands, die deutsche Automobilindustrie, ehedem der Wachstumsmotor Deutschlands, zum Subventionsfall herabregiert haben. Die jetzige Situation der Automobilindustrie, Herr Altmaier, hat nichts mit Corona zu tun, sondern allein mit Ihnen und leider eben auch mit willfährigen Vorstandsvorsitzenden. Ihr Weg hin zum Staatskapitalismus ist der falsche Weg. Er verletzt fundamentale Freiheitsrechte der Menschen und gefährdet unsere Demokratie. Der Staat, Herr Altmaier, darf gar kein Unternehmer sein. Er ist bekanntlich nicht besonders gut darin, wie 40 Jahre DDR nachhaltig bewiesen haben. Der Staat darf in der Wirtschaft nicht Partei ergreifen; denn die Unterstützung eines Unternehmens bedeutet gleichzeitig eben auch die Benachteiligung eines konkurrierenden, häufig sogar kleineren – weil nicht systemrelevanten – Marktbegleiters. Und ich darf – Herr Präsident, mit Ihrer Erlaubnis – Ludwig Erhard zitieren: Ebenso wie beim Fußballspiel der Schiedsrichter nicht mitspielen darf, hat auch der Staat nicht mitzuspielen. Die Grundlage aller Marktwirtschaft bleibt die Freiheit des Wettbewerbs. Der Staat darf den Wettbewerb nicht beeinflussen. Er muss die Voraussetzungen für Wettbewerb gewährleisten. Wir brauchen, Herr Houben, im Grunde keine Rückkehr zur sozialen Marktwirtschaft. Wir müssen sie wiederfinden, mit einem starken Staat, der, Herr Altmaier, ausschließlich seiner Pflicht zur Daseinsvorsorge nachkommt. „Vorfahrt für die Marktwirtschaft“ heißt eben vor allem, den Marktplatz neu zu pflastern. Ein staufreies Straßennetz, ein deutlich verzweigteres Schienennetz und ein lückenloses digitales Breitbandnetz, ein im wahrsten Sinne des Wortes flächendeckendes Mobilfunknetz, das sind staatliche Aufgaben. Wir teilen zwar nicht alle Vorschläge der FDP-Fraktion. Jedoch kommt es derzeit vor allem darauf an, die Regierung davon abzuhalten, Krisen selber herbeizuführen, um hinterher als strahlender Retter aufzutreten. Der vorliegende FDP-Antrag würde dazu beitragen, der Regierung diesen Weg zu erschweren, und deshalb werden wir diesen Antrag unterstützen. Vielen Dank. Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Bernd Westphal, SPD.
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Sonja Amalie Steffen SPD
Sonja Amalie
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf der Tribüne! Die AfD möchte mit einem neuen Straftatbestand die Haushaltsuntreue unter Strafe stellen und die ordnungsgemäße Verwendung öffentlicher Mittel sicherstellen. – Das alles klingt ja erst einmal recht vernünftig. Aber ein Blick in Ihren Gesetzentwurf zeigt, dass Ihre Analyse der jetzigen Rechtssituation schlechtweg falsch ist. In Ihrer Begründung lese ich: Das Bedürfnis nach einer korrekten Bewirtschaftung der Staatsausgaben ist in der gegenwärtigen Situation zu einer Überlebensfrage der Staatsfinanzen geworden. Das Überleben der Staatsfinanzen: Damit scheint also viel auf dem Spiel zu stehen. Sie behaupten nämlich, der Bundesgerichtshof habe die „strafrechtliche Sanktionierung der Haushaltsuntreue“ durch die sogenannte Bugwellenentscheidung aus dem Jahr 1997 aufgehoben. Seitdem gehe es in Deutschland schlicht rechtlos zu. Das, Kolleginnen und Kollegen von der AfD, ist falsch. Meine Vorredner haben noch nicht erwähnt, um was es bei der Bugwellenentscheidung geht. Vielleicht auch für die Gäste auf der Tribüne: Es handelt sich um eine Entscheidung des BGH aus dem Jahr 1997. Angeklagt waren damals der Intendant und der Verwaltungsdirektor des Staatstheaters Stuttgart. Was ist da passiert? Im November 1990 hatten sie den Haushalt des Staatstheaters um 5,4 Millionen D‑Mark – damals noch – überschritten. Das ist eine ganze Menge, aber man muss auch wissen: Der Generalintendant hatte damals, im November 1990, notwendige Zahlungen angewiesen, obwohl die Mittel erschöpft waren. Natürlich geht so etwas nicht, aber das Gericht hat damals zutreffenderweise festgestellt, dass eine Haushaltsüberschreitung bei zweckmäßigem Mitteleinsatz nicht den Straftatbestand der Untreue erfüllt. Punkt! Es hat also keineswegs die Haushaltsuntreue aufgehoben. Es hat festgestellt – ich sage es jetzt noch einmal –, dass eine Haushaltsüberschreitung bei zweckmäßigem Mitteleinsatz nicht den Straftatbestand der Untreue erfüllt. Es ist also falsch, dass Untreue zulasten der öffentlichen Hand nicht mehr strafbar ist. Es gibt bis zum heutigen Tag in diesem Zusammenhang Prozesse und Verurteilungen, weil es bedauerlicherweise immer schwarze Schafe gibt. Selbstverständlich dürfen Amtsträger keine schwarzen Kassen mit öffentlichem Geld anlegen. Das wird wegen Untreue bestraft. Selbstverständlich ist es strafbare Untreue, wenn Amtsträger Forderungen der öffentlichen Hand bewusst nicht eintreiben. Ich will mich jetzt hier nicht mit weiteren Beispielen über die Zeit retten. Wir haben bereits ausreichende strafrechtliche Sanktionsmöglichkeiten. Ihr Gesetzentwurf unterstellt, dass sich der Gesetzgeber bei dem rechtswidrigen Umgang mit öffentlichen Geldern einen schlanken Fuß macht. Das ist polemisch. Das ist billige und verlogene Stimmungsmache. Und vor allem: Es stimmt nicht. Natürlich muss der Staat darauf achten, dass Haushaltsregeln eingehalten werden. Er muss Verschwendung entgegenwirken. Aber wir haben bislang schon wirksame Mittel, mit denen an dieser Stelle angesetzt und geprüft wird. Es gibt Grundsätze wie das Vieraugenprinzip, das in der öffentlichen Buchhaltung umgesetzt werden muss. Es gibt Kontrollinstanzen, beispielsweise im Rahmen der Kommunalaufsicht. Es gibt die Rechnungshöfe des Bundes und der Länder mit weitreichenden Kontrollbefugnissen. Wenn ich allein an unseren Bundesrechnungshof denke – das sage ich auch aus der Sicht einer Haushälterin –, dann muss ich feststellen, dass hier eine solide und wichtige, kritische und vor allem neutrale Arbeit geleistet wird. Ihr Vorschlag geht auch hier in die falsche Richtung. Bei rechtswidrigem Umgang mit öffentlichem Geld greift das bereits bestehende Strafrecht. Noch zwei weitere Bemerkungen zu Ihrem vorliegenden Gesetzentwurf. Sie schlagen vor, dass auch Mitglieder der kommunalen Vertretung wegen Haushaltsuntreue bestraft werden können, also auch Stadtverordnete und Gemeinderäte. Ich halte das für verfehlt, sowohl politisch als auch rechtlich. Die Kommunalparlamente sind doch diejenigen, die den Haushalt beschließen. Sie führen ihn nicht aus. Erst wenn der beschlossene Haushalt vorliegt, dann könnte die Verwaltung – zumindest theoretisch – gegen diesen Haushalt handeln. Will die AfD jetzt die gewählten Menschen in den Kommunalparlamenten bestrafen, weil sie ihrer Meinung nach die Haushaltstitel im Haushalt vielleicht zu großzügig befüllen? Mehr noch: In Ihrem Gesetzentwurf, Kolleginnen und Kollegen von der AfD, schieben Sie politischen Entscheidungsträgern auf allen Ebenen den Schwarzen Peter des potenziellen Korruptionsverdachts in die Schuhe. Das geht so nicht. Wer soll sich denn dann noch zu einem Ehrenamt bereit erklären, wenn er bei jeder Entscheidung damit rechnen muss, mit einem Bein im Gefängnis zu stehen? Als letzte Bemerkung: Sie haben vorgeschlagen, im Haushaltsgrundsätzegesetz einen neuen Ordnungswidrigkeitentatbestand zu verankern, ein Bußgeld in Höhe von bis zu 100 000 Euro für diejenigen, die entgegen den Vorschriften keine öffentlichen Ausschreibungen vornehmen. So geht das meiner Meinung nach nicht. In dem Haushaltsgrundsätzegesetz, dem Gesetz des Bundes, geht es um die Haushaltsgrundsätze des Bundes. Ein Bußgeldtatbestand für Bundes-, Landes- und kommunale Behörden hat in diesem Gesetz nichts verloren. Ich sehe dafür keine Gesetzgebungskompetenz. Das mag vielleicht ein handwerklicher Fehler sein, Herr Reusch. Aber sei es drum. Wir werden uns damit in den Fachausschüssen beschäftigen. So viel schon jetzt: Der Entwurf ist rechtlich unseriös. Er ist kein scharfes Schwert. Er bindet völlig unnötig Ressourcen. Das, Kolleginnen und Kollegen von der AfD, ist ganz bestimmt Verschwendung öffentlicher Mittel. Vielen Dank. Nächster Redner ist der Kollege Friedrich Straetmanns, Fraktion Die Linke.
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Friedrich Straetmanns DIE LINKE
Friedrich
Straetmanns
DIE LINKE
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Vorab gesagt: Das Wohneigentumsrecht so zu ändern, dass Ladepunkte für E-Autos an privaten Stellplätzen zügig ausgebaut werden, begrüßen wir als Linke. Damit aber auch genug des Lobes. Was hier vorliegt, ist ein in weiten Teilen misslungener Gesetzentwurf der Bundesregierung. Er verkennt die soziale Bedeutung des Mietrechts; denn das Mietrecht wird hier nebenbei gravierend beeinflusst. Unter der Überschrift „Harmonisierung von Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht“ werden Regelungen vorgeschlagen, die Mieterinnen und Mieter rechtlich benachteiligen. In Ihrem Gesetzentwurf wollen Sie künftig die Betriebskosten nach dem Schlüssel aufteilen, der für alle Eigentümer untereinander gilt. Bisher ist aber der Wohnflächenmaßstab der übliche Verteilschlüssel für die meisten Nebenkosten. Ihre Änderungen führen jedoch zu einer Bevorzugung der Vermietenden gegenüber den Mietenden. Das weisen wir entschieden zurück. Hier beginnt der Einstieg in ein Mietrecht der zwei Klassen, nämlich abhängig davon, ob man Mieterin oder Mieter einer Eigentumswohnung ist oder eben nicht. Zugleich verkennt dieser Entwurf aus einem SPD-geführten Ministerium eklatant die Bedeutung des Mietrechts für die Menschen in unserem Land. Der Deutsche Mieterbund hat recht, wenn er in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf auf die für Mieterinnen und Mieter nachvollziehbare Verteilschlüsselgröße verweist, eben die genutzte Wohnfläche. Davon können die jetzt als Verteilschlüssel angeführten Miteigentumsanteile sehr wohl abweichen. Aber auch in § 15 in Artikel 1 des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes ist dieser Entwurf zu weitgehend und damit überflüssig. Die dort geregelten Duldungspflichten des Mietenden bei Renovierungen und Modernisierungen sind bereits in § 555a Absatz 1 BGB geregelt und bedürfen keiner erneuten Regelung. Dass auch die Wohnungseigentumsgemeinschaft, also sogar die nicht beim Mietvertrag beteiligten Miteigentümer, solche Ansprüche gegenüber dem Mieter bekommen sollen, ist systemfremd. Es verkennt auch die Abhängigkeit der Mietenden auf einem extrem angespannten Mietwohnungsmarkt. Wie sollen sich Mieterinnen und Mieter denn dagegen wehren, wenn sie keine Wohnalternativen haben? Aber selbst Wohnungsbesitzende werden in Ihrem Gesetzentwurf negativ bedacht, zumindest soweit es sich um solche handelt, die zum Beispiel ohne Profitabsicht in der selbstgenutzten Wohnung wohnen wollen; denn die Wohnungsverwaltungen dürfen jetzt die Eigentümergemeinschaft finanziell verpflichten, ohne hierzu durch einen vorherigen konkreten Beschluss gebunden zu sein. Zusammengefasst: Die bzw. der Einzelne wird hier in seiner Eigentümerposition rechtlich geschwächt, mit Leichtigkeit überstimmt und muss daher noch mehr aufpassen, keine wirtschaftlichen Nachteile zu erleiden. So sieht es jedenfalls der Deutsche Anwaltverein, und diese Kritik teilen wir als Linke. Vielen Dank. Vielen Dank, Herr Kollege Straetmanns. – Als Nächster hat der Kollege Christian Kühn das Wort für Bündnis 90/Die Grünen.
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Peter Heidt FDP
Peter
Heidt
FDP
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die AfD hat den Lehrermangel entdeckt. Heureka! Die kriegen dafür den Preis für die Spätzünder der Nation. Wir Freie Demokraten haben diese Problematik bereits in der letzten Wahlperiode thematisiert, und selbst die Linken haben vor einem guten halben Jahr einen entsprechenden Antrag gestellt. Wer glaubt, die AfD hätte aus den verschiedenen Gesichtspunkten das Beste zusammengeschrieben und einen qualitativ hochwertigen und innovativen Antrag gemacht, der sieht sich getäuscht. Das ist ein völliges Sammelsurium unzusammenhängender Forderungen, und auch verschiedene Kompetenzbereiche sind betroffen; das passt überhaupt nicht. Wiedereinführung des Weihnachtsgeldes, Planstellen an Schulen, Anzahl der Referendariatsplätze – alles Aufgaben der Länder –, Ausstattung der Schulen, Schulbau – allein kommunale Aufgabe. In Ihrer Forderung an die Bundesregierung, gemeinsam mit den Ländern einen Qualitätspakt Schule zu bilden, wird die Zuständigkeit der Länder für Aus-, Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften und die Einrichtung ausreichender Ausbildungskapazitäten für die Einstellung von Lehrkräften in den aktiven Schuldienst völlig negiert. Darüber hinaus wird die Forderung nach einer Reduzierung des Einsatzes von Lehrkräften in der Radikalinklusion oder im Ganztag gestellt; keine Bundesangelegenheiten. Wer das fordert, der zeigt nur, wes Geistes Kind er ist. Der Antrag übersieht auch die aktuellen Bemühungen, die Qualität des Lehramtsstudiums zu verbessern. Wir Freie Demokraten wollen mehr junge Menschen für ein Lehramtsstudium begeistern, wollen Quer- und Seiteneinsteiger besser qualifizieren. Die Tatsache, dass Bund und Länder gemeinsam die Qualitätsoffensive Lehrerbildung tragen, für die der Bund 500 Millionen Euro zur Verfügung stellt, wird nicht erwähnt. Mit den jetzt gestarteten Kompetenzzentren für digitales und digital gestütztes Unterrichten in Schule und Weiterbildung knüpfen wir an die Ergebnisse der Qualitätsoffensive Lehrerbildung an und legen den Fokus auf die Fortbildung von Lehrern. Mit diesen Maßnahmen unterstützt der Bund die für die Lehrkräfteausbildung zuständigen Länder. Ich versichere Ihnen: Der Bund wird sich auch weiterhin für die Qualitätsverbesserung der Lehrkräfteausbildung engagieren. Gelöst wird das Problem aber nicht vom Bund, sondern von den Ländern. Der Lehrermangel verschärft sich nämlich weiter. Das neue Schuljahr startet mit Tausenden unbesetzten Stellen. Für die Länder wird es angesichts des Lehrermangels immer schwieriger, die Unterrichtsversorgung abzusichern. Die Prognose der Kultusministerkonferenz ist da sehr negativ. Bundesweit ist die Zahl der Studienplätze zwar um 17 Prozent gestiegen, aber die Zahl der Lehrer, die später bei den Schulen ankommen, sinkt. Wir reden also auf allen Ebenen vom Lehrermangel. Aber warum haben wir keinen Respekt vor dem Lehrerberuf? Das geht im Studium los und setzt sich beim Referendariat fort. Ich bin ja Hesse. In Hessen gibt es zum Beispiel zu wenige Referendariatsplätze, auch zu wenige Plätze im Studienseminar. Das bedeutet, die Lehramtsstudenten kommen nach ihrem Studium nicht sofort auf einen Referendariatsplatz, sie kommen in eine Warteschleife. Allgemein wird das Referendariat als die „Hölle“ bezeichnet. Ich als Jurist war ja auch Referendar. Bei Juristen ist das anders. Ich frage mich wirklich: Was ist die Rolle der Ausbilder in diesem Bereich? Wenn man das Referendariat abgeschlossen hat, gibt es in Hessen komischerweise oft keine Stelle. Die jungen Lehrer werden auch nicht richtig eingestellt. Sie bekommen einen TV‑H-Vertrag; sie werden abgespeist. Das bedeutet, Sie werden in Hessen – wie in vielen anderen CDU-geführten Ländern – im Sommer entlassen, müssen sich arbeitslos melden. Was ist das für eine Wertschätzung der CDU gegenüber Lehrern? Dann gibt es diese „Lehrer light“. Diese „Lehrer light“ haben keinen Anspruch auf ein Dienstgerät. Wie sollen sie dann ohne Laptop digitalen Unterricht gestalten? Die CDU hat in Hessen und in vielen anderen Bundesländern ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Ich erwarte von der Bundes-CDU, endlich mal Druck auf die von ihr geführten Landesregierungen zu machen. Machen Sie denen klar, was Lehrerausbildung bedeutet, wo ihre Aufgaben sind! Wir Freie Demokraten sind für die Stärkung des Lehrerberufs. Wir wollen erfolgreiches Lernen ermöglichen. Dafür sind Lehrer und Umfeld entscheidend. Hochqualifizierte, engagierte Lehrerinnen und Lehrer sind der wichtigste Chancenmotor für die Zukunft unserer Kinder. Der Bund kann das Problem alleine eben nicht lösen. Und wenn es der Bund hätte lösen können, liebe CDU/CSU, hättet ihr es doch in den letzten 16 Jahren als CDU-geführte Bundesregierung längst gelöst, nicht wahr? Also: Bund und Länder müssen sich vernetzen, in Teilbereichen wirklich zusammenarbeiten. Das ist unser Angebot an Sie. Diese Ampelregierung ist bereit dazu. Wir haben schon viele Angebote gemacht, im Interesse und für die Chancen unserer Kinder und im Interesse unseres Landes jetzt zusammenzuarbeiten. Ich erwarte aber von den Ländern eine echte Bereitschaft zur Zusammenarbeit, nicht nur das Fordern von Geld, sondern auch, wirklich mal in das Thema hineinzugehen, Kompetenzen auszugestalten, wirklich bereit zu sein, auf uns zuzugehen. Ihre Weigerung in vielen Bereichen, zusammenzuarbeiten, zeigt doch, dass Sie die Zeichen der Zeit nicht erkannt haben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, den Antrag der AfD lehnen wir als substanzlos ab. Daniela Ludwig hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
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Wolfgang Wiehle AfD
Wolfgang
Wiehle
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Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Für die Autofahrer ist es eine Freude, wenn einmal die Belastung aus Steuern und Abgaben nicht zunimmt; wenn man sich darauf verlässt, dass die Kompensation über die Kfz-Steuer tatsächlich bestehen bleibt. Es fragt sich nur, ob ihnen diese Freude auf den zweiten Blick nicht im Halse stecken bleibt und sie außerdem nur von kurzer Dauer sein wird. Auf diesen zweiten Blick ist es so, dass wir Deutschen die „Maut-Deppen Europas“ sind, so titelt die „Bild“-Zeitung. In fast allen anderen Ländern Europas berappen wir eine Maut, und deren Bürger zahlen auch künftig auf deutschen Autobahnen keinen müden Cent. Auch wer, wie wir von der AfD, in Deutschland gar keine Maut will, stößt ja auf diesen Widerspruch. Die anderen Länder haben selbstverständlich die Steuersystematik für ihre autofahrenden Bürger seit Jahrzehnten darauf angepasst, dass es diese zusätzliche Mautbelastung gibt. Nur wir in Deutschland dürfen eine solche Anpassung, falls wir sie denn wollten, nun aber nicht mehr vornehmen, nur weil wir später dran sind? Hat der EuGH hier wieder einmal seine bekannte Neigung zugunsten eines europäischen Zentralismus ausgespielt? Oder haben Koalition und Bundesregierung mit dem Mautgesetz einfach zu hoch gepokert? Egal, das Ergebnis ist und bleibt einfach absurd. Die Freude über die ersparte Maut wird für die Autofahrer auch nur kurz sein; das sage ich Ihnen an dieser Stelle voraus. Zu viele Geldeinsammler und Ideologen warten nämlich längst auf ihre nächste Chance. Im Gespräch mit n-tv träumt eine Kollegin von der CSU von einer einheitlichen europaweiten Maut. So ist Zentralismus besonders schön: wenn er auch noch die Kassen füllt. Auf der Internetseite der CDU/CSU-Fraktion liest man, dass die Nutzerfinanzierung – wir haben es schon gehört; damit ist offensichtlich nichts anderes als die Maut gemeint – trotz des EuGH-Urteils richtig bliebe, nur wahrscheinlich in Zukunft ohne Ausgleich durch eine Senkung der Kfz-Steuer. Einen sogenannten Finanzierungskreislauf Straße braucht aber niemand als neue, große Erfindung zu preisen. Dass die Autofahrer als Straßennutzer durch die Mineralölsteuer nämlich heute schon ein Vielfaches dessen zahlen, was für den Straßenbau von Bundesseite her eingebracht wird, hat mein Kollege Holm bereits trefflich beschrieben. SPD und Grüne haben sich gegen das Mautprojekt der CSU gestellt. Aber wie lange wird diese Position halten, wenn die finanzpolitischen Lockrufe der Klimarettung zu hören sind oder gar das neue Modewort „Verkehrswende“ erklingt? Ein paar Monate oder gar nur ein paar Wochen oder vielleicht nur ein paar Stunden, wenn ich die Frau Kollegin Lühmann richtig verstanden habe? Außerdem hat die Mautdebatte längst die Leitplanken der Autobahnen verlassen. Immer häufiger wird über eine Citymaut, also eine extra Einfahrabgabe für Städte gesprochen. Zuletzt war das die Berliner Verkehrssenatorin Regine Günther, die den Grünen nahesteht. Auf so einem Weg wird die Zufahrt in die Städte für Arbeit, Einkauf und Freizeit noch beschwerlicher und im Umkehrschluss der Einkauf in den großen Zentren auf der grünen Wiese außerhalb der Städte noch attraktiver. Trotzdem versucht man, uns das als neue Lösung zu verkaufen – Hauptsache wohl, man kann die Hand aufhalten und bei den Autofahrern ein weiteres Mal abkassieren. Nein, die Freude der Autofahrer über die gefloppte Maut wird bestimmt nicht lange währen. Wie sagte Kanzlerin Merkel einmal – Sie wurde heute schon zitiert –: Mit mir wird es keine Pkw-Maut geben. – Es passiert ja wirklich selten, aber an dieser Stelle sind wir von der AfD diejenigen, die das aus voller Überzeugung unterstützen. Mit unseren Stimmen wird es keine Pkw-Maut geben. Vielen Dank. – Als Nächster redet für die Fraktion der SPD der Kollege Udo Schiefner.
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Klaus-Peter Willsch CDU/CSU
Klaus-Peter
Willsch
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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen! Herr Krischer, ich hätte mir gewünscht, dass der Minister heute da wäre; aber es gibt sicher wichtige Gründe. Sie können ihm ja ausrichten, was ich dem Haus mitgeben möchte. Gerade für Ungelernte in Sachen Wirtschaft wäre es ganz gut gewesen, heute da zu sein; aber das trifft ja auch auf Sie zu. Insofern ist dieser Hinweis nach wie vor gerechtfertigt. Was die neue wirtschaftspolitische Agenda anbelangt, ist man auf die dürren Worte im Koalitionsvertrag angewiesen; da ist man etwas eingeschränkt. Ich habe ein bisschen gesucht, ich konnte es gar nicht glauben, aber die Gastronomie findet sich in den 177 Seiten überhaupt nicht. Zur Hotellerie gibt es auch nichts. Es findet sich etwas zum Tourismus. Zum Tourismus steht da, dass er klimaneutral und digitaler sein muss. Das ist alles wichtig und gut – darum haben wir uns auch schon gekümmert –; aber ich habe nicht den Eindruck, dass für diese neue Ampelregierung der große Bereich „Tourismus, Gastronomie, Hotellerie“ überhaupt eine Rolle spielt. Ich frage mich, wo die FDP bei den Verhandlungen darüber war. Ist das zu später Stunde gewesen, als ihr geschlafen habt? Sonst habt ihr doch immer so getan, als ob ihr hier die einzigen Sachwalter wärt. Ich glaube, es ist Zeit – wenn Sie das dem Minister bitte ausrichten –, von den Höhen des feuilletonistischen Olymps und der Weltenrettung herabzusteigen und sich der Lebenswirklichkeit in Deutschland zu widmen, der Pandemie und den Auswirkungen dieser Pandemie auf die wirtschaftliche Lage in unserem Land. Ich will mich nicht mit diesen abwegigen Herleitungen von Herrn Ziegler aufhalten; aber dass die Debatte heute geführt wird, finde ich gut. Denn das, worüber wir hier reden, findet genau jetzt statt: Die Gastronomen haben jetzt Ausfälle, die Facheinzelhändler haben jetzt Ausfälle. – Es freut mich ja, dass Sie weiterhin Innenstadtkerne stärken und Strukturen für den Handel erhalten wollen; aber wenn das noch ein bisschen so weitergeht, dann macht da überhaupt nichts mehr auf, dann sind da nur noch Nagelstudios und Handyshops und sonst nichts. Dass wir den Facheinzelhandel erhalten, ist auch Voraussetzung dafür, dass Ihre Elektrolasträder nachgefragt werden; denn wenn keiner mehr was auszufahren hat, dann beantragt auch keiner ein elektrisches Fahrrad bei Ihnen. Übrigens ist interessant zu wissen, dass sich ab 2023 die E‑Auto-Förderung ändern wird. Es täte also gut, ein bisschen zu priorisieren und sich der Wirklichkeit zu stellen, die im Lande gerade beobachtbar ist. Ich will an die Parlamentarier appellieren. Ich habe es genossen, dass eben Bernd Westphal gesprochen hat. Wir als Parlament haben ja wirklich eine intensive Zusammenarbeit mit der ministeriellen Administration gehabt. Wir hatten mindestens sitzungswöchentlich einen Austausch mit dem Ministerium auf Ministerebene oder Staatssekretärsebene. Dabei hatten wir immer wieder Gelegenheit – die haben wir auch genutzt –, unsere Berichte aus den Wahlkreisen in die Administration hineinzutragen, damit nicht an der Faktenlage vorbei geholfen wird, sondern da, wo es nottut. Das brauchen wir dringend auch in Zukunft. Sie als Parlamentarier sind als Sachwalter gegenüber der Regierung gefordert, damit man dort weiterhin ein offenes Ohr hat und wir einen Zugang finden. Ich will daran erinnern, dass es nicht immer einfach war. Das BMF stand oft auf der Bremse. Wir wollten sehr viel früher steuerlich durch großzügige Verlustvortragsmöglichkeiten helfen; aber der Chef des BMF oder wer auch immer in seinem Haus – das lag jedenfalls in der Verantwortung von Olaf Scholz – war am Anfang strikt dagegen. Deshalb, nur aus diesem Grund mussten wir komplizierte Sonderfördermöglichkeiten schaffen. Dass das alles dieses Mal besser geht, das wünschen wir uns sehr. Bisher ist leider nicht zu sehen, dass das Thema wirklich oben auf der Agenda wäre. Ich habe in diesen letzten Tagen und Wochen sehr viel mit Gastronomen, mit Hoteliers, mit Facheinzelhändlern gesprochen. Da gibt es – einige Zahlen sind genannt worden – 30, 40 Prozent Rückgang. Ich habe heute Morgen mit meinem Schwiegervater telefoniert. Die Schwiegerleute haben Gastronomie in der Oberlausitz. Sie haben nur noch zwei Drittel ihres Umsatzes. Ich finde, um da noch einmal ein Stück Gemeinsamkeit zu zeigen, eigentlich auch, dass 2 G eine Erleichterung für ein Funktionieren ist, zumindest für die, die sich so verhalten, wie ich es mir wünsche, die sich impfen lassen. Aber wir dürfen trotzdem nicht die Augen davor verschließen; denn wir riskieren, dass ein großer Bereich mit vielen Beschäftigten und viel Lebensqualität für uns alle – Facheinzelhandel, innerstädtisches Leben und Gastronomie – einfach den Bach heruntergeht. Deshalb bleibt das eine wichtige Aufgabe. Nehmen Sie meine frohen Grüße für Weihnachten – jetzt mahnt die Präsidentin, aber das darf ich bestimmt noch sagen – bitte noch mit. Wir haben eine besondere Zeit vor uns. Bleiben Sie offen für die frohe Botschaft der Heiligen Nacht, und möge der Heiland unser Land und seine Menschen schützen! Vielen Dank auch dafür. – Die nächste Rednerin, die hier im Hause ihre erste Rede absolviert, ist die Kollegin Katharina Beck für Bündnis 90/Die Grünen.
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Ralph Lenkert DIE LINKE
Ralph
Lenkert
DIE LINKE
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Deutschland ist erpressbar, weil die Bundesregierung mit Union, SPD, FDP und Grünen jahrzehntelang Regulierung abbauten und staatliches Eigentum privatisierten. Deutschland ist erpressbar von Großkonzernen und Großbanken, die Spekulationsgewinne einfahren und sich in der Finanzkrise mit Steuergeldern retten lassen, erpressbar von Konzernen wie RWE, aber auch Gazprom. Es ist Zeit, diese Erpressbarkeit endlich zu beenden: mit weniger Markt und mehr Staat. Wenn der Staat bei privaten Firmen mit Geld einspringt, muss im Gegenzug sichergestellt sein, dass er an den Gewinnen und an den Anteilen beteiligt wird. Wegen des unregulierten Gasmarktes muss Deutschland im Winter zittern, ob das Gas zum Heizen und für die Industrie reicht. Ja, Putins aggressiver, verbrecherischer Angriff zerstört Menschenleben und ukrainische Städte. Wir verurteilen diesen Angriff aufs Schärfste. Russland muss diesen Angriff sofort beenden. Aber Putin zerstört eben auch das Vertrauen in die Zuverlässigkeit russischer Energielieferungen. Deshalb ist es unerlässlich, sicherzustellen, dass genügend Gas rechtzeitig in die Gasspeicher eingespeichert wird. Daher wird Die Linke diesen Gesetzentwurf zu Mindestfüllständen bei Gasspeichern unterstützen. Kolleginnen und Kollegen, auf einem Markt ohne Regeln hat der Staat keine Möglichkeiten, Wucherpreise von Spekulanten zu verhindern. Ja, die gestrigen Vorschläge der Koalition verringern die Energiearmut etwas. Aber die Konzerne kassieren weiter ab, und das ist unerträglich. Die Linke will die Abzocke bei Energiepreisen beenden. Wir fordern staatliche Preiskontrollen. Wir fordern Festpreise nach Herstellkosten und ein Einkassieren der Spekulationsgewinne. Vielen Dank. Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Bernhard Daldrup das Wort.
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Helge Lindh SPD
Helge
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Baumann, ich wollte eigentlich mit etwas Angenehmem anfangen. Aber ich muss mit Ihnen anfangen. Das ist mein Schicksal. Ich frage mich immer – ich habe es immer noch nicht begriffen –, warum Sie es tatsächlich in Ihren Programmen und manchen Reden wagen, sich auf das christliche Abendland zu berufen. Wenn Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeister – ob die nun von der CDU sind oder von sonst einer Partei; ich würde mich auch freuen, wenn AfD-Bürgermeister so handelten; wobei ich mir nicht wünsche, dass es sie gibt – sich bereit erklären, um ein Zeichen zu setzen, Geflüchtete aus dem Mittelmeer aufzunehmen, dann ist das ein zutiefst christlicher Akt. Es ist kein Grund, diese Menschen zu denunzieren. Zweitens. Wenn Sie so gern Tote aufrechnen, sollten Sie bei dieser Bilanz diejenigen, die in Afrika auf dem Weg sterben oder die in libyschen Lagern umkommen oder die in den von Ihnen so geschätzten Unrechtsregimen wie Syrien sterben, auch aufrechnen. Wenn Sie uns diese Bilanz präsentieren würden, würde ich mich sehr freuen; denn es wäre ein Akt der Fairness. Zum Dritten glaube ich, es ist kein Grund, auch nicht um diese Uhrzeit, auf diese Weise, in dieser Form zynisch über diese Situation, die gegenwärtig im Mittelmeer immer noch herrscht, und auch die vielen Toten, von denen wir wissen und doch nicht wissen wollen, zu sprechen. Es ist zynisch, das zu tun, um daraus parteipolitischen Profit zu schlagen, und es ist zutiefst zynisch, wenn man eine Parteiprogrammatik verfolgt, die sonst nie Menschenrechte so ernst nimmt. Wenn Sie sich einmal mit deutschem Bildungsgut auseinandersetzen würden, könnten Sie Hannah Arendt fragen. Sie definiert Menschenrechte als das Recht, Rechte zu haben. Anders als Sie war ich auf einem solchen Schiff. Ich würde Ihnen das auch empfehlen, ich würde der gesamten AfD-Fraktion einmal drei Wochen auf einem Schiff im Mittelmeer mit Bootsflüchtlingen empfehlen. Denn dann erkennen Sie, was es bedeutet, sich in einer Situation zu befinden als Mensch ohne das Recht, Rechte zu haben. Ich denke, dass wir alle, ungeachtet wie wir zu diesen Anträgen stehen, in dem Gedanken geeint sein sollten, dass es nicht weiter sein darf, dass Menschen tagelang, wochenlang auf Schiffen darauf warten müssen, wieder Menschen zu werden, die ihre Rechte wahrnehmen können. Wir können auch nicht hinnehmen – wider besseres Wissen hinnehmen –, wie Menschen in libyschen Lagern verrecken, vergewaltigt werden, Misshandlungen erleben oder wie sie im Mittelmeer ertrinken. Ein kleines Beispiel, das vor einigen Wochen passierte: Wenn nicht das Außenministerium, dem ich zu großem Dank verpflichtet bin, agiert hätte, wären nicht nur 8 Menschen von einem Boot mit 28 Menschen ertrunken, sondern es wären alle gestorben. Das heißt, es wäre vielleicht einmal diese Frage – jenseits aller großen Lösungen der Migrationspolitik – ein Punkt, an dem wir alle gemeinsam an einem Strang ziehen könnten, um eine Lösung zu finden. Das wäre mein Appell. Jetzt komme ich aber zu dem, was ich eigentlich sagen wollte, bevor Herr Baumann nachhaltig meine Laune verdarb. Ich komme gerade von einer Veranstaltung im Forum der Allianz mit dem Titel #myeurope. Da erlebte man Hunderte von Leuten mit großer Begeisterung für dieses Europa. Ich wünschte mir, solche Begeisterung natürlich auch in anderen Stadtteilen zu erleben, in Neukölln, in meinem Wuppertal-Oberbarmen. Ich wünschte, die auch am Mittelmeer erleben zu können. Ich wünschte mir auch, dass wir alle in Fragen der Migration einmal jenseits von Debatten über Abschiebung und über deren Weiterentwicklung – so notwendig die in diesem Bereich sein mögen – und auch ohne immer wieder die nächsten Toten beklagen zu müssen, aber auch ohne den anderen wieder vorzuwerfen, dass sie entweder viel zu human oder viel zu liberal seien, im Bereich der Migrationspolitik endlich wieder Hoffnung einkehren lassen und mehr Kreativität und mehr Menschlichkeit und zugleich Pragmatismus walten lassen. Insofern werte ich Ihre Anträge, auch wenn ich sie nicht komplett teile, zumindest als einen Anstoß, dass wir gemeinsam diese Hoffnung wagen können. – Wieso? Frau Polat, Sie selber waren mit mir auf dem Mittelmeer und haben sich die Situation angeschaut. Gemeinsam haben wir den Osterappell unterschrieben. Es nützt aber nichts, wenn Sie sich jetzt in Ihren Anträgen auf den Plan von Gesine Schwan, übrigens einer sehr geschätzten und herausragenden Sozialdemokratin, berufen, der aber als solcher ein Plan für die gesamteuropäische Migrationsfrage ist. Der Ansatz, den Sie hier unterstützen, kann mit der Frage der Seenotrettung verbunden werden, aber er ist nicht der entscheidende Punkt. Wir können doch nicht suggerieren, dass allein davon entscheidend abhängt, ob wir vorankommen. Wir brauchen dringender denn je endlich eine zivile, im Idealfall eine öffentliche, eine staatliche Seenotrettung. Da sind sich viele hier in diesem Raum einig. Wir müssen sehen, wie wir einen Ad-hoc-Verteilmechanismus bekommen, der ad hoc, das heißt sofort, funktioniert und nicht nach Tagen oder Wochen. Im Rahmen dessen kann ein Element tatsächlich sein, dass Kommunen aufnehmen können. Aber da müssen wir uns erst einig werden – und das sind wir keineswegs –, ob jeder, der gerettet wird, automatisch eine Aufenthaltserlaubnis bekommt oder ob jeder ein Asylverfahren durchlaufen muss. Das sind durchaus andere Ansätze. Wenn Sie in Ihrem Antrag fordern, dass wir § 23 Absatz 1 Aufenthaltsgesetz in eine Benehmenslösung umwandeln, dann hieße das genau solches: dass jeder, der gerettet wird, eine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland bekommt. Das ist nicht die Position unserer Fraktion. Gleichwohl lasse ich mir von Ihnen nicht vorwerfen, dass wir uns gegen Seenotrettung aussprechen, keineswegs. Nur sind die Wege dahin durchaus unterschiedlich. Aber wir sollten geeint sein, alle, über Fraktionsgrenzen hinweg, dass wir diesen Zustand nicht weiter erdulden dürfen. Dafür müssen wir ringen. Ich möchte es nicht mehr erleben, dass wir in diesen permanenten Auseinandersetzungen hier immer parteipolitisch überformt im Modus des Vorwurfs einander deutlich machen, dass wir eigentlich die Vertreter der wahren Lehre sind. Was nutzt uns allen das? Was nutzt uns das, wenn wir dieses Land immer mehr in die Spaltung treiben? Wir müssen beides gleichzeitig schaffen: Wir müssen diejenigen, die Skepsis haben, die zweifeln, die Angst haben gegenüber Zuwanderung, ernst nehmen und gleichzeitig diejenigen, die Politik für Geflüchtete machen. Das ist verdammt noch mal unsere politische Aufgabe, das ist unsere Pflicht und Schuldigkeit, nicht mehr und nicht weniger. Es ist nicht hilfreich, zu sagen, wie es im Antrag der Linken steht, dass die EU die libysche Küstenwache aufrüsten würde, „damit diese“ die Menschen, die Geretteten, in „Folter, Vergewaltigung und Tod … zurückschleppt“. Man achte auf die Worte: „damit“! Wir können uns einig sein, dass da womöglich Fahrlässigkeit ist und dass wir das in Kauf genommen haben. Herr Kollege Lindh, kommen Sie bitte zum Schluss. Aber es nützt nichts – gerade vor der Europawahl –, Europa und der EU ins Gesicht zu schlagen, um damit Kooperation zu erreichen. Herr Kollege Lindh, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Sie haben jetzt noch einen Satz. Nein, wir müssen zusammen einen Weg finden, um Leben zu retten, um Menschen zu unterstützen. Das ist unsere Aufgabe und nicht eigene parteipolitische Gewinnspiele. Vielen Dank. Als nächste Rednerin hat das Wort die Kollegin Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann, FDP-Fraktion.
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Helin Evrim Sommer DIE LINKE
Helin Evrim
Sommer
DIE LINKE
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Minister Müller, es tut mir leid, aber ich muss Sie jetzt auch noch einmal loben. Unter Ihrer Regie – es ist tatsächlich so – stieg der Entwicklungsetat von knapp 9 Milliarden Euro im Jahre 2018 auf satte 12,4 Milliarden Euro für das kommende Jahr. Bevor Sie jetzt aber vom Schulterklopfen blaue Flecken bekommen, riskieren wir einen Blick in die Zukunft; denn aus der mittelfristigen Finanzplanung ist ablesbar, dass der Entwicklungsetat ab 2022 um 3 Milliarden Euro dramatisch sinken wird. Wundern Sie sich also bitte nicht, dass wir mit einem eigenen Entschließungsantrag gegensteuern wollen – aus gutem Grund. Binnen eines Jahres stieg die Zahl der weltweit Hungernden von 690 Millionen auf 820 Millionen. Das verlangt den Ländern des Südens Unmenschliches ab. Für uns als Linksfraktion ist das eine Aufforderung zum Handeln. Erhöhen wir den Sockelbetrag des deutschen Beitrags für das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen auf 450 Millionen Euro – auf 450 Millionen Euro dauerhaft –, und kommen wir damit endlich unserem Versprechen näher, 0,2 Prozent des Bruttonationaleinkommens für die ärmsten Länder der Welt im Kampf gegen Hunger und extreme Armut auszugeben! Das muss es uns wert sein. Wir stehen auch noch vor weiteren Herausforderungen. Das Covid-19-Virus hat sich ausgebreitet. Mehr als 63 Millionen Menschen haben sich angesteckt, über 1,5 Millionen coronainfizierte Menschen sind bereits gestorben. Die ärmeren Länder des Südens haben am wenigsten Widerstandskraft dagegen. Sie brauchen Unterstützung; wir können ihnen diese Unterstützung geben. Es besteht die Chance auf einen wirksamen Impfstoff. „Und das natürlich aus Deutschland“, mögen die Abgeordneten der AfD frohlocken. „Mal wieder nicht nachgedacht“, sagen wir. Wir als Linksfraktion freuen uns nämlich über Ugur Sahin und Özlem Türeci. Das Ehepaar, das BioNTech gegründet hat, hat alles stehen und liegen lassen, um einen Impfstoff gegen das Covid-19-Virus zu entwickeln. Das haben sie jüngst vor der UN-Vollversammlung erklärt. In der Vielfalt der unterschiedlichen Talente liegt die wahre Innovationskraft. Die Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen hierhergekommen sind, tragen seit Langem dazu bei. Deutschland ist eben ein Einwanderungsland und muss es natürlich auch weiterhin bleiben. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, einen Impfstoff-Nationalismus darf es bei der Pandemiebekämpfung nicht geben; denn wie Minister Müller auch hier noch einmal richtig gesagt hat: Corona besiegen wir weltweit oder eben gar nicht. – In dem Fall wäre ich natürlich lieber für weltweit. „Global Solidarity“ statt „Germany first“! Vielen Dank. Der nächste Redner: für Bündnis 90/Grüne der Abgeordneter Ottmar von Holtz.
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Jan Korte DIE LINKE
Jan
Korte
DIE LINKE
Liebe Kollegin, bei den Aktuellen Stunden teilen nicht Sie zu, wer hier wann was machen darf, sondern das geht nach einem parlamentarischen Verfahren nach der Größe der Fraktionen. Ihre Rede hat ja gewisse Widersprüche. Also, wenn ich mir hier die Rednerinnen und Redner der Ampel so anhöre – das ist ja irgendwie so eine Start-up-Truppe –, will ich dazu folgende Anmerkung machen: Wenn Sie wirklich sagen, es sei egal, ob der Hauptausschuss 31 Mitglieder hat, der tage eh nur zweimal und sei nicht besonders wichtig, dann fällt Ihnen doch wohl auch kein Zacken aus der Krone, wenn Sie einfach 8 Mitglieder mehr vorsehen. Das ist ein absoluter Widerspruch, was Sie hier erzählen. Das ist ja wirklich kleinkariert sondergleichen. Ich möchte außerdem folgende Anmerkungen machen: Erstens. Liebe designierte Ampelkumpels, ich bin schon sehr überrascht, dass Sie so sicher sind, dass an Nikolaus oder was weiß ich, wann das stattfinden soll, hier ein neuer Bundeskanzler von Ihnen gewählt werden soll. Also, da bin ich mir nicht sicher. Ihr habt ja jetzt in der Presse zum Beispiel mitbekommen, dass Bündnis 90/Die Grünen gerade aufgefallen ist, dass sie noch gar nichts Vernünftiges durchgesetzt haben, sondern dass die FDP alles diktiert. Deswegen ist doch gar nicht sicher, dass Sie das schaffen. – Ja, das ist einfach Sachlage. Meine Fraktion sagt Folgendes: Wir halten den Hauptausschuss für ein durchaus diskussionswürdiges Instrument. Allerdings kann das nur eine kurze Übergangslösung sein. Wenn Sie bis Dezember nicht Ihre Koalition zusammengezimmert haben, dann müssen im Dezember sofort sämtliche Ausschüsse eingesetzt werden, um das hier in aller Klarheit einmal festzustellen. So muss das laufen. Ich möchte zum Zweiten anmerken: Wir sollten angesichts der Situation – vielleicht könnten wir das ja auch im Ältestenrat, Frau Präsidentin, mal ansprechen – darüber nachdenken, ob man sich jetzt nicht kurzfristig interfraktionell darauf verständigt, den Gesundheitsausschuss sofort einzusetzen. Ich glaube, das würde Sinn machen, auch als Zeichen an die Bevölkerung, dass wir hier nicht alle rumpennen wie die Bundesregierung. Zum Dritten möchte ich etwas zu dem Änderungsantrag der CDU/CSU sagen. Also, die Linke entscheidet hier grundsätzlich immer nach Sacherwägungen. – Wieso? Michael Grosse-Brömer, pass auf! – Ich kann sagen: Wir finden den Antrag in Ordnung. Wir werden dem auch zustimmen; denn er beinhaltet eine Sacherwägung. Ich will auch begründen, warum wir da ganz objektiv sind: Egal ob 31 Mitglieder oder 8 mehr oder sogar 10 mehr, die Linke hat immer 2. Deswegen sind wir davon gar nicht betroffen. Dennoch gucken wir uns das an. – Ja, ich will das hier klar sagen. – Ich finde in der Tat, dass die beiden demokratischen Oppositionsfraktionen – wir müssen noch ein bisschen lernen, wie man das so macht – sich hier in solchen Fragen unterstützen müssen. Ich finde, es ist wirklich kein Problem. Nur weil von Ihnen 200, 300 Leute in irgendwelchen Verhandlungsgruppen rumrennen, kann es ja nicht sein, dass dieses Parlament hier nicht vernünftig arbeiten kann. Deswegen finde ich es überhaupt kein Problem, wenn die CDU/CSU ein paar Leute mehr drin haben soll. Also, ich verstehe das überhaupt nicht. Deswegen: Auf eine konstruktiv-kritische Zusammenarbeit in der Opposition! Da könnt ihr noch viel von uns lernen.
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Dr.
Dr. Danyal Bayaz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Danyal
Bayaz
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Schönen guten Morgen, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es gerade gehört: Wir reden auch über ethische Aspekte in der KI; das war zu Recht Schwerpunktthema in der Enquete-Kommission. Ethik ist wichtig. Wenn eine neue Technologie aufkommt, dann wirkt ja manchmal die normative Kraft des Faktischen. Es ist eine Wette – diese Wette kann gut ausgehen; sie kann aber auch schlecht ausgehen –, und ich finde, wir sollten uns dieser Wette nicht einfach ausliefern. Nur wenn wir selbst gestalten, sind wir in der Lage, Normen zu setzen: Normen, an denen sich andere orientieren, vielleicht sogar orientieren müssen; Normen, die mit unseren Werten vereinbar sind. Wenn wir beispielsweise an China denken und die Entwicklungen dort für bedenklich halten, dann reicht es nicht, nur darüber zu klagen, dann reicht es nicht, die beste Ethik in der KI zu haben, sondern wir müssen auch selbst Technologie in die Umsetzung bringen. Deswegen können wir bei diesem Bericht nicht stehen bleiben. Wenn wir Champion in der Ethik der KI werden wollen – und ich finde, wir sollten das –, dann müssen wir auch Champion in der Anwendung von KI werden, meine Damen und Herren. Gerade weil wir selbst gestalten müssen, macht es mich manchmal stutzig, dass wir die grundlegenden Dinge irgendwie nicht hinbekommen. KI basiert auf Daten. Nur kann der beste Algorithmus kein gutes Ergebnis liefern, wenn die Daten nicht gut sind. Als Wirtschaftspolitiker merken wir gerade in dieser Pandemie, dass wir wirtschaftspolitische Entscheidungen teilweise im Blindflug treffen müssen. Daten über Insolvenzen zum Beispiel sind über sechs Monate alt. Die aktuellsten Steuerdaten reichen manchmal in das Jahr 2014 zurück, aber eigentlich bräuchten wir sie in Realtime, um die richtigen Entscheidungen zu treffen, zum Beispiel, um bei der jetzt drohenden Insolvenzwelle gegenzusteuern. Die Datenstrukturen in der öffentlichen Hand sind oft nicht einheitlich, nicht vollständig und nicht logisch miteinander verknüpft. Ich zitiere aus dem „Handelsblatt“ dieser Woche – die haben es auf den Punkt gebracht –: Wenn es um Erhebung, Aufbereitung und Weitergabe von Wirtschaftsdaten geht, ist Deutschland statistisches Entwicklungsland … Hier geht nicht nur viel Potenzial verloren, die richtigen politischen Entscheidungen zu treffen, hier geht auch viel Potenzial verloren, Innovationen in unseren Behörden nach vorne zu bringen. Wenn es eine Botschaft aus dieser Enquete-Kommission gibt, dann doch die, dass wir eine gute Datenstrategie für Umsetzung und für Innovation brauchen, meine Damen und Herren. Zu guter Letzt: Aufgrund der aktuellen Ereignisse – die Präsidentschaftswahlen in den USA sind nervenaufreibend – hoffen wir natürlich auf einen Neubeginn des transatlantischen Verhältnisses. Wir haben es heute ein paarmal gehört: Bei KI geht es um „made in Europe“, aber ich finde, wir sollten da nicht stehen bleiben. Ich höre manchmal aus der Debatte heraus, es gäbe jetzt eine Äquidistanz zwischen uns und China sowie zwischen uns und den USA. Ich teile diese Meinung explizit nicht. Trotz der schwierigen Lage in den USA teilen wir mit diesem Land gewisse Werte wie Demokratie, wie Menschenrechte. Deutsche Firmen waren beispielsweise schon an der Mondlandung der Amerikaner beteiligt. Ich finde, der nächste technologische Moonshot sollte auch in einer Zusammenarbeit stattfinden. Denken wir zum Beispiel an Spracherkennung, denken wir zum Beispiel an so etwas wie den Sieg gegen den Krebs, und zwar mithilfe von künstlicher Intelligenz. Deswegen sollten wir gezielt auf die Zusammenarbeit Europas mit den USA setzen, um KI nach unseren Werten zu gestalten. Ich finde, das können wir selbstbewusst machen; denn mit dem vorliegenden Bericht der KI-Enquete-Kommission haben wir eine richtig gute Grundlage geschaffen. Herzlichen Dank. Nächste Rednerin ist die Kollegin Elvan Korkmaz-Emre, SPD.
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Carsten Müller CDU/CSU
Carsten
Müller
CDU/CSU
Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren! Also, ehrlich gesagt: Bei einer Vierer-Präsenz – Entschuldigung, ich übertreibe ein bisschen; sie nimmt gerade um 50 Prozent ab –, bei einer Zweier-Präsenz sollten Sie Ihre Ausführungen zum eigenen Antrag vielleicht eine Nummer kleiner wählen. Weil nun eine Fraktion praktisch nicht mehr an der Beratung ihres Antrages teilnimmt, konzentriere ich mich im Folgenden auf den Vorschlag, den die Grünen eingebracht haben. Es fallen einige Dinge bei diesem Vorschlag zur Gesetzgebung auf, unter anderem, dass Sie auf geradezu atemberaubende Art und Weise Ihrer Tradition als Verbotspartei nachkommen. Wir haben es mal durchgezählt: Auf neun Seiten – Entwurf und Begründung – bringen Sie 53-mal das Wort „Verbot“. Das spricht, ehrlich gesagt, für sich und gegen Sie. Wir brauchen die Folgen des Rauchens nicht kleinzureden, erst recht nicht ich als sehr engagierter Nichtraucher. Aber wir müssen eines festhalten – ich will gleich auf einige Zahlen des Kollegen Thies eingehen –: Die Bundesregierung hat in der Vergangenheit eine Reihe von besonders erfolgreichen Aufklärungs- und Präventionskampagnen durchgeführt. Wir haben den Jugendschutz enorm verbessert. Wir haben das Tabakerzeugnisgesetz und die Tabakerzeugnisverordnung wirkungsvoll umgesetzt, und das wirkt sich ganz konkret aus. Ich möchte Ihnen die Zahlen noch mal nennen: Gerade bei den jungen Menschen, also bei Jugendlichen im Alter zwischen 12 und 17 Jahren, ist die Raucherquote seit 2001 von damals 27,5 Prozent auf 7,4 Prozent in 2016 zurückgegangen. Bei den 18- bis 25-Jährigen, also denjenigen, die schon über ein bisschen Geld, vielleicht aus Nebenjobs, verfügen, haben wir einen ebenfalls sehr bemerkenswerten Rückgang von 43,1 Prozent – abenteuerlich hoch – auf nunmehr 26,1 Prozent . Über alle Altersgruppen hinweg gab es einen Rückgang um 10 Prozentpunkte, von 34 Prozent auf nunmehr 24 Prozent der Bevölkerung, die noch rauchen. Das zeigt den Erfolg; das wollen wir nicht kleinreden. Ich bin der Auffassung, dass wir Eigentums- und Freiheitsrechte wahren müssen. Ehrlich gesagt, bin ich da sehr an der Seite von Volker Kauder; denn der Punkt ist – da werden Sie ordnungspolitisch kaum gegenhalten können –: Für legale Konsumprodukte muss geworben werden. – Es gehört eben auch zur Mündigkeit der Bürgerinnen und Bürger – das sagte die Eröffnungsrednerin –, dass man sich mit Werbung auseinandersetzt und dazu durchaus auch ein kritisches Verhältnis aufbaut. Wir wollen niemanden bevormunden. Wir wollen Lebensentwürfe nicht vorschreiben. Wir wollen verantwortliche, selbstorganisierte Bürger haben, und deswegen spricht alles gegen ein Außenwerbeverbot. Im Übrigen ginge Ihr Vorschlag, jedenfalls was die Außen- und Kinowerbung angeht, deutlich über die Vorgaben der europäischen Richtlinie 2014/40 hinaus. Wir wollen das alles nicht. Ich will es zur späten Stunde relativ kurzhalten: Der Deutsche Werberat hat Kinderregeln aufgestellt und hat auch testiert, dass die Selbstbeschränkung der Tabakindustrie gut funktioniert. Die Zahlen dazu habe ich Ihnen geliefert. Es ist ja nicht so, dass in diesem Land für Dinge, die den Menschen nicht guttun, nicht geworben werden dürfte. Wenn etwas anderes durchgesetzt werden würde – die etwas spitze Bemerkung gestatten Sie mir –, stünden Linke, Grüne und wahrscheinlich auch andere bei der nächsten Bundestagswahl ohne jede Wahlwerbung da, weil ihre Politik den Menschen nicht guttut. Meine Damen und Herren, ich will mit einer schlichten und ergreifenden Feststellung schließen. Kluge Menschen sagen regelmäßig: Wenn es nicht nötig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es nötig, kein Gesetz zu machen. – So handhaben wir es mit Ihren Anträgen. Sie finden keine Zustimmung. Ich wünsche Ihnen einen erfolgreichen Morgen. Herr Kollege Müller, ich bedanke mich bei Ihnen und möchte feststellen, dass sich Ihre Bemerkung zur Präsenz, da wir zwei Antragsteller haben, auf die Fraktion Die Linke bezogen haben muss. – Ja, aber wir haben zwei Antragsteller. Wir haben auch Bündnis 90/Die Grünen, und die sind deutlich präsenter im Saal vertreten als die Fraktion Die Linke. Ich schließe damit die Aussprache. Tagesordnungspunkt 19 a. Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 19/1878 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Die Federführung ist jedoch strittig. Die Fraktionen der CDU/CSU und der SPD, die über die Mehrheit im Haus verfügen, wünschen Federführung beim Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wünscht Federführung beim Ausschuss für Gesundheit. Ich lasse zuerst abstimmen über den Überweisungsvorschlag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Federführung beim Ausschuss für Gesundheit. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Dann ist dieser Überweisungsvorschlag gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und den Linken mit den Stimmen von SPD, CDU/CSU, FDP und AfD abgelehnt. Ich lasse nun abstimmen über den Überweisungsvorschlag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD, Federführung beim Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Wer stimmt dagegen? – Das ist mit dem gleichen Mehrheitsverhältnis entschieden worden. Der Überweisungsvorschlag ist somit angenommen. Tagesordnungspunkt 19 b. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 19/2539 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Die Federführung ist jedoch strittig. Die Fraktionen der CDU/CSU und der SPD wünschen Federführung beim Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft. Die Fraktion Die Linke wünscht Federführung beim Ausschuss für Gesundheit. Ich lasse zuerst abstimmen über den Überweisungsvorschlag der Fraktion Die Linke, Federführung beim Ausschuss für Gesundheit. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Damit ist der Überweisungsvorschlag gegen die Stimmen von Linken und Bündnis 90/Die Grünen mit den Stimmen der restlichen Fraktionen dieses Hauses abgelehnt. Ich lasse nun abstimmen über den Überweisungsvorschlag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD, Federführung beim Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Keine. Dann ist dieser Überweisungsvorschlag mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD, AfD und FDP gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und den Linken angenommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am Schluss unserer gestrigen und heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf heute, Freitag, den 8. Juni 2018, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen noch eine gute Nacht. (Schluss: 1.43 Uhr)
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Tina Winklmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Tina
Winklmann
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete, Bürgerinnen und Bürger, Sportbegeisterte! Als Allererstes: „Fortbildung und Ausbildung“ bedeutet immer Zukunft, und zwar in allen Gesellschaftsbereichen. Es freut mich, dass die Union in Bewegung kommt und sich so sehr über den anstehenden Bewegungsgipfel freut. Ihre Freude drückt sie heute dadurch aus, dass sie diesen Antrag stellt, mit dem sie der Ampelkoalition, der Zukunftskoalition, auch noch zu später Stunde ein Lob ausspricht. Danke schön! Ich habe nachgezählt: 20 Einzelforderungen sollen vor, bei und nach dem Bewegungsgipfel umgesetzt werden. Ihr Antrag liest sich, als hätten Sie aufgrund der verpassten Gelegenheiten in den letzten 16 Jahren, als Sie den Sportminister gestellt haben, ein schlechtes Gewissen. Jetzt passiert endlich was. Nicht ein Ruck, sondern eine stetige Bewegung soll durch diesen Gipfel ausgelöst werden. Damit es eine echte Wirkung gibt, wird der Bewegungsgipfel ressortübergreifend organisiert; denn wir wollen alle ansprechen und alle mitnehmen. Um noch einmal auf Ihre Punkte zurückzukommen: Defizite bei Schwimmbädern, Sportstätten, Konzepte für Menschen mit Handicap, eine Studie zu Defiziten im Vereins- und Schulsport usw.: Das alles sind wichtige und relevante Themen, die leider liegen geblieben sind – so, wie alte Turnhallen einen leichten Muff haben, wenn man sich lange nicht um sie gekümmert hat. Die Menschen in diesem Land wollen diesen Muff nicht mehr, sie wollen Veränderung und die Möglichkeit, sich zu bewegen. Wir gehen hier Hand in Hand mit den Bürgerinnen und Bürgern. In Ihrem Antrag finden wir „Erarbeitung von Lösungsansätzen“ und „alle öffentlichen Stellen auf allen staatlichen Ebenen“ einbinden. Liebe Union, so wird es nichts; das klingt ein bisschen nach „Hätte, hätte, Fahrradkette“. Machen, tun und umsetzen, nicht lange arbeiten oder ewig diskutieren! Die Pandemie hat wahnsinnig viel kaputt gemacht. Im Nachwuchsbereich werden ein Mangel an Trainerinnen und Trainern und ein Mitgliederrückgang der Vereine beklagt. Und: Ja, die Gesundheit der Menschen leidet. Das Programm „ReStart – Sport bewegt Deutschland“ war der Aufschlag, auch für den Breitensport. Die Ampel denkt den Breitensport nicht nur mit, wir binden ihn ein; denn ohne Breite keine Spitze. Auch die Länder sind gefordert. Sport- und Schwimmunterricht sind wichtig für die Entwicklung unserer Kinder. Deshalb gehen wir das gemeinsam mit den Sportministerinnen und Sportministern der Länder an. Aber was ich Ihrem Antrag auch entnehmen kann, ist Klischeedenken. Sie werfen den Konsum von Medien und Bewegungsmangel in einen Topf, rühren um, und es kommt die Stubenhockerin oder der Stubenhocker heraus. Wenn junge Menschen „Stranger Things“ gucken oder „Fortnite“ spielen, ist das kein Automatismus für weniger Bewegung. Sie bewegen sich draußen, treffen sich zum Sport mit Freunden auf dem Bolzplatz oder im Fitnessstudio, und das kurbeln wir weiter an. Hier arbeiten wir wirklich an sehr guten Konzepten. Wir haben auch nicht im Fernsehsessel gehockt und gewartet, bis die „Lindenstraße“ kam, und sind auch nicht am Sonntag den ganzen Tag im Bett geblieben, bis der „Tatort“ lief. Also: Nicht in Klischees denken, sondern ran die Realität! Liebe Unionsfraktion, Ihr Antrag ist ein buntes Potpourri aus Forderungen, aber ohne Relevanz; denn die Ministerin hat den Bewegungsgipfel, wie Sie selbst gesagt haben, angekündigt, weil die Gespräche hier schon sehr intensiv laufen – und das eben ressortübergreifend. Sie wissen, dass der Gipfel kommt, und er ist Chefinnensache. Also, sorgen Sie sich nicht! Wir gehen den Sanierungsstau bei den Schwimmbädern an, kümmern uns um die Gleichstellung, um die Inklusion und bringen gemeinsam viele Akteurinnen und Akteure im Land buchstäblich wieder in Bewegung. Sie sind eingeladen, mitzumachen; dafür brauchen wir aber nicht diesen Antrag. Vielen lieben Dank. Als Nächstes folgt Jörn König für die AfD-Fraktion.
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Peter Heidt FDP
Peter
Heidt
FDP
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mein Kollege Matthias Seestern-Pauly hat bereits auf einige Probleme hingewiesen, die dieses zentrale Vorhaben mit sich bringt. Für viele berufstätige Eltern in Deutschland bricht das oft sehr mühsam austarierte System von Kinderbetreuung und Beruf zusammen, sobald das Kind in die Grundschule kommt. Der Unterricht endet meistens bereits mittags, und so werden die Eltern vor das Problem gestellt, wer dann die Betreuung des Kindes übernimmt. Insbesondere Alleinerziehende stellt diese Situation vor eine echte Herausforderung. Für die Kinder bedeutet dieses Problem möglicherweise einen Bruch in der frühkindlichen Bildung. Vorwiegend alleinerziehende Mütter müssen von einer Vollzeitstelle in Teilzeit wechseln und geraten damit in ein Armutsrisiko. Zur Verbesserung des Übergangs von frühkindlicher Bildung zur Grundschule müssen bedarfsgerecht qualitativ hochwertige Ganztagsangebote für Kinder im Grundschulalter entstehen. Durch Ganztagsangebote wird die Vereinbarkeit von Familie und Beruf endlich auch nach der Einschulung des Kindes umgesetzt. Hier gibt es keine Pflicht, sondern das ist ein Angebot, liebe AfD. Das müsst ihr endlich mal verstehen! Darüber hinaus sollte nach Ansicht der FDP der reine Betreuungsauftrag durch einen Bildungsauftrag ersetzt werden, sodass Kinder auch nach dem regulären Unterricht gefördert werden. Sympathien, liebe Grüne, hegen wir als FDP natürlich für die Forderung nach einer Aufhebung des Kooperationsverbotes. Dies fordern wir schon lange. So vernünftig es ist, dass Bund und Länder im Bereich der Hochschulen zusammenarbeiten, so absurd ist es, dass diese Zusammenarbeit im Schulbereich weiter verboten bleiben soll. Wer wie die FDP weltbeste Bildung für alle will, braucht ein Kooperationsgebot, damit Bund und Länder in zentralen Fragen zusammenarbeiten können. Ich besuche derzeit sehr viele Schulen, und was ich dort sehe, ist mitunter wirklich schrecklich: Gerade im Schulbereich gibt es einen massiven Investitionsstau, und auch die Digitalisierung der Schulen geschieht viel zu langsam. Der Digitalpakt muss jetzt radikal entbürokratisiert werden, damit das zur Verfügung gestellte Geld endlich fließen kann. Als Bad Nauheimer Stadtverordneter weiß ich sehr genau, wie teuer gute Betreuung ist. Die Kommunen können diese Aufgabe nicht alleine stemmen. Dafür fehlt ihnen einfach das Geld; das muss man zur Kenntnis nehmen. Um den Bedarf zu decken, müssen nach einer Studie der Bertelsmann-Stiftung mindestens 1,1 Millionen Ganztagsplätze zusätzlich geschaffen werden, was jährlich 4,5 Milliarden Euro Personalkosten verursacht. Die Freien Demokraten teilen insoweit die Bedenken bezüglich der tatsächlichen Umsetzung des Vorhabens. Aber, liebe Grünen, in Ihrem Antrag erweitern Sie die Pläne der Regierung noch. Ihr Antrag mutet an wie ein Wunschkonzert. Da ist bereits im Vorwort die Rede von modernen Toiletten, vielfältigen Freizeitangeboten, gutem Essen, mindestens neun Stunden Betreuung usw. Das sind alles schöne Forderungen – keine Frage-, aber die eigentliche Stoßrichtung, nämlich der dringend erforderliche bedarfsgerechte Ausbau von Ganztagsschulen, geht dabei völlig verloren. Die Antwort auf die Frage, woher Sie die Erzieherinnen und Erzieher sowie das Geld nehmen wollen, geben Sie nicht. Die Freien Demokraten sind für ein realistisches Konzept, damit im Jahr 2025 der Rechtsanspruch auf Ganztagsbildung auch tatsächlich verwirklicht werden kann. Allein darauf sollten wir uns konzentrieren. Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist für die Fraktion der SPD die Kollegin Marja-Liisa Völlers.
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Dr. Nina Scheer SPD
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte kurz einen Passus aus dem Gesetzentwurf vorlesen: Die Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen sollen darauf vertrauen können, – Herr Middelberg, ich bitte Sie, kurz zuzuhören – dass der Abwehrschirm mit ausreichenden finanziellen Ressourcen ausgestattet ist. Dieses Vertrauen wollen Sie den Bürgerinnen und Bürgern offenbar nicht geben, weil Sie gerade grundsätzlich abgelehnt haben, diesem Programm zuzustimmen. Offenbar sehen Sie nicht ein, dass dieses Volumen erforderlich ist, um genau dieses Vertrauen zu geben. Ich finde es in höchstem Maße irritierend, dass Sie den Bürgerinnen und Bürgern in diesen Zeiten ein solches Vertrauen nicht geben wollen. Das möchte ich hier mal festhalten. Die CDU/CSU ist dazu nicht bereit. Genau beim Vertrauen setzt dieses Gesetz an. Wir brauchen dieses Gesetz, um den Wirtschaftsstabilisierungsfonds mit 200 Milliarden Euro auszustatten und damit zu ermöglichen, dass Hilfen durch auszugestaltende Programme auch wirklich umgesetzt werden. Insofern ist es auch falsch, wie es vom rechten Rand im Parlament hier unterstellt wird, dass hier quasi eine Selbstentmachtung des Parlaments stattfindet. Nein, das ist nicht so. Die Zurverfügungstellung dieser 200 Milliarden Euro erfolgt auf grundgesetzlich fundierter Basis. Wir alle wissen nicht, wie schnell wir uns von den Abhängigkeiten von Russland befreien können, auch wenn wir da auf einem guten Weg sind. Wir wissen nicht, wie weit die Krise, die auf dem fossilen Energiemarkt entstanden ist, auch weiterhin finanzielle Unterstützung erfordert. Genau da setzen wir verantwortungsbewusst an. Wir wollen Vertrauen in die Handlungsfähigkeit stabilisieren. Deswegen ist es erforderlich, dass wir den Wirtschaftsstabilisierungsfonds entsprechend ausstatten, und man kann nur an alle appellieren, das nicht infrage zu stellen. Damit sind Sie nur Nährbodenbereiter für Angst, und Angst ist genau das, was ausgenutzt wird, um unsere parlamentarische Demokratie auszuhöhlen. Wenn Sie diese Angst weiter schüren, statt sie einzugrenzen, begeben Sie sich in sehr schlechte Gesellschaft. Wir sind in einer ernsten Situation, die verlangt, dass wir auch einmal über den Teich blicken und schauen, was andere Staaten und Kontinente machen. In den USA gibt es zum Beispiel den Inflation Reduction Act. Mit diesem wird auf die Inflation reagiert. Es wird auf die Krise reagiert. Es wird darauf reagiert, dass wir eine Klimakrise haben, und es wird massiv investiert. Wenn wir nicht aufpassen, dann kann diese sinnvolle Maßnahme, die die USA ergreifen, dazu führen, dass wir in Europa – durch die steigende Inflation aufgrund der fossilen Energiepreiskrise – verstärkt Schwierigkeiten bekommen, auch im Hinblick auf Investitionen in erneuerbare Energien, im Hinblick auf den Transformationsprozess, in dem wir uns befinden. Deswegen ist es dringend nötig, dass wir weitere Stabilisierungsmaßnahmen – wir haben ja schon gehandelt – auf den Weg bringen, die kräftig genug sind, um die fortschreitende Inflation einzudämmen. Man muss bei den Energiepreisen in Form von Gas- und Strompreisbremse ansetzen, damit die Inflation gestoppt wird, damit wieder investiert werden kann, damit auch massiv in die Transformation investiert werden kann. Sonst droht uns tatsächlich Abwanderung in Länder, die jetzt Booster einsetzen, um den Transformationsprozess zu beschleunigen. Wir müssen mit den Bemühungen, die an anderer Stelle stattfinden, gleichauf bleiben, damit wir in Deutschland und Europa wirtschaftlich nicht benachteiligt sind. Deutschland ist ein hochtechnologisiertes Land, eine Industrienation. Wir wollen das bleiben – mit Europa und in Europa. Das heißt: Wir brauchen im Transformationsprozess massive Investitionen in erneuerbare Energien. Wenn Sie vonseiten der Union immer wieder versuchen, der Bevölkerung Sand in die Augen zu streuen, indem Sie sagen, dass Atomenergie die Lösung sei, dann möchte ich erklärtermaßen dagegensetzen, dass die drei verbleibenden Atomkraftwerke – und nur die beiden im Süden Deutschlands hat der Stresstest identifiziert – einen minimalen Beitrag zur Verhinderung des allergrößten Worst Case leisten könnten. Wir haben gerade erst vor zwei Wochen im Deutschen Bundestag einen Erneuerbare-Energien-Booster beschlossen, der übrigens noch nicht vom Stresstest berücksichtigt werden konnte. Wir haben eine verstärkte Auslastung von Bioenergie, die Ausweitung der Nutzung von Windenergie und Photovoltaik sowie Repowering und dergleichen beschlossen. Insofern: Versuchen Sie nicht, hier Nebelkerzen zu werfen. Die Energiewende ist der Weg, um diese Krise zu bewältigen. Und hierfür brauchen wir den Wirtschaftsstabilisierungsfonds. Die Fragezeichen, die Sie hier setzen, führen zu Destabilisierung und sind nichts anderes als Angstmacherei. Das ist unverantwortlich. Vielen Dank. Nächster Redner: für die CDU/CSU Fraktion Florian Oßner.
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Thomas Erndl CDU/CSU
Thomas
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CDU/CSU
Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Niemand hier macht es sich leicht mit der Entscheidung für die Verlängerung unserer Beteiligung an MINUSMA, besonders wenn uns Tag für Tag Meldungen über die Sicherheitslage in Mali erreichen, die zunehmend schlechter wird. Der Friedensprozess kommt nicht voran, und in Mali ist man weit entfernt von einem stabilen Staatsgefüge. In dieser schwierigen Zeit haben wir über die Verlängerung des Einsatzes unserer Soldaten in der Mission MINUSMA zu entscheiden, an der wir seit fünf Jahren beteiligt sind. Meine Damen und Herren, da hier immer Vergleiche zwischen Mali und Afghanistan angestellt werden, lassen Sie mich einmal Folgendes sagen: Ich denke, der größte Fehler in Afghanistan war, dass die Kräfte, die der Westen, die die Amerikaner, die wir vor Ort hatten, zu früh abgezogen, zu früh verringert worden sind. Das ist doch das Kernproblem, das wir in Afghanistan haben. Unsere Soldaten sind nicht in einem sinnlosen Einsatz. Vielmehr sorgen sie dafür, dass die Waffenruhe eingehalten wird, dass überhaupt ein sicheres Umfeld für humanitäre Hilfe entsteht, dass das Friedensabkommen weiter umgesetzt wird, so schwierig die Situation auch ist – das ist uns allen ja bekannt –, und dass zwischen den Konfliktparteien Vertrauen entsteht und Zivilpersonen geschützt werden. Frau Buchholz, ich habe Ihrer Rede keinen einzigen konstruktiven Vorschlag entnehmen können, wie denn staatliche Strukturen ohne grundlegende Sicherheit zu schaffen sind. Grundlegende Sicherheit kann nur mit Unterstützung von außen, in diesem Fall mithilfe von MINUSMA, gewährleistet werden. Wir müssen festhalten, dass dies die gefährlichste Auslandsmission unserer Soldatinnen und Soldaten ist. Es ist bereits angesprochen worden: Der jüngste Angriff auf den UN-Stützpunkt in Timbuktu, bei dem sich die Angreifer als Blauhelmsoldaten verkleidet haben und letztendlich auch ein Blauhelmsoldat sein Leben lassen musste, war besonders perfide. Ich könnte weitere aufzählen. Die Unruhen Anfang März in Gao wurden angesprochen, wo es die Bundeswehr war, wo es unsere Soldaten waren, die maßgeblich zur Beruhigung der Situation beitrugen und maßgeblich dazu beitrugen, dass sich die Menschen in Gao heute nicht im Gebiet islamistischer Terroristen befinden. Das deutsche Kontingent hat hier einen hervorragenden Einsatz und Handlungsfähigkeit bewiesen. Meine Kolleginnen und Kollegen, uns ist bewusst, wie gefährlich dieser Einsatz ist. Soldatinnen und Soldaten, Aufklärer aus meinem Wahlkreis waren im letzten Kontingent mit dabei und haben mir eindrucksvoll die Situation geschildert. Ich darf deshalb allen unseren Soldatinnen und Soldaten für die hervorragende Arbeit, die hier unter schwierigsten Bedingungen geleistet wird, danken und natürlich auch allen anderen, die im Rahmen unseres vernetzten Sicherheitsansatzes hier ihren Dienst tun. Meine Kolleginnen und Kollegen, das Schicksal Malis, die Entwicklung Afrikas insgesamt betreffen uns. Wenn die jungen Menschen dort – das Durchschnittsalter in Mali liegt bei weit unter 20 Jahren – keine Perspektiven haben, dann werden wir in Europa nicht in Sicherheit und Freiheit leben können. Diesen Zusammenhang, Kolleginnen und Kollegen der AfD, müssen Sie endlich einmal zur Kenntnis nehmen. Mali spielt eine Schlüsselrolle für Stabilität und Entwicklung in der gesamten Sahelregion. Das können wir im Rahmen unserer verantwortlichen Außen- und Sicherheitspolitik nicht außer Acht lassen. Die Stabilisierung Malis ist deshalb ein Schwerpunkt unseres Engagements in der Sahelregion und ein wichtiges Ziel der Afrika-Politik unserer Bundesregierung. Wir sind ja nicht nur militärisch engagiert, sondern auch im Bereich der wirtschaftlichen Zusammenarbeit im Rahmen unseres vernetzten Sicherheitsansatzes. Wir beteiligen uns an MINUSMA, weil es eine wichtige Mission in einer schwierigen Region ist. Ich bitte Sie deshalb um Zustimmung zur Verlängerung. Vielen Dank. Liebe Kollegen und Kolleginnen, ich bitte Sie, die Gespräche einzustellen oder sie, wenn sie notwendig sind, draußen vor der Tür zu führen. Wir haben noch zwei Rednerinnen, die ich jetzt aufrufe, zunächst Dr. Bärbel Kofler für die SPD.
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Dagmar Ziegler SPD
Dagmar
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank für Ihre Stimmen. – Ich möchte das, was zu diesem Antrag zu sagen ist, in drei Worte bzw. Sätze fassen: zu früh, der Nutzen nicht nachgewiesen und ein wenig Geschmäckle. – Gerade das sollten wir in unserem Haus verhindern. Wir beraten heute in abschließender Lesung einen Antrag, der vordergründig die Schaffung einer Europäischen Bank für nachhaltige Entwicklung und internationalen Klimaschutz für unabdingbar erklärt; das ist so weit gut und richtig. Es ist eine umfassende institutionelle Reform der europäischen Entwicklungsfinanzarchitektur gewollt; auch dem kann man nichts entgegensetzen. Das sollte dann unter dem Dach der Europäischen Investitionsbank geschehen. Und diese Reform bräuchte, so steht da, weder langwierige Verhandlungen noch Änderungen der Verträge der Europäischen Union. Und weiter heißt es: eine „AKP-Investitionsfazilität, unabhängig von der Budgetierung des Europäischen Entwicklungsfonds, im Rahmen des kommenden Mehrjährigen Finanzrahmens fortgeführt“. Und man darf raten, durch wen: Unter dem Dach der EIB. Das klingt erst einmal gut. Wir haben im Ausschuss darüber beraten, dass Optimierungen von Finanzstrukturen gut und richtig sind. Es ist nur der falsche Zeitpunkt. Herr Hoyer, der ehemalige FDP-Bundestagsabgeordnete und der heutige Präsident der EIB, war im Ausschuss und hat die Vorteile, die eintreten würden, wenn er über diese Finanzierungen herrschen würde, deutlich gemacht. Er hat auch gesagt, dass es richtig ist, wenn er eine Tochtergesellschaft hat, unter der das laufen soll. Wir haben aber noch keine Gegenmeinung im Ausschuss hören dürfen. Wir warten darauf, dass auch andere, die im Januar zu uns in den Ausschuss kommen, die Finanzstruktur, die sie sich vorstellen, bei uns diskutieren können. Es wurde schon gesagt: Der Diskussionsprozess zum weiteren Verfahren nach dem Ende des jetzigen mehrjährigen Finanzrahmens ist zwar schon sehr weit fortgeschritten, aber es besteht noch keine Einigung der EU-Mitgliedstaaten. Deshalb ist auch eine Positionierung hier und heute überhaupt nicht richtig, da wir ja in der EU-Präsidentschaft nicht vorgreifen wollen, sondern als – in Anführungsstriche – ehrliche Makler den Prozess nicht unterlaufen und die Konsensbildung in der Ratsarbeitsgruppe nicht erschweren wollen. In Gesprächen mit dem Europäischen Parlament über den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen bilden ihre Mittelrückflüsse eine wichtige Verhandlungsmasse. Auch deshalb sollten wir im Moment keine weitere politische Diskussion über deren Verwendung aufmachen. Unser Bundesminister hat sich im September 2020 im Europäischen Parlament und bei der EU-Entwicklungsministerkonferenz für den Erhalt der bisherigen Strukturen ausgesprochen. Es ist also im Kern die Frage: Brauchen wir eine eigene Entwicklungsbank der EU, ja oder nein? Wir haben im Moment das bestehende System des Zusammenwirkens von europäischen, multilateralen und nationalen Finanzeinrichtungen, und wir sagen: Sie entsprechen den Anforderungen. Natürlich brauchen wir Optimierungen, wie so immer, und vor allen Dingen mehr Möglichkeiten in der parlamentarischen Kontrolle; denn transparent sind sie fast alle nicht. Das System wird geführt unter dem Namen „Team Europe Approach“. Es leistet zumindest sehr gute Arbeit bei der Überwindung der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie und hat eben auch deshalb eine eindeutige Präferenz der EU-Kommission. Im Gegensatz zu den Befürwortern einer europäischen Entwicklungsbank mit Monopolstellung, wie das zum Beispiel Herr Hoyer möchte, hatten eben auch Fürsprecher des „Teams Europe Approach“ bislang überhaupt keine Gelegenheit, mit uns im Fachausschuss darüber zu diskutieren. Das müssen wir Anfang des nächsten Jahres unbedingt nachholen. Wir brauchen das für das Gesamtbild, um auch unser Meinungsbild abzurunden. Wenn Anfang nächsten Jahres der Zwischenbericht über die Machbarkeitsstudie zur europäischen Finanzstruktur diskutiert wird, haben wir dazu auch die Gelegenheit. Fazit: Aus den Mitteln der auslaufenden AKP-Investitionsfazilität in Höhe von 3,5 Milliarden Euro sind der humanitären Hilfe bereits 1 Milliarde Euro zugesagt worden. Wir werden uns natürlich im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft dafür einsetzen, dass auch die übrigen circa 2,5 Milliarden Euro der Entwicklungszusammenarbeit zugutekommen. Auch vor dem Hintergrund der jüngsten Gespräche der Bundeskanzlerin mit der WHO und mit GAVI müssen wir darauf Wert legen, dass gerade die Verteilung des Covid-19-Impfstoffes gerecht vonstattengeht. Vor allen Dingen gibt es dafür, wie wir im Ausschuss gehört haben, noch nicht einmal richtige Pläne. Unser vorrangiges Ziel sollte im Moment sein, Covid-19 zu bekämpfen und die ärmsten der armen Länder dabei zu unterstützen. Das ist die Priorität in der Diskussion. Das Aufsetzen einer weiteren europäischen Finanzstruktur, von deren Nutzen wir im Moment gar nicht überzeugt sein können, weil uns die Fakten nicht vollständig vorliegen – wir wissen nicht, ob sie effizienter arbeiten wird als die derzeitige Finanzstruktur –, macht also keinen Sinn. Der Sinn der von Ihnen beantragten namentlichen Abstimmung dazu erschließt sich uns – ohne Unterstellungen – ebenfalls nicht. Vielen Dank. Vielen Dank, Frau Vizepräsidentin. – Nächster Redner ist der Kollege Olaf in der Beek, FDP-Fraktion.
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Dr.
Dr. Stefan Ruppert FDP
Stefan
Ruppert
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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich finde, es ist immer gut, einmal zu betonen, dass man einvernehmliche Debatten, kritische Fragen, Antworten des Ministeriums, ein Ringen von Demokraten um beste Lösungen bei den Haushaltsberatungen und den Einzelplangesprächen gesehen hat. Ich danke allen meinen Kollegen dafür und auch der Ministerin, die uns regelmäßig gut informiert hat. Die Beratungen sind in einer Atmosphäre abgelaufen, die man sich unter Demokraten eigentlich nur wünschen kann. Ich will aber gleich auch einige kritische Punkte benennen. Vor über einem halben Jahr kündigte Kanzlerin Merkel an, sie werde beim § 219a dafür sorgen, dass es einen ordentlichen Vorschlag, eine sachgerechte Lösung gibt. Aus der SPD war wiederholt zu hören, man gedulde sich bis Ende Oktober, spätestens dann werde man zu Ergebnissen kommen. Das Jahr hat man leider nicht gesagt. Aber wir haben es schon gedeutet als Oktober des Jahres 2018. Nach wie vor werden in Deutschland Ärztinnen und Ärzte verurteilt und leiden Frauen darunter, dass sie keine Informationen über Schwangerschaftsabbrüche bekommen, und das nur, weil sich die CDU/CSU und die SPD in dieser wichtigen Frage nicht einigen können. Ich finde, das ist ausgesprochen kritikwürdig und muss bald ein Ende haben. Es reicht eben nicht, immer nur den Mund zu spitzen. Liebe SPD, man macht sich allseits Sorgen um euch. Seit Stefan Zweig wissen wir, dass Mitleid auch eine Form der Missachtung ist. Es geht also nicht um Mitleid, sondern darum, Sie von der SPD aufzufordern, dass Sie endlich etwas mehr Profil zeigen und Ihren Forderungen und Ankündigungen auch Konsequenzen folgen lassen. Insofern ermuntere ich Sie, sich da durchzusetzen. Wir wären für einen Kompromiss zu haben gewesen. Wir haben einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt; vielleicht ist der tauglich für Ihre Beratungen. Der zweite Punkt: Die Debatte über Vorratsdatenspeicherung in Deutschland wird sehr polarisiert geführt. Es gibt Menschen, die sagen, ohne dieses wichtige Instrument könne man die Sicherheit in Deutschland nicht gewährleisten. Seit nunmehr eineinhalb Jahren hören wir von dieser Koalition, wie es schon bei der Vorgängerkoalition der Fall war, dazu nichts, aber auch gar nichts. Das Instrument ist ausgesetzt. Sie warten auf eine Entscheidung aus Karlsruhe. Schaffen Sie es endlich ab, Menschen ohne Anlass in Deutschland zu beschnüffeln, und wenden Sie sich gegen dieses Instrument. Auch das ist eine Forderung an die Bundesjustizministerin, die wir mittragen würden. Ein wichtiges Anliegen ist uns auch die Entschädigung von Homosexuellen nach § 175 StGB. Hier gibt es einen atmosphärischen Punkt, der mich gestört hat – Sie kennen vielleicht nicht den genauen Hintergrund –: Von den 7 Millionen Euro, die dafür in dem Haushalt vorgesehen sind, ist es leider nur zu einem Abruf von 181 000 Euro gekommen. Der Kreis der Berechtigten ist eng gefasst, die Antragstellung ist kompliziert. Anträge werden anscheinend also nicht gestellt. Unser politisches Anliegen als Freie Demokraten war und ist es, den Kreis der Betroffenen, die einen Antrag stellen können, zu erweitern, indem wir die Antragstellung auf Entschädigung erleichtern. Wir wollten bewusst dafür sorgen, dass die Menschen, die unter diesem Unrecht gelitten haben, auch Entschädigungen bekommen. Aber es gehört eben zum Haushaltsrecht, dass man einen Titel, aus dem über Jahre Summen nicht abgerufen werden, an den Bedarf anpasst. Wir müssen also nach Lösungen suchen, um mehr Menschen, nicht nur die verurteilten, sondern auch die verfolgten, zu entschädigen. Uns daraus einen Strick zu drehen seitens eines Abgeordneten der Grünen – er beehrt diese Plenardebatte nicht einmal mit seiner Anwesenheit –, wir wollten hier in irgendeiner Form Menschen einschränken oder diese Entschädigung beschränken, halte ich schlicht für unkollegial. Nein, § 175 StGB ist Unrecht, und die Menschen, die darunter gelitten haben, müssen entschädigt werden. Das will ich hier ganz klar sagen. Bedauerlich ist, dass beim Forum Recht die gemeinsame Initiative, die wir als Parlament gestartet haben, ins Stocken gekommen ist. Wir hatten hierzu vor einigen Monaten euphorische Gespräche, wir hatten die Hoffnung, dass wir schon den Bau auf den Weg bringen können, dass uns ein Entschließungsantrag ein Stiftungsgesetz für die Errichtung einer Stiftung öffentlichen Rechts bringt, um zeigen zu können, wie wichtig uns der Rechtsstaat in Deutschland ist, indem auf dem Gelände des Bundesgerichtshofs erfahrbar wird, dass wir für Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Menschenrechte, für ein unteilbares gesamtes Handeln stehen. Leider kommen wir hier nur mit Trippelschritten voran. Ich würde mir wünschen, dass es etwas schneller geht. Am 6. Dezember sind die nächsten Beratungen dazu in Karlsruhe. Wir sollten dafür sorgen, dass dieses Vorhaben an Fahrt aufnimmt, dazu ein Gesetz beschließen und dieses wichtige Vorhaben endlich voranbringen. Man sieht, dass der Entschließungsantrag, der zu sehr auf Ministerien statt auf Parlamente zielt, hier leider Sand ins Getriebe gebracht hat. Das ist ausgesprochen bedauerlich. Mein letzter Punkt betrifft den Pakt für den Rechtsstaat. Es reicht nicht aus, zwei neue Senate am Bundesgerichtshof, jeweils einen in Karlsruhe und Leipzig, zu gründen. Die Große Koalition hat mit Recht ein Vorhaben auf den Weg bringen wollen, um zu mehr Entlastung unserer Gerichte in Deutschland zu kommen. Jetzt war zu lesen, dass die Justizminister der Länder ausgesprochen kritisch argumentiert haben – es stand 16 : 0 gegen Barley –, man bekomme hier seitens der Großen Koalition nichts hin. Ich glaube, die Wahrheit liegt in der Mitte. Auch die Länder müssten Verantwortung übernehmen und mehr zur richtigen Ausstattung der Gerichte beitragen. In der Tat ist es uns als Freie Demokraten ein wichtiges Anliegen, dass man sich auf das Rechtssetzungsmonopol des Staates und die Durchsetzung geltenden Rechts verlassen kann und man nicht den Eindruck bekommt, dass das Recht der Macht oder der fehlenden Ausstattung weichen müsse. Nein, die Durchsetzung geltenden Rechts ist eine der vornehmsten Aufgaben dieses Staates. Vielen Dank. Vielen Dank, Herr Kollege Ruppert. – Der nächste Redner: Kollege Markus Uhl, CDU/CSU-Fraktion.
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Sonja Amalie Steffen SPD
Sonja Amalie
Steffen
SPD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste! Herr Münz, ich habe eigentlich schon darauf gewartet, dass Sie das Thema Gendern ansprechen. Ich empfehle Ihnen eine Fortbildung in dem Bereich, damit Sie sich unter dem Begriff vielleicht ein bisschen mehr vorstellen können. Und lauschen Sie meiner Rede! Vielleicht können Sie dann auch in dem Zusammenhang noch etwas lernen. Meine Damen und Herren, wir stellen im Haushalt 2018 einen Rekordetat für die Entwicklungszusammenarbeit auf: über 9,4 Milliarden Euro. Damit steigern wir die Ausgaben gegenüber dem Vorjahr um 900 Millionen Euro. Das sind satte 10 Prozent. Insgesamt wachsen die Ausgaben des Bundeshaushaltes übrigens nur um 3,1 Prozent. Daran sieht man, wie stark der Etat der Entwicklungszusammenarbeit gestiegen ist. Der erste vierjährige Finanzplan von 2014 sah für 2018 noch Ausgaben in dem Bereich in Höhe von knapp 6,7 Milliarden Euro vor. Inzwischen sind es 2,7 Milliarden Euro mehr geworden. Das hat mit Sicherheit auch damit zu tun, dass in den letzten Jahren viel mehr Flüchtlinge weltweit unterwegs waren und auch bei uns in Deutschland viele Flüchtlinge angekommen sind. Dadurch ist aber auch bei uns in Deutschland ein neuer Fokus auf der Notwendigkeit entstanden, mehr humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit vor Ort in den Krisengebieten zu leisten. Mit dem großen Aufwuchs im Einzelplan des BMZ setzen wir einen deutlichen Schwerpunkt, der auch uns Sozialdemokraten sehr am Herzen liegt: unsere internationale Verantwortung. Ich freue mich übrigens besonders – Herr Münz, passen Sie auf! – über die Aufstockung des Etats bei den politischen Stiftungen. Vielleicht sollten Sie einmal Ihre Komfortzone verlassen und die Akteure vor Ort besuchen. Dann werden Sie nämlich sehen, dass die politischen Stiftungen wichtige Partner in den Entwicklungsländern sind, insbesondere wenn es darum geht, das Demokratieverständnis, die politische Meinungsvielfalt und die Rolle der Frau zu stärken. Auch der Aufwuchs bei den Kirchen ist sehr zu begrüßen. Nicht zuletzt sie sind es nämlich mit Brot für die Welt und Misereor, die in den ärmsten Regionen oft noch die einzigen Netzwerke haben, an die die Menschen sich vor Ort wenden können. Ein weiterer Schwerpunkt des Etats liegt wie schon früher auf dem Bereich Krisenbewältigung und Wiederaufbau. Hier werden die Mittel um insgesamt 200 Millionen Euro auf 700 Millionen Euro aufgestockt. Damit sorgen wir für den Wiederaufbau von Wasserleitungen. Der Herr Minister hat es vorhin im Zusammenhang mit seiner Reise nach Mosul schon erwähnt. Damit sorgen wir für den Aufbau von Schulen und Krankenhäusern in Krisen- und Katastrophengebieten wie Syrien, dem Gazastreifen und dem Südsudan. Allerdings ist hier eine intensive Abstimmung zwischen dem Auswärtigen Amt und dem Entwicklungsministerium nötig. Meine Damen und Herren, ich fürchte, dass die weltweiten Krisen und Konflikte auch zukünftig nicht weniger werden. Gerade die Ereignisse in den letzten Tagen haben uns das wieder vor Augen geführt. Wir sollten deshalb zukünftig auch im Bereich der humanitären Hilfe weitere Haushaltsmittel zur Verfügung stellen. Die Bundeskanzlerin hat übrigens heute Morgen in ihrer Rede auch darauf hingewiesen, dass gerade in der humanitären Hilfe die Budgets zum Beispiel von Welternährungsprogramm und UNHCR dramatisch defizitär sind. Deshalb ist hier eine stärkere finanzielle Unterstützung unbedingt erforderlich. Herr Minister, Sie haben uns vorhin einen kurzen Ausblick auf die nächsten Jahre ab 2019 gegeben. Wir von der SPD-Fraktion begrüßen ausdrücklich, dass Sie die Zusammenarbeit mit Afrika verstärken wollen. Wir erinnern aber auch daran – das haben Sie bereits getan –, dass dazu ein fairer Handel benötigt wird. Ein Blick in den Koalitionsvertrag zeigt, dass wir das eindeutig festgelegt haben. Wir wollen Vorreiter für eine faire Handelspolitik im Verhältnis zu Afrika sein. Wir wollen verbindliche soziale, menschenrechtliche und ökologische Standards, die eingehalten werden. Als weiteren Schwerpunkt, Herr Minister, haben Sie vorhin das Rückkehrerprogramm „Perspektive Heimat“ genannt. Das ist grundsätzlich zu begrüßen. Mir ist jeder freiwillige Rückkehrer tausendmal lieber als diese grausamen Nacht-und-Nebel-Aktionen, in denen Menschen abgeschoben werden, die oft jahrelang gut integriert bei uns lebten. Wenn es also um Binnenflüchtlinge geht oder darum, den Menschen eine wirklich fundierte Perspektive zu verschaffen, dann haben Sie uns auf alle Fälle an Ihrer Seite. Allerdings lässt die Bezeichnung „Perspektive Heimat“ auch befürchten, dass mit Mitteln der Entwicklungszusammenarbeit Innenpolitik betrieben werden soll. Das sehen wir Sozialdemokraten sehr kritisch. Entwicklungspolitik bedeutet nämlich nicht, Menschen wieder dorthin zurückzubringen, woher sie gekommen sind, vor allem dann nicht, wenn sie dort keine Perspektive haben. Wenn ich Sie aber richtig verstanden habe, Herr Minister Müller, sehen Sie das genauso. Wir begrüßen auch, dass Sie 2019 eine Bildungs- und Ausbildungsoffensive starten wollen. Sie haben im Berichterstattergespräch gesagt, dass es Ihr Ziel ist, 25 Prozent des Etats für Bildung und Ausbildung einzusetzen. Sie können sicher sein, dass Sie dafür bei uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten große Unterstützung finden werden. Wir sollten allerdings bei der Bildung die Grundbildung nicht vergessen und einen besonderen Schwerpunkt auf die Bildung der Mädchen setzen; denn die Mädchen, die Frauen sind oft die eigentlichen Kraftwerke vor Ort. Neben der Bildung ist uns vor allem der Gesundheitsbereich wichtig; denn wer krank ist, kann nicht arbeiten und seine Familie ernähren. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass Epidemien in kürzester Zeit – Beispiel Ebola – verheerende Folgen haben. Oft geht es um Krankheiten, die dank des medizinischen Fortschritts eigentlich vermeidbar sind. Deshalb wollen wir – auch das ist im Koalitionsvertrag festgelegt – die Impfallianz GAVI und den Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria weiter unterstützen. Wie Sie sehen, ist noch viel zu tun. Ich freue mich auf die kommenden Beratungen über den Haushaltsplan 2018. Aber wir brauchen für die Erreichung der Ziele auch in zukünftigen Haushaltsjahren ausreichend Haushaltsmittel. Die SPD-Fraktion wird sich weiterhin für die Erreichung des ODA-Ziels einsetzen. Dafür brauchen wir Aufwüchse bei der Entwicklungszusammenarbeit, aber auch beim Auswärtigen Amt im Bereich der humanitären Hilfe, im Umweltministerium für Klimaschutzmaßnahmen und im Gesundheitsministerium für globale Gesundheit. Herr Minister, wir wollen dies sehr gerne mithilfe des Instruments der Finanztransaktion­steuer tun. Da haben Sie uns Sozialdemokraten ebenfalls auf Ihrer Seite. Vielen Dank. Das Wort hat der Kollege Michael Georg Link für die FDP-Fraktion.
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Martin Reichardt AfD
Martin
Reichardt
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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zwölf Jahre habe ich als Offizier der Panzertruppe diesem Land gedient. In den letzten Wochen habe ich zahlreiche Gespräche mit Kameraden der Bundeswehr geführt. Viele haben die Impfpflicht nur aus tiefer Sorge vor Repressalien und aus Sorge um die Existenzen ihrer Familien und Kinder zugelassen. Wie diese Repression aussieht, dazu das Zitat eines langgedienten Kameraden: Ich habe einen Eid auf die Fahne geschworen, dass ich dieses Land, das Recht und die Freiheit verteidigen werde. Wenn meine Vorgesetzten mir mit unehrenhafter Entlassung und Strafarrest wegen einer Impfung drohen, dann läuft aus meiner Sicht hier etwas verkehrt in diesem Land, und ich muss getreu dem Eid mit ganzem Herzen mich diesem entgegenstellen. Ich habe keine Angst mehr. Ich sehe und höre täglich von Kameraden, denen mit Rauswurf und Gefängnis gedroht wird, weil sie die Impfung nicht wollen. Meine Damen und Herren, diese Menschen wollen Deutschland dienen, aber es wird ihnen verwehrt. Geben Sie auch den Soldaten ihre Freiheit und Selbstbestimmung zurück! Vielen Dank. Liebe Kolleginnen und Kollegen, letzte Rednerin dieser Debatte ist die Kollegin Dorothee Bär. Ich darf darum bitten, noch ausreichend aufmerksam zu sein und die Gespräche auf die Zeit nach diesen drei Minuten zu verlegen. Frau Kollegin Bär, Sie haben das Wort.
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Erich Irlstorfer CDU/CSU
Erich
Irlstorfer
CDU/CSU
Verehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich kann nur sagen: Es ist völlig egal, wer wann in den Koalitionsverhandlungen den ersten Vorschlag zu diesem Gesetzentwurf gemacht hat. Tatsache ist, dass wir, die Große Koalition, bei all den Veränderungen, die es gesellschaftspolitisch und politisch gibt, Wort halten und die Punkte, die im Koalitionsvertrag festgehalten sind, jetzt auch umsetzen. Ich glaube, dass es ein sehr gutes Zeichen ist, dass wir bei der gesetzlichen Krankenversicherung wieder zur Parität zurückkehren, innerlich sage ich: endlich zurückkehren. Ich danke an dieser Stelle ausdrücklich unseren Koalitionspartnern – ob CDU, CSU oder SPD – und natürlich der Opposition. Ich kenne die Forderungen, die es immer wieder gegeben hat, und diese Forderungen waren richtig. Heute werden wir darüber abstimmen. Es freut mich, dass Sie mitstimmen. Tino Sorge hat erwähnt, dass in Kreisen der Union – ob bei der CDA oder der CSA – immer wieder Menschen aus der Arbeitnehmerschaft dabei waren und uns auf dieses Thema hingewiesen haben. Ich glaube auch, dass es wichtig ist, dass es solche Organisationen gibt, die ihren Einfluss immer wieder geltend machen. Ich glaube, das zeichnet Volksparteien aus. Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist für 56 Millionen Versicherte eine Entscheidung der Gerechtigkeit, dass man einen damals notwendigen Beschluss wieder zurückführt, wenn es dem Land wirtschaftlich und finanziell wieder gut geht, und es ist die Rückkehr zur sozialversicherungspflichtigen Normalität, dass sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber solidarisch den Beitrag je zur Hälfte teilen. Für die Arbeitnehmer geht es um eine finanzielle Entlastung in Höhe von Milliarden Euro, und die Arbeitgeber tragen diese Entscheidung mit. Das ist Ausdruck von ordentlicher Konjunktur und politischem Willen, aber es ist noch viel mehr: Es ist ein Signal, dass es 2018 eine funktionierende Sozialpartnerschaft zwischen Unternehmerinnen und Unternehmern und ihren Beschäftigten in Deutschland gibt. Verehrte Kollegin von der FDP, ich kann das, was Sie heute hier vorgetragen haben, so nicht stehen lassen. Bisher hatte ich nicht ganz verstanden, warum Jamaika gescheitert ist. Heute verstehe ich es. Ich habe langsam das Gefühl, dass Sie nicht regierungsfähig sind und das mit ein Grund ist, warum Sie hier so auftreten. Ich möchte an dieser Stelle sagen, dass das ein Bekenntnis der Unternehmerschaft ist. Viele Millionen Unternehmer wissen, dass ihr höchstes Gut der Auszubildende, die Beschäftigte in Teilzeit, der Beschäftigte in Vollzeit ist und dass sie nur dann erfolgreich sein können, wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ordentlich bezahlt werden und auch angemessene Beiträge zahlen. Herr Dr. Kessler, ich möchte auch auf Sie eingehen. Sie fordern den Ausbau von Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung. Darüber kann man streiten, darüber kann man diskutieren; das ist vollkommen klar. Aber es kann natürlich nicht sein, dass wir Beiträge senken und gleichzeitig die Leistungspalette ausbauen. Das wird nicht funktionieren; das ist rechnerisch einfach nicht möglich. Ich möchte herausstellen, dass wir alle, die wir hier im Plenum versammelt sind, uns über diesen Punkt einig sind, weil er inhaltlich richtig ist und ein gutes Zeichen ist, dass wir hier ordnungspolitisch korrigieren. Wir korrigieren aber auch die Beiträge zur Pflegeversicherung, damit wir die Mittel zielgerichtet ausgeben können. In diesem Sinne freue ich mich auf Ihre Zustimmung. Herzlichen Dank. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Beitragsentlastung der Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung. Der Ausschuss für Gesundheit empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 19/5112, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf den Drucksachen 19/4454 und 19/4552 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Bei Enthaltung von AfD und der Fraktion Die Linke und Gegenstimmen der FDP ist der Gesetzentwurf mit der Mehrheit von SPD, Grünen und CDU/CSU angenommen. Das war die zweite Beratung. Wir kommen zur dritten Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Damit ist der Gesetzentwurf wiederum bei Enthaltung von AfD und der Fraktion Die Linke und Gegenstimmen der FDP mit der Mehrheit von SPD, Grünen und CDU/CSU angenommen. Herzlichen Glückwunsch! Wir haben eine ganze Reihe weiterer Abstimmungen. Wir stimmen über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 19/5119 ab. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Bei Enthaltung von FDP, AfD und den Linken und Gegenstimmen der Grünen ist der Entschließungsantrag mit den Stimmen der Koalition abgelehnt. Wir setzen die Abstimmungen über die Drucksache 19/5112 fort. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion der AfD auf Drucksache 19/4538 mit dem Titel „Einführung von kostendeckenden Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung für die Bezieher von Arbeitslosengeld II aus Steuermitteln“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegenstimmen? – Damit ist der Antrag von der Mehrheit des Hauses gegen die Stimmen der AfD abgelehnt. Wir kommen zu Buchstabe c. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion der FDP auf Drucksache 19/4320 mit dem Titel „Absenkung der Krankenversicherungsbeiträge für freiwillig gesetzlich versicherte Selbstständige“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Gegen die Stimmen der FDP bei Enthaltung von AfD und der Fraktion Die Linke mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und Grünen ist der Antrag abgelehnt. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe d seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 19/5112 die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 19/102 mit dem Titel „Geringverdienende Selbstständige und andere freiwillig Versicherte entlasten“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Bei Enthaltung von FDP und AfD ist der Antrag gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke mit der Mehrheit von CDU/CSU, SPD und Grünen abgelehnt. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe e seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 19/4244 mit dem Titel „Gerechtere Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung im Jahr 2019“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Bei Enthaltung der Grünen stimmt die Mehrheit des Hauses gegen Die Linke für die Beschlussempfehlung. Damit ist der Antrag abgelehnt. Das waren die Abstimmungen.
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Ingo Schäfer SPD
Ingo
Schäfer
SPD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Parteien! Was unterscheidet Städte und Gemeinden im CDU-geführten Land NRW von Kommunen in Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und im Saarland? Das bevölkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen hat die meisten überschuldeten Kommunen Deutschlands und trotzdem keinen Altschuldenfonds. Hessen hat die Hessenkasse. Niedersachsen hat den Zukunftsvertrag. Die SPD-geführte Regierung von Rheinland-Pfalz arbeitet an einem kommunalen Entschuldungsfonds. Auch das Saarland hat bereits einen Entlastungsfonds für die Bestandsschulden, genannt „Saarlandpakt“. Das von der CDU geführte Land NRW hat hierzu nichts Adäquates vorzuweisen. Die CDU-Landesregierung von Hendrik Wüst hatte fünf Jahre Zeit, den Stärkungspakt Stadtfinanzen von Hannelore Kraft zu verlängern. Dieser Stärkungspakt trug wesentlich dazu bei, dass die überschuldeten Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen wieder den notwendigen Handlungsspielraum für die mittelfristige und nachhaltige Konsolidierung erhielten – bis 2020. Die CDU-Landesregierung von NRW hätte schon längst einen Altschuldenfonds für Nordrhein-Westfalens Kommunen beschließen müssen; denn sie weiß um die sich zuspitzende Problematik. Hochverschuldeten Kommunen, weder in Nordrhein-Westfalen noch in anderen Bundesländern, bringt es etwas, wenn wir hier in diesem Hause ein weiteres Gremium, einen parlamentarischen Beirat für gleichwertige Lebensverhältnisse mit Empfehlungscharakter, einsetzen. Das, was Städte wie Solingen, Remscheid, Wuppertal, Pirmasens, Kaiserslautern oder auch der Kreis Kusel brauchen, ist eine Zukunftsperspektive. Um ein Beispiel aus meinem Wahlkreis zu nennen: In Wuppertal-Ronsdorf wird das örtliche Hallenbad seit zehn Jahren in privater Trägerschaft mithilfe von Spenden betrieben. Dies wurde notwendig, weil der Stadt das Geld zur weiteren Unterhaltung fehlte. Das war und das ist kein Einzelfall. In vielen Städten Deutschlands werden die Hallenbäder geschlossen, weil den Kommunen das Geld fehlt. Andererseits warnt die DLRG seit Jahren, dass immer weniger Kinder schwimmen lernen und ihnen zunehmend die Schwimmkompetenz fehlt. Als die CDU/CSU als Regierungsfraktion in der vergangenen Legislaturperiode die Möglichkeit hatten, den Altschuldenfonds zu installieren, hat sie sich mit aller Kraft dagegengestemmt. Den Kommunen könnte es heute um ein Vielfaches besser gehen, hätte die Union vor ein paar Jahren mehr Weitsicht bewiesen. Die SPD hat im Bund dafür gesorgt, dass der Altschuldenfonds im Koalitionsvertrag steht. Es ist das feste Ziel unserer Ampelkoalition, die überschuldeten Kommunen von ihrer Altschuldenlast zu befreien. Dadurch werden wir erheblich dazu beitragen, gleichwertige Lebensverhältnisse in Deutschland zu schaffen. „Gleichwertig“ bedeutet, Unterschiede anzuerkennen und zu versuchen, diese zu minimieren. „Gleichwertig“ heißt auf jeden Fall nicht: Wer hat, dem wird gegeben. Das Ziel, gleichwertige Lebensverhältnisse zu erreichen, ist nur realisierbar, wenn alle Ebenen zusammenarbeiten. So wie es einen Finanzausgleich zum Beispiel bei den Bundesländern gibt, so braucht es auch einen Ausgleich zwischen armen und reichen Kommunen, und das so schnell wie möglich. Nur dann können wir die zunehmend auseinanderklaffende Schere schließen. Und diese Schere hat sich bereits sehr weit geöffnet: bei der Arbeitslosigkeit von 2 bis 15 Prozent, bei der Langzeitarbeitslosigkeit von 12 bis mehr als 50 Prozent, bei den Beschäftigungsquoten von Menschen über 55 Jahre von 35 bis 55 Prozent, und bei den Gewerbesteuereinnahmen reicht die Spanne von 165 Euro pro Kopf und Jahr im Donnersbergkreis bis fast 2 300 Euro in Frankfurt am Main, und zwischen den beiden letztgenannten liegen gerade mal 80 Kilometer. Ohne einen finanziellen Ausgleich zwischen Frankfurt und dem Donnersbergkreis kann es keine gleichwertigen Lebensverhältnisse geben. Das gilt auch für Solingen und Monheim, Dahme-Spreewald und Barnim, Lüchow-Dannenberg und Wolfsburg sowie für den Landkreis Regensburg und die Stadt München. Wenn Sie diese desolate Lage nicht kennen, dann lade ich Sie gerne ein, in meinen Wahlkreis zu kommen. Dann zeige ich Ihnen gerne die alten Standorte der Schwimmhallen, der Freibäder, der Sportstätten und die maroden Feuerwachen. Die Koalition in diesem Hause wird die Voraussetzungen dafür schaffen, dass alle Kommunen wieder in Schulen und Schwimmbäder investieren können. Wir werden dafür sorgen, dass Kunst und Kultur vor Ort weiterhin für alle finanzierbar bleiben, dass Feuerwachen zeitgemäß ausgestattet werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich werbe heute dafür, dass Sie die Anstrengungen der Bundesregierung zur Schaffung eines tragfähigen kommunalen Altschuldenfonds unterstützen, anstatt die aufgezeigte Problematik in ein Beratungsgremium zu verlagern und deren Lösung dadurch zeitlich zu verzögern. Die Menschen in vielen unserer Wahlkreise brauchen keine Ergebnisse aus Arbeitskreisen; sie brauchen einen Altschuldenfonds. Vielen Dank.
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Ansgar Heveling CDU/CSU
Ansgar
Heveling
CDU/CSU
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Grundgesetz ist eine Verfassung, die Position bezieht, die dazu auffordert, den Feinden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung entschlossen entgegenzutreten. Wir in Deutschland haben eine Demokratie, die sich wehrt. Nach Artikel 20 Absatz 4 des Grundgesetzes haben alle Deutschen gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist. Nach Artikel 9 Absatz 2 des Grundgesetzes sind Vereinigungen verboten, „die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung … richten“. Und nach Artikel 18 des Grundgesetzes gilt: Wer die Grundrechte „zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung mißbraucht, verwirkt diese Grundrechte“. Aus den Erfahrungen der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus haben die Väter und Mütter des Grundgesetzes den Schluss gezogen, dass eine starke parlamentarisch-demokratische Bundesrepublik selbstverständlich wider diejenigen vorgehen muss, die diese demokratische Ordnung zerstören wollen. Ich für meinen Teil bin der Meinung, daß es nicht zum Begriff der Demokratie gehört, daß sie selber die Voraussetzungen für ihre Beseitigung schafft. Man müsse … auch den Mut zur Intoleranz denen gegenüber aufbringen, die die Demokratie gebrauchen wollen, um sie umzubringen. So hat es Carlo Schmid 1948 im Parlamentarischen Rat formuliert. Dieses Grundverständnis von einer wehrhaften, streitbaren Demokratie hat das Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen zu Parteiverboten schon sehr früh weiter konturiert und weiterentwickelt. Bis heute ist es die gemeinsame Grundlage unseres Verfassungsverständnisses. Ist aber das Verständnis über die Jahrzehnte der Bundesrepublik gleich geblieben, so müssen sich die Instrumente doch weiterentwickeln. Aus der Überzeugung, dass wir Feinden unserer gemeinsamen Ordnung niemals das Feld überlassen werden, haben wir im letzten Jahr den Artikel 21 Absatz 3 in das Grundgesetz eingefügt. Die NPD zu verbieten, ist trotz aller Anstrengungen vor dem Bundesverfassungsgericht nicht gelungen. Denn zur Wehrhaftigkeit unserer Demokratie gehört auch, dass sie ihre Instrumente unter strenger Kontrolle und Begrenzung – bei uns durch das Bundesverfassungsgericht – zur Anwendung bringt. Und so ist es nicht deshalb nicht gelungen, die NPD zu verbieten, weil sie nicht verfassungsfeindlich wäre, sondern deshalb, weil sie im Moment nicht genügend Anhängerinnen und Anhänger findet – zum Glück! Aber das könnte sich ja ändern, und deswegen müssen wir jetzt handeln. Damit es dazu gar nicht erst kommt, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom Januar 2017 eine Möglichkeit aufgezeigt, sich anders zu wehren. Das Stichwort heißt: Parteienfinanzierung. In Deutschland unterstützen wir die Parteien mit staatlichem Geld, weil sie für unsere demokratische Willensbildung elementar wichtig sind. Parteien sollen nicht von großen Geldgebern alleine abhängig sein, sondern sie sollen mit der Sicherheit eines gewissen finanziellen Grundstocks ihre politischen Überzeugungen vertreten, und zwar das ganze Spektrum ihrer Überzeugung. Aber Geld von der Allgemeinheit für anerkannt verfassungsfeindliche Ziele, das darf es nicht mehr geben. Denn es gibt keinen Grund, warum wir als Bundesrepublik Parteien finanziell unterstützen sollten, die auf die Abschaffung unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung hinarbeiten. Der Ausschluss der NPD von der Parteienfinanzierung ist im Übrigen kein faktisches Verbot der NPD; es ist lediglich eine Sanktionsmöglichkeit, notwendig als Zeichen, dass sie zwar weiter Politik machen können, aber nicht mithilfe finanzieller Unterstützung durch die Bundesrepublik Deutschland, durch unsere Steuergelder. Wir können nicht zulassen, dass die NPD mit unserer Hilfe die Chance bekommt, wieder groß zu werden, und damit die Möglichkeit gewinnen könnte, irgendwann doch wieder gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vorzugehen. Wir beantragen einen Ausschluss für die Dauer von sechs Jahren, um die weitere Entwicklung der NPD zu beobachten. Wir beschließen dazu heute einen entsprechenden Antrag an das Bundesverfassungsgericht. Lieber Herr Kollege Brandner, ich sage es noch einmal: Wir können darüber heute beschließen; denn wir beschließen einen Antrag und keinen Schriftsatz. Wir beschließen heute, den Weg über das Bundesverfassungsgericht zu gehen. Alles Weitere ist dann Aufgabe der Ausschüsse. Deswegen können wir heute den Antrag zur Abstimmung stellen. Ich bitte um Ihre Unterstützung. Vielen Dank. Nächste Rednerin ist Susann Rüthrich für die SPD.
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Fritz Güntzler CDU/CSU
Fritz
Güntzler
CDU/CSU
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren Zuhörer! Wir sind froh, dass wir heute über ein Steuerentlastungsgesetz debattieren können. Die Notwendigkeit dafür hat der Bundesfinanzminister ja eben dargestellt. Aber, Herr Bundesfinanzminister, in einem Punkt würde ich Sie korrigieren wollen. Sie haben gerade davon gesprochen, es gebe eine gefühlte Inflation. Ich glaube, wenn Sie mal mit den Menschen auf der Straße sprechen, werden Sie merken, dass es keine gefühlte Inflation ist, sondern dass die Inflation bei den Menschen angekommen ist. Deshalb müssen wir reagieren. Wir hatten eine Inflation von 4,9 Prozent im Januar, 5,1 Prozent im Februar und 7,3 Prozent im März. Das ifo-Institut geht davon aus, dass die Inflationsrate in diesem Jahr bei zwischen 5 und 6 Prozent liegen wird. Das ist die höchste Inflation seit 40 Jahren. Es ist die verdammte Pflicht der Regierung, hierauf zu reagieren. Dafür sollten Sie sich nicht ständig selber loben, sondern das ist eine Selbstverständlichkeit. Von daher sind wir grundsätzlich froh, dass Sie einen Entwurf eingebracht haben, der heute auf der Tagesordnung steht. Sie blasen ihn jetzt hier rhetorisch ein bisschen auf; denn wenn wir uns angucken, was wirklich unternommen wird, sehen wir, dass es wenig ist, was da passiert ist. Wir sind auch überrascht, Herr Minister. Am 16. Februar haben Sie an dieser Stelle bei der Befragung der Bundesregierung gesagt, man könne Freibeträge und Tarife nicht unterjährig anpassen, weil das für die Finanzverwaltung zu viel Aufwand bedeuten würde. Jetzt machen Sie das. Das ist ja gut so; Sie haben anscheinend einen Erkenntnisgewinn, und es ist für einen Minister auch gut, wenn er Erkenntnisse aufnimmt. Wir haben damals schon gesagt: Natürlich können wir den Tarif im laufenden Jahr anpassen, natürlich können wir den Grundfreibetrag anpassen. Von daher ist es gut, dass wir jetzt auf dem Weg sind, aber es ist noch zu wenig. Das Thema „kalte Progression“ haben Sie aber nach wie vor nicht aufgegriffen. Sie erhöhen den Grundfreibetrag um 363 Euro auf 10 347 Euro. Laut Gesetzesbegründung – das kann man nachlesen – unterstellen Sie dabei eine Inflation für das Jahr 2022 von 3 Prozent. Wie ich Ihnen geschildert habe, liegen wir bei einer Inflation von 5 bis 6 Prozent. Von daher ist die Maßnahme an sich richtig, aber nicht ausreichend, meine Damen und Herren. Sie müssen noch eine Schippe drauflegen. Sie selber waren es, die gesagt haben, als Sie noch in der Opposition waren, der Staat dürfe nicht von den heimlichen Steuererhöhungen profitieren. Jetzt haben Sie die Möglichkeit, darauf zu reagieren. Meine Bitte, Herr Bundesfinanzminister, ist: Sie haben die Möglichkeit, in der Ampelkoalition darauf zu reagieren. Das wäre, glaube ich, gut. Von daher sollten Sie auch überlegen, ob Sie nicht den Progressionsbericht vorziehen – darüber haben wir in der Befragung umfassend diskutiert –, damit wir die kalte Progression tatsächlich absenken können. Wir könnten dann die Tarifeckwerte anpassen, das Kindergeld anpassen, den Kinderfreibetrag anpassen. Sie haben hier lediglich eine Maßnahme herausgesucht. In dem Zusammenhang wäre es auch gut, wenn wir zwar nicht im Zusammenhang mit diesem Gesetz, aber dann gemeinsam – alle drei Ampelkoalitionäre wie auch wir haben das im Wahlprogramm stehen gehabt – über den Einkommensteuertarif diskutieren würden, darüber, den Mittelstandsbauch abzubauen. Wir sollten eine gemeinsame Kraftanstrengung unternehmen, weil das sehr teuer sein wird, und gemeinsam eine Lösung finden, wie wir tatsächlich zu einer Entlastung der Bezieher mittlerer und unterer Einkommen in Deutschland kommen können. Wir als Union sind dabei, gerne mit Vorschlägen und in der Diskussion, und tragen das dann auch gerne mit, meine Damen und Herren. Dann haben Sie herausgestellt, dass der Arbeitnehmerpauschbetrag um 20 Prozent auf 1 200 Euro erhöht wird. Das kann man begrüßen, insbesondere dann, wenn man dadurch einen Vorteil hat. Sie haben aber in Ihrer Rede ausgeführt, Herr Bundesfinanzminister, dass Sie nur Maßnahmen angehen wollen, die zielgerichtet wirken. Die einfache Erhöhung des Pauschbetrages ist keine zielgerichtete Maßnahme. Der Bundesverband Lohnsteuerhilfevereine hat in seiner Stellungnahme geschrieben: Von der Anhebung profitieren jedoch hauptsächlich Arbeitnehmer, die überhaupt keine oder nur geringe beruflich veranlasste Aufwendungen haben, sowie diejenigen, deren Aufwendungen vom Arbeitgeber erstattet werden. Dafür geben Sie 1 Milliarde Euro aus, ohne dass das zielgerichtet ist. Es gibt andere Dinge, die wir machen müssen, die wichtiger sind, die zielgerichtet gemacht werden könnten. Von daher ist das beim Werbungskostenpauschbetrag eher eine Werbeveranstaltung, die Sie hier durchführen, meine Damen und Herren. Dann zur Entfernungspauschale. Da sage ich selbstkritisch: Auch wir haben von 38 Cent gesprochen. Das war in einer Situation, als noch nicht unbedingt erkennbar war, wie sehr die Spritpreise steigen. Das sind pro Entfernungskilometer 3 Cent, pro gefahrenem Kilometer 1,5 Cent. Durchschnittlich hat man, wenn ich ein Dieselauto nehme – wenn man das noch fahren darf –, einen Verbrauch von 7 Litern auf 100 Kilometer. Wenn Sie beim Diesel eine Steigerung von 80 Cent unterstellen, dann sind Sie pro gefahrenem Kilometer bei einer zusätzlichen Belastung, die eher bei 5 bis 6 Cent liegt. Sie erhöhen hier aber nur um 3 Cent, und das lediglich über den Werbungskostenabzug. Das ist zu wenig, Herr Minister. Hier müssen wir noch gemeinsam eine Schippe drauflegen, damit wir tatsächlich zu einer Entlastung kommen. Ein genereller Fehler, an dem wir mitgewirkt haben – ich finde, das kann man ruhig sagen –, ist, dass wir eine Zweiklassengesellschaft bei den Pendlern haben. Ich glaube, es ist nicht mehr zu rechtfertigen, dass wir eine Erhöhung der Entfernungspauschale erst ab dem 21. Kilometer haben. Für jeden Kilometer muss die höhere Entfernungspauschale gelten. Das sollten wir in diesem Gesetzgebungsvorhaben vielleicht noch angehen. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, es gäbe noch viel zu sagen. Ich hätte auch gerne noch etwas zu unserem Antrag gesagt, den wir parallel eingebracht haben. Aber wir haben heute ja noch die Gelegenheit, im Zusammenhang mit dem Corona-Steuerhilfegesetz diese Debatte zu führen. Und Herr Kollege Dürr, wenn Sie so eine Angriffsfläche bieten, dann muss ich mich erst einmal an Ihnen abarbeiten, bevor ich unseren guten Antrag darstelle. Aber Sie haben ja die Möglichkeit, im Rahmen der Beratung diesen Gesetzentwurf weiter zu verbessern. Wir als Union, als konstruktive Opposition stehen Ihnen gerne zur Seite und helfen Ihnen dabei, ein vernünftiges Gesetz daraus zu machen. Herzlichen Dank. Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Michael Schrodi.
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Carsten Schneider SPD
Carsten
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Frau Bundeskanzlerin, Sie haben ja eben auf den Haushaltsbeschluss und die mittelfristige Finanzplanung rekurriert, die heute im Kabinett besprochen wurde. Der Haushaltsentwurf sieht für das nächste Jahr eine Nettokreditaufnahme von fast 100 Milliarden Euro und auch in der nächsten Legislatur hohe Kreditaufnahmen vor; es gibt einen erheblichen Konsolidierungsbedarf. Nun habe ich von den beiden Parteivorsitzenden und Ministerpräsidenten der CDU und CSU, Herrn Söder und Herrn Laschet, vernommen, dass sie nach der Bundestagswahl einen Kassensturz vornehmen wollen. Nehmen Sie es mir nicht übel, aber ich interpretiere das als Misstrauen gegenüber dem, was das Kabinett unter Ihrer Führung und unter Herrn Finanzminister Scholz heute beschlossen hat. Daher frage ich Sie, ob Sie die Forderung dieser beiden Ministerpräsidenten teilen und ob Sie sie gegebenenfalls darüber unterrichten wollen, wie die Finanzplanung des Bundes aussieht.
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