Wahlperiode
int64
19
20
Sitzungsnummer
int64
1
239
Rede_ID
stringlengths
10
12
Datum
int64
1,509B
1,668B
Beginn
stringclasses
17 values
Schluss
stringclasses
243 values
Redner_ID
int64
10k
1,000M
Redner_Titel
stringclasses
8 values
Redner_Name
stringlengths
12
57
Redner_Vorname
stringclasses
513 values
Redner_Nachname
stringclasses
921 values
Redner_Partei_oder_Rolle
stringclasses
6 values
Text
stringlengths
161
28.1k
senti_AfD
int64
-1
1
senti_BUENDNIS_90_DIE_GRUENEN
int64
-1
1
senti_CDU_CSU
int64
-1
1
senti_DIE_LINKE
int64
-1
1
senti_FDP
int64
-1
1
senti_SPD
int64
-1
1
__index_level_0__
int64
0
23.7k
19
215
ID1921502000
1,614,816,000,000
9:00
23:00
11,004,710
Dr.
Dr. Wiebke Esdar SPD
Wiebke
Esdar
SPD
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zukunft gibt es nicht für lau. Darum ist der Antrag der AfD ökonomisch unsinnig, er ist völlig überholt, und er ist vor allem feindlich gegenüber der jungen Generation. Die AfD will in ihrem Antrag die Umsatzsteuer um 4 bzw. um 2 Prozentpunkte senken. Das klingt – das muss man zugeben – erst einmal gar nicht so unpopulär. Wir wissen aber, meine Damen und Herren, dass eine dauerhafte Senkung der Mehrwertsteuer leider nicht oder nur um weniger als die Hälfte an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergegeben wird; das ist nun mal so. Das zeigt auch die Erfahrung aus anderen Ländern wie Frankreich, Finnland und Schweden, die 2009 die Umsatzsteuer für Restaurants gesenkt haben. Das heißt: Das, was Sie in Ihrem Antrag den Menschen vorrechnen und vollmundig versprechen, wird so nicht eintreten. Ihr Antrag ist voller leerer Versprechen. Er ist damit ökonomisch unsinnig. Wenn wir die Steuern für Verbraucherinnen und Verbraucher senken wollen, dann sollten wir das wohlüberlegt tun und an den richtigen Stellen. Es ist richtig: Gemessen an ihrem eigenen Einkommen, profitieren Menschen mit wenig Geld von der Mehrwertsteuersenkung am meisten. In absoluten Beträgen wiederum profitieren sie aber nicht am stärksten; denn wenn Sie die Mehrwertsteuer auf Luxusgüter senken, dann profitieren davon diejenigen, die sich teuren Schmuck und andere Luxusgüter kaufen. Wenn die AfD die unteren Einkommen hätte entlasten wollen, dann hätte sie der Abschaffung des Solidaritätszuschlages zugestimmt. Wir haben den Solidaritätszuschlag für 90 Prozent der Einkommen abgeschafft, nur die oberen 3,5 Prozent zahlen ihn weiter. Sie bemühen in Ihrem Antrag auch die kalte Progression, obwohl Sie wissen oder zumindest wissen müssten, dass wir mit der Eckwerteverschiebung nach rechts und der Anhebung des steuerlichen Grundfreibetrages die kalte Progression ausgleichen. Man kann zu der Systematik der Mehrwertsteuer und auch zu der Tatsache, dass sie angehoben wurde, kritisch stehen – ich stehe dazu sehr kritisch –, aber wer an die Mehrwertsteuer heranwill, der sollte sie klug reformieren, nicht einfach via Gießkanne alles senken. Darum ist der vorgelegte Antrag hier keine Alternative. Es ist aber auch kein gut überlegter Vorschlag; denn er ist völlig überholt. Sie legen den Haushaltsüberschuss der Jahre 2018 und 2019 zugrunde. Haben Sie eigentlich nicht mitbekommen, was in den letzten Jahren hier passiert ist? Es ist ja bekannt, dass es Coronaleugner in der AfD gibt. Dass das aber so weit um sich greift, hätte ich persönlich nicht gedacht. Um auch das ganz klar zu sagen: Dass wir in dieser Pandemie milliardenschwere Hilfspakete aufgelegt haben, ist richtig, weil gegen die Krise anzusparen uns am Ende noch viel teurer zu stehen kommen würde. Ich mache mir auch aufgrund unserer Wirtschaftskraft und der im internationalen Vergleich immer noch geringen Schuldenquote keine Sorgen. Schätzungen gehen davon aus, dass die Schulden von Bund, Ländern und Gemeinden 2021 bei rund 73 Prozent liegen. Das sind dann immer noch 9 Prozentpunkte weniger als 2010 nach der Finanzkrise. Darum kommt es in dieser Krise darauf an, dass wir die richtigen Entscheidungen treffen. Das, was Sie vorgelegt haben, meine Damen und Herren, trägt nicht dazu bei. Denn der Vorschlag, den Sie vorgelegt haben, würde zu Mindereinnahmen von mehreren Milliarden Euro führen. Sie rechnen mit 51 Milliarden Euro. Im Endeffekt wird es von der Konjunktur abhängen, wie viel Milliarden es sind; aber es ist klar, dass es hohe Milliardenbeträge sein werden. Mich treibt vor allem um, wie wir die Handlungsfähigkeit des Staates, insbesondere der Kommunen, nach der Krise sichern. Wir brauchen vor Ort Spielraum; denn für Klimaschutz und Verkehrswandel brauchen wir Investitionen. In Deutschland schließt seit Jahren alle vier Tage ein Schwimmbad. Das hat nichts mit Corona zu tun. Diese Hallenbäder sind einfach marode, sie sind kaputtgespart. Ich will aber, dass in Deutschland alle Menschen Schwimmen lernen können. Darum brauchen wir Geld für unsere öffentliche Infrastruktur. Meine Damen und Herren, ich bin davon überzeugt, dass wir besser in unsere Zukunft investieren und das Geld besser dafür verwenden sollten, Schulen besser auszustatten, Straßen zu sanieren, Breitband bis an jede Milchkanne auszubauen, in jeder Kommune ausreichend Schwimmbäder zu haben und die Angebote in der offenen Kinder-und Jugendarbeit, in der Quartiersarbeit und in der Senioren- und Seniorinnenarbeit auszuweiten, weil all das zum Zusammenhalt in unserer Gesellschaft beiträgt und Zukunftsinvestitionen nicht nur wichtig sind, um den Wirtschaftsstandorts zu sichern, sondern auch, um ganz einfach das Leben lebenswerter zu machen. Das will aber die AfD nicht, weil sie spalten will. Die AfD hat auch mit diesem Antrag wieder einmal gezeigt, dass sie Politik nur für die Reichen macht, auch wenn sie vorgibt, dass das anders sei. Weil sich aber am Ende nur reiche Menschen einen armen Staat leisten können, lehnen wir den Antrag der AfD ab. Herzlichen Dank.
0
0
0
0
0
1
100
19
11
ID191104000
1,517,443,200,000
09:00
19:22
11,004,697
Carl-Julius Cronenberg FDP
Carl-Julius
Cronenberg
FDP
Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor einigen Monaten, vielleicht im Oktober, sagte meine Frau: Sieh zu, dass du in der Sitzungswoche so richtig reinhaust! Dann hast du vielleicht in der sitzungsfreien Woche etwas mehr Zeit für die Familie. Sie ahnen schon die Schwierigkeit: Wenn ich in vorauseilendem Gehorsam den Vorschlägen der Linksfraktion nachkommen würde, könnte ich wohl weder den Erwartungen des Fraktionsvorstandes noch denen des Haushaltsvorstandes gerecht werden. Gutgemeinte Gesetze können auch in die Fremdbestimmung führen, nämlich genau dann, wenn sie an der Lebenswirklichkeit der Menschen vorbei geschrieben werden, meine Damen und Herren. – Es geht nicht um mich; ich weiß. Die Antragsteller beklagen, Flexibilisierung sei eine Einbahnstraße zulasten der Beschäftigten. Das sehe ich anders. Ich frage Sie: Wie soll sich denn ein junger Vater mehr Zeit für die Familie nehmen, wenn er nicht flexibel arbeiten kann? Warum soll er nicht am Montag früher gehen und das Kind aus der Kita abholen oder am Dienstag länger arbeiten? Flexibilisierung führt nicht in die Fremdbestimmung, sondern zu mehr Eigenverantwortung. Und das ist die Voraussetzung für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Zur Lebenswirklichkeit der meisten Beschäftigten gehört auch die Tarifbindung. Starke Tarifpartner brauchen Tarifautonomie und Vertragsfreiheit, besonders in Fragen der Arbeitszeitgestaltung. Sie sind schon darauf eingegangen: In diesen Tagen wird in der Metallindustrie heftig um moderne Arbeitszeitmodelle gerungen. Glauben Sie mir: Die Fachleute wissen besser als wir, was in ihrer jeweiligen Branche wirtschaftlich sinnvoll und sozial vertretbar ist. Wenn Sie also jetzt eine pauschale Arbeitszeitverkürzung begrüßen, dann ist das nicht nur ein Angriff auf die Tarifautonomie, sondern es widerspricht auch dem Bedürfnis von Millionen von Beschäftigten, die mehr arbeiten möchten, aber in Ihrem Antragstext nicht erwähnt werden. Angesichts von Vollbeschäftigung in vielen Branchen und Regionen hätte die Überschrift Ihres Antrags also auch lauten können: „Acht Jahre Aufschwung und Jobwunder sind genug“. Des Weiteren fordern Sie eine kleinteilige verschärfte Dokumentationspflicht, wollen also ein neues Bürokratiemonster erschaffen. Ich sage Ihnen: Diese Forderung geht völlig an der Wirklichkeit einer Arbeitswelt 4.0 vorbei. Für uns Freie Demokraten besteht die Aufgabe darin, hier die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen, Chancen und Geschäftsmodelle zu ermöglichen sowie Missbrauch effektiv zu bekämpfen. Innovative Lösungen und Instrumente sind besser als die Rückkehr zur Stech­uhr des vergangenen Jahrhunderts. Bevor ich zum Schluss komme, erlauben Sie mir eine persönliche Bemerkung. Ich bin Familienunternehmer in zehnter Generation und nicht, wie der Antragstext suggeriert, ein Lohnräuber. Frau Krellmann, Sie sind herzlich willkommen, uns auf dem Sophienhammer im Sauerland zu besuchen sowie mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu sprechen. Aber bitte verzichten Sie auf diese Rhetorik! Sie verunglimpfen nicht nur Hunderttausende kleine und mittlere Unternehmer, sondern auch Millionen angestellte Leistungsträger in unserer Gesellschaft. Auf diese Weise säen Sie Misstrauen und ernten Spaltung, und das in Zeiten, in denen gesellschaftlicher Zusammenhalt wichtig ist. Die Freien Demokraten begrüßen die Initiative, die Arbeitszeit als Thema auf die politische Agenda zu setzen. Im Unterschied zu den Instrumenten aus der sozialen Mottenkiste plädieren wir für ein Modell, das zur Lebenswirklichkeit der Menschen von heute und morgen passt: weniger Bürokratie, mehr Eigenverantwortung, passende Rahmenbedingungen für eine Arbeitswelt 4.0. Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss. Vielen Dank, Carl-Julius Cronenberg. – Nächste Rednerin: Beate Müller-Gemmeke für Bündnis 90/Die Grünen.
0
0
0
-1
1
-1
101
19
27
ID192704100
1,524,182,400,000
09:00
14:20
11,004,789
Carina Konrad FDP
Carina
Konrad
FDP
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Damen und Herren! Ja, die Bienen sind systemrelevant. Ihr Antrag, liebe Bündnis 90/Die Grünen, ist es nicht mehr; die Ministerin hat ihn eben – Sie haben es selbst gehört – für überflüssig erklärt. Frau Ministerin, ich finde schön, dass Sie heute vom „ZDF-Morgenmagazin“ zur neuen Bienenkönigin ernannt wurden. Ich frage mich aber: Sind die Bienen wirklich so sehr in Gefahr, wie Sie alle uns das hier glauben machen wollen? Die Zahlen sprechen eine andere Sprache. Das Statistische Bundesamt stellt seit 2013 eine signifikante Steigerung der Zahl der Bienenvölker fest, und zwar um 24 Prozent fest. Und seit 2013 – das kann kein Zufall sein – stellen die Landwirte im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik 5 Prozent ihrer Flächen für Umweltleistungen, das sogenannte Greening, zur Verfügung. Es sind also die Landwirte, die die Bienen schützen. Man kann Debatten über das Verbot von Neonikotinoiden ohne das Parlament führen. Man sollte sie aber nicht ohne die Landwirte führen, deren Einschränkungen für die Bewirtschaftung gravierend sein können. Nur wer kräftig isst, kann auch kräftig arbeiten. – Was Aristoteles schon wusste, gilt auch für die Bienen. Die blühenden gelben Rapsflächen, die derzeit deutschlandweit wieder zu sehen sind, sind eine zentrale Nahrungsmittelgrundlage der Bienen. Hier ist die Saatgutbeize mit Neoniks bereits verboten. Der Anbau von Raps ist daher rückläufig. Auf jeder zehnten ehemaligen Rapsanbau­fläche wächst heute etwas anderes; denn es gibt schlicht keine Auswahl mehr an Insektiziden, die Pflanzen vor Insekten schützen sollen. Besonders hart wird das Verbot den Anbau der Zuckerrübe betreffen. Das ist für mich besonders unverständlich; denn die Zuckerrübe wird geerntet, bevor sie blüht, und damit gar nicht von den Bienen angeflogen. Ich höre Sie hier schon einwenden: Wir brauchen die Zuckerrübe ohnehin nicht; Zucker ist ungesund, deshalb können wir auf die Zuckerrübe verzichten. Aber der globale Weltmarkt tickt halt anders, und sowohl Raps als auch Zuckerrübe sind Bestandteil vielfältiger Fruchtfolgen und auch Bestandteil abwechslungsreicher Kulturlandschaften. Worüber heute noch keiner von Ihnen gesprochen hat, ist, dass die Hauptgefahr für die Bienen nicht die Pflanzenschutzmittel sind, sondern die Varroamilben. Sie sind es, die die Bienenvölker gefährden; aber sie kann man leider nicht einfach verbieten. Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen? Ja. Liebe Frau Kollegin, danke, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie haben den Rapsanbau angesprochen und gesagt, der Rapsanbau gehe zurück. Wir müssen uns aber auch fragen, warum; denn die Erträge sind nicht zurückgegangen. Als im Rahmen der Teilverbote ein Moratorium für die drei neonikotinoiden Wirkstoffe ausgesprochen wurde, wurde argumentiert, die Erträge würden zurückgehen. Die Statistik belegt das Gegenteil: Die Erträge sind angestiegen. Es gab allerdings zwei Jahre – Herr Kollege, kommen Sie zur Frage. – Sie müssen sich die Aussage der Bundesregierung dazu noch einmal anschauen –, die für den Raps ungünstig waren. Können Sie diese Aussagen zu den Rapserträgen bestätigen? Haben Sie die entsprechenden Statistiken nicht gelesen, oder wie kommen Sie darauf, dass der Rapsanbau zurückgeht? Herr Ebner, hätten Sie mir zugehört, hätten Sie gewusst, dass ich von der Anbaufläche gesprochen habe und nicht von den Erträgen pro Hektar. Damit ist die Frage abgehandelt. Gerade in der Landwirtschaft gibt es Alternativen zu einem solchen Verbot. Sie haben das Auflösen der Staus bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln erwähnt. Wir werden Sie beim Wort nehmen und Sie an Ihren Leistungen messen müssen; denn wir brauchen wirklich mehr Pflanzenschutzmittel auf dem Markt. Doch es gibt noch eine andere Alternative, technische Verfahren, Applikationsverfahren, die die Pflanzenschutzmittel unter der Blüte aufbringen und einen Kontakt mit Bienen ausschließen. Eines davon heißt Dropleg; es wurde an der Uni Hohenheim entwickelt und hat sogar den European Bee Award bekommen. Die Freien Demokraten möchten anstatt stumpfer Verbote, die Rückschritt bedeuten, solche Innovationen verbreiten und in die Fläche bringen. Gestatten Sie mir noch einen Vorschlag, bevor ich zum Ende komme. Ich plädiere für Farmer Guidance. Das sind Richtlinien, die Farmer vor politisch mutlosen Entscheidungen ohne Folgenabschätzung in der Fläche schützen. Der Rückgang der Zahl landwirtschaftlicher Betriebe ist für mich persönlich systemrelevant. Wenn es um die Zukunft geht, gilt das besonders für unsere jungen Landwirte, für unsere Landjugend. Machen Sie ihnen Mut, anstatt stumpf den ideologischen Wegen zu folgen! Vielen Dank. Frau Kollegin Konrad, herzlichen Dank. – Als Nächstes Frau Dr. Kirsten Tackmann für die Fraktion Die Linke.
0
-1
1
0
1
0
102
19
207
ID1920701700
1,611,878,400,000
9:00
17:15
11,004,116
Nadine Schön CDU/CSU
Nadine
Schön
CDU/CSU
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Reform des Kinder- und Jugendschutzrechtes ist ein ganz zentrales Vorhaben in dieser Legislaturperiode. Die Vorredner sind bereits darauf eingegangen: Schon in der letzten Wahlperiode gab es den Versuch, das Kinder- und Jugendschutzrecht in Deutschland zu reformieren. Damals kam der Gesetzentwurf kurz vor Ende der Legislaturperiode. Er war schlecht vorbereitet, wurde nicht mit der Fachwelt diskutiert, und die Fachwelt hat dementsprechend reagiert. Es gab einen großen Aufschrei. Wir haben dann im parlamentarischen Verfahren einige Sachen herausgegriffen und versucht, wenigstens diese zu ändern, aber auch das konnte nicht mehr rechtzeitig vom Bundesrat verabschiedet werden. Deshalb haben wir zu Beginn dieser Legislaturperiode gesagt: Das Ministerium muss das Thema ganz anders angehen. Wir brauchen einen breiten Beteiligungsprozess. Wir müssen die Kompetenz derjenigen, die tagtäglich mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, besser berücksichtigen und besser zuhören, was sie wollen und was sie brauchen, um Kinder und Jugendliche optimal zu unterstützen. Genau das hat das Ministerium gemacht: in einem breiten Beteiligungsprozess mit Verbänden, mit Experten und mit einer Onlinekonsultation, an der sich jeder beteiligen konnte. Und deshalb, liebe Frau Ministerin, Ihnen und Ihrem Haus ein herzliches Dankeschön dafür. Das war ein guter Prozess. Der Staatssekretärin Caren Marks, die das federführend begleitet hat, sage ich: Hut ab für diesen erfolgreichen Prozess! So haben wir uns das vorgestellt. Das war eine gute Vorbereitung für dieses Gesetz. Unter anderem gab es einen Punkt, für den sich unser Kollege Marcus Weinberg sehr stark eingesetzt hat, nämlich das Forschungsmodul „Hochproblematische Kinderschutzverläufe“. Ich bin froh, dass das gestartet wurde. Wir haben auch eine entsprechende Kommission gegründet, und wir wollen, dass die Ergebnisse auch dieser Kommission noch stärker im Gesetzgebungsverfahren mitberücksichtigt werden. Wenn wir solche Sachen initiieren, dann wollen wir auch die Ergebnisse aufnehmen und daraus lernen. Da gibt es also noch ein bisschen was zu tun. Besserer Kinder- und Jugendschutz, die Stärkung von Kindern und Jugendlichen in Pflegefamilien oder in Einrichtungen der Erziehungshilfe, Hilfen aus einer Hand für Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderungen, mehr Prävention vor Ort und mehr Beteiligung – das sind die fünf Bausteine, aus denen dieses Gesetz besteht. Einige Punkte sind in dieser Debatte schon herausgegriffen worden, und auch meine Redezeit reicht nicht, um auf alles einzugehen. Ich will aber gerne auf folgenden Punkt eingehen: das Heranziehen des ersten Einkommens – sei es der Ferienjob, sei es das erste Ausbildungsgehalt – von Kinder und Jugendlichen, die in Pflegefamilien wohnen. Ja, bisher war es so, dass sie 75 Prozent davon abgeben mussten. Das finden wir ungerecht. Als Unionsfraktion setzen wir uns schon lange dafür ein, dass wir an diesem Punkt etwas ändern. Es ist für die jungen Menschen demotivierend, wenn sie den größten Teil des ersten selbst verdienten Geldes abgeben müssen. Deshalb brauchen wir hier dringend eine Änderung. Das wurde auch in diesem Beteiligungsprozess diskutiert. Dort kam man mehrheitlich zu der Auffassung, dass es richtig ist, 25 Prozent abzugeben. Warum? Weil auch Kinder und Jugendliche, die noch bei der Familie wohnen, von ihrem ersten selbst verdienten Ausbildungsgehalt ganz oft ein bisschen ihren Eltern abgeben, quasi als Zeichen dafür, dass man sich an den täglichen Kosten beteiligt, an der Miete, an der Verpflegung. Das ist in vielen Familien selbstverständlich und eine ganz bewusste Maßnahme gegenüber den eigenen Kindern. Deshalb war das Mehrheitsvotum auch in dieser Beteiligungskommission, dass man die Quote natürlich deutlich reduziert, man aber einen geringen Anteil gelten lässt. Deshalb finde ich die Regelung nicht so unsozial, wie Sie das hier darstellen, Frau Suding. Ehrlich gesagt habe ich mich gewundert, dass dieses gerade von der FDP kritisiert wird. Ich finde es gut und richtig, dass wir uns noch einmal die Situation der Careleaver vorgenommen haben. Es ist nicht so, dass mit der Volljährigkeit die Hilfe beendet wird. Diese brauchen mehr Sicherheit und mehr Unterstützung, gerade beim Übergang in die Selbstständigkeit. Mit Blick auf die Redezeit will ich noch einen Punkt erwähnen, der mir besonders wichtig ist. Das sind die Kinder von sucht- und psychisch kranken Eltern. Die sind bisher durch das Raster gefallen, weil sie selbst nicht süchtig sind, weil sie selbst nicht krank sind, weil sie selbst vielleicht noch keine Verhaltensauffälligkeiten zeigen. Mit diesem Gesetz packen wir das Thema an, ein Thema, das wir als Unionsfraktion mit einer Arbeitsgruppe, die das aufgearbeitet hat, seit Jahren vorantreiben. Wir haben dafür gesorgt, dass es auch im Beteiligungsprozess eine große Rolle spielt. Jetzt schaffen wir ein System, das diese Kinder schon sehr früh auffängt: mit Beratung, mit Unterstützung, mit besserer Zusammenarbeit mit den Ärzten. Das ist ein gutes Signal für diese Kinder. Die wollen wir nicht aus dem Blick verlieren. Mit diesem Gesetz werden wir sie auffangen. Auch das ist ein gutes Zeichen. Vielen Dank. Damit schließe ich die Aussprache.
0
0
1
0
-1
1
103
20
51
ID205104200
1,662,595,200,000
9:00
22:49
11,004,113
Dietrich Monstadt CDU/CSU
Dietrich
Monstadt
CDU/CSU
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Damen! Meine Herren! Die parlamentarische Sommerpause hat uns allen deutlich gezeigt: Es herrscht in allen Bereichen Chaos in der Regierung, gerade und vor allem in der Gesundheitspolitik. Spiegelbild dafür ist auch dieser vorgelegte Haushaltsentwurf. Der Gesundheitsetat schrumpft auf 22 Milliarden Euro, ohne dass es ein Konzept gibt, wie man die anstehenden Probleme im Gesundheitssystem oder gar die Folgen der Coronapandemie angehen will. Herr Kollege Ullmann, dies als Fortschritt zu bezeichnen, dafür fehlt mir einfach die Fantasie. Meine Damen und Herren, dass der Zuschuss für die Krankenkassen nach der Pandemie von 30 Milliarden auf 14,5 Milliarden Euro zurückgeführt wird, zeigt, wie konzeptlos bei der Stabilisierung der Finanzen im Gesundheitssektor vorgegangen wird. Herr Minister, ein Problem sind die Umsetzungsfristen für Maßnahmen des Krankenhauszukunftsfonds. Bereits 2020 hat die Union zusammen mit der SPD ein milliardenschweres Förderprogramm aufgelegt, um den digitalen Ausbau der Krankenhäuser voranzutreiben. Doch mittlerweile belasten die Umsetzungsfristen unsere Krankenhäuser. Ab 1. Januar 2025 sind einige Leistungen sanktionsbehaftet. Das führt dazu, meine Damen und Herren, dass diese Projekte erst gar nicht angegangen werden. Dazu kommen galoppierende Strom- und Gaspreise, die unsere Krankenhäuser – es ist hier wiederholt angesprochen worden – vor enorme finanzielle Herausforderungen stellen. Eine Antwort darauf gibt der Haushaltsentwurf nicht. Aber, Herr Minister, Sie haben heute angekündigt, Sie wollen dort helfen. Wir werden Sie beim Wort nehmen. Meine Damen und Herren, jedes Mal, wenn ich hier stehe, frage ich Sie, Herr Minister: Was passiert mit der Umsetzung der Nationalen Diabetes-Strategie? Jedes Mal muss ich Sie auf die Dringlichkeit dieses Themas hinweisen – ohne dass irgendwas passiert. Sinnvolle Initiativen gibt es bereits, wie zum Beispiel eine nationale Diabetesdatenbank, die dazu beitragen könnte, Unter- und Überversorgung in einzelnen Regionen oder Patientengruppen zu identifizieren. Das würde zu einer Kostenstraffung und effizienteren Finanzierung von Behandlungen führen. Daten aus Israel zeigen uns, wie eine Datenbank moderne Diabetesversorgung unterstützen kann. Herr Minister, Ihr anstehender Besuch in Israel gibt Ihnen die Chance, sich dort auch zu diesem Thema zu informieren. Meine Damen und Herren, auch die Daten der Adipositas entwickeln sich alarmierend. In Deutschland sind es fast 60 Prozent der Erwachsenen, circa 30 Prozent der Jungen und 27 Prozent der Mädchen, die übergewichtig und adipös sind. Jedes sechste Kind in Deutschland ist seit der Coronapandemie dicker geworden. Eine ganze Generation ist von diesem Übergewicht betroffen. Experten und Ärzte mahnen, dass es sich um eine nie dagewesene Gewichtszunahme handelt. Herr Minister, die Umsetzung einer richtigen und vernünftigen Präventionspolitik liegt in Ihren Händen. Mein Appell an die Bundesregierung: Handeln Sie schnell, effektiv und nachhaltig! Handeln Sie jetzt! Meine Damen und Herren, die Inaktivität dieser Regierung macht mir und uns auch an anderer Stelle große Sorgen. Das wichtige Thema der EU-Medizinprodukteverordnung, MDR, muss von der Regierung deutlich ernsthafter angegangen werden. Ich begrüße ausdrücklich den im Juli 2022 begonnenen Dialogprozess bei der Implementierung dieser Verordnung. Doch Dialog alleine reicht nicht aus. Wir brauchen Lösungen. Ansonsten verlieren wir geschätzt 10 Prozent insbesondere der kleinen und mittelständischen Unternehmen und circa 40 Prozent der zugelassenen Medizinprodukte. Die Lage ist dramatisch. Wir – das heißt alle betroffenen Patienten, Anwender oder Unternehmen – brauchen jetzt Entscheidungen. Med-Tech-Unternehmen müssen jetzt Entscheidungen darüber treffen, welche Produkte am Markt gehalten werden können und welche nicht. Jedes Produkt, welches aus dem Markt genommen wird, steht für die Versorgung auf Dauer nicht mehr zur Verfügung. Meine Damen und Herren, dieser Haushaltsentwurf ist eindeutig ein Rückschritt, vor allem in den von mir angesprochenen Bereichen. Wir lehnen ihn entschieden ab. Herzlichen Dank. Der Kollege Dr. Christos Pantazis hat das Wort für die SPD-Fraktion.
0
0
1
0
0
0
104
19
213
ID1921304400
1,614,297,600,000
9:00
16:21
11,004,715
Susanne Ferschl DIE LINKE
Susanne
Ferschl
DIE LINKE
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, ein soziales Schutzpaket, das den Namen wirklich verdient, muss Beschäftigtenrechte und soziale Sicherheit stärken. Das vorliegende ist besser als nichts, aber es ist ein sehr, sehr kleines „Paketchen“. Es fehlen wesentliche Maßnahmen. Drei Beispiele dafür: Erstens. Ein Mindestkurzarbeitergeld von 1 200 Euro. Im Sozialschutz-Paket II wurde noch das Kurzarbeitergeld nachgebessert, aber für die Kolleginnen und Kollegen in Gastronomie, Hotel und Dienstleistung reicht das einfach nicht. Niedriglöhne sind dort an der Tagesordnung, weil die Tarifbindung so niedrig ist und der Mindestlohn zu gering. Und 60, 70 oder auch 80 Prozent von wenig ist zu wenig. Deswegen ist dieses Kriseninstrument dringend notwendig. Zweitens. Die Verlängerung der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld auch in 2021. Warum lassen Sie denn diese sinnvolle Regelung auslaufen? Mehrere Hunderttausende Beschäftigte, die letztes Jahr durch die Krise ihren Job verloren haben, schickt die Bundesregierung in diesem Jahr jetzt direkt in Hartz IV. Die Menschen brauchen aber eine soziale Brücke über die Pandemie. Deswegen muss das Arbeitslosengeld länger gezahlt werden. Drittens. Bei Hartz IV einen ehrlich gerechneten Regelsatz von 658 Euro plus einen monatlichen Pandemiezuschlag von 100 Euro, so wie es auch 41 Sozialverbände und Gewerkschaften fordern. Es ist gut, dass der vereinfachte Zugang zur Grundsicherung verlängert wird. Aber einmalig 150 Euro für mittlerweile zwölf Monate Pandemie auf einen Regelsatz, der nicht einmal das Existenzminimum absichert? Dafür sollte sich die Bundesregierung schämen. 790 Millionen Euro für die Ärmsten in dieser Gesellschaft und 9 Milliarden Euro alleine für die Lufthansa – ja, da muss Ihnen doch selber auffallen, dass irgendwas nicht mehr stimmt. Ihre Krisenpolitik ist sozial unausgewogen und befördert weiter eine Umverteilung von unten nach oben. Man muss sich das mal auf der Zunge zergehen lassen: Zwölf DAX-Konzerne haben letztes Jahr Kurzarbeit in Anspruch genommen, elf davon haben Dividenden in Höhe von insgesamt 13 Milliarden Euro an die Aktionäre ausgeschüttet. Staatliches Geld ist so direkt in die Taschen von Multimillionären wie Dieter Schwarz oder Susanne Klatten gewandert. Wir sagen: Damit muss Schluss sein. Das Geld muss da ankommen, wo es am nötigsten gebraucht wird, und Superreiche und Großkonzerne müssen endlich zur Finanzierung der Krisenkosten herangezogen werden. Vielen Dank. Der nächste Redner für Bündnis 90/Die Grünen ist der Kollege Sven Lehmann.
0
1
0
1
0
0
105
20
44
ID204407200
1,655,942,400,000
9:00
23:47
11,005,083
Bernhard Herrmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Bernhard
Herrmann
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es freut mich, liebe CDU/CSU, dass Sie Ihr Recht und Ihre Pflicht als Opposition wahrnehmen und diese Aktuelle Stunde zu einem wahrlich ernsten Thema beantragt haben. Wir werden uns schnell einig, dass wir über die Versorgungslage im kommenden Winter nicht oft genug debattieren können, gerade vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen. Noch mehr hätte ich mich aber gefreut, wenn Sie in den 16 Jahren Regierungszeit mit gleichem Eifer gehandelt hätten. Dann wären wir heute beim Ausbau der Erneuerbaren inzwischen Spitzenreiter, und die heutige Debatte wäre eine ganz andere. Und jetzt fordern Sie Planwirtschaft, Herr Gebhart, auch noch den VEB Atom? Sie fordern, dass der Staat einsteigt? Ist das Ihr Ernst? Die Heizkosten werden steigen, weil Deutschland die Energiewende verschlafen hat und der Ausbau der Erneuerbaren jahrelang ausgebremst wurde. Unsere Abhängigkeit von fossilen Energieträgern haben wir einer Politik des Ausweichens und Blockierens zu verdanken. Deshalb ernten wir heute, was Sie jahrelang gesät haben. Wir Grüne haben immer schon vor dieser fatalen Abhängigkeit gewarnt. Liest man den von Ihnen gewählten Titel der Aktuellen Stunde, so könnte man meinen, Sie hätten auch die letzten Monate verschlafen. Seit Beginn des Ukrainekriegs arbeiten Herr Habeck und sein Ministerium mit Hochdruck daran, die Versäumnisse vergangener Jahre wieder geradezubiegen. Entschlossener und zielgerichteter kann man gar nicht vorsorgen. Am heutigen Tag zeigt sich das umso mehr. Wir rufen die Alarmstufe aus, weil wir schnell und vorausschauend handeln. Meine Damen und Herren, Frau Präsidentin, ohne Zweifel müssen wir die Aufgabe, die uns ab sofort für den kommenden Winter bevorsteht, gemeinsam und solidarisch als Gesellschaft bewältigen. Dahin gehend richtet sich auch der heutige Appell des Wirtschaftsministers, den ich mit aller Kraft unterstütze. Damit uns dieser gemeinsame Kraftakt gut gelingt, haben wir hier im Bundestag längst Gesetze auf den Weg gebracht und bereiten weitere vor. Oster- und Sommerpaket sind ja breit bekannt. Unser Kurs ist klar und lösungsorientiert: Wir tun alles, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Ich möchte an dieser Stelle daran erinnern, vor welcher Ausgangslage wir noch vor wenigen Monaten standen. Für die aktuelle Situation bestanden keine vorausschauenden Gesetzespakete; es gab keine Pläne in der Schublade. All das musste innerhalb weniger Wochen im Akkordtempo aus dem Boden gestampft werden. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat also sofort angepackt und mit der Diversifizierung unserer Energieversorgung losgelegt. Mit höchstem Tempo wird die Versorgung mit Flüssigerdgas vorbereitet. Unsere Abhängigkeit von Russland bei Kohle und Öl ist beachtlich geschrumpft. Wir haben noch vor wenigen Wochen das Gasspeichergesetz im Bundestag auf den Weg gebracht. Und auch, wenn wir uns alle einen anderen Verlauf gewünscht hätten: Wir haben gegenwärtig Rechtsinstrumente, mit denen wir unverzüglich reagieren konnten. Zur langfristigen Wahrung unserer Versorgungssicherheit gehört ohne Wenn und Aber ein beschleunigter Ausbau der Erneuerbaren; da müssen wir schleunigst auf die Tube drücken. An der Stelle, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, können Sie uns tatkräftig unterstützen, damit wir unseren gemeinsamen Zielen endlich näherkommen. Gleichzeitig wissen wir um die Last und die Sorgen vieler Menschen, die nicht warten können, bis wir politisch alle Wogen geglättet haben. Deshalb haben wir kurzfristig gehandelt und mehrere Entlastungspakete und Maßnahmen auf den Weg gebracht, darunter den Heizkostenzuschuss und die Energiepreispauschale. Hohe Energiekosten betreffen auch den täglichen Arbeitsweg. Dazu haben wir das 9‑Euro-Ticket eingeführt, und wir Grüne werden die Erfahrungen mit der Ticketnutzung ernst nehmen und uns dafür einsetzen, dass wir längerfristige Lösungen für eine bezahlbare, klimafreundliche Mobilität finden. Und wir werden uns generell starkmachen für eine gerechtere Lastenverteilung. Zur gegenwärtigen Wahrheit gehört aber auch, Unbequemes zu benennen. Wir müssen sorgsam mit vorhandener Energie umgehen. Alles, was wir heute an Energie einsparen, hilft unserer Versorgungssicherheit, hilft uns allen, hilft unserer Industrie und bringt uns gelassener über die Wintermonate. Deshalb begrüße ich es als Fachpolitiker ausdrücklich, dass das BMWK gemeinsam mit einem breiten Bündnis von Verbänden zum Energiesparen aufgerufen hat. Jede und jeder kann und sollte mitmachen. Ich würde mir wünschen, dass diese einfache Möglichkeit des Mithelfens und die Wirkungskraft dahinter viel tiefer in unser aller Bewusstsein rückt und auch breiter in die Gesellschaft hinein und vor allem über diejenigen hinaus, die ohnehin schon energiesparsam sind oder bisher schon sein mussten. Gerade für diese Menschen haben wir alle gemeinsam die Pflicht, uns solidarisch zu verhalten. Vielen Dank. Als Nächstes erhält das Wort für die FDP-Fraktion der Abgeordnete Michael Kruse.
-1
1
0
0
1
1
106
19
219
ID1921907100
1,616,716,800,000
9:00
17:46
11,004,116
Nadine Schön CDU/CSU
Nadine
Schön
CDU/CSU
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Olaf Scholz hat im Herbst, als er die Regelung zur Mitarbeiterkapitalbeteiligung vorgestellt hat, gesagt: Eine blühende Start-up-Szene ist wichtig für unser Land, sie stärkt die Innovationsfähigkeit der Wirtschaft. So weit, so gut und auch so richtig. Allerdings: Wenn man blühende Landschaften haben will, wenn man Blumen haben will, dann muss man diese Blumen auch gießen. Bei Minister Scholz hat man eher den Eindruck, er steht auf dem Gartenschlauch. Wir als Unionsfraktion müssen ständig versuchen, ihn mit Leibeskräften von diesem Gartenschlauch wegzubewegen. Auch wir wollen blühende Start-up-Landschaften und haben dafür in dieser Legislaturperiode auch einige Instrumente auf den Weg gebracht; der Zukunftsfonds ist bereits genannt worden. Es war Ralph Brinkhaus, der das in die Koalitionsverhandlungen eingebracht, auf dem Koalitionsgipfel gefordert und auch durchgesetzt hat. Nur deshalb stehen jetzt 10 Milliarden Euro zur Verfügung, die wir mit privatem Kapital auf gut 30 Milliarden Euro heben wollen. Auf dieses Wachstumskapital warten die Start-up-Unternehmen in unserem Land. Damit gießen wir dieses Ökosystem und bringen es zum Blühen. Es war die Union, die auch die Mitarbeiterkapitalbeteiligung gefordert hat. Allerdings ist das, was aus dem Finanzministerium kommt – das wurde in der Debatte von vielen angesprochen –, wirklich nur ein dünnes Rinnsal. Wir müssen hier nachbessern. Die Start-up-Szene sagt das ganz deutlich. Die Kollegen haben die Einzelheiten ausgeführt; wir müssen hier wirklich nachbessern, damit es auch ein Erfolg wird. Eine tolle Überschrift bringt nichts, wenn dann nur gekleckert wird. Wir müssen klotzen, damit aus den jungen innovativen Unternehmen in unserem Land große erfolgreiche Unternehmen werden. Sie sind die Wachstumsmotoren der Zukunft, sie sichern unseren Wohlstand in der Zukunft, sie sichern Arbeitsplätze und sorgen dafür, dass wir unser Land als Ganzes modernisieren. Leider stehen das Finanzministerium und teilweise das Justizministerium auch in anderen Bereichen auf der Bremse. Als Fraktion haben wir 2019, vor zwei Jahren, die Forderung nach digitalen Wertpapieren gestellt. Dann hat es erst einmal ewig gedauert, bis etwas vorgelegt wurde, und auch das ist leider nicht ausreichend. Um die Reihe fortzusetzen: Im August letzten Jahres hat sich die Koalition mit den Ländern darauf verständigt, 90 Millionen Euro in einen digitalen Bildungsraum, in Bildungskompetenzzentren zu investieren; denn wir sehen doch alle, wie wichtig die digitale Bildung in unserem Land ist, wie wichtig es ist, dass wir alle Menschen in unserem Land, nicht nur die Schülerinnen und Schüler, im Bereich der digitalen Bildung fitmachen. Deshalb haben wir als Bund entschieden, noch mal richtig Geld in die Hand zu nehmen. Das war im August 2020. Im November 2020 stand das Geld dann haushalterisch zur Verfügung, doch bis heute hat der Finanzminister das Geld nicht freigegeben. Frau Kollegin, achten Sie auf die Zeit. Das Konzept des BMBF liegt dafür vor. Wir warten darauf, dass das Geld jetzt auch für den Innovationsstandort Deutschland nutzbar gemacht wird. Ich freue mich auf die Beratungen zum Fondsstandortgesetz, damit wir dieses besser machen können. Vielen Dank, Frau Kollegin Schön. – Mit diesen Worten beenden wir die Aussprache.
0
0
1
0
1
0
107
19
49
ID194907500
1,536,796,800,000
09:00
18:02
11,004,384
Alois Rainer CDU/CSU
Alois
Rainer
CDU/CSU
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Etat des Bundesfamilienministeriums ist erneut wieder angestiegen, auf nunmehr circa 10,3 Milliarden Euro. Das ist ein gutes und wichtiges Zeichen für die Familien in unserem Land. Weiterhin bildet das Elterngeld bei den gesetzlichen Leistungen, die circa 80 Prozent dieses Etats betragen, einen Schwerpunkt mit knapp 7 Milliarden Euro. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist heute viel über das Programm „Demokratie leben!“ gesprochen worden. Wir haben in dieser Woche auch viel über das Thema Chemnitz gesprochen. Es wurde an den Menschen gedacht, der leider Gottes sein Leben verloren hat. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren: Ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir hier über den G-20-Gipfel in Hamburg, lieber Marcus Weinberg, so viel gesprochen haben. Was da passiert ist, war meines Erachtens unerträglich. Dass man mit Steinen, mit Betonbrocken auf Menschen, auf Polizisten schmeißt, ist genauso verwerflich wie die Demonstrationen, die wir in Chemnitz erleben mussten. Was jetzt im Hambacher Forst passiert, auch das kann ich in keinster Weise verstehen. Gerade deshalb ist ein Programm wie das Programm „Demokratie leben!“ in meinen Augen unglaublich wichtig. Wir müssen aber aufpassen, wo und wie wir das Geld einsetzen. Es wird in diesem Haus – so hoffe ich es doch – niemanden geben, der Extremismus auf der rechten, auf der linken Seite oder religiösen Extremismus will. Deshalb müssen wir miteinander gegen den Extremismus in unserem Land arbeiten, statt ihn ständig weiter zu schüren, meine sehr verehrten Damen und Herren. Aber jetzt zurück zum Etat. Sehr verehrte Frau Ministerin, auch für den Kitaausbau werden wir weiterhin Geld zur Verfügung stellen. Sie kennen meine Einstellung: Grundsätzlich ist das keine Bundesaufgabe, es ist aber schön, wenn wir die Kommunen und die Länder bei dieser Aufgabe unterstützen. Ich würde mich aber noch mehr freuen, wenn das eine oder andere Bundesland in dieser Hinsicht seine Hausaufgaben machen würde. Ich bitte Sie darum: Schauen Sie darauf! Haben Sie ein wachsames Auge darauf, dass die Drittellösung so wie vereinbart ausgeführt wird. Lassen Sie mich noch ein paar Worte zum Bundesfreiwilligendienst sagen. Mit dem Wegfall der Wehrpflicht 2011 kam dem Bundesfreiwilligendienst in Deutschland eine wichtige und sehr bedeutende Aufgabe zu. Wir haben schon oft über die Leistungen des Bundesfreiwilligendienstes gesprochen. Uneingeschränkt kann ich die Arbeit der vielen Freiwilligen unterstützen und ihnen herzlich danken. Es ist ein Dienst an und für die Gesellschaft – ehrenwert und großartig. Vielen herzlichen Dank! Für das Sonderprogramm „Bundesfreiwilligendienst mit Flüchtlingsbezug“ haben wir insgesamt eine Summe von 205 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Im kommenden Haushaltsjahr 2019 soll dieser Ansatz gesenkt werden. Hierüber müssen wir noch mal sprechen; nicht nur über den Ansatz mit Flüchtlingsbezug – den finde ich so in der Gänze nicht richtig –, sondern generell über den Ansatz des Bundesfreiwilligendienstes. Wir müssen mehr Menschen die Möglichkeit geben können, beim Bundesfreiwilligendienst mitzumachen. Gleichzeitig sollte man sich hausintern über die Vergabe der Einsatzstellen Gedanken machen. Es kann, sehr geehrte Frau Ministerin, meines Erachtens nicht sein, dass Kontingente ans BAFzA zurückgegeben werden, nur weil diese nicht besetzt werden können, während andere Organisationen diese Kontingente brauchen könnten, sie aber nicht mehr bekommen. Wir werden uns über diese Sache noch unterhalten. Kurz noch einige Aspekte zum Gute-Kita-Gesetz. Grundsätzlich kann das Gesetz etwas Gutes werden. Wir mischen uns hier in Aufgaben der Länder ein. Ich werde nicht ins Detail gehen – im Einzelplan 60 sind 5,5 Milliarden Euro dafür berücksichtigt –; ich habe aber die eine oder andere Sorge. Wir geben die Mittel über die Umsatzsteuerpunkte an die Länder. Daraus ergeben sich Fragen: Wie können wir mit unserer Budgethoheit kontrollieren, was am Ende der Tage bei den Kommunen ankommt? Wie können wir die Qualität dessen, was mit dem Geld erreicht wird, kontrollieren? Ich hoffe, wir finden eine gemeinsame Lösung. Lassen Sie mich heute aber auch allen Ehrenamtlichen ein herzliches Dankeschön aussprechen. Wir sprechen bei diesem Etat unter anderem über die Jugendverbandsarbeit, über all diejenigen, die sich in der Jugendverbandsarbeit engagieren, über alle Mitarbeiter in unseren Vereinen, Verbänden, in den Sportvereinen oder in jedem anderen Verein, die sich ehrenamtlich für das Zusammenleben in unserem wunderbaren Land engagieren. Dies ist alles, nur nicht selbstverständlich. – Vielen herzlichen Dank. Ebenfalls bedanke ich mich bei den vielen Haupt- und auch Ehrenamtlichen, die sich in der Senioren- und Behindertenarbeit engagieren. Ich denke, auch das gehört in einer Haushaltsdebatte einmal angesprochen. Es gibt noch einiges zu tun. Wir werden versuchen – das ist das Selbstverständnis der Haushälter –, diesen guten Entwurf noch ein Stück weit besser zu machen. Lieber Herr Kollege Volker Münz, zu Ihrer Aussage, der Stellenaufwuchs in den letzten Jahren betrage 40 Prozent: Ich habe das Glück, dass ich diesen Etat jetzt schon das fünfte Jahr betreuen darf. Der Großteil dieser 40 Prozent sind Entfristungen, und zwar im BAFzA. Es ist notwendig, diese Entfristungen vorzunehmen. Das BAFzA hat unglaublich wichtige Aufgaben. Diese Stellen waren einmal befristet, ja, aber der Großteil davon ist jetzt nicht mehr befristet. Ich schaue schon selbst darauf, dass es nicht zu viele Stellen werden, und ich bitte, dass wir bei diesen Dingen auch die Entfristungen mit im Auge behalten. Abschließend darf ich noch ganz kurz sagen: Gewalt gegen Frauen und Gewalt gegen Kinder gehen gar nicht! Wenn mich eines richtig ärgert, dann ist es Gewalt gegen die Schwächsten unserer Gesellschaft, und das sind nun mal die Kinder. Ich erinnere an ein Zitat von Gerhard Schröder, das vielleicht nicht vielen gefallen hat, aber mir hat es damals gefallen: „Kinderschänder gehören weggesperrt – für immer!“. Das war damals umstritten; ich weiß es. Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss. Vielen Dank, Herr Präsident. – Man sollte sich aber wieder Gedanken darüber machen. In diesem Sinne freue ich mich auf die Haushaltsberatungen. Vielen herzlichen Dank. Vielen Dank, Herr Kollege Rainer. – Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen nicht vor.
0
0
1
0
0
0
108
19
89
ID198904000
1,553,126,400,000
09:00
00:32
11,004,934
Bettina Margarethe Wiesmann CDU/CSU
Bettina Margarethe
Wiesmann
CDU/CSU
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Lehmann, Kinder sind Gott sei Dank immer Teil von Familien. Deshalb haben wir als Union einen Ansatz in der Familienpolitik, bei dem alles zusammen betrachtet wird. Insofern richtet sich unser Gesetz heute gezielt an eine Gruppe von Familien, die uns besonders wichtig ist, und zwar an die, die zur arbeitenden Bevölkerung gehört, aber so bescheidene Einkommen erwirtschaftet, dass es für die Versorgung von Kindern kaum reichen würde, wenn es dabei bliebe. Es ist deshalb eine wichtige Zielgruppe, weil – das ist schon angeklungen – Berufstätigkeit und eigenes Einkommen die wirtschaftliche Basis einer Familie stärken, aber eben auch das Selbstwertgefühl von Kindern und Eltern. Das zusammen ist tatsächlich die beste Grundlage für ein gutes Aufwachsen von Kindern; und darum geht es uns genauso wie Ihnen. Diese Familien zu stärken, ist nämlich der Grundgedanke des Kindeszuschlags und auch des Bildungs- und Teilhabepakets. Kinder aus diesen Familien sollen vergleichbare Bildungs- und Teilhabechancen haben wie Kinder aus bessergestellten Familien. Zugleich sollen ihre Eltern ermutigt und bestärkt werden, die Familie weiter aus eigener Kraft durchzubringen – ich formuliere es genau so. Das Instrument ist aus unserer Sicht gut und wird durch den vorliegenden Gesetzentwurf, der zumal überarbeitet wurde, noch einmal deutlich besser. Meine Vorredner haben es bereits beschrieben. Ich will zwei Aspekte hervorheben, die noch nicht ganz so ausführlich angesprochen worden sind: Erstens: der höhere Kinderzuschlag – nur Brosamen? Im Ausschuss wurde der Gesetzentwurf in geänderter Form gestern als lächerlich – von den Grünen – und als eine Ansammlung von Brosamen – von der AfD – beschrieben. – Entschuldigung, dann müssen Sie es richtigstellen. Es ist bei mir eindeutig so angekommen. – Immer wieder fällt das Wort vom kleinen Schritt, auf den die eigentlichen, umfassenden Maßnahmen folgen müssten – so auch eben bei Ihnen, Herr Lehmann. Meine Damen und Herren, die Berechnungen des Ministeriums selbst sagen etwas anderes: Eine Familie mit zwei Kindern, die 1 200 Euro brutto verdient, hat am Ende, nach Abzügen und mit den Transferleistungen, das Doppelte im Portemonnaie: 2 400 Euro verfügbares Einkommen durch Kindergeld, Kinderzuschlag, Wohngeld sowie Bildungs- und Teilhabepaket. Bei einem Brutto von 3 000 Euro sorgen Transfers von über 500 Euro, darunter immer noch 100 Euro Kinderzuschlag, für 2 700 Euro im Portemonnaie. Bis in den oberen Bereich der unteren Mittelschicht hinein – Definition „untere Mittelschicht“: 60 bis 80 Prozent des mittleren Familieneinkommens – werden Familien vom Kinderzuschlag künftig noch profitieren, weil wir jetzt die Abbruchkante beseitigen. Bis zu einem Einkommen von 3 400 Euro erhält unsere Beispielfamilie durch den Kinderzuschlag immer noch eine Unterstützung. Ihr bleiben dann über 2 850 Euro verfügbares Einkommen. Liebe Linke, Grüne und auch AfD, wir machen hier nicht einen kleinen Schritt in die richtige Richtung. Nein, hier wird ein starkes Sozialsystem im Hinblick auf den Umfang der Leistungen noch erheblich verbessert. Die an diesem Pult oft thematisierten Kinder dieser Familien wachsen nicht im materiellen Elend auf. Bei 100 Euro mehr verfügbarem Einkommen – das ist die Definition – beginnt die mittlere Mittelschicht. Ich meine, mit diesem Gesetz wird ein Punkt erreicht, an dem es gut ist. Deshalb können wir zufrieden sein und das Gesetz heute alle miteinander verabschieden. Zweitens: Bildungs- und Teilhabepaket – leichterer Zugang für Eltern, bessere Leistungen für Kinder. Eltern, die arbeiten wollen, profitieren enorm davon, dass sie nicht wegen jeder Einzelleistung des Bildungs- und Teilhabepakets zum Jobcenter, zur Schule oder zu anderen Stellen laufen und dort oft auch noch warten müssen. Gestatten Sie eine Zwischenfrage? Nein, im Anschluss. Ich möchte das erst zu Ende ausführen. – Deshalb ist es auch aus Sicht der Union gut, dass Leistungen künftig einfacher, pauschal und sogar digital beantragt werden können. Auch die Kinder profitieren. Vieles ist dazu gesagt worden. Ich bin sehr zuversichtlich, dass mit dem erleichterten Zugang und den verbesserten Leistungen weit mehr Familien als bisher erreicht werden. Bleiben muss es allerdings – das ist mir wichtig – bei der Antragsleistung und auch bei der Bedürftigkeitsprüfung. Denn Transferleistungen sind zweckbestimmt und müssen und sollen von anderen erwirtschaftet werden und werden auch gerne von anderen erwirtschaftet. In der sozialen Marktwirtschaft ist Solidarität selbstverständlich. Hilfe muss begründet sein, dann kann sie auch selbstbewusst angenommen werden. Sie ist weder ein Freifahrtschein noch ein Almosen. Das ist uns als Union wichtig. Deshalb lehnen wir die Anträge der Grünen, die in eine komplett andere Richtung gehen, aus Überzeugung ab. Ich fasse zusammen – zwei Sätze –: Dieser optimierte Gesetzentwurf entlastet und ermutigt geringverdienende Familien, und er verbessert Teilhabe und Bildungschancen für ihre Kinder. Menschen, die sich anstrengen und Verantwortung übernehmen, die in diesem doppelten Sinne also zur breiten Mitte der Gesellschaft zählen, werden unterstützt, aber nicht blind, sondern so, dass sie besser leben können, und zugleich so, dass sich ein Mehr an Leistung für sie weiterhin lohnt. Ein Letztes. Materielle Knappheit ist das eine, Anregungsarmut das andere. Auch nach Inkrafttreten dieses Gesetzes besteht die Aufgabe, Kindern und Jugendlichen jenseits der materiellen Voraussetzungen das emotionale und das geistige Umfeld zu bieten, in dem sie sich entfalten können. Das obliegt als Hauptverantwortlichen den Eltern und einer Familienpolitik, die sie dabei ernst nimmt, anerkennt und unterstützt. Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Ende. Das ist eine Politik, die wir als Union auf allen Ebenen vertreten. Herzlichen Dank. Ich erteile zu einer Kurzintervention das Wort der Kollegin Katja Dörner.
0
-1
1
0
0
1
109
19
77
ID197709900
1,548,892,800,000
10:30
23:37
11,004,285
Fritz Güntzler CDU/CSU
Fritz
Güntzler
CDU/CSU
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Ich bin immer erstaunt, Herr Glaser, dass Sie auch noch beweisen, dass Sie inhaltlich nichts draufhaben, indem Sie einfach über irgendwelche anderen Dinge und nicht zum Gesetz reden. Denn es lohnt sich, glaube ich, wirklich, sich mit dem Thema zu beschäftigen, das uns heute vorliegt. Der Brexit wird kommen. Sie mögen Ihre eigenen Begründungsmuster dafür haben, die schon sehr bemerkenswert sind. Ich will das aber nicht näher kommentieren, sonst verliere ich selbst viel zu viel Zeit, die ich brauche, um über das Gesetz zu reden. Wir müssen uns darauf vorbereiten, dass der Brexit kommt. Ob mit Austrittsabkommen oder ohne, er wird irgendwann kommen. Und das wird Folgen für die Steuerpflichtigen in Deutschland haben. Denn klar ist: Entweder nach einem Austrittsabkommen oder bereits am 30. März – das sind übrigens nur noch 58 Tage – wird das Vereinigte Königreich, steuerlich betrachtet, Drittland sein. Das hat elementare Folgen; denn unser Steuerrecht ist so aufgebaut, dass bei bestimmten Sachverhalten, die die EU oder den EWR-Raum betreffen, gewisse Vorteile bestehen – jedenfalls gibt es bessere Regelungen als für Drittländer. Und wenn das Vereinigte Königreich nun Drittland wird, wird das gewisse Konsequenzen haben, auf die wir zu reagieren haben – wie es auch im Allgemeinen gewisse Probleme oder Dinge, aufgrund derer wir handeln müssen, geben wird. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die EU-Verträge für das Vereinigte Königreich dann nicht mehr gelten werden. Das heißt, dass die Grundfreiheiten, bis auf die Kapitalverkehrsfreiheit, die auch gegenüber Drittländern gilt, nicht mehr gelten. Wir haben das Thema der Beihilfe, über das wir hier viel diskutiert haben. Wir überlegen immer, ob die Dinge, die wir machen, beihilferelevant sind. Das Beihilfeverbot wird für das Vereinigte Königreich nicht mehr gelten, was uns im steuerlichen Wettbewerb unter Umständen Probleme bereiten kann. Die verschiedensten Richtlinien, die wir im Sekundärrecht haben – ich nenne nur die Mutter-Tochter-Richtlinie, die Zins- und Lizenzrichtlinie, die Mehrwertsteuerrichtlinie, die Amtshilferichtlinie –, werden für das Vereinigte Königreich keine Bedeutung mehr haben – ebenso wenig wie die EuGH-Rechtsprechung, die oft genug dazu geführt hat, dass wir Gesetze geändert haben oder anders auslegen mussten. Das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen dem Vereinigten Königreich und der Bundesrepublik Deutschland, das wir 2010 zuletzt modifiziert haben, wird eine ganz neue Bedeutung haben. Oftmals haben wir gar nicht mehr hineingeschaut, weil es keine Bedeutung hatte, weil die Richtlinien es überlagert haben. Das werden wir uns in einzelnen Punkten ansehen müssen. Das heißt, es stehen viele Herausforderungen an, insbesondere für unsere Steuerpflichtigen. Darum wollen wir ihnen helfen, sodass es keine Nachteile gibt. Viele Unternehmen – ich hoffe, alle Unternehmen – sind mittlerweile bereit, sich darauf einzustellen, dass es vielleicht einen harten Brexit gibt, dass wir die Dinge vielleicht schon am 30. März 2019 vollziehen müssen. Wenn es zu einem Austritt mit einem Austrittsabkommen kommt, haben wir ja das Brexit-Übergangsgesetz, das wir klugerweise hier im Parlament beschlossen haben, sodass wir dann Übergangsregelungen haben. Wenn es aber nicht dazu kommt, müssen wir sofort handeln. Das bedeutet unter anderem, weil die Mehrwertsteuersystemrichtlinie wegfällt, dass das Umsatzsteuerrecht dann ein ganz anderes ist. Die innergemeinschaftliche Lieferung, die wir im Steuerrecht kennen, würde zur Ausfuhrlieferung werden, was völlig andere Beleg- und Buchnachweise für den Mandanten nach sich zieht, was erhebliche Umfänge annehmen würde. Wir kennen dann kein innergemeinschaftliches Verbringen, keinen innergemeinschaftlichen Erwerb mehr. All diese Dinge werden dann von gestern sein. Die Unternehmen müssen sich darauf vorbereiten. Aber in diesem Gesetz geht es nicht um diese Dinge, auf die sich die Unternehmen vorbereiten, sondern es geht um Dinge, die zu Nachteilen führen, obwohl der Steuerpflichtige nichts tut. Wir wollen mit diesem Gesetz verhindern, dass allein der Brexit als sogenanntes schädliches Ereignis in bestimmten Bereichen der Unternehmensbesteuerung und – die Staatssekretärin hat es angesprochen – auch bei der Riester-Förderung für den Steuerpflichtigen zu nachteiligen Folgen führt, also ohne weiteres Zutun. – Lieber Lothar Binding, wir schützen die deutschen Steuerpflichtigen. Von daher ist das, glaube ich, ein gutes Gesetz. Es ist sehr klug gemacht. Wir haben schon mit einem Entschließungsantrag von SPD und CDU/CSU zum Brexit-Übergangsgesetz klargestellt, dass wir Bestands- und Vertrauensschutz wollen. Das führen wir hier letztendlich fort. Um das deutlich zu machen, nenne ich nur ein Beispiel – es gibt verschiedene Punkte –: Wenn Sie stille Reserven realisiert haben, weil Sie Wirtschaftsgüter aus dem Steuergebiet der Bundesrepublik Deutschland in das Vereinigte Königreich gebracht haben, dann haben Sie die Möglichkeit, diese stillen Reserven nicht sofort zu versteuern, sondern sie über fünf Jahre zu stunden. Ist es gerecht, dass der Brexit dazu führt, dass sie zur Sofortversteuerung kommen? Nein, natürlich nicht. Von daher haben wir dafür Übergangslösungen. Das findet sich auch in anderen Bereichen wieder, sodass das, glaube ich, ein kluges Gesetz ist. Es ist klar – das hat auch Herr Glaser gesagt; das war, glaube ich, fast die einzige richtige Passage in seiner Rede –, dass es noch weitere Dinge gibt, die wir aufnehmen müssen. Das ist richtig. Das gilt für die Erbschaftsteuer; die Punkte haben wir schon angesprochen. Wir haben ein Riesenthema bei den Limiteds mit einer Geschäftsleitung in Deutschland, die auf einmal eigentlich nichts mehr sind. Deshalb muss man sich darum kümmern, was sie denn nun tatsächlich sind. Von daher gibt es noch viel Beratungsbedarf. Aber im Grundsatz ist das ein gutes Gesetz. Wir sind der Meinung: Es darf keinen Nachteil für deutsche Steuerpflichtige geben ohne Zutun. Von daher sage ich: Lassen Sie uns das gemeinsam weiter klug beraten und vielleicht auch gemeinsam beschließen. Herzlichen Dank. Für die FDP-Fraktion hat nun die Kollegin Bettina Stark-Watzinger das Wort.
0
0
1
0
0
1
110
19
167
ID1916700500
1,592,524,800,000
9:00
18:43
11,004,817
Fabio De Masi DIE LINKE
Fabio
De Masi
DIE LINKE
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Deutschland braucht ein Konjunkturpaket. Nur wenn der Staat jetzt Geld in die Wirtschaft pumpt, wird auch wieder Geld im Land verdient. Deutschland braucht aber auch ein Paket der Hoffnung, keine Wunderkerze, die schnell abfackelt, und dann steht man an Silvester mit der Wunderkerze da, sie ist abgebrannt, und die großen Jungs haben die Silvesterkracher. Wir brauchen Investitionen in die Zukunft und sozialen Zusammenhalt, um die Depression und die Verzweiflung in diesem Land zu überwinden, und diesem Anspruch wird das Konjunkturpaket nicht gerecht. Es ist richtig, dass der Kinderbonus jetzt bei den ärmsten Familien in diesem Land ankommt und bei den reichsten Familien wegbesteuert wird. Mein Kind, das Kind eines Bundestagsabgeordneten, braucht keinen Kinderbonus. Es ist gut, dass Sie auf die Kaufprämie für Verbrenner verzichten und in die Ladeinfrastruktur investieren. Und es ist gut, dass Sie Kommunen bei den Kosten der Unterkunft und bei den wegbrechenden Gewerbesteuereinnahmen helfen. Aber viele Kommunen waren doch schon vor der Conorakrise am Limit, weil alte Industrien wegbrechen und weil der Bund soziale Leistungen bestellt, aber nicht bezahlt hat. Deswegen brauchen wir weiterhin einen Altschuldenfonds in Deutschland. Und wissen Sie noch, wie Sie mit feuchten Augen für die Pflegekräfte Beifall klatschten? – Wo bleibt jetzt der Dank? Wo bleiben anständige Löhne in der Pflege, meine Damen und Herren? Die CDU hat ein Flugblatt zum Konjunkturpaket gedruckt. Da standen 100 Euro einmalig für Hartz-IV-Empfänger drin. Sie haben das heimlich wieder rausgestrichen. Es gibt Milliarden für Konzerne, die vorher fette Dividenden an Aktionäre verteilen und Gewinne in Steueroasen parken. Privatjet und Champagner in Sankt Moritz für Philipp Amthor aus Torgelow, das geht immer. Aber eine helfende Hand für die Schwächsten in diesem Land soll nicht drin sein. Das ist nicht christlich; das ist unanständig, meine Damen und Herren. Die öffentlichen Investitionen in den Umbau der Wirtschaft sind unzureichend. Die fetten Jahre im Export sind mit Donald Trump und Corona vorbei. Wir müssen die Binnenwirtschaft stärken. Auch mit dem Konjunkturpaket sind wir als viertgrößte Volkswirtschaft immer noch international Mittelmaß bei den Investitionen. Europäische Ökonomen fordern Schnellzüge wie in China, von Helsinki über Berlin nach Lissabon. Aber gerade einmal die Hälfte der Conoraverluste der Bahn gleichen Sie aus. Für den Nahverkehr 2,5 Milliarden Euro – so kann die Verkehrswende nicht gelingen. Sie wollen die Mehrwertsteuer befristet senken. Die Linke hat vor vielen Jahren gegen den Mehrwertsteuerhammer gekämpft. Die SPD versprach damals 0 Prozent Erhöhung, die Union 2; heraus kamen 3 Prozent. Aber wahr ist leider auch: Die Senkung der Mehrwertsteuer sacken Konzerne wie Amazon, die enorme Marktmacht haben, womöglich ein. Aber Erhöhungen schlagen die Unternehmen immer auf die Preise drauf. Wenn man die Mehrwertsteuer nach einem halben Jahr wieder erhöht, wird das eine dicke Bremsspur mitten in der Coronakrise geben. Wenn man die Mehrwertsteuer senkt, dann muss man es dauerhaft machen. Es ist eine ganz unsichere Wette, ob sich Leute, die um ihren Job bangen, noch schnell einen Kühlschrank kaufen. Für die 20 Milliarden Euro hätte man die Nachfrage auch gezielter stützen können, etwa den Kinderbonus fünf Monate ausbezahlen oder bessere Hilfen für Selbstständige. Wir begrüßen, Herr Scholz, dass Sie die Verjährungsfrist bei schweren Steuerstraftaten wie kriminellen Cum/Ex-Deals auf 25 Jahre verlängern. Aber wo Personal fehlt und erst gar keine Ermittlungen aufgenommen werden, verjähren diese Fälle trotzdem. Wir brauchen daher ein Steuer-FBI und mehr Ermittler auch in den Ländern. Meine Fraktion meint: Cum/Ex-Gangster gehören in den Knast. Und zum Schluss: Deutschland nimmt wegen der Coronakrise über 218 Milliarden Euro auf. An der Schuldenbremse halten Sie aber fest. Sie ist ja nicht weg, sondern nur ausgesetzt. Daher droht nach der Wahl ein Kürzungshammer. Sie müssen daher beantworten, wer nach der Wahl den Abwasch macht. Sind es wieder die Leute, die jetzt den Laden am Laufen halten? Meine Fraktion meint: Nach der Pandemie muss es eine Vermögensabgabe für Milliardäre wie die Quandts und Klattens geben, die 700 Millionen Euro Dividenden aus BMW-Aktien kassiert haben. Es ist Zeit, dass sich die Quandts und Klattens nicht mehr fragen, was dieses Land für sie tun kann, sondern, was sie für dieses Land tun können. Vielen Dank. Jetzt erteile ich das Wort dem Fraktionsvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen, Dr. Anton Hofreiter.
0
0
0
1
0
0
111
19
54
ID195406400
1,539,129,600,000
13:00
17:04
11,004,440
Dr.
Dr. Anja Weisgerber CDU/CSU
Anja
Weisgerber
CDU/CSU
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ja, der Sonderbericht des Weltklimarats der Vereinten Nationen zeigt uns, dass schon bei einer Erwärmung von 1,5 Grad Celsius enorme Risiken für Mensch, Tier und Natur bestehen. Er besagt aber auch, dass wir die Begrenzung der Erderwärmung noch schaffen können. Deshalb sagen auch wir, dass wir den Weg der Treibhausgasreduktion konsequent weitergehen müssen. Das tun wir mit dem Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 mit über 100 Maßnahmen, mit dem Klimaschutzplan 2050, für den wir ja international gefeiert wurden in Marrakesch, und mit all den anderen Maßnahmen, die wir auf den Weg bringen, mit Ambition, aber auch mit Augenmaß und mit Rücksicht auf die Menschen und auf die Arbeitsplätze. Wir bringen diese Maßnahmen auf internationaler, auf europäischer und auf nationaler Ebene voran. Deswegen, werte Kolleginnen und Kollegen von den Grünen: Hören Sie doch mal mit dem Märchen auf, der Bevölkerung zu erzählen, dass wir nichts machen. Es stimmt einfach nicht. Ich habe die Aktionsprogramme und den Klimaschutzplan aufgezählt. Zu Ihrer Frage, Herr Krischer „Was tun Sie denn?“: Wir gehen mit gutem Beispiel voran. Wir arbeiten gerade in allen Sektoren: Energie, Industrie, Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft. Ja, in allen Sektoren müssen wir Beiträge leisten, und da werden die Maßnahmen gerade erarbeitet. Anstatt sich in den Reden immer zu ereifern, könnten Sie sich an diesem Prozess, der gerade läuft, einfach sachlich beteiligen. Wenn ich Ihnen, Frau Badum, die einzelnen Maßnahmen im Detail aufzähle – wie zum Beispiel die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung, ein Anreizprogramm –, dann kommt von Ihnen: Ja, Frau Weisgerber, verlieren Sie sich doch nicht in dem Klein-Klein der Maßnahmen. – Wir machen diese Hausaufgaben. Wir erarbeiten gerade mit den zuständigen Ministerien die Maßnahmenpläne. Wir werden dann auf der Basis der Maßnahmenpläne auch ein Gesetz zur Erreichung der Klimaziele erarbeiten und im Laufe des nächsten Jahres verabschieden. Das ist gut so, und auf diesem Weg sind wir. Dabei setzen wir in erster Linie – ich habe es gesagt – auf Anreizsysteme und nicht auf Verbote; denn Klimaschutz gelingt nur mit den Menschen und nicht gegen sie. Für die Herausforderung Klimaschutz brauchen wir eine gesellschaftliche Akzeptanz. Nur im Schulterschluss zwischen Staat, Wirtschaft, Umweltverbänden und Zivilgesellschaft sorgen wir für das Gelingen des nationalen Klimaschutzes. Das gilt auch für die Frage der Kohle. Die von der Bundesregierung eingesetzte Strukturwandelkommission beschäftigt sich doch gerade genau mit der Frage, wie wir die Kohleverstromung schrittweise reduzieren können, und mit der Frage eines Abschlussdatums, aber eben ohne Strukturbrüche, ohne Gefährdung der Energieversorgungssicherheit, zu bezahlbaren Energiepreisen, im Zieldreieck zwischen Ökologie, Ökonomie und der sozialen Verträglichkeit. Das ist unser Weg, meine Damen und Herren. Genauso ist es beim Thema Verkehr. Auch da haben wir eine andere Herangehensweise als die Grünen; denn wir schauen auf die Auswirkungen unserer Entscheidungen, auch die Auswirkungen auf die Arbeitsplätze. Dazu möchte ich einfach mal die Fakten darlegen: Der CO 2 -Grenzwert in der EU liegt momentan bei einem Ausstoß von 130 Gramm CO 2 pro Kilometer. Das gilt bis 2019. Ab 2020 gelten 95 Gramm CO 2 -Ausstoß pro Kilometer. Jetzt geht es darum, dass dieser Wert noch einmal verschärft wird. Dazu hat die EU-Kommission einen Vorschlag gemacht, diesen Wert noch um 30 Prozent abzusenken, also zu verschärfen. Sie erzählen ja den Menschen, wir würden bestehende Grenzwerte aufweichen, und die Menschen glauben das auch noch. Damit müssen wir mal aufhören und die Wahrheit erzählen. Es geht um eine Verschärfung, letztendlich eine Absenkung. Der Umweltministerrat hat gestern sogar eine Senkung von 35 Prozent verabschiedet – mit der Stimme der Umweltministerin. Das Europäische Parlament fordert 50 Prozent. Da kommt es jetzt zu einem Trilog. Wenn nun behauptet wird, wir würden die Grenzwerte letztendlich aufweichen, obwohl das, was auf dem Tisch liegt, sogar noch strenger ist als das, was die EU-Kommission vorgeschlagen hat, die sich intensiv in Impact Assessments mit der Frage, was erreichbar und was nicht erreichbar ist, auseinandergesetzt hat, dann sage ich: Wir sind für strenge und ambitionierte Grenzwerte, aber es muss auch realisierbar sein; denn wir wollen nicht, dass die Gelder letztendlich in Strafzahlungen fließen. Wir wollen, dass die Grenzwerte scharf sind, dass sich die Automobilindustrie endlich noch intensiver auf den Weg in die Mobilität der Zukunft macht, und wir wollen, dass die Gelder in Innovationen fließen und nicht in Strafzahlungen. Vielen Dank. Für die AfD-Fraktion hat das Wort der Kollege Dr. Rainer Kraft.
0
-1
1
0
-1
-1
112
19
67
ID196701100
1,543,363,200,000
13:00
19:30
11,003,848
Dr.
Dr. Petra Sitte DIE LINKE
Petra
Sitte
DIE LINKE
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe für meinen Beitrag ausdrücklich die Perspektive der Betroffenen übernommen, also beispielsweise eben jener 11 000 Menschen, die aktuell auf eine Organspende warten, um zu überleben oder auch ihr Leben zu verlängern. Ich denke auch daran, dass jeden Tag in diesem Land drei Menschen sterben, weil es für sie kein Spenderorgan gab. Man ahnt durchaus, wie entmutigend das auf Erkrankte wirken muss, aber auch für uns ist es eher ernüchternd und bedrückend. Für den Rückgang der Zahl der Organspenden gibt es, wie schon angeführt, viele Gründe, sie sind sehr komplex, und es gibt keine linearen Wirkungen zwischen ihnen. Daher bin ich zu der Auffassung gekommen, dass wir möglichst alle Faktoren, die einen Anstieg der Zahl von Spenderorganen versprechen könnten, verbessern sollten. Ich möchte mich in meinem Beitrag mit einer Kritik an der Widerspruchslösung auseinandersetzen, nämlich dem Vorwurf, sie würde in Selbstbestimmungs- und Persönlichkeitsrechte von Spendern und Spenderinnen eingegriffen. Vergleichen wir doch einmal die Situation derer, die auf ein Organ warten, mit der Situation jener, die ihnen helfen könnten. In wenigen Fällen geht es um Lebendspenden; aber diese Spender stehen heute auch nicht im Fokus, sondern jene Menschen, die erst nach ihrem Ableben helfen könnten. Die Wartenden führen ein Leben, das eingeschränkt und weniger selbstbestimmt verläuft. Setzen wir jetzt diese Einschränkung ins Verhältnis zu dem Erfordernis, einer Organspende widersprechen zu müssen, dann, meine ich, ist es durchaus verantwortbar. Dieser Umstand schränkt doch beispielsweise mein oder Ihr Leben, Ihre Lebensführung, meine Selbstbestimmung und unsere Persönlichkeitsrechte real in keiner Weise ein. So, wie man mit Blick auf den Organspendeausweis aktiv werden muss, so muss man eben auch aktiv werden im Zusammenhang mit der Widerspruchslösung. Viele haben das ja getan, und sie haben es zum Teil auch in Gesprächen mit ihren Familien getan. Wenn 84 Prozent der Bundesbürgerinnen und Bundesbürger die Organspende positiv bewerten, dann, meine ich, ist es doch berechtigt, mit der Widerspruchslösung an dieser Mehrheit anzuknüpfen. Ja, es stimmt, es ist eine Güterabwägung; da haben die Kollegen völlig recht. Aber ist es wirklich grundrechtlich eine bedenkliche Zumutung, diesen Widerspruch zu Lebzeiten kundtun zu müssen? Haben wir als Gesetzgeber nicht die Rechte einer Minderheit von Erkrankten, die uns gegenüber zunächst erst mal schlechtergestellt sind, vor allem zu schützen? Da sehe ich durchaus eine Schutz­aufgabe des Staates für Leib und Leben von Menschen. Um es überspitzt zu sagen: Da sehe ich eher eine Zumutung für die Wartenden, die auf unsere Einsicht angewiesen sind oder dieser ausgeliefert sind. Bei einer Entscheidungslösung sind die Chancen für sie eben geringer, wie wir festgestellt haben. Eingedenk dessen halte ich eine Widerspruchsregelung für keine Bevormundung. Sollte es doch jemand so sehen – nach Bewertung der Beiträge scheint es ja so –, frage ich, ob diese nicht zumutbar und auch verhältnismäßig ist. Was ist denn das für eine Freiheit, die sich nur auf sich selbst bezieht? Es geht nicht um die singuläre Einführung der Widerspruchslösung; das reicht nicht. Leben weiterzugeben braucht tätiges Mitgefühl, Aufklärung, Ausfinanzierung des gesamten Systems, Entscheidungstransparenz und Kontrolle. Ich danke Ihnen Dr. Kirsten Kappert-Gonther, Bündnis 90/Die Grünen, ist die nächste Rednerin.
0
0
1
1
0
1
113
20
18
ID201805500
1,645,142,400,000
9:00
16:33
11,004,669
Marc Bernhard AfD
Marc
Bernhard
AfD
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Laut Hans-Böckler-Stiftung fehlen seit Jahren über 2 Millionen bezahlbare Wohnungen. Dass es in Deutschland zu wenige Wohnungen gibt, hat im Wesentlichen drei Gründe: Es ziehen immer mehr Menschen aus dem ländlichen Raum in die Ballungszentren, und es gibt immer mehr Singlehaushalte. An diesen Fakten kann die Regierung wenig ändern. Der dritte Grund ist aber, dass wir in Deutschland jedes Jahr eine Nettozuwanderung von rund 500 000 Menschen haben. Das heißt, jedes Jahr müssen so viele Wohnungen wie für eine Großstadt wie Dresden zusätzlich neu gebaut werden. Das Leibniz-Institut bestätigt, dass die jährlich rund 300 000 fertiggestellten Wohnungen allein schon für die Zuwanderer benötigt werden. Ohne das Ordnen, Steuern und Begrenzen der Zuwanderung, so wie dies neuerdings, seit sie in der Opposition ist, ja auch die Union fordert, wird es keine Entlastung am Wohnungsmarkt geben. Und die Regierung tut alles dafür, auch noch die Kosten des Wohnens immer weiter in die Höhe zu treiben: Energiewende, Baustoffwende, Überregulierung, CO2-Steuer, Klimaschutzgesetz, Gebäudeenergiegesetz und andere Klimaabgaben füttern geradezu die grüne Inflation, und das ohne irgendeinen erkennbaren Nutzen. Über 500 Milliarden Euro in Form von Styropor sind in den letzten Jahren an die Häuser geklebt worden. Und mit welchem Effekt? Mit dem Effekt, dass bei der Herstellung der Dämmstoffe noch mehr CO2 in die Luft geblasen wurde, als wenn wir gar nichts gemacht hätten, und dass die Kosten des Wohnens um weitere 500 Milliarden Euro gestiegen sind. – Gehen Sie doch einfach mal dorthin. Der gestrige Wohnungsbau-Tag hat auch klar und deutlich bestätigt, dass der aktuell von der Regierung geplante KfW-40-Standard im Wohnungsbau überhaupt keine nennenswerte CO2-Einsparung bringt, aber die Kosten des Wohnens massiv weiter verteuern wird. Im Land mit den höchsten Energiepreisen der Welt wird Heizen zum Luxus. Schon 2020 konnten 7,4 Millionen Menschen ihre Wohnungen nicht mehr ausreichend heizen, und nach der Explosion der Energiepreise in diesem Winter werden noch mehr Menschen frieren müssen. Auch Ihr lächerlicher einmaliger Heizkostenzuschuss von sage und schreibe 135 Euro ändert daran nichts, zumal diesen ja auch nur gerade mal 600 000 Haushalte von 42 Millionen bekommen, also etwas mehr als ein einziger Haushalt von 100. Die Menschen brauchen keine Täuschungsmanöver, sondern Lösungen. Deshalb müssen die Preistreiber bei den Energiepreisen – und das sind nun mal die staatlichen Abgaben und Steuern – weg, so wie es Polen und Italien machen, indem sie die Steuern auf Energie senken, in Italien sogar mit deutschen Steuergeldern aus den Coronahilfen. Die Abschaffung der Grundsteuer würde die Kosten des Wohnens sofort für alle um 14 Milliarden Euro senken, und die ersten eigenen vier Wände müssen von der Grunderwerbsteuer frei sein. Wir freuen uns aber ganz besonders, dass Sie von der Union sich unseren Forderungen anschließen und mit Ihrem Antrag auf Bundestagsdrucksache 20/28 endlich ebenfalls „Migration ordnen, steuern und begrenzen“ wollen. Herzlichen Dank. Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Bernhard Daldrup das Wort.
1
-1
0
0
0
0
114
19
223
ID1922308800
1,618,963,200,000
11:00
21:27
11,003,584
Dr.
Dr. Gesine Lötzsch DIE LINKE
Gesine
Lötzsch
DIE LINKE
Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jeder Mensch hängt am Leben, und jeder Mensch hat das Recht auf Selbstbestimmung und seinen freien Willen. In der Bundestagsdebatte von 2015 zum Thema Sterbehilfe wurde alles gesagt, was gesagt werden musste. Und es gibt ein klares Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, das ich nicht kritisiere, sondern sehr gut finde. Das Bundesverwaltungsgericht hat der Regierung schon 2017 klare Vorgaben für das Verfahren gemacht: Über den Erhalt der tödlichen Gabe entscheidet das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Doch die Bundesregierung boykottiert dieses Urteil. Ich finde das nicht akzeptabel! Es kann doch nicht sein, dass die Bundesregierung nur die Urteile umsetzt, die ihr ideologisch gefallen. Meine Damen und Herren, das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes ist klar und eindeutig. Dem Gericht zufolge umfasse das allgemeine Persönlichkeitsrecht in Verbindung mit der Menschenwürde „als Ausdruck persönlicher Autonomie ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben“, und das schließe auch das Recht ein, sich das Leben zu nehmen. Das Verbot in § 217 Strafgesetzbuch mache es „Suizidwilligen faktisch unmöglich, die von ihnen gewählte, geschäftsmäßig angebotene Suizidhilfe in Anspruch zu nehmen“, sodass „dem Einzelnen faktisch kein Raum zur Wahrnehmung seiner verfassungsrechtlich geschützten Freiheit verbleibt“. Meine Damen und Herren, ich habe den Eindruck, dass die Bundesregierung – damals beginnend mit Herrn Gröhe, als er noch Minister war, dann den Staffelstab an Jens Spahn übergebend – alles tut, um die Durchsetzung dieses Urteil zu verhindern. Ich kann über die Beweggründe nur spekulieren. Ich habe den Eindruck, dass Sie meinen, Sie wüssten besser, was den Menschen guttut. Das Bundesverfassungsgericht hat aber ganz einfach erkannt, dass diese Weltsicht dem Selbstbestimmungsrecht des Menschen widerspricht. Meine Damen und Herren, ich will ein Gesetz, dass das Selbstbestimmungsrecht der Menschen stärkt. Ich will, dass Sterbende vor skrupellosen Geschäftemachern geschützt werden. Und ich will, dass Ärztinnen und Ärzte nicht länger in einer juristischen Grauzone arbeiten müssen. Meine Damen und Herren, darum – das ist unschwer erkennbar – unterstütze ich den Gesetzentwurf von Dr. Petra Sitte, Dr. Karl Lauterbach und anderen und hoffe, dass wir gemeinsam entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes hier zu einer Lösung kommen, die der Würde, der Selbstbestimmung und dem freien Willen entspricht. Vielen Dank. Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. Lötzsch. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Katja Keul aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
0
1
0
1
0
0
115
19
26
ID192615600
1,524,096,000,000
09:00
00:04
11,004,941
Gyde Jensen FDP
Gyde
Jensen
FDP
Ich möchte mit dieser Rede betonen – und ich denke, das haben Sie auch am Beifall des Hauses gesehen –, dass das durchaus keine Meinung ist, die die Freien Demokraten teilen. Möchten Sie meine Erwiderung hören? – Dann dürfen Sie keine Kurzinterventionen machen. Könnten Sie jetzt bitte der Kollegin zuhören! Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Kollegin Gyde Jensen möchte gerne auf die Kurzintervention antworten. Bitte hören Sie ihr zu. – Frau Kollegin, bitte schön. Ich möchte mit dieser Rede auch zeigen, dass nicht nur die junge Generation, sondern das gesamte Haus – mit Ausnahme von Ihnen, der AfD – dafür steht, dass es hier nicht nur um Christenverfolgung geht, sondern darum, die Religionsfreiheit weltweit zu gewährleisten. Die nächste Rednerin ist die Kollegin Gabriela Heinrich von der SPD-Fraktion.
-1
-1
0
0
0
0
116
19
202
ID1920211700
1,608,163,200,000
9:00
21:43
11,004,852
Tobias Pflüger DIE LINKE
Tobias
Pflüger
DIE LINKE
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zuerst einmal will ich mich ausdrücklich dafür bedanken, dass vonseiten der SPD die Entscheidung über die Bewaffnung von Drohnen geschoben wurde. So kommt es diese Legislaturperiode nicht mehr zu einer Beschaffung der Bewaffnung für die Drohne Heron TP. Das begrüßen wir als Linke ausdrücklich. Bedanken möchte ich mich bei den Akteuren aus der Zivilgesellschaft, der Friedensbewegung, der Wissenschaft, bei der SPD, den Grünen und den Linken, die dieses möglich gemacht haben. Wir werden später hören, dass diese Debatte über die Bewaffnung von Drohnen ausführlich geführt worden sei. Na ja, wir wissen aber auch: Das Verteidigungsministerium hat eine im Wesentlichen gelenkte Debatte geführt. Eine ausführliche, breite gesellschaftliche Debatte sieht völlig anders aus. Dazu gehören auch viele andere Akteure, zum Beispiel aus dem Bereich der Gewerkschaften und der Religionsgemeinschaften. Das zur Ehrenrettung von Norbert Walter-Borjans und Rolf Mützenich. Immer wieder wird von den Befürwortern der Bewaffnung vorgebracht, Drohnen würden nur und ausschließlich zum Schutz der Soldatinnen und Soldaten sowie von Lagern und Konvois eingesetzt. Jeder, der sich mit Drohnen auskennt, weiß: Das ist, freundlich formuliert, nur ein Teil der Wahrheit. Für Kampfdrohnen gibt es breite Einsatzszenarien. Schauen Sie zum Beispiel in das Thesenpapier „Rüstung digitalisierter Landstreitkräfte“ vom Kommando Heer. Da sind solche Szenarien konkret beschrieben. Da ist von UAV-Wirkmitteln gegen Gegner die Rede. Ich zitiere mal einen Soldaten. Er sagt: Unehrlich ist es, diese militärischen Einsatzszenarien hinter dem Begriff „Schutz“ zu verstecken. „Schutz“ heißt beim Militär eben auch, dass wir anderen Menschen das Leben nehmen werden. Das gehört dazu. Er sagt weiter: Wir müssen aufhören, nur vom Schutz für Soldatinnen und Soldaten zu reden. Im besten Falle schießen sie nie, die Drohnen. Wenn wir sie aber nutzen, dann meist mit dem Ziel, Menschen zu töten. Da nur „Schutz“ zu sagen, ist unehrlich. Das ist der zentrale Punkt: Sie erzählen quasi nur einen Teil der Szenarien. Es gibt breite Szenarien für diese bewaffneten Drohnen; deshalb sollen sie angeschafft werden. Das sind Kampfdrohnen. Das sind auch Angriffswaffen. Deshalb lehnen wir diese Anschaffung der Drohnen ab. Der beste Schutz für die Soldatinnen und Soldaten ist nicht die Anschaffung von Kampfdrohen, sondern dass man sie gar nicht erst in den Auslandseinsatz schickt. Das wäre der beste Schutz. Anja Dahlmann von der Stiftung Wissenschaft und Politik hat darauf hingewiesen: Bewaffnete, ferngesteuerte Drohnen können in bestimmten Szenarien operative Vorteile bieten, sind aber grundsätzlich auch geeignet, rechtlich fragwürdige Einsätze zu begünstigen und zu Pfadabhängigkeiten zu führen, die auf Autonomie hinauslaufen. Insbesondere könnten bewaffnete Drohnen der erste Schritt sein in Richtung autonomer Waffensysteme. – Und genau das ist geplant. Gucken Sie sich das Future Combat Air System an. Dort ist von autonomen Waffensystemen die Rede, von Drohnenschwärmen. Genau das ist die Entwicklung, die wir nicht wollen. Wir wollen nicht, dass dieser Pfad geöffnet wird. Deshalb lehnen wir die Bewaffnung der Drohnen ab. Liebe Kolleginnen und Kollegen, vielleicht ein kleiner Tipp an diejenigen innerhalb der SPD, die jetzt dafür gesorgt haben, dass es zu dieser guten Entscheidung gekommen ist. Für die Eurodrohne sind trotzdem noch 232 Millionen Euro im jetzigen Haushalt enthalten. Auch diese Drohne ist bewaffnet geplant, und deshalb muss auch sie aus dem Haushalt gestrichen werden. Auch das ist eine bewaffnete Drohne, die wir ablehnen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich finde es schon interessant, mit welcher Aufregung diese Debatte geführt wird. Es handelt sich um ein Waffensystem, das eine grundsätzliche Veränderung der Kriegsführung bedeutet, und das ist der Grund, warum wir es ablehnen. Ihre Formulierungen, die Sie vorhin gebracht haben – unter anderem Sie, Herr Otte –, fand ich schon sehr problematisch. Ich halte es für notwendig, dass wir die Debatte ganz ruhig und sachlich führen. Dieses Waffensystem ist problematisch, und deshalb sollten wir es nicht einführen. Vielen Dank. Vielen Dank. – Das Wort geht an Katja Keul von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
0
0
-1
1
0
0
117
19
230
ID1923000900
1,621,468,800,000
9:00
00:42
11,004,357
Elisabeth Motschmann CDU/CSU
Elisabeth
Motschmann
CDU/CSU
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt keine Magie, die so groß ist wie im Kino, wenn das Licht ausgeht. – Bruno Ganz. Ich hoffe, dass das Licht in vielen deutschen Kinos nicht für immer ausbleibt. Unsere Kinos sind durch die Pandemie schwer betroffen: in der Stadt und besonders auch auf dem Land. Es muss unsere kulturpolitische Aufgabe sein, unser Land vor einem Kinosterben zu bewahren. Wie geht das? Erstens. Die Kinos müssen so schnell wie möglich wieder öffnen dürfen. Zweitens. Wir brauchen gute Filme. Drittens. Dafür braucht die Filmwirtschaft verlässliche finanzielle Unterstützung. Das regeln wir heute im Filmförderungsgesetz. An über 900 Standorten sind die Kinos geschlossen, bleibt die Leinwand dunkel. Mehr als 25 000 Beschäftigte sind direkt betroffen. Den Schauspielern sind viele Engagements entgangen. Die Verleiher haben viel Geld in das Marketing von Filmen gesteckt. Zwei Lockdowns haben ihnen wiederholt einen Strich durch die Rechnung gemacht. Die Zahl der Kinobesuche in Europa ging 2020 um 70 Prozent zurück – der stärkste Einbruch in der Geschichte. Bund und Länder und auch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben geholfen, wo immer sie konnten. Der Etat der Filmförderungsanstalt für 2020 wurde um 30 Millionen Euro erhöht. Es wurden Ausfallfonds für den coronabedingten Abbruch von Produktionen geschaffen. Das Programm „Neustart Kultur“ von Staatsministerin Monika Grütters enthält eine Reihe von Förderlinien, zum Beispiel für die Kinos und die Verleiher. Doch damit nicht genug: Durch den besonderen Einsatz von Monika Grütters wurden auch für die Schauspieler die Hilfen für Soloselbstständige besser angepasst. Das ist eine Berufsgruppe – wir wissen es alle –, die fast immer durch den Rost gefallen wäre. Auch die Programme des Bundeswirtschaftsministeriums werden von den Unternehmen der Filmbranche stark nachgefragt, zum Beispiel das Mittelstandsprogramm „Digital Jetzt“. Diese Maßnahmen müssen wir verlängern und hier und da verstetigen; denn die Nachwirkungen der Pandemie werden noch eine Weile bestehen. Ich freue mich, dass unsere Bundeskanzlerin kürzlich ein Gespräch mit Kulturschaffenden geführt hat und auch die Verlängerung von Hilfen in Aussicht gestellt hat. Zugegeben, der deutsche Film kämpft auch unabhängig von der Coronapandemie mit Problemen. Der Marktanteil an deutschen Filmen könnte in unseren Kinos höher sein. Es werden zwar viele Filme produziert, aber nicht alle haben Oscar-Qualitäten. Wann hat ein deutscher Film eigentlich zuletzt einen Oscar gewonnen? Deutsche Filme werden auf den internationalen A‑Festivals selten gesichtet. Dafür allerdings können wir die Bundesfilmförderung nicht verantwortlich machen. Ich sehe folgende Probleme: Zu viele Förderer auf Landesebene fordern Drehorte in ihrem Bundesland. Zu viele Fernsehredakteure bügeln Ecken und Kanten in den Drehbüchern glatt. Sie glauben, so würde der Film kompatibler für das Fernsehen. Im Übrigen ist die Filmförderung vieler Bundesländer noch ausbaufähig. Ich ahne schon, die Opposition wird klagen und uns erklären, was an der Bundesfilmförderung alles schlecht ist. Auch Jan Böhmermann spöttelt: Gute deutsche Filme entstehen nicht wegen, sondern trotz des deutschen Filmförderungssystems. Diese Kritik ist überzogen und falsch. Die Filmbranche hat es verdient, dass wir sie nach besten Kräften unterstützen, und das geschieht auch. Sie hat in den Kinos und am Set Hygienekonzepte entwickelt. Sie hat sich mit rasanter Geschwindigkeit an die Pandemieanforderungen angepasst. Trotz Corona wird zurzeit viel gedreht. Das liegt auch an dem Ausfallfonds, den wir mit Hilfe von Monika Grütters geschaffen haben. Und es gibt einen Hoffnungsschimmer: Die Sommerberlinale soll als Open-Air-Veranstaltung im Juni hier in Berlin stattfinden. Am Ende meiner Rede habe ich noch einen Wunsch an die Produzentinnen und Produzenten: Engagiert bitte mehr Regisseurinnen und Drehbuchautorinnen. Die diesjährige Oscar-Verleihung hat gezeigt: Erst die zweite Frau konnte den Oscar für die beste Regie gewinnen und das im Jahr 2021. Da ist noch viel Luft nach oben, liebe Kolleginnen und Kollegen. Damit ist klar: Frauen haben bewiesen, dass sie hervorragende Leistungen auch in der Filmwirtschaft erbringen können. Wir brauchen mehr davon. Vielen Dank. Den Gesetzentwurf unterstützen wir natürlich. Nächster Redner ist der Kollege Dr. Marc Jongen, AfD.
-1
1
1
0
1
1
118
20
34
ID203407800
1,652,313,600,000
9:00
00:23
11,004,401
Dagmar Schmidt SPD
Dagmar
Schmidt
SPD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Menschen in unserem Land stehen seit mehr als zwei Jahren vor Herausforderungen und Entwicklungen, von denen sie wahrscheinlich nie gedacht hätten, dass es so kommt. Die Coronapandemie hat alle Menschen getroffen; aber sie hat sie unterschiedlich hart getroffen. Viele haben schlimme Krankheitsverläufe und Tod in den eigenen Familien und Freundeskreisen erlebt, viele haben ihren Job verloren oder in Kurzarbeit gearbeitet, und viele mussten ihre kleinen oder auch größeren Kinder durch Schulschließung und Isolierung begleiten. Gerade für diejenigen, die nicht mit guten und sicheren Einkommen ausgestattet waren und sind, ist die Belastung immens. Jetzt kommt mit den Folgen des Ukrainekriegs noch mehr auf uns zu: Die Preise steigen – nicht nur die Energiepreise, sondern mit ihnen viele andere, vor allem jetzt auch die Lebensmittelpreise. Die Erwartung an uns ist, dass wir helfen und handeln. Das tun wir mit zunächst zwei großen Entlastungspaketen. Wir beschließen heute nicht nur den Sofortzuschlag und die Einmalzahlung, sondern auch Steuerentlastungen, den Kinderbonus und die Energiepreispauschale. Insgesamt entlasten wir die Bürgerinnen und Bürger mit diesen beiden Paketen um fast 30 Milliarden Euro. Wir wollen aber mit unseren Maßnahmen nicht nur aktuell helfen, sondern, wo immer möglich, auch die Weichen für die Zukunft stellen und schnell erste Schritte in diese gehen. Das gilt insbesondere für den Sofortzuschlag für Kinder, die in Armut aufwachsen, die von Grundsicherung leben oder deren Eltern wenig verdienen und deswegen den Kinderzuschlag erhalten. Für sie beschließen wir heute einen monatlichen Aufschlag von 20 Euro. Einmalzahlungen sind wichtige Hilfen. Wo es aber strukturelle Probleme gibt, müssen sie auch strukturell angegangen werden. Deswegen ist diese monatliche Unterstützung für uns auch ein wichtiger erster Schritt hin zu einer Kindergrundsicherung. Denn Kinder sind keine kleinen Arbeitslosen. Sie können nichts für die finanzielle Situation ihrer Eltern. Deswegen werden wir eine eigenständige Leistung für Kinder schaffen, die automatisch ausgezahlt wird, die das Einkommen der Eltern berücksichtigt und bei der, anders als bisher, diejenigen, die wenig Geld haben, mehr Unterstützung bekommen als die mit den hohen Einkommen. Corona hat die soziale Spaltung in Bezug auf die Bildungs- und Lebenschancen noch einmal verschärft. Kinder und Jugendliche haben besonders unter der Pandemie gelitten, und sie tun es immer noch. Deswegen bleiben wir auch hier nicht bei einer Geldleistung stehen. Wir nehmen auch Bildung und Teilhabe, Mobilität und Freizeitgestaltung in den Blick. Ein afrikanisches Sprichwort sagt: Um ein Kind großzuziehen, braucht es ein ganzes Dorf. – Wir lassen die Familien eben nicht allein. Niemand darf wegen seiner Kinder arm werden. Jedes Kind in unserem Land muss die gleichen Chancen haben. Und wir beschließen eine Einmalzahlung von 200 Euro für alle Erwachsenen, die Grundsicherungsleistungen erhalten, und 100 Euro für Arbeitslose im SGB III und Kinder von Asylsuchenden, die kein Kindergeld erhalten. Das ist erst einmal eine gute Hilfe. Gerade Menschen mit kleinen Einkommen sind besonders stark von den Preissteigerungen betroffen. Sie geben anteilig von ihren Einkommen mehr in den Bereichen aus, die besonders von der Inflation betroffen sind. Deswegen müssen wir auch besonders helfen. Das tun wir mit der 300-Euro-Energiekostenpauschale und mit der Einmalzahlung von 200 Euro für Menschen in der Grundsicherung, damit diese entlastet werden. Aber auch hier brauchen wir langfristig eine strukturelle Antwort und haben uns deswegen mit dem Bürgergeld viel vorgenommen. Sofortzuschlag und Einmalzahlung für die besonders Bedürftigen, insgesamt 30 Milliarden Euro Entlastung für die Bürgerinnen und Bürger, dann Kindergrundsicherung und Bürgergeld: Wir handeln und werden das auch weiter tun – für einen Sozialstaat auf der Höhe der Zeit. Ich lade Sie ein, den Weg mit uns zu gehen. Glück auf!
0
1
0
0
1
1
119
20
54
ID205402100
1,663,804,800,000
9:00
23:48
11,004,752
Karsten Hilse AfD
Karsten
Hilse
AfD
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Landsleute! AfD wirkt. Die CDU bringt als zweite Fraktion im Deutschen Bundestag einen Gesetzentwurf ein, in dem sie fordert, die drei noch am Netz befindlichen Kernkraftwerke weiterlaufen zu lassen. Inhaltlich ist gegen den Gesetzentwurf nicht viel einzuwenden. Allerdings ist er nicht notwendig, da die AfD-Fraktion bereits einen entsprechenden Gesetzentwurf eingebracht hat, dem Sie heute Abend einfach zustimmen müssen. Es stellt sich die Frage: Hat die CDU in der Zwischenzeit begriffen, dass es ein fataler Fehler war, aus der Kernkraft aus rein politischem Kalkül auszusteigen, oder sind es nur die Umfragewerte, nach denen eine Mehrheit der Bevölkerung die Weiternutzung der Kernkraft befürwortet? Wenn Frau Merkel nicht ohne ein vernünftiges Argument den Ausstieg beschlossen hätte, ständen Kugelhaufenreaktoren, eine deutsche Erfindung, in Deutschland und nicht in China; in Deutschland stände der erste Testflüssigbrennstoffreaktor und nicht in China. Eine Diskussion über Endlager gäbe es gar nicht mehr, weil die Reststoffe der heutigen Kernkraftwerke in Flüssigbrennstoffreaktoren verarbeitet würden. Wir wären weiterhin Weltspitze bei Kernkraft und nicht das Land mit der dümmsten Energiepolitik der Welt. Das Potenzial der Kernkraft ist nicht mal ansatzweise ausgeschöpft. Die eingeschränkten kognitiven Fähigkeiten der meisten hier auf der linken Seite verhindern, dass sie dieses Potenzial erkennen. Neben ihnen sitzen machtversessene Opportunisten, die den grünen Ideologen einfach nur folgen. Davon gibt es bei der CDU auch einige, oder wie eine ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete sie nannte: linke und grüne Spinner, die aus ihrer Sicht die CDU seit Merkels Machtübernahme geflutet haben. Aber es gibt auch ausgesprochene Kernkraftfans, und ich hoffe, dass diese in der CDU bald wieder das energiepolitische Zepter übernehmen. Im Moment sind es eher die, die nur den Wählerstimmen hinterherhecheln und sich erst zur Kernkraft bekennen, seit Demoskopen herausgefunden haben, dass sich dafür eine Mehrheit in der Bevölkerung findet. Im Gegensatz zur CDU steht die AfD seit ihrer Gründung zur Kernkraft, weil es die sauberste, effizienteste und platzsparendste Energiequelle ist. Wir haben dazu zig Anträge hier im Bundestag eingebracht und wurden dafür niedergeschrien, vor allem von links, aber auch von den ehemals Liberalen. Die sind in der Zwischenzeit wahrscheinlich aufgrund der rapide zurückgehenden Zustimmungswerte auch auf den Zug „Kernkraft“ aufgesprungen. Übereinstimmend sagten Herr Lindner und Herr Dürr, man müsse jetzt die parteipolitischen Spielchen lassen, und Herr Dürr sagte – und ich zitiere –, es sei verantwortungslos, die letzten drei Kernkraftwerke abzuschalten. Kollegen, Sie haben heute Abend die Möglichkeit, Ihren Worten auch Taten folgen zu lassen. Lassen Sie parteipolitische Spielchen, seien Sie nicht verantwortungslos, und stimmen Sie heute Abend unserem Gesetz zu. Tun Sie es nicht, sind Sie, gelinde gesagt, im höchsten Maße unglaubwürdig. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. Nächste Rednerin: für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Dr. Julia Verlinden.
1
-1
-1
1
0
0
120
19
128
ID1912802000
1,573,776,000,000
9:00
17:20
11,004,087
Ulrich Lange CDU/CSU
Ulrich
Lange
CDU/CSU
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Toni Hofreiter, es ist ein sehr, sehr guter Tag für Deutschland und das Klima. Wir haben uns auf den Weg gemacht, eine langfristige Aufgabe wirklich zielgerichtet ohne Panik anzugehen; denn Panik alleine wird das Problem nicht lösen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wesentlich für das Klima ist das Thema „Verkehr und Mobilität“. Unser Bundesminister Andi Scheuer hat 50 Einzelmaßnahmen für Mobilität, Modernität und Klima vorgelegt. Stichwort „An die frische Luft mit dem Fahrrad“: Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Fahrrad ist nicht nur gut für die Gesundheit und gut für das Klima, sondern manchmal ist es auch gut für das Gehirn, wenn man an der frischen Luft unterwegs ist. Wir haben ein Mammutprogramm für alle Verkehrsträger – ein Klimakraftakt – und Investitionsmittel für die Schiene vorgesehen. Auch da gilt: Das bringen wir natürlich nur dann auf den Weg, wenn Management und Aufgabenträger in den Ländern – ich freue mich, dass zumindest zwei Vertreter heute da sind; sie profitieren ja auch nicht wenig – mit den vielen Geldern und den Regionalisierungsmitteln Züge auf das Gleis bringen. Herr Kollege Lange, lassen Sie eine Zwischenfrage zu? Nein, ich lasse keine zu. – Wir setzen auf Elektromobilität; aber wir haben Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe trotzdem im Blick. Und wir denken trotz allem auch an den Luftverkehr, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich bin gespannt und freue mich auf die eine oder andere Kollegin oder den einen oder anderen Kollegen von den Grünen, die oder den ich heute Nachmittag am Flughafen wieder treffe. Herzlich willkommen in der Lebenswirklichkeit. Wir haben einen Masterplan für Ladeinfrastruktur, eine Blaupause. Aber jetzt sind auch Energiewirtschaft und Automobilindustrie gefragt, intelligent und nutzerfreundlich voranzugehen. Das alles kann nur gelingen, wenn wir uns auf eines einigen: Liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, wir wissen, dass bei Ihnen Verkehrssicherheit auf der Straße ein Problem ist. Da geht Maus vor Mensch. Aber wenn auch Biene vor Bahn geht, dann wird es natürlich schwierig. Und wenn Sie einen Ausbau grundsätzlich behindern, dann ist das, was Sie hier tun, absolut doppelzüngig. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme aus dem baden-württembergischen Grenzgebiet. Wir hatten vor ein paar Jahren die Diskussion über eine Monster-Stromtrasse. Sie waren herzlich eingeladen und sie waren dabei – die baden-württembergischen Grünen und die bayerischen Grünen –, sich zusammen mit CDU und CSU gegen diese Monster-Trasse vor Ort zu stellen. Liebe Kolleginnen und Kollegen aus Baden-Württemberg, man sollte dann auch ehrlich bleiben und hier nicht anders reden, als man in den Kommunen handelt. Mehr erneuerbare Energien, Fortschritt in der Infrastruktur erreichen wir nur, wenn wir uns zur Planungsbeschleunigung durchringen. Wir wollen relevante Projekte beschleunigen. Wir wollen Ersatzneubauten. Wir wollen weiteres Potenzial nutzen. Auch die Modernisierung des Schienenverkehrs und von Brücken funktioniert nur, wenn Sie Ihren Widerstand gegen die neue Mobilität vor Ort aufgeben. Das ist das, was wir erwarten. Nur so kann Klimaschutz gelingen. Dann wird es ein wirklich guter Tag für Deutschland und für das Klima. Danke schön. Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit schließe ich die Aussprache.
1
0
1
0
1
0
121
19
162
ID1916209700
1,590,537,600,000
13:00
20:03
11,004,931
Nicole Westig FDP
Nicole
Westig
FDP
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Bas, ich bin Ihnen sehr dankbar für die offenen Worte und dafür, dass Sie den Änderungsbedarf direkt angesprochen haben. Ich glaube, das gibt vielen Menschen mit Intensivpflegebedarf Hoffnung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, hohe Kosten für Beatmung und Intensivpflege, Effizienz und der Fachkräftemangel sind wesentliche Argumente für den Entwurf eines IPReG, den wir heute hier diskutieren. Auch wir Freie Demokraten treten für Kostensenkung und Effizienz ein. Aber das darf nicht alleiniges Kriterium für die Gesetzgebung in einem solch sensiblen Bereich sein; denn wir stehen ebenso für den Grundsatz „Selbstbestimmt in allen Lebenslagen“. Wir wollen, dass jeder Mensch die Chance erhält, im Rahmen seiner Möglichkeiten ein selbstbestimmtes Leben zu führen. In diesem Gesetzentwurf sind aber Effizienz und Selbstbestimmtheit gegeneinander ausgespielt worden, und Letzteres bleibt auf der Strecke. Der Behindertenbeauftragte hat es heute Morgen noch einmal betont: Es darf keine Einschränkungen des Rechts auf ein selbstbestimmtes Leben in der eigenen Häuslichkeit geben. – Das droht jedoch künftig Menschen mit Intensivpflegebedarf, und das versetzt sie in Angst, Angst, dem Medizinischen Dienst bestehende Pflegemängel nicht mehr melden zu dürfen, weil dieser sie sonst in ein Heim steckt. Der Sicherstellungsauftrag, den die Krankenkassen haben, muss auch für die Intensivpflege gelten; nicht nur stationär, sondern auch ambulant. Ich möchte an dieser Stelle nicht verhehlen, dass es unter den häuslichen Settings auch schwarze Schafe gibt. Aber wenn es Missbrauch in Intensivpflege-WGs gibt, dann gehören nicht die WGs generell abgeschafft und eine ganze Branche unter Generalverdacht gestellt, sondern dann gehört ebendieser Missbrauch abgeschafft durch flächendeckende Qualitätskontrollen. Hier müssen wir ansetzen, und wir sollten nicht mit der Holzhammermethode ein Gesetz verabschieden, das gegen die UN-Behindertenrechtskonvention verstößt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Grundsatz „Wir bleiben zu Hause“ prägt seit Wochen unser Leben, und das weltweit. Welches fatale Signal setzen wir in diesen Zeiten mit einem Gesetz, das diesen Grundsatz mit Füßen tritt? Die Covid-19-Ausbrüche in unseren Pflegeheimen zeigen uns, dass wir für vulnerable Gruppen mehr häusliche und individuelle Versorgungskonzepte benötigen, auch um einer Isolation in den Einrichtungen vorzubeugen. Sie jedoch wollen solche Konzepte abschaffen. Als Appell möchte ich zum Schluss mit Erlaubnis der Präsidentin aus dem Brief einer betroffenen Familie aus meinem Wahlkreis zitieren: Der Gesetzentwurf zeigt keinerlei Empathie und Rücksicht für die Menschen mit Intensivpflegebedarf. Es geht um Kostenreduzierung und Umverteilung von Personal, aber nicht um die Lebensqualität der Betroffenen, die schicksalhaft in diese Situation gekommen sind oder noch kommen werden. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen wir das nicht zu. Vielen Dank. Vielen Dank, Nicole Westig. – Nächste Rednerin: für die Fraktion Die Linke Pia Zimmermann.
0
1
0
0
1
1
122
19
149
ID1914903400
1,583,366,400,000
9:00
21:50
11,004,048
Florian Hahn CDU/CSU
Florian
Hahn
CDU/CSU
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere frühere Kollegin Ursula von der Leyen, die jetzt Präsidentin der Europäischen Kommission ist, hat, wie versprochen, zügig ihr Arbeitsprogramm für das Jahr 2020 vorgelegt. Das Programm ist keine Überraschung, folgt es doch den Leitlinien, die sie bei ihrer Bewerbungsrede vor dem Europäischen Parlament im vergangenen Jahr vorgetragen hat. Oberste Priorität hat für die Europäische Kommission der europäische Green Deal, mit dem von der Leyen künftig eine führende Rolle Europas in Bezug auf die Herausforderungen in den Bereichen Klima-, Umwelt- und Energiepolitik anstrebt. Dazu wird ein ganzer Reigen ambitionierter Initiativen angekündigt. Die ersten liegen schon vor. Gestern kam der Vorschlag für ein Klimagesetz. Ich stelle fest: Die Kommission arbeitet und liefert. Aber jetzt ist es auch unsere Aufgabe, genau hinzuschauen. Wenn ich sehe, dass die Kommission sich durch eine Vielzahl von delegierten Rechtsakten einen Persilschein ausstellen möchte und sich sozusagen am Parlament vorbei die Ermächtigung für den Erlass spezieller Regelungen verschaffen will, dann ist Obacht geboten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die nationale, die parlamentarische Mitsprache darf nicht gefährdet werden, auch nicht beim Green Deal. Weitere Schwerpunkte setzt die Kommission im Bereich Handel mit einer neuen Initiative zur WTO-Reform. Mit Blick auf die Handelspraktiken einiger Länder ist das auch dringend notwendig. Im Finanzbereich will sie zu einer Vertiefung der Kapitalmarktunion beitragen. Das ist alles schön und gut. Aber ich sage auch ganz klipp und klar an dieser Stelle: Mit uns wird es keine weitere Vergemeinschaftung von Schulden, wird es keine Haftung deutscher Sparer für Schuldner in anderen Teilen Europas geben. Im Sozialbereich werden Initiativen zum Mindestlohn und zur Einführung einer Arbeitslosenrückversicherung angekündigt. Auch hier ist es kein Geheimnis, dass wir als Union davon wenig halten; hier gilt für uns der Koalitionsvertrag. Mittlerweile liegt auch die Digitalisierungsstrategie vor; sie wird flankiert von einem „Weißbuch zur Künstlichen Intelligenz“. Damit will die Kommission einen breiten Konsultationsprozess in Europa anstoßen, der bis Mitte Mai vonstattengehen soll. Als Koalitionsfraktionen werden wir uns an diesem Prozess entsprechend beteiligen. Darüber hinaus soll Europa nach dem Plan der Kommission in der Welt sichtbarer werden, zum Beispiel mit einer Afrika-Strategie – dies zeigt die geopolitische Ausrichtung der EU-Kommission unter der Präsidentschaft von der Leyen –; hierbei kann sie auf uns zählen. Positiv möchte ich bewerten, dass die EU-Kommission mit den neuen Vorschlägen zur Migration in die festgefahrenen Verhandlungen Bewegung bringen möchte. Das ist im Augenblick mehr als dringend geboten. Meine Damen und Herren, das Arbeitsprogramm soll die Initiativen der Europäischen Kommission strukturieren und terminieren. Das ist ein Plan für das laufende Jahr. Aber es gibt Aufgaben, vor die sich Europa plötzlich, sozusagen außerplanmäßig, gestellt sieht. Die aktuelle Flüchtlingskrise ist ein Beispiel dafür. Hier ist Europa gefordert. Wir müssen gemeinsam mit den Türken eine Lösung finden. Dabei darf es jetzt keine nationalen Alleingänge geben. Solidarität mit Griechenland ist dringend notwendig. Ordnung und Humanität sind notwendig. Ohne Ordnung kann es keine Humanität geben. Deshalb müssen wir alles daransetzen, die Außengrenze Europas zu schützen – mit mehr Personal, mit mehr Material, mit mehr Geld. Wir brauchen geordnete Verhältnisse und müssen den Menschen vor Ort noch besser helfen. Es würde die Stabilität Europas schwer erschüttern, wenn wir jetzt die Tore öffnen und alle reinwinken oder wenn wir jetzt anfangen – womöglich noch im Alleingang –, Kontingente aufzustellen und zuzuteilen. Wir müssen unser Versprechen, dass sich 2015 nicht wiederholen wird, auch einhalten. Das Drama an der türkisch-griechischen Grenze verdeckt leider, wer für diese Misere mitverantwortlich ist. In Syrien hat sich eine unheilige Allianz gebildet, und Europa war nicht willens oder nicht in der Lage, dies zu verhindern. Daraus müssen wir endlich unsere Lehren ziehen. Abschließend möchte ich sagen: Die Europäische Kommission schreitet fleißig voran, wie das Arbeitsprogramm zeigt. Dabei wollen wir sie tatkräftig, aber nicht kritiklos unterstützen – im Interesse unseres Landes und im Interesse eines starken und einigen Europas, das wir dringender denn je brauchen. Herzlichen Dank. Für die FDP-Fraktion hat nun der Abgeordnete Konstantin Kuhle das Wort.
0
-1
1
-1
1
0
123
19
216
ID1921606400
1,614,902,400,000
9:00
18:58
11,004,116
Nadine Schön CDU/CSU
Nadine
Schön
CDU/CSU
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ein Wort zum Kollegen Huber: Wenn Sie sich mit der Materie beschäftigen, dann müssten Sie wissen, dass für den Rundfunk die Länder zuständig sind und dass es bei diesem Gesetz nicht um Inhaltekontrolle geht. Aber es ist eine komplexe Materie; Sie können sich damit ja noch einmal vertieft auseinandersetzen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, was glauben Sie, wie viele Minuten täglich sich ein Jugendlicher im Internet befindet? Im Jahr 2020 waren es 258 Minuten, also über vier Stunden. Jetzt kann man sagen: Na ja, es war Coronapandemie, dann war es bestimmt ein bisschen mehr. – Aber auch 2019 waren es nach der aktuellen JIM-Studie 205 Minuten, also etwa dreieinhalb Stunden. Etwa ein Drittel davon fällt auf Unterhaltung, ein Drittel auf Kommunikation, also Chatten, WhatsApp, und ein Drittel auf Spiele. Internet und digitale Medien sind also längst ein fester Bestandteil im Leben von uns allen und natürlich auch von Kindern und Jugendlichen geworden. Das ist erst einmal gut; denn das Netz bietet ganz viel, was uns Mehrwert bringt: Kommunikation, Interaktion, Information. Wir können auf das Wissen der ganzen Welt zugreifen, indem wir das Internet nutzen. Man hat Austausch, Unterhaltung; Austausch selbst über die speziellsten Themen. Man kann sogar Meditation und Entspannung im Netz finden. Auf der anderen Seite gibt es auch Gefahren. Zum Beispiel Cybergrooming. Sexueller Missbrauch beginnt nicht selten im Netz. Viel zu viele machen die verstörende Erfahrung, im Netz von Fremden angesprochen zu werden, bedrängt zu werden oder mit Bildern und Videos konfrontiert zu werden, die sie ängstigen und die sie verstören. Lootboxen, In-App-Käufe animieren zum Geld ausgeben, und zwar in einem etwas größeren Maße als beim Paninibildchen am Kiosk um die Ecke. Spielsucht, Sich-nicht-mehr-lösen-Können, ist ein anderes Risiko, das sich nicht bestreiten lässt. Wir als Gesetzgeber können nicht jedes Risiko beseitigen. Was wir aber tun können und auch müssen, ist, Kindern, Jugendlichen und Eltern Werkzeuge an die Hand zu geben, die ihnen Orientierung verschaffen und die ihnen die Möglichkeit geben, sich selbst bestmöglich zu schützen. Genau das machen wir mit der Novellierung des Jugendmedienschutzes. Wir holen das Jugendschutzgesetz heraus aus dem Zeitalter von CD-ROM und Diskette. Wir machen es fit für das 21. Jahrhundert. Wir wollen klare Regeln schaffen, um Risiken einzudämmen und Eltern und Kinder bestmöglich bei der Mediennutzung zu unterstützen. Dafür gibt es viele sehr innovative Neuerungen in diesem Gesetz. Wir schaffen zum einen mehr Transparenz und Orientierung. Interaktionsrisiken wie Chat- und Kontaktfunktionen, über die Kinder und Jugendliche häufig anonym und unbeobachtet kontaktiert werden, aber auch versteckte Kostenfallen oder glücksspielähnliche Funktionen in Spielen sollen künftig durch Deskriptoren kenntlich gemacht werden. Diese Deskriptoren bieten den Eltern Orientierung, indem sie über das, was die Altersbewertung bisher ausmacht, nämlich eine Aussage über den Inhalt des Mediums, hinausgehen. Als Elternteil oder als Jugendlicher kann ich so selbst bewerten, ob ich mich darauf einlassen will oder nicht. In manchen Fällen gibt es auch die Möglichkeit, dass diese Interaktionsrisiken in die Altersbewertung einfließen. Aber vor allem setzen wir auf die Deskriptoren. Besonders gelungen finde ich das dialogische Verfahren bei der Anbietervorsorge. Es ist nämlich nicht so wie in anderen Fällen, wo es nur eine Aufsicht gibt, die immer sagt, was nicht geht, sondern wir schaffen ein System, wo gemeinsam erörtert wird, was geht. In einem dialogischen Verfahren zwischen den Anbietern und der Aufsicht wird dann eruiert, was die besten Vorsorgemaßnahmen sind, um ein Spiel oder ein digitales Angebot entsprechend altersgerecht anbieten zu können. Das können ganz unterschiedliche Sachen sein, etwa Melde- und Hilfesysteme, die ich für sehr wichtig erachte, Hinweise auf Beratungsangebote oder datensensible Voreinstellungen am Nutzerprofil selbst. Es gibt also einen ganzen Baukasten. Es ist mir wichtig, dass wir hier keine starren Regelungen schaffen, sondern eine Auswahl, dass wir individuelle Lösungen finden, die dann in der Gesamtkonzeption dem besseren Schutz von Kindern und Jugendlichen dienen. Wir schaffen mit der Bundeszentrale eine neue Einheit – ja, es ist kritisiert worden –, aber das ist dann eben auch eine Stelle, die zum einen sehr gut mit den Aufsichten der Länder, mit der KJM, zusammenarbeitet. Wir haben auch im parlamentarischen Verfahren das Zusammenwirken noch einmal deutlich nachgeschärft und verbessert. Diese Stelle kann dann die Rechtsdurchsetzung gegenüber den ausländischen Anbietern besser gestalten; denn ohne Frage ist das Netz global. Wir haben es vor allem mit ausländischen Anbietern zu tun, die hier ihre Angebote, Plattformen oder auch Spiele anbieten. Deshalb ist es wichtig, dass wir Anbietervorsorge nicht auf nationale Angebote beschränken, sondern immer auch den Blick auf den internationalen Bereich werfen. Dafür sind die Verfahren und auch diese neue Stelle bestens geeignet. Liebe Kollegen, vielen Dank für die Beratungen der letzten Woche. Ich hoffe, dass dieses Gesetz in der Praxis seine Wirkung entfalten wird, wir Kinder und Jugendliche besser schützen und Eltern mehr Orientierung geben. Vielen Dank, Frau Kollegin Schön. – Als nächsten Redner rufe ich auf den Kollegen Matthias Seestern-Pauly, FDP-Fraktion.
0
0
1
0
0
0
124
19
92
ID199207700
1,554,336,000,000
09:00
00:29
11,004,243
Luise Amtsberg BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Luise
Amtsberg
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir Grünen – um das gleich vorab klarzustellen – haben nichts gegen verbesserte Verwaltungsabläufe oder ressourcenschonende Neuerungen, wir haben nichts gegen schnellere und bessere Asylverfahren und auch nichts gegen das Optimieren behördlicher Abläufe, sodass Schutzsuchende schneller integriert werden können. Wogegen wir aber schon was haben, sind Gesetzentwürfe, die vorgeben, diesen Zielen Rechnung zu tragen, aber an anderer Stelle rechtsstaatliche Grundsätze verletzen. Genau das passiert mit Ihrem Gesetzentwurf, meine Damen und Herren. So soll das Ausländerzentralregister um Angaben zum Asylverfahren, Identifizierungsdaten zur Erleichterung der Abschiebung vollziehbar Ausreisepflichtiger sowie Daten zu Programmen zur Förderung der freiwilligen Ausreise erweitert werden. Für diesen Zweck sollen künftig sogar private Träger, Beratungsstellen, Wohlfahrtsverbände zur Speicherung und Weitergabe von Daten verpflichtet werden. Ich möchte Ihnen einfach mal einen anderen Blick auf diese Sache eröffnen, meine Damen und Herren: Solche Vorgaben gefährden das Vertrauen zwischen Rückkehrberatungen und Geflüchteten erheblich und machen eine Beratung in einem geschützten Raum quasi unmöglich. Gerade den privaten Trägern wird der nötige Freiraum für eine unabhängige Rückkehrberatung genommen. Darüber hinaus – es wurde schon erwähnt – ist die Herabsetzung des Mindestalters zur Abnahme von Fingerabdrücken von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen geplant. Dieses soll künftig von 14 auf 6 Jahre herabgesetzt werden. Sie müssen sich das einmal vorstellen: Ein Kind mit, sagen wir mal, sieben Jahren ist aus welchen Gründen auch immer allein nach Deutschland geflohen. Eines der ersten Erlebnisse dieses Kindes wird, nachdem es sicherlich schon eine ganze Reihe schwerer Momente in seinem Leben erlebt hat, die Abnahme von Fingerabdrücken sein, möglicherweise bei der Polizei. – Die AfD hat gerade hereingerufen und gefragt, was daran so schlimm ist. – Die Altersgrenze von 14 Jahren ist nicht aus blauem Dunst entstanden. Sie richtet sich nach der Verfahrensfähigkeit des Kindes; denn der Schutz der Rechte von Kindern orientiert sich auch daran, dass das Kind in der Lage ist, zu verstehen und einzuordnen, was mit ihm passiert. Das wäre in diesem Fall dann nicht mehr gegeben. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir sind am Anfang der Beratungen. Trotzdem möchte ich etwas grundsätzlicher werden. Es geht bei dem vorliegenden Gesetzentwurf um das Ausländerzentralregister, eines der größten automatisierten Register der öffentlichen Verwaltung in Deutschland. Die Daten von über 10 Millionen Menschen sind dort erfasst, 26 Millionen persönliche Datensätze. Zugreifen auf diese Daten dürfen über 100 000 Personen. Diese Zahlen machen einem Sorgen, vor allen Dingen, wenn man weiß, dass die ohnehin schon sehr weitreichende Erfassung, Speicherung und Weitergabe von Daten nun auch noch ausgeweitet werden soll. Dieses Gesetz beschneidet das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Dabei hat das Bundesverfassungsgericht klargemacht, dass in Bezug auf die Datenerfassung von Ausländern der Schutz der Persönlichkeitsrechte zu achten ist. Hinzu kommt – das finde ich wirklich mit den schärfsten Punkt –, dass sich trotz der erheblichen Ausweitung der Zugriffs- und Nutzungsrechte im gesamten Gesetzentwurf keine Regelung findet, die dem Schutz der Betroffenen und ihrer Daten dient. Ich finde, Sie haben wirklich noch Hausaufgaben zu machen. Eine wesentliche datenschutzrechtliche Bestimmung ist aber auch, dass man nicht blind sammelt, sondern dass man anlassbezogen Daten erhebt. Davon ist der vorliegende Gesetzentwurf weit entfernt. Und dann kommt noch hinzu, dass die Grundlage, nämlich das Ausländerzentralregister selbst, ohnehin schon an vielen Stellen rechtsstaatliche Fragen aufwirft. Das Ausländerzentralregister – man muss der Linkenfraktion wirklich dankbar sein, dass sie das durch Kleine Anfragen immer wieder herausarbeitet – ist eher von Chaos denn von validen Daten geprägt. 230 000 Menschen sind nach dem AZR angeblich ausreisepflichtig. Diese Zahlen hat sich, glaube ich, jeder in der Union gemerkt – ich werde sehr häufig damit konfrontiert –, hinterfragt haben Sie sie aber nie. Dass eine hohe Zahl derer, die als ausreisepflichtig gelten, nicht mehr in Deutschland ist, ein anderer großer Teil sich noch im Asylverfahren befindet und überhaupt nicht ausreisepflichtig sein kann, ist genauso absurd wie der Umstand, dass das Register noch Personen führt, die verstorben sind, mittlerweile eingebürgert wurden oder gar nicht mehr in Deutschland leben. Das ist die Grundlage, auf der Sie Politik machen. Sie nutzen die Zahlen, um Maßnahmen daraus abzuleiten. Ich finde das unseriös. Genauso unseriös ist es aber, diesen Missstand nicht zu beenden. Vielen Dank, Frau Kollegin Amtsberg. Nur ein letzter Satz. Ihre Redezeit ist abgelaufen. Herr Präsident, vielen Dank für die Toleranz. Danke schön. – Als nächster Redner erhält der Kollege Thorsten Frei das Wort. Bevor er erscheint: Wir sind, liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt in der Zeit bei knapp 4 Uhr morgens. Ich bin gebeten worden, in der mir eigenen zurückhaltenden Art dafür Sorge zu tragen, dass die Redezeiten eingehalten werden. Dafür werde ich auch sorgen. Herr Kollege Frei, Sie haben das Wort.
0
1
-1
1
0
0
125
19
183
ID1918303400
1,602,115,200,000
9:00
22:40
11,004,091
Ralph Lenkert DIE LINKE
Ralph
Lenkert
DIE LINKE
Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Sie behaupten, der Handel mit Emissionsrechten bzw. CO2-Zertifikaten, also mit dem Recht auf Umweltverschmutzung, sei ein guter Weg für Klimaschutz. Die Linke sagt: Dieser Weg ist unsozial und zu langsam. Erst mit einem Mindestpreis entfalten CO2-Zertifikate eine Lenkungswirkung. Erst bei einem Preis von 25 Euro im Energiesektor wurde Kohlestrom langsam verdrängt; vorher passierte nichts. Im Verkehrs- und Wohnsektor rechnen sich Investitionen erst ab CO2-Preisen von über 100 Euro. Jetzt steigt die Koalition mit einem Preis von 25 Euro in den nationalen Emissionshandel ein. Dieser soll bis 2025 auf 55 Euro steigen. Das wird den CO2-Ausstoß Deutschlands im Verkehrs- und Wärmesektor kaum senken, aber die Nebenwirkungen sind beträchtlich. Bei CO2-Preisen von über 25 Euro steigt die Warmmiete für eine Familie um 120 Euro im Jahr. Da ist die Strompreisreduzierung um 15 Euro blanker Hohn. Den Vermietern ist das egal; die reichen die Kosten einfach durch. So treiben die unionsgeführte Koalition und Grüne die Mieten in die Höhe, und das lehnt Die Linke ab. Höhere Pendlerpauschalen reichen nicht, um in ländlich geprägten Räumen die Mehrkosten aufzufangen. Die Preise für ÖPNV-Tickets steigen durch die Treibstoffpreissteigerung. Der Hausmüll wird pro Jahr um 50 Euro teurer – und das schon bei 25 Euro CO2-Zertifikatspreis. Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hagen Reinhold aus der FDP-Fraktion? Ja. Herr Präsident! – Herr Lenkert, danke, dass Sie die Frage zulassen. – Sie müssen mir ein bisschen Nachhilfe geben; denn ich komme bei Ihrer Rede nicht ganz mit. Am Anfang haben Sie uns gerade erklärt, ab wann ein Preis eine Lenkungswirkung entfaltet, und im nächsten Absatz erklären Sie uns, dass alle die, die Verbraucher sind und eigentlich eine Lenkung bräuchten, vom Preis befreit werden sollen. Wie stellen Sie sich dieses Modell jetzt eigentlich endgültig vor? Soll es jetzt durch den Preis eine lenkende Wirkung auf den haben, der die Emission verursacht, oder wollen Sie alle davon befreien? Was Sie hier erzählen, widerspricht sich eklatant. Vielen Dank für die Frage. Wenn Sie gewartet hätten, hätten Sie es verstanden. Aber so habe ich mehr Zeit, es Ihnen zu erklären. Investitionen, zum Beispiel in eine neue Heizungsanlage, rechnen sich betriebswirtschaftlich bei CO2-Preisen von über 100 Euro. Vermieterinnen und Vermieter können die Kosten bedenkenlos durchreichen. Das heißt, sie haben überhaupt kein Interesse daran, solche Investitionen vorher – oder überhaupt – durchzuführen. Gleichzeitig hat der Mieter oder die Mieterin null Chance, irgendetwas zur CO2-Preisreduktion beizutragen, muss aber die Kosten zahlen. Das heißt, dieser Weg kann nicht funktionieren. Alternativ kann man das machen, was die FDP ablehnt, nämlich Ordnungsrecht einführen. Man kann strenge Vorgaben für den CO2-Ausstoß von Heizungsanlagen machen, und man kann über Fördermittel dafür sorgen, dass dies Mieterinnen und Mieter nicht belastet. Das ist unser Weg. Genauso kann man Transportkosten verteuern, um Transporte zu reduzieren. Diese Reduzierung kann man dann beispielsweise über eine niedrigere Mehrwertsteuer für Lebensmittel zurückzahlen. Es gibt Möglichkeiten, dass man Unternehmen belastet, dass man den CO2-Ausstoß über technische Maßnahmen reduziert, die man fördert, und man kann dafür sorgen, dass all dies ohne einen Zertifikatehandel möglich ist, wie Sie ihn betreiben. Der führt nämlich im Endeffekt dazu, dass die Menschen, die viel Geld haben, die es sich leisten können, CO2-Zertifikate zu kaufen, ihren CO2-Ausstoß nicht reduzieren. Für die große Jacht könnte der Millionär die CO2-Kosten übernehmen; aber der Pendler könnte es sich nicht mehr leisten, auf Arbeit zu fahren. Und das lehnt Die Linke ab. Ich fahre fort. Selbst Handwerksbetriebe in etlichen Branchen, kleine und mittlere Unternehmen müssen um ihre Existenz fürchten. Deswegen hat die Koalition jetzt schon die ersten Ausnahmen zugelassen. Wer diesem Gesetz zustimmt, zerstört Akzeptanz und verlangsamt Klimaschutz. Gesetzliche Vorgaben sind besser als CO2-Emissionshandel. Wir fordern mehr ÖPNV mit höheren Takten, besserer Qualität und niedrigeren Ticketpreisen, ein Umstellen von Heizungen und Fernwärme auf Klimaneutralität – warmmietenneutral, über Fördermittel und mit strengen Vorgaben –, einen schnellen Kohleausstieg, eine Maut für alle Fahrzeuge über 3,5 Tonnen und ein Verbot von Kurzstreckenflügen. Und als Thüringer sage ich: Es muss kein Mineralwasser aus der Eifel in Thüringen geben und kein Thüringer Waldquell in Rheinland-Pfalz. Das sind unnütze Transporte; die kann man vermeiden. Regionale Wirtschaftskreisläufe stärken unsere ländlichen Räume, verschaffen den Menschen Arbeit in ihrer Heimat; sie müssen nicht mehr pendeln oder umziehen. Das schont Infrastruktur, bekämpft den Wohnungsmangel in Ballungsräumen und senkt den CO2-Ausstoß. Im Übrigen: Das von den meisten Porschefahrern abgelehnte Tempolimit ist viel sozialer als höhere Benzinkosten. Begraben Sie das Brennstoffemissionshandelsgesetz! Folgen Sie unseren Vorschlägen! Vielen Dank. Vielen Dank, Herr Kollege Lenkert. – Das war gerade ernst gemeint mit den Porschefahrern. Als nächster Redner erhält das Wort der Kollege Dr. Anton Hofreiter, Bündnis 90/Die Grünen.
0
0
0
1
-1
1
126
20
60
ID206003600
1,665,619,200,000
9:00
22:37
11,004,100
Dr.
Dr. Jan-Marco Luczak CDU/CSU
Jan-Marco
Luczak
CDU/CSU
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir am Anfang eine Vorbemerkung. Ich finde, es gibt seit dem Beginn dieses furchtbaren Angriffskrieges auf die Ukraine und der Energiepreiskrise fast schon so ein bisschen ein Schema in der Ampel: Wir als Union machen Vorschläge für notwendige Maßnahmen. Wir sehen dann aber, dass die Ampel zögert, dass sie zaudert, dass sie mal grün blinkt, mal gelb. Meistens steht sie aber auf Rot. Irgendwann, nach viel Streit – auch in der Koalition –, bewegt sich die Ampel dann doch. Aber es ist zu spät, halbherzig, und meistens sind die Maßnahmen dann auch noch mit handwerklichen Mängeln versehen. Das war beim ersten Entlastungspaket so, das war beim ersten Heizkostenzuschuss so, das war und ist ja immer noch bei der Frage der Verlängerung der Laufzeiten der Kernkraftwerke so. So war es bei der Senkung der Umsatzsteuer auf Energieträger; so ist es bei der Gasumlage, die Murks war. So ist es beim Gaspreisdeckel, von dem wir immer noch nicht wissen, wie er genau ausgestaltet ist. Bisher ist nur klar: Er wird frühestens im März in Kraft treten, also nach dem Winter. Das ist ungefähr so – das hat meine Kollegin Julia Klöckner gestern sehr gut gesagt –, wie wenn man jemanden nach dem Winter fragt: Ich habe hier ein paar tolle Winterreifen für dich, möchtest du die nicht kaufen? Das ist viel zu spät. Die Menschen brauchen jetzt Klarheit, sie brauchen jetzt eine Entlastung, und da kommen Sie nicht hinterher, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Ampel. Genauso ist es auch bei der Reform des Wohngelds. Bereits im März dieses Jahres haben wir als Union in einem Entschließungsantrag einen höheren Zuschuss bei den Heizkosten gefordert. Wir haben gefordert, die Umsatzsteuer auf Gas zu senken, den Kreis der Wohngeldberechtigten auszuweiten und das Wohngeld an die Energiekosten zu koppeln. Jetzt, Mitte Oktober, sieben Monate später, ziehen Sie als Ampel endlich nach. Das ist viel zu spät. Sie haben über Monate die Unsicherheit und die Sorgen und Nöte der Menschen nicht ernst genommen. Die warme Wohnung, meine Damen und Herren, darf doch nicht zur Schuldenfalle werden, genauso wie ein Heizlüfter kein Statussymbol sein darf. Deswegen müssen Sie schneller sein, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Ampel. Frau Ministerin, Sie haben die Kommunen angesprochen, Sie haben ihnen dafür gedankt, dass sie sich jetzt schon vorbereiten. Ich weiß nicht, ob Sie mal mit den Kommunen gesprochen haben; viele Kollegen aus meiner Fraktion – das weiß ich – und ich haben das getan. Die Kommunen wissen überhaupt nicht, wo ihnen der Kopf steht, weil das alles so lange gedauert hat. Schon heute gibt es in den Wohngeldstellen einen großen Antragsstau. Wenn sich aber jetzt die Zahl der Wohngeldberechtigten auf 2 Millionen fast mehr als verdreifacht, dann fehlt es an allem: Es fehlt an Personal, es fehlt an ausreichenden Büros, es fehlt an der technischen Infrastruktur. Nichts davon konnte entsprechend vorbereitet werden, weil es einfach keine Klarheit gab, weil der Gesetzentwurf erst jetzt – sieben Monate später – kommt. Deswegen – das muss man auch klar sagen –: Wenn die Wohngeldreform, wie geplant, zum 1. Januar 2023 in Kraft treten soll, dann wird die Umsetzung aller Voraussicht nach nicht funktionieren. Das ist dann aber nicht die Schuld der Kommunen; das ist die Schuld dieser Bundesregierung, die viel zu spät gehandelt hat, meine Damen und Herren. Ich möchte die Kritik an zwei, drei Punkten festmachen. Im Gesetzentwurf stellen Sie unter anderem in Aussicht, dass Auszahlungen vorläufig genehmigt werden. Ich habe mich dann gefragt: Was ist eigentlich der Inhalt dieser vorläufigen Prüfung? Wenn man mit den Mitarbeitern in den Wohngeldstellen in den Kommunen spricht, dann hört man: Na ja, ich weiß das auch nicht so richtig. Die vorläufige Prüfung entspricht im Kern eigentlich der endgültigen Prüfung. – Das bedeutet dann aber, dass sie nicht einen Verwaltungsvorgang bearbeiten und prüfen, ob jemand Anspruch auf Wohngeld hat, und ihm das dann auszahlen, nein, die Mitarbeiter bearbeiten zweimal den gleichen Vorgang: Sie müssen den Antrag erst einmal vorläufig prüfen und dann endgültig prüfen, aber mit den gleichen Schemata. Damit verdoppeln Sie den Personalaufwand, damit verdoppeln Sie den Verwaltungsaufwand, und Sie verdoppeln damit am Ende auch die Probleme. Das ist nicht in Ordnung. Damit schaffen Sie nur Verunsicherung, meine Damen und Herren. Auch handwerklich hat Ihr Vorschlag viele Mängel. Ich will das einmal an der Systematik der Mietenstufen festmachen – die sollen neu festgelegt werden –, die für die Berechnung des Wohngeldes ganz zentral ist. Sie wollen zum Beispiel, dass die Stadt Münster – jeder weiß, wie die Wohnungsmarktsituation in einer Studentenstadt wie Münster ist, nämlich außerordentlich angespannt – in die gleiche Mietenstufe eingeordnet wird wie Mühlheim an der Ruhr oder Pirna. Das kann man doch keinem erzählen. Man muss sich doch nur mal die Mietensituation dort anschauen. Das passt doch überhaupt nicht zusammen. Das hat schon was mit Realitätsverweigerung zu tun, was Sie hier machen. Aber mit Realitätsverweigerung hat die Bauministerin spätestens seit dem „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ ein bisschen Erfahrungen. Über Monate hat man das Ziel, jährlich 400 000 Wohnungen zu bauen, wie eine Monstranz vor sich hergetragen. Jeder wusste eigentlich, dass das nicht realistisch war; trotzdem hat man das monatelang aufrechterhalten und monatelang auf einer falschen Tatsachengrundlage verhandelt und damit am Ende verhindert, dass richtige und auch schwierige Entscheidungen getroffen wurden. Ich kann nur sagen – das gilt für das Wohngeld, die Mietenstufen wie auch für viele andere Stellen –: Mehr Realität würde dieser Ampel guttun, meine Damen und Herren. Vielleicht noch ein letzter Punkt, der mir auch wichtig ist. Eine Klimakomponente beim Wohngeld einzuführen, ist richtig. An den energetischen Zustand anzuknüpfen, ist richtig; dass man es belohnt, wenn ein Vermieter energetisch saniert, ist richtig. Und dass sich das natürlich auch im Wohngeld widerspiegeln muss, weil es am Ende auch höhere Mieten bedeutet, ist auch richtig. Nur, davon steht in Ihrem Gesetz nichts. Sie führen zwar eine Klimakomponente ein, aber der energetische Zustand eines Gebäudes, also das, worauf es bei der Klimakomponente eigentlich ankommen sollte, spielt überhaupt keine Rolle. Jeder, ganz pauschal, erhält diesen Zuschlag. Das ist eine Mogelpackung, genauso wie die CO2-Bepreisung, die Sie vorgeschlagen haben, worüber Sie jetzt in der Ampel streiten. Das ist auch eine Mogelpackung. Das kann so nicht bleiben, meine Damen und Herren. Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Wir als Union unterstützen ausdrücklich die Reform des Wohngeldes. Wir dürfen die Menschen in dieser Energiekrise nicht alleine lassen. Nutzen Sie jetzt die verbleibenden Wochen, um in aller Ernsthaftigkeit die Einkommen richtig zu definieren, Bagatellgrenzen bei Rückforderungen einzuführen, eine Klimakomponente einzuführen, die wirklich ihren Namen verdient. Kommen Sie bitte zum Schluss. Damit werden Sie dem Ernst der Lage gerecht. Das, was Sie hier vorgelegt haben, wird der Lage nicht gerecht. Und deswegen können wir das in dieser Form nicht mittragen. Vielen Dank meine Damen und Herren. Dr. Julia Verlinden für Bündnis 90/Die Grünen erhält jetzt das Wort.
0
0
1
0
0
0
127
19
210
ID1921005000
1,613,088,000,000
9:00
17:01
11,004,409
Tino Sorge CDU/CSU
Tino
Sorge
CDU/CSU
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss ja sagen: Im Ergebnis sind wir uns hier – das habe ich zumindest den Ausführungen der Vorrednerinnen und ‑redner entnommen – alle einig, dass wir den Öffentlichen Gesundheitsdienst stärken müssen und stärken wollen. Das Einbringungsdatum des Antrags der Fraktion der Grünen liegt ja jetzt schon ein bisschen zurück, er datiert vom 18. November 2020. Insofern ist da natürlich auch viel dabei, was relativ allgemein ist. Es ist aber auch viel dabei, was längst schon überholt ist. Wir haben am Mittwoch im Ausschuss über diesen Antrag debattiert. Ich fand es schon bemerkenswert, dass wir im Ausschuss – das erlebt man ja selten – auch aus der Opposition fast geschlossen gehört haben – Andrew Ullmann beispielsweise hat gesagt, der Antrag enthalte planwirtschaftliche Elemente; Harald Weinberg aus der Fraktion Die Linke sprach davon, der Antrag sei viel zu unkonkret, viel zu offen, unpräzise –, dass der Antrag im Grunde im Hinblick auf die Qualität und die inhaltliche Ausrichtung – darin sind wir uns sicherlich einig – in dieser Form nicht zielführend ist. Ich will auch noch mal darauf hinweisen, dass das Thema Stärkung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes natürlich auch damit zusammenhängt, dass wir da vieles besser machen müssen. Aber ich wehre mich ein bisschen dagegen, immer nur zu nörgeln. Wir haben das heute wieder gehört. Wir haben für den Öffentlichen Gesundheitsdienst 4 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt, davon 800 Millionen Euro zusätzlich für Digitalisierung, und 5 000 neue Stellen geschaffen. Das wird hier so lapidar vom Tisch gewischt. Da wird dann gesagt: Na ja, 40 Milliarden Euro wären besser gewesen. – Insofern, glaube ich, sollten wir da ein bisschen die Relation sehen. Was ich auch noch sagen will: Natürlich müssen wir den Öffentlichen Gesundheitsdienst stärken; das wollen wir alle. Aber ich persönlich möchte nicht, dass wir ein staatliches Gesundheitsamt als Bundesoberbehörde etablieren, wie das bei einigen Rednerinnen und Rednern hier herausgekommen ist. Also, ganz herzliches Dankeschön an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Gesundheitsämtern vor Ort. Ja, ich weiß, die Lage dort ist sehr unterschiedlich. Aber ich glaube, wir sollten auch deren Leistungen nicht kleinreden und sagen: Wir machen am besten eine Bundesoberbehörde, und dann wird alles besser. Wir haben natürlich das Thema Föderalismus angesprochen. Da geht es tatsächlich darum, die Länder zu unterstützen. Da ist es nicht der richtige Weg, immer zu sagen: Wir können mit Geld alle Probleme lösen. Wir kippen einfach genügend Geld rein, dann geht’s allen besser, dann läuft das. – Vielmehr müssen wir die Länder konkret dabei unterstützen, wie sie ihre Gesundheitsämter vor Ort besser in die Lage versetzen, in epidemischen Lagen wie jetzt in der Coronapandemie Infektionsketten nachzuverfolgen. Da ist ja schon viel auf den Weg gebracht worden. Natürlich hätte ich mir gewünscht, dass wir SORMAS@DEMIS, also das Melde- und Informationssystem, flächendeckend schon viel, viel schneller etabliert hätten. Wenn man schaut, dass in Afrika, im Kongo und in Nigeria, SORMAS bereits flächendeckend läuft, dass also in afrikanischen Staaten Systeme genutzt werden, die wir in Deutschland entwickelt haben – das System ist ja nicht vom Himmel gefallen: SORMAS ist ja vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig entwickelt worden –, dann ist es natürlich nicht schön, dass wir jetzt noch darüber diskutieren, ob alle öffentlichen Gesundheitsämter dieses System nutzen. Ich bin froh, dass mittlerweile 375 Gesundheitsämter dieses System zumindest für die Meldung nutzen können, die Hälfte auch schon angeschlossen ist. Den Weg sollten wir weitergehen. Dann sind wir auf dem richtigen Weg. Weil hier auch die Staatsministerin für Digitalisierung sitzt, will ich Folgendes ansprechen: Mich ärgert in der ganzen Diskussion immer, dass wir über Digitalisierung sehr abstrakt reden. Da wird dann gesagt: Ja, wir könnten mit Digitalisierung viel mehr erreichen. Wir müssten nur besser vernetzen. Wir müssten die Institutionen, die Akteure in die Lage versetzen, über Datennutzung, über Datenaustausch auch schneller auf neue Situationen zu reagieren. – Und genau da hakt es ja häufig. Wir haben das Problem, dass wir grundsätzlich immer sagen: Ja, Digitalisierung ist gut. – Aber wenn es dann konkret wird, reden wir alles schlecht. Da werden dann Probleme aufgezeigt. Da werden Risiken aufgezeigt. Da wird nie chancengetrieben diskutiert. Insofern, glaube ich, stellt die Pandemie auch eine Chance dar. Ich wünsche mir, dass wir viel, viel offener über Ideen, über Möglichkeiten, gerade auch über digitale Möglichkeiten sprechen. Wir müssen auch darüber sprechen, inwieweit vielleicht in dem einen oder anderen Bereich mehr Pragmatismus Einzug halten muss, etwa bei der Abwägung, welche potenziellen Möglichkeiten uns auch eine bessere Datennutzung eröffnet. Insofern sollten wir in der Debatte auch bei der Frage „Wie können wir den Öffentlichen Gesundheitsdienst verbessern?“ nicht ausschließlich über Geld reden. Herr Abgeordneter, lassen Sie noch eine Zwischenfrage zu? Wenn Sie so nett fragen: Sehr gerne, Frau Präsidentin. Vielen Dank. – Die Abgeordnete Christmann hat das Wort. Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Lieber Herr Kollege, Sie haben so schön über Digitalisierung und ihre Möglichkeiten im Bereich der Gesundheit gesprochen; das treibt uns ja derzeit alle um. Wenn Sie aber sagen, wir sollten da mehr über die Chancen sprechen, irritiert mich das etwas. Denn ich glaube: Über die Chancen der Corona-Warn-App, zum Beispiel durch die Ergänzung einer Clustererkennung, über die Chancen der Digitalisierung der Gesundheitsämter sind wir ja seit letztem Sommer im Gespräch. Dann gab es ein Hackathon, wo mehrere Lösungen für Gesundheitsämter und andere Sachen vorgeschlagen worden sind. All diese Dinge sind doch aus meiner Sicht von der Regierung nicht zügig umgesetzt worden. Es ist ja nicht so, dass nicht alle diese Chancen sehen und auch einfordern würden, sondern es mangelt doch an der Umsetzung. Das würde ich dem gern entgegensetzen, wenn Sie hier für mehr Begeisterung geworben haben. Wir sind alle begeistert. Aber wann geht es denn los? Liebe Frau Kollegin Dr. Christmann, wir haben ja das Thema in der Enquete-Kommission „Künstliche Intelligenz“ hoch und runter diskutiert. Ich glaube, wir beide sind uns da noch einiger, als das vielleicht die Fraktionen in Gänze sind. Es ein sehr schönes Stichwort, dass Sie die Corona-Warn-App ansprechen. Ich kann mich daran erinnern, dass wir in Deutschland wirklich wochenlang hoch und runter diskutiert haben, ob man so eine App überhaupt machen soll, ob Bundesgesundheitsminister Jens Spahn da nicht wieder zu forsch ist, ob er nicht einfach vorprescht. Da sind Datenschutzbedenken angeführt worden. Wir reden hier, wie gesagt, über eine Tracing-App. Da wurde so getan, als würden die Leute ständig überwacht werden. Das ist genau der Punkt: Wir sprechen über innovative Ideen, aber die werden dann immer kaputtgeredet. Das ist ja nicht nur bei der Corona-Warn-App so. Das ist ja bei der Telematikinfrastruktur im Gesundheitswesen genau dasselbe Spiel gewesen. Ich kann mich daran erinnern, dass wir beim DVG, dem Digitale-Versorgung-Gesetz, darüber gesprochen haben, ob wir im Rahmen des Forschungsdatenzentrums, also da, wo die Daten gesammelt werden, überhaupt eine Antragsbefugnis für Gesundheitsunternehmen, also für private Unternehmen, etablieren sollten, damit die Daten dort für Forschung auch genutzt werden können. Da kann ich mich sehr genau daran erinnern, dass Ihre Fraktion – ich will jetzt konkret keine Namen nennen, kann ich aber gern nachreichen – einen Popanz aufgebaut und so getan hat, als würden jetzt alle Patienten gläsern werden, als würde man von jedem die Privatdaten, Klarnamen und was auch immer abgreifen wollen. Genau das ist der Punkt: dass Sie über Digitalisierung immer schön blumig erzählen, aber dann, wenn es konkret wird, wenn wir als Parlament, als Regierungsfraktion, als Bundesregierung, als Bundesgesundheitsministerium agieren, dann ist immer alles schlecht, dann ist alles böse. Oder wahlweise heißt es: Es ist mit der Gießkanne gemacht. – Also, da müssten Sie sich langsam mal entscheiden. Dann würde uns das auch konstruktiv helfen. – Vielen Dank. Frau Präsidentin, ich habe jetzt noch eine Sekunde Redezeit. Aber wenn Frau Klein-Schmeink, die sich gerade meldet, eine Frage stellen will, lasse ich diese gerne zu. Sprechen Sie. Darauf muss ich natürlich eingehen, weil Sie mich ja indirekt angesprochen haben. – Sie wiederholen hier etwas, was in der Sache überhaupt nicht zutrifft: Nicht der Datenschutz ist dafür verantwortlich, dass die Corona-Warn-App ihr Potenzial nicht so ausschöpfen kann, wie es eigentlich nötig wäre, oder dass wir hier mit der Forschung und dem Auswerten von Gesundheitsdaten für die Forschung nicht vorankommen, sondern das hat damit zu tun, dass die Voraussetzungen dafür nicht passend geschaffen werden. Wenn ich Sie mal fragen darf: Nennen Sie uns doch mal das Datum, wann die Clustererkennung für die Corona-Warn-App endlich funktionsfähig sein wird, nachdem das schon seit Oktober im Gespräch ist und ganz konkrete Vorschläge auf dem Tisch liegen. Also, ich finde es sehr interessant, dass da offenkundig auch bei Ihnen eine sehr einseitige Betrachtungsweise vorherrscht. Da wird, weil das Thema Corona-Warn-App explizit angesprochen wurde, immer so getan, als sei man sich einig, als könnten wir sofort loslegen. Das Problem ist eben nur: Wenn wir dann loslegen, dann kommen zusätzliche Bedenken. Ich sage auch: Bei der Frage, wie wir solche Apps oder wie wir innovative Ideen für das Gesundheitssystem überhaupt erst mal zum Laufen bringen, haben wir ja ständig die Diskussion, inwieweit man da überhaupt Akteure einbeziehen kann. Sie sind ja meistens ganz weit vorneweg und sagen: Wir müssen mehr digitalisieren. – Wenn es dann aber darum geht, Innovation im System zu ermöglichen, dann sind Sie die Ersten, die bremsen, weil Sie sagen: Da dürfen Private nicht ins System rein. Da müssen hohe Hürden aufgebaut werden. Ich weiß jetzt nicht, wie viel Redezeit ich habe. Aber ich könnte jetzt hier stundenlang auch über das Agieren des BfDI, des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, sprechen, der ja teilweise ein sehr ambivalentes Verhältnis zu bestimmten digitalen Lösungen hat. Wir in Deutschland meinen: Immer dann, wenn eine staatliche Lösung angeboten wird, müssen wir diese staatliche Lösung 150-prozentig machen. Diese ist am Schluss so unpraktikabel, dass sie überhaupt nicht mehr funktioniert. Danach wird dann kritisiert, dass sie nicht funktioniert. Dann ist irgendwas verkehrt. Also, da sollten Sie sich mal überlegen, wie Sie da argumentieren. Damit ist die Frage von Frau Klein-Schmeink von Bündnis 90/Die Grünen beantwortet. Sie haben noch wenige Sekunden zu einem wunderbaren Schlusswort. Herr von Notz hat sich gemeldet. Nein, die Zeit ist abgelaufen. Ich lasse jetzt auch keine Zwischenfragen mehr zu. Ich würde die Frage gerne zulassen, lieber Konstantin von Notz. Ich kann die Frage sicherlich noch im Anschluss hoffentlich zufriedenstellend klären. Ich darf mich für die Aufmerksamkeit bedanken. Ich freue mich auf die Diskussionen im Ausschuss. Ich freue mich auf die Beratungen und darauf, dass wir in der Digitalisierung und bei der Bekämpfung des Coronavirus, der Ausstattung und der Verbesserung der öffentlichen Gesundheitsämter schnell und gut vorankommen. In diesem Sinne: gute Diskussion! Vielen Dank. – Das Wort geht an Dr. Wieland Schinnenburg von der FDP-Fraktion.
0
1
0
0
0
0
128
19
140
ID1914001400
1,579,132,800,000
9:00
21:32
11,004,773
Dr.
Dr. Kirsten Kappert-Gonther BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Kirsten
Kappert-Gonther
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir tragen heute eine ganz besondere Verantwortung. Wir wollen das Organspendewesen verbessern, damit die Menschen, die händeringend auf ein Spenderorgan warten, auch eines bekommen. Wir entscheiden heute aber auch über das Verhältnis Staat/Bürgerin, Bürger/Staat. Ich stehe für unseren Gesetzentwurf für eine freie Entscheidung. Es wäre ein Fehler, die Widerspruchsregelung einzuführen. Die Widerspruchsregelung ist keine Lösung. Die Widerspruchsregelung weckt Erwartungen, die sie nicht erfüllen kann. In Spanien, dem Organspendeweltmeister, gilt die Widerspruchsregelung formal seit 1979 – ohne Effekt. Erst als dort die Abläufe verbessert wurden, stieg die Organspenderate sprunghaft an. In Deutschland wurden 2018 von den 27 000 möglichen Organspenderinnen und Organspendern, also den Menschen, die einen Hirntod erlitten haben, nur 8,2 Prozent an die DSO gemeldet. Das ist viel zu wenig. Das ist der Punkt, wo wir ansetzen müssen. Das A und O für mehr Organspenden sind die Strukturen und Vertrauen. Für die Strukturverbesserung haben wir mit dem Gesetz vom letzten Jahr die Weichen gestellt. Wie schaffen wir nun Vertrauen? Durch Transparenz und Freiwilligkeit. Unser Gesetz für eine freie Entscheidung steht genau dafür: für Aufklärung, Beratung, Selbstbestimmung. Die Widerspruchsregelung hingegen setzt auf die Uninformiertheit und Trägheit der Bevölkerung. Das untergräbt Vertrauen. Schweigen darf nicht Zustimmung bedeuten. Wenn ich als Ärztin jemandem eine Spritze geben will, dann muss ich nach dem Einverständnis fragen – zu Recht. Wenn ich als Politikerin meinen Newsletter verschicken will, dann geht das nur mit Zustimmung – zu Recht. Und bei so etwas zutiefst Persönlichem wie der Frage, ob ich nach meinem Tod Organspenderin sein will, soll Schweigen auf einmal Zustimmung bedeuten? Das kann doch nicht sein. Jede Person muss das Recht haben, sich nicht zu äußern, ohne dass das körperliche oder rechtliche Folgen hat. Sie behaupten zwar, Herr Spahn, Frau Sitte, dass sich jede und jeder frei entscheiden könne, doch die erheblichen Zweifel, die auch in der Anhörung im Gesundheitsausschuss zum Tragen kamen, konnten Sie nicht ausräumen. Es gibt Menschen, die sich zu bestimmten Zeiten ihres Lebens aufgrund ihrer Lebensbedingungen eben nicht mit dem Tod konfrontieren können, die es nicht schaffen, rechtzeitig zu widersprechen. Was ist mit Obdachlosen, mit Menschen, die kein Deutsch sprechen, mit Menschen in einer psychischen Krise? Wir können doch nicht wollen, dass – bei Einführung der Widerspruchsregelung – gerade den Schwächsten der Gesellschaft nach ihrem Tod möglicherweise gegen ihren Willen Organe entnommen werden. Die Schwächsten in der Gesellschaft müssen wir schützen. Es ist unmöglich, alle Menschen, die sich aus verschiedenen Gründen nicht erklären können, zu identifizieren. In der Anhörung haben Sie wörtlich gesagt, Frau Sitte – ich zitiere aus dem Protokoll –, Sie würden „bei der Überarbeitung des Gesetzentwurfs genau in diese Richtung noch mal klären und präzisieren“. Doch es gibt keine Klärung, keine Präzisierung, keine Änderung Ihres Gesetzentwurfs, die verhindert, dass Menschen im Zweifel gegen ihren Willen Organe entnommen werden. Diese Logik der Nützlichmachung, diese Logik des Utilitarismus finde ich gefährlich. Mich hat sehr beeindruckt, wie ein Betroffener in der Anhörung geschildert hat, was für ein Geschenk es für ihn war, eine Niere zu bekommen, die ihm das Weiterleben ermöglicht. Es ist für ihn wichtig, zu wissen, dass diese Niere bewusst gespendet wurde. Die aktive Zustimmung ist die richtige Grundlage für die Organspende. Ich habe Menschen therapeutisch begleitet, die auf Spenderorgane warteten, die endlich Spenderorgane bekamen und weiterleben konnten, Menschen, die eingewilligt haben, die Organe ihrer verunfallten Angehörigen zu spenden – viele Schicksale, viele ganz unterschiedliche Menschen, bei denen es um Sterben, Tod und Leben ging. Ich will, dass wir das Organspendewesen verbessern. Das wird durch die Verbesserung der Strukturen und mit Vertrauen gelingen. Die Widerspruchsregelung wird dem nicht gerecht. Sie gefährdet das Vertrauen. Ich bitte Sie, stimmen Sie für unser Gesetz, für die freie Entscheidung. Vielen Dank. Nächster Redner ist der Kollege Dieter Janecek.
0
1
1
1
1
1
129
20
55
ID205506000
1,663,891,200,000
9:00
16:49
11,004,392
Bernd Rützel SPD
Bernd
Rützel
SPD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich möchte zum Schluss der Debatte zusammenfassen: Ich hoffe, dass Einigkeit darüber besteht, dass das Kurzarbeitergeld ein riesengroßer Schutzschirm für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land ist, für die Arbeitsplätze und auch für die Wirtschaft, die ihr Personal behalten kann; es ist mehrfach angesprochen worden. Ich hoffe, dass jeder dieser Meinung ist und das Kurzarbeitergeld grundsätzlich für richtig und gut befindet. Ja, wir sind seit Längerem im Krisenmodus: gestörte Lieferketten, Fach- und Arbeitskräftemangel, Pandemie, Inflation und seit dem brutalen Angriffskrieg von Putin gegen die Ukraine extrem hohe Preise für Energie aufgrund der Knappheit. Natürlich löst das Kurzarbeitergeld nicht alle Probleme, aber es baut viele Brücken, zum Beispiel, wenn es Unternehmen schlechter geht. Seit dem 13. März 2020, also seit zweieinhalb Jahren, sind wir immer wieder dabei – Staatssekretärin Anette Kramme hat es erläutert, auch Dagmar Schmidt hat es erläutert –, unsere Gesetze punktuell anzupassen und der Regierung die Möglichkeit zu geben, nachzusteuern, damit die Maßnahmen schnell greifen, damit wir flexibel sind. Ja, Kurzarbeit kostet richtig viel Geld. Frau Schimke, Sie haben gesagt, das könnten wir uns nicht mehr leisten. – Doch, wir müssen es uns leisten, und wir werden es uns leisten. Denn wenn wir das nicht tun, dann wird es viel teurer, mit ungeahnten Folgen für die gesamte Wirtschaft. „The German Kurzarbeitergeld“, wie es auf der ganzen Welt genannt wird, ist ein Instrument, auf das wir stolz sein können, liebe Kolleginnen und Kollegen. Der Besuch der neuen Chefin der Bundesagentur für Arbeit im Ausschuss für Arbeit und Soziales vor zwei Tagen ist mehrfach angesprochen worden. Andrea Nahles sagte uns: Der Arbeitsmarkt ist robust. – Da hat sie recht. Natürlich ist er robust. Noch nie waren so viele Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt wie heute – noch nie! Gleichzeitig gibt es fast 900 000 offene Stellen. Aber nichts ist in Stein gemeißelt. Wir müssen vorbereitet sein. Die Situation kann sich schnell ändern. Deswegen haben wir entsprechenden Spielraum geschaffen. Am Ende der Debatte ist es mir ein persönliches Anliegen, etwas zu Rainer Keller zu sagen. Wir haben ihn noch vor zwei Tagen gesehen. Er war hier und hat seine Arbeit gemacht. Plötzlich und unerwartet ist er nicht mehr bei uns. Wir werden immer an dich denken, lieber Rainer.
0
1
0
0
1
1
130
19
15
ID191503500
1,519,344,000,000
09:00
14:42
11,004,828
Alexander Müller FDP
Alexander
Müller
FDP
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Eine Welt ohne Atomwaffen ist ein wichtiges Ziel. Jede Anstrengung in diese Richtung ist zu unterstützen. Daher begrüßen wir diese Debatte ausdrücklich. Die Freien Demokraten setzen sich seit jeher für die Reduktion von Massenvernichtungswaffen ein. Wir stehen zu Global Zero. Das Thema ist allerdings kompliziert, und man muss wohlüberlegt an diese Aufgabe herangehen. Das wirksamste Mittel, mit dem bis heute die Weiterverbreitung von Atomwaffen verhindert werden konnte, ist der Atomwaffensperrvertrag aus dem Jahr 1970. Er ist der tragende Pfeiler des nuklearen Nichtverbreitungsregimes und damit das Herzstück aller internationalen Bemühungen zur Abrüstung und zur Rüstungskontrolle von Atomwaffen. Der Vertrag gilt verbindlich für 190 Staaten der Welt. Er wird fortwährend erneuert und evaluiert. Die unabhängige Internationale Atomenergie-Organisation sichtet regelmäßig Waffenlager und Labore in den Geltungsländern, um die Einhaltung durch Vorortinspektionen zu kontrollieren. Unter der Ägide des bestehenden Atomwaffensperrvertrags ist es gelungen, ehemalige Atommächte wie Südafrika zur vollständigen Aufgabe bereits entwickelter Kernwaffen zu bewegen und andere militärisch-nukleare Entwicklungsprogramme zu beenden, zum Beispiel in Australien, Brasilien, Argentinien und Schweden. Kein Vertrag hat eine vergleichbare Wirksamkeit gezeigt, kein Abkommen hat die Zahl der Nuklearmächte dermaßen reduziert. Der bestehende Atomwaffensperrvertrag bindet alle 190 Teilnehmerländer. Die Nichtkernwaffenstaaten verzichten dauerhaft auf eigene Atomwaffen. Die Atommächte verpflichtet er zu einer Reduzierung ihrer Arsenale. Solche Abrüstungsschritte wurden von Russland und den USA im Rahmen von Initiativen wie START, New START und INF erfolgreich verhandelt und umgesetzt. Diese Abkommen waren die größten nuklearen Abrüstungsprogramme in der Geschichte der Menschheit. Diese Erfolge sollten wir uns als Vorbild für die weiteren Schritte nehmen. Lassen Sie uns doch aus diesen konkreten Abkommen lernen, wie man Schritt für Schritt weiterkommt auf dem Weg zu einer Welt ohne Massenvernichtungswaffen. Wenn man nun ein neues Vertragswerk etablieren will, dann funktioniert das nur, wenn man die Atommächte dazu mit ins Boot bekommt. Der heute zu beratende Atomwaffenverbotsvertrag ist eine Initiative von Staaten, die keinerlei Atomwaffen besitzen. Meine Damen und Herren, wenn die Bundesvereinigung der Schafe eine Resolution beschließt, dass allen Wölfen die Zähne gezogen werden müssen, was glauben Sie, welche Folgen das hätte? – Keine. Ja, die Fortentwicklung des Sperrvertrages verspricht keine schnellen Erfolge. Es ist eine mühsame Arbeit, die noch Jahre dauern wird; denn der Sperrvertrag kann auch ins Wanken geraten. Die von der Antragstellerin geforderte Konzentration auf ein völlig neues zweites Vertragswerk würde uns von der Fortentwicklung des eben genannten Atomwaffensperrvertrags ablenken. Von der Überprüfungskonferenz 2020 muss ein Signal der Stärkung und Einigkeit ausgehen. Wir müssen alle darauf hinarbeiten, dass der Sperrvertrag auch unter der Präsidentschaft von Donald Trump verlässlich bleibt und fortentwickelt wird. Denn wer Massenvernichtungswaffen weiter reduzieren will, der schafft das nur in gemeinsamen Verhandlungen mit den Atommächten, aber nicht gegen sie. Das Vorhandensein der noch verbliebenen atomaren Potenziale hat heute in erster Linie eine abschreckende Wirkung. Jeder weiß, dass das Auslösen der nuklearen Eskalation alles Leben auf der Erde auslöschen kann. Die aggressive Außenpolitik von Russland und Nordkorea, die beide das Völkerrecht bewusst verletzen, beweist, dass wir auf die nukleare Abschreckung noch nicht ganz verzichten können. Die Beteiligung Deutschlands am Atomwaffenverbotsvertrag hätte zwingend zur Folge, dass wir die nukleare Teilhabe der NATO aufgeben müssten. Dies wäre nicht nur ein enormer Vertrauensverlust innerhalb unseres Bündnisses, Russland könnte es als Einladung verstehen, sich weitere Teile Osteuropas einzuverleiben. Das kann nicht unsere Intention sein. Vielen Dank. Ich erteile das Wort dem Kollegen Jürgen Trittin vom Bündnis 90/Die Grünen.
0
0
0
0
1
0
131
19
141
ID1914103700
1,579,219,200,000
9:00
16:59
11,004,337
Dr.
Dr. Katja Leikert CDU/CSU
Katja
Leikert
CDU/CSU
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir stehen vor einem europäischen Superjahr. Das neue Jahr hat kaum begonnen, und schon ist klar: Die Welt wartet nicht auf uns Europäer. Wenn wir uns in der Welt umschauen – Iran, Irak, Libyen –, dann wird immer deutlicher, dass wir unsere Rolle in der Welt ausfüllen müssen. In der zweiten Jahreshälfte wird Deutschland die Ratspräsidentschaft übernehmen. Es ist längst klar: Die Europäische Union ist mehr als ein funktionstüchtiger Binnenmarkt. Deshalb ist es richtig, dass die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ihre Kommission ausdrücklich als eine geopolitische Kommission gestalten will. Es geht um Handlungsfähigkeit in einer sehr dynamisch gewordenen Welt. Das ist der richtige Fokus; meine Fraktion unterstützt das. Die EU-Kommission ist ambitioniert – das hat sie gezeigt – mit dem Green Deal. 50 Einzelmaßnahmen sollen dazu führen, dass die Europäische Union 2050 klimaneutral ist. Wenn wir es richtig angehen, liebe Frau Brantner, dann verstehen wir darin einen Weg hin zu einer echten Wachstumsstrategie. Wir halten nichts von unrealistischen Zielen. In Ihrem Antrag wird ein Reduktionsziel von 65 Prozent bis 2030 festgeschrieben. Das ist nicht mal das, was im Pariser Abkommen steht, und es ist in diesem Sinne ein Alleingang. Wir wollen echte Nachhaltigkeit, liebe Frau Brantner. Das bedeutet für uns, dass wir diese Ziele mit einem vernünftigen Wirtschaften erreichen wollen, mit unserer Technologieführerschaft vereinbaren wollen. Wir wollen weder Wirtschaftswachstum abwürgen noch ganze Gegenden oder Menschen abhängen, die sich eben nicht mal schnell ein E-Auto kaufen können. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, während unserer Ratspräsidentschaft wird auch die Handelspolitik und auch das Abkommen mit den Mercosur-Staaten eine zentrale Rolle spielen. In Ihrem Antrag verkünden Sie die Ablehnung eines Abkommens, das 20 Jahre lang ausverhandelt wurde. Mit diesem Abkommen hat man es sich nicht leicht gemacht. Auch hier setzt Ihr Antrag auf diesen neuen rigorosen Unilateralismus. Bereits bei TTIP und CETA haben Sie die europäische Handelspolitik immer wieder bekämpft. Wenn wir uns in der Welt umschauen, dann sehen wir: In den nächsten zehn Jahren wird 90 Prozent des Wachstums außerhalb der Europäischen Union generiert. Wir können uns natürlich davon abkoppeln. Es ist aber viel besser, wenn wir weltoffen bleiben. Wir wollen hier keinen neuen Protektionismus. Es ist immer das gleiche Muster: Von Ihrer Seite werden Ängste geschürt und Falschbehauptungen getätigt. Für Sie besteht das ganze Handelsabkommen mit den Mercosur-Staaten aus Soja, Ethanol und Rindfleisch. Dazu möchte ich Ihnen mal einige Informationen mit auf den Weg geben. Bei Ethanol sprechen wir von 2 bis 3 Prozent der gesamten brasilianischen Produktion, die in die Europäische Union importiert werden. Bei Rindfleisch sind es gerade einmal 1,2 Prozent des europäischen Rindfleischkonsums, der zollvergünstigt in die EU eingeführt würde. Dieses Fleisch wird schon jetzt eingeführt. Das heißt, es würde nicht mehr eingeführt, sondern die Einfuhr wäre an dieser Stelle einfach nur zollvergünstigt. Beim Thema Soja beißen Sie sich immer wieder fest. Soja kommt in dem Mercosur-Abkommen überhaupt nicht vor. Dafür gibt es gar keine Zollquoten, keine Zollsätze, weil sie bereits heute bei null liegen. Das heißt, viele Ihrer Punkte haben gar nichts mit dem Mercosur-Abkommen zu tun. Es ist vielmehr so: Es ist das erste Abkommen, das die Mercosur-Staaten mit der Europäischen Union schließen, mit hohen Standards, die wir in diesem Abkommen voraussetzen. Das Handelsabkommen beinhaltet ganz explizit ein Nachhaltigkeitskapitel zu Sozial- und Umweltstandards. Es regelt ganz explizit Umsetzungsfragen des Pariser Abkommens zum Klimaschutz, auch zum Kampf gegen illegale Abholzung. Es hat rechtliche Bindungswirkung. Wenn Sie also ganz konkret Brasilien unter Präsident Bolsonaro an das Pariser Abkommen binden wollen, dann ist das beste Mittel dazu ein solches Handelsabkommen. Wenn Sie internationale Stabilität, Multilateralismus, regelbasierten Handel wollen und wenn die Europäische Union ein einflussreicher Akteur sein möchte, dann brauchen wir genau solche Abkommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist so, wie ich es zu Beginn gesagt habe: Die Welt wartet nicht auf die Europäische Union. Nutzen wir unsere Ratspräsidentschaft für kluge Entscheidungen. Herzlichen Dank.
0
-1
1
0
0
0
132
19
122
ID1912200200
1,571,961,600,000
9:00
17:03
11,004,935
Dr.
Dr. Heiko Wildberg AfD
Heiko
Wildberg
AfD
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei dem vorliegenden Entwurf eines Klimaschutzgesetzes geht es um nicht weniger als die Rettung des Weltklimas oder zumindest einen bedeutenden Beitrag dazu – angeblich. Tatsächlich aber ist dieser Gesetzentwurf ein Verbots- und Steuererhöhungsprogramm, wie man es seit den Zeiten des mittelalterlichen Ablasshandels nicht mehr gesehen hat. Als Geowissenschaftler möchte ich ausdrücklich darauf hinweisen, dass die wissenschaftliche Basis dieses Gesetzentwurfes wie auch des gesamten Klimapaketes mehr als dürftig ist. Nehmen wir zum Beispiel die Klimamodelle des Weltklimarates. Diese sind nicht einmal ansatzweise in der Lage, die Klimaentwicklung nachzuvollziehen, weder die der vergangenen Jahrzehnte mit den bekannten Klimafolgen noch die der letzten zehntausend Jahre. Wie können sie dann für die Zukunft gelten? Meine Damen und Herren, die Debatten, ob man den CO2-Ausstoß am besten durch einen pseudomarktwirtschaftlichen Zertifikatehandel oder besser durch staatliche Zwangsmaßnahmen verringert, sind deswegen obsolet, überflüssig, niente. In unserem Land wird es immer schwieriger, ergebnisoffene Diskussionen ohne Scheuklappen in Parlamenten und besonders auch in Universitäten zu führen; die Kollegen Lindner und de Maizière haben das jüngst am eigenen Leibe erfahren müssen, meine Damen und Herren. Die größte Fehlleistung bei diesem Klimapaket ist jedoch die staatlich geförderte, zumindest aber oft geduldete Instrumentalisierung von Kindern und Jugendlichen als Demonstranten, die das Zustandekommen dieses Gesetzentwurfes begleitet haben. Meine Damen und Herren, ein selbstbewusstes Parlament hätte unter diesem äußeren Druck wahrscheinlich die Debatte um dieses Thema auf einen weniger belasteten Zeitpunkt verschieben können, aber das ist nun mal nicht so. Wir werfen mal einen Blick in das Gesetz und schauen, was es mit den Bürgern macht: Es bevormundet unsere Bürger, es macht das Leben teurer, es ist sozial ungerecht, es kostet Arbeitsplätze, es gefährdet unsere Freiheit und die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Es ist ein Schritt in die Deindustrialisierung unseres Heimatlandes. Nur eines macht dieser Gesetzentwurf nicht, nämlich einen wesentlichen Beitrag zur Rettung des Weltklimas zu leisten, wofür er eigentlich gedacht ist. Das ist eine ziemliche Blamage, meine Damen und Herren. Aber ich bin zuversichtlich, dass die Zahl derjenigen Wissenschaftler deutlich zunimmt, die das mit dem menschengemachten Klimawandel kritisch sehen. Jüngst haben sich 400 Wissenschaftler so positioniert und an die UNO gewandt. Ich sehe die neuen Forschungsergebnisse aus China, aus Russland und auch von der NASA, die zu dem Schluss gekommen sind, dass das mit dem menschengemachten Klimawandel nicht länger haltbar ist. Deswegen denke ich: Weg mit diesem Klima! – Weg mit diesem Klimagesetz! Das wäre ein Befreiungsschlag für unser Land. Danke schön. Andreas Jung, CDU/CSU, ist der nächste Redner.
1
0
0
-1
0
0
133
19
186
ID1918613800
1,603,929,600,000
9:00
23:20
11,004,741
Thomas Heilmann CDU/CSU
Thomas
Heilmann
CDU/CSU
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Johannes Vogel! Die Rede meines Vorredners hat mich zu der Frage gebracht: Warum sind eigentlich die Liberalen in den Niederlanden so viel erfolgreicher als in Deutschland? Das ist jetzt ein bisschen weit weg vom Thema; aber da fällt mir der ein oder andere Grund ein. – Auch eine gute Bemerkung. Für die, die es nicht gehört haben: weil die da halt regieren und hier nicht. – Aber gut, lassen wir das jetzt. Zum mobilen Arbeiten. Lieber Johannes Vogel, die Frage wird völlig zu Recht gestellt. Die Arbeitslandschaft verändert sich massiv, natürlich auch durch Corona, und darauf müssen wir reagieren. So weit, so richtig. Die Fragen: „Wie gehen wir mit dem flexiblen Arbeiten um?“ und: „Wie gehen wir mit den elf Stunden Pause um?“, sind natürlich berechtigte Fragen. Von den Antworten bin ich, ehrlich gesagt, enttäuscht; denn die Lage hat sich doch dramatisch geändert: Erstens. Die Dinge sind längst im Fluss – wir müssen sie nicht in Gang bringen –, und zwar natürlich wegen Corona. Wir müssen uns doch eher die Frage stellen: „Wie begrenzen wir Homeoffice?“, anstatt noch mehr Leute noch länger ins Homeoffice zu senden. Das sind doch ganz neue Fragestellungen, die wir haben. Das trennt uns leider auch von den Sozialdemokraten, die die Frage mit dem Recht auf Homeoffice so thematisieren, dass wir jetzt erst mal anfangen müssen, zu üben, wie es im Homeoffice ist. Die Übungen finden jetzt durch die Schließungen im November leider doch in besonderem Umfang statt. Zweitens. Wir von der Union – das ist ja öffentlich geworden – haben uns dazu eine Menge neuer Antworten überlegt. Ich hätte mir von der Opposition gewünscht, dass sie diese Notwendigkeit erkennt. Der erste Punkt ist: Wenn die Leute so viel mobil oder im Homeoffice arbeiten, dann stellt sich die Frage der Begrenzung. Also: Wie schaffe ich mir dann wirklich Blöcke, in denen ich abschalten kann, in denen ich nicht arbeite? Und deshalb ist eine unserer ersten Forderungen, zu sagen: Wir wollen ein Recht auf Nichterreichbarkeit haben. Das ist bei mobilem Arbeiten technologisch ganz einfach. – Wir haben das schon in einem Buch geschrieben; aber jetzt ist es eben auch Thema der Fraktion. Insofern können wir uns über die Urheberschaft gerne streiten. Wir haben dafür sogar eine technische Lösung vorgeschlagen. Das ist der erste Punkt. Der zweite Punkt ist: Wir müssen natürlich verhindern, dass Arbeitgeber mobil Arbeitende dahin gehend unter Druck setzen, dass sie ihre verdienten Pausen nicht nehmen. Die meisten Arbeitgeber behandeln ihre Beschäftigten auch sehr anständig, aber wie immer gibt es da auch ein paar schwarze Schafe. Deswegen ist entscheidend, dass der Arbeitnehmer, wenn wir die Arbeitszeit flexibilisieren, über seine Arbeitszeit wirklich selber entscheiden kann und nicht durch seinen Arbeitgeber faktisch oder gar juristisch zu etwas gezwungen wird. Jetzt ist es allerdings so – da hat der Kollege Vogel recht –, dass sich die Arbeitnehmer illegal verhalten, wenn sie erst mit ihren Kindern essen und dann ihre E-Mails bearbeiten, weil sie dann bis zum nächsten Morgen nicht auf die elf Stunden Ruhezeit kommen. – Na ja, aber ich habe ein bisschen größere Kinder. Da esse ich mit denen auch gerne mal länger und bearbeite um halb zwölf meine E-Mails. Dann kann ich natürlich nicht um 8 Uhr morgens wieder arbeiten, damit ich schon um 9 Uhr hier sitzen kann. Nun bin ich kein Angestellter; deswegen hinkt das Beispiel. Aber früher war das anders: Ich bin ja erst seit drei Jahren im Parlament. Insofern ist das natürlich eine Frage. Natürlich sind da haufenweise Leute ständig in der Illegalität, und da müssen wir sie ganz dringend herausholen, – Der Arbeitgeber hat natürlich eine Schutzpflicht. Er muss darauf achten, dass die Arbeitszeiten ordentlich eingehalten werden. Wenn der Arbeitgeber Arbeitszeitkonten führen lässt, dann müsste er die Arbeitnehmer darüber belehren, dass sie nicht gegen die Arbeitszeitregeln verstoßen dürfen. – Frau Müller-Gemmeke, wenn Sie es so sehen, dass die Menschen das selber machen dürfen, dann können Sie unserem Vorschlag ja zustimmen. Wir sagen ja: Die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen dürfen das alleine entscheiden. Der Arbeitgeber kann selbstverständlich nicht verlangen, dass sie bis Mitternacht arbeiten und dann am Morgen um 7 Uhr wieder mit der Arbeit anfangen. Darüber sind wir uns ja völlig einig; das kann nicht angeordnet werden. Die dritte große Regelung ist – da sind wir uns in der Koalition weitestgehend einig –: Wir müssen beim Thema Versicherungen auch eine Lösung für diejenigen finden, die im Homeoffice sind. Wir gehen noch einen Schritt weiter und sagen: Wir sollen die Leute nicht zu lange im Homeoffice einsperren; das ist auf Dauer nicht gut. Wir sehen ja in dem Großtest Corona, dass das auch sehr negative Folgen hat. Deswegen müssen wir den Leuten die Gelegenheit geben, ihre Arbeit auch von ihrem Privaten zu trennen. Wenn wir nicht wollen, dass sie pendeln, wenn wir also nicht wollen, dass sie wieder ins Büro fahren, dann ist eben unser Vorschlag, zu sagen: Dann lasst uns doch Co-Working-Spaces, oder auf Deutsch: Nachbarschaftsbüros, in den ländlichen Räumen schaffen. Es gibt jede Menge Immobilien, die tagsüber sowieso leer stehen. Das sind Vereinsheime, Gemeindezentren, Kirchengemeinden und was es da sonst alles gibt. Warum führt das nicht dazu, dass die Leute mit dem Fahrrad nur ein paar Meter weit fahren, dann da arbeiten und nur gelegentlich in ihr Büro pendeln, sagen wir jetzt mal zwei Tage die Woche oder auch nur einen? Das wäre eine sehr pragmatische Lösung, und auch dafür müssen wir etwas finden. Ob uns das alles noch in dieser Legislaturperiode, die sich dem Ende zuneigt, gelingt, das wissen wir nicht. Aber wir als Union jedenfalls werden für die nächste Legislaturperiode mit einem ganzen Set an Vorschlägen kommen. Vielen Dank. Vielen Dank, Thomas Heilmann. – Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Uwe Witt.
0
1
0
1
0
0
134
19
195
ID1919504300
1,606,348,800,000
9:00
21:42
11,004,811
Jens Maier AfD
Jens
Maier
AfD
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von Winston Churchill soll das Zitat stammen: Wer mit 18 kein Kommunist war, hat kein Herz. Wer mit 40 immer noch Kommunist ist, hat keinen Verstand. Genau in diese Kiste kann man das packen, was die Linken hier wieder zum soundso vielten Male zum Thema Mieterschutz in die Plenardebatte eingeführt haben, wobei darauf hinzuweisen wäre, dass beide Anträge der Linken vom Mai 2019 stammen und damit als überholt angesehen werden müssen, weil sie die aktuelle Problemlage gar nicht erfassen. Corona war im Mai 2019 noch kein Thema. Nach den Vorstellungen der Linken soll eine Kündigung eines Wohnraummietvertrages bei über 70-jährigen Mietern wegen Eigenbedarfs ausgeschlossen sein. Da wird jeder sagen: Ältere Menschen aus der Wohnung zu setzen, das ist aber gemein; das gehört sich nicht. – Ich glaube, es dürfte hier niemanden mit gutem Gewissen geben, der ältere Menschen auf die Straße setzen will. Hier spricht das Herz: Das wollen wir nicht. – Nun kommt aber der Verstand, der sagt: So etwas generell gesetzlich zu regeln, das ist aber sehr unklug. – Warum? Ganz einfach: Wer wird denn an einen 65-Jährigen noch eine Wohnung vermieten, wenn man befürchten muss, dass man den Mieter bei Erreichen des 70. Lebensjahres nicht mehr loswird, vor allem dann, wenn zu erwarten ist, dass man die Wohnung für sich selber benötigt? Bei einer Lebenserwartung von mittlerweile deutlich über 80 Jahren kann das eine lange Wartezeit nach sich ziehen. Es wird bei bestehenden Mietverhältnissen dann auch das Bestreben gefördert, Mieter vor Erreichen des 70. Lebensjahres aus der Wohnung zu setzen, um gar nicht in diese Problematik hineinzukommen. Hier zeigt sich wieder, was dabei herauskommt, wenn man so wie die Linken denkt und allein von der Gesinnungsethik ausgeht, die zwar den guten Willen oder moralische Kategorien in den Vordergrund stellt, die Folgen aber gar nicht bedenkt und ausblendet. Wir als AfD gehen nicht von der Gesinnungsethik, sondern von der Verantwortungsethik aus. Wir fragen nicht danach, was gut und was böse ist, wir fragen danach, was richtig und was falsch ist, und vor allem fragen wir danach, was dabei herauskommt. Da kann man bezogen auf diesen generellen Kündigungsschutz für über 70-jährige Mieter nur sagen: Es kommt dabei das Gegenteil von dem heraus, was man will, nämlich älteren Mietern die Wohnung zu erhalten. Darum kann man auch diesen Antrag der Linken einfach nur in die Tonne treten. Eine gesetzliche Regelung ist im Übrigen gar nicht notwendig, weil die Rechtsprechung Grundsätze entwickelt hat, die eine Kündigung des Mietvertrages bei älteren Menschen erschweren. So hat das Landgericht Berlin in einem Berufungsurteil vom März 2019 festgestellt: Der kündigungsbedingte Verlust der gemieteten Wohnung stellt für Mieter hohen Alters grundsätzlich eine Härte i. S. d. § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB dar, die – im Regelfall – die Fortsetzung des Mietverhältnisses … gebietet. Im Regelfall! Damit ist an diesem Beispiel auch widerlegt, was in dem anderen Antrag der Linken suggeriert wird, nämlich dass eine generelle Überarbeitung des Kündigungsschutzes geboten sei, weil die Rechtsprechung sich als zu vermieterfreundlich entwickelt habe. Wir brauchen keine generelle Überarbeitung des Kündigungsschutzes. Die bestehenden Regelungen reichen aus und werden von der Rechtsprechung auch sachgerecht angewendet. Das Einzige, was neu geregelt werden sollte – die AfD hat dazu selbst einen Gesetzentwurf vorgelegt –, ist, dass auch bei ordentlichen Kündigungen die Möglichkeit einer Schonfristzahlung im Gesetz eingeführt werden soll, um Widersprüche in den Rechtsfolgen zwischen einer ordentlichen und einer außerordentlichen Kündigung auszuräumen; das war ja hier beim letzten Mal das Thema. Bei dem Antrag der Grünen wird im Ausschuss zu prüfen sein, ob der Schutz der Mieter und Verbraucher während der staatlich verordneten Coronamaßnahmen in dem behaupteten Umfange benötigt wird. Die Erfahrungen im Sommer dieses Jahres deuten darauf hin, dass befristete Moratoriumslösungen eher nicht benötigt werden. So haben die Mieter nur in ganz wenigen Ausnahmefällen den Kündigungsschutz nach dem Coronarecht in Anspruch genommen. Daran kann sich jetzt nach dem zweiten Lockdown aber etwas geändert haben. Wir werden sehen. Vielen Dank. Für die SPD-Fraktion hat das Wort der Kollege Dr. Johannes Fechner.
1
0
0
0
0
-1
135
20
52
ID205202000
1,662,681,600,000
9:00
12:37
11,005,047
Leon Eckert BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Leon
Eckert
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! In Europa herrscht Krieg. Auch wir merken die Auswirkungen dieses Krieges jeden Tag. Wir erleben die Auswirkungen ökonomisch, durch Angriffe auf unsere kritische Infrastruktur und durch gezielte Desinformation in unserer Gesellschaft. Für diese hybriden Bedrohungsszenarien brauchen wir den Zivilschutz. Angesichts der Situation in Europa bin ich der festen Überzeugung, dass wir deshalb jetzt unseren Zivilschutz, das THW und unser Bundesamt für Bevölkerungsschutz, finanziell noch mehr stärken müssen; denn wir wissen nicht, was noch kommt. Eine breite und gute Vorbereitung lässt uns handlungsbereit sein, egal welche Herausforderungen auf uns warten. Wenn es zur Ultima Ratio kommt, müssen wir vorbereitet sein. Für diese Vorbereitung müssen wir jetzt mehr investieren. Dazu einige kurze Beispiele. Im Haushaltsentwurf kürzen wir unter anderem die Mittel für die Krisenkommunikation und die Selbsthilfe. Selbsthilfe und Empowerment – das kann Ängste abbauen, die aus Unsicherheit resultieren, und jeder Einzelne von uns kann souveräner in der Krise handeln. Geschickte Krisenkommunikation ermöglicht Solidarität auch in der Krise. Niemandem ist geholfen, wenn lokal das Stromnetz zusammenbricht, weil jeder dachte: Jetzt den Heizlüfter einschalten, das ist eine super Idee. Deshalb sind diese beiden Haushaltspunkte entscheidend für eine gute Vorbereitung auf diesen Winter. Da müssen wir nachbessern. Stichwort „Hubschrauber“. Dem Zivilschutz fehlen adäquate Luftfähigkeiten, Kranken- und Materialtransport werden dringend notwendig. Derzeit verlassen wir uns oft auf die Bundeswehr. Doch was ist, wenn die Hubschrauber der Bundeswehr andere Aufgaben erledigen müssen? Deshalb müssen wir ganz konkret über mittlere Transporthubschrauber für den Zivilschutz diskutieren. Wie weit die Szenarien reichen können, das zeigt die Situation am größten europäischen Atomkraftwerk, wo keiner weiß, wie es weitergeht, während die Kugeln um den Meiler fliegen. Gerade für diese Szenarien müssen wir unsere chemische, biologische, radioaktive und nukleare Abwehr stärken, sollte es zu einem Zwischenfall kommen. Jetzt rächt sich unser verkürzter, kleinkarierter Blick auf das Thema Verteidigung. Die Ausrüstung der Bundeswehr ist wichtig und richtig, aber jetzt, in diesem hybriden Bedrohungsszenario, brauchen wir doch die Fähigkeiten des Zivilschutzes. Und wer hat den Zivilschutz aus dem Sondervermögen rausverhandelt? Die Union! Und die Union hat damit der Sicherheit des Landes einen Bärendienst erwiesen. Jetzt gilt es, unseren eigenen Ansprüchen als Parlament, die wir ins Gesetz zum Sondervermögen hineingeschrieben haben, nachzukommen. Wir sind der Budgetgeber; wir entscheiden am Ende. Und weil hier einige wild alle Kompetenzen durcheinanderwürfeln, sage ich es noch einmal: Katastrophenschutz liegt bei Feuerwehr, Kommunen, Land. Wir als Bund machen den Zivilschutz, und auf diese Aufgabe sollten wir uns konzentrieren. Wir wollen uns handlungsfähig den Bedrohungen entgegenstellen und brauchen deswegen einen starken Zivilschutzhaushalt. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, darum bitte ich um Ihre Unterstützung im Verfahren. Vielen Dank. Nächster Redner ist der Abgeordnete Matthias Helferich.
0
1
0
0
1
0
136
19
74
ID197400500
1,547,683,200,000
10:45
00:40
11,004,186
Harald Weinberg DIE LINKE
Harald
Weinberg
DIE LINKE
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema des Antrags der FDP, die altruistische Lebendspende, ist natürlich ein schwieriges Thema. Ich habe dafür durchaus ein paar Sympathien, sehe allerdings auch bestimmte Risiken. Ich denke, im weiteren Verfahren werden wir sehen, was die Anhörungen und die Debatten dazu bringen. Wir haben gerade gehört, dass die lange Zeit rückläufigen Spenderzahlen jetzt wieder anziehen. Das ist schön. Es gibt aber immer noch sehr, sehr viele Menschen auf der Warteliste. Nicht so im Fokus sind die Entnahmekrankenhäuser. Darauf möchte ich ganz kurz zu sprechen kommen. Insgesamt haben wir knapp 2 000 Krankenhäuser in Deutschland. Davon sind etwa 1 300 als Entnahmekrankenhäuser gemeldet, darunter 36 Uniklinika, 124 Krankenhäuser mit Neurochirurgie – dort ist das alles sicher kein großes Problem –, aber auch über 1 000 Krankenhäuser ohne Neurochirurgie. Angesichts von insgesamt weniger als 1 000 Entnahmen pro Jahr – wir haben es ja gerade gehört; im Schnitt sind es 950 Spender im Jahr – ist klar, dass die Organentnahme bei einem Spender in vielen Häusern eher ein seltenes Ereignis ist. Das führt logischerweise dazu, dass die Stellung des Transplantationsbeauftragten in diesen Häusern nicht besonders stark ist, dass das eher sozusagen nebenherläuft und insgesamt nicht so besonders wichtig genommen wird. Und im Falle eines Spenders muss Expertise, zum Beispiel für die Hirntodfeststellung, von weither angefordert werden. Angesichts weniger Intensivbetten und Operationssälen in diesen kleinen und mittleren Häusern, die bei einer Entnahme logischerweise für längere Zeit belegt wären, ist klar: Es bestehen nicht besonders gute Strukturen, um das nach vorne zu bringen. Die bisherige Vergütung deckt womöglich die Kosten der Infrastruktur, gleicht aber den Erlösausfall unter den Bedingungen der dia­gnoseorientierten Fallpauschalen in den Krankenhäusern nicht aus. Das alles sind also keine günstigen Strukturen für die Organspende. Auch wenn die Debatten über die Zustimmungsregelung sicher mehr Öffentlichkeit erzielen als die Debatten über die Strukturen, weil sie leichter in ein Talkshowformat – Infotainment – zu überführen sind, und auch wenn der neueste Vorschlag, die Spendenbereitschaft mittels Ehrenamtsnadel und Vergünstigungen bei Einkäufen und Eintritten anzureizen, nett sein mag – vielleicht auch etwas merkwürdig daherkommt –, sind all das aus meiner Sicht nicht die entscheidenden Punkte. Ich bin trotz allem überzeugt, dass die ungünstigen Strukturen in der Organisation der Organspende der eigentliche Flaschenhals sind. Insofern setzt der Gesetzentwurf, der uns vorliegt, auch aus unserer Sicht an den richtigen Stellen an, um das noch einmal in aller Deutlichkeit zu sagen. Das Gesetz, wenn es so oder ähnlich verabschiedet wird – es geht ja noch durch die Beratungen in den Ausschüssen und durch die Anhörung –, ist dazu angetan, den bestehenden Flaschenhals in den organisatorischen Strukturen der Entnahmekrankenhäuser weiter zu machen. Beseitigen wird es den Flaschenhals aus unserer Sicht allerdings nicht. Dazu wäre eine sehr viel weitreichendere Umstellung notwendig, vor allen Dingen in der Finanzierung der Krankenhäuser, weg von den Fallpauschalen. Das ist aber nicht in Sicht, auch wenn das DRG-System immer weiter unter Druck gerät, wie wir in den Diskussionen merken. Aber auch innerhalb der bestehenden Systematik würden wir uns weiter gehende Regelungen an ein paar Stellen wünschen, so zum Beispiel bei der Vergütung, bei der Organisation und bei der Begleitung der Angehörigen und auch der Beschäftigten; denn eine Organentnahme in den Krankenhäusern ist für alle auch eine seelisch herausfordernde Situation, die verarbeitet werden muss. Transparenz, Vertrauen und eine sensible Begleitung bei der Organentnahme sind wichtige Aspekte, die einen Einfluss auf die Spendenbereitschaft haben, und zwar einen großen Einfluss. Ob eine Stiftung mit einem zentralen Einfluss der Bundesärztekammer als privatrechtlicher Verein – in dem Fall also die DSO, die Deutsche Stiftung Organtransplantation – die dazu notwendigen Voraussetzungen herzustellen vermag, dahinter darf man mit Blick auf die vergangenen Jahre ein Fragezeichen setzen. Ich denke an die Skandale, die in den Jahren 2010, 2011 und 2012 in der Diskussion waren. Schon 2012 haben wir in einem Antrag gefordert, diese Aufgaben einer staatlichen Instanz unter strenger Fachaufsicht zu übertragen. Wir werden das wieder in die Anhörung und die Beratungen einbringen. Fazit: Alles in allem ist der Gesetzentwurf sicher ein Schritt in die richtige Richtung. Wir sind auf die weiteren Beratungen und die Anhörung gespannt. Davon wird letztlich das Votum unserer Fraktion abhängen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Dr. Kirsten Kappert-Gonther, Bündnis 90/Die Grünen, ist die nächste Rednerin.
0
1
0
1
0
0
137
19
183
ID1918300700
1,602,115,200,000
9:00
22:40
11,004,881
Johannes Schraps SPD
Johannes
Schraps
SPD
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Risikoreduzierungsgesetz setzen wir die Beschlüsse des EU-Bankenpakets aus dem vergangenen Jahr nun in nationales Recht um. Wir stärken die Kapital- und Liquiditätsanforderungen für Banken, damit diese in Stressphasen besser abgesichert sind und auch selbst zu dieser Absicherung beitragen. Denn wenn es doch einmal notwendig sein sollte – und das hat dankenswerterweise unser Bundesfinanzminister Olaf Scholz gerade noch mal ganz deutlich gemacht –, dann sollen die Kosten einer Bankenrettung von den Gläubigern und Eigentümern einer Bank sowie aus dem Bankensektor selbst heraus getragen werden und nicht vom Steuerzahler, verehrte Damen und Herren. Es ist angesprochen worden: Es ist bereits über zwölf Jahre her, dass die globale Wirtschafts- und Finanzkrise in den Jahren 2007 und 2008 große Unsicherheiten verursacht hat, und die Auswirkungen – das sehen wir auch an dieser Gesetzgebung – beschäftigen uns bis heute. Denn wir mussten damals lernen, dass die Finanzkrise ohne staatliche Eingriffe deutlich schlimmer ausgefallen wäre und es besserer Mechanismen und Regeln bedurfte, um derartige Entwicklungen in Zukunft zu verhindern. Seitdem hat sich einiges getan. Unter anderem durch das Basel-II-Rahmenwerk wurden die Vorgaben zur Eigenkapitalausstattung der Banken verschärft und Liquiditätsstandards neu eingeführt. Aber weil es natürlich auch im Finanzbereich Menschen gibt, die sich nur ungern an die Verwerfungen und Auswirkungen dieser Finanzkrise erinnern und am liebsten so weitergemacht hätten, wie es vorher der Fall war, ist es umso wichtiger, dass wir die bestehenden Vorgaben immer wieder evaluieren und auch stetig weiterentwickeln. Um im Sinne des EU-Bankenpakets der Proportionalität und der Verhältnismäßigkeit der Regulierung – das ist gerade schon mehrfach angesprochen worden – stärker Rechnung zu tragen, sieht das nun vorliegende Risikoreduzierungsgesetz einige Anpassungen vor. Neben der bereits erwähnten stärkeren Beteiligung von Gläubigern und Eigentümern müssen beispielsweise größere Banken künftig Verlustpuffer von mindestens 8 Prozent ihrer Bilanzsumme vorhalten, damit Verluste im Krisenfall eben auch abgefedert werden können. Das reduziert die Risiken, verehrte Damen und Herren. Gerade aktuell, in einer Stressphase wie der Coronapandemie, merken wir, wie wichtig ein besser abgesicherter Bankensektor ist; denn besonders die nationalen Förderbanken, die ja für die Bearbeitung der Coronahilfen ein eminent wichtiger Faktor waren, spielen da eine ganz wichtige Rolle. Diese Förderbanken, die selbstständigen Förderbanken der Länder und auch die Landwirtschaftliche Rentenbank, werden künftig der Förderbank des Bundes, die wir alle unter dem Namen KfW kennen, materiell gleichgestellt. Zukünftig sollen sie nach nationalen Regelungen, die aber weitgehend dem europäischen Recht entsprechen, beaufsichtigt werden. Damit wird die Einheitlichkeit der deutschen Förderlandschaft verbessert. Natürlich werden wir in den Beratungen prüfen, welche Regelungen konkret auf die Förderbanken anzuwenden sind; da sind ja eben von Kollegen schon einige angesprochen worden. Sie sollten aus unserer Sicht aber über das Kreditwesengesetz abgedeckt sein. Sicherlich gibt es noch ein paar Stellschrauben in dem Gesetzentwurf, über die wir reden, über die wir diskutieren werden, aber insgesamt geht der Entwurf des Bundesfinanzministers aus unserer Sicht in die absolut richtige Richtung und ist in sich stimmig. Deshalb freue auch ich mich auf die kommende Anhörung und die Diskussionen im Ausschuss, damit wir dann zeitnah ein gutes Gesetz verabschieden können. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Voraussichtlich letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Sepp Müller, CDU/CSU.
0
0
0
0
0
1
138
20
39
ID203907100
1,653,955,200,000
10:00
18:52
11,004,116
Nadine Schön CDU/CSU
Nadine
Schön
CDU/CSU
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Außendorf, ich bin Ihnen dankbar, dass wenigstens ein Redner der Koalition noch weiß, dass dieses Haus auch für Digitalisierung zuständig ist. In der Rede des Ministers hat das Thema leider komplett gefehlt. Deshalb frage ich mich, Herr Minister Wissing: Warum haben Sie Ihr Haus umbenannt und das Thema Digitalisierung nach vorne gestellt? Warum hat die FDP immer die große digitalpolitische Entfesselung gefordert, wenn Sie hier in Ihrer Zeit als Minister nichts davon vorlegen? Ich fand das bei der letzten Haushaltsrede schon enttäuschend. Da waren es 20 Prozent der Redezeit, die Sie für Digitalisierung verwendet haben. Jetzt haben Sie überhaupt nichts zur Digitalisierung gesagt. Wenn man sich mal die Homepage des Ministeriums anschaut, dann muss man die digitalen Themen mit der Lupe suchen. Und auch in der Öffentlichkeit habe ich ganz viel über das 9‑Euro-Ticket, über die Bahn, über die Schiene und weiß der Geier gehört, aber zum Thema Digitalisierung fast nichts. Dabei hat es ganz viele Gelegenheiten gegeben. Ich nenne nur mal das Thema „Digitalministertreffen bei G 7“. Großer Aufschlag: Die G – 7 – Digitalminister waren in Düsseldorf. Es wäre eine tolle Chance gewesen, darüber zu reden, wie die G 7 gemeinsam ihre digitale Resilienz stärken, wie wir entlang der digitalen Lieferketten besser zusammenarbeiten, wie wir gemeinsam die Cyberabwehr im digitalen Raum organisieren. Was vom Digitalministertreffen übrig bleibt, ist vor allem die Frage, wie viel Energie man braucht, um ein Essensfoto hochzuladen, und das ist entschieden zu wenig. Sie sind mit viel Elan beim Thema Gigabitausbau gestartet. Da gab es einige Vorschusslorbeeren, etwa von Bitkom, der gesagt hat: Das ist jetzt die Chance, bis 2025 Gigabit auszubauen, Glasfaser in jedes Haus zu verlegen; das ist zu schaffen. – In den letzten Tagen hat man viel über Streitigkeiten zwischen den Verhandlungspartnern gehört. Sie waren sich in vielem uneinig. Aber in einem Punkt waren sie sich einig, nämlich darin, dass das Digitalministerium viel zu wenig macht, um zu einer konsistenten Digitalstrategie und Einigkeit zwischen den Partnern zu kommen. Auch beim Thema „Digitalisierungsstrategie und Digitalbudget“ warten wir noch auf konkrete Ergebnisse. Frau Domscheit-Berg hat es schon angesprochen: Der Minister hatte dem Ausschuss im Januar – O-Ton – ein Wimmelbild mit den Zuständigkeiten versprochen: Wofür ist er zuständig, wofür die anderen Minister, wo gibt es Schnittstellen, wie lädt man die auf? – Wir warten immer noch darauf. Wir wurden von Mal zu Mal zu Mal vertröstet. Morgen ist Juni, und wir haben immer noch keine Übersicht über die Zuständigkeiten, darüber, wer in dieser Regierung welche digitalen Themen bearbeitet. – Das ist unglaublich; da gebe ich Ihnen völlig recht, und leider merkt man das eben auch an der konkreten Politik. Frau Kollegin Hoppermann hat, weil wir Sie unterstützen wollten, einen Antrag für ein gemeinsames Digitalisierungsbudget schon mal als Start vorbereitet; der wurde von den Koalitionsfraktionen im Haushaltsausschuss und auch im Digitalausschuss abgelehnt. Na ja, da warten wir halt noch ein Jahr auf ein Digitalisierungsbudget, dann kriegen wir 2024 eins. Es wäre aber schön, wenn wir dann im nächsten Jahr wenigstens eines hätten; denn Budget heißt auch, dass man gemeinsam steuert, dass man Standards vereinbart, dass man ein gemeinsames Controlling hat und dass man so Digitalisierungspolitik gemeinsam vorantreibt. Sie haben mit Blick auf die letzte Bundesregierung gesagt: Wie das im Bundeskanzleramt gelaufen ist, war es nicht ausreichend. – Das mag ja sein. Aber gar keine Koordinierung und gar keine Steuerung ist noch viel weniger. Deshalb hoffe ich sehr, dass Sie im Laufe des Jahres bei den Zuständigkeiten, bei der Strategie und auch beim Budget Fakten schaffen und in die Umsetzung kommen. Der Kollege Außendorf hat ausgeführt, was jetzt alles an Fortschritten kommt. – Herr Außendorf, das waren genau die Punkte, die wir in der letzten Bundesregierung angefangen haben. Das Zentrum für Digitale Souveränität, den Sovereign Tech Fund, all die Punkte haben wir so vorbereitet, dass man sie nur noch weiterführen musste, aber diese Bundesregierung hat das erst einmal alles aus dem Haushalt gestrichen. Erst nach großer Gegenwehr der ganzen Open Source Community und dank des Parlamentes wurden sie jetzt wieder eingestellt. – Vielen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen! Aber es ist doch das Mindeste, was an digitalpolitischem Aufbruch kommen muss, dass Sie das weiterführen, was schon vorbereitet war. Ehrlicherweise hätte ich mir unter Fortschrittskoalition ein bisschen mehr vorgestellt. Jetzt ist das erste halbe Jahr rum. Kommen Sie bitte zum Schluss, Frau Kollegin. Sie haben noch die Chance, Gas zu geben, damit das Digitalministerium seinem Namen gerecht wird und nicht nur ein Verkehrs-, sondern auch ein Digitalministerium ist. Vielen Dank, Frau Kollegin Schön. – Jetzt erhält das Wort der Kollege Bernd Reuther, FDP-Fraktion.
1
0
1
-1
0
0
139
19
59
ID195901600
1,539,907,200,000
09:00
16:26
11,004,829
Axel Müller CDU/CSU
Axel
Müller
CDU/CSU
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Fünf Minuten Redezeit habe ich, und die reichen bei weitem nicht aus, um auf all das einzugehen, was der Antrag der AfD an kritikwürdigen Punkten enthält. Zusammengefasst, Herr Kollege Reusch, fahren Sie regelrecht mit der Planierraupe durch den Garten des Strafrechts und des Strafprozessrechts. Angeblich braucht es das nach Ihrer Meinung, weil es auf Bundesebene und Landesebene Defizite in der Exekutive gibt, weil es den Behörden immer schwerer fällt, innere Sicherheit als zentrale Aufgabe des Staates zu gewährleisten. Das ist nicht richtig. Die Polizeiliche Kriminalstatistik – wir hatten mehrfach in diesem Hause Gelegenheit, uns darüber zu unterhalten – spricht eine ganz andere Sprache. Im Jahr 2017 haben wir einen Rückgang der Straftaten um 25 Prozent verzeichnet. Das ist der stärkste Rückgang bei den Straftaten seit 25 Jahren. Aber das genügt Ihnen ja noch nicht. Deshalb haben wir in Verantwortung dessen den Pakt für den Rechtsstaat geschlossen. Er sieht einen Stellenaufwuchs – Sie haben es gesagt, Herr Kollege Reusch – von 2 000 Stellen bei der Justiz und 7 500 bei der Polizei vor. 2 000 Stellen davon sind bereits geschaffen. Wir wollen und werden auch das Handwerkszeug der Justiz verbessern, indem wir das Verfahrensrecht so reformieren, dass es tauglich ist, das heißt, wir gehen an die vier großen B heran. Da ist zum einen das Befangenheitsrecht, zum anderen die Besetzungsrüge, zum Dritten das Beweisantragsrecht und zum Vierten das Beitrittsrecht zur Nebenklage. Ich greife aus Ihrem Antrag exemplarisch sechs Punkte aus einer fast endlosen Kritikliste heraus, die man hier anbringen kann. Meine Kollegen werden das nachher noch fortsetzen. Erstens. Stichwort „Mehrarbeit“, Stichwort „Ausweisung durch den Strafrichter“. Was heißt das denn? Sie sagen es selber, Sie wollen § 69c StGB einführen. Der Strafrichter macht jetzt künftig auch die Arbeit der Verwaltungsgerichte. Wo ist denn da eine Entlastung? Das ist doch eine Mehrarbeit für den Strafrichter. Sie wollen diese Menschen, wenn eine Ausweisung durch den Strafrichter angeordnet wird und Sie sie nicht in ihre Heimatländer zurückführen können, in Drittstaaten schicken. Dort wollen Sie Hafteinrichtungen bauen. Was ist das denn? Eine Rückkehr in die Kolonialzeit? Das erinnert fatal an die britische Strafkolonie in Australien im 18. Jahrhundert. Ihr Schwelgen in der Vergangenheit, Herr Kollege Reusch, findet sich auch bei der Reform des Tatbestandes des schweren Raubes, § 250 StGB, wieder. Sie haben jetzt den Straßenraub als eigene Tatvariante wieder aus der Mottenkiste herausgeholt. So, wie Sie es in Ihrer Begründung schreiben, stand das nämlich im Strafgesetzbuch des Jahres 1871. Das ist doch nicht mehr und nicht weniger als Effekthascherei. Das Strafgesetzbuch bietet doch dem Gericht in § 46 StGB die Möglichkeit, eine Strafe nach der Schuld des Täters festzusetzen, und dazu gehört auch die Begehungsweise. Das verkennen Sie völlig. Ein weiterer Kahlschlag. Sie haben selber gesagt, dass die Revisionsinstanz abgeschafft werden soll und es ausschließlich nur noch eine Berufungsinstanz geben soll. Was heißt das denn in der Praxis? Der durch ein Schwurgericht zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilte mögliche Mörder – es ist ja nicht rechtskräftig – hat nur noch eine einzige Instanz, nämlich die Berufungsinstanz, aber nur dann – das haben Sie unterschlagen –, wenn die Berufung zugelassen wird. Das heißt also, ich kann ein Urteil unter Umständen, wenn ich zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden bin, nicht überprüfen lassen. Das dient weder der Rechtsfortbildung noch erfüllt es die Mindestvoraussetzungen einer Rechtsweggarantie nach Artikel 19 Absatz 4 Grundgesetz. Das ist der Gang in den Unrechtsstaat. So ganz nebenbei wollen Sie dann die unliebsame Verfahrensabsprache abschaffen. Gut, ich war in meiner richterlichen Tätigkeit – das verhehle ich hier nicht – kein Freund von Verfahrensabsprachen. Sie sind kompliziert. Das gebe ich gerne zu. Aber sie helfen doch, umfangreiche schwierige Beweisaufnahmen zu verhindern und abzukürzen. Dieser Vorschlag ist also, wenn Sie eine Beschleunigung der Verfahren erreichen wollen, nicht förderlich, sondern kontraproduktiv. In Ihrem Rundumschlag machen Sie auch vor dem Jugendstrafrecht nicht halt. Hier wollen Sie de facto den Erziehungsgedanken aus dem Jugendstrafrecht herausstreichen. Reine Abschreckung ist zukünftig das Motto: Repression statt Spezialprävention. Dabei übersehen Sie aber, weil Sie gleichzeitig auch noch die Untersuchungshaft für Jugendliche und Heranwachsende verschärfen wollen – das ist Ihnen offensichtlich doch entgangen –, dass es in § 72 des Jugendgerichtsgesetzes eine Vorrangprüfung gibt. Als Jugendrichter oder als Ermittlungsrichter muss ich zunächst einmal prüfen, ob ich den jugendlichen Heranwachsenden nicht in eine andere Einrichtung als in eine Haftanstalt stecken möchte, weil man nämlich aus erzieherischen Gründen junge Menschen nicht mit Erwachsenen in eine Haftanstalt steckt. Das verkennen Sie auch. Zu guter Letzt – ich sagte ja, die Redezeit ist begrenzt – gehen Sie an die Strafvollstreckung heran. Es passt Ihnen nämlich auch nicht, dass diese bei den Ländern liegt. Es passt Ihnen auch nicht, dass Strafvollzugsanstalten Resozialisierungsbemühungen unternehmen, dass Strafvollzugsanstalten, die täglich mit den Verurteilten arbeiten und vielleicht viel näher dran sind und besser beurteilen können, ob er eine Vollzugslockerung oder einen Hafturlaub verdient, um ihn resozialisieren zu können, das in eigener Zuständigkeit entscheiden können. Das soll künftig der Staatsanwalt tun, der den Menschen vielleicht nur nach Aktenlage kennt. Wo führt das denn hin? Das ist doch völlig realitätsfern. Herr Kollege Müller, ich erinnere Ihren eigenen Hinweis. Die Redezeit ist nicht mehr begrenzt, sie ist vorüber. Kommen Sie bitte zum Schluss. Ich bin auch am Ende meiner Rede. – Sie brauchen dafür eine Zweidrittelmehrheit. Das ist realitätsfern. Das werden Sie nie erreichen. Sie fordern uns allen Ernstes auf, diesen Antrag in einem Ausschuss zu behandeln. Ich sage Nein. Nächster Redner ist der Kollege Dr. Jürgen Martens, FDP.
0
1
1
1
1
1
140
19
49
ID194908200
1,536,796,800,000
09:00
18:02
11,004,143
Tankred Schipanski CDU/CSU
Tankred
Schipanski
CDU/CSU
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Anfangsrunde dieser Haushaltsberatungen am Dienstag hat der Kollege Fricke von der FDP gesagt: Es ist ja furchtbar, dass es beim Weiter-so bleibt. Ich kann Ihnen nur sagen, liebe Kollegen von der FDP: Ich finde es gut, dass wir mit der schwarzen Null zum vierten Mal in Folge weitermachen. Das ist kein Fetisch, sondern es ist solide Politik, Frau Lötzsch. Ich finde es gut, dass wir wieder einen Aufwuchs beim Etat des BMBF haben und dass für diesen jetzt 18 Milliarden Euro vorgesehen sind. Und ich finde es gut – auch da sage ich: weiter so zum kooperativen Föderalismus –, dass wir auch mit diesem Haushalt wieder unsere Pakte und Verantwortungsbereiche, derer wir uns annehmen wollen, weiter ausfinanzieren. Der Hochschulpakt wurde angesprochen, aber auch der Pakt für Forschung und Innovation, wo wir als Bund den Aufwuchs von 3 Prozent wieder alleine finanzieren. Das ist ein gutes Weiter-so, das wir da sehen. Danke an die guten außeruniversitären Forschungseinrichtungen! Lieber Kai Gehring, der Hochschulpakt ist nicht für die Grundfinanzierung der Hochschulen da; das haben wir in der letzten Debatte schon gesagt. Das ist Aufgabe der Bundesländer. Das hat heute sogar Die Linke betont. Da war ich ganz angenehm überrascht, dass das begriffen wurde. Meine Damen und Herren, der Haushalt ist aber auch ein klares Bekenntnis zur Wissenschaftsfreiheit. Ich erinnere an die Wissenschaftsfreiheitsinitiative. Zu der stehen wir als Union, und wir werden auch mit dem Bundesrechnungshof die Kontroverse um seine diesbezüglichen Anmerkungen ausfechten. Die Opposition erzählt weiterhin, wir würden den ­DigitalPakt verschleppen. Ich glaube, die Ministerin hat sehr deutlich dargestellt, wie die Verhandlungen laufen, auf welchem Stand wir sind, dass wir einen klaren Fahrplan haben. Ich darf von unserer Vorstandsklausur berichten und noch mal die drei Schritte wiederholen, um die es geht. Erstens geht es hier um die Änderung von Artikel 104c Grundgesetz. Die Ministerin hat Sie eingeladen; sie hat das noch mal betont. Ich entnehme der Presse, dass FDP und Grüne da sehr uneins sind. Wir stehen zu diesem Vorschlag und laden Sie ein, das Grundgesetz mit uns zu ändern. Der zweite große Schritt, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ist das Sondervermögen „Digitale Infrastruktur“, das wir durch ein Gesetz schaffen, um das Ganze auszufinanzieren. In der Sommerpause wurde es vorgelegt. Jetzt im Herbst müssen wir das hier gemeinsam debattieren und verabschieden. Dann kommt als dritter Schritt für diesen DigitalPakt die Bund-Länder-Vereinbarung, die Verwaltungsvereinbarung. Da haben wir auf unserer Vorstandsklausur deutlich gemacht, um was es geht, was wir da erreichen wollen: WLAN-Ausleuchtung in den Klassenzimmern, Lernplattformen, Schul-Clouds. Das wurde, glaube ich, ganz deutlich gemacht. Ich möchte eine Sache ganz deutlich betonen: Bei diesem DigitalPakt geht es uns nicht um Insellösungen, sondern um gemeinsame Standards, die wir als Bund durchsetzen wollen, um kompatible Systeme in dieser Bundesrepublik zu haben. Ich darf bei diesem Punkt ergänzen: Es ist uns auch wichtig, dass die Länder ein Budget für digitale Lernmittel schaffen. Da möchte ich an dieser Stelle ganz klar an die Länder appellieren, ihren Zulassungsprozess für Lernmittel frühzeitig anzupassen, damit auch digitale Lernmittel angeschafft werden können. Das hat bisher noch nicht ein einziges Bundesland gemacht. Ich denke, die Bundesländer haben da genug Hausaufgaben, die sie zu erledigen haben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Agentur für Sprunginnovationen wurde angesprochen. Es wurde erzählt: Da gibt es nur ein Eckpunktepapier. – Ja, natürlich, es gibt jetzt ein Eckpunktepapier; daher können wir das auch noch nicht im Haushalt haben, weil die ganze Sache noch gar nicht etatreif war, als der Haushaltsentwurf verabschiedet wurde. Jetzt diskutieren das die Koalitionspartner selbstverständlich miteinander, und dann werden wir schauen, wie wir das im Haushalt abbilden. Aber es ist ein ganz normaler Vorgang. Ich weiß gar nicht, warum aufseiten der FDP da eine solche Erregung herrscht. Das ist eine prioritäre Maßnahme des Koalitionsvertrages, und selbstverständlich setzen wir das um. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung ist natürlich auch ein Digitalisierungsministerium. Es wurde KI angesprochen, künstliche Intelligenz. In der nächsten Sitzungswoche konstituiert sich die Enquete-­Kommission dazu. Wir haben über die Sommerpause die Eckpunkte der federführenden Ministerien für eine Strategie erhalten. Wir haben jetzt Fachforen beim Bundeswirtschaftsministerium und beim BMBF, die in eine KI-Strategie münden. Der Haushalt ist ganz eindeutig auf Digitales ausgerichtet. Schauen wir uns die Förderung bei Mikroelektronik, bei Robotik, bei Materialwissenschaften, bei Cybersicherheit an: Ich denke, das ist genau die richtige digitale Schwerpunktsetzung, die wir hier im BMBF-Haushalt vornehmen. Weiterhin ist berufliche Bildung ein wichtiger Schwerpunkt, insbesondere für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Wenn wir uns die Maßnahmen ansehen – insgesamt allein in diesem Haushalt 549 Millionen Euro –, dann lässt sich sagen: Das ist ein gutes Signal für die Stärkung und Modernisierung der beruflichen Bildung. Allein das deutliche Plus bei der Begabtenförderung in der beruflichen Bildung – wir haben hierfür jetzt insgesamt 56 Millionen Euro – oder auch beim internationalen Austausch und der Zusammenarbeit bei der beruflichen Bildung – jetzt mit 15 Millionen Euro – zeigt: Das sind richtige und gute Zahlen. Ich finde das Ausspielen, das immer auf SPD-Seite gemacht wird, nicht richtig. Akademische und berufliche Bildung sind gleichwertig. Es muss nicht jeder studieren. Es wird bei Ihnen immer suggeriert: Wenn jemand eine Ausbildung ergreift, ist das ein Bildungsabstieg. Das ist nicht so. Das ist auch Bildungsaufstieg. – Lesen Sie es in der Rede von Herrn Lauterbach nach. Finanzen der Länder – mein letzter Punkt –: Ecki Rehberg hat als unser haushaltspolitischer Sprecher in der Startrunde in seiner Rede sehr richtig darauf hingewiesen, dass wir einmal in das Grundgesetz schauen müssen, dass sich die Länder ihren Verantwortungsbereich bewusst machen müssen. Und in den Bereichen, in denen wir den Ländern außerhalb unseres Verantwortungsbereiches zusätzlich Geld geben, müssen sie dieses Geld auch an die Kommunen weiterreichen. An dieser Stelle appelliere ich noch einmal an die Länder, das endlich zu tun. Ich denke hier an das Schulsanierungsprogramm, das absolut stockend läuft. Es wurden auch die Lehrer angesprochen, bei denen es ähnlich ist. Das sind typische Bereiche für die Zuständigkeit der Länder, die massive Mehreinnahmen haben und das ganz normal finanzieren können, ohne die Hilfe des Bundes. Ich darf an dieser Stelle erinnern: Wir haben in diesem Hohen Hause in der letzten Legislatur eine Grundgesetzänderung verabschiedet, mit der wir einen neuen Bund-Länder-Finanzausgleich eingeführt haben. Ab 2020 erhalten die Länder vom Bund pro Jahr 9,8 Milliarden Euro zusätzlich. Ich kann es nicht hören, dass die Länder mit dem Geld, das sie haben, ihre Aufgaben nicht wahrnehmen können. Das ist eine Falschinformation. Ab 2020 geht es ihnen noch besser. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss und freue mich über diesen guten Haushaltsentwurf. Vielen Dank. Vielen Dank, Tankred Schipanski. – Guten Nachmittag von mir an Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen! – Dann kommen wir zu Dr. Marc Jongen, der die nächste Rede für die AfD-Fraktion hält.
0
-1
1
0
1
1
141
19
192
ID1919212600
1,605,744,000,000
9:00
22:25
11,004,252
Dr.
Dr. André Berghegger CDU/CSU
André
Berghegger
CDU/CSU
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Sie können sich vorstellen: Ich lege in meiner Rede einen etwas anderen Schwerpunkt. „Gesetz zur Anpassung der Ergänzungszuweisungen des Bundes nach § 11 Absatz 4 des Finanzausgleichsgesetzes und zur Beteiligung des Bundes an den flüchtlingsbezogenen Kosten der Länder“ – was für ein sperriger Titel! Dahinter verbergen sich drei Themenschwerpunkte: Erstens. Eine technische Korrektur: Es gibt besondere Ergänzungszuweisungen an empfangsbedürftige Länder für hohe Kosten der politischen Führung. Das sind Zuweisungen an zehn Länder. Dahinter verbirgt sich eine Berechnung des Statistischen Bundesamtes. Das verursacht 114 Millionen Euro Mehrbelastung beim Bund; insoweit in Ordnung. Zweitens: die erste Tranche von 200 Millionen Euro von zugesagten 3,1 Milliarden Euro für den Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst. Das ist eine Umsetzung des Beschlusses der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder von Ende September dieses Jahres. Damit werden drei Ziele verfolgt: den Personalbestand in den öffentlichen Gesundheitsämtern zu erhöhen, die Attraktivität des Öffentlichen Gesundheitsdienstes zu erhöhen – dafür wird auf der Länderebene ein Maßnahmenbündel sicherlich individuell erarbeitet werden –, und die Aus-, Fort- und Weiterbildung im Öffentlichen Gesundheitsdienst soll gesteigert werden. Wir wissen doch alle – wir kriegen das doch jetzt mit –, dass bei dieser Dynamik der Pandemie die öffentlichen Gesundheitsämter an die Leistungsgrenze kommen. Die Inzidenzwerte und die Infektionszahlen sind so hoch, dass die Infektionsketten nicht mehr verfolgt werden können. Wie löst man das Problem pragmatisch? Man löst es pragmatisch durch Amtshilfe der Bundeswehr in vielen Bereichen. Das zeigt aus meiner Sicht mal wieder die Leistungsfähigkeit und ‑willigkeit der Soldatinnen und Soldaten, und deswegen an dieser Stelle einen herzlichen Dank an die Truppe! Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden aus verschiedenen Bereichen in den Verwaltungen abgezogen. Sie bekommen eine kurze Einweisung und verfolgen dann die Infektionsketten. So kann man sich kurzzeitig helfen. Aber das führt ja nicht weiter; denn sie fehlen an anderen Stellen. Das ist ja logisch. Die Aufgaben bleiben liegen. Deswegen ist es so wichtig, den Personalbestand in den öffentlichen Gesundheitsämtern zu erhöhen. Deswegen wundert mich an dieser Stelle, dass die erste Tranche von 200 Millionen Euro im Vergleich zu der insgesamt zugesagten Summe so gering angesetzt ist. Aber dieser Betrag ist mit den Ländern abgestimmt, er ist so vereinbart, und deswegen schreiben wir ihn fest. Und die Länder müssen an dieser Stelle auch die zweckentsprechende Verwendung der Mittel nachweisen, und da sei mir die Anmerkung erlaubt: Darauf werden wir auch achten. Der dritte Schwerpunkt in diesem Gesetz: die Kompensationszahlung an die Länder zum Ausgleich der Kosten für Asylbewerber. Mein Vorredner hat das ausführlich aus seiner Sicht beschrieben; ich habe eine andere Meinung dazu. Das Verfahren ist seit 2016 eingeübt. Wie funktioniert es? Es werden zuerst Abschlagszahlungen anhand der geschätzten Asylbewerberzahlen geleistet und im Nachgang dann eine Spitzabrechnung anhand der tatsächlich ermittelten Zahlen, tagesgenau anhand der tatsächlich ermittelten Zahlen. Und was wird gezahlt? 670 Euro pro Monat pro Asylbewerber von dem Zeitpunkt der Registrierung bis zur ersten Entscheidung des BAMF und einmalig 670 Euro für jede ablehnende Entscheidung. Auch hier liegt eine politische Entscheidung zugrunde: Die Vereinbarung zwischen Bund und Ländern, dass dieses Verfahren im Jahre 2020 und 2021 fortgesetzt werden soll. Eine Anmerkung an dieser Stelle: Hochgerechnet bedeuten die aktuellen Zahlen, dass wir in diesem Jahr 120 000 Asylbewerber erwarten. Die Zahlen sind bei Weitem nicht mehr so hoch wie 2015 und 2016. Und deshalb ist aus meiner Sicht finanzpolitisch, haushalterisch irgendwann der Punkt gekommen, dass man mal wieder zu der ursprünglichen Kostenteilung zwischen Bund und Ländern zurückkehren müsste, so wie die Kostenteilung auch gesetzmäßig vorgesehen ist; denn diese Zahlen kennen wir auch aus vorangegangenen Jahren oder Jahrzehnten. Die Länder – das haben wir auch schon bei den Vorrednern gehört – werden bei unserer länder- und kommunalfreundlichen Politik in dieser Hinsicht finanziell nun wirklich nicht überfordert. Insgesamt, liebe Kolleginnen und Kollegen, entlastet dieses Gesetz die Länder, insbesondere die kleineren, und Kommunen um rund 1 Milliarde Euro – ein weiteres Beispiel für länder- und kommunalfreundliches Handeln dieser Bundesregierung und des Bundes. Ich schätze, wenn die Debatte zu einer anderen Zeit stattgefunden hätte, wäre sie natürlich von vielen Vertretern der Länderebene begleitet worden, die das alles ordnungsgemäß gewürdigt hätten. Ich unterstelle mal: Es liegt schlicht und ergreifend an der Zeit, dass die Länderbank nicht vollzählig besetzt ist. Es darf nicht zur Selbstverständlichkeit werden, dass wir hier immer wieder Länder und Kommunen ordnungsgemäß und mit aller Kraft entlasten. Wir müssen auch mal wieder auf die ursprünglichen Zuständigkeiten und die Finanzverantwortung zurückkommen. Wir müssen aufpassen, dass wir auch und gerade als Bund unsere finanzielle Leistungsfähigkeit im Auge haben. Sondersituationen, in denen wir helfen wollen und in denen wir helfen werden, müssen auch irgendwann wieder auslaufen, wenn die Grundlage für diese Hilfe nicht mehr gegeben ist. Dann kommen wir Schritt für Schritt wieder zu der ursprünglichen Aufteilung zurück: Finanzverantwortung und Aufgabenverantwortung Hand in Hand und nicht zu viele Mischverwaltungstatbestände. Das wäre mal ein Schritt in die richtige Richtung; aber wir haben Vereinbarungen getroffen, die werden eingehalten, die schaffen Vertrauen. Daran halten wir uns auch, und deswegen werden wir dieses Gesetz beschließen. Ich empfehle allen die Zustimmung, aber bitte unter Berücksichtigung der einen oder anderen Anmerkung von mir. Vielen Dank fürs freundliche Zuhören. Vielen Dank, Herr Kollege. – Und nun hören wir die Worte des Kollegen Otto Fricke, FDP-Fraktion.
-1
0
1
-1
1
0
142
20
22
ID202205700
1,647,561,600,000
9:00
16:52
11,005,013
Tobias Bacherle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Tobias
Bacherle
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere Gedanken und unsere vollste Solidarität sind in diesen Stunden und Tagen bei den Menschen in der Ukraine und den Millionen Menschen auf der Flucht. Aber während derzeit alle Blicke richtigerweise auf die Ukraine gerichtet sind, ist es wichtig, dass wir die anderen Schauplätze an den europäischen Außengrenzen nicht aus den Augen verlieren, gerade in Zeiten, in denen globale Lieferketten angeschlagen und gefährdet sind. Dazu gehört als eines der am stärksten frequentierten Seegebiete zweifelsohne auch das Mittelmeer. Entscheidend für den freien und globalen Handel, als Verbindung von Europa, Nordafrika und dem Nahen Osten und weit darüber hinaus hat der Mittelmeerraum eine hohe wirtschaftliche, natürlich auch kulturelle und außen- und sicherheitspolitische Bedeutung und ist zugleich die natürliche Begrenzung des NATO-Bündnisgebiets im Süden. Als Teil der multilateralen Operation Sea Guardian leistet die Bundeswehr einen wichtigen Beitrag dort zu Frieden, Stabilität und Sicherheit im Mittelmeer. Unsere Soldatinnen und Soldaten erstellen Lagebilder, überwachen den Seeraum, und bei Bedarf kontrollieren, beschlagnahmen und leiten sie Schiffe um. Damit tragen sie gemeinsam mit unseren Bündnispartnern zur Sicherheit und zu der Sicherung der Schifffahrt im Mittelmeer, aber auch zum maritimen Kampf gegen den Terrorismus und zur Beschränkung des Waffenschmuggels bei. Mit diesem Mandatsumfang kann ich guten Gewissens sagen – und das gilt natürlich auch für meine Fraktion –, dass wir dem vorgelegten Antrag zustimmen können. Denn die Bundesregierung hat dieses Mandat dankenswerterweise, so wie es die grüne Fraktion 2021, als wir anders abgestimmt haben, ja auch gefordert hat, nun an die praktische Einsatzrealität angepasst. Das neue Mandat begrenzt das Einsatzgebiet im Mittelmeer auf die Bereiche, in denen wirklich operiert wird, also außerhalb der Küstengebiete; es streicht die bisher ungenutzte Möglichkeit des Kapazitätsaufbaus von Anrainerstaaten, und es senkt die Obergrenze an einzusetzenden Soldatinnen und Soldaten von 650 auf 550. Damit passen wir das Mandat an die praktische Einsatzrealität an, also an das, was wirklich gemacht wird. Und das heißt für uns hier: Dieses Mandat ist ein Mandat, das nun den Ansprüchen einer demokratisch legitimierten und parlamentarisch kontrollierten Armee, einer Parlamentsarmee, wie es die Bundeswehr zum Glück ist, auch wirklich gerecht wird. Wir können trotzdem, und gerade weil wir eine parlamentarisch kontrollierte Bundeswehr haben, innerhalb der Operation Sea Guardian einen guten und verantwortungsvollen Bündnisbeitrag leisten. Damit ist Deutschland ein verlässliches Mitglied des NATO-Bündnisses, einer Allianz, deren Bedeutung umso wichtiger wird in einer Zeit, in der die Kriege dieser Welt räumlich noch näher an uns herangerückt sind. An dieser Stelle gelten meine größte Wertschätzung, meine Anerkennung, mein Respekt und insbesondere mein großer Dank den deutschen Soldatinnen und Soldaten, die sich heute nicht nur im Mittelmeer, sondern auch in allen anderen Einsätzen und besonders auch an der östlichen Grenze Europas für die Sicherheit und Stabilität unseres Europas einsetzen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieses Mandat ist ein Bestandteil einer verantwortungsvollen Außen- und Sicherheitspolitik; aber es wird selbstverständlich nicht alle Probleme im Mittelmeerraum lösen können. Gerade mit Blick auf den politischen Prozess in Libyen müssen wir klar sagen: Militärische Verantwortung muss immer Hand in Hand mit diplomatischen, zivilgesellschaftlichen, menschenrechtlichen und außen- und sicherheitspolitischen Antworten einhergehen. Angesichts der anhaltenden Unsicherheiten und auch der Instabilität mit Blick auf die politischen Entwicklungen in Libyen, aber auch in anderen Staaten im Mittelmeerraum brauchen wir weiterhin sichere Fluchtwege nach Europa. Noch immer sind Tausende Menschen auch an den südlichen Grenzen Europas auf der Flucht, ertrinken Menschen im Mittelmeer, bleibt die humanitäre Lage an den Küsten Europas – gelinde gesagt – katastrophal. Die Bundeswehr – und nicht nur die Bundeswehr, sondern die gesamte Operation Sea Guardian werden das nicht lösen können. Aber sie unterliegen dem Seerecht, und damit haben sie die völkerrechtliche Verpflichtung, in Seenot geratene Menschen zu retten und zu schützen. Auch deswegen ist unsere Präsenz dort sinnvoll. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich werbe hier um Unterstützung für dieses Mandat. Denn dieses Mandat schafft Klarheit im Einsatzgebiet, in den Aufgaben und im Umfang der beteiligten Soldatinnen und Soldaten, und es wird auch Teil der umfassenden Evaluierungsstrategie der Bundesregierung für alle Auslandseinsätze der Bundeswehr sein. Mit den vorgelegten Anpassungen hat die Bundesregierung die demokratische Legitimation für diesen Einsatz gestärkt. Mit diesem Mandat übernehmen wir als Bundesrepublik Deutschland Verantwortung im Rahmen des NATO-Bündnisses auch im Mittelmeer. Vielen Dank. Für die CDU/CSU-Fraktion hat der Kollege Roderich Kiesewetter das Wort.
0
1
1
0
1
1
143
19
109
ID1910900500
1,563,926,400,000
12:00
13:39
11,004,097
Christian Lindner FDP
Christian
Lindner
FDP
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Frau Ministerin Kramp-Karrenbauer, die Öffentlichkeit hat intensiv Anteil an Ihrer Ernennung genommen. Auch über Ihre Eignung für dieses Staatsamt wurde debattiert, auch heute in dieser Sitzung. Von der Rede des Kollegen der AfD wird in Erinnerung bleiben, dass er Engagement im ländlichen Raum und für die Familienpolitik geradezu als Disqualifikation für ein höchstes Staatsamt betrachtet. Das sagt viel über diese Fraktion aus. Darüber hinaus wird gefragt: Kann man Bundesministerin der Verteidigung und Vorsitzende einer Partei sein? Ja, was spricht denn dagegen, wenn man Vorsitzende einer Partei und Regierungschefin sein kann? Wenn man Ministerpräsidentin und Innenministerin eines Landes war, dann hat man sicherheitspolitische Expertise. Daher kann man sich über das, was öffentlich diskutiert wird, nur wundern. Das Einzige, woran Sie noch arbeiten müssen: Sie haben ausgeschlossen, ins Kabinett zu geben, um es dann doch zu tun. Sie werden Martin Schulz erklären müssen, wie so etwas geht. Wir werden keinen Anstoß daran nehmen; denn die Eignung einer Ministerin für ihr Amt zeigt sich nicht allein daran, was sie vorher getan hat, sondern ausschließlich an ihrer Amtsführung und daran, was sie für die Bundeswehr erreichen kann. In diesem Sinne wünschen wir Ihnen eine gute Hand und viel Erfolg, Frau Kramp-­Karrenbauer. Frau Ministerin, wir trauen Ihnen Leadership zu. Die Sozialdemokratie ist ja inzwischen auf dem Weg in die Opposition. Die Rede des Kollegen Mützenich hat das überdeutlich gemacht. Herr Mützenich, auch wir sind oft – um das Freundlichste zu sagen – irritiert über die Zitate, die der amerikanische Präsident liefert. Aber gerade in einer Zeit, in der die NATO von einer Spaltungstendenz bedroht ist, den amerikanischen Präsidenten „Rassist“ zu nennen, trägt nicht zu einer Entspannung bei. Ich sage Ihnen, Herr Mützenich: Die Frau Bundeskanzlerin hat angemessenere Worte der Kritik gefunden als Sie. Ins Zentrum gestellt hat die neue Verteidigungsministerin die Finanzierung der Bundeswehr. Aus dem 2-Prozent-Ziel für 2024 hat Frau Merkel aber schon bei der Münchner Sicherheitskonferenz das 1,5-Prozent-Ziel gemacht. Aber noch nicht einmal dieses 1,5-Prozent-Ziel wird mit der aktuellen mittelfristigen Finanzplanung erreicht. Das kann man ausrechnen, wie es unser Kollege Karsten Klein im Zusammenhang mit einer Kleinen Anfrage gemacht hat: Die mittelfristige Finanzplanung von Herrn Scholz sieht für 2023 1,25 Prozent vor, weil die Mittel nicht steigen, sondern konstant bleiben. Das bedeutet: Wenn wir Wirtschaftswachstum haben – trotz Peter Altmaier –, dann sinkt der Anteil des Wehretats an der Wirtschaftsleistung. – Da ist also viel zu tun. – Kollege Grosse-Brömer, ja, das war nicht nett, aber leider wahr. – Wir werden Sie, Frau Ministerin, daran messen. Wir erwarten von Ihnen Leadership in Bezug auf unsere internationale Verantwortung, also in Bezug auf die Weiterentwicklung von PESCO, in Bezug auf die Rüstungskontrolle und natürlich auch in Bezug auf die Frage, inwieweit wir die Bundeswehr einsetzen, um unsere legitimen Interessen zu verteidigen. Es ist doch völlig richtig, dass Deutschland zusammen mit Frankreich und Großbritannien jetzt in der Iran-Frage vermittelt und eben nicht unkritisch den Kurs der USA übernimmt. Dann dürfen wir uns bei der Sicherung der Seewege als Handelsnation aber auch nicht aus der Solidarität mit Franzosen und Briten verabschieden. Auch da haben wir Verantwortung zu übernehmen. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie dazu etwas sagen, Frau Ministerin. Wir erwarten von Ihnen Leadership bei der Aufarbeitung unserer Auslandseinsätze. Es wird an einer Friedenslösung für Afghanistan gearbeitet. Wir wünschen uns Ihren unbefangenen Blick, Frau Kramp-Karrenbauer, bei der Evaluation des Afghanistan-Einsatzes und bei der Planung einer Exit-Strategie, die, sobald möglich, umgesetzt werden sollte. Zuletzt, Frau Kramp-Karrenbauer: Wir trauen Ihnen Leadership zu, auch wenn es darum geht, die schwierige Berateraffäre und das Missmanagement im Bereich Beschaffung bei der Bundeswehr aufzuarbeiten. Auch wenn Ihre Vorgängerin – herzlichen Glückwunsch! – in ein höchstes Amt befördert worden ist, darf jetzt nichts unter den Teppich gekehrt werden; denn sonst wird die Bilanz der Vorgängerin auch Ihre Bilanz werden, Frau Kramp-Karrenbauer. Wir wünschen Ihnen Glück und Erfolg, Frau Kramp-Karrenbauer; denn die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee. Es ist nicht Ihre Armee, es ist die Armee des Parlaments und des deutschen Volkes, und deshalb ist Ihr Erfolg auch unser aller Erfolg. Vielen Dank. Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Dr. Johann Wadephul, CDU/CSU.
1
1
1
0
1
1
144
19
173
ID1917313900
1,599,696,000,000
09:00
22:55
11,004,405
Kordula Schulz-Asche BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Kordula
Schulz-Asche
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Spätestens seit dem bayerischen Testdebakel, das wir erleben mussten, dürfte auch vermeintlich vorbildlichen Krisenmanagern klar sein, dass es im weiteren Verlauf dieser Pandemie nicht um „härter, schneller, weiter“ geht, sondern dass wir zu einer stabilen Kontrolle des Infektionsgeschehens kommen, und dafür müssen wir testen, testen, testen. Und zwar viel testen, aber eben auch zielgerichtet testen. Das ist das Entscheidende; denn die Testkapazitäten sind beschränkt, und das bezieht sich nicht nur auf das Material, sondern der größte Engpass besteht, wie wir wissen, im Bereich des Personals. Bis es da zu Änderungen kommt, brauchen wir eine praxistaugliche und intelligente Covid-19-Teststrategie, wie auch der Titel des FDP-Antrags lautet, der übrigens sehr viele gute Forderungen enthält. Zwei Punkte liegen mir besonders am Herzen: Erster Punkt. Die Teststrategie muss ausgerichtet sein an bestimmten Gruppen in der Bevölkerung, also an denen, die ein besonders hohes Risiko der Infektion haben und/oder die ein hohes Risiko von Komplikationen haben. Das sind zum Beispiel Kranke und Pflegebedürftige, aber natürlich auch Angehörige sowie Personen, die im Bereich der ambulanten und stationären Langzeitpflege oder im Krankenhaus arbeiten. Meine Damen und Herren, natürlich müssen auch andere Bereiche des gesellschaftlichen Lebens, wo ein besonderes Risiko besteht, in diese spezifischen Teststrategien für die genannten Gruppen einbezogen werden. Der zweite Punkt, der mir am Herzen liegt: Wenn eine solche Teststrategie für Menschen gilt, die besonderen Risiken ausgesetzt sind, dann muss auch sichergestellt sein, dass die Kosten nicht zulasten des Öffentlichen Gesundheitsdienstes oder der gesetzlichen Versicherungen gehen. Der Bund darf sich an dieser Stelle nicht aus seiner finanziellen Verantwortung verabschieden. Ein umfassender Infektionsschutz ist auch eine Aufgabe des Bundes. Meine Damen und Herren, Pflegefachkräfte und Mitarbeitende in Gesundheitseinrichtungen und Kliniken haben durch ihren Einsatz dazu beigetragen, dass wir gut durch die erste Phase von Covid-19 gekommen sind. Wir alle miteinander – und ich betone: alle – müssen uns dafür einsetzen, dass diese Gruppe keine finanziellen Nachteile durch regelmäßige Testungen haben wird. Die Pandemie ist nicht vorbei, meine Damen und Herren. Wir brauchen ein kluges, wissenschaftlich basiertes Vorgehen, damit wir auch in der Lage sind, auf dynamische Lagen im Herbst und im Winter zu reagieren. Dafür brauchen wir eine intelligente Teststrategie; das ist von großer Bedeutung. Lassen Sie mich abschließend zusammenfassen: Das ist ein guter Antrag; er könnte fast von uns sein. Ich freue mich auf die Debatte im Ausschuss. Danke schön. Der Kollege Dr. Roy Kühne, CDU/CSU-Fraktion, hat seine Rede zu Protokoll gegeben.1 Anlage 8 Ich finde, das verdient auch einen Applaus. Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Erich Irlstorfer, CDU/CSU-Fraktion, den ich daran erinnere, dass es ein Drei-Minuten-Beitrag sein wird.
0
1
0
0
1
0
145
19
101
ID1910114500
1,557,964,800,000
09:00
00:53
11,004,410
Rainer Spiering SPD
Rainer
Spiering
SPD
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Erst einmal großen Dank an das Haus, dass zu dieser Zeit noch so viele sehr dynamisch und lebendig dabei sind. Ich finde, das macht das Haus ganz toll. Herr Felser, Sie liegen in der Analyse Gott sei Dank völlig falsch. Der Grundsatz, über den wir bei der Digitalisierung der Landwirtschaft sprechen, trägt dem Rechnung, dass wir in der Grundlagenforschung – das wird mir im Ausland immer wieder bestätigt – extrem weit sind, wir aber gelegentlich, man würde bei mir zu Hause sagen, ein paar PS mehr auf die Straße bringen müssen. Aber wir sind dazu in der Lage, das zu tun. Wir haben in den Antrag geschrieben, dass wir eine Überprüfungsphase haben wollen. Es dürfte Ihnen auch bekannt sein, dass bereits eine Ausschreibung erfolgt ist für die Machbarkeit einer Masterplattform. In dieser Machbarkeit, Herr Felser, ist das komplette Konzept schon enthalten. Das bedeutet, in dem Moment, wo wir diesen Auftrag erteilt haben, geht es los. Wo ist das Problem? Landwirtschaft – das habe ich an dieser Stelle schon häufig vorgetragen – unterliegt anders als Fertigungsprozesse einer unglaublichen Vielzahl von Paradigmen, die eingehalten werden müssen. Um auf dem Acker ordentlich zu wirtschaften oder im Kuhstall ordentliche Roboteranlagen einzusetzen oder auch in zukünftigen Schweineställen Digitalisierung voranzutreiben, müssen wir Basiswissen zusammentragen. Genau das ist der Auftrag. Jetzt will ich Ihnen auch mal sagen, wie eine Zukunftsperspektive für eine Masterplattform aussieht, und ich will Ihnen auch mal deutlich machen, warum es so wichtig ist, dass wir das nicht, wie das in anderen Ländern der Fall ist, den großindustriellen IT-Konzernen überlassen. Ich bin jüngst aus Israel wiedergekommen. Der weltweit größte Hersteller von Bewässerungsanlagen, der über eine unglaubliche Hightechanlage verfügt, hat als Provider Amazon. Das heißt, Amazon verfügt über sämtliche Daten, die weltweit in Bewässerungsanlagen verwendet werden. Genau das ist der Ansatz, den wir nicht wollen. Wir wollen den souveränen Landwirt, den souveränen Verbraucher, und wir wollen den souveränen Staat. Das geht nur, wenn eine Einrichtung dazu in der Lage ist, die Big Data zu erfassen. Welches sind die Big Data? Das sind beispielsweise die Daten der Katasterämter. Baden-Württemberg hat hier jetzt einen guten Vorstoß gemacht, und zwar im Rahmen der Steuergesetzgebung. Um die Grundsteuer ordentlich erfassen zu können, braucht man natürlich Daten des Katasteramtes. Das hat man gegengespiegelt, und gleichzeitig hat man die Daten des Katasteramtes frei ins Ne tz gestellt. Jetzt kann in Baden-Württemberg bestens Precision Farming betrieben werden, mit all dem, was dazugehört. Unsere erste Aufgabe wird es sein, diese Daten der Bundesländer in eine gemeinsame Plattform einzuspeichern. Unsere zweite Aufgabe. Wir haben heute noch die gleichen Bodenpunkte wie vor 110 Jahren. Sie spiegeln die Wahrheit bezogen auf den Boden nicht wider. Das heißt, wir müssen wissen, wie die Geophysik des Bodens aussieht – ob wir Sand, Löss, Lehm oder Stein haben –, weil wir dadurch wissen, wie viel Wasser wie schnell dort durchgeht. Das heißt, diese Angaben müssen präzise erfolgen. Daneben müssen wir auch über den Nährstoffbestand des Bodens Bescheid wissen. All diese Angaben müssen in eine zentrale Plattform fließen, die nur einer liefern kann: der Staat. Das ist unsere große Aufgabe hier in diesem Zusammenspiel. Wenn wir diese Masterplattform gut gestalten, dann werden wir die staatlichen Daten, die zur Verfügung gestellt werden, dem Landwirt, der dann die Datenhoheit hat, überlassen. Wir werden ein System erschaffen, das Schnittstellen technischer Art zur Verfügung stellt, damit die Vielzahl der Interessierten daran teilhaben kann. Hier geht es um sehr viele gute Start-ups, die etwas liefern können. Wir haben es jetzt mit der Düngeverordnung zu tun, und ich höre immer wieder den Mumpitz, dass das ein Bürokratiemonster ist. Das ist nur so lange ein Bürokratiemonster, bis wir dazu in der Lage sind, die Daten über eine ordentliche Datenerfassung einzuspeisen. Dann ist das nämlich „easygoing“. Auf dieser Datenplattform können wir die großen Landmaschinenhersteller dem Landwirt ihre Angebote machen lassen. Und der einzelne Landwirt ist dazu in der Lage, zu entscheiden. Wir können dem Landwirt ein Angebot machen, sodass er sagen kann: Ich wähle mir für zwei Jahre einen Steuerberater aus. Ich wähle mir für zwei Jahre einen aus, der mir eine Stoffstrombilanz erstellt. Ich wähle mir für zwei Jahre einen aus, der mir meine Düngebedarfsberechnung macht. Ich suche mir die aus, die mir mein Saatgut liefern. Ich suche mir die aus, die bestimmte Pflanzengifte oder Pflanzenschutzmittel aufbringen. – Alles das ist über eine entsprechende Masterplattform möglich. Herr Felser, damit Sie unseren Antrag richtig verstehen: Das ist das Ziel dahinter. Wir wollen eine Masterplattform installieren, die uns freimacht von Google, Amazon, SAP und all den großen IT-Anbietern, die mittlerweile wie eine Datenkrake über dieses Land herfallen. Das ist die große Aufgabe, die wir hier haben und mit diesem Antrag zum Thema Digitalisierung bewältigen wollen. Ich will noch auf eine weitere Schnittstelle hinweisen: Natürlich gibt es im Interesse aller Wirtschaftenden, die sich an dieser großen Cloud abarbeiten können, den freien Austausch der Daten unter ökonomischen Bedingungen, und es gibt natürlich auch die Interessen der öffentlichen Hand. Wir werden natürlich auch in Absprache eine Schnittstelle installieren müssen, durch die die Interessen der öffentlichen Hand definiert werden. Das werden wir auch hinbekommen. Ich glaube, dass diese Digitalisierung und die Nutzung dieser Digitalisierungschance ein kleiner Schritt in diesem Parlament, aber ein Riesenschritt für eine nachhaltige, ökonomisch und ökologisch wertvolle Landwirtschaft ist. Herzlichen Dank fürs Zuhören. Vielen Dank, Herr Kollege Spiering. – Die Kolleginnen und Kollegen Carina Konrad, Dr. Kirsten Tackmann, Harald Ebner und Maik Beermann geben ihre Reden zu Protokoll.1  Anlage 15 Ich schließe damit die Aussprache zu Top 20. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 19/10147 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist das so beschlossen.
0
1
1
1
0
1
146
19
58
ID195815900
1,539,820,800,000
09:00
00:42
11,004,091
Ralph Lenkert DIE LINKE
Ralph
Lenkert
DIE LINKE
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Dass ich es nach dem bremserischen Wirken der Bundesregierung bei der Luftreinhaltung in Brüssel bei Pkws noch erlebe, dass sie für die Luftreinhaltung strengere Grenzwerte anwendet, ist eine Überraschung. Das ist ein guter Schritt für die Gesundheit von Asthmatikern und Menschen mit Lungenkrankheiten. Gesundheitsschutz ist wichtig. Deswegen sind die neuen Grenzwerte für kleine und mittlere Heizungsanlagen, die Strom produzieren, für Holz- und Pelletheizungen und für Biogasanlagen durchaus wichtig. Für die Energiewende brauchen wir diese Anlagen. Aber diese Anlagen müssen so gestaltet sein, dass zwischen dem Schutz der Natur und der Gesundheit bei gleichzeitiger Erhaltung unseres Lebensstandards und unserer ökonomischen Basis sowie des Klimaschutzes sorgfältig abgewogen wird. Natürlich ist es schade, dass die Koalition in Bezug auf strengere Quecksilbergrenzwerte der Mut verließ. Aber auch das ist nicht überraschend; denn damit würde man die Kohleanlagen treffen, und das ist nicht in Ihrem Interesse. Aber Sie können das heilen. Stimmen Sie mit uns und den Grünen für den Kohleausstieg. Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, damit Sie eine Schadstoffbewertung der Abluft Ihrer neuen Heizanlage durchführen können, müssen Sie sehr viele Vorgaben berücksichtigen: zu Messverfahren, zu Messwerten, zu Dokumentationspflichten und zu Grenzwerten. Bei der Dokumentation müssen Sie mindestens vier Verordnungen und Gesetze beherrschen. Sie können es ja mal im Selbstversuch machen, oder auch lieber nicht. Sie brauchen für die Recherche sehr viel Zeit, und ob der Grenzwert, den Sie für Ihre Anlage ermitteln, dann korrekt ist, ist nicht sichergestellt. Das ganze System ist trotz der jetzigen Vereinfachung immer noch so komplex und unübersichtlich, dass Unsicherheit sowohl bei Anlagenbauern und bei Handwerkern als auch bei Genehmigungsbehörden nicht auszuschließen ist. Die Fehler, die dann passieren, landen wahrscheinlich vor Gericht. Liebe Koalition, Sie haben doch nicht wirklich ein Interesse daran, diese Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Anwälte fortzuführen. Deswegen fordert Die Linke ein Regelwerk, das übersichtlich und gut nachvollziehbar ist. An die FDP gerichtet: Ich habe gehört, dass Sie eigentlich für Bürokratieabbau sind. Aber dass Sie jetzt die Bundesregierung auffordern, zusätzliche Novellierungen vorzubereiten, weil sie schon bekannte Änderungen, die kommen werden, nicht berücksichtigt, ist für mich nicht nachvollziehbar. Im August besuchte ich das Technische Hilfswerk in Thüringen, und, ja, wir haben bei Notstromaggregaten ein Problem. Ein Notstromaggregat war trotz Funktionsfähigkeit nicht zum Einsatz freigegeben, weil das Messprotokoll zu alt war. Aber man hätte das Gesetz genauer lesen sollen. Es geht nicht darum, dass das Notstromaggregat die Grenzwerte einhalten muss. Das ist explizit ausgeschlossen – das ist auch richtig –, und es muss nicht mit Katalysatoren gegen Stickoxide oder mit Feinstaubfiltern nachgerüstet werden. Aber in der Vorschrift, die die Messregeln festlegt, ist es nicht vom Messverfahren ausgeschlossen. Im Klartext: Man muss messen. Aber welche Messwerte dabei herauskommen, ist egal. Hauptsache, man hat ein Protokoll für die Akten, dann kann man das Gerät wieder einsetzen. Diese Regelung sollten wir abschaffen. Wenn Sie beim Quecksilber auf strengere Grenzwerte gehen oder den Kohleausstieg vorantreiben, – Kollege Lenkert. – wenn Sie für mehr Übersichtlichkeit bei den Vorschriften sorgen und die Regelung zum Notstromaggregat einer Verbesserung zuführen, dann können wir beim nächsten Mal Ihren Änderungen zustimmen. So werden wir uns enthalten. Ich wünsche Ihnen allen einen guten Heimweg, eine warme Wohnung und auch, dass die Wohnung ohne zu viele schädliche Gase geheizt wird, damit Sie morgen nicht mit Raucherhusten aufwachen. Vielen Dank. Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Kollegin Dr. Bettina Hoffmann das Wort.
0
1
0
1
0
0
147
19
29
ID192907000
1,524,700,800,000
09:00
01:10
11,004,106
Agnieszka Brugger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Agnieszka
Brugger
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Eingreifen Frankreichs und später dann auch der internationalen Gemeinschaft hat 2013 verhindert, dass Mali in die Hände der Islamisten gefallen ist. Unter Vermittlung und auch auf Druck der Vereinten Nationen kam anschließend ein politischer Prozess in Gang, der mit dem Friedensabkommen von 2015 geendet hat. Wenn wir hier ehrlich diskutieren wollen, dann gehört zu einer ehrlichen Bilanz also auch die Feststellung, dass ohne die Vereinten Nationen und ohne die VN-Friedensmission, die wir heute beraten, die Lage in Mali weitaus schlimmer wäre. Das wollen wir uns alle gar nicht vorstellen. Wir Grüne haben die Anträge der Bundesregierung zu diesen Mandaten, bei denen die Bundeswehr einen sehr relevanten Beitrag für das Engagement der Vereinten Nationen leistet, daher in der Vergangenheit immer mit großer Mehrheit mitgetragen. Wir haben das übrigens getan, ohne die Gefahren klein- und die Situation in Mali schönzureden. Ja, der Einsatz ist hochgefährlich. Im letzten Jahr gab es über 140 Angriffe auf MINUSMA. Seit Beginn der Mission sind mehr als 160 Blauhelmsoldaten gestorben. Unter ihnen sind auch die zwei deutschen Hubschrauberpiloten, die letztes Jahr tragisch abgestürzt sind. Wir warten immer noch auf den dazugehörigen Abschlussbericht aus dem Ministerium. Wir gedenken ihrer heute und drücken noch einmal unsere Anteilnahme gegenüber ihren Familien und Freunden, die mit dem Verlust leben müssen, aus. Aber gerade weil dieser Einsatz so gefährlich ist, haben, glaube ich, viele Fraktionen, auch wir Grüne, im Verteidigungsausschuss besonders darauf gedrängt, dass wirklich sichergestellt ist, dass auch nach dem Abzug der deutschen Hubschrauber die Rettungskette steht. Ich verlasse mich da auf die Aussagen aus dem Verteidigungsministerium. Gerade weil dieser Einsatz so gefährlich ist, wollen wir allen Menschen danken, egal ob das die Soldatin, der Polizist oder der zivile Experte ist, die sich unter diesen schwierigen Bedingungen in Mali für eine bessere Zukunft engagieren. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Militäreinsätze lassen sich aber nicht allein durch die Vergangenheit begründen und rechtfertigen, sondern es braucht auch immer eine Erfolgsperspektive für die Zukunft. Zu einer ehrlichen Bilanz dieses Einsatzes gehört also auch die Feststellung, dass die vielen Punkte des Friedensabkommens, die man eigentlich innerhalb von zwei Jahren umsetzen wollte, von der Realisierung noch weit entfernt sind – egal ob es um den gesellschaftlichen Versöhnungsprozess, die Autonomie und Entwicklung in Malis Norden, die Reform des Sicherheitssektors oder die Entwaffnung und Integration von Rebellen geht. Herr Kollege Nolte, das sind übrigens die Ziele, die Sie gerade hier eingefordert haben. Wir erinnern uns, glaube ich, alle daran, wie Sie hier schon einmal standen und EUNAVFOR MED und Sea Guardian durcheinandergebracht haben. Ihre kruden Afghanistan-Mali-Vergleiche passen da genau ins Bild. Ich war sehr oft in Mali und habe mit vielen Soldatinnen und Soldaten auch über die Probleme dieses Einsatzes gesprochen. Aber dass Sie von der AfD sich hier hinstellen und sich anmaßen, für die Soldatinnen und Soldaten zu sprechen, finde nicht nur ich, nicht nur viele Soldatinnen und Soldaten, sondern finden auch ganz viele Kollegen und Kolleginnen hier in diesem Parlament einfach unerträglich. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ja, die Sicherheitslage in Mali hat sich verschlechtert; die Gewalt hat sich mittlerweile auch in Richtung Zentral- und Südmali ausgedehnt. Es kommt zu immer komplexeren Angriffen wie neulich erst in Timbuktu. Wir Grüne werden das Mandat auch dieses Mal mittragen. Wir tun das aber mit einer deutlichen Kritik an der Bundesregierung. Man fragt sich schon, wie es sein kann, dass Sie hier immer wieder beschönigende Reden halten und die Verlängerung des Mandats dabei ein bloßes Weiter-so ist. Der Premierminister von Frankreich hat zum Beispiel sehr klar gemacht, dass, wenn die Konfliktparteien – er meint damit die malische Regierung ebenso wie die Rebellengruppen – ihre Blockadehaltung gegenüber dem Friedensprozess nicht endlich aufgeben, es ein Ende des Engagements geben wird. Ich denke hierbei an die Rede von Ursula von der Leyen bei der Einbringung des Antrags auf Verlängerung des Mandats. Sie hat gesagt, bei der malischen Regierung sei noch Luft nach oben. Das wirkt doch reichlich hilflos. Die Bundesregierung braucht hier eine klare Haltung. Sie muss die entsprechenden Konsequenzen und Lehren ziehen und deutliche Worte gegenüber der malischen Regierung finden, damit der Friedensprozess nicht zum Erliegen kommt und nicht in einer Sackgasse landet, sondern eine Chance hat. Das erwarten wir von Ihnen, wenn Sie wollen, dass wir dem Mandat auch weiterhin zustimmen. Vielen Dank. Nächster Redner ist Thomas Erndl für die Fraktion CDU/CSU.
0
1
1
0
1
1
148
19
173
ID1917310800
1,599,696,000,000
09:00
22:55
999,990,096
Matthias Nölke FDP
Matthias
Nölke
FDP
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese beiden Anträge der Linken dokumentieren wieder mal ein tiefsitzendes Misstrauen in die Mündigkeit der Menschen und in das Streben von vielen nach Eigenverantwortung und Selbstverwirklichung. Sie wollen selbstständige Crowd- und Gigworker faktisch in Arbeitnehmer umwidmen. Damit legen Sie die Axt an die Selbstständigkeit. Heute sind es die Crowdworker, morgen die nächste Branche, und übermorgen fällen Sie den Baum des freien Unternehmertums. Als Hüter der sozialen Marktwirtschaft aber sagen wir Freie Demokraten Ihnen: Dieser Baum bleibt stehen. Gründung und Selbstständigkeit sind Ausdruck von Freiheits- und Gestaltungswillen, von Entschlossenheit und der Bereitschaft, auch einen steinigen Weg zu beschreiten, weil man eben vom Ziel überzeugt ist. Und seien wir mal ehrlich: Ihr Bild von Plattformarbeit hat mit der Realität in Deutschland kaum etwas zu tun. Die Studie „Plattformarbeit in Deutschland“ der Bertelsmann-Stiftung zeichnet ein völlig anderes Bild als Ihre Anträge. So stellt sie beispielsweise fest, dass es sich bei Plattformarbeit in Deutschland zu 99 Prozent um einen Nebenerwerb handelt, der eine Haupttätigkeit zeitlich und finanziell ergänzt. Auch ist der Plattformarbeiter in Deutschland – Zitat – „eher überdurchschnittlich qualifiziert und finanziell bessergestellt“. Zusammenfassend sagt die Studie – ich zitiere –: Plattformarbeit in Deutschland ist daher mitnichten ein Bereich pauschal prekär arbeitender Clickworker … Deshalb ist es auch falsch, sie wie klassische Arbeiter des Industriezeitalters zu behandeln. Für die Linkspartei – wenn es Ihnen besser gefällt: für Die Linke –, so scheint es, ist Selbstständigkeit ein Makel, ein Lebensweg zweiter Wahl. Sie verkennen den Wunsch der Menschen, selbstbestimmt ihren eigenen Lebensentwurf zu verfolgen und aus eigener Kraft etwas Neues aufzubauen. Wir Freie Demokraten dagegen respektieren und unterstützen diesen Wunsch ausdrücklich. Wir wünschen uns eine bessere Gründerkultur, und wir begreifen die Vielfalt der Lebensentwürfe auch in der Arbeitswelt als Bereicherung unserer Gesellschaft. Wir Freie Demokraten fordern daher rechtssichere Rahmenbedingungen, die Selbstständigen das Leben erleichtern und es nicht erschweren. Soloselbstständige wie Arbeitnehmer zu regulieren, Start‑ups mit immer neuer Bürokratie zu belasten, ist ein Irrweg, selbst wenn er gut gemeint ist, meine Damen und Herren. Deshalb kann man nur sagen: Gönnen Sie den Menschen ihre Freiheit! Fördern Sie eine Kultur des Mutes und der Eigenverantwortung; denn das braucht Deutschland mehr denn je. Vielen Dank. Vielen Dank, Herr Kollege Nölke. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Beate Müller-Gemmeke, Bündnis 90/Die Grünen.
0
0
0
-1
1
0
149
19
174
ID1917406800
1,599,782,400,000
9:00
18:20
11,004,603
Dr.
Dr. Jens Zimmermann SPD
Jens
Zimmermann
SPD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Was bei Wirecard passiert ist, ist ein Skandal, da sind wir uns alle einig. Wir als SPD-Fraktion wollen zwei Dinge: Wir wollen eine lückenlose Aufklärung dessen, was passiert ist, und wir wollen die notwendigen Reformen. Das steht für uns ganz klar im Fokus. Wir haben vor zwei Monaten im Finanzausschuss in verschiedenen Sondersitzungen mit der Aufarbeitung begonnen. Sie ist ganz sicher noch nicht abgeschlossen, und für uns sind noch einige Fragen offen: Wie konnte es sein, dass eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Brief und Siegel auf die Jahresabschlüsse gab? Wie konnte es sein, dass es dann erst ein anderes Wirtschaftsprüfungsunternehmen brauchte, um die Missstände aufzudecken? Wie konnte es sein, dass Verdachtsmeldungen in Bayern versandet sind? Wie konnte es sein, dass Institutionen wie BaFin, APAS und DPR nichts dagegen unternehmen konnten? Das sind Fragen, die bisher nicht abschließend beantwortet sind. Daher erhoffen wir uns, in dem von der Opposition angestoßenen Untersuchungsausschuss mit einer konstruktiven Zusammenarbeit Aufklärung leisten zu können. Wichtig ist: Wir haben es mit einer Pyramide von unterschiedlichen Verantwortungen zu tun. Es ist immer wieder wichtig, zu betonen: An der Spitze dieses Unternehmens stand ein kriminelles Top-Management. Darunter sind Wirtschaftsprüfer, die offenbar über zehn Jahre nicht alle diese Nadeln im Heuhaufen, von denen Herr Toncar vorhin sprach, gesehen haben. Der Heuhaufen war auch für die Wirtschaftsprüfer da – das sind die, die im Unternehmen unterwegs sind –, und die haben sie offenbar auch nicht gesehen. Die Frage ist auch: Warum konnte unser Institutionengeflecht an Aufsichtsorganen das Ganze nicht aufdecken? Das sind Fragen, die geklärt werden müssen. Wir als SPD sagen ganz klar: Alle Puzzleteile dieser Pyramide müssen aufgedeckt werden, nicht nur einige wenige. Über den Einsetzungsbeschluss, den die Opposition vorgelegt hat, ist noch nicht so viel gesprochen worden. Wir haben ihn uns sehr genau angeschaut. Gestern war ja der große Auftritt vor der Bundespressekonferenz. Da habe ich mich schon gefragt, wann denn das erste Album der Boygroup vorgestellt wird. Da wurde uns vorgeworfen, wir würden uns zu sehr auf die Wirtschaftsprüfer ausrichten. Das ist ein Vorwurf, den ich gerne annehme. Wer heute das „Handelsblatt“ aufgeschlagen hat, der hat auch gesehen, dass sich dieses Organ der deutschen Wirtschaft heute ausführlich mit der Rolle der Wirtschaftsprüfer in diesem Kontext auseinandersetzt. Wenn SPD und „Handelsblatt“ der Meinung sind, da müsse man genauer hinschauen, dann kann das so falsch nicht sein. Lassen Sie mich zum Abschluss eines sagen: Wir werden beim Einsetzungsbeschluss sehr genau hinschauen; denn wir glauben: So wie er aktuell formuliert ist, wird dieser Untersuchungsausschuss die Wirtschaftsprüfer nicht vorladen können. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es die Intention der Opposition ist, dass die Hauptverantwortlichen nicht einmal erscheinen müssen. Herzlichen Dank! Das Wort hat der Kollege Fabio De Masi für die Fraktion Die Linke.
0
0
0
0
0
1
150
19
100
ID1910008800
1,557,878,400,000
13:00
18:37
11,003,753
Klaus Ernst DIE LINKE
Klaus
Ernst
DIE LINKE
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Abkommen mit dem Iran, mit dem er auf Atomwaffen verzichtet und mit dem gleichzeitig bei uns Sanktionen gegen den Iran zurückgefahren werden, wurde überall als Erfolg gefeiert; das war es auch. Das Abkommen funktionierte. Für Trump war es ein schlechter Deal. Die USA stiegen aus. Warum? Der Iran würde sich nicht an die Vereinbarungen halten. – Die Internationale Atomenergie-Agentur hat das Gegenteil festgestellt. Dieser ganze Vorgang erinnert mich ein wenig daran – vielleicht können Sie sich noch erinnern –, wie der damalige US-amerikanische Außenminister Colin Powell vor dem UN-Sicherheitsrat mit Bildern angeblicher Beweise für das Vorhandensein von Massenvernichtungswaffen im Irak vor der Kamera gewedelt hat. Hinterher hat sich herausgestellt: Das war schlichtweg gelogen. Es gab keine Massenvernichtungswaffen im Irak. Die ganze Weltöffentlichkeit ist „hinter die Fichte geführt worden“, wie die Kanzlerin so schön zu sagen pflegt. Ich traue in diesem Punkt den Amerikanern genau so weit, wie man einen Elefanten werfen kann. Ich habe den Eindruck, hier soll der nächste Deal vorbereitet werden, der letztendlich wieder zu einem militärischen Konflikt in dieser Region führt. Meine Damen und Herren, die restlichen Vertragsparteien haben alle gesagt, sie wollten sich an dieses Abkommen halten. Es herrscht Einigkeit wie selten zuvor. Nun drohen die Amerikaner allen Firmen, die sich am Iran-Handel beteiligen, mit weiteren Sanktionen. Das ist vollkommen völkerrechtswidrig; das sind extraterritoriale Sanktionen. Was passiert? Inzwischen haben sich alle großen Unternehmen, auch die aus Europa, aus dem Iran zurückgezogen. Es gibt faktisch keine vernünftigen Wirtschaftsbeziehungen mehr. Die deutschen und europäischen Banken wickeln keine Zahlungen mehr mit dem Iran ab. Das SWIFT-System – SWIFT ist eine Genossenschaft nach belgischem Recht –, das weltweit bargeldlose Zahlungen abwickelt, hat den Iran gekappt. Die Telekom bei uns in der Bundesrepublik hat sogar die Leitungen abgestellt, sodass die iranischen Banken nicht mehr telefonieren können. Aufzüge in den entsprechenden Gebäuden in der Bundesrepublik werden nicht mehr repariert. So hält man ein Abkommen mit dem Iran nicht ein, liebe Kolleginnen und Kollegen. Die Frage ist natürlich: Was hat die Bundesregierung unternommen, um dieses Abkommen wirklich aufrechtzuerhalten? Herr Maas, es ist ja schön, dass Sie da sind. Ich habe den Eindruck: Das, was hier an Reaktionen kam, war wirklich Maulheldentum; denn faktisch haben die Bundesregierung und die Europäische Union so gut wie nichts unternommen, damit dieses Abkommen von Europa aus weiter eingehalten wird, und das ist das Problem, meine Damen und Herren. Man könnte jetzt sagen: Die EU hat die sogenannte Blocking-Verordnung reaktiviert. Sie verbietet es europäischen Unternehmen, den Sanktionen der USA Folge zu leisten. Die Auslegung dieser Verordnung sieht allerdings vor, dass die Unternehmen mit Verweis auf geschäftspolitische Entscheidungen tun und lassen können, was sie wollen, und im Ergebnis haben sie das Iran-Geschäft aufgegeben. Sie machen im Übrigen sogar mehr als notwendig; denn selbst in den Bereichen, die in die US-Sanktionen nicht einbezogen wurden, ist der Handel praktisch zusammengebrochen. Doch selbst jene, die weiter ihr Iran-Geschäft aufrechtzuerhalten versuchen, können die Zahlungen nicht mehr abwickeln. Dafür bräuchte es unabhängige Zahlungskanäle. Was haben die Bundesregierung und die Europäische Union unternommen, um den Zahlungsverkehr zwischen dem Iran und den Unternehmen, die weiter handeln wollen, im Interesse der Aufrechterhaltung dieses Abkommens zu gewährleisten? Was ist mit ­INSTEX als Instrument, dass dieser Zahlungsverkehr aufrechterhalten werden kann? Es ist faktisch funktionslos. Warum gelingt es eigentlich China, der Schweiz, Indien und Südkorea, so ein System aufzubauen, während Europa und die Bundesregierung so was nicht hinkriegen? Die „taz“ titelte dazu: „Europäische Maulhelden“. Und sie schreibt: Der mangelnde Mut kann ziemlich ungemütliche Folgen haben. Nicht nur wird Washington die Europäer außenpolitisch noch weniger ernst nehmen als bisher schon – auch jenseits des Konflikts um den Atomdeal. Auch die iranische Regierung wird nicht mehr glauben, dass Europa den US-Sanktionen noch etwas entgegensetzen kann. Warum sollten sie eigentlich das Abkommen weiterführen, wenn gleichzeitig deutlich wird, dass die Europäer sich ebenfalls nicht daran halten, wie die Amerikaner? Warum haben Sie denn eigentlich nicht die Möglichkeiten ausgenützt? SWIFT ist zum Beispiel ein Unternehmen nach belgischem Recht. Wo sind die Initiativen der Bundesregierung, dass dieses Unternehmen den Zahlungsverkehr übernimmt? Haben Sie zum Beispiel mit den Sparkassen in der Bundesrepublik gesprochen, die ja nun weniger Geschäfte mit den USA machen, um dort möglicherweise wenigstens den Zahlungsverkehr aufrechtzuerhalten? Nein, die Bundesregierung hat in der Frage der Einhaltung des Abkommens total versagt. Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren: Wenn das so weitergeht, brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn die Lage dort so eskaliert. Die Bundesregierung ist ihrer Verantwortung nicht gerecht geworden. Kommen Sie zum Schluss, Herr Kollege. Ich bin gleich so weit. – Ich sage der Bundesregierung: Nutzen Sie endlich die Möglichkeiten, die Sie haben, und zwar rasch! Die Bundesregierung hat versagt. Wir sind keine amerikanische Kolonie. Machen Sie uns auch nicht dazu! Als nächster Redner erhält das Wort der Kollege Dr. Johann Wadephul, CDU/CSU-Fraktion.
0
0
0
1
-1
-1
151
19
186
ID1918612700
1,603,929,600,000
9:00
23:20
11,003,584
Dr.
Dr. Gesine Lötzsch DIE LINKE
Gesine
Lötzsch
DIE LINKE
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Bundestag nimmt die Zahl der fundamentalistischen Anhänger der Schuldenbremse ab, und das ist gut so. Selbst neoliberale Ökonomen, die die Schuldenbremse gefordert haben, distanzieren sich zunehmend von diesem völlig untauglichen und schädlichen Instrument. Wer sich heute noch an die Schuldenbremse klammert, der hat keine ökonomischen Argumente, sondern nur ideologische. Das ist die Wahrheit! Wir haben ja alle gesehen: Die Schuldenbremse ist gleichzeitig eine Investitionsbremse geworden. Der Investitionsstau ist für viele Menschen sichtbar und fassbar. Man muss nur an die vielen Eisenbahnbrücken denken, die in einem so desolaten Zustand sind, dass sie gesperrt werden mussten. Wie kam es dazu? Die Bundesregierung wollte sparen, koste es, was es wolle, und aus dem Investitionsstau ist nun eine strukturelle Investitionskrise geworden. Investitionsprogramme werden beschlossen, doch das Geld fließt nicht richtig ab, weil in vielen Ämtern nicht mehr das Personal vorhanden ist, das die entsprechenden Investitionsentscheidungen umsetzen kann. Darum brauchen wir jetzt wirkliche Zukunftsinvestitionen in Bildung, Gesundheit, Umwelt und soziale Sicherheit. Das wäre der richtige Weg. Die Antragsteller von der rechten Seite des Hauses leugnen die Pandemie und die wirtschaftliche Notlage. Stellen wir uns mal eine Sekunde vor, es würde Ihnen gelingen, die Bundesverfassungsrichter von Ihrer Auffassung zu überzeugen. Was würde das bedeuten? Wir wären nicht mehr in der Lage, den Menschen zu helfen, die unter der Pandemie leiden, und genau das – das ist das Schlimme bei Ihnen – ist Ihr Ziel. Ihr Ansatz ist doch: Nur wenn es den Menschen schlecht geht, geht es Ihrer Partei gut. Das ist zynisch und menschenverachtend. Das werden wir niemals hinnehmen, meine Damen und Herren. Aber ich verkenne nicht, dass es auch in anderen Fraktionen Marktradikale gibt, die lieber heute als morgen die Schuldenbremse wieder in Kraft setzen wollen. Davor können wir als Linke nur warnen. Denn gerade die Pandemie hat gezeigt, dass der Kapitalismus eben nicht in der Lage war, schnell und effizient auf die Pandemie zu reagieren. Wer keine Vorratswirtschaft betrieb, der stand in der Krise zu Anfang und lange Zeit ohne Maske und ohne ausreichende Schutzausrüstung da. Die Mehrheit in unserem Land hat erkannt, dass Solidarität in der jetzigen Situation unverzichtbar ist. Deshalb müssen wir vor der Bundestagswahl klären, wer eigentlich die Krisenrechnung bezahlen soll; denn der Tilgungsplan, den SPD und Union beschlossen haben, wird, wenn er so umgesetzt wird, zu wirklich massiven sozialen Spannungen führen. Wir als Linke fordern darum eine Vermögensabgabe für die Superreichen. Das ist nach unserem Grundgesetz möglich. Das wäre ökonomisch sinnvoll und sozial gerecht. Das müssen wir umsetzen. Vielen Dank. Vielen Dank, Dr. Gesine Lötzsch. – Nächster Redner: für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Sven-Christian Kindler.
0
0
0
1
0
0
152
20
40
ID204006300
1,654,041,600,000
9:00
18:25
11,005,033
Dr.
Dr. Marlon Bröhr CDU/CSU
Marlon
Bröhr
CDU/CSU
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Tatsache, dass wir in Deutschland das Glück haben, seit über 70 Jahren in Frieden zu leben, verdanken wir mehreren Umständen, keinem aber so sehr wie der Mitgliedschaft in der NATO. Bereits zehn Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges waren ehemalige Kriegsgegner wie die USA, England oder auch Frankreich bereit, ausgerechnet Deutschland, das so viel Grausamkeit und Schrecken über die Welt gebracht hatte, in ein gemeinschaftliches Verteidigungsbündnis aufzunehmen. Das sollte uns bis heute alle mit Dankbarkeit erfüllen. Was aber macht dieses Bündnis aus? In der NATO gilt: Einer für alle und alle für einen. Erst dieses gegenseitige Versprechen, verbunden mit den militärischen Fähigkeiten aller Mitgliedstaaten, zuvorderst denen der USA, macht das Bündnis so besonders stark und hat den Bürgern der NATO-Mitgliedstaaten diese lange Friedensepoche verschafft. Selbstredend muss man sich in einem solchen Bündnis vollständig aufeinander verlassen können. Schließlich ist Solidarität keine Einbahnstraße. Das gilt keinesfalls nur für den Verteidigungsfall, sondern in besonderer Weise bereits zum Erhalt des Friedens. Deutschland hat sich im Jahr 2014 in Newport, Wales, im Lichte der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim – wie alle anderen NATO-Mitgliedstaaten auch –, dazu verpflichtet, bis zum Jahre 2024 2 Prozent seines Bruttoinlandsproduktes für die Verteidigung auszugeben. Die Abschlusserklärung von Newport trägt die Unterschrift von niemand Geringerem als dem heutigen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier. Diese Übereinkunft dient den Sicherheitsinteressen des Bündnisses und damit den Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland. Amerika, England und Frankreich zum Beispiel, aber auch wirtschaftlich weniger starke Länder wie Estland, Lettland und Litauen erfüllen dieses 2‑Prozent-Ziel bereits heute, Deutschland leider nicht. Vor diesem Hintergrund war und bleibt es richtig, dass Bundeskanzler Scholz am 27. Februar hier im Deutschen Bundestag angesichts des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine eine Zeitenwende ausgerufen hat. Diese soll dazu führen, endlich unsere Verpflichtung gegenüber unseren NATO-Partnern vollumfänglich zu erfüllen und die Bundeswehr schnellstmöglich so auszustatten, wie es die Landes- und Bündnisverteidigung erfordert. In diesem Zusammenhang verwundert es allerdings, dass die diesbezügliche Unterstützung des Kanzlers durch die CDU/CSU-Fraktion deutlich größer zu sein scheint, als das in weiten Teilen seiner eigenen Koalition der Fall ist. Ohne die Union, meine sehr verehrten Damen und Herren – das muss man an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich sagen –, wäre die ausgerufene Zeitenwende eine bloße Ankündigung geblieben. Das hat keineswegs nur damit zu tun, dass für eine Grundgesetzänderung eine Zweidrittelmehrheit und damit die Stimmen der Union erforderlich sind, sondern schlicht damit, dass wichtige Vertreter der SPD diese Zeitenwende gar nicht mittragen. Oder wie sonst soll man die jüngsten Äußerungen von Herrn Mützenich und einigen anderen prominenten Vertretern der SPD verstehen? Das darf und soll aber nicht davon ablenken, dass sich die Koalition und die CDU/CSU-Fraktion nach intensiven Verhandlungen letztlich zusammengerauft haben und ein sehr gutes Ergebnis für die Bundeswehr und damit für die Sicherheit Deutschlands und Europas erreicht haben. Zwei Verhandlungserfolge der CDU/CSU verdienen dabei besondere Aufmerksamkeit: Erstens. Es ist alleinig der Beharrlichkeit unserer Verhandler zu verdanken, dass die 100 Milliarden Euro ausschließlich der Bundeswehr zur Verfügung stehen werden. Zweitens. Wir konnten durchsetzen, dass die Bundeswehr auch nach dem Verzehr der 100 Milliarden Euro die erforderlichen finanziellen Mittel erhalten wird, die sie für eine pflichtgemäße Erfüllung in der Landes- und Bündnisverteidigung benötigt. Deshalb an dieser Stelle noch einmal ein großes Dankeschön an unsere Verhandler von CDU und CSU. Ihr habt sehr Wichtiges für die Bundeswehr erreicht. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Marja-Liisa Völlers spricht jetzt für die SPD-Fraktion.
0
0
1
0
-1
-1
153
19
234
ID1923406800
1,623,369,600,000
9:00
19:17
11,004,899
Dr.
Dr. Dirk Spaniel AfD
Dirk
Spaniel
AfD
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, der Wahlkampf verlagert sich hier in den Deutschen Bundestag. Heute erleben wir das in Form dieses unsinnigen Antrags der Grünen „Mobilität in ländlichen Räumen verbessern“. Für die Verbesserung der Mobilität in den ländlichen Räumen sind wir alle. Aber wir haben völlig unterschiedliche Rezepte. Nachdem die Grünen kein Mittel unversucht lassen, dem Kraftverkehr in den Innenstädten den Garaus zu machen, soll jetzt den Menschen auf dem Land das Auto endgültig madig gemacht und final genommen werden. – Moment! Moment! – Die Grünen schreiben in ihrem Antrag, die Unzufriedenheit der Menschen über die eigene Abhängigkeit vom motorisierten Individualverkehr sei groß. Also: Die in ländlichen Regionen lebenden Menschen, die ich kenne, sind sehr glücklich, ein eigenes Auto zu besitzen. Die Grünen schreiben weiter: Die Notwendigkeit, in der Regel zwei oder mehr Fahrzeuge pro Familie vorhalten zu müssen, sei eine erhebliche finanzielle Belastung. Ja, das ist ja wohl der absolute Hohn! Die Politik der Grünen ist die Ursache für die finanzielle Belastung der Menschen in den ländlichen Regionen, die Auto fahren. Es ist doch Ihre Spitzenkandidatin, die permanent Spritpreiserhöhungen fordert, wenn sie nicht gerade ihren Lebenslauf korrigiert. Die AfD hat einen Sofortvorschlag: die Steuer für Taxis auch auf dem Land zu reduzieren. Das würde den Menschen übrigens helfen und tatsächlich die Kosten reduzieren. – Ja, haben wir nicht gemacht. Sie haben ja nicht zugestimmt. Gerne nehme ich mich auch der Motorradfahrer an. Auf Initiative des ausgerechnet von Herrn Laschet zusammen mit der ach so freiheitlichen FDP regierten Bundeslandes Nordrhein-Westfalen hat der Bundesrat einen Beschluss gefasst, der Motorrädern mit Verbrennungsmotoren perspektivisch ein Ende setzt. Liebe Kollegen von CDU/CSU, Sie haben heute die wunderbare Gelegenheit, Ihren eigenen Verkehrsminister – der ist Gott sei Dank auch da – zu unterstützen, indem Sie dem AfD-Antrag zum Erhalt des Motorradfahrens zustimmen. Ich bin da nicht allzu optimistisch; denn im Geheimen sind Sie längst vor den Grünen eingeknickt. Die schwarz-rot-grüne Koalition in der Verkehrspolitik ist schon lange Realität. In Ihrer Politik gegen das Auto übersehen Sie aber: Die Menschen, die auf ein Auto angewiesen sind, tun dies nicht, um anderen Menschen zu schaden, sondern weil es nicht anders geht. Was macht denn eine Ärztin, die nachts zu einem Notfallpatienten gerufen wird? Die Frau, um die es hier geht, nutzt keine öffentlichen Verkehrsmittel, nicht nur, weil es die Verbindungen nicht gibt, sondern weil sie nachts auf dem Land auch noch Personenschutz bräuchte. Diese Frau hat es satt, permanent als Klimasünderin diffamiert zu werden. Wenn die Grünen gemeinsam mit der Union dazu auch noch die Benzinpreise erhöhen, dann ist sie eben weg, dann wird sie als Ärztin in die Schweiz gehen. Das ist diese grüne Unehrlichkeit: In der Coronakrise werden Krokodilstränen für Pflegepersonal geheult, und nach der Coronakrise werden Fahrverbote und Benzinpreiserhöhungen gefordert, sodass sich viele in den medizinischen Pflegeberufen und anderen Berufen mit Schichtdiensten ihren Job gar nicht mehr leisten können, weil sie nämlich auf das Auto angewiesen sind. Die AfD steht für bezahlbare Mobilität – auch und gerade auf dem Land. Das geht nur mit dem Erhalt und dem Ausbau der Nutzung des privaten Automobils. Die Menschen wollen wirklich Umgehungsstraßen, schnellere Verbindungen und tatsächlich niedrigere Kosten ihrer Mobilität. Spritpreise runter, das ist das, was die Menschen wirklich wollen und was den Menschen auf dem Land richtig helfen würde. Sie verfolgen hier Ihre ideologischen Konzepte. Die führen einfach ins Garnichts. Vielen Dank. Vielen Dank. – Das Wort geht an die SPD-Fraktion mit Bela Bach.
1
0
-1
0
0
0
154
20
38
ID203802700
1,653,004,800,000
9:00
13:32
11,005,110
Anne König CDU/CSU
Anne
König
CDU/CSU
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sowohl Bauwillige als auch die Baubranche stehen derzeit vor drei großen Herausforderungen. Zum einen sind es die extremen Lieferengpässe bei Baumaterial, zum anderen sind es die explodierenden Energiepreise, die auch das Bauen massiv verteuern, und drittens ist es ein Fachkräftemangel, der sich durch alle Segmente der Baubranche zieht. Und als ob das nicht schon schlimm genug wäre, hat dann die Ampel noch einen draufgesattelt mit dem Drama um den KfW-Förderstopp. Sie haben in der Tat ein Trauerspiel in drei Akten zustande gebracht. Der erste Akt beginnt am 24. Januar. In einer Hauruckaktion des Wirtschaftsministeriums wurde der sofortige KfW-Förderstopp für energieeffiziente Gebäude über die Homepage verkündet, was nicht nur ein Kommunikationsdesaster war, sondern zugleich ein schwerer Vertrauensbruch gegenüber Bauwilligen und vor allem gegenüber jungen Familien, die glaubten, dass Ihre Finanzierung auf sicheren Füßen stehe. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: So geht man nicht mit der Lebensplanung junger Menschen in diesem Land um. Der Wirtschaftsminister versuchte sich daraufhin in Schadensbegrenzung. Er kündigte die Fortsetzung der Förderung zumindest für den Standard EH‑40 beim Neubau an. Es wurde also umdisponiert, neue Energieberater wurden beauftragt, neue Finanzierungen wurden abgeschlossen; natürlich jetzt zu schlechteren Bedingungen. Dann folgte der zweite Akt des Dramas: Nach drei Monaten langen Wartens wurde innerhalb von drei Stunden die Neubauförderung für EH‑40 erneut gestoppt, da die 1 Milliarde Euro, die zur Verfügung gestellt wurde, schon ausgeschöpft war. Reichen sollte das Geld eigentlich nicht nur für drei Stunden, sondern bis zum Jahresende. Diese katastrophale Fehleinschätzung des Ministeriums war für viele Betroffene ein echter Schlag in die Magengrube und ließ den Traum vom eigenen Heim endgültig zerplatzen. Und damit sind wir auch schon beim dritten Akt: Jetzt gibt es nur noch eine Neubauförderung in Kombination mit einem Qualitätssiegel für nachhaltiges Bauen; wiederum unter verschlechterten Förderbedingungen. Diese dürfen nur von Zertifizierungsstellen ausgestellt werden, von denen es genau drei in Deutschland gibt. Zudem ist dieses Verfahren extrem langwierig und kostspielig. Damit motivieren Sie gerade nicht zum klimafreundlichen Bauen, sondern Sie schrecken eher davon ab. Die von der Regierung Merkel eingeführten Förderprogramme haben dafür gesorgt, dass sich mehr Menschen für effiziente Gebäudesanierung entschieden haben. Wir haben damit einen ganz entscheidenden Beitrag für den Klimaschutz geleistet. Ihr Förderchaos führt dazu, dass sich weniger Menschen in Zukunft Energieeffizienz leisten können. Sie betreiben damit eine Politik gegen Effizienz und gegen Klimaschutz. Zudem sendet die Ampel ein fatales Signal an die Wohnungs- und Baubranche. Ihre Politik führt zu Auftragseinbrüchen bei Mittelständlern und Handwerkern. Wenn fest eingeplante Zuschüsse wegfallen, werden nicht nur Privatleute, sondern auch Wohnungsbaugesellschaften ihre Baupläne verwerfen. Sie halten trotzig ihr Ziel, jährlich 400 000 neue Wohnung zu bauen, aufrecht, aber tun zugleich nichts dafür, dass das überhaupt noch funktionieren kann. Das an sich richtige Ziel der Klimaneutralität im Gebäudebestand bis 2050 rückt so immer mehr in weite Ferne. Es reicht nicht aus, feierliche Erklärungen auf internationalen Klimakonferenzen abzugeben oder wohlklingende Bündnisse für bezahlbares Bauen auszurufen. Klimaschutz gelingt in erster Linie im Baubereich ganz konkret nur mit unseren Handwerkern, Bauunternehmen und Bauherren vor Ort. Die Politik muss die Energiewende auch nicht alleine schultern, aber sie muss den Machern vor Ort zumindest Verlässlichkeit und Planungssicherheit geben; beides leider Fremdworte für die Ampel. – Es ist so. Die von Ihnen verursachte Stagnation in der Bauwirtschaft zieht in unserer Volkswirtschaft zwangsläufig noch weitere Branchen in Mitleidenschaft. Wir fordern Sie daher in unserem Antrag auf: Reißen Sie das Ruder jetzt endlich herum, und sorgen Sie wieder für die richtigen Rahmenbedingungen beim Bauen und Sanieren in Deutschland. Wenn eine steigende Inflation Investieren teurer macht, dann benötigen die bauwilligen jungen Familien, aber auch die Bau- und Wohnungsbranche die Unterstützung des Staates in besonderem Maße. Mit unseren Anträgen liefern wir Vorschläge, die das von der Ampel verursachte Desaster abmildern können. Wir bieten Ihnen damit einen Ausweg aus Ihrer Tragödie. Sie müssen dafür lediglich unseren Anträgen zustimmen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Es folgt für die SPD-Fraktion die Abgeordnete Melanie Wegling.
0
1
1
0
0
-1
155
19
58
ID195806100
1,539,820,800,000
09:00
00:42
11,004,071
Volkmar Klein CDU/CSU
Volkmar
Klein
CDU/CSU
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Denn selbstverständlich ist das BMZ hier auch vertreten. – Alle Länder haben die Pflicht, ihre eigenen Staatsbürger wieder in ihr eigenes Staatsgebiet zurückzunehmen, um die Rückreise zu erlauben. Das stimmt zweifelsohne. Es gibt Staaten, die Personen, die aus Deutschland oder aus anderen EU-Staaten abgeschoben werden sollen, nicht in ihr Heimatland zurückreisen lassen wollen. Sie verweigern die dafür erforderlichen Ausweise. Auch das stimmt. Es gibt Staaten, die offenkundig sogar ein Interesse daran haben, dass Leute im Ausland bleiben. Es wird ja auch – das ist kurzfristig betrachtet auch durchaus ein Vorteil für diese Länder – Geld zurücküberwiesen. Das alles stimmt. Es stimmt auch, dass diese Staaten damit ihrer Aufgabe nicht gerecht werden und man eigentlich von Staatsversagen in diesen Ländern sprechen könnte, zumindest von ziemlich schlechter Regierungsführung. Schlechte Regierungsführung oder, wie es auf Neudeutsch heißt, das Fehlen von Good Governance ist natürlich allgemein in der Entwicklungszusammenarbeit ein ziemlich großes Problem, weil es sicherlich sehr viel entscheidender ist als jedes Geld der Welt, in den jeweiligen Ländern dafür zu sorgen, dass die Menschen mehr Chancen, mehr Jobs und damit auch mehr Perspektiven haben. Ownership wird in vielen Ländern viel zu wenig gelebt. Ich hatte im Sommer die Gelegenheit, in den Tschad zu reisen, wo bis hin zur Lebensmittelsicherheit die Grundlagen fehlen und erst recht alles, was mit dem Schaffen von Chancen und Jobs in diesem Land zu tun hat. Insofern ist es an so einer Stelle und auch insgesamt sicherlich richtig, zu überlegen: Was hilft eventuell, eine bessere Regierungsführung einzufordern? Die Frage ist nur, wie. Was hilft denn? Ich habe persönlich an mehreren Stellen Diskussionen erlebt, bei denen mir teilweise von denselben Leuten im selben Satz zwei Fragen gestellt wurden. Die erste Frage – damals bezogen auf Ägypten in der Zeit der Muslimbrüder – war: Wie könnt ihr einem Land, in dem Christen verfolgt und die Menschenrechte missachtet werden, Entwicklungszusammenarbeit gewähren? Die zweite Frage in diesem Satz war: Wie könnt ihr zuschauen, wie im Mittelmeer Menschen ertrinken? Beide Fragen sind berechtigt. Aber die Antwort kann nicht sein, einfach Geld zu streichen. Denn dann gibt es noch weniger Perspektiven. Dann gibt es noch weniger Chancen für die Menschen in diesem Land. Genau das, meine Damen und Herren, ist eben nicht in unserem Interesse. In unserem Interesse ist, dass die Menschen in den Ländern, in denen sie leben, mehr Chancen haben, nicht weniger Perspektiven. Insofern müssen wir völlig unabhängig vom Versagen eines Staates, von Bad Governance, sehr wohl Hilfe leisten, nicht in dem Sinne, dass dem Staat geholfen wird, wohl aber, dass den Menschen geholfen wird. Es geht um beides, einerseits um humanitäre Hilfe, andererseits aber auch darum, dafür zu sorgen, dass die Voraussetzungen für Perspektiven in diesen Ländern besser werden. Genau das ist die Philosophie von Entwicklungszusammenarbeit insgesamt. Auch wenn sie für uns schon aus ethischen Gründen wichtig ist, bedeutet gut gemachte Entwicklungszusammenarbeit automatisch, gleichzeitig Fluchtursachen zu bekämpfen. Insofern ist das BMZ insgesamt eigentlich dasjenige Ministerium, das Fluchtursachen bekämpft, und dies nicht nur mit den Mitteln aus dem Titel im Haushaltsplan, der als Sonderinitiative tatsächlich so heißt. Mit 465 Millionen Euro ausgestattet steht er gemeinsam mit den deckungsfähigen anderen Sonderinitiativen, mit rund 1 Milliarde Euro, dafür, dass Fluchtursachen bekämpft werden, damit eben genau das, was hier angeprangert wird, weniger passiert. Ich glaube, dass das der richtige Weg ist. Unabhängig davon ist die Frage, wie wir es denn schaffen, vernünftig und effektiv besser Druck auszuüben, natürlich berechtigt. Da sind sicherlich auch noch Verbesserungen erforderlich. Ich würde mir manches Mal gerade von unserem Außenministerium ein noch etwas stringenteres Vorgehen wünschen. Aber wir haben schon sehr viele Erfolge zu verzeichnen. Allein wenn ich mir das immer wieder genannte Beispielland Marokko anschaue, dann muss ich feststellen, dass wir da sehr geschickt verhandelt haben. 2015 gab es 61 Rückführungen nach Marokko, 2016 gab es 112 solcher Rückführungen, im vergangenen Jahr, 2017, waren es 634 und in diesem Jahr ausweislich der mir vorliegenden Statistik zum Stichtag 31. Juli bereits 413 Rückführungen, das heißt mindestens zehnmal so viele Abschiebungen nach Marokko wie im Jahr 2015; das gegenwärtige Jahr ist ja noch lange nicht zu Ende. Ich sage: Das ist eine positive Entwicklung, und das sind die Wege, entsprechend Druck auszuüben, auf denen wir auch Erfolg haben, diese Rückführungen zu erreichen. Unter dem Strich bleibt aus meiner Sicht, dass wir sehr geschickt bessere Regierungsführung einfordern und dafür auch Druck ausüben müssen, einerseits darauf, dass die verschiedenen Länder ihre eigenen Staatsbürger anerkennen, andererseits aber auch darauf, dass diese Länder Freiheit als solche und Perspektiven für die Menschen anerkennen. Heute ist der Internationale Freiheitstag der International Justice Mission gegen Sklaverei und Menschenhandel. Einige von Ihnen tragen wie ich diese Bändchen mit „#frei“. Das ist etwas, was im Sinne von guter Regierungsführung ganz wichtig ist. Wir müssen alles tun, um das entsprechend einzufordern. Wir müssen unter dem Strich am Ende des Tages erreichen, dass die Menschen in ihren Heimatländern mehr Chancen haben, mehr Jobs und damit mehr Perspektiven haben. Das ist uns wichtig, einerseits aus ethischen Gründen, andererseits aber auch aus unserem ganz eigenen praktischen deutschen Interesse. Daran lasst uns gemeinsam arbeiten und nicht irgendwelchen simplen Anträgen folgen. Danke sehr. Als nächsten Redner rufe ich den Abgeordneten Dr. Christoph Hoffmann für die FDP auf.
0
0
1
0
0
1
156
19
55
ID195507600
1,539,216,000,000
09:00
01:28
11,004,807
Rüdiger Lucassen AfD
Rüdiger
Lucassen
AfD
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Frau von der Leyen und wir Obleute des Verteidigungsausschusses waren vor vier Wochen gemeinsam im Irak. Dort analysierte die Ministerin – ich zitiere –: Der IS ist militärisch geschlagen, aber ideologisch nicht. – Das war eine richtige Beobachtung. Heute, einen Monat später, wirbt die Verteidigungsministerin hier im Parlament für die Ausdehnung des Bundeswehreinsatzes in diesem Land. Damit offenbart sie erneut, dass sie das System Bundeswehr – ja, das Konzept jeder Armee – nicht verstanden hat, und ihre Gefolgschaft aus Union und SPD schließt sich dieser Unkenntnis leider an. Denn sie stellt erst fest, dass der „Islamische Staat“ militärisch besiegt ist, will jetzt aber das Militär schicken, um den Kampf fortzuführen. Das ist paradox, und es steht exemplarisch für die totale Schieflage in der deutschen Politik im Hinblick auf Sinn und Zweck von Streitkräften. Was können Streitkräfte? Mit Streitkräften wird Politik gewaltsam durchgesetzt. Das will man heute nicht mehr so sagen; dennoch ist es wahr. Streitkräfte wenden tödliche Gewalt an, um politischen Willen durchzusetzen. Streitkräfte können Räume freikämpfen und diese dann zeitlich begrenzt halten. Sie schaffen also mit Gewalt ein Zeitfenster in einem gewissen Gebiet. In diesem Gebiet können dann andere, nichtmilitärische – eben nichtmilitärische! – Mittel eingesetzt werden. Die Bundesregierung macht es aber seit Jahrzehnten genau verkehrt herum: Immer wenn es darum geht, die Bundeswehr in ihrem Kernauftrag einzusetzen, dem Kampf, lässt sie den anderen den Vortritt und beschränkt sich auf politische, moralische und finanzielle Unterstützung. Ist die Schlacht dann aber geschlagen, schickt sie die Bundeswehr in die sogenannte Konfliktnachsorge. Das endet dann immer in Misserfolg. Das war in Afghanistan so, ist in Mali so und soll jetzt auch im Irak so geschehen. Sie wollen dort eine Ideologie bekämpfen und schicken dafür das Militär? Das ist nicht nur dumm, weil Sie offenbar nichts aus dem eigenen Scheitern in Afghanistan, dem drohenden Scheitern in Mali und dem Scheitern der Amerikaner im Irak gelernt haben. Es ist sogar sehr gefährlich; denn der Einsatz von Militär gegen eine Ideologie endet immer in einer Abwärtsspirale von Verlusten, Truppenaufstockungen und Durchhalteparolen. Wie wollen Sie mit einer deutschen Institution, der Bundeswehr, eine Ideologie bekämpfen, die sich in einer islamischen Gesellschaft festgesetzt hat? Das schaffen Sie ja nicht einmal in der Salafistenszene hier in Deutschland. Am Ende – das prophezeie ich Ihnen – steht ein Rückzug in Scheitern und Frust, und Sie sind dann nur noch damit beschäftigt, das Scheitern zu verschleiern. Aber – um nicht missverstanden zu werden – das ist kein Aufruf, die Bundeswehr zum Kämpfen in die Welt zu schicken. Ganz im Gegenteil: Ihr Hauptauftrag ist die Landes- und Bündnisverteidigung, und diese findet eben nicht in Afrika und in Asien statt. Es ist ein Appell, die Bundeswehr nicht permanent für Aufgaben zu missbrauchen, die nicht in ihren Kernauftrag fallen. Denn durch diesen Missbrauch unserer Soldaten haben Sie in den letzten Jahrzehnten die Verteidigungsbereitschaft der Bundeswehr faktisch zerstört. Lassen Sie das endlich sein! Holen wir unsere Soldaten nach Hause! Danke schön, Herr Kollege Lucassen. – Nächster Redner: Jürgen Hardt für die CDU/CSU-Fraktion.
1
0
-1
0
0
0
157
19
222
ID1922204000
1,618,531,200,000
9:00
16:48
11,003,815
Carsten Müller CDU/CSU
Carsten
Müller
CDU/CSU
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bedeutung von Mietspiegeln hat in dieser Wahlperiode außerordentlich stark zugenommen. Die Große Koalition hat die Mietpreisbremse geschärft. Dadurch ist der Begriff der ortsüblichen Vergleichsmiete besonders in den Fokus gerückt worden. Die ortsübliche Vergleichsmiete ist heute für die preisliche Gestaltung von Mietverträgen im Wohnungsbereich die zentrale Referenz. Reichweite und Auswirkung der Mietpreisbremse hängen also entscheidend von einer rechtssicheren Datengrundlage ab. Wir wollen – das ist unser Ziel – unnötige Gerichtsverfahren vermeiden, indem wir genau diese rechtssichere Datengrundlage schaffen. Um diese rechtssichere Datengrundlage zu schaffen, brauchen wir bundeseinheitliche Kriterien. Wir müssen also, vollkommen unabhängig davon, wo sich der Mietmarkt in der Republik befindet und wie er sich entwickelt, bundeseinheitlich auf vergleichbare Grundsätze abstellen können. Als Union haben wir bereits parallel zur Einführung der Mietpreisbremse eine Reform der Mietspiegelregulierung gefordert. Wir freuen uns, dass diese jetzt vorliegt. Sie kommt für uns – das will ich deutlich sagen – allerdings etwas zu spät; wir hätten uns da mehr Beschleunigung beim Bundesjustizministerium gewünscht. Meine Damen und Herren, bundesweit zeigt sich ein höchst unterschiedliches Bild beim Blick auf die Mietspiegel. Die Mietspiegelkommission hat mal die 200 größten Städte Deutschlands in den Blick genommen und mit Stand Ende 2019 verglichen. Dadurch haben wir durchaus sehr interessante Feststellungen geliefert bekommen: Lediglich 73 der betrachteten Städte – das ist deutlich weniger als 40 Prozent – erstellen einen qualifizierten Mietspiegel, obwohl genau dies die sicherste Art und Weise darstellt, einen Mietspiegel zu gestalten. 91 Städte, also 46 Prozent, erstellen nur einen einfachen Mietspiegel. Mich persönlich hat sehr erschreckt, dass 36 Städte, also rund ein Fünftel der in den Blick genommenen Städte, gar keinen Mietspiegel erstellen. Darunter sind wiederum 15 Städte mit angespanntem Wohnungsmarkt. Dort gibt es also keine belastbare und sozusagen von vornherein streitschlichtende datensichere Grundlage. Das zeigt also: Es gibt viel zu tun. Ein Mietspiegel muss den tatsächlichen Mietmarkt widerspiegeln und soll nicht nur eine Betrachtung der Vergangenheit sein. Der Gesichtspunkt der ortsüblichen Vergleichsmiete ist eben kein politisches Steuerungsinstrument; sie muss die Situation am Mietmarkt widerspiegeln und darf sie nicht prägen. Marktmechanismen sollen durch Mietspiegel nicht ersetzt werden; das wäre eine Zweckverfehlung. Wir wollen den Mietspiegel also nicht als Instrumentarium der politischen Gestaltung, der politischen Beeinflussung des Wohnungsmarktes verstanden wissen. Ich hatte es eben schon gesagt: Er soll den Markt widerspiegeln, aber darf ihn nicht ersetzen. Wir werden das bei der Beratung intensiv im Auge behalten. Meine Damen und Herren, ein letzter Punkt, den ich durchaus noch nennen will: Der Gesetzentwurf – das ist ihm bisher zu entnehmen – sieht eine Fiktion der Wissenschaftlichkeit vor, falls der Mietspiegel der ebenfalls vorgelegten Verordnung entspricht. Das ist ein höchst problematischer Ansatz; denn nicht nur bei den vorherigen Beratungen zu ganz anderen Punkten haben wir heute festgestellt: Wissenschaftlichkeit ist faktenbasiert, Wissenschaftlichkeit kann nicht fingiert werden. Deswegen ist das ein Punkt, der der Unionsfraktion in den Beratungen sehr wichtig sein wird. Wir begrüßen, dass künftig qualifizierte Mietspiegel nach klaren Kriterien erstellt werden sollen. Das stärkt nämlich das Instrument des Mietspiegels. Das Instrument des Mietspiegels mit der Vergleichsgröße der ortsüblichen Vergleichsmiete ist ein zentrales verbraucherschützendes Element in der mietrechtlichen Regulierung. Wir wollen es nicht aufgeweicht wissen; wir wollen es gestärkt, transparent und nachvollziehbar wissen. Daran werden wir uns in den Beratungen halten. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. Die Kollegin Katharina Willkomm hat nun für die FDP-Fraktion das Wort.
0
0
1
0
0
0
158
19
216
ID1921611600
1,614,902,400,000
9:00
18:58
11,004,276
Thorsten Frei CDU/CSU
Thorsten
Frei
CDU/CSU
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist in der Tat eine schwierige Debatte heute. Wir haben viele Wortbeiträge erlebt, die beschrieben haben, vor welchen Herausforderungen wir stehen. Deswegen mag ich den Kollegen Sensburg zitieren. Natürlich ist in dieser Debatte auch sehr viel Richtiges gesagt worden, auch wenn es kritisch war. Es ist klar, dass in einer Demokratie Glaubwürdigkeit und Integrität die wichtigsten und härtesten Währungen für die Politik sind, für die Politik und die Politiker. Am Ende des Tages geht es um jeden Einzelnen von uns, der Politik macht. Es geht aber auch um das politische System und letztlich um die Glaubwürdigkeit der Willensbildungsprozesse, der Entscheidungsprozesse und der Legitimität dieser Prozesse schlechthin. Deswegen ist es richtig, dass wir alles Notwendige tun müssen, um schnellstmöglich aufzuklären und zu schauen, dass hier nichts hängen bleibt. Vor allen Dingen – das ist ja der Titel dieser Aktuellen Stunde – müssen wir hinsichtlich der Transparenz von politischen Entscheidungen auch nach vorne gucken und schauen, welche Instrumentarien wir brauchen, um Transparenz, Offenheit, Integrität, Glaubwürdigkeit letztlich tatsächlich in den Mittelpunkt zu rücken. Man muss sagen: Ja, wir haben schon im September einen Entwurf in den Deutschen Bundestag eingebracht, der sich mit dem Lobbyregistergesetz auseinandersetzt. – Frau Haßelmann, Sie hatten Ihre Redezeit. Jetzt würde ich vorschlagen, dass Sie mal zuhören. Das schadet nämlich nicht. Es ist doch typisch für die Grünen, dass sie glauben, immer alles besser zu wissen. Sie schreien hier immerfort. Das ist unglaublich. Hören Sie doch mal zu, Menschenskinder! Es hat einen Grund, warum man in der Aktuellen Stunde keine Fragen stellen kann. Orientieren Sie sich doch mal daran! Sie gehen doch immer mit der Geschäftsordnung unterm Arm spazieren. Dann müssen Sie das auch gegen sich gelten lassen. – Nein, die Nerven liegen nicht blank, sondern ich möchte gerne mal argumentieren. Man muss doch eines sagen: Wir haben einen Entwurf für ein Lobbyregistergesetz vorgelegt, das wirklich eine neue Seite aufschlägt, weil es verbindlich und sanktionsbewehrt ist. Das ist übrigens ganz anders als auf der europäischen Ebene, weil wir mit Änderungen im Ordnungswidrigkeitenrecht dafür sorgen, dass die Bundestagsverwaltung im Grunde genommen Verfahrensrechte wie eine Staatsanwaltschaft hat. Das ist tatsächlich etwas, was uns weiterbringt und Transparenz in die Prozesse bringt, weil es deutlich macht, dass jeder, der Interessenvertretung im Deutschen Bundestag betreibt, das offenlegen muss. Er muss offenlegen, wie er finanziert wird, welche Personen dahinterstehen, wie viele Mitarbeiter er dafür einsetzt und vieles andere mehr. Das erstrecken wir, Herr Dr. Bartke, auch auf die Bundesregierung. Das ist letztlich ein in sich schlüssiges Konzept. Ich finde ganz interessant – es ist ja heute mehrfach die Rede davon gewesen –, was die anderen Fraktionen, die Oppositionsfraktionen, in diesem Bereich vorgelegt haben. Wir haben von der Fraktion Die Linke einen Gesetzentwurf. Immerhin! Das Problem ist nur, dass er in weiten Teilen – Vorredner sind darauf eingegangen – einfach verfassungswidrig ist, weil er beispielsweise das Gewaltenteilungsprinzip missachtet, weil er beispielsweise das Gesetzesinitiativrecht der Bundesregierung missachtet. Es ist darüber hinaus ein Bürokratiemonster. Aber das absolut Beste ist: Wir führen hier eine Debatte gegen Lobbyismus, und Sie lassen Ihren Gesetzentwurf von einer Lobbyorganisation schreiben. Das schlägt dem Fass schon den Boden aus. Aber immerhin ist das ein Gesetzentwurf. Wenn man sich anschaut, was FDP und Grüne gemacht haben: Sie haben ziemlich unkonkrete und schmale Anträge vorgelegt. – Nein, Herr von Notz, aber Sie fordern immer – – – Seien Sie doch mal ruhig! – Sie fordern immer ein, dass man konkrete Vorschläge macht. Sie haben auch bei anderen Kollegen vorhin immer dazwischengerufen. Vorschläge machen die Grünen teilweise, aber sie wollen im Grunde genommen nur die Bundesregierung überwachen. Wenn es darum geht, Lobbyismus auch im Deutschen Bundestag in den Blick zu nehmen, dann wird es ganz, ganz schmal in ihrem Antrag. Ich glaube, es hilft nicht, wenn man mit dem Finger auf andere zeigt. Ich glaube, wir haben hier ein großes Problem; ich möchte das, was wir heute gelesen haben, nicht relativieren. Das ist nicht zu relativieren. Aber entscheidend ist, dass wir die richtigen Schlüsse daraus ziehen. Unsere Fraktion wird dazu ihren Beitrag leisten, und ich hoffe, dass wir hier in diesem Haus gemeinsam die notwendigen gesetzlichen Grundlagen schaffen, um für die Zukunft gerüstet zu sein. Herzlichen Dank.
0
-1
1
0
-1
0
159
20
47
ID204710200
1,657,152,000,000
9:00
01:58
11,003,890
Christian Hirte CDU/CSU
Christian
Hirte
CDU/CSU
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was uns als antragstellende Fraktion von der Regierungskoalition unterscheidet, ist, dass wir eine klare Vorstellung davon haben, was wir wollen. Wir wollen technologieoffen den Verbraucherinnen und Verbrauchern und der Industrie die Möglichkeit geben, Angebote zu entwickeln und sich zu entscheiden, wie jeder für sich klimaneutral oder klimafreundlicher die Mobilität gestaltet. Was Sie machen, ist ein völliges Hickhack in der Kommunikation. Liebe Frau Skudelny, ich habe Ihrer Rede aufmerksam zugehört. Ich kann bei ganz vielem Beifall klatschen. Vieles von dem, was Sie sagen, auch als FDP, stimmt. Das Problem ist nur: Sie tun nicht, was Sie sagen. Sie sagen, Sie wollen Technologieoffenheit, aber Sie tun es nicht als Regierung. Ende Juni hat die Umweltministerin Lemke gesagt, dass der Verbrenner jetzt verboten wird. Bei 2035 hat Herr Lindner widersprochen und gesagt: Das geht ja gar nicht. – Das war alles großer Popanz. Zur Wahrheit gehört, dass Sie bereits in Ihrem Koalitionsvertrag – und ich empfehle Ihnen, einmal hineinzuschauen, auf Seite 40 – gemeinsam mit Grünen und SPD vereinbart haben, dass der Verbrenner ab 2035 verboten wird. Deswegen hält sich Frau Lemke an das, was Konsens im Kabinett ist und was übrigens im März schon beschlossen war. Was Frau Lemke sagt, ist: Der Verbrenner wird verboten. Wenn Sie nun erzählen, dass synthetische Kraftstoffe möglicherweise eine Chance haben sollen, dann ist das nur ein kleiner Teil der Wahrheit. Die eigentliche Wahrheit ist nämlich, dass der Prüfauftrag sich auf die Mobilitätsfragen außerhalb der Flottengrenzwerte bezieht. Das heißt, alle normalen Fahrzeuge dürfen eben nicht mit Verbrennern unterwegs sein, sondern sie müssen Sonderfunktionen, Sondermobilitätsfragen neben den Flotten haben. Das heißt also: Normale Fahrzeugverbrenner für Otto Normalverbraucher sind ab 2035 verboten. Das haben Ihnen Grüne und SPD übrigens gerade noch einmal relativ deutlich erklärt. – Ich habe es verstanden. Ich glaube, die meisten von uns haben es verstanden. Wir wollen es aber nicht; das ist der Unterschied. Wir wollen, dass es unter Technologieoffenheit möglich ist, auch andere Wege zu beschreiten, etwa auch mit synthetischen Kraftstoffen, mit Biokraftstoffen und vor allem auch mit Blick auf den auch 2035 noch großen Bestand an Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren. Auch da verhindern Sie die Möglichkeit, dass man einen Technologiehochlauf organisiert, dass man organisiert, dass nach und nach auch synthetische Kraftstoffe eine Chance haben, in den Markt hineinzukommen. Sie – auch Sie von der FDP – verhindern die Möglichkeiten, die uns die Technologien und die Entwicklungen der nächsten Jahre bieten. Im Übrigen: Auch die deutschen Automobilhersteller werden nach 2035 Verbrenner herstellen – nur nicht mehr für Europa. Vielen Dank. Jan Plobner hat jetzt das Wort für die SPD-Fraktion.
1
0
0
0
0
0
160
19
60
ID196000200
1,541,548,800,000
12:30
18:38
11,004,787
Enrico Komning AfD
Enrico
Komning
AfD
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Auf dem Gründungsfoto der endlich, nach langer Ankündigung, gegründeten Regierungskommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ lächeln Horst Seehofer, Franziska Giffey, Julia Klöckner und Hubertus Heil in die Kamera. Bei allem Respekt vor diesen Ministern – es geht hier doch eigentlich um die Wirtschaft und die ländlichen Räume. Wir von der AfD wollen die ländlichen Räume wiederbeleben. Wir wollen, dass die dörflich geprägte Kultur in Deutschland mit ihren autonomen Sozialgemeinschaften und ihrer durchaus auch bäuerlichen Tradition erhalten bleibt, diese aber durch einen starken Mittelstand und eine lebendige Start-up-Szene ergänzt wird. Sie, liebe Bundesregierung, lassen die ländlichen Räume seit Jahrzehnten links liegen. Die ländlichen Räume sind ausgeblutet. Der Patient ist eigentlich tot. Medikamente bringen nichts; es braucht einen Defibrillator. Ich glaube, dass der Staat für die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse vor allem mehr Verantwortung im Bereich der grundlegenden Infrastrukturen übernehmen muss. Das bedeutet, er hat zu gewährleisten: Straßen, Schienen, Stromnetze, Wasserleitungen, Telefonleitungen, Gesundheitsversorgung, Bildung und vor allem Mobilfunk- und Breitbandnetze. Das, meine Damen und Herren, ist Daseinsvorsorge. Das ist Kernaufgabe des Staates. Infrastruktur ist kein marktfähiges Gut, sondern Voraussetzung für das Vorhandensein und das Entstehen von Markt. Das ist es, was wir schaffen müssen: florierende Marktplätze auf dem Land. Gerade auf die digitale Infrastruktur kommt es in den ländlichen Räumen an. Ohne flächendeckendes 5G-Netz riskieren wir die Zukunft unseres Landes. Ohne 5G-Netz wird sich kein Start-up-Unternehmen auf das Land verirren. Ohne 5G-Netz auch auf dem abgelegensten Bauernhof kann es keine digitalisierte und damit umweltfreundliche Landwirtschaft geben. Kommunikation, schnelle Datenübertragung, autonome Verkehrssysteme – darin liegt eine große Chance für wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wohlstand auf dem Land. Zur flächendeckenden Infrastruktur muss ein effizientes Förderbaukastensystem hinzukommen. Hier müssen besonders bedürftige Gebiete identifiziert, kategorisiert und entsprechend gefördert werden. Das meine ich mit dem Begriff „Sonderwirtschaftsgebiet“. Dazu gehört die Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen entsprechend ihres Standorts und Umfelds bei Forschung, Entwicklung und Investitionen – individuell und wirksam, technologieoffen und nicht ideologiegesteuert und mit dem Ziel einer sich selbst tragenden Wirtschaft. Die gesamte Förderstruktur – ERP, ZIM, GRW usw. – muss völlig neu gedacht werden. Mit den Unternehmen müssen die Menschen, vor allem Familien mit Kindern, auch auf das Land ziehen wollen . Der Kauf des Eigenheimgrundstückes kann doch steuerfrei sein. Die Grundsteuer sollte ohnehin abgeschafft werden. Vereinfachtes, unbürokratisches Baurecht, Abbau von Auflagen, schnellere Genehmigungsverfahren und keinesfalls Verhinderungsverfahren sind weitere Punkte. Wir brauchen die kleinen Betriebe auch wieder in den Ortskernen, die heute in denkmalgeschützter Schönheit sterben. Wir müssen Handwerker und Dienstleister aus den Gewerbegebieten wieder ins Zentrum holen. Neues in Altem, Softwarebuden in Fachwerkhäusern: Die Wiederherstellung der tatsächlichen, auch wirtschaftlichen Nutzbarkeit von Ortskernen muss die Fördermaßnahmen flankieren. Meine Damen und Herren, der Herzstillstand auf dem Land ist jetzt. 2020 – zum Abschluss der Tätigkeit Ihrer Kommission – ist der Patient längst beerdigt. Wir haben die Chance. Nutzen wir sie jetzt, Herr Minister. Geben wir den Menschen den ländlichen Raum zurück. Vielen Dank. Jetzt erteile ich das Wort der Bundesministerin Dr. Franziska Giffey, SPD.
1
0
1
0
0
1
161
19
160
ID1916014500
1,589,414,400,000
9:00
23:42
11,004,427
Dr.
Dr. Volker Ullrich CDU/CSU
Volker
Ullrich
CDU/CSU
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die FDP schlägt vor, sogenannte virtuelle Gerichtsverhandlungen im Zivilrecht zu ermöglichen. Wer den Antrag liest, der fühlt sich ein wenig erinnert an den Wahlslogan der FDP: Digital first. Bedenken second. Oder anders ausgedrückt: Digitales fordern und dann erst nachdenken. Es wäre vielleicht besser, wenn Sie erst mal nachdenken, bevor Sie einen Antrag stellen; denn das, was hier in Ihrem Antrag verarbeitet ist, hält weder rechtsstaatlichen Standards stand, noch ist es irgendwie praktisch tauglich. Ich will Ihnen kurz sagen, weshalb. Nach § 128a ZPO kann nach Ermessen des Gerichts eine Zeugeneinvernahme oder auch eine Anhörung per Bild- oder Videoübertragung stattfinden. Was Sie aber fordern, ist ein völliger Paradigmenwechsel. Sie wollen nämlich, dass, wenn dies eine Partei bereits beantragt, dann automatisch diese Sitzung als Videoübertragung stattfinden muss, und das ist, ehrlich gesagt, mit Artikel 103 Absatz 1 Grundgesetz nicht vereinbar, weil nämlich nach der Rechtswegegarantie des Grundgesetzes jeder den Anspruch auf rechtliches Gehör vor Gericht hat. Das heißt, die Verhandlung muss am Gericht stattfinden. Wir können es nicht in einen virtuellen Raum verlagern, meine Damen und Herren. Zudem haben Sie ein Folgeproblem gar nicht bedacht. Es gibt vor den Amtsgerichten keinen Anwaltszwang, sodass es jedem Bürger unbenommen ist, auch selbst vor Gericht zu erscheinen und seine Rechte wahrzunehmen. Damit werden Sie, wenn Sie auf Antrag einer Partei ein Videoverfahren zulassen, letztlich die Menschen benachteiligen und juristisch ein Stück weit ins Abseits drängen, die das typischerweise gar nicht können und wollen: Ältere, Rentner, Menschen, die Schwierigkeiten damit haben. Aber der Zugang zum Gericht ist für jeden da, nicht nur für diejenigen, die ein Webcam-Equipment haben. Und dann fordern Sie unabhängig von dieser Frage, dass der Öffentlichkeitsgrundsatz, auch ein verfassungsrechtlich verbrieftes Recht, durch einen Livestream im Internet ersetzt werden kann. Damit ändern Sie völlig den Charakter von Gerichtsverhandlungen. Die Sitzungsöffentlichkeit ist deswegen ein wichtiges Instrumentum, weil es jedem Bürger unbenommen bleibt, jederzeit zum Gericht zu gehen und sich von der Ordnungsmäßigkeit der Verhandlungen zu überzeugen. Aber wenn Sie es ins Internet übertragen, dann haben Sie möglicherweise das Phänomen – das riskieren Sie vollen Bewusstseins –, dass die Verhandlung mitgeschnitten wird, dass Bilder aufgenommen werden, und so machen Sie aus der Sitzung ein Medienspektakel. Das wird auch dem rechtsstaatlichen Anspruch an einen ordentlichen Zivilprozess nicht gerecht. Der Flaschenhals besteht darin, dass wir die Akten digitalisieren müssen, damit die Akten schneller laufen. Wir sorgen mit dem Pakt für den Rechtsstaat dafür, dass die Justiz besser ausgerüstet wird und die Verfahren beschleunigt werden. Wo Sie also noch formulieren, haben wir bereits gehandelt. Um es abschließend zu sagen: Auch der Begriff „virtuelle Gerichtsverhandlung“ ist übrigens ein Fehlgriff. Nach dem Duden heißt virtuell „nicht echt“, also nur echt erscheinend. Wir wollen aber keine nicht echten Gerichtsverhandlungen, sondern wir wollen wirkliche Gerichtsverhandlungen haben, und wir bleiben dabei. Deswegen lehnen wir Ihren Antrag ab. Vielen Dank, Dr. Volker Ullrich. – Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Jens Maier.
0
0
1
0
-1
1
162
20
28
ID202805400
1,649,289,600,000
9:00
23:29
11,004,116
Nadine Schön CDU/CSU
Nadine
Schön
CDU/CSU
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Ich will nicht auch noch meine Zukunft verlieren.“ Dieser Satz einer jungen ukrainischen Studentin hat mich ganz besonders berührt. Wir hören so viel über die Flüchtlinge, die zu uns kommen, führen Gespräche, treffen sie vor Ort. Darunter sind so viele Frauen, junge Mädchen und Kinder, die Hoffnungen haben, dass sie hier gut aufgenommen werden, dass sie ihre Zukunft hier fortsetzen können, dass sie gut integriert werden, dass sie die Chance auf Bildung haben und dass sie das, was sie sich an Bildung in der Ukraine aufgebaut haben, jetzt nicht auch noch verlieren wie so vieles, was sie zurücklassen mussten. Deshalb ist es unsere gemeinsame Verantwortung, ihnen diese Zukunft zu ermöglichen. Das, was ich heute teilweise an Vorwürfen – gerade von den letzten Rednern – gehört habe, macht mich wirklich sprachlos. Ich frage mich: Was tut die Bundesregierung dafür, dass diese jungen Menschen eine Zukunft haben? Was ich bisher wahrnehme, sind eine nach wie vor unklare Datenlage, wie viele Kinder und Jugendliche überhaupt hier sind, und auch eine teilweise Konzept- und sogar Sprachlosigkeit der Bundesregierung. Wir haben eine Bundesfamilienministerin – sie hat den Saal gerade schon verlassen –, die mehr mit ihrer Vergangenheit beschäftigt ist als mit den aktuellen Themen. Alle Punkte, die heute erwähnt worden sind, sind Programme und Initiativen der letzten Regierungen, die jetzt fortgeführt werden, was richtig ist. Aber alles, was jetzt genannt wurde, sind die Aktivitäten von Ehrenamtlichen, von der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt und von Hilfsorganisationen. Wir bedanken uns zu Recht bei ihnen, aber das reicht nicht. Wir brauchen auch eigenes Engagement dieser Bundesfamilienministerin. Das Gleiche gilt für die Bundesministerin für Bildung und Forschung. Wir haben – Stand letzte Woche – 41 000 ukrainische Kinder und Jugendliche in den deutschen Schulen und viele auch in den Kindergärten, und es können auch noch Hunderttausende werden. Vor Ort fragt man sich: Wie bewältigen wir das? Die Schulen sind seit zwei Jahren wegen Corona im Ausnahmezustand. Die Kindergärten sind gut gefüllt. Das ist eine Riesenkraftanstrengung. Dann schaue ich in mein Bundesland, wo die SPD-Bildungsministerin sagt: Die integrieren wir alle in den Regelunterricht; die stecken wir einfach in die Klassen dazu. Ob das eine Lösung ist für die Kinder, die hier jetzt traumatisiert ankommen, und für die Kinder, die schon in den Schulen sind, dahinter würde ich einmal ein großes Fragezeichen setzen. Wenn sich dann unsere Bundesbildungsministerin zum großen Ziel gemacht hat, Bildungsgerechtigkeit in diesem Land zu fördern, dann kann sie genau an dieser Stelle zum ersten Mal damit anfangen: Bildungsgerechtigkeit für die Kinder, die zu uns kommen, und Bildungsgerechtigkeit für die, die schon da sind. Da erwarte ich konkrete Hilfe und konkrete Unterstützung und nicht einfach ein Abarbeiten des bisherigen Koalitionsvertrags. Das gilt im Übrigen auch für den Bundesgesundheitsminister. Es gibt auch eine Menge Gesundheitsfragen, die zu klären sind. Jetzt werden die Impfzentren geschlossen, und das, obwohl wir alle wissen: In unserem Land gibt es die Masernimpfpflicht für die Kinder in den Kindergärten und Schulen. Es sind Untersuchungen zu machen. Trotzdem schließen wir die Impfzentren, die auch in dieser Situation, die in den nächsten Wochen noch schlimmer werden wird, so eine wertvolle Unterstützung sein könnten. Ich habe mich gefragt: Frau Bünger von der Linken, warum beschimpfen Sie eigentlich hier die Union? Es ist mir sehr schnell klar geworden: weil die Situation in Ländern wie Berlin, wo Sie mitregieren, besonders prekär ist. Da stehen die Ehrenamtler am Bahnhof und sagen: Diese Regierung lässt uns allein. Wir können als Ehrenamtler nicht alles schultern. Wir brauchen mehr Unterstützung, gerade von dieser Regierung hier in Berlin. Deshalb sagen wir: Es braucht einen Masterplan für die Integration der Kinder und Jugendlichen. Wir unterstützen gerne auch mit konkreten Maßnahmen. Wir sind bereit, mitzumachen. Es muss eine gemeinsame Kraftanstrengung sein. Kommen Sie bitte zum Schluss. Aber ich erwarte da auch mehr Engagement dieser Bundesregierung. Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort Clara Bünger.
0
-1
1
0
0
0
163
19
217
ID1921708200
1,616,544,000,000
13:00
19:58
11,004,041
Nicole Gohlke DIE LINKE
Nicole
Gohlke
DIE LINKE
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Die Linke hat heute einen Antrag eingebracht, dass sich der Bund mehr und besser an der Sanierung und an dem Neubau von Schulen und von Hochschulen beteiligen möge. Sie unterstellen jetzt, Herr Kollege, wir wollten damit den Zentralismus einführen, und es ginge uns um Gleichmacherei. Ich habe in meiner Rede gerade eben zum Ausdruck gebracht, dass wir bis 2006 eine gemeinsame Finanzierung des Hochschulbaus durch Bund und Länder hatten. Jetzt möchte ich Sie ernsthaft fragen, ob Sie eigentlich der Meinung sind, dass wir bis 2006 nicht in einem föderalen Staat gelebt haben. Das wäre meine erste Frage. Ich habe eine zweite Frage. In meiner Rede habe ich auch dargestellt, dass wir es an Schulen und Hochschulen mit einem Sanierungsstau von um die 80 Milliarden Euro zu tun haben, davon – konservativ gerechnet – ungefähr 42 Milliarden, 43 Milliarden bei den Schulen und fast die gleiche Summe bei den Hochschulen. Wie genau schaut denn Ihre Antwort aus, wie die Länder und die Kommunen das in naher Zukunft bewältigen sollen? Können Sie dazu auch eine Antwort geben? Aus dem Kommunalinvestitionsförderungsgesetz wird diese Summe ja nicht zustande kommen; da sind wir uns wahrscheinlich einig. Herr Steier, wenn Sie mögen. – Sie mögen, gut.
0
0
0
1
0
0
164
20
39
ID203906200
1,653,955,200,000
10:00
18:52
11,004,289
Metin Hakverdi SPD
Metin
Hakverdi
SPD
Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Etat des BMDV, des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr, hat traditionell einen sehr großen Investitionshaushalt. Wir bauen große Bahnhöfe, Autobahnen, neuerdings auch Radwege, große Wasserstraßen, Schleusen, digitale Stellwerke und riesige Bahnbrücken. Wir bauen sie nicht nur, wir müssen sie auch auf dem neuesten Stand der Technik halten, und ab und zu muss man sie sanieren. Unsere Klimaziele setzen uns im Verkehrssektor besonders unter Druck. Liebe Kolleginnen und Kollegen, tun Sie mir bitte den Gefallen – vielleicht nicht jetzt, sondern später – und googeln Sie mal Ihren Wohnort und das Jahr 1990, dann drücken Sie auf „Bilder“, und dann gucken Sie mal, was Sie finden. – Und was fällt Ihnen da auf? 1990 waren sehr wenig Autos auf der Straße, richtig wenig Autos auf der Straße. Jetzt rechnen Sie mal: Bis 2030 wollen wir 65 Prozent der CO2-Emissionen im Vergleich zu 1990 – im Vergleich zu 1990, nicht im Vergleich zu heute – einsparen. Das betrifft in erheblichem Maße auch den Verkehr. Schauen Sie noch einmal auf die Bilder. Ich würde sagen, das bedeutet eine Menge Elektroautos und sehr viele zusätzliche Bahnkunden bis 2030. Wenn wir unsere Klimaziele erreichen wollen, wird sich einiges in diesem Jahrzehnt wandeln müssen, auch im Sektor Verkehr. Sicherheit im Wandel bedeutet, dass wir massiv in die Verkehrsinfrastruktur investieren müssen. Es wäre großartig, wenn mehr Menschen vom Auto auf die Bahn umsteigen. Es wäre großartig, wenn mehr Güter von der Straße auf die Schiene oder auf die Wasserstraßen kämen. Es wäre großartig, wenn mehr Menschen das Rad benutzen würden. Klar ist aber auch: Mobilität darf kein Luxusgut werden. Sie muss für alle Einkommensgruppen bezahlbar bleiben. Der Wandel im Verkehrssektor darf keinen sozialen Abstieg fördern. Mobilität gehört zur Daseinsvorsorge. Wir haben in den Beratungen seit der ersten Einbringung des Haushalts Ende März dieses Jahres einige Änderungen vorgenommen, um den Wandel im Verkehrssektor schneller voranzubringen. Beispielhaft seien hier genannt: Zuschüsse an private Unternehmen im kombinierten Verkehr: Wir unterstützen Investitionen in Anlagen, die Güter von der Straße auf die Schiene oder aufs Wasser bringen. Radverkehr: Wir investieren mehr in das Radnetz Deutschland und in das Sonderprogramm „Stadt und Land“. In Zukunft werden mehr Menschen auf das Rad umsteigen, weil es, elektrisch verstärkt, komfortabler wird und vor allen Dingen größere Reichweiten haben wird. Dazu braucht es auch ein richtiges Radwegenetz. Wasserstraßen: Wir haben darüber hinaus die Mittel zur Unterhaltung von Wasserstraßen erhöht. Allein für die Seekanalvertiefung Rostock haben wir Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 118 Millionen Euro in den nächsten Jahren ausgebracht. Und schließlich die wichtigste Veränderung zum Regierungsentwurf: Für die Digitalisierung der Schiene haben wir mehr als 400 Millionen Euro bereitgestellt. Lassen Sie mich im Zusammenhang mit dem Thema Digitalisierung zu den Herausforderungen der Zukunft im Verkehrsetat kommen. Ich sehe zwei Schwerpunkte: erstens Digitalisierung der Schiene, zweitens Erhalt der Infrastruktur. Wir sehen dieser Tage, dass die Bahn immer wieder an ihre Leistungsgrenze kommt: Verspätungen, Zugausfälle, schlicht zu geringe Kapazitäten auf bestimmten Strecken. Diese Probleme bestehen nicht nur bei der Bahn. Sanierungsbedürftige Autobahnbrücken, Wasserwege und Schleusen bereiten uns heute oftmals große Probleme. Wenn wir hier nicht schnell gegensteuern, kann das richtig teuer werden. Wir müssen in den kommenden Jahren in den Erhalt der Verkehrsinfrastruktur investieren. Wir müssen in diesem Bereich unsere Versäumnisse der Vergangenheit aufholen. Gleichzeitig müssen wir im Bereich Digitalisierung der Schiene noch ehrgeiziger werden; denn es schlummert ein riesiger Schatz in unserem Trassennetz. Durch die digitale Vernetzung der bestehenden Infrastruktur – der Gleise, der Weichen, der Stellwerke, der Signale und der Fahrzeuge auf den Gleisen – können die bestehenden Gleise deutlich mehr Kapazität, also mehr Züge, deutlich zuverlässiger bewältigen. Dafür müssen wir aber in die Infrastruktur investieren und sie digital ausrüsten. Wenn wir wollen, dass Menschen vom Auto auf die Bahn umsteigen – das ist gut so –, dann muss die Bahn aber auch verlässlich, komfortabel und preiswert sein. Wir werden das nur mit massiven Investitionen in die Infrastruktur erreichen. Dabei sind die Digitalisierung der Schiene und der Ausbau des Streckennetzes besonders wichtig; denn so wird das Umsteigen auf die Bahn attraktiver. Wir haben deshalb im Haushaltsausschuss einen Maßgabebeschluss an die Bundesregierung gerichtet – mit Erlaubnis der Präsidentin zitiere ich daraus –: Die Bundesregierung ist aufgefordert, bei der Aufstellung des Haushaltsentwurfs 2023 und der Finanzplanung im Einklang mit dem Koalitionsvertrag bei der Anhebung und langfristigen Absicherung der Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur erheblich mehr in die Schiene als in die Straße zu investieren. Mit den anzuhebenden Ansätzen im Kapitel Bundesschienenwege sind insbesondere die Digitalisierung der Schiene und die Ausweitung des Streckennetzes im Bahnverkehr prioritär voranzutreiben. Damit ist alles gesagt, liebe Kolleginnen und Kollegen. Der Haushaltsausschuss hat mit diesem Maßgabebeschluss ein Machtwort Richtung Regierung gesprochen. Wir meinen es ernst. Wir wollen die Schiene ausbauen, wir wollen die Schiene digitalisieren. Wir sehen uns hier alle nach der Sommerpause wieder, um den Haushalt 2023 zu beraten. Wenn wir unsere Klimaziele erreichen wollen, müssen wir massiv in die Verkehrsinfrastruktur investieren. Zum Abschluss noch herzlichen Dank an die Kolleginnen und Kollegen Berichterstatterinnen und Berichterstatter. Herzlichen Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Ministerium, an die Referentinnen und Referenten in den AGen und in den Abgeordnetenbüros. Die Arbeit hat sich gelohnt. Ich freue mich auf den Haushalt 2023. Vielen Dank. Auch der Dank war innerhalb der Redezeit. Ich nehme das als Anregung für alle nachfolgenden Rednerinnen und Redner mit und gebe jetzt das Wort dem Kollegen Victor Perli für die Fraktion Die Linke.
0
1
0
0
1
1
165
19
4
ID19406600
1,513,036,800,000
09:00
18:01
11,004,175
Stephan Thomae FDP
Stephan
Thomae
FDP
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Der erste Gesetzentwurf der Freien Demokraten in dieser 19. Wahlperiode ist nicht zufällig ein Bürgerrechtestärkungs-Gesetz, sondern definiert eines der Kernanliegen der Freien Demokraten, an dem sich nichts geändert hat. Deswegen wollen wir uns mit einem Gesetz zur Stärkung der Bürgerrechte in diesem Hohen Haus nach vierjähriger Abwesenheit zurückmelden. Die Sicherheitspolitik der letzten Jahre war geprägt von Angst – Angst vor Terror, Kriminalität, Bedrohung. Die Antwort darauf war viel zu oft: minimale Sicherheitsgewinne gegen maximale Einschränkungen bürgerlicher Rechte. Wir Freien Demokraten wollen eine Trendwende einleiten. Auch wir – auch ich – haben ein Verhältnis zur Sicherheit, aber wir wollen maximale Sicherheitsgewinne bei minimalen Eingriffen in bürgerliche Freiheitsrechte. Wir wollen das Minimaxprinzip wieder vom Kopf auf die Füße stellen, und das macht den Unterschied. So sieht unser Gesetzentwurf eine Aufhebung der anlasslosen, flächendeckenden Vorratsdatenspeicherung vor, die eben keinen maximalen Sicherheitsgewinn bringt, sondern nur der Anlass zur Erhebung von mehr Daten bei unbescholtenen Bürgern ist und nur eine Scheinsicherheit auslöst. Im Augenblick stellt das sogar überhaupt keinen Sicherheitsgewinn dar, weil 2010 das Bundesverfassungsgericht die Vorratsdatenspeicherung für verfassungswidrig und 2014 sowie 2016 der EuGH sie für europarechtswidrig erklärt hat und nun, 2017, ein Oberverwaltungsgericht, das OVG Münster, die VDS ausgesetzt hat. Die Bundesregierung nimmt es hin, dass die Vorratsdatenspeicherung unanwendbar bleibt und vermutlich irgendwann einmal, in einigen Jahren, wiederum von Karlsruhe oder vom EuGH wiederholt wird, dass schon irgendein Anlass bestehen muss, um Daten zu erheben und zu speichern. Da wäre es doch klüger und geschickter und ein effektiverer Sicherheitsgewinn, wenn der Gesetzgeber selbst die anlasslose Vorratsdatenspeicherung aufhöbe und den Weg frei machte für eine anlassbezogene Datenspeicherung, und zwar dort, wo echte Gefahr besteht: bei Gefährdern und gefährlichen Straftätern. Herr Kollege Thomae, erlauben Sie mir kurz eine Intervention. – Ich würde dringend darum bitten, dass die Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU-Fraktion in der ersten und zweiten Reihe die Gespräche einstellen, während der Redner hier vorne redet. Und mir zuhörten. – Danke schön. Neben der Vorratsdatenspeicherung halten wir auch das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, ein Gesetz, das mit heißer Nadel gestrickt ist, auf den letzten Metern der 18. Wahlperiode auf den Weg geschoben, regelrecht durchgezogen wurde, für verfassungswidrig und europarechtswidrig. Denn die Regulierung der Telemedien fällt im Wesentlichen nicht in die Gesetzgebung des Bundes, sondern wäre Gegenstand eines Staatsvertrages der Länder. Es gibt zwar durchaus einige Inhalte des NetzDG, die auch wir Liberale teilen, zum Beispiel Auskunftsansprüche Betroffener. Es gibt aber auch Dinge, die wir extrem kritisch sehen, nämlich insbesondere die Verlagerung der schwierigen rechtlichen Frage der Rechtswidrigkeit von Meinungsäußerungen in die Entscheidungszuständigkeit privater Unternehmen. Denn wenn private Unternehmen unter Androhung empfindlicher Bußgelder innerhalb enger und starrer Fristen entscheiden müssen, ob ein Inhalt als rechtswidrig einzustufen ist und gelöscht werden soll, dann wird man im Zweifel nicht für die Meinungsfreiheit kämpfen und eintreten, sondern ihn sicherheitshalber einfach löschen. Und das ist bitte schön keine Kleinigkeit, sondern ein empfindlicher Grundrechtseingriff. Es gibt aber durchaus einen Punkt, den wir sehr befürworten – Kollege Jarzombek sprach ihn im letzten Tagesordnungspunkt an –, nämlich die Regelung hinsichtlich des Zustellungsbevollmächtigten. Denn das ist eine Frage der ZPO; da sehen wir eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Das ist auch wichtig, weil, wie schon ausgeführt, inländische Betroffene einen inländischen Ansprechpartner brauchen. Für alles andere gibt es noch nicht einmal eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Ja – damit will ich zum Schluss kommen, Herr Präsident –, das Problem einer zunehmenden Verrohung und zuweilen auch Rechtsverachtung im Netz sehen wir wohl. Das muss man angehen. Aber auch dabei muss man sich an die Regeln und die Gesetzgebungskompetenzen halten. Wenn noch nicht einmal eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes besteht, dann halten wir eine Privatisierung von Grundrechtseingriffen wie die Löschung von Meinungsäußerungen für nicht hinnehmbar. Deswegen bitten wir Sie, die Überweisung dieses Gesetzentwurfes zu beschließen. Vielen Dank, Herr Kollege Thomae. – Als Nächstes für die Fraktion der CDU/CSU: die Kollegin Winkelmeier-Becker.
1
0
0
0
1
0
166
19
64
ID196406400
1,542,758,400,000
09:00
18:13
11,004,757
Dr.
Dr. Christoph Hoffmann FDP
Christoph
Hoffmann
FDP
Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Liabe Lüt! Das sagt man bei uns im Südbadischen und hat damit alle, aber auch wirklich alle Geschlechter begrüßt. Der Minister präsentiert uns hier einen Haushalt mit einem ordentlichen Mittelaufwuchs. Das ist nach den dramatischen Aufrufen der letzten Wochen sicher ein Erfolg für Sie persönlich. Also, Sie sind ein wirklich guter Fundraising-Campaigner, wie man heute sagen würde. Es ist aber ein Haushalt nach dem Vorbild des Ablasshandels: Zahle, fühle dich gut und frage nicht, was wirklich hinter den Kulissen passiert. Der Minister reagiert auf Kritik. So hat er für jede Kritik an der Bundesregierung sofort eine Sonderinitiative parat. Er entkräftet die Kritik mit einer schönen Kulisse, mit einem schönen Gemälde: Mehr Geld obendrauf und alles ist gut. – Herr Minister Müller ist der beste Kulissenmaler der Großen Koalition. Beim Murren des Volkes über die Flüchtlingskrise zaubert er einen Marshallplan mit Afrika hervor. Abschiebeprobleme löst er mit weiterem semantischem Mumpitz wie der Sonderinitiative „Perspektive Heimat“. Aber was ist hinter den Bildern und Kulissen? Ein schwarzes Loch und maximal ein Schattenhaushalt. Wenn Sie mal die Haushaltsmittel zusammenzählen, stellen Sie fest, dass Sie am Ende des Tages nur noch 30 Prozent aller Mittel für Afrika ausgeben – und das wollten Sie ja eigentlich in den Fokus nehmen. Das kann und darf es nicht sein. Beim genauen Blick auf die „Perspektive Heimat“ – ich habe mir ein solches Projekt im Irak angesehen – kann ich nur sagen: Das ist wirklich verschwendete Zeit, verschwendetes Geld. Das macht so, wie es da durchgeführt wird, wirklich keinen Sinn. Es wird immer mehr Geld für mehr Umsatz im Ministerium gefordert. Mehr Geld wurde auch von Ihnen, Herr Körber – wir haben es gerade gehört –, wieder gefeiert. Mehr Geld ist toll – Stichwort: ODA-Quote usw. –, aber Umsatz kann doch kein Ziel sein. Wir brauchen Ergebnisse. Dazu fehlen die sachlichen Ziele auf einer klaren Zeitschiene. Sonst ist doch überhaupt kein Steuern eines 10-Milliarden-Euro-Haushaltes mehr möglich. Ich mache Ihnen mal einen Vorschlag, wie das ausschauen könnte: Wenn Sie innerhalb von zehn Jahren 500 Millionen Hektar Wald für den Klimaschutz etablieren, wäre das wirklich was Konkretes, was zum Anfassen, was auch die Bürger verstehen würden. Sie hätten etwas Sinnvolles gemacht, und es wäre glatt gesteuert. Die Kanzlerin hat heute Morgen sehr viel mehr Multilateralität gefordert. Das haben wir Freie Demokraten in jeder Haushaltsdebatte vom Ministerium für Entwicklungszusammenarbeit ebenfalls immer gefordert. Leider auch hier: eine schöne Kulisse. Der Haushalt hat nur etwa 30 Prozent multilaterale Mittel vorgesehen; der Rest ist bilateral. Schauen wir uns doch die Welt an: Die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung haben hier im Haus alle gefeiert; die wollen Sie bis 2030 umsetzen. Aber so ungesteuert wie dieser Haushalt daherkommt, werden wir das nie und nimmer schaffen. Das war doch eigentlich das Ziel. Das Ministerium hat keinen wirklichen Vorschlag für die Ärmsten der Armen. In Subsahara-Afrika liegen die wirklichen Entwicklungsprobleme. Die asiatischen Länder haben sich selbst aus der Armut herausgearbeitet, weniger mit Staatsgeldern der Entwicklungszusammenarbeit, sondern mehr durch stabile Regierungen und durch Schwerpunktsetzung auf Bildung, Marktwirtschaft und Zukunftsorientierung, also im Grunde durch die Umsetzung dessen, was man Good Governance nennt. Daran fehlt es in vielen Staaten Subsahara-Afrikas. Und ohne Good Governance werden all diese Sonderinitiativen – und mögen es noch ein paar mehr sein, Herr Müller – und die vielen BMZ-Gelder keinen Erfolg haben können. Wir brauchen deshalb mehr Good Governance in Subsahara-Afrika. Wie erreichen wir das? Das können wir nur durch gemeinsame Anstrengungen Europas in der Außenpolitik erreichen. Wir brauchen hier Kohärenz und Konsequenz. Wir brauchen mehr Zusammenarbeit mit den Europäern in Prävention und Krisenbewältigung, so wie Macron das am Sonntag in einer bewegenden Rede hier in diesem Haus gefordert hat. Mit der Dynamik und Emotionalität, mit der er hier aufgetreten ist, hat er gezeigt, wie man Europa voranbringen kann. Ich wünsche mir, dass so etwas auch von diesem Haus, von deutschen Führungskräften einmal kommen würde. Es braucht in der EU neue Kräfte, neue Dynamiken, neue Ideen und neue Formate und keine Kanzlerin, deren Amtszeit ausläuft, sondern eher so einen Typen wie Macron. Die Kanzlerin wird die EU nicht mehr einen, sie ist doch selbst Teil der Krise. Die Kanzlerin kann die EU nicht mehr zu dem gemeinsamen internationalen Druck bewegen, den es braucht, um Good Governance in Subsahara-Afrika voranzubringen. Deshalb ist es auch wichtig, dass die EU hier voranschreitet. Wir brauchen eine neue Generation und kein weiteres Gewürge in den nächsten drei Jahren. Nur wenn die EU die Kraft hat, zusammenzustehen, und Despoten auch nicht mehr ansatzweise unterstützt, werden wir Armut und Migration durch eine gute wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung begrenzen können. Denn dann, und erst dann, kann die Privatwirtschaft investieren. Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist für die Fraktion der SPD die Abgeordnete Sonja Amalie Steffen.
0
-1
1
0
1
0
167
19
94
ID199409600
1,554,854,400,000
13:00
18:07
11,004,743
Udo Theodor Hemmelgarn AfD
Udo Theodor
Hemmelgarn
AfD
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste auf den Tribünen! Wer das Wohnen wieder bezahlbar machen will, der muss sich zunächst die Frage stellen, wie es zu der gegenwärtigen Krise auf dem Wohnungsmarkt gekommen ist. Grundsätzlich ist der Wohnungsmarkt ein Markt wie jeder andere. – Hören Sie zu. Der Preis für Wohnraum wird über Angebot und Nachfrage bestimmt. Auf der Angebotsseite können wir zunächst das völlige Versagen aller von Frau Merkel und Ihrem Vorgänger geführten Bundesregierungen feststellen. Seit 1998 wurden in Deutschland keine Maßnahmen zur Förderung des Wohnungsbaus ergriffen. Im Gegenteil: Die unsinnigen Vorgaben der Energieeinsparverordnung haben das Bauen teuer und für Investoren unattraktiv gemacht. Die Wohnungen, die gebaut wurden, entstanden vornehmlich im gehobenen Segment. Da war für die Investoren noch Geld zu verdienen. Natürlich haben sich die gestiegenen Baukosten auch in höheren Mieten niedergeschlagen. Das Gleiche gilt für die Grunderwerbsteuer, die seit 2003 von den Ländern insgesamt 27‑mal erhöht wurde und mittlerweile in der Spitze bei 6,5 Prozent liegt. Auch diese Kosten treiben indirekt die Mietpreise. Erst im Herbst 2018 wurde schließlich ein sogenannter Wohngipfel abgehalten, dessen Ergebnisse als mehr als dürftig bezeichnet werden müssen. Das selbstgesteckte Ziel der Großen Koalition von 1,5 Millionen Neubauwohnungen in dieser Legislaturperiode ist mit den getroffenen Beschlüssen auf keinen Fall erreichbar. Das Versäumnis der Bundesregierung wiegt dabei umso schwerer, als der Wohnungsmarkt die Besonderheit aufweist, dass er ein sehr träger Markt ist und nur langsam auf eine Erhöhung der Nachfrage reagieren kann. Im Übrigen ist das Bauhauptgewerbe derzeit komplett ausgelastet. Während also die Angebotsseite des Wohnungsmarktes so gut wie überhaupt nicht gestärkt wurde, hat sich die Nachfrage nach Wohnungen gerade in den Ballungsräumen seit Jahren erhöht. Seit Jahren wussten die jeweiligen Bundesregierungen von der Flucht der Bürgerinnen und Bürger aus dem ländlichen Raum in die Städte. Darauf reagiert wurde nicht. Weiterhin sind im Zuge der EU-Osterweiterung und der Arbeitsmarktkrise im südlichen Europa vermehrt Menschen aus den dortigen EU-Ländern zu uns gekommen, um hier zu leben und zu arbeiten. Darauf regiert wurde nicht. Schließlich muss man – auch wenn es viele von Ihnen hier nicht hören möchten – in diesem Zusammenhang auch die Zuwanderung erwähnen. Allein im Zuge der Flüchtlingskrise, die 2015 ihren Höhepunkt fand, sind weit mehr als 1,5 Millionen Menschen in unser Land gekommen. Darauf reagiert wurde nicht. Auch gegenwärtig haben wir eine jährliche Zuwanderung von mehreren Hunderttausend Menschen. Es kommt jedes Jahr praktisch eine weitere Großstadt von der Größe Heidelbergs hinzu. Für diese Menschen benötigt man Wohnraum. Die sich steigernde Nachfrage nach Wohnraum hat schließlich zur Verknappung des Wohnraums und zu einer Explosion der Mieten insbesondere in den Großstädten geführt. Damit ist auch klar, was zu tun ist, um das Wohnen wieder bezahlbar zu machen – wir haben das an dieser Stelle schon mehrfach dargelegt –: Das Angebot an Wohnungen muss erhöht werden. Die Wohnungen müssen schneller und auch billiger gebaut werden. Wir fordern seit langem ein Moratorium der Energieeinsparverordnung, bis sich der Wohnungsmarkt wieder normalisiert hat. Die Planungs- und Genehmigungsverfahren müssen beschleunigt werden. Die Bauämter wurden in den vergangenen Jahren personell und materiell so weit ausgedünnt, dass sie kaum noch in der Lage sind, ihre Aufgaben vernünftig zu erfüllen. Hier bedarf es unverzüglicher Maßnahmen, um die Arbeitsfähigkeit wiederherzustellen und zu verbessern. Die Kommunen müssen dazu angehalten werden, Bauland auszuweisen und dem Markt unverzüglich zur Verfügung zu stellen. Die Arbeit der Baulandkommission muss beschleunigt werden. Den betroffenen Mietern ist insbesondere in angespannten Wohnungsmärkten kurzfristig mit einer deutlichen Anhebung des Wohngeldes zu helfen. Das Wohngeld ist dabei in einem zweijährigen Turnus zu dynamisieren. Was in dieser Situation nichts bringt und mittel- und langfristig zu einer weiteren Verschärfung der Krise führt, sind Eingriffe, die Investoren und Vermieter drangsalieren und die Investitionen in den Wohnungsbau endgültig zum Erliegen bringen. Nach der gescheiterten Mietpreisbremse treibt die Politik eine neue Sau durchs Dorf. Das Zauberwort heißt „Enteignung“. Es ist lächerlich, wenn die gleichen politischen Parteien, die vor einigen Jahren im großen Stil Wohnungen an Investoren veräußert haben, die Käufer jetzt als gierige Heuschrecken beschimpfen und den Rückkauf oder sogar die Enteignung von Wohnungen anstreben. SPD und Linke im Berliner Senat waren es, die im Jahr 2004 die Wohnungen der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft GSW für einen Spottpreis von knapp 400 Millionen Euro verkauft haben. Heute beträgt der Wert ein x-Faches. Das nenne ich Verschleuderung von Volkseigentum. Und die gleichen Parteien wollen jetzt enteignen? Das ist hanebüchener Unsinn. Enteignungen lassen keine zusätzliche Wohnung entstehen. Vielmehr werden wenige Privilegierte in den Genuss subventionierter Wohnungen kommen, während sich die Probleme für die Masse der Wohnungssuchenden weiter verschärfen werden. Hinsichtlich der Nachfrageseite auf dem Wohnungsmarkt wiederhole ich abschließend eine Forderung, die ich an dieser Stelle schon einmal erhoben habe: Frau Merkel, nehmen Sie den Migrationsdruck von den Wohnungsmärkten, und sichern Sie endlich die Grenzen! Vielen Dank. Der nächste Redner für die CDU/CSU-Fraktion ist der Kollege Ulrich Lange.
0
0
0
-1
0
0
168
19
77
ID197707100
1,548,892,800,000
10:30
23:37
11,004,791
Steffen Kotré AfD
Steffen
Kotré
AfD
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir von der AfD sehen keine Notwendigkeit eines beschleunigten Netzausbaus. Wir sehen natürlich die Notwendigkeit, die Infrastruktur in Deutschland beschleunigt auszubauen. Wir sollten in Straßen investieren, in Schulen, in öffentlichen Nahverkehr und in die Deutsche Bahn, aber die Stromnetze als solche auszubauen, nur um Strom aus erneuerbaren Energien, also instabilen Strom da durchzuschicken, dafür sehen wir keine Notwendigkeit. Warum nicht? Wir haben ein gutes, bewährtes System. Wir haben kurze Leitungen, wir haben einen Versorger, und in der näheren Umgebung – im Umkreis von 100, 200 Kilometern – sind die Kunden und Abnehmer. Das hat sich bewährt; das ist jahrzehntelang so gemacht worden. Das ist auch in anderen Teilen der Welt so. Wir brauchen keine hyperlangen Stromtrassen. Wir sehen auch, dass diese hyperlangen Gleichstromhochspannungsleitungen Pilotanlagen sind. Da fragen wir uns natürlich, warum das so sein muss, warum man da nicht mehr geprüft hat. Wir kennen die Gefahren nicht, die davon ausgehen. Und wir haben auch keinen Überblick darüber, zu welchem Stromverlust es dabei kommt. Gerade bei kurzen Leitungen ist die Stromübertragung effizient. Diese Effizienz haben wir bei langen Strecken eben nicht. Auch Sie reden ja immer von Effizienz in der Energieversorgung. Genau die geht hierbei flöten. Um noch einmal zu dem gesundheitlichen Aspekt zu kommen: Einige Strecken bestehen bereits; da stellt sich die Frage, ob man da noch eine zusätzliche Leitung hinlegen kann. Wie gesagt, das sind Gleichstromhochspannungsleitungen, die zum Teil über Häuser hinweggehen. Unsere Forderung ist, dass das so nicht passiert, sondern dass bei Freileitungen 400 Meter Abstand von Häusern gehalten werden muss oder eine Erdverkabelung vorgenommen wird. – So viel zum gesundheitlichen Aspekt. Dann gibt es natürlich noch den Aspekt der Entschädigungszahlungen. Wenn wir uns die entsprechenden Bestimmungen anschauen, stellen wir fest, dass sie sehr restriktiv gegenüber den Grundstückseigentümern sind; da werden Entschädigungszahlungen gedeckelt. Was auch nicht so ganz klar hervorkommt, ist, ob wiederkehrende Entschädigungszahlungen vereinbart werden können. Denn nur wiederkehrende Entschädigungszahlungen tragen zur Generationengerechtigkeit bei. Das wollen wir gewahrt wissen. Vorbild sind hier natürlich die Kommunen: Auch die Kommunen erhalten wiederkehrende Zahlungen für von ihnen erteilte Konzessionen, also dafür, dass die Versorger ihre Leitungen legen können. All diese Dinge veranlassen uns zu der Vermutung: Vielleicht soll am Ende doch die Enteignung stehen, vielleicht soll sie ein bisschen schneller durchgedrückt werden. Ich weiß es nicht. Mir jedenfalls kommt das spanisch vor. Wie ich schon sagte: Wir brauchen keine Beschleunigung beim Ausbau des Stromnetzes, und deswegen lehnen wir die vorgesehenen Gesetzesänderungen ab. Vielen Dank. Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Abgeordnete Johann Saathoff für die Fraktion der SPD.
0
0
0
0
0
1
169
19
4
ID19404900
1,513,036,800,000
09:00
18:01
11,004,272
Dr.
Dr. Fritz Felgentreu SPD
Fritz
Felgentreu
SPD
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Außenminister der Europäischen Union haben auf ihrem gestrigen Treffen abschließend die Permanente Strukturierte Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Verteidigungspolitik beschlossen. Zusammen mit dem Europäischen Verteidigungsfonds verleiht die sogenannte PESCO – das ist die englische Abkürzung – damit einer gemeinsamen europäischen Verteidigung zum ersten Mal Kontur. Die EU beweist mit der PESCO Handlungsfähigkeit angesichts neuer Herausforderungen. Zwei entscheidende Anstöße dazu kamen von außen. Europa hat in den letzten Jahren lernen müssen, dass es sich in Fragen seiner Sicherheit nicht mehr in gleichem Maße auf die USA verlassen bzw. nicht mehr zurücklehnen kann wie in der Vergangenheit. Gerade die Entwicklung in Syrien hat uns deutlich vor Augen geführt, welche Risiken entstehen können, wenn ein geringes Engagement der USA und Europas Schwäche in einer instabilen Region ein sicherheitspolitisches Vakuum entstehen lassen. Dann verfolgen andere handlungsfähige und handlungswillige Akteure ganz ungehindert ihre Interessen. Gleichzeitig hat der Rückzug Großbritanniens aus der Europäischen Union zumindest ein politisches Hindernis auf dem Weg zu tieferer verteidigungspolitischer Integration beseitigt. Der Europäische Verteidigungsfonds und PESCO sind Antworten auf eine veränderte Weltlage, die sich in Europa niemand in politischer Verantwortung so gewünscht hat. Dass Europa dennoch in der Lage war, schnell und konzentriert zu reagieren, stimmt hoffnungsvoll. Die PESCO stimmt hoffnungsvoll einmal deswegen, weil sie klug konstruiert ist. Mit ihren finanziellen Zielvorgaben – 20 Prozent der Verteidigungsausgaben der Teilnehmerstaaten müssen in Investitionen fließen, 2 Prozent in Forschung und Technologie – fügt sie sich nahtlos in die Zielvorgaben der NATO ein. Damit wird auch klar, dass sie nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung zur NATO konzipiert ist. Die NATO ist und bleibt auf Dauer das Rückgrat der Sicherheit Europas. Ohne diesen Rahmen wäre es vielen Ländern, insbesondere in Ost- und Mitteleuropa schwergefallen, sich auf die PESCO einzulassen. Zum anderen ist die PESCO eine erweiterungsfähige Struktur mit niedriger Zugangsschwelle. Nicht alle Staaten der EU sind zur Teilnahme verpflichtet, und nicht alle Teilnehmerländer müssen sich auch an allen Vorhaben beteiligen. So ermöglicht die PESCO den Ländern, die zu tieferer Integration bereit sind, die engere Zusammenarbeit, ohne die anderen auszugrenzen. Das ist ein sehr europäisches Konzept, das eben nicht mit politischem Druck überwältigen, sondern durch Anreize überzeugen will. Und diese Anreize können sich sehen lassen. Es geht um nicht weniger als um einen Zugewinn an Sicherheit, um größere Effektivität bei der gemeinsamen Entwicklung militärischer Fähigkeiten und um den klügeren Einsatz der dafür notwendigen finanziellen Mittel. Der deutsche Weg enger, bilateraler und multilateraler Kooperation mit unseren unmittelbaren Nachbarn in der EU – besonders die Zusammenarbeit mit Holland ist dafür ein gutes Beispiel – kann unter dem Dach der PESCO ohne Richtungswechsel weiter beschritten werden. Deutschland hat sich in dieser Anfangsphase unter anderem zur Leitung von PESCO-Vorhaben im Sanitätswesen, in der Logistik, in der Ausbildung für Auslandseinsätze und in der Vorbereitung auf Krisensituationen verpflichtet. All das ist gut und vernünftig. Gut ist auch, dass wir heute auf Antrag der Linken die Gelegenheit nutzen, im Parlament über PESCO zu diskutieren. Das ist im letzten halben Jahr definitiv zu kurz gekommen, allerdings aus Gründen, die nicht unbedingt der Regierung anzulasten sind. In Zeiten des Wahlkampfes und – Achtung, keine Ironie – in Zeiten der Regierungsbildung war dafür auch nicht so sehr die Gelegenheit. Es ist allerdings Unsinn, zu behaupten, die Regierung habe durch ihre Zustimmung zur Einrichtung der Strukturierten Zusammenarbeit ihre politischen Kompetenzen überschritten. Genau dafür ist sie da, und sie kann sich bei ihrem Handeln auch auf eine breite parlamentarische Mehrheit verlassen; das hat die Diskussion hier gezeigt. Es sind ja nur zwei Fraktionen, nämlich die beiden Fraktionen, deren gemeinsamer Nenner es ist, die Westbindung unseres Landes bei jeder Gelegenheit infrage zu stellen, die hier nicht mitgehen wollen. – Ja, genau die meine ich. Richtig. Mit der SPD sind deutsche Sonderwege nicht zu machen. Im Gegenteil: Wir sind und bleiben die Partei des Seit’ an Seit’, auch und gerade in der europäischen Sicherheitspolitik. Dabei ist uns klar, dass Deutschland als Partnerland sich nicht für alle Zeiten in sicherheitspolitische Komfortzonen wie das Sanitätswesen oder die Logistik zurückziehen kann. Und der Regierung muss klar sein, dass die Zusagen, die sie macht, im Parlament Bestand haben müssen. Der Parlamentsvorbehalt gilt für Einsätze ohne Wenn und Aber, und der Haushaltsgesetzgeber sind wir. Lieber Herr Staatssekretär Grübel, gehen Sie bitte immer davon aus, dass wir nur die Projekte finanzieren werden, von denen wir überzeugt sind, dass sie Europa und unser Land sicherer machen und unsere Freiheit schützen. Danke schön. Der letzte Redner in der Aktuellen Stunde ist von der CDU/CSU der Kollege Thorsten Frei.
0
0
0
0
0
1
170
19
203
ID1920310600
1,610,496,000,000
13:00
20:13
11,004,949
Isabel Mackensen SPD
Isabel
Mackensen
SPD
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute zum Thema Agroforstwirtschaft. Es ist zugegebenermaßen mein erster eigener Antrag, den ich als Berichterstatterin für Waldbau verhandeln durfte. Ich möchte hier, an dieser Stelle, dem Kollegen Alois Gerig für die konstruktive Zusammenarbeit danken, die es ermöglicht hat, dass wir diesen Antrag zusammen mit der CDU/CSU heute vorlegen können. Aber Sie sehen: Wir beraten heute nicht nur unseren Antrag, sondern es liegen insgesamt fünf Anträge vor. Daran sieht man auch, wie wichtig dieses Thema ist und welche Bedeutung es innerhalb der anderen Fraktionen hat. Ich denke, dass es auch zu einer entsprechenden Beschlussfassung kommen wird. Was ist Agroforst? Ein multifunktionales Landnutzungssystem; das haben wir schon gehört. Sie alle kennen Streuobstwiesen; hier treffen beispielsweise Obstbäume und grasende Schafe aufeinander. Es ist also eine Kombination aus verschiedenen Nutzungssystemen, die es schon – Herr Auernhammer hat es bereits gesagt – seit Jahrhunderten gibt. Es gilt jetzt, dieses System wieder zurückzuholen in die Jetztzeit. Es gibt moderne Agroforstsysteme, die vor allem produktionsorientiert aufgebaut sind. Die Anlage ist hier nicht durcheinander wie auf Streuobstwiesen, sondern es wird in Reihen angelegt, damit auch maschinell bewirtschaftet werden kann. Der Vorteil hier ist, dass es die ökologischen Vorteile des Klima- und Umweltschutzes, die gerade schon dargestellt wurden – Stichworte „Humusbildung“, „CO2-Speicherung“ und „Artenvielfalt“ –, trotzdem beibehält. Das ist ein ganz großartiges System. Jetzt ist natürlich die Frage: Warum mussten wir diesen Antrag schreiben, wenn es doch so unumstritten großartig ist? Es wurde auch schon gesagt: Die Rechtssicherheit fehlt an dieser Stelle. Eine Umtriebszeitbeschränkung ist wirklich schwierig, wenn man Angst haben muss, dass das Ackerland zu Wald wird. Deshalb fordern wir mit diesem Antrag, dass das Ministerium diese Regelungen insoweit ändert und die Grundlage dafür legt, dass die Bewirtschaftung für die Landwirtinnen und Landwirte ermöglicht wird. Es ist nämlich nicht so, dass wir von Berlin aus eine fixe Idee haben und sagen: „Wir müssen dieses System den Landwirtinnen und Landwirten jetzt vorschreiben“, sondern an uns ist der Wunsch herangetragen worden, dieses System gerne umzusetzen. Das ist doch eine schöne Sache, wenn aus der Praxis heraus diese Forderung an uns gestellt wird und wir das in einem Antrag an das Ministerium weitergeben können. Ich möchte mich an dieser Stelle aber auch besonders bei Frau Dr. Tackmann bedanken, die das Thema schon lange auf die Agenda gesetzt hat. Die Fraktion Die Linke hat in ihrem Antrag leider das Ganze als Gesetzesforderung formuliert, weshalb wir ihm leider nicht zustimmen können. Aber ich möchte mich an dieser Stelle trotzdem noch mal bei ihr für ihr Engagement bedanken. Wie das Ganze in Praxis aussieht, habe ich mir am letzten Wochenende noch mal in Ebertsheim in der Pfalz angeschaut. Das ist in meinem Wahlkreis; das wird Sie nicht überraschen. Da gibt es die promovierten Biologen Hannah und Jessy Loranger, die 2018 begonnen haben, das Projekt eines Waldgartens umzusetzen. Das war eine großartige Gelegenheit, auch wenn es jetzt im Winter war; sie waren ein bisschen traurig, dass man jetzt nicht die ganze Vielfalt sehen konnte. Aber es war schon ein interessanter Blick. Sie haben sich extra eine Streuobstwiese ausgesucht, die besonders in Mitleidenschaft gezogen war. Der Boden war ausgedörrt, die Bäume haben nicht mehr viel getragen. Mit ihrem 2018 angelegten Waldgarten haben sie es geschafft, dass sich ein unglaublicher Humusaufbau und eine unglaubliche Bodenlockerheit entwickeln konnten, und ich konnte mich davon überzeugen – sogar im Winter –, wie großartig diese Systeme sind. Deshalb bin ich ganz positiv, dass wir mit diesem Antrag etwas Richtiges tun, in die richtige Richtung gehen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Der Nächste ist für die FDP-Fraktion der Kollege Karlheinz Busen.
0
0
1
1
0
1
171
19
221
ID1922116200
1,618,444,800,000
9:00
23:15
11,004,217
Dr.
Dr. Tobias Lindner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Tobias
Lindner
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Anlass für dieses Gesetz ist erst einmal ein beunruhigender: Wir haben feststellen müssen, dass wir im Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr, der Einheit, in der die Soldaten mit den höchsten Fähigkeiten ausgestattet sind, eine überdurchschnittliche Anzahl rechtsextremer Vorfälle und rechtsextremer Verdachtsfälle haben. Wir haben das feststellen müssen, obwohl die Soldaten des Kommandos Spezialkräfte die bisher höchste Sicherheitsüberprüfung durchlaufen haben. Deswegen ist es richtig, Sicherheitsüberprüfungen häufiger durchzuführen und sie intensiver – ich will sagen: zeitgemäßer – zu gestalten. Deswegen will ich für meine Fraktion sagen: Auch wenn die Ausschussberatungen noch vor uns liegen, werden wir den vorliegenden Gesetzentwurf an dieser Stelle sehr wohlwollend begleiten. Eine Sicherheitsüberprüfung, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist immer nur eine Punktaufnahme, eine Momentaufnahme; sie sagt etwas über die überprüfte Person aus zu dem Zeitpunkt, wo sie überprüft wird. Was zwischen zwei Überprüfungen geschieht, das entzieht sich in vielen Fällen oft der Kenntnis der Sicherheitsbehörden. Deswegen begrüßen wir grundsätzlich, dass in besonders sicherheitsrelevanten Bereichen nun dieses Intervall verkürzt wird. Wir halten das für einen geeigneten Schritt. Ich will aber an dieser Stelle eines auch deutlich machen: Auch in einem kürzeren Intervall können Personen sich radikalisieren, können auf die schiefe Bahn geraten, können in falsche Gesellschaft geraten. Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, sage ich: Das beste Sicherheitsnetz innerhalb der Bundeswehr sind all diejenigen Soldatinnen und Soldaten – und das ist der weitaus überwiegende Teil –, die tagtäglich ihren Dienst treu und auf dem Boden unserer Verfassung leisten, liebe Kolleginnen und Kollegen. Es liegt in der Verantwortung dieser Soldatinnen und Soldaten, keine falsch verstandene Kameradschaft zu pflegen, sondern hinzuschauen, wenn ihnen etwas auffällt, eine Meldung an Vorgesetzte nicht irgendwie als Verrat oder Illoyalität zu empfinden, sondern als das, was notwendig ist, nämlich die Bundeswehr von dem Teil ihrer Angehörigen – und das ist ein kleiner Teil, aber ein gefährlicher Teil – zu reinigen, die ihren Diensteid gebrochen haben und in unseren Streitkräften nichts verloren haben, liebe Kolleginnen und Kollegen. Und zuletzt: Die vorgeschlagene einfache Sicherheitsüberprüfung für Reservistinnen und Reservisten begrüßen wir ausdrücklich; denn in dem Moment, wo eine Reservistin oder ein Reservist zur Wehrübung herangezogen wird, die Uniform wieder anzieht, Soldatin oder Soldat wie jeder andere dann auch in der soldatischen Gemeinschaft ist, darf für diese Person kein zweiter Standard, kein niedrigerer Standard gelten als für die diejenigen Soldaten, die beim Eintritt in die Bundeswehr bereits heute schon sicherheitsüberprüft werden. Deswegen ist auch das ein geeigneter Schritt. Wie gesagt: Wir werden den Gesetzentwurf sehr wohlwollend begleiten. Herzlichen Dank. Vielen Dank, Tobias Lindner. – Der nächste Redner für die Fraktion der CDU/CSU ist der Abgeordnete Jens Lehmann.
0
1
-1
0
0
0
172
20
44
ID204413000
1,655,942,400,000
9:00
23:47
11,004,779
Michael Kießling CDU/CSU
Michael
Kießling
CDU/CSU
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute über den Gesetzentwurf der Linken mit dem Titel „Wiederherstellung des Vorkaufsrechts in Milieuschutzgebieten“. Ich dachte, ich habe versäumt, dass wir es abgeschafft haben. Nein, wir haben es nicht abgeschafft: Es steht nach wie vor im Baugesetzbuch, aber das Bundesverwaltungsgericht hat eine Klärung herbeigeführt, und das ist auch gut so. Herr Semet hat es gut dargestellt: Eigentum ist zu schützen, ist zu wahren, und wir müssen sorgfältig damit umgehen. Darum kann man den Gesetzentwurf der Linken einfach nur ablehnen. Ein wichtiger Punkt ist auch, dass wir uns einmal darüber Gedanken machen müssen, wer diese Wohnungen baut. Alle müssen Wohnungen bauen, das ist nicht einseitig die öffentliche Hand. Es gehört eine Ausgewogenheit dazu. Was sich in unserem Haus, zumindest hier auf der linken Seite, öfters abspielt, ist, dass so getan wird, als ob der Investor, der Vermieter der Böse ist, der immer versucht, jemanden über den Tisch zu ziehen, als ob der Mieter immer der Geschädigte ist und der Staat alles besser kann. Meine Damen und Herren, wenn sich diese Haltung bei uns hier durchsetzt, wer soll dann die Wohnungen noch bauen? Wir sehen doch, dass es nicht besser ist, wenn der Staat baut; die Geschichte zeigt es doch. Daher sage ich: Wir brauchen alle. Das Vorkaufsrecht mag ein Baustein sein, ja. Aber es ist nicht der Sinn, damit günstige Wohnungen zu bauen. Dafür brauchen wir mehr, und da haben wir in der letzten Regierung mit dem Baulandmobilisierungsgesetz auch schon vorgelegt. Es gibt ja schon Bauleitplanungstools, um Wohnungen zu schaffen. Dafür brauchen wir nicht das Vorkaufsrecht. Das gilt es zu nutzen. Wir müssen verdichten, wir müssen nachbauen. Wir müssen natürlich auch schauen, dass wir Investoren auch in die großen Städte bringen und entsprechend Wohnraum schaffen; denn wo angespannter Wohnungsmarkt ist, sind in der Regel wenige Wohnungen da. Wo wenige Wohnungen da sind, da steigen die Kosten. Da müssen wir schauen, dass das Angebot stimmt. Dafür brauchen wir die Genossenschaften. Dafür brauchen wir die Kommunen, die das Baurecht schaffen. Dafür brauchen wir aber auch Private. Wir wissen ja auch, wer die meisten Wohnungen vermietet. Es sind die kleinen Leute, die Wohnungen vermieten, es sind nicht die Großen. Und je mehr Steine wir diesen Leuten in den Weg legen, umso weniger wird gebaut und umso weniger wird investiert. Deswegen brauchen wir diese Ausgewogenheit. Ich wünsche der SPD viel Vergnügen in den Verhandlungen mit den Grünen, und ich hoffe, Herr Semet, dass sich die FDP dort auch durchsetzen kann. Das ist schon ein Punkt, bei dem ich sage: Für bezahlbaren Wohnraum in den Städten brauchen wir Wohnungen, und die müssen gebaut werden. Dazu gehört auch die Nachverdichtung. Das Vorkaufsrecht kann hilfreich sein, aber dann unter maximalem Schutz des Eigentums; das muss man einfach so sehen. Das ist ein riesiger Eingriff. Von daher hoffe ich auf einen guten Gesetzesvorschlag von der Koalition, obwohl ich bezweifle, dass es ihn geben wird. Milieuschutz hat nichts mit Mieterschutz zu tun. Es wird gerade so getan, als diene das Vorkaufsrecht dem Mieterschutz; das ist Schwachsinn, meine Damen und Herren. Wenn eine Wohnung verkauft wird, ist der Mieterschutz nach wie vor gegeben. Das hat mit dem Vorkaufsrecht erst mal gar nichts zu tun. Mit dieser Mär müssen wir erst mal aufräumen, dann können wir uns darüber unterhalten: Was macht Sinn? Wenn eine Kommune städtebauliche Belange sieht, einen Bereich zu entwickeln, dann hat sie auch die dafür nötigen Werkzeuge, etwa einen sektoralen Bebauungsplan und einen projektbezogenen Bebauungsplan. Es gibt schon viel, und das muss entsprechend funktionieren. Nur das Vorkaufsrecht auszuüben, um eine Abwendungsvereinbarung zu erzwingen, das ist der falsche Weg; da brauchen wir andere Mittel. Von daher, liebe FDP: Wir zählen auf Sie, wir hoffen auf Sie. Aber wir glauben nicht, dass der Entwurf der Regierung unseren Ansprüchen gerecht wird. Herzlichen Dank. Es folgt Daniel Föst für die FDP-Fraktion.
1
0
1
0
0
1
173
19
86
ID198605300
1,552,521,600,000
09:00
23:37
11,004,732
Timon Gremmels SPD
Timon
Gremmels
SPD
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich frage mich, warum Frau Petry die AfD verlassen hat. Das war eins zu eins der gleiche Quark, den wir von der AfD gehört haben. Nur ein Argument, weil mir meine Redezeit dafür eigentlich zu schade ist: Sie haben gesagt, mit dem Atomausstieg würden in Deutschland massenhaft Arbeitsplätze verloren gehen. Genau das Gegenteil ist der Fall. Die dezentralen erneuerbaren Energien schaffen ein Vielfaches der Arbeitsplätze in der Atomenergie. Nehmen Sie das einfach einmal zur Kenntnis. Frau Skudelny von der FDP, es ist schon eine Chuzpe, sich hierhinzustellen und in einer Debatte um Atomkraft als FDP allen Ernstes das Argument der Entschädigungszahlungen an die Industrie in den Mund zu nehmen. Das haben Sie mit Bezug auf die Brennstofflieferungen nach Belgien getan. Es war doch Ihre Rolle rückwärts – erst die Laufzeitverlängerung durch Schwarz-Gelb und hinterher die Rückkehr zum Ausstieg –, die dazu geführt hat, dass die Atomenergie entschädigt werden muss. Dafür trägt Schwarz-Gelb die Verantwortung, meine sehr verehrten Damen und Herren! Hätten wir den rot-grünen Atomausstieg vorangetrieben, wäre das in dieser Höhe überhaupt nicht notwendig gewesen. Insofern müssen wir an dieser Stelle daran erinnern: Die Verantwortung auch hinsichtlich der Kosten trägt maßgeblich die damalige schwarz-gelbe Regierung. Auch das muss an dieser Stelle gesagt werden. Herr Kollege Gremmels, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Skudelny? Nein, ich gestatte sie nicht. Die Kollegin kann gerne eine Kurzintervention machen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle eines sagen: Was wir nicht machen sollten, ist, Kohleindustrie, Klimawandel und Atomausstieg auf einmal gegeneinander ausspielen zu wollen. Das wollen wir nicht. Leider gibt es die ersten Vertreter, auch in der Bundesregierung, die genau das machen, die den Kohleausstieg und den Atomausstieg gegeneinander ausspielen. Herr Altmaier hat vor kurzem getwittert, dass Finnland noch immer auf Atomkraftwerke setze und diese sogar ausbaue und deswegen aus Kohle viel früher aussteigen könne und dass das in Frankreich und Großbritannien ebenfalls der Fall sei. Davor warnt die SPD. Wir dürfen nicht Atomausstieg und Kohleausstieg gegeneinander ausspielen. Wir machen das, wie das Klößeessen, nacheinander: Bis 2022 steigen wir aus der Atomkraft aus, bis 2038 aus der Kohlekraft. Beides geht und beides funktioniert. Gleichzeitig erhalten wir gute und hochqualifizierte Arbeitsplätze in Deutschland, weil durch erneuerbare Energien Arbeitsplätze und Wertschöpfung in den Regionen geschaffen werden. Das ist gut für unser Land und gut für die Umwelt. Lassen Sie mich am Schluss eines deutlich sagen: Die beste Werbung im Ausland gegen Atomkraft ist, dass wir die Energiewende erfolgreich hinbekommen. Wenn wir das schaffen, wenn wir da gemeinsam an einem Strang ziehen, wenn das unser Erfolgsprojekt ist, dann kann die Energiewende Made in Deutschland ein Exportschlager sein, wovon andere Länder profitieren, die dann ebenfalls aus der Atomkraft aussteigen. Davon bin ich überzeugt. Daran arbeitet die SPD mit all ihrer Kraft. Ich danke Ihnen. Vielen Dank. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zu den Abstimmungen. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 19/8284 und 19/8271 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Dann ist die Überweisung so beschlossen. Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 6 c. Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Änderung des Atomgesetzes. Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 19/8040, den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 19/964 abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke. Wer stimmt dagegen? – Das sind die Fraktionen SPD, CDU/CSU, FDP und AfD. Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung abgelehnt. Damit entfällt nach der Geschäftsordnung die weitere Beratung bzw. Abstimmung. Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 6 d. Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit auf Drucksache 19/8040. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 19/2520 mit dem Titel „Stilllegung der Uranfabriken Gronau und Lingen – Exportverbot für Kernbrennstoffe“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Das sind die Fraktionen SPD und CDU/CSU sowie FDP und AfD. Wer stimmt dagegen? – Grüne und Linke. Enthaltungen? – Liegen nicht vor. Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen und der Antrag abgelehnt. Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 6 e. Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Kein Sicherheitsrabatt – Abschaltung der belgischen Reaktoren Tihange 2 und Doel 3 weiterhin notwendig“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 19/8039, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 19/6107 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Das sind die Sozialdemokraten, die Christdemokraten, die FDP und die AfD. Wer stimmt dagegen? – Das sind die Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke. Enthaltungen? – Gibt es nicht. – Doch, Entschuldigung, ein fraktionsloser Kollege enthält sich. Eine Enthaltung. Damit ist trotzdem die Beschlussempfehlung angenommen und der Antrag abgelehnt.
0
1
0
0
-1
1
174
19
194
ID1919407500
1,606,262,400,000
13:00
19:17
11,004,892
Martin Sichert AfD
Martin
Sichert
AfD
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Linken wollen heute über gute Löhne sprechen. Ein Lohn ist umso besser, je mehr der Erwerbstätige von seinem erwirtschafteten Geld behalten darf. Gute Löhne sind also das Gegenteil von Umverteilung. Wir haben aktuell drei Rekorde, die nebeneinandergestellt zeigen, dass diese Regierung total versagt. Erstens. Wir haben weltweit die höchsten Steuern und Abgaben. Kein anderes Land weltweit presst seine eigenen Bürger so aus wie wir. Zweitens. Wir machen in diesem und im kommenden Jahr Rekordschulden von mehreren Hundert Milliarden Euro. Drittens. Wir haben Armut auf Rekordniveau. Seit der Wiedervereinigung gab es nie so viele Arme wie heute. Wenn man so viel den eigenen Bürgern wegnimmt und sich so hoch verschuldet, aber trotzdem die Armut steigt, dann stellt sich die Frage: Was läuft schief in Deutschland? Wohin geht das ganze Geld? Die Antwort auf die Frage ist: Ein Großteil dieses Geldes geht in die EU. Ich höre ständig von Abgeordneten anderer Parteien, allen voran von CDU und CSU, dass es total großartig sei, anderen Staaten in der EU Geld zu geben, weil diese Länder schließlich deutsche Produkte kaufen würden. Das ist, mit Verlaub, ökonomisch der größte Schwachsinn, den ich je gehört habe. Was Sie hier politisch machen, ist das Gleiche, wie wenn Sie zu einem Kioskbesitzer gehen, ihm sagen, er soll dem nächsten Kunden, der vorbeikommt, 100 Euro schenken, und dann hoffen, dass derjenige für diese 100 Euro bei ihm einkauft. Wahrscheinlich wird genau wie bei der EU derjenige das Geld einfach dankbar einstecken und es anderswo ausgeben. Aber selbst wenn er das Geld im Kiosk weitergibt, hat der Kioskbesitzer zwar hinterher wieder die gleichen 100 Euro in der Kasse; aber er hat einen massiven Verlust gemacht; denn die Waren für 100 Euro sind dann weg. Diese ganze Umverteilung von deutschem Steuergeld auf andere EU-Länder ist letztlich nur eine brutale Ausbeutung deutscher Erwerbstätiger. Man presst den Erwerbstätigen immer mehr Geld ab, bürdet ihnen immer höhere Staatsschulden auf, die sie abarbeiten müssen, und finanziert damit Steuersenkungen und soziale Wohltaten in anderen Ländern. Diese moderne Form der Lohnsklaverei ist das Gegenteil von Verteilungsgerechtigkeit und von guten Löhnen. Es ist scheinheilig, dass Sie von den Linken, die immer das Loblied auf die EU mitsingen, sich hierhinstellen und über mangelnde Verteilungsgerechtigkeit und schlechte Löhne klagen. Ändern Sie stattdessen mal Ihre europäische Politik! Neben der EU-Politik ist aber auch die Verteilung des Geldes innerhalb von Deutschland ein Problem. Anstatt dass wir Armut bekämpfen, werden mit Abermilliarden Euro nicht konkurrenzfähige umweltschädliche Projekte wie Elektroautos und Windräder subventioniert. Das ist eine gigantische Umverteilung von unten nach oben. Die Wohlhabenden, die sich ein Elektroauto oder ein Windrad leisten können, freuen sich über die Subventionen, die die ärmeren Mitbürger mit ihren Steuern finanzieren. Ganze Industriezweige wie der konventionelle Kraftwerksbau oder die Automobilindustrie mit Hunderttausenden Arbeitsplätzen werden durch diese Politik vernichtet. Auf die Spitze getrieben wird diese wohlstandsvernichtende Politik durch massive Bürokratie wie die geplante Euro-7-Norm. In der Folge baut künftig BMW Motoren in Großbritannien und Daimler in China. Diese gezielte Vernichtung deutscher Arbeitsplätze führt zu steigender Armut. Wir haben aktuell so viel Umverteilung und staatliche Lenkung wie noch nie und als Ergebnis Rekordarmut und massenhafte Vernichtung von Arbeitsplätzen. Ihnen von der Linken, die immer von Vermögensabgaben, neuen Steuern und noch mehr staatlicher Lenkung träumen, kann man nur raten: Sehen Sie sich doch in der Realität um! Genau diese Politik haben wir aktuell, und sie führt nur zu einem, nämlich grassierender Armut. Wir brauchen gute Löhne, also deutlich niedrigere Steuern und Abgaben. Wir brauchen aber auch einen Einsatz der Mittel des Staates für die einheimische Bevölkerung, die einheimische Infrastruktur und die einheimische Wirtschaft. Schluss mit dem Verschleudern unzähliger Milliarden Euro deutschen Steuergelds jedes Jahr an andere EU-Staaten und als Subventionen für unrentable Technologien! Stärken wir Deutschland, bekämpfen wir Armut, indem wir die deutsche Wirtschaft und unsere Mitbürger entlasten und unterstützen! Das wäre nicht nur fair und sozial gerecht, sondern genau das ist auch unser Auftrag als Deutscher Bundestag. Vielen Dank. Ich danke Ihnen. – Nächste Rednerin: für die SPD-Fraktion Daniela Kolbe.
1
-1
0
-1
0
0
175
19
207
ID1920703500
1,611,878,400,000
9:00
17:15
11,004,909
Margit Stumpp BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Margit
Stumpp
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das TK-Modernisierungsgesetz wurde im Dezember zu einem Zeitpunkt vom Kabinett beschlossen, zu dem der europäische Kodex für die elektronische Telekommunikation bereits hätte umgesetzt sein müssen. Ein Vertragsverletzungsverfahren der EU droht. Deswegen sollten 475 Seiten Entwurf seitens der Verbände innerhalb von 48 Stunden kommentiert werden. Die vorgeschriebene und wichtige Beteiligung der Verbände lief damit faktisch ins Leere. Es fällt schwer, die Motivation dafür einzuschätzen: Entweder will man die eigene Agenda durchdrücken, oder man weiß um die Mängel und hat Angst vor berechtigter Kritik. Klar ist: Dieses Vorgehen schlägt sich letztlich negativ auf die Qualität des Gesetzentwurfs nieder. Ein solches Verfahren wird der Bedeutung dieser umfangreichen Novelle einfach nicht gerecht. Als Fraktion sehen wir in den Themenbereichen „Verbraucherschutz“, „Datensicherheit“ und „digitale Infrastruktur“ große Baustellen; ich konzentriere mich heute auf Letzteres. Das neue Gesetz könnte zukunftsweisende Regelungen im Bereich der digitalen Infrastruktur festsetzen – könnte. Eine zukunftsfähige Infrastruktur im Festnetz- und Mobilfunkbereich gehört – das spüren wir jetzt mehr denn je – zur staatlichen Daseinsvorsorge. Deswegen fordern wir seit 2011 den Universaldienst, also einen Rechtsanspruch auf eine schnelle – wohlgemerkt: schnelle – Internetverbindung. Jetzt könnte man sagen: Hurra! Endlich ist Einsicht eingekehrt! – Weit gefehlt. Diese Regierung handelt bei der Umsetzung des EU-Kodex wie ein bockiges Kind, das seine Hausaufgaben nur mit größtem Widerwillen erledigt. Wie so oft orientiert sich die Bundesregierung am Minimum der Grundversorgung, die die europäische Vorgabe gerade noch zulässt. Das vollmundig versprochene Recht auf schnelles Internet besteht im Entwurf der Bundesregierung aus einem Mindestangebot an Diensten, die ein angemessener Breitbandinternetzugangsdienst unterstützen können muss. Maßstab des Kabinetts ist quasi eine Mail, die sich mühsam durch Kupfer schleicht. Eine solche Universaldienstverpflichtung wäre vielleicht zu einer Zeit sinnvoll gewesen, als das Internet tatsächlich noch Neuland war. Inzwischen gilt das nicht mal mehr für Hochbetagte, die sich in pandemischen Zeiten tapfer durch die Onlineanmeldung für einen Impftermin klicken müssen. Deswegen beantragen wir unter anderem, die Bandbreite dynamisch zu bestimmen und entsprechend der COCOM-Empfehlung zu definieren. Grundlage soll die vertraglich vereinbarte maximale Bandbreite der von 80 Prozent der Nutzer/-innen geschlossenen Verträge sein, nicht die mickrige minimale, die im Kleingedruckten versteckt ist und die ohnehin niemand kennt. Im Übrigen dauert das Verfahren zur Feststellung der Unterversorgung und zur Bestimmung der Dienstverpflichteten entschieden zu lange. Wer zu Beginn dieser Pandemie interveniert hätte, würde heute noch auf schnelles Internet warten. Das ist eine Zumutung! Im Gegensatz zur Pandemie können wir hier leicht Abhilfe schaffen. Das muss unser gemeinsames Ziel sein. Vielen Dank. – Das Wort geht an Axel Knoerig von der CDU/CSU-Fraktion.
0
1
0
0
0
0
176
19
77
ID197703200
1,548,892,800,000
10:30
23:37
11,004,733
Erhard Grundl BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Erhard
Grundl
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Man muss nicht gleich Jean-Jacques Rousseau bemühen oder im Jubiläumsjahr des Woodstock-Festivals Canned Heat und ihr „Going up the country“, um festzustellen, dass es sich auf dem Land gut leben lässt. Wie die größere Hälfte der Bevölkerung, der Menschen in Deutschland lebe auch ich dort, und das tue ich sehr gern; denn es gehört für mich zur Lebensqualität, den Horizont zu sehen. Trotzdem: Es wird leerer auf dem Land, wie eine Bertelsmann-Studie vom April letzten Jahres zeigt. Der Trend in die Stadt hat zur Folge, dass vielerorts die Infrastruktur wegbricht. Vielerorts schlägt auch eine verfehlte Ortsentwicklungspolitik den letzten Sargnagel ein. Sparkassen, Bäckereien, die heute schon oft zitierten Schwimmbäder, Bibliotheken und die Kinos in den ländlichen Regionen haben einen schweren Stand. Darauf reagieren die Fraktionen von CDU/CSU und SPD mit dem vorliegenden Antrag. Sie betonen, dass „der Erhalt des kulturellen Lebens in der Fläche von nationaler Bedeutung“ sei, zumal für eine Kulturnation. Kunst und Kultur bieten eine geistige Heimat, vermitteln – ich zitiere weiter – „Vertrautheit“ und „Zusammengehörigkeit“. Sie weisen auf die guten Seiten ländlicher Räume hin, den günstigen Wohnraum, niedrige Lebenshaltungskosten, Bräuche, Traditionen und viel Natur. So weit, so gut. Es gibt einige Start-ups, die davon profitieren und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zudem den Freizeitwert ländlicher Räume genießen oder Künstler wie etwa Fritz Koenig, Schöpfer der Skulptur „The Sphere“, die die Anschläge auf die Twin Towers, Nine-Eleven wie durch ein Wunder überstanden hat. Sein Hof auf dem Ganslberg bei Landshut war ein künstlerischer Kosmos aus Weltkunst und Landleben, aus dem er seine kreative Kraft geschöpft hat. Dem vorliegenden Antrag fehlt aber etwas Entscheidendes. Es fehlt ihm die glasklare Ursachenbenennung für das, was wir jetzt als Programm auflegen sollten. Der Antrag begnügt sich damit, die Existenz vorhandener Bundesinitiativen für ländliche Räume zu loben, und macht sich nicht die Mühe, die unterschiedlichen Bedarfslagen und Chancen zu analysieren und Lösungsansätze zu formulieren. Dabei sind ländliche Räume genauso unterschiedlich wie Stadträume. Darauf haben Ihre vorhandenen Programme ganz augenscheinlich keine Antworten geliefert. Eine Kernaussage in Ihrem Antrag lautet: Kultur fördert Tourismus. Eine nachhaltige Strategie ist das freilich nicht, zumal die ökologischen Folgen des Tourismus nicht in Ihre Gesamtüberlegungen einbezogen worden sind. Das Beispiel zeigt vor allem eines: Union und SPD begreifen Kulturförderung in weiten Teilen lediglich als verkappte Wirtschaftsförderung. Und das ist uns zu wenig. Wir Grüne wollen Kulturförderung ganz bestimmt nicht nur, um das zu fördern, was Touristen anzieht. Frau Staatsministerin Grütters hat das neulich in Dresden eigentlich ganz richtig gesagt, nämlich dass Kunst nicht gefallen muss und nicht dienen soll. Über diese Formulierung habe ich mich sehr gefreut. Ich kenne sie auch. Sie stammt aus der Brüsseler Erklärung für die Freiheit der Kunst. Aber das Bekenntnis zur Freiheit der Kunst ist nicht wohlfeil. Es nimmt uns auch in die Pflicht, nämlich in die Pflicht, der Versuchung zu widerstehen, Kunst und Kultur zum Vehikel für alles und jedes zu machen. Auffällig ist auch der Verweis auf das bürgerschaftliche und ehrenamtliche Engagement. Ja, es ist wunderbar, sich zu engagieren. Ich kann viele Beispiele aus meiner Region nennen: das Alte Spital in Viechtach, das Café Holler in Deggendorf. Solche Initiativen gibt es zu Tausenden in ganz Deutschland. Sie bereichern ganze Regionen und jeden Einzelnen, der ihnen begegnet. Dieses Engagement hat sicherlich etwas mit Berufung zu tun. Aber es basiert auch in viel zu großem Maße auf Selbstausbeutung. Kulturförderung darf sich nicht ausruhen und sich selbst auf die Schultern klopfen, so wie es im vorliegenden Antrag der Fall ist. Jetzt zu fordern, dass die bürokratischen Hürden niedriger werden sollen, ist wirklich dürftig. Das hätte doch schon längst passieren können. Diese Koalition ist eigentlich schon lange genug in der Regierung. Gut, immerhin werden Sie nach all dem entlarvenden Eigenlob ein bisschen konkreter. Sie fordern ein kofinanziertes Spielstättenförderprogramm, ein Zukunftsprogramm Kino. Sie wollen den Zugang zur Kultur durch mobile Angebote für den ländlichen Raum erweitern und dritte Räume wie Bibliotheken, soziokulturelle Zentren, Galerien, Kunstinitiativen sowie Sportstätten als Orte der Kultur schaffen bzw. stärken. Das hört sich gut an, sogar sehr gut. Stutzig macht dann allerdings die Formulierung, mit der die Forderungen an die Bundesregierung eingeleitet werden. Dies alles soll die Bundesregierung nämlich „innerhalb des bestehenden Finanzrahmens“ tun. Mit anderen Worten: Die Bundesregierung soll Neues schaffen, Vorhandenes erweitern, stärken, erhalten und forschen. Nur mehr kosten darf es nicht. Ich glaube nicht, dass das funktionieren wird. Bei Licht betrachtet müssen wir sagen: Dieser Antrag führt uns ungewollt einmal mehr die Versäumnisse dieser Koalition vor Augen. Stärkung der Kultur im ländlichen Raum geht nicht ohne eine deutliche Stärkung der Infrastruktur im ländlichen Raum. Denn was bringt das schönste Theater in der nächsten Stadt, wenn ich von meinem Dorf aus keinen Bus nehmen kann, der mich dorthin bringt? Infrastruktur ist die Voraussetzung dafür, dass sich kreative Start-ups auch im ländlichen Raum ein Arbeitsumfeld aufbauen können. Das gilt auch für Künstlerinnen und Künstler; denn Kultur braucht den Austausch mit einem schöpferisch tätigen Umfeld. Zudem muss klar sein: Auch ein überzeugendes Programm wie etwa TRAFO produziert nicht einfach über Nacht kulturaffine Museumsbesucherinnen und ‑besucher. Wege in die Kultur müssen früh gelegt werden durch mehr niedrigschwellige Kulturangebote, Proberäume und Ateliers, durch die Stärkung soziokultureller Zentren und letztlich vielleicht ganz einfach auch dadurch, dass es nachts auch einen Bus gibt, der mich ins Kino oder in den Klub bringt und danach wieder nach Hause. Ich danke Ihnen. Für die CDU/CSU-Fraktion hat das Wort die Kollegin Melanie Bernstein.
0
1
1
0
0
1
177
19
215
ID1921505000
1,614,816,000,000
9:00
23:00
11,004,263
Katharina Dröge BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Katharina
Dröge
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der Linken hat im Kern ein sehr berechtigtes Anliegen. Wenn der Staat große Konzerne in der Krise mit massivem Einsatz von Steuergeld unterstützt und damit so ins Risiko geht, dann muss das auch mit Bedingungen verbunden sein. Wir haben das beispielsweise bei der Beteiligung an der Lufthansa oder bei TUI gefordert. Eine solche Hilfe muss mit Auflagen für den Klimaschutz verbunden sein, aber natürlich auch mit Auflagen zur Beschäftigungssicherung. Und selbstverständlich müssen staatliche Hilfen auch daran gebunden sein, dass Unternehmen, die in der Krise Hilfen des Staates in Anspruch nehmen, sich auch selber daran beteiligen. Deswegen ist es total wichtig, dass diese Unternehmen dann auch auf Dividendenzahlungen und hohe Zahlungen von Boni an Manager verzichten. Ich kann es absolut verstehen, dass man es unverständlich findet – ich teile diese Kritik –, wenn Konzerne Leistungen wie das Kurzarbeitergeld in Anspruch nehmen und gleichzeitig hohe Dividenden ausschütten. Das alleine ist gesellschaftlich so massiv unsensibel, dass man nur sagen kann: Da sollten Leiter von großen Konzernen auch ihre gesellschaftliche Verantwortung im Blick haben. Auf der anderen Seite ist der Antrag der Linken leider so unspezifisch oder vielleicht auch einfach nur bisschen kurz geraten, dass wir uns enthalten müssen, weil Sie leider nicht zwischen großen und kleinen Unternehmen differenzieren. Das wäre schon notwendig gewesen. Wenn Sie die Zahlung des Kurzarbeitergeldes beispielsweise an ein Kündigungsverbot knüpfen und das auch auf Kleinunternehmen beziehen – das haben Sie in dem Antrag leider nicht differenziert –, dann geht das so nicht, weil diese Krise momentan so tief und so hart ist. Manchen Unternehmen steht das Wasser so sehr bis zum Hals, dass es vielleicht sein kann, dass sie nicht auf Kündigungen verzichten können, weil sonst die wirtschaftliche Existenz des gesamten Unternehmens in Gefahr ist. Da müssen wir differenziert hinschauen, und das tun Sie leider nicht. Diesen Unternehmen kann man helfen. Das wäre auch unser Job als Bundestag gewesen. Denen kann man helfen, wenn man Wirtschaftshilfen in der Krise macht, die wirklich helfen. Das haben Peter Altmaier und Olaf Scholz im Duett im letzten Jahr komplett versemmelt; so hart muss man das sagen. Wir haben Wirtschaftshilfen gehabt, die so kompliziert waren, dass selbst Steuerberater sie nicht mehr verstanden haben. Wir haben Wirtschaftshilfen, die so sehr vor Missbrauch schützen sollten, dass sie am Ende niemand mehr beantragt hat, weil sie keiner mehr verstanden hat, und sie bei keinem angekommen sind. Es kann nicht Sinn guten staatlichen Handelns sein, dass man sich zu Tode bürokratisiert und am Ende die Unternehmen im Regen stehen lässt. Deshalb haben wir jetzt noch einmal Vorschläge gemacht, wie die Überbrückungshilfe III verbessert werden muss. Unternehmen, die seit Monaten 0 Euro Einnahmen haben, können jetzt nicht nur mit Hilfen in Höhe von 90 Prozent der Fixkosten unterstützt werden. Wer keine Einnahmen hat, der kann auch 10 Prozent Fixkosten nicht mehr zahlen. Ich verstehe nicht – wir haben das seit Monaten beantragt –, warum Sie diesen kleinen Schritt nicht noch gehen, der aber für Unternehmen manchmal die wirtschaftliche Existenz bedeuten kann. Wenn Sie die Unternehmen mit den Wirtschaftshilfen schon so lange hingehalten haben und Sie es jetzt endlich, Mitte Februar, geschafft haben, die schnellen, vorgezogenen Soforthilfen für Dezember beantragen zu lassen, warum gehen Sie dann in den Abschlagszahlungen nicht wenigstens pragmatisch und unbürokratisch hoch auf 75 Prozent, damit wenigstens mal wieder Geld auf den Konten der Unternehmen ist? Das wäre wirklich krisengerechtes Handeln gewesen. Peter Altmaier und Olaf Scholz haben sich sehr toxisch in den letzten Monaten gegenseitig blockiert bei wichtigen und relevanten Hilfsmaßnahmen. Wir haben jetzt ein Maßnahmenpaket vorgeschlagen, mit dem man zuversichtlich in die Zukunft schauen kann, mit dem man wirklich helfen kann. Geben Sie sich einen Ruck: Bessern Sie endlich vernünftig nach! Das Wort hat Jana Schimke von der CDU/CSU-Fraktion.
0
1
0
1
1
0
178
19
143
ID1914301300
1,580,342,400,000
9:00
19:01
11,004,377
Sabine Poschmann SPD
Sabine
Poschmann
SPD
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Alle Jahre wieder bestaunen wir zur selben Zeit den Jahreswirtschaftsbericht. Ich sage natürlich extra „bestaunen wir“; denn es ist eigentlich unglaublich, welchem externen Einfluss unsere Wirtschaft doch so standhält. Sie ist immer noch robust, und dazu haben wir durchaus unseren Teil beigetragen. Wir haben zum Beispiel die Binnennachfrage durch den Mindestlohn gestärkt. Deutschland – das sei jetzt einmal in Richtung FDP und in Richtung Grüne gesagt – ist nach einer neuesten Studie sogar Innovationsweltmeister, die Nummer eins der Welt. Da kann man doch nicht kritisieren, dass wir nicht zukunftsfest seien, sondern wir gehen genau in diese Richtung von Innovationen, und genau das ist der Weg, die Zukunft, unsere Wirtschaft, aber auch die Arbeitsplätze zu sichern. Noch einmal in Richtung FDP: Wenn sich jemand um steigende Arbeitslosigkeit oder, besser gesagt, um Vermeidung von Arbeitslosigkeit kümmert, dann ist es doch die SPD, und da bin ich froh, dass wir in dieser Regierung sind. Dennoch müssen wir natürlich Obacht geben; denn einzelne Branchen schwächeln. Dabei sollten wir nicht ausschließlich die großen Industrieunternehmen sehen, sondern natürlich auch den Mittelstand und einen Teil des Handwerks. Auch sie brauchen unsere Aufmerksamkeit; denn die Abhängigkeit von den Großen erschwert den Kleineren häufig die Planung. Trotzdem haben sie aufgrund ihrer Größe den Vorteil, schneller umstrukturieren zu können. Aber auch das braucht Know-how, Arbeitskräfte und Finanzierung. Es gilt auch hier, gezielt vorbereitet zu sein, und deshalb sollten wir die guten Ergebnisse der gestrigen Beratung des Koalitionsausschusses zügig umsetzen. Was mir insgesamt bei der Strategie für eine nachhaltige Wirtschaft fehlt, ist der Gerechtigkeitsaspekt. Wir halten unsere Wirtschaft an, die Unternehmen klimaneutral umzugestalten. Darin sehen wir die Chance, technologisch Vorreiter zu sein und unseren Wohlstand und auch das Wachstum zu erhalten. Das ist richtig und wichtig. Doch wäre es bei der derzeitigen ungleichen Vermögensverteilung nicht sinnvoll, auch den sozialen Umbau der Wirtschaft mitzudenken? Jetzt mögen Sie meinen: Ja was sollen wir noch alles tun? – Aber an dieser Stelle sage ich Ihnen: Ohne sozialen Frieden gibt es auf Dauer kein Geschäft. Dabei müssen wir nicht bei Adam und Eva anfangen. Es gibt bereits Ansätze, für die wir allerdings von alten Strukturen abrücken müssen. Dabei denke ich an Mitarbeiterbeteiligungen, dabei denke ich an eine Gesellschaftsform „Verantwortungseigentum“, dabei denke ich an soziales Unternehmertum. All das bietet Chancen nicht nur für den sozialen Frieden, sondern für mehr Innovation, für Mitarbeiterbindung, Unternehmensnachfolge, für die Lösung von gesellschaftlichen Problemen. Nutzen wir doch diese Chance! Herzlichen Dank. Jetzt erteile ich dem Kollegen Dr. Andreas Lenz, CDU/CSU, das Wort.
0
0
0
0
0
1
179
19
182
ID1918206600
1,602,028,800,000
13:00
19:57
11,004,854
Dr.
Dr. Christoph Ploß CDU/CSU
Christoph
Ploß
CDU/CSU
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Was können wir tun, um den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken? Was können wir tun, um Arbeitsplätze in unserem Land zu sichern? Was können wir tun, damit wir die Klimaschutzziele erreichen? Und was können wir tun, damit die Mobilität in unserem Land verbessert wird und wir noch effizienter, noch umweltschonender und noch schneller zu unserem Zielpunkt kommen? Das sind viele Fragen, die sich die Menschen in Deutschland im Moment stellen. In Bayern, in Norddeutschland, in Rheinland-Pfalz, in Sachsen: Überall werden diese Fragen gestellt. In den vergangenen Tagen mussten wir eine vielleicht etwas erstaunliche Entwicklung feststellen. Es gibt einige Gruppierungen im Land, die sagen: Hört auf, Autobahnen zu bauen, hört auf, in die Infrastruktur in Deutschland zu investieren! Es gibt sogar Politiker von den Grünen, die sagen: „Hört auf, Autobahnprojekte weiterzubauen“, obwohl sie sie selber noch vor einigen Monaten oder einigen Jahren unterstützt haben. Das ist die Realität im Land. Ich kann nur sagen: Ein solcher Ansatz wird dazu führen, dass sich Investoren fragen: Leben wir eigentlich in einer Bananenrepublik? Was ist hier in Deutschland eigentlich los? Die Grünen haben vor einiger Zeit in der Regierung noch beschlossen: „Baut dieses Autobahnprojekt; wir investieren“, und dann stoppen dieselben Politiker dieses. So kann man doch nicht mit den Menschen umgehen, die hier im Land investieren wollen. Auf der anderen Seite wird ein solcher Ansatz auch dazu führen, dass das Land irgendwann deindustrialisiert wird, dass Tausende Arbeitsplätze gefährdet werden und dass der Wirtschaftsstandort Deutschland geschwächt wird. Er wird aber auch dazu führen, dass wir unsere Klimaschutzziele verfehlen. Deswegen sagen wir als CDU/CSU ganz klar: Wir brauchen Investitionen in die Infrastruktur. Wir werden den Klimaschutz in Deutschland nur erfolgreich angehen, wenn wir in neue Technologien wie Wasserstoff investieren und wenn wir den Mut haben, in eine klimafreundliche Infrastruktur zu investieren. Das ist das Gegenmodell, das wir Ihnen entgegenhalten. Deshalb ist es auch richtig, dass das Bundesverkehrsministerium und die CDU/CSU-Fraktion den Weg dafür frei gemacht haben, Rekordinvestitionen für die Schiene – 86 Milliarden Euro bis zum Jahr 2030 – vorzunehmen. Es ist aber auch richtig, dass wir weiter ins Autobahnnetz Deutschlands investieren. Das ist nicht nur wichtig, weil die ganzen Logistiker und ganz viele Unternehmen in Deutschland sagen: „Wir brauchen natürlich ein funktionierendes Autobahnnetz, sonst können wir nicht Güter von A nach B bringen“, sondern das ist auch wichtig für die Mobilität von ganz vielen im Land, die morgens auf den Wecker kloppen und acht, neun oder zehn Stunden arbeiten und sich danach noch um Familie und Ehrenamt kümmern. Auch die sollten wir hier stärker in den Fokus der Debatte rücken. Jetzt gibt es, liebe Kolleginnen und Kollegen, einige von den Grünen, die sagen: Wenn wir jetzt weiter in Autobahnen investieren, dann ist das ja schlecht fürs Klima. Das Gegenteil ist der Fall. Schauen Sie sich doch mal die ganzen Autobahnprojekte im Bundesverkehrswegeplan an. Schauen Sie sich an, wie wir zum Beispiel mit der Hafenpassage im norddeutschen Raum Schadstoffemissionen reduzieren, wie wir Lärm in Wohngebieten reduzieren und wie wir den Verkehr in Deutschland bündeln. Deswegen sind Investitionen ins Autobahnnetz genau das, was wir mit Blick auf Klimaschutz, Wirtschaft und Mobilität brauchen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin – das will ich auch sagen – sehr erstaunt und teilweise auch entsetzt, dass Sie von der Linkspartei und von den Grünen sich gerade während der Coronakrise von einem Konsens entfernt haben, nämlich dem Konsens darüber, dass wir jetzt Investitionen in die Infrastruktur benötigen. Ich hätte mir gewünscht, dass wir heute vielleicht darüber reden, wie wir Infrastrukturprojekte in Deutschland beschleunigen, wie wir sie schneller planen und bauen können. Denn wenn wir im Durchschnitt 20 Jahre für ein Schienenprojekt benötigen, dann müssen wir doch handeln. Deswegen müssen wir genau diese Debatten führen und werden den Weg fortsetzen, den Andreas Scheuer, den wir als CDU/CSU-Fraktion in dieser Legislaturperiode eingeschlagen haben, nämlich mit Planungsbeschleunigung mehr für die Schiene zu tun, mehr für die Autobahn zu tun, mehr für die Wasserstraßen zu tun. In diesem Sinne: Klimaschutz schaffen wir nur durch Infrastruktur, neue Technologien und indem wir hier Exportschlager entwickeln. Auf geht’s, packen wir es an! Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion der AfD der Kollege Dr. Dirk Spaniel.
0
-1
1
-1
0
0
180
19
193
ID1919302400
1,605,830,400,000
9:00
16:42
11,004,911
Jessica Tatti DIE LINKE
Jessica
Tatti
DIE LINKE
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erst einmal: Der Gesetzentwurf ist gar nicht so schlecht. Sie wollen die Weiterbildung stärken, und das ist eine richtig gute Sache. Die Transformation steht während der Pandemie nicht still. Digitalisierung, Klimawandel, Demografie sind riesige Herausforderungen. Tatsache bei der Weiterbildung ist doch: Sind die Auftragsbücher voll, bleibt in den Betrieben oftmals keine Zeit für Weiterbildung. Ist die Auftragslage schlecht, wäre die Zeit da – so wie jetzt –; aber die Unternehmen halten ihr Geld zusammen und investieren nicht in die Weiterbildung ihrer Beschäftigten. Das sind reale Widersprüche. Umso wichtiger ist es jetzt, dass die Politik eingreift, damit die Zeit in der Pandemie genutzt wird, sodass die Leute auf die neuen beruflichen Anforderungen vorbereitet werden. Gut, dass wir uns in diesem Ziel einig sind. Jetzt zum problematischen Teil Ihres Gesetzes. Ich kann es mir nur so erklären, dass Sie nicht ganz zu Ende gedacht haben. Sie führen einen Rechtsanspruch auf Finanzierung von Weiterbildung ein, aber nur für die Arbeitgeber, nicht jedoch für die Beschäftigten. Das ist ungerecht und falsch. Sie haben wohl nicht darüber nachgedacht, dass, wenn die Arbeitgeber alleine entscheiden, wer in den Genuss von Weiterbildungen kommt, sie dann weiterhin nur die Beschäftigten weiterbilden, die ohnehin schon ziemlich gut qualifiziert sind. So war das schon vor der Pandemie. Also, was sollte sich daran ändern? Und wieder einmal bleiben dann diejenigen auf der Stecke, die nicht so gut qualifiziert sind. Das Gleiche gilt für die Beschäftigten, die befristet tätig sind. Wenn ihre Arbeitgeber es alleine entscheiden können, werden sie sie nicht weiterbilden. Wer investiert denn schon in jemanden, bei dem er sich noch nicht mal sicher ist, ob er ihn behalten wird? Eins verstehe ich überhaupt nicht: Warum verpennt die Sozialdemokratie den Moment, ein Initiativrecht für Betriebsräte bei der Weiterbildung zu schaffen? Das mit diesem Gesetz zu verbinden, Minister Heil, wäre klug und ideal gewesen. Und was ist eigentlich mit denen, die in der Pandemie arbeitslos werden? Für sie haben Sie nichts. Nach wie vor erhalten doch Erwerbslose kaum Weiterbildungen, am wenigsten die Menschen in Hartz IV, und das muss sich endlich ändern. Zudem muss die Qualität der beruflichen Weiterbildung auf den Prüfstand. Die Förderungen kranken doch daran, dass Sie zu wenig Geld in die Hand nehmen. Deshalb kommt Wesentliches zu kurz, zum Beispiel praxisnahes Lernen, das Menschen individuell begleitet, die schon lange aus dem Lernen raus sind, und das ihnen wieder Mut macht, etwas Neues anzupacken. Herr Minister und liebe Kolleginnen und Kollegen, eine kluge Beschäftigungssicherung ist nicht nur ein Lückenfüller während der Kurzarbeit in der Pandemie. Weiterbildung muss nachhaltig auf den Strukturwandel vorbereiten und den Menschen Zukunftsperspektiven bieten, und zwar allen Menschen. Ihr Gesetz reicht dafür leider nicht aus. Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Stephan Stracke das Wort.
0
0
0
1
0
0
181
19
124
ID1912400300
1,573,084,800,000
9:00
2:09
11,004,276
Thorsten Frei CDU/CSU
Thorsten
Frei
CDU/CSU
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bereits im Koalitionsvertrag haben Union und SPD festgehalten, dass wir den Rechtsstaat stärken möchten, indem wir den Strafprozess modernisieren und die Strafverfahren beschleunigen. Und der Staatssekretär hat darauf hingewiesen: Im Grunde genommen ist das, was wir heute einleiten, nur eine weitere Säule des Pakts für den Rechtsstaat; denn wir setzen eben auf viele verschiedene Instrumente. Zu Jahresbeginn haben wir mit den Ländern dafür gesorgt, dass in den nächsten Jahren mindestens 2 000 zusätzliche Stellen für Richter und Staatsanwälte entstehen. Wir stärken die Prävention. Wir werden die technologische Ausstattung bei den Behörden stärken. Dazu gehört für uns als Bundesgesetzgeber eben auch, dass wir einerseits die gesetzlichen Rahmenbedingungen so setzen, dass Strafverfahren zügig durchgeführt werden können ohne Abstriche bei Qualität und Beschuldigtenrechten und andererseits den Ermittlungsbehörden – auch das ist ein wichtiger Aspekt – die notwendigen Instrumente an die Hand gegeben werden. Genau das passiert. Im Mittelpunkt steht der Strafprozess. Aber vor dem Strafprozess gibt es das Ermittlungsverfahren. Da schaffen wir beispielsweise mit der Ausweitung der DNA-Analyse ein ganz wichtiges zusätzliches Instrumentarium für die Ermittlungsbehörden, um den Täterkreis schneller eingrenzen zu können. Ich halte es für richtig, dass wir das zur Verfügung stehende Datenmaterial bei der DNA-Analyse nicht nur für die Bestimmung von Abstammung und Geschlecht nutzen, sondern eben auch dafür, dass man das Alter bestimmt, dafür, dass man die Haut-, die Augen- und die Haarfarbe bestimmt, um Täter schneller habhaft werden zu können. Dem liegt im Übrigen nicht die Illusion zugrunde, dass man allein mit der Ausweitung der DNA-Analyse Verbrechen abschließend klären kann. Aber es ist – da setzt Ihre Kritik an der falschen Stelle an – ein wichtiges Instrumentarium, um schneller zu guten Ergebnissen zu kommen. Deshalb ist es aus meiner Sicht unverständlich, warum man den Ermittlungsbehörden dieses wichtige Instrumentarium versagen will. Wir schaffen es, und das ist auch richtig so. Ein zweiter Punkt, den ich für das Ermittlungsverfahren benennen möchte, ist im Grunde genommen ein altbewährtes Ermittlungsinstrumentarium, nämlich die Überwachung der Telekommunikation. Dass wir das jetzt auch beim Wohnungseinbruchdiebstahl ermöglichen, ist ein wichtiges Hilfsmittel für die Polizei und die Ermittlungsbehörden. Das darf man, glaube ich, überhaupt nicht unterschätzen. Für das betroffene Opfer macht es doch überhaupt keinen Unterschied, ob eine international tätige Bande diese Tat begeht oder ob es regional tätige Einzeltäter sind. Dies macht doch überhaupt keinen Unterschied, wenn es um die Sachbeschädigung geht, wenn es um den Verlust der Wertgegenstände geht, vor allen Dingen wenn es um den Einbruch in die Privatsphäre der Verbrechensopfer geht. Da müssen wir ansetzen und die notwendigen Instrumentarien zur Verfügung stellen. Im Grunde genommen ist es die Fortsetzung dessen, was wir in der letzten Legislaturperiode gemacht haben, als wir den Wohnungseinbruchdiebstahl zu einem Verbrechenstatbestand gemacht haben. Das hatte im Übrigen auch Erfolg, wenn man sich vor Augen führt, dass seit 2015 die Zahl der Wohnungseinbrüche in Deutschland von 170 000 auf etwa 98 000 zurückgegangen ist. Das ist immerhin der niedrigste Wert in den vergangenen 20 Jahren. Auch das ist ein Erfolg unserer Rechtspolitik. Diesen Weg setzen wir jetzt hier fort. Ich komme jetzt auf die Beschleunigung der Strafverfahren als solcher zu sprechen. Der Staatssekretär hat die Punkte benannt. Da geht es nicht darum, dass man Beschuldigtenrechte eingrenzt. Wir kennen viele praktische Beispiele. Ich bin davon überzeugt, dass auch die Anhörung im Ausschuss am nächsten Montag weitere Beispiele aufzeigen wird, wenn dort Praktiker von ihrer Arbeit berichten werden. Ich denke zum Beispiel an ausschließlich aus Verschleppungsabsicht vorgebrachte missbräuchliche Besetzungsrügen, an Befangenheitsanträge, an Beweisanträge, die völlig abwegig sind. Wir schaffen die Voraussetzungen, um damit im Strafprozess vernünftig umgehen zu können und die Verfahren zu beschleunigen sowie den Rechtsstaat zu stärken. Das ist nämlich ein ganz wichtiger Punkt, um deutlich machen zu können, dass der Strafprozess nicht nur die Rechtsdurchsetzung des Staates und den Anspruch daran stärken möchte, sondern dass es durchaus auch im Interesse der Täter, aber vor allen Dingen der Opfer ist, dass man zu einem zügigen Abschluss des Verfahrens kommt. Es ist angesprochen worden: Es ist nicht akzeptabel, dass Verschleppungsabsicht genutzt wird, um anschließend einen Strafrabatt zu bekommen. Gerade bei den Wirtschaftsstrafsachen sehen wir, dass im Durchschnitt etwa vier Monate Strafrabatt gewährt werden muss, weil vom eigentlichen Verbrechen bis zu Verurteilung viel zu viel Zeit vergeht. Deshalb ist es ein wichtiger Schritt zur Stärkung des Rechtsstaates. Es zeigt auch, dass wir gerade in rechtspolitischer Hinsicht in der Lage sind, die Dinge gut nach vorne zu bringen. Das ist auch ein Erfolgsausweis für diese Regierung. Herzlichen Dank. Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Stephan Thomae, FDP.
0
0
1
0
0
0
182
19
121
ID1912105400
1,571,875,200,000
9:00
0:44
11,004,934
Bettina Margarethe Wiesmann CDU/CSU
Bettina Margarethe
Wiesmann
CDU/CSU
Sehr geehrte Frau Kollegin, zwei Punkte dazu. Erstens. Es kann durchaus Fälle geben, in denen Eltern gute Gründe haben, Leistungen nicht zu beantragen, möglicherweise weil sie eine finanzielle Absicherung aus anderen Quellen haben und ihnen das somit nicht mehr notwendig erscheint. Das will ich voranstellen. Das wird nicht die Regel sein; da gebe ich Ihnen völlig recht. Aber jede Familie muss selbst entscheiden, was sie wahrnehmen möchte von dem, was der Staat ihr anbietet. Zweitens. Es ist, ehrlich gesagt, nicht meine Aufgabe als Parlamentarierin, über Prognosen der Bundesregierung zu befinden. Wir haben mit dem Familienstärkungsgesetz einen Leistungsanspruch geschaffen, und der richtet sich an bestimmte Menschen in diesem Lande, die dafür Voraussetzungen erfüllen müssen. Wenn sie das tun, dann werden sie dieses Geld auch in Anspruch nehmen können. Es kann sein, dass sich diese Prognose als nicht haltbar erweist. Dann können Sie vielleicht darauf abheben, dass man hier vorausschauender hätte planen müssen. Das interessiert mich in diesem Zusammenhang wenig. Wir haben einen Leistungsanspruch geschaffen. – Nein, mir sind die Leute nicht egal. Im Gegenteil: Wir haben einen Leistungsanspruch geschaffen, und wir werden ihn erfüllen. Das steht im Gesetz. Das hat diese Koalition gemeinsam beschlossen. Das ist ein großer Fortschritt für Familien. Wenn sich daraus Folgeprobleme aufgrund irgendwelcher Abschätzungen ergeben, dann werden wir sie lösen müssen; denn wir haben einen Leistungsanspruch geschaffen. Den werden wir selbstverständlich erfüllen. Ich bin stolz auf diesen Anspruch. Der letzte Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Stefan Schwartze für die SPD-Fraktion.
0
-1
1
0
0
1
183
19
173
ID1917310300
1,599,696,000,000
09:00
22:55
11,003,799
Paul Lehrieder CDU/CSU
Paul
Lehrieder
CDU/CSU
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich möchte anfangen mit einem Zitat von Konrad Adenauer: „Die persönliche Freiheit ist und bleibt das höchste Gut des Menschen.“ Für die Mehrheit von uns ist es geradezu unvorstellbar, dass ihre persönliche Freiheit – womöglich zu Unrecht – eingeschränkt sein könnte. Doch kein System ist unfehlbar, weswegen wir uns heute mit dem vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen auseinandersetzen. Ich möchte hier betonen, um Missverständnisse aufseiten der AfD vorzubeugen: Lieber Herr Brandner, es handelt sich nicht um die selbst gewählte Freiheitsaufgabe in einer ICE-Toilette. Das wurde schon früher nicht bezahlt und wird auch in Zukunft nicht bezahlt werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, zu Unrecht inhaftierte Menschen haben keine allzu starke Lobby, die sich für ihre Interessen einsetzt. Daher begrüße ich den vorliegenden Gesetzentwurf des Bundesrates ausdrücklich. Diesem liegt ein einstimmiger Beschluss der Justizministerkonferenz zugrunde, dass die bisherige Höhe der Entschädigung von 25 Euro pro Hafttag zu gering sei und dringend erhöht werden müsse. Die Entschädigung erfasst – hierauf hat der Kollege Martens von der FDP bereits hingewiesen – darüber hinaus auch den Ersatz des Vermögensschadens; auch das gehört zur Information. Wir reden hier und jetzt über einen Betrag zur Anerkennung eines zusätzlichen immateriellen Schadens. Der Anerkennungsbetrag für den immateriellen Schaden, die bereits genannten 25 Euro pro Tag, soll nun im Zuge dieses Gesetzes auf 75 Euro angehoben und damit verdreifacht werden. Ich möchte kurz auf die Historie zurückkommen: In den Jahren 1988 bis 2009 lag dieser Betrag zunächst bei 20 D-Mark, dann bei umgerechnet 11 Euro. Ab 2009 lag er bei 25 Euro, und jetzt, 2020, wird er auf 75 Euro erhöht. Das heißt, dass dieser Betrag, wenn man die Jahre von 2009 bis heute betrachtet, innerhalb von elf Jahren von 11 Euro auf 75 Euro gestiegen ist. Das sind immerhin knapp 700 Prozent. Wir haben hier also eine Inflationsrate von 60 Prozent pro Jahr. Das ist nicht schäbig. Für viele ist es möglicherweise nicht ausreichend – wir werden immer wieder darüber nachdenken müssen –; aber es ist zumindest eine bessere, eine angemessene Entschädigung und durchaus nicht kleinzureden, wie es einige Redner der Opposition vorhin leider wieder getan haben. – Ja, bitte, Herr Frieser. Ich warte so lange, bis Sie geklatscht haben. Selbstverständlich gibt es unterschiedliche Auffassungen darüber, ob die jetzt vorgenommene Erhöhung angemessen ist, Herr Straetmanns; das haben auch die durchgeführten Anhörungen mehr als deutlich gemacht. Aber lässt sich der Wert der Freiheit überhaupt durch Geldleistungen abbilden? Geht es hier nicht vielmehr um symbolische Wiedergutmachung, um Genugtuung für das Opfer des unrechtmäßigen Freiheitsentzugs? Ich halte die Verdreifachung des Betrags für ein recht deutliches Zeichen der Wiedergutmachung – auf die Beträge habe ich schon hingewiesen – und für im Moment angemessen. Sie ist auch nicht in Stein gemeißelt. Verhältnismäßig finde ich darüber hinaus auch, dass wir den Vorschlag der Bundesländer zur Anpassung der Zahlungen ernst nehmen; denn schließlich haben diese die Entschädigungszahlungen am Ende zu leisten. Lieber Herr Straetmanns, lieber Kollege Birkwald, jetzt muss ich noch einmal auf die Linken zurückkommen. Im Bundesrat sagt Ihr Ministerpräsident – der einzige Ministerpräsident der Linken – Ramelow, 50 Euro würden ausreichen. Hier im Bundestag fordern Sie aber 150 Euro, das heißt dreimal so viel, wie es Ihr eigener Ministerpräsident für angemessen und richtig hält. Das lässt sich leicht tun, wenn im Rahmen des Förderalismus der Bundestag bestimmt, was die Länder zahlen müssen. Ich stelle wieder einmal fest, dass der Spruch gilt: Das gesellschaftliche Sein bestimmt das Bewusstsein. Hier im Bundestag 150 Euro fordern, aber Ihr eigener Ministerpräsident sagt, 50 Euro würden ausreichen! Vielleicht stimmen Sie das mal unter sich in der Partei ab, und dann schauen wir, wie es in Zukunft weitergeht. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. Herzlichen Dank. Vielen Dank, Herr Kollege Lehrieder. Ich war vorhin gnädig bei Ihren Kollegen; die Zeit haben Sie jetzt wieder aufgeholt. – Ich schließe die Aussprache.
0
0
1
0
0
0
184
19
189
ID1918901800
1,604,534,400,000
9:00
23:14
11,004,922
Dr.
Dr. Andrew Ullmann FDP
Andrew
Ullmann
FDP
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Welt kämpft gegen SARS-CoV-2, gegen eine Viruserkrankung, die ernst zu nehmen ist, die gefährlich ist, die auch mit dem Tod einhergeht. In Deutschland gestern, am Mittwoch, nach den aktuellen Zahlen: 17 000 neue Infektionsfälle; 151 Menschen, die an bzw. mit diesem Virus verstorben sind; ein bisschen mehr als 1 300 Menschen, die auf Intensivstationen beatmet werden müssen. Das ist die Wahrheit. Das sind die realistischen Zahlen, die wir uns ansehen müssen. Es gibt aber auch gute Nachrichten. Diese müssen wir genauso kommunizieren und genauso wahrnehmen. Knapp 10 000 Menschen sind gestern von dieser Infektion neu genesen. Der sogenannte Reproduktionswert liegt seit zwei Tagen unter 1. Über 7 000 Intensivbetten sind noch frei. Das ist so dank der Bevölkerung, dank der solidarischen Gesellschaft und übrigens nicht durch den Lockdown. Hier bedarf es auch einmal eines Dankeschöns. Wir müssen Dankeschön sagen, dass wir als Gesellschaft hier zusammenhalten. Die Pandemie ist nicht vorbei. Sie ist hinterhältig und sehr dynamisch. Sie toleriert keine Fehler, auch keine Fehler in der Prävention. Präventionsmöglichkeiten gibt es dabei viele, allerdings gibt es keine Magic Bullet, kein Allheilmittel. Wir müssen Superspreader-Verhalten verhindern, auch im privaten Bereich. Aber das geht nur durch gute Kommunikationsstrategien, Verantwortung und Vernunft. Maßnahmen müssen zielgerichtet, verhältnismäßig und logisch sein. Wir brauchen ein Regelwerk, das bundeseinheitlich ist und dynamisch angewendet werden kann. Meine Damen und Herren, die Notwendigkeit der Pandemiebekämpfung steht für die meisten unserer Fraktionen hier im Bundestag außer Frage. Jeder weiß, dass die Pandemie und ihre Bekämpfung Folgen für die Gesellschaft, für die Gesundheit und für die Wirtschaft haben. Zur Bekämpfung gehören auch begrenzte Grundrechtseinschränkungen, um die Folgen der Pandemie nicht außer Kontrolle laufen zu lassen. Doch diese Grundrechtseinschränkungen müssen klar, wissenschaftlich begründet, logisch und verhältnismäßig sein. Eine Diskussion über die Notwendigkeit gehört auch in die Parlamente. Das sehen die meisten in diesem Parlament auch so. Zum Kampf gehört aber auch, dass es eine Summe von Maßnahmen geben muss; denn nur eine Summe von Maßnahmen reduziert das Risiko einer Infektion. Ganz speziell geht es um die vulnerablen Mitbürgerinnen und Mitbürger. Denn Besuchsverbote in Krankenhäusern und Pflegeheimen wären eine Katastrophe. Das müssen wir verhindern. Die kalte Jahreszeit darf nicht zu einer Jahreszeit der sozialen Kälte werden. Das muss unser gemeinsames Ziel sein. Die FDP-Fraktion hat in den letzten Monaten mindestens 25 Anträge eingebracht, konkrete Anträge, die diese Pandemiesituation betreffen. Dabei geht es nicht nur um Gesundheitsschutz, wir zeigen soziale und wirtschaftliche Verantwortung. Die Strategie der AfD dagegen ist durchsichtig: Grundsätzlich wird die Pandemie infrage gestellt. Die Effektivität von Masken wird negiert. Die Validität der PCR-Tests wird nicht akzeptiert. Die Covid-19-Erkrankung wird negiert oder kleingeredet. Das ist zu billig, zu einfach. Man kann die Biologie nicht einfach wegdenken, liebe AfD. An dieser Stelle möchte ich gerne den ehemaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt zitieren: „In der Krise beweist sich der Charakter.“ – Ich glaube, mehr muss man nicht sagen. Wir stimmen der Überweisung zu. Den Antrag zur Religionsfreiheit lehnen wir ab; denn ich bin überzeugt: Die Kirchen brauchen die AfD nicht als Fürsprecher der Religionsfreiheit. Herzlichen Dank. Nächster Redner ist der Kollege Sebastian Hartmann, SPD.
0
1
1
0
1
1
185
19
139
ID1913910400
1,579,046,400,000
13:00
19:28
11,004,057
Manuel Höferlin FDP
Manuel
Höferlin
FDP
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wir Freie Demokraten sind selbstverständlich für ein höchstmögliches Maß an Sicherheit im Luftverkehr. Wir finden es auch richtig – wie es in dem Vorschlag beschrieben wird und allgemein im Bereich der Luftsicherheit gilt –, dass Unternehmen einschließlich Luftfahrtunternehmen, Betreiber von Flughäfen, Dienstleister an Flughäfen, Verkehrspiloten und Berufspiloten luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeitsüberprüfungen unterzogen werden. Aber mit einer Zuverlässigkeitsüberprüfung ohne Differenzierung zwischen der Reinigungskraft und dem Verkehrspiloten in jedem Ort, im Flughafen oder auf einem kleinen Segelfluggelände – denn der Motorsegler ist auch davon betroffen; das gilt auch für den Segelflieger, der eine Motorsegelflugberechtigung hat –, wird alles über einen Kamm geschert. Selbstverständlich macht das einen Riesenunterschied. Sie machen aber weiterhin dabei keinen Unterschied, und das ist nicht in Ordnung. Ich kann es eigentlich auch nicht fassen, dass immer noch von einer Gefahr gesprochen wird, die von diesen Luftfahrzeugen ausgeht. Das sind 60 Liter übrigens bleifreier Sprit, die sozusagen als Waffe dargestellt werden. Brüssel betreibt genau wegen dieser Sache ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland: weil wir eine auf europäischer Ebene harmonisierte Luftfahrerlizenz haben, aber Deutschland das einzige Land in Europa ist, in dem es diese Zulassungshürde gibt. Ich habe nicht den Eindruck, dass das im Sinne der europäischen EASA-Verordnung für die Luftfahrt gedacht ist. Sie gehen noch viel weiter: Sie wollen neue Register abfragen. Das mag alles Sinn haben, aber nicht für die Luftsportler und die Privatpiloten. Ist es wirklich sinnvoll, zum Beispiel das Zentrale Staatsanwaltschaftliche Verfahrensregister abzufragen, wobei auch Strafverfahren, die zum Beispiel eingestellt wurden, abgefragt werden können? Das führt dann in Zukunft dazu, dass ein Strafverfahren – nehmen wir an, wegen eines Verstoßes gegen das NetzDG und Verleumdung –, das fallen gelassen wurde, möglicherweise später die Zuverlässigkeit eines Motorseglers infrage stellt. Ich finde, das ist wirklich unverhältnismäßig und auch nicht sinnvoll. Herr Staatssekretär Mayer, ich finde es eigentlich unfassbar, wie Sie Ihre Rede begonnen haben. Sie fangen an mit einem Vergleich und ziehen eine Parallele zum Abschuss eines kommerziellen Luftfahrzeugs durch Militär eines anderen Staates, um dann auf die Überprüfung von Privatpiloten einzugehen. Das hat wirklich nichts miteinander zu tun. Sie bauen da Panik auf. Es geht nämlich überhaupt nicht um diese Sache. Wir haben deshalb die Abschaffung verlangt, weil die Überprüfung einfach keinen Sinn macht. Wer in Deutschland einen Privatpilotenschein macht, muss die Zuverlässigkeitsüberprüfung durchlaufen. Wenn er das nicht möchte, macht er in Frankreich, Österreich, der Schweiz, Italien oder wo auch immer einen europäischen Luftfahrerschein, und zwar ohne Durchlaufen eines solchen Verfahrens. Jeder Pilot eines anderen Landes, der keine Zuverlässigkeitsüberprüfung durchlaufen hat, darf alle Sicherheitsbereiche betreten. Und Sie suggerieren hier, dass die Zuverlässigkeitsüberprüfung der Privatpiloten, die zumeist auf Segelfluggeländen und kleinen Sportflughäfen tätig sind, also auf Flugplätzen, auf denen es überhaupt keine Sicherheitsbereiche gibt und die abgesperrt sind, die Sicherheit herstellt. Das ist wirklich absurd. Deswegen ist das einfach ein untaugliches Mittel, das Sie seit Jahren hochhalten. Letztes Wort dazu: Wir sind nicht die Einzigen. Der Bundesrat hat auch schon die Abschaffung gefordert. Die SPD, die CSU und die CDU waren der Meinung: Wir brauchen das nicht. – Bitte nehmen Sie doch mal hier im Deutschen Bundestag Vernunft an und schaffen die ZÜP für die Privatpiloten und die Luftsportler ab. Herzlichen Dank. Für die Fraktion Die Linke hat nun Dr. André Hahn das Wort.
0
0
0
0
0
0
186
19
137
ID1913705400
1,576,713,600,000
9:00
22:07
11,004,678
Stephan Brandner AfD
Stephan
Brandner
AfD
Was ist denn mit Ihnen los? Ich habe doch noch gar nichts gesagt. – Meine Damen und Herren! Was für ein dreistes Vermittlungsverfahren zum sogenannten Klimaschutzprogramm 2030! Was für eine Dreistigkeit – alleine der Name! Gar nichts, null und überhaupt nichts wird dieses Programm zum Weltklima beitragen. Das verspreche ich Ihnen von hier vorne. Allein positiv: keine neue Grundsteuer – ist in Ordnung –, etwas billigere Bahnfahrkarten – ist in Ordnung –, höhere Pendlerpauschale – ist in Ordnung –, billigerer Strom – auch in Ordnung. Das waren aber nur kleine Teile von dem, was da vermittelt oder gemauschelt wurde, meine Damen und Herren. Alles andere hingegen, was geregelt werden soll, ist anmaßend, überflüssig, kompliziert, teuer und bürgerfeindlich, meine Damen und Herren. Mit anderen Worten: Typischer Altparteienunsinn im Gefolge der vor allem in Deutschland grassierenden Klimahysterie! Hysterie ist immer ein schlechter Antreiber für Gesetzgebung. Wir erwarten Milliardenkosten. Hunderte Milliarden Euro an Kosten für alle Bürger in diesem Land, null Klimaeffekt: Das sage ich Ihnen von hier vorne voraus. Genauso hysterisch übrigens wie Ihre Klimahysterie ist das Vermittlungsverfahren. Eine Vielzahl von Ministerpräsidenten wollte das Vermittlungsverfahren – aus unterschiedlichen Gründen; eine wahre Kakofonie. Bei der ersten Sitzung des Vermittlungsausschusses am 9. Dezember musste erst mal geklärt werden: Wer ist jetzt aus welchem Grund wogegen und teilweise wofür? Hektisch wurde dann eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die am Tag darauf vormittags tagte. Wir als AfD hatten nicht mal die Chance, dafür ein Mitglied von uns zu benennen. Die zweite Sitzung war am 12. Dezember, die dritte Sitzung am 16. Dezember. Das hört sich demokratisch an, ist aber mitnichten demokratisch; denn am 16. Dezember wurde ein Ergebnis vorgelegt, das am 15. Dezember, am dritten Advent, irgendwo ausgemauschelt worden war. „Von wem?“, wollte ich gestern im Vermittlungsausschuss wissen. Wer hat wo wann auf welcher Grundlage am 15. Dezember was verhandelt? Die Antwort war: Herr Brandner, das sagen wir Ihnen nicht. – Meine Damen und Herren, so läuft Demokratie in Deutschland, im Deutschland der Altparteien. Hinter verschlossenen Türen unter Ausschluss großer Teile der Opposition wird gemauschelt, geschachert und gefeilscht, und das nicht etwa zum Wohle Deutschlands, sondern zum ideologiedurchtränkten Schaden, zum ideologiegetriebenen Schaden für alle Bürger. Meine Damen und Herren, wir haben versucht, dieses grob schändliche Gesetzgebungsverfahren zu stoppen. Wir hatten aber leider keine Chance. Wir versuchen es dennoch hier in Zukunft auch weiter und versprechen den Bürgern: Mit uns gibt es keine Klimahysterie, mit uns gibt es keine Milliardenkosten mit null Effekt. Deshalb stehe ich hier vorne und darf namens der AfD-Fraktion verkünden, dass wir das gesamte Klimaschutzprogramm 2030 genauso ablehnen wie das gestern verkündete, von Ihnen hinter verschlossenen Türen ausgemauschelte Vermittlungsergebnis. Vielen Dank. Herr Abgeordneter Brandner, ich weise mit Nachdruck Ihre Erklärung zurück, dass ein von Verfassung wegen vorgeschriebenes Verfahren, einen Interessenausgleich zwischen dem Deutschen Bundestag und den Bundesländern herbeizuführen, ein Gemauschel sei. Das ist nicht nur unangemessen, sondern in der Sache falsch. Das als letzter Satz von mir, weil es mich wirklich ärgert: Ich empfehle Ihnen, gelegentlich die Verfassung zu lesen, Herr Brandner, und nicht nur darüber zu reden. Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Carsten Schneider, SPD-Fraktion. – Herr Abgeordneter Brandner, Sie dürfen sich bitte setzen, und wenn das nicht der Fall ist, bekommen Sie einen Ordnungsruf.
1
1
1
1
1
0
187
19
112
ID1911200500
1,568,246,400,000
09:00
17:40
11,004,849
Victor Perli DIE LINKE
Victor
Perli
DIE LINKE
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein engagierter Innenminister müsste sich dafür einsetzen, dass viel mehr in die Zukunft dieses Landes investiert wird, für den sozialen Zusammenhalt, für gleichwertige Lebensverhältnisse. Ein aufmerksamer Bauminister hätte längst merken müssen, dass alle bisherigen Maßnahmen nicht dazu geführt haben, dass mehr bezahlbarer Wohnraum entsteht und die Mietpreise endlich gebremst werden. Und dann schaut man in den Finanzplan von Horst Seehofer und stellt fest: Die Investitionen steigen nicht; er will noch mehr Personal, obwohl inzwischen 10 000 Stellen unbesetzt sind, und beim sozialen Wohnungsbau wird sogar gekürzt. Das darf doch nicht wahr sein. Das ist doch aus der Zeit gefallen. Es ist kein Konzept erkennbar; es ist keine Strategie erkennbar, die der Minister verfolgt. Allein bei den Kommunen fehlen inzwischen 138 Milliarden Euro, um den Investitionsstau abzuarbeiten. Das betrifft Schulen, Straßen, Sportstätten und vieles mehr. Hier muss der Bund einspringen, um alle Dörfer und Städte in die Lage zu versetzen, ihren Aufgaben nachzukommen. Stattdessen haben Sie die Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ eingesetzt. Sie hat hier ein Papier vorgelegt. Es rief große Enttäuschungen bei den Spitzenverbänden der Kommunen hervor. Der Niedersächsische Städte- und Gemeindebund – ich komme aus Niedersachsen – sagt: Es ist keine große Verbesserung zu erwarten. – Nun schauen wir in Ihren Haushalt: Tatsächlich, es fließt in diesen Haushalt kaum etwas an Ideen. Es gibt kein Feststellungsdefizit dazu, was im ländlichen Raum fehlt; es gibt ein Handlungsdefizit. Das heißt, es muss mehr investiert werden. Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen. In den letzten 17 Jahren sind jedes Jahr 80 Schwimmbäder geschlossen worden; immer weniger Kinder lernen schwimmen. Über 300 Kommunen haben vom Bund keine Zuschüsse bekommen für überfällige Sanierungen, weil zu wenig Geld bereitgestellt worden ist. Aber inzwischen rührt sich Protest – und das ist auch gut so –: 120 000 Menschen haben eine Petition unterschrieben: „Rettet die Bäder!“. Das Bädersterben soll endlich aufhören; dafür setzt sich Die Linke ein. Meine Damen und Herren, viele Menschen treibt die Sorge um, dass sie sich ihre Wohnung in Zukunft nicht mehr leisten können. Alle Maßnahmen der Bundesregierung haben nichts daran geändert. Es gibt immer weniger Sozialwohnungen, aber immer höhere Mieten, inzwischen auch in kleineren Städten – wie Sie in der Antwort auf eine Anfrage von mir zugeben mussten – wie Delmenhorst oder Garbsen in Niedersachsen. Zuwächse von über 30 Prozent in den letzten sechs Jahren! Dafür gibt es politische Ursachen. Eine ist, dass in den letzten 30 Jahren die Zahl der Sozialwohnungen um 1,8 Millionen gesunken ist. Finanzminister Olaf Scholz hat hier am Dienstag das Ziel ausgegeben, dass von jetzt an 80 000 Wohnungen pro Jahr gebaut werden, damit wir den Status quo halten. Aber es weiß doch jeder: Das ist doch viel zu wenig. – Es ist doch kein Problem gelöst, wenn wir nur den Status quo halten und nicht mehr machen. Schaut man in den Haushaltsplan, wird man fassungslos: Die Koalition senkt die Investitionen in den sozialen Wohnungsbau um 500 Millionen Euro. Jeder dritte Euro soll gestrichen werden. Das ist komplett aus der Zeit gefallen, Herr Minister. Das Bundesverfassungsgericht hat gerade erst festgestellt, dass die Politik bei den Mietpreisen eingreifen darf. Deshalb ist es wegweisend, dass unsere linke Bausenatorin Katrin Lompscher einen Mietendeckel für Berlin vorgelegt hat. Demnach sollen die Mieten fünf Jahre lang nicht mehr steigen. Für alte Wohnungen werden Höchstpreise festgelegt. Das ist ein gutes Vorbild für alle Bundesländer. Die Linke fordert einen bundesweiten Mietendeckel. – Ihre Empörung zeigt nur, dass Sie ganz fest an der Seite der Immobilienhaie stehen. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss ein anderes Thema ansprechen. Es gibt in diesem Land ein großes Problem mit Neonazis. Über 12 500 sind laut Innenministerium gewaltbereit. Im Internet führen sie Todeslisten. Es gibt Angriffe. Es fallen Schüsse. Es gab den NSU, und vor wenigen Wochen wurde der hessische Regierungspräsident Walter Lübcke ermordet. Fast 200 Menschen sind in den letzten 30 Jahren den Neonazis zum Opfer gefallen. In dieser Situation hätte ich es nicht für möglich gehalten, dass die Bundesregierung 8 Millionen Euro beim Projekt „Demokratie leben!“ kürzen will. Das ist das Programm, mit dem vor Ort die Zivilgesellschaft gestärkt wird, mit dem die Opferberatungen ausgebaut werden. Denen muss man doch dankbar sein, und man darf ihnen nicht die Mittel kürzen. Herr Seehofer, sozialen Zusammenhalt und gleichwertige Lebensverhältnisse schafft man nur, wenn man sich wirklich entschlossen engagiert, nicht mit Absichtserklärungen. Ihr Haushaltsentwurf ist weit davon entfernt, einen großen Wurf für die Zukunft darzustellen. Dr. Irene Mihalic, Bündnis 90/Die Grünen, ist die nächste Rednerin.
0
0
0
1
0
0
188
19
81
ID198106000
1,550,188,800,000
09:00
15:32
11,004,767
Fabian Jacobi AfD
Fabian
Jacobi
AfD
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/943 liegt bereits im Rechtsausschuss. Die Grünen und Die Linke fordern mit ihren Anträgen die Bundesregierung auf, den Gesetzentwurf zu verändern. Worum geht es? Gegenstand der EU-Richtlinie ist der Schutz von Geschäftsgeheimnissen. Das heißt, es geht um die Konfliktlage zwischen dem Inhaber eines solchen Geheimnisses und demjenigen, der ein fremdes Geheimnis für sich verwenden oder an Dritte weitergeben will. Das kann zum einen ein Wettbewerber sein, der sich fremde Betriebsgeheimnisse wirtschaftlich zunutze machen will; zum anderen können es aber auch Journalisten sein oder sogenannte Pfeifenbläser, im Englischen „Whistleblower“ genannt. Die Grünen nennen fünf Punkte, in denen sie den Gesetzentwurf abändern wollen. Die Linken wollen das wenigstens mengenmäßig übertreffen und zählen sechs Punkte auf. Ich gehe auf den Punkt 3 aus dem Linkenantrag ein; denn er lenkt den Blick auf Grundsätzliches. Er bezieht sich auf den Passus des Gesetzentwurfs, der regelt, wann denn das Ausspähen oder Weitergeben von fremden Geheimnissen erlaubt sein soll, nämlich dann, wenn jemand „in der Absicht handelt, das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen“. Die Linke meint nun, das Wort „Absicht“ sei falsch gewählt, schließlich laute doch die englischsprachige Version an dieser Stelle: „for the purpose of protecting the general public interest“. Deshalb müsse es im Deutschen heißen „zum Zwecke“ anstatt „in der Absicht“. Nun könnte man darüber trefflich debattieren, zum einen darüber, ob eine der beiden Varianten im Rahmen eines Übersetzungsvorgangs wirklich zwingend ist – denn das englische Wort „purpose“ kann nun einmal beides bedeuten, „Absicht“ wie auch „Zweck“ –, zum anderen darüber, ob die Unterscheidung der beiden Worte im Deutschen wirklich die behauptete Bedeutung hat. Nun gibt es auch eine offizielle deutschsprachige Version der Richtlinie, die im Amtsblatt der EU veröffentlicht ist. Dort heißt es an der betreffenden Stelle überraschenderweise: „in der Absicht“; denn das hat die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf getreulich abgeschrieben. Solche philologischen Betrachtungen sind ja durchaus interessant und anregend. Wichtiger, als diesen philologischen Ansatz weiterzuverfolgen, dürfte es aber sein, dass wir einmal innehalten und uns vergegenwärtigen, was wir hier eigentlich tun und in welche Rolle der Deutsche Bundestag mittlerweile geraten ist. Anstatt als Gesetzgeber darüber zu entscheiden, was in Deutschland als Recht gelten soll, unterhalten wir uns darüber, ob ein in Belgien entstandener englischsprachiger Text richtig übersetzt wurde und ob wir ihn auch richtig abgeschrieben haben. Man kann durchaus verstehen, dass sich gegen diesen Bedeutungsverlust des Parlaments hier bisher kein Widerspruch geregt hat. Es mag ja angenehm sein, wenn man weniger selbst entscheiden muss, wenn man sich im Zweifel hinterher darauf zurückziehen kann, zu sagen: „Wir waren es nicht; Brüssel ist es gewesen“, ob es nun um Exzesse beim Datenschutz geht oder um Dieselfahrverbote. Ob das aber eines nationalen Gesetzgebungsorgans noch würdig ist, das muss am Ende das Volk bewerten. Zurück zu den beiden konkreten Anträgen hier. Beide Anträge wollen den Bereich dessen, was ein Geschäftsgeheimnis sein soll, verengen. Dazu soll der Definition des Geschäftsgeheimnisses in Artikel 1 § 2 des Gesetzentwurfs ein zusätzliches viertes Merkmal hinzugefügt werden, das des berechtigten Interesses. Die Anträge verweisen auf die Erwägungsgründe der Richtlinie. Im Erwägungsgrund 14 sei das „legitime Interesse“ erwähnt. Erwägungsgründe sind der eigentlichen Richtlinie vorangestellte Erläuterungen, in denen uns Brüssel mitteilt, was man sich so gedacht hat und warum man die Richtlinie so geschrieben hat, wie man sie geschrieben hat. Wenn der Normgeber in Brüssel in seinen Vorbemerkungen alles Mögliche anspricht und dann eine konkrete Norm formuliert, dann muss man als Adressat wohl davon ausgehen, dass er seine eigenen Vorbemerkungen in diesem Normtext berücksichtigt und eingearbeitet hat. Und wenn in den Erwägungsgründen ein „legitimes Interesse“ erwähnt wird und dann die konkrete Norm aus drei Definitionselementen besteht, dann muss man das wohl so verstehen, dass bei Vorliegen dieser drei Definitionselemente das „legitime Interesse“ eben gegeben sein soll. Die Definition des Geschäftsgeheimnisses findet sich in Artikel 2 der Richtlinie. Und die Bundesregierung hat in ihrem Gesetzentwurf diese Definition genau so abgeschrieben, wie sie halt in der Richtlinie steht. Das Ergebnis kann man nun in der Sache sinnvoll und wünschenswert finden oder auch nicht. Aber wenn man sich der Regelungsgewalt einer Organisation wie der EU unterwirft und diese etwas entscheidet, muss man das halt schlucken, auch wenn es einem nicht schmeckt. Dann sollte man sich halt vorher überlegen, ob man die eigenen Gesetzgebungsbefugnisse so leichthin aufgibt, wie das der Deutsche Bundestag gewohnheitsmäßig tut. – Hören Sie zu, hören Sie zu! Bedenken Sie es wohl! Aber bevor jetzt jemand fragt: „Und wo bleibt das Positive?“ – gerne: Die beiden Anträge sind nicht per se und in toto unsinnig. Sie enthalten auch Ansätze, über die man durchaus noch einmal reden sollte. Die verlangten Bereichsausnahmen sehen wir zwar im Medienbereich aufgrund dessen Unbestimmtheit eher weniger; für den Bereich des Arbeitsrechts, der im Hinblick auf die betroffenen Akteure und die infragekommenden Konstellationen klarer strukturiert ist, kann man dem aber womöglich durchaus nähertreten. Gleiches gilt für den Ansatz des Grünenantrags, den Geheimnisschutz im Zivilverfahren noch zu verbessern. Da gehen wir durchaus mit. Der Überweisung der beiden Anträge in den Rechtsausschuss stimmen wir natürlich zu. Dort werden wir dann hoffentlich bei der Überarbeitung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zu einem vernünftigen Ergebnis kommen. Vielen Dank. Für die SPD-Fraktion hat das Wort die Kollegin Dr. Nina Scheer.
1
-1
0
1
0
0
189
19
215
ID1921515000
1,614,816,000,000
9:00
23:00
11,004,317
Frank Junge SPD
Frank
Junge
SPD
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Komning, Ihre Rede hat mir zwei Dinge gezeigt: Das Erste. Es scheint Ihnen entgangen zu sein, dass wir seit dem 1. Januar 2020 das gesamtdeutsche Fördersystem haben und nicht mehr nur nach Himmelsrichtungen, sondern nach Bedürftigkeit fördern. Das Zweite. Sie scheinen auch keine Ahnung von der Situation vor Ort, in den Kommunen, zu haben. Denn dort ist die GRW das wichtigste Instrument für die Wirtschaftsförderung – vor allen Dingen in strukturschwachen Regionen. Der Bund gibt jährlich 600 Millionen Euro, dazu kommt der Anteil der Länder. Das macht für die Jahre 2007 bis 2013 zusammen etwa 53 Milliarden Euro – einfach deshalb, weil aus einem GRW-Euro am Ende das Dreieinhalbfache geworden ist. Dieses Investitionskapital fließt vor allen Dingen ins produzierende Gewerbe, in den Handel und in die Gastronomie. Dort wird es ganz dringend benötigt, und vor allen Dingen im Osten hat es dort auch unglaublich viel bewirkt, gerade nach 1991, als es darum ging – und das wird bis heute fortgeführt –, die Lebensverhältnisse anzugleichen. Auch während der Coronapandemie hat die GRW – neben dem großen Konjunkturpaket, das die Große Koalition auf den Weg gebracht hat – erfolgreiche Dienste geleistet, und ich begrüße ausdrücklich, dass die GRW aus diesem Konjunkturpaket noch mal um einen Bundesanteil in Höhe von 500 Millionen Euro aufgestockt worden ist; denn beide Maßnahmen haben am Ende mit dazu beigetragen, dass der Wirtschaft geholfen werden konnte und verhindert wurde, dass Prognosen, die noch im Sommer 2020 gegolten haben – das BIP würde um über 10 Prozent einbrechen –, Realität wurden. Am Ende sind wir dort bei minus 4,9 Prozent gelandet. Das sind für mich klare Indizien dafür, dass diese Wirtschaftsförderinstrumente funktionieren – vor allen Dingen auch in strukturschwachen Regionen. Wir stehen jetzt vor der großen Aufgabe, den Neustart der Wirtschaft voranzubringen und die Wirtschaft nach der Coronapandemie wieder auf Kurs zu bringen, sodass sie möglichst schnell wieder auf dem Vorcoronaniveau ankommen wird. Auch dafür bietet die GRW hervorragende Möglichkeiten. Wir haben natürlich die Ziele, Wirtschaftskreisläufe zu stärken, Investitionen voranzubringen und den Transformationsprozess der Wirtschaft entsprechend anzukurbeln. Dafür sind die investiven Mittel hervorragend geeignet. Wenn ich hier noch mal vor Augen führe, was mein Vorredner, Herr Holmeier, schon dargestellt hat, nämlich das, was wir mit Blick auf diese Gesetzesänderung, die ich für sehr sinnvoll und sehr praxistauglich halte, vorhaben, dann wird klar, dass wir damit nicht nur Straßenanbindungen für die Fördergebiete bzw. GRW-Gebiete auf den Weg bringen können – wir können sie also an das Straßennetz anschließen –, sondern wir haben damit auch die Möglichkeit, eine Effizienzsteigerung von 20 Prozent herbeizuführen, nämlich genau in den Bereichen, in denen in der Vergangenheit GRW-Förderungen gar nicht wirklich umgesetzt werden konnten, weil die zugehörige Straßeninfrastruktur am Ende einen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Diese Gesetzesänderung gibt uns jetzt die Möglichkeit, genau das zu tun. Vor dem Hintergrund kann ich Sie nur bitten, dieser Gesetzesvorlage zuzustimmen. Die GRW war eine Erfolgsgeschichte, sie ist eine, und sie wird nach dieser Änderung noch lange eine bleiben. Vielen Dank. Vielen Dank, Frank Junge. – Nächste Rednerin: für die FDP-Fraktion Sandra Weeser.
-1
0
1
0
0
1
190
19
206
ID1920607900
1,611,792,000,000
9:00
23:17
11,003,858
Alexander Ulrich DIE LINKE
Alexander
Ulrich
DIE LINKE
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der ersten Lesung dieses Gesetzes hat mein Kollege Stefan Liebich eine historische Rede gehalten, die sich im Internet noch einmal anzuschauen ich Ihnen allen empfehle. Eigentlich hatte ich gedacht, heute könnte man es genauso kurz halten. Aber dadurch, dass das Gesetzgebungsverfahren doch noch ein paar Wendungen genommen hat, kommen Sie als Regierungsfraktionen hier nicht so einfach durch. Ja, wir tun den steuerberatenden Berufen durch das, was in den letzten Monaten durch die Coronapandemie an Arbeit aufgelaufen ist, einiges an, und wir machen es ihnen auch deshalb nicht leicht, weil der Gesetzgeber permanent mit Unklarheiten bei der Umsetzung der Coronahilfe vorgeht und auch ständig das Verfahren verändert. Oder es ist so, dass man Anträge überhaupt nicht einreichen kann, weil es offenkundig Softwareprobleme gibt. Deshalb ist das Vorgehen, dass man das verlängert, aus unserer Sicht in Ordnung und wird auch von uns als IG Metall – – als Die Linke – mitgetragen. Aber ich sage Ihnen auch eins: Die IG Metall hat zum Beispiel – deshalb komme ich auf die IG Metall – bei der Verlängerung der Gültigkeitsdauer des Gesetzes auch deutlich gemacht: Beim Insolvenzrecht sind die Arbeitnehmerinteressen nicht ausreichend berücksichtigt. Das zwingt uns als Linke dazu, dass wir dem Gesetz heute nicht zustimmen können, sondern uns enthalten müssen. Jetzt komme ich aber auch zur Insolvenz. Sie tun so, als geht es Ihnen wirklich darum, Arbeitsplätze zu retten und Unternehmen zu retten. – Ja, aber wenn man sich anschaut, wie viele Industriezweige, wie viele Zweige der Wirtschaft Sie bisher überhaupt nicht berücksichtigen, dann kommt es uns so vor, als wollten Sie mit dieser ständigen Verlängerung der Insolvenzantragsfrist nur über die Bundestagswahl hinwegkommen. Denn noch immer gibt es viele Zweige in der Wirtschaft, die bis heute auf Hilfe warten. Die Forderung nach einem Unternehmerlohn, die wir von Anfang an erhoben haben, ist bis heute nicht umgesetzt. Das wäre Hilfe. Die Leute warten nicht auf die Verlängerung der Insolvenzantragspflicht, sondern sie wollen endlich Hilfe von der Bundesregierung, und da bleiben Sie leider auf halbem Weg stehen. Der Schwachpunkt dieser Coronahilfe ist das Wirtschaftsministerium. Herr Altmaier ist bei Ankündigungen zwar immer ganz schnell dabei; aber bei der Umsetzung lässt er auf sich warten. Heute Morgen hat er hier bei der Debatte zum Jahreswirtschaftsbericht auch wieder gesagt: Kein Unternehmen soll in Insolvenz, weil es 8 oder 14 Tage länger auf die Hilfen warten muss. – Die Unternehmer wären ja froh, wären es nur 8 oder 14 Tage – es sind Monate, die sie warten müssen! Bis wann soll denn die Novemberhilfe ausgezahlt werden? Bis wann soll denn die Dezemberhilfe kommen? Und bei der Überbrückungshilfe III ist bis heute noch völlig unklar, wie sie umgesetzt werden soll, zum Beispiel, wie die Saisonware abgeschrieben oder geltend gemacht werden kann. Wirtschaftsminister Altmaier ist in dieser Coronakrise ein Totalausfall. Da muss ich Friedrich Merz sogar mal recht geben. Deshalb: Der wirksamste Schutz vor Insolvenzen wären schnelle und effektive Hilfen. Damit können Insolvenzen vermieden werden; da könnten Arbeitsplätze gesichert werden. Aber da lässt die Bundesregierung viele, viele Einzelhändler und viele, viele Zweige der Wirtschaft im Stich. Deshalb können wir uns heute maximal enthalten. Herr Kollege. Vielen Dank. Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Dr. Manuela Rottmann das Wort.
0
0
-1
1
0
-1
191
19
218
ID1921801600
1,616,630,400,000
9:00
01:02
11,004,656
Philipp Amthor CDU/CSU
Philipp
Amthor
CDU/CSU
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Bundeskanzlerin! Zum Ende dieser Debatte kann man feststellen: Ja, sie war insgesamt weniger geprägt, gerade im ersten Teil, von der notwendigen Vorausschau auf den bevorstehenden EU-Gipfel, sondern natürlich etwas mehr von einer Nachlese der Ministerpräsidentenkonferenz. Ich glaube, wir können heute feststellen, das war auch richtig so; denn der Unmut über die Ergebnisse der Ministerpräsidentenkonferenz von Montag im Parlament, im Land war groß. Viele, auch ich, haben das natürlich auch in ihren Wahlkreisen gespürt. Deshalb war es aber umso richtiger – das möchte ich zum Schluss dieser Debatte auch noch einmal ausdrücklich anerkennen –, dass die Bundeskanzlerin einen Fehler erkannt, ihn eingestanden und abgestellt hat, dass wir heute darüber so offen debattiert haben. Das verdient unseren Respekt, liebe Kolleginnen und Kollegen. Bevor wir zum Abschluss den Blick noch einmal auf die Ministerpräsidentenkonferenz werfen, möchte auch ich auf den bevorstehenden EU-Gipfel eingehen. Die Regierungserklärung heute dient natürlich nicht dazu – auch wenn mancher Kollege sie so genutzt hat –, eine Generalabrechnung mit der Coronapolitik vorzunehmen, sondern sie dient vor allem dazu, dass wir unserer Verantwortung und unserer parlamentarischen Kontrolle in EU-Angelegenheiten nachkommen können. Dafür ist natürlich entscheidend, dass große wegweisende Entscheidungen für die Europäische Union beim Gipfel anstehen. Eines möchte ich ausdrücklich zum Abschluss der Debatte noch einmal zurückweisen: Wenn jetzt aus Reihen der AfD mit Blick auf das Programm „Next Generation EU“ die Rede von einer Schuldenunion ist, dann zeigt das nur, dass Sie vor parlamentarischer Verantwortung kapitulieren; denn wir haben hier im Parlament dafür gesorgt, dass genau das nicht eintreten wird, und für Zukunftsfähigkeit gesorgt, liebe Kolleginnen und Kollegen. Es geht beim EU-Gipfel natürlich um die Bewältigung der Pandemielage in Europa und auch um das Zurückgewinnen von verlorengegangenem Vertrauen. Wir haben – das wurde heute vielfach diskutiert – natürlich auch Kritik geübt an der Impfstoffbeschaffung auf der EU-Ebene. Aber umso mehr ist jetzt doch die Zeit der Verantwortung, es geht darum, das zu kompensieren. Dafür gibt es Chancen, zum Beispiel, indem wir den knappen Impfstoff, den wir jetzt haben, mit Exportbeschränkungen belegen, sodass er in der Europäischen Union verbleibt. Oder wir nutzen die Chance, mit Präsident Biden darüber zu reden, wie mit den USA eine Lösung gefunden werden kann. Auch das ist eine konkrete Erwartung an den EU-Gipfel, liebe Kolleginnen und Kollegen. Es wird natürlich auch darum gehen, dass wir über den digitalen EU-Impfpass diskutieren. Denn klar ist für uns, dass die Öffnung des Gewerbes, dass die Öffnung der Hotellerie, dass Reisen, die wir alle in Zukunft wieder erleben wollen, nicht nur aufgrund regionaler Insellösungen möglich sein sollen, sondern möglichst unionsweites im Rahmen eines Mehr-Ebenen-Systems. Dafür brauchen wir gemeinsame Lösungen und einen fairen Umgang miteinander in der EU, aber auch in unserem Land, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das Stichwort „fairer Umgang“ leitet über zu einigen abschließenden Überlegungen, auch mit Blick auf die Debatte der Ministerpräsidentenkonferenz. Die Bundeskanzlerin hat sich dazu geäußert und hat, was ich schon anerkannt habe, Verantwortung für eine Entscheidung übernommen, die eben nicht nur ihre Entscheidung war, sondern die ein einstimmiger Beschluss war und die parteiübergreifend getroffen wurde. Armin Laschet, Markus Söder und andere mehr haben richtigerweise darauf hingewiesen, aber – das ärgert mich – nicht jeder hatte die Größe dazu, sondern manche sind im Wahlkampfmodus verhaftet geblieben. Herr Mützenich, Sie beziehe ich ausdrücklich nicht mit ein. Malu Dreyer aber meinte noch gestern verkünden zu müssen, die Kanzlerin sei selbst schuld, und auch Manuela Schwesig ist wieder Großmeisterin im Schwarzer-Peter-Spiel. Ich sage Ihnen, eines geht nicht: Immer am Verhandlungstisch zu sitzen und dann darüber zu reden, dass die EU und der Bund schuld seien, aber man selbst trägt keine Verantwortung. Das kann doch nicht richtig sein, liebe Kolleginnen und Kollegen. Die Pandemie ist kein alleiniges Problem des Bundes, sie ist kein alleiniges Problem von CDU/CSU, und nicht wir, nicht andere Parteien, sondern das Virus ist der Gegner. Auch das muss eine klare Aussage dieser Debatte heute sein. Die Menschen erwarten jetzt Perspektiven. Sie erwarten jetzt – darauf hat Ralph Brinkhaus hingewiesen – einen funktionierenden Staat. Sie wollen Kreativität und Mut. Genau das werden wir hier im Parlament gemeinsam mit der Exekutive auf den Weg bringen. Allen Verhandlern beim EU-Gipfel und für die Abstimmungen in der Bund-Länder-Ebene wünsche ich alles Gute. Wir haben das Vertrauen, dass wir dieser Pandemie nicht mit Angst, sondern mit Lösungen begegnen. Auch das ist ein Signal der heutigen Debatte. Herzlichen Dank.
0
0
1
0
1
0
192
20
27
ID202708800
1,649,203,200,000
13:00
19:44
11,004,709
Thomas Erndl CDU/CSU
Thomas
Erndl
CDU/CSU
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Exzellenz! Von Januar bis April 1996 war ich als junger Soldat der Bundeswehr in Bosnien eingesetzt. Ich war Teil des allerersten Kontingents – abgesehen von den Sanitätern, die 1994 in Somalia waren –, das in einen Auslandseinsatz geschickt wurde. Mit der IFOR-Mission sollte das Friedensabkommen von Dayton überwacht werden. Nach den schrecklichen Kämpfen in Bosnien sollte Stabilität Einzug halten. Die Eindrücke, die man da als junger Mensch gemacht hat, waren bestürzend: ein Bild der Zerstörung mitten in Europa. Am Ende dieses Krieges war der Hass dieses Konfliktes in der Zerstörung, in den unzähligen zerstörten Gebäuden, in den Einschusslöchern, in den Fassaden der Häuser deutlich sichtbar. Es schien natürlich in den ersten Tagen irgendwie unwirklich; aber diese massive Zerstörung, das große Leid in Bosnien – mitten in Europa – war real. Bei mir haben sich die Bilder von unzähligen frischen Gräbern, die eigentlich in jedem Dorf sichtbar waren, eingeprägt. Dennoch gab es Zuversicht. Mit der Unterzeichnung des Friedensvertrages von Dayton konnte man annehmen, dass die Balkankriege die letzten Kriege in Europa gewesen sind und dass wir auf den Weg in eine friedliche Zukunft waren. Wir müssen heute jedoch feststellen, dass wir uns getäuscht haben. Es gibt erschreckende Parallelen zwischen den damaligen Bildern aus Bosnien und den heutigen Eindrücken aus der Ukraine. Dabei hätte doch gerade die Lehre aus Srebrenica 1995 eigentlich sein müssen, dass wir als Westen alles tun, um solche Massaker in Europa in Zukunft zu verhindern. Ich muss es an dieser Stelle klar sagen: Wertegeleitete Außenpolitik muss natürlich auch heißen, Bereitschaft zum Handeln und politische Führung zu beweisen. Das Definieren von Werten allein reicht nicht aus. Man muss im Ernstfall auch dazu bereit sein, konsequent zu handeln. Das hätte schon die Lektion aus den Balkankriegen sein müssen, und es bedrückt mich sehr, dass wir sie mit Blick auf die Ukraine noch nicht ausreichend verinnerlicht haben, dass wir wieder diejenigen, die regelmäßig rote Linien überschritten haben, zu lange haben gewähren lassen. Meine Damen und Herren, Passivität darf uns aber in Bezug auf Bosnien nicht ein weiteres Mal passieren. Wir haben ein Land mit einer Blockade der politischen Klasse. Wir haben enttäuschte Erwartungen wegen des NATO- und des EU-Beitritts. Die Republika Srpska zündelt, und Kriegsverbrecher Putin hat mit Milorad Dodik einen Mann im Staatspräsidium, mit dem er mitten auf dem Balkan eskalieren kann. Wir dürfen die Lage in Bosnien nicht ein weiteres Mal entgleiten lassen. Die Wahlen im Oktober sind hierbei ganz entscheidend, und ja, das ist eine Aufgabe für uns alle, für Deutschland; das hat Christian Schmidt auch in den letzten Tagen eingehend beschrieben. Ihm möchte ich ganz herzlich danken für diesen wichtigen Einsatz für den Frieden auf dem Balkan. Es ist gut, dass Deutschland diese verantwortungsvolle Position mit dem diplomatisch erfahrenen Christian Schmidt besetzen konnte. Er muss auf unsere Unterstützung bei seiner Arbeit für Frieden und Stabilität in Bosnien und Herzegowina zählen können. Herzlichen Dank. Herr Dr. Gysi, ich würde Sie bitten, Ihre Maske aufzusetzen. – Herr Gysi, Ihre Maske! Wir kommen zum nächsten Redner in der Debatte: Josip Juratovic von der SPD-Fraktion.
0
0
1
-1
1
1
193
19
160
ID1916002100
1,589,414,400,000
9:00
23:42
11,004,796
Konstantin Kuhle FDP
Konstantin
Kuhle
FDP
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am gestrigen Tag ist in Ungarn ein Mitglied der liberalen Oppositionspartei Momentum verhaftet worden. Die Rechtsgrundlage für diese Verhaftung war eines der neuen Coronagesetze der Regierung Orban, mit denen angeblich gegen Fake News gekämpft werden soll. Tatsächlich hatte das Mitglied der liberalen Oppositionspartei Momentum nichts anderes getan, als eine gesundheitspolitische Maßnahme der Regierung zu kritisieren. Das zeigt, dass dieses Gesetz in Ungarn sich in eine ganz bedrohliche Tendenz einreiht, die wir in verschiedenen Mitgliedstaaten der Europäischen Union schon seit einiger Zeit beobachten können. Ob die Justizreform in Polen, die Wahlrechtsreform in Polen, die Beschneidung der Oppositionsrechte in Ungarn, die Beschneidung der Pressefreiheit in Ungarn – es droht, dass in der Coronakrise diese Tendenz noch zunimmt. Deswegen ist es richtig, dass wir hier im Deutschen Bundestag mit dieser Debatte ein Zeichen setzen für eine europäische Grundwerteinitiative und auch für einen Rettungsschirm, der nicht nur die Wirtschaft umfasst, sondern auch den Rechtsstaat, liebe Kolleginnen und Kollegen. Aber warum muss sich eigentlich das Parlament eines Mitgliedstaates mit den Entscheidungen der Parlamente anderer Mitgliedstaaten auseinandersetzen? Ist es nicht das souveräne Recht des polnischen und des ungarischen Parlaments, zu entscheiden, was es möchte, und entsprechende Gesetze auf den Weg zu bringen? Haben wir in der Coronakrise nichts Wichtigeres zu tun, als uns mit Polen und Ungarn zu beschäftigen? Natürlich sind auch andere Fragen von Relevanz. Aber wer so argumentiert, der verkennt völlig, dass die Europäische Union eine Rechts- und Wertegemeinschaft ist und dass Verträge innerhalb der Europäischen Union abgeschlossen worden sind, mit denen Demokratie und Rechtsstaat für alle Bürgerinnen und Bürger gelten. Wenn die Grundrechte von polnischen und ungarischen Bürgerinnen und Bürgern beschnitten werden, dann werden nicht nur deren Grundrechte beschnitten, sondern dann werden gleichermaßen die Grundrechte europäischer Bürgerinnen und Bürger beschnitten. Deswegen müssen wir hier darüber sprechen, dass das auch eine Frage der Grundwerte unserer gemeinsamen Europäischen Union ist. Denn der Rechtsstaat umfasst als eine gemeinsame Vereinbarung die Werte der Europäischen Menschenrechtskonvention, die Werte der Grundrechtecharta – darauf haben wir uns verständigt –, er umfasst den Wert Demokratie. Das heißt gerade mit Blick auf Viktor Orban und Herrn Kaczynski, dass aus einer Minderheit in Polen und in Ungarn auch wieder eine Mehrheit werden kann. Wer das verhindern will, der verübt einen Anschlag auf die europäische Demokratie. Deswegen müssen wir uns auch an die Seite der mutigen Zivilgesellschaft in Polen und in Ungarn stellen, die ihrerseits ein Zeichen setzen gegen diese Tendenzen des Autoritarismus mitten in der Europäischen Union. Meine Damen und Herren, sowohl der Antrag der Grünen als auch der Antrag der Freien Demokraten enthalten einige ganz konkrete Vorschläge, über die wir hier miteinander diskutieren wollen. Ich will Ihnen drei Vorschläge ganz besonders ans Herz legen. Als Allererstes wäre es ein großer Segen, wenn die Unionsfraktionen und die CDU in Europa sich endlich dafür einsetzen würden, ihren Parteifreund Viktor Orban endlich aus der EVP zu schmeißen. Es ist längst überfällig, dass ein solcher Schritt erfolgt. Es ist überhaupt nicht zu verstehen, dass dieser Typ immer noch von Ihnen als Parteifreund akzeptiert wird. Es gibt ja konservative Regierungschefs und Parteichefs, die das längst auf den Weg bringen. Ich habe hier die Unterschrift von Frau Kramp-Karrenbauer vermisst und hoffe, dass diejenigen, die sich jetzt um den CDU-Parteivorsitz bewerben, auch mal sagen, wo sie stehen. Meine Damen und Herren, wir sollten als zweiten Schritt darüber diskutieren, wie wir die bestehenden Verfahren, die es gibt – Vorabentscheidungen, die jetzt in der Frage der polnischen Justizreform eine besondere Rolle gespielt haben, Fragen des Vertragsverletzungsverfahrens, Fragen des Artikel-7-Verfahrens –, effizienter gestalten können. Gerade mit Blick auf die Vertragsverletzungsverfahren schlagen wir vor, dass man das zu systemischen Vertragsverletzungsverfahren bündeln kann, um den dahinterliegenden Wertungen auf die Spur zu kommen. Meine Damen und Herren, ein weiterer Punkt ist schon genannt worden. Wir wollen als dritten Schritt, dass die deutsche EU-Ratspräsidentschaft einen besonderen Fokus auf das Thema EU-Rechtsstaatlichkeit legt und sich dafür einsetzt, dass im Rahmen des mehrjährigen Finanzrahmens eine Kopplung an den Rechtsstaat stattfindet. Wer europäische Werte mit Füßen tritt, der darf nicht auch noch mit europäischen finanziellen Mitteln nach Hause gehen. Deswegen muss das ein Schwerpunkt der deutschen EU-Ratspräsidentschaft werden. Vielen Dank. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich mache darauf aufmerksam, dass die Urnen zur namentlichen Abstimmung noch geöffnet sind. Wir haben noch vier Minuten Zeit für die Abstimmung. Ich bitte um ein Zeichen, falls sich eine Kollegin oder ein Kollege gehindert sieht, an der Abstimmung teilzunehmen; dann könnten wir die Zeit noch einmal verlängern. – Okay. – Also, dann bitte ich um ein Zeichen der Rednerinnen und Redner, ob sie schon abgestimmt haben, und bitte, das nach ihrem Beitrag unverzüglich vorzunehmen. Das Wort hat jetzt der Kollege Andrej Hunko für die Fraktion Die Linke.
0
1
0
1
1
1
194
20
18
ID201806100
1,645,142,400,000
9:00
16:33
11,005,207
Timo Schisanowski SPD
Timo
Schisanowski
SPD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ein Blick auf die Tagesordnungspunkte allein in dieser Sitzungswoche zeigt, wie präsent und bedeutsam das Thema „Bauen und Wohnen“ hier im Deutschen Bundestag ist. Erst gestern haben wir schon die wichtige Debatte zum Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten geführt. Ich freue mich ganz besonders, dass unsere wohlgeschätzte Bundesministerin Klara Geywitz es sich nicht hat nehmen lassen, heute persönlich – noch dazu an ihrem Geburtstag, wie wir gehört haben – zu sprechen. Ja, wir sind uns in der Sache sehr wohl bewusst, wie angespannt die Situation für Mieterinnen und Mieter sowie für Wohnungsuchende derzeit vielerorts ist. Der hier vorliegende Antrag hat darauf keine Antwort, weshalb wir ihn ablehnen. Stattdessen lassen Sie mich konstruktiv auf ein wichtiges und richtiges Vorhaben der Fortschrittskoalition eingehen. Ein Grundsatz dabei lautet: Wohnen darf keine Frage des Geldbeutels, des Bildungsabschlusses oder der Herkunft sein. Wohnen ist ein Menschenrecht, wie die Ministerin schon in ihrer Antrittsrede so treffend erklärt hat. Deshalb haben wir uns als SPD-Bundestagsfraktion gemeinsam mit unseren Koalitionspartnern auf die Fahnen geschrieben, die strukturellen Probleme auf dem Wohnungsmarkt mit allem Nachdruck anzugehen und bezahlbaren Wohnraum für alle zu ermöglichen. Auf keinen Fall darf die vielerorts hohe Nachfrage weiter zulasten der Mieterinnen und Mieter gehen, insbesondere nicht zulasten der Menschen mit geringem Einkommen. Durch steigende Mietpreise und Energiekosten sind Menschen mit geringem Einkommen de facto am stärksten betroffen. Zu viele Menschen müssen schon jetzt mehr als ein Drittel ihres Einkommens für die Miete aufwenden. Diesem besorgniserregenden Trend müssen wir ganz entschieden entgegentreten. Daher ist es ein gutes Signal, dass bereits seit Jahreswechsel mehr als 1 Million Bürgerinnen und Bürger von der Erhöhung des Wohngeldes profitieren. Daher ist es auch richtig, ein Bündnis für bezahlbaren Wohnraum zügig anzugehen. Ich bin sehr froh, dass dies als eine der obersten Prioritäten unserer Bauministerin angepackt wird. Ein weiteres zentrales Vorhaben ist die Stärkung des Mieterschutzes. Denn es darf nicht länger sein, dass Mieterinnen und Mieter mit ihren Familien in der ständigen Angst leben müssen, ob sie sich ihr Zuhause in Zukunft überhaupt noch leisten können. Deshalb werden wir die Mietpreisbremse bis 2029 verlängern und auf angespannten Märkten die Kappungsgrenze absenken. Die Mieterinnen und Mieter in unserem Land, sie können sich auf uns verlassen. Als Sozialdemokrat ist es mir ganz besonders wichtig, vulnerable Gruppen in Zukunft besser zu schützen und die ganze Vielfalt des Wohnens zu ermöglichen. Egal ob junge oder alte Menschen, sie alle haben einen besonderen Bedarf, dem wir durch gezielte Programme gerecht werden wollen. Werte Kolleginnen und Kollegen, unser Bundespräsident hat am vergangenen Sonntag – viel beachtet – ausgeführt, dass wir vor allem auch denen helfen müssen, die gar keine Wohnung haben. In diesem Zusammenhang gibt es einen Leitsatz, der mich als Sozialdemokraten prägt. Ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin diesen Satz aus der Präambel der Schweizer Verfassung: dass „die Stärke des Volkes sich misst am Wohl der Schwachen“. Umso mehr danke ich unserem Bundespräsidenten für seine Worte, ebenso auch wie unserer Fortschrittskoalition dafür, dass wir uns genau das zu Herzen nehmen und das Ziel gesetzt haben, Obdachlosigkeit bis 2030 zu überwinden, und dass wir hierfür einen nationalen Aktionsplan auflegen werden. Zum Schluss meiner Rede darf ich deshalb festhalten. Das Thema „Bauen und Wohnen“ erfährt in dieser Legislaturperiode mit dem neuen Ministerium eine spürbare Aufwertung. Wir als SPD-Bundestagsfraktion machen gemeinsam mit unseren Koalitionspartnern ordentlich Tempo, um gemeinsam mehr bezahlbaren, qualitativ hochwertigen und nachhaltigen Wohnraum zu schaffen. In diesem Sinne freue ich mich auf die weitere Zusammenarbeit in diesem Hause. Herzlichen Dank. Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Michael Kießling das Wort.
0
1
0
0
1
1
195
19
207
ID1920706900
1,611,878,400,000
9:00
17:15
11,004,942
Marja-Liisa Völlers SPD
Marja-Liisa
Völlers
SPD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ein E-Mail-Postfach von uns Bundestagsabgeordneten ist eigentlich immer ein ganz guter Gradmesser, wenn es um die Frage geht: Was bewegt die Menschen in unserem Land gerade besonders? Und da kann ich Ihnen aus meinen Zuschriften eines ganz klar sagen: Die Frage, ob wir die Priorisierung bei der Impfung gegen Corona besser in einem Gesetz statt in einer Verordnung regeln sollen, taucht dort definitiv nicht auf. Bei mir ist keine einzige E-Mail dazu eingegangen. Ich kann mir nicht wirklich vorstellen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP-Fraktion, dass Ihre Postfächer mit dieser Frage geflutet werden. Die Menschen in meiner Heimat, in meinem Wahlkreis, möchten Antworten zu folgenden Fragen: Warum klappt das mit der Impfstoffbeschaffung nicht so richtig? Welche Wirtschaftshilfen bekommt mein Unternehmen? Warum klappt das mit der Kurzarbeit so gut? Das sind die Dinge, für die sich die Menschen bei mir zu Hause interessieren. Die fragen mich nicht nach einer Coronavirus-Impfverordnung. Also debattieren wir das heute. Wir debattieren über verschiedene Themen; aber vor allem dieses Thema geht an der Lebensrealität der Menschen und an den Problemen, mit denen sie gerade zu kämpfen haben, völlig vorbei. Ich finde, wir als Parlamentarierinnen und Parlamentarier sollten uns lieber mit anderen, wichtigen Fragen beschäftigen. Diese Debatte, die wir übrigens schon im November geführt haben, gehört irgendwie nicht dazu, sondern sie schwächt das Parlament als solches. Wir Abgeordnete haben sehr wohl ein Gespür dafür, wann und wie wir reagieren müssen. Der Bundestag ist doch kein abgehobenes Raumschiff, auch wenn uns das der eine oder die andere mal vorwerfen mag. Das zeigt sich zum Beispiel in dieser Woche sehr gut. Wir haben vereinbart, dass wir eine Sitzungswoche aus dem März auf Anfang Februar vorziehen, damit wir hier gemeinsam debattieren und Entscheidungen fällen können und nicht erst am 22. Februar nach Berlin zurückkommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, ich verstehe, ehrlich gesagt, Ihren Grundgedanken bei diesem Gesetzentwurf nicht ganz. – Ja, das können Sie so sehen. Alles gut. – Wieso sollte der Gesetzgeber, also der Bundestag, zum Beispiel die Impfreihenfolge festlegen? Wir haben dafür Experten, zum Beispiel vom Robert-Koch-Institut, von der Ständigen Impfkommission, vom Deutschen Ethikrat, von der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina. Das sind die Expertinnen und Experten für genau diese Fragen. Indem wir als Gesetzgeber mit dem dritten Bevölkerungsschutzgesetz in § 20i Absatz 3 des Sozialgesetzbuchs V festgelegt haben, welche Personengruppen bei den Impfungen gegen SARS-CoV-2 grundsätzlich den Vorrang haben sollen, haben wir diesen Korridor gesetzgeberisch schon ganz klar vorgeschrieben und waren dementsprechend bereits an der Priorisierung beteiligt. Wir haben zudem festgelegt, dass das Bundesministerium für Gesundheit die Details dazu in einer Verordnung regelt. Diese wiederum basiert natürlich auf den neuesten wissenschaftlichen und epidemiologischen Erkenntnissen ebenso wie auf ethischen Überlegungen. Der Vorteil dieser geltenden Impfverordnung ist, dass mit ihr recht flexibel reagiert werden kann. Und warum ist das nötig? Wir haben es mit einer sehr, sehr dynamischen Situation zu tun. Das sehen wir alle doch jeden einzelnen Tag. Ich sage nur: Impfstoffhersteller und zugesagte Mengen an Lieferungen oder auch die schon angesprochene Entwicklung rund um AstraZeneca. Falls sich nach der Zulassung durch die EMA herausstellen sollte, dass die über 65-jährigen Mitbürgerinnen und Mitbürger nicht mit diesem Vakzin geimpft werden können, dann könnten wir diese Verordnung sehr schnell anpassen. Mit Ihrem Gesetz ginge das aber nicht so einfach und so schnell. Sehr geehrte Damen und Herren, wir als SPD sind davon überzeugt, dass das von Ihnen vorgeschlagene Coronavirus-Impfgesetz zur Festlegung der Priorisierung diesem regen Infektionsgeschehen überhaupt nicht gerecht werden kann. Wir müssen den notwendigen Grundrechtsschutz ausreichend absichern, und das geht angesichts der Dynamik am besten über den Weg, den wir hier gewählt haben, nämlich die Verordnung. Mit ihr kann schnell und flexibel reagiert werden. Mit einem Gesetz geht das in meinen Augen nicht. Aber gerade dieses schnelle und flexible Reagieren brauchen wir in einer Pandemie. Ein Gesetz brauchen wir dazu nicht extra; das ist an dieser Stelle nicht notwendig. Darin hat uns auch die Anhörung im Gesundheitsausschuss vom 13. Januar dieses Jahres bestätigt. – Hören Sie mir doch erst mal zu, Herr Kollege! – Dort gab es zwar zugegebenermaßen auch Stimmen, die Ihre Intention eines Gesetzentwurfes im Grundsatz unterstützten; aber genügend andere Sachverständige haben ganz, ganz klar zum Ausdruck gebracht, dass ein effektiver Grundrechtsschutz besser über den Verordnungsweg zu gewährleisten ist. Die Verfassungsrechtler sind sich, anders als Sie das vermutlich gleich wieder behaupten werden, nicht darüber einig, dass Priorisierungsregelungen zwingend durch Gesetz zu treffen sind. Zum Beispiel die Sachverständige Professor Dr. Leisner-Egensperger hat eine Funktionsteilung zwischen Legislative, also dem Bundestag, und der Exekutive, also der Bundesregierung, klar und gut begründet. Sie hat ausgeführt, dass sich mit dem Coronavirus-Impfgesetz, wie es die FDP heute beschließen möchte, kein dynamischer Grundrechtsschutz – diesen verlangt das Bundesverfassungsgericht – verwirklichen lässt. An der Verfassungsmäßigkeit Ihres Gesetzentwurfes gibt es erhebliche Zweifel, die in der Anhörung aufgezeigt wurden. Folgerichtig lehnen wir, die SPD-Fraktion, Ihren Gesetzentwurf ab. Ich persönlich kümmere mich jetzt, hiernach, wieder um die Anliegen der Menschen in meinem Wahlkreis. Einen schönen Nachmittag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt kommt für die FDP-Fraktion Christine Aschenberg-Dugnus.
0
0
1
0
-1
1
196
19
204
ID1920411200
1,610,582,400,000
9:00
21:04
11,004,706
Hartmut Ebbing FDP
Hartmut
Ebbing
FDP
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Weltweit kennen wir derzeit circa 200 Sprachfamilien mit insgesamt 6 500 Sprachen. 100 weitere Sprachfamilien sind in der letzten Zeit ausgestorben. Die meisten Sprachen existieren dort, wo Bevölkerungsgruppen weitestgehend isoliert von anderen Menschen leben, so im indopazifischen Raum oder auch in Afrika. Bei den Ureinwohnern Nordamerikas existierte pro Stamm eine Sprache. Um stammübergreifend kommunizieren zu können, ist eine Zeichensprache entwickelt worden. Dies führte dazu, dass die Ureinwohner der höheren Bildungsschichten oft neben ihrer eigenen Sprache selbst in ihrem eigenen Stamm auch die Zeichensprache angewandt haben. Zum Glück leben wir nicht mehr isoliert voneinander und damit auch nicht bedroht von den uns umgebenden Stämmen oder Ländern. Nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges haben wir die Vorteile eines Miteinanders auf Augenhöhe innerhalb Europas kennen- und schätzen gelernt. Unsere gemeinsame Zeichensprache ist das Englische geworden, und das ist auch gut so. – Da könnte man eigentlich mal klatschen. Nur circa 90 Millionen Menschen sprechen als Muttersprache Deutsch, weitere 80 Millionen als Zweitsprache. Im Vergleich dazu sprechen 370 Millionen Menschen Englisch als Muttersprache und fast 900 Millionen als Zweitsprache, und zwar kultur- und länderübergreifend. Das Wichtigste in der GASP ist eine europäische Handlungsfähigkeit. Dazu ist zunächst eine gemeinsame, akzeptierte Lingua franca notwendig. Englisch ist die internationale Handelssprache geworden. Daher glauben wir von der FDP, dass eine dritte offizielle Arbeitssprache in der europäischen GASP nicht mehr notwendig ist. Das Bewahren und das Fördern, ja das Pflegen der eigenen Sprache hingegen halte ich aber auch für unterstützenswert. Sprachenvielfalt gilt es zu erhalten und nachhaltig zu fördern, keine Frage. Aber die Begründung des Antrages der AfD zum Jahr der deutschen Sprache zeigt uns doch, welch Geistes Kind hier herrscht. Ja, Sprache bleibt nicht stehen; sie entwickelt sich und übernimmt ständig Wörter aus anderen Sprachen. Wie viele Wörter von den französischen Hugenotten sind ins Deutsche übernommen worden, wie viele deutsche Wörter ins Jiddische oder Wörter aus dem Jiddischen ins Deutsche? Sie werfen türkischstämmigen Mitbürgern unter anderem vor, unfähig zu sein, ein „ch“ von einem „sch“ zu unterscheiden. Die überwältigende Mehrheit unserer türkischstämmigen Mitbürgerinnen und ‑bürger spricht ein besseres Hochdeutsch als … – Na gut, das lasse ich jetzt mal, ansonsten kriege ich Ärger mit einigen anderen. – Stellen Sie sich einmal vor, die Engländer würden von uns Deutschen verlangen, das „th“ richtig auszusprechen. Na viel Spaß; da hätten wir hier alle kein Vergnügen mehr. Übrigens hat Luther aus 20 indogermanischen Sprachen und Dialekten eine neue Sprache entwickelt. Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Schluss kommen. Er hat also gerade nicht eine Sprache als privilegiert ausgewählt, sondern eine neue erfunden. Ich bin nicht in allen Dingen der Freund von Luther, aber was die Sprache angeht, war er weit fortschrittlicher, als es die AfD heute ist. Danke schön. Vielen Dank, Herr Kollege Ebbing. – Ich bin gespannt, wie die Stenografen das protokollieren, was Sie gerade als Zischlaute von sich gegeben haben. Aber die sind ja gut ausgebildet. Nächster Redner ist der Kollege Martin Rabanus, SPD-Fraktion.
0
0
0
0
1
0
197
19
113
ID1911300600
1,568,332,800,000
09:00
14:07
11,003,068
Ekin Deligöz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Ekin
Deligöz
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Präsident! Herr Minister, der Aufwuchs in diesem Etat liegt im Moment bei 3,5 Milliarden Euro. Aber wir wissen: Es wird wahrscheinlich noch mehr sein; denn wir warten ja noch auf die Herbstprognose, und dann wird noch etwas draufkommen. Ehrlich gesagt: Dafür, dass Sie so viel Geld verwalten, fand ich sowohl Ihre Rede als auch die Rede vom Kollegen Gröhe etwas ideenlos und unambitioniert. Sie haben so viel zu tun. Ich will das mal anhand von Beispielen ein bisschen konkretisieren: Ich fange mit dem Rentenkapitel an, weil da ja das meiste Geld drinsteckt. Laut Planung werden die Zuschüsse in diesem Bereich bis 2023 um 15 Milliarden Euro auf eine Summe von 125 Milliarden Euro steigen. Das ist eine stolze Summe. Aber erst dann kommt die doppelte Haltelinie für Beiträge und Leistungsniveau richtig unter Druck. Wenn Sie jetzt von der doppelten Haltelinie und davon, was Sie Großartiges machen, reden, dann ist das doch nur ein PR-Gag. Blüm hätte seine echte Freude an dem, was Sie jetzt machen. Denn die Probleme kommen erst ab 2024 auf uns zu, und darauf haben Sie keine Antwort – gar keine. Sie wissen doch jetzt schon, dass die Demografiereserve viel zu niedrig ist. Sie wissen doch jetzt schon, dass Sie viel mehr tun müssen, um die Beitragshöhe zu stabilisieren, und zwar ab 2024. Sie haben auch so gar keine Idee, wie Sie eigentlich die Mütterrente finanzieren werden. Ich habe zumindest nichts mehr dazu gehört. Aber genau diese Frage müssen Sie doch erst beantworten. Lieber Herr Kollege Birkwald, Sie schreien dazwischen. Ich höre Sie aber leider nicht. Stellen Sie mir eine Frage; dann kriege ich ein bisschen mehr Redezeit. Ich wäre dankbar dafür. Damit gehe ich auf das ein, was Sie angekündigt haben. Wenn Sie jetzt schon mit diesen Milliardenherausforderungen so lax umgehen, wenn Sie jetzt schon keine Antworten auf die Fragen unserer Zeit haben, wie wollen Sie dann die Zukunftsfragen beantworten? Ich komme zur Grundrente. Das ist ja seit Jahren ein Hin-und-her-Spiel: Sie haben sie angekündigt. Dann ist das Vorhaben verschwunden. Dann wurde es wieder angekündigt, und dann ist es wieder verschwunden. Jetzt ist es gerade wieder angekündigt, und jeder spekuliert, was da drinsteckt. Ehrlich gesagt: Ich weiß es nicht, und Sie wahrscheinlich auch nicht. Sie haben nämlich keine Ahnung, wann Sie uns das vorlegen werden. Ich bin mal gespannt. Ich wage erst, darüber zu urteilen, wenn etwas vorgelegt wird. Aber ich kenne nichts. Kennen Sie denn ein konkretes Modell? Nein. Ich kenne es auch nicht. Also reden Sie nicht darüber. Die Devise muss doch lauten: Handeln, und zwar jetzt sofort! Dann komme ich zum Komplex Arbeit. Ja, ich finde, die BA ist im Moment sehr, sehr gut gewappnet. Wenn die Arbeitslosigkeit steigen sollte, wird uns das zwar teuer zu stehen kommen, aber noch ist die Lage sehr gut. Man muss da jetzt auch nichts wie Rezession prophezeien, was noch nicht ist. Aber: Das Beste, um Arbeitslosigkeit zu vermeiden, sind immer noch Qualifizierung und Weiterbildung. Da müssen Sie mehr investieren. Vor diesem Hintergrund verstehe ich erst recht nicht, Herr Gröhe – ich sehe Sie gerade nicht –, warum Sie die BA so im Stich lassen. Schon wieder wird 1 Milliarde Euro von den Eingliederungstiteln zu den Verwaltungstiteln rübergeschoben. Wenn Sie wirklich Qualifizierung und Weiterbildung wollen, dann müssen Sie doch die Eingliederungstitel ausreichend ausstatten und dürfen nicht immer dieses Hü-und-hott-Spielchen spielen. Sie machen sich da doch was vor. Dann müssen Sie endlich mal damit aufhören, ständig diese kontraproduktiven Sanktionen auszuführen. Übernehmen Sie mal politische Verantwortung und überlassen Sie nicht alles denen, die in Karlsruhe entscheiden. Das erfordert nämlich politische Gestaltung. Übrigens: Bei dem, was Sie im Bereich des sozialen Arbeitsmarktes machen, haben Sie meine Fraktion immer hinter sich. Ich finde diese Maßnahmen im Ansatz sehr gut, und ich finde, es ist zu früh, um darüber zu urteilen. Ich glaube, wir müssen dem Ganzen einfach mehr Zeit geben. Über das, was Sie uns im Bereich beziehungsweise in Ergänzung des Qualifizierungschancengesetzes vorschlagen, muss ich schon ein bisschen schmunzeln, weil: Supername, keine Inhalte. Und dann kündigen Sie noch ein Gesetz und noch ein Gesetz an. Ich finde, Sie können noch so schöne Namen erfinden – Arbeit-von-übermorgen-Gesetz, Arbeit-von-gestern-oder-von-heute-Gesetz –, aber der Name macht es nicht aus. Wir brauchen einen großen Wurf und nicht diese Politik der kleinen Schritte, wo nicht mal Sie wissen, was am Ende rauskommen wird bei der ganzen Geschichte. Der Name bringt noch keine Qualität in die ganze Sache. Ich möchte noch zwei offene Punkte ansprechen, Herr Minister: Ich finde es sehr gut, was wir im Bereich der Arbeitsmarktintegration für Geflüchtete tun. Aber wir machen noch zu wenig für die Frauen in dieser Situation. Da besteht eine große Lücke. Hier müssen wir noch stärker agieren und Ideen entwickeln. Ein Letztes. Sie arbeiten gerade an einem Entschädigungsrecht, SGB XIV. Sie haben vor, die Traumaambulanzen auszubauen. Das finde ich super. Aber Sie konzentrieren sich auf Erwachsene. Kinder kommen in Ihren Entwürfen nicht vor. Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Sie brauchen ihre eigenen Lösungen. Herr Minister, übersehen Sie nicht diejenigen, die unsere Unterstützung am meisten brauchen und für die wir die größte Verantwortung tragen. Bitte denken Sie daran: Auch Kinder haben einen Anspruch auf eigene Rechte, auch in Ihrem Gesetz. Kerstin Tack, SPD, ist die nächste Rednerin.
0
1
0
-1
1
-1
198
20
34
ID203407100
1,652,313,600,000
9:00
00:23
11,004,824
Falko Mohrs SPD
Falko
Mohrs
SPD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir führen diese Debatte im Lichte des Überfalls von Putin, des Überfalls von Russland auf die Ukraine. Wir müssen über ein Embargo und über Sanktionen sprechen, weil es einen Überfall auf ein souveränes Land gegeben hat und nicht deswegen, weil irgendwer es hier mutwillig riskieren will, meine Damen und Herren. Das ist der Hintergrund dieser Debatte hier. Wir müssen die Debatte führen, weil es um die Zukunft und die Existenzen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der PCK-Raffinerie geht, weil es um die Zukunft und die Existenz einer Region geht. Wir müssen die Diskussion auch deswegen führen, weil wir uns in den vergangenen Jahren abhängig – allzu abhängig – von Energie aus Russland gemacht haben. Wir haben es, wenn wir jetzt aufs Öl schauen, in den letzten Wochen und Monaten geschafft, die Abhängigkeit drastisch zu reduzieren. Wir sind von einem Anteil von 35 Prozent von Öl aus Russland auf 12 Prozent heruntergekommen. Das ist das Ergebnis von Arbeit, von planvoller Arbeit, von verantwortungsvollem Agieren dieser Ampelkoalition, meine Damen und Herren. Das ist wirklich eine Erleichterung, wenn es um die Frage geht, wie wir die Abhängigkeit von russischer Energie reduzieren können. Das ist – das will ich hier genauso deutlich sagen – eben auch die Folge von umsichtigem und verantwortungsvollem Agieren. Dazu gehören auch Sanktionen – ganz ohne Frage –, weil wir eben in dem Lichte des Angriffskriegs diese Aggressionen nicht durchgehen lassen können. Völlig klar ist auch – und das ist der Maßstab –: Wir ergreifen Sanktionen, die uns in Deutschland, die uns in Europa nicht härter treffen als Russland. Das ist unser Maßstab. Kolleginnen und Kollegen von der AfD, Sie können da ruhig den Kopf schütteln. Herr Kotré, ich weiß nicht, ob Sie sich an den peinlichen Moment für Ihre Fraktion erinnern, als wir im Wirtschaftsausschuss über die Sanktionen gesprochen haben. Ihre diesbezügliche Frage wurde ja auch schriftlich beantwortet. – Ja, es sind viele peinliche Situationen. – Lassen Sie sich das einmal auf der Zunge zergehen: Als wir über die Sanktionen im Wirtschaftsausschuss gesprochen haben, war die Frage der AfD-Fraktion, wie wir denn Produkte aus Russland, insbesondere den Hummer, substituieren können. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist der Maßstab und die Fragestellung der AfD: wie wir den Hummer aus Russland substituieren. Wir kümmern uns hier um die Energieversorgung für Deutschland und Europa insgesamt. Das ist unser Maßstab, meine Damen und Herren. Wenn wir jetzt auf Schwedt schauen, dann reden wir über eine Raffinerie mit 1 200 Mitarbeitern. Insgesamt sind es 3 000 Menschen, die dort auf dem Gelände direkt oder indirekt beschäftigt sind. Das sind nicht bloß Zahlen, meine Damen und Herren. Das sind 3 000 Jobs und Existenzen. Es ist auch eine Frage der Zukunft einer ohnehin schon gebeutelten Region in Ostdeutschland. Und es ist auch eine Frage der Versorgungssicherheit von Berlin, Brandenburg und einem wesentlichen Teil von Mecklenburg-Vorpommern. Meine Damen und Herren, für uns muss klar sein, in welchen Schritten wir die Frage eines notwendigen Ölembargos insbesondere für die Menschen in der Region, für die Menschen, die bei PCK beschäftigt sind, angehen: Erstens. Wir brauchen Öl aus anderen Quellen. Über die Belieferung aus Rostock, über die Belieferung aus Danzig – vielen herzlichen Dank an die Regierung in Polen für ihre Solidarität – sind wir in der Lage, die Versorgung von 70 Prozent des Öls, das in Schwedt raffiniert wird, sicherzustellen. Über 70 Prozent reichen uns, um den Betrieb dieser Raffinerie am Laufen zu halten. Zweitens. Wir haben als Bund gesagt, dass wir die Verluste als Folge dieser reduzierten Menge ausgleichen werden. Das war übrigens, meine Damen und Herren, eine der Bedingungen, die wir als Bundesrepublik gestellt haben, um einem Ölembargo auf europäischer Ebene zuzustimmen: dass wir in der Lage sind, diese Verluste auszugleichen. Drittens. Wir müssen die Frage der Eigentümerschaft, vielleicht sogar die Frage einer Treuhandschaft, dort regeln. Wir wissen, dass Rosneft als russisches Unternehmen, als Mehrheitseigentümer dieser Raffinerie natürlich null Interesse daran hat, unabhängig von russischem Öl zu werden. Deswegen ist es die dritte Aufgabe, die wir haben, die Eigentümerschaft dieser Raffinerie zu klären. Und der vierte Schritt, meine Damen und Herren, ist, dass wir Perspektiven aufbauen, dass wir die Raffinerie zukunftsfest machen. Das sind die vier Schritte, denen wir uns verpflichtet fühlen und wo wir verantwortlich sind. Meine Damen und Herren, wir haben die Entscheidung über das Embargo nicht leichtfertig getroffen. Es ist eine Entscheidung aus übergeordneter nationaler Verantwortung der Souveränität der Ukraine und den Menschen dort gegenüber. Deswegen – in aller Deutlichkeit, meine Damen und Herren – ist es auch eine Entscheidung, die wir insgesamt als Bundesrepublik Deutschland in Solidarität, in einer großen Verantwortung mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der PCK-Raffinerie, mit den Kolleginnen und Kollegen in der Region auch tragen und verantworten müssen. Es ist keine Entscheidung gegen den Osten, es ist keine Entscheidung gegen die Region. Herr Kollege. Es ist eine Entscheidung, mit der wir souverän, verantwortungsvoll und solidarisch umgehen. Herzlichen Dank.
0
1
0
0
1
1
199