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Stephan Thomae FDP
Stephan
Thomae
FDP
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es eine schöne Sache, dass der Antrag der Union uns mal Gelegenheit gibt, über das Schöffenamt zu sprechen, ein wichtiges Amt für die Strafrechtspflege in Deutschland. Sein Licht steht leider ein bisschen zu sehr unter dem Scheffel; es steht selten im Rampenlicht, obwohl es eigentlich ein wichtiges Amt für eine funktionierende Rechtspflege bei uns ist – wie viele Ehrenämter, die leider oft übersehen und vergessen werden. Deswegen ist das eine gute Gelegenheit, einen Dank an viele Schöffinnen und Schöffen auszusprechen, die in Deutschland ihren Dienst vor den Gerichten tun. Es gibt auch Ansätze in dem Antrag von der Union, die wir uns sehr genau ansehen werden, die wir nicht verkehrt finden, wie zum Beispiel die Forderung, das Schöffinnen und Schöffen ein Bekenntnis zu der freiheitlich-demokratischen Grundordnung ablegen müssen und dafür auch jederzeit eintreten müssen. Das BMJ ist auch schon dabei, in den §§ 44a und 45 des Deutschen Richtergesetzes entsprechende Änderungen vorzunehmen. Das ist also schon auf dem Wege, meine Damen und Herren. Soweit Sie den Kündigungsschutz verbessern wollen, ist Ihrem Antrag nicht so genau zu entnehmen, was Sie eigentlich vorhaben. Aber Sie können gewiss sein, dass das zuständige Bundesministerium für Arbeit und Soziales einen wachsamen Blick darauf hat, wo der Kündigungsschutz noch verbessert werden muss. Es gibt aber ein paar Punkte, die mir nicht so recht einleuchten wollen und der Grund sind, weshalb wir Ihrem Antrag nicht zu folgen vermögen. Dazu gehört zum Beispiel Ihr Vorschlag, dass die Schöffenwahl bundeseinheitlich durchgeführt werden soll. Warum eigentlich? Worin liegt der Mehrwert, wenn die Schöffen zwischen Nordsee und Alpen, zwischen Rhein und Oder immer am gleichen Tag gewählt werden? Hat es jemals jemanden gestört, dass hier die Länder ihrer Vielfalt Rechnung tragen können und jedes Land für sich selber bestimmen kann, wann die Schöffenwahl durchgeführt werden soll? Das ist für mich eine unnötige Vereinheitlichung. Wenn die Länder etwas in ihrer Vielfalt regeln können, dann sollte man sie auch lassen. Es gibt für mich keinen zwingenden Grund, zu sagen: Das muss bundeseinheitlich geregelt werden, meine Damen und Herren. Schließlich ist der interessanteste Punkt des Antrages das Thema der Altershöchstgrenze für die Schöffen. § 33 GVG – Gerichtsverfassungsgesetz – besagt ja, dass Schöffen bei Beginn der Amtsperiode nicht jünger als 25 Jahre und nicht älter als 69 Jahre alt sein sollen. Bei einer Amtszeit von fünf Jahren heißt das, dass jemand, der mit 69 Jahren gewählt wird, bis zum Alter von 74 Jahren im Amt sein kann. Ich finde diese Alterseingrenzung – ein Schöffe soll nicht jünger als 25 und bis zum Ende seiner Amtszeit potenziell nicht älter als 74 Jahre sein – eine sinnvolle und weise Entscheidung, weil man sagt: Na ja, es ist auch nicht gut für die Akzeptanz des Gerichtes, wenn ein Schöffe zu jung ist. Und eine Grenze bei 74 Jahren finde ich auch eine durchaus passende Altersentscheidung. Daher sehe ich keinen Grund, weshalb man diese Alterseingrenzung „25 bis 74 Jahre“ im Ergebnis anrühren sollte. Ich finde, das ist für die Akzeptanz der Gerichte eigentlich eine gute Entscheidung. Daher würde ich sie auch nicht verändern. Dahinter mag auch stehen, dass Sie sagen: Es wird immer schwerer, Ehrenamtler für Ehrenämter zu gewinnen. – Ja, das ist richtig. Aber dann einen bequemen Weg zu gehen und zu sagen: „Dehnen wir einfach die Altersgrenzen aus“, erscheint mir ein bisschen zu einfach. Unser Anspruch sollte doch sein, zu versuchen, jüngere Menschen wieder für das Schöffenamt wie übrigens für alle Ehrenämter zu gewinnen. Das ist nicht nur Aufgabe der Politik, aber wir könnten auch einen Beitrag dazu leisten. Jedenfalls erscheint es mir zu einfach, zu sagen: Die Älteren ins Ehrenamt. – Wir sollten versuchen, auch Jüngere wieder fürs Ehrenamt zu begeistern, auch für das Schöffenamt, ein schönes Amt. Deswegen vielen Dank für den Antrag; wir werden ihm im Ergebnis aber nicht zustimmen. Ansgar Heveling hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
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Sebastian Roloff SPD
Sebastian
Roloff
SPD
Herzlichen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe sieben Minuten und nicht fünf, um das gleich am Anfang zu sagen, auch wenn das die Aufmerksamkeit des Hauses wahrscheinlich nicht erhöht. Ich glaube, die meisten von Ihnen kennen das Brettspiel „Die Siedler von Catan“. Das mag ein vereinfachender Vergleich sein, aber er bringt es schon auf den Punkt, wie die deutsche Wirtschaft funktioniert. Wenn man nicht die nötigen Rohstoffe hat und sich die Rohstoffe, die einem fehlen, nicht durch Verhandlungsgeschick organisiert, dann hat man keine Chance, zu gewinnen. Genau das gilt auch für die deutsche Wirtschaft. Die Ampel hat den Wert von Rohstoffen erkannt, und ich freue mich, dass die Union dieses Thema – drei Wochen, nachdem wir den deutsch-französischen Vorschlag zum EU‑Gesetz über kritische Rohstoffe diskutiert haben – hier auf die Tagesordnung setzt. Der Antrag verspricht einiges, und – wie ich es hier an der Stelle gelegentlich sage – die Analyse ist oft richtig. Einige Forderungen – ich werde darauf eingehen – finden meine Unterstützung. Spannend wird es, wenn man ins Detail geht. Ganz oft reden wir auch nicht über Neues. Mal sehen; wir gucken mal. Zum Beispiel fordern Sie die Unterstützung von unternehmerischen Rohstoffaktivitäten im Ausland und verweisen auf die japanische Agentur JOGMEC. Das ist richtig, es steht aber auch schon im deutsch-französischen Vorschlag; das haben wir schon vor drei Wochen aufs Gleis gesetzt. Sie fordern neue Rohstoffpartnerschaften und Diversifizierung; wir haben es gerade wieder gehört. Auch das ist richtig. Frau Dr. Brantner war in Südamerika, der Bundeskanzler und der Bundeswirtschaftsminister waren in Kanada. Dementsprechend sind wir da schon dran. Die Einbindung von Rohstoffen in eine nationale Sicherheitsstrategie hat Annalena Baerbock schon thematisiert. Das ist auf dem Weg, und die Praktikerinnen und Praktiker, die bei der Novellierung des Bergrechts eine Rolle spielen, sind auch schon eingebunden. Dementsprechend sind wir da auf Linie; aber wir haben es schon aufs Gleis gesetzt, während Sie heute darüber reden wollen. Es ist korrekt, dass wir eine größere Diversifizierung brauchen, insbesondere was die Abhängigkeit von China betrifft. Wir wissen auch, dass China mit Blick auf Seltene Erden wahrscheinlich ein wichtiger Handelspartner sein kann. Aber wir haben spätestens am Beispiel von Russland gesehen, warum das keine sinnvolle Entwicklung ist. Dementsprechend müssen wir da Vorsicht walten lassen und andere Alternativen auftun. Klar ist auch – das ist der nächste Stichpunkt, der in diesem Zusammenhang immer kommt –, dass das Lieferkettengesetz gerade vor diesem Hintergrund dringender erforderlich ist denn je. Klar ist auch, dass das für die Unternehmen keine zusätzliche Belastung sein darf und dass das gut umsetzbar ausgestaltet werden muss. Wir brauchen es aber gerade mit Blick auf die Menschenrechtssituation in schwierigen Ländern, mit denen wir jetzt teilweise noch Handel treiben, umso dringender. Deswegen dürfen wir keinesfalls auf das Lieferkettengesetz verzichten oder sein Inkrafttreten verzögern. Ernüchternd ist leider, dass Sie sich in dem Antrag wieder vor allem auf große Abbauvorhaben fokussieren. Ich weiß nicht, warum Sie kleinere Bergbauvorhaben immer so ein bisschen ignorieren. Ich glaube, dass diese auch eine Möglichkeit sein können, die Vielzahl der Projekte und das Angebot auf dem Markt zu erhöhen. Ich glaube, dass sie so etwas wie ein Schattendasein führen, und das finde ich schade. Im Übrigen hat das Kabinett am Mittwoch den 15. Bericht über die Aktivitäten des Gemeinsamen Fonds für Rohstoffe und der einzelnen Rohstoffabkommen zur Kenntnis genommen und beschlossen. Darin können wir sehen, dass wir in diesem Bereich einen starken Entwicklungseffekt haben. Leider konzentrieren wir uns da im Moment noch zu sehr auf Agrarrohstoffe und Institutionen. Ich glaube, wir sollten noch mal darüber nachdenken, das zu verändern und auch da zu diversifizieren. Wir brauchen mutige Schritte. Ich kann mir zum Beispiel gut vorstellen, dass wir mittelfristig so eine Art Rohstoff-Google-Maps brauchen. Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen naiv, aber als Grundlage kann das Geologiedatengesetz dienen. Die Daten, die man da hat, kann man breiter aufstellen. Man kann sie ergänzen und kann dann entsprechend gucken, welche potenziellen Rohstoffvorkommen man hat, und diese Informationen zum Beispiel bei der Planung oder beim Abbau nutzen. Da müssen die Länder prüfen, inwieweit man auf die Daten zugreifen kann und inwieweit wir zum Beispiel noch ein Explorationsprogramm des Bundes dazuschalten können. Solche innovativen Ideen braucht es. Wir haben in diesem Bereich eine hervorragende Forschungslandschaft. Wir müssen aufpassen, dass sie nicht ausgedünnt wird, zum Beispiel durch die fehlende Nachbesetzung von Lehrstühlen. Wir müssen Alternativen zu importierten Rohstoffen finden, wo immer es möglich ist. Mein Kollege Thews wird auf die Kreislaufwirtschaft noch mal eingehen, weil es selbstverständlich klar ist, dass man Rohstoffstrategien nicht ohne Kreislaufwirtschaft denken kann. Das ist ja völlig klar: Jedes Produkt, das zumindest teilweise recycelbar ist, muss nicht neu hergestellt werden. Dafür braucht es keine Rohstoffe, und das ist ein ebenso wichtiger Punkt wie das Förderprogramm „Nachwachsende Rohstoffe“ aus dem Landwirtschaftsministerium. Da werden innovative biobasierte Produkte besonders gefördert, zum Beispiel Bioverbundwerkstoffe aus Naturfasern – die brauchen wir für den Karosseriebau; Porsche macht es schon in Kleinserie –, und das ist genau der richtige Weg, den wir weitergehen müssen. Darüber hinaus kann ich mir vorstellen, dass wir die Agentur für Sprunginnnovationen ausweiten und eine Challenge – zum Beispiel über Unabhängigkeit von kritischen Rohstoffen – schaffen. Das hätte, glaube ich, auch was Fortschritte, was den Kreativwettbewerb etc. betrifft, einen guten Effekt, und anhand des von der EU definierten Begriffs der kritischen Rohstoffe könnten alle Interessierten – vom Forschungsunternehmen bis zum kleinen Garagenbastler – Ideen einreichen. Wir wissen, dass gute Ideen auch schon spontan entstanden sind und irgendwo herkommen können, wo man sie vielleicht nicht unmittelbar erwartet. Neue Fördermethoden, die dazu dienen, aus alten Abraumhalden noch kritische Rohstoffe zu gewinnen, sind aus meiner Sicht ebenso förderwürdig wie neue Produkte, die bisher kritische Rohstoffe gebraucht haben, aber anders konstruiert werden und ohne kritische Rohstoffe klarkommen. Neu entwickelte Materialien, die dieselben Eigenschaften haben, wären aus meiner Sicht genauso förderwürdig. Ich habe ja gesagt, dass es auch durchaus Übereinstimmungen gibt. Ich unterstütze zum Beispiel Ihre Forderung, die Verordnung zur „Natur auf Zeit“ möglichst schnell umzusetzen. Ich glaube, dass das gerade auch für Planungsverfahren sinnvoll sein kann. Ja, wir haben alle den großen Auftrag, die Akzeptanz in der Bevölkerung, wenn es um die Förderung von Rohstoffen geht – egal ob das die Kiesgrube vor Ort ist oder etwas anderes –, zu steigern. Zum Abschluss. Sie machen ja, wie gesagt, gute Vorschläge. Sie sagen aber: Das geht alles nur im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel. – Also ein Riesenvorbehalt! Wir wissen alle, dass die Bäume im Haushalt gerade alles andere als in den Himmel wachsen. Dementsprechend entwertet das Ihren Antrag ein bisschen. Das finde ich sehr schade. Ich freue mich aber auf die weitere Diskussion mit Ihnen; denn vielleicht kriegen wir auch zusammen was hin, in der Koalition auf jeden Fall. Aber vielleicht gibt es auch konstruktive Momente der CDU/CSU. Wir freuen uns darauf. Vielen Dank. Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Dr. Malte Kaufmann.
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Beatrix von Storch AfD
Beatrix
von Storch
AfD
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ja, wir wollen Indymedia verbieten, den Verein und seine Webseite und das Logo. Es stellt sich allein die Frage: Warum ist das noch nicht passiert? Denn, wie Sie gerade richtig gesagt haben, Herr Bernstiel, der Vorgängerverein hieß linksunten.indymedia, und er ist verboten, und er konnte auch verboten werden, anders als Sie gerade insinuiert haben. Er ist verboten worden, weil er zu Gewalt aufrief und weil er Selbstbezichtigungsschreiben zu linksextremen, schwersten Gewalttaten veröffentlichte – genau das Gleiche, was jetzt Indymedia tut, das Identische. Indymedia mobilisiert gewaltbereite Linksextremisten gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung, und der Verfassungsschutz stellt fest: Die Linksextremen nehmen bei Angriffen schwerste bis tödliche Verletzungen von Polizeibeamten billigend in Kauf. Indymedia geht es nicht um die Menschheit, Gerechtigkeit oder die Umwelt. Die wollen schlagen, treten und plündern. Sie wollen demütigen, einschüchtern und bedrohen, anzünden, abfackeln und zerstören. Die wollen Terror, und sie wollen töten. Und das sagen sie selbst. Ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin von Indymedia selbst: „Nennt uns terroristisch und kriminell …“ Und an anderer Stelle schreiben sie: „Es gibt genug Möglichkeiten sich zu bewaffnen. So gibt es im Internet ausreichend Anleitungen zum Herstellen von Sprengmittel … Damit können wir deren Personal … töten.“ Wo, Herr Bernstiel, ist das jetzt relativiert? Man weiß nicht genau, was man machen kann? Nein, sie wollen töten, und sie schreiben es. Wir stellen uns eine gedankliche Sekunde vor, das käme von Rechtsextremisten. In der nächsten Sekunde wäre die Seite verboten. Gott sei Dank wäre sie verboten. Es gibt in Deutschland links- und rechtsextremen Terrorismus; aber es gibt zwischen beiden einen zentralen Unterschied: Es gibt, Gott sei Dank, einen massiven Verfolgungsdruck gegen Rechtsterrorismus, der diesen auch jetzt in den Untergrund verdrängt hat. Und: Der Rechtsterrorismus geht von Einzeltätern und Kleingruppen aus. Es gibt dagegen so gut wie keinen Verfolgungsdruck gegen Linksterroristen. Der geschieht nicht. Die agieren nicht heimlich, nicht versteckt, nicht im Untergrund, und das sind nicht nur eine Handvoll gefährliche Einzeltäter. Die Linksterroristen können ganz offen und ungeniert öffentlich werben, mobilisieren, organisieren und zur Gewalt aufrufen auf der Plattform Indymedia. Ich darf noch einmal zitieren: „Es gibt genug Möglichkeiten sich zu bewaffnen“ und „... Anleitungen zum Herstellen von Sprengmittel.“ „Damit können wir deren Personal ... töten.“ „Nennt uns terroristisch …“ – Warum sind die noch online? Für die allermeisten hier ist linke Gewalt immer moralisch irgendwie gute Gewalt, auf jeden Fall bessere Gewalt. Linke stören sich an rechten Meinungen, nicht an linker Gewalt. Wenn ein AfD-Politiker die Flüchtlingspolitik kritisiert, dann ist das aus linker Sicht ein Verbrechen. Wenn ihm anschließend ein Linker dafür das Auto anzündet oder ihn ins Krankenhaus prügelt, wie meinen Kollegen Stephan Schwarz soeben in Baden-Württemberg, dann ist das aus linker Sicht irgendwie konsequent, halt gute Gewalt. Die Sympathisanten dieser linken Gewalt sitzen überall, in den Redaktionsstuben, in den Universitäten, in den Umweltverbänden, in den Gewerkschaften, in den NGOs und, ja, auch hier im Deutschen Bundestag und in der Regierung. Die gesamte linke Seite und auch große Teile der Mitte hier gehören dazu. Deshalb tut Bundesinnenminister Seehofer das, was er am besten kann, nämlich nichts. Ich sage für diese Debatte voraus: Sie werden maximal ein kurzes pflichtschuldiges Lippenbekenntnis zu linksextremer Gewalt auf Indymedia aufsagen, einen halben Satz vielleicht. Dann werden Sie, insbesondere Sie von der Linken, den gesamten Rest Ihrer Redezeit darauf verwenden, gegen die AfD zu hetzen. Sie werden mit Ihrem ganzen Hass und Hetze schwadronieren, aber Sie werden die Gewalt gegen die AfD oder linke Gewalt nicht angemessen verurteilen, weil Indymedia und seine Gewalttäter Ihre willigen Vollstrecker sind, Ihr langer Arm, vor allem jetzt im Wahlkampf, um einen politischen Gegner mundtot zu machen und den schärfsten Konkurrenten aus dem Feld zu drängen. Ganz aktuell: Indymedia mobilisiert und organisiert gerade gegen unseren Parteitag in Berlin in drei Wochen unter der Überschrift „AfD-Parteitag zu Brei stampfen!“. Die Opposition soll plattgemacht werden. Das passt Ihnen einfach hier in Ihr Konzept. Deswegen legen Sie Ihre Bluthunde von Indymedia nicht an die Kette. Oder doch? Ich lasse mich gern von Ihnen jetzt widerlegen. Kommen Sie hier nach vorne. Stimmen Sie unserem Antrag zu, und ziehen Sie Indymedia den Stecker. Vielen Dank. Das Wort hat Susann Rüthrich für die SPD-Fraktion.
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Kay Gottschalk AfD
Kay
Gottschalk
AfD
Sehr verehrte Frau Präsidentin, vielen Dank für das Zulassen der Kurzintervention. – Verehrter Kollege Kasper, ich weiß nicht, ob Sie Ihrem Namen entsprechend heute Morgen selbigen gefrühstückt haben. – Ich könnte noch einen draufsetzen: Es ist ja Mode, dass Sie – wenn wir Sie beim Flunkern ertappt haben – keine Zwischenfrage zulassen. Wenn Sie der gestrigen Sitzung des Finanzausschusses gelauscht hätten, hätten Sie gemerkt, dass Frau Kollegin Hessel in ziemliche Erklärungsnot kam und die entsprechenden Informationen nachreichen wollte. Der Kollege Jan Wenzel Schmidt hat exakt nach diesem Punkt gefragt. Wir haben an dieser Stelle gesagt – auch wir können dann und wann Serviceopposition sein –: Wenn diese Notifikation erfüllt ist und Sie uns eindeutig beantworten können, ob diese vorliegt, dann könnten wir dieser Änderung sogar zustimmen. Das waren die Worte meines Kollegen Jan Wenzel Schmidt. Wenn Sie das hier in dieser ungeheuerlichen Art verdrehen und ins Lächerliche ziehen, dann komme ich zu meiner Eingangsbemerkung zurück: Der muss heute Morgen – Ihrem Nachnamen entsprechend – sehr gut geschmeckt haben, dieser Kasper. Also, wir haben die Abmachung, uns hier nicht persönlich zu schmähen. Ansonsten hat der Abgeordnete Kasper jetzt die Möglichkeit zur Erwiderung. Bitte schön.
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Torsten Herbst FDP
Torsten
Herbst
FDP
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir reden nicht allein über ein wichtiges nationales Verkehrsvorhaben, wir reden nicht allein über ein wichtiges grenzüberschreitendes Projekt, sondern wir reden über ein echtes europäisches Verkehrsprojekt, weil die Fehmarnbeltquerung inklusive unserer Hinterlandanbindung Dänemark, Skandinavien enger mit Deutschland verbindet und am Ende die transeuropäische Achse bis zum Mittelmeer stärkt. Wir als Freie Demokraten befürworten deshalb dieses Projekt. Die Vorteile liegen aus unserer Sicht auf der Hand: Der Fahrweg verkürzt sich deutlich. Es werden mehr Kapazitäten auf der Schiene geschaffen. Und wir haben attraktive Fahrzeiten, die manchen Flug überflüssig machen. Das ist ein Gewinn, meine Damen und Herren, für den Personenverkehr, für den Frachtverkehr, und es ist auch ein Gewinn für die Umwelt. Deshalb, meine Damen und Herren, verstehe ich auch nicht, was die Grünen hier für ein Spiel treiben. Denn in der Theorie sind sie es, die im Verkehrsausschuss immer für die Verlagerung von Verkehr auf die Schiene plädieren. Wenn es konkret wird, sind sie dagegen. Es ist wie bei den Stromtrassen. Das ist doch bigott, meine Damen und Herren. Natürlich gibt es bei so einem Verkehrsvorhaben immer auch Betroffenheiten vor Ort. Deshalb begrüße ich es ausdrücklich, dass hier zu einem sehr frühen Zeitpunkt eine umfassende Öffentlichkeitsbeteiligung stattgefunden hat, angestoßen von der damaligen CDU/FDP-Landesregierung. Ich glaube, in den Jahren, in denen da diskutiert wurde, wurden wirklich alle Argumente gehört und ausführlich abgewogen. Heute ist die Zeit für die Entscheidung, meine Damen und Herren, und nicht für weitere Verzögerungen. Das ist auch eine Frage unserer eigenen Handlungsfähigkeit in Deutschland. Und es ist eine Frage unserer Verlässlichkeit im Umgang mit unseren europäischen Partnern; denn wenn wir den Staatsvertrag mit Dänemark, den wir unterzeichnet haben, nicht erfüllen, meine Damen und Herren, dann braucht sich unser geschätzter Verkehrsminister Bernd Buchholz bei den dänischen Kollegen im Norden gar nicht mehr sehen lassen. Das wäre peinlich, meine Damen und Herren. Auch deshalb muss dieses Projekt heute grünes Licht bekommen. Es ist natürlich auch ein Stück weit ein Spiegel unserer eigenen Langsamkeit bei der Infrastrukturplanung: Seit Anfang der 1990er-Jahre wurde darüber diskutiert. Der Staatsvertrag wurde 2008 unterzeichnet. Die Dänen hatten nach sieben Jahren Baurecht, und wir in Deutschland warten immer noch auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts und haben kein Baurecht. Ich glaube, das zeigt: Wir sollten uns ein Beispiel an unseren dänischen Nachbarn nehmen. Meine Damen und Herren, eine Industrienation braucht eine andere Einstellung zu Ausbau und Modernisierung von Verkehrswegen. Ich wünsche mir mehr Fortschrittsbegeisterung. Ich glaube, dass wir heute eine positive Entscheidung treffen. Ich hoffe auf grünes Licht vom Bundesverwaltungsgericht. Zeigen wir, dass Deutschland seinen Beitrag leistet, damit dieses große europäische Verkehrsvorhaben in die Realität umgesetzt werden kann! Vielen Dank. Vielen Dank, Torsten Herbst. – Es ist beim 0:0 geblieben. Hier sitzt jemand aus Heidenheim. Deswegen habe ich das jetzt gesagt. Nächste Rednerin: für Die Linke Sabine Leidig.
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Pascal Kober FDP
Pascal
Kober
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir freuen uns, dass wir die Verlängerung der Sonderregelungen beim Kurzarbeitergeld beschließen können. Ich möchte mich ausdrücklich bei den Kolleginnen und Kollegen der Fraktionen CDU/CSU und Die Linke bedanken, dass sie den Fristverzichten zugestimmt haben, dass sie konstruktiv die Regelungen schnell hier mit auf den Weg gebracht haben. Das zeigt, dass unser Parlament reaktionsschnell ist; das zeigt, dass unser Parlamentarismus auch in kurzer Zeit handlungsfähig ist. Das ist ein gutes Zeichen, und dafür möchte ich mich ausdrücklich bedanken. Mit der Verlängerung beschreiben wir letztlich mehrere Perspektiven. Zum einen haben sich die wirtschaftliche Lage und die Situation auf dem Arbeitsmarkt spürbar verbessert – das ist gut –, aber noch nicht für alle Betriebe und Branchen gleichermaßen. Bei einer Reihe von Unternehmen hat sich in den letzten Wochen abgezeichnet, dass sie noch über den 31. März hinaus auf das Kurzarbeitergeld angewiesen sein werden; insbesondere die Veranstaltungsbranche und die Gastwirtschaft kämpfen mit den Auswirkungen der Ausbreitung von Omikron und mit der Tatsache, dass die Impfquote weiterhin hinter dem Wünschenswerten zurückbleibt. Für diese Unternehmen sind die heute zu beschließenden Verlängerungen der Möglichkeiten des erleichterten Zugangs zum Kurzarbeitergeld die Chance, unverzichtbare Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu halten. Dass die Unternehmen in Not sind, ist nicht ihre Verantwortung, sondern den einschränkenden staatlichen Maßnahmen geschuldet. An der Stelle möchte ich mich ganz ausdrücklich auch einmal bei den Unternehmerinnen und Unternehmern bedanken, die über das Kurzarbeitergeld hinaus durch eigene Leistungen, die sogenannten Remanenzkosten, die Solidarität mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mitgetragen haben. Das war ein tolles Signal, und dafür ausdrücklichen Dank. Gleichzeitig wollen wir perspektivisch aus dem Krisenmodus aussteigen und zur Normalität wieder zurückkehren. Das betrifft natürlich die einschränkenden Maßnahmen, die wir zurücknehmen wollen; das betrifft aber auch mittelfristig die Sonderregelungen zur Kurzarbeit. Auch aus diesen müssen wir in absehbarer Zeit verantwortungsbewusst wieder herauskommen. Wir haben sie jetzt noch mal um drei Monate verlängert mit der Option einer weiteren Verlängerung durch eine Verordnungsermächtigung; aber die Bundesregierung sollte dieses Mittel äußerst verantwortungsbewusst einsetzen. Kurzarbeit kann und darf kein Dauerinstrument sein. Wir müssen vermeiden, dass strukturelle Probleme einer Branche durch das Kurzarbeitergeld verdeckt werden und dass notwendige Anpassungen in nicht zukunftsfähigen Unternehmen unterbleiben. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass viele Unternehmen derzeit auch im Aufwachsen begriffen sind und händeringend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter suchen, dass der Verbleib in dem einen Unternehmen für den Einzelnen durchaus Sicherheit bedeutet und erstrebenswert ist, in manchen Fällen damit aber auch ein Nachteil für ein anderes Unternehmen einhergeht und vielleicht eine Chance für den Einzelnen mittelfristig verloren geht. Deshalb müssen wir daran denken, dass Kurzarbeit kein Dauerinstrument sein kann. Wir müssen da auch daran denken, dass die Ausgaben für das Kurzarbeitergeld finanziert werden müssen. Für die Zukunft glaube ich, dass wir einsehen müssen, dass Qualifizierung nicht in dem Maße stattgefunden hat, wie wir es für gut befunden hätten, und dass wir daraus lernen müssen, wenn wir Kurzarbeit mit Qualifizierung verbinden wollen. Was muss in Zukunft besser werden? Diese Aufgabe bleibt als Folge aus diesen Erfahrungen, und auch denen sollten wir uns stellen. Das Kurzarbeitergeld ist eine Erfolgsgeschichte; aber nichts ist so gut, dass es nicht auch noch verbessert werden könnte. Vielen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen. Als Nächstes spricht Jessica Tatti für die Fraktion Die Linke.
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Uwe Schmidt SPD
Uwe
Schmidt
SPD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Moin, Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin, das Herzstück Ihrer Politik ist die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum als nationale Aufgabe; das habe ich eben Ihrer Rede entnommen. Der Bund unterstützt die Länder dabei mit erheblichen Mitteln; denn auch die Länder sind dafür zuständig, Wohnungen zu bauen. Insgesamt 14,5 Milliarden Euro sind für den sozialen und klimagerechten Wohnungsbau bis 2026 im Haushalt eingeplant. Unmittelbar nach Inkrafttreten dieses Bundeshaushaltes können die Länder bereits über 2 Milliarden Euro verfügen. Und die Länder legen ihrerseits mindestens 30 Prozent der Bundesmittel obendrauf; dann wird das auch was. Im parlamentarischen Verfahren haben wir den Haushaltsentwurf noch besser gemacht und mit zusätzlichen Mitteln zielgerichtet verstärkt. Einige Punkte möchte ich herausgreifen; die wesentlichen Ziele im Koalitionsvertrag haben meine beiden Vorredner der Ampel schon genannt. Wohneigentum darf kein Luxus für Besserverdienende sein. Wir stellen daher 6 Millionen Euro zum Erwerb von Genossenschaftsanteilen für selbstgenutzten Wohnraum zur Verfügung. Damit ermöglichen wir es künftig jungen Familien mit durchschnittlichem Einkommen, Wohneigentum zu erwerben. Die Ampel hat Jung und Alt gleichermaßen im Blick. Wir statten das KfW-Programm zum altersgerechten Umbau von Wohngebäuden mit zusätzlich 75 Millionen Euro aus. – Ja, es reicht immer nicht. Den einen ist es zu viel, den anderen zu wenig. Mit den Mitteln fördern wir den barrierearmen Umbau von Wohn- und Außenbereichen. So ermöglichen wir einen höheren Wohnkomfort im Alter. In unserer immer älter werdenden Bevölkerung ist dies dringend notwendig; die Ministerin hat das eben angedeutet. Auch der Städtebau steht vor großen Herausforderungen. Städte wachsen immer schneller, Wohnraum wird immer knapper und die Luft in den Großstädten immer schlechter. Auch die Stadtentwicklung muss auf den Klimawandel reagieren. Um weitere Vorbilder für Projekte der nachhaltigen Stadtentwicklung und des Städtebaus in ganz Deutschland zu schaffen, haben wir die Mittel für das Bundesprogramm „Nationale Projekte des Städtebaus“ um weitere 75 Millionen Euro erhöht. Unsere Städte und Kommunen reagieren auf die vielfältigen städtebaulichen Herausforderungen mit innovativen Konzepten wie das Gewächshaus auf dem Dach, die Vernetzung von Kunst und Grünflächen im Quartier oder andere städtebauliche Innovationen zur Lösung drängender Zukunftsausgaben. Die Städte der Zukunft sind nachhaltig, klimaneutral, grün und vernetzt. In diesem Haushalt haben wir noch zwei weitere Programme für die Stadtentwicklung vorgesehen, die vom Bauministerium bewirtschaftet werden. In den Beratungen ist es uns gelungen, das erfolgreiche Programm „Sanierung kommunaler Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur“ neu aufzulegen. Insgesamt 476 Millionen Euro stehen in den nächsten Jahren für neue Projekte bereit. Wir unterstützen damit die Städte und Gemeinden bei zahlreichen Sanierungsprojekten und erhalten damit wichtige soziale Infrastruktur vor Ort. Ob der Sportverein um die Ecke, der Jugendklub in der Nachbarschaft oder die Kulturstätten, sie alle leisten tagtäglich einen großartigen Beitrag für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die soziale Integration in unserem Land. Aspekte des Klimaschutzes werden künftig auch eine größere Rolle bei den Förderkriterien spielen. So denken wir Klimaschutz und Sanierung zusammen und sorgen für Sicherheit im Wandel. Für das Sonderprogramm „Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel“ haben wir die Mittel ebenfalls um 176 Millionen Euro erhöht. Insgesamt stehen 375 Millionen Euro bereit, damit die Kommunen öffentliche Parks und Gärten klimafreundlich weiterentwickeln können. Städtisches Grün trägt erheblich zur Reduktion der Treibhausgasemissionen bei. Kommunen wird so ein aktiver Beitrag zum Klimaschutz ermöglicht. All das sind Zukunftsinvestitionen in das bezahlbare Wohnen, die nachhaltige Stadtentwicklung und das klimafreundliche Bauen. Mein Dank geht an unsere Bundesministerin Klara Geywitz. Vielen Dank an meine Kollegen Andreas Audretsch und Torsten Herbst. Das war eine produktive Zusammenarbeit mit sehr guten Ergebnissen. Schließlich gilt mein Dank den vielen Mitarbeitenden im Hintergrund, in den Abgeordnetenbüros und in der AG. Recht schönen Dank. Das Wort hat der Abgeordnete Marcus Bühl für die AfD-Fraktion.
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Dr.
Dr. Birke Bull-Bischoff DIE LINKE
Birke
Bull-Bischoff
DIE LINKE
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, das System der dualen Berufsausbildung hierzulande ist eine Stärke. Allerdings: Das mit der Integrationskraft sehe ich ein klein bisschen kritischer, liebe Yasmin Fahimi; denn die soziale Herkunft von jungen Menschen entscheidet auch in der beruflichen Bildung sehr oft und maßgeblich über den Bildungserfolg, und das ist – im Wortsinn – ein Armutszeugnis. Zu viele junge Menschen werden in Warteschleifen und Sonderstrukturen verwiesen, zum Beispiel junge Menschen mit Hauptschulabschluss oder ohne Schulabschluss – durch die Praxis der Ausbildungsreife in der Bundesagentur für Arbeit. Lernorte mit einem hohen sozialen Image sind relativ gut ausgerüstet, beispielsweise im Bereich der überbetrieblichen Ausbildung. Sie erfahren öffentliche Aufmerksamkeit und sind ausgerüstet mit digitaler Infrastruktur. Aber dort, wo junge Menschen lernen, die eben nicht auf der Sonnenseite des Lebens unterwegs sind, herrscht oft Mangel, zum Beispiel in der außerbetrieblichen Ausbildung, in der Jugendberufshilfe, im Übergangssystem. Genau deshalb war und ist das einer der Schwerpunkte von uns Linken. Wir brauchen mehr Ausbildungsgerechtigkeit. Wir brauchen mehr inklusive Angebote und Strukturen statt Warteschleifen und Sondersysteme. Deshalb fordern wir eine Ausbildungsgarantie – da sind wir eins; darüber bin ich sehr froh – für alle jungen Leute. Wir brauchen eine Reform des Übergangssystems. Alle jungen Leute, die in diesem Rahmen ihre Ausbildung absolvieren, müssen wenigstens die Chance haben, ihren Schulabschluss zu verbessern, und sie müssen die Chance haben, zu mindestens 50 Prozent von betrieblicher Praxis zu profitieren. Es muss nicht nur mehr Geld ins System, liebe Kolleginnen und Kollegen; es muss auch gerechter verteilt werden. Auch und gerade in der Jugendberufshilfe ist digitale Ausrüstung notwendig. Und wir brauchen das Recht für jeden Azubi, für jede Schülerin und jeden Schüler auf einen Laptop, auf einen Drucker und auf Verbrauchsmaterial. Das Ziel muss immer eine vollqualifizierende Ausbildung sein. Deswegen gehören Unterstützungssysteme, mehr Zeit, mehr sozialpädagogische Hilfen, mehr Flexibilität in das sogenannte Regelsystem, in die duale und die schulische Ausbildung. Ich will noch ein Problem aufrufen, das uns nun über mehrere Jahre beschäftigt hat und sehr wichtig ist: Wer Erzieherin werden möchte, Logopädin oder Ergotherapeutin, der oder meistens die kriegt keine vernünftige Ausbildungsvergütung. Genau das ist der Grund, weshalb viele junge Leute – das habe ich gerade im Wahlkampf in Sachsen-Anhalt wieder erlebt – diese Ausbildung leider abwählen. Dabei brauchen wir Auszubildende in diesen Berufen. Das ist ein unhaltbarer Zustand. Wir brauchen auch für die schulische Ausbildung den Ausschluss von Schulgeld und das Recht auf Ausbildungsvergütung. Das geht mit einem Bundesgesetz. Wir wollen es gerecht machen; das kann man und muss man bundesgesetzlich regeln. Ich danke für die Aufmerksamkeit. Die Kollegin Beate Walter-Rosenheimer ist die nächste Rednerin für Bündnis 90/Die Grünen.
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Lars Klingbeil SPD
Lars
Klingbeil
SPD
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit über zwei Monaten führt Wladimir Putin einen brutalen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Täglich sehen wir das Leid, das Putin und seine Vasallen über die Menschen im Land bringen: gezielte Tötung von Zivilisten, die Bombardierung von Krankenhäusern, von Schulen, von Kindergärten. Wladimir Putin trägt die Verantwortung für diesen Krieg. Er wird als Kriegsverbrecher in die Geschichte eingehen. Und wir werden alles daransetzen, dass er vor den zuständigen Gerichten dieser Welt für diesen brutalen Krieg zur Verantwortung gezogen wird. Es ist gut, dass wir heute hier im Parlament ein eindeutiges, ein unmissverständliches Signal aus der Mitte des Deutschen Bundestages setzen: Putin muss diesen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg beenden! Wir stehen an der Seite derjenigen, die mutig und tapfer in der Ukraine kämpfen. Wir stehen an der Seite der Ukraine. Das machen wir mit diesem gemeinsamen Antrag deutlich. Herr Merz, mir war wichtig, diesen Punkt am Anfang meiner Rede zu nennen. Bei Ihnen hat es fünf Minuten gedauert, bis Sie zum ersten Mal etwas zum Krieg und zum Leiden der Menschen in der Ukraine gesagt haben. Ich habe hier eigentlich auf meinem Zettel stehen: Dank an die Union. Herr Merz, ich muss Ihnen das in aller Emotionalität sagen: Das hätte heute von Ihnen eine staatspolitische Rede werden können. Es ist aber eine parteipolitische Rede geworden. Sie haben zu Ihren eigenen Leuten gesprochen. Ich will Ihnen sagen, Herr Merz: Ich bin dankbar dafür, dass wir einen gemeinsamen Antrag auf den Weg gebracht haben. Danke an die vier Fraktionen und die Vorsitzenden! Aber hier ist kein Platz für parteipolitische Profilierung. Herr Merz, ich will das anhand meiner eigenen Geschichte beschreiben. Ich bin 2009 in dieses Parlament gekommen. Die SPD ist damals in die Opposition gegangen. Das war schwierig für uns, weil wir lange regiert haben. Wir haben eine schwarz-gelbe Regierung erlebt, die nicht immer harmonisch war. Und trotzdem haben wir damals als SPD bei den großen internationalen Fragen, die abgestimmt wurden, nach dem Prinzip gehandelt: Erst das Land, dann die Partei. Erinnern Sie sich, Herr Merz, an das Karfreitagsgefecht, das erste Mal, dass deutsche Soldaten im Ausland gefallen sind. Trotzdem hat die SPD am Afghanistan-Mandat festgehalten, hat ein klares Bekenntnis zur Bundeswehr abgegeben. Erinnern Sie sich an die großen Debatten über die Schutzschirme für Griechenland, für Spanien, den Eurorettungsschirm. Wir hätten uns das einfach machen können, aber wir haben damals nie gegen die Regierung gestimmt. Lieber Herr Merz, ich habe mir in den letzten Tagen Sorgen um die Union gemacht, als Sie kritisiert haben, dass Olaf Scholz nach Japan fährt, dass Olaf Scholz sich mit einem der wichtigsten westlichen Verbündeten trifft. Da habe ich mich gefragt: Was ist nur aus der Union von Angela Merkel geworden? Was passiert da gerade in der Union? Lieber Herr Merz, diejenigen, die am Antrag mitgeschrieben haben, haben nach dem Prinzip gehandelt: Erst das Land, dann die Partei! Ich hätte mir gewünscht, dass diejenigen, die Ihre Rede geschrieben haben, auch nach diesem Grundsatz gehandelt hätten. Aber zur Sache. Ich will ein paar Sätze zu diesem Antrag sagen, weil er mir wirklich wichtig ist. Dieser Antrag stützt das Handeln der Bundesregierung. Diese Regierung handelt, sie liefert, sie führt. Ich will das an dieser Stelle sagen, weil Antragsberatungen ein Moment sind, wo man mal Danke sagen kann. Die Vertreterinnen und Vertreter der Bundesregierung haben Entscheidungen mit einer Reichweite für die nächsten 10, 15, 20 Jahre zu treffen, mit einer Tragweite, die Leben und Tod betreffen. Es sind Entscheidungen, die man sich in der Regierung nicht einfach macht. Ich will hier stellvertretend Nancy Faeser, Christian Lindner, Annalena Baerbock, Christine Lambrecht, Robert Habeck und vor allem Bundeskanzler Olaf Scholz für das danken, was wir in den letzten Wochen an guter Führung durch die Bundesregierung gemeinsam erlebt haben. Ich habe in den letzten Tagen viele Bewertungen der Bundesregierung gelesen. Ich empfehle übrigens, mal die aktuelle Ausgabe der „Time“ zu lesen; da bekommt man einen Überblick, wie Deutschlands Rolle in der Welt gesehen wird. Lassen Sie uns einmal auf die Fakten schauen. Fakt eins. Deutschland hat mit den Partnern Sanktionen vorbereitet und setzt diese massiv durch. Selten gab es ein so großes, umfassendes Sanktionspaket wie jetzt gegen Russland. Russland wird ökonomisch von den internationalen Märkten abgekoppelt und wird es über einen langen Zeitraum bitter zu spüren bekommen, was die Konsequenzen dieser Sanktionen sind. Fakt zwei. Deutschland reduziert die Abhängigkeit von russischem Gas und russischem Öl. Das tun wir in einem größeren Tempo, als es im Koalitionsvertrag schon vorgesehen war. Ich bin dankbar dafür, dass wir das täglich in aller Entschiedenheit gemeinsam tun. Fakt drei. Wir agieren eingebettet in die internationale Kooperation. Der Westen – die NATO, die Europäische Union – war lange nicht mehr so geeint und so stark wie jetzt. Ich sage: Daraus müssen wir etwas machen. Wir können nicht nur zusammenkommen, weil Putin uns treibt, sondern wir brauchen jetzt eine transatlantische Agenda für die Zukunft. Wir brauchen jetzt eine starke Europäische Union. Das ist ein Geschenk für uns, aber es kommt auf das Handeln der Bundesregierung an. Und ja, Deutschland liefert Waffen. Diese Bundesregierung hat mit einem Prinzip gebrochen, das über Jahrzehnte in Deutschland galt. Wir liefern seit dem Beginn des Krieges, und wir sind jeden Tag einen Schritt weitergegangen: in der Qualität, in der Quantität dessen, was wir tun. Aber wir hatten auch hier Prinzipien. In dieser Kontinuität stehen die Entscheidungen der letzten Tage. Wir haben gesagt: Wir stimmen uns mit den internationalen Partnern ab. Wir haben gesagt: Wir gefährden nicht die eigene Landes- und Bündnisverteidigung. Und wir haben gesagt, dass wir selbst nicht zur Kriegspartei werden. Alles das tut die Bundesregierung. Ich bin dankbar dafür – das ist der letzte Punkt, den ich ansprechen will –, dass wir eine Regierung haben, die weiß, dass sie konsequent und schnell entscheiden muss, die aber nicht – Herr Merz, dieser Eindruck entsteht manchmal bei Ihnen – morgens aufwacht und überlegt: Was können wir heute tun? – Gerade in diesen Zeiten, gerade in Zeiten von Leben und Tod, von Krieg und Frieden geht es darum, dass man Grundüberzeugungen und Prinzipien hat und diese auch in einer Zeitenwende nicht über den Haufen wirft. Liebe Kolleginnen und Kollegen, trotz aller parteipolitischer Differenzen will ich am Ende noch einmal betonen: Es ist richtig und wichtig, dass es hier aus der Mitte des Parlamentes ein klares Signal an Wladimir Putin und ein klares Signal an die Menschen in der Ukraine gibt, dass wir als Deutscher Bundestag auf der richtigen Seite der Geschichte stehen. Aber ich sage Ihnen auch: Kleingeistigkeit und Kleinkariertheit, wie sie manches Mal gerade in der politischen Debatte erlebt werden, bringen uns nicht weiter. Wir haben schwierige Entscheidungen vor uns, beispielsweise zum Sondervermögen. Herr Merz, das ist mein letzter Appell: Machen Sie deutlich, dass Sie an der Seite der Soldatinnen und Soldaten stehen! Herr Kollege Klingbeil. Machen Sie deutlich, dass Sie bereit sind, die Fehler aus 16 Jahren unionsgeführtem Verteidigungsministerium zu korrigieren – Herr Kollege. – und mit der Ampel gemeinsam daran zu arbeiten, die Bundeswehr entsprechend auszustatten. Das wäre ein richtiges Signal aus der Union. Vielen Dank fürs Zuhören.
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Sarah Lahrkamp SPD
Sarah
Lahrkamp
SPD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere Welt von heute ist bunt – so bunt und vielschichtig wie Familien. Aber egal, wie sie auch aussehen mögen, sie haben eins gemeinsam: Sie alle sorgen sich angesichts der aktuellen globalen Krisen und der steigenden Inflation. Es brennt für Familien an allen Ecken und Enden. Wie heize ich meine Wohnung? Wie bezahle ich den Wocheneinkauf, die Klassenfahrt oder die Tankfüllung? Und das sind nur einige ihrer Fragen. Familien sind wichtige Pfeiler unserer Gesellschaft. Daher lassen wir Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen sie nicht alleine und – noch weniger – länger warten. Das Thema Kinderarmut beschäftigt uns nicht erst seit gestern. Wir alle wissen, dass in Deutschland die Chancen von Kindern und Jugendlichen immer noch vom Geldbeutel der Eltern abhängen. Deshalb wollen wir eine Kindergrundsicherung einführen, um Kinder noch stärker aus der Armut zu holen. Aber bis zu deren Einführung dürfen wir nicht untätig sein. Viele Entlastungen haben wir glücklicherweise bereits auf den Weg gebracht, so zum Beispiel in 2022 den Kinderbonus als Einmalzahlung, den Kindersofortzuschlag oder auch die Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro, welcher gerade für Familien mit kleinem Einkommen spürbar entlastend wirkt. Aufgrund der Dynamik der Inflation müssen wir allerdings noch mehr tun. Gerade auch die SGB-II-Empfänger/-innen brauchen verstärkt unsere Hilfe. Diese werden sie auch bekommen, zum Beispiel durch die Einführung des Bürgergeldes Anfang nächsten Jahres. Aber auch für Familien mit kleinem und mittlerem Einkommen wird es gegenwärtig immer schwerer, ihre Rechnungen am Ende des Monats zu bezahlen. Deshalb hat die Ampelregierung am Wochenende ihren Entwurf für ein drittes, noch größeres Entlastungspaket vorgelegt. Um die Zeit bis zur Einführung der Kindergrundsicherung zu überbrücken, wollen wir unter anderem das Kindergeld um 18 Euro erhöhen und den Höchstbetrag des Kinderzuschlags auf 250 Euro anheben. Mit einer Reform des Wohngeldes inklusive Einführung des Heizkostenzuschusses wollen wir zudem deutlich mehr Menschen erreichen und so auch Familien durch diese schwierige Zeit helfen. „Entlastungen“ sind daher auch für Familien das Stichwort überhaupt. Doch es reicht nicht, sie nur finanziell zu entlasten. Familien müssen gerade in Zeiten der Krise insgesamt gestärkt werden. So brauchen Eltern mehr Zeit für ihre Kinder. Sie müssen die Gelegenheit haben, sich die Sorgearbeit gleichberechtigt untereinander aufzuteilen – und das von Anfang an. Für mich persönlich ist das eine Herzensangelegenheit in dieser Legislaturperiode! Im Koalitionsvertrag haben wir deshalb das sogenannte Partnerschaftspaket bereits angekündigt und mittlerweile auch ins Rollen gebracht. Hier geht es um einen guten Start ins Leben, konkret um eine zweiwöchige Freistellung des Vaters bzw. des zweiten Elternteils nach der Geburt eines Kindes. Eltern sollen als Familie ankommen können, und der Vater oder der zweite Elternteil soll die Möglichkeit bekommen, sich bei der Pflege und der Betreuung des Babys von Anfang an aktiv mit einzubringen. Ich selbst kann das als vierfache Mutter nur begrüßen und freue mich schon sehr auf die jetzt anstehenden Verhandlungen. Auch unser Elterngeldmodell ist ein voller Erfolg. Daher streben wir eine Erweiterung der Partnermonate an. Fakt ist: Wir brauchen bedarfsgerechte Instrumente für Familien, damit Eltern auch in Zeiten der Krise mehr Zeit für ihre Kinder finden. Haben wir starke Familien, so haben wir auch starke Kinder. Kinder sind unsere Zukunft, und sie können unsere Gesellschaft zum Besseren gestalten – in Zeiten der Klimakrise und Transformation eine wichtige Aufgabe. Darauf müssen wir sie besonders vorbereiten, und dafür müssen wir ihnen und ihren Familien ein gutes Leben ermöglichen. Vielen Dank. Paul Lehrieder hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
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Dr.
Dr. Götz Frömming AfD
Götz
Frömming
AfD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! „Für unseren besten Mathelehrer; wir werden Sie sehr vermissen“ stand auf dem Schild und darunter in Klammern: „Scheiß Corona“. Es stimmt mich nachdenklich und traurig, wenn ich mir vorstelle, dass dieser Lehrer vielleicht noch hätte leben können, wenn er nicht in Berlin, sondern in Israel gelebt hätte. Meine Damen und Herren, zu den Anträgen. Die Anträge adressieren Probleme, für die zum großen Teil die Länder zuständig sind; Frau Dr. Mannes hat es schon erwähnt. Die Linke will Investitionen in den Bau von Schulen und Hochschulen. Die FDP legt einmal mehr die Platte auf, die wir hier schon seit vier Jahren hören: mehr Digitalisierung, dieses Mal zur Abwechslung an den Hochschulen – immerhin. Meine Damen und Herren, sowohl Die Linke als auch FDP und Grüne, die hier immer dazwischenquäken, sind ja an Landesregierungen beteiligt. Dann müssen Sie sich schon mal fragen lassen: Was haben Sie denn eigentlich in den Ländern, wo Sie regieren bzw. mitregieren, im Bildungswesen bisher erreicht? Sieht es denn dort wesentlich besser aus? Wir alle kennen die Antwort. Sie lautet: Nein. Schon in der Analyse liegen Sie übrigens in Ihren Anträgen falsch. Was den Bau von Schulen anbelangt, so mangelt es vor allem nicht an Geld, sondern am politischen Willen, es richtig einzusetzen. Ein Blick in den Bildungsfinanzbericht von 2020 wäre hier aufschlussreich gewesen. Die Pläne der öffentlichen Haushalte sahen für 2020 Bildungsausgaben in Höhe von fast 160 Milliarden Euro vor. Die öffentlichen Bildungsausgaben pro Einwohner lagen 2019 rund 39 Prozent über dem Niveau von 2010. Und durch die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen von 2017 – Kollege Rehberg ist heute nicht da; er erwähnt das auch immer zu Recht – stehen den Ländern ja jährlich 10 Milliarden Euro mehr für Bildung zur Verfügung, wenn sie denn wollen. Es ist also eigentlich genug Geld im System; es wird nur falsch eingesetzt. Wenn man die Milliarden natürlich lieber in Digitalisierungsprojekte steckt, deren pädagogischer Nutzen mehr als fragwürdig ist, dann muss man sich nicht wundern, wenn auf der anderen Seite das Geld für die Neueinstellung von Lehrern, den Neubau sowie die Sanierung von Schulgebäuden fehlt. Was uns beim Antrag der Linken einmal mehr irritiert, ist Ihre Sorglosigkeit beim Umgang mit unserer Verfassung. Schon wieder wollen Sie ein angebliches Kooperationsverbot abschaffen, das es so gar nicht gibt, und den Ländern Kompetenzen streitig machen. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich das hier ganz deutlich sagen: Der föderale Aufbau unseres Staates gehört zu den Kernbereichen unseres Grundgesetzes, und wir sollten ihn nicht antasten. Wenn Sie den Ländern letztlich die Zuständigkeit für die Bildung entreißen wollen, dann rütteln Sie damit an den Grundfesten unserer demokratischen Ordnung. Wir machen das nicht mit. Worauf Sie hinauswollen, ist doch vollkommen klar: Ihnen schwebt eine zentralistische Steuerung unseres Bildungswesens vor, wie wir sie aus der DDR kennen. Alle demokratischen Fraktionen dieses Hauses sollten sich diesem Ansinnen entgegenstellen. Die Bildung wird von zwei Seiten in die Zange genommen: Auf der einen Seite ist es die FDP, die Bildung zur Ware machen will, und dazu ist ihr die Digitalisierung der Schlüssel. Auf der anderen Seite sitzt Die Linke; sie will die digitalen Systeme mit ihrer zentral gesteuerten Gender- und Gleichheits-, Quoten- und Umverteilungsideologie füllen. SPD und CDU leisten nach Jahren ideologischer Gehirnwäsche nur noch geringen Widerstand, schauen dem Treiben zu oder machen sogar mit, weil sie das für modern halten. Meine Damen und Herren, um an dieser Stelle nicht missverstanden zu werden: Wir sind sehr für Gleichberechtigung; wir sind für das Leistungsprinzip. Aber wenn Sie Ergebnisgleichheit als Ziel postulieren wollen, dann sind Sie mehr bei Margot Honecker und nicht bei Wilhelm von Humboldt, für den wir stehen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Danke schön, Dr. Götz Frömming. – Nächste Rednerin: für die SPD-Fraktion Dr. Wiebke Esdar.
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Bettina Stark-Watzinger FDP
Bettina
Stark-Watzinger
FDP
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Versetzen wir uns doch einmal für eine Minute in die Situation in einer jungen Gründerin. Sie hat die ersten Kunden für ihr Produkt gefunden, die Nachfrage wächst rasant, aber damit auch die Herausforderungen: mehr Personal, mehr Technik; neue Zukunftsmärkte sind zu erschließen. – Hier stößt sie an ihre Grenzen. Ein Problem: In Deutschland fehlt es schlicht an genügend privatem Kapital, an Menschen, die in ihr vielversprechendes Unternehmen investieren. Die Gründerin steht vor einer schwierigen Entscheidung. Bleibt sie in Deutschland, geht sie das Risiko ein, dass ihr Unternehmen langsamer wächst und die anderen an ihr vorbeiziehen, oder sie holt sich internationale Investoren an Bord, oder sie geht gleich direkt ins Ausland, ins Silicon Valley, nach Hongkong oder nach Israel. Circa 10 Milliarden Euro Wagniskapital fehlen uns hierzulande im Vergleich zu den führenden Gründernationen. Machen wir uns nichts vor: Zu viele Zukunftschancen wandern ab. Was uns fehlt, sind nachwachsende Wachstumssterne, die das Potenzial haben, globale Zugkraft zu entwickeln, neue Technologien zu entwickeln und damit auch Chancen zu schaffen. Führende Technologienation wird man nicht, indem man per planwirtschaftlichem Dekret, wie Herr Altmaier das möchte, Unternehmen unter Artenschutz stellt. Führende Technologienation wird man, indem man agilen Unternehmen die Chance zum Wachstum gibt. Die staatlichen Besitzgarantien unterliegen immer dem ergebnisoffenen Wettbewerb. Noch etwas. Im Silicon Valley sind Pensionsfonds die größten Wagniskapitalgeber. Der Staat steht auf Rang fünf. In Deutschland ist es genau umgekehrt; das müssen wir ändern. Wir müssen mehr privates Kapital mobilisieren, das bereit ist, Chance und Risiko zu tragen. Der deutsche Rentner sorgt sich vor dem Hintergrund der niedrigen Zinsen um die Altersvorsorge. Der Rentner in den USA profitiert von den Investitionen in Wagniskapital, übrigens auch in deutsche Unternehmen. Wir schaffen es derzeit nicht, die breite Mittelschicht an unseren Erfolgsgeschichten im Lande zu beteiligen. Die Ursache für die Dürre hat Gründe, nämlich die regulatorischen Hürden, um Wagniskapital zu zeichnen, und schlichtweg die fehlende Erfahrung unserer institutionellen Anleger. Hier kommt der Zukunftsfonds ins Spiel. Dänemark hat es uns vorgemacht. Es hat eine Brücke gebaut, um diese Kluft zu überwinden: Ein Dachfonds – es ist ein Fonds, der in mehrere Venturecapital-Fonds investiert – bietet zwei Wege: den direkten Einstieg und die Expertise. Durch das Zeichnen einer Anleihe gibt es ein Netz mit doppeltem Boden, wodurch den Investoren der Weg geebnet wird. Schaffen wir einen solchen Zukunftsfonds für Deutschland! Die Basis haben wir mit der KfW Capital GmbH. Sie trägt durch eine hohe Diversifizierung des Zukunftsfonds ein relativ geringes Risiko, partizipiert aber an den Renditen des Zukunftsfonds. Mit diesen größeren Summen, neudeutsch: mit diesen großen Tickets, können wir den jungen Unternehmen in der Wachstumsphase mehr Kapital zur Verfügung stellen. Wir schaffen moderne Arbeitsplätze, und wir können mit höheren Renditen auch in der Altersvorsorge davon profitieren. Ziel kluger Politik muss es sein, dass Ideen in unserem Land wieder wachsen: die neue Krebstherapie, der Stoff, der Mikroplastik unnötig macht, oder der Einsatz von künstlicher Intelligenz, der uns den Alltag erleichtert. Schaffen wir den Zukunftsfonds, damit meine junge Gründerin nicht ausgebremst wird. Wir haben kluge Menschen. Sie sind im Augenblick trotz der herrschenden Politik erfolgreich. Helfen wir ihnen durch gute Politik, noch erfolgreicher zu werden. Die Zukunft gehört denen, die etwas tun. Vielen Dank. Astrid Grotelüschen, CDU/CSU, ist die nächste Rednerin.
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Britta Haßelmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Britta
Haßelmann
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Die Zeit drängt, und das wissen wir alle. Eigentlich läuft uns die Zeit auch schon davon. Meine Damen und Herren, wenn man sich die Reden gerade angehört hat, auch die aus der Koalition, dann könnte man verzweifeln, weil einfach nichts mehr passiert. Der eine sagt „Du musst“, und der andere sagt: Du musst. – Wir haben ein Wahlrecht, und dessen Grundlage ist das personalisierte Verhältniswahlrecht. Wir haben über ein Jahr in einer Wahlrechtskommission bei Herrn Schäuble, dem Bundestagspräsidenten, darum gerungen, ob auf dieser Grundlage das Ergebnis, den Bundestag zu verkleinern, zu erzielen ist. Man muss an dieser Stelle ganz deutlich sagen: Bis heute ist es vor allen Dingen die CSU, die jede Lösung blockiert, und das ist – das sage ich sowohl an Dobrindt als auch an Söder gerichtet – unverantwortlich, meine Damen und Herren. Es ist absolut unverantwortlich, was die CSU hier für ein Spiel treibt. Auch der letzte Versuch, den gerade Alexander Dobrindt an Journalistinnen und Journalisten streut, ist nicht verfassungsgemäß. Er zielt nur – raten Sie mal – auf die Stimmenmaximierung und die Stimmensicherung der CSU ab. Und es ist schändlich, dass Sie das tun und dass Sie hier keine Einsicht haben, sodass kein Gesamtkonzept und keine Lösung bei der Union besteht, keine Lösung zwischen den Koalitionsfraktionen und deshalb bis heute keine Lösung zwischen den demokratischen Fraktionen hier im Parlament. Das ist fahrlässig. Die Zeche werden am Ende alle demokratischen Parteien zahlen müssen, wenn Sie nicht bald zur Vernunft kommen, und dazu rufe ich Sie auf. Meine Damen und Herren, wer die letzte Umfrage von Infratest dimap gesehen hat und ein bisschen was vom Wahlrecht versteht, hat vielleicht mal nachgerechnet, was ein entsprechendes Wahlergebnis beim jetzt geltenden Wahlrecht umgerechnet bedeuten würde: 871 Abgeordnete. Zumindest diese Zahl müsste Ihnen von der CDU/CSU und der SPD jetzt mal sagen: Es muss was passieren, und wir müssen das bis Ostern hinkriegen, verdammt noch mal. Es gibt dafür nur zwei Möglichkeiten. Wenn ich die Schlauberger da vorne in der zweiten und dritten Reihe höre, die mir erklären, das sei doch alles ganz einfach, man müsse nur bei den Listenabgeordneten kürzen, dann kann ich Ihnen sagen: Sie haben leider keine Ahnung vom geltenden Wahlrecht. Das geltende Wahlrecht ist eindeutig: personalisiertes Verhältniswahlrecht. Das, wovon Sie träumen, meine Herren, ist die Einführung des Mehrheitswahlrechtes, und dafür wird es in diesem Parlament keine Mehrheit geben. Das garantiere ich Ihnen. Wo kommen wir denn da hin? Parteien wie die CDU und die CSU kriegen am Ende im Bundestag 24 Prozent – 24 Prozent! –, und sie glauben, damit eine absolute Mehrheit sichern zu können. Für wie blöd halten Sie eigentlich die Bürgerinnen und Bürger? Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder wir reduzieren die Anzahl der Wahlkreise, oder/und Sie verabschieden sich von dem sogenannten Sitzkontingentverfahren, den Länderproporzen, die nämlich auch noch Überhänge produzieren. Oder man geht hin, wie die SPD gerade vorgeschlagen hat, und sagt: Das Zweitstimmenergebnis muss sich im Bundestag eins zu eins widerspiegeln – das sagen wir auch –, und dann kappt man bei den Direktmandaten alles über dem Zweitstimmenergebnis. Das ist auch eine Möglichkeit. Dann mal her mit der Idee, als Drucksachennummer auf den Tisch! Wenn unser guter Gesetzentwurf sich nicht durchsetzt, dann – so habe ich das Gefühl – könnte Ihrer eine Mehrheit kriegen; aber dann brauchen wir den jetzt hier mal als Drucksachennummer und nicht nur als „Spiegel“-Artikel. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss noch was sagen, Stichwort „Parité“: Nachdem die Kanzlerin, nachdem die Vorsitzende der CDU, nachdem auch viele Frauen aus der CDU/CSU-Fraktion, nachdem die Frauen der SPD-Fraktion und wir, Bündnis 90/Die Grünen und die Linken, längst erklärt haben: „Wir wollen jetzt endlich mal was zur Parité machen; wir wollen uns nicht länger damit abfinden, dass der Frauenanteil im Deutschen Bundestag so niedrig ist“, erwarte ich aber auch, dass bei diesem Thema die Lippen nicht nur sonntags gespitzt werden, sondern dass wir auch wirklich daran arbeiten, wenn die Fraktionsvorsitzenden nächste Woche zusammenkommen, und dass Sie meine Fraktionsvorsitzende dann unterstützen, wenn sie vorschlägt, das Thema Parité bei der Wahlrechtsreform tatsächlich vor die Klammer zu ziehen und nicht nur darüber zu reden. Vielen Dank. – Als Nächster spricht der Kollege Michael Frieser für die Fraktion der CDU/CSU.
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Matthias Hauer CDU/CSU
Matthias
Hauer
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ampelkoalition ist die schlechteste Bundesregierung, die wir je hatten, und das zeigt sich auch bei diesem Gesetz. Es ist dringend nötig, die Sanktionen gegen russische Oligarchen endlich auch in Deutschland konsequent umzusetzen. Und was tut die Ampel? Erst lassen Sie sich monatelang Zeit, dann legen Sie jetzt einen völlig unzureichenden Gesetzentwurf vor und wollen Ihr Gesetz nun auch in Windeseile durch dieses parlamentarische Verfahren peitschen. Das hat mit sachgerechter Gesetzgebung überhaupt nichts zu tun. Beim Sanktionsdurchsetzungsgesetz I war das parlamentarische Verfahren schon unterirdisch. Die Ampel hat damals versprochen, dass das die „absolute Ausnahme“ bleiben würde. Und beim zweiten wiederholt sich das nun. Die Ampel zeigt damit auch Geringschätzung des in Deutschland reichlich vorhandenen Sachverstandes. Fast 100 Seiten hat der Gesetzentwurf. Er schafft ein neues Gesetz und ändert 21 Gesetze. Raten Sie mal, wie viel Zeit SPD, Grüne und FDP zum Beispiel den Gewerkschaften oder den Berufsverbänden gewährt haben, um diese 100 Seiten Gesetzesänderungen zu bewerten? Weniger als 45 Stunden, also keine zwei Tage! Natürlich gibt es daran einhellige Kritik bei der Zivilgesellschaft. Beispielsweise schreibt der Deutsche Notarverein in seiner Stellungnahme: Die gesetzte Frist von eineinhalb Tagen, die zumindest in den zurückliegenden 10 bis 20 Jahren beispiellos sein dürfte, lässt eine seriöse Befassung mit dem Entwurf nicht zu. Sie erweckt leider den Eindruck, dass eine solche auch gar nicht gewollt ist … Durch solche Aktionen macht die Ampel die wichtige Beteiligung der Zivilgesellschaft zu einer Farce. Aber auch inhaltlich geht Ihr Gesetz nicht weit genug. Deutschland ist bei der Durchsetzung der EU-Sanktionen schlecht aufgestellt. Man fragt sich ernsthaft, wieso Sie fast ein Dreivierteljahr gebraucht haben, um dann dieses völlig unzureichende Gesetz vorzulegen. Die Ampelkoalition selbst hat das Zuständigkeitswirrwarr herbeigeführt. Im Mai haben Sie noch beschlossen, dass die Bundesländer für die Sanktionsdurchsetzung zuständig sein sollen. Wir haben das damals schon als schwerwiegenden Fehler bezeichnet, und wir haben damals vorgeschlagen, dass der Bund die Zuständigkeit bekommen soll. Es geht um sensible außenpolitische Sachverhalte; das gehört auf die Bundesebene. Wären Sie damals schon unseren Weg mitgegangen, hätten wir seit Monaten eine schlagkräftige Struktur aus einer Hand. Sie haben stattdessen darauf vertraut, dass 16 Bundesländer behördliche Parallelstrukturen aufbauen und für diese aktuelle Ausnahmesituation viele neue Stellen schaffen. Natürlich haben die Bundesländer das nicht getan, weil Sie – der Bundesminister hat es gerade gesagt – schon damals den Bundesländern gesagt haben, dass diese Aufgabe demnächst sowieso beim Bund landen wird. So ist wichtige Zeit bei der Durchsetzung der Sanktionen verloren gegangen. Jetzt wollen Sie eine neue Zentralstelle erst mal bei der Generalzolldirektion ansiedeln, aber auch das nur vorübergehend. Die Ampel will also nach dieser Übergangslösung eine Übergangslösung. Wir sagen: Schaffen Sie klare Zuständigkeiten mit einer Zollpolizei, statt immer neue Übergangslösungen! Die Ampel will die Sanktionsdurchsetzung in 22 Gesetze packen; wir als Union wollen das in einem Gesetz bündeln. Die Ampel lässt sanktionierte Oligarchen weiter in Luxusvillen wohnen und in Luxuskarossen rumfahren; wir wollen das nicht. Wir wollen stattdessen Nutzungsverbote. Wir wollen Möglichkeiten, diese Güter zu verwerten. Wer zu Putins Regime gehört und diesen Krieg gegen die Ukraine aktiv unterstützt, der soll mit seinem Vermögen auch zum Wiederaufbau der Ukraine beitragen müssen. Die Ampel will bei Vermögen unklarer Herkunft weiter wegsehen. Wir als Union wollen, dass zukünftig eine vollständige Beweislastumkehr gilt. Wenn zum Beispiel beim ehemaligen SPD-Chefhaushälter plötzlich über 200 000 Euro im Bankschließfach auftauchen, dann soll der künftig nachweisen müssen, woher die Gelder stammen. Dazu findet sich im Ampelgesetz übrigens nichts. Die Ampel will nun ein Barzahlungsverbot für den Kauf von Immobilien. Es ist gut, dass die Ampel unseren Vorschlag dazu aufgegriffen hat, und wir unterstützen das natürlich. Ebenso unterstützen wir auch die Hinweisgeberstelle und auch die Aufnahme von Immobiliendaten ins Transparenzregister. Wir wollen insgesamt mehr Transparenz im Geschäftsverkehr. Wenn bei einem Unternehmen zum Beispiel überhaupt nicht klar ist, wer am Ende wirtschaftlich Berechtigter ist, dann soll ein solches Unternehmen keine Geschäfte machen dürfen. Und auch wenn Gesellschaften Immobilien kaufen, müssen deren Anteilseigner verlässlich identifizierbar sein. Auch hierzu findet sich im Ampelgesetz nichts. Wenn Sie also bei der Sanktionsdurchsetzung wirklich einen großen Schritt nach vorne machen wollen, dann sollten Sie die Punkte aus dem Unionsantrag unterstützen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Vielen Dank, Herr Kollege Hauer. – Nächster Redner ist der Kollege Carlos Kasper, SPD-Fraktion.
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Cornelia Möhring DIE LINKE
Cornelia
Möhring
DIE LINKE
Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die meisten werden sich erinnern: Vor einem Jahr haben wir hier im Hause die Feierstunde „100 Jahre Frauenwahlrecht“ begangen. Ich möchte daran erinnern, dass beide Festrednerinnen, Rita Süssmuth und Christine Bergmann, sehr viel fraktionsübergreifenden Applaus bekommen haben, und zwar für ihre Kritik daran, dass wir hier zu wenig Frauen haben, und für die Aufforderung, etwas daran zu ändern. Ich befürchte, ehrlich gesagt, dass der Beifall weniger dem Inhalt als der Höflichkeit geschuldet war, sonst würden auf unserem Gruppenantrag nicht nur Linke und Grüne stehen, oder es gäbe andere Initiativen und konkrete Vorschläge, um Parität in das Wahlrecht einzuschreiben. In unserer interfraktionellen Gruppe für mehr Frauen in die Parlamente waren wir uns in mindestens drei Punkten einig. Ich glaube, wir sind es immer noch. Erstens. 30 Prozent Frauen im Bundestag sind viel zu wenig. Zweitens. Dass in keinem Parlament dieses Landes Frauen und Männer zur Hälfte sitzen, geht gar nicht. Drittens. Dass die Zahl sogar sinkt, muss dringend umgekehrt werden. In der Linken ist das übrigens selbstverständlicher Konsens für alle. Deshalb quotieren wir unsere Listen und diskutieren engagiert verschiedene Wege, um Parität in den Parlamenten zu erreichen. Wir haben auch einen eigenen Gesetzentwurf entwickelt. Aber uns ist klar, dass Änderungen im Wahlrecht, die dazu führen, dass mehr Frauen in die Parlamente kommen, nur erreicht werden können, wenn es ein gemeinsames Vorgehen aus der Mitte des Bundestages gibt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die heute diskutierte Initiative fordert doch nicht einmal viel. Im Endeffekt will sie den Beifall aus der Feierstunde festschreiben und uns verpflichten, konkrete Schritte gemeinsam zu erarbeiten. Es ist ein Minimalkonsens. Wer selbst das nicht zulassen will, hat anscheinend mächtig Muffensausen. Ein paar Worte zur SPD. Ich habe gehört, dass ihr sagt: Es ist zu spät für die Kommission; es muss jetzt die anstehende Wahlrechtsreform genutzt werden. – Okay, hier wäre ich sogar dabei, wie wahrscheinlich alle anderen auch. Aber ihr müsst mir das erklären. Die Kommission kommt seit dem Sommer nicht zustande, weil sie in der Union nicht durchsetzbar war. Woher nehmt ihr die Hoffnung, dass ihr mit der Regierungsfraktion tatsächlich Änderungen im Wahlrecht erreicht? Das ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, eine Beerdigung erster Klasse der anstehenden Wahlrechtsreform und der Kommission. Das verstehe ich wirklich nicht. Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Mast? Ja. Liebe Kollegin Möhring, jetzt muss ich meine Erwiderung zu Ihrer Aussage in eine Frage kleiden. Sind Sie nicht auch mit mir der Meinung, dass wir in der interfraktionellen Gruppe, wie ich finde, sehr vertrauensvoll zusammengearbeitet haben? Zu dem Vorschlag, den die Grünen heute mit Ihnen gemeinsam vorlegen, kann ich sagen, dass ich persönlich Wort für Wort hinter diesem Vorschlag stehe, weil er nämlich einen Zweck hatte. Ich kann jedes Wort davon unterschreiben. Für die anderen Frauen in der SPD-Bundestagsfraktion, die mitgearbeitet haben, gilt übrigens das Gleiche. Wir haben diesen Vorschlag gemacht, weil wir gespürt haben, dass es unterschiedliche Neigungen zu gesetzlichen Regelungen zum Thema Parität gibt. Das zeigt auch der Frauenanteil in den einzelnen Fraktionen: um die 10 Prozent bei der AfD, ungefähr 23 Prozent bei der FDP, ungefähr 20 Prozent bei der CDU/CSU, ungefähr 56 Prozent bei den Grünen. Bei uns sind es 43 Prozent. Bei euch sind es ungefähr 50 Prozent. Frau Kollegin. Die FDP ist früh ausgestiegen, als Erste. Frau Kollegin. Dann haben wir gemerkt: In der Koalition bekommen wir keine gemeinsame Haltung zu dieser Kommission beim Bundestagspräsidium hin. Frau Kollegin. Wir sind gebunden an den Koalitionsvertrag, in dem drinsteht, – Sie sollen keine Kurzintervention, sondern eine Zwischenbemerkung machen. – dass wir mit unserem Koalitionspartner immer gemeinsam abstimmen. Das ist die Situation. Frau Kollegin Mast! Deshalb sind uns hier die Hände gebunden. Sehen Sie das nicht auch? Liebe Kollegen, man muss keine Zwischenfrage stellen; man kann auch eine Zwischenbemerkung machen. Aber bitte keine Kurzintervention, sondern eine kurze Zwischenbemerkung. Bitte, Sie können jetzt auf die Frage antworten. Liebe Katja Mast, mir ist schon klar, dass ihr in eurer unglücklichen GroKo-Ehe verhaftet seid und dass das letztendlich der Grund ist, warum ihr nicht – das sage ich jetzt mal so salopp – genug Arsch in der Hose habt, um den Gruppenantrag zu unterstützen. Ich sehe natürlich, dass das für euch ein Problem ist. Aber gleichzeitig ist es doch so: Ihr werdet in der Konstellation keinerlei Fortschritte hinsichtlich der Parität in der Wahlrechtsdebatte erreichen. Das heißt, wir brauchen eine Kommission, um konkrete Schritte zu erarbeiten, damit wenigstens zur übernächsten Bundestagswahl konkrete Maßnahmen zur Herstellung der Parität festgeschrieben werden. – Sind wir hier eigentlich in einer Kneipe? Ich will abschließend noch ein paar Worte an die Kolleginnen und Kollegen der FDP richten. Die Gründe für den geringen Frauenanteil im Bundestag sind doch ziemlich klar – um das zu erkennen, braucht man, ehrlich gestanden, keine Studie und keine große Untersuchungen –: festgefahrene Strukturen in Parteien und im Wahlrecht, bei Listenaufstellungen werden Frauen übergangen, eine politische Kultur, die immer noch Männerbünde honoriert; um nur ein paar Punkte zu nennen. Und die FDP selber ist eigentlich ein Garant dafür, dass genau daran nichts geändert wird. Frau Kollegin, kommen Sie zum Schluss. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt kein Erkenntnisproblem, es gibt ein Umsetzungsproblem. Es ist Zeit für Parität. Verpflichten wir uns endlich, gemeinsam daran zu arbeiten. Die Einladung steht. Die Kollegin Petra Nicolaisen ist die nächste Rednerin für die CDU/CSU-Fraktion.
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Matthias Höhn DIE LINKE
Matthias
Höhn
DIE LINKE
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit 1947 gibt es die Doomsday Clock. Seitdem wird symbolisch auf dieser Uhr angezeigt, wie nah wir vor einer atomaren Katastrophe stehen. 1947 stand die Uhr auf sieben Minuten vor zwölf. Seitdem wird sie jedes Jahr von Atomwissenschaftlern und Friedensnobelpreisträgern mal nach vorn, mal zurückgestellt, je nach Sicherheitslage. 1991 stand sie auf 17 Minuten vor zwölf, im Jahr 2018 steht sie auf zwei Minuten vor zwölf. Es ist höchste Zeit, dass wir endlich konkrete Schritte zur atomaren Abrüstung einleiten, liebe Kolleginnen und Kollegen. Herr Kollege Kiesewetter, wenn Sie hier – ja nicht zu Unrecht – Länder aufzählen, die auch gerne in den Besitz von Atomwaffen kämen, dann bestätigen Sie doch die Notwendigkeit eines Vertrages, der Atomwaffen global ächtet. Herr Felgentreu, Sie können auch heute wieder ICAN loben. Sie loben ICAN zu Recht für dieses großartige Engagement. Aber wenn es bei dem Lob bleibt, dann ist es auch nur ein Lippenbekenntnis, lieber Kollege Felgentreu. Am 7. Juli 2017 haben 122 Staaten in der UN-Vollversammlung für den Atomwaffenverbotsvertrag gestimmt. Was haben wir erlebt? Die Bundesregierung hat nicht nur nicht zugestimmt; sie hat nicht einmal mitverhandelt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn eine Mehrheit der Weltgemeinschaft sich einem so zentralen Anliegen zuwendet, dann erwarte ich mindestens, dass die Bundesregierung mitredet und mitverhandelt und nicht außen vor bleibt. Eben ist zu Recht darauf hingewiesen worden, was wir gemeinsam beklagen. Wir haben gestern Abend im Ausschuss auch wieder darüber geredet, dass zentrale vertragliche Eckpfeiler der Abrüstung – der KSE-Prozess, der INF-Vertrag; alles ist hier schon angesprochen worden – ins Rutschen geraten. Haben wir dann einmal eine neue Abrüstungsinitiative, ist es inakzeptabel, wenn die Bundesrepublik dann außen vor bleibt, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich will auch zu dem eben vorgetragenen Argument etwas sagen, dass der Atomwaffenverbotsvertrag den Sperrvertrag unterminiere oder schwäche. Das Gegenteil ist doch der Fall. Nennen Sie mir eine Klausel in diesem Vertrag, der Ihr Argument stützt. Es ist im Gegenteil festgeschrieben, dass alle, die dem Atomwaffenverbotsvertrag beitreten, die Regeln des Sperrvertrags auch danach einzuhalten haben. Es gibt keine Schwächung des Sperrvertrages durch den Verbotsvertrag. Sie haben den zentralen Punkt angesprochen: Der Atomwaffenverbotsvertrag ist natürlich zunächst einmal kein Widerspruch zur NATO-Mitgliedschaft; aber er ist ein Widerspruch zur nuklearen Teilhabe. Sosehr mich diese Aussage ärgert, so dankbar bin ich Ihnen, dass Sie damit in aller Deutlichkeit aussprechen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass Sie nämlich auch in diesem Jahr, im Jahr 2018, zwei Minuten vor zwölf, meinen, nukleare Abschreckung würde mehr Sicherheit schaffen. Ich will Ihnen sagen: 70 Prozent der Bevölkerung in diesem Land sehen das anders. Sie möchten nämlich, dass wir dem Atomwaffenverbotsvertrag beitreten und dass die US-Atomwaffen abgezogen werden. Hören Sie doch einmal auf die eigene Bevölkerung, liebe Kolleginnen und Kollegen. Zu Recht ist gesagt worden: Wir waren in diesem Haus 2010 schon einmal weiter. – Wenn Sie Herrn Westerwelle hier erwähnen, so sage ich Ihnen: 2010 ist in diesem Haus beschlossen worden, dass genau dies passiert, nämlich dass die Atomwaffen abzuziehen sind. Ich habe heute nichts gehört, warum dieser Beschluss nicht auch heute noch gelten sollte, liebe Kolleginnen und Kollegen. 2019 wird Deutschland, wie eben gesagt wurde, im UN-Sicherheitsrat vertreten sein. Das ist übrigens auch das Jahr, in dem sich zum 80. Mal der Beginn des Zweiten Weltkrieges jährt. Ich erhoffe mir von der Bundesregierung ein klares abrüstungspolitisches Signal. Treten Sie dem AVV bei, und ziehen Sie die Atomwaffen aus Deutschland ab! Herzlichen Dank. Die Kollegin Katja Keul ist die nächste Rednerin für Bündnis 90/Die Grünen.
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Klaus Mack CDU/CSU
Klaus
Mack
CDU/CSU
Frau Präsidentin! Liebe Frau Ministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unser Ziel ist die Bewahrung der Schöpfung, das heißt der Schutz, der Erhalt und die Wiederherstellung der Natur zum Wohle der Menschen in unserem Land, aber auch zum Wohle der nachfolgenden Generationen. Deshalb führen wir die heutige Debatte zur Einbringung des Bundeshaushalts auch vor dem Hintergrund der Ausgestaltung des Green Deal der EU. Die Europäische Kommission will die biologische Vielfalt fördern. Dazu schlägt sie rechtsverbindliche Ziele für die Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme vor. Warum? Weil die bisherigen Empfehlungen nur zögerlich umgesetzt wurden. Eine zentrale europaweite Regelung klingt da zunächst schlüssig. Die Bundesregierung sollte aber alles daransetzen, dass die zentralen Vorgaben aus Brüssel subsidiär angelegt werden. Die Länder, die Kreise und die Kommunen müssen auf ihre Verhältnisse vor Ort reagieren können, und wir müssen in Deutschland aufpassen, dass wir nicht wieder in vorauseilendem Gehorsam noch stringentere und noch detailliertere Vorgaben machen, Vorgaben, die am Ende an der Lebenswirklichkeit der Menschen vorbeigehen, gerade auch, Frau Ministerin, beim Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz. Wir brauchen Natur- und Artenschutz mit gesundem Menschenverstand, meine Damen und Herren. Und wir brauchen einen Perspektivwechsel in Europa. Die EU will weg vom rein defensiven Schutz von Biotopen und Arten hin zu einer offensiven, naturnahen und artenreichen Gestaltung von Lebensräumen. Wir hier im Deutschen Bundestag hätten einen solchen Perspektivwechsel längst vollziehen können, und zwar bei der Verabschiedung des Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes hier im Juli dieses Jahres, als es hier darum ging, Natur- und Artenschutz mit den Klimaschutzzielen unter einen Hut zu bringen und die erneuerbaren Energien beschleunigt auszubauen. Leider haben Sie, liebe Koalitionäre der Ampel, die Chance verspielt, die Energiewende umfassend zu denken. Die Gesetzesnovelle wurde mit heißer Nadel gestrickt. Ihre eigenen Experten im Umweltausschuss sprachen von einem Arbeitsbeschaffungsprogramm für Rechtsanwälte und wiesen auf erhebliche Rechtsunsicherheiten hin. Sie haben die Menschen vor Ort mit unsinnigen pauschalen Vorgaben zur Ausweisung von Windkraftflächen verprellt. Sie haben die Flexibilität vor Ort verhindert. Das ist keine bürgernahe Umwelt- und Klimapolitik, meine Damen und Herren; das ist ein Durchregieren von Berlin aus. So nimmt man die Menschen vor Ort nicht ernst. Ein Punkt ging zumindest in die richtige Richtung: Die Artenhilfsprogramme richten den Fokus nicht mehr auf den Schutz eines einzelnen Vogels; es wird vielmehr der Erhalt der geschützten Population insgesamt in den Blick genommen. Damit sollen mehr Windräder noch schneller gebaut werden. Ob Ihnen das angesichts des handwerklich schlecht gemachten Gesetzes allerdings gelingt, wird das Jahr 2023 weisen. Am Ende wird es wohl viel Wind um nichts gewesen sein. Dabei wäre es an der Zeit, diesen Perspektivwechsel im Artenschutz auch auf andere Bereiche auszuweiten. Solange wir aber eine Eidechse für 4 000 Euro pro Stück umsiedeln, die am Zielort kurze Zeit später gar nicht mehr vorhanden ist, schütteln die Menschen zu Recht den Kopf. Oder denken Sie an die Wiederansiedlung des Wolfes: zweifelsohne ein Erfolg für den Artenschutz; aber die Akzeptanz schwindet eben, wenn die Population nicht geregelt wird. Ich sage das insbesondere auch mit Blick auf unsere Weidetierhalter. Sie leisten mit ihren Herden einen wertvollen Beitrag. Statt defensiv in diesem Haushalt in kostspielige Erstattungen für Wolfsschäden zu investieren, sollten diese Mittel besser offensiv für die Erforschung der Weidetierhaltung angelegt werden, gerade in Bezug auf den Erhalt wertvoller Ökosysteme. Aber gemäß dem Motto „Ein schwarzes Schaf findet sich immer“ verschließen Sie vor dieser Realität einfach die Augen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Erfolg aller Maßnahmen im Natur- und Artenschutz und damit im Klimaschutz steht und fällt aber natürlich auch mit einem erfolgreichen Vollzug dieser Programme. Beim Naturschutzfonds gab es beispielsweise letztes Jahr große Probleme bei der Verwendung der bereitgestellten Mittel. Auch dieses Jahr sieht es nicht viel besser aus. Wenn Sie aber das Geld nur in irgendwelchen Haushaltsresten hin- und herschieben, ist das wenig nachhaltig; denn an anderer Stelle könnten diese Mittel durchaus Positives für unsere Natur bewirken, zum Beispiel beim Programm zur Wiedervernetzung von Lebensräumen für das Rotwild. Wildtierbrücken können nicht gebaut werden; das Rotwild droht genetisch zu verarmen. Nutzen Sie doch jetzt in den Haushaltsberatungen einfach die Chance, umzuschichten! Frau Ministerin, die Zahl der Beamtenstellen hat sich beim Bundesamt für Naturschutz mehr als verdreifacht. Allein mehr Personal und mehr Geld zu bewilligen, macht aber eben noch kein Erfolgsrezept. Liebe Kolleginnen und Kollegen, jeden Tag verschwinden auf der Welt bis zu 150 Tier- und Pflanzenarten. Der heutige Mensch ist also der Natur weitaus gefährlicher geworden, als sie für ihn jemals war. Wir alle haben also Verantwortung, uns für die Artenvielfalt einzusetzen. Erfolgreicher Natur- und Umweltschutz ist aber nur mit den Beteiligten möglich. Doch wie die Grünen – Sie rufen ja gerade so laut – über Bürgerbeteiligung denken, das wissen wir ja. Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann sagte mal bei der Diskussion um einen Nationalpark, es gehe bei der Bürgerbeteiligung ums Gehörtwerden und nicht um eine Politik des Erhörtwerdens. Wenn wir die Menschen aber für eine nationale Kraftanstrengung im Klima- und Umweltschutz gewinnen wollen, dann dürfen wir sie mit solchen Aussagen eben nicht vor den Kopf stoßen, meine Damen und Herren. „Panta rhei“, „Alles fließt“, das wussten schon die alten Griechen. Wir wollen und müssen also einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung leisten. Das bedeutet, dass wir wegmüssen von starren, vergangenheitsbezogenen Regulierungen. Wir müssen eine moderne Umweltpolitik gestalten, und zwar mit den Menschen. Vielen Dank. Als Nächstes erhält das Wort die Abgeordnete Nadine Heselhaus für die SPD-Fraktion.
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Gitta Connemann CDU/CSU
Gitta
Connemann
CDU/CSU
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Revoluzzer – Helmut Kohl war dies für die CDU in Ludwigshafen, ein Revoluzzer, ein junger Wilder im Stadtrat Anfang der 60er-Jahre. Helmut Kohl, ein Revoluzzer? Das passt so gar nicht ins Bild, und jeder von uns hat eines von ihm; denn Helmut Kohl hat Generationen geprägt. Aber was ist Legende, was Zerrbild, was Tatsache? Tatsache ist: Helmut Kohl schneidet als junger Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz alte Zöpfe ab – Aus für staatliche Konfessionsschulen, Verwaltungsreform –, alles gegen heftige Proteste auch von der Kanzel. Mit dem ersten Kindergartengesetz setzt er bundesweit sozialpolitische Maßstäbe. Aber wer kennt noch seine politischen Anfänge? Wer weiß um sein Gespür für politische Talente, wie Richard von Weizsäcker, Roman Herzog, Kurt Biedenkopf, Norbert Blüm oder Angela Merkel? Wer weiß, dass Helmut Kohl das Bundesumweltministerium geschaffen hat, auch das erste Frauenministerium, mit Rita Süssmuth an der Spitze, der Christdemokrat Helmut Kohl? Es gab auch Brüche, wie wir alle wissen. Helmut Kohl hatte viele Facetten, als Mensch, als Politiker. Sie sollen in Erinnerung bleiben, und deshalb stellen wir heute die Weichen für die Bundeskanzler-Helmut-Kohl-Stiftung. Damit stehen wir in der Tradition der Gedenkstiftungen für Theodor Heuss, Konrad Adenauer, Willy Brandt, Helmut Schmidt. Nun kommt die Bundeskanzler-Helmut-Kohl-Stiftung nach Berlin, der Stadt, in der er so viele Spuren hinterlassen hat, die ohne ihn vielleicht nie Hauptstadt geworden wäre. Die Stiftung soll forschen und erinnern, gerade junge Menschen, an sein Leben, an sein Wirken für Freiheit, Einheit, Versöhnung, Frieden. Denn schon der promovierte Historiker Dr. Helmut Kohl mahnte – ich zitiere –: Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten. Der Blick auf Kanzler Kohl ist heute vor allem durch die deutsche Einheit geprägt, von Bildern wie in Dresden vor der Frauenkirche 1989, auf den Stufen des Reichstags am 3. Oktober 1990, gemeinsam mit seiner Frau Hannelore, der Kanzler der Einheit. Sein enger Weggefährte Rudolf Seiters bringt es auf den Punkt – ich zitiere –: Ohne seinen Mut, seine Weitsicht und seine vertrauensbildende Politik in Europa, ja in der ganzen Welt, wäre die Einheit Deutschlands damals nicht zustande gekommen. Die deutsche Einheit einzubinden in die Einigung Europas, war ein historischer Baustein bei der Überwindung des Ost-West-Konflikts. Diese historische Leistung war nur möglich, weil ihm Vertrauen geschenkt wurde. Wir alle hier wissen, wie kostbar dieses Gut, wie kostbar Vertrauen ist, gerade in der Politik. Helmut Kohl gelang es, zu allen Staatsmännern der Welt ein wirkliches Vertrauensverhältnis aufzubauen. Als die Mauer fällt, schreibt der deutsche Kanzler so Weltgeschichte. Unvergessen bleibt die Versöhnungsgeste über den Soldatengräbern in Verdun: der Kanzler Hand in Hand mit Staatspräsident François Mitterrand. Und natürlich haben wir die Fotos mit Michail Gorbatschow im Kaukasus vor Augen. Über diese „Strickjacken-Diplomatie“ machte man sich vorher lustig wie auch über die tiefe Verbundenheit zu seiner Heimat, der Pfalz. Vom „Provinzkanzler“ war die Rede. Kaum ein Politiker wurde so unterschätzt wie Dr. Helmut Kohl. Dabei machten ihn seine Wurzeln zu einem überzeugten Europäer. Helmut Kohl erlebte, was Krieg zwischen den Völkern an Leid bringt. Sein Bruder fiel. Als Zwölfjähriger musste er mit anderen Schülern Leichen nach Luftangriffen bergen. Deshalb kämpfte er zeitlebens für Frieden, für Völkerverständigung. Und es gelang ihm. So wurde übrigens auch die Pfalz zur Bühne der Weltpolitik, vom Dom zu Speyer bis zum Saumagen, für Ronald Reagan bis Mutter Teresa. Es gäbe noch so vieles. Helmut Kohl hat als Parteivorsitzender 25 Jahre die CDU Deutschlands geprägt und 16 Jahre lang als Bundeskanzler unser Land und Europa. In seinen Ämtern war Helmut Kohl immer der Jüngste, als Landtagsabgeordneter, als Ministerpräsident, als Bundeskanzler. Ohne Unterstützung wäre aber selbst ihm dies nicht möglich gewesen. Ihm halfen sein herausragendes Netzwerk, seine Weggefährten, seine Familie. So wurde aus dem Revoluzzer der Kanzler der Einheit und Ehrenbürger Europas, einer Stiftung würdig. Vielen Dank. Vielen Dank, Gitta Connemann. – Der nächste Redner für die AfD-Fraktion ist der Abgeordnete Martin Renner.
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Klaus Ernst DIE LINKE
Klaus
Ernst
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich gebe Herrn Altmaier vollkommen recht: Wir haben den Klimawandel unterschätzt. – Sie haben das zugegeben. Das freut mich sehr; das macht in der Politik nicht jeder. Es gibt heute eine große Einigkeit darüber, dass es eine menschengemachte Klimaveränderung gibt. Das ist gut so. Es gibt nur eine Fraktion hier im Bundestag, die noch glaubt, dass die Erde eine Scheibe ist; die wird auch noch lernen, dass man am Rand nicht runterfällt. Ich hoffe, dass ein solcher Sinneswandel auch in ihrer Klimapolitik noch stattfindet. Wir haben inzwischen tatsächlich ehrgeizige Ziele; Frau von der Leyen hat sie noch einmal erhöht, nämlich durch die Reduzierung der Treibhausgasemissionen auf 55 Prozent bis 2030. Sie sagt: „Ehrgeizig, aber machbar.“ Da hat sie recht. Die Richtung stimmt; sie musste aber oft gegen Widerstand auch aus der Fraktion der Konservativen und von anderen, vor allem aus der Industrie durchgesetzt werden. Die Industrie hat ihre technischen Möglichkeiten eher zum Schummeln eingesetzt und nicht dafür, neue technische Lösungen für die Bekämpfung des Klimawandels zu finden. Das ist ein Problem, unter dem wir noch heute leiden. Heute haben wir aber – das möchte ich schon deutlich sagen – einen richtigen Weg eingeschlagen. Wir gehen in Richtung klimaneutrale Technologien, zum Beispiel bei der Produktion von Stahl mithilfe von Wasserstoff. Wir sind im Bereich Mobilität mit klimafreundlichen Antrieben unterwegs. Zwar sind dabei viele Verzögerungen zu verzeichnen; aber wir sind auf dem richtigen Weg. Darin liegt auch unsere Chance: Ich bin überzeugt, dass wir dem Klimawandel nicht durch Verzicht, sondern insbesondere durch technische Lösungen begegnen können, meine Damen und Herren. Darin liegt auch unsere Chance, weil wir mit den technischen Lösungen, die hier entwickelt werden, Arbeitsplätze sichern und auch Arbeitsplätze für die Exportindustrie generieren, die wir brauchen, wenn wir unseren Wohlstand hier sichern wollen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Deshalb freue ich mich über die Entwicklungen, die es in diesem Bereich gibt. Aber, meine Damen und Herren, noch leben wir im Heute. Die Transformationsprozesse bergen auch sozialen Sprengstoff; Sie wissen das. Erst vorgestern zum Beispiel hat die Firma Schaeffler, die auch in meinem Wahlkreis zu Hause ist, die Entlassung von 4 400 Beschäftigten angekündigt. Gleichzeitig verlagert das Unternehmen seine Produktion ins Ausland und verschärft damit noch die Probleme, die mit der Transformation verbunden sind. Wenn der Wandel gelingen soll, brauchen wir Regelungen, damit die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Prozess nicht unter die Räder kommen. Deshalb brauchen wir mehr Mitbestimmung der Betriebsräte bei Entscheidungen darüber, ob die Produktion verlagert werden soll oder nicht. Wir brauchen mehr Rechte der Belegschaft, um alternative Vorschläge, die sie selber macht, durchsetzen zu können. Und wir brauchen dort, wo staatliche Unterstützung notwendig ist, die Bindung dieser Unterstützung an Arbeitsplatzgarantien; sonst wird das zulasten der Beschäftigten gehen, und das werden wir nicht mitmachen. Vollkommen abwegig – das ist mein letzter Punkt – ist aber Ihr Vorschlag, Herr Altmaier, zu sagen: Wir deckeln die Sozialausgaben bei 40 Prozent. – Die Transformation wird nicht ohne Arbeitsplatzverluste ablaufen. Wir brauchen Geld für Weiterbildung, auch von der Bundesagentur für Arbeit. Wir brauchen einen starken, sicheren Sozialstaat, wenn wir diesen Wandel in vernünftigen Bahnen bewältigen wollen. Deshalb ist Ihr Vorschlag wirklich abwegig. Wir werden nie und nimmer zustimmen, die Sozialbeiträge zu deckeln. Vielen Dank, Klaus Ernst. – Nächste Rednerin: für Bündnis 90/Die Grünen Katharina Dröge.
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Christian Dürr FDP
Christian
Dürr
FDP
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist bemerkenswert, dass hier ein Kollege aus dieser Fraktion eine Rede hält, ohne an einer einzigen Stelle zu erwähnen, wer diese Krise in Europa ausgelöst hat, ohne an einer einzigen Stelle zu erwähnen, wer diesen Angriffskrieg gestartet hat, meine Damen und Herren. Es hätte nur noch gefehlt, da Sie Täter und Opfer ja bewusst vertauscht haben, dass Sie das ukrainische Volk zum Tätervolk erklärt hätten. Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Auslöser dieser Krise sitzt im Kreml, von wo Sie Ihre Sprechzettel herbekommen. Dort sitzt der Auslöser der Krise in Europa derzeit. Das muss gesagt werden. Unfassbar! Das sind auch – das will ich sagen; denn hier trennen demokratische Opposition und Regierung natürlich einige Punkte dieser Tage – nicht alles die Fehler einer ehemaligen oder aktuellen Bundesregierung. Über verschiedene Instrumente muss man streiten unter Demokraten. Aber Ihre Fraktion versucht, die Montagsdemonstrationen, die für Freiheit, Frieden, Einigkeit in Deutschland stehen, für ihre parteipolitischen Zwecke zu kapern, im Interesse des Kremls. Dort sitzen Sie, meine Damen und Herren, hier sitzen die Demokraten in Deutschland. Das muss an dieser Stelle gesagt werden, gerade angesichts der schweren Krise, die wir in unserem Land haben. Die Situation ist dramatisch für die privaten Haushalte in Deutschland, für die Unternehmen, für unseren Mittelstand – ohne jede Frage. Und ja, das, was Herr Ministerpräsident Haseloff, Carsten Schneider und der Bundesminister Habeck gesagt haben, ist richtig: Wir müssen jetzt dringend reagieren – national – und beispielsweise das Angebot ausweiten. – Diese Bundesregierung hat reagiert: LNG-Terminals werden gebaut, Kohlekraftwerke gehen wieder ans Netz. Und ja, es gibt unterschiedliche Auffassungen – das gehört bei Demokraten dazu –, was die Frage der Weiternutzung der Kernenergie in Deutschland betrifft. Zu den LNG-Terminals – das sage ich in Richtung der Kolleginnen und Kollegen der Union –: Meine Kollegen der FDP-Fraktion im Niedersächsischen Landtag beantragen seit Jahren, im Bereich LNG mehr zu tun. Sie beantragen das seit Jahren und weisen darauf hin, dass das eine Alternative zu russischem Erdgas sein kann. Es war bisher ein CDU-Wirtschaftsminister in Niedersachsen, der diese Terminals verhindert hat. Auch das gehört zur Wahrheit dazu, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir haben in dieser Woche, neben den Maßnahmen, die wir am Strom- und Gasmarkt ergreifen, das getan – Herr Ministerpräsident Haseloff hat es auch beschrieben –, was derzeit notwendig ist, nämlich staatlicherseits für Entlastung zu sorgen. Das Inflationsausgleichsgesetz ist in den Deutschen Bundestag eingebracht worden, auch der Gesetzentwurf zum reduzierten Mehrwertsteuersatz auf Erdgas ist in dieser Woche in erster Lesung im Deutschen Bundestag. An dieser Stelle, Herr Ministerpräsident Haseloff, möchte ich eine Bitte an Sie richten. Sie haben gesagt: „Die Länder stehen Gewehr bei Fuß“, so darf ich Sie zitieren aus Ihrer Rede gerade. Meine herzliche Bitte im Namen der Regierung, aber vielleicht sogar im Namen des gesamten Deutschen Bundestages: Machen Sie Ihren Einfluss in diesem gemeinsamen Sinne auch im Bundesrat geltend. Gerade das Inflationsausgleichsgesetz bedarf der Unterstützung von Bundestag und Bundesrat gleichermaßen. Meine herzliche Bitte ist, dass auch die Länder dabei sind. Natürlich ist die Situation schwierig, aber das heißt eben auch, dass man in diesen schwierigen Zeiten nicht zu allem Nein sagen kann. Die Verstaatlichung von Uniper – ich will das offen sagen – stand weder im Koalitionsvertrag, noch ist sie von Kabinettsmitgliedern jemals gewollt gewesen. Es ist eine Notwendigkeit gewesen, um die Gasversorgung in Deutschland sicherzustellen. Man kann aber auch nicht zu allen Instrumenten Nein sagen. Ich sage das in Richtung der Kolleginnen und Kollegen der Union. Gestern haben Sie in Ihren Redebeiträgen ausgeführt, dass Sie die Gasumlage nicht wollen. In den letzten Jahren haben Sie zu ganz vielen Dingen Nein gesagt. Ja, es gab gute Gründe, zur Kernenergie Nein zu sagen und vielleicht auch zu Kohle. Aber auch zum Ausbau der erneuerbaren Energien haben Sie Nein gesagt. Warum steht Deutschland heute beim Thema Offshore schlechter da als andere europäische Länder? Diese Koalition hat sich auf die Fahnen geschrieben, hier etwas zu tun. Das Angebot gerade für stetige Offshoreenergie auszuweiten, ist Ziel dieser Regierungskoalition, liebe Kolleginnen und Kollegen. Deshalb ist es wichtig, dass wir dabei bleiben und jetzt sehr schnell agieren. Der Bundeswirtschaftsminister hat erklärt, dass er insbesondere für den Strommarkt in Kürze Instrumente vorschlagen wird – Stichwort „Strompreisbremse“-; denn es ist richtig, etwas im Strommarkt zu tun. Meine Vorredner haben bereits beschrieben, welche dramatische Situation da insbesondere auf die Unternehmen und die privaten Haushalte zukommt. Der Bundesfinanzminister hat gesagt, dass er eine entsprechende Arbeitsgruppe zum Gasmarkt letzte Nacht einberufen hat. Meine Damen und Herren, diese Regierungskoalition handelt also auf den Märkten, die zurzeit Probleme haben. Zum Schluss, Frau Präsidentin, will ich eines sagen. Aber kommen Sie bitte auch wirklich zum Schluss. Genau, ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. – Zur Wahrheit gehört eben auch, dass man staatlicherseits, fiskalischerseits nicht alles wird ausgleichen können. Jetzt kommen Sie aber wirklich zum Schluss, Herr Kollege. Da fand ich es spannend, dass der bayerische Ministerpräsident am gestrigen Tag die Katze aus dem Sack gelassen hat. Herr Kollege, bitte nur noch einen Satz. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, gerade beim Thema Schuldenbremse hätte ich mir von Ihnen mehr Klarheit und weniger Unklarheit gewünscht. Herzlichen Dank. Als Nächstes erhält das Wort für Die Linke Dr. Gesine Lötzsch.
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Stefan Rouenhoff CDU/CSU
Stefan
Rouenhoff
CDU/CSU
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man sich in diesen Wochen die Bundesregierung anschaut, dann kommt man aus dem Staunen wirklich nicht mehr heraus. Das gilt nicht nur für die Regierungsirrungen und ‑wirrungen in der Energiepolitik, sondern auch in anderen Politikbereichen. Jetzt erzählen Sie, Herr Außendorf, dass der von der Bundesregierung eingeschlagene Weg genau der richtige ist. Ihr Wirtschaftsminister Robert Habeck erklärt am Dienstag beim Parlamentarischen Abend von BDI, BDA und DIHK, er und die Bundesregierung seien die treibende Kraft bei der Ratifikation von CETA. Ganze 15 Stunden später aber verhindern Sie – SPD, Grüne und FDP –, dass der Gesetzentwurf der Unionsfraktion zur CETA-Ratifikation im Wirtschaftsausschuss zur Sprache kommt. Leiden Sie an Amnesie, leiden Sie an Schizophrenie, oder was sehe ich da bei der Ampel? Ihre Spielchen erleben wir nicht zum ersten Mal und nicht zum zweiten Mal und nicht zum dritten Mal. Nein, seit zehn Sitzungswochen – seit März 2022 – weigert sich diese Regierung, den Gesetzentwurf im Wirtschaftsausschuss zu beraten. Seit einem halben Jahr verhindert diese Bundesregierung die Ratifikation des EU‑Freihandelsabkommens mit Kanada, einem unserer engsten Verbündeten. Das ist ein Armutszeugnis. Das hat nichts mit einer treibenden Kraft in der Handelspolitik zu tun, wie Robert Habeck es darstellt. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Regierungskoalition, regen Sie sich doch nicht so auf! Ich bin mir nicht sicher, ob Sie merken, was so abgeht draußen in der Welt. Sonst hätten Sie auch nicht so geredet, Herr Außendorf. Ihre Politik sorgt für Irritation und Frustration, und das nicht nur bei uns als Oppositionsfraktion. Im August reisten Kanzler Scholz und Minister Habeck nach Kanada, um der kanadischen Regierung die deutschen Sonderwünsche für die Ratifikation von CETA mitzuteilen. Sie haben es erwähnt. Es geht um die Interpretationserklärung zu den CETA-Investitionsschutzbestimmungen. Ich kann Ihnen sagen: Die Begeisterung darüber war riesengroß – riesengroß! –, genauso übrigens wie bei der Europäischen Kommission. Warum ist das so? Weil diese Erklärung ausschließlich parteipolitisch motiviert ist, einer grünen Parteipolitik geschuldet ist und nur noch einmal das unterstreicht, was der CETA-Vertragstext ohnehin schon längst vorsieht. Sie suggerieren hier etwas Falsches. Ich sage an dieser Stelle auch: So geht man nicht mit engsten Verbündeten wie Kanada um. Wer einmal den Blick nach Europa richtet und genau zuhört, der stellt fest, dass einige EU-Mitgliedstaaten die Nase gestrichen voll haben, dass Deutschland immer eine Extrawurst-Politik hier hat. Meine Damen und Herren, die wirtschaftliche Lage in unserem Land hat sich in den vergangenen Monaten deutlich verschlechtert. Lieferketten sind durch den Krieg in der Ukraine und durch die Coronapandemie nachhaltig gestört. Die Inflation schießt durch die Decke. Deutschland steuert auf eine Rezession zu. Liebe Ampelkollegen, eine deutsche Extrawurst-Politik ist wirklich das Letzte, was wir jetzt brauchen. Machen Sie endlich das, was in dieser krisenhaften Zeit dringend erforderlich ist! Sorgen Sie dafür, dass Deutschland endlich wieder eine proaktive Rolle in der EU‑Handelspolitik einnimmt! Treten Sie in Brüssel mit Nachdruck für neue Freihandelsabkommen ein, um neue Absatzmärkte zu erschließen, die Exportchancen der deutschen Wirtschaft zu vergrößern, unsere Handelsbeziehungen zu diversifizieren, also auf ein breiteres Fundament zu stellen, und um Wohlstand und Beschäftigung in unserem Land zu sichern! Meine Damen und Herren, CETA ist das eine. CETA ist ein wichtiges Abkommen. Ich hoffe sehr, dass Sie es nicht noch weiter auf die lange Bank schieben. Aber eine noch größere ökonomische und strategische Bedeutung hat das EU-Mercosur-Abkommen. Mit über 700 Millionen Menschen und einem Anteil von fast 20 Prozent an der weltweiten Wirtschaftsleistung ist es das größte jemals von der EU‑Kommission ausgehandelte Abkommen. Es ermöglicht uns neue wirtschaftliche Beziehungen zu bisher stark abgeschotteten Ländern. Das Abkommen ist bereits seit mehreren Jahren ausgehandelt. Aber auch hier stockt die Ratifikation. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Ampel, stellen Sie unter Beweis, dass Sie die Zeichen der Zeit erkannt haben! Springen Sie über Ihren parteipolitischen Schatten, und beenden Sie endlich – endlich! – die Blockade bei der CETA-Ratifikation! Stärken Sie die EU‑Handelspolitik, indem Sie in Brüssel für die Ratifikation des EU‑Mercosur-Abkommens mit Nachdruck eintreten und es vorantreiben! Denn wir brauchen auch mit dieser Weltregion eine viel engere Zusammenarbeit, und das nicht nur, um die Folgen der vor uns liegenden Wirtschaftskrise abzufedern, sondern auch, um geostrategisch nicht unter die Räder zu kommen. Herzlichen Dank. Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Markus Töns das Wort.
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Johann Saathoff SPD
Johann
Saathoff
SPD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Kohleausstiegsgesetz ist ohne Zweifel eines der bedeutsamsten Gesetze dieser Legislaturperiode. Wir setzen damit die Verhandlungsergebnisse der Kohlekommission um, die sich zu Recht offiziell „Kommission ‚Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigungʼ“ nennt; denn es geht um mehr als nur um die Abschaltung von Kohlekraftwerken. Es geht uns darum, in Deutschland CO2-frei wirtschaften zu können, ohne unseren Kindern anschließend einen Rucksack voller schwerer Lasten zu überlassen. Es geht aber auch und vor allem darum, die Menschen in den betroffenen Regionen nicht alleine zu lassen. Deswegen ist der Zwillingsbruder dieses Gesetzes das Strukturstärkungsgesetz. Claudia Moll würde sagen: Den Leuten ist es egal, ob sie Windkraftanlagen oder Bagger bauen. Am Ende ist es wichtig, dass die Menschen in Arbeit stehen. – Und dafür soll das Strukturstärkungsgesetz dienen. Wir werden die Kohleverstromung aus Braunkohle und Steinkohle mit diesem Gesetz bis spätestens 2038 beenden. Wir werden soziale Verwerfungen, die durch den Kohleausstieg entstehen können, in den Regionen fair ausgleichen, und wir werden Alternativen zur Kohle anreizen und dabei natürlich die Versorgungssicherheit im Blick haben – sowohl im Strom- als auch im Wärmebereich. Eine besondere Rolle im Gesetzgebungsverfahren wird die gleichzeitige Erzeugung von Strom und Wärme, also die Kraft-Wärme-Kopplung, spielen. Die vielen Kraftwerke, die hocheffizient nicht nur Strom produzieren, sondern auch Wärme in die Wohnungen liefern, werden zunächst auf Gas als Brennstoff setzen müssen. Uns geht es aber auch und vor allem darum, dass in die Kraft-Wärme-Kopplung immer mehr Erneuerbare „einziehen“. Das können womöglich erneuerbare Wärmequellen sein, wie zum Beispiel Geothermie; das kann aber auch grünes Gas, also zum Beispiel Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen – wie zum Beispiel Windenergie –, sein. Daher müssen wir nicht nur aussteigen, sondern auch einsteigen, und zwar konsequenter und kontinuierlicher in den Ausbau der PV. Der PV-Deckel muss weg! Außerdem müssen wir konsequenter und kontinuierlicher das Zugpferd der erneuerbaren Energien, nämlich die Windenergie, ausbauen, und zwar von Borkum bis zur Zugspitze. Der Kohleausstieg und der Strukturwandel sind nicht nur Zwillinge, sondern zusammen mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien tatsächlich Drillinge. Nur alle drei zusammen sind denkbar, und nur alle drei zusammen sind auch machbar. Das wird in den nächsten Wochen im Ausschuss, in der Anhörung im März und bei den Berichterstattergesprächen sicher anstrengend, aber ich glaube, diese Anstrengungen lohnen sich. Im Sinne unserer Kinder und unserer Enkelkinder ist es auf jeden Fall die Mühe wert. Es wird sicher Krach geben. In Ostfriesland würde man sagen: Wenn Füür in ’t Hart is, is Rook in d’ Kopp. Wir werden also aufpassen müssen, dass die Debatten nicht allzu hitzig werden und dadurch Gedankengänge vernebelt werden können. Ich freue mich auf zielführende, besonnene Diskussionen in dieser Frage und darauf, dass wir diese Drillinge mit großer Mehrheit gesund zur Welt bringen. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. Voraussichtlich letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Dr. Georg Kippels für die CDU/CSU-Fraktion.
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Gyde Jensen FDP
Gyde
Jensen
FDP
Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir Freie Demokraten wollen eine enge Beziehung zur Türkei. Wir wollen eine freundschaftliche Beziehung zur Türkei, eine gute Beziehung. Und deshalb bedauern wir zutiefst, was aus dieser Beziehung unter Präsident Erdogan in den vergangenen Jahren geworden ist. Eine gute Beziehung baut auf Vertrauen auf. Und Vertrauen wiederum baut darauf auf, dass man Dinge miteinander vereinbart, an die man sich im Anschluss auch hält. Gute Beziehungen, Herr Erdogan, die kann man nicht erpressen, indem man im Mittelmeer mit Säbeln rasselt oder die verwundbarsten Mitglieder einer Weltgemeinschaft, die Geflüchteten, als Faustpfand einsetzt. Gute Beziehungen, Herr Erdogan, die erhält man nicht durch Täuschung und Augenwischerei – eine Täuschung wie am 2. März, als der türkische Präsident seinen sogenannten Aktionsplan für Menschenrechte vorstellte, sicher auch mit einem Seitenblick auf seine Charmeoffensive an die EU und das Angebot eines Neustarts der EU-Beziehungen. Das ist Augenwischerei, weil Erdogan seit der Ankündigung dieses Aktionsplans für Menschenrechte keinen einzigen politischen Gefangenen freigelassen hat, kein einziges Urteil des EGMR umgesetzt hat – nicht dass er das vorher wirklich häufig getan hätte –, einem der profiliertesten Menschenrechtspolitiker des Landes, Ömer Faruk Gergerlioglu, das Mandat und damit die Immunität entzogen hat und ihn zeitweise sogar inhaftieren ließ sowie juristische Schritte einleiten ließ, um die Oppositionspartei HDP zu verbieten. Der traurige Höhepunkt – darüber haben wir hier in dieser Debatte schon gesprochen – folgte dann am Wochenende mit dem Austritt aus der Istanbul-Konvention. Per Präsidialdekret wurden die Frauen in der Türkei zu Bürgerinnen zweiter Klasse degradiert. Dieser Schritt ist natürlich nicht nur ein schwerer Schlag gegen die Frauenrechte in der Türkei, es ist vor allen Dingen ein Austritt mit Symbolkraft; denn am 11. Mai 2011 wurde diese Konvention verabschiedet, und zwar in Istanbul als symbolischem Ort nicht nur für die historischen Fortschritte im Menschenrechtsschutz, sondern auch für die Wirkmacht unserer multilateralen Ordnung. Außenminister Maas bezeichnete diesen Austritt aus der Konvention am Montag am Rande des EU-Außenministertreffens ganz lapidar als – ich zitiere – „falsches Zeichen“. Bereits in dieser Antwort, meine Damen und Herren, zeigt sich die Türkei-Politik der Bundesregierung in ihrer ganzen Problematik: Kritik am türkischen Präsidenten ist für Sie eine reine politische Pflichterfüllung, die mit einer Phrase abgearbeitet wird. Vor allen Dingen in Zeiten, in denen die Bundesrepublik den Vorsitz im Ministerkomitee des Europarates hat, Herr Minister – er ist nicht anwesend; deswegen schaue ich jetzt Herrn Roth an –, hätten Sie eine Verantwortung gehabt, viel deutlicher zu werden; denn zwei Drittel der Zeit im Ministerkomitee sind bereits um. Der Journalist Deniz Yücel schrieb am 22. März für „Die Welt“ – ich zitiere –: Die Türkei ist dabei, sich von einer korrupten Autokratie in eine islamistisch-nationalistisch gefärbte (und korrupte) Diktatur zu verwandeln. Dieser Prozess, meine Damen und Herren, ist seit vielen Jahren erkennbar, und wir haben derzeit leider keinen Anlass zur Hoffnung, dass sich dieser Prozess wieder umkehren wird. Deshalb ist es auch an der Zeit, ein kleines bisschen mehr Ehrlichkeit in der Türkei-Politik walten zu lassen. Eine Türkei, die auf dem Weg in eine Diktatur ist, kann keine EU-Beitrittskandidatin sein, meine Damen und Herren von der Bundesregierung. Wir Freie Demokraten fordern deshalb schon sehr lange, die Beziehungen zur Türkei in einem Grundlagenvertrag neu zu regeln. Der Fokus unserer Türkei-Politik muss sich ein Stück weit verschieben. Die Zivilgesellschaft in der Türkei muss unsere neue Partnerin sein. Deswegen brauchen wir gerade jetzt einen Ausbau von Austauschprogrammen mit der Türkei für Studentinnen und Studenten und junge Berufstätige. Wir müssen gerade jetzt Medienprojekte unterstützen, die unabhängig über die türkische Politik auf Türkisch berichten. Gerade jetzt müssen wir im Europarat alle uns zur Verfügung stehenden Mechanismen nutzen, damit EGMR-Urteile umgesetzt werden. Und wenn Eskalationen seitens Erdogan Konsequenzen der EU und der Bundesregierung notwendig machen, dann müssen dies Konsequenzen sein, die nicht die türkische Zivilgesellschaft treffen, sondern den Präsidenten selbst und diejenigen, die das System Erdogan stützen. Und schließlich – das muss uns allen klar sein, meine Damen und Herren – brauchen wir ein menschenrechtskonformes, ein funktionierendes Asyl- und Migrationssystem in der EU; denn das ist die entscheidende Grundlage dafür, dass die EU sich nicht länger erpressen lassen muss. Frau Bundeskanzlerin – sie hört diese Debatte hoffentlich irgendwie –, bitte nehmen Sie die Gedanken aus dieser Debatte mit zum EU-Gipfel morgen und besprechen Sie dort genau die nächsten Schritte. Enttäuschen Sie die Millionen Türkinnen und Türken nicht, die ihre Zukunft immer noch in der EU oder zumindest in enger Verbundenheit mit der EU sehen. Denn unsere Solidarität gilt den Journalistinnen und Journalisten, den Politikern, den Menschenrechtsverteidigern, all denjenigen wie Osman Kavala, die unrechtmäßig inhaftiert sind. Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen. Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Sie gilt den Studentinnen und Studenten, die an der Bogazici-Universität für Wissenschaftsfreiheit kämpfen, und natürlich all den Türkinnen, die gerade dafür kämpfen, dass sie eben nicht Bürgerinnen zweiter Klasse in der Türkei werden. Frau Kollegin, bitte jetzt! Genau das muss auch im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU besser ablesbar sein. Vielen Dank. Vielen Dank, Frau Kollegin Jensen. Auch für die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses gilt die Fünf-Minuten-Regel bei Aktuellen Stunden. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Sevim Dağdelen, Fraktion Die Linke.
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Jens Beeck FDP
Jens
Beeck
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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Unsere Welt befindet sich im Umbruch. Der 24. Februar 2022 markiert in vielerlei Hinsicht eine tiefe Zäsur. Unserer Unterstützung für Multilateralismus, Freiheit, Weltoffenheit, Rechtsstaatlichkeit, für den Einsatz für Menschenrechte, Demokratie und für das Streben nach Frieden sind wir Freien Demokraten und, Herr Kollege Keuter, die Ampelkoalition insgesamt uns absolut gewiss. Das heißt für uns: Unterstützung für die Ukraine, aber eben auch für Friedensprozesse in der ganzen Welt, ob im Südsudan oder in Kolumbien. Das liegt in unserem eigenen Interesse. Sie haben das nur nicht verstanden. Dagegen sind lange für unverrückbar und richtig erachtete außenpolitische Grundsätze wie etwa, keine Waffen in Krisen- oder Kriegsgebiete zu liefern, oder die Annahme, dass Handel immer zu Wandel und Annäherung führt, in dieser Zeit einer strengen Prüfung unterzogen. Deswegen stellt sich auch die Frage, wo wir gleiche Interessen und unsere Partner in der Welt finden. Sie scheinen immer noch bei Ihrem alten Partner zu bleiben, unter Ignoranz dessen, was derzeit in der Welt passiert. Wir sind da einen Schritt weiter und suchen die Wertepartnerschaften dort, wo wir auch unsere Werte wiederfinden. In einer Zeit, in der durch die Coronapandemie und ihre vielfältigen Begleiterscheinungen Demokratien und gesellschaftlicher Konsens in vielen Ländern dieser Welt ohnehin unter gewaltigem Druck stehen, finden wir viele Partner für unsere Werte, die ich gerade skizziert habe, in den Regionen Lateinamerikas und der Karibik. Dort werden, auch wenn nicht in allen Bereichen von Menschenrechten und Rechtsstaat unseren Vorstellungen entsprochen wird, die grundsätzlichen Ziele von Demokratie und Freihandel sowie unsere Vorstellung einer regelbasierten internationalen Ordnung geteilt. Deswegen ist es richtig, dass wir uns an dieser Stelle engagieren. Die Länder auf der anderen Seite des Atlantiks warten im Übrigen auch auf ein verstärktes Engagement Deutschlands. Sie sind zu vertieften Partnerschaften mit Europa und Deutschland mehr als bereit. Das ist in den vergangenen Wochen in vielen Gesprächen immer wieder deutlich geworden. Wir wollen als Freie Demokraten und als Ampelkoalition unsere Partnerschaft mit Lateinamerika insgesamt intensivieren. Das Wiedererstarken der Lateinamerika- und Karibik-Initiative haben wir bereits im Koalitionsvertrag festgelegt. Einer unserer engsten Partner in dieser Region war und ist immer Kolumbien. Nicht nur ist Deutschland in der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit vor Ort aktiv, sondern Kolumbien ist auch als erstes Land 2018 in der lateinamerikanischen Region globaler Partner der NATO geworden. Es ist angesprochen worden: Das Land blickt auf bewegte Zeiten zurück. Ein neuer Präsident ist gewählt, erstmals einer, der eher im linken Spektrum verortet wird. Die junge Generation setzt große Hoffnungen auf ihn, und wir setzen in ihn ebenfalls die Hoffnung, dass der Friedensprozess – Kollege Schmid hat es angesprochen –, der etwas ins Stocken geraten war, jetzt mit Verve fortgesetzt werden kann. Die Signale dafür sind gut; denn in der Stichwahl zur Präsidentschaftswahl, die gar nicht so wahnsinnig unknapp war mit 50 zu knapp 48 Prozent, gab es in dieser Region niemanden, der das Wahlergebnis angezweifelt hat. Der Vorgänger im Amt ebenso wie der Konkurrent um die Präsidentschaft in der Stichwahl haben sofort das Wahlergebnis und den Wahlsieger anerkannt. Sie haben einen sauberen Regierungsübergang garantiert. Das ist ein gutes Signal für diese Region. Auch das ist ein Zeichen, dass sich unser Engagement an der richtigen Stelle zeigt und dass wir dort einen richtigen Partner für unsere Ziele haben. Wir werden uns deswegen weiter, wie in dem Antrag skizziert, engagieren. Dazu gehören Programme und Projekte zur Bekämpfung von Ungleichheit, von Korruption, von Kapitalflucht, zur Förderung von Good Governance und zur Unterstützung der Justizreform, mit dem Blick, diese justizunabhängig zu gestalten und die Sondergerichtsbarkeit für den Frieden finanziell zu unterstützen. Wir bemühen uns bei unserem außenpolitischen Handeln, diejenigen zusammenzuführen, die für eine regelbasierte internationale Ordnung stehen. Wir finden in Lateinamerika und gerade mit Kolumbien starke Partner. Wir wollen starker Partner Kolumbiens sein und mit Kolumbien einen starken Partner an unserer Seite in dieser Region gewinnen. Die Chancen zur Zusammenarbeit bei Rohstoffversorgung, bei Ernährungssicherheit, bei erneuerbaren Energien, bei Waldschutz und vielem mehr sind groß. Wir sind deswegen sehr froh, Frau Staatsministerin Keul, dass unter der Bundesministerin Annalena Baerbock und dem zuständigen Staatsminister Tobias Lindner diese Vereinbarung im Koalitionsvertrag, die LAC-Initiative deutlich wiederzuerstarken, große Fürsprecher hat. Der Deutsche Bundestag wird Sie mit diesem Antrag auf diesem Weg unterstützen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Vielen Dank, Herr Kollege Beeck. – Als Nächster hat das Wort der Kollege Andrej Hunko, Fraktion Die Linke.
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Fabian Jacobi AfD
Fabian
Jacobi
AfD
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was haben wir hier? Eingebracht worden ist diese Vorlage als Gesetz zur Abschaffung des Güterrechtsregisters. Den zweiten Teil mit dem Insolvenzrecht haben Sie gestern im Rechtsausschuss erst angeklebt. Einmal mehr pfeifen Sie also auf die Formalien eines ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens, indem Sie nachträglich im Ausschuss ganz disparate Materien zusammenleimen. Immerhin haben Sie diesmal den richtigen Ausschuss getroffen. Nach dem, was wir hier schon erlebt haben, muss man ja froh sein, dass das Insolvenzrecht nicht im Ausschuss für Landwirtschaft oder im Gesundheitsausschuss gelandet ist. Inhaltlich ist das, was so mit minimaler Diskussion hier durchgeschleust wird, das reine Déjà-vu. Sie wollen es noch mehr erleichtern, dass Kapitalgesellschaften, die rechnerisch überschuldet sind, dennoch weiterwirtschaften dürfen. Das hat ja mittlerweile schon Tradition. Unter tätiger Mithilfe einer schlechten Politik zieht eine wirtschaftliche Krise herauf, und Unternehmen geraten in Bedrängnis. Anstatt aber nun die schlechte Politik zu ändern, anstatt die Rahmenbedingungen für die Unternehmen wieder zu verbessern, versucht man lieber, die Fallzahlen bei den Insolvenzgerichten künstlich niedrig zu halten. Das haben Sie damals in der Bankenkrise so gemacht, das haben Sie angesichts der wirtschaftlichen Folgen Ihrer Coronamaßnahmen so gemacht, und jetzt wollen Sie es schon wieder tun, um die Folgen Ihrer desaströsen Energiepolitik mit fingerdick weißer Salbe zu überdecken. Das halten wir einfach für unseriös. Wenn man sich die Stellungnahmen zu Ihrem Entwurf, etwa der Bundesrechtsanwaltskammer oder des Anwaltvereins, so ansieht, sind wir da auch nicht die Einzigen. Zerstören Sie also nicht weiter die Ordnungsfunktion des Insolvenzrechts, sondern sorgen Sie lieber dafür, dass die Energieversorgung der deutschen Unternehmen sichergestellt wird. Zu dem ursprünglichen Inhalt des Gesetzentwurfs. Im Güterrechtsregister können Eheleute den Umstand verlautbaren, dass ein Ehevertrag geschlossen wurde, dass also bei Rechtsgeschäften eines Dritten mit einem der Ehegatten möglicherweise Besonderheiten zu beachten sind. Das dient der Sicherheit des Rechtsverkehrs. Dieses Register wollen Sie ersatzlos abschaffen. Nun besteht wohl ein Konsens, dass das Güterrechtsregister in seiner bisherigen Form, also in Papierform bei Hunderten Amtsgerichten geführt, ein Auslaufmodell ist und in dieser Form auch kaum noch genutzt wird. Das ist als Befund erst mal schlüssig. Abhilfe könnte darin bestehen, das Register zentral, etwa beim Bundesamt für Justiz, und rein elektronisch zu führen. Der Deutsche Notarverein hat noch in einer Stellungnahme von 2017 im Einzelnen erläutert, warum ein solchermaßen modernisiertes Register weiterhin sinnvoll wäre. Als Grund, warum Sie diesem Vorschlag nicht folgen wollen, führen Sie an, es müssten dann gewaltige, zu großen Teilen obsolete Altbestände digitalisiert werden. Das überzeugt nicht. Denkbar wäre auch, auf eine Digitalisierung dieser Altbestände zu verzichten und die Betroffenen darauf zu verweisen, die noch aktuellen Eintragungen in elektronischer Form erneut vorzunehmen. Durch die ersatzlose Abschaffung schütten Sie das Kind mit dem Bade aus, weshalb wir Ihrem Gesetzentwurf auch nicht zustimmen. Vielen Dank. Vielen Dank, Herr Kollege Jacobi. – Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Dieter Janecek, Bündnis 90/Die Grünen.
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Anke Domscheit-Berg DIE LINKE
Anke
Domscheit-Berg
DIE LINKE
Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine letzte Rede hier schloss ich mit folgendem Fazit zur Digitalstrategie: Sie enthält keine Vision, die beschreibt, was man mit ihr eigentlich erreichen will, aber dafür viele schwammige Ziele. Die Verantwortung bleibt weiterhin völlig konfus verteilt, und ihr fehlen immer noch Ressourcen; denn das Digitalbudget gibt es ja noch nicht. Vor allem aber beantwortet sie nicht die Frage: Was will man konkret anders machen als die GroKos vorher, die ja auch schöne Ziele formulierten, aber nie erreichten? Am Ende gilt es nämlich, umzusetzen, was man verspricht, und dass das gelingt, da habe ich meine Zweifel. Die Beteiligung der Zivilgesellschaft fand nämlich trotz Koalitionsvertragsversprechen nicht statt, wie sich aus der Antwort auf meine schriftliche Frage ergab. Auf die Digitalstrategie mit dem wohl nicht zufällig wirtschaftsfreundlichen Titel „Gemeinsam digitale Werte schöpfen“ nahmen 18‑mal Lobbyisten der Wirtschaft Einfluss, darunter allein dreimal der Lobbyistenverband. Dagegen gab es kein einziges Gespräch mit der digitalen Zivilgesellschaft – vom Chaos Computer Club bis Wikimedia – und erst recht nicht mit der sonstigen Zivilgesellschaft, zum Beispiel mit Senioren-, Behinderten-, Sozial- oder Verbraucherschutzverbänden. Das zeigt, wessen Interessen diese Digitalstrategie tatsächlich vertreten soll, und das ist ein unerträglicher Zustand, meine Damen und Herren. Auch die Gigabitstrategie ist ein Wirtschaftslobbyismuspapier von der ersten bis zur letzten Seite. Der Markt soll alles richten, auch wenn genau dieser Markt aus Deutschland ein Land des lahmen Internets und der Funklöcher gemacht hat. Laut der Gigabitstrategie, Minister Wissing, führte die bisherige Regulierung zu einem funktionierenden Infrastruktur- und Dienstewettbewerb. Ich lade Sie sehr gern in die Ostprignitz ein. Dort stehen nämlich Funklöcher im Wettbewerb miteinander und nicht Diensteanbieter. Überhaupt: Wettbewerb auf Infrastrukturebene, das ist so ziemlich das Dümmste, was man machen kann. Niemand – niemand! – würde sich mehrere Abwasserkanäle oder Gasanschlüsse in ein Haus legen. Aber bei Glasfaser soll so etwas Sinn machen? Es gibt nicht genug Tiefbaukapazitäten und Fachkräfte. Aber diese Gigabitstrategie toleriert, dass wir weiter mehrfach eine Straße aufreißen, um mancherorts zwei Glasfaserkabel nebeneinanderzulegen, obwohl das Dorf nebenan noch immer gar nichts hat. Nicht einmal dort, wo eine Kommune ein völlig offenes Glasfasernetz verlegt hat, das maximale Wettbewerbsfreiheit bietet, will diese Bundesregierung den Überbau untersagen. Sie spielt auf Zeit und will erst 2023 den Überbau evaluieren. Die gleiche Gigabitstrategie behauptet aber, man will einen Ressourcen sparenden Infrastrukturausbau. Das ist Greenwashing, und das lassen wir Ihnen nicht durchgehen. Mit dieser Gigabitstrategie macht sich die Bundesregierung auch zum Vertriebsmitarbeiter für große Telko-Konzerne. Eine Infokampagne zur „Anregung der Nachfrage“ nach Gigabitnetzen soll es geben; Zitat aus der Strategie. Gutscheine zur Anregung der Nachfrage nach Inhouseverkabelung soll es geben. Ein 215 Millionen Euro schweres 5‑G-Innovationsprogramm soll die Nachfrage von Kommunen und Unternehmen anregen. Und: Die Ampel will Digitalmanager in Landkreisen bezahlen, die – man ahnt es – Nachfrage anregen und 5-G-Vorhaben in ihren Landkreisen initiieren sollen. Ich sage Ihnen, was das heißt: Diese Digitalmanager werden mit Steuergeld dafür bezahlt, Aufträge für Konzerne zu beschaffen, die mit Steuergeld von den Kommunen bezahlt werden. Das ist ein Fall für die „heute-show“, meine Damen und Herren. Völlig irre wird es aber im Abschnitt über die Evaluation der Fördermaßnahmen. Ergibt sich nämlich, dass vor 2030 das Ziel „Gigabitanschlüsse für alle“ erreichbar sein sollte, nennt diese Ampel das „Überförderung“ und will den Ausbau sofort bremsen – bremsen! – mit Antragsstopps und Quotierungen der Förderungen. Denkt man im BMDV, auf ein paar Jahre mehr oder weniger lahmes Netz in der Ostprignitz oder im Sauerland kommt es nicht an, Hauptsache, bei Konzernen klingelt der Geldbeutel lauter und länger? Das ist menschen- und fortschrittsfeindliche Politik, und das wird die Linksfraktion nicht unterstützen. Vielen Dank. Nächster Redner: für die FDP-Fraktion Maximilian Funke-Kaiser.
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Alois Rainer CDU/CSU
Alois
Rainer
CDU/CSU
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Münz von der AfD, Sie haben eine Zahl genannt: 50 Milliarden Euro Flüchtlingskosten. Ich weiß nicht, woher Sie die Zahl haben. – Vom Sachverständigenrat. – Die aktuellen Zahlen aus dem Jahr 2017 belegen etwas ganz anderes: Die Kosten, die der Bund trägt, belaufen sich auf 21 Milliarden Euro. Und zieht man davon noch die Kosten für die Bekämpfung der Fluchtursachen ab, sind wir bei 15 Milliarden Euro. Die 50 Milliarden Euro stimmen so meines Erachtens nicht, und das dann schließlich mit dem Etat des Familienministeriums zu vergleichen, ist meines Erachtens nicht richtig. Sie sind mit mir Mitberichterstatter. Wir werden uns einmal bilateral austauschen müssen und die Zahlen entsprechend richtigstellen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, zu den wesentlichen Zielen der Familienpolitik gehört es, Menschen, Familien und Kinder wirksam zu unterstützen und zu fördern. Seit 2005 – seit Beginn der Unionsregierung – haben sich die familienpolitischen Leistungen von rund 4,5 Milliarden Euro auf jetzt 10,2 Milliarden Euro mehr als verdoppelt. Schon 2017 konnten wir feststellen, dass der Bund noch nie so viel für Familien bereitgestellt hatte, und für den vorliegenden Haushaltsentwurf haben wir den Ansatz noch einmal erhöht. Es ist angesprochen worden: Es ist eine Erhöhung um 661 Millionen Euro. Der Schwerpunkt liegt beim Elterngeld mit 6,7 Milliarden Euro; das haben wir nochmals erhöht, und zwar um 270 Millionen Euro. Beim Unterhaltsvorschuss liegen wir jetzt bei 866 Millionen Euro. Ich will das Unterhaltsvorschussgesetz in keinster Weise kritisieren – es war absolut notwendig, dass wir hier Verbesserungen vorgenommen haben –, aber uns wurden andere Zahlen genannt. Das muss an dieser Stelle einfach auch einmal gesagt werden. Ich hoffe, dass man die Rückholquote entsprechend verbessern kann, wenn man auf das bayerische Modell umsteigt. Wir haben eine Rückholquote von über 30 Prozent. Ich empfehle das allen anderen Bundesländern. Kommen wir zum Programm „Demokratie leben!“. Ja, es ist höchst umstritten. Ich sage immer: Wir wollen keinen Extremismus, ob er links, rechts oder religiös ist – egal. – Wir wollen keinen Extremismus. Ich habe nirgendwo hingedeutet. Da müssen Sie aufpassen. Wir wollen keinen Extremismus, und deshalb stehen wir auch dahinter. Ich sage Ihnen eines: Wir werden genau darauf schauen, wer aus diesem Programm Geld kriegt. Es ist schon verbessert worden, und in Zukunft werden wir noch mehr darauf schauen. Wenn wir jetzt 115 Millionen Euro zur Verfügung stellen, werden wir sehr genau darauf schauen, wofür dieses Geld verwendet wird. Wir haben absolut Verständnis dafür, dass man frühzeitig – schon im Kindesalter – mit der Präventionsarbeit beginnen muss. Das ist richtig, wichtig und notwendig; denn wir haben kürzlich auch Berichte über Gewalt in den Grundschulen usw. zur Kenntnis nehmen müssen. Dagegen muss man angehen. Die prioritären Maßnahmen im Koalitionsvertrag betreffen natürlich auch das Familienministerium. Es freut mich, dass wir bei der Qualitätsverbesserung und bei der Gebührenfreiheit der Kitas Unterstützung leisten können. Der Kollege Sönke Rix hat richtigerweise gesagt, dass das zusätzliche Mittel sind, und ich werde nicht müde zu sagen: Wir leben in einem föderalistisch aufgebauten Staat und haben als Bund in diesem Bereich eigentlich keine Zuständigkeit. Wie dem auch sei: Diese 3,5 Milliarden Euro sind gut angelegtes Geld. Darüber, wie das am Ende verteilt wird, lässt sich natürlich ein Stück weit streiten. Darüber werden die Familienpolitiker streiten; wir werden das nicht im Detail diskutieren müssen. Ich finde, alle diese Investitionen in die Familien, in unsere Zukunft und in unsere Kinder sind gute Investitionen, und ich denke, wir alle stehen dahinter. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Haus heißt „Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend“. Ich bin wie schon in der letzten Legislaturperiode ein großer Freund und Verfechter der Mehrgenerationenhäuser. Ich freue mich, dass schon aus der einen oder anderen Ecke Unterstützung angekündigt wurde. Wir werden die Mehrgenerationenhäuser weiterhin mit aller Kraft unterstützen. Hier werden wir mit Sicherheit zusammenarbeiten können. Ich bedanke mich bei allen Verbänden – Jugendverbände, Seniorenverbände usw. –, die aus diesem Etat unterstützt werden. Es ist eine große Zahl. Ein herzliches Dankeschön an die vielen Hilfetelefone, die vom Familienministerium unterstützt werden. Es ist unglaublich wichtig, dass unterdrückte Menschen Hilfe erhalten. Der vorliegende Haushaltsentwurf ist eine gute Grundlage, auf der man arbeiten und aufbauen kann. Ich freue mich auf die parlamentarischen Beratungen. In der kurzen vor uns liegenden Beratungszeit ist noch einiges zu tun. Dann geht es schon bald mit dem Etat für das Haushaltsjahr 2019 weiter. Vielen herzlichen Dank. Vielen Dank, Herr Kollege Rainer. – Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen mir nicht vor.
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Lorenz Gösta Beutin DIE LINKE
Lorenz Gösta
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Was wir in der Debatte hier erlebt haben, war teilweise wieder ein Trauerspiel. Von den Rechtsradikalen haben wir wieder einmal gehört, dass sie alles auf Kohle setzen wollen. Ihnen ist der Klimaschutz vollkommen egal. Sie diffamieren die Schülerinnen und Schüler und jemanden, der eine Krankheit hat, machen ihn fertig und führen seine Position darauf zurück. Sie sollten sich einmal mit den Fakten auseinandersetzen; das würde Ihnen sehr helfen. Auf die FDP brauche ich gar nicht einzugehen. Die Antwort ist immer: Markt, Markt, Markt. – Nein, das klappt nicht mehr. Wir brauchen Ordnungsrecht. Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hilse? Nein, danke. – Ich möchte noch einmal ganz klar sagen: Was mich in der Debatte erschreckt hat, war die Position von Herrn Lämmel; denn er hat vertreten, was wir sonst immer von Herrn Hilse hören: dass der Kohleausstieg nichts am Weltklima ändert und nichts zum Klimaschutz beiträgt. – Das ist nachweislich falsch. 10 Prozent macht der europaweite CO 2 -Ausstoß am weltweiten Ausstoß aus, und sieben von zehn der dreckigsten CO 2 -Schleudern stehen in Deutschland. Das heißt, es würde sehr wohl etwas für den europäischen Ausstoß und auch für das Weltklima ausmachen. Deswegen steht der Kohleausstieg eben auf der Tagesordnung. Doch leider steht es um die Energiewende hier in Deutschland schlecht. Wir haben es in den letzten Wochen erlebt. Wir haben mit Extinction Rebellion eine starke Klimabewegung auf den Straßen weltweit, die Fridays for Future gut ergänzt. Die Bewegung hat es erreicht, dass in Großbritannien der Klimanotstand ausgerufen worden ist. Sie hat es erreicht, dass eine so große Partei wie Labour in Großbritannien gesagt hat: Das steht auf der Tagesordnung. Wir müssen alle Gesetze, die wir machen, auf ihren Beitrag zum Klimaschutz abklopfen. – Das ist genau der richtige Weg. In Deutschland hat Konstanz als erste Stadt den Klimanotstand ausgerufen. Das sollten wir doch auch mal zur Kenntnis nehmen. Aber was passiert hier? Die Große Koalition kommt nicht voran. Sie kommt nicht voran beim Kohleausstieg, bei der Verkehrswende, bei der Wärmewende, bei der Agrarwende – in allen Bereichen nicht. Dann haben wir Anfang dieses Jahres bei der Windenergie einen beispiellosen Einbruch historischen Ausmaßes erlebt. Das ist dramatisch. Das ist auch dramatisch für die Beschäftigten bei uns in Deutschland. Die Unternehmen rund um die Energiewende und die Windenergie sind mittlerweile einer der Grundpfeiler bei den Arbeitsplätzen in Deutschland. Was da gerade abläuft, was die Große Koalition da verzapft, ist fahrlässig. Wir erleben also ein Nichtstun, während die Welt Feuer fängt, und genau das ist die Verantwortungslosigkeit. Aber was liegt nun vor? Uns liegt jetzt ein Gesetzentwurf der Grünen zum Einstieg in den Kohleausstieg vor. Sie schlagen eine Abschaltung der Kohlekraftwerke mit einer Leistung in Höhe von 7 Gigawatt bis 2022 vor, davon nur 3 Gigawatt in der Braunkohle. Ich weiß – Annalena Baerbock hat es eben dargelegt –: Es handelt sich dabei um einen Vorschlag der Kohlekommission, das in einen Gesetzestext zu gießen. Der Kollege Saathoff hat eben gesagt, der Kompromiss der Kohlekommission sei ein Konsens. Aber da kann ich leider nicht zustimmen. Schauen wir uns den Kompromiss der Kohlekommission einfach mal an: Es gibt ein Sondervotum der Umweltverbände, und die Umweltverbände sagen wortwörtlich – ich habe es mir noch mal angeguckt, und ich zitiere daraus –: Wir als Umweltverbände werden weiter Druck machen, um den Ausstieg zu beschleunigen. Die Aufgabe bleibt der schnellere Ausstieg als 2038. – Da haben die Umweltverbände verdammt recht. Es sind nicht nur Fridays for Future, Extinction Rebellion oder Ende Gelände; auch fast 20 000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterstützen diesen Vorschlag. Sie haben es vorgerechnet und sagen: Der Kohlekompromiss ist eben leider nicht ausreichend, um die Klimaziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen. Wir haben dazu in der nächsten Woche eine Anhörung im Wirtschaftsausschuss. Wir als Linke schlagen einen Kohleausstieg bis 2030 statt bis 2038 und den schnelleren Einstieg in den Ausstieg vor. Wir müssen die 20 dreckigsten Kohlekraftwerke bis 2020 abschalten. 2022 ist leider zu spät. Wir müssen den Kollegen in den Braunkohleregionen reinen Wein einschenken. Wir müssen ihnen sagen: Wir in der Bundesrepublik müssen handeln, es ist aufgrund einer existenziellen Notlage notwendig. – Aber sie brauchen auch Planungssicherheit. Die Menschen in der Lausitz, im Rheinland und im mitteldeutschen Revier müssen sehen, dass wir erkennen, was sie dort geleistet haben, dass wir ihre Traditionen anerkennen. Wir müssen aber auch sagen: Es geht leider nicht mehr so weiter. Wir müssen handeln. Wir brauchen Arbeit und Beschäftigung in den Regionen; die müssen wir sichern. Wir müssen den Strukturwandel auf die Reihe kriegen. Das sind wir ihnen schuldig. Das ist dann keine Planwirtschaft, sondern das ist Planungssicherheit, das ist Förderung von strukturschwachen Regionen. Das müssen wir machen. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, deswegen können wir leider Ihrem Gesetzentwurf an dieser Stelle nicht zustimmen. Wir werden uns enthalten, und wir hoffen sehr, dass wir weiterhin gemeinsam auf die Straße gehen und Fridays for Future und all die anderen Klimabewegungen unterstützen werden. Denn es geht um die Rettung der gesamten Menschheit, und da können wir nicht rumlavieren. Vielen Dank. Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort dem Kollegen Karsten Hilse.
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Peter Aumer CDU/CSU
Peter
Aumer
CDU/CSU
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Sozialen Entschädigungsrecht, das in einem neuen Sozialgesetzbuch geregelt wird, kommen wir einem Versprechen nach: dem Versprechen, dass Menschen, die vom Staat nicht geschützt werden konnten, zum Beispiel vor Terroranschlägen, oder missbraucht wurden, die beste Begleitung und Versorgung unseres Staates gewährleistet bekommen. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist eine Frage des Respekts. Genauso war der Brief der Angehörigen der Opfer vom Breitscheidplatz an die Bundeskanzlerin überschrieben: „Eine Frage des Respekts“. Das neue Soziale Entschädigungsrecht ist getragen von diesem Respekt. Das Sozialgesetzbuch XIV, das wir heute beschließen, ist eines der modernsten und durchdachtesten Opferentschädigungsgesetze in ganz Europa – deswegen hat es wahrscheinlich auch neun Jahre gedauert. Die Bedürfnisse und Interessen der Opfer und deren Angehörigen stehen im Mittelpunkt dieses Gesetzes. Einige Beispiele dafür: Die Entschädigungszahlungen werden deutlich erhöht. Darüber hinaus erreichen wir mehr Menschen, unabhängig von ihrer Nationalität. Das war eine Lehre des Attentats vom Breitscheidplatz. Traumaambulanzen und schnelle Hilfen werden gewährleistet. Opfer psychischer Gewalt und Schockschadensopfer erhalten Ansprüche. Opfer von sexueller Gewalt werden durch eine erleichterte Beweisführung besser in das SER und dessen Ansprüche aufgenommen. Und auch die Angehörigen bekommen Leistungen des Sozialen Entschädigungsrechtes. Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, nach einigen Anläufen liegt heute das neue Sozialgesetzbuch XIV in zweiter und dritter Lesung zur Abstimmung vor. Dieses Sozialgesetzbuch ist getragen von einer großen Mehrheit dieses Hauses. Es war schön, zu sehen, dass fast alle Oppositionsfraktionen – bis auf die AfD – mitgeholfen haben, dieses neue Soziale Entschädigungsrecht zu etwas Besonderem zu machen: einem Gesetz, das in enger Abstimmung mit den Opferverbänden verbessert worden ist – deren Erfahrungen und tägliche Arbeit mit den Opfern finden sich in diesem Gesetz wieder –, einem Gesetz, das der Verantwortung des Staates für erbrachte Sonderopfer und erlittenes Unrecht in angemessener Weise Rechnung trägt, einem Gesetz, das das Spannungsverhältnis zwischen Förderung von Selbstbestimmung und Teilhabe am Arbeitsleben und dem individuellen Schadensausgleich auflöst. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben in einer Beschlussempfehlung des Ausschusses mehrere Punkte ganz besonders hervorgehoben. Die Kollegen, die vor mir geredet haben, haben schon viele herausgehoben. Ich möchte nur noch einige Punkte nennen. Dass der Fonds Sexueller Missbrauch fortgeführt werden soll, war ein Punkt. Dass die Traumaambulanzen schon 2021 eingeführt werden sollen, ein anderer. Und wie Peter Weiß vorher gesagt hat: Auch das Thema Traumaambulanzen für Kinder und Jugendliche ist ein wichtiges Thema. Das wurde ebenfalls betont. Entschuldigen Sie bitte. – Ich würde wirklich bitten, vor allen Dingen bei der FDP-Fraktion, jetzt dieser Rede zuzuhören. Das ist eine sehr intensive Diskussion. Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, dieser Debatte jetzt bis zum Ende zu folgen. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen! Dass dieses Gesetz heute so zustande gekommen ist, ist auch dem Druck der Bundeskanzlerin zu verdanken, der eine Einigung auch wichtig war. Deswegen, glaube ich, ist die Einigung auch ein kleines bisschen beschleunigt worden. Meine sehr geehrten Damen und Herren, dass dieses Gesetz heute von fast allen Fraktionen mitgetragen wird, ist ein wichtiges Zeichen für die Opfer und deren Angehörige. Ich möchte den Dank erwidern: an alle, die das vorher schon gemacht haben, an die drei Oppositionsfraktionen, an dich, lieber Matthias, an Kerstin Griese, an die Mitarbeiter des Ministeriums. Ich möchte Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, bitten, heute diesem Gesetz zuzustimmen – einem Gesetz, das getragen ist vom Respekt vor den Opfern und ihren Angehörigen. Die Opfer und ihre Angehörigen stehen im Mittelpunkt dieses Gesetzes. Stimmen Sie deshalb diesem Gesetz zu, weil jede Stimme für dieses neue Soziale Entschädigungsrecht ein Zeichen des Respekts ist! Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. Vielen Dank, Peter Aumer. – Der letzte Redner, der in dieser Debatte redet, ist Dr. Edgar Franke für die SPD-Fraktion.
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Britta Haßelmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Britta
Haßelmann
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Wir alle sind beruhigt, dass wir heute keine Regelung extra für Herrn Kubicki schaffen müssen. Spaß beiseite; denn es geht ja um ein sehr ernstes Anliegen, meine Damen und Herren. Die Ausgangslage ist, wie sie ist: Union und SPD haben am 9. Oktober 2020 gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen das Wahlgesetz geändert und eine unbestimmte und unklare Regelung zur Wahlvorbereitung unter Coronabedingungen geschaffen. Wir hatten das seinerzeit kritisiert und Sie dringend aufgefordert, es im Bundeswahlgesetz nicht an Bestimmtheit mangeln zu lassen. Dieser Aufforderung und auch unserem Änderungsantrag, den inhaltlichen Vorschlägen, sind Sie seinerzeit nicht nachgekommen, meine Damen und Herren. Das ist bedauerlich, und damit haben wir jetzt die Grundlage, wie wir sie heute haben. Es ist darüber hinaus ein drängendes Problem und ein Anliegen aller Parteien – auch unserer Partei –, rechtssichere Regelungen zu haben, für alle Parteien die Wahlvorbereitung und Aufstellungsversammlung unter den Bedingungen einer großen Infektionslage und dieser Covid-Pandemie abhalten zu können. Wir wollen nicht das Risiko eingehen – und so geht es vielen in unterschiedlichen Regionen des Landes –, sich zu 600 zu versammeln und damit im Infektionsgeschehen die Gesundheit der teilnehmenden Menschen und auch vieler anderer Menschen so zu gefährden, wie Sie das mit Ihrer Aufstellungsversammlung in Kalkar gemacht haben, meine Damen und Herren, Da waren viele Menschen. Jede und jeder von uns hier im Bundestag weiß, was das für sie in den zwei Wochen danach im Hinblick auf Covid-Ansteckung bedeutet hat, meine Damen und Herren. Ich kann verstehen, dass viele abwägen und sagen: Unter diesen schwierigen Bedingungen verschieben wir unsere Präsenzaufstellungsversammlung. Das haben ja viele gemacht, und es gibt auch gerade Überlegungen dazu in vielen Parteien. Oder sie verschieben Landesparteitage; da geht es auch darum, Landeslisten aufzustellen. Aber ich glaube, das Wichtige ist, dass wir in dieser Situation jetzt diesen Feststellungsbeschluss treffen. Ich will Ihnen ganz ehrlich sagen: Wir haben damals vor dem Begriff der Unmöglichkeit gewarnt. Wir haben gesagt: Lassen Sie uns eine andere Formulierung für diese Krisensituation finden, aber nicht den Begriff der Unmöglichkeit. Sie haben leider den Ratschlägen des Innenministeriums Ihre Zustimmung gegeben und sich für diesen Begriff entschieden. Deshalb ist es doch müßig, jetzt rückwärtsgewandt zu sagen: Weil das alles so schlecht war, können wir heute nicht reagieren. – Wir müssen reagieren, und deshalb sieht auch unsere Fraktion die Notwendigkeit, in dieser Situation diesen Feststellungsbeschluss zu treffen. Meine Damen und Herren, es ist doch wichtig, dass wir jetzt sagen, – Frau Kollegin, kommen Sie zum Schluss, bitte. – klar, diese Feststellung gibt’s. Die Priorität liegt bei der Präsenzveranstaltung, und das müssen wir auch alle unseren Landesverbänden, unseren Kreisverbänden sagen. Das muss vor Ort sozusagen der Grundsatz sein. Aber da, wo es nicht möglich ist, – Frau Kollegin, bitte. – auch regional vielleicht nicht möglich ist, ermöglicht man jetzt zusätzlich durch den Feststellungsbeschluss diese Offenheit. Das ist der Beschluss, den wir heute treffen, – Frau Kollegin Haßelmann, bitte. – und ich erwarte vom Bundesinnenministerium, dass die Rechtsverordnung dem Deutschen Bundestag dann aber auch rechtssicher und mit Bestimmtheit vorgelegt wird – Frau Kollegin Haßelmann, Sie müssen jetzt wirklich zum Schluss kommen. – und wir nicht wieder so eine katastrophale Ausgangslage haben. Vielen Dank, meine Damen und Herren. Vielen Dank, Frau Kollegin Haßelmann. – Als nächster Redner erhält das Wort der fraktionslose Kollege Mario Mieruch.
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Hermann Gröhe CDU/CSU
Hermann
Gröhe
CDU/CSU
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Religiöse und weltanschauliche Überzeugungen prägen das Leben der meisten Menschen auf dieser Erde. Sie stiften Lebenssinn, sie prägen das eigene Selbstverständnis und motivieren häufig zum Einsatz für andere und für das Gemeinwesen. Über 80 Prozent der Weltbevölkerung werden einer Religionsgemeinschaft zugerechnet. Zugleich leben 75 Prozent der Menschen in Ländern, in denen die Religionsfreiheit in gewisser Weise zum Teil brutal eingeschränkt ist. Deswegen war es wichtig und ein Herzensanliegen der Unionsfraktion, das Thema Religionsfreiheit fest auf der politischen Agenda zu verankern. Ich möchte mich bei Markus Grübel, dem Beauftragten der Bundesregierung für weltweite Religionsfreiheit, herzlich bedanken. Sein Bericht zeigt, dass dies gelungen ist. Ich danke auch unserem langjährigen Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder, der ganz entscheidend dazu beigetragen hat, dass diese Verankerung gelungen ist. Vielen Dank, lieber Volker Kauder. Schließlich ist es mir auch ein Anliegen, Professor Heiner Bielefeldt zu nennen, der als Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen zum Thema Religions- und Weltanschauungsfreiheit maßgeblich dazu beigetragen hat, diesem Thema auch in der wissenschaftlichen Diskussion, auch in der Menschenrechtsdiskussion in unserem Land einen stärkeren Platz einzuräumen. Meine Damen, meine Herren, das zivilgesellschaftliche Engagement für Religionsfreiheit in unserem Land ist häufig geprägt von der Solidarität christlicher Kirchen und Gemeinschaften mit verfolgten Christinnen und Christen in aller Welt. Das ist richtig. Gleichzeitig gilt: Unsere Solidarität gilt allen Menschen jedweder religiösen und weltanschaulichen Überzeugung. Wir stehen an ihrer Seite, wenn es um Religions- und Weltanschauungsfreiheit geht, meine Damen, meine Herren. Das meint die Freiheit des Einzelnen, die Freiheit der Religionsgemeinschaft, das meint die Freiheit, öffentlich einladend über den eigenen Glauben zu reden, das meint das Recht, eine religiöse Überzeugung abzulegen oder zu wechseln und schließlich natürlich auch die Freiheit zur Religionskritik. Aber all dies wird mal als strafwürdige Mission, mal als Glaubensabfall, mal als Blasphemie in vielen Ländern unter Strafe gestellt, staatlichem oder nichtstaatlichem Druck ausgesetzt. Daran wird immer wieder deutlich, dass solche Einschränkungen auch andere Grundrechte, Menschenrechte tangieren: die Meinungsfreiheit, die Versammlungsfreiheit, mitunter die Kunstfreiheit, die Pressefreiheit und vieles andere mehr. Meine Damen, meine Herren, deswegen bin ich dankbar, dass der zweite Bericht etwa in Hinblick auf die Lage in 70 Ländern, in denen sogenannte Blasphemiegesetze bestehen, einen starken Akzent auf diese rechtlichen Fragen der Diskriminierung religiöser Freiheit lenkt. Ich will einen weiteren Punkt nennen und bewusst unterstreichen. Das ist das Thema Bildung. Ja, Bildung ist ein Bereich, in dem es darum geht, allen Menschen Zugang zur Bildung zu eröffnen, religiöse Minderheiten und andere nicht auszuschließen, auch ethnische Minderheiten nicht, in anderen Ländern Mädchen und junge Frauen nicht auszuschließen. Bildung ist ein Grundrecht aller Menschen. Wir sehen, dass in Schulen religiöser Hass gelehrt wird. Aber ich will auch einmal bewusst den Blick darauf lenken, welche Chancen in religiöser Toleranzerziehung liegen. Ich habe vor zwei Jahren im Senegal, in einem mit überwältigender Mehrheit muslimischen Land, ein Projekt besucht, in dem muslimische und kirchliche Einrichtungen, unterstützt und begleitet von der Konrad-Adenauer-Stiftung, Unterrichtsmaterialien erstellen für die Bildung religiöser Toleranz in den Schulen dieses Landes, einem Nachbarland des so arg gebeutelten Mali. Es gibt diese guten Beispiele; und wir sollten auch über sie reden. Und wenn wir über religiöse Toleranz reden, dann will ich auch sehr deutlich sagen: Der Einsatz für Religionsfreiheit und religiöse Feindbilder passen nicht zusammen. Ich sage das auch vor dem Hintergrund, dass es natürlich so ist – wir kritisieren das –, dass in vielen muslimisch geprägten Ländern die Freiheit religiöser Minderheiten eingeschränkt ist, dass sich islamistischer Terror gegen angebliche Ungläubige, aber häufig auch gegen angeblich zu Liberale in der eigenen Religionsgemeinschaft, nicht zuletzt gegen Frauen, richtet. Aber angesichts von muslimischen Rohingya, muslimischen Uiguren, die bittere Verfolgung erfahren, sage ich auch sehr deutlich: Für ein islamophobes Feindbild ist in der Debatte um Religionsfreiheit kein Platz, meine Damen, meine Herren! Deswegen ist es mir ein Anliegen, zu sagen: Diese Arbeit wollen wir verstetigen, auch die Arbeit in der Bundesregierung und das Amt des Beauftragten für weltweite Religionsfreiheit. Wir wollen das auch tun im Bereich der Europäischen Union, wo das Amt des Sonderbeauftragten für die Förderung von Religions- und Weltanschauungsfreiheit wieder besetzt und ausgestattet werden muss. Diese wichtige Debatte bleibt auf der Tagesordnung. Das ist uns ein Herzensanliegen. Vielen Dank, Hermann Gröhe. – Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Jürgen Braun.
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Dr.
Dr. Malte Kaufmann AfD
Malte
Kaufmann
AfD
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Marktmacht von Tech-Giganten in die Schranken weisen“ – das möchten die Kollegen von CDU und CSU; so steht es im Antrag. Es ist grundsätzlich richtig, wenn unsere soziale Marktwirtschaft verteidigt wird. Die hat uns nämlich den Wohlstand der früheren Jahrzehnte gebracht. Und noch etwas ist gut in Ihrem Antrag. Sie heben die Bedeutung des Nationalstaats empor. Das Bundeskartellamt scheint Ihnen offenbar vertrauenswürdiger zu sein als das Pendant in Brüssel. Beides sieht unsere freiheitliche Bürgerpartei genauso; und daher werden wir Ihrem Antrag auch zustimmen. Allerdings: Ihr Antrag ist zwar richtig, aber aus Ihrem Munde nicht glaubwürdig. Sie berufen sich auf Ludwig Erhard. Aber wer soll das der heutigen CDU noch abnehmen? Wer soll das einer Partei glauben, die 16 Jahre Kanzlerschaft von Angela Merkel möglich gemacht hat? 16 quälend lange Jahre, die die freiheitliche Denkweise aus Ihrer Partei in weiten Teilen vertrieben haben! Vielleicht fragen Sie sich mal, wie es sein kann, dass man als Kanzlerpartei in 16 Jahren fast 190 000 Mitglieder verliert – darunter im Übrigen auch mich. Ich helfe Ihnen gerne bei der Fehlersuche: Die Menschen spüren seit Langem, dass Ihre Worte nicht mehr zu Ihren Taten passen. Das trifft übrigens auch auf Ihren heute vorliegenden Antrag zu. Wer hat denn in den letzten zwei Jahren mit seiner völlig verkorksten Coronapolitik der von Ihnen beklagten Marktmacht von Techgiganten einen enormen Schub verliehen? Warum steht beispielsweise Amazon so glänzend da wie nie zuvor in Deutschland, während viele Einzelhändler vor Ort für immer dichtgemacht haben? Wegen Ihrer unnötigen Lockdowns! Weil Sie Kunden in Panik versetzt haben, am besten gar nicht mehr das Haus zu verlassen. Die Lockdowns und die unsinnigen 2-G- und 3-G-Maßnahmen haben viele Händler verzweifelt und auch verbittert zurückgelassen. Diese fleißigen Unternehmer haben sich von Ihrer Politik verraten und verkauft gefühlt, und ihre Kunden haben Sie in die Arme von Techgiganten wie Amazon getrieben. Der aktuelle Zustand ist also zum großen Teil hausgemacht. Deshalb: Verlassen Sie Ihren eigenen rot-grünen Irrweg, und kehren Sie jetzt ernsthaft mit uns und allen freiheitlich Gesinnten hier in diesem Hohen Haus zu politischer Vernunft zurück! Vielen herzlichen Dank. Das Wort hat der Kollege Maik Außendorf für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
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Jutta Krellmann DIE LINKE
Jutta
Krellmann
DIE LINKE
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Digitalisierung ist das Zauberwort und muss zurzeit für ganz viele Dinge herhalten, von Arbeitszeitgesetz bis Berufsbildung. Als Gewerkschaftssekretärin der IG Metall habe ich in den 80er-Jahren miterlebt, wie in Industriebetrieben analoge Werkzeugmaschinen durch computergesteuerte Maschinen ersetzt wurden. In der Metallindustrie mussten Tausende Beschäftigte in kurzer Zeit mit neuen Technologien zurechtkommen. Maschinenschlosser, die noch an Werkbänken ausgebildet wurden, hatten es nun mit computergesteuerten Anlagen zu tun. Das war eine riesige Herausforderung, da die Qualifikation der Beschäftigten nicht mehr passte. Fachkräfte wurden plötzlich nur noch als einfache Maschinenbediener eingesetzt. Manche wurden arbeitslos. Das geschah nicht nur in Metallbetrieben. In allen Branchen, in die Computer Einzug hielten, wurden die Qualifikationen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entwertet. Die Antwort, die dafür sorgte, dass die bisherigen Fachkräfte nicht auf der Strecke bleiben und nur neue oder junge Beschäftigte eine Chance haben, waren Weiterbildung und Anschlussqualifikation, Überarbeitung der Berufsbilder und Veränderung der Berufsausbildung durch neue Lernformen und neue Prüfungsordnungen. Die Maschinenschlosser mit CNC-Kenntnissen hießen von da an Industriemechaniker, Elektriker hießen Industrieelektroniker, und Dreher hießen Zerspanungsmechaniker. Mit Sicherheit ist der digitale Wandel der Arbeitswelt, um den es heute geht, noch einschneidender. Jetzt müssen passgenaue Lösungen her. Deshalb ist es gut, dass diese Enquete-Kommission eingerichtet wird. Wir brauchen Antworten auf die Frage, wie die Zukunft der beruflichen Aus- und Weiterbildung aussehen wird und was die Politik beitragen muss. Aus unserer Sicht brauchen wir ein umfassendes Konzept, um Beschäftigte für die digitale Arbeitswelt fit zu machen und sie einzubinden. Für Die Linke stehen die arbeitenden Menschen und ihre Interessen im Mittelpunkt. Es darf nicht passieren, dass Arbeit entwertet wird. Eingruppierungen und damit Einkommen müssen gesichert werden. Damit dieser Prozess gelingt, muss er durch die Beschäftigten mitbestimmt werden. Nur gemeinsam werden gute Arbeit und Weiterbildung in der digitalen Arbeitswelt gelingen. Dafür werden wir uns in der Enquete-Kommission einsetzen und starkmachen. Dafür stehen wir als Fraktion Die Linke. Vielen Dank. Vielen Dank, Jutta Krellmann. – Nächster Redner: Stephan Albani für die CDU/CSU-Fraktion.
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Dr.
Dr. Volker Ullrich CDU/CSU
Volker
Ullrich
CDU/CSU
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im nächsten Jahrzehnt wird die Frage der Cybersicherheit mit das bestimmende Thema werden. Digitalisierung und KI bringen große Chancen, die wir aber auch absichern müssen. Wir brauchen Sicherheit für den Einzelnen. Der Kernbereich der Persönlichkeit muss geschützt werden, also wenn es um digitale Krankenakten, E-Mails und das Einkaufsverhalten geht. Die Persönlichkeit kann vollständig vermessen werden. Deswegen ist die Frage des Schutzes eine der zentralen der Cybersicherheit. Es geht aber auch um die kritische Infrastruktur, nicht nur um Strom- und Versorgungsnetze, sondern auch um Nahrungsmittelketten, um Zulieferung und um unser Gesundheitswesen. Deswegen brauchen wir hier eine Fortschreibung des IT-Sicherheitsgesetzes, um das grundlegende Zusammenleben in unserem Land absichern zu können, und deswegen brauchen wir übrigens auch eine klare Balance zwischen Freiheit und Sicherheit. Es war falsch und es ist nicht in Ordnung, wie auch hier über unsere Sicherheitsbehörden gesprochen wird. Wir brauchen gerade aufgrund der Herausforderungen durch Terrorismus und Kriminalität einen Abgleich zwischen Freiheit und Sicherheit und rechtsstaatliche Befugnisse für unsere Behörden, um schwere Straftaten aufzuklären und zu verhindern. Und ja, wir müssen auch über 5G reden. Es ist klar, dass dieses Netz mit das wichtigste Infrastrukturprojekt der nächsten Jahre werden wird. Es geht darum, ob wir als Industriegesellschaft den Anschluss schaffen oder den Anschluss verlieren. Das hängt auch vom Netzausbau ab; das ist gar keine Frage. Aber ich glaube, wir sollten über diese Frage sehr differenziert und besonnen sprechen. Ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir zwischen dem Zugangsnetz und dem Kernnetz aufteilen. Je intensiver und sensibler die jeweilige Netzinfrastruktur wird, desto klarer muss ein Schutz gewährleistet sein: vor Zugriffen, vor Sabotage und vor dem Abfluss von Daten. Aber es geht nicht allein um die Frage, wie wir unser Netz vor Zugriffen schützen können, sondern auch darum, dass wir uns nicht in eine einseitige Abhängigkeit begeben dürfen. Eine Monopolstruktur in diesem Bereich kann dazu führen, dass wir verwundbar werden. Das müssen wir unter allen Umständen vermeiden. Es gibt aber noch weitere Fragen, meine Damen und Herren. Wir müssen uns fragen: Welche Fähigkeiten haben wir in Deutschland und in Europa selbst? Es geht um die Frage, ob wir imstande sind, ein Netz selbst zu bauen und zu betreiben, und zwar nicht in Abhängigkeit von einem Unternehmen, sondern durch technologische und intellektuelle Souveränität in Europa. Diese Frage werden wir in den nächsten Jahren noch deutlicher zu diskutieren haben. Wir müssen uns fragen: Welche industriepolitische Strategie braucht es, um Europa im Bereich der 5G-Netze – und perspektivisch auch der 6G- und 7G-Netze – zu einem Weltmarktführer zu machen? Welche Fähigkeiten brauchen wir dafür? Was müssen wir heute im Bereich Wirtschaft, aber auch in den Bereichen Bildung und Forschung tun, um hier deutlich vorne zu liegen? Das wird die große industriepolitische Frage des kommenden Jahrzehnts sein, und die müssen wir für uns positiv beantworten. Das gelingt nicht mit kurzfristigem Denken, sondern wir müssen klar und deutlich machen, dass wir bei diesem Thema nicht naiv sein dürfen, meine Damen und Herren. Insgesamt gilt: Wir müssen das Thema 5G im Gesamtzusammenhang diskutieren. Wir müssen über Zertifizierung, über Verschlüsselung, über Softwarecodes sprechen, aber insgesamt eine klare Haltung haben, dass die digitale Souveränität unseres Landes im Mittelpunkt steht. Herzlichen Dank. Vielen Dank, Dr. Volker Ullrich. – Damit schließe ich die Aussprache.
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Dr.
Dr. Sahra Wagenknecht DIE LINKE
Sahra
Wagenknecht
DIE LINKE
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Bundeskanzlerin! Wenn selbst der ehemalige Vizekanzler – immerhin Mitglied einer der Koalitionsparteien – sich inzwischen fragt, ob die handelnden Akteure in dieser Regierung „völlig wahnsinnig geworden“ sind, dann kann man eine solche Kritik als Opposition eigentlich nicht mehr toppen. Deswegen schließen wir uns hier ausdrücklich dieser Frage von Herrn Gabriel an. Was Sie hier abliefern, ist eine Zumutung für die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land, und es ist blamabel gegenüber unseren europäischen Partnern. Wir würden es ja noch mit Sympathie verfolgen, wenn die Koalition darüber streiten würde, was man gegen die unverändert ansteigende Altersarmut tun kann oder gegen die unverändert dramatische Situation in vielen Krankenhäusern und Pflegeheimen oder gegen den ungebremsten Mietwucher, der nach wie vor Familien aus den Innenstädten verdrängt. Wenn Sie darüber streiten würden, dann hätte man doch wenigstens noch das Gefühl, dass Sie sich mit den realen Nöten der Bevölkerung beschäftigen würden. Aber zu all diesen Themen fällt Ihnen leider seit langem schon nichts mehr ein. Ja, auch Asyl und Zuwanderung gehören zu den Problemen, die die Menschen bewegen. Aber auch da geht es Ihnen doch nicht darum, irgendetwas zum Besseren zu verändern. Es geht doch um nichts anderes als um die Torschlusspanik der CSU vor der bayerischen Landtagswahl und um Symbolpolitik. Das ist doch alles, worum es geht. Was würde sich denn konkret verändern? Was würde denn die Zurückweisung registrierter Asylbewerber an der deutschen Grenze tatsächlich verändern? Wenn Deutschland im Alleingang beschließt, zurückzuweisen, dann werden andere Länder eben im Alleingang beschließen, nicht mehr zu registrieren. Was haben Sie dadurch gewonnen, außer dass Sie neuen Sprengstoff für die innereuropäischen Beziehungen gelegt haben? Herrn Seehofer kann ich ja leider nicht fragen; aber ich finde, man muss die CSU schon fragen: Nehmen Sie überhaupt noch wahr, dass es noch eine Welt außerhalb von Bayern gibt? Nehmen Sie noch wahr, dass in dieser Welt gerade ein von den USA angezettelter Handelskrieg gefährlich eskaliert, mit Zöllen und mit immer neuen Sanktionsdrohungen, und dass es elementar für unseren Wohlstand sein wird, ob Europa darauf eine gemeinsame Antwort findet oder nicht? Ist Ihnen nicht aufgefallen, dass in dieser außerbayerischen Welt gerade der nächste Krieg vorbereitet wird, nämlich der Krieg gegen den Iran, und dass die Vereinigten Staaten den Nahen Osten ungeniert weiter destabilisieren mit allen schlimmen Folgen, die dann nicht zuletzt Europa tragen muss? Vielleicht, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, sollten Sie nicht ganz vergessen, dass es auf dieser Welt noch ein paar Probleme gibt, die größer sind als der Bayerische Landtag. Ja, wenn Sie die Flüchtlingszahlen wirklich reduzieren wollen, dann folgen Sie doch endlich den Vorschlägen, die wir hier immer vorgetragen haben, dann hören Sie auf, völkerrechtswidrige Interventionskriege zu unterstützen, die ein Land nach dem nächsten in einen Failed State verwandeln. Dann hören Sie auf, sich von Rüstungslobbyisten schmieren zu lassen und immer neue Waffen in Spannungsgebiete zu liefern. Das sind doch die eigentlichen Ursachen. Aber bei dieser falschen Politik ist sich diese desolate Koalition ja leider erschreckend einig; das ist das Kernproblem. Dass Sie inzwischen noch nicht einmal davor zurückschrecken, mit islamistischen Warlords in Libyen, die Menschenrechte mit Füßen treten, die foltern und vergewaltigen, zusammenzuarbeiten, ist, finde ich, wirklich das Allerletzte. So erfreulich es ist, dass Sie, Frau Merkel, neuerdings Wert auf europäische Regelungen, auf europäische Lösungen und Abstimmungen mit unseren europäischen Partnern legen, so klar ist auch: Der Scherbenhaufen, vor dem Sie in Europa stehen, ist doch der Scherbenhaufen Ihrer Politik. Sie haben doch das Porzellan zerschlagen und unsere europäischen Partner immer wieder gegen sich aufgebracht – mit Ihren Alleingängen, mit Ihren erratischen Entscheidungen, mit deutscher Selbstgefälligkeit und Rechthaberei. Denken Sie, das haben die anderen vergessen? Denken Sie, die Mittelmeeranrainer haben vergessen, wie lange sie im Rahmen des Dublin-Systems mit den Flüchtlingen alleingelassen wurden und dass Deutschland damals kein bisschen solidarischer war als heute Ungarn oder Polen? Meinen Sie, unsere Partner wissen nicht mehr, wie selbstherrlich sich die deutsche Regierung während der Euro-Krise aufgeführt hat? Ich darf an den Spruch von Herrn Kauder, in Europa werde wieder deutsch gesprochen, erinnern. Es fällt nicht schwer, sich auszumalen, wie das damals in Rom und Paris angekommen sein muss. Auch die Griechen dürften noch gut in Erinnerung haben, wie Sie und Herr Schäuble ihnen drastische Kürzungsprogramme aufgezwungen haben, die ein ganzes Land in die Armut gestürzt haben, als Preis für Rettungsmilliarden, die vor allem an deutsche und französische Banken geflossen sind. Und glauben Sie, die Franzosen und Italiener wissen nicht, dass das deutsche Lohndumping unseren Exportkonzernen unlautere Wettbewerbsvorteile verschafft und in ihren Ländern zu Deindustrialisierung und Arbeitslosigkeit führt? Dass heute in vielen europäischen Ländern Wahlen mit Kritik an Deutschland gewonnen werden können, ist doch das Ergebnis Ihrer Politik, Frau Bundeskanzlerin. Helmut Kohl hatte schon 2011 in einem Interview davor gewarnt, dass Sie „keinen Kompass“ und auch „keinen Führungs- und Gestaltungswillen“ haben und dass Deutschland im Ergebnis Ihrer Politik irgendwann isoliert dastehen wird. Er hat leider recht behalten. Wenn Sie das ernsthaft korrigieren wollen, dann müssten Sie weit mehr tun, als für europäische Lösungen in der Flüchtlingsfrage zu werben. Dann wäre zum Beispiel ein Mindestlohn von wenigstens 12 Euro statt der mickrigen Steigerung, die gerade wieder beschlossen wurde, oder ein Verbot der Lohndrückerei mit Leiharbeit und Werkverträgen nicht nur ein Segen für Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserem Land, sondern auch ein echter Beitrag zum Zusammenhalt der Euro-Zone. Das wäre letztlich auch wirkungsvoller als Ihr mit Herrn Macron ausgehandeltes Euro-Budget, das der Ökonom Thomas Piketty zu Recht einen vagen, ambitionslosen Kompromiss genannt hat. Piketty schlägt übrigens wie wir zur Finanzierung öffentlicher Investitionen eine Steuer auf die großen Vermögen in der Euro-Zone vor. Und da fragt man sich schon: Weshalb kommen solche Vorschläge eigentlich nie von der SPD? Weshalb überlassen Sie seit Monaten der Union die Hoheit, die Themen zu setzen, statt auch nur einmal mit einer substanziellen sozialen Forderung den Konflikt zu suchen? Mit der Union auf Konflikt zu gehen, wäre doch im Übrigen auch außenpolitisch längst überfällig. Der ehemalige Hamburger Bürgermeister Klaus von Dohnanyi hat doch recht, wenn er in einem aktuellen „FAZ“-Artikel empfiehlt – ich zitiere –: Wenn Amerika aber seine Alleingänge in unserer Nachbarschaft fortsetzen will, dann muss Europa die Nato in ihrer heutigen Form politisch in Frage stellen und seine eigenen, unabhängigen außen- und verteidigungspolitischen Entscheidungen treffen. So weit das Zitat von Klaus von Dohnanyi. Für diese Forderung wurden wir von Ihnen regelmäßig als regierungsunfähig beschimpft. Aber sie ist doch richtig. Setzen Sie sich doch lieber für solche Forderungen ein, als bedingungslos eine Kanzlerin zu stützen, die im Unterschied zu ihren Amtsvorgängern der US-Politik immer nur kritiklos hinterhergelaufen ist, die bis heute die Russland-Sanktionen verteidigt und die auf dem NATO-Gipfel den irren Aufrüstungsforderungen nachkommen will, die für Deutschland Mehrausgaben von über 30 Milliarden Euro pro Jahr bedeuten. Das ist übrigens genau der Betrag, der zusätzlich für eine gute Bildung in unserem Land investiert werden müsste, wenn wir diesbezüglich wenigstens den Durchschnitt der OECD-Länder erreichen wollten. Aber Sturmgewehre und bewaffnungsfähige Drohnen sind Ihnen offenbar wichtiger als zusätzliche Lehrer und gut ausgestattete Schulen. Ich finde, das sagt alles über diese Regierung. Deswegen brauchen wir endlich einen politischen Neuanfang. Beenden Sie dieses Konjunkturprogramm für Politikverdruss, das nur dazu führt, dass sich immer mehr Menschen von der Demokratie abwenden. Wir wollen das nicht, und deswegen wollen wir eine andere Politik in diesem Land. Jetzt hat das Wort die Vorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Katrin Göring-Eckardt.
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Daniel Föst FDP
Daniel
Föst
FDP
Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Was soll ich sagen? Das war wieder nix! Wohnkostensteigerungen sind für viele Menschen immer noch existenziell. Sie haben sich in der Großen Koalition über Monate hinweg bei dieser notwendigen Reform im Baubereich im internen Koalitionsstreit verkämpft, anstatt endlich große Linien aufzuzeigen und pragmatisch zu handeln. Die Novelle des Baugesetzbuches und der Baunutzungsverordnung wäre wirklich eine Chance gewesen, den Wohnungsmangel in Deutschland ein Stück weit zu beheben. Baulandmangel ist ein Riesenproblem. Baulandmangel ist einer der Flaschenhälse beim Schaffen von günstigem Wohnraum. Aber statt Bauland jetzt zu mobilisieren, wird es umverteilt. Hinzu kommt: Die ganzen Baugebote, die neuen Verbote, die zusätzlichen B-Pläne, die Fristenverlängerungen, die ganzen neuen Eingriffsrechte sind weitere Baubremsen und Bauverlangsamer. Sie hauen mit der Bürokratiekeule so hin, dass kein Gras mehr wächst. Das Bittere ist: Sie haben die zahlreichen konstruktiven Vorschläge der Verbände, übrigens auch der Bundesländer und der Opposition, einfach ignoriert. Sie haben diese Vorschläge zur Mobilisierung und zur Umnutzung von Bauland in den Wind geschlagen. Deswegen ist es auch keine Reform, die Sie hier vorgelegt haben, sondern allerhöchstens ein laues Lüftchen. Wir Freie Demokraten haben deshalb einen ganzen Stapel an konkreten Vorschlägen gemacht, wie man das Baulandmobilisierungsgesetz noch retten könnte. Wir brauchen endlich mehr Bauland. Wir brauchen endlich digitale Verfahren, digitale Bauleitplanung. Wir brauchen endlich mehr Flexibilität beim Bauen. Wir brauchen endlich eine stärkere Unterstützung der Kommunen. Nur so entstehen preisgünstige Wohnungen, die die Menschen brauchen. Übrigens: Ein Satz zu Ihrem Streit beim Umwandlungsverbot. Herr Kollege Föst, erlauben Sie eine Zwischenfrage aus der Fraktion der SPD? Gerne. Das verlängert Ihre Redezeit auch deutlich. Ja, der Kollege redet auch gerne. Herr Kollege Föst, Sie haben gerade ein bemerkenswertes Wortpaar gebraucht: preiswerten und bezahlbaren Wohnraum. Ich finde gut, dass Sie davon sprechen, aber Sie sprechen immer nur davon, wenn es um Neubau geht. Ich bin Mitglied einer Wohnungsbaugenossenschaft. Wir sollten im Jahr 1999 verkauft werden, haben dann unsere Bestände im Jahr 2000 gekauft. Wir wären an einen sogenannten Aufteiler von Berlin verkauft worden. Wir haben uns gewehrt und haben unsere eigenen Bestände. Es war kürzlich jemand bei mir in der Mietersprechstunde, der sich unsere Genossenschaft angeschaut hat. Er sagte: Herr Mindrup, ich bin Rechtsanwalt. Im Augenblick ist meine Wohnung noch bezahlbar. Das Haus ist in Eigentumswohnungen aufgeteilt worden. Ich weiß, ich werde nach zehn Jahren die Eigenbedarfskündigung bekommen. Nicht mal als Anwalt in Prenzlauer Berg kann ich mir meine Wohnung leisten, und ich gucke jetzt schon, wohin nach Brandenburg ich ziehe. Das ist doch absurd, weil es nämlich zeigt, dass preiswerter Wohnraum nicht nur neu gebaut werden muss, sondern auch gesichert werden muss und dass wir das Spekulationsgeschäft beenden müssen, weil wir doch gar nicht dagegen anbauen können, Herr Föst. Wir haben 100 000 umgewandelte Wohnungen in Berlin. Diese Verwertungsspirale wollen wir stoppen. Meine Frage ist: Warum wehren Sie sich dagegen? Nein, Ihr Kollege hat leider nicht recht. – Also, Herr Mindrup, vielen Dank für das Korreferat. Wir werden den Wohnkostenanstieg nur dämpfen können, wenn wir mehr, schneller und günstiger bauen und den ländlichen Raum nicht ausbluten lassen. Es gibt einen Regelungsrahmen, Kappungsgrenze, Mietpreisbremse, die Reduzierung der Modernisierungsumlage. Das ist alles korrekt. Es gibt bis zu zehn Jahre Schutz vor Eigenbedarfskündigungen oder generell vor Kündigungen nach Umwandlungen. Wir haben die Regierung gefragt, wir haben die Staatsregierung gefragt, wir haben die Kommunen gefragt: Wie viele Wohnungen werden umgewandelt? Das konnte uns keiner belastbar sagen. Wir haben sogar ein Gutachten in Auftrag gegeben. Es muss möglich sein, dass Menschen sich Eigentum zulegen. Was Sie machen, ist, ihnen diese Möglichkeit zu nehmen. Da sind wir jetzt übrigens auch beim Umwandlungsverbot, das jetzt drin ist. – Das Problem der normalen Menschen ist die Sorge, ihre Miete zahlen zu können. Mit Ihrem Baulandmobilisierungsgesetz kommen Sie keinen Schritt weiter. Sie verhindern flexibles Bauen. Sie verhindern das Entstehen von weiterem Bauland. Sie hätten die Chance gehabt, Dachaufstockung, Dachausbau zu vereinfachen. Sie hätten die Chance gehabt, Eigentumsbildung voranzutreiben. Sie hätten viele Chancen gehabt in diesem Baulandmobilisierungsgesetz. Sie haben keine einzige genutzt, obwohl die Vorschläge nicht nur von uns, sondern auch aus Ihren Ländern und aus den Verbänden vorlagen. Das ist dann leider auch das Problem. Vor dieser Legislaturperiode haben Millionen Wohnungen gefehlt, nach dieser Legislaturperiode werden Millionen Wohnungen fehlen, und die Leidtragenden sind die Menschen, die ihre Miete nicht mehr zahlen können. Kommen Sie bitte zum Schluss. Das ist das baupolitische Erbe von CDU/CSU und SPD. Vielen Dank, Herr Kollege Föst. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Caren Lay, Fraktion Die Linke.
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Dr.
Dr. Konstantin von Notz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Konstantin
von Notz
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dass wir tief in der Nacht oder früh am Morgen, ganz wie Sie wollen, nach einem parlamentarisch eher schwierigen Verfahren – weil sehr kurz – dieses für die Bürgerrechte und die digitale Gesellschaft so zentrale Thema hier debattieren, spricht leider Bände. Die Datenschutz-Grundverordnung selbst ist bereits jetzt ein Exportschlager geworden. In Asien, in Israel, von Kalifornien bis New York: Überall ist sie in aller Munde, auch in Deutschland. Allen Unkenrufen zum Trotz: keine Abmahnwellen, kein Zusammenbruch der deutschen Wirtschaft! So weit, so gut. Durch jahrelange Untätigkeit hat die Bundesregierung aber entscheidend zur Rechtsunsicherheit beigetragen. Danach haben Sie, wie so oft, es nicht sein lassen können, die Umsetzung für die Aushöhlung des nationalen Datenschutzes zu nutzen. Das machen wir nicht mit, meine Damen und Herren. Das BSI machen Sie zu einer verdeckt und nicht rechenschaftspflichtig agierenden Datensammelmühle. Das ist ein echter Bärendienst für das Vertrauen in die IT-Sicherheit unseres Landes, aber auch für das Vertrauen in diejenigen, die uns alle vor dem Blackout und den IT-Angriffen schützen und unabhängig beraten sollen. Das ist schlecht. Noch schlimmer: Der Bundesinnenminister beschert sich – wohlgemerkt: an allen EuGH- und Verfassungsgerichtsentscheidungen vorbei – eine Vorratsdatenspeicherung, nämlich beim behördlichen Digitalfunk, also bei Feuerwehren, Rettungskräften, Polizei und Militärs. – Aber, Patrick Sensburg, das bleibt schlicht verfassungswidrig, auch wenn es hier um Beamtinnen und Beamte geht, und das machen wir nicht mit, meine Damen und Herren. Gerne – und das haben wir ja eben erlebt, Herr Müller – würden Sie Ihr Gesetz als Geschenk an die Wirtschaft verkaufen, weil Sie die Bestellpflichtschwelle für betriebliche Datenschutzbeauftrage heraufgesetzt haben. Statt 10 lösen nun 20 Beschäftigte diese Pflicht aus. Dabei schadet das der Wirtschaft sehr viel mehr, als es ihr nützt; denn die rechtlichen Pflichten bleiben exakt dieselben. Es ist nur niemand mehr zuständig. Das Einzige, was steigt, meine Damen und Herren, ist das Haftungsrisiko. – Vielen Dank, Frau Haßelmann. Zuletzt zur Umsetzung der JI-Richtlinie. Die Anhörung dazu war verheerend, liebe Kolleginnen und Kollegen. In der Koalition haben Sie aber nichts geändert. Künftig werden also nicht nur die Daten von Tätern, sondern auch die von Zeugen und Opfern von Straftaten über Jahre und Jahrzehnte in Dateien der Polizei und in anderen Informationssystemen landen, ohne dass sich diese Menschen etwas haben zuschulden kommen lassen. – Doch. – Das ist stigmatisierend, und das ist verfassungsrechtlich maximal bedenklich. Das kann man so nicht machen, meine Damen und Herren. Wir haben beiden vorliegenden Gesetzentwürfen Entschließungsanträge zur Seite gestellt, um zu zeigen, wie man es besser machen könnte. „Könnte“ muss man ja sagen; denn Sie machen es ja trotz aller Anhörungen genau so, wie Sie es machen wollen. Sie haben Ihre merkwürdigen GroKo-Ausverhandlungslogiken und lassen sich von all unseren guten Argumenten nicht stören, aber das geht an den Bürgerinnen und Bürgern leider vorbei. Herzlichen Dank. Vielen Dank, Konstantin von Notz. – Marc ­Henrichmann für die CDU/CSU-Fraktion, Dr. Johannes Fechner für die SPD-Fraktion und Alexander Hoffmann für die CDU/CSU-Fraktion geben ihre Reden zu Protokoll.1  Anlage 13 – Was ist? – Entschuldigung, ich habe Sie nicht gesehen. – Herr Braun, worum geht es?
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Michael Theurer FDP
Michael
Theurer
FDP
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Weiß hat gerade die Beschäftigung von Saisonarbeitskräften angesprochen. Wir stellen fest: Die Große Koalition ist in kleinen, aber wichtigen Dingen zum Teil lernfähig; das möchte ich hier mal lobend erwähnen. Als wir – Kollege Till Mansmann und andere Kollegen – eine Kleine Anfrage zur 70‑Tage-Regelung gestellt haben, hat die Bundesregierung noch erklärt, es bestehe kein Handlungsbedarf und sie sei auch nicht in Gesprächen. Wir sind froh, dass die 70‑Tage-Regelung für Saisonarbeiter in diesem Gesetzentwurf geregelt und gesichert werden soll, und stellen fest: Andrea Nahles hat nicht nur ein Herz für Pferde, sondern offensichtlich auch für deutschen Spargel. Das ist ein guter Beitrag; das muss man an dieser Stelle einmal vermerken. Minister Heil hat darauf hingewiesen, dass im Gesetz vorgesehen ist, die Arbeitslosenversicherungsbeiträge zu senken. Das kommt spät. Das hätte früher kommen können. Wir als FDP-Bundestagsfraktion haben dazu bereits im Januar einen Gesetzentwurf vorgelegt, der wurde aber von CDU/CSU, SPD, Grünen und Linken abgelehnt. Jetzt soll es doch kommen. Es ist ja gut, dass die Bürgerinnen und Bürger die gute Konjunktur auch ein Stück weit in ihrem Geldbeutel spüren. Wir sind der Meinung, dass das richtig ist, dass es notwendig ist, den Beitragssatz um 0,5 Prozentpunkte zu senken. Aber hier von einer Entlastung zu sprechen, ist doch eine Wählertäuschung. Denn das, was Sie auf der einen Seite den Bürgerinnen und Bürgern von dem, was sie erarbeitet haben, zurückgeben, nehmen Sie auf der anderen Seite durch steigende Pflegebeiträge, die Minister Spahn angekündigt hat – er hat bereits eine weitere Erhöhung angekündigt –, wieder weg. Das ist an dieser Stelle gar keine Entlastung. Machen Sie den Menschen hier kein X für ein U vor. Überhaupt finden Sie – den Eindruck hat man – für jedes überschüssige Geld in Sozialkassen oder staatlichen Kassen sofort wieder einen öffentlichen Verwendungszweck. Wie wäre es mal mit einer echten Entlastung der Bürgerinnen und Bürger? Wir haben den Eindruck, dass Sie eine Aversion gegen Entlastungen haben. Man könnte auch von einer Entlastungsphobie sprechen, meine Damen und Herren. Wir sagen an dieser Stelle ganz klar: Es reicht nicht aus, dass Wirtschaftsminister Altmaier im Bundeswirtschaftsministerium einen Raum nach Ludwig Erhard benennt. Wenn diese Bundesregierung wirklich im Sinne der sozialen Marktwirtschaft handeln wollte, dann müsste sie anders handeln. Diese Große Koalition ist ja noch nicht mal Karl Schiller, meine Damen und Herren. Jetzt zu Bundesfinanzminister Scholz. Er macht Vorschläge zur Rente; er macht Vorschläge zur Arbeitslosenversicherung auf europäischer Ebene. Heute ist er nicht da. Ich frage mich: Herr Minister Heil, sind Sie eigentlich nur noch der Erfüllungsgehilfe des Bundesfinanzministers? Gilt eigentlich das Ressortprinzip in dieser Bundesregierung nicht? Und überhaupt: Dem Bundestag und damit dem gesamten deutschen Volk muss erklärt werden, wie diese europäische Arbeitslosenversicherung finanziert werden soll. Zusätzliche Ausgaben in Höhe von 11 Milliarden Euro: Das wäre eine Erhöhung der Beiträge um 1 Prozentpunkt. Oder soll das Geld aus der Steuerkasse kommen? Dazu wird hier nichts gesagt; das ist aber dringend erforderlich. Und ich stelle die Frage, ob eine europäische Arbeitslosenversicherung nicht völlig falsche Anreize setzt. In diesem Gesetzentwurf ist eine Konjunkturrücklage für schlechte Zeiten enthalten. Das halten wir dem Grunde nach auch für richtig. Wenn jetzt eine europäische Arbeitslosenversicherung eingeführt würde, dann hätten die Länder, dann hätte Deutschland, aber auch Italien und Frankreich, gar keinen Anreiz, auf nationaler Ebene solche Konjunkturrücklagen zu bilden. Wir sehen hier große Fragezeichen; also eine stringente Linie dieser Bundesregierung können wir nicht erkennen. Zu Qualifizierungsmaßnahmen sagen wir: Qualifizierung ja; aber es muss gefragt werden, ob die Mittel bei den Betroffenen auch wirklich ankommen oder ob damit eine Weiterqualifizierungsindustrie finanziert werden soll. Dabei ist es uns völlig egal, ob das gewerkschaftsnahe oder arbeitgebernahe Institute sind. Wir sind der Meinung: Die Entlastung muss bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommen. Dazu wird mein Kollege Vogel später Ausführungen machen. Vielen Dank. Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist die Abgeordnete Sabine Zimmermann für die Fraktion Die Linke.
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Till Mansmann FDP
Till
Mansmann
FDP
Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Natürlich kommt es in Unternehmen zu Interessenkonflikten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Unser ganzes System der Tarifautonomie, der Sozialpartnerschaft, des umfangreichen Arbeitsrechts, des Diskriminierungsschutzes und vieles andere spiegeln das in der Gesetzgebung wider. Die Frage ist nun, ob neue Regelungen, die wir hier natürlich immer fordern können, dabei helfen, die Konflikte zu entschärfen und zu lösen, oder ob wir mit solchen Maßnahmen bereits aufgebaute Fronten, wie Sie sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linkspartei, in Ihrem Antrag plastisch beschreiben, nicht eher verhärten. Sie sagen in Ihrem Antrag im Grunde, die Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes gäben den Arbeitnehmern bislang nur ein stumpfes Schwert in die Hand, das Sie schärfen wollen. Wir wissen ja ganz praktisch, dass sich, um im Bild zu bleiben, manchmal die Klingen kreuzen müssen. In der Regel entstehen dabei jedoch auch Verletzungen, die es zu vermeiden gilt. Gleich in § 2 des Betriebsverfassungsgesetzes heißt es doch, dass eine „vertrauensvolle Zusammenarbeit“ das gemeinsame Ziel sein soll. Von diesem Grundsatz entfernen Sie sich doch ein Stück, vermutlich, weil Sie nicht wirklich an diese grundsätzliche vertrauensvolle Zusammenarbeit glauben. In diesem Zusammenhang möchte ich Sie gerne daran erinnern, dass im Mittelpunkt des Betriebsverfassungsgesetzes sowohl der Erfolg des Betriebes als auch das Wohlergehen des Arbeitnehmers steht. Ihr Antrag krankt an einem schrägen Bild, das Sie von unserer Wirtschaftsordnung haben. Vielleicht schwebt Ihnen so eine Art grundsätzliche Dialektik vor, ein Gegensatz von Gut und Böse, unternehmerische Autorität gegen Demokratie oder auch Profit gegen Wohlergehen. Ich bin überzeugt, dass dieses falsche Bild die Ursache für den etwas schiefen Antrag ist. Und in diesem Umfeld werfen Sie dem Gesetzgeber vor, einseitig aufseiten des Arbeitgebers zu stehen, wie Ihre Formulierung, man müsse die „Privilegierung für Arbeitgeber“ aufheben, zeigt. Damit werden Sie der eigentlich klaren und fairen Rollenverteilung im Betriebsverfassungsgesetz nicht gerecht, das ja gerade umgekehrt aufgebaut ist: Obwohl zur Erreichung des unternehmerischen Ziels nicht nötig, ermöglicht es gerade der Arbeitnehmervertretung, was man umgekehrt als Privilegierung bezeichnen könnte. Aber genau das wollen wir auch nicht machen. Wir würden den Fehler ja dann sozusagen umkehren. Ich glaube fest daran, dass die freie und soziale Marktwirtschaft, das, was Sie kapitalistische Wirtschaftsordnung nennen, ohnehin das beste Kooperationsmodell ist. Wenn nach einem stärker regelnden Staat gerufen wird, stellt sich für uns immer die Frage, ob die daraus logisch folgenden, eher autoritären Regelungsmechanismen am Ende wirklich besser funktionieren. Wir brauchen natürlich auch immer diese Regelungen, Kontrolle, staatliche Aufsicht. Aber wir müssen das richtige Maß und die richtige Mitte finden. Das ist Ihnen in diesem Antrag nicht gelungen. Deswegen lehnen wir ihn ab. Aber wir stimmen natürlich dem Überweisungsvorschlag zu. Vielen Dank. Vielen Dank. – Als Nächster spricht für die Fraktion der SPD der Kollege Michael Gerdes.
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Sebastian Brehm CDU/CSU
Sebastian
Brehm
CDU/CSU
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der Verabschiedung des Gesetzes zur Neuregelung von Stromsteuerbefreiungen sowie zur Änderung energiesteuerrechtlicher Vorschriften setzen wir zum großen Teil nur das um, was durch die Europäische Union im Rahmen des Beihilfeverfahrens erforderlich wurde. Ohne die heutige Änderung wären Tausende Betreiber von Photovoltaikanlagen steuerpflichtig geworden, und es wäre für wichtige Stromerzeugungsanlagen die Stromsteuerbefreiung ersatzlos weggefallen. Deshalb musste hier reagiert werden, es mussten die notwendigen Schritte für eine beihilfekonforme Gesetzgebung eingeleitet werden. Das haben wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf getan. Wir haben hier schnell gehandelt und haben es vermieden, durch die Gesetzgebung neue Belastungen für die Bürgerinnen und Bürger, den deutschen Mittelstand und die deutsche Industrie zu erzeugen. Genau das ist eine Vertretung der Interessen der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes. Sie haben leider, Herr Kollege Hollnagel, überhaupt nicht verstanden, wie die Systematik der Stromsteuer hier ist; tut mir leid. Die Stromsteuerbefreiung wird künftig auch weiterhin bei Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen gewährt. Dies gilt auch bei Stromerzeugung aus Anlagen mit hocheffizienter Kraft-Wärme-Kopplung zum reinen Energie- und Selbstverbrauch des Betreibers, bei Anlagen über 2 Megawatt – und bei Anlagen unter 2 Megawatt dann, wenn es in einem räumlichen Zusammenhang zu der Anlage an das Unternehmen als Letztverbraucher geleistet wird. Das betrifft vor allem viele kleine kommunale Anlagen. Im Rahmen der parlamentarischen Behandlung – der Kollege Daldrup hat es gesagt – haben wir drei Punkte zur Ergänzung vorgeschlagen: Erstens. Wir wollen eine bürokratiearme Regelung für das neue Antragsverfahren, was ja durch die EU vorgeschrieben ist. Zweitens. Es muss eine Präzisierung der noch ein bisschen unbestimmten Rechtsbegriffe erfolgen: Was ist der Ort der Leistungserbringung? Was ist ein räumlicher Zusammenhang? Was ist zeitgleiche Verwendung? Das wollen wir noch tun. Ein dritter wichtiger Punkt wurde auch von Ihnen bereits angesprochen, auch in der Anhörung der Sachverständigen: Viele kommunale Betriebe, insbesondere Abfall- und Abwasserbetriebe, werden durch die Klassifikation der Wirtschaftszweige – unter Bezugnahme auf WZ 2003 – nicht von der Stromsteuer befreit, auch wenn sie einen wichtigen Beitrag für den Umstieg auf erneuerbare Energien leisten. Deswegen werden wir im Sommer, wenn der Evaluationsbericht zu den gewährten Subventionen bei Energie- und Stromsteuer vorliegt, noch mal entsprechende Gespräche führen bzw. aufnehmen, um diese Fragen zu klären. Dies wurde im Verlauf des Verfahrens miteinander besprochen und auch so festgehalten, und wir sind froh, dass wir hier im Sommer 2019 nochmals Ergebnisse erzielen können. Im Rahmen der Diskussion wurde vor allem von der FDP und von den Grünen eine grundsätzliche Debatte zur Reform des Energie- und des Stromsteuerrechts angestoßen. Die FDP spricht sich für eine Absenkung der Stromsteuer aus. Das würde dazu führen, dass wir allgemeine Steuern erhöhen müssten. Sie haben schon darauf hingewiesen. Die Haltung der Grünen verstehe ich nicht, weil Sie es waren, die das Gesetz 1999 eingeführt haben. Die Gesetzgebung 1999 ist ja mit Ihrer Mehrheit damals gegen den Widerstand der Union eingeführt worden. Der einfache Fakt, der dadurch erreicht worden ist: Die Strompreise sind durch Ihre Gesetzgebung eklatant gestiegen. Jetzt fordern Sie erneut, liebe Kolleginnen und Kollegen – übrigens neben der Enteignung von Wohnungseigentümern –, eine weitere Belastung der Wirtschaft. Das ist wieder ein Beispiel grüner Verbotspolitik; Sie werden gleich in Ihrer Rede darauf zu sprechen kommen. Mit uns ist das so nicht zu machen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir können die Debatte über eine sinnvolle Strombesteuerung oder eine sinnvolle Energiebesteuerung gerne führen. Aber wenn wir darüber diskutieren, liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, dann machen wir das nach CDU/CSU-Manier durch eine vernünftige und ausgewogene Anreizpolitik, aber nicht mit Verboten, wie Sie es fordern. Keine Verbote, sondern Angebote! Wir wollen nicht, dass wieder ein Gesetz à la 1999 kommt, das unvernünftig ist und zu weiteren Belastungen für Unternehmen, zu weiteren Belastungen für die Bürgerinnen und Bürger und zu weiteren Belastungen für die Mieterinnen und Mieter führt. Deswegen wollen wir mit Ihnen in eine vernünftige Debatte eintreten, und da können wir gerne an anderer Stelle diskutieren. Heute stellen wir die Beihilfekonformität her. Wir schließen die Gesetzgebung ab, sodass alle wieder die Stromsteuerbefreiung in Anspruch nehmen können. Das ist heute Beratungsgegenstand; es ist keine grundsätzliche Debatte. Herzlichen Dank. Vielen Dank, Herr Kollege Brehm. – Als nächste Rednerin erhält die Kollegin Sandra Weeser für die FDP-Fraktion das Wort.
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Manuel Höferlin FDP
Manuel
Höferlin
FDP
Sehr geehrter Herr Präsident! Nachdem die AfD nun ihre Gespräche beendet hat, fange ich an. – Ich möchte jetzt meine Rede halten. Ich war gespannt auf Ihren Antrag, Kollegen der AfD-Fraktion, und ich war gespannt auf Ihre Rede. Ich bin enttäuscht worden; denn ich dachte, Sie würden etwas dazu sagen, wie Sie sich direkte Demokratie vorstellen. Frau Lindholz hat es gerade schön gesagt: Es ist bezeichnend, warum Sie alleine diesen Antrag auf Einsetzung einer Enquete-Kommission einbringen. Ein Antrag auf Einsetzung einer Enquete-Kommission wird eigentlich eingebracht, wenn viele politische Kräfte dieses Hauses sich eine Frage stellen, die gesamtgesellschaftlich noch nicht beantwortet wurde und zu der noch eine Meinungsfindung stattfinden muss. Hier ist der Fall aber so, dass Sie keine Ahnung haben, was Sie jenseits Ihres Wahlkampfgetöses genau wollen. Wenn Sie nicht wissen, was Sie wollen, dann gründen Sie doch bitte einen Arbeitskreis und nicht eine Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages. – Wir haben jedenfalls Vorschläge, wie wir uns das vorstellen. Sie können Ihre Ideen ja einbringen, aber bitte nicht so. Das Rad muss nämlich nicht neu erfunden werden, und es gibt Haltungen dazu. Ich würde Ihnen gerne sagen, wie diese Haltungen aussehen. Man kann dazu unterschiedlicher Meinung sein. Wenn wir aber hier im Hause über direkte Demokratie sprechen, dann ist es nicht Aufgabe der Bundesregierung, diesem Haus etwas zu direkter Demokratie vorzugeben, sondern es ist originäre Aufgabe des Parlaments, Vorschläge zu machen. Deswegen erwarte ich, dass von den Mitgliedern dieses Hauses konstruktive und konkrete Vorstellungen geäußert werden. Das gelingt nicht mit dem Verschieben des Themas in eine Enquete-Kommission. – Das mache ich jetzt gleich. Das Rad muss, wie gesagt, nicht neu erfunden werden, liebe Kollegen; denn es gibt bereits viele Vorschläge, die übrigens auch aus anderen Enquete-Kommissionen dieses Hauses kommen. In der 17. Legislaturperiode gab es eine En­quete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“, die sich auch mit der Frage der digitalen Partizipation von Bürgerinnen und Bürgern in diesem Haus beschäftigt hat. Wir haben die Ergänzung der parlamentarischen Demokratie schon vor sieben Jahren vorgelebt durch direkte Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger. Herr Kollege Höferlin, der Kollege Haug würde gerne eine Zwischenfrage stellen. Bitte, gerne. Herr Kollege, jetzt habe ich doch eine Frage. Jetzt bin ich etwas irritiert. Sie haben gerade gesagt, es sei nicht Aufgabe der Bundesregierung, eine Enquete-Kommission einzusetzen. Bezog sich das auf unseren Antrag oder auf meine Rede? War das so? Haben Sie sich da gerade auf meine Rede oder auf den Antrag bezogen? Ihre Reaktion zeigt schon, dass das so ist. Ich weiß nicht, ob Sie den Antrag gelesen haben, und ich weiß nicht, ob Sie meine Rede gehört haben. Mit keinem Wort sprechen wir von der Bundesregierung. Wir sprechen natürlich davon, dass der Bundestag eine Enquete-Kommission einsetzen soll. Das heißt: Wenn Sie uns zukünftig kritisieren, dann kritisieren Sie uns bitte, wenn Sie in der Sache etwas richtig gelesen haben. Danke schön. Herr Kollege – – Herr Kollege, bleiben Sie bitte da. Wie bitte? Ich habe den Kollegen Haug gemeint. Er soll am Mikrofon bleiben. Meine Antwort interessiert Sie ja. – Ich habe Ihrer Rede sehr gut zugehört. Ich habe auch Ihren Antrag gelesen. Sie haben in Ihrer Rede gesagt bzw. kritisiert, dass die Bundesregierung keinen konkreten Vorschlag für das Thema Bürgerbeteiligung gemacht hat, weder in der Regierungserklärung der Kanzlerin noch der des Bundesinnenministers. Ich teile Ihre Auffassung, dass man die Regierung kritisieren sollte, wenn man Abgeordneter dieses Parlaments ist und eine andere Meinung vertritt. Aber es ist eben nicht originäre Aufgabe einer Bundesregierung, zu sagen, wie das hier im Bundestag zu laufen hat mit der Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an der parlamentarischen Demokratie. Vielmehr ist es unsere Aufgabe, dies zu steuern. Wir haben einen Petitionsausschuss. Wir öffnen das Parlament für Beteiligung, und wir möchten, dass mehr Bürger und Bürgerinnen an diesem Verfahren teilnehmen: Das ist das, was Sie gesagt haben. Sie haben im Prinzip die Erwartungshaltung suggeriert, dass die Bundesregierung sich dafür einsetzen soll, dass in diesem Haus Bürgerbeteiligung stattfindet. Das ist aber unsere Aufgabe. Wir können das. Dazu brauchen wir nicht die Bundesregierung. Das können wir in diesem Hause selbst machen durch die Änderung der Geschäftsordnung und von Gesetzen. Diese Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ hat vorgemacht, wie sich Bürgerinnen und Bürger beteiligen können, wie sie sich einbringen können. Das können wir von uns aus sofort verändern, indem wir zum Beispiel mehr Sitzungen dieses Hauses der Öffentlichkeit öffnen, indem wir zum Beispiel Ausschusssitzungen und Anhörungen der Öffentlichkeit öffnen, indem wir die Methode des Livestreamings, die wir in der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ ausprobiert haben, öfter anwenden. Ein gutes Beispiel, ganz aktuell, ist die gemeinsame Sitzung des Rechtsausschusses und des Digitalausschusses, die morgen früh stattfindet. Diese Sitzung wird, obwohl dort ein hoher Vertreter von Facebook anwesend sein wird, nicht öffentlich sein. Ich bin der Meinung: Wenn der US-Kongress eine öffentliche Anhörung bzw. Sitzung durchführen kann, dann können wir das auch. Wir haben es in der Hand, uns zu öffnen und mehr Bürger an unseren Verfahren hier im Haus zu beteiligen. Es gibt auch eigene Ideen. Die habe ich bei Ihnen vermisst. Sie nehmen im Prinzip die allgemeinen Worte Ihres Wahlkampfes und tragen sie hier in die Debatte. Das können Sie gern machen, aber es ist entlarvend. Ich will Ihnen eine unserer Ideen dazu vorstellen. Dass wir für mehr Bürgerbeteiligung sind, dass wir mehr Bürgerbeteiligung wollen, ist, glaube ich, bekannt. Ich mache Ihnen einen konkreten Vorschlag, den wir auch schon in der Vergangenheit eingebracht haben und den wir hier in diesem Hause im Zuge der Geschäftsordnungsreform, die jetzt anstehen könnte, umsetzen könnten. Wir haben in der Vergangenheit vorgeschlagen, ein Bürgerplenarverfahren einzurichten, das an das Petitionsverfahren anschließt. Derzeit ist es so, dass ein Petent, der eine Petition einreicht, im Petitionsausschuss öffentlich angehört werden kann, wenn 50 000 Menschen innerhalb von vier Wochen diese Petition mitzeichnen. Wir haben in der Vergangenheit schon vorgeschlagen, dass im Rahmen der Beteiligung, zum Beispiel über Onlinetools, eine Petition, wenn es ein wirklich wichtiges Thema ist und eine hohe Anzahl von Unterstützern erreicht ist – zum Beispiel 100 000 Unterstützer innerhalb von zwei Monaten –, hier in diesem Haus im Plenum in einer Bürgerplenarstunde diskutiert wird. Wir würden also die Anliegen von Bürgerinnen und Bürgern deutlich wichtiger nehmen und würden ihnen eine Plattform bieten können – zum Beispiel im Rahmen eines Formats, das ähnlich gestaltet ist wie eine Aktuelle Stunde –, hier dieses Thema aufzusetzen. Es ist ein Initiativrecht. Das Plenum muss sich dann damit in öffentlicher Sitzung beschäftigen. Das kann man auch limitieren, damit es beispielsweise pro Jahr nicht mehr als vier Veranstaltungen dieser Art gibt. Ich halte es für ein angemessenes Verfahren, das wir sofort umsetzen können, nicht erst im nächsten Jahr, am Ende der Legislatur oder in der nächsten Legislatur. Dafür brauchen wir keine Enquete-Kommission, dafür brauchen wir fraktionsübergreifend den Willen und die Beschäftigung damit, die Bürger mehr bestimmen zu lassen. Das gehört auf die Agenda. Das würde ich mir im Rahmen der Geschäftsordnungsreform wünschen. Da könnten wir weitergehen, meine Damen und Herren. Ich hätte mir gewünscht, dass wir heute über einen Antrag sprechen, wie sich eine Fraktion das vorstellt. Wenn Sie Fragen haben, wie sich die Bundesregierung etwas vorstellt, dann stellen Sie doch eine Kleine Anfrage. Wir werden Ihren Antrag zur Einsetzung einer Enquete-Kommission sicherlich im Ausschuss behandeln. Aber wir sind eigentlich schon viel weiter, als uns die Frage zu stellen, wie wir uns das vorstellen. Jede Fraktion in diesem Haus – offensichtlich bis auf die AfD – hat eine Vorstellung und eine Haltung dazu, wie direkte Demokratie aussehen kann. Wir werden das gerne diskutieren. Dafür gibt es die entsprechenden Gremien. Aber dies in einen Arbeitskreis abzuschieben, den Sie Enquete-Kommission nennen wollen, ist falsch. Lassen Sie mich zum Abschluss noch eine Sache sagen: Bevor wir beginnen, über neue Methoden zu reden, sollten wir die bestehenden erst einmal ernst nehmen. Das richtet sich insbesondere an die Kollegen der SPD, der Linken und der Grünen. Wenn Ihnen das Ergebnis einer Bürgerbeteiligung nicht passt – zum Beispiel der Bürgerentscheid zum Flughafen Tegel –, dann ist das kein Grund, Bürgerentscheide am Ende nicht ernst zu nehmen. Mein Petitum ist: Wenn wir Verfahren einrichten – die sind auf Landesebene da –, dann lassen Sie sie uns am Ende gefälligst ernst nehmen. Das jedenfalls stärkt nicht das Vertrauen in die Beteiligung der Bürger, sondern das schädigt es. Deswegen: Dort, wo Sie Verantwortung tragen, nehmen Sie die Dinge ernst, und folgen Sie den Entscheiden der Bürger, sonst erweisen wir uns einen Bärendienst. Herzlichen Dank. Nächster Redner ist der Kollege Dr. Lars Castellucci, SPD-Fraktion.
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Dr.
Dr. Marco Buschmann FDP
Marco
Buschmann
FDP
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bundeskanzler Willy Brandt gab seiner Regierung ein Leitmotiv. Er sagte: „Wir wollen mehr Demokratie wagen“. Wir Freien Demokraten knüpfen heute an diesen Gedanken wieder an. Mit unserem Gesetzentwurf sagen auch wir: Wir wollen mehr Demokratie wagen, mehr parlamentarische Demokratie in der Pandemie, meine Damen und Herren! Dass das Parlament in der Pandemie gestärkt werden muss, hat die letzte Plenarwoche bewiesen. Der Gesundheitsminister hielt hier eine Regierungserklärung. Während er sprach, plante das Kanzleramt bereits tiefgreifende Grundrechtsbeschränkungen auf infektionsrechtlicher Grundlage. Diese Dinge wollte die Kanzlerin dann in einer Besprechung mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten, also in einer MPK, durchsetzen. Dazu verlor der Minister hier im Plenum kein Wort, die Kanzlerin auch nicht. Stattdessen ließ sie am Donnerstag in einem Parteigremium die Katze aus dem Sack. Das wurde an Medien durchgestochen. Ab Donnerstagabend gab es dann eine Berichterstattung dazu. Der Freitag war als Sitzungstag abgesagt. Später legte die Kanzlerin ihre Beweggründe nicht hier im Parlament, sondern in der Bundespressekonferenz dar. Der Journalist Robin Alexander kommentierte die Vorgänge in der Tageszeitung „Die Welt“ vom 22. Januar dieses Jahres wie folgt – ich zitiere –: Blamiert ist der Bundestag ... Und weiter: ... das grenzt an Selbstaufgabe. Meine Damen und Herren, das Parlament ist die Herzkammer unserer Demokratie. Behandelt wurde es in den letzten Wochen aber wie ein Wurmfortsatz. Es sollte die gemeinsame Überzeugung aller Parlamentarierinnen und Parlamentarier hier sein, das nicht länger hinzunehmen! Und dem dient unser Gesetzentwurf. Die Bundesregierung verschärft mit ihrem neuerlichen Vorgehen ein altes Problem. Die Gewaltenteilung wird schon seit Jahren durch ein Phänomen untergraben, das der CDU-Kollege Thomas de Maizière in seinem sehr lesenswerten Buch „Regieren – Innenansichten der Politik“ wie folgt beschreibt – ich zitiere –: Zentrale wichtige Entscheidungen verlagern sich zu sehr weg von Bundesregierung oder Koalitionsausschuss, Bundestag oder Bundesrat hin zu den Besprechungen der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefs der Länder. Und seine Empfehlung ist – ich zitiere weiter –: Die Besprechung der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten darf nicht zur Hauptinstanz der politischen Willensbildung in Deutschland werden. Meine Damen und Herren, der Kollege de Maizière hat recht. Aber das genaue Gegenteil betreibt diese Bundesregierung. Sie macht aus der MPK die „Hauptinstanz der politischen Willensbildung“ in der Pandemie. Das geht jetzt schon ein Jahr lang so. Wie lange wollen wir das eigentlich hier noch hinnehmen, meine Damen und Herren? Bei der Stellung des Parlaments geht es nicht nur um demokratische Legitimation und um Gewaltenteilung, es geht auch um die Qualität der Beschlüsse, die am Ende dabei rauskommen. Die MPK ist auf Dauer kein gutes Entscheidungsformat. Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten sind in der Coronakrise dauergestresst. Sie sind durchweg Generalisten, keine Spezialisten. Das Phänomen des Gruppendenkens setzt ein. Es führt selbst bei kompetenten Personen zu schlechteren und realitätsferneren Entscheidungen. Das hat die Wissenschaft immer wieder gezeigt. Zudem lassen mehr und mehr Aufmerksamkeit und Konzentration dort nach. Der Ministerpräsident Bodo Ramelow hat das erst vor wenigen Tagen in seinem Candy-Crush-Geständnis zugegeben, meine Damen und Herren. So wundert es auch nicht, dass viele Ministerpräsidenten in der MPK immer wieder Beschlüssen zustimmen, von denen sie sich dann wenige Stunden später in Teilen wieder lossagen. Das ist doch verrückt! Und so wundert es auch nicht, dass nach solchen Sitzungen Novemberhilfen verkündet werden, die gegen das Beihilferecht der EU verstoßen, die dann erst wieder nachgebessert werden müssen mit der Folge, dass viele Betroffene heute immer noch auf diese Hilfen warten. Meine Damen und Herren, die Bürgerinnen und Bürger haben Besseres als das verdient! Und dem dient unser Gesetzentwurf. Die Lösung für mehr parlamentarische Demokratie in der Pandemie sieht wie folgt aus: Möchte die Bundesregierung in der MPK eine bundesweit einheitliche Pandemiepolitik durchsetzen, dann braucht sie dafür auch eine Zustimmung des Deutschen Bundestages. Denn bundesweite Angelegenheiten bedürfen einer bundespolitischen Legitimation. Wenn nämlich die Bundesregierung mit bundesweiter Wirkung jenseits der technischen Kompetenzen des Bundes tätig wird, dann muss sie der Bundestag dabei auch politisch effektiv kontrollieren und steuern können. Und genau das ermöglicht unser Gesetzentwurf. Der Bundestag ist auch schnell handlungsfähig; das hat er immer wieder bewiesen. Die Bundeskanzlerin kann auch jederzeit eine Sondersitzung verlangen, schon von Verfassungs wegen. Und deshalb frage ich mich, was man als Parlament überhaupt dagegen haben können sollte, seine Steuerungs- und Kontrollfunktion in dieser Weise effektiv auszuüben, meine Damen und Herren. Das sollte unser gemeinsames Interesse sein. Dass man das Parlament in der Pandemie stärken kann, zeigt heute Morgen übrigens das Land Nordrhein-Westfalen: Die Koalition aus Union und FDP unter der Führung von Armin Laschet und Joachim Stamp bringt in diesen Stunden ein „Gesetz zur parlamentarischen Absicherung der Rechtsetzung in der COVID-19 Pandemie“ ein. Die „Süddeutsche Zeitung“ schreibt über diese Initiative, dass sie unter einem Motto von Willy Brandt stehen könnte: „Mehr Demokratie wagen“. Wir wollen heute auch im Bund mehr Demokratie wagen, mehr parlamentarische Demokratie in der Pandemie wagen. Und genau dem dient unser Gesetzentwurf. Nächster Redner ist der Kollege Rudolf Henke, CDU/CSU.
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Thorsten Frei CDU/CSU
Thorsten
Frei
CDU/CSU
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, diese Brandkatastrophe auf Lesbos – wir haben die Bilder von rauchenden Trümmern und verzweifelten Gesichtern gesehen – lässt niemanden von uns kalt. Und es ist selbstverständlich, dass in dieser Situation beherzt, schnell, umfassend geholfen werden muss. Deswegen ist es richtig, dass die Bundesregierung bereits wenige Stunden nach diesem Brand der griechischen Regierung umfassende Hilfe angeboten hat. Die griechische Regierung hat diese auch angenommen und sagt uns jetzt, wo wir schnell und unmittelbar helfen können, damit die Menschen etwas zu essen haben, damit sie ein Dach über dem Kopf haben, damit die entsprechende Infrastruktur, die für ein menschenwürdiges Leben notwendig ist, vorhanden ist. Dieser Debatte liegt ja ein Antrag der Fraktion Die Linke zugrunde. Sie schlagen vor, dass wir 13 000 Menschen aus Lesbos aufnehmen sollen. Und ich sage Ihnen eines: Wer das tut, wer einen deutschen Alleingang vorschlägt, der sorgt dafür, dass wir bei unserem Bestreben, zu einem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem zu kommen, nicht vorwärtskommen werden, und zwar aus zwei Gründen – ich will sie Ihnen gerne nennen –: Wir müssen doch deutlich machen, dass wir es mit einem internationalen und europäischen Problem zu tun haben und nicht mit einem deutschen. Das bedeutet, dass sich andere nicht zurücklehnen dürfen, vielmehr brauchen wir einen europäischen Geleitzug. Und jetzt will ich an Ihre Adresse mal Folgendes sagen. Kollege Frei, akzeptieren Sie eine Frage oder Bemerkung der Kollegin Hänsel? Ja, gerne. Danke, Frau Präsidentin. – Herr Frei, wir haben hier schon mehrfach über die Situation in Moria diskutiert. Darauf möchte ich auch noch mal hinweisen – etliche Kollegen haben es schon gesagt –: Wir reden hier seit Jahren über diese Situation. Ich bin auch regelmäßig dort. Wir haben Sie ständig gewarnt: So kann es nicht weitergehen. Sie erkennen die Situation gar nicht. Sie sagen, dass es darum geht, dass die Menschen wieder ein Dach über dem Kopf haben usw. Die Menschen schlafen auf der Straße, und sie brauchen jetzt Unterstützung. Und ich kann Ihnen von meinem letzten Besuch sagen: Die griechische Inselbevölkerung auf Lesbos wird die Situation auch nicht mehr akzeptieren. Es werden dort bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen. Alle Straßen sind blockiert. Sie erkennen die Dramatik dieser Situation überhaupt nicht. Sie müssen die Flüchtlinge, um deren Leib und Leben zu schützen, aus Lesbos, aus Moria rausholen. Das ist wirklich ein Appell! Das kann so nicht funktionieren. Abschließend möchte ich Sie fragen: Wie kann es sein, dass die Bundesregierung bei dem EU-Türkei-Deal vorangegangen ist – sie hat die Initiative ergriffen, diesen EU-Türkei-Deal entwickelt und als deutsche Initiative in die EU eingebracht –, aber jetzt nicht fähig ist, voranzugehen? Dieses System, das auf die Idee der Bundesregierung zurückgeht, ist gescheitert. Die Bundesregierung muss jetzt auch die Konsequenzen tragen und die Menschen hierherholen. Es ist aufgrund dieses EU-Türkei-Deals die Verantwortung der Bundesregierung. Frau Kollegin Hänsel, ich möchte Ihnen Folgendes sagen: Die Bundesrepublik Deutschland und auch die Europäische Union haben in den vergangenen Jahren enorm geholfen. Seit 2016 sind 2,6 Milliarden Euro europäisches Geld nach Griechenland geflossen. Deutschland hat im Dezember Hilfe in Höhe von 1,6 Millionen Euro geleistet, im April 2,4 Millionen Euro. Wir haben in unterschiedlichen Bereichen geholfen, zeitweise waren zwei Drittel der EASO-Beamten in Griechenland Deutsche. Wir haben dabei geholfen, dass die Verfahren beschleunigt werden können; wir haben für Feldbetten, Zelte, Nahrungsmittel, Medikamente und vieles andere gesorgt, und das tun wir auch weiterhin. Zu Ihrer Frage: Geht Deutschland voran, ja oder nein? Ja, wir gehen voran, wenn es darum geht, zu einer gemeinsamen europäischen Lösung zu kommen. Ich will Ihnen Folgendes sagen: Die Bundesregierung hat bereits im Februar dieses Jahres eine abgestimmte Position und Forderungen für die Weiterentwicklung des GEAS vorgelegt. Es war der Bundesinnenminister, der mit seinen Kollegen aus Frankreich, aus Italien, aus Spanien gemeinsam an die Kommission geschrieben hat und dringend gebeten hat, dass endlich diese Vorschläge vorgelegt werden. Sie sind im März das erste Mal angekündigt worden und wurden dann immer wieder verschoben. Jetzt hoffen wir, dass sie wenigstens am 30. September kommen, damit wir in unserer Ratspräsidentschaft wenigstens die politischen Schlussfolgerungen daraus ziehen können. Deutschland ist vorangegangen, auch in der konkreten humanitären Hilfe. Wer war es denn, der gemeinsam mit Malta, Italien und Frankreich dafür gesorgt hat, dass die Seenotflüchtlinge aufgenommen werden? Es war der Bundesinnenminister, der das gemacht hat. Deutschland ist vorangegangen. Das sollten Sie, wenn Sie die Lage beschreiben und beurteilen, mit einbeziehen. Seit 2015 hat Deutschland 1,8 Millionen Migranten aufgenommen, 41 Prozent der Migranten in Europa. Sie können sich doch nicht hierhinstellen und sagen: Deutschland geht nicht voran, Deutschland wird seiner Verantwortung nicht gerecht. – Nein, wir tun das. Es war in der Vergangenheit so, und es wird auch zukünftig so bleiben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer wirklich helfen will in der Situation, der muss dafür sorgen, dass das Türkei-EU-Abkommen ertüchtigt wird, dass die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass Flüchtlinge in der Türkei menschenwürdig untergebracht werden, dass die Türkei tatsächlich Ablandungen verhindert und dass auch auf den griechischen Inseln menschenwürdige Verhältnisse herrschen. Darauf kommt es an. Und Sie müssen doch bei all dem, was Sie fordern, auch an die Folgen denken. Wenn Sie das nicht machen, wenn Sie unterschiedslos Ad-hoc-Aufnahmen machen, dann führt das doch im Kern dazu, dass es nicht nur ein neues zweites Moria, sondern auch ein drittes Moria geben wird. Das Problem Ihrer Politik ist doch, dass Sie keine Probleme lösen, sondern dass Sie neue Probleme schaffen. Deshalb sind Sie auf dem Holzweg. Ich will Ihnen an dieser Stelle noch eines sagen: Ich habe die letzten Tage immer wieder gelesen, dass der Bundesinnenminister aufgefordert wird, dass er den Ländern Thüringen und Berlin erlauben soll, Landesaufnahmeprogramme zu machen. Ich bin dem Bundesinnenminister sehr dankbar dafür, dass er das nicht gemacht hat. Erstens ist § 23 des Aufenthaltsgesetzes mutmaßlich gar nicht einschlägig, und zum Zweiten ist es so, dass für die Migrationspolitik natürlich nur der Bund zuständig sein kann, weil ja auch die Herausforderungen und Lasten, die mit der Migration verbunden sind, deutschlandweit gelöst werden müssen; das ist insbesondere auch bei der Finanzierung der Fall. Jetzt will ich Ihnen noch das Entscheidende sagen: Wenn Sie ein Landesaufnahmeprogramm nach § 23 Aufenthaltsgesetz machen, dann folgt daraus sofort ein Aufenthaltstitel. Das bedeutet im Klartext, es findet kein Asylverfahren mit der Prüfung der Schutzbedürftigkeit statt. Da zeigt Rot-Rot-Grün, worum es Ihnen geht: Sie wollen nicht Asylbewerber aufnehmen, Sie wollen unterschiedslos alle Menschen, die hierherkommen wollen, aufnehmen. Damit lösen Sie keine Probleme, nicht bei uns, nicht in Griechenland und auch sonst nirgendwo. Das wäre das Zeichen „Der Weg nach Zentraleuropa und Deutschland ist offen“, das wäre eine Einladung an alle, die auf gepackten Koffern sitzen. Das ist eine verantwortungslose Politik, die Sie hier propagieren. Deswegen werden wir Ihren Antrag selbstverständlich ablehnen. Herzlichen Dank. Ich nutze die Zeit, die gebraucht wird, um das Redepult herzurichten – ich bitte zuallererst, die Aufmerksamkeit herzustellen –, für einen geschäftsleitenden Hinweis. Ich habe die Wortmeldung des Abgeordneten Peterka eben gesehen. Ich werde aber im weiteren Verlauf alle gleich behandeln: Ich werde pro Redebeitrag maximal wegen einer Frage oder Bemerkung beim Redner nachfragen. Wenn er oder sie sie zulässt, werde ich das natürlich auch entsprechend hier behandeln. Aber wir werden nicht zu einer Praxis kommen, die die Redezeit der jeweiligen Rednerinnen und Redner verdoppelt oder verdreifacht. Hiermit kündige ich daher an – ähnlich wie wir das gestern Abend gehandhabt haben –, dass ich keine Kurzinterventionen noch zusätzlich zulasse. Jede Fraktion hat hier Rederecht, und natürlich gibt es auch das Recht, Fragen zu stellen und Bemerkungen anzubringen. Aber, wie gesagt, je Redebeitrag werde ich maximal wegen einer angezeigten Frage entsprechend nachfragen. – Da haben Sie jetzt Pech gehabt, Herr Kollege, dass Sie sich während der Beantwortung der ersten Frage gemeldet haben. Damit alle wissen, woran sie sind, habe ich das jetzt hier einmal erklärt. Das Wort hat nun der Abgeordnete Jürgen Braun für die AfD-Fraktion.
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Jürgen Trittin BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Jürgen
Trittin
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe mich ja gefragt, liebe Kolleginnen und Kollegen: Was hat Sie geritten, am Freitagnachmittag diese Aktuelle Stunde zu beantragen? Ich habe eine Antwort darauf: Es scheint Masochismus zu sein. Denn „ein Jahr nach der Bundestagwahl“ heißt: ein Jahr CDU/CSU in der Opposition. Für dieses Land ist das ein Grund, zu feiern. Im tiefen Innern glauben Sie doch, es sei gottgewollt, dass die Schwarzen regieren – ist es aber nicht. Der Kern Ihres Konservatismus lautet doch: Inhalte egal, Hauptsache, wir stellen den Kanzler. – Das hat unter Helmut Kohl geklappt; das hat 16 Jahre unter Angela Merkel geklappt. Aber was ist jetzt? Sie haben keinen Kanzler. Sie haben Friedrich Merz. Führung. Das haben wir ja erlebt, als Sie sich beim Mindestlohn enthalten haben. Aber ich will auch in aller Ernsthaftigkeit sagen: Wir als Koalitionsfraktionen sind mit Ihnen als Opposition nicht unzufrieden. – Nein, das ist jetzt keine lustige Bemerkung. – Ich finde, angesichts der Herausforderungen durch Putins Angriffskrieg haben Sie sich in entscheidenden Punkten richtig verhalten. Sie haben den Antrag der Koalitionsfraktionen zur Lieferung schwerer Waffen ohne jede Änderung mitgetragen. Sie haben mit dafür gesorgt, dass das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen trotz Schuldenbremse ins Grundgesetz gekommen ist. Sie haben die 96 Milliarden Euro für drei Entlastungspakete unter Absingen schmutziger Lieder am Ende passieren lassen. Und was sagen Sie zum 200-Milliarden-Abwehrschirm? Sie wollen ihn auch unterstützen, und Friedrich Merz raunt davon, dass sich die Verabschiedung verzögern könnte. Das wäre in der Tat schlecht. Wir könnten uns mit Ihnen noch darauf verständigen, wie wir diesen Abwehrschirm nennen. Ich schlage vor: Peter-Altmaier-Gedächtnisschirm. Denn er war es, der Deutschland in den letzten Jahren in diese fürchterliche Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen gebracht hat. Gerade in diesen schweren Zeiten will ich mit Ernsthaftigkeit sagen – nein, das ist wirklich ernst gemeint –: Das ist keine Selbstverständlichkeit, was Sie da gemacht haben. Überall in den Staaten des demokratischen Kapitalismus erleben wir tiefe Spaltung, unüberbrückbare Polarisierung. In Italien, in Spanien, in Schweden paktieren konservative Parteien, teilweise mit Ihnen in der EVP versammelt, mit rechten Populisten, ja sogar mit Faschisten. Und schauen wir uns auf dem Kontinent um, dann stellen wir fest: Deutschland ist nicht nur wirtschaftlich stark; wir sind inzwischen auch ein Bollwerk demokratischer Stabilität, eben weil es dieses Paktieren mit den Rechten hier nicht gibt. Ich finde, wir sollten uns das bewahren. Das sollten wir auch nicht nach Aufforderung durch Bild TV gefährden. Ich will Ihnen nur ein Beispiel nennen. Man kann darüber schmunzeln, wenn Friedrich Merz twittert, die größte Bedrohung für die Meinungsfreiheit sei eine Zensurkultur, eine „Cancel Culture“, wie in den USA. Aber hier verrutschen nicht nur die Maßstäbe. Die größte Bedrohung für die Meinungsfreiheit sind autoritäre Regimes, die Medien kontrollieren, die das Internet abschalten oder in eine von der Gedankenpolizei bewachte Zone verwandeln. Die größte Gefährdung der Meinungsfreiheit finden wir in Nordkorea, in China, in Russland, in Iran und leider zunehmend auch bei Ihrem ehemaligen Parteifreund Viktor Orban in Ungarn. Solche Tweets erfüllen neben der Verzerrung der Wirklichkeit ein Weiteres: Sie bedienen die Erzählung von rechts außen, von der AfD bis zur „Bild“. Und ja, Friedrich Merz hat sich für das Wort „Sozialtourismus“ entschuldigt. Er hat es mit Bedauern zurückgenommen, denn es sei ein Missverständnis. Ich will nur darauf hinweisen: Er hat damit diesen Begriff gesetzt. Und, mit Verlaub, liebe Frau Kollegin Lindholz, Sie sollten bei Reden zu Migrationsfragen aufpassen, dass Sie nicht zufällig die Manuskripte von Beatrix von Storch erwischen. Der Begriff „Sozialtourismus“ ist eine Steilvorlage für jene rechten Montagsdemonstranten, die meinen, nicht Putins Krieg sei für die Inflation verantwortlich, sondern Sozialleistungen für Menschen, die vor diesem Krieg geflohen sind. Mein Wunsch nach einem Jahr Bundestagswahl ist: Liebe CDU, kritisieren Sie uns knüppelhart – dann müssen wir das nicht selber machen –, aber bedienen Sie nicht die Narrative rechter Antidemokraten, auch nicht, wenn Sie dafür von Springer eine Schlagzeile bekommen. Dann erst recht nicht! Es folgt Pascal Kober für die FDP-Fraktion.
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Dr.
Dr. Tobias Lindner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Tobias
Lindner
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Vielen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser Gesetzentwurf ist ein notwendiger und sinnvoller Gesetzentwurf, und deswegen werden wir ihm zustimmen. Er adressiert drei Aspekte. Erstens. Wir stellen Reservistinnen und Reservisten quasi den Soldatinnen und Soldaten gleich, was die Sicherheitsüberprüfung betrifft; das ist richtig und notwendig. Wenn jemand die Uniform trägt, ist es völlig unerheblich, ob sie oder er eine Reserveübung ableistet oder Soldatin auf Zeit oder Berufssoldat ist. In allen drei Fällen leistet die Person einen Dienst und muss in besonderer Art und Weise treu zur Verfassung und Staat und Recht sein. Deswegen ist es recht und billig, dass jetzt auch die Reservistinnen und Reservisten überprüft werden; bei den Soldatinnen und Soldaten ist das ja seit mehreren Jahren der Fall. Zweitens. Von Personen, die in besonders empfindlichen Bereichen eingesetzt sind, in der Cyberabwehr, bei den Kommandospezialkräften, in anderen spezialisierten Verwendungen, kann man natürlich in einem überdurchschnittlichen Maß erwarten, dass sie sich rechts- und verfassungstreu verhalten. Ich bestreite gar nicht, dass die rechtsextremen Vorfälle, rechtsextremen Verdachtsfälle, die wir jetzt beobachten, im Vergleich zur gesamten Truppe nur einen kleinen Teil ausmachen. Aber dieses Argument, meine Damen und Herren, hilft doch an dieser Stelle nicht weiter; denn wir wissen aus Vorfällen, dass auch eine einzelne Person, die nicht mehr auf dem Boden unserer Verfassung steht, mit speziellen Fähigkeiten eine Menge Unheil anrichten kann. Deswegen ist es so wichtig, dass wir da gründlich hinschauen. Lassen Sie mich etwas hinzufügen. Diese Überprüfung liegt auch im Interesse der überwiegenden Mehrheit der Soldatinnen und Soldaten, die ihren Dienst treu auf dem Boden unserer Verfassung leisten. Stellen Sie sich den Fall vor: Angehöriger der Bundeswehr einer Spezialeinheit würde – ich will es nicht hoffen – einen schrecklichen Anschlag begehen. Abgesehen von den Konsequenzen aus dem Anschlag, wird dadurch auch das notwendige Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in unsere Sicherheitsorgane untergraben. Das können wir uns als freiheitlich demokratischer Rechtsstaat nicht leisten, meine sehr geehrten Damen und Herren. Ich will einen dritten und letzten Punkt ansprechen. Natürlich ist es recht und billig, dass wir Sicherheitsüberprüfungen auf die Höhe der Zeit bringen. Deswegen ist es vernünftig, dass man sich öffentlich zugängliche soziale Profile anschaut. Wir sind doch nicht mehr in den 50ern oder 60ern, wo eine Sicherheitsüberprüfung nur durch das Befragen von Auskunftspersonen erfolgt. Ich glaube, das zeigt uns, dass wir heute hier einen wichtigen Baustein vor uns haben, aber noch lange nicht am Ende sind, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir werden darüber diskutieren müssen, wie wir die Sicherheitsüberprüfung generell modernisieren und effizienter gestalten; denn die Vergangenheit hat uns wieder gelehrt: Auch sicherheitsüberprüfte Personen können durchs Raster fallen. Herzlichen Dank. Der nächste Redner für die Fraktion der CDU/CSU ist der Kollege Professor Dr. Patrick Sensburg.
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Dr.
Dr. Heiko Wildberg AfD
Heiko
Wildberg
AfD
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir alle wollen sauberes Wasser, bezahlbares Trinkwasser; wir wollen aber auch Obst, wir wollen Gemüse, und die meisten von uns wollen auch Eier, Käse und Fleisch. Alle wollen Arzneimittel, die sicher und schnell heilen. Viele wollen Verhütungsmittel, Kosmetika, Äpfel ohne Wurmlöcher und, bei Bedarf, auch künstliche Herzklappen. Und es ist gut, meine Damen und Herren, dass es alle diese Produkte und Lebensmittel jederzeit gibt, und es ist gut, dass sie uns immer zur Verfügung stehen. Diese lebenswichtige Grundversorgung darf auf keinen Fall gefährdet werden. Im Antrag der Grünen gibt es eine etwas missverständliche Formulierung, die man unbedingt klarstellen sollte. Da heißt es nämlich – ich zitiere –: „… unverzüglich eine verbindliche Liste persistenter Stoffe“ zu etablieren, „die nicht mehr in Arznei-, Pflanzenschutz- sowie Wasch- und Reinigungsmitteln verwendet werden dürfen und durch ungefährliche Stoffe zu ersetzen sind“. Meine Damen und Herren, ich will das jetzt mal nicht böswillig interpretieren. Man könnte aber sagen, Sie wollen, dass Stoffe vom Markt genommen werden, wodurch gerade die lebenswichtige Grundversorgung mit Antibiotika gefährdet wird. Ich kann beispielsweise keine Antibiotika vom Markt nehmen, ohne ein Ersatzpräparat zu liefern. Das geht sicherlich nicht. Meine Damen und Herren, den Antragstellern ist offensichtlich nicht bewusst, was passieren würde, wenn der Bundestag einem solchen Antrag zustimmen würde: nicht zu behandelnde Infektionskrankheiten wegen fehlender Antibiotika, Ernteausfälle wegen fehlender Pflanzenschutzmittel. Auf solche Kollateralschäden grüner Verbotspolitik können wir jederzeit verzichten. Wer kann denn schon unverzüglich Antibiotika ohne Nebenwirkungen entwickeln oder Pflanzenschutzmittel ohne Folgewirkungen? Das sollten wir immer bedenken, wenn wir diese Mittel kritisieren, die natürlich in unsere Umwelt, in unsere Gewässer, in unser Grundwasser und im schlimmsten Fall sogar in unser Trinkwasser gelangen können. Meine Damen und Herren, Wasser ist in der Tat ein lebenswichtiges Gut, und es ist unser aller Aufgabe, dieses sauber zu halten. Das gebietet nicht zuletzt unsere Verantwortung gegenüber unseren Kindern und Kindeskindern, aber auch unsere Verantwortung gegenüber der Umwelt. Meine Ausführungen machen deutlich, dass es hier wieder den bekannten Zielkonflikt zwischen den Bedürfnissen einer entwickelten Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft auf der einen Seite und den Erfordernissen eines langfristigen Erhalts sauberen Wassers auf der anderen Seite gibt. Diesen Konflikt können wir sicherlich nicht durch das Malen eines drastisch übertriebenen Katastrophenszenarios – wie in den Anträgen der Grünen – lösen. Das geht sicherlich nicht, meine Damen und Herren. Wir brauchen zur Lösung dieses Zielkonfliktes vielmehr eine nüchterne Abwägung. Die ökologisch notwendigen Maßnahmen zur Gewässerreinhaltung stehen auf der einen Seite, und auf der anderen Seite müssen wir die ökonomischen und sozialen Komponenten ausloten, um diesen Zielkonflikt sozialverträglich und bezahlbar, wie es in dem Antrag heißt, lösen zu können. Meine Damen und Herren, in diesem Augenblick gibt es Tausende von Menschen, die in diesem Land damit beschäftigt sind, Proben zu nehmen, zu analysieren, zu forschen und zu berichten. Hören wir doch einfach mal, was diese Damen und Herren zu sagen haben, und hören wir nicht auf irgendwelche ideologischen Neinsager. Diese Ideologie folgt doch nur dem Motto: Alles, was ich nicht mag, soll verboten werden. Alles, was ich mag, ist mein Recht, und andere sollen dafür bezahlen. Dies kann nicht das Motto meiner Partei sein, meine Damen und Herren. Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Ende. Ich denke, dass wir mit diesen beiden Anträgen inhaltlich sicherlich nicht konform gehen. Vielen Dank. Das Wort hat der Kollege Michael Thews, SPD-Fraktion.
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Beate Walter-Rosenheimer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Beate
Walter-Rosenheimer
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörer und Zuhörerinnen! Das Wichtigste in unserem Land sind die Menschen mit ihrem Können, mit ihrer Kreativität und mit ihrem Engagement. Nicht umsonst wird Deutschland als das Land der Dichter und Denker – und natürlich auch der Dichterinnen und Denkerinnen – bezeichnet. Gut, das ist vielleicht eine Vorstellung aus alten Zeiten; aber im Kern ist das heute gültiger und wichtiger denn je. Durch die Digitalisierung der Arbeitswelt und den ökologischen Wandel haben sich Berufsbilder und Qualifikationsprofile schon dramatisch verändert und werden sich weiter massiv verändern. Und darauf brauchen wir Antworten. Weiterbildung ist der Schlüssel zu Fachkräftesicherung, zu Innovationsfähigkeit, zu Wettbewerbsfähigkeit und zur Sicherung der Beschäftigungsfähigkeit. Um Menschen die Möglichkeit zu geben, diese Veränderungen für sich positiv zu nutzen und nachhaltig zu gestalten, brauchen wir im Verlauf des Arbeitslebens regelmäßige Weiterbildung in Form von zeitgemäßen beruflichen Qualifikationen. Wir Grüne wollen mit unserem Antrag eine Vertiefung persönlicher Kompetenzen im Beruf fördern und Weiterbildung breit und für alle aufstellen. Weiterbildung muss ein zentraler Baustein sein im Bildungswesen, um Menschen fit für die Zukunft zu machen. Liebe Ulrike Bahr, weil Sie von „mitgedacht“ sprachen: Wir können noch nicht Gedanken lesen. Da sage ich: „Mitgemacht“ wäre uns lieber als „mitgedacht“. Zu Ihrem Gesetzentwurf. Er enthält schon viele richtige und wichtige Punkte; das sehen wir auch so. Wir finden es gut, dass nicht mehr nur eine, sondern im beruflichen Aufstieg mehrere aufeinanderfolgende Fortbildungen gefördert werden können. Wir finden es auch gut, dass beim Unterhalt der Weiterbildungsinteressierten auf Vollzuschuss umgestellt wird. Und es ist richtig, den Darlehensanteil bei den Fortbildungsmaßnahmen zu verringern, wenn jemand eine Existenzgründung vornimmt, eine Prüfung bestanden hat oder eben sehr wenig verdient. So weit klingt Ihr Gesetzentwurf für uns nach schöner neuer Weiterbildungswelt – und ich meine das jetzt durchaus ernst –: angekommen im Zeitalter der Digitalisierung, der ökologischen Transformation und zukunftsfähig. Aber in unseren Augen ist das alles nichts ohne Rechtsanspruch; denn ohne einen solchen Rechtsanspruch bleibt jede Weiterbildungsstrategie eine leere Hülse. Dem Wunsch nach Weiterbildung muss auch die Möglichkeit folgen, diesen umzusetzen. Das heißt, wenn zum Beispiel eine Bürokauffrau beschließt, sich im digitalen Bereich weiterzubilden, und auch alles genehmigt bekommt, die Arbeitgeberin aber sagt: „Nein, das geht nicht“, dann sieht es schlecht aus; dann fällt diese schöne neue Welt der Weiterbildung wieder in sich zusammen. Deshalb brauchen wir den Rechtsanspruch. Guter Wille genügt nicht, Freiwilligkeit auch nicht. Und es braucht natürlich einen Freistellungs- oder Teilfreistellungsanspruch mit einem garantierten Recht auf Rückkehr in Vollzeit; das korrespondiert ja mit dem Rechtsanspruch. Wer Zeit für Weiterbildung braucht und sich weiterbilden darf, der muss auch das Recht haben, im Betrieb eine Auszeit zu nehmen oder in Teilzeit zu arbeiten, die Zeit zu bekommen, die dafür erforderlich ist, und danach auch wieder in Vollzeit zurückkehren zu können. Dabei muss man auch bedenken: So eine Weiterbildung ist ja nicht nur etwas für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, sondern nützt auch dem Betrieb. Deshalb brauchen diese Weiterbildungswilligen Unterstützung, Planungssicherheit und ausreichende gesetzliche Vorgaben. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Weiterbildung benötigt nicht nur Zeit, sondern auch Geld. Wir Grüne wollen deshalb das Aufstiegs-BAföG zu einem Weiterbildungs-BAföG weiterentwickeln. Damit wollen wir erreichen, dass nicht nur der Aufstieg, sondern quasi auch der „Seitenstieg“ gefördert wird. Was meinen wir damit? Unserer Meinung nach muss es möglich sein, die Karriereleiter nicht immer nur Sprosse für Sprosse nach oben zu gehen und dabei gefördert zu werden; vielmehr wollen wir die Förderung von Weiterbildung auch auf der Qualifikationsebene, auf der sich jemand schon befindet, also im wahrsten Sinne des Wortes einen „Seitenstieg“. Das bedeutet, die Möglichkeit zu haben, sich breiter aufzustellen auf der Qualifikationsebene, auf der man sich eben schon befindet, dort mehr Wissen zu erlangen und weiterzukommen, wo man es braucht, profilgenau. Wir müssen also viel mehr Geld in Weiterbildungsmaßnahmen stecken, die nicht nur dem persönlichen Aufstieg dienen, sondern auch Profile und Fertigkeiten sinnvoll ergänzen. Auch hier muss eine Finanzierung für anerkannte und zertifizierte Maßnahmen durch das AFBG eröffnet werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, was braucht es also für gute Weiterbildung? Es braucht einen Rechtsanspruch auf Weiterbildung, das Recht auf Freistellung, eine gute finanzielle Förderung, den „Seitenstieg“ statt nur Aufstieg. Und richtig rund wird das Ganze natürlich mit einer qualitativ hochwertigen Weiterbildungsberatung. Da reicht es nicht, nur Onlineprofile zu erstellen und Onlinekurse anzubieten. Wir brauchen Menschen mit pädagogischem und psychologischem Wissen, die nicht nur Kurse verkaufen, sondern auch Kompetenzen erfassen, Persönlichkeit erkennen, Ziele identifizieren und – das ist wichtig – einen guten Überblick über die Finanzierungsmöglichkeiten und die Weiterbildungslandschaft geben. Also mein Fazit für heute: dichten, denken, weiterbilden; die Weiterbildung so stark machen, wie sie es verdient und wie wir es brauchen, und allen Menschen realistische Chancen darauf eröffnen. Danke. Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Stephan Albani, CDU/CSU.
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Daniela Kluckert FDP
Daniela
Kluckert
FDP
Verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen von einer kleinen Reise berichten. Obwohl: Nahverkehrsodyssee trifft das, was ich auf meinem Weg in eine kleine brandenburgische Gemeinde erlebt habe, dann doch deutlich besser. Ironischerweise wollte ich zu einer Veranstaltung zum Thema Mobilität. Ich bin mit der S-Bahn gefahren und wollte für den letzten Kilometer oder, wie man auch gerne sagt, die letzte Meile vom Bahnhof zum Veranstaltungsort ein Taxi nehmen. Im Waggon eingeklemmt, habe ich dann 40 Minuten lang versucht, dieses Taxi zu bekommen – per Telefon, per App –, und habe am Ende, als ich inzwischen fast alleine im Zug war, entnervt aufgegeben. Am S-Bahnhof des Zielorts angekommen, war dann auch noch meine allerletzte Hoffnung, vielleicht ein Taxi vor Ort am Gebäude zu finden, pulverisiert. Mit dem Wissen, dass nun die Veranstaltung ohne mich beginnen würde, habe ich mit offenen Schuhen – geregnet hat es auch noch – den drei Kilometer langen Fußmarsch angetreten, den Wind immer im Gesicht. Aber das sind wir als FDP-Mitglieder sowieso gewöhnt. Zu meinem Glück hat mich dann ein freundliches Ehepaar aufgelesen und mich mit dem Auto zur Veranstaltung gefahren. Aber Glück, meine Damen und Herren, kann doch nicht Ersatz für fehlende Konzepte für die letzte Meile sein. Um nachhaltig die Verkehrsgewohnheiten von Menschen zu verändern, kann es aus meiner Sicht nur zwei Ansatzpunkte geben: erstens die Reibungslosigkeit auf der letzten Meile zu sichern und zweitens die Attraktivität des ÖPNV insgesamt zu erhöhen. Denn glauben Sie ernsthaft, dass sich der gutverdienende Autofahrer mit Tiefgarage am Unternehmenssitz hier in Berlin-Mitte durch die Ersparnis von 80 Euro – das ist nämlich der Durchschnittspreis eines ÖPNV-Monatstickets in Berlin – dazu bringen lässt, morgens um 7.30 Uhr in einen völlig überfüllten U-Bahn-Waggon oder S-Bahn-Waggon zu steigen, den er sich dann vielleicht auch noch mit Partygästen der letzten Nacht teilen muss? Das wird er sicher nicht. Damit der ÖPNV attraktiver wird und von mehr Menschen genutzt wird, die derzeit mit dem Auto fahren und dadurch die Emissionen in unseren Städten produzieren, meine ich erstens, dass die Kapazitäten des ÖPNV erhöht werden müssen. Nur mehr Züge können auch mehr Menschen befördern. In weiten Teilen des Netzes sind wir längst am Limit der möglichen Fahrgastzahlen angelangt. Zweitens meine ich, wir müssen bei der Gestaltung des ÖPNV neu und vor allem auch innovativ denken. Die Chancen der Digitalisierung müssen genutzt werden. Das Personenbeförderungsgesetz, das übrigens der Grund ist, warum ich in Brandenburg nur auf ein Taxi hoffen konnte und nicht auf eine Vielzahl von unterschiedlichen Mobilitätsangeboten, gehört dringend modernisiert. Innovative Mobilitätslösungen müssen zugelassen werden; denn wenn wir die Emissionen verringern wollen und gleichzeitig – hier wird häufig vergessen, was eigentlich mit dem ländlichen Raum ist – für die Menschen im ländlichen Raum Mobilität schaffen wollen, darf keine Idee ausgegrenzt werden. Es ist doch verrückt, dass wir uns hier über zu hohe Emissionswerte unterhalten, aber gleichzeitig leere Taxen vom Flughafen Schönefeld zurück nach Berlin-Mitte fahren, weil es den Berliner Taxen nicht gestattet ist, in Brandenburg Fahrgäste aufzunehmen. Das ist weder sozial noch ökologisch noch ökonomisch vertretbar. Der Vorschlag der geschäftsführenden Bundesregierung für einen kostenlosen ÖPNV ist darüber hinaus weder mit den Verkehrsbetrieben noch mit den Kommunen abgesprochen. Frau Lühmann, wenn Sie hier erst sagen, dass der Brief völlig unverbindlich ist, und im nächsten Moment betonen, dass Sie schon mit Modellregionen gesprochen haben, dann frage ich mich, was davon stimmen mag. Erst heute habe ich vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen – ein durchaus ernstzunehmender Verband in dieser Debatte – einen Brief bekommen, der vor diesem Vorschlag eindringlich warnt. Eine Zunahme der Fahrgastzahlen um 10 bis 15 Prozent führt derzeit unweigerlich zum Kollaps. Und dabei sind diese zusätzlichen Fahrgäste mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht die von mir vorhin erwähnten Autofahrer. Kostenlos ist dieser Vorschlag ohnehin nicht. Er wird nur, wie so häufig, von jemand anderem bezahlt. In diesem Fall ist es wahrscheinlich die Umverteilung vom bayerischen Bauer hin zum Kreuzberger Beamten. Der vermeintlich kostenlose ÖPNV in Städten löst weder unsere Luft- noch unsere Verkehrsprobleme. Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns gemeinsam an klugen Verkehrskonzepten arbeiten, mit besseren Angeboten des ÖPNV und zusätzlichen innovativen Mobilitätslösungen, die individuellen Verkehr kostengünstig für jedermann ermöglichen. Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren. Das Wort hat die Abgeordnete Dr. Petra Sitte für die Fraktion Die Linke.
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Konrad Stockmeier FDP
Konrad
Stockmeier
FDP
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Koalitionsvertrag der Ampelkoalition trägt den Titel: „Mehr Fortschritt wagen“. Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass Putins Angriff auf die Ukraine weder Titel noch Inhalt des Koalitionsvertrages obsolet gemacht hat; vielmehr wurde unterstrichen, worum es auch gehen muss, nämlich mehr Tempo zu wagen. Das gilt insbesondere für den Netzausbau, der mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien unbedingt einhergehen muss, sowohl bezüglich der Übertragungsnetze als auch der Verteilnetze. Beides packen wir unter anderem mit der Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes an. Ich darf für die Freien Demokraten an dieser Stelle freudig feststellen, dass die Novelle viele Elemente enthält, die in Richtung Digitalisierung gehen. Das wird das Ganze sowohl für Stromproduzenten und Netzbetreiber als auch für Endkunden an vielen Stellen vereinfachen. Die Zeiten, in denen Netzbetreiber Lastwagen mit Unterlagen zu irgendwelchen Behörden fahren, müssen ein Ende finden. Ein weiteres Kernanliegen der Freien Demokraten ist sehr wohl, dass die Energiewende so kostengünstig und marktgängig wie möglich ins Werk gesetzt werden muss. Ein entscheidender Hebel, um dies zu realisieren – das möchte ich an dieser Stelle betonen –, ist, dass der Netzausbau bitte nicht nur deutsch, sondern auch europäisch gedacht und realisiert werden muss. In diesem Sinne bin ich Ihnen, Minister Habeck, sehr dankbar dafür, dass Sie immer wieder betonen, dass es nicht um deutsche Energieautarkie gehen kann, sondern wir das ganze Projekt auch europäisch denken müssen. Denn wer wären wir denn, wenn wir das Projekt der Freiheitsenergien nur bei uns und nur für uns denken würden? Es muss doch auch darum gehen, nicht nur unsere Freiheit, sondern auch die unserer Partner in der Europäischen Union und darüber hinaus zu sichern. Welches Panorama zeigt sich beim Netzausbau, wenn man mit Akteuren im Markt spricht? Ein Panorama, das weit über Deutschland hinausgeht: große Offshorewindkapazitäten beispielsweise in der Ostsee, große Photovoltaikkapazitäten in Südeuropa. Das sind – sagen wir es ruhig – große Geschäftsmodelle. Ich denke an den Klimabeauftragten der US-Regierung John Kerry; das ist jemand, der kein Problem damit hat, so etwas auch „Big Business“ zu nennen. Es stünde uns in Deutschland gut an, wenn wir auch in diese Richtung denken und empfinden würden. Der Ausbau der erneuerbaren Energien und der Netzausbau werden somit die Europäische Union, ihre Partner und unser aller Freiheit stärken und sichern. Wohlgemerkt, der Netzausbau hat das Zeug, die erneuerbaren Energien auch günstig zu machen, wenn wir das wirklich als Big Business realisieren. Zum Abschluss möchte ich noch sagen: Bei aller Freude, die wir über den Wahlsieg von Emmanuel Macron in Frankreich empfunden haben, würde es uns jetzt auch gut zu Gesicht stehen, seine europapolitischen Impulse nicht wieder versanden zu lassen, sondern sie konstruktiv aufzunehmen. Warum bitte schön nicht auch im Bereich der Energiepolitik? Da gibt es viele Chancen. Vielen Dank. Nächste Rednerin: für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Katrin Uhlig.
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Hilde Mattheis SPD
Hilde
Mattheis
SPD
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir als SPD-Fraktion akzeptieren weder Diskriminierung noch Pauschalierung oder Unterstellungen; das ist für uns völlig klar. In dem Zusammenhang kann man hier deutlich sagen: Es ist das Verdienst von Grünen und FDP, dieses Thema noch mal gesondert auf die Tagesordnung gesetzt zu haben. Aber es ist auch das Verdienst der Koalitionsfraktionen, die Weichen gestellt zu haben, bevor wir das hier diskutieren. Mit dem Zweiten Bevölkerungsschutzgesetz sind nämlich die Weichen für andere Richtlinien gestellt worden. Lassen Sie uns daher gemeinsam das Erstellen und das Überarbeiten der Richtlinien begleiten; denn die sind tatsächlich völlig aus der Zeit gefallen. Ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir diese gemeinsame Botschaft in die Gesellschaft hinaustragen: dass es nicht darum geht, bestimmte Gruppierungen oder Bevölkerungsgruppen wegen ihrer sexuellen Orientierung zu diskriminieren, sondern dass es darum geht, Diskriminierung zu vermeiden, aber auch den Schutz für Blutspendeempfängerinnen und ‑empfänger aufrechtzuerhalten. Auch darum geht es. Das sagen Sie in Ihren Anträgen, und das sagen auch wir in unseren Stellungnahmen. Wenn man sich anguckt, wie die Richtlinien aussehen, muss man sagen: Auch die Wissenschaft, auch die Medizin dürften dazugelernt haben. Ich bin sicher, dass sie dazugelernt haben; denn es geht nicht nur darum, diese Sperrfristen zu hinterfragen. Einmal sind es zwölf Monate – das wurde schon ausgeführt – für sogenannte Risikogruppen der unterschiedlichsten Bereiche. Dazu gehören eben auch heterosexuelle Risikogruppen. Aber wer, bitte schön, geht zum Blutspenden und streicht an: „Ich gehöre zur heterosexuellen Risikogruppe“? Das ist völlig aus der Zeit gefallen. Noch eine Hinterfragung, die Sie in Ihren beiden Anträgen nicht ansprechen: Sie sprechen hauptsächlich die sexuelle Orientierung an. Sie sprechen aber zum Beispiel nicht die Sperrfrist von vier Monaten an, die für Häftlinge gilt, die für Menschen, die sich Tattoos stechen lassen, gilt, die für Leute, die in hochrisikoreiche Länder gereist sind, gilt. Ich bin dafür, dass wir im Rahmen unseres politischen Handelns – da haben wir das Heft des Handelns in der Hand – die Bundesärztekammer und alle Wissenschaftler, die dazu auch aufgerufen sind, auffordern, sehr zeitnah genau diese überarbeitete Richtlinie vorzulegen. Dann liegt es an uns, die politische Entscheidung zu treffen. Ich bin sicher, dass es da eine große Einigkeit gibt, wenn die wissenschaftliche und medizinische Grundlage stimmt. Vielen Dank. Vielen Dank, Hilde Mattheis. – Nächste Rednerin: für die Fraktion Die Linke Doris Achelwilm.
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Timon Gremmels SPD
Timon
Gremmels
SPD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer sich einmal mit dem Antrag der AfD befasst, muss sagen: Gleich in der ersten Zeile kommen Sie zu einem Fehlschluss. Sie schreiben: Die Energiekrise, vor der Deutschland steht, ist hausgemacht. Ich sage Ihnen: Nein. Grund ist der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Putins auf die Ukraine. Das ist die Ursache unserer derzeitigen Energielage, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wenn Sie hier die Lautsprecher Putins sind und Landtagsabgeordnete von Ihnen in der jetzigen Zeit nach Russland reisen, dann sind das – auch wenn sie die Reise abgebrochen haben – aus meiner Sicht völlig falsche Signale. Sie schreiben in Ihrem Antrag: „im Zuge des Russland-Ukraine-Krieges“. Nein, es ist kein Russland-Ukraine-Krieg, es ist ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg. Das müssen Sie doch hier einmal zugestehen. Es gehört zur Wahrheit und zu einer guten und ordentlichen Analyse dazu, dass man sagt, was ist, anstatt hier russlandfreundliches Sprech auf den Weg zu bringen. Ich sage Ihnen noch einmal: Natürlich gibt es Menschen – auch bei mir im Wahlkreis –, die Sorgen und Nöte haben, die Angst haben, die Existenzängste haben. Das müssen wir ernst nehmen, und das machen wir auch. Diese Regierung und diese Koalition nehmen die Menschen sehr ernst. Aber man darf ihnen auch keinen Sand in die Augen streuen, wie die AfD das hier macht. Sie haben von Gassanktionen gesprochen. Es gibt keine Gassanktionen des Westens. Putin war derjenige, der den Gashahn abgedreht hat; das muss man an dieser Stelle einmal deutlich sagen. Es ist Putins Verantwortung, dass der Gasfluss durch die Pipeline Nord Stream 1 mit fadenscheinigen Begründungen abgestellt wurde. Und was macht die AfD? Sie läuft zweimal gegen die gleiche Wand. Sie sagen allen Ernstes, Sie wollen, dass Nord Stream 2 in Betrieb geht. Was würde das bedeuten? Das würde Folgendes bedeuten: Wir würden uns innerhalb Europas entsolidarisieren. – Natürlich würden wir uns innerhalb Europas entsolidarisieren. Es gibt in Europa keine Mehrheit dafür, Nord Stream 2 in Betrieb zu nehmen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wenn Nord Stream 2 in Betrieb genommen würde, würde Folgendes passieren: Es wäre für Putin eine Genugtuung, eine Freude, zwei Tage später auch den Gasfluss durch Nord Stream 2 wieder abzuschalten. In diese Falle sollten wir nicht tappen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wir haben doch Gaspipelines. Wenn es darum geht, Gas aus Russland zu bekommen, warum nutzen wir dafür nicht Nord Stream 1? Wir brauchen Nord Stream 2 an dieser Stelle nicht, und wer etwas anderes sagt, streut den Leuten Sand in die Augen. Genau das macht die AfD – wieder einmal. Und dann sagen Sie, Atomkraft und Kohlekraft seien die Lösung. Ja, warum ist denn das mit der Kohle derzeit so schwierig? Wegen des Klimawandels führte der Rhein Niedrigwasser. Die Kohle konnte gar nicht transportiert werden. Dass wir die Kohlekraftwerke derzeit nicht so nutzen können, wie es notwendig wäre, ist eine Folge des Klimawandels, den Sie ignorieren; auch das gehört zur Wahrheit dazu. Dann sagen Sie, Atomkraft sei die Lösung. Ja, gucken Sie doch einmal nach Frankreich, was da passiert: Mehr als die Hälfte der Atomkraftwerke sind nicht am Netz, produzieren gar nicht. Warum müssen wir hier Gas verstromen? Damit wir Frankreich solidarisch unterstützen. Das gehört auch zur Wahrheit dazu, wenn Sie über Atomkraft reden. Auch das muss hier einmal deutlich gesagt werden, meine sehr verehrten Damen und Herren. Jetzt sagen Sie auf einmal: Na gut, dann lassen Sie doch die drei deutschen Atomkraftwerke weiterlaufen, im Streckbetrieb! Ja, gucken Sie sich doch einmal an, was mit Isar 2 ist! Auch das ist ein Problem, das ignoriert wird, auch von der bayerischen Atomaufsicht, auch von Markus Söder und Co; das gehört auch zur Wahrheit dazu. Atomkraft kann keine Lösung sein. Weil Sie auch gegen Windkraft aktiv unterwegs sind, will ich Ihnen hier ein Beispiel nennen: Wenn wir allein bei der Nachtabsenkung von Windkraftanlagen eine kleine Veränderung vornehmen, brauchen wir Isar 2 gar nicht, weil wir allein mit dieser Regelung, die wir von heute auf morgen ohne irgendein Risiko umsetzen können, die Strommenge von Isar 2 kompensieren können. So geht Energiewende und so geht Energiesicherheit in Deutschland, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das ist das, was wir machen müssen. Ich sage Ihnen zum Thema Gasumlage eines: Es ist ein offenes Geheimnis, dass auch die SPD nicht der allergrößte Freund davon ist. Aber es gehört zur Wahrheit dazu, dass wir das gemeinschaftlich in dieser Regierung beschlossen haben. Da kann sich jetzt keiner vom Acker machen. Wir haben das gemeinschaftlich beschlossen. Wir müssen jetzt allerdings auch gemeinschaftlich die Lage neu bewerten, die mit der Verstaatlichung von Uniper einhergeht. Ich bin sehr zuversichtlich, dass diese Regierung das einvernehmlich miteinander besprechen wird und die Menschen sich sicher sein können, dass wir hier etwas machen, was finanzrechtlich möglich und sicher ist. Geben Sie uns die Zeit! Wir machen das verantwortungsbewusst und nicht so populistisch wie das, was die AfD mit ihren Anträgen auf den Weg bringen will. Wenn Sie etwas tun wollen für Energiesicherheit, wenn Sie etwas dafür tun wollen, dass wir auch perspektivisch preiswerte Energie haben, dann müssen wir jetzt massiv in den Ausbau erneuerbarer Energien investieren, weil die uns unabhängig von Russland machen, weil wir dann keine Brennstoffe brauchen. Erlauben Sie eine Zwischenfrage aus der AfD-Fraktion? Nein, danke. – Wind und Sonne schicken keine Rechnung; die nutzen wir, ohne dass wir Rohstoffe einkaufen müssen. Noch einmal zum Thema Atomkraft: Wo kommen denn die Brennstäbe her? Mehr als die Hälfte der Brennstäbe kommt aus Russland. Das wäre ein Pyrrhussieg. In diesem Sinne sage ich Ihnen: Atomkraft kann keine Lösung sein. Nord Stream 2 in Betrieb zu nehmen, ist auch keine Lösung. Wir müssen massiv die erneuerbaren Energien ausbauen. Dafür steht diese Ampelkoalition. In diesem Sinne: Glückauf! Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort dem Kollegen Hilse.
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Dr.
Dr. Tobias Lindner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Tobias
Lindner
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich in der heutigen zweiten und dritten Lesung des Gesetzes drei Bemerkungen machen. Erstens. Kollege Gröhe ist schon darauf eingegangen: Soldatin oder Soldat zu sein, ist kein Beruf wie jeder andere. Der Dienst in Streitkräften stellt Frauen und Männer vor ganz existenzielle Fragen. Dienst in Streitkräften heißt in letzter Konsequenz, auch bereit zu sein, das eigene Leben einzusetzen oder gegebenenfalls andere Menschen zu töten. Gläubige Soldatinnen und Soldaten stehen damit vor ungeheuren Konflikten. Die Zehn Gebote geben uns auf: „Du sollst nicht töten.“ Deswegen ist es gut, dass Soldatinnen und Soldaten Zugang zu Seelsorge haben – auch und gerade in Einsätzen. Deswegen ist es gut, dass es eine Militärseelsorge gibt, liebe Kolleginnen und Kollegen. Zweitens. Die Bundeswehr ist ein Spiegelbild unserer Gesellschaft, auch der religiösen Pluralität in unserer Gesellschaft. Gerade deswegen ist es richtig, dass nun auch den Soldatinnen und Soldaten jüdischen Glaubens der Zugang zur Militärseelsorge offensteht. Es war ein langer Weg; darauf ist in der ersten Lesung eingegangen worden. Der Weg war mit einigen Hindernissen gepflastert. Wir haben ja schon darüber gesprochen: Wenn wir religiöse Pluralität ernst nehmen, dann müssen wir auch die Voraussetzungen schaffen, dass Soldatinnen und Soldaten muslimischen Glaubens, die unserem Vaterland dienen, Zugang zur Militärseelsorge haben. Ich wünsche mir, dass beide Seiten, die muslimischen Verbände in Deutschland und die Bundeswehr, mit einem ähnlichen Pragmatismus und einer Offenheit für Lösungen an diese Herausforderung herangehen, wie wir am Ende die Lösung für Militärrabbinerinnen und Militärrabbiner geschaffen haben. Drittens. Militärseelsorge steht nicht nur den Soldatinnen und Soldaten, die gläubig sind, offen – auch das ist in dieser Debatte schon gesagt worden –; sie steht allen Soldatinnen und Soldaten offen: als Ratgeber, als Gesprächspartner. Aber – ich finde, auch das muss man in diesen Tagen laut und deutlich sagen – die Militärseelsorgerinnen und ‑seelsorger leisten einen wichtigen Beitrag zur politischen Bildung in der Bundeswehr und zur Inneren Führung. Er ist in diesen Tagen nötiger denn je, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich will noch eine letzte Bemerkung machen. Frau von Storch, es ist ja schon fast witzig und entbehrt nicht einer gewissen Komik, dass gerade Sie als Vertreterin Ihrer Partei hier an dem Pult etwas über Postengeschacher in diesen Tagen erzählen. Wenn Hans-Peter Bartels eines nicht verdient hat, dann ist es das, dass sich die AfD als seine größte Verteidigerin hier in diesem Haus aufspielt. Herzlichen Dank. Für die CDU/CSU-Fraktion hat das Wort die Kollegin Kerstin Vieregge.
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Timon Gremmels SPD
Timon
Gremmels
SPD
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich auf einen der sechs Schwerpunkte im Arbeitsprogramm der EU-Kommission eingehen, und das ist die Frage des Green Deals. Wir als SPD-Fraktion sagen: Jetzt ist genau der richtige Zeitpunkt, sich um diese Themen zu kümmern. Was ich allerdings weniger gut fand – und mit mir auch die Mehrheit dieser Koalition –, war, dass als erste Amtshandlung im neuen Jahr zwischen Silvester und Neujahr die EU-Kommission die Taxonomie für Atomkraft auf den Weg gebracht hat, nach dem Motto, Atomkraft sei nachhaltig. Ich bin froh, dass wir als Koalition genau das eben nicht sagen. Wir sind nicht der Auffassung, dass Atomkraft Teil der Lösung ist, meine sehr verehrten Damen und Herren! Kaum ist aber Friedrich Merz im Amt, hat er wohl in den Schubladen geguckt, die er da vor 20 Jahren zurückgelassen hat, ob er noch irgendwas findet. Und da ist ihm anscheinend ein Papier in die Hände gekommen, aus dem er schlussfolgerte, dass die Union jetzt auch wieder für Atomkraft ist. Es ist schon spannend: 20 Jahre Zeitvergessenheit, und jetzt auf einmal sind Sie die Verfechter der Renaissance der Atomkraft. Das sagt doch viel über die CDU/CSU aus, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wir sind froh, dass Ende dieses Jahres die letzten drei Atomkraftwerke vom Netz gehen. Wir können „Fit for 55“ nur hinbekommen, wenn wir die erneuerbaren Energien deutlich ausbauen. Ich fand es etwas schade, dass im Arbeitsprogramm der Kommission zum Beispiel für den Bereich Solar nur zwei lapidare Sätze drinstehen. Ich habe vernommen, dass im April dieses Jahres eine Strategie kommen soll. Das Ziel ist ausgegeben, bis 2030 auf europäischer Ebene Anlagen im Umfang von 420 Gigawatt hinzuzubauen. Wenn wir unseren Koalitionsvertrag zugrunde legen, verhält es sich so, dass wir davon schon 200 Gigawatt leisten. Da kann die Europäische Union gern noch eine Schippe drauflegen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wir geben da gerne auch Unterstützung. Ja, wir müssen in der Tat auch gucken, was parallel die Kommission macht und was im Europäischen Parlament verhandelt wird. Da ist derzeit die Erneuerbare-Energien-Richtlinie auf dem Tisch, und da wollen wir noch mal nachschärfen. Hier muss klar sein: Auch in Zukunft brauchen wir für Windparks mit bis zu 18 Megawatt klar die De-minimis-Regelung, also betreffend die Frage der Nichtausschreibung von solchen Flächen. Das stärkt kommunale Stadtwerke; das stärkt Bürgerenergiegenossenschaften. Auch bei Photovoltaik auf Dachflächen von Privathäusern kann ich mir gut vorstellen, dass das zukünftig ohne Ausschreibungen geht, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wir bringen damit die erneuerbaren Energien voran. Ja, wir diskutieren derzeit auch sehr viel über den europäischen Emissionshandel und die Ausweitung auf die Bereiche Straßenverkehr und Gebäude. Das hat allerdings – wir haben ja gleich den nächsten Tagesordnungspunkt dazu – auch immense Auswirkungen auf die Energiepreise. Das muss abgefedert werden; das ist aus meiner Sicht essenziell wichtig. Deswegen ist es gut, dass auch dort ein Klima-Sozialfonds aufgelegt werden soll. Der muss aber auch treffsicher sein; sonst verlieren wir die Unterstützung der Mehrheit der Menschen. Es darf nicht sein, dass sie die Zeche zahlen, sondern wir müssen die Energiewende, wir müssen den europäischen Emissionshandel so ausgestalten, dass Menschen entlastet werden, meine sehr verehrten Damen und Herren. Die Frau Staatsministerin hat es eben gesagt – ich finde das Zitat so nett –: Unser europäisches Haus braucht eine klimaneutrale Renovierung. – Auf Parlamentsebene macht das die Regierung, machen das die koalitionstragenden Fraktionen. Aber eine Renovierung ist ja auch was ganz Praktisches. Die Renovierung der Gebäude machen die Handwerkerinnen und Handwerker; und da haben wir einen massiven Fachkräftemangel. Leider, leider steht im Arbeitsprogramm der EU-Kommission viel zu wenig drin, wie wir diesen massiven Fachkräftemangel abbauen können. Wenn wir die Energiewende, wenn wir den Ausbau der erneuerbaren Energien, wenn wir die Sanierung und Renovierung hinbekommen wollen, brauchen wir Fachkräfte. Und da müssen wir noch ein bisschen investieren, damit uns das gelingt. Meine Damen und Herren – Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss –, wir als Regierungskoalition und insbesondere die SPD sieht im Klimaschutz, in der Energiewende eine Riesenchance für die europäische Gesellschaft, für die europäische Wirtschaft und auch für die Menschen. Nachhaltige Energieerzeugung kann zum Standortfaktor werden, damit Europa der erste klimaneutrale Kontinent wird. Und dafür wird diese Koalition ihren Beitrag leisten. Vielen Dank und Glück auf! Damit schließe ich die Aussprache zu dieser Vereinbarten Debatte.
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Thomas Lutze DIE LINKE
Thomas
Lutze
DIE LINKE
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Das ERP-Wirtschaftsplangesetz ist mit einem Volumen von rund 1 Milliarde Euro pro Jahr ein nicht unerhebliches Förderprogramm. Wie auch in den vergangenen Jahren unterstützt die Linksfraktion diesen Gesetzentwurf der Bundesregierung. Hier werden zinsgünstige Kredite vergeben, die gerade in der aktuellen wirtschaftlichen Situation für die beteiligten Unternehmen sehr hilfreich sind. Zu hinterfragen ist, warum diese Mittel nicht vollständig abgerufen wurden und was mit den zum Teil sehr bedeutsamen Gewinnen, die damit seitens des Bundes erzielt wurden, nun passiert: Soll der Fördertopf ausgeweitet werden, obwohl er nicht vollständig abgerufen wird? Oder soll man zukünftig die Förderrichtlinien verändern, um den Zugang zum Fördertopf zu erweitern? Das sind Fragen, die heute hier noch nicht beantwortet wurden. Damit wäre eigentlich alles zum Thema gesagt. Aber ich kann mir beim besten Willen die Anmerkung nicht verkneifen, dass sowohl die Union als auch die Koalition diesen Tagesordnungspunkt und damit das ERP-Wirtschaftsplangesetz dazu missbrauchen, vollkommen sachfremde parlamentarische Initiativen anzuhängen. Intern heißt dieses Verfahren „Omnibusverfahren“. Man hängt also an ein laufendes Gesetzgebungsverfahren ein oder mehrere andere Gesetze an, ohne dass es da irgendeinen politischen Zusammenhang gibt. Selbst Äpfel und Birnen sind sich näher als das ERP-Gesetz dem Bürgergeld-Gesetz – ich verweise auf den entsprechenden Änderungsantrag der Union – oder der Gesetzesinitiative zur einmaligen Kostenentlastung bei Wärme und Gas; hier verweise ich auf den entsprechenden Änderungsantrag der Koalition. Werte Kolleginnen und Kollegen, Sie hatten jetzt seit Wochen Zeit, hier im Deutschen Bundestag geeignete parlamentarische Initiativen zu ergreifen. Es ist eine Unsitte, wenn vollkommen fachfremde Gesetze angehängt werden. Das hat mit Transparenz in unserem Gesetzgebungsverfahren nichts zu tun Damit wir hier nicht falsch verstanden werden: Unsere Kritik bezieht sich nicht auf das Einbringen einer Gesetzesinitiative. Unsere Kritik bezieht sich darauf, dass hier Dinge unter einem vollkommen sachfremden Tagesordnungspunkt nachgeschoben werden. Das geht gar nicht. Bei der Abstimmung über den Antrag der Union stimmen wir ganz konsequent mit Nein, weil es ein erbärmlicher Versuch ist, das Bürgergeld noch zum Kippen zu bringen. Das unterstreicht Ihre sozialpolitische Kompetenz, die nämlich überhaupt nicht vorhanden ist. Dem Antrag der Koalition stimmen wir zu, weil die Menschen mehr als bisher entlastet werden müssen. Aber Entlastungen allein werden langfristig nicht ausreichen. Wir brauchen gesetzliche Preisobergrenzen bei Energie und eine stärkere finanzielle Beteiligung der Superreichen und Großkonzerne. Die verdienen sich aktuell in der Krise dumm und dämlich – und das muss beendet werden. Vielen Dank.
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Markus Herbrand FDP
Markus
Herbrand
FDP
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich mir gestern diesen Antrag ausdrucken wollte, da streikte mein Drucker. Und ich dachte, vielleicht ein Zeichen, und sah mich dann später nach der Lektüre tatsächlich ein bisschen bestätigt, und dies nicht etwa wegen des grundsätzlichen Anliegens. Man kann politisch darüber streiten, ob man ein Familiensplitting haben möchte oder nicht; man kann das gut oder schlecht finden. Darüber haben wir schon mehrere Debatten geführt, darüber werden wir auch noch mehrere Debatten führen. Aber die Art und Weise, wie hier ein hochkomplexes Thema mit einem Finanzvolumen, Frau Tillmann, bis zu 67 Milliarden Euro debattiert werden soll, das ist, ehrlich gesagt, schon unterkomplex. Sie fordern ein Familiensplitting neben dem Ehegattensplitting. Sie wollen, dass die Vorteile des Familiensplittings auch Alleinerziehenden zugutekommen. Sie wollen, dass neben den Vorteilen des Familiensplittings auch bestehende Leistungen im Rahmen des Familienleistungsausgleichs, also das Kindergeld und der Kinderzuschlag, weiter gewährt werden. Das ist ein großes Füllhorn an Forderungen, ohne dass Sie einen nennenswerten Beitrag zu der Frage leisten, wie das finanziell darstellbar sein soll. Sie ignorieren nach meinem Dafürhalten auch wissentlich – Sie wissen es besser –, dass das Familiensplitting in der Tat auch inhaltlich große Fragen aufwirft: Wie geht man zum Beispiel damit um, dass das Familiensplitting grundsätzlich nur besserverdienenden Familien dient? Das versuchen Sie über das Kindergeld irgendwie glattzubügeln. Aber da stellen sich wirklich noch mehrere Fragen. Diese und andere Hürden sind seit ganz vielen Jahren bekannt und schon Gegenstand zahlreicher Debatten gewesen. Die Krönung aber sind Ihre Vorstellungen darüber, wie die Finanzierung erfolgen soll. Das muss ich jetzt zitieren: Zur Gegenfinanzierung muss der gesamte Bundeshaushalt auf steuerverschwendende Ausgaben geprüft werden. Zu diesem Zwecke ist durch sämtliche Ministerien eine Prioritätenliste ihrer Ausgaben zu erstellen, anhand derer der Deutsche Bundestag entscheiden kann, welche Ausgaben zu reduzieren oder zu beenden sind. Also, liebe Kollegen der AfD, das nennen wir hier im Hause Haushaltsausschuss, und der ist keine neue Institution. Neu wäre allerdings, dass Sie innerhalb dieses Ausschusses schon mal zu Einsparvorschlägen irgendwie Stellung genommen hätten. Ihre Finanzierungsüberlegungen sind daher in meinen Augen irgendwo zwischen abenteuerlich und naiv anzusiedeln. Dann abschließend auch noch einige Bemerkungen zu Ihrer Begründung. Wir teilen ja die Auffassung, dass es in unserem System Nachholbedarf im Hinblick auf Steuer- und Leistungsgerechtigkeit gibt. Deshalb fordern wir schon seit Ewigkeiten, dringend diesen leistungsfeindlichen Tarif unseres Steuersystems abzuflachen. Zuletzt haben wir das noch beim Corona-Steuerhilfegesetz als Alternative zu der temporären Umsatzsteuersenkung gefordert. Die Abflachung des progressiven Steuertarifs ist die zentrale steuerpolitische Baustelle. Hierdurch ergibt sich eine Entlastung in der breiten Mitte der Gesellschaft, und dazu zählen selbstverständlich auch Familien. In diesem bestehenden System gibt es bereits umfangreiche Begünstigungen, auch für Familien im Familienlastenausgleich. Dass darin einige ganz speziell auf Familien zielende Freibeträge dringend an die Inflationsentwicklung angepasst werden müssen, haben wir schon häufiger beantragt. Langfristig können wir uns auch die Anhebung der Freibeträge für Kinder auf das Niveau der Erwachsenen im Einklang mit unserem Haushaltsrecht sehr wohl vorstellen. Also, wir sehen einiges anders als Sie. Insbesondere die Finanzierung ist abenteuerlich. Herzlichen Dank. Vielen Dank, Markus Herbrand. – Der nächste Redner: für die SPD-Fraktion Michael Schrodi.
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11,004,849
Victor Perli DIE LINKE
Victor
Perli
DIE LINKE
Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Große Koalition und Verkehrsminister Scheuer setzen mit dem vorliegenden Haushaltsentwurf einmal mehr die falschen Schwerpunkte. Die Ausgaben des Ministeriums sollen um 1,2 Milliarden Euro steigen. Aber noch viel mehr, nämlich 1,7 Milliarden Euro, fließen zusätzlich in Autobahnen und Bundesstraßen. Für die Schienenwege und Bundeswasserstraßen haben Sie dagegen gerade einmal 300 Millionen Euro extra übrig. Dabei wäre es gerade jetzt wichtig, deutlich mehr in die häufig maroden Schienen- und Wasserwege zu investieren, damit nicht immer mehr Verkehr auf der Straße landet und für Staus und schlechte Luft sorgt. Es wäre gerade jetzt wichtig, unsere Städte und Gemeinden dabei zu unterstützen, den öffentlichen Nahverkehr attraktiv zu machen und in sichere Fahrradwege zu investieren. Das Umweltbundesamt hat ermittelt, dass in Ballungszentren fast jede dritte Pkw-Fahrt auf das Fahrrad verlagert werden könnte, wenn wir gute Fahrradwege hätten. Eine aktuelle Greenpeace-Studie zeigt aber: Das Radfahren in deutschen Städten ist stressig, unbequem und gefährlich, weil Radwege fehlen und Autos in die Quere kommen. Das ist kein Wunder: Verkehrsminister Scheuer gibt nur ein halbes Prozent seines 29-Milliarden-Euro-Etats für den Radverkehr aus. In anderen europäischen Ländern wird schon lange deutlich mehr in gute und sichere Radwege investiert. Dort fahren dann eben auch deutlich mehr Menschen mit dem Rad. Auch bei uns muss endlich deutlich mehr passieren. Es ist höchste Zeit für eine soziale und klimafreundliche Verkehrswende. Die Linke wird sich weiter dafür starkmachen. In den letzten Tagen macht die Deutsche Bahn mit Alarmmeldungen auf sich aufmerksam – wieder einmal. Ihr fehlen Finanzmittel, um den Verkehr auf der Schiene zu maximieren, wie es der Koalitionsvertrag vorsieht. Die Bahn hat große Probleme mit extremem Sanierungsstau, zum Beispiel mit 1 000 abrissreifen Brücken, die ersetzt werden müssen, oder mit defekten Stellwerken, die über 100 Jahre alt sind und noch aus dem Kaiserreich stammen. Die Verspätungen und Zugausfälle, die daraus resultieren, nerven alle Bahnfahrer. Die „Süddeutsche Zeitung“ kritisiert heute völlig zu Recht: „Die Deutsche Bahn wurde kaputtgespart“. Hier zeigen sich ein Vollversagen der Bahnpolitik der letzten 25 Jahre und schwere Fehler des Konzernvorstands. Die Linke hat immer gesagt: Wir brauchen eine moderne Bürgerbahn, die preiswert und attraktiv ist, damit alle, die nicht auf ein Auto angewiesen sein wollen, die Bahn nehmen können. Aber Sie wollten die Bahn auf Börsenkurs bringen und haben sie damit kaputtgespart. Dann folgten völlig überteuerte und unnütze Milliardengräber wie zum Beispiel Stuttgart 21. Jetzt drohen bei der Bahn – so warnt der Bahn-Vorstand – Teilverkäufe, Privatisierungen und harte Einschnitte bei den Beschäftigten. Die Linke sagt ganz klar: Nicht mit uns! Hören Sie endlich auf, die Bahn auf Verschleiß zu fahren! Nun zur Lkw-Maut. Der Schwerlastverkehr ist hauptverantwortlich dafür, dass die Straßen extrem schnell abgenutzt werden. Deswegen ist natürlich richtig, dass eine Lkw-Maut kassiert wird, um die hohen Kosten bei den kaputten Straßen und Brücken zu refinanzieren. Aber alle anderen Parteien haben es so gewollt, dass die Maut nicht von der öffentlichen Hand kassiert wird, sondern vom privaten Betreiber Toll Collect. Auf diese Weise haben die Eigentümer Daimler und Telekom in den letzten Jahren Milliarden aus der Lkw-Maut eingenommen. Und jetzt erleben wir einen echten Wirtschaftskrimi: Toll Collect hat jahrelang versucht, die öffentliche Hand mit falschen Abrechnungen zu betrügen. Diese Frechheit ist am Ende belohnt worden, weil Verkehrsminister Scheuer zugelassen hat, dass nach einem jahrelangen Rechtsstreit alle Forderungen – die vom Bund und die von Toll Collect – miteinander verrechnet worden sind, auch die illegalen Forderungen. Das war ein schlechter Deal, der die Steuerzahler Hunderte Millionen Euro gekostet hat. – Da müssen Sie nur mal die Presseberichte verfolgen, lieber Kollege. Es ist nachgewiesen, es steht schwarz auf weiß, es ist vom Ministerium hier auch gesagt worden. Natürlich sind die Forderungen miteinander verrechnet worden. Für uns als Linke ist völlig klar – es gibt nur eine ganz klare Konsequenz –: Das Lkw-Mautsystem muss dauerhaft von der öffentlichen Hand betrieben werden. Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben hat sich einmal mehr als teure Scheinlösung erwiesen. Vielen Dank. Als Nächstes für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Kollege Stephan Kühn.
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Stephan Brandner AfD
Stephan
Brandner
AfD
Guten Morgen, Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Ampelfraktionen wollen die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestags ändern. Da schwante uns zunächst mal nichts Gutes; denn es zeichnet sich ab, dass die hellbraune Koalition sukzessive die parlamentarischen Rechte der Opposition beschneidet, was inzwischen auch CDU und CSU zu spüren bekommen. Und wahlweise wenden die Akteure der Altparteien ihre eigenen Vorschriften gar nicht an und machen das Gegenteil von dem, was sie selbst beschlossen haben, Stichworte: penetrante Verweigerung der der AfD zustehenden Posten für den Bundestagsvizepräsidenten und die Ausschussvorsitzenden. So weit, so gut. Was wollen Sie nun hier? Zunächst einmal wollen es sich die Ampelmännchen und Ampelweibchen etwas gemütlicher machen. Die Möglichkeit, Ausschusssitzungen vom heimischen Sofa aus zu verfolgen wie zu tiefsten Pandemiezeiten, soll nun Standard werden. Als Grund dafür wird beispielsweise – ich zitiere – „die Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit einer physischen Teilnahme … wegen bundesweiter Betriebsstörung der Verkehrsmittel“ genannt. Mit anderen Worten: Weil Sie jahrzehntelang unsere Infrastruktur ruiniert und das dafür erforderliche Geld in alle Welt verschleudert haben, bleiben die Abgeordneten nun einfach etwas öfter zu Hause, oder auch weil die von Ihnen jahrelang gepäppelten Klimaidioten ihre kriminellen Aktionen von den Straßen auf die Bahn und Flughäfen ausdehnen wollen. Das ist klassischer vorauseilender Gehorsam gegenüber einer kranken Ideologie, die Sie selber zu verantworten haben. Mit uns passiert so was nicht. Und ein Affront gegen alle Bürger draußen ist es zusätzlich. Denn die Bürger draußen können nicht sagen: Wegen der maroden Straßen, der heruntergewirtschafteten Bahn und den Klimaspinnern bleibe ich zu Hause. – Der Bürger draußen soll die versalzene Suppe, die Sie ihm eingebrockt haben, auslöffeln. Das ist Ihre Art der Politik. Unsere ist das nicht. Und überhaupt: Statt sich Gedanken über virtuelle Ausschüsse zu machen, sollten Sie erst einmal in den Ausschüssen das Grundsätzliche regeln und zurückkehren zu unserer Geschäftsordnung, zum Rechtsstaat, indem sie die von der AfD benannten Ausschussvorsitzenden und stellvertretenden Ausschussvorsitzenden akzeptieren und nicht weiter rechtswidrig blockieren. Das wäre ein richtiger und wichtiger Schritt zur Stärkung der Demokratie. Aber daran haben Sie kein Interesse. Außerdem wollen Sie nun in die Geschäftsordnung schreiben, dass Bundesbedienstete in Ausschusssitzungen nicht mehr als Sachverständige gehört werden dürfen, was wohl Ihre Reaktion darauf ist, dass sich der Bundesrechnungshof in letzter Zeit zunehmend kritisch zur hellbraunen Politik äußert. Da wäre es nur konsequent, reinzuschreiben, dass Sie eine rot-grün-bunte Lobbyliste vorgeben, und daraus müssen wir uns dann etwas aussuchen. Das ist wahrscheinlich der nächste Schritt, den Sie in der Geschäftsordnung vorhaben. Weitere Änderungen betreffen die Dauer der Fragestunden, die halbiert wird, dafür soll die Zeit für die Ministerbefragung verdoppelt werden. Da haben wir uns gefragt: Woran liegt das wohl? Ich gehe davon aus, dass Sie selber die blamablen Auftritte Ihrer Parlamentarischen Staatssekretäre, die nur Skripte vorlesen, nicht mehr ertragen können und deshalb ein bisschen davon ablenken wollen. Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Abgeordneter. Ich komme zum Ende. – Ich freue mich auf die Ausschussberatungen, in denen wir noch vieles zu besprechen haben. Vielen Dank. Stephan Thomae, Jan Korte und Macit Karaahmetoğlu geben ihre Reden zu Protokoll.1 Anlage 13 Das Wort erhält Daniela Ludwig für die CDU/CSU-Fraktion.
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Markus Tressel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Markus
Tressel
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition! Sie haben mit Ihrem Antrag gezeigt, dass wir kein Erkenntnisproblem haben. Sie haben nämlich das aufgeschrieben, was in den ländlichen Räumen tatsächlich nottut. Wir haben vielmehr ein echtes Umsetzungsdefizit in den letzten Jahren. Das haben Sie zu verantworten. Da ist wertvolle Zeit vergeudet worden. Hätten Sie das 2013, als Sie das schon mal in einen Koalitionsvertrag reingeschrieben haben, tatkräftig umgesetzt, dann wären wir heute deutlich weiter. Sie haben damals reingeschrieben, Sie wollen die GAK weiterentwickeln zur Gemeinschaftsaufgabe „Ländliche Entwicklung“. Das haben Sie aber nicht gemacht, Sie haben allenfalls Kosmetik betrieben. Deshalb fehlt es jetzt nach wie vor an einem geeigneten Instrument. Mit runden Tischen, Prüfaufträgen und Modellprojekten, wie Sie das hier in Ihrem Antrag formulieren, entfacht man vielleicht Strohfeuer – damit kennen Sie sich aus, Frau Ministerin –, aber damit erzielt man keine nachhaltige Entwicklung in den ländlichen Räumen. Und ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Digitalisierung ist für die Zukunft der ländlichen Räume eines der zentralen Themen. Auch und gerade die Landwirtschaft ist auf eine ordentliche Breitbandversorgung angewiesen. Landwirtschaft geht hier Hand in Hand mit anderen wirtschaftlichen und privaten Akteuren auch außerhalb der Landwirtschaft, die mindestens die gleiche Aufmerksamkeit verdient haben. Industrie und Mittelstand, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen auch in ländlichen Räumen wettbewerbsfähig bleiben. Neue Arbeits- und Versorgungsmodelle, beispielsweise Coworking und Telemedizin, müssen dort funktionieren. In Ihrem Antrag: weitgehend Fehlanzeige dazu! Dazu brauchen wir eine ordentliche, flächendeckende Breitbandversorgung für alle, die in den ländlichen Räumen leben und arbeiten. Das ist eine Frage der Überlebensfähigkeit. Dazu hätte ich mir in Ihrem Antrag mehr gewünscht. Sie haben ihn ja mit dem Titel „Gutes Leben und Arbeiten auf dem Land gewährleisten“ überschrieben. Nur: Vom „guten Arbeiten auf dem Land“ findet man in diesem Antrag außerordentlich wenig. Wir wollen doch nicht, dass in Deutschland die Menschen in Zukunft – wie in Spanien am letzten Sonntag – auf die Straße gehen müssen, um gegen die Entvölkerung auf dem Land zu demonstrieren. Deswegen brauchen wir ein klares Bekenntnis zur Zukunftsfähigkeit der Regionen, in denen diese Menschen leben. Was wir aber nicht brauchen, ist eine Rückbaudebatte, wie sie ja kürzlich eine Studie aus Halle anzetteln wollte. Denn was der gesellschaftliche Zusammenhalt in unserem Land nicht verkraften würde, ist eine verstärkte Landflucht. Deswegen müssen wir Dörfer und Kleinstädte attraktiver für Jung und Alt machen, und dazu müssen wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch an das gegenwärtige Fördersystem ran. Das müssen wir überdenken. Wir brauchen eine gezielte Förderung für strukturschwache Regionen, die über eine reine Wirtschaftsförderung hinausgeht. Das haben die Ministerpräsidenten der ostdeutschen Bundesländer erkannt. Sie haben sich gestern für ein gesamtdeutsches Förderinstrument für strukturschwache Regionen ausgesprochen. Sie sind da schon weiter als die Große Koalition in diesem Haus. Deswegen sagen wir ganz klar: Wir brauchen eine dritte Gemeinschaftsaufgabe „Regionale Daseinsvorsorge“ – das könnte hilfreich sein –; denn wir haben gesehen, dass die bestehenden Gemeinschaftsaufgaben an dieser Stelle die Problemlagen nicht abdecken. Auch dazu ist in Ihrem Antrag Fehlanzeige. Wir brauchen für die ländlichen und strukturschwachen Räume in Deutschland eine Ermöglichungspolitik, die die endogenen Potenziale dieser strukturschwachen ländlichen Räume unterstützt. Denn Zukunft wird tatsächlich von den Menschen vor Ort gestaltet, und Bund und Länder müssen die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen. Da gibt es Handlungsbedarf deutlich über Ihren Antrag hinaus, mit dem Sie ja nur das fortschreiben, was Sie in den vergangenen fünf Jahren nicht gemacht haben. Dieser Antrag geht uns nicht weit genug, das haben wir auch in den Ausschussberatungen deutlich gesagt. Es wäre aber vor allem wichtig, dass Sie endlich mit konkreten Maßnahmen anfangen, dass Sie nicht nur aufschreiben, sondern endlich auch das tun, was Sie in Ihren Anträgen niederschreiben, liebe Kolleginnen und Kollegen. Da haben Sie jetzt sechs Jahre vergeudet. Ich bin gespannt, was jetzt am Ende rauskommen wird, wenn wir diesen Antrag hier verabschieden. Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion der CDU/CSU der Kollege Karl Holmeier.
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Dr.
Dr. Dietmar Bartsch DIE LINKE
Dietmar
Bartsch
DIE LINKE
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Bilder aus Butscha sind unerträglich: tote Männer, Frauen, Kinder, kaltblütig ermordet, auf offener Straße, auf dem Fahrrad, unschuldige Bürgerinnen und Bürger, auf der Straße liegen gelassen, in Massengräbern verscharrt. Was in Butscha getan wurde, ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Es sind Kriegsverbrechen. Die Verantwortlichen für diese Barbarei gehören schonungslos ermittelt; sie müssen vor einem Gericht für ihr Foltern und für ihr Morden zur Verantwortung gezogen werden, und dafür müssen wir alles tun. Die politische Verantwortung für die Toten von Butscha trägt Wladimir Putin. Ich wiederhole heute hier: Russlands Präsident ist ein Kriegsverbrecher. Seine Entscheidung, am 24. Februar die Ukraine zu überfallen, hat den Grundstein für die Verbrechen gelegt, die seit diesem Tag die Ukraine heimsuchen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Butscha bestürzt uns auch deshalb, weil sich das Grauen abbildet, weil uns Fotos und Videos erreichen, weil Augenzeugen schildern, welche Gräuel begangen wurden. Ich will uns alle mal ermahnen, eine Sekunde an die vielen Geflüchteten zu denken, die diese Bilder auch sehen und die vielfach jetzt schon traumatisiert sind. Ich glaube, das sollten wir bei unseren Argumenten auch mit beachten. Machen wir uns nichts vor: Butscha ist nicht der Ort von Kriegsverbrechen; Butscha ist ein Ort von Kriegsverbrechen. Weitere Bilder des Horrors werden uns erreichen, wenn Journalistinnen und Journalisten in andere Orte und Städte der Ukraine vordringen. Wer die wenigen Bilder sieht, die uns zum Beispiel aus Mariupol erreichen, ahnt, welche Dramatik wir noch zu erwarten haben. Um das hier zu sagen: Die Verantwortung für den Krieg und die Verbrechen trägt Russland, niemand in Deutschland. Deswegen will ich das klar sagen: Dass Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier, die ich ansonsten viel zu kritisieren hatte, von einigen zu Helfershelfern des russischen Präsidenten erklärt werden, ist zutiefst unanständig und auch beschämend, meine Damen und Herren. Es geht hier nicht um Schlagzeilen. Wer nämlich versucht, den Krieg in der Ukraine parteipolitisch zu instrumentalisieren, der leistet keinen Beitrag, den Krieg zu beenden, sondern er spielt der russischen Propaganda eines gespaltenen Westens in die Karten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Verbrechen dieses Krieges werden enden, wenn dieser verbrecherische Krieg endet; denn Kriegsverbrechen sind Kriegen immanent, und zwar allen Kriegen. Mein Eindruck ist, dass einige hier davon ausgehen, dass der Krieg in wenigen Wochen beendet sein kann, dass es die eine exportierte Waffe gibt oder die eine Sanktion, die Putin zur Kapitulation zwingt. Ich halte das, offen gestanden, für wenig wahrscheinlich. Dieser Krieg kann noch lange andauern, und da hilft es auch nicht, jeden Tag, lieber Kollege Wadephul, mit der Rüstungsindustrie Kontakt zu haben. Das ist etwas entlarvend, das hier so zu sagen. Wir befinden uns in einem moralischen Dilemma, ganz gleich, ob wir durch Energieimporte den Krieg nun direkt oder indirekt finanzieren. Aber erklären Sie mir doch bitte einen Sachverhalt, der vorhin schon in der Regierungsbefragung eine Rolle spielte, sehr geehrter Herr Bundeskanzler: Warum schafft es Belgien, Vermögenswerte russischer Oligarchen in Höhe von 10 Milliarden Euro einzufrieren? Warum schafft es Frankreich, 850 Millionen einzufrieren? Italien hat mehrere Hundert Millionen Euro beschlagnahmt. Und Deutschland liegt bei 95 Millionen Euro? Das ist doch unfassbar. Warum funktioniert das denn nicht? Warum versagt Deutschland bei der Durchsetzung der Sanktionen gegen russische Oligarchen? Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach Recherche des ARD-Magazins „Kontraste“ haben russische Investoren allein in Berlin seit 2014 – und wir alle wissen, was 2014 war – Immobilien im Wert von 442 Millionen Euro erworben. Und Sie stehen aktuell bei einem beschlagnahmten Vermögen von 95 Millionen Euro in ganz Deutschland. Das ist wirklich unfassbar. Sie haben am 15. März eine Taskforce gegründet; das ist ja richtig. Zuständig sind die Ministerien von Herrn Habeck und Herrn Lindner. Man hört relativ viel von den beiden Herren, nur dazu überhaupt nichts. Das muss sich ändern. Herr Scholz, machen Sie das zur Chefsache! Die Verantwortung dafür gehört ins Kanzleramt. Dieses Geld muss für den Wiederaufbau der Ukraine eingesetzt werden, meine Damen und Herren. Ja, lassen Sie uns alles tun, damit der Krieg beendet wird! Nur das wird Verbrechen wie die in Butscha auch beenden. Herzlichen Dank. „Einen schönen guten Nachmittag!“ von mir an alle Kolleginnen und Kollegen! – Ich erteile das Wort dem nächsten Redner: Michael Roth, SPD-Fraktion.
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Ulrike Bahr SPD
Ulrike
Bahr
SPD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Es ist gut, dass wir hier und heute eine Debatte darüber führen, wie Kinder und Jugendliche durch die Pandemiemaßnahmen belastet werden und welche Unterstützung sie jetzt brauchen. Das ist lange Zeit viel zu kurz gekommen und wurde immer wieder von Familien gefordert. Ja, es stimmt: Die Bewältigung der Pandemie verlangt den Jüngsten viel ab. Auch heute, nach einem Jahr Pandemie, haben wir immer noch keine klaren Konzepte, wie wir mit Corona Schulen offen halten und Jugendarbeit verlässlich ermöglichen können. Das ist kein Ruhmesblatt und schwer vermittelbar. Zur Wahrheit gehört auch, dass wir inzwischen Studien haben, die sich detailliert mit den Belastungen von Kindern und Jugendlichen auseinandersetzen. Wichtig scheint mir dabei, auch die ermutigenden Erkenntnisse daraus zu transportieren. Denn sowohl die COPSY-Studie als auch weitere Experten wie zum Beispiel der Intensivpädagoge Professor Menno Baumann halten fest: Die Pandemie erzeugt zwar beträchtliche psychische Belastungen; Störungen oder Krankheiten entwickeln sich aber nur dort, wo die Disposition dazu schon vorhanden ist. Kontaktbeschränkungen oder fehlende Sportangebote machen gesunde Kinder traurig, aber nicht seelisch krank. Sehr vieles können wir mit Bordmitteln abfangen, mit regelmäßigen, gerne digitalen oder auch telefonischen Kontaktangeboten der Schulen und Kitas und mit einem strukturierten Alltag zu Hause. Das muss dann aber funktionieren. Ich sage das nicht, um Probleme zu bagatellisieren. Kinder und Jugendliche, die schon vorher psychische Probleme hatten, die aus einem sozial schwierigen Umfeld kommen, die zu Hause wenig Struktur und Rückhalt haben, sind sehr gefährdet und brauchen unbedingt Hilfe. Ich möchte nur keine Panik unter Eltern schüren, weil mir zum Teil schon die Sorge gespiegelt wird, die Generation Corona sei verloren. Nein, bislang erweist sie sich in großen Teilen als sehr resilient und vielleicht sogar als besonders kreativ. Statt auf weitere Sondergipfel kommt es mir darauf an, jetzt schnell die Regelsysteme zu stärken. Da sind wir auf einem guten Weg. In den Verhandlungen zum Kinder- und Jugendstärkungsgesetz befinden wir uns auf der Zielgeraden und sind gemeinsam mit unserem Koalitionspartner dabei, einen guten Entwurf noch besser zu machen. Das KJSG mit unseren Ergänzungen greift viele Punkte auf, die Sie in Ihren Anträgen ansprechen: einen hilfeorientierten Kinderschutz mit guter Kommunikation zwischen allen Akteuren, einen Rechtsanspruch auf bedarfsgerechte und niedrigschwellige Hilfen in Notsituationen, wenn Eltern zum Beispiel wegen einer psychischen oder sonstigen Erkrankung ihre Kinder zeitweise nicht selbst betreuen können, sehr stark erweiterte Beteiligungs- und Beschwerderechte, damit Kinder und Jugendliche selbst eine Stimme haben und gehört werden, eine Stärkung von Selbstvertretungsorganisationen, die auch im Rahmen der Jugendhilfeplanung einbezogen und gehört werden müssen, die Verankerung von Schulsozialarbeit im SGB VIII oder eine gesetzliche Vorgabe für eine zeitgemäße digitale Ausstattung von Jugendämtern. Diese Verbesserungen brauchen wir nicht nur zu Zeiten der Pandemie oder zur Aufarbeitung ihrer Folgen, sondern auch darüber hinaus. Das braucht aber auch finanzielle Mittel. Ich plädiere sehr dafür, dass in unserem föderalen System jetzt auch jede Ebene ihre Verantwortung annimmt und wahrnimmt, anstatt immer mit dem Finger aufeinander zu zeigen. Dafür hat nämlich niemand Verständnis, und am allerwenigsten die Kinder und Jugendlichen, die jetzt Unterstützung brauchen. Vielen Dank. Für die Fraktion Die Linke hat nun der Kollege Norbert Müller das Wort.
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Torbjörn Kartes CDU/CSU
Torbjörn
Kartes
CDU/CSU
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf den Tribünen! Der Minijob in Deutschland hat schon eine sehr lange Geschichte. Bereits in der Reichsversicherungsordnung 1911 wurde festgelegt, dass vorübergehende Dienstleistungen versicherungsfrei bleiben. 1977 wurde zum ersten Mal überhaupt der Begriff der geringfügigen Beschäftigung eingeführt. 2003, übrigens unter Rot-Grün, wurde die Geringfügigkeitsgrenze auf maximal 400 Euro festgesetzt und der allzeit bekannte 400‑Euro-Job entstand. Dieser Betrag wurde dann 2013 auf die heute noch gültigen 450 Euro erhöht. Jetzt möchte ich heute keine rechtshistorische Vorlesung halten, sondern vielmehr auf folgende Punkte hinweisen. Der Minijob in unserem Land hat sich bewährt. Er ist ein gutes Instrument auf unserem insgesamt sehr guten Arbeitsmarkt, insbesondere in den letzten Jahren. Er wird von vielen Menschen in unserem Land gewollt und auch genutzt. Das gilt für den Schüler, für den Rentner, die Studentin, die sich etwas hinzuverdienen möchten. Hunderttausende Menschen wie sie haben darum dieses Modell gewählt und sind damit im Übrigen auch sehr zufrieden. Da bin ich voll und ganz bei Ihnen. Klar ist aber auch, dass viele andere einen Minijob zusätzlich ausüben, weil sie es müssen, weil ihr reguläres Einkommen nicht ausreicht, weil sie gar kein anderes Einkommen haben, weil die Rente nicht ausreicht. Ich bin dennoch der Meinung, dass wir den Minijob insgesamt nicht verteufeln sollten, sondern dass er für beide Fallgruppen ein gutes Instrument ist, am Ende des Tages mehr Geld in der Geldbörse zu haben. Aus unserer Sicht ist für die zukünftige Entwicklung wichtig, dass der Minijob nicht attraktiver sein darf als ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis. Um es noch deutlicher zu sagen: Unser gemeinsames Ziel ist und bleibt, dass möglichst viele Menschen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen, für die Rente ansparen, auf eigenen Füßen stehen, im Erwerbsleben Halt finden, ihren Kindern ein Vorbild sind. Das beste Mittel gegen Armut ist, die Menschen in Arbeit zu bringen, und zwar in sozialversicherungspflichtige Arbeit. Dafür muss die Politik die Rahmenbedingungen schaffen, und das haben wir in den letzten Jahren äußerst erfolgreich getan. Um das noch mal ganz deutlich zu betonen: Unsere Arbeitslosigkeit ist historisch niedrig. 45 Millionen Menschen waren im August erwerbstätig. Das sind sogar noch einmal über eine halbe Million mehr als im letzten Jahr. Das sind im Übrigen alles sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse. Wir wissen auch, dass immer noch viel zu viele Menschen auf staatliche Unterstützung angewiesen sind. Ich habe das bereits erwähnt. Deswegen haben wir heute Morgen auch einen anderen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, der die sogenannten Midijobs attraktiver machen möchte. Über den Begriff kann man streiten, aber in der Sache sind es gerade diese Jobs, die den Weg hin zu sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung erleichtern sollen. Um es noch einmal ganz kurz zu erläutern: Bisher war es so, dass derjenige, der zwischen 450 und 850 Euro verdient, weniger Abgaben zahlt. Wir wollen diese sogenannte Gleitzone, in der man weniger Abgaben zahlt, je weniger man verdient, deutlich ausweiten und auf insgesamt 1 300 Euro erhöhen. Das Besondere hierbei ist, dass die Midijobber in dieser Gleitzone zwar weniger Abgaben zahlen, aber dennoch volle Rentenansprüche erwerben. Das geschieht durch eine Umlagefinanzierung in der Rentenkasse. Das ist aus unserer Sicht ein richtiger Schritt für eine bessere Rente. Liebe Kollegen von der FDP, das unterscheidet uns im Übrigen auch von Ihrem Antrag; denn diese Regelung, die Aufstockung der Rentenbeiträge, sehen Sie in Ihrem Antrag gerade nicht vor. Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung vom Kollegen der AfD? Ja. Herzlichen Dank, Herr Kollege Kartes, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Ich bin irritiert über die Bemerkung, die Sie gerade gemacht haben, dass diese 45 Millionen Beschäftigten 45 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte seien. Es ist doch statistisch jedermann bekannt, dass 12 Millionen von diesen 45 Millionen nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind. Dieser, mit Verlaub, saloppe Umgang mit diesen sehr einfachen Fakten irritiert mich. Können Sie diese Irritation teilen? Nein, da haben Sie mich falsch verstanden. Ich habe gesagt, dass 45 Millionen Menschen erwerbstätig waren und dass das über 500 000 Menschen mehr sind als im Vorjahr und dass die Jobs aus dieser Mehrung alles sozialversicherungspflichtige Jobs gewesen sind. – Das war klar. Das habe ich gesagt. Wenn Sie es nicht verstanden haben, dann wiederhole ich es ganz gerne noch mal. Ich möchte jetzt ganz kurz zum Vorschlag der FDP hinsichtlich der Anpassung des Rahmens kommen. Sie wollen hier den Rahmen eines Minijobs auf das 60‑Fache des gesetzlichen Mindestlohns festlegen. Was würde das bedeuten? Sie haben es in Zahlen gesagt: Wir wären heute schon bei 530 Euro im Monat, demnächst bei 550 Euro und 2020 bei 561 Euro. Dazu, um zum Schluss zu kommen, kann ich nur sagen: Das überzeugt uns, ehrlich gesagt, nicht. Das ist vor allen Dingen auch nicht im Sinne des Erfinders des Minijobs. Minijobs sollen ein Hinzuverdienst sein und nicht im Mittelpunkt einer Erwerbsbiografie stehen. Mit dem Vorschlag der FDP betreiben wir aber die Privilegierung der geringfügigen Beschäftigung deutlich zu stark und verringern damit die Anreize, reguläre Arbeit aufzunehmen. Das wollen wir gerade nicht. Wir glauben vielmehr, dass wir mit der Stärkung der Midijobs auf dem richtigeren Weg sind, gerade für diejenigen, die unsere Unterstützung brauchen. Deswegen lehnen wir Ihren Vorschlag ab und werden unser Vorhaben weiterverfolgen. Vielen Dank. Vielen Dank, Kollege Kartes. – Nächster Redner: Uwe Witt für die AfD-Fraktion.
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Steffen Kotré AfD
Steffen
Kotré
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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir hatten schon im letzten Jahr auf das Problem des Know-how-Abflusses aufmerksam gemacht. Damals hat die Bundesregierung noch gar nicht daran gedacht, den vorgeschlagenen Weg einzuschlagen. Nun macht sie es. Das finden wir schon einmal sehr gut. Aber es geht natürlich nicht weit genug. Wir reden hier nicht nur von kritischer Infrastruktur. Vielmehr müssen wir auch über ausgewählte Unternehmen der Schlüsseltechnologien reden. Auch hier droht ein Know-how-Abfluss. Das müssen wir ebenfalls unterbinden. Das heißt, wir müssen darüber nachdenken, ob es notwendig ist, hier nachzulegen. Das ist das eine. Das andere ist: Wenn die Schwellen gesenkt werden, dann bitte mit Leben erfüllen, klare Kante zeigen, die Unternehmen entsprechend schützen und auch handeln! Das heißt, dieser Schutz muss durchgesetzt werden. Drohender Know-how-Abfluss bedeutet nach unserem Verständnis auch Marktversagen. Das muss verhindert werden. Das dürfen wir auch verhindern. Wir dürfen nicht so lange warten, bis wir in anderen Ländern die gleiche Gesetzmäßigkeit vorfinden und deutsche Unternehmen im Ausland gleichberechtigt behandelt werden. Die Zeit haben wir nicht. Das wird nicht funktionieren. Wir haben auch nicht die Zeit, so lange zu warten, bis sich die EU darum kümmert und sich vielleicht in zwei Jahren dieses Problems gnädigerweise annimmt. Nein, wir haben jetzt das Risiko des Know-how-Abflusses. Dieses Risiko auszuschalten, darum geht es hier. Es wurde argumentiert, dass wir hier noch keine großen schädigenden Wirkungen zu verzeichnen hatten. Nein, es geht darum, schon das Risiko auszuschalten, damit wir hier weniger erpressbar sind. Es verstößt auch nicht, wie der eine oder andere vermutet, gegen das Grundgesetz, ausgewählte Unternehmen der Schlüsseltechnologien zu schützen. Das Grundgesetz ist dafür da, Schaden vom deutschen Volk bzw. vom Volksvermögen abzuwenden. Es ist völlig legitim, dass wir die Technologien, das Wissen und das Know-how, das wir in unserem Land erarbeitet haben, auch in unserem Land behalten; denn das sind unsere Bodenschätze. Nun zum Thema Medien. Es ist schon grotesk, zu lesen, dass die Bundesregierung große deutsche Medienunternehmen vor ausländischem Einfluss schützen möchte. Denn was passiert in diesem Land? Die Medien liegen am Boden. Es gibt Falschnachrichten, eine nach der anderen. Ich befürchte, dass das Niveau unserer großen Medienhäuser so sehr am Boden ist, als dass Ausländer das noch toppen könnten. Ich wünsche mir manchmal, dass sich hier Ausländer bei uns einkaufen, damit die Berichterstattung vielleicht wieder objektiv wird. Ich erinnere an selbsterfundene Hetzjagden in Chemnitz, die nie stattgefunden haben, an die Verharmlosung von Ausländerkriminalität – das geschieht systematisch in unseren Medien –, an Merkels kriminelle Grenzöffnung, die nicht so thematisiert wird, wie es sein müsste, oder an die Masseneinwanderungen in die Sozialsysteme. Eine Auseinandersetzung damit findet großflächig nicht statt. Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss. Da wünsche ich mir fast sogar, dass ausländische Unternehmen ins Land kommen – Herr Kotré, bitte kommen Sie zum Schluss! – und hier vielleicht ohne Ideologie berichten. Vielen Dank. Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Kollege Markus Töns, SPD-Fraktion, hat seine Rede zu Protokoll gegeben.1  Anlage 15 Wir beginnen den neuen Tag mit den Worten des Kollegen Michael Theurer, FDP-Fraktion.
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Rainer Semet FDP
Rainer
Semet
FDP
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir befassen uns heute mit einem Antrag der Unionsfraktion vom 26. Januar, einem Antrag, der vor Beginn des russischen Angriffskrieges verfasst wurde und heute sicher anders lauten würde. Als FDP-Fraktion sind wir von der Bedeutung der G 7 für die internationale Gemeinschaft überzeugt. Deutschland hat dieses Jahr mit dem Vorsitz eine hervorgehobene Rolle, und selbstverständlich nimmt die Bundesregierung diese Rolle an und wird sie auch ausfüllen. Wir stehen hinter den gemeinsamen G‑7-Positionen von Carbis Bay aus dem letzten Jahr. Vor allem die Bekämpfung der Klimakrise und der Pandemie bestimmt das Papier des letzten Gipfels. Beide sind unverändert große Herausforderungen, die trotz des grausamen Krieges gegen die Ukraine nicht in Vergessenheit geraten sind. Sie können und dürfen auch nicht in Vergessenheit geraten; denn nie war offensichtlicher, wie untrennbar der Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen, unsere Gesundheit, Frieden und Sicherheit in der Welt sowie nachhaltige, bezahlbare und unabhängige Energieversorgung miteinander verwoben sind und wie notwendig es ist, all diese Aufgaben gleichzeitig zu meistern. Richtig ist: Deutschland trägt in Europa und in der Welt Verantwortung, und die Erwartungen an uns werden immer größer. Mir fallen Stichworte ein wie „Sondervermögen Bundeswehr“ oder die Anstrengungen, durch eine schnelle Energiewende endlich unabhängig von russischen Öl- und Gaslieferungen zu werden. Es ist höchste Zeit! Die gemeinsame Erklärung der G 7 mit Australien, Indien, Südkorea und Südafrika zur Rolle offener und freier Gesellschaften vom letzten Gipfel war ein wichtiges Zeichen. Gemeinsame Erklärungen sind das eine. Aber nur neun Monate nach Carbis Bay hat die UN-Generalversammlung über die Verurteilung des russischen Angriffs abgestimmt; Indien und Südafrika haben sich der Stimme enthalten. Die Zeit der Neutralität, des Abwartens und des Taktierens ist jetzt vorbei. Wer gemeinsam mit den sieben führenden Industrienationen für offene Gesellschaften kämpfen will, kann sich nicht gleichzeitig neutral gegenüber Russland verhalten. Im Systemwettbewerb heißt es jetzt: Farbe bekennen. Wir müssen unsere Russlandpolitik völlig neu bewerten, und es muss Schluss sein mit der Naivität. Ihr Antrag enthält viele richtige Punkte, die aber wort- oder sinngleich im Schwerpunktpapier der deutschen G‑7-Präsidentschaft enthalten sind. Und Sie wissen, dass das Papier nur einen groben Ausblick auf das gibt, was im Juni auf Schloss Elmau beschlossen werden wird. Schon jetzt ist klar, dass Frieden und Sicherheit darin einen noch größeren Stellenwert bekommen werden als bisher. Sie fordern mehr Multilateralismus. Wir stoßen eine Reform des UN-Sicherheitsrats an, stärken die Vereinten Nationen, den Europarat, die OSZE und weitere Organisationen, gerade in Schwellen- und Entwicklungsländern. Sie fordern Maßnahmen zur Bewältigung der Pandemie und ihrer Folgen. Wir bekämpfen diese und kommende Pandemien, unterstützen Entwicklungsländer dabei und stärken die WHO. Sie fordern ein Bekenntnis zum freien Handel. Sie hatten genügend Zeit, CETA und Mercosur umzusetzen. Wir werden das jetzt angehen. Die FDP war schon immer Partner des Freihandels. Sie fordern einen internationalen Klimaklub. Wir haben ihn im genauen Wortlaut im Papier stehen. Sie fordern so viele Sachen; – Herr Semet, kommen Sie bitte zum Schluss. – wirtschaftliches Wachstum haben Sie leider vergessen. Aber dafür gibt es ja uns, die Freien Demokraten. Selbstverständlich werden wir die Präsidentschaft nutzen, um Antworten zu geben und globale Fortschrittsprojekte voranzutreiben. Herr Semet, Ihre Redezeit! Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Der nächste Redner in der Debatte: Jürgen Hardt, CDU/CSU-Fraktion.
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Johannes Vogel FDP
Johannes
Vogel
FDP
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der weit über die Frage Altersarmut hinausgehende Antrag der Linken wird gleich von meinem großartigen Kollegen Matthias Nölke in seiner Jungfernrede ausreichend gewürdigt werden. Deshalb will ich mich auf das Thema Altersarmut konzentrieren und hier mehr über den Elefanten im Raum reden, nämlich über das sogenannte Grundrentenmodell der Großen Koalition. Peter Weiß hat es wahrscheinlich bewusst nur gestreift; Ralf Kapschack ist intensiver darauf eingegangen. Wir hatten diese Woche ja eine Anhörung zu Ihrem Vorschlag. Ich finde, die muss man in dieser Woche auch im Plenum ein Stück weit würdigen. Seit über einem Jahr verrennt sich die Koalition in der Sackgasse eines schlechten Modells für eine eigentlich sehr wichtige Frage. Und leider muss man sagen: Genau diesen Eindruck hat die Anhörung voll unterstrichen. Bevor wir einen Blick darauf werfen, was da so gesagt wurde, will ich kurz zitieren, was der Bundesarbeitsminister in seinem allerersten Interview auf die allererste Frage in der „Bild am Sonntag“ zur Zielsetzung der Grundrente der Koalition geantwortet hat. Ich zitiere: Sehr viele Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, landen … in der Grundsicherung. … Jemand, der Jahrzehnte lang hart gearbeitet hat, hat das Recht, deutlich mehr zu bekommen als jemand, der nicht gearbeitet hat. Das ist völlig richtig, lieber Hubertus Heil. Jetzt hören wir uns mal an, was die Sachverständigen zu diesem Thema mit Blick auf Ihr Grundrentenmodell gesagt haben. Ich zitiere Professor Werding, Rentenexperte der Uni Bochum: Das ist im vorliegenden Gesetzentwurf als Ziel im Grunde gar nicht mehr enthalten. – Ich zitiere Alexander Gunkel, den alternierenden Verwaltungsratsvorsitzenden der Rentenversicherung selbst: Das ist keine zielgenaue Maßnahme gegen Altersarmut, die hier hergestellt wird. – Ich zitiere Georg Cremer, den ehemaligen Generalsekretär der Caritas, liebe Union: Was mich stört, ist einfach, dass beim jetzigen Modell die Armen leer ausgehen. Für all diejenigen, die keine 33 oder 35 Grundrentenjahre haben, bleibt es bei der Komplettanrechnung der Rente bei der Grundsicherung im Alter. Liebe Kolleginnen und Kollegen von Union und SPD, das ist doch kein geeignetes Modell gegen Altersarmut. In Zahlen sieht das wie folgt aus: Drei Viertel der Menschen, die trotz Ansprüchen in der Rentenversicherung auf Grundsicherung angewiesen sind, gehen bei Ihrem Modell der Grundrente komplett leer aus, weil sie nicht ausreichend Versicherungsjahre haben. Drei Viertel, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition! Auf der anderen Seite sind über 90 Prozent der Empfänger Ihrer Grundrente gar nicht auf Grundsicherung im Alter angewiesen. Dieses Grundrentenmodell hilft kaum gegen Altersarmut. Das muss Ihnen doch endlich zu denken geben, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD und von der Union. Gleichzeitig haben Sie zur Gegenfinanzierung bisher nichts außer einem weißen Blatt Papier. Sie schaffen zahlreiche neue Ungerechtigkeiten, und Sie ignorieren die eindringlichen Hilferufe der Deutschen Rentenversicherung. Die haben uns in der Anhörung am Montag noch mal gesagt, dass die Verwaltungskosten bei dieser Grundrente dauerhaft, selbst nach der extrem teuren Einführung, 13 Prozent der Ausgaben für die Grundrente betragen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, um diese 13 Prozent mal einzuordnen: Vertreter der Linken und auch Vertreter der Koalition kritisieren regelmäßig private Rentenversicherungsanbieter für ihre hohen Verwaltungskosten, zum Beispiel bei der Riester-Rente. Laut Verbraucherzentrale haben wir dort effektive Verwaltungskosten von 1,5 bis 1,6 Prozent. – Zu Recht führen Sie dann immer an: Die deutsche Rentenversicherung ist besser; die hat Verwaltungskosten bei allen sonstigen Rentenleistungen von 1,2 Prozent. – Und jetzt wollen Sie allen Ernstes eine neue Rentenleistung mit 13 Prozent Verwaltungskosten einführen? Das Zehnfache? Das kann doch nicht überzeugen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition. Was wir stattdessen brauchen, ist ein Modell, das sicherstellt, dass jede und jeder, die oder der gearbeitet und eingezahlt hat, mehr hat als die Grundsicherung und mehr als diejenigen, die das nicht getan haben. Wir haben Ihnen ein solches Modell vorgelegt: die liberale Basisrente. Die ist fair, zielgenau und finanzierbar und wäre der bessere Weg. Vielen Dank. Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion Die Linke der Kollege Matthias Birkwald.
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Roderich Kiesewetter CDU/CSU
Roderich
Kiesewetter
CDU/CSU
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir erleben heute eine sehr beherzte und auch mutige Debatte. Zum Abschluss dieser Stunde der historischen Ermunterung und des Aufbruchs möchte ich zwei Gedanken in den Mittelpunkt stellen, die uns die nächsten Jahre bewegen sollen. Wenn wir gemeinsam an der Seite Israels die Zukunft gestalten wollen, so müssen wir bei uns im eigenen Lande anfangen, uns sammeln und gemeinsam mit unseren Partnern für die Sicherheit um Israel herum sorgen. Eines hat die heutige Debatte gezeigt: Wir dürfen niemals müde werden, uns für die deutsch-israelische Freundschaft einzusetzen. Wir dürfen niemals müde werden, uns gegen den Antisemitismus einzusetzen, und wir dürfen niemals die deutsch-israelische Freundschaft als selbstverständlich ansehen. Es gibt eine Organisation, die sich seit Jahrzehnten für die deutsch-israelische Aussöhnung einsetzt: die Deutsch-Israelische Gesellschaft. Ihr Präsident, Hellmut Königshaus, ist heute hier. Ich finde es gut, dass er hier ist. Die Gesellschaft, in der viele von uns Mitglied sind, ist aber nicht das Alibi für die deutsch-israelische Aussöhnung. Sie ist der Katalysator. So, wie wir uns gemeinsam für die deutsch-israelische Freundschaft einsetzen, müssen wir bei uns anfangen und Zivilcourage pflegen. Wir müssen junge Schülerinnen und Schüler ermutigen, einzuschreiten, wenn sie auf dem Schulhof Unrecht sehen. Wir müssen Lehrerinnen und Lehrer unterstützen, wenn sie sich alleine gelassen fühlen, sodass sie mutig Mängel benennen und Fehler ansprechen. Wir dürfen nicht in eine Lethargie verfallen und sagen: Das werden schon irgendwelche Medien richten, oder irgendjemand wird es tun. – Wir alle sind gefordert, es nicht hinzunehmen, wenn Antisemitismus um sich greift, wenn Israel zerstört und wenn die deutsch-israelische Freundschaft ausgehöhlt werden soll. Hier gehört es zur Zivilcourage, uns dagegen zu stemmen und nicht müde zu werden, die Dinge beim Namen zu nennen. Zur Zivilcourage gehört es aber auch, mitzuhelfen, dass Israel nicht immer isoliert betrachtet wird, indem wir zeigen, was Israel in der Region leistet: bei der Unterstützung Jordaniens, bei der versuchten Aussöhnung mit Saudi-Arabien, um gemeinsam auf die Palästinenser einzuwirken. Es ist auch Aufgabe der arabischen Staaten, die Palästinenser aus ihrer Geiselhaft zu lösen und mitzuhelfen, dass die Palästinenser sich einigen können. Wir stehen auf der Seite der Zweistaatenlösung. Dazu gehört aber auch, dass die arabischen Staaten die Palästinenser dazu befähigen und sie nicht weiterhin spalten. Dazu gehört aber auch, dass wir, wenn wir – wie im Titel unseres Antrags – von „zukunftsgerichteter Freundschaft“ sprechen, alles tun, um die Sicherheit in der Region zu verbessern. Ich will es anders ausdrücken: Zur Staatsräson Deutschlands gehört es, dass wir die Sicherheitsrisiken für Israel in der Region eindämmen, dass wir unser Engagement einer breiteren Öffentlichkeit verdeutlichen. Wir müssen zeigen, was die Bundesrepublik Deutschland gemeinsam mit Partnern in Jordanien, im Libanon und im Irak leistet, übrigens nicht nur militärisch, aber auch, übrigens nicht nur mit Nichtregierungsorganisationen und starker Entwicklungshilfe, sondern auch in der Zusammenarbeit mit Schulen, in der Zusammenarbeit mit Aussöhnungsprojekten und bei der Wiederherstellung stabiler Regierungsformen, letztlich auch bei der Unterstützung des Genfer Friedensprozesses für Syrien. Ich möchte abschließend einen ganz persönlichen Punkt nennen. Es ist die Frage, wie wir unseren Kindern beibringen, was die deutsch-israelische Verantwortung bedeutet. Ich habe es selbst als Zwölfjähriger erlebt, als wir im Gemeinschaftskundeunterricht die Konzentrationslager auf dem Boden der damaligen Bundesrepublik Deutschland herausfinden sollten. Ich tat mich ungeheuer schwer, zu akzeptieren, dass Dachau vor den Toren der blühenden Stadt München liegt. Für mich war es als Zwölfjähriger nicht nachvollziehbar, dass es das Dachau war, wo Hunderttausende Menschen nicht nur ihre Würde, sondern auch ihr Leben und ihre Zukunft verloren haben. Für mich war das nicht nur das Schlüsselerlebnis, das mich dazu bewegte, nach Dachau zu fahren und später, als junger Leutnant an der Universität der Bundeswehr, mit Überlebenden in Dachau zu diskutieren, sondern es war für mich auch das Schlüsselerlebnis, das mir zeigte, dass das Grauen vor der eigenen Haustür, vor den blühenden Städten, in unserer unmittelbaren Nachbarschaft geschehen ist. Wir müssen alles tun, damit dieses Grauen nicht vergessen wird! Das Erinnern muss die Herzen der Menschen bewegen, und wir müssen mit kluger Ausbildung, mit Betroffenmachen, mit der Art und Weise, wie wir auf junge Menschen zugehen, deutlich machen: Hier ist etwas in unserer Geschichte, was wir anderen Ländern ersparen wollen, was wir unseren Kindern, unseren Enkeln, unserem eigenen Land in Zukunft ersparen wollen, was wir, um eine Wiederholung oder Verharmlosung zu verhindern, niemals vergessen dürfen. Wenn uns das gelingt, dann ist die Freundschaft mit Israel, wie es vorhin sehr klar und schön gesagt wurde, der Ankerpunkt unserer eigenen Existenz. So wie Israel der Anker für Demokratie und Stabilität im Nahen Osten ist, brauchen wir aus unserer eigenen Geschichte heraus einen Ankerpunkt für Zivilcourage, damit wir unseren jungen Menschen Mut machen können, für Minderheiten, für die Freiheit, für das Recht und für die Selbstbestimmung auch unseres Landes einzustehen. Herzlichen Dank. Damit schließe ich die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP auf Drucksache 19/1823 mit dem Titel „70 Jahre Gründung des Staates Israel – In historischer Verantwortung unsere zukunftsgerichtete Freundschaft festigen“. Wer stimmt für diesen Antrag? – Das sind die Fraktionen von CDU/CSU, SPD, AfD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Linke enthält sich. Dann ist der Antrag angenommen. Wir stimmen über den Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke auf Drucksache 19/1850 mit dem Titel „70 Jahre Staat Israel“ ab. Wer stimmt für diesen Antrag? – Das sind die antragstellenden Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke. Wer stimmt dagegen? – CDU/CSU, SPD und FDP. Wer enthält sich? – AfD. Der Antrag ist damit abgelehnt.
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Nicole Westig FDP
Nicole
Westig
FDP
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktion der Grünen hat sich offenbar von der Regierung inspirieren lassen, was wohlklingende Namen angeht. Sie präsentiert hier die „doppelte Pflegegarantie“. Garantie klingt gut. Allerdings wird durch den Inhalt des Antrags nichts garantiert – weder einfach noch doppelt; denn dieses Konzept wird früher oder später an die Grenze der Finanzierbarkeit stoßen. Der demografische Wandel sollte uns davor warnen, Garantien auszusprechen; er war damals der Grund, die Pflegeversicherung eben als Teilleistungsprinzip anzulegen. Nun, nach 25 Jahren, hat er sich immens verschärft. Deshalb sollten wir nicht ausgerechnet ihn zum Anlass nehmen, vom Prinzip der Teilleistung abzuweichen. Ihr Antrag sieht jedoch einen deutlichen Ausbau der Pflegeversicherung vor. Die Diakonie will einen ähnlichen Weg beschreiten, spricht aber ehrlicher über die Kosten. Sie geht davon aus, dass der Pflegebeitragssatz beim Sockel-Spitze-Tausch sofort um über 1,3 Prozentpunkte steigen müsste. Zur Erinnerung, liebe Kolleginnen und Kollegen: Die Sozialbeitragsquote liegt aktuell bereits bei 39,9 Prozent für Kinderlose. Der demografische Wandel und die Kosten für die dringend benötigten Verbesserungen in der Pflege werden den Beitrag künftig noch mehr in die Höhe schnellen lassen. Das ist nicht nachhaltig, und das ist auch nicht solidarisch. Wer übt eigentlich Solidarität mit den nachfolgenden Generationen? Diese werden übermäßig belastet. Spätestens wenn die Babyboomer pflegebedürftig werden, ist Ihr Konzept nicht mehr finanzierbar. Dagegen hilft auch Ihre Pflegebürgerversicherung nicht. Das eigentliche Problem der Pflegeversicherung, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, ignorieren Sie: die fehlende Kapitaldeckung. Allein durch das Umlageverfahren ist die Finanzierung der Pflege nicht nachhaltig zu schaffen. Wir brauchen deshalb mehr private Vorsorge von denen, die es sich leisten können, um diejenigen, die es sich nicht leisten können, zielgenau unterstützen zu können. Ihr Antrag setzt jedoch Fehlanreize. Vermögende sehen dadurch keinen Anlass, über den festgeschriebenen Anteil hinaus vorzusorgen. Sie sind es, die auf Kosten aller Beitragszahler am meisten profitieren. Pflegebedürftige mit geringem Einkommen bekommen bereits jetzt die Kosten über die Hilfe zur Pflege erstattet. Allerdings: Die Sorge um die steigenden Eigenanteile für Pflegebedürftige teilen wir. Hier müssen wir Lösungen finden, und da bin ich bei einigen Ihrer Vorschläge dabei, etwa die medizinische Behandlungspflege für stationär Gepflegte nicht mehr über die Pflegeversicherung, sondern – wie in der ambulanten Pflege auch – über die Krankenversicherung zu finanzieren. Auch über die Dynamisierungsregeln für die SPV kann man diskutieren. Aber eine generelle Deckelung der Eigenanteile ist sozialpolitisch nicht zielgenau und nicht nachhaltig finanzierbar. Der Gesundheitsminister hat es in der Ausschusssitzung neulich genau richtig formuliert. Er sagte: Wir brauchen mehr Kapitaldeckung in der Pflegefinanzierung, und wir müssen deswegen etwa über Reformen des Pflegevorsorgefonds nachdenken. Frau Weiss, richten Sie es dem Minister aus: Sie können sich ganz sicher sein, dass Sie uns bei diesem Vorhaben an Ihrer Seite haben. Wir warten nun gespannt, wann Ihr konkretes Konzept kommt. Und ich warte gespannt auf das Ende Ihrer Rede. Ich bin am Ende. – Wir Freie Demokraten haben in dieser Legislaturperiode bereits mehrere Vorschläge für eine generationengerechte Pflegefinanzierung eingebracht. Von daher freuen wir uns auf die weiteren Beratungen. Vielen Dank, Nicole Westig. – Nächster Redner: für die Fraktion Die Linke Harald Weinberg.
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Gyde Jensen FDP
Gyde
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FDP
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben den Bezug zu Putins Angriffskrieg gegen die freie, souveräne, europäische Ukraine in dieser Haushaltswoche oft gehört, und auch ich werde diesen Bezug herstellen. Denn wenn wir über den Haushalt debattieren, dann reden wir natürlich über unsere politische To-do-Liste für dieses Jahr. Auf dieser To-do-Liste steht für uns als Parlament, unserer Verantwortung gerecht zu werden, alles in unserer Macht Stehende dafür zu tun, um die Ukrainerinnen und Ukrainer zu unterstützen, und zwar die, die gerade mit allem, was sie haben, ihr Land verteidigen, und die, die von Putins Bomben in die Flucht getrieben wurden und weiterhin werden. Diese Bundesregierung hat quer über alle Ressorts genau diese Verantwortung angenommen und hat sie verstanden. Dafür bedanke ich mich ganz herzlich. Gleichzeitig hat die Koalition mit dem Entlastungspaket gestern deutlich gemacht: Wir tragen die Verantwortung, aber wir sehen auch, was Menschen, was Familien in Deutschland an die Belastungsgrenze bringt. Rund 250 000 Ukrainer/-innen sind inzwischen in Deutschland angekommen, vor allem Frauen und viele, viele Kinder. Das erfordert eine ganz besondere Form der Schutzpflicht, die unser Land hat und der sie nachkommen muss. Das muss und das wird sich in der Art der Hilfen widerspiegeln, die wir leisten, und zwar auch in der Unterbringung. Die Ukrainerinnen, die hier ankommen, sie sind schockiert, sie sind verzweifelt, sie sind möglicherweise traumatisiert. Aber: Sie sind nicht gebrochen. Sie sind stolz, und sie haben ihre Heimat nicht aufgegeben, und sie werden sie nicht aufgeben. Unser Job ist es nicht, sie zu bemuttern. Unser Job ist es, ihnen zu ermöglichen, ihren Beitrag zu leisten, den Beitrag, den sie leisten möchten: im Bereich Kindergarten, im Bereich Kinderbetreuung, als Lehrerinnen, als Betreuerinnen in den Schulen. Unser Job ist es, bereitzustehen, wenn sie für sich Unterstützung brauchen, wenn sie für ihre Kinder Unterstützung brauchen. So sehen wir im Übrigen auch Familienpolitik, so sehen wir Frauenpolitik ganz grundsätzlich: Wir befähigen, wir bevormunden nicht. Wir stärken, wir betüdeln nicht. Bei allen Ansätzen ist unser Credo, dass wir Programme, die nicht funktionieren, einer ehrlichen Bestandsaufnahme unterziehen, und Programme, bei denen wir wissen, dass sie funktionieren, noch besser machen und noch besser ausstatten. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, Ihre Regierungszeit ist nur wenige Monate her. Ich kann mich noch sehr gut an meine Oppositionszeit erinnern. Unser Credo war immer, einen Haushaltstitel zu finden, bei dem man kürzen konnte, um einen anderen zu erhöhen; denn der Euro – Otto Fricke sagt es in der Schlussrunde – kann nur einmal ausgegeben werden. Wenn Sie hier in jeder Debatte immer nur mehr, mehr, mehr fordern, wo ist dann Ihr Anspruch an diese ordentliche Haushaltspolitik, die Sie auch immer eingefordert haben? Ich frage mich das ganz ehrlich. Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Koalition wird nicht zulassen – das hat sie sich versprochen –, dass diese Krisen, eine Pandemie oder auch ein abscheulicher Krieg, Lebenschancen zerstören. Kinder und Jugendliche, egal wo sie herkommen, egal wo in Deutschland sie aufwachsen, müssen Lebensträume träumen, müssen Lebensträume verwirklichen können. Ich bin sehr dankbar, dass unsere Bundesfamilienministerin mit unserer Bundesbildungsministerin bei diesem Anliegen an einem Strang zieht. Ich bin sehr froh über die starke Allianz für echte Chancengerechtigkeit und bedanke mich an dieser Stelle dafür. Herzlichen Dank. Es folgt für die SPD-Fraktion der Kollege Felix Döring.
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Lorenz Gösta Beutin DIE LINKE
Lorenz Gösta
Beutin
DIE LINKE
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Demokratie braucht Vertrauen, gerade wenn wir es mit den großen Herausforderungen unserer Zeit zu tun haben. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union und von der SPD, sind leider gerade dabei, massiv Vertrauen zu verspielen. Dass bei Ihnen nach einem halben Jahr Nachdenken darüber, ob es Ihnen möglich ist, den Koalitionsvertrag überhaupt umzusetzen, nur ein vermurkstes Energiesammelgesetz herauskommt, ist bezeichnend für den Zustand der Großen Koalition. Ich will das an drei Punkten konkret deutlich machen. Erstens. Sie alle haben das Bild von stillstehenden Windrädern vor Augen. Die Bundesregierung will, dass wir das in Zukunft noch viel häufiger sehen. Wenn nämlich zu viel Strom im Netz ist – so ist es vorgesehen –, sollen künftig Anlagen der erneuerbaren Energien abgeschaltet werden, wenn das günstiger ist. Wissen Sie, was insgesamt noch viel günstiger wäre? Die Netze freizumachen von dreckigem Kohlestrom, die 20 dreckigsten Kohlekraftwerke abzuschalten. Das würde unserer Gesundheit nützen; das würde dem Geldbeutel der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler nützen; und das würde der Bekämpfung des Klimawandels nützen. Das wäre der richtige Weg. Zweitens. Sie kürzen die Einspeisevergütung beim Solarstrom, und das in einer Situation, in der wir den Ausbau der Photovoltaik eigentlich verdoppeln müssten, wenn wir die Klimaziele für 2030 überhaupt noch erreichen wollen. Dafür müssten wir zunehmend Solaranlagen in die Städte und auf die Mietshäuser bekommen. Sie aber, liebe Kolleginnen und Kollegen der Großen Koalition, bremsen gerade geplante Mieterstromprojekte aus. Sie nehmen den Unternehmerinnen und Unternehmern in der Solarbranche in unserem Land die Planungssicherheit. Das ist ein verheerendes Signal. Sie gefährden mit diesem Schritt die Akzeptanz der Energiewende. Sie gefährden damit kleine und mittelständische Unternehmen. Und Sie gefährden damit Arbeitsplätze in der Solarbranche. Ändern Sie das! Drittens. Am meisten Akzeptanz für die Energiewende bekommen wir, wenn wir die Menschen direkt daran beteiligen. Dafür lautet das Zauberwort „Bürgerenergie“. Das bedeutet, dass Menschen vor Ort, direkt in den Kommunen, in Genossenschaften an Projekten der erneuerbaren Energie beteiligt werden. Es gäbe dafür einen sehr einfachen Weg. Laut Europäischer Union ist es möglich, mit einer Regelung Energieanlagen der Bürgerenergie unter 18 Megawatt von Ausschreibungen auszunehmen. Schreiben Sie doch das in Ihr Gesetz! Zusammengefasst: In allen drei Punkten löst dieses Gesetz überhaupt keine Probleme. Es schafft teilweise sogar neue Probleme. Es muss dringend geändert werden. Die Energiewende wird nur gelingen, wenn sie demokratisch, wenn sie dezentral und wenn sie sozial gerecht ist. Vielen Dank. Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort die Kollegin Dr. Julia Verlinden.
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Thomas Heilmann CDU/CSU
Thomas
Heilmann
CDU/CSU
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir sind spät dran – sehr spät dran, leider. Das gilt natürlich für die Bewältigung der Klimakrise insgesamt; aber es gilt auch für diese Debatte. Das gilt für Ihren Antrag, und, Frau Ministerin, das gilt natürlich auch für die Vorbereitungen auf die COP, die wir als CDU/CSU-Fraktion enttäuschend finden, und ich werde Ihnen gleich sagen, warum. – Sie da drüben lachen. Die Vorgängerregierung wird hier und da auch sicher mal zu Recht angegriffen. Aber es war Frau Merkel, die die Klimakonferenzen zum Erfolg geführt hat. Wenn Sie die Protokolle nachlesen und die Zeitzeugen hören, erkennen Sie: Ohne ihren Beitrag wäre das Pariser Klimaabkommen nicht zustande gekommen. Das hat auch etwas mit Vorbereitung zu tun. Fangen wir so herum an. Frau Baerbock, Sie haben sehr zu Recht zum Anfang Ihrer Rede dramatische Bilder gewählt. Ich teile Ihre Sicht – auch wir als Fraktion tun das –, was die Größe der Aufgabe anbetrifft. Nun reden wir hier nicht untereinander, sondern für das Publikum, das vor den Bildschirmen sitzt. Es ist Tradition im Deutschen Bundestag, dass man vor einer COP eine ausführliche Debatte führt und sie nicht nachträglich – deswegen ist es übrigens auch so leer hier im Raum – zusätzlich als Tagesordnungspunkt hier aufnimmt. Normalerweise gibt es auch Debatten in Ausschüssen. Der Auswärtige Ausschuss hat sogar einen neuen Unterausschuss, den Unterausschuss Internationale Klima- und Energiepolitik. Er hat aber gar nicht getagt; die Sitzung ist ausgefallen. – Sie wissen genau, Frau Badum, was ich meine. Ich will jetzt nicht zu lange in Tagesordnungsfragen eintauchen. Aber im Kern geht es vor allem um Folgendes: Die Glaubwürdigkeit dieser Bundesregierung ist doch eindeutig dadurch unterminiert, dass Sie jetzt erst den Antrag vorlegen, dass Sie die Verabredung, dass wir die Klimaziele erneuern, nicht eingehalten haben, dass Deutschland die Hausaufgaben da nicht gemacht hat, dass Sie Ihr Klimaschutz-Sofortprogramm nicht haben umsetzen können. Frau Badum, Sie gucken mich jetzt so an. Natürlich weiß ich auch, dass das nicht allein an den Grünen liegt, sondern dass Sie sich in der Koalition nicht einig werden können. Das macht die Sache aber nicht besser. Denn es ist nicht gut, wenn Deutschland unglaubwürdig oder, um es etwas moderater zu sagen, mit einem Glaubwürdigkeitsdefizit zur COP fährt. Wenn ich mir dann die Reden hier anhöre, die zu diesem Tagesordnungspunkt gehalten werden, dann habe ich das Gefühl, wir reden über völlig unterschiedliche Dinge. – Nein, innerhalb Ihrer Ampel, meine ich. – Was Herr in der Beek gesagt hat, findet sich gar nicht in Ihrem Antrag. Er hat da von Wohlstand, Wachstum und Technologie geredet und davon, dass wir andere Staaten überzeugen können. Aber in Ihrer eigenen Koalition konnten Sie für den Antrag wohl offensichtlich nicht überzeugen. Jedenfalls steht kein Wort darin. Ich wollte Sie auf zwei, wie ich finde, verräterische Formulierungen in Ihrem eigenen Antrag hinweisen. Die eine ist: Sie fordern die Bundesregierung, die Sie ja stellen, auf, zeitnah eine ambitionierte Klimaaußenschutzpolitikstrategie vorzulegen. – Ja, natürlich können Sie nicht die Union auffordern. Warum legen Sie denn nicht einfach eine Strategie vor? Herr Abgeordneter, erlauben Sie eine Zwischenfrage? Ja. Von wem denn? Von den Grünen. Ach so. Lieber Herr Kollege, danke, dass Sie die Zwischenfrage an einem Freitagnachmittag erlauben. – Ich freue mich sehr, dass wir einen neuen Unterausschuss – den Unterausschuss Internationale Klima- und Energiepolitik – im Bundestag haben, der eben wirklich die Klimaaußenpolitik repräsentiert; denn das ist genau das, was die vorherige Regierung nicht gemacht hat. Sie hat unsere Sicherheit mit fossilen Energiedeals – Stichwort „Russland“ – verkauft. In dieses Dilemma wollen wir nicht mehr kommen, und deswegen denken wir jetzt Klima- und Außenpolitik zusammen. Meine Frage an Sie: Wir hatten ja das Glück, eineinhalb Stunden mit der Außenministerin Annalena Baerbock im Unterausschuss zu diskutieren. Wo waren Sie bei dieser Sitzung, Herr Heilmann? Wie Sie wissen, Frau Badum – um auf den letzten Teil der Frage zuerst einzugehen –, bin ich nicht Mitglied dieses Unterausschusses; es gibt im Ausschuss eine geteilte Verantwortung. Ich bin im Ausschuss für Energie und Klima; da sehen wir uns ja auch regelmäßig, wie Sie wissen. Deswegen war ich zu dem Gespräch nicht eingeladen. Ich wäre sicher gerne gekommen. Das ist aber eine eher formale Frage. Zu Ihrer wichtigeren ersten Frage. Die alte Bundesregierung hat, von den Grünen in dem Grundsatz zumindest unterstützt, die Strategie geäußert: Wir wollen versuchen, so schnell wie möglich erneuerbare Energien aufzubauen – jetzt werden Sie sagen, das ist zu langsam gegangen; das lasse ich jetzt mal weg –, und als Brückentechnologie – das ist nämlich der Punkt bei Ihrem Thema – setzen wir Gas ein. Sie haben immer gefordert, dass wir aus der Braunkohle schneller aussteigen. Sie haben gesagt, dass wir aus Atomkraftwerken aussteigen. Aber irgendeine Übergangsenergie wird man ja brauchen. Ich will Ihnen ja zugeben, dass wir alle gemeinsam – und damit auch wir – den Fehler gemacht haben, uns einseitig auf russische Lieferungen zu verlassen. Auch ich – ich will gar nicht von anderen reden – habe mir nicht vorstellen können, dass Wladimir Putin bereit ist, derartige Kriege – das muss man ja im Plural sagen – anzuzetteln. Das betrifft natürlich den Krieg gegen die Ukraine, aber auch den Energiekrieg, den er angezettelt hat. Diese Abhängigkeit bei der Lieferung von Gas als Brückentechnologie ist ohne Wenn und Aber ein Fehler. Die Abhängigkeit von Russland in der Gaslieferung war ein Fehler; darum will ich auch gar nicht herumreden. Aber die Frage, ob Gas nicht eigentlich eine sinnvolle Brückentechnologie in Richtung Erneuerbare ist, war nie streitig. Ich kann mich übrigens auch nicht erinnern, dass die Grünen in der letzten Legislaturperiode dazu irgendeinen Antrag gestellt haben, mit dem dazu aufgefordert wurde, das zu ändern. Zurück zu der Frage. Ich persönlich glaube, dass man hätte besser vorbereitet sein können. Sie hätten eine Klimaaußenpolitikstrategie schon vorlegen können; dann müssten Sie sich jetzt nicht selber dazu aufrufen. Das ist übrigens die erste Forderung in Ihrem Antrag. Die zweite Forderung Ihres sehr langatmigen Antrags ist: Man soll eine möglichst inklusive und partizipative Weltklimakonferenz gestalten. – Ja, meine lieben Kollegen von der Ampel, die läuft doch schon längst. Olaf Scholz ist schon wieder zurück. Wieso schreiben wir heute in einen Antrag, dass man das möglichst gestalten soll? Das ist doch einfach alles nur Politphraserei. Wir müssten uns über die Fragen unterhalten: Wie gehen wir denn mit „Losses and Damages“ um? Wie wäre denn der Verteilungsmodus? Da steht übrigens in Ihrem Antrag, dass wir den Forderungen der G 77 entgegenkommen sollen. Was heißt das eigentlich genau? Wie meinen Sie das eigentlich? Ich hätte dazu gerne eine vernünftige Debatte und nicht nur ein Gespräch mit der Außenministerin in den zuständigen Ausschüssen gehabt. Ich hätte lieber einen gemeinsamen Antrag vorgelegt; dafür gab es gar keinen Raum. Das war bei Vorbereitungen übrigens auch mal anders. Insofern ist es leider so, dass Sie recht haben, Frau Ministerin: Es war noch nie so schwierig. – Es war auch noch nie so wichtig. Aber leider gehen wir auch so schlecht vorbereitet wie selten in eine solche Konferenz, und das bedauern wir ausdrücklich. Deswegen ist unser Antrag besser als der der Koalition. Vielen Dank und schönes Wochenende.
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Caren Lay DIE LINKE
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DIE LINKE
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Mieten steigen fast viermal so stark wie die Löhne, und zwar im Schnitt, das heißt, in den Städten sieht die Entwicklung noch wesentlich schlimmer aus. Das, meine Damen und Herren, hat doch mit einer sozialen Marktwirtschaft überhaupt nichts mehr zu tun, das ist eine faktische Lohnkürzung, das ist Ausbeutung der Mieterinnen und Mieter. Und nicht nur die Preise für Neumietverträge steigen, sondern auch die der bestehenden Mietverhältnisse. Schuld ist der Mietspiegel, der in seiner jetzigen Form ein Mieterhöhungsspiegel ist. Denn in seine Berechnung fließen immer nur die Mietverträge der letzten vier Jahre ein. Aber seit zehn Jahren explodieren die Mieten ja in den meisten Städten. Das heißt, nach und nach werden auch die Preise für Bestandsmieten immer weiter angezogen. Diese Preisspirale nach oben müssen wir endlich stoppen. Angesichts dieser großen Herausforderung ist der vorgelegte Gesetzentwurf der Regierung nicht mehr als ein schlechter Witz. Sie wollen nicht mehr nur die Mietverträge der letzten vier Jahre, sondern die der letzten sechs Jahre in die Berechnung einfließen lassen. Das wird angesichts der Mietenexplosion, die seit zehn Jahren anhält, wirklich nichts bringen. Der Mietspiegel ist und bleibt auch in der neuen Form ein Mieterhöhungsspiegel. Wir als Linke sagen: Wenn wir die Mieten tatsächlich dämpfen wollen, dann müssen nicht nur die letzten vier Jahre oder die letzten sechs Jahre in die Berechnung des Mietspiegels einfließen, dann müssen endlich alle Mieten in die Berechnung des Mietspiegels einfließen. Nur so können wir den Anstieg der Mieten dämpfen. Was ich schade finde: Die Koalition löst noch nicht einmal ihre kleinen Versprechen ein. Sie haben im Koalitionsvertrag noch gesagt, Sie wollen die Gültigkeit des Mietspiegels von bisher zwei Jahre auf drei Jahre verlängern. Das wäre auch gut gewesen. Auch das müsste passieren. Das andere ist, dass Sie auch gesetzliche Mindeststandards versprochen haben für qualifizierte Mietspiegel. Auch diese brauchen wir. Denn immer wieder werden die Mietspiegel von der Vermieterseite angegriffen, und das mit Erfolg. Hier brauchen wir Rechtssicherheit. Auch in dieser Hinsicht ist der Gesetzentwurf eine vertane Chance für Mieterinnen und Mieter. Unser Vorschlag als Linke lautet: Am allerbesten wäre ein fünfjähriger Mietenerhöhungsstopp. Mieterinnen und Mieter haben sich nach den massiven Mietenexplosionen der letzten Jahre eine Atempause verdient. Eines können wir also festhalten, meine Damen und Herren: Mit diesem Gesetzentwurf wird die Mietenexplosion nicht gestoppt werden. Die Preisentwicklung bei den Mieten wird mit diesem Gesetzentwurf weder umfassend noch abschließend geregelt. Auch deswegen bin ich froh, dass Die Linke in Berlin den Mut hat, Nägel mit Köpfen zu machen, den Mut hat, gegen den massiven Widerstand der Immobilienlobby einen Mietendeckel einzubringen. Wir brauchen einen Mietendeckel. An diesem Mut, an dieser Verantwortung könnte sich die Koalition im Bundestag endlich einmal ein Beispiel nehmen. Für Bündnis 90/Grüne hat das Wort der Herr Kollege Christian Kühn.
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Fabian Jacobi AfD
Fabian
Jacobi
AfD
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bis vorgestern hieß der Gegenstand, den wir gerade verhandeln, noch „Entwurf eines Gesetzes zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts“. Vorgestern im Rechtsausschuss gab es dann mehrere Änderungsanträge zu diesem Gesetzentwurf, wobei unserer natürlich abgelehnt und derjenige der Regierungsfraktionen ebenso natürlich angenommen wurde. Und da beginnt das Problem. Denn hinterher hieß der Gesetzentwurf auf einmal anders, nämlich „Entwurf eines Gesetzes zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts und zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes“. Was hat das Infektionsschutzgesetz mit dem BGB zu tun? Nichts! Ist der Rechtsausschuss zuständig für das Infektionsschutzgesetz? Nein, ist er nicht. Konnte der Rechtsausschuss mitten im Gesetzgebungsverfahren einen neuen Gegenstand, für den er gar nicht zuständig ist, einfach an ein ganz anderes Gesetz drankleben? Nein, konnte er nicht, jedenfalls nicht nach unserer Geschäftsordnung, hat er aber trotzdem, oder vielmehr: CDU/CSU und SPD haben es mit ihrer Mehrheit halt so beschlossen. Warum ist das ein Problem? Weil auf diese Weise das ordentliche Gesetzgebungsverfahren unterlaufen wird. Man umgeht die Einbringung als Gesetzentwurf und damit die erste Beratung hier im Plenum, man umgeht weiterhin die Beratung durch den eigentlich zuständigen Ausschuss, hier den Gesundheitsausschuss. Man vermeidet so auch unerwünschte Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit. Während also Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, nicht müde werden, uns von der AfD fälschlich zu unterstellen, wir wollten parlamentarische Abläufe stören oder lächerlich machen, tun Sie hier selber: Was? – Eine gepflegte Verachtung für parlamentarische Verfahren lassen Sie hier schon erkennen. Was aber haben Sie uns nun im Rechtsausschuss untergeschoben? Sie wollen wieder mal das Infektionsschutzgesetz ändern. In dessen § 36 haben Sie bereits früher Verordnungsermächtigungen geschaffen. Danach kann die Regierung, solange eine sogenannte epidemische Lage von nationaler Tragweite besteht, bestimmte Maßnahmen verordnen, nämlich insbesondere, dass Menschen, die sich im Ausland in einem sogenannten Risikogebiet aufgehalten haben, bei ihrer Rückkehr nach Deutschland eine Coronaimpfung vorweisen oder sich einem Coronatest unterziehen oder auch sich in Quarantäne begeben müssen. Das ist alles mit Grundrechtseingriffen verbunden. Die Pflicht zur Duldung eines Tests etwa greift in die körperliche Unversehrtheit ein, und zur Quarantäne kann auch die Überwachung in der Wohnung gehören, also ein Eingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung. Einen weiteren Punkt Ihrer Verordnungen sieht übrigens auch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz sehr kritisch, nämlich dass man danach als Betroffener seine Gesundheitsdaten gegenüber privaten Transportunternehmen offenbaren muss. Man kann nun darüber streiten, ob das Coronavirus all diese Eingriffe erforderlich macht, solange eine epidemische Lage in Bezug auf dieses Virus besteht. Jetzt aber wollen Sie diese Verordnungen auch dann weiter in Kraft lassen, wenn die epidemische Lage beendet ist. Eine epidemische Lage liegt nach der Definition im Gesetz vor, wenn die Einschleppung einer bedrohlichen Krankheit nach Deutschland oder die Ausbreitung einer solchen Krankheit droht. Im Umkehrschuss heißt das, dass dann, wenn diese Lage beendet ist, per definitionem eine Einschleppung oder Ausbreitung einer solchen Krankheit nicht mehr droht. Dann aber ist das weitere Aufrechterhalten pauschaler Grundrechtseinschränkungen nicht zu rechtfertigen. Wir lehnen die Änderung des Infektionsschutzgesetzes daher ab. Nun ist meine Redezeit um, ohne dass ich näher auf den eigentlichen Gegenstand dieses Gesetzgebungsverfahrens, nämlich die Reform des Stiftungsrechts, eingehen konnte. Wir wollen dieser Reform zustimmen und werden das in der getrennten Abstimmung der zweiten Beratung auch tun. In der Schlussabstimmung können wir aber nur einheitlich über beides abstimmen: das Stiftungsrecht und das Infektionsschutzgesetz. Da können wir dann halt nicht mehr zustimmen. Schade um das Stiftungsrecht. Es hätte Besseres verdient als Ihre Methoden. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Ich erteile das Wort zu seiner voraussichtlich letzten Rede im Deutschen Bundestag dem Kollegen Dr. Wieland Schinnenburg, FDP.
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Dr.
Dr. Jens Brandenburg FDP
Jens
Brandenburg
FDP
Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute einen Bericht, der im Wesentlichen unser Bildungssystem in der Zeit vor der Pandemie beschreibt. Seitdem hat sich viel verändert. Aber einiges war vorher schon absehbar. Der Bildungserfolg eines Menschen hängt in Deutschland von seiner sozialen Herkunft ab, stärker als in vielen anderen entwickelten Staaten. Die Zahl junger Menschen ganz ohne Schulabschluss ist um erschreckende 20 Prozent angestiegen. Auch die digitale Bildung hat Deutschland völlig verschlafen. Die Coronakrise hat diese Probleme massiv verschärft. Im Fernunterricht haben schon jetzt viele Schüler und Schülerinnen den Anschluss verloren. Viele Auszubildende sorgen sich um ihre Zukunft. Viele Studierende haben Nebenjobs verloren und fallen beim BAföG trotz finanzieller Nöte weiter durchs Raster. Sie alle leiden im Lockdown unter sozialer Isolation. Die Probleme sind riesig. Und was macht unsere Regierung? Ein Progrämmchen hier, ein Trostpflaster dort. Aber die nötigen PS bringen Sie nicht auf die Straße. Das Vorhaben, einen Nationalen Bildungsrat einzusetzen, haben Herr Söder aus Bayern und Herr Kretschmann aus Baden-Württemberg gegen die Wand gefahren. Im Kernprogramm des DigitalPakts Schule sind nach fast zwei Jahren bundesweit gerade einmal etwa 2 Prozent der Mittel abgeflossen. Frau Eisenmann hat diesen Schnitt in Baden-Württemberg mit 1,3 Prozent noch deutlich unterboten, und Bayern, Herr Rupprecht, liegt übrigens bei 0,1 Prozent des Mittelabrufs nach zwei Jahren. Wenn Sie, Frau Ministerin, dieses bundesweite Schneckentempo heute hier in der Debatte allen Ernstes als eigenen Erfolg verkaufen wollen, dann ist das ein schlechter Witz. Von routinierten Kenntnisnahmen haben wir hier genug. Unser Land braucht endlich eine Regierung, die Bildungschancen in Deutschland wieder zu einem Schwerpunkt ihrer Arbeit macht. Ein paar Vorschläge dazu? Sehr gerne: Schaffen Sie doch endlich einen DigitalPakt 2.0, der Schulen Planungssicherheit gibt und auch in IT-Kräfte, in pädagogische Konzepte und Lehrerweiterbildung investiert. Wir brauchen ein Bundesprogramm Lern-Buddys – dies haben wir letzte Woche vorgeschlagen –, bei dem Studierende bundesweit Schülerinnen und Schülern helfen, die Lernrückstände aufzuholen. Wir brauchen eine starke MINT-Offensive für Mathe und Naturwissenschaften, auch um die Fachkräftelücke endlich wieder zu schließen, einen modernen Bildungsföderalismus mit verbindlichen Standards und Abschlussprüfungen und auch hoher Umsetzungsfreiheit vor Ort. Wir brauchen eine strukturelle Reform des BAföG zu einer elternunabhängigen Förderung, damit sich jeder ein Studium leisten kann, eine Qualitätsoffensive in der Lehre, um den Hochschulen zu ermöglichen, auch bessere Betreuungsquoten und innovativere Lehrkonzepte anzubieten, eine Exzellenzinitiative in der beruflichen Bildung, angefangen bei der Berufsorientierung über Auslandsaufenthalte bis hin zur besseren Ausstattung der Berufsschulen. Ein weiterer Vorschlag betrifft eine Öffnung der Begabtenförderung – dies wurde mehrfach hier im Deutschen Bundestag beantragt –, der akademischen Begabtenförderung für Talente in der beruflichen Bildung. Wir wollen ein Midlife-BAföG für Weiterbildung ein Leben lang, auch in der Mitte des Lebens. Frau Karliczek, ich hoffe, Sie haben jetzt fleißig mitgeschrieben. Wir haben all diese Vorschläge und vieles mehr in dieser Legislaturperiode immer wieder in den Deutschen Bundestag eingebracht. Sie müssen das nicht alles sofort übernehmen, aber schon ein Stück davon würde unser Land spürbar voranbringen. Tun Sie es nicht für uns, sondern für Millionen Schülerinnen und Schüler, für Auszubildende und Studierende in diesem Land. Weltbeste Bildung für jeden, unabhängig von der sozialen Herkunft, das muss unser aller Anspruch sein. Vielen Dank, Dr. Brandenburg. – Nächster Redner: für Bündnis 90/Die Grünen Kai Gehring.
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Manuel Höferlin FDP
Manuel
Höferlin
FDP
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir reden heute über unseren Antrag zur Einführung des digitalen Impfpasses. Ich muss auf Ihre Bemerkung eingehen, Frau Kollegin Baehrens von der SPD. Sie haben vorhin so passend gefragt, warum wir darüber überhaupt sprechen. Ich finde, diese Äußerung ist ehrlich gesagt bemerkenswert. Wenn sich Menschen seit über einem Jahr in ihrer persönlichen Freiheit zurücknehmen, um andere Menschen in dieser Lage zu helfen und um die Gesundheit anderer zu schützen, und wenn sie sich jetzt, wo sie geimpft sind, darüber Gedanken machen, unter welchen Voraussetzungen denn eigentlich ihre Freiheitsrechte überhaupt noch eingeschränkt werden können und ob sie ihre Rechte vielleicht auch wieder ausüben können, dann ist das genau der richtige Zeitpunkt. Es ist bemerkenswert, dass Teile der Regierungsfraktionen solch einen Kommentar hier im Plenum loslassen. Ich möchte das Credo eines FDP-Kollegen aus dem Bayerischen Landtag aufgreifen: Fakten, Fakten, Fakten! Fakt eins. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Bundesregierung, hätten Sie in der letzten Zeit öfter auf die Vorschläge der Freien Demokraten gehört, wären wir in dieser Pandemiesituation an vielen Punkten ein Stück weiter. Fakt zwei. Bereits am 16. Oktober 2019 – hören Sie zu! –, also vor 555 Tagen und vor dem ersten Covid-Fall, hat die Bundestagsfraktion der FDP hier im Plenum den Antrag „Impfquoten wirksam erhöhen – Infektionskrankheiten ausrotten“ eingebracht. Da ging es um die Einführung eines digitalen Impfpasses. 80 Wochen hätten wir Zeit gehabt. Aber jetzt – Fakt drei – eineinhalb Jahre später unter massivem Druck der pandemischen Entwicklung ist diese Regierung auf dem Weg und macht sich doch einmal Gedanken über einen digitalen Impfpass. Ich rede übrigens nicht über den Impfnachweis, sondern über den Impfpass; vielleicht hat das noch nicht jeder so ganz mitbekommen. Das alles zeigt: Wirksame Maßnahmen kommen bei dieser Regierung immer viel zu spät. Es gibt ein Muster von Schlafmützigkeit im letzten Jahr: Das Land wird verpflichtet, Masken zu tragen, und danach macht sich die Regierung Gedanken über die Beschaffung der Masken. Das Land soll mehr testen, und die Regierung fängt danach an, sich über die Beschaffung von Tests Gedanken zu machen. Das Land fiebert einem Impfstoff entgegen, und danach macht man sich Gedanken über das Organisatorische, wie dieser Impfstoff denn verimpft werden soll. Und jetzt beim digitalen Impfpass ein ähnliches Muster, meine Damen und Herren. Nachdem die Impfungen angelaufen sind, fällt plötzlich auf, oh, man könne ja vielleicht auch etwas in Richtung digitalem Impfpass machen. Es ist ja geplant, und zwar schon seit langer Zeit, das in die ePA zu integrieren – 2022 oder vielleicht auch später. Wir wissen ja, wann Digitalprojekte, wenn sie geplant sind, bei der Bundesregierung auch wirklich Realität werden. Ich will in diesem Zusammenhang auch gar nicht auf das Beschaffungsdebakel näher eingehen. Nach Monaten des Weiterentwicklungsstillstands bei der Corona-Warn-App wird der Nachweis jetzt dort vielleicht seinen Platz finden. Ich hoffe, das wird auch gelingen. In den letzten Wochen und Monaten – das muss man ja zugeben – hat die Corona-Warn-App etwas an Schwung gewonnen. Ich bin sehr dankbar und sehr froh drüber, aber es gab auch wirklich eine lange Phase des Stillstands und vor allen Dingen einer unterschiedlichen Informationspolitik der Bundesregierung in diesem Punkt. Der Impfnachweis soll irgendwann durch den Impfpass abgelöst werden. Wir haben im Digitalausschuss erklärt bekommen, dass der Impfnachweis dezentral geführt wird, der Impfpass nachher in die ePA integriert werden soll. Auf die Frage, wie denn das überführt werden soll, konnten wir noch keine zureichende Information bekommen; denn die Systeme sind gar nicht so einfach miteinander kompatibel. Das spricht auch wieder Bände, und die Menschen fragen sich: Kann diese Bundesregierung eigentlich Projektmanagement im IT-Bereich? Sie wissen das – ich habe das schon öfter gesagt –: Nein, es bleibt das ernüchternde Bild übrig, wie so oft bei IT-Projekten der Bundesregierung: Sie können keine IT-Projekte steuern, auch im Gesundheitssystem offensichtlich nicht. Damit kommt auch ein schlechtes Krisenmanagement zutage, meine Damen und Herren. Als Abschluss, Herr Präsident: Die Leidtragenden sind die Menschen in diesem Land – Schüler und Schülerinnen, Eltern, Pfleger, Ärzte und Ärztinnen, Gastronomen sowie Künstler und Künstlerinnen –, die darauf warten – dann geimpft, genesen oder negativ getestet –, wieder ein normales Leben zu führen. Aber es gibt einen Silberstreif am Horizont: Bald sind Bundestagswahlen. Herzlichen Dank. Tino Sorge, CDU/CSU, ist der nächste Redner.
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Julia Klöckner CDU/CSU
Julia
Klöckner
CDU/CSU
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Kruse, Sie sprachen von „Hoffnung machen“. Also, eines kann ich Ihnen sagen: Was den Bürgern keine Hoffnung gemacht hat, war Ihr Geeiere rund um die Gasumlage. Sie tun so, als wenn dieser – so nenne ich es mal – „Stuhlkreis der Ampelkoalition“ hier zu den Ergebnissen der Kommission Hoffnung machen soll. – Ja, Sie müssen auch mal ertragen, dass man Sie kritisiert. - Es ist sehr bezeichnend, wie Sie heute hier reingegangen sind und von den LNG-Speichern sprachen, die gefüllt sind. Ich gehe davon aus, dass das ein Fehler war und nicht Ihr Erkenntnisgewinn ist. Noch mal: Sie haben von LNG-Speichern gesprochen. Um die geht es hier nicht. Dann lassen wir das; dann stellen wir das einfach mal klar. Aber es gehört auch dazu, dass wir den Sorgen der Menschen wirklich Ernsthaftigkeit entgegenkommen lassen. Der Bundeskanzler kommt ja nicht so gerne zu uns ins Parlament, wie wir festgestellt haben. Wenn nicht jetzt, wann dann wäre Zeit für eine Regierungserklärung, in der der Kanzler einmal über die Lage in diesem Land spricht und diese auch einmal erklärt? Das, was die Kollegin von den Grünen, Frau Verlinden, vorhin sagte: „Wir können nicht von einem auf den anderen Tag zaubern“, das verlangt auch keiner. Nur, bei einer Zeitspanne von Februar bis Oktober kann man nicht von „von einem auf den anderen Tag“ sprechen, und zaubern müssen Sie auch nicht. Dazwischen ist ein Sommer gewesen. Wir als Oppositionsfraktion haben Ihnen angeboten: Wir stehen parat und kommen zu jeder Sondersitzung hierher. Sie haben es vorgezogen, über den Sommer sich zu streiten, sich auszutauschen, zu diskutieren. Und was machen Sie jetzt, nachdem die Kommission ihren Zwischenbericht vorgelegt hat? „Wir tauschen uns aus; wir schauen uns das an; wir diskutieren das.“ Wissen Sie, wofür die Bürgerinnen und Bürger gar keine Zeit mehr haben? Zum Zuschauen und zum Abwarten; denn davon werden in diesem Land ihre Rechnungen nicht bezahlt. Damit Sie mal eine Vorstellung davon haben, wie es den vielen Unternehmen in diesem Land geht: Die haben überhaupt nicht Ihre Zeit. Bei diesen Unternehmen laufen jetzt, am Ende des Jahres, die Kontrakte, die Verträge, aus. Diese Verträge können sie, wenn sie Glück haben, verlängern, aber nicht zu einem Preis, den sie bisher kannten, sondern zu einem vielfach höheren Preis. Ich habe einen Unternehmer bei mir im Wahlkreis; der soll statt 700 000 Euro Energiekosten im nächsten Jahr 2,5 Millionen Euro zahlen. Der braucht jetzt von Ihnen eine Antwort. Bekommt er einen Zuschuss, und, wenn ja, welchen? Was heißt das für ihn? Ansonsten muss er in die Insolvenz gehen. Wir hatten schon im September ein Drittel mehr Insolvenzen. Wir haben keine Zeit. Das, was Sie hier gerade machen, ist ein Outsourcing von Verantwortung an eine Kommission. Diese Kommission hätten Sie im Frühjahr, im Sommer einsetzen können. Sie haben Sie jetzt, kurz vor Schluss, eingesetzt, um dann wieder zu sagen: Wir schauen uns das erst einmal an. Das ist Verantwortungslosigkeit; das ist Outsourcing von Verantwortung. Wir schauen es uns in Großbritannien und in Frankreich an. Dort hat man schon über eine Gas- und Strompreisbremse entschieden. Sie zusammen wissen noch nicht einmal, wie Sie die Vorschläge dieser Kommission gemeinsam beurteilen. Ich sage: Danke, Frau Grimm. Ich sage: Danke, Herr Russwurm. Und ich sage: Danke, Herr Vassiliadis. – Diese mussten Ihnen nämlich etwas unter einem erheblichen Zeitdruck liefern. Und wir hören die Koalition schweigen. Wo bleibt denn Ihr Fahrplan? Heute haben wir nichts von einem Fahrplan gehört, sondern wieder das, was wir die vergangenen Wochen gehört haben: Sie diskutieren, Sie reden, Sie schauen es sich an. – Hier muss gehandelt werden. Man braucht eine Regierung, die Krisen erkennt, die anpackt, die nicht planlos ist, sondern schnell entscheidet, sodass die Wirkung auch ankommt. Aus diesem Grund: Schauen wir uns doch mal die Zahlen an. Sie haben ein Energiekostendämpfungsprogramm aufgelegt. Wissen Sie, wie viele Unternehmen davon überhaupt profitiert haben? Heute im Ausschuss haben wir die Zahl bekommen: 29 Unternehmen in Deutschland. Sagen Sie mal, das ist doch ein Witz hier! Sie hatten eine Blaupause von der vergangenen Regierung. Natürlich hat es bei unseren Coronahilfen ab und zu gerüttelt. Aber wir haben gehandelt. Das Geld kam an, und die Leute hatten erst mal Luft zum Atmen. Das, was Sie hier machen, ist, uns zu beschimpfen, die AKWs nicht länger laufen zu lassen, die Stromsteuer nicht zu senken. Es gibt so viele Dinge, die Sie jetzt machen könnten. Jetzt geht es um die Angebotserweiterung, damit der Strompreis, damit der Energiepreis sinkt. Stattdessen lassen Sie weiterhin Gas verstromen. Das ist kein Konzept. Das ist Spielen mit den Sorgen der Bürgerinnen und Bürger. Sie beschimpfen uns. Sie machen nette öffentliche Darstellungen. Aber am Ende wird es darum gehen, ob Existenzen in Deutschland gesichert werden. Zur Kommission, die diese Arbeit unter diesem Druck gemacht hat. Übrigens, Frau Grimm kann ihre Expertise noch weiter einbringen. Sie haben es nur nicht zugelassen. Frau Grimm kann Ihnen sehr gut berechnen, was es bedeutet, wenn wir die Kernkraftwerke, die wir haben, erst mal länger laufen lassen: dass der Strompreis sinkt und dass vor allen Dingen auch die schädlichen CO2– Ausstöße sinken. Also, kommen Sie uns, gerade Sie von den Grünen, nicht mehr mit dem Thema Klimaschutz! Sie verbrennen lieber Schweröl. Sie blasen lieber Kohlekraft raus, statt die AKWs länger laufen zu lassen. Sie nehmen alle nur für Ihre parteipolitische Ideologie in Geiselhaft. Frau Kollegin. Dafür ist dieses Land zu schade. Dafür ist diese Industrie zu schade. Ich kann Ihnen nur sagen: Frau Kollegin. Hier geht es um Existenzen. Hier geht es darum, dass Menschen ihre Arbeit nicht verlieren. Machen Sie Ihre Arbeit bitte! Der Kollege Michael Schrodi hat jetzt das Wort für die SPD-Fraktion.
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Dr.
Dr. Wieland Schinnenburg FDP
Wieland
Schinnenburg
FDP
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der deutschen Gesundheitspolitik läuft einiges grundsätzlich falsch. Das kann man auch am Haushalt erkennen. Herr Minister Spahn hat alleine in den ersten neun Monaten dieses Jahres in seinem Ministerium 61 neue Stellen geschaffen, weitere 56 wurden höherbewertet. Kosten: über 5 Millionen Euro. Vor zwei Jahren hatte der Minister zu diesem Thema noch eine andere Meinung. Damals war er noch im Finanzministerium und meinte, die Ministerien sollten mit wenig Personal auskommen. Nun ist er selber Minister in seinem eigenen Ministerium und hat eine andere Meinung. Je nach Situation kann man die Meinung auch einmal ändern. Ich nenne das immer gerne „situationselastisch“. Ich möchte dazu Folgendes sagen: Im Finanzministerium hatte er dazu die richtige Meinung, jetzt hat er die falsche Meinung. Das ist besonders ärgerlich, vergleicht man das Verhalten bei den Ausgaben seiner eigenen Verwaltung mit den Leistungsausgaben. Wie Sie wissen, sind die Leistungsausgaben in großen Bereichen budgetiert. Das heißt, da, wo es eigentlich darauf ankommt, bei der Behandlung kranker Menschen, gibt es nur begrenzt Geld, wenn der Minister aber mehr Leute braucht, gibt es dafür unbegrenzt Geld. Das ist eine grundsätzlich verkehrte Weichenstellung. Wir brauchen nicht mehr Personal im Ministerium, sondern eine Abschaffung der Budgetierung. Das ist die richtige Maßnahme, meine Damen und Herren. Jetzt sagen einige, wir haben gar nicht genug Geld für die Abschaffung der Budgetierung. Da sage ich Ihnen: Haben wir doch. Die Krankenkassen geben über 11 Milliarden Euro für ihre eigene Verwaltung aus. Ich bin sehr sicher, dass man mindestens 4 Milliarden Euro davon einsparen könnte, dann nämlich, wenn alle Krankenkassen so sparsam wären wie die sparsamsten. Dann würden Einsparungen in Höhe von mindestens 4 Milliarden Euro herauskommen. Dieses Geld wäre für Behandlung besser ausgeben als für Bürokratie, meine Damen und Herren. Das zweite große Problem ist die Bürokratie. Ärzte, Zahnärzte, Pfleger, Physiotherapeuten und alle anderen sind zunehmend damit beschäftigt, Formulare auszufüllen, anstatt das zu machen, was sie eigentlich machen sollen, nämlich kranke Menschen zu behandeln. Das ist ein grundsätzlicher Fehler im Gesundheitswesen. Das muss abgestellt werden, meine Damen und Herren. Es wurde schon mehrfach gesagt, dass der Minister sehr viele Gesetze auf den Weg gebracht hat. Das wichtigste Gesetz aber fehlt, nämlich ein Gesundheitsbürokratieabbaugesetz. Ein solches Gesetz hätten wir gebraucht, meine Damen und Herren. Wir kennen ja die Koalition, die blumige Bezeichnungen so gerne hat. Es hätte von mir aus auch „Gute-Formulare-Gesetz“ heißen können oder – wenn der Minister das möchte – „Spahn-räumt-auf-Gesetz“. Die Bezeichnung ist mir egal, es kommt nur darauf an, ein solches Gesetz auf den Weg zu bringen, damit Ärzte, Zahnärzte und alle anderen von dieser Bürokratielast entlastet werden. Das hätten Sie machen sollen, Herr Minister, und nicht Ihre anderen Gesetze. Das dritte Problem betrifft – das wird Sie nicht wirklich überraschen – den Bereich Cannabis. Seit Jahren haben wir eine Cannabisprohibition, die auch noch strafbewehrt ist. Trotz jahrzehntelanger Bestrafung gibt es immer noch Millionen Konsumenten von Cannabis. Wo besorgen sich die Menschen ihr Cannabis? Antwort: Auf dem Schwarzmarkt. Die Qualität ist ungesichert, und das Geld geht am Staat vorbei. Der Staat könnte Steuereinnahmen gewinnen, statt das Geld den Händlern auf dem Schwarzmarkt zu überantworten. Deshalb fordern wir als FDP seit Jahren eine kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene. Wir würden Steuereinnahmen generieren, wir würden sicherstellen, dass die Menschen Cannabis von guter Qualität bekommen, und wir würden Polizei und Staatsanwaltschaft von dieser unsinnigen Arbeit entlasten, meine Damen und Herren. Ich sage es Ihnen: Ich habe mehr Angst vor einem Einbrecher als davor, dass mein Nachbar kifft. Das sollte unsere Richtschnur sein. Herr Schinnenburg, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Steffen? Nein, vielen Dank. Sie können sich gerne nachher melden. Die FDP ist der Meinung, dass wir den Cannabisanbau in Deutschland deutlich ausbauen sollten auf bis zu 50 Tonnen im Jahr. Alles, was wir in Deutschland nicht brauchen, wird exportiert. Ich möchte Cannabis „Made in Germany“. Das bringt gute Qualität für den Weltmarkt, der Cannabisanbau schafft Arbeitsplätze und weitere Steuereinnahmen. Das ist die richtige Lösung, und nicht diese restriktive Politik, die Sie hier immer machen. Ich fasse zusammen: Wir brauchen erstens eine Abschaffung der Budgetierung, zweitens einen radikalen Rückschnitt der Bürokratie und drittens eine kontrollierte Abgabe von Cannabis. Was wir nicht brauchen, ist diese operative Hektik. Wir müssen endlich die wirklichen Probleme im Gesundheitswesen angehen. Herr Minister, das wäre Ihre Aufgabe, und nicht diese operative Hektik. Vielen Dank. Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion Die Linke der Kollege Dr. Achim Kessler.
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Jürgen Braun AfD
Jürgen
Braun
AfD
Herr Präsident! Liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Dezember letzten Jahres besuchte der Bundestagsausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe den Internationalen Strafgerichtshof und weitere internationale Straftribunale in Den Haag. Von den Richtern und Ermittlern kommen keine belanglosen Worthülsen – wie sonst oft in der UNO –, dort wird konkret Recht gesprochen, internationales Strafrecht. Als Delegationsleiter war ich beeindruckt, wie engagiert und konzentriert schwere Verbrechen aufgearbeitet werden. Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag ist oft die letzte Möglichkeit, Recht zu sprechen, wenn innerstaatliche Rechtsprechung versagt. Aber es muss darauf geachtet werden, dass nicht die Sieger die Geschichte schreiben oder eine Mehrheit in den Vereinten Nationen. Sieger und Besiegte sind zur Verantwortung zu ziehen, wenn sie Verbrechen begangen haben, sie dürfen mit ihren Bluttaten nicht davonkommen. Kein Gericht kann Verbrechen ungeschehen machen, kein Gericht kann Ermordete wieder zum Leben erwecken. Nur die Bestrafung der Täter kann auf Dauer Frieden schaffen, nur Recht und Gerechtigkeit schafft Frieden. Ruanda ist ein Beispiel, das Mut macht. Kabuga ist verhaftet; in Den Haag ist hart dafür gearbeitet worden. Auf der Delegationsreise haben wir Kabuga noch an erster Stelle auf den Fahndungsplakaten gesehen. Herr Kollege, könnten Sie einen Moment innehalten? – Wird ein Arzt benötigt? – Ah, gestolpert. Okay, ich bitte um Nachsicht. – Machen Sie weiter, bitte. Vielen Dank, Herr Präsident. – Auf der Delegationsreise haben wir Kabuga noch an erster Stelle auf den Fahndungsplakaten gesehen. Jetzt steht er endlich vor Gericht. In Ruanda betrieb er einen Radiosender des Grauens: Zu poppigen Rhythmen ließ er zum Völkermord aufrufen – etwas ganz besonders Widerliches. Aktuelle Kriegsverbrechen: In Bergkarabach bombardiert Aserbaidschan ganz gezielt Kirchen. Die Kathedrale in Schuschi: von Bomben und Raketen schwer getroffen, ebenso Wohngebiete. Über den islamischen Staat Aserbaidschan versucht der türkische Machthaber Erdogan, den Völkermord an den Armeniern fortzusetzen. Auch ein Erdogan sollte damit rechnen müssen, eines Tages in Den Haag angeklagt zu werden. Er weiß ganz genau, warum seine Türkei dem Römischen Statut fernbleibt. Diese Bundesregierung und die Altparteien insgesamt haben nichts unternommen, um das Eindringen von Terroristen und auch Kriegsverbrechern in Deutschland zu verhindern. Im Gegenteil: Sie haben dringende Warnungen der Sicherheitsbehörden, vor allem 2014 und 2015, nicht beachtet. Sie haben die Öffentlichkeit gezielt belogen, das Eindringen von Terroristen und Kriegsverbrechern geleugnet. Seit mittlerweile sechs Jahren hat die Bundesregierung den vollständigen Kontrollverlust in Deutschland zu verantworten. Vor sechs Jahren hat die Bundesregierung angeordnet, dass einreisende Asylbewerber von der zuständigen Behörde, dem BAMF, nicht mehr gründlich überprüft werden. Bereits seit 2014 wissen also weder die Bundesregierung noch die Sicherheitsbehörden, welche Kriegsverbrecher und Terroristen sich hierzulande aufhalten, wer überhaupt einreist. Sie wissen es nicht, und sie wollen es auch nicht wissen. Deutschland ist seit sechs Jahren zum Paradies für Kriegsverbrecher und Terroristen geworden. Die sogenannte Flüchtlingskrise verschärfte sich erst dadurch, dass niemand mehr kontrolliert worden ist. Die Bundesregierung hat versagt. Gehen musste nicht etwa Innenminister de Maizière, dessen Ressort zuständig ist. Gehen musste auch nicht die Bundeskanzlerin, die politisch verantwortlich ist, aber diese Verantwortung nie übernimmt – niemals! Gehen musste der Chef des BAMF, ausgerechnet also der Mann, der vor diesen Fehlern gewarnt hat. Herr Kollege, könnten Sie bitte ein bisschen Abstand halten? – Vielen Dank, Herr Kollege Braun. – Der nächste Redner ist für die CDU/CSU-Fraktion der Kollege Michael Brand.
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Sebastian Brehm CDU/CSU
Sebastian
Brehm
CDU/CSU
Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mit drei Zahlen beginnen. Die erste Zahl: Die Inflation in Deutschland ist mit rund 8 Prozent so hoch wie seit Jahrzehnten nicht. Die zweite Zahl: Im Mai hatte Deutschland ein Außenhandelsbilanzdefizit. Einen Monat mit einem solchen Außenhandelsbilanzdefizit gab es zuletzt 1991. Deutschland verspielt gerade seinen Titel als Exportweltmeister. Die dritte Zahl, liebe Kolleginnen und Kollegen: Im Juni ist die Arbeitslosigkeit in Deutschland um 100 000 auf 2,36 Millionen Arbeitslose gestiegen. Diese drei Zahlen zeigen, dass es höchste Zeit wird, dass Sie als Ampel zielgerichtet – nicht im Streuschuss, sondern zielgerichtet – handeln. Sie dürfen Deutschlands Zukunft nicht mit Klein-Klein und mit Ihrer Umverteilungsidee kaputtmachen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Energiepreise steigen, und die Antwort von Wirtschaftsminister Habeck ist, wir müssten einen Pullover anziehen oder weniger duschen. Die Lebensmittelpreise steigen, und Landwirtschaftsminister Özdemir und Finanzminister Lindner belasten die Landwirte erheblich, anstatt sie zu entlasten. Und der deutsche Mittelstand kommt bei Ihnen in der Ampelregierung überhaupt nicht mehr vor, mit keiner Silbe, höchstens bei Mehrbelastung durch mehr Bürokratie und mehr Abgaben. Ich meine das mit allem Ernst: Sie haben den Ernst der Lage nicht verstanden. Wenn Sie jetzt nicht zielgerichtet handeln, dann kommen wir in wirklich schwere Zeiten für die Industrie, in wirklich schwere Zeiten für den deutschen Mittelstand und in schwere Zeiten für die Bürgerinnen und Bürger. Und Sie tun nichts – oder wenn, im Klein-Klein – und schauen sehenden Auges zu, was passiert. Sie schädigen damit den Standort Deutschland und den Wohlstand in unserem Land. Sie machen die Menschen in unserem Land ärmer, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Ampel! – Nicht nur Parolen! Sie reden viel und tun nichts. Zum ersten Punkt, der Inflation: Sie könnten hier etwas tun. Die Inflationsrate ist, wie gesagt, mit 8 Prozent so hoch wie nie zuvor, und gleichzeitig sprudeln die Steuereinnahmen. Denn wenn sich der Butterpreis verdoppelt, verdoppeln sich auch die Mehrwertsteuereinnahmen des Finanzministers. Auch wenn sich die Löhne erhöhen, erhöhen sich über die kalte Progression die Einkommensteuereinnahmen des Finanzministers. Deswegen fordern wir Sie auf – das können wir nicht oft genug sagen –, die Mehreinnahmen, die Sie im deutschen Haushalt haben, an die Bürgerinnen und Bürger und an den deutschen Mittelstand zurückzugeben, gerade jetzt in dieser Zeit. Wenn Sie Inflation wirksam eindämmen wollen, dann brauchen wir einen ausgeglichenen Haushalt. Interessant ist: Sie sprechen von einem ausgeglichenen Haushalt; der Kollege Janecek dagegen sagt, im Herbst müssten wir drüber reden, das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts zurückzunehmen. Sie dürfen die Rekordschuldenpolitik wie in diesem Jahr nicht weiter fortsetzen. Wir brauchen eine schwarze Null im nächsten Haushalt. Lieber Herr Kollege Brehm, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Janecek? Sehr gerne. Selbstverständlich. Sehr geehrter Herr Kollege Brehm, danke, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Mir ist langsam schon ganz schwindelig von Ihren Widersprüchen, die Sie da in Ihrer Rede so formulieren. Zum einen werfen Sie uns vor, dass wir nicht solide genug mit den Haushaltsmitteln umgehen würden. Gleichzeitig hat die Union Vorschläge gemacht, die weit über das hinausgehen, was wir uns vorgenommen haben, beispielsweise hinsichtlich der Frage der Energiesteuersenkung. – Das ist der eine Widerspruch. Dann möchte ich auf das Thema Mittelstand eingehen. Ich war vor zwei Tagen auch mit Kollegen Ihrer Fraktion bei der Glasindustrie. Haben Sie zur Kenntnis genommen, dass die Bundesregierung in diesen Tagen die Notifizierung auf europäischer Ebene durchgesetzt hat, dass wir über 5 Milliarden Euro an Hilfe gerade für den Mittelstand, für energieintensive Unternehmen in die Hand nehmen können? Also, wir helfen da wirklich zielgerichtet, übrigens gerade auch in Bayern und in Oberfranken. Ja, lieber Herr Kollege Janecek, oder in Mittelfranken. – Unsere Vorschläge sind komplett gegenfinanziert. Wir brauchen in unserem Land Wachstum. Wenn wir den Mittelstand jetzt entlasten, werden wir mit Innovation, mit Investition Wachstum erzeugen. Wenn Sie den Mittelstand jetzt aber nicht entlasten, dann wird es weniger Steuereinnahmen geben, und der Haushalt wird schlechter. Insofern ist das mittel- und langfristig gegenfinanziert. Und Sie müssen halt auch einmal im Haushalt sparen. Für jedes Programm, das kommt, geben Sie Geld aus; dabei müssten Sie aber Geld einsparen. Hierzu gibt es zahlreiche Vorschläge, die Sie umsetzen könnten. Wir kommen da im Rahmen der Haushaltsberatungen in der ersten Sitzungswoche nach der Sommerpause auch noch einmal auf Sie zu. Nun zurück. Wir brauchen des Weiteren natürlich eine Entlastung des Mittelstands bei den Energiekosten. Das ist vielleicht nur ein Schritt, aber nehmen Sie einen normalen Mittelständler, der vielleicht 50 000 Euro an Energiekosten hat und Preissteigerungen von 300 bis 500 Prozent: Wie soll der im Monat diese Preissteigerung auf die Preise umlegen können? Das wird er nicht schaffen. Wenn Sie hier keine Reduzierung vornehmen, werden wir im nächsten Jahr, spätestens wenn die Kontrakte der Mittelständler auslaufen, ein erhebliches Risiko haben, dass wir eine höhere Zahl von Insolvenzen in unserem Land sehen. Deswegen müssen Sie jetzt zielgerichtet entlasten. Hier tun Sie wesentlich zu wenig, liebe Kolleginnen und Kollegen. Zur Eindämmung der Inflation brauchen wir darüber hinaus eine Erhöhung der Pendlerpauschale, eine zielgerichtete Entlastung – die 300 Euro Klimageld bekommen die Rentner nicht, die Minister schon – sowie auch eine Verlängerung der Laufzeit der Atomkraftwerke. Darüber werden wir heute Abend übrigens namentlich abstimmen. Ich bin gespannt, ob die FDP, die draußen herumrennt und sagt, wir bräuchten sie, diesem Antrag heute zustimmt, liebe Kollegen. Und wir brauchen natürlich ein Vorziehen der dringend notwendigen Abschaffung der kalten Progression. Wenn Sie das nicht tun, machen Sie die Menschen automatisch ärmer. Zum zweiten Thema – Wettbewerbsfähigkeit, Außenhandelsbilanzdefizit –: Wir haben die höchsten Steuern für Unternehmen in der gesamten OECD. Wenn Sie hier nichts tun – bislang haben Sie für den Mittelstand gar nichts gemacht, obwohl die FDP das im Wahlkampf immer angekündigt hat –, dann nehmen Sie den Unternehmen das Geld für notwendige Investitionen, für notwendige Innovation und verhindern so notwendiges Wachstum. Aber wir werden nur mit Wachstum aus dieser Krise herauskommen. Also, wenn Sie nichts tun, machen Sie Unternehmen ärmer. Zudem brauchen wir ein Belastungsmoratorium, und zwar für jedes Gesetz, das Sie auf den Weg bringen. Allein die Regelungen für die 300 Euro Klimageld umfassen elf Paragrafen im Einkommensteuergesetz. Sie belasten mit Bürokratie, Sie belasten mit Mehrausgaben. Hören Sie damit auf! Gerade in der jetzigen Zeit brauchen wir ein Belastungsmoratorium für den deutschen Mittelstand, liebe Kolleginnen und Kollegen. Zum letzten Punkt – Arbeitslosigkeit –: Sie haben – und ich meine das mit allem Ernst – in den letzten Wochen die Aussetzung der Sanktionen in der Grundsicherung beschlossen. Wie soll denn ein Jobcenter jemanden in Arbeit bringen, wenn er keine Sanktionen mehr zu befürchten hat? Wir haben 100 000 Arbeitslose mehr, und gleichzeitig wollen wir Arbeitskräfte aus dem Ausland zuführen, damit wir den Bedarf auf dem Arbeitsmarkt decken. Wie wollen Sie das schaffen? Diese Abkehr vom Prinzip des Forderns und Förderns ist gerade jetzt in dieser Zeit fatal. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir gehen in die Sommerpause. Ich denke, dass wir uns nicht ausruhen können. Sie dürfen sich nicht ausruhen; Sie müssen aus Ihrem Liegestuhl heraus und in der Sommerpause notwendige Entscheidungen treffen, damit wir aus dieser Krise herauskommen. Ansonsten werden wir im Herbst – da mache ich mir wirklich Sorgen – auf erhebliche Probleme stoßen, in allen Bereichen unserer Wirtschaft und bei den Bürgerinnen und Bürgern. Das liegt alleine in Ihrer Verantwortung, liebe Kolleginnen und Kollegen der Ampel. Der letzte Redner in der Debatte ist der Kollege Sebastian Roloff, SPD-Fraktion.
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Erich Irlstorfer CDU/CSU
Erich
Irlstorfer
CDU/CSU
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich nehme mir diese Worte sehr zu Herzen. Zu dem vorliegenden Antrag kann ich nur eins sagen: Ich habe schon ein bisschen das Gefühl, dass man hier im Wesentlichen Dinge aus den Vorhaben der Bundesregierung kopiert, sie dann verpackt und hier neu präsentiert hat. Ich kann nur sagen, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sind doch alle daran interessiert, Lösungen zu finden, und die Menschen so testen, wie es richtig ist, sodass wir sie im Endeffekt schützen. Das ist das, was zählt. Sehr geehrte Kollegin Schulz-Asche, Sie reden hier von einem bayerischen Testdebakel. Es ist ja klar, dass man als Opposition diese Chance nutzt, um Kritik zu üben; aber ich kann Ihnen nur sagen: Uns leitet hierbei nicht der olympische Gedanke – härter, schneller, weiter –, vielmehr geht es um mehr Testungen, es geht um Probetestungen, und vor allem geht es darum, dass sie passgenau sind. Wir möchten Risikogruppen schützen. Diese Tests sind ein Mittel, das uns eine gewisse Sicherheit gibt und nicht nur Sicherheit vorgaukelt. Ich glaube, das ist das Entscheidende. Ich glaube auch, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass uns die Pandemie leider noch länger begleiten wird, als wir es uns vorstellen können. Gerade in der Wissenschaft und in der Forschung – Sie haben das Thema Antigentests und dergleichen angesprochen – werden wir immer dazulernen, egal in welcher Konstellation, ob auf Landes- oder auf Bundesebene. Wir lernen doch täglich, damit zu leben. Wir sind in Wissenschaft und Forschung aktiv. Und dieses Wissen gibt uns doch auch die Möglichkeit zur Veränderung. Das ist doch eine Stärke, wenn man entsprechend reagieren kann. Daran halten wir fest, und wir werden natürlich auch immer wieder neue Programme auflegen. Wir nehmen viel Geld in die Hand, und wir sind der Überzeugung und der Meinung, dass eine Erhöhung der Menge an Tests deutliche Verbesserungen bringt, dass Menschen dadurch geschützt und vor Leid bewahrt werden und somit auch Leben gerettet werden. Das ist unser Ziel, und das treibt uns an. Herzlichen Dank.
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Peter Boehringer AfD
Peter
Boehringer
AfD
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Target2 ist eine Kreditvergabe der Bundesbank – ohne Fälligkeitsdatum, ohne Tilgungspflicht, ohne Obergrenze, ohne Verzinsung. Es sind unbesicherte, nicht bei­treibbare und damit buchhalterisch wertlose Forderungen in Höhe von fast drei Bundesjahreshaushalten. Das Target-System ist faktisch das größte Einzelvehikel der Euro-Rettung. Die Bundesbank leugnet jedoch weiterhin den Risikocharakter dieser Position. Die Euro-Zone wird faktisch als unveränderbar, ja, als unsterblich angesehen, obwohl es überall im Gebälk knirscht. Gestern hat Italien seine Defizitprognose stark erhöht. Die UBS und das „Handelsblatt“ haben eben diese Woche einen Italo-Exit diskutiert. Grenzüberschreitende Zahlungen wurden jahrzehntelang und noch bis 2007 gänzlich ohne Target-Salden vom privaten Interbankenmarkt ausgeführt. Es gab auch vor Target2 eine florierende Handelswelt. Und ja: Wir hatten das hier schon früher ausgeführt. Warum also eine weitere Target-Debatte? Es gibt dafür gleich vier gute Gründe. Erstens. Es zeigt sich aktuell, dass die Erwartung der Bundesbank von 2018 leider falsch war, dass mit dem Ende der Anleihekäufe der EZB auch der Target-Saldo nicht mehr weiter aufwachsen würde. Dem ist nicht so. Es gab einen einmaligen technisch bedingten Saldenrückgang im Januar dieses Jahres. Der aktuelle Märzsaldo liegt nun wieder um 70 Milliarden Euro höher als im Februar: mit 941 Milliarden Euro nun fast wieder auf Allzeithoch. Übrigens hoffte schon die Bundesregierung vor sieben Jahren auf Besserung bei Target2. Staatssekretär Koschyk sagte hier 2012: Die Bundesregierung geht davon aus, dass sich die … Target-Salden … mittelfristig wieder zurückbilden. Seitdem sind sie um Hunderte Milliarden Euro angewachsen. Die Billion ist jetzt in Sichtweite. Die langjährigen Ursachen der Target-Salden, Handelsungleichgewichte als Folge des Euro-Wechselkurskorsetts und Kapitalflucht aus den Euro-Südländern, sind unverändert wirksam. Es hat sich nichts geändert. Zweiter Grund. Die im Herbst 2018 angekündigte Statutenänderung des ESZB zur Neuregelung seiner Zahlungssysteme ist noch nicht vollzogen. Es besteht also weiterhin eine gute Chance für dieses Haus und für die Bundesregierung zur Beteiligung bei der Neuregelung, die wir jetzt endlich ergreifen sollten. Dritter Grund. Es hat sich ein kleiner Fortschritt ergeben: Es wurde immerhin eine Anhörung – schauen wir mal – zu dem Thema in den Ausschüssen angekündigt. Unser heute vorliegender Antrag ist dazu ein Beitrag. Der vierte Grund. Auch in der wissenschaftlichen Debatte ebenso wie beim Bundesrechnungshof und beim Rechnungsprüfungsausschuss wurden nun in jüngster Zeit Stimmen hörbar, die im Target-System ein Risiko auch beim Fortbestand des Euro sehen – eine Sichtweise, die wir schon seit Jahren teilen und einnehmen. Die Target-Forderungen sind in jedem Fall, das heißt nicht erst bei einem Zusammenbruch des Euro-Systems insgesamt, riskant. So besteht etwa bei einem Italo-Exit ein hohes Risiko, wenn die Aktiva der Banca d’Italia und der italienischen Geschäftsbanken aufgrund von ansteigenden Zinsen notleidend würden, während genau dann auch die 490 Milliarden Euro italienischer Target-Verbindlichkeiten zinstragend würden. Italien müsste gerade dann in einer ohnehin kritischen Lage auch noch sehr hohe Target-Zinsen bezahlen. Ein solcher Ausfall würde zunächst bei der EZB und dann anteilig bei der Bundesbank zu einem hohen Milliardenschaden führen. Schon materiell ist im Falle eines Euro-Austritts vollkommen klar, dass die Target-Forderungen der Bundesbank durch Italien und Spanien als größte indirekte Schuldnerstaaten niemals mehr werthaltig zurückgezahlt werden können. Volkswirtschaftlich stehen diese Forderungen voll im Risiko. Übrigens war die Bundesregierung bereits 2012 ehrlicher bei der Risikoeinschätzung. Staatssekretär Kampeter sagte damals: Risiken aufgrund der TARGET2-Salden können sich nur bei Austritt eines Landes aus der Währungsunion manifestieren. Heute wird dieses Verlustrisiko aber geleugnet mit dem Verweis auf die EZB als Gegenpartei der Bundesbank, die ja nie illiquide werden könnte. Das ist das Narrativ. Das ist bei 941 Milliarden Euro unverantwortlich; denn auch für eine EZB gilt: Schon eine Teilabschreibung der Target-Forderungen würde sofort das Eigenkapital der EZB aufzehren. Damit wäre auch die Bundesbank als Gesellschafterin der EZB betroffen. Trotzdem bildet die Bundesbank leider keine Rückstellungen für Ausfälle. Sie könnte dann auf Jahre hinaus keinen Gewinn in den Bundeshaushalt abführen, was den Bundeshaushalt entsprechend belasten würde. Unter Umständen müsste die Bundesbank sogar mit Steuergeld in bis zu dreistelliger Milliardenhöhe rekapitalisiert werden. Der deutsche Steuerzahler würde die Zeche für die Rettung der Euro-Südstaaten bezahlen. Manche sagen jetzt: Die USA haben doch auch ein Target-System. – Das ist korrekt. Aber die EZB hat 1999 eine schlechte Kopie des sogenannten Fedwire-Systems geschaffen. Den praktisch unbegrenzten Risikotransfer, der im europäischen Target-System eingebaut ist, gibt es bei Fedwire nicht. Die Regionalbanken des Fed-Systems müssen jährlich ihre Defizite mit realen Vermögenswerten hinterlegen, formell sogar mit Gold. Und so kommt es im US-Target-System niemals zu solch absurden Verwerfungen wie im EZB-Target-System. Target2 macht fast die Hälfte des deutschen Nettoauslandsvermögens von etwa 2 Billionen Euro aus. Das sind materialisierte Ersparnisse der Deutschen im Ausland. Diese sind zu fast 50 Prozent unverzinst und ausfallgefährdet. Auch Goldkäufe wären deshalb ein guter Weg: Für 941 Milliarden Euro bekommen Sie etwa 25 000 Tonnen Gold oder fast achtmal das offizielle Staatsgold der Bundesbank. Kürzlich hat die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich entschieden, im Rahmen der neuen Basel‑III-Richtlinie künftig auch Gold als Kapital für Banken zu akzeptieren. Das ist neu und eine Chance für die Banken, Eigenkapital bzw. Volksvermögen aufzubauen und zugleich den unsäglich hohen Target-Saldo abzubauen. Gold ist eben doch kein barbarisches Relikt, wie es manchmal in keynesianischen Kreisen heißt. Leider sagt die Bundesbank noch immer: Target-Salden sind keine Forderungen, sondern irrelevante Verrechnungspositionen. – Doch, es sind Kreditforderungen; sonst könnte man sie nicht als solche auf der Aktivseite der Bilanz verbuchen. Die Frage ist übrigens sogar offiziell geklärt: EZB-Chef Draghi hat von Italien verlangt, im Falle eines Austritts seine Target-Verbindlichkeiten zurückzuzahlen. Das ist ganz klar ein Anzeichen für einen Kredit. Natürlich könnte und würde Italien das nicht tun: bei einem Italo-Exit als letzte EU-Morgengabe noch seine 490 Milliarden Euro zu begleichen. Natürlich ist das absurd. Deshalb: Target als risikofreie Verrechnungsgröße abzutun, wie es die Bundesbank tut, kommt einer Ablehnung ordentlicher Bilanzbuchführung gleich und damit einer Leugnung der hinter den Salden stehenden ökonomischen Zusammenhänge. Hier ist ein Verrechnungssystem zu einer für Deutschland unbeherrschbaren, bald billionenschweren Kreditquelle für Ausländer mutiert. Beteiligen Sie sich also im Ausschuss bitte konstruktiv an der Suche nach einer gangbaren Lösung für den deutschen Steuerzahler. Die AfD schlägt mit dem Goldkauf und mit der Wiederbesicherung solcher Forderungen und damit implizit auch einer Wiederverzinsung einige Optionen vor. Es gäbe daneben auch andere, zum Beispiel einen Mittelmeer-Fonds, gespeist aus deutschen Krediten, oder ein großes Investitionsprogramm zur Sanierung deutscher Schulen und Straßen, das aber operativ durch Firmen aus Euro-Südländern durchgeführt werden müsste. Das wäre zwar keynesianisch schuldentreibend, würde aber den sonst wertlosen Target-Saldo der Bundesbank einer guten Verwendung zuführen. Das wäre doch vielleicht sogar etwas für die linken Fraktionen dieses Hauses. Also sprechen wir bitte im Ausschuss und vielleicht auch in der Anhörung darüber. Danke schön. Für die Fraktion der CDU/CSU hat das Wort der Kollege Dr. André Berghegger.
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Tabea Rößner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Tabea
Rößner
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! „Abzocke mit Dispozinsen“ titelte Stiftung Warentest 2013, „Dreister Dispozins“ 2016, und kürzlich schrieb sie: „Die Dispozinsen … sind teilweise … absurd hoch.“ Alle Jahre wieder! Und obwohl wir das Thema immer wieder auf die Tagesordnung gesetzt haben: Geschehen ist herzlich wenig. Dabei geht es nicht nur um die schwarzen Schafe unter den Banken, die Verbraucher mit Dispozinsen in Höhe von sagenhaften 13,7 Prozent abzocken. Auch der durchschnittliche Dispozins ist viel zu hoch: aktuell über 9,7 Prozent. Besonders beschämend finde ich, dass es zu 2014 kaum einen Unterschied gibt, obwohl die Große Koalition versprochen hatte, das Problem endlich anzugehen. Gewundert hat mich das allerdings nicht. Denn was hat der damalige Verbraucherminister Maas unternommen? Statt, wie im Wahlkampf immer wieder angekündigt, den geforderten Dispodeckel einzuführen, gab es: Warnhinweise. Was wir wirklich brauchen – ich glaube, das hat die Debatte hier deutlich gezeigt; da kommen wir zu einer anderen Einschätzung als FDP und Union –, ist eine gesetzliche Regelung, durch die die Dispo- und Überziehungszinsen endlich gedeckelt werden. Ich habe aber noch eine traurige Nachricht: Dispozinsen sind nicht das einzige ungelöste Problem. Es gibt zahlreiche Beispiele, wo Banken den Verbraucherinnen und Verbrauchern das Geld regelrecht aus der Tasche ziehen. Thema Kontoführungsgebühren. Klar, dass Banken für die Führung eines Kontos Gebühren verlangen dürfen. Aber die Kreativität, diese als neue Einnahmequelle umzumodellieren, hat zu einem Wildwuchs an verschiedensten Kontomodellen, Gebühren für Einzelleistungen und absurden Entgelten geführt. Und da werden so selbstverständliche Leistungen wie das Abheben von Bargeld oder Onlinebanking gar nicht mal mit abgedeckt. Konten, die mit niedrigen Gebühren für die Kontoführung attraktiv erscheinen, werden plötzlich zu Kostenfallen. Die Antwort der Bundesregierung darauf: eine Vergleichsplattform. Die sollte es eigentlich – nach dem Zahlungskontengesetz – schon seit Oktober geben. Davon aber bisher auch keine Spur! Und die wird auch nicht viel ändern. Stattdessen brauchen wir faire Bedingungen, damit Kunden einen echten Überblick über die Gebühren haben. Weiteres Beispiel: Restschuldversicherung – eine echte Schuldenfalle für viele Verbraucherinnen und Verbraucher. Da schieben Banken den Kunden völlig überteuerte und überflüssige Produkte mit hohen Provisionen unter, ohne dass das den Verbrauchern klar ist. Ein Zins etwa, der mit 8 Prozent als angemessen erscheint, entpuppt sich mit über 20 Prozent als Wucherzins – die Restschuldversicherung wird nämlich nicht mitberechnet, und die Verbraucherinnen und Verbraucher werden so getäuscht. Die BaFin fand übrigens heraus, dass Banken in über der Hälfte der Fälle mehr als 50 Prozent der Versicherungsprämie als Provision erhalten. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt! Das Problem ist mittlerweile so groß, dass sich jetzt ein „Bündnis gegen Wucher“ gegründet hat, und das fordert – wie auch wir seit Jahren – endlich wirksame Maßnahmen. Auch hier hat die Bundesregierung nur eine weitere Informationspflicht über das Widerrufsrecht nach Vertragsschluss eingeführt. Aber auch das schafft nicht mehr Klarheit. Die Branche zeigt sich erneut kreativ: Das Informationsschreiben sieht wie ein Begrüßungsschreiben aus; so ist das sehr gut getarnt, und die Information kommt bei den Kunden gar nicht an. Wir fordern seit Jahren ein „zweites Preisschild“, das den Effektivzinssatz jeweils mit und ohne Restschuldversicherung ausweist. Auch der Wucherparagraf gehört auf den Prüfstand. Kopplungs- und Bündelungsgeschäfte, die dem Kunden schon objektiv nicht nutzen, müssen verboten werden. Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss. Bei all den Baustellen im finanziellen Verbraucherschutz frage ich mich: Wo ist denn die Verbraucherministerin? Schon in Brüssel? Fakt ist jedenfalls: Die Große Koalition kuscht vor den Banken. Frau Kollegin! Dabei ist es dringend an der Zeit, Verbraucherinnen und Verbraucher endlich vor absurden Gebühren und Wucherpreisen zu schützen. Vielen Dank. Vielen Dank, Frau Kollegin Rößner. – Als Nächster erhält das Wort der Kollege Dr. Heribert Hirte, CDU/CSU-Fraktion.
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Dr.
Dr. Sascha Raabe SPD
Sascha
Raabe
SPD
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Letzte Woche Freitag haben wir hier auch einen Antrag der AfD beraten. Frau Weidel und Herr Gauland waren auch anwesend. Herr Frohnmaier hat dazu geredet und sich empört, als ich erklärt habe, warum es wegen des Klimaschutzes und für den Erhalt des Regenwaldes sinnvoll ist, auch mit Ländern wie Brasilien und Indonesien Entwicklungszusammenarbeit zu machen. Nachdem er gesagt hat, die Gelder würden dann der deutschen Rentnerin verloren gehen, habe ich ihm gesagt, was ein Streichen der Entwicklungszusammenarbeit für arme, hungernde Kinder in Togo und Ghana bedeuten würde, die ich kurz zuvor auf einer Dienstreise gesehen habe. Daraufhin hat er gesagt: Das ist ja unverschämt. Wie können Sie uns unterstellen, dass wir die Entwicklungszusammenarbeit mit Ghana und Togo streichen wollen? – Frau Weidel und Herr Gauland haben sich fürchterlich aufgeregt. Ich sage, die Dreistigkeit zu haben, eine Woche später einen Antrag vorzulegen, der fordert, genau diesen Kindern, diesen Menschen in Subsahara-Afrika, den ärmsten Menschen der Welt, die Mittel zu streichen, ist unerhört. Das können Sie Ihrem Kollegen Frohnmaier auch ausrichten. Er ist ja heute nicht da. Vielleicht ist er in Moskau. Richten Sie ihm das bitte aus. Herr Raabe, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung aus der AfD-Fraktion? Ja, die Kollegen sollen sich ja nicht benachteiligt fühlen. Verehrter Dr. Raabe, müssten Sie nicht zugeben, dass die Nothilfe, die von der Welthungerorganisation, von der UNO, von diversen Unterorganisationen und natürlich auch bilateral von Deutschland geleistet wird, eine ganz andere Geschichte ist als die vor 60 Jahren aufgelegte Entwicklungshilfe, sei es im Rahmen des EEF oder der Entwicklungsdekaden etc.? Keiner bestreitet die Notwendigkeit von und die Bereitschaft zu echter Nothilfe. Wir reden hier aber von einem Strukturwandel, der die Nothilfe zu einer Dauereinrichtung macht und die Probleme nicht beseitigt, sondern zementiert und zum Geschäftsmodell in aller Welt macht. Ich bin sehr froh, dass Sie diese Frage stellen; denn ich gebe nie die Hoffnung auf, dass vielleicht das eine oder andere hängen bleibt, wenn man Ihnen die Dinge ein paarmal erklären kann. Zu dem – das ist das Erste –, was sie zur Nothilfe gesagt haben: Zwischen Entwicklungszusammenarbeit und Nothilfe besteht ein Unterschied. Die Nothilfe kommt vom Auswärtigen Amt; das ist humanitäre Hilfe. Sie sprechen von Strukturwandel. Uns geht es mit der Entwicklungszusammenarbeit darum, eben nicht nur nach einer Klima- oder Wetterkatastrophe Weizen in die entsprechenden Regionen zu liefern, sondern wir wollen langfristig Hilfe zur Selbsthilfe geben, damit Menschen durch gute Bildung, durch Jobs vorankommen. Sie brauchen gute Straßen, über die sie die Märkte erreichen können, damit sie Weiterverarbeitung machen können, vor Ort zum Beispiel aus Kakaobohnen Schokolade herstellen können. Das wollen wir mit der Entwicklungszusammenarbeit erreichen. Das ist natürlich auch Teil des EEF. Es geht eben nicht nur um Nothilfe. – Nein, nein, ich bin noch nicht fertig mit meiner Antwort. Aber bitte nicht mehr so lange. – Herr Weyel, dann stehen Sie noch mal auf. Ich möchte noch weiter ausführen, weil ich schon hoffe, dass Sie es begreifen. – Entwicklungszusammenarbeit bedeutet eben etwas ganz anderes als Nothilfe, und dafür werden wir auch weiterhin Mittel brauchen. Das Nächste, das Sie begreifen müssen – Sie haben die bilaterale Hilfe angesprochen –: Diese afrikanischen Länder haben auch nur eine Administration. Zurzeit geben sich viele Geber ständig die Klinke in die Hand: Japaner, US-Amerikaner, Chinesen und auch die Mitgliedstaaten der Europäischen Union – alle wollen Entwicklungszusammenarbeit machen. Deshalb ist es sinnvoll, dass wir europäisch zusammen mit diesen Ländern Entwicklungszusammenarbeit machen, damit der Bildungsminister von Ghana oder Togo nicht immer 50 Ansprechpartner hat. Eine effiziente Entwicklungszusammenarbeit zeichnet sich dadurch aus, dass man die Sachen bündelt. Wenn Sie in Ihren Antrag geschrieben hätten, dass Sie die Mittel für den EEF, die Sie streichen wollen, wenigstens wieder in die nationalen Haushalte zurückführen wollen, dann hätte man darüber noch reden können. Aber Sie schreiben, dass Sie die Mittel ersatzlos streichen wollen. Und Milliarden Euro für die Ärmsten der Armen ersatzlos zu streichen, ist zynisch und unverantwortlich. Und das machen wir hier nicht mit, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist gut, dass es heute auch Anträge gibt, die sich nicht nur auf die klassische Entwicklungszusammenarbeit beziehen, sondern auch auf die Handelsbeziehungen zwischen der Europäischen Union und Afrika. Denn so wichtig es ist, dass wir mit Entwicklungsprojekten Strukturen schaffen, angefangen mit Bildung, und Menschen in die Lage versetzen, dass sie zum Arzt gehen können etc., so wichtig ist es auch, dass wir für faire Handelsbedingungen sorgen. Im Augenblick sind die Handelsbeziehungen nicht fair. Wir haben ein System, das vor allem Agrarrohstoffe oder Mineralien aus dem Bergbau aus Afrika nach Europa und in die Industrieländer befördert. Durch die Weiterverarbeitung werden hier hohe Profite erzielt. Derjenige, der vor Ort Kaffee- oder Kakaobohnen anbaut, bekommt nur wenig. Und das müssen wir ändern. Das ist übrigens auch ein großes Thema im Hinblick auf die Entwaldung. Wir haben diese Woche im Ausschuss ein Expertengespräch gehabt, in dem gesagt wurde, dass 70 bis 80 Prozent der jährlichen Entwaldung weltweit darauf zurückzuführen sind, dass Wälder für Agrarflächen abgeholzt werden und zum Beispiel Soja angebaut wird, das dann wiederum als billiges Tierfutter nach Deutschland und Europa kommt. Das sind eigentlich die Schrauben, an denen man drehen muss. Ich hätte mir einen Antrag zum Landwirtschaftssubventionsfonds der Europäischen Union gewünscht, nicht zum Europäischen Entwicklungsfonds. Den müssen wir kürzen, da müssen wir ran, um eine faire Landwirtschaftspolitik in der Europäischen Union zu betreiben. Es darf nicht länger sein, dass subventionierte Lebensmittel, die wir hier herstellen, zu deren Erzeugung Regenwälder für den Anbau entsprechender Futtermittel abgeholzt werden, etwa Fleisch oder weiterverarbeitete Produkte, auch Milch, in Entwicklungsländer zurückfließen und, weil sie billig sind, dort die lokalen Märkte zerstören. Deswegen glauben wir, dass das, was die Europäische Union jetzt mit den neuen Wirtschaftspartnerschaftsabkommen vorgeschlagen hat, nicht der richtige Weg ist. Vielmehr sollten wir schauen, dass wir im Rahmen einer neuen afrikanischen Freihandelszone, die sich im Aufbau befindet, mit dem gesamten Kontinent eine Vereinbarung abschließen. Ich habe in Ghana mit dem dortigen Wirtschafts- und Handelsminister vor zwei Wochen ein langes Gespräch geführt. Er sagte unter anderem, er fühle sich von der Europäischen Union erpresst; er fühle sich in dieses Freihandelsabkommen reingezwungen, und es bereite ihm große Sorge für den Mittelstand und die Wirtschaft. Ich glaube, es wäre besser, die Präferenzsysteme weiter auszudifferenzieren. Das wäre auch WTO-konform. Dann können wir auch darauf achten, dass Menschenrechte und Arbeitnehmerrechte dort eingehalten werden. Denn es kann nicht sein, dass Kinderarbeit dort noch an der Tagesordnung ist. Wenn Produkte nach Deutschland geliefert werden, dann muss sichergestellt sein, dass Menschenrechte eingehalten werden, dass die Produkte ohne Kinderarbeit hergestellt wurden, dass eine faire Entlohnung der Menschen erfolgt. Da müssen wir auch mal schauen, ob wir nicht diese ganzen Kartelle aufbrechen können, die auch die Preise für Kaffee und Kakao weltweit so niedrig halten. Herr Raabe, das machen wir jetzt nicht mehr. Wir brauchen fairen statt freien Handel, meine sehr verehrten Damen und Herren. Und wir brauchen die Einhaltung der Redezeit. Vielen Dank. Danke, Sascha Raabe. – Letzter Redner in der Debatte: Uwe Feiler für die CDU/CSU-Fraktion.
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Till Mansmann FDP
Till
Mansmann
FDP
Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Nicht alles am vorliegenden Gesetzentwurf ist schlecht. Dass Sie zum Beispiel Handwerksbetriebe entlasten, indem Sie die Einstufung von Handwerksfahrzeugen neu bewerten, das begrüßen wir Freien Demokraten. Auch dass Sie uns von den rechtlichen Artefakten befreien, die Minister Scheuers Mautdebakel hinterlassen hat, ist eine gute Entscheidung. Aber was die Bewertung insgesamt angeht: Hatten wir nicht alle gesagt, dass wir nach Corona etwas anders machen? Hatten wir nicht alle gesagt: „Da verändern wir das Land mit unbürokratischen, modernen Konzepten; da verbinden wir unsere Wirtschaftskraft besser mit sozialem Ausgleich, Klimaschutz und Digitalisierung“? Hören Sie einfach mal, was der Bundesrechnungshof zu Ihrem Gesetz sagt: Es handele sich bei diesem Gesetz um – Zitat – „keine konsequente CO2-bezogene Reform der Kfz-Steuer“. Vielmehr blieben die – Zitat – „tatsächlichen CO2-Emissionen des Fahrzeugs … unberücksichtigt“, während es zu einem – Zitat – „Verlust der Systematik bei der Kraftfahrzeugbesteuerung“ komme. Das sind die Ideen, mit denen Deutschland endlich im 21. Jahrhundert ankommen soll? Es ist ja nicht so, dass Ihnen das nicht bewusst wäre. Auf meine schriftliche Einzelanfrage zur sachlichen Herleitung Ihrer vorgeschlagenen Maßnahmen teilte mir die Bundesregierung mit, dass – Zitat – „Fahrbedingungen, Fahrleistung und Fahrweise als wesentliche Einflussfaktoren auf reale Abgasemissionen … kraftfahrzeugsteuerrechtlich … ebenso wie aus den realen Abgasemissionen resultierende Schadenbetrachtungen ohne Belang“ sind. Sorgen Sie dafür, dass künftig nicht das Halten eines Fahrzeuges, sondern die tatsächliche Inanspruchnahme belastet wird. Es ist Zeit, Schluss zu machen mit dem bunten bürokratischen Mix aus Öko- und Pkw-Stillstandssteuern und stattdessen wirksamen Klimaschutz durch einen marktwirtschaftlichen Preis auf CO2 als zentrales Steuerungsinstrument in allen Sektoren einzuführen, am besten europaweit. Herr Kollege Tebroke, Sie sagen, wir seien nicht so weit. Ich sage Ihnen: Wir sind jetzt so weit. Wann, wenn nicht jetzt? Bei der Automobilindustrie fahren wir eine komische Strategie. Wir zwingen sie mit Überregulatorik in die Knie, und dann subventionieren wir sie aus Steuereinnahmen, die gar nicht mehr so gut fließen, weil die Industrie ja fast kaputt ist. Stattdessen müssen wir doch eine technologieneutrale Grundstruktur in die Steuer bringen. Aber was passiert bei uns? Sie belegen die Bürger mit einem undurchsichtigen Abgabennetz: Stromsteuer, Kfz-Steuer, Energiesteuer obendrauf, hier und da noch die Umsatzsteuer usw. Damit erreicht man keinen Klimaschutz, sondern wilde Steuererhöhungen durch die Hintertür, und das ist das, was hier eigentlich passiert. Das hat mit gerechter Steuerpolitik nichts zu tun, das hat mit gesunder Klimapolitik nichts zu tun, das hat mit sinnvoller Verkehrspolitik nichts zu tun. So kommt unser Land nicht im 21. Jahrhundert an. Geben Sie sich doch einen Ruck, und legen Sie uns mal ein mutiges Konzept vor, das dem von uns allen formulierten Anspruch wirklich gerecht wird. Wir haben gesagt: Nach Corona wird die Politik besser. – Jetzt, während der Coronapandemie, muss das anfangen. Einen Moment, Herr Kollege Cezanne. Wir müssen noch Reinigungsarbeiten vornehmen. – Der nächste Redner ist für die Fraktion Die Linke der Kollege Jörg Cezanne.
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Peter Felser AfD
Peter
Felser
AfD
Vielen Dank. – Herr Präsident! Verehrte Kollegen! Und vor allem: Liebe Bauern, die Sie jetzt hoffentlich schon im wohlverdienten Schlaf sind und diesen Antrag nicht mit ertragen müssen! Denn es ist schon symptomatisch, Herr Kollege von der Marwitz, wie lustlos Sie an dieses Thema rangehen. In anderen Ländern ist die Digitalisierung das Thema Nummer eins, in anderen Ländern hat dieses Thema Priorität eins – und hier wird das zu mitternächtlicher Stunde mal kurz angerissen. In Ihrer Lageanalyse haben Sie viele richtige Dinge geschrieben. Ein Ziel, so heißt es hier, müsse es sein, dass wir die Landwirte flächendeckend mit präzisen Informationen versorgen, ein anderes Ziel, dass wir die Landwirte nicht abhängig machen dürfen von Großkonzernen. Ja, natürlich, wir brauchen standardisierte Datenformate, offene Datenmanagementsysteme, unabhängig von den großen Playern, den Agrarkonzernen. Aber, Herr von der Marwitz, es ist doch leider schon so, dass die Großkonzerne die Daten der Landwirte haben, da hinken wir doch hinterher. Und dann reden Sie von einer Ackerbaustrategie der Bundesregierung – da warten wir ja drauf –, die jetzt bald vorliegen soll und in der ebenfalls eine umfassende Digitalisierungsstrategie gefordert wird. Aber das Kernstück in Ihrem Antrag ist ja ein reines Forschungsprojekt. Sie wollen jetzt, tatsächlich im Jahr 2019, damit beginnen, zu forschen. Na, herzlichen Glückwunsch! Herauskommen soll dann eine Klärung, wie und ob man eine Agrarmasterplattform einrichten könnte – alles im Konjunktiv, alles im Ungewissen, alles in eine ferne Zukunft verschoben. Warum? Kein Wort darüber in Ihrem Antrag, wie Sie später überhaupt an die Landwirte andocken wollen. Kein Wort darüber, wer das Ganze später entwickeln soll. Wer wird diese Plattform eigentlich betreiben? Und das Wichtigste: In welchem zeitlichen Rahmen soll denn diese Agrarplattform kommen? Kein Wort davon in Ihrem Antrag. Liebe Kollegen von der Koalition, kümmern Sie sich doch erst einmal um eine ordentliche Netzabdeckung im ländlichen Raum! Da sind wir weltweit auf Platz 33, weit hinter Ländern wie Polen oder Mexiko. Das kann doch nicht wahr sein! Sie sprechen in Ihrem Antrag von der Landwirtschaft 4.0. Wir sind in Deutschland nicht einmal auf dem Stand 2.0. Das ist doch lächerlich im internationalen Vergleich, das sollte heute, im Jahre 2019, doch längst umgesetzt sein. Schon Helmut Schmidt hat vom Breitbandausbau gesprochen. Was Sie hier heute wieder vorlegen, ist Ihr altes Muster, leider. Das Höfesterben in Deutschland geht weiter. Sie bezeichnen es euphemistisch als „Strukturwandel“. Die kleinen und mittleren Betriebe werden von dieser Digitalisierungsstrategie gar nichts haben. Mit dem Ansatz, erst einmal zu forschen – mit dem Forschen zu beginnen –, verspielen wir für die Zukunft der deutschen Landwirtschaft wichtige Jahre. Liebe Kollegen, die Digitalisierung ist so wichtig, wir sollten sie nicht um Mitternacht anreißen, sondern dieses Thema wirklich anpacken. Da sind wir gerne dabei – aber so nicht. Danke schön. Das Wort hat der Kollege Rainer Spiering, SPD-Fraktion.
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Stefan Schmidt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Stefan
Schmidt
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Seit ganzen 18 Monaten wissen wir: Die Grundsteuer ist verfassungswidrig. Und erst seit wenigen Monaten beraten wir Abgeordnete über eine neue Grundsteuer. Mehr als ein ganzes Jahr lang liefen die Gespräche und Verhandlungen im Hinterzimmer. Das war schlechter Stil. Das hat den Prozess nur erschwert. Das hat zu erheblichen Sorgen vieler Bürgermeisterinnen und Bürgermeister geführt, und das zu Recht; denn wir reden hier über nicht weniger als 15 Milliarden Euro, mit denen Schulen, Schwimmbäder und Kulturangebote finanziert werden, also das gesamte Sozialleben einer Kommune. Nun ist es aber endlich geschafft. Das Grundsteuer-Reformgesetz steht. Endlich können die Kommunen aufatmen und auch weiterhin mit den Einnahmen rechnen. Ein großer Wurf ist das Gesetzespaket gleichwohl nicht geworden. Mit dem ersten Manko dürfen sich die kommunalen Wohnungsunternehmen herumschlagen, wenn sie künftig eine niedrigere Grundsteuermesszahl in Anspruch nehmen wollen. Um zum Beispiel mehr Sozialwohnungen bauen zu können, müssen sie einen Gewinnabführungsvertrag mit den Kommunen nachweisen. Die kommunalen Spitzenverbände haben in der Anhörung klipp und klar gesagt, dass es so was in keiner einzigen Kommune in Deutschland gibt. Die Regelung läuft also vollkommen ins Leere. Aber statt die Formulierung einfach aus dem Gesetz rauszulassen, hält die Bundesregierung, halten die Koalitionsfraktionen an dieser sinnlosen Forderung fest. Ganz ehrlich: Schade! Eine der großen Ungerechtigkeiten rund um die Grundsteuer bleibt wohl leider erhalten. Sie muss nämlich weiter von den Mieterinnen und Mietern gezahlt werden. Ja, auch Sie haben etwas von den Grundsteuereinnahmen. Sie nutzen schließlich die Infrastruktur der Kommune. Aber Vermieterinnen und Vermieter profitieren doppelt: Zum einen können sie höhere Mieten erzielen – das wurde hier ja auch zu Recht dargestellt –, zum anderen steigt der Wert der Immobilie. Es ist völlig absurd, dass die Bundesregierung die Umlagefähigkeit der Grundsteuer auf Mieten nicht abschaffen will. Wir Grüne wollen das ändern. Ringen Sie sich durch, und stimmen Sie nachher unserem Gesetzentwurf zu. Die Umlage der Grundsteuer auf Mieterinnen und Mieter ist und bleibt ungerecht. Aber das muss nicht so bleiben. Das können wir hier ändern. Lassen Sie mich zurückkommen zu den eigentlichen Grundsteuergesetzentwürfen. Die FDP hat im letzten Moment auf stur gestellt. Das hätte den Kompromiss zur Grundsteuer fast noch gekippt. Und warum? Sie wollte unbedingt kleine kosmetische Änderungen, Korrekturen am Gesetzentwurf durchsetzen. Diese Änderungen sind zwar nicht weiter tragisch, aber eben auch nicht weiter wirklich relevant. Oder auf gut Bayerisch gesagt: Nutzt’s nix, so schad’s nix. Für das größte Manko allerdings an diesem Kompromiss sorgte wie so häufig die CSU. Die CSU hat es wieder einmal geschafft, eine Extrawurst für sich herauszuholen, diesmal mit der Länderöffnungsklausel, nur um das ungerechte Flächenmodell in Bayern einführen zu können. Mit der Länderöffnungsklausel öffnet die Bundesregierung Tür und Tor für einen Flickenteppich aus bis zu 16 verschiedenen Grundsteuern. Ich bin überzeugt: Wir brauchen keine Öffnungsklausel. Das Bundesmodell ist das verständlichere und gerechtere Modell für die Bürgerinnen und Bürger. Und sonderlich kompliziert ist es auch nicht; das wurde in der Anhörung auch deutlich. Hier müssen Sie, werte Kolleginnen und Kollegen aus der Union und der FDP, sich endlich auch einmal ehrlich machen. Wenn wir eine aufkommensneutrale Grundsteuer wollen – und alle wollen sie –, dann bedeutet das, dass die Kommunen durch ihr Hebesatzrecht am Ende genauso viel einnehmen wie bisher. Es wird aber zu individuellen Lastenverschiebungen kommen. Einige werden zwangsläufig mehr, andere weniger zahlen. Dieses Phänomen wird es bei allen Modellen geben, egal wie einfach oder komplex sie am Ende sind. Die Länderöffnungsklausel wird das nicht lösen können. Und dann werden einige Bürgerinnen und Bürger trotz Ihres Flächenmodells mehr Grundsteuer zahlen müssen als bisher und in vielen Fällen auch mehr, als sie nach dem Bundesmodell bezahlen müssten. Seien Sie so ehrlich, und sagen Sie das den Menschen. Sie werden erklären müssen, warum man für ein heruntergekommenes Häuschen auf dem Land mehr Grundsteuer zahlen muss als für eine Stadtvilla. Die Kritik der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, von Stadt- und Gemeinderäten ist jetzt schon hörbar. Dieser Kritik werden Sie sich stellen müssen. Der Kompromiss zur Grundsteuer enthält aber auch erfreuliche und gute Punkte. Besonders zufrieden bin ich mit der Einführung und Ausgestaltung der Grundsteuer C. Sie ermöglicht den Städten und Gemeinden, der Bodenspekulation einen Riegel vorzuschieben. Das ist dringend notwendig. Ich freue mich auch, dass auf unser Bemühen hin künftig nicht nur Kommunen mit Wohnungsnot die Grundsteuer C anwenden dürfen, sondern alle; denn gerade im Rahmen einer aktiven Stadtentwicklung kann die Grundsteuer C ein geeignetes Instrument für alle Kommunen sein. Noch besser wäre es natürlich gewesen, hätte es mir gefallen, wenn das Gesetz zur Grundsteuer C sofort und nicht erst in fünf Jahren zur Anwendung gekommen wäre. Aber besser spät als nie! Unterm Strich muss ich sagen: Wir sind nicht mit allen Punkten glücklich. Man hätte es besser machen können. Aber uns Grünen war und ist wichtig, dass die Kommunen endlich Sicherheit haben über ihre Einnahmen und nicht weiter bangen müssen. Deshalb werden wir dem Gesetzentwurf heute auch zustimmen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Jetzt hat das Wort der Kollege Dr. Hans Michelbach, CDU/CSU.
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Thorsten Frei CDU/CSU
Thorsten
Frei
CDU/CSU
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man fragen würde, wie man sich Normalität zurückwünschen würde, dann würden wahrscheinlich viele sich die Situation von Anfang letzten Jahres wünschen. Wir erleben das natürlich in den Gesprächen mit den Bürgerinnen und Bürgern und auch an uns selber, wie die Pandemie zu schaffen macht und wie die Pandemie auch müde macht. Wenn man das mit einem Marathon vergleichen wollte, dann müsste man vielleicht sagen: Wir sind jetzt bei Kilometer 38, da, wo den Marathonläufer die typische Krise erfasst und wo er glaubt, es gebe überhaupt kein Ende mehr, obwohl in 3 Kilometern das Licht am Ende des Tunnels zu sehen ist. Dieses Licht am Ende des Tunnels heißt bei uns: Impfen. Das ist das Impfen! Wie man sich hierhinstellen und sagen kann: „Wo ist denn der Turbo?“, wo wir vorgestern 738 501 Impfungen in Deutschland hatten, das ist mir schleierhaft. Wir impfen, und wir legen zu, und das ist das Licht am Ende des Tunnels. Aber die Wahrheit ist halt eben auch: Alleine zu impfen, reicht nicht. Da kann man den Blick beispielsweise nach Israel wenden, nach Großbritannien, in die USA oder jetzt auch nach Chile, die alle eine höhere Impfquote haben als Deutschland und voll in der dritten Welle sind. Das allein reicht nicht. Deswegen ist es unverantwortlich, wenn wir jetzt nicht die notwendigen Begleitmaßnahmen ergreifen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Zum Stichwort „Impfen“: Ich fand es total interessant, dass hier der Fraktionsvorsitzende der sozialistischen Fraktion die USA als leuchtendes Vorbild beim Impfen hinstellt. Wir sind diejenigen, die Verantwortung nicht nur für uns selbst übernehmen, sondern auch für andere Länder. Die USA tun das nicht. Darüber kann man denken, wie man will. Aber dass die sozialistische Fraktion genau das als leuchtendes Beispiel hervorhebt, ist an Linkspopulismus wirklich nicht zu überbieten. Das war eine schlimme Rede, lieber Herr Bartsch, die Sie hier gehalten haben. Ich will an dieser Stelle noch etwas anderes sagen. Sie stehen hier und sprechen von der Abrissbirne für den Parlamentarismus, wo wir hier ein Gesetz vorlegen, das dem Parlament so viele Möglichkeiten gibt wie nie zuvor. Wir regeln mit einem bundesunmittelbaren Gesetz. Wir sorgen mit einer Regelung für Rechtsverordnungen dafür, dass der Bundestag diesen zustimmen muss. Mehr Parlamentarismus geht doch überhaupt nicht. Sagen Sie doch mal, wie Sie es denn eigentlich gerne hätten! Nichts, aber auch gar nichts haben Sie dazu gesagt. Herr Kollege Frei, der Kollege Ernst würde gerne eine Zwischenfrage stellen. Gerne. Herr Kollege Ernst. Ich dachte, der Herr Ernst wollte eine Frage stellen. Er hat auch das Wort dazu. Die kommt schon noch, Herr Frei. – Ich muss Ihnen sagen: Dieses Gesetz, das hier vorgelegt wird, besagt letztendlich nichts anderes, als dass der Bundestag beschließen soll, dass die Regierung in dieser Frage machen kann, was sie will. Insofern ist es alles andere als eine Stärkung des Parlaments, sondern es ist nichts anderes als das, dass die Regierung einen Freibrief für Maßnahmen kriegt, die höchst umstritten sind. Auf eines möchte ich Sie mal aufmerksam machen. Sie wissen ganz genau, dass wir verschiedene Kontakte haben, die tatsächlich zu mehr Infektionen führen. Wir haben die Industrie, wir haben die Wirtschaft. Da gibt es faktisch null Beschränkungen. Sie sind nicht mal in der Lage, in dieses Gesetz reinzuschreiben, dass man doch bitte schön testen muss, bevor man sich am Arbeitsplatz aufhält und bevor man sich möglicherweise so verhält, dass man andere ansteckt. Warum schreiben Sie das nicht rein? Wissen Sie was? Ich kann es Ihnen sagen: weil Sie den Unternehmerverbänden im Hintern hängen. Das ist die Tatsache. Das ist deshalb so schlimm, Herr Frei, weil ich, wenn ich hier zum Einkaufen gehe, einen Test brauche, dass ich ins Kaufhaus gehen kann; sonst komme ich gar nicht mehr rein. Wenn ich in den Einzelhandel gehe, brauche ich einen Test, sonst komme ich gar nicht rein. Aber bei der Industrie, wo sich täglich 40 Millionen abhängig Beschäftigte tummeln und andere anstecken können, drücken Sie die Augen zu und sagen: Die sollen doch machen, was sie wollen. – Unmöglich! Deshalb ist Ihr Gesetz insgesamt unmöglich. So kann man das nicht machen, Herr Frei. Herr Kollege Ernst, bleiben Sie bitte stehen. So sind die Regeln hier. Herr Kollege Ernst, ich will die Frage gerne beantworten. Sie sollten vielleicht sehen, dass wir nicht nur das Vierte Bevölkerungsschutzgesetz machen, sondern auch eine Reihe von anderen Gesetzen, wo wir auch Regelungen im Bereich des Arbeitsrechtes und des Schutzes am Arbeitsplatz treffen. Zum zweiten Teil Ihrer Frage. Wie kommen Sie eigentlich auf die Idee, dass wir hier ein Gesetz machen, das einen Freibrief für die Bundesregierung bedeutet? – Nein, wissen Sie, dass die Zwischenrufe von Ihnen kommen, wundert mich nicht. Vor wenigen Wochen haben genau Sie so argumentiert, wie das der Herr Ernst jetzt macht. Nur: Falsch bleibt falsch. Falsch bleibt falsch! Wir möchten gerne in das Infektionsschutzgesetz einen § 28b einfügen. Im Absatz 1 stehen zehn Maßnahmen drin. Das hat nicht die Bundesregierung entwickelt; das haben die Bundestagsfraktionen der Union und der SPD vorgeschlagen, und sie stellen das hier heute und am kommenden Mittwoch zur Abstimmung. Das entscheidet das Parlament. Im Absatz 6 steht eine Verordnungsermächtigung drin, und zwar mit dem Zustimmungsvorbehalt von Bundesrat und Bundestag. Was ist denn daran ein Freibrief für die Bundesregierung? Wenn Sie ins Gesetz schauen, dann sehen Sie, dass das, was Sie hier sagen, nichts, aber auch rein gar nichts mit der Wahrheit zu tun hat. Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, das, was wir hier vorlegen, ist ein Mix unterschiedlicher Maßnahmen, weil wir ganz genau wissen, dass nicht eine einzige Maßnahme die Wirkung erzielen wird, sondern nur die Summe dieser Maßnahmen. Wenn Sie jetzt hingehen und einzelne Maßnahmen herausgreifen, diskreditieren und mit Gutachten kommen, die Ihnen gerade in den Kram passen – das hat auch die FDP gemacht, das hat der Herr Lindner gemacht –, dann ist das einfach nicht in Ordnung, sondern dann sollten Sie das gesamte Bild zitieren. Wir haben sehr gute Gutachten beispielsweise aus Kanada. Da hat man die Provinzen Quebec und Ontario untersucht. In Quebec gibt es eine Ausgangsbeschränkung. Da hat man festgestellt, dass im Vergleich zur Provinz Ontario die Bewegungen um 31 Prozent zurückgegangen sind. Das führt dazu, dass die Reproduktionsquote um 13 Prozent zurückgeht. Und wenn die Reproduktionsquote zurückgeht, führt das wiederum dazu – nicht durch die Ausgangsbeschränkungen alleine, aber durch die Ausgangsbeschränkungen in einem Bündel von Maßnahmen –, dass wir damit erreichen, dass das Gesundheitssystem entlastet wird und insbesondere die Intensivstationen. Es ist doch offensichtlich – das hat hier noch keiner bestritten –, dass wir die Hilferufe der Notfall- und Intensivmediziner nicht in den Wind schlagen dürfen. Wir haben ständig steigende Belastungen auf den Intensivstationen. Der Höchststand von 6 000 Intensivpatienten mit Covid-19 wird wahrscheinlich noch in diesem Monat erreicht. Deswegen war der einzig richtige Satz in der Rede von Herrn Bartsch, dass wir zehn nach zwölf und nicht zehn vor zwölf haben. Das ist zutreffend, das ist richtig. Daraus muss man doch auch Konsequenzen ziehen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben heute die erste Lesung dieses Gesetzentwurfs. Das ist eine ziemlich impulsive Debatte, die wir hier erleben. Das ist auch vollkommen in Ordnung. Aber ich möchte einfach dazu aufrufen, dass wir uns alle zusammenreißen und vor dem Hintergrund dieser Analyse, die ja weitestgehend geteilt wird, in den nächsten Tagen daran arbeiten, dieses gute Gesetz noch besser zu machen. Auch hier sage ich wieder: Wir reichen Ihnen ausdrücklich die Hand. Wir wollen gemeinsam mit Ihnen schauen, wie wir dieses Gesetz noch besser und noch effektiver machen können. Natürlich, Frau Göring-Eckardt, gibt es Ansatzpunkte, wo man etwas tun kann. Sie haben das Thema Schulen angesprochen. Ja, das, was da geplant ist, ist noch keine gute Lösung. Das können wir noch besser machen. Und an der einen oder anderen weiteren Stelle wird es genauso gehen. Wir müssen natürlich sehen: Am Ende braucht jedes Gesetz hier im Deutschen Bundestag eine Mehrheit. Wie schwierig das ist, das zeigt auch die heutige Debatte. Im Übrigen – gerichtet an die Bundesratsbank – zeigt die Debatte in dieser Woche wie wohl auch die in den nächsten Tagen, dass es auch die Ministerpräsidenten in den letzten Wochen und Monaten nicht leicht hatten, dass es halt einfach eine objektiv schwere Aufgabe ist, diese unterschiedlichen Zielkonflikte aufzulösen. Aber das ist jetzt unsere Verantwortung, und diese Verantwortung gibt uns auch unsere Verfassung. Das sollte man an der Stelle nicht vergessen. – Ach so, ich verstehe jetzt, was der Präsident mir signalisieren will. Deswegen komme ich zum Ende und sage: Hier liegt ein guter Gesetzentwurf vor. Wir sollten hart daran arbeiten, das Gesetz weiter zu verbessern. Dafür bitte ich um Ihre Unterstützung und Ihren konstruktiven Beitrag. Herzlichen Dank. Der Kollege Spaniel hatte sich zu einer Zwischenfrage gemeldet, aber wenn die Redezeit eines Redners zu Ende ist, erteile ich nicht mehr das Wort zu Zwischenfragen. Jetzt hat das Wort als nächste Rednerin die Kollegin Dr. Frauke Petry.
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Dr.
Dr. Alice Weidel AfD
Alice
Weidel
AfD
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! ... nach der vertraglichen Regelung – zum Euro – gibt es keine Haftung der Gemeinschaft für Verbindlichkeiten der Mitgliedstaaten und keine zusätzlichen Finanztransfers. Das sind die Worte Helmut Kohls aus der Bundestagsdebatte vom 23. April 1998. Die CDU-Wahlwerbung zur Europawahl 1999 proklamierte auf die Frage, ob Deutschland für die Schulden anderer Länder aufkommen müsste – ich zitiere –: Ein ganz klares Nein! Der Maastrichter Vertrag verbietet ausdrücklich, dass die Europäische Union oder die anderen EU-Partner für die Schulden eines Mitgliedstaates haften. So hat man es den Wählern versprochen. Kein Euro-Land darf für die Schulden eines anderen Mitgliedstaates haftbar gemacht werden: So steht es in den Verträgen. Dies war ein zwingender und elementarer Grundsatz bei der Gründung der Europäischen Währungsunion. Offensichtlich ist es Ihnen, die hier schon länger sitzen, herzlich egal, was Sie den Bürgern versprechen; denn sonst hätten Sie nicht den fatalen Griechenland-Rettungspaketen und den diversen Rettungsschirmen zugestimmt. Der deutsche Steuerzahler muss enorme Haftungsrisiken tragen und daneben mit seinem hart erarbeiteten Geld marode Banken und Staaten retten, weil diese schlecht gewirtschaftet haben. Als Dank schwindet sein Erspartes durch die Negativzinspolitik dahin, und auch die Zukunft seiner Rente ist dadurch massiv gefährdet. Diese Politik ist unverantwortlich. Was hier geschieht, ist nicht nur unmoralisch, es ist rechtswidrig. Artikel 123 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union verbietet die Finanzierung eines Staates durch die Zentralbank ausdrücklich. Auch das Bundesverfassungsgericht hat dies jüngst in einer Entscheidung bekräftigt. Die Bundesregierung scheinen Urteil und Verträge jedoch gar nicht interessiert zu haben. Man bastelt lieber bereits in Hinterzimmern, um Debatten und Abstimmungen im Plenum zu umgehen. Ich frage Sie ganz ehrlich: Haben Sie alle eigentlich überhaupt gar kein Unrechtsbewusstsein mehr? Diesem nicht hinnehmbaren Zustand wird sich die AfD, die Alternative für Deutschland – und dafür sind wir angetreten –, mit aller Kraft entgegenstellen. Wir werden nicht widerspruchslos zusehen, wie man uns weiter vor vollendete Tatsachen stellt und die Bürger kalt enteignet. Die Reden von Angela Merkel, Wolfgang Schäuble, Juncker und Emmanuel Macron lassen keinen Zweifel mehr daran, dass die geplante Marschroute des Euro-Raumes folgende ist: dauerhafte Vergemeinschaftung der Schulden, ein Euro-Finanzminister mit einem eigenen Budget – hauptsächlich finanziert vom deutschen Steuerzahler, versteht sich – und ein eigenes Euro-Zonen-Parlament. Von Gewaltenteilung ist überhaupt gar keine Spur mehr. Sehr geehrte Damen und Herren, das ist ein Skandal, und Sie haben das zu verantworten. Der Euro sollte dazu führen, dass Europa zusammenwächst. Von einem wahren Friedensprojekt sprach einst Helmut Kohl. Die traurige Wahrheit aber ist – und das wissen Sie alle –: Der Euro hat Europa auseinandergerissen. Die AfD-Fraktion bringt heute ihren ersten Sachantrag in den Deutschen Bundestag ein, sehr geehrte Damen und Herren. Wir wollen, dass das Verfassungs- und EU-Vertragsrecht, das Ihnen offensichtlich fremd ist, wieder eingehalten wird. So sieht es nämlich aus. Wir wollen damit den Bürgern, den Steuerzahlern, den Sparern und den zukünftigen Generationen eine Stimme geben, die ihnen in den Jahren der unverantwortlichen Euro-Dauerrettung genommen wurde. Wir fordern deshalb, gegen sämtliche EZB-Beschlüsse zum munteren Gelddrucken und zur Vermögensvernichtung endlich Klage einzureichen. Die Anleihenkaufprogramme sind verfassungswidrig, und sie verstoßen gegen europäisches Vertragsrecht, sehr geehrte Damen und Herren. Dazu muss der ewigen Euro-Rettung mittels der ­TARGET2-Salden endlich ein Ende gesetzt werden. Mit dem Abnicken sämtlicher Pseudohilfsprogramme haben Sie, werte Damen und Herren der Fraktionen, die schon länger hier sitzen, unserem Staat und den deutschen Steuerzahlern bereits einen immens hohen Schaden zugefügt. Damit muss endlich Schluss sein. Die Bürger haben es satt, eine abgehobene Politik der arroganten Gutsherrenart auszuhalten. Und es muss endlich wieder zur Rechtsstaatlichkeit zurückgekehrt werden. Dafür sind wir angetreten. Vielen herzlichen Dank. Nächster Redner in der Debatte ist für die CDU/CSU der Kollege Eckhardt Rehberg. Lieber Kollege Rehberg, Sie haben das Wort.
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Dr.
Dr. Andrew Ullmann FDP
Andrew
Ullmann
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach sechs Monaten wird ein weiteres Bevölkerungsschutzgesetz hier im Bundestag behandelt. Plötzlich und unerwartet sind wir mittendrin in einer zweiten Pandemiewelle. Jetzt wird reagiert. Jetzt wird gehandelt. – Ein wenig spät in meinen Augen. Trotzdem – das muss ich sagen, aber ich habe leider nur wenige Sekunden Zeit – sind medizinisch wichtige und richtige Punkte angesprochen worden – besser spät als nie –, unter anderem auch die Nutzung von tier- und zahnärztlichen Laboren zur Testung; eine Forderung übrigens, die die FDP-Fraktion bereits vor zwei Monaten gestellt hat. Doch von dem Gesetzentwurf hätte ich viel mehr Antworten erwartet. Zahlen sind wichtig, Zahlen müssen her. Differenziertes Vorgehen ist natürlich essenziell, und dazu brauchen wir valide Zahlen. Doch wer eine Pandemie bekämpfen will, muss Perspektiven geben. Wer eine Pandemie bekämpfen will, braucht auch Regelwerke für bessere Planbarkeit, inklusive belastbarer Hygienemaßnahmen. Wer eine Pandemie bekämpfen will, muss massivste Grundrechtseinschränkungen gut rechtfertigen. Und das fehlt in diesem Gesetzentwurf. Verlassen Sie Ihre Strategie des panischen Reagierens. Fangen Sie an zu agieren, und zwar zeitig und vorausschauend. Herzlichen Dank. Achim Kessler, Die Linke, ist der nächste Redner.
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Kai Gehring BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Kai
Gehring
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir feiern in diesen Tagen ein großartiges Jubiläum. Vor 30 Jahren wurde von den Vereinten Nationen die Kinderrechtskonvention beschlossen. Sie umfasst 54 Artikel, in denen die Rechte von Kindern weltweit festgeschrieben sind. Egal woher sie kommen und wo sie leben, egal welchen familiären, ethnischen oder kulturellen Hintergrund sie haben: Alle Kinder sind gleich und gleich an Rechten. Das ist der Kern der Kinderrechtskonvention. Deutschland hat die Konvention 1992 ratifiziert und 2010 endlich den Auslegungsvorbehalt zurückgenommen. Die Kinderrechtskonvention hat damit den Status eines einfachen Bundesgesetzes, und das kann uns allen miteinander doch nicht reichen. Kinderrechte gehören endlich ins Grundgesetz, nicht als symbolpolitische Lyrik, sondern mit Substanz und mit einer starken, bindenden Formulierung, damit das Kindeswohl ein höheres Gewicht erhält. Wir hoffen, dass die Justizministerin hier einen anständigen Entwurf vorlegt; denn wenn wir als Deutschland Kinderrechte in der Welt besser schützen wollen, dann müssen wir vor der eigenen Haustür kehren und ein wirklich kindgerechtes Land werden, ohne Kinderarmut und mit Chancen für alle. In 30 Jahren gab es international Fortschritte für Kinder, aber die weltweiten Verstöße gegen Kinderrechte sind hochdramatisch. 385 Millionen Kinder leben in extremer Armut, 150 Millionen Kinder sind chronisch unterernährt, 420 Millionen Kinder sind von Kriegen und Konflikten betroffen, jeder vierte Todesfall in einem Alter von unter fünf Jahren ist laut WHO auf Umweltverschmutzung zurückzuführen. Diese Liste ließe sich fortsetzen. Das sind skandalös hohe, unfassbar brutale Zahlen, hinter denen einzelne konkrete Schicksale stecken, Zahlen, die nicht nur traurig machen, sondern die uns allen miteinander auch Ansporn sein müssen, sich viel stärker zu engagieren und Kinder in den Mittelpunkt internationaler Politik zu rücken. Deshalb müssen wir jetzt endlich vom Bekenntnis zum Handeln kommen; denn Deutschland hat 2020 eine exponierte Rolle. Wir werden weiterhin dem UN-Sicherheitsrat und ab nächstem Jahr auch wieder dem UN-Menschenrechtsrat angehören, zudem wird die Bundesregierung die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen. Diesen Dreiklang muss die Regierung nutzen, um Kinderrechte weltweit zu verbessern. Deutschland braucht eine menschenrechtsbasierte und endlich auch kindgerechte Außenpolitik. Der Forderungskatalog des grünen Antrags ist lang: Schluss machen mit Ausbeutung und Versklavung, gleiche Chancen für Mädchen und Jungen verwirklichen, Klima- und Umweltschutz verstärken, bessere Gesundheitsvorsorge und Bildungszugänge, Einsatz gegen Kinderarbeit und Kinderprostitution, Schluss mit der lebenslangen Haft von und dem Handel mit Kindern und vieles mehr. Unser Antrag ließe sich eigentlich auch gut fraktionsübergreifend beschließen. Machen Sie also gerne mit! Kinder und Jugendliche selbst sind auch Menschenrechtsaktivistinnen und ‑aktivisten, und Autokraten in aller Welt sehen engagierte junge Menschen als Gefahr. Friedensnobelpreisträgerin Malala wäre wegen ihres Kampfs für Mädchenrechte fast ermordet worden, Greta ist für viele eine Ikone des Klimaschutzes, für manche eine Reizfigur. Wir wollen auf jeden Fall, dass alle Kinder ihre Rechte kennen und sich einbringen können – und das überall –; denn auch Partizipation, Beteiligung, ist Fundament gelebter Kinderrechte hierzulande und weltweit. Die Verabschiedung der Kinderrechtskonvention vor 30 Jahren war fraglos ein großer Schritt. Nach 30 Jahren sollten wir es endlich schaffen, Kinderrechte in Deutschland und weltweit tatsächlich umzusetzen; denn kein Kind kann etwas dafür, wo es zur Welt kommt. Die Würde jedes Kindes muss unantastbar sein – überall und tagtäglich. Vielen Dank. – Als Nächster spricht der Kollege Jürgen Braun für die AfD.
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Manuel Höferlin FDP
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Spätestens alle zehn Jahre steht der Zensus vor der Tür. Das weiß eigentlich auch das Innenministerium. Aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass man mit dem zeitlichen Vorlauf da nicht ganz klarkommt. Dort wurden bereits die Vorbereitungen für das 30-jährige Jubiläum der deutschen Einheit vergessen und die Haushaltsmittel dafür nicht eingestellt. Damit Sie die Vorbereitungen für den Zensus 2031 da nicht verschlafen, haben wir Ihnen in unserem Entschließungsantrag, den wir heute auch debattieren, eine Gedächtnisstütze mit den auf Weg gegeben; dazu komme ich gleich noch. Aber zuerst zu Ihrem Gesetzentwurf. Der Zensus ist europarechtlich verpflichtend. Seine Ergebnisse sind von gesamtgesellschaftlicher Relevanz. Deshalb danke ich Ihnen, Herr Staatssekretär Krings, für das Berichterstattergespräch, das Sie auch mit der Opposition geführt haben. Leider haben unsere Vorschläge und unsere drei Änderungsanträge es nicht in den Gesetzentwurf geschafft. Aber wir nehmen das sportlich. Viel erschreckender finde ich allerdings, dass Sie auch die Anmerkungen des Bundesdatenschutzbeauftragten hinsichtlich einiger Datenschutzfragen missachtet haben. Dabei ist Datenschutz doch in Ihrem Haus verortet – wird aber dort offensichtlich nicht richtig ernst genommen. Wir haben drei Änderungsanträge gestellt. Erstens, die Streichung des Merkmals der Religionszugehörigkeit: Eine Abfrage dieses Merkmals im Rahmen des Zensus halten wir für nicht notwendig. Zweitens, die Konkretisierung des Begriffs der Verwalter; da geht es um eine Rechtsunklarheit bei der Wohnungszählung. Und drittens – das finde ich viel relevanter –, ein Bekenntnis zur gemeinsamen datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit von Bund und Ländern und auch eine Bestimmung dessen, um klar zu sagen: Wer ist datenschutzrechtlich verantwortlich für etwas und wer nicht? Wir hätten Ihrem Vorhaben als gesamtgesellschaftlichem Projekt gerne zugestimmt; aber so reicht es erst mal nur für eine Enthaltung. Was können Sie in Zukunft besser machen? In der öffentlichen Anhörung, in der Diskussion, in den Berichterstatterrunden hatten wir eigentlich Einigkeit, dass wir spätestens 2031 einen registerbasierten Zensus haben müssen. Das erspart nicht nur 10 Millionen Bundesbürgern die Befragung – übrigens 1 Million mehr als das letzte Mal –, sondern spart der Staatskasse auch viel Geld. In der Auftragsstudie des Normenkontrollrates wurde ausgerechnet, dass man knapp 90 Prozent der Kosten sparen könnte. Bei 1,4 Milliarden Euro, die dieser Zensus kostet, wäre das schon eine enorme Summe. Österreich hat es vorgemacht. Wir können da deutlich weiter gehen. Der Präsident des Statistischen Bundesamtes hat gesagt, man braucht acht bis zehn Jahre Vorlauf, um den nächsten Zensus zu organisieren. Wir haben Ihnen in unserem Entschließungsantrag drei Punkte in die Checkliste geschrieben: Wir brauchen ein Eckpunktegesetz, damit Meilensteine definiert werden, wie das laufen soll bis 2031. Die Bundesregierung muss außerdem den Worten in ihrem Koalitionsvertrag Taten folgen lassen und endlich die Registerlandschaft modernisieren; das ist dringend notwendig. Mit den Kosteneinsparungen könnten wir den Zensus dann kosteneffizienter durchführen. Diese „digitale Dividende“ könnten wir für Investitionen zum Beispiel in Digitalprojekte gut gebrauchen. Also lassen Sie uns heute anfangen. Ich bitte Sie um Zustimmung zu unserem Entschließungsantrag, damit das mit dem Zensus 2031 auch pünktlich klappt. Herzlichen Dank. Vielen Dank, Herr Kollege Höferlin. – Der Kollege Dr. André Hahn, Fraktion Die Linke, hat seine Rede zu Protokoll gegeben, was ich deshalb erwähnen möchte, weil er sich dazu erst vor einigen Minuten entschieden hat. Der Kollege Dr. Konstantin von Notz, Bündnis 90/Die Grünen, hat seine Rede zu Protokoll gegeben. Der Kollege Michael Kuffer, CDU/CSU-Fraktion, hat seine Rede ebenfalls zu Protokoll gegeben. – Damit schließe ich die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Durchführung des Zensus im Jahr 2021. Der Ausschuss für Inneres und Heimat empfiehlt in seiner Beschluss­empfehlung auf Drucksache 19/10679, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksachen 19/8693 und 19/9766 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Noch einmal: Wer dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen will, bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Dann ist dieser Gesetzentwurf mit den Stimmen von CDU/CSU-, SPD- und AfD-Fraktion bei Enthaltung der Fraktionen FDP, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke angenommen.2  Anlage 73  Anlage 8 Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Dann stelle ich fest, dass der Gesetzentwurf in der dritten Lesung mit den Stimmen von CDU/CSU-, SPD- und AfD-Fraktion bei Enthaltung der Fraktionen FDP, Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke ohne Gegenstimmen angenommen worden ist. Wir kommen nun zur Abstimmung über die Entschließungsanträge. Entschließungsantrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 19/10712. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist dieser Entschließungsantrag gegen die Stimmen von FDP und Linken mit den Stimmen der Fraktionen von CDU/CSU und SPD bei Enthaltung der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und AfD abgelehnt. Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 19/10713. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist dieser Entschließungsantrag gegen die Stimmen der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke bei Enthaltung der Fraktionen FDP und AfD mit den Stimmen der Fraktionen von CDU/CSU und SPD abgelehnt.
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Alexander Throm CDU/CSU
Alexander
Throm
CDU/CSU
Danke. – Herr Kollege Höferlin, das war ja mehr eine Plenarrede als eine Zwischenintervention. Ich habe aufgepasst: Es war unter drei Minuten; insofern war es im Rahmen. Ah ja. – Herr Kollege Höferlin, wir haben doch gerade gesehen, dass Sie wieder alles durcheinanderschmeißen, indem Sie von Vorratsdatenspeicherung in Gänze sprechen. Das ist nicht Inhalt unseres Antrags, und das ist auch nicht das, was der EuGH eröffnet hat. Der EuGH hat ausdrücklich in einem der vier Ausnahmefälle die Möglichkeit eröffnet, dass bei schwerer Kriminalität eine anlasslose Speicherung der IP‑Adressen stattfinden kann. Und nichts anderes verlangen wir von der Ampel, von der Bundesregierung, vom Bundesjustizminister; die Innenministerin will es ja sowieso. Darum geht es: Wir wollen maximalen Schutz für Kinder und Jugendliche vor sexuellem Missbrauch und Kinderpornografie. – Ich glaube Ihnen, dass Sie das wollen; aber Sie machen es nicht. Mit Quick Freeze haben Sie ein Mittel an der Hand, das für die Zukunft im Übrigen nicht IP‑Adressen, sondern Verkehrs- und Standortdaten auslesen will – also die ganz bösen Daten nach Ihrer Lesart –, aber eben nicht die Möglichkeit gibt, Täter zu ermitteln. Sie kennen den Fall – das ist jetzt nicht Kindesmissbrauch – von dem Attentäter von Hanau, wo auch nicht nachvollzogen werden konnte, welche 500 Personen auf seiner Homepage waren, bevor er die Tat begangen hat, weil eben keine Auslesung der IP‑Adressen möglich war, und Sie kennen den Fall von Wermelskirchen, den ich Ihnen gerade geschildert habe – alles Fälle, bei denen Sie mit Quick Freeze scheitern werden. Jetzt gestehe ich Ihnen zu – das habe ich in der Rede gesagt –, dass Sie sich auf die Positionen bezogen haben, die wir hatten, und darauf, was der EuGH dazu gesagt hat. Ich fordere Sie von FDP und Grünen aber auf, auch Ihre Positionen zu überprüfen und die Möglichkeiten, die der EuGH uns allen und Ihnen gegeben hat, – So. – tatsächlich auch zu nutzen. Sonst werden Sie Ihrer Verantwortung nicht gerecht. Herr Kollege, jetzt waren Sie drüber; aber Sie haben es fast geschafft. Eine Sekunde; aber das soll erlaubt sein. – Jetzt hat der Kollege Dr. Thorsten Lieb das Wort für die FDP-Fraktion.
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Dr.
Dr. Johann David Wadephul CDU/CSU
Johann David
Wadephul
CDU/CSU
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! G-7-Gipfel sind normalerweise Ereignisse, die uns nicht allzu lange beschäftigen oder die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Wenn es nur ein weiterer Tweet des amerikanischen Präsidenten gewesen wäre, der uns verärgert hätte, den wir nicht verstehen, wäre er wahrscheinlich auch noch kein Anlass gewesen, hier darüber zu debattieren. Aber wir erkennen in der Verhaltensweise des amerikanischen Präsidenten, der ein vereinbartes Schlussdokument per Twitter infrage stellt, mittlerweile doch Verhaltensmuster, die der Deutsche Bundestag – deswegen bin ich dankbar, dass alle Fraktionen sich darauf geeinigt haben – auch einmal grundsätzlich diskutieren will. Da gibt es langjährig ausgehandelte Verträge. Ich nenne das Klimaschutzabkommen, eine der größten Errungenschaften der Weltgemeinschaft. Damit ist es uns gelungen, endlich gemeinsam nicht nur die Staaten einzubeziehen, die betroffen sind – das sind Inselstaaten –, sondern auch die Verursacherstaaten. Es ist endlich gelungen, zum Klimaschutz eine gemeinsame internationale Übereinkunft zu erzielen, und der amerikanische Präsident erklärt lax, er wolle sich daran nicht mehr halten und sie interessiere die Vereinigten Staaten von Amerika nicht. Da haben wir das Atomabkommen mit dem Iran, endlich mit großen Anstrengungen auch der deutschen Diplomatie, der europäischen Diplomatie erzielt. Es ist eine Errungenschaft, den Iran zu motivieren, auf eine atomare Bewaffnung zu verzichten. Es ist zumindest eine Chance, in dieser Region Aufrüstung zu verhindern und ein bisschen Frieden und Sicherheit, nicht zuletzt auch für Israel, sicherzustellen, und der amerikanische Präsident verabschiedet sich davon. Auf der anderen Seite gab es nach einem Hin und Her, nach Zusage, Absage, kurzfristiger Vorbereitung ein Zusammentreffen mit einem der grausamsten Diktatoren unserer Zeit, mit dem Diktator von Nordkorea, Kim Jong Un, eine dürftige Erklärung, die in der Substanz eigentlich überhaupt nichts enthält an Sicherheitsgarantien für Südkorea, keinen Zeitplan, keine Garantien, dass Nordkorea Atomwaffen abbaut, und das wird vom amerikanischen Präsidenten als epochales Werk verkauft und mit der Aussage verbunden, seitdem er im Amt sei, sei die Welt sicherer geworden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen – ich werde gleich noch einen Satz zu Amerika insgesamt sagen –, wenn wir so etwas als Verbündete und als Freunde Amerikas in der westlichen Welt durchlassen, desavouieren wir internationale Demokratie, desavouieren wir alle unsere internationalen Ansätze, die wir als Europäer, die wir als Deutsche gemeinsam in der UN, in der NATO, in der Europäischen Union vertreten, und das dürfen wir nicht zulassen. Ein Weiteres ist, dass wir auch keine Relativierungen zulassen dürfen. Natürlich ist es sinnvoll, mit jemandem wie dem Diktator von Nordkorea zu sprechen. Natürlich ist es sinnvoll, jede Anstrengung zu unternehmen, mit ihm auch zu einer Vereinbarung zu kommen. Aber jetzt im Nachhinein zu sagen, wie wir es vom amerikanischen Präsidenten lesen, es gebe halt auch andere nicht gute Regime und das sei nur eins von vielen, ist eine Relativierung, die nicht zulässig ist. Es ist auch eine nicht abgestimmte Politik mit engen Partnern, die wir in der Region haben, mit Südkorea, mit Japan. Auch dagegen müssen wir uns zur Wehr setzen. Deswegen möchte ich zweierlei dazu sagen: Erstens. Darauf kann die Antwort auch nur wieder erneut sein: Liebe Freundinnen und Freunde, wenn wir unsere Werte, wenn wir unsere Vorstellungen von internationaler Zusammenarbeit durchsetzen wollen, wenn wir unsere Werte behalten wollen, dann brauchen wir an dieser Stelle ein starkes Europa. Wir müssen die Europäische Union endlich weltpolitikfähig machen, damit wir eine Antwort darauf geben können; dazu sind wir aufgerufen. Zweitens. Natürlich dürfen wir nicht deswegen, weil dieser Präsident uns nicht passt und weil er sich in manchen Verhandlungsschemata nicht an das hält, was wir für richtig halten, die transatlantischen Beziehungen aufs Spiel setzen. Natürlich müssen wir wissen, dass die Vereinigten Staaten von Amerika eine alte, eine starke Demokratie sind, eine starke Wirtschaftsmacht sind und trotz aller Auseinandersetzungen unsere stärksten militärischen und auch wirtschaftlichen Verbündeten bleiben. Wir bleiben den Vereinigten Staaten von Amerika nicht nur deshalb in Freundschaft verbunden, weil sie uns vom Nationalsozialismus befreit haben, weil sie die Wiedervereinigung Deutschlands ermöglicht haben, sondern auch mit Blick auf die Zukunft. Wir müssen Freunde Amerikas bleiben. Aber wir müssen auch diejenigen in Amerika, denen daran gelegen ist, dass es so bleibt, dass es in Europa, dass es in Deutschland eine positive Stimmung gibt, auffordern: Auch ihr müsst etwas dafür tun, dass Amerika seine Freunde in Deutschland und in Europa behält. Deswegen: Lassen Sie uns gemeinsam, trotz der Frustration über das Ende dieses Gipfels, dafür kämpfen, dass die Freundschaft zwischen Europa und Amerika fortbesteht! Lassen Sie uns dafür klar eintreten! Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. Ich erteile als nächstem Redner das Wort dem Kollegen Dr. Roland Hartwig für die AfD-Fraktion.
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Dr.
Dr. Lothar Maier AfD
Lothar
Maier
AfD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Frage der Maklerkosten bedarf in der Tat einer gesetzlichen Regelung – das zumindest ist hier richtig erkannt worden –; denn die Situation des privaten Immobilienkäufers ist in Deutschland regional durch krasse Unterschiede bezüglich der Maklerprovision geprägt: In einigen Bundesländern sollen sich Käufer und Verkäufer diese Kosten hälftig teilen, in anderen aber zahlt der Käufer alles, so hier in Berlin, in Bremen, in Hamburg, in Brandenburg und auch in Hessen. Aber oftmals fordert der Verkäufer vertraglich die volle Übernahme der Maklerkosten durch den Käufer auch dort, wo eigentlich die Teilung gelten soll. Er nutzt damit die Zwangslage der Käufer in einer Marktsituation, in der Verkäufermärkte dominieren. Die Folge davon ist eine zusätzliche Verteuerung der ohnehin schon sehr teuren Immobilien. Maklerprovisionen sind ja nur ein weiterer Kostenfaktor neben Grunderwerbsteuer, Notargebühren, Eintrag ins Grundbuch usw., also den schon jetzt sehr hohen Nebenkosten des Grunderwerbs. Ziel einer Änderung muss – oder müsste – daher sein, die aus dem Ruder gelaufenen Kosten des Erwerbs von Wohneigentum wenigstens an dieser Stelle zu senken. Die Gesetzgeber im Bund, in den Ländern und in den Kommunen verteuern ohnehin das Bauen durch immer neue Regeln: durch Auflagen zum Lärmschutz, zum Brandschutz, zur Barrierefreiheit, zur Energieeinsparung, zur Einbruchssicherheit und vieles andere mehr. Die Perfektionierung der technischen Baunormen trägt das Ihrige dazu bei. Umso mehr müsste die hier gebotene Chance der Entlastung der Immobilienkäufer genutzt werden. Aber eben das leistet der vorliegende Gesetzentwurf nicht. Die auf den ersten Blick sinnvolle Teilung der Maklerprovisionen zwischen Käufer und Verkäufer erweist sich bei näherem Hinsehen als wirkungslos, wenn vertraglich zwischen beiden Parteien etwas anderes vereinbart werden kann oder wenn der Verkäufer die anfallenden Maklerkosten stillschweigend auf den Kaufpreis aufschlägt, nach dem Motto: Vogel, friss oder stirb; du hast ja ohnehin keine Wahl. Noch schlechter sieht es für den Käufer aus, wenn die Maklerprovision schon im Kaufvertrag als solche angegeben ist. Dann nämlich muss der Käufer die Grunderwerbsteuer auch noch für diesen Betrag entrichten. Eine wirklich effektive Entlastung des Immobilienkäufers wäre im Grunde nur möglich durch eine Deckelung der Maklerprovisionen, die sich in Deutschland in der Bandbreite zwischen 4,7 und 7,1 Prozent bewegen und damit im europäischen Vergleich an der Spitze liegen, während in manchen unserer Nachbarländer die Maklerprovision bei plus/minus 2 Prozent liegt. Um die 7 Prozent – das sind bei einem Einfamilienhaus im Wert von 500 000 Euro immerhin 35 000 Euro, die der Käufer zusätzlich aufbringen muss. Das manchmal gehörte Argument, man könne ja mit dem Makler über die Höhe seiner Provision verhandeln, ist zumindest in den Ballungsgebieten sinnlos, weil die Maklerbüros überall ein informelles Kartell bilden. Wenn Sie da verhandeln wollen, werden Sie hören: Dann müssen Sie eben woanders kaufen. An diese dringend gebotene Deckelung der Maklerprovision wagt sich der Gesetzentwurf aber nicht heran, und so wird sich zeigen, dass die beabsichtigte Regelung wenig oder nichts zur Dämpfung der Nebenkosten beiträgt. Fazit: Dieser halbherzige Gesetzentwurf trägt zur Lösung der Gesamtproblematik nicht viel bei. Eine große Chance, die Sie hier hatten, ist vertan worden. Aus diesem Grunde wird die Fraktion der AfD diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen. Ich danke Ihnen. Das Wort hat Dr. Jan-Marco Luczak für die CDU/CSU-Fraktion.
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Michael Thews SPD
Michael
Thews
SPD
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach Artikel 110 des Grundgesetzes hat der Deutsche Bundestag das Budgetrecht. Kein Haushaltsplan kann in Kraft treten, ohne dass das Parlament dem zustimmt. Und auch in diesem besonderen Jahr haben wir unser Recht wahrgenommen, den Haushaltsplan der Bundesregierung im parlamentarischen Verfahren heute zu diskutieren und noch abzuändern. Das Struck’sche Gesetz gilt also auch hier: Alles kommt anders aus dem Parlament raus, als es reingegangen ist. Auch in diesen schwierigen Zeiten, die wir momentan haben, können Biodiversität, Klimaschutz, Gewässerschutz und die Weiterentwicklung der Kreislaufwirtschaft nicht warten. Wir brauchen hier Investitionen; denn wir haben nur diese eine Welt und müssen sie schützen. Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, es gibt im Haushaltsplan des Bundesumweltministeriums einige Titel, bei denen wir eine Aufstockung erreichen können. Das findet ja immer in den Verhandlungen der Haushälter statt. Deswegen möchte ich hier, an dieser Stelle, unserem Parteikollegen Metin Hakverdi und dem Berichterstatter der Union, Ingo Gädechens, noch mal außerordentlich danken; denn am Ende muss dort eine Entscheidung, eine Einigung erreicht werden. Auf zwei Titel, bei denen wir das erreicht haben, möchte ich noch mal besonders eingehen, weil sie mir am Herzen liegen. Zum einen konnten wir erreichen, dass das Bundesprogramm „Blaues Band“ mehr Mittel bekommt. Das Programm wird für das Jahr 2021 mit 3 Millionen Euro mehr und damit mit insgesamt 10 Millionen Euro gefördert. Bis 2025 wird es mit insgesamt 13,9 Millionen Euro und damit mit 9,8 Millionen Euro mehr gefördert. Das Bundesprogramm „Blaues Band Deutschland“ wurde am 1. Februar 2017 im Kabinett beschlossen. Es ist gerade mal vier Jahre alt. Dabei geht es um die Renaturierung von Fließgewässern und Auen. Deutschland verfügt über ein über Jahrhunderte aufgebautes Netz von Wasserstraßen und Flussläufen, die zur wirtschaftlichen Nutzung ausgebaut und begradigt wurden. Aber die Anforderungen an die Wasserstraßen in Deutschland haben sich in den letzten Jahren geändert. Heute werden Güter über ein sogenanntes Kernnetz, die größeren Flüsse, transportiert, und es gibt ein Nebennetz von Wasserstraßen mit einer Länge von 2 800 Kilometern, die jetzt nicht mehr für den Güterverkehr genutzt werden. Auch an den Hauptwasserstraßen gibt es Abschnitte, die ebenfalls nicht mehr so eingesetzt werden. Damit entsteht die Möglichkeit – und aus meiner Sicht auch die Notwendigkeit –, diese Fließgewässer und Auen zu renaturieren. Denn wir brauchen die Auen und Ufer, um die negativen Folgen des weltweiten wirtschaftlichen Wachstums bewältigen zu können. Die Folge des Wachstums ist der Klimawandel. Moore und nasse Flussniederungen können Treibhausgase zurückhalten. Sie tragen somit aktiv zum Klimaschutz bei. Flussauen bieten einen natürlichen Hochwasserschutz und helfen so, die Folgen von Starkregenereignissen abzumildern. Der Klimawandel stellt eine große Bedrohung für die biologische Vielfalt dar. Deshalb ist es unsere Aufgabe, Biotope wie Flussauen, die zu den artenreichsten Lebensräumen in Mitteleuropa gehören, zu renaturieren und zu schützen. Naturnahe Auen sorgen für eine bessere Wasserqualität von Bächen und Flüssen, weil sie die Nährstoffe aus der Landwirtschaft, die dort ausgeschwemmt werden, zurückhalten und abbauen. Was ebenfalls nicht zu unterschätzen ist: Sie bringen den Menschen auch Erholung. Eine Umfrage zum Naturbewusstsein hat ergeben, dass 93 Prozent der Befragten naturnahe Fließgewässer den begradigten Bächen und Flüssen vorziehen. Ich kann das für meinen Wahlkreis bestätigen: Wenn man sich die Lippe näher anschaut, dann bieten gerade die naturnahen Gebiete den höchsten Erholungswert und natürlich auch den höchsten Wert für die Umwelt. Genauso können und müssen wir es uns leisten, in Entwicklungs- und Schwellenländern Unterstützung zu geben beim Kampf gegen Umweltzerstörung und Klimawandel. Bei dem zweiten Titel, den ich erwähnen will, geht es um den Kampf gegen den Plastikmüll in den Weltmeeren. Man kann es nicht oft genug sagen: Jedes Jahr werden rund 8 Millionen Tonnen Plastikmüll in die Meere gespült. Die Verschmutzung der Meere ist eines der drängendsten Umweltprobleme unserer Zeit. Hier stocken wir im nächsten Jahr die Mittel noch einmal um 10 Millionen Euro auf 25 Millionen Euro auf und bis 2025 um 18,1 Millionen Euro, also auf 30,1 Millionen Euro. Ich finde, das ist eine gute Entscheidung. Mit diesen Geldern fördern wir ganz konkrete Projekte, um den Eintrag von Plastikmüll möglichst schon an der Quelle zu verhindern. Wir unterstützen verschiedene Projekte in Vietnam, in Indien und in der Karibik, mit denen Abfall- und Kreislaufmanagementsysteme aufgebaut werden. Über diese Voraussetzungen verfügen wir hier in Deutschland schon lange, und wir können damit, weil wir Weltspitze in diesem Bereich sind, im Ausland wirklich helfen. Mit einem Projekt in Indien wird beispielsweise die Regulierungsbehörde dabei unterstützt, die Mengen des Meeresmülls zu erfassen, die Eintragswege von Plastikmüll überhaupt erst einmal aufzudecken und Systeme zu implementieren, die die Herstellerverantwortung ernst nehmen. Dort wird also auf lange Zeit hin eine Finanzierung von Entsorgungssystemen geschaffen. Das ist nachhaltig, und das ist genau der richtige Weg. Ich halte den Ansatz des Umweltministeriums bei diesen Projekten für genau richtig. Es gilt, zum einen an ausgewählten Orten mit den Fachleuten des Ministeriums, die tief in der Materie stecken, die Projekte mit Modellcharakter anzustoßen, zum anderen aber auch eigene Investitionen in den Zielregionen anzuschieben. Das führt nach meiner Überzeugung zu einer nachhaltigen Lösung vor Ort. Im vergangenen Sommer hat das Umweltministerium wieder einen Aufruf gestartet, Projekte für den Kampf gegen Plastikmüll einzureichen, die unter genau diesem Titel gefördert werden. Nachhaltiges Handeln für heute und morgen, für uns und für die kommenden Generationen – diese Verantwortung nehmen wir mit diesem Haushalt sehr ernst. Danke.
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Alois Karl CDU/CSU
Alois
Karl
CDU/CSU
Ich bedanke mich für die Freundlichkeit. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Coronapandemie hat uns schlimm in den Griff genommen – persönlich, gesellschaftlich und natürlich auch wirtschaftlich. In Deutschland werden wir möglicherweise einen Absturz des Bruttoinlandsproduktes um mehr als 6 Prozent erleben. Wir erinnern uns an die Zeit 2008/2009. Die Finanzmarktkrise damals hat weltweit einen Rückgang der Bruttosozialprodukte um minus 0,1 Prozent mit sich gebracht. Heuer rechnen wir in der Zeit der Coronapandemie mit einem Rückgang von minus 3 Prozent, das heißt, um das 30-Fache werden wir mehr darunter zu leiden haben als damals – in der Tat eine unvorstellbare Dimension. Wir haben damals – die älteren Kollegen erinnern sich – an einem einzigen Tag Rettungsschirme in Höhe von 880 Milliarden Euro in diesem Deutschen Bundestag auf den Weg gebracht. Das war ein großes Risiko; aber es war richtig, und es hat uns in der Situation durchaus geholfen. Heute werden wir ähnlich verfahren müssen in einer Situation, die noch deutlich schlimmer ist als damals. Meine Damen und Herren, als Haushälter sind wir gewohnt, mit großen Zahlen umzugehen; aber die heute aufgerufenen machen einen doch ein bisschen schwindelig: 156 Milliarden Euro Nachtragshaushalt, 500 Milliarden Euro für die Initiative von Frau Merkel und Herrn Macron – Frau von der Leyen möchte das um 50 Prozent auf 750 Milliarden Euro steigern –, die Ankaufprogramme der Europäischen Zentralbank ebenfalls mit 750 Milliarden Euro, und so geht das weiter. Heute geht es um etwa 100 Milliarden Euro für SURE zur Stabilisierung und Verbesserung der Kurzarbeitergeldregelung als Teil des europäischen Sozialpakts. Wir sagen Ja zu dieser Initiative und zu diesem Gesetz, weil wir wissen, dass wir damit ein gutes Zeichen für etwa 170 Millionen Arbeitnehmer in Europa setzen. Damit bedeuten wir ihnen auch, dass uns ihr Schicksal nicht egal ist. Meine Damen und Herren, dies ist auch ein Ausdruck unseres Bekenntnisses zum Sozialstaatsgebot. Dies ist für uns nicht bloß ein Lippenbekenntnis, sondern es geht weit über Sonntagsreden hinaus. Für uns als CDU und CSU ist das unsere Philosophie, es ist Gegenstand unserer Politik, es ist unsere grundlegende Einstellung. Das muss auch dann gelten, wenn das Geld kostet – und dazu bekennen wir uns. Wir haben in den letzten Wochen unsere Kurzarbeitergeldregelungen in Deutschland deutlich verbessert und werden dies auf europäischer Ebene über das Programm SURE, über das wir heute reden, erweitern. Es ist nicht auf Dauer angelegt, lediglich auf die Krisenzeit begrenzt. Das ist kein Zuschuss; das sind lediglich Kredite. Wir übernehmen keine Haftung für die Schulden anderer; wir gehen in keine gesamtschuldnerische Bürgschaft hinein. Darum ist das Risiko – es ist ein Risiko – überschaubar. Die Europäische Union sammelt 100 Milliarden Euro ein, die Staaten verbürgen sich mit 25 Prozent, 25 Milliarden Euro also, und die starken Schultern tragen mehr als die schwachen. Deutschland übernimmt Garantien – keine Einzahlungen, sondern Garantien – in Höhe von rund 6,4 Milliarden Euro. Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss. Wir können, wenn dieses Programm funktioniert – und ich glaube fest daran –, zu den Gewinnern gehören. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich wünsche Ihnen im Vorfeld zu Pfingsten viel Heiligen Geist, den Sie dadurch zum Ausdruck bringen können, dass Sie diesem Gesetz jetzt gleich zustimmen. Herzlichen Dank. Herr Kollege Karl, herzlichen Dank. – Ich wollte nur darauf hinweisen: Der Heilige Geist wird erst Pfingsten ausgeschüttet, nicht vorher. Also, jedenfalls ist es die Legende, dass das so sei. Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Marc Biadacz, CDU/CSU-Fraktion.
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Susanne Mittag SPD
Susanne
Mittag
SPD
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Gibt man den Begriff „Europol“ im Netz ein, dann bekommt man sofort einen Eindruck von der Vielfältigkeit von Europol: zweitgrößter Darknet-Marktplatz der Welt abgeschaltet, 150 000 Liter falsches Olivenöl beschlagnahmt, acht Festnahmen in Spanien wegen Kryptogeldwäsche. – Was für eine Bandbreite von Europol. Schaut man in die Wahlprogramme der Parteien hier bei uns zur Europawahl, so stellt man fest, dass es in fast allen einen Verweis auf Europol gibt, darauf, wie wichtig der weitere Ausbau ist. Nur eine Fraktion hier im Haus hat noch nicht verstanden, wie wichtig Europol für die Sicherheit in unserem Land und für Europa ist. Sie stellen die Sinnhaftigkeit von Europol infrage und wollen weniger europäischen Austausch. Das ist nicht nur falsch, das ist auch gefährlich. Ich komme zum Ausbau von Europol zurück. Ja, Europol wurde bereits ausgebaut, und da es mehr Aufgaben gibt, wurde auch die Kontrolle verstärkt. Seit 2017 – das ist schon erwähnt worden – kontrolliert das Europol-Kontrollgremium, bestehend je zur Hälfte aus Mitgliedern des LIBE-Ausschusses des Europäischen Parlaments und aus Parlamentariern aus den Europol-Mitgliedstaaten. Deutschland wird durch vier Parlamentarier vertreten, zwei aus den Bundesländern und – das ist schon erwähnt worden – zwei aus dem Bundestag. Herr Irmer und meine Wenigkeit vertreten Sie alle bei Europol. Wir tagen zweimal im Jahr. Europol erstattet uns in den Sitzungen Bericht. Die Kriminalitätslagen werden erörtert, die erforderliche Vernetzung wird besprochen, und neue Arbeitsbereiche werden vorgestellt. Natürlich sind auch Haushalt und Personal immer wieder Thema. Die Präsidentin von Europol, Frau De Bolle, hat uns im Innenausschuss besucht; vielleicht hat das ja jemand von Ihnen mitbekommen. Sie stand allen Ausschussmitgliedern für Fragen zur Verfügung. Auch dort wurde die nähere und weitere Zukunft von Europol erörtert. Diese steht in engem Zusammenhang mit den zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln. Im Jahr 2018 standen Europol mit einem Nachschlag insgesamt ungefähr 130 Millionen Euro zur Verfügung. Für 2019 wurden 143 Millionen Euro angemeldet. Es sollten aber nur 112 Millionen Euro fließen. Erst durch erheblichen Druck konnte im letzten Moment annähernd der Haushaltsansatz der vergangenen Jahre rausverhandelt werden. Ähnlich war es beim Personal: 2018 hatte Europol 576 Planstellen. Für 2019 waren wegen mehr Aufgaben 43 Stellen mehr erforderlich, genehmigt wurden 5 mehr, in Worten: fünf. Demnächst geht es um den mehrjährigen Finanzplan Europas. Dabei wird der Brexit zu berücksichtigen sein: weniger Geld und mehr Aufgaben, zum Beispiel bei Frontex. Geplant ist hier eine Aufstockung um 10 000 Personen; das ist ja keine Kleinigkeit. Es geht um Grenzsicherungssysteme, aber auch um den erforderlichen und beschlossenen Aufgabenzuwachs bei Europol. Hier besteht Mehrbedarf. Hier sehe ich eine Aufgabe der Bundesregierung, Herr Krings, und des Innenministeriums. – Ja, das ist sehr schön. – Es ist nämlich sehr wichtig, bei den gesamten Verhandlungen dafür einzutreten, dass die notwendigen Finanzmittel auch zur Verfügung stehen und wir sie nicht im letzten Moment dann in hektischen Verhandlungen noch reinverhandeln müssen, damit die Finanzierung von Europol und deren Zukunftsaufgaben gesichert sind. In Deutschland, mitten in Europa gelegen, haben wir ein sehr hohes Interesse, dass Europol noch effektiver wird. Es braucht also mehr Mittel für den Ausbau, für die Kapazitätsanalyse, die Speicherung und Auswertung von Daten, Kriminalitätsstrukturen, als Plattform für internationale Zusammenarbeit, als Unterstützung von Dienststellen vor Ort – jetzt schon –, als Verbindungsebene innerhalb Europas, aber auch in die Drittländer weltweit. Wir brauchen Europol zur Bekämpfung von circa 5 000 – diese Zahl wird geschätzt – agierenden Gruppierungen der organisierten Kriminalität allein in Europa. Ebenso sind Cyberkriminalität und Terrorismus allererstes Ziel, aber auch solche Dinge wie Korruption, Geldwäsche, Finanzermittlungen, Einbeziehung von Vermögen, und zwar in unterschiedlicher Zusammenarbeit in Europa, aber auch mit Ländern – man höre und staune – wie Jordanien, Israel, Ägypten, Marokko, Japan, USA, Süd- und Mittelamerika oder auch Neuseeland, Indien, Irak oder die Russische Föderation, sei es um neue Strukturen zu erkennen, die erst noch nach Europa kommen, sei es, um Taten und Täter zu erkennen, die sich über mehrere Länder und Kontinente erstrecken und die es in dieser Konstellation nur in bestimmten Ländern gibt. Es zeigt, wie breitgefächert die Arbeit jetzt schon ist und wie wichtig die zukünftige finanzielle Ausstattung sein wird, wie entscheidend es auch ist, fähige und innovative Ermittler und Ermittlerinnen dort zu haben, wie wichtig es ist, dass die einzelnen europäischen Länder auch mit eigener Polizei bei Europol tätig sind und damit auch die Kriminalitätsbekämpfung weltweit und automatisch auch im eigenen Land vorantreiben. Spanien und die Niederlande sind mit 100 Beamten bei Europol vertreten, Italien, Griechenland und Rumänien mit 67, Deutschland mit 62. Da ist also von Bund und Land noch richtig viel Luft nach oben, mehr Beamte zu Europol zu schicken. Die Beamten bringen nämlich nach ihrer Abordnung unschätzbares Wissen in der Ermittlungsarbeit bei organisierter Kriminalität in die heimischen Dienststellen zurück. Jetzt komme ich zum Antrag der FDP. Er beschert – man höre und staune – uns hier im Bundestag schließlich eine Debatte über Europol zu einer guten Zeit. Das kann ja nur Werbung sein. Aber dann hört es auch schon auf. Der vorliegende Antrag beinhaltet sehr viel Zukunftsmusik – wie das eben ist mit Zukunftsmusik –, die aber mit den realen Möglichkeiten zurzeit und in absehbarer Zeit rein gar nichts zu tun hat. – Erst einmal ganz entspannt zuhören. – Abgesehen von einem Personalausbau erheblichen Ausmaßes, verbunden mit einem ebenso massiven Sachmittelvolumen, bedeutet das logischerweise auch den Aufbau einer europäischen Justiz mit einem identischen Aufbau; so viel nur zum Volumen. Die europäischen Länder haben aber sehr unterschiedliche Systeme des Strafrechts, des Strafverfahrensrechts und auch der polizeilichen Befugnisse. Diese sollen sich jetzt alle angleichen. Nur ein Beispiel: Es gibt europaweit immer noch höchst unterschiedliche Auffassungen darüber: Was ist ein Gefährder? Und: Welche Maßnahmen können, müssen und dürfen angewandt werden? Jeder Mitgliedstaat ist von seinem Rechtssystem sehr überzeugt. Sie wollen also das Problem in diesem Rechtsrahmen lösen. Wir kennen alle die Geschwindigkeit, mit der solche Projekte in Europa verhandelt werden. Das dauert zu lange. Eine gute von den Ländern gelieferte Datenlage und Erkenntnisse aus dem internationalen Ausland, analysiert und ausgewertet von Europol, angereichert mit den Erkenntnissen der nationalen Zentralstellen, wie bei uns zum Beispiel das BKA – Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss. – jawohl –, Zusammenarbeit mit den Ländern und mit den Polizeien vor Ort: Das ist eine effektive polizeiliche Arbeit, die vor Ort Auswirkungen hat und auch auf internationaler Ebene funktionieren kann. Das ist unsere Zukunft. Ich hoffe, dass alle mithelfen, die finanziellen Ressourcen zu sichern; denn das ist noch ein weiter Weg. Danke schön. Vielen Dank, Frau Kollegin Mittag. – Als Nächstes hat das Wort der Kollege André Hahn, Fraktion Die Linke.
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Daniel Föst FDP
Daniel
Föst
FDP
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ja, die Energiekrise trifft alle Menschen in unserem Land, sie trifft alle in Europa. – Das findet Herr Luczak zum Lachen, das ist okay; sonst hat die Opposition eher etwas zum Weinen, weil sie es nicht hinkriegt. – Die Energiekrise betrifft die Menschen in unserem Land, und ein durchaus großer Teil steht vor einer Überforderung. Man hat Sorge, ob man die Heizkosten bezahlen kann. Und genau in dieser Situation ist es richtig und wichtig, dass wir als Ampelregierung sehr schnell handeln. Das haben wir getan, zuerst mit dem Heizkostenzuschuss I. Aber an der Stelle muss ich sagen: Es haben heute noch nicht alle Länder, die da in der Verantwortung sind, den Heizkostenzuschuss I ausgezahlt. – Ja, im Ernst. – Das halte ich echt für ein Problem. Jetzt werden wir schnell mit dem Heizkostenzuschuss II reagieren, um die größten Härten für die Menschen, für die Damen und Herren, abzufedern, die an der Grenze der Überlastung sind, und sie zu unterstützen. Lassen Sie mich an der Stelle sagen – ich finde es übrigens großartig, Herr Staatssekretär, dass ein Vertreter des Bildungsministeriums anwesend ist –: Dass Frau Bettina Stark-Watzinger durchgesetzt hat, dass wir die BAföG-Empfänger und die 200 000 Bildungsförderungsempfänger in den Blick nehmen, ist absolut richtig. So erreichen wir mit dem Heizkostenzuschuss II tatsächlich annähernd 2 Millionen Menschen, und das ist eine wirklich wichtige Hilfe. – Natürlich stimmt es, Herr Luczak. In den Wohngeldhaushalten leben 1,5 Millionen Menschen. Hinzu kommen 400 000 BAföG-Empfänger und 200 000 Bildungsförderungsempfänger. Das macht über 2 Millionen Menschen. Ich weiß, dass man es mit dem Rechnen manchmal schwierig hat. Insbesondere wenn es um die Finanzierung geht, sehe ich bei der Union schwere Rechenfehler. Aber mit dem Heizkostenzuschuss II erreichen wir über 2 Millionen Menschen, die diese Hilfe auch tatsächlich brauchen. Bei einem Punkt bin ich wirklich bei Ihnen: Das ist eine kurzfristig zweite einmalige Hilfe. Wir müssen das Thema der Energiesicherheit aber natürlich strukturell angehen. Auch da hat die Ampelkoalition vorgelegt. Wir werden die erneuerbaren Energien drastisch ausbauen. Was uns beim Wind-an-Land-Gesetz und beim Windenergie-auf-See-Gesetz gelungen ist, das gab es in der Bundesrepublik noch nie; das ist sensationell. Der Ausbau der Bioenergie im BauGB ist großartig; das wird kommen. Das sind die ersten strukturellen Schritte, die wir gemacht haben. Aber bis sie wirken, muss es für Deutschland erstmal heißen: Wir müssen all-in gehen mit allem, was wir an Energie haben. Dazu gehört die natürlich die Kernkraft. Herr Kollege Föst, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Zeulner? Ja, das wird kurzweilig. Vielen Dank, lieber Kollege, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie haben ja von dem massiven Ausbau der erneuerbaren Energien gesprochen. Wir wissen natürlich, dass wir dann, wenn der Wind nicht weht, die Sonne nicht scheint, einen anderen Energieträger brauchen, der diese volatile Kraft ausgleicht. Die Kohlekraftwerke können das nicht sein; denn die sind langwierig im Hochfahren und können nicht einfach wieder heruntergefahren werden. Auch bei den Gaskraftwerken wird es schwierig; darauf hatten wir ja eigentlich gesetzt. Was ist denn, wenn der Zuwachs jetzt so massiv ist, das Konzept von Ihnen und der FDP für die Stunden, in denen der Wind nicht weht, die Sonne nicht scheint? Welche Energie bevorzugen Sie dann? Und wie glauben Sie das in Zukunft erreichen zu können, weil dann ja, wie gesagt, immer mehr ausgleichende Energie gebraucht wird? Liebe Frau Kollegin Zeulner, vielen Dank für die Frage. – Das ist übrigens Teil dessen, was wir als Ampel strukturell angepasst haben: Wir haben bei der Energieversorgung, bei den erneuerbaren Energien endlich die Speicher mit berücksichtigt, weil wir einen massiven Speicherausbau brauchen. Wir haben die kleine Wasserkraft gestärkt, wir haben Biogas gestärkt, wir haben die Gaskraftwerke und die Kohlekraftwerke gestärkt, und wir lassen die drei Kernkraftwerke weiterlaufen. Das alles ist ein funktionierender Energiemix, den Deutschland über die kalten Monate braucht. Hinzu kommt der massive Aufbau der LNG-Terminals mithilfe eines Planungsbeschleunigungsgesetzes, das ich in Deutschland eigentlich für nicht möglich gehalten habe, weil ich 16 Jahre Unionsführung gewohnt bin. Wir haben also die richtigen Antworten. Momentan müssen wir kurzfristig helfen, und das tun wir mit dem Heizkostenzuschuss II. Das entbindet uns natürlich nicht von der strukturellen Aufgabe, vor der wir bei der Energiesicherheit stehen. Weil ich gerade bei der Planungsbeschleunigung und den LNG-Terminals war: Das muss für uns eine Blaupause sein, wie es in Deutschland weitergehen kann. Das ist entscheidend. Die Planungsbeschleunigung ist einer der Grundpfeiler für die Energiesicherheit in Deutschland. Wir haben in vielen Bereichen kein Erkenntnisproblem, sondern ein Geschwindigkeitsproblem. Genau diese Geschwindigkeit wird Deutschland mit dieser Ampelregierung aufnehmen, und das finde ich großartig. Aber auch da gilt: Bis die Aufnahme von Geschwindigkeit zu dem Ziel führt, das wir strukturell erreichen müssen, haben wir weitere Aufgaben. Die Energiekrise – es sind ja keine steigenden Kosten, es sind springende Kosten – reicht ja bis weit in die Mittelschicht hinein und kann auch da zur Überforderung führen. Deswegen wird die Gaspreisbremse kommen, deswegen wird die Strompreisbremse kommen. Weil wieder so getan wird, als hätten wir für die Menschen in der Mitte der Gesellschaft nichts getan, sage ich: Wir haben Entlastungspakete in einem Gesamtvolumen von 100 Milliarden Euro geschnürt. Wer behauptet, die Ampel würde für die Menschen in diesem Land nichts tun, der hat entweder keine Ahnung oder erzählt bewusst die Unwahrheit. Abschließend zum Heizkostenzuschuss II. Wirklich vielen Dank für die angenehmen Gespräche. Sie waren sehr produktiv und sehr zielgenau, liebe Hanna, lieber Martin, auch liebes Ministerium. Es macht schon Spaß, hier in der Ampel Politik zu machen. Und wenn so etwas Gutes herauskommt wie das jetzt, dann ist sie auch erfolgreich. Vielen Dank. Für Die Linke hat das Wort die Kollegin Caren Lay.
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Dr. Carolin Wagner SPD
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Werte Damen und Herren! Aus den Debatten zu den BAföG-Novellen der letzten Monate wissen wir: Nur 11 Prozent der Studierenden beziehen heute überhaupt noch BAföG. Der Reformstau beim BAföG hat dieses leuchtende Förderinstrument fast zum Erlöschen gebracht. Aktuell sind wir dabei, den Funken von damals, als Willy Brandt vor gut 50 Jahren das BAföG eingeführt hat, das damals 40 Prozent der Studierenden ein Studium überhaupt erst ermöglichte, wieder zum Glühen zu bringen. Wir arbeiten daran, um aus den noch vorhandenen Funken wieder ein Feuer zu entfachen. Wir wollen Menschen befähigen und Begabungen fördern. Der Geldbeutel der Eltern darf nicht den Ausschlag geben, wer studieren darf und wer nicht. Das ist bildungspolitischer Leitgedanke der Sozialdemokratie, und da setzen wir an. Die Ampelkoalition schafft Chancen nicht nur für die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, für die Familien, für die Rentnerinnen und Rentner, sondern eben auch ganz speziell für die Auszubildenden, die Schülerinnen und Schüler und die Studierenden. Neben der ersten BAföG-Reform, mit der der Funke wieder entzündet wurde, schaffen wir mit der vorliegenden 28. Novelle einen Notfallmechanismus. Das heißt, wir sorgen vor, und zwar für kommende Krisensituationen auf dem Arbeitsmarkt. Wir haben es heute schon gehört: Zu Beginn der Pandemie sind Hunderttausende studentische Jobs von heute auf morgen einfach weggebrochen. Zahlreiche Studierende gerieten unvorbereitet in finanzielle Notlagen, gar in existenzielle Notlagen. Viele wussten nicht, ob sie ihr Studium fortsetzen können oder nicht. Ich weiß, dass meine Kolleginnen und Kollegen in den Studienberatungen damals diese Sorgen tagtäglich hörten, aber monatelang über keine Hilfen informieren konnten. Werte Kolleginnen und Kollegen, diese dramatische Situation darf sich nicht wiederholen. Daher: Lernen wir aus dieser Erfahrung, und machen wir das BAföG resilienter, widerstandsfähiger gegen künftige Krisen! Es ist unser Anspruch als SPD und als Ampelkoalition, für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes die Basis zu stärken und nicht einseitig nur jenen Chancen zu geben, die es sich finanziell leisten können. Dafür ist noch mehr zu tun. Das wissen wir, und das werden wir auch rasch anpacken. Mit dem Notfallmechanismus schlagen wir heute eine Brücke über die Gräben potenzieller Krisen, auf der die Studierenden sicher weitergehen können, wenn unter ihren Füßen alles wegbricht. Werte Kolleginnen und Kollegen der Union, wenn Sie klagen, dass der Notfallmechanismus nicht die aktuelle Härte um die Energiekosten auffängt, dann ist das scheinheilig; denn es ist doch Ihr CDU-Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen, der für das dritte Entlastungspaket die Blockade im Bundesrat androht. Genau in diesem Entlastungspaket stehen viel mehr Maßnahmen, Herr Jarzombek, als die 200 Euro, die Sie rausgepickt haben. Und es ist Ihr CSU-Markus-Söder, der alles blockiert, was uns aus der Energiekrise herausbringt: die Energiewende, jedes einzelne Windrad in Bayern, das Nachfolgeticket für das 9‑Euro-Ticket usw. usf. Hören Sie endlich auf mit der Augenwischerei! Die Zeiten verdienen echte Antworten, und die geben wir. Vielen herzlichen Dank. Als Nächste erhält das Wort Katrin Staffler für die CDU/CSU-Fraktion.
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Helge Lindh SPD
Helge
Lindh
SPD
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Frage, die wir uns zu stellen haben, ist: Wollen wir den Antisemitismus wirklich ernsthaft, mit Ergebnissen, bekämpfen, oder wollen wir uns in unseren Befindlichkeiten und üblichen ideologischen Auseinandersetzungen darin bestätigen, wir hätten recht gehabt, wie Sie, Frau von Storch und Herr Hess, es eben auf schlimmste Weise beispielhaft vorgeführt haben? Wenn wir den Antisemitismus ernsthaft bekämpfen wollen, dann müssen wir zunächst feststellen, dass nach der Polizeilichen Kriminalstatistik der überragende Teil der erschreckend hohen Zahl im Hellfeld festgestellter antisemitischer Straftaten auf politisch motivierter Kriminalität von rechts beruht. Wir müssen aber auch feststellen, dass es ein Dunkelfeld gibt. Wir gingen es nicht ernsthaft an, wenn wir sagen würden: Antisemitismus ist ein Problem der Rechtspopulisten oder der Rechtsextremisten. Dann würden wir das nämlich als ein Problem der anderen beschreiben. Aber es ist nicht wie bei Sartre „L’enfer, c’est les autres“ – die Hölle sind die anderen –, sondern die Hölle sind wir. Es geht um uns selbst und um die Mitte der Gesellschaft. Wir würden es auch nicht ernsthaft tun – das sage ich als jemand, der aus dem politisch linken Spektrum kommt –, wenn wir so täten, als ob wir als Linke oder antifaschistisch Eingestellte dagegen immunisiert wären. Es gibt RAF, es gibt Entebbe und viele andere Beispiele. Auch dem müssen wir uns stellen. Zugleich gibt es auch keine Immunisierung, wenn man Opfer von Rassismus ist, sondern man kann trotzdem selbst Antisemitismus ausüben. Aber wenn wir es ernsthaft machen wollen, ist es auch nicht zielführend, wenn wir vom importierten oder eingewanderten Antisemitismus sprechen. Zum einen importiert man Waren und nicht Menschen. Das ist keine sinnvolle Formulierung. Zum Zweiten sprechen wir von Menschen, die zum Teil gar nicht geflüchtet oder eingewandert, sondern hier geboren sind. Auch das ist Teil der Realität. Zum Dritten sollten wir uns in dem Zusammenhang mit angebrachter Demut vergegenwärtigen, dass es niemand sonst als die Deutschen waren, die auf schrecklichste Weise Vernichtung und Mord exportiert haben, zum Beispiel auf polnischen Boden. Deshalb sollten wir uns die Folgen von Antisemitismus deutlich machen. Ich erinnere dabei einfach nur an Christopher Browning und sein Werk „Ganz normale Männer“, in dem er rekonstruiert hat, wie ganz normale Deutsche, nicht einmal alle tief antisemitisch sozialisiert, aber in einem antisemitischen staatlichen Umfeld aufgewachsen, keine Probleme hatten, massenhaft Jüdinnen und Juden mit der Waffe nicht einfach industriell, sondern Face to Face zu ermorden. Am Abend hörten sie Brahms, Wagner oder schrieben Briefe an ihre Familien. Dem allen müssen wir uns stellen, wenn wir uns mit Antisemitismus und dessen Folgen seriös, mit aller gebotenen Ernsthaftigkeit auseinandersetzen wollen. Daher danke ich ausdrücklich auch Felix Klein. Ich tue es, gerade weil ich manchmal schlucke, wenn er sich in Debatten so offensiv gibt. Aber genau das ist richtig, dass ich auch schlucke und mit meinen eigenen Zweifeln konfrontiert werde; denn das ist seine Aufgabe, und die macht er sehr gut. Er muss unbequem sind, er muss Stachel in unserem Fleische sein und uns fordern und herausfordern mit dieser Deutlichkeit, die er mit seinem Team in seinem Kampf gegen Antisemitismus in Deutschland klar zeigt. Deshalb, glaube ich, ist es auch notwendig, dass wir uns ernsthaft um Antisemitismus in all seinen Facetten im Alltag kümmern. Deshalb bin ich wie arretiert über Debatten, wie wir sie erlebt haben, beispielsweise über die Akademieleiterin des Jüdischen Museums; denn das sind sehr merkwürdige und verschobene intellektuelle Feuilleton-Debatten. Ich denke dabei an die Verteidigung, die sie erfahren hat durch Micha Brumlik, und die Verteidigung, die sie durch Meron Mendel und durch Max Czollek erfahren hat. Und wenn ich das sage, ertappe ich mich dabei, dass ich mich vielleicht auf die drei berufe, weil sie Juden sind. Das heißt, wir sollten immer bei dieser Debatte auch nach dem möglichen Antisemitismus in uns selbst fahnden und danach gucken, wie weit wir selbst der Falle der Selbstrechtfertigung, der Instrumentalisierung anheimfallen. Also, ich fasse zusammen: Im Kampf gegen den Antisemitismus müssen wir erstens gleichermaßen mit einem Pathos der Nüchternheit alle Formen des Antisemitismus, egal welcher Herkunft, welches ideologischen Lagers, benennen. Zweitens macht es keinen Sinn, das als ein Problem außerhalb Deutschlands zu betrachten; denn wir als Gesellschaft, als diverse Gesellschaft, müssen es gemeinsam angehen. Drittens. Instrumentalisierungsdebatten bringen im realen Kampf gegen Antisemitismus gar nichts. Kommen Sie bitte zum Schluss. Wir können gerne auf dem Rücken von Antisemitismus Asyl- und Migrationsdebatten führen. Aber so werden wir mit Sicherheit diesen Kampf gegen Antisemitismus in dieser Gesellschaft, in der wir leben, nicht gewinnen. Und viertens – das ist, glaube ich, zu kurz gekommen – – Nein, Kollege, jetzt kommen Sie bitte zum Schluss. All diejenigen, – Herr Kollege, jetzt bitte noch einen Satz. – die heute gegen Antisemitismus sprechen, stellen sich oft in die Rolle von Jüdinnen und Juden, ob sie sich nun einen Judenstern mit der Aufschrift „ungeimpft“ anheften oder im Kontext – – Herr Kollege Lindh, ich habe Ihnen gerade das Wort entzogen. Sie haben 40 Sekunden überzogen. Trotz mehrmaliger Bitte sind Sie meiner Aufforderung nicht gefolgt. Die Geschäftsordnung verpflichtet mich dazu, Ihnen das Wort zu entziehen; § 35 Absatz 3 der Geschäftsordnung. Das ist hiermit geschehen. Ich bitte alle Beteiligten, auf die wirklich liebevollen Mahnungen von mir zu hören; denn wenn wir alle die Redezeiten in gleicher Weise überziehen, haben wir zwei Stunden obendrauf, und das ist den Mitarbeitern des Deutschen Bundestages nicht zuzumuten. Nächster Redner ist der Kollege Bijan Djir-Sarai, FDP-Fraktion.
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Fritz Güntzler CDU/CSU
Fritz
Güntzler
CDU/CSU
Sehr geehrter Präsident! Meine Damen und Herren! Wir beraten heute – man konnte gerade nicht unbedingt den Eindruck haben – das Dritte Corona-Steuerhilfegesetz. Ich finde – das darf man auch ruhig mal sagen –: Es bestätigt die Handlungsfähigkeit dieses Parlamentes. Wir werden zu oft zu Unrecht kritisiert, dass wir nicht handlungsfähig wären. Dieses Gesetz ist am Freitag der letzten Sitzungswoche eingebracht worden. Wir haben eine Anhörung dazu durchgeführt. Wir haben Berichterstattergespräche dazu durchgeführt, und die Koalition hat Änderungsanträge dazu eingebracht. Darüber beschließen wir heute. Ich finde, das ist ein Beispiel dafür, dass dieses Parlament auch in schwierigen Situationen handlungsfähig ist. Über die Maßnahmen können wir im Detail diskutieren. Ein bisschen mehr kann es immer sein; da bin ich bei Ihnen. Wir haben – daraus will ich auch kein Geheimnis machen – mit der SPD und insbesondere mit Bundesfinanzminister Olaf Scholz um gute Lösungen gerungen. Dass wir uns in gewissen Situationen auch andere Dinge hätten vorstellen können, ein wenig mehr hätten vorstellen können, ist ja auch nicht geheim geblieben. Ich möchte aber kurz etwas zur Mehrwertsteuer in der Gastronomie sagen. Das schlechteste Argumente, das hier teilweise vorgetragen wird, ist: Das bringt ja im Moment gar nichts. – Das ist uns auch völlig klar. Es geht ja jetzt nicht um diesen Moment, sondern es geht darum, dass wir alles dafür tun, dass die Gastronomie wieder öffnet und dass die Gastronomen dann Liquiditätsvorteile haben. Dann können sie die 12 Prozentpunkte für sich nutzen und haben einen Ausgleich dafür, dass sie monatelang ihrem Geschäft leider nicht nachgehen konnten. Dass wir die Getränke nicht einbezogen haben, ist kein böser Wille, sondern das liegt daran, dass wir auch die Getränke im Einzelhandel mit dem normalen Steuersatz – sprich: 19 Prozent – besteuern. Dann müssten wir den Steuersatz auch im Einzelhandel ändern. Ansonsten müsste man jedem Gastronomen raten, Einzelhändler zu werden und in der Kneipe auch die Getränke außer Haus zu verkaufen. Das kann nicht im Sinne des Erfinders sein. Der zweite Punkt, der hier mehrfach angesprochen worden ist, ist der Verlustrücktrag. Ja, da hätten wir uns mehr erwünscht. In der Anhörung hat einer der Sachverständigen gesagt: Wenn Sie einen Nagel in die Wand bekommen wollen, brauchen Sie Hammer und Nagel. – Das heißt in diesem Moment: Wir brauchen eine vernünftige Höhe des Verlustrücktrages und des Verlustvortrages – meine persönliche Meinung ist: es könnte sogar unbegrenzt sein, limitiert durch die Gewinne, die das Unternehmen mal gemacht hat; da können wir über jeden Betrag streiten –; aber wir brauchen auch den Zeitraum nach hinten, gerade für die kleineren Unternehmen, eine Ausweitung auf mindestens zwei Jahre. Das müsste meines Erachtens jetzt auch kommen. Wir haben eine Sachverständigenanhörung durchgeführt; der Kollege Herbrand hat es, glaube ich, angesprochen. Es ist kein inhaltliches Argument gegen die Ausweitung dieses Zeitraumes angeführt worden. Es wurde nur das Argument der Bürokratie und der Verwaltung vorgebracht. Meine Damen und Herren, in dieser Zeit ist die Bürokratie das schlechteste Argument, wenn wir Unternehmen helfen wollen. Von daher sollten wir da was tun. Ein letzter Punkt. Die FDP hat in einem Antrag gefordert, dass wir die Möglichkeit, die uns die Kommission einräumt, der Umsatzsteuerbefreiung für Impfstoffe, für Tests und für Dienstleistungen, die in diesem Zusammenhang stehen, auch nutzen. Seit Dezember ist es möglich, das mit einem Null-Prozent-Steuersatz von zu versehen. Wir bitten die Bundesregierung, sich jetzt zügig mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Wir dürfen gerade diese Dinge nicht unnötig verteuern. Von daher warten wir gespannt auf den Vorschlag der Bundesregierung. Ansonsten müssen die Koalitionsfraktionen handeln; das tun wir dann auch gerne. Herzlichen Dank. Vielen Dank, Fritz Güntzler. – Ich schließe die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt.
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Stephan Pilsinger CDU/CSU
Stephan
Pilsinger
CDU/CSU
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei der Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht gilt mehr als anderswo die Sentenz: Was gut gemeint ist, ist noch lange nicht gut gemacht. Ja, es stimmt: Auch die Union hatte dem Gesetz zur Stärkung der Impfprävention im Dezember 2021 – und damit der Einführung des § 20a des Infektionsschutzgesetzes – zugestimmt. Zugestimmt in der Überzeugung, dass wir so nicht nur das ärztliche und pflegerische Personal schützen, sondern vor allem die Patienten und Pflegebedürftigen, die nun mal besonders ansteckungsgefährdet und vulnerabel sind. Zugestimmt aber auch in der Überzeugung, dass das Gesetz, das ja nur den rechtlichen Rahmen vorgibt, vom Bundesgesundheitsministerium als der zuständigen Exekutive entsprechend durch konkrete und rechtssichere Handlungsanweisungen für die Länder auch umsetzbar und nachvollziehbar gemacht wird. Und genau das ist es kaum, meine Damen und Herren. Die sogenannte „Handreichung zur Impfprävention in Bezug auf einrichtungsbezogene Tätigkeiten“ des Bundesgesundheitsministeriums vom 22. März 2022 – im Prinzip ein Frage-Antwort-Katalog in Prosaform – hat bei den Ländern mehr Fragen aufgeworfen als Antworten zum Vollzug geliefert. Im Ergebnis haben wir nun einen Flickenteppich von Ausführungsbestimmungen von 16 Bundesländern, die alles andere als Rechtssicherheit und Praktikabilität mit sich bringen. Nehmen wir nur ein Beispiel: Auszubildende im Pflegebereich müssen verschiedene Praxiseinsätze absolvieren und gelten dann dort eigentlich als Neukräfte, wenn sie in der jeweiligen Einrichtung nicht vor dem 16. März regelmäßig tätig waren. Das kann zur Folge haben, dass ungeimpfte Auszubildende ihre Ausbildung nicht mehr fortsetzen können, weil sie als ungeimpfte Neukräfte qua Gesetz einem Tätigkeits- und Beschäftigungsverbot unterliegen. Diese und viele weitere Fälle sind in den Ausführungsbestimmungen des BMG nicht geregelt und stellen ein echtes Problem in der Praxis dar. Die Verunsicherung in den Gesundheitsberufen, in den Gesundheitsämtern und in der Bevölkerung ist groß. Eine Evaluation oder ein begleitendes Monitoring über die bisherigen Folgen des Gesetzes für Bund und Länder hat das BMG bislang nicht geliefert. Hätten wir dieses exekutive Versagen des Bundesgesundheitsministeriums absehen können, hätten wir dem Gesetz in dieser Form wohl nicht zugestimmt. Nachdem die Ampel mit ihrem sowieso nicht rechtssicheren Konzept einer allgemeinen Impfpflicht krachend gescheitert ist, gleichzeitig aber unser durchaus durchdachtes Stufenkonzept für eine eventuell doch notwendig werdende Impfpflicht abgelehnt hat, stehen wir nun da mit einem Rumpf an Vorsorgemaßnahmen, die nichts Halbes und nichts Ganzes sind. Mit Blick auf den Herbst muss die Regierung ein durchdachtes, stimmiges Konzept vorlegen. Da ist insbesondere der Bundesgesundheitsminister gefordert. Herr Lauterbach, leider sind Sie ja nicht da. Deswegen bitte ich Sie, Herr Franke, richten Sie ihm aus: Herr Lauterbach, mehr Substanz, weniger Lanz! Das sollte Ihr Anspruch sein. Ich hoffe, Sie erkennen jetzt, dass sich rechtlich hochkomplexe Vollzugsanordnungen nicht auf 280 Zeichen bei Twitter reduzieren lassen. Kommen Sie endlich Ihrer Verantwortung nach, und machen Sie Ihre fachliche Arbeit! Vielen Dank. Einen schönen guten Abend, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf gleich in der Debatte weiterführen und für seine erste Rede im Deutschen Bundestag Johannes Wagner für die Grünen das Wort geben.
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