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Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Zu Beginn möchte ich eine alte und gute Übung aufnehmen und mich auch im Namen der Berichterstatter der Fraktionen beim BMAS für die guten und rechtzeitig bereitgestellten Unterlagen bedanken, durch die wir überhaupt erst beratungsfähig sind. Ich möchte auch den Berichterstattern für den bisher gepflegten guten Stil, Dialoge zwischen Opposition und Koalition zu führen, meinen Dank aussprechen. Meine Rede beginnt damit, dass ich wiederholen darf, was die Frau Ministerin gesagt hat: Wir haben einen Haushalt mit einem Volumen von 122,3 Milliarden Euro. Das sind 41 Prozent des gesamten Etats des Bundes – eine Größenordnung, die, von der Quantität her, für sehr viel spricht. Er enthält folgende Bausteine – sie wurden schon genannt –: 88,5 Milliarden Euro an Zuschüssen für die Rentenversicherung und – nicht zu vergessen – für die Grundsicherung im Alter, 31,5 Milliarden Euro für die Arbeitsförderung, 1,5 Milliarden Euro für die Entschädigung von Kriegsopfern und immerhin 0,8 Milliarden Euro für die Beförderung von Menschen mit schweren Behinderungen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, hinter all diesen Kapiteln und Titeln stehen immer auch Inhalte; das ist von der Frau Ministerin schon so intoniert worden. Ich will drei Beispiele herausgreifen: Eine über Jahre von den kommunalen Spitzenverbänden erhobene Forderung an den Bund war, die Kosten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung komplett zu übernehmen. Der Koalition, SPD und Union, ist es nun gelungen, mit dem Entwurf die Voraussetzungen dafür zu schaffen, künftig die Kommunen an dieser Stelle zu 100 Prozent zu entlasten. Ich finde, das ist ein großer Erfolg. Des Weiteren haben wir bei den Mitteln gemäß SGB II, wie schon angesprochen, endlich für eine Trendumkehr gesorgt, nachdem es hier in den letzten Jahren – das darf ich kritisch in Richtung der Freundinnen und Freunde von der Union sagen – zu einer relativ starken Ausholzung gekommen ist. Mit den Mitteln in Höhe von viermal 350 Millionen Euro, sprich 1,4 Milliarden Euro, werden wir – auch wenn es hier schon Kritik gab – in der Lage sein, die Vermittlung von langzeitarbeitslosen Menschen in den Arbeitsmarkt in vielen Fällen deutlich zu verbessern. Das ist ein wesentlicher Schritt, ein erster Punkt, bei dem es aber nicht bleiben darf; wir müssen diese Leistungen verstetigen. Wir müssen die Vermittlung von Langzeitarbeitslosen qualitativ und quantitativ ein wenig aufmörteln. Ich spreche nun ein Programm an, das in der Öffentlichkeit sehr viel Kritik, aber auch Lob bekommen hat, nämlich das Sonderprogramm MobiPro-EU. Es ist der Versuch, einen solidarischen Beitrag zur Ausbildung von jungen Menschen und Fachkräften aus europäischen Ländern, vornehmlich aus Mittelmeerstaaten, zu leisten. Das Programm ist erfolgreich. Im Augenblick gibt es aufgrund der großen Nachfrage einen technischen Stopp; aber das Programm wird in der Substanz weitergeführt, so meine Information. Ich möchte an dieser Stelle auf etwas hinweisen, das keine Selbstverständlichkeit ist: Jenseits aller Streitigkeiten über die Ausgestaltung des Rentenpakets gibt es in der Öffentlichkeit Respekt dafür – auch ich will meinen Respekt und meine Anerkennung aussprechen –, dass die Ministerin und ihr Haus in der Lage waren, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass das gesamte Rentenpaket nach kurzer Zeit verabschiedet werden kann – wir werden bis Mitte oder Ende Mai darüber beraten und es dann verabschieden – und schon zum 1. Juli 2014 in Kraft treten kann. Das ist für die Koalition, wie ich finde, ein sehr großer Erfolg. Ich komme jetzt auf ein Thema zu sprechen, das meines Erachtens im Augenblick neben dem Thema Mindestlohn im Brennpunkt steht: die Debatte um die Rente mit 63. Frau Deligöz, Sie haben gerade im Zusammenhang mit dem Rentenpaket von einer Kampagne der Bundesregierung gesprochen; das war aber nur eine kleine Informationskampagne. Ich vernehme, dass es draußen in der Öffentlichkeit eine Kampagne gibt, für die die sogenannte Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft gerade Millionen von Euro einsammelt. Überall im Lande wird mit wirklich bitteren polemischen Thesen versucht, das Vorhaben der Rente mit 63 zu zerschießen, aber ohne Erfolg; denn die jüngsten Umfragen besagen, dass sogar die große Mehrheit der jungen Menschen sagt: Wer 45 Jahre gearbeitet und Beiträge gezahlt hat, der oder die verdient eine uneingeschränkte Rente mit 63. Die Rente mit 63 ist ein riesiger Erfolg für uns. Die Kampagne dagegen ist ein Misserfolg für die Protagonisten des alten ordo- oder neoliberalen Geistes – die stecken meines Erachtens in erster Linie hinter der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. Oder heißt sie vielleicht Initiative Alte Soziale Marktwirtschaft? Ich bringe das bewusst ein bisschen durcheinander; denn ich sehe da keine inhaltliche Substanz. Für mich ist das eine große Kampagne, bei der versucht wird, mit Missinformation gegen den Sozialstaat zu Felde ziehen und die öffentlichen Systeme wie etwa die gesetzliche Rente im Lande zu diskreditieren. Das geschieht vor dem Hintergrund, dass wir sozusagen gestern eine weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise hatten: 2008, 2009 und 2010 wurden Billionen von Euro auf ökonomischer Ebene vernichtet. So haben Millionen von Menschen in Großbritannien ihre Alterssicherung, die in Pensionsfonds angelegt war, verloren. Nun tun diese Protagonisten so, als sei nichts gewesen. Die Krise war ein Blattschuss für die privaten Versorgungssysteme, die damals durch die Geschäfte von Lehman Brothers und Co. den Bach runtergegangen sind. Vor diesem Hintergrund finde ich es unsittlich und unseriös, so zu argumentieren. Ich komme auf die Substanz zu sprechen, die für mich ein ganz wichtiger Punkt ist. Laut Berechnungen des BMAS hatten – unter Berücksichtigung der bisherigen Gesetzmäßigkeit bei der Rente – 150 000 Menschen die Absicht, mit 63 Jahren, aber mit Abschlägen, in Rente zu gehen. Durch die neuen Gesetzmäßigkeiten kämen bis zu 50 000 Menschen dazu. Es geht also insgesamt um rund 200 000 Menschen. Es sind also keine Millionen, wie es die Kampagnenführer, die ich genannt habe, suggerieren. Es ist ersichtlich, dass sie provozieren wollen. Wir wissen: Wenn die Rente mit 63 kommt, dann wird uns das im ersten Jahr 900 Millionen Euro kosten. Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass es in unserem Land eine große Zustimmung für die Rente mit 63 gibt, und das trotz der zum Teil demagogischen Kampagnen. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang sagen, dass ich es schade finde, dass auch Leitmedien in unserem Lande wie Handelsblatt, Süddeutsche Zeitung und andere ständig und ohne jegliche Korrektur von der Initiative Alte/Neue Soziale Marktwirtschaft abschreiben und so die Kampagne weiterführen. Richtig ist: 80 Prozent der Menschen in unserem Lande sind für die Rente mit 63. Selbst zwei Drittel der jungen Menschen sagen – ich wiederhole mich –: Das ist verdient und nicht geschenkt. Richtig ist, dass auch andere Bestandteile des Rentenpaketes traumhafte Zustimmungswerte von zum Teil 70, 80 oder 90 Prozent erhalten. Die Menschen haben ihre eigene Auffassung von Ökonomie, die von ihrer Lebenserfahrung oder von ihrer individuellen Lebensleistung abhängig ist. Lassen Sie mich auf einen weiteren wichtigen Punkt zu sprechen kommen. Um zur Versachlichung beizutragen, wäre es wichtig, sich die aktuelle Situation im Lande hinsichtlich der Verrentung anzuschauen, um das Programm „Rente mit 63“ in die gesellschaftliche Realität einbetten zu können. Nach den Werten der HansBöckler-Stiftung – sie greift auf die Daten der Deutschen Rentenversicherung und auf die des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg zurück – liegt der Altersdurchschnitt bei der Verrentung im Bereich Hoch- und Tiefbau bei 57,6 Jahren und bei Maschinisten – dies sind immerhin ein paar Hunderttausend – bei 59,6 Jahren. Bei Elektroberufen – hier arbeiten Millionen von Beschäftigten – liegt der Durchschnittswert heute bei 60,1 Jahren und bei Kaufleuten im Handelsund Warenbereich bei 61,1 Jahren. In den Sozial- und Erziehungsberufen ist der Wert mit 62,9 Jahren am höchsten. – Nur wer diese Werte kennt, kann überhaupt erst einschätzen, worüber wir reden. Das tun die Protagonisten, die ich genannt habe, nicht.
SPD
Unsere Gesellschaft besteht aus lauter verschiedenen Menschen, manche mit leicht erkennbarer Behinderung, andere mit Beeinträchtigungen, die nicht auf den ersten Blick zu sehen sind; alle mit den unterschiedlichsten Eigenschaften, die ihnen das Leben leichter oder schwerer machen. Unsere Aufgabe als Politiker ist es, dafür zu sorgen, dass alle Menschen am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können. In dem Bericht zu „Chancen und Perspektiven behinderungskompensierender Technologien am Arbeitsplatz“ beschreibt das Büro für Technikfolgenabschätzung, welche gesamtgesellschaftliche Gestaltungsaufgabe hier vor uns liegt im Hinblick auf die Beteiligung am Arbeitsprozess und im Arbeitsleben. Im täglichen Leben hat sich in den letzten Jahren viel verändert. Das Stichwort heißt „Barrierefreiheit“, man könnte das vielleicht als den Vorläufer unseres heutigen Themas „Design für Alle“ bezeichnen. Rampen und schiefe Ebenen sorgen dafür, dass Menschen mit Gehhilfen oder mit Rollstuhl Gebäude betreten und verlassen können. Das Vermeiden von Schwellen, Stufen und Absätzen dient demselben Zweck. Sich selbst öffnende Türen und Fahrstühle mit erreichbaren Bedienfeldern, mit großer Schrift, mit für Blinde lesbaren Schriftzügen und akustischen Signalen sind weitere Beispiele. Es ist also möglich, vielfältige mögliche Beeinträchtigungen im täglichen Leben zu berücksichtigen. Viele Produkte und Dienstleistungen können so gestaltet werden, dass sie weitestgehend von jederZu Protokoll gegebene Reden mann benutzt werden können. Die Notwendigkeit für ein spezielles Design sehe ich eher nicht. Wenn das Konzept „Design für Alle“ eine Weiterentwicklung des Prinzips der Barrierefreiheit darstellt, dann ist es Teil eines Gestaltungsprozesses mit dem Ziel, die Zugänglichkeit und Nutzbarkeit möglichst für alle Menschen zu gewährleisten. Das bedeutet, dass die gebaute Umwelt, Produkte und Dienstleistungen immer konsequenter so gestaltet sein sollen, dass sie sicher, gesund, funktional, leicht verständlich, ästhetisch anspruchsvoll und auch nachhaltig sind. Sie sollen die menschliche Vielfalt berücksichtigen und sich nicht diskriminierend auswirken. Daraus ergibt sich nach und nach ein Paradigmenwechsels weg vom Fürsorgeprinzip, hin zu mehr Selbstbestimmung und Teilhabe auch der Menschen mit Einschränkungen, Beeinträchtigungen oder Behinderungen. Eine wichtige Voraussetzung für mehr Selbstbestimmung ist die möglichst dauerhafte Teilhabe am Arbeitsleben. Das bedeutet auch für Menschen mit Behinderung weit mehr als nur finanzielle Unabhängigkeit. In diesem Bereich ist noch viel zu tun; hier gibt es zwischen Menschen mit und ohne Behinderung noch erhebliche Unterschiede. Eine inklusive Gesellschaft, wie wir sie uns vorstellen, muss sich daher auch der Aufgabe stellen, Technologien zu entwickeln und einzusetzen, die bestimmte Behinderungen kompensieren können. Es geht um die Frage: Wie geht ein Mensch mit einer oder mehreren Behinderungen mit dem von mir entwickelten Produkt um, und ist es für „multiple use“ geeignet? Das ist wichtig, aber das erreichen wir nicht mit mehr Bürokratie, sondern auf dem Weg, den wir längst beschritten haben. „Design für Alle“ soll überall als Thema präsent sein. Es soll als Führungsaufgabe in allen Bundesministerien verankert werden. Es soll auch in allen Forschungs- und Entwicklungsstrukturen berücksichtigt werden. Es soll auf allen Ebenen ins Bewusstsein dringen und üblich werden. Eine eigene Förderlinie, über die bestehenden Instrumente hinaus, halten wir demgegenüber eher für kontraproduktiv.
FDP
Frau Präsidentin ! Liebe Kolleginnen und Kollegen ! Ich möchte den Antrag der SPD-Bundestagsfraktion zur besseren Bekämpfung der illegalen Beschäftigung in Deutschland dazu benutzen , um einige grundlegende Aspekte der Situation auf dem Arbeitsmarkt zu beleuchten . Wir sind uns in diesem Hause einig , daß die Entwicklung der Arbeitslosigkeit mit einem Stand von jetzt 4 ,4 Millionen Arbeitslosen in Deutschland außerordentlich besorgniserregend ist . . - Vielleicht könnten sich die Mitglieder der Koalitionsfraktionen etwas beruhigen , damit ich hier in Ruhe vortragen kann . Ebenso beunruhigend wie die Situation der Arbeitslosigkeit ist das wachsende Chaos auf dem Arbeitsmarkt selbst . Beide Entwicklungen , die dramatisch steigende Arbeitslosigkeit und das wachsende Chaos auf dem Arbeitsmarkt , hängen weitestgehend miteinander zusammen und bedingen sich gegenseitig . Ich möchte Ihnen dies an Hand von zwei Beispielen illustrieren . Fachleute schätzen , daß den über 200 000 arbeitslosen einheimischen Bauarbeitern eine mindestens ebenso große Zahl illegal Beschäftigter auf deutschen Baustellen gegenübersteht . Illegale Beschäftigung ist als illegale Erwerbsarbeit zu verstehen , für die weder Steuern noch Sozialversicherungsbeiträge entrichtet werden , der keine tarifliche Entlohnung zugrunde liegt , für die Dumpinglöhne von 3 , 4 oder 6 DM pro Stunde gezahlt werden und bei der arbeitsrechtliche Normen in Hülle und Fülle verletzt werden . Ein zweites Beispiel : Fachleute schätzen , daß in Deutschland nahezu 5 Millionen Menschen ungeschützten Beschäftigungsverhältnissen , sogenannten 610-DM-Arbeitsverhältnissen , nachgehen . Gleichzeitig suchen auf dem deutschen Arbeitsmarkt einige hunderttausend Arbeitslose sozialversicherungspflichtige Teilzeitarbeit . Es ist ganz offenkundig , daß immer mehr Menschen in sozialversicherungsfreie Miniteilzeitarbeitsverhältnisse abgedrängt werden , während gleichzeitig das Angebot an sozialversicherungspflichtigen Teilzeitarbeitsplätzen völlig unzureichend ist . Ein Blick auf die Entwicklung der letzten 20 Jahre zeigt , wohin die Reise geht , wenn nicht endlich korrigierend eingegriffen wird . In den 70er Jahren betrug der Anteil der sogenannten Normalarbeitsverhältnisse - damit ist ein sozialversicherungspflichtiges Vollzeitarbeitsverhältnis mit einem auskömmlichen Lohn , mit dem Menschen auch ihre Familien ernähren können , gemeint - an der Gesamtbeschäftigung noch gut über 80 Prozent . Nach den jüngeren Statistiken ist der Anteil der Normalarbeitsverhältnisse an der Gesamtbeschäftigung inzwischen auf deutlich unter 70 Prozent abgesunken . Wir haben besorgniserregende Entwicklungen insbesondere im Bereich der illegalen Beschäftigung und der sozialversicherungsfreien Beschäftigungsverhältnisse . Der Anteil der sozialversicherungsfreien Beschäftigungsverhältnisse an der Gesamtbeschäftigung betrug in den späten 70er Jahren weniger als 5 Prozent . Er ist heute auf nahezu 15 Prozent angestiegen . In den späten 70er Jahren spielten Scheinselbständigkeit , illegale Beschäftigungsverhältnisse und dergleichen mehr so gut wie keine Rolle . Heute schätzen Fachleute die Anzahl illegaler Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland auf bis zu 1 Million . Fachleute wiederum sagen , daß Scheinselbständige - das sind eigentlich lohnabhängig Beschäftigte , die aus reinen Kostengründen in Scheinselbständigkeiten abgedrängt werden - bis zu 500 000 , ja 700 000 in Deutschland ausmachen . Wir haben es also mit einer ganz besorgniserregenden Erosion des Normalarbeitsverhältnisses zu tun . Die Unordnung auf dem deutschen Arbeitsmarkt hat ein ebenso dramatisches Ausmaß angenommen wie die steigende Arbeitslosigkeit . Als Fazit kann man formulieren : Immer mehr Menschen werden in Arbeitsverhältnisse abgedrängt , von deren Lohn sie sich selbst - wenn überhaupt - nur mühsam , erst recht aber keine Familie mehr ernähren können und die keine Ansprüche an die sozialen Sicherungssysteme mehr begründen . Meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen , Sie haben allerdings nicht den geringsten Grund , diese Situation zu beklagen . Sie haben diese besorgniserregende Lage im wesentlichen mit herbeigeführt . . . noch : Ottmar Schreiner Ich will Ihnen das an Hand von zwei Beispielen erläutern . Zum einen haben Sie diese Situation durch Nichtstun , durch schlichte Tatenlosigkeit herbeigeführt . Es hat vieler Proteste , vieler Initiativen innerhalb wie außerhalb des Parlaments bedurft , bis Sie sich überhaupt dazu aufraffen konnten , mit einer gesetzlichen Regelung der Bekämpfung des Lohndumpings auf den deutschen Baustellen entgegenzuwirken . Jahre hat es gedauert . Schlimmer noch : Zum anderen haben führende Koalitionspolitiker den gesetzlosen Zustand in öffentlichen Interviews ausdrücklich begrüßt , mit der Begründung , über Billigstlöhne für ausländische Arbeitnehmer in Deutschland könne man die Axt an die gewachsene Tarifautonomie legen - so ausdrücklich Graf Lambsdorff vor einiger Zeit in einem Interview mit dem Handelsblatt . Meine Damen und Herren , Sie haben durch Tatenlosigkeit das gegenwärtige Chaos auf den Arbeitsmärkten mitbegründet . Es gibt trotz vielfältiger Bemühungen der Opposition hier im Deutschen Bundestag bis zur Stunde keine Mehrheit für eine gesetzliche Regelung der 610-DM- Arbeitsverhältnisse . Wir wollen diese Arbeitsverhältnisse endlich sozialversicherungspflichtig machen , um für fairen Wettbewerb auf den Arbeitsmärkten zu sorgen . . Wir wollen endlich die Scheinselbständigkeit bekämpfen , um zu mehr sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen zu kommen . Zum einen haben Sie der Entwicklung durch schlichte Tatenlosigkeit Vorschub geleistet ; zum anderen haben Sie ein gesellschaftliches Klima erzeugt , das die Flucht aus dem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis geradezu nahelegt , ganz nach dem abgewandelten Motto : Der Anständige - in diesem Fall der anständige Arbeitgeber - ist der Dumme . Meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen , wer jahrelang wider besseres Wissen die Arbeitskosten in Deutschland zum zentralen Standortproblem hochgeredet hat und gleichzeitig - was ja widersprüchlich genug ist - die gesetzlichen Lohnnebenkosten auf einsame Höhen getrieben hat , der darf sich nicht wundern , wenn er damit sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse doppelt diskreditiert und Entwicklungen hin zu Billigstarbeitsverhältnissen begünstigt : illegale Beschäftigung , Schwarzarbeit , 610-DM-Arbeitsverhältnisse , sozialversicherungsfreie Miniteilzeitarbeit , Scheinselbständigkeit usw . Meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen , wir haben einen enormen Reformstau auch auf dem Feld des Arbeitsmarktes . Wir müßten den Arbeitsmarkt im Interesse der Beschäftigten , im Interesse der Arbeitslosen dringendst in Ordnung bringen . Ihnen liegen im Parlament Gesetzentwürfe der SPD zur Sozialversicherungspflichtigkeit von Miniteilzeitarbeitsverhältnissen vor . Ihnen liegt ein Gesetzentwurf zur Regelung der Scheinselbständigkeit vor . Ihnen liegen Initiativanträge der SPD zur Absenkung der Lohnnebenkosten vor . Wir haben Ihnen gestern im Rahmen der Aktuellen Stunde nochmals nachdrücklich angeboten , entlang der Vorschläge Ihres Fraktionsvorsitzenden , Herrn Schäuble , unverzüglich zu Regelungen zu kommen , die die Lohnnebenkosten immerhin um zwei Beitragspunkte bei den Sozialversicherungssystemen absenken könnten . Wenn Ihre Annahme , der wir ja weitestgehend zustimmen , daß die hohen Lohnnebenkosten auch eine Beschäftigungsbremse sind , und wenn die Anregungen vieler Fachleute und vieler Institute , daß die Umfinanzierung eines Beitragspunktes zu Lasten einer Erhöhung der Verbrauchsteuer einen Beschäftigungseffekt in einer Größenordnung von etwa 100 000 Arbeitsplätzen bedeuten würde , richtig sind , dann würde die vorgesehene und von uns in den letzten Jahren immer wieder angeregte Umfinanzierung in einer Größenordnung von zwei Beitragspunkten - dem hat sich Ihr Fraktionsvorsitzender vorgestern ausdrücklich angeschlossen - zu einem Beschäftigungseffekt von immerhin 200 000 Arbeitsplätzen führen . Das ist nicht die Lösung des Problems . Aber es wäre der Anfang vom Ende der Selbstblockade dieser Koalition . Dazu würden wir Ihnen liebend gerne die Hand reichen , weil wir ein großes Interesse daran haben , daß der Reformstau in Deutschland aufgelöst wird . . Sie müssen uns dann aber erklären , daß Sie bereit sind , den Anregungen Ihres Fraktionsvorsitzenden zu folgen , und daß Sie Herrn Schäuble nicht - wie sich das andeutet - im Regen stehenlassen . Das müssen Sie uns vorher erklären . Dann würde es Wege geben , den unerträglichen Reformstau in Deutschland aufzulösen . Wenn Sie aber nicht bereit sind , den Anregungen Ihres Fraktionsvorsitzenden zu folgen , dann sollten Sie endlich aufhören , der SPD eine Blockadepolitik vorzuhalten . Sie sollten sich vielmehr endlich der Wahrheit stellen und den Anregungen Ihres früheren Partei- und Fraktionsvorsitzenden Barzel folgen , der Ihnen in den letzten Wochen ins Stammbuch geschrieben hat : Die Blockadepolitik liegt ausschließlich in der Selbstblockade dieser Koalition . . Das ist dann endgültig und unwiderruflich bestätigt , wenn Sie den Vorschlägen Ihres Fraktionsvorsitzenden nicht zu folgen bereit sind . Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit . . .
SPD
Vielen Dank. – Ihre Vorstellungen würden uns sehr interessieren. CO2-Grenzwerte stehen im Raum. Den Aussagen, die Sie jetzt getätigt haben, nämlich dass Sie mit einem Gesetz zum Strommarktdesign darangehen wollen, widerspricht Ihre Aussage im aktuellen Spiegel: Die 22 Millionen seien keineswegs ein Kohleausstieg. – Wollen Sie den Einsatz der Kohle jetzt weiter schrittweise reduzieren? Soll es für diese Reduzierung ein Gesetz geben? Wird das Strommarktdesign das mitumfassen? Ist das eine Deckelung auf 22 Millionen Tonnen, und darüber hinaus wird es in den nächsten fünf Jahren nichts geben? Wenn Sie sagen: „Es ist kein Kohleausstieg geplant“, frage ich Sie: Wie wird sich die Bundesregierung in Lima positionieren, wo es ja um die Frage von fossilen Ausstiegsplänen, Dekarbonisierungsplänen geht?
GRUENE
Das moderne Strafrecht ist stärker von dem Ziel der Verbrechensvorbeugung geprägt als von dem Ziel der Sühne für die begangene Tat und der Wiederherstellung der Rechtsordnung. Dies sind zweifellos zentrale Funktionen des Strafrechtes. Die Verbrechensvorbeugung hat jedoch für die Sicherheit und für die Aufrechterhaltung der Rechtsordnung eine überragende Bedeutung. Wenn es gar nicht erst zu einer Straftat kommt, kommt es auch nicht zu einer Störung der Rechtsordnung. Zweifellos hat die Strafandrohung eine abschreckende und damit eine präventive Wirkung. Dies gilt sowohl im generalpräventiven Sinn als auch im konkreten Fall für einen potenziellen Täter, der eine bestimmte Tat begehen will. Dazu gehört aber, dass die Strafverfolgung effektiv ist. Durch den Gesetzestext allein lässt sich der Täter nicht beeindrucken. Aber auch wenn beides zusammen kommt, die Strafandrohung und die Gefahr des Entdecktwerdens, werden viele Täter von ihren Taten dennoch nicht abgehalten. Das haben wir bei der Bekämpfung des Terrorismus und der organisierten Kriminalität erfahren müssen. Solche Straftaten können kaum durch Strafandrohung, sondern vielmehr durch die vorzeitige Aufdeckung von Anschlagsplänen verhindert werden, also durch präventive Maßnahmen. Prävention ist deshalb die wichtigste Aufgabe in der Bekämpfung von Straftaten. Genau diesem Ziel widmet sich der vorliegende Gesetzentwurf. Darin geht es um die Verbesserung der sogenannten Täterarbeit. Durch entsprechende Programme sollen, wie es in der Begründung des Entwurfs heißt, „Verhaltens- und Wahrnehmungsveränderungen auf Täterseite“ bewirkt werden. Der Täter soll dazu angemahnt werden, Verantwortung für seine Tat zu übernehmen und mehr Selbstkontrolle einzuüben. Dies soll im Rahmen von Ermittlungs- und Strafverfahren durch die Teilnahme an entsprechenden Programmen – in der Regel sind dies soziale Trainingskurse mit bester Besetzung – erreicht werden. Dadurch soll der Täter die Fähigkeit erlangen, sich künftig nicht gewaltbereit, sondern kontrolliert und gewaltfrei in einer Konfliktsituation zu verhalten. Dies gilt insbesondere im häuslichen Bereich und richtet sich in der Regel an Männer. Das Problem „Häusliche Gewalt“ darf nicht unterschätzt werden. Gewalt in den eigenen vier Wänden hat es immer gegeben. Sie war aber nicht so häufig. Oft allerdings haben sich Frauen ihrem Schicksal ergeben. Inzwischen jedoch gehört die Gewalt im häuslichen Bereich für viele Frauen und Kinder zum Alltag. Jährlich suchen 45 000 sexuell und psychisch misshandelte Frauen in den 600 Frauenhäusern Zuflucht. Dazu gehört eine große Dunkelziffer, da längst nicht alle Gewalttaten gemeldet werden. In den letzten zwanzig Jahren wurden Trainingsprogramme entwickelt, um die gewalttätigen und gewaltbereiten Männer zu einer Veränderung ihres Verhaltens zu bringen. Wird diese Veränderung erreicht, haben solche Maßnahmen eine viel größere Wirkung als zum Beispiel eine Geldstrafe, wie sie in solchen Fällen insbesondere bei Ersttätern üblich ist. Oft auch trifft die Geldstrafe nicht nur den Täter, sondern auch das Opfer, weil weniger Geld in der Haushaltskasse ist. Durch das vorgenannte Trainingsprogramm kann daher aus mehrfachem Grund ein besserer Opferschutz erlangt werden. Beim vorliegenden Gesetzentwurf geht es um die Verbesserung und die Erweiterung der Möglichkeiten, Straftäter über staatsanwaltschaftliche oder gerichtliche Weisungen im Rahmen von Ermittlungs- bzw. Strafverfahren qualifizierten Täterprogrammen zuzuweisen. Deshalb ist eine Ausweitung der Auflagen im Rahmen einer Einstellung nach § 153 a StPO und eine Ausweitung der Auflagen im Rahmen einer Verwarnung mit Strafvorbehalt nach § 59 a StGB vorgesehen. Dabei geht es um die Teilnahme an einem oben beschriebenen Täterprogramm. Unter diesem Täterprogramm wird ein „Unterstützungs- und Beratungsangebot zur Verhaltensänderung für gewalttätige Männer“ verstanden. Für eine solche „Täterarbeit“ ist nach den Angaben der Bundesarbeitsgemeinschaft „Täterarbeit häusliche Gewalt“ ein längerer Zeitraum, als die im § 153 a StPO vorgesehenen 6 Monaten notwendig. Daher wird diese Frist auf ein Jahr verlängert. Darüber hinaus wird der Katalog bei einer Verwarnung mit Strafvorbehalt gemäß § 59 a StGB um die Möglichkeit der Weisung, an einem Täterprogramm teilzunehmen, ergänzt. Außerdem wird in § 153 a ein neuer Abs. 4 eingeführt. Es handelt sich dabei um eine Regelung für die Weitergabe personenbezogener Daten aus dem Strafverfahren, die nicht den Beschuldigten betreffen. Diese Daten dürfen an die mit der Durchführung des Programmes zur Änderung gewalttätigen Verhaltens befasste Stelle nur übermittelt werden, „soweit die betroffenen Personen in die Übermittlung eingewilligt haben.“ Allerdings ist auch auf die Kritik an dem Gesetzentwurf hinzuweisen. Man kann durchaus die Auffassung vertreten, dass ein Regelungsbedürfnis nicht besteht. Soweit es nämlich im Rahmen häuslicher Gewalt zu erheblichen Straftaten kommt, wird eine Sanktionierung durch eine Auflage nach § 153 a, StPO, eine Verwarnung mit Strafvorbehalt, nicht schuldangemessen sein. Soweit eine Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird, ist eine Therapieeinweisung jetzt schon möglich. Außerdem verweist die Kritik darauf, dass für die vorgesehene Täterarbeit bundesweit nicht genügend Fachkräfte vorhanden sein werden. Darüber hinaus darf nicht übersehen werden, dass bereits jetzt schon in § 153 a, Abs. 1, Satz 1, Satz 2, Nr. 5 StPO die Möglichkeit vorgesehen ist, dem Beschuldigten die Bemühungen um einen Täter-Opfer-Ausgleich aufzuerlegen. Die Übermittlung von Daten, die nicht den Beschuldigten betreffen, nur mit Einwilligung der betroffenen Personen ist kaum praktikabel. Dadurch könnten die Erfolgsaussichten des Programms verringert werden. In Zu Protokoll gegebene Reden jedem Fall muss es möglich sein, einen Tatvorgang, bei dem naturgemäß auch das Opfer beteiligt gewesen ist, ohne Rücksicht auf die Interessen des Opfers an die Therapiestelle weiterzugeben. Der Gesetzeswortlaut ist insoweit unklar. Alles in allem gesehen handelt es sich hier jedoch um einen Gesetzentwurf, der in der Praxis erprobt werden sollte. Es ist davon auszugehen, dass tatsächlich eine Verbesserung im Verhalten der Täter erreicht werden kann. Insofern ist dem Gesetzentwurf trotz der beschriebenen Bedenken zuzustimmen.
CDU/CSU
Ich muss das auf das Schärfste zurückweisen. Die Bundesregierung setzt sich nicht mit Nazis und Faschisten an einen Tisch. Sie können sich darauf verlassen, dass wir im Rahmen unserer Möglichkeiten alles dafür tun, um Jüdinnen und Juden in der Ukraine zu schützen. Wir verlassen uns dabei nicht so sehr auf Medienberichte, sondern in erster Linie auf unmittelbare Gespräche mit Repräsentanten der jüdischen Gemeinden in der Ukraine. Ich möchte daran erinnern, dass heute, in dieser Stunde, der Vorsitzende des Vereins Jüdischer Gemeinden und Organisationen in der Ukraine, Herr Zissels, in Berlin ist – ich bedanke mich auch noch einmal bei der Kollegin Beck, die das offenkundig initiiert hat –, um unter anderem mit den Vertreterinnen und Vertretern des Menschenrechtsausschusses, aber auch mit dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses über die Lage der Juden in der Ukraine zu sprechen. Wenn ich als Vertreter der Bundesregierung sage, dass uns derzeit keine Erkenntnisse über eine Zunahme des Antisemitismus in der Ukraine vorliegen, speist sich das aus unmittelbaren Gesprächen mit Vertretern der jüdischen Gemeinden in der Ukraine.
Herr Kollege Lowack , ausgehend von Art . 4 Abs . 1 des Vertrags über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland , also dem Zwei-plus-Vier-Vertrag , vom 12 . September 1990 , sieht Art . 4 Abs . 1 des Vertrags über die Bedingungen des befristeten Aufenthalts und die Modalitäten des planmäßigen Abzugs der sowjetischen Streitkräfte aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 12 . Oktober 1990 vor , daß der Abzug der Truppen _ ich zitiere _ spätestens bis zum Ende des Jahres 1994 beendet ist . Im Rahmen dieser völkerrechtlich verbindlichen Regelung des befristeten Aufenthaltsrechts der jetzt Rußland unterstellten Westgruppe der ehemals sowjetischen Truppen wurde Einigung über die Beendigung des Abzugs der noch verbleibenden Truppenteile bis zum 31 . August 1994 erzielt . Diese Regelung ist Teil der Vereinbarungen , die in der Gemeinsamen Erklärung enthalten sind , die der Bundeskanzler und Präsident Jelzin am 16 . Dezember 1992 in Moskau unterzeichnet haben und die im Bulletin Nr . 139 vom 22 . Dezember 1992 veröffentlicht wurde . Andere Zusammenhänge waren für die getroffene Regelung nicht maßgebend .
FDP
- kann ich nur sagen : Sie haben das Recht zu abwegigen Äußerungen , aber Sie müssen nicht jeden Tag demonstrieren , dass Sie nichts von der Sache verstehen . - Stellen Sie die Weichen endlich so , dass die Arbeitnehmer in Deutschland eine Chance haben , ihren Job zu behalten !
FDP
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Gestatten Sie mir noch einen Satz zu der vorherigen Frage: Das russische Embargo hat zu einem Verlust von 600 Millionen Euro für die deutsche Landwirtschaft und Nahrungsmittelindustrie geführt. Zu Ihrer Frage: Es ist kein vernichtendes Urteil, sondern ein wissenschaftlicher Text, der sehr viele Aspekte beinhaltet, und ich empfehle, ihn nicht nur in der komprimierten Kurzfassung, sondern als Gesamtlektüre zu lesen. Es ist das zweite wissenschaftliche Gutachten dieses Beirats im Berichtszeitraum. Wir haben beide nicht aufgenommen, weil ich keine ohnehin publizierten Berichte wiedergeben möchte. Sie erwarten zu Recht, dass ich politische Schlussfolgerungen ziehe, was ich im Rahmen des Tierschutzberichtes auch tun werde. Ich bin durchaus der Ansicht, dass Wissenschaft gut und interessant ist, aber nicht immer zielstrebig eins zu eins in politische Maßnahmen umgesetzt werden muss.
CDU/CSU
Herr Präsident ! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen ! Stinkendes Fleisch in Kühltruhen , mit Pflanzenschutzmitteln belastete Babykost , Aflatoxin auf Pistazien , Krebsgifte im Olivenöl , Salmonellenvergiftung durch Eier und Geflügelfleisch _ es kann und muß einem den Appetit verschlagen . Zu einem erheblichen Anteil an der Zunahme der Risiken , durch Lebensmittel in der Gesundheit gefährdet zu werden , tragen wir allerdings alle gemeinsam durch unsere EB- und Ernährungsgewohnheiten bei . Wir erwarten preiswerte Lebensmittel , den täglichen Genuß von Fleisch , das ständige Angebot von Früchten und Gemüse auch außerhalb ihrer üblichen Wachstumsperiode . Also nehmen wir z . B . Massentierhaltung in Kauf , dulden quälerische Tiertransporte , verschließen die Augen vor den Gefahren der Verfütterung von Tiermehl an Pflanzenfresser , lassen höhere Grenzwerte im Trinkwasser durch Pflanzenschutzmittel zu . Das können und dürfen wir nicht vergessen , wenn wir über Lebensmittelskandale diskutieren . Wenn wir diese unsere Lebensgewohnheiten nicht verändern , motivieren wir auch die Erzeuger dieser Produkte nicht zu umweltverträglichen Herstellungsverfahren , geben ökologisch ausgerichteten Landwirtschaftsbetrieben keine Perspektive , mit ihren weniger belasteten , unter Beachtung des größtmöglichen Schutzes der Umwelt erzeugten Lebensmitteln auch wirtschaftlich erfolgreich zu sein . . _ Ich denke , das ist ein Thema , das uns alle berührt ; denn wir sind nicht unschuldig an den Skandalen , die wir als solche bezeichnen . Ich werde schon zum Thema kommen ; Sie werden schon Ihre Freude haben . Allerdings muß auch die Politik ihre Verantwortung zum Schutz der menschlichen Gesundheit übernehmen . Wir haben im Zusammenhang mit der heutigen Thematik großen Zweifel daran und an der schnellen Handlungsbereitschaft der Bundesregierung . . Schwierig genug war es bereits bisher , die Bundesregierung zum aktiven Handeln zu bewegen . Sehr befriedigend sind die Ergebnisse bis heute auch nicht . . Seit Bekanntwerden der Gefährdung _ spätestens seit 1989 _ , die von der als Rinderwahnsinn bezeichneten Tierseuche ausgeht , ist diese Bundesregierung ständig , gerade von seiten der SPD-Fraktion , zu Maßnahmen aufgefordert worden , die sicherstellen sollten , daß ein Übergreifen der Seuche auf deutsche Tierbestände vermieden wird und der Schutz der Verbraucher vor der Infektion mit der Jacob-Creutzfeldt-Erkrankung gewährleistet ist . Aber unzureichende und dann auch abwiegelnde Erklärungen und Aktionen bestimmten die Politik der Bundesregierung . Zum Beispiel erfolgte in England ein Fütterungsverbot von Tiermehl an Widerkäuer bereits 1988 , Frau Limbach . Der Landwirtschaftsminister Jürgen Borchert erläßt eine Eilverordnung zum Fütterungsverbot von Tierkörpermehl im März 1994 . Und noch im Oktober 1993 hält der Berichterstatter der EU-Kommission alle Maßnahmen für ausreichend und sieht keinen weiteren Handlungsbedarf . Während Presse und Fernsehen über die möglichen Umgehungswege der Kontrollen für Fleischimporte aus England berichten und somit deutlich machen , daß Tiermehle und BSE-kontaminiertes Fleisch durchaus den Weg in die Bundesrepublik über andere EU-Länder oder Drittländer finden können , beharrt der Bundesgesundheitsminister auf seiner Erkenntnis , daß ein genereller Importstopp nicht vonnöten sei . Dabei unterläßt er es , auf einen Be richt des BGA vom Juni 1993 hinzuweisen , in dem u . a . genau dieses generelle Importverbot für britisches Rindfleisch gefordert wird . Ich frage Sie , Herr Minister , warum Sie erst ein halbes Jahr später _ und das auch nur durch den verstärkten Druck der Öffentlichkeit und unser ständiges Nachfragen _ endlich ein Symposium zur BSE veranstalten und eingestehen , daß die angebotenen Maßnahmen , den Schutz der Bevölkerung vor den möglichen Risiken einer BSE-Übertragung wirksam zu gewährleisten , nicht ausreichen ; so Ihre Erklärung am 31 . März 1994 . Sie müssen sich schon nachsagen lassen , daß Sie Warnungen nicht sofort aufgenommen haben , ihnen nicht konsequent nachgegangen sind . . Bereits 1990 _ nur zur Erinnerung _ warnte der Bundesverband praktischer Tierärzte in einem Schreiben an den damaligen Ausschuß für Jugend , Familie , Frauen und Gesundheit : Eine Übertragung der Krankheit auf den Menschen ist bis heute nicht mit Sicherheit auszuschließen . Da gibt es in Großbritannien bereits ein generelles Verbot spezifizierter Rinderinnereien von Kälbern über sechs Monaten für den menschlichen Genuß . In Deutschland besteht lediglich ein Importverbot für Gehirn und spezielle innere Org ane ; der Verzehr , die Verwertung bleiben allerdings möglich , und das bei den bekannten Tatbeständen der illegalen Praktiken der Verbringung . Zu deutlich werden hier auch Parallelen zur Blutprodukteproblematik . Mein Kollege Knaape wird noch darauf eingehen . BSE ist bis heute eine Krankheit mit vielen Unbekannten . Vor allem trägt der noch immer nicht identifizierte Erreger zur Verunsicherung der Bevölkerung bei . . Nachgewiesen ist bis heute die Übertragbarkeit auf 50 verschiedene Tierarten , darunter auch solche , die der menschlichen Spezies sehr ähnlich sind . Kürzliche Meldungen über die Häufung der Jacob-CreutzfeldtErkrankungen im Raum Trier , aber auch in anderen europäischen Ländern lassen die Vermutung zu , daß ein kausaler Zusammenhang zwischen BSE und Jacob-Creutzfeldt-Syndrom besteht . Wir fordern Sie , Herr Minister Seehofer , deshalb auf , endlich wirkungsvolle Maßnahmen zum Schutz der menschlichen Gesundheit , aber auch der Tiergesundheit zu ergreifen . Unser Antrag formuliert dazu konkrete Maßnahmen . Unter anderem muß neben dem sofortigen Verbot der Einfuhr , Ausfuhr und Verarbeitung von Rindern und Kälbern sowie der daraus stammenden Erzeugnisse auch die Einfuhr von Rinderembryonen und Spermen aus Großbritannien untersagt werden . Ziel dieses Verbotes muß einerseits die Vermeidung der Ausbreitung einer Tierseuche sein , andererseits muß eine Übertragung von BSE auf den Menschen durch die Nahrung weitgehend ausgeschlossen sein .
SPD
Herr Bury , würden Sie uns denn netterweise erläutern , wie es dazu kommt , daß die SPD-Fraktion im Rechtsausschuß diesen Teilen des Gesetzes zugestimmt hat , welche Sie jetzt hier so verwerfen ? Für wen sprechen Sie eigentlich ?
CDU/CSU
Herr Staatssekretär , Sie haben vorhin ausgeführt , daß es keine realistischen Möglichkeiten gibt , hier einen internationalen Strafgerichtshof einzusetzen . Man ist sich darüber im klaren , daß eine Auslieferung in die Türkei wegen der möglichen Verhängung der Todesstrafe nur schwer möglich ist . Insoweit verstehe ich nicht ganz die Auffassung der Bundesregierung , daß Herr Öcalan in keinem Fall einer Strafverfolgung entgehen würde . War es von der Bundesregierung realistisch , zu glauben , daß in irgendeinem Land der Welt eine Strafverfolgung möglich ist ?
FDP
Wenn ich Ihre Frage richtig verstehe, fragen Sie danach, zu welchem Zeitpunkt mit dem Finanzministerium über etwaige Mehrbedarfe verhandelt worden ist. Diese Frage kann ich Ihnen aus dem Stegreif nicht beantworten. Die Antwort liefern wir deshalb schriftlich nach.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Übermorgen nehmen wir Abschied von vier deutschen Soldaten, die am letzten Donnerstag in Afghanistan gefallen sind. Wir nehmen Abschied von Thomas Broer, Marius Dubnicki, Josef Kronawitter und Jörn Radloff. Schon vor zwei Wochen mussten wir Abschied nehmen von Martin Augustyniak, Nils Bruns und Robert Hartert. Sie waren am Karfreitag in Afghanistan gefallen, ebenso wie sechs afghanische Soldaten. Sie alle sind gestorben, weil sie Afghanistan zu einem Land ohne Terror und Angst machen wollten. Ich spreche den Angehörigen, den Kameraden und Freunden mein tief empfundenes Mitgefühl aus. Ich tue dies im Namen der ganzen Bundesregierung und der Mitglieder dieses Hohen Hauses und für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes. Auch an die Verwundeten denken wir. Auch bei ihnen sind meine und unsere Gedanken und Sorgen. Wir wünschen ihnen baldige und vollständige Genesung. Anlässlich des Gelöbnisses von jungen Bundeswehrrekruten am Jahrestag des Stauffenberg-Attentats hat Altbundeskanzler Helmut Schmidt am 20. Juli 2008 vor dem Reichstag gesagt – ich zitiere –: Liebe junge Soldaten! Ihr habt das große Glück …, einer heute friedfertigen Nation und ihrem … rechtlich geordneten Staat zu dienen. Ihr müsst wissen: Euer Dienst kann auch Risiken und Gefahren umfassen. Aber ihr könnt euch darauf verlassen: Dieser Staat wird euch nicht missbrauchen. Ende des Zitats. Ja, dieser Staat, der im letzten Jahr 60 Jahre alt wurde und der in diesem Jahr 20 Jahre Wiedervereinigung feiern kann, verlangt von seinen Soldatinnen und Soldaten viel, sehr viel, wie wir gerade in diesen Tagen schmerzhaft erfahren müssen. Aber niemals wird er sie missbrauchen. Er stellt sie in den Dienst der freiheitlichen und demokratischen Werte dieses Landes. Die im Einsatz in Afghanistan gefallenen Soldaten haben wie alle ihre Kameraden, die als Berufssoldaten oder Soldaten auf Zeit tätig sind, einen Eid geleistet, diesen Eid: Ich schwöre, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen. Ja, die im Einsatz gefallenen Soldaten, derer wir heute gedenken, haben der Bundesrepublik Deutschland treu gedient, indem sie einem Mandat folgten, das der Deutsche Bundestag in den letzten acht Jahren mit unterschiedlichen Mehrheitsverhältnissen auf Antrag von Bundesregierungen in unterschiedlicher Zusammensetzung immer wieder beschlossen hat. Dieses Mandat ist über jeden vernünftigen völkerrechtlichen oder verfassungsrechtlichen Zweifel erhaben. Es ruht auf den Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen. Es ist unverändert gültig. Unsere im Einsatz gefallenen Soldaten waren tapfer, weil sie ihren Auftrag, unser Recht und unsere Freiheit zu verteidigen, in vollem Bewusstsein der Gefahren für Leib und Leben ausgeführt haben. Tapferkeit – das haben zuerst sie und ihre Angehörigen, aber dann auch wir alle schmerzhaft erfahren müssen – ist ohne Verletzbarkeit nicht denkbar. Jeder einzelne gefallene Soldat verpflichtet deshalb uns alle, sorgsam mit seinem Andenken umzugehen. Unser Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel hat die drei Toten des Karfreitags zurück nach Deutschland begleitet. Unser Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg ist unmittelbar nach dem Gefecht der vergangenen Woche zurück nach Masar-i-Scharif geflogen. Ich bin vor zwei Wochen nach Selsingen zur Trauerfeier gefahren, und ich werde am Samstag gemeinsam mit dem Bundesaußenminister und dem Bundesverteidigungsminister in Ingolstadt sein. Wir alle haben das nicht allein als Regierungsmitglieder getan, wir tun es auch – wie viele andere aus diesem Hohen Hause – als Abgeordnete des Deutschen Bundestages. Denn auch als Abgeordnete haben wir diesen Einsatz beschlossen und damit die Verantwortung dafür übernommen, was mit unseren Soldatinnen und Soldaten geschieht. Das, was unsere toten Soldaten für uns getan haben, hat im Mittelpunkt unseres öffentlichen Andenkens zu stehen. Ich habe es in den letzten Tagen und Wochen häufiger gesagt und wiederhole es heute: Dass die meisten Soldatinnen und Soldaten das, was sie in Afghanistan täglich erleben, Bürgerkrieg oder einfach nur Krieg nennen, das verstehe ich gut. Wer täglich fürchten muss, in einen Hinterhalt zu geraten oder unter gezieltes Feuer zu kommen, der denkt nicht in juristischen Begrifflichkeiten. Wer so etwas erlebt, der fürchtet vielmehr, dass derjenige, der völkerrechtlich korrekt vom nicht internationalen bewaffneten Konflikt spricht, die Situation zu verharmlosen versucht. Deshalb sage ich ganz deutlich: Niemand von uns verharmlost; niemand von uns – ob er im Deutschen Bundestag für oder gegen diesen Einsatz gestimmt hat – verharmlost das Leid, das dieser Einsatz bei unseren Soldaten und ihren Familien, aber auch bei Angehörigen unschuldiger ziviler afghanischer Opfer hinterlässt. Am 10. Februar dieses Jahres hat Bundesaußenminister Guido Westerwelle für die Bundesregierung vor diesem Hohen Haus erklärt – ich zitiere –: Die Intensität der mit Waffengewalt ausgetragenen Auseinandersetzung mit Aufständischen und deren militärischer Organisation führt uns zu der Bewertung, die Einsatzsituation von ISAF auch im Norden Afghanistans als bewaffneten Konflikt im Sinne des humanitären Völkerrechts zu qualifizieren. Das, meine Damen und Herren, ist das, was landläufig als kriegerische Handlung oder Krieg bezeichnet wird. Jedem Mitglied dieses Hauses, das sich ernsthaft mit dieser Frage beschäftigt hat – und das unterstelle ich jedem von uns –, war dies vor der Abstimmung über das aktuelle Mandat bewusst. Wir können von unseren Soldaten nicht Tapferkeit erwarten, wenn uns selbst der Mut fehlt, uns zu dem zu bekennen, was wir beschlossen haben. In einem Interview, das am letzten Sonntag in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung erschienen ist, hat Hauptfeldwebel Daniel Seibert minutiös ein Gefecht beschrieben, in das er am 4. Juni des letzten Jahres geriet. Auf die Frage, ob er selbst in diesem Gefecht geschossen und einen Menschen getötet hat, antwortet er – ich zitiere –: Ich habe ihn erschossen. Er oder ich, darum ging es in diesem Fall. Daniel Seiberts Handeln während des Gefechts war es zu verdanken, dass ein Spähtrupp aus einem Hinterhalt der Taliban befreit werden konnte. Hauptfeldwebel Seibert wurde für Tapferkeit ausgezeichnet. Das bedeutet ihm, wie er in dem Interview weiter ausführt, nicht viel. Wichtiger seien ihm Anerkennung und Respekt für die Härte seines Einsatzes, Anerkennung und Respekt von uns allen, von allen Bürgerinnen und Bürgern, Respekt für ihn und alle Soldaten, die in Extremsituationen ihres Lebens kommen, die wir uns in Deutschland kaum oder gar nicht vorstellen können. Anlässlich der Verleihung des Friedensnobelpreises am 10. Dezember des letzten Jahres hat der amerikanische Präsident Barack Obama gesagt – ich zitiere –: Ja, die Mittel des Krieges spielen eine Rolle in der Erhaltung des Friedens. Und doch muss diese Wahrheit neben einer anderen bestehen, nämlich der, dass Kriege menschliche Tragödien bedeuten, wie gerechtfertigt sie auch immer sein mögen. Der Mut des Soldaten ist ruhmreich, ein Ausdruck der Aufopferung für sein Land, für die Sache und für seine Waffenbrüder. Doch der Krieg selbst ist niemals ruhmreich, und wir dürfen ihn niemals so nennen. In anderen Worten: Wir müssen das Leid beim Namen nennen. 43 deutsche Soldaten haben seit Beginn unseres Einsatzes ihr Leben in Afghanistan verloren. 24 von ihnen sind durch sogenannte Feindeinwirkung und im Kampf gefallen. Unbeteiligte Menschen haben ihr Leben verloren – auch infolge deutschen Handelns, wie beim Luftschlag in Kunduz am 4. September vergangenen Jahres. Jeder Tod beendet nicht nur ihr Leben, er trifft auch immer gelebte zwischenmenschliche Nähe, Liebe, Hoffnungen und Träume. Deshalb ist es wieder und wieder wichtig, dass wir uns klarmachen, warum wir junge Frauen und Männer in ein fernes Land schicken, wo ihre Gesundheit an Körper und Seele und ihr Leben immer wieder in Gefahr sind. Es ist wieder und wieder wichtig, dass wir Politiker die Tatsachen klar benennen. Es ist wieder und wieder wichtig, sich auch als Mitglieder der Bundesregierung und als Abgeordnete zu den menschlichen Zweifeln zu bekennen, die jeder von uns schon hatte oder hat: die Zweifel, ob dieser Kampfeinsatz in Afghanistan tatsächlich unabweisbar ist. Erst wenn wir uns diesen Zweifeln stellen, können wir den Einsatz glaubhaft verantworten. So jedenfalls geht es mir. Dennoch – und so stehe ich wie die große Mehrheit dieses Hauses hinter diesem Einsatz. Dass afghanische Frauen heute mehr Rechte als früher haben, dass Mädchen zur Schule gehen dürfen, dass Straßen gebaut werden und dass vieles, vieles mehr geschafft wurde, ist das Ergebnis unseres Einsatzes in Afghanistan. Das lohnt sich, und das ist mancher Mühe wert. Dadurch alleine könnte der Einsatz unserer Soldaten dort aber nicht gerechtfertigt werden. In so vielen anderen Ländern dieser Welt werden die Menschenrechte missachtet, werden Ausbildungswege verhindert, sind Lebensbedingungen katastrophal – und trotzdem entsendet die internationale Gemeinschaft keine Truppen, um sich dort militärisch zu engagieren. Nein, in Afghanistan geht es noch um etwas anderes. Der berühmte Satz unseres früheren Verteidigungsministers Peter Struck bringt das für mich auf den Punkt. Er sagte vor Jahren: Die Sicherheit Deutschlands wird auch am Hindukusch verteidigt. Bis heute hat niemand klarer, präziser und treffender ausdrücken können, worum es in Afghanistan geht. Bislang ist diesem Satz aber vielleicht noch nicht eine ausreichende Debatte darüber gefolgt, was genau es bedeutet, wenn wir sagen: Deutschlands Sicherheit wird auch am Hindukusch verteidigt. Unsere Sicherheit, in einem freien Rechtsstaat leben zu können, wird heute von Entwicklungen gefährdet, die weit außerhalb unserer Grenzen entstehen können. Das ist an sich keine neue Entwicklung, aber in Zeiten der Globalisierung hat es eine neue Qualität erlangt. Der internationale Terrorismus und die von ihm ausgehende sogenannte asymmetrische Bedrohung durch Menschen, denen ihr eigenes Leben nichts bedeutet – dies ist eine der großen Schattenseiten der Globalisierung. Doch sowenig man die Globalisierung abschaffen kann – was ich nicht will, was aber auch gar nicht ginge, selbst wenn man es wollte –, so wenig dürfen wir in unseren Anstrengungen nachlassen, den Gefahren für das Recht, die Sicherheit und die Freiheit unseres Landes dort zu begegnen, wo sie entstehen. Es ist müßig und an dieser Stelle auch völlig unnötig, darüber zu diskutieren, in welchem Zusammenhang die historischen Ereignisse der Jahre 1989 und 1990, die zum Ende des Kalten Krieges geführt haben, auch mit dem ebenfalls 1989 abgeschlossenen Abzug der sowjetischen Soldaten aus Afghanistan stehen könnten. Diese Diskussion kann und will ich hier nicht führen, aber etwas anderes steht fest, und zwar, dass Afghanistan durch den Sieg der Taliban Jahre später zur Heimstatt internationaler Terrororganisationen wie al-Qaida gemacht wurde. Die Terrorangriffe des 11. September hatten ihre Wurzeln in den Ausbildungslagern der al-Qaida im von den Taliban beherrschten Afghanistan. Aus ihnen sind die Attentäter von New York und Washington und später die von London und Madrid unerkannt hervorgegangen. Viele dieser Gruppen haben unerkannt unter uns gelebt. Ja, sie haben inzwischen auch bei uns in Deutschland verheerende Anschläge geplant. Wir hatten bisher lediglich das Glück, sie noch rechtzeitig verhindern zu können. Es wäre jedoch ein Trugschluss, zu glauben, Deutschland wäre nicht im Visier des internationalen Terrorismus. Die Anschläge des 11. September haben uns ahnen lassen, was sich mittlerweile bestätigt hat: dass sich unter den Bedingungen der Globalisierung die Herausforderungen an unsere Sicherheitspolitik nach dem Ende des Kalten Krieges drastisch gewandelt haben. Es wird in Zukunft weit weniger als bisher um Konflikte zwischen Staaten gehen. Es sind die asymmetrischen Konflikte, die unsere sicherheitspolitische Zukunft dominieren werden. Es sind Taliban und ihre Verbündeten in Afghanistan, die sich hinter Stammes- und Dorfstrukturen unerkannt verstecken und damit selbst hinter Frauen und Kindern, um dann mit militärischen Mitteln zuzuschlagen. Es sind Piraten vor der Küste Somalias, die mit räuberischen Attacken unsere Handelswege in Gefahr bringen. Es sind die Gefahren, die nicht dem klassischen, dem gewohnten Muster von Konflikten und Kriegen entsprechen, die auch aus weiter Entfernung in Windeseile direkt zu uns gelangen können. Dennoch: Es ist und bleibt zunächst nicht eine militärische Aufgabe, dieser Bedrohung zu begegnen, ganz im Gegenteil: Der Einsatz der Bundeswehr ist und bleibt nur Ultima Ratio. Er kann stets nur das äußerste Mittel sein, streng gebunden an Völker- und Verfassungsrecht. Deutschland übt sich auch aufgrund seiner Geschichte nicht nur in Afghanistan in militärischer Zurückhaltung. Ich sage: Deutschland übt sich aus gutem Grund in militärischer Zurückhaltung. Militärische Zurückhaltung und der Einsatz militärischer Mittel als Ultima Ratio – das ist Staatsräson der Bundesrepublik Deutschland, und zwar verbunden mit der politischen Verantwortung, die wir aufgrund unserer wirtschaftlichen Stärke, unserer geografischen Lage im Herzen Europas wie auch als Mitglied unserer Bündnisse wahrnehmen. Wir sind eingebunden in die Partnerschaft mit den Verbündeten in der Europäischen Union und der NATO. Alleine vermögen wir wenig bis nichts auszurichten. In Partnerschaften dagegen schaffen wir vieles. Seit 1990, also seit der Wiedervereinigung und dem Ende des Kalten Krieges, ist unser Land einen beachtlichen Weg gegangen. Im Rahmen der Wiedervereinigung haben wir den Aufbau einer Bundeswehr geschafft, die seit 1990 das gesamte Bundesgebiet umfasst, also auch das Gebiet der früheren DDR. Schritt für Schritt hat Deutschland international Verantwortung gemeinsam mit unseren Verbündeten in der NATO, in der europäischen Sicherheitspolitik und im Auftrag der Vereinten Nationen auch außerhalb des Bündnisgebietes übernommen. War es unter den Bedingungen des Kalten Krieges noch völlig undenkbar, so stand die Bundeswehr wenige Jahre nach der deutschen Einheit bereits als Teil von Friedenstruppen in Somalia oder auf dem Balkan. 1999 erfolgte die Beteiligung Deutschlands am Einsatz im Kosovo. Ohne Zweifel, es sind diese Einsätze im Ausland, die heute den Auftrag, die Struktur und den Alltag der Bundeswehr wesentlich bestimmen. Zurzeit beteiligt sich Deutschland mit rund 6 600 Soldatinnen und Soldaten an elf Missionen. Deutsche Soldatinnen und Soldaten sind in Bosnien-Herzegowina, im Kosovo, im Sudan, vor der Küste des Libanon, im Mittelmeer und in Afghanistan im Einsatz. Die rechtliche Absicherung dieser Auslandseinsätze ist in mehreren Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts erfolgt. Sie finden statt auf dem Boden von Mandaten des Deutschen Bundestages. Mit ihnen wird über die Abgeordneten ein wichtiges Zeichen für die Verbindung der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes mit unseren Soldatinnen und Soldaten gesetzt. Dies ist wichtiger denn je. Denn die Bundeswehr wird ihren Auftrag nur dann erfüllen können, wenn sie sich auf den nötigen Rückhalt in der Gesellschaft verlassen kann und wenn dieser Rückhalt auch sichtbar wird. Auf der Grundlage dieses rechtlichen Rahmens für unsere Bundeswehr sage ich unmissverständlich: Zum Einsatz der Bundeswehr im multilateralen Rahmen wie den Vereinten Nationen, der Europäischen Union und der Nato sind wir bereit, wenn er dem Schutz unserer Bevölkerung oder dem unserer Verbündeten dient. Wer deshalb heute den sofortigen, womöglich sogar alleinigen Rückzug Deutschlands unabhängig von seinen Bündnispartnern aus Afghanistan fordert, der handelt unverantwortlich. Nicht nur würde Afghanistan in Chaos und Anarchie versinken, auch die Folgen für die internationale Gemeinschaft und ihre Bündnisse, in denen wir Verantwortung übernommen haben, und für unsere eigene Sicherheit wären unabsehbar. Die internationale Gemeinschaft ist gemeinsam hineingegangen; die internationale Gemeinschaft wird auch gemeinsam hinausgehen. Handelte sie anders, wären die Folgen – das ist meine Überzeugung – weit verheerender als die Folgen der Anschläge vom 11. September 2001. Dies zeigt allein ein Blick auf die Landkarte: Afghanistan hat in seiner unmittelbaren Nachbarschaft die Nuklearmacht Pakistan. Wir müssen davon ausgehen, dass ein weiterer unmittelbarer Nachbar Afghanistans, der Iran, alles unternimmt, um Nuklearmacht zu werden. Vor einigen Tagen habe ich zusammen mit vielen Staats- und Regierungschefs auf Einladung des amerikanischen Präsidenten Barack Obama am Nukleargipfel in Washington teilgenommen. Wir waren uns einig: Der Atomterrorismus gehört zu den größten Bedrohungen für die Sicherheit der Welt. Organisationen wie al-Qaida versuchen, in den Besitz von Nuklearwaffen zu kommen oder nukleares Material zu erlangen, um damit als sogenannte schmutzige Bomben nuklear angereicherte konventionelle Waffen zu bauen. Besonders gefährlich ist die Situation in Pakistan, Afghanistans östlichem Nachbarn. Die Lage dort ist heute schon sehr fragil. Gingen wir nicht ganz konsequent die nukleare Abrüstung an, wie wir es uns in Washington vorgenommen haben, und verließen wir planlos Afghanistan, würde die Gefahr erheblich steigen, dass Nuklearwaffen und Nuklearmaterial in die Hände von extremistischen Gruppen gelangen könnten. Dies muss verhindert werden, meine Damen und Herren. Wir dürfen niemals vergessen, worum es für uns in Afghanistan geht: Es geht nicht um einen Konflikt zwischen sogenanntem Abendland und Morgenland, es geht nicht um eine Auseinandersetzung zwischen Christentum und Islam. Ein Im-Stich-Lassen der moderaten muslimischen Kräfte in Afghanistan durch einen überstürzten oder gar alleinigen Abzug wäre nur eines: eine Ermutigung für alle Extremisten, die weit über Afghanistan und seine Nachbarn hinausginge. Deshalb kann gar nicht oft genug gesagt werden: Es geht um die Sicherheit Deutschlands, die Sicherheit Europas, die Sicherheit unserer Partner in der Welt, die auch am Hindukusch verteidigt wird. Die Partner der internationalen Gemeinschaft wissen, dass wir Afghanistan nicht zu einer Demokratie nach westlichem Vorbild machen können. Darum hat es auch gar nicht zu gehen. Etwas mehr als acht Jahre nach Beginn des Einsatzes müssen wir feststellen – ich sage dies durchaus auch selbstkritisch und ohne jede Schuldzuweisung gegen irgendjemanden –: Es gab manche Fortschritte, es gab zu viele Rückschritte, und unsere Ziele waren zum Teil unrealistisch hoch oder sogar falsch. Es ist deshalb in seiner Bedeutung gar nicht hoch genug einzuschätzen, dass auf der Londoner AfghanistanKonferenz vor gut drei Monaten gemeinsam mit der neuen afghanischen Regierung wichtige neue Weichenstellungen unseres bisherigen Vorgehens in Afghanistan vorgenommen wurden. Es wurde die Strategie der vernetzten Sicherheit verabschiedet, in der die Sicherheitspolitik und die Entwicklungspolitik eng miteinander verbunden sind. Die Londoner Strategie schließt alle politischen Kräfte Afghanistans ein. Ja, es ist ein Angebot auch an diejenigen unter den Taliban und den Aufständischen, die bereit sind, Gewalt und Terror abzuschwören. Es ist ein Angebot an alle, die sich am Aufbau einer guten Zukunft ihres Landes beteiligen wollen. Die Londoner Strategie sieht vor, die afghanischen Sicherheitskräfte so auszubilden, dass sie schnellstmöglich in die Lage versetzt werden, für die Sicherheit und Stabilität ihres Landes selbst zu sorgen. Bereits 2011 wollen wir mit der Übergabe in Verantwortung beginnen. Die Londoner Strategie stimmt unsere Aufbau- und Ausbildungsleistung mit den Entwicklungsmaßnahmen unserer Partner genau ab. Die Londoner Strategie hat ausdrücklich eine regelmäßige Überprüfung von Benchmarks, Zielen und Maßnahmen festgelegt. Eine erste Bilanz wird die nächste Konferenz am 20. Juli in Kabul ziehen, an der der Bundesaußenminister teilnehmen wird. In einem Wort: Die Londoner Strategie schafft die Voraussetzungen für eine Übergabe in Verantwortung. Darum, um eine Übergabe in Verantwortung, hat es der internationalen Staatengemeinschaft zu gehen, nicht um einen Abzug in Verantwortungslosigkeit wie auch nicht um den Versuch, Afghanistan zu einer Demokratie nach westlichem Vorbild zu machen. Das missachtete entweder unsere eigenen Sicherheitsinteressen, oder es wäre zum Scheitern verurteilt, weil es die kulturellen, historischen und religiösen Traditionen der afghanischen Gesellschaft unberücksichtigt ließe. Es ist wahr: Die Traditionen der Stammesversammlungen und der Loya Jirga in Afghanistan sind uns nicht vertraut, sondern fremd. Aber wahr ist auch: Sie sind eine eigene afghanische Tradition der konsensorientierten Entscheidungsfindung, die auf ihre Weise Prinzipien von Rechtsstaatlichkeit ermöglichen kann. Nicht nur aufgrund meiner eigenen Erfahrung in der DDR halte ich den Rechtsstaat für die größte zivilisatorische Errungenschaft der Menschheit. Rechtsstaatlichkeit – das meint nicht nur, aber zunächst die Freiheit der Menschen von Willkür und Unterdrückung, von Anarchie und Chaos, von einer Situation, in der jeder in der ständigen Angst leben muss, verfolgt oder getötet zu werden. Erst wenn den Menschen diese permanente Angst genommen wird, erst wenn der Staat in der Lage ist, das elementare Bedürfnis seiner Bevölkerung nach Sicherheit zu erfüllen, erst dann gewinnen Menschen auch den Freiraum, ja die Freiheit, sich dem Aufbau ihres Landes zu widmen, ihrer Bildung, ihrer Wirtschaft, ihrem sozialen Ausgleich. Es ist die vornehme Aufgabe der internationalen Staatengemeinschaft, Afghanistan beim Aufbau einer solchen Ordnung zu unterstützen, und zwar weil das unserer eigenen Sicherheit dient. Das ist der Auftrag, den die NATO und ihre Verbündeten, also auch die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, dort erfüllen. Es ist richtig: Sicherheit kann es auf Dauer nicht ohne Entwicklung geben; aber genauso richtig ist: Sicherheit ist die Voraussetzung jeder Entwicklung und die Voraussetzung dafür, dass sich in einem Land wie Afghanistan nicht wieder Brutstätten des internationalen Terrorismus bilden, die uns in Europa und der Welt bedrohen können. Das eine ist die Voraussetzung des anderen. Die internationale Gemeinschaft wird ihre militärische Präsenz so lange aufrechterhalten, wie es nötig ist, nicht länger, aber auch nicht kürzer. Unser Einsatz ist nicht auf Dauer angelegt, aber auf Verlässlichkeit. Das ist der Kern der Übergabe in Verantwortung, die wir in London eingeleitet haben und die wir erfolgreich beenden werden. Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, die 43 Soldaten, die in ihrem Einsatz für Deutschland in Afghanistan ihr Leben verloren haben, haben den höchsten Preis gezahlt, den ein Soldat zahlen kann. Sie haben uns Deutsche mit davor beschützt, dass wir in Zeiten der globalen Dimension unserer Sicherheit im eigenen Land Opfer von Terroranschlägen werden. Alle Soldaten, die in Afghanistan Dienst tun, verdienen unsere Solidarität und unser Mitgefühl. Sie leben ständig in Angst, verletzt oder getötet zu werden. Sie leben in dieser Angst, damit wir zu Hause in Deutschland nicht Angst haben müssen. Dafür gebühren ihnen unser Dank, unsere Hochachtung und unsere Unterstützung. Herzlichen Dank.
CDU/CSU
Sehr geehrter Herr Präsident ! Liebe Kolleginnen und Kollegen ! Wenn sich Oskar Lafontaine , eine der größten Ich-AGs , die ich in meinem Leben je kennen gelernt habe , hier über Ich-AGs mokiert , dann bekomme ich eigentlich Lust , über etwas ganz anderes zu reden . Ich konzentriere mich aber mal auf das Thema , das hier aufgerufen wurde . Die Bundesregierung und die Koalition haben sich vorgenommen , große Aufgaben anzupacken . Zu den großen Aufgaben gehört : Arbeit und Alterssicherung für eine älter werdende Gesellschaft . Das ist ein ganz zentraler Punkt . Dazu gehören die beiden Kapitel Arbeit für 50 plus und Stabilität der sozialen Sicherungssysteme , in diesem Fall der Rentenversicherung . Diese beiden großen Dinge stehen in unserem Koalitionsvertrag . Beide werden in diesem Jahr mit allem Nachdruck vorangetrieben werden . Wir wollen mehr Arbeit für diejenigen , die 50 , 55 und älter sind , wir wollen dafür sorgen , dass sie nicht so früh herausgeschoben werden , wie das derzeit geschieht , und wir wollen , dass sie wieder hinein können , wenn sie draußen sind . - Ihre Frage Wie denn ? zeigt Ihr Resignieren . Sie von der PDS und Co . können nichts anderes , als sich darüber zu mokieren , dass wir eine schwere Situation haben . Das wissen wir auch . Wir bereiten uns darauf vor , dafür zu sorgen , dass die 50- , die 55- und die 60-Jährigen in dieser Gesellschaft wieder eine Chance haben . Das , was sich in dieser Gesellschaft aufgebaut hat , muss ein Ende haben . Wir werden diese Debatte in diesem Jahr 2006 zu führen und im Verlauf des Jahres Entscheidungen zu treffen haben . Die Lebenszeit hat sich verändert . Wir leben sechs bis sieben Jahre länger als die , die 1960 vergleichbar alt waren ; aber wir arbeiten im Schnitt nicht sechs oder sieben Jahre länger , sondern fünf Jahre kürzer . Es ist eine ganz einfache Rechnung : Das kann nicht aufgehen , wenn man hier nicht eingreift und das systematisch verändert . Die Lebensarbeitszeit ist kürzer , als sie je war . Wir gehen im Schnitt mit 21 Jahren in den Beruf und mit 60 Jahren heraus . Dazwischen liegen 39 Lebensarbeitsjahre . Von den 55-Jährigen und Älteren sind in Deutschland noch 42 Prozent berufstätig . In Skandinavien sind es 70 Prozent . Ich kann das nicht einer Partei oder Gruppe zuordnen . Wir alle miteinander haben seit den 80er-Jahren in der Vorstellung gelebt : Lasst die Alten früh raus , damit die Jungen rein können . Das ist eine saubere Lösung . - Die großen Betriebe haben das nach folgender Melodie organisiert : kurzer Sozialplan , lange Zahldauer Arbeitslosengeld , mit Abschlag in die Frühverrentung hinein . So ist das gelaufen . Durch die sozialen Sicherungssysteme wurden die personalpolitischen Entscheidungen der großen Unternehmen mit organisiert . Darüber müssen wir sprechen . Zusammen mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und den gutwilligen Betrieben müssen wir eine gemeinsame Linie finden , um dieses unvernünftige Handeln wieder ein Stück vernünftiger zu machen . Im letzten Jahr haben wir 30 000 Älteren mit Eingliederungszuschüssen eine Chance gegeben . Das ist eine Art Kombilohn und eine Sache , die man verbreitern kann und müsste . Ältere Menschen müssen ja nicht zwingend auf dem Bau arbeiten , sie können auch eine altengerechte Arbeit ausüben . Hier wird sich auch etwas finden lassen . Das muss man nur wollen . 62 der Argen und der optierenden Gemeinden sind dabei und kümmern sich ganz besonders um die Eingliederung von Älteren . 250 Millionen Euro stehen dafür zur Verfügung . Das alles werden wir aber noch systematisieren . Ganz wichtig werden die Entwicklung der Löhne und die Balance im Finanzierungssystem überhaupt sein . Was machen wir mit der Riester-Rente ? Wie bauen wir das weiter auf , damit wir den Dreiklang zwischen versichert durch Beiträge , versichert durch die Staatskasse - aus der Bundeskasse werden in diesem Jahr 78 Milliarden Euro für die Rente gezahlt - und der Frage , was der Einzelne privat vorsparen kann , vernünftig organisieren ? Einige Aspekte dieses Gesamtpakets sind in diesen Tagen schon öffentlich geworden . Das war unvermeidlich . Wir haben gestern im Kabinett den Beschluss gefasst , dass die Renten zum 1 . Juli dieses Jahres nicht gesenkt werden . Das ist eine vernünftige Entscheidung . Diese Koalition hat entschieden , dass wir bei allen vorhandenen Schwierigkeiten und unter Würdigung dessen , was wir den Rentnerinnen und Rentnern in den letzten Jahren zugemutet haben , dafür sorgen , dass die Renten in dieser Legislaturperiode nicht sinken . Das werden wir für dieses Jahr 2006 mit diesem Gesetz festschreiben . Wir werden die Rentenversicherungsbeiträge von 19 ,5 Prozent auf 19 ,9 Prozent erhöhen . Das hat Herr Kolb richtig gesagt . Er hat aber vergessen , dazuzusagen , dass wir gleichzeitig die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung von 6 ,5 auf 4 ,5 Prozent senken . Das heißt , dass im Ergebnis im nächsten Jahr die Beiträge zur Sozialversicherung um 1 ,6 Prozentpunkte sinken : 0 ,8 Prozentpunkte für die eine und 0 ,8 Prozentpunkte für die andere Seite . Das ist die Wahrheit . Das machen wir , weil wir eine stabile Situation herbeiführen wollen . Nun wird in diesen Tagen der Rentenversicherungsbericht mit den anderen Ministerien und den Sozialverbänden , die das alles schon kennen , abgestimmt . Deshalb musste ich mich an dieser Stelle entscheiden und musste sich das Kabinett entscheiden . Die Frage war : Schreiben wir in den Rentenversicherungsbericht etwas hinein , was wir in zwei oder drei Monaten wieder korrigieren müssen , oder schreiben wir das hinein , was in unserem Koalitionsvertrag steht ? Gemeint ist , dass wir das Renteneintrittsalter von 65 auf 67 Jahre erhöhen und dies über einen längeren Zeitraum , aber bis spätestens 2035 machen . Wir im Kabinett haben entschieden , dass in den Jahren 2007 bis einschließlich 2011 nichts passiert . Im Jahre 2012 beginnt der Anstieg um einen Monat pro Jahr . Wer dann 65 Jahre alt ist , bekommt seine Rente mit 65 Jahren und einem Monat . Das wird so über 12 Jahre gehen . Dann ist das erste Jahr aufgearbeitet . Anschließend geht es in einem schnelleren Tempo mit zwei Monaten pro Jahr weiter . Das haben wir vereinbart . Dabei haben wir deutlich gemacht : Diejenigen , die lange berufstätig sind und deshalb lange in die Sozialversicherung eingezahlt haben , sollen auch in Zukunft mit 45 Versichertenjahren im Alter von 65 die Rente ohne Abschlag bekommen . Das heißt , der Maurer , der mit 18 , 19 oder 20 Jahren seine Lehre oder , wie es heute heißt , Ausbildung beginnt und anschließend arbeitet , hat mit 63 , 64 oder 65 Jahren seine 45 Versicherungsjahre erreicht und bekommt jetzt und in Zukunft mit 65 Jahren seine unreduzierte Rente . Das war eine wichtige Entscheidung . Das betrifft etwa 40 bis 45 Prozent all derer , die in diese Situation kommen . Ich empfehle all denen , die eben schon gesprochen haben , sich einfach einmal sachkundig darüber zu machen , worüber sie reden . Die üblichen Propagandareden außerhalb dieses Hauses helfen überhaupt nicht . Wir müssen uns anschauen : Wie ist die Situation und was können wir an dieser Stelle tun ? Ich bin sicher , dass wir die Situation hinsichtlich der Feststellung der Erwerbsminderung genau unter die Lupe nehmen müssen . Wir wollen das nicht zulasten derer machen , die aus objektiven Gründen in ihrer Arbeitsfähigkeit im Alter vielleicht gehemmt sind . Aber dazu gehören auch Arbeitsschutz , Weiterbildung und Qualifizierung für die älteren Arbeitnehmer . Dazu gehört auch , dass wir dann , wenn uns die Verbände erklären , dass 10 000 oder 20 000 Ingenieure fehlen und wir das Tor aufmachen sollen , damit sie sich die fehlenden Arbeitskräfte in der Welt suchen , sagen : Nein , das gibt es nicht . Ihr dürft nicht nur die 25- oder 30-Jährigen hereinholen . Wir sorgen dafür , dass diejenigen im Land , die heute keinen Arbeitsplatz haben , die 45- bis 55-Jährigen , Qualifizierungsmöglichkeiten erhalten , um wieder im Erwerbsleben dabei zu sein . Das wollen wir erreichen . Dafür streiten wir mit unserer Politik . Diese große Koalition hat sich - das zeigt sich an diesem Punkt ; das wird sich aber auch an anderen zeigen - Aufgaben vorgenommen , die nicht leicht sind . Ich behaupte nicht , dass jeder Akzent , den wir setzen , immer gleich gelingen wird . Aber die Intention , die dahintersteckt , nämlich in dieser Legislaturperiode die Situation für die älter werdenden Menschen am Arbeitsmarkt zu verbessern , damit sie wieder dabei sind und nicht als unbrauchbar ins Abseits gedrängt werden , und gleichzeitig so viel Stabilität wie nur möglich in die Rentenversicherungssysteme hineinzubringen , treibt uns an . Ich sage Ihnen : Dem werden wir gerecht werden . Mag da kommen , was will : Wir sind auf dem richtigen Weg . Wir werden ihn bei der Gesetzgebung so gestalten , wie es für die Menschen am vernünftigsten ist . Das werden wir in dieser Koalition miteinander erreichen . Vielen Dank .
SPD
Herr Wissmann , würden Sie uns einmal Auskunft darüber geben , wie viele Verkehrsteilnehmer von dieser Einsichtsregelung betroffen sein werden ? Meine zweite Frage : Ich habe Ihren Ausführungen entnommen , daß der Sinn dieser Regelung darin liegen soll , daß die Punkte für einmalige Verkehrsüberschreitungen bei vorhandener Einsicht der Betroffenen gelöscht werden können . Ist es in der Tat nicht so , daß gerade die Autofahrer mit einem hohen Punktestand Wiederholungstäter sind und daß deshalb die Regelung mit der Freiwilligkeit der Teilnahme an Schulungsmaßnahmen ins Leere läuft ?
GRUENE
Diesbezüglich liegt mir im Moment nichts vor .
CDU/CSU
Frau Präsidentin ! Liebe Kolleginnen und Kollegen ! Den wichtigsten Zweck hat der Antrag der CDU/CSU-Fraktion bereits erreicht : eine breite öffentliche Befassung , und zwar nicht nur in Deutschland , mit einem Thema , das weder historisch noch politisch als erledigt betrachtet werden kann _ die Vertreibung . Deswegen haben wir im Übrigen gerne die überparteiliche Initiative der Stiftung Zentrum gegen Vertreibungen aufgegriffen , die nach unserem Verständnis die Tradition der Veröffentlichung herausragender Dokumente und des verantwortlichen Umgangs von Betroffenen mit den dramatischen Verirrungen der deutschen und europäischen Geschichte im letzten Jahrhundert fortsetzt , die mit der Charta der Heimatvertriebenen begonnen hat . Wir begrüßen die nachgereichten Anträge sowohl der Koalitionsfraktionen als auch der FDP ausdrücklich , weil sie deutlich machen , dass es im Kern eine breite Übereinstimmung bezüglich der Notwendigkeit der Beschäftigung mit diesem Thema und _ das kann ich aufgrund dieser Debatte sagen _ ganz offensichtlich auch bezüglich der Orientierung bei der Beschäftigung mit diesem Thema gibt . Ich darf in diese , natürlich ganz subjektive , Bewertung die zu Protokoll gegebene Rede des Staatsministers ausdrücklich einbeziehen ; er hat sie mir freundlicherweise zu Beginn der Debatte zur Verfügung gestellt . . _ Die Spekulationen , die das nun auslöst , nehme ich mit einem gewissen Vergnügen in Kauf .
CDU/CSU
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer die Haushaltsdebatte heute Morgen verfolgt, könnte den Eindruck haben, der Bundeswirtschaftsminister habe über etwas anderes als über seinen eigenen Haushaltsplan gesprochen. Herr Rösler, Sie haben gesagt, die Bundesregierung stehe für solide Haushalte. Der Bundesfinanzminister hat gestern dargestellt, welche Konsolidierungsbemühungen Sie anstellen und wie Sie den Haushalt konsolidieren würden. Ehrlich gesagt, würde ich gerade bei einem Haushaltsplan des Bundeswirtschaftsministeriums erwarten, dass dieser konjunkturell atmet und dass gerade der Etat des Wirtschaftsministeriums in Zeiten guter Konjunktur einen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung erbringt. Schaut man sich Ihren Entwurf an, erkennt man aber: Fehlanzeige. Sie geben im nächsten Jahr 75 Millionen Euro mehr aus. Hinzu kommt eine globale Minderausgabe von 65 Millionen Euro. Mit anderen Worten: Gespart wird hier nicht. Sie nutzen die gute konjunkturelle Situation nicht, um Vorsorge für die Herausforderungen der Zukunft zu treffen. Den Kommentar Ihres Hauses zu Ihrem Etat überschreiben Sie mit „Fortschritt, Chancen, Optimismus“. Schauen wir uns einmal das Thema Fortschritt an. Woran denken wir beim Thema Fortschritt? Sie haben es selbst erwähnt: Es findet ein Paradigmenwechsel in unserer Industriegesellschaft statt. Sie haben von einer „Industrie 4.0“ gesprochen. Digitalisierung, Automatisierung und Vernetzung bringen völlig neue Möglichkeiten, Produkte und Geschäftsmodelle hervor. Gerade diese müssten Sie fördern. In Ihrem eigenen Koalitionsvertrag, den Sie vor drei Jahren geschlossen haben, ist von steuerlicher Forschungsförderung die Rede. Aber was kam von dieser Koalition? Nichts und wieder nichts. Das verstehe ich nicht. Ich wage heute die Prognose: Diese Regierung wird die steuerliche Forschungsförderung in Deutschland nicht mehr einführen. Stellen wir uns eine zweite Frage. Woran denken die Menschen in diesem Land, wenn wir sie fragen: Welche sind die Schlüsseltechnologien der deutschen Wirtschaft? Was fällt uns da ein? Der Maschinenbau, der Automobil- und Fahrzeugbau, die chemische Industrie, die Softwareindustrie und die Kreativwirtschaft. Sehen wir uns dann den Einzelplan 09 an, um zu schauen, wo das Bundeswirtschaftsministerium seine Schwerpunkte setzt, stellt man fest: Es tauchen wieder einmal nur die zwei Lieblingsbereiche dieses Hauses auf: die maritime Wirtschaft und die Luftund Raumfahrt. Nein, meine Damen und Herren, das ist keine Schwerpunktsetzung, die den deutschen Schlüsseltechnologien entspricht. Ich komme zu den Chancen, die Sie in Ihrem Etatentwurf verkennen. Wir sollten uns angesichts des Wandels, der mit der Erhöhung der Energie- und Ressourceneffizienz und mit der Energiewende einhergeht, nicht nur fragen: Wo gibt es Bedrohungen?, sondern auch: Wo gibt es neue Möglichkeiten? Wo liegt denn die Möglichkeit, unsere Industrie und unsere Wirtschaft besser zu machen? Indem wir bei der Ressourcenpolitik an geschlossenen Stoffkreisläufen arbeiten, an alternativen Rohstoffen, an einer ganz anderen Art von Kreislaufwirtschaft statt nur und einzig und allein auf die Ausbeutung ausländischer Minen zu setzen. Nein, beim Thema Ressourcenpolitik und Energiewende ist in diesem Ministerium Fehlanzeige. Das sieht man auch daran, dass Sie im Kapitel Energie um 25 Millionen Euro kürzen. Ein letzter Satz zum Thema Fachkräftesicherung. Wir sind uns alle einig, dass wir in Deutschland an einer guten Fachkräftesituation arbeiten müssen, dass wir dafür viel tun müssen, dass wir verschiedene Dinge tun müssen. Aber warum kürzen Sie dann in Ihrem Haushaltsplan gerade den Titel „Fachkräftesicherung für kleine und mittlere Unternehmen“? Ich verstehe das nicht, und ich bin mir sicher, die kleinen und mittleren Unternehmen in unserem Land verstehen das auch nicht. Ein Wort zum Optimismus. Ich glaube, der Optimismus in Ihrem Etatentwurf bezieht sich hauptsächlich darauf, dass diese globale Minderausgabe irgendwie erwirtschaftet wird. Im Folgejahr 2014 gehen Sie sogar davon aus, dass Sie in diesem Haushalt irgendwo 110 Millionen Euro sparen werden. Sie wissen nur nicht, wo. Das ist kein Haushaltsplan. Das ist Planlosigkeit. Ich kann Ihnen auch sagen, warum Sie für 2014 eine globale Minderausgabe von 110 Millionen einstellen. Sie verschieben damit die Konsolidierungsbemühungen in die Zukunft, weil Sie dann nicht mehr an der Regierung sind, und dann wird eine andere Regierung schauen müssen, woher dieses Geld kommt und wie der Wirtschaftsetat zur Konsolidierung in diesem Haushalt beiträgt. Abschließend noch ein Wort zur Europapolitik. Ich habe im letzten Jahr außer einer Reise nach Griechenland von Ihnen nicht viel positive Akzente Ihres Hauses erkennen können, was Europapolitik betrifft. Wenn wir über Optimismus reden, dann hätte ich mir persönlich gewünscht, dass gerade der Bundeswirtschaftsminister Optimismus in Europa verbreitet und sagt: Ja, gemeinsam schaffen wir das. Gemeinsam schaffen wir wirtschaftliche Perspektiven und Investitionen für Staaten wie Portugal, Spanien und Griechenland. – Ich hätte mir gewünscht, dass Sie eben nicht Vokabeln wie: „Ein Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone hat seinen Schrecken verloren“ in den Mund nehmen. Das ist einer deutschen Bundesregierung nicht würdig. Meine Damen und Herren, Herr Minister, wir werden Sie in den anstehenden Haushaltsberatungen treiben. Wir werden alles daransetzen, dass in diesem Wirtschaftsetat die richtigen Schwerpunkte gesetzt werden, dass sich unser Land für die wahren Herausforderungen der Zukunft fit macht, dass wir dann wirklich sagen können: Die Wirtschaftspolitik in Deutschland verbreitet Fortschritt, Chancen und Optimismus. Ehrlich gesagt, bin ich mir aber nicht sicher, ob das mit Ihnen als Minister noch gehen wird. Vielen Dank.
GRUENE
Am 30. November 2011 haben alle Fraktionen im Bundestagsausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend geschlossen für das Hilfetelefongesetz votiert. Dies ist ein gutes Signal für die Betroffenen und ein wichtiger Schritt, häusliche Gewalt und sexuelle Übergriffe gegen Frauen konsequent zu bekämpfen. Mit der Einrichtung des bundesweiten Hilfetelefons für von Gewalt betroffene Frauen setzen wir nicht nur eine Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag um, sondern leisten auch einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen. Die Hotline hilft Frauen, die geschlagen und misshandelt oder vergewaltigt werden, ihre Sprachlosigkeit zu überwinden. Als Familienanwältin kenne ich die Dimensionen häuslicher Gewalt mit all ihren auch langfristigen Wirkungen, nicht nur auf die Frauen selbst, sondern auch auf ihre Kinder. Alle Formen von Gewalt sind mit zum Teil erheblichen gesundheitlichen, psychischen und psychosozialen Folgen verbunden. Dies verursacht erhebliche Folgekosten im Gesundheitssystem, in den Sozialsystemen, den Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe und im öffentlichen Dienst. Opfer häuslicher Gewalt brauchen schnelle, unbürokratische und niedrigschwellige Hilfe, die jederzeit und ohne großen Aufwand anonym genutzt werden kann. Das zentrale Hilfetelefon wendet sich an gewaltbetroffene Frauen und Personen aus deren sozialem Umfeld, die durch eine erste Beratung und eine Weitervermittlung an Unterstützungseinrichtungen vor Ort Zugang zum Hilfesystem erlangen. Mit dem Hilfetelefon werden insbesondere Frauen erreicht, die bisher nicht oder sehr spät in kommunalen Hilfeeinrichtungen angekommen sind. Entscheidend für Frauen in einer Gewaltsituation ist, dass sie sich an eine qualifizierte Vertrauensperson wenden können. In besonderem Maße gilt dies für Opfer von Menschenhandel, Zwangsverheiratung und Genitalverstümmelung oder für Frauen, die aufgrund einer Behinderung eingeschränkt sind, aber auch für Migrantinnen, die der deutschen Sprache nicht oder nicht hinreichend mächtig sind. Diese bestehenden Barrieren halten betroffene Gewaltopfer fast immer davon ab, sich nach außen zu wenden. Genau dieser schwer erreichbaren Zielgruppe – nämlich Frauen mit Behinderung, Migrantinnen oder auch älteren Frauen – wird der Weg ins Hilfesystem durch die barrierefreie, mehrsprachige und standortunabhängige Inanspruchnahme des Hilfetelefons, das rund um die Uhr erreichbar ist, geebnet. Untersuchungen zufolge werden circa 80 Prozent der Betroffenen von den bestehenden Hilfestrukturen nicht oder nicht früh genug erreicht. Sie sind entweder wenig oder nicht bekannt oder nur zu begrenzten Öffnungszeiten erreichbar. Wir müssen nun dafür sorgen, dass das Zu Protokoll gegebene Reden Hilfetelefon mittels nachhaltiger Öffentlichkeitsarbeit bundesweit bekannt wird. Es darf in Zukunft den Fall nicht mehr geben, dass eine von Gewalt betroffene Frau aufgrund der üblichen Öffnungs- und Telefonzeiten von Unterstützungseinrichtungen vor Ort keine qualifizierte Hilfe erreicht. Gewaltopfer müssen wissen, dass sie sich jederzeit, entgeltfrei, mehrsprachig und barrierefrei an die Hotline wenden können. Abschließend möchte ich ein mir besonders am Herzen liegendes Thema ansprechen: Die Finanzierung von Frauenhäusern. Das Hilfetelefon ist ein wichtiger erster Schritt der Kontaktaufnahme und kann somit eine Brücke zu bestehenden Hilfeangeboten bauen. Gerade deswegen müssen wir jetzt in besonderem Maße auch diese Beratungs- und Hilfeeinrichtungen in den Blick nehmen. Wir müssen, um die kommunalen Angebote zu stärken, eine Lösung für eine nachhaltige Finanzierung von Frauenhäusern finden, die bundesweit einheitlich geregelt ist. Opfer von familiärer Gewalt brauchen sichere Zufluchtsorte. Wir müssen dafür sorgen, dass diese Schutzräume langfristig finanziell abgesichert werden.
FDP
Ja, Frau Präsidentin. – Ich habe eben ausgeführt, dass es sich um laufende Ermittlungen handelt. Offenbar lesen wir auch nicht dieselben Zeitungen. Ich hätte Sie eher für eine andere Zeitung in Verdacht gehabt. Aber offenbar lesen Sie die Welt ausführlicher und intensiver, als ich das tue. Ich kenne diesen Artikel nicht. Ich will auch nicht ausschließen, dass dort Namen genannt worden sind. Aber es ist immer noch etwas anderes, ob eine Zeitung, aus welchen Quellen auch immer, bestimmte angebliche Informationen oder Behauptungen niederschreibt oder ob ich hier etwas dementiere oder bestätige, also ob sozusagen regierungsamtlich etwas verlautbart wird. Das hat nach wie vor Konsequenzen für laufende Ermittlungen, die ich bitte sehr ernst zu nehmen. Es geht hier auch um den Schutz der Strafrechtspflege.
Guten Morgen, Herr Beck.
CDU/CSU
Herr Präsident ! Meine lieben Kolleginnen , liebe Kollegen ! Frau Wester , was Sie und die SPD heute hier wieder zu inszenieren versuchen , ist so einfältig und durchsichtig , dass es Ihnen die Menschen wirklich nicht mehr abnehmen . Sie haben den Menschen so viel versprochen und dann haben Sie alle Versprechen gebrochen . . Jetzt bekommen Sie kalte Füße und meinen , Sie könnten uns ein bisschen Feuer machen . Das passt doch nicht zusammen . . Wenn es überhaupt einen Grund gibt , warum wir heute Nachmittag in einer Aktuellen Stunde über die Gesundheitspolitik diskutieren müssen , dann ist es doch wohl der , dass diese Bundesregierung in der Sozialpolitik auf der ganzen Linie versagt hat und nichts tut , dass wir aber ganz dringend Reformen gerade in der Gesundheitspolitik brauchen . Wie sieht denn Ihre Bilanz nach drei Jahren aus ? _ Katastrophal ! Die Lage der Krankenversicherung ist desolat , die Versorgung der Patienten und Pflegebedürftigen verliert immer mehr an Qualität , die Ärzte und das Pflegepersonal sind vielfach überlastet und die Krankenversicherungsbeiträge steigen landauf , landab . . Noch nie mussten die Menschen durch eine verfehlte Gesundheitspolitik so viele Hiobsbotschaften gleichzeitig schlucken . Die gesetzliche Krankenversicherung ist aus den Fugen geraten . Wenn Sie es mir nicht glauben , dann glauben Sie es doch einfach einmal dem Vorsitzenden der Deutschen Gesellschaft für Versicherte und Patienten , Herrn Bahlo . . Er hat erklärt , die Versorgungssituation in der gesetzlichen Krankenversicherung werde von Ihnen schöngeredet . Er sagt , Eigenlob habe die notwendige kritische Analyse ersetzt . Recht hat er ! Sie würden kein Wort über die schweren Missstände in der Versorgung kranker Menschen , kein Wort über die zum Teil verheerenden Zustände in der Pflege und kein Wort über die längst praktizierte Zweiklassenmedizin verlieren . Recht hat Herr Bahlo ! Hören Sie endlich auf die Menschen ; sie sagen es Ihnen . . Hinzu kommen die Entwicklung derAltersstruktur und all die in der Medizin vorhandenen Fortschritte . Mit dem Weiter so , das Sie heute Nachmittag wieder propagiert haben , werden die Beitragssätze mittelfristig auf 20 Prozent steigen . Sie tun überhaupt nichts dagegen . Ich frage Sie : Wie lange wollen Sie das den Menschen in unserem Land eigentlich noch zumuten ? Ich will Ihnen eines sagen : Eine Politik ist dann unsozial , wenn die Menschen immer mehr bezahlen müssen und immer weniger dafür bekommen . . Angesichts Ihrer Politik ist es kein Wunder , wenn die Menschen Sie _ wie am vergangenen Sonntag in SachsenAnhalt _ aus der Regierungsverantwortung jagen . . Sie wissen doch überhaupt nicht mehr , was es für die Menschen bedeutet , Monat für Monat weniger in der Tasche zu haben , weil die Krankenversicherungsbeiträge immer höher werden . . Wenn Sie schon keinen Kontakt mehr zu den Menschen in unserem Land haben , vielleicht hören Sie dann noch auf die Demoskopen . Auch sie sagen Ihnen : Nur 4 Prozent der Bevölkerung haben den Eindruck , dass sich die Gesundheitsversorgung unter Rot-Grün verbessert hat . 37 Prozent sehen für die letzten drei Jahre eine Verschlechterung . 70 Prozent sehen Deutschland auf dem Weg in die Zweiklassenmedizin . Je mehr persönliche Erfahrungen die Menschen mit dem Gesundheitswesen unter Rot-Grün haben , desto kritischer fällt ihre Bilanz aus . Nur noch 37 Prozent der ernsthaft kranken Menschen halten das System für gut . Gesunde wie Kranke sind gleichermaßen davon überzeugt , dass die Versorgung weiter reduziert werden wird . 50 Prozent der Bevölkerung machen sich bereits Sorgen , nicht ausreichend versorgt zu werden . . 43 Prozent der Patienten haben in den letzten zwei Jahren aufgrund der von Ihnen veränderten gesetzlichen Vorschriften auf Leistungen verzichten müssen . Das alles wollen Sie nicht wahrhaben . . Ich kann Ihnen nur eines sagen : Sie haben ein gesundes System mit Überschüssen und mit Rücklagen übernommen . . Hildegard Wester 23089 _ Mit milliardenschweren Rücklagen . Darüber haben wir hier vor Wochen diskutiert . Lesen Sie es nach ; in den Protokollen finden Sie es schwarz auf weiß . Davon ist nichts übrig geblieben . . Das , was wir Ihnen übergeben haben , war das Ergebnis einer erfolgreichen Politik . Sie hat einen Namen , nämlich Horst Seehofer . . Was Andrea Fischer angerichtet hat , ist hinlänglich bekannt : Rationierung , Budgetierung , Zweiklassenmedizin . Auch das , was Sie abgeliefert haben , Frau Schmidt , ist nicht besser . Sie haben es mit Beruhigungspillen versucht . . Ich finde , die Frankfurter Rundschau hat absolut Recht , wenn sie schreibt , dass bei den Beratungen am runden Tisch , mit dem Sie zwei Dutzend Verbände und das halbe Gesundheitsministerium über Wochen lahm gelegt haben , ein Papier herausgekommen ist , das die Grenze zur Satire streift . Das Ganze sei eine Beschäftigungstherapie für die Lobbyisten des Gesundheitswesens . _ Ich zitiere weiter : Der runde Tisch taugt nicht einmal mehr als Placebo . Dem ist nichts hinzuzufügen . Ihre Gesundheitspolitik geht immer mehr in Richtung Bürokratie statt menschlicher Zuwendung , immer häufiger in Richtung Gängelung der Patienten statt freier Arztwahl , in Richtung Staats- und Listenmedizin statt Therapiefreiheit . Statt den Wettbewerb auszubauen , werden die Weichen in Richtung Einheitsversicherung gestellt . Das Wahlprogramm der SPD verheißt hierzu nichts Gutes . Besserung ist nicht in Sicht . Was wollen denn die Menschen in unserem Land ? Sie wollen mehr Wahlfreiheit , mehr Transparenz und mehr Information . . Das werden wir den Menschen anbieten . .
CDU/CSU
Frau Präsidentin ! Meine Damen und Herren ! Schellnhuber , Umweltpreisträger , Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und Klimaberater der Kanzlerin , ist bekanntlich ein Mann klarer Worte . Auch das 21 . Jahrhundert , sagte er unlängst , werde ein Jahrhundert der Wissenschaft . Aber die Wissenschaft trete quasi aus der Begleitung von Dialogen heraus . Sie müsse sich mit der Politik auf Augenhöhe treffen und ernst genommen werden . Gemeinsam müsse man die sogenannten Megathemen identifizieren , und dann müsse man alle Kräfte und Ressourcen bündeln und interdiszi-plinär an Lösungen arbeiten . Ich denke , an diesem Anspruch muss sich auch die Hightechstrategie der Bundesregierung messen lassen . Immerhin geht es um Entscheidungen für Jahrzehnte . Das bedeutet : Zwischen Politik , Wirtschaft , Wissenschaft und Gesellschaft muss ein Netz gespannt werden . Wie ist das Netzwerk der Hightechstrategie derzeit geflochten ? Sie , Frau Ministerin - das wurde schon erwähnt - , haben strategische Partnerschaften geknüpft . Wichtigstes Gremium ist die Forschungsunion , deren Mitglieder im Wesentlichen aus Wissenschaft und Wirtschaft kommen . Nicht ganz eindeutig lässt sich der Kollege Huber von der IG Metall zuordnen . Sie als Ministerin vertreten sozusagen die Politik . Vertreter der gesellschaftlichen Öffentlichkeit sucht man hingegen vergebens , und das Parlament hatte zu keinem Zeitpunkt eine reale Chance , Einfluss auf die Gestaltung der Hightechstrategie zu nehmen . Die Maschen dieses Netzes sind also nur zwischen Wissenschaft und Wirtschaft eng und weiten sich zur Politik deutlich . Zur Gesellschaft gibt es im Grunde genommen nur eine Masche ; diese Masche kann man durchaus auch als Loch bezeichnen . Das betrachtet die Linke als gravierenden Webfehler . Wir kritisieren diesen Ansatz auch , weil durch ihn vor allem exportfähige Technologien mit Steuergeldern in Milliardenhöhe gepusht und kommerzialisiert werden . Sie , Frau Ministerin , fragen nicht : Welche Innovationen werden für die Lösung globaler Probleme wirklich benötigt ? Welchen Maßstab haben wir eigentlich ? Unser Maßstab sind Leitperspektiven , die sich aus der Zukunftsforschung ableiten lassen . Dazu gehören die Verbesserung der Lebensqualität , die Sicherung von wissenschaftlichen Entwicklungen und von Beschäftigung , die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und der Naturressourcen , die Sicherung von sozialer Gerechtigkeit und von Chancengleichheit , die Förderung der kulturellen Eigenentwicklung und der Vielfalt von Gruppen und Lebensgemeinschaften , die Förderung von menschendienlichen Technologien und die Verhinderung superriskanter Techniken und irreversibler Umweltzerstörungen . Diese Ziele sind in der Hightechstrategie nur fragmentarisch zu finden . Wir kritisieren die Hightechstrategie auch , weil sie mit dieser Einseitigkeit zur Einengung von Forschungsfreiheit führt , und zwar auf eine ganz andere Weise , als bisher diskutiert wurde . Die Forschung wird nämlich im Wesentlichen auf innovative Dienstleistungen für die Wirtschaft reduziert . Das haben die Väter des Grundgesetzes ganz bestimmt nicht im Auge gehabt , als sie die Forschungsfreiheit in das Grundgesetz aufgenommen haben . - Selbstverständlich , die Mütter auch nicht . Ich glaube aber , damals war gar keine Frau dabei . - Ach so . Hier lasse ich mich gerne belehren . Die Linke kritisiert des Weiteren , dass Geistes- , Sozial- und Kulturwissenschaften lediglich Akzeptanzforschung zur Einführung strittiger Technologien , etwa im Sicherheits- , Nano- oder Biotechnologiebereich , betreiben sollen . Es geht aber nicht nur darum , der Gesellschaft zu erklären , worin diese Technologien bestehen , sondern es geht auch darum , zu untersuchen , was sie bewirken . Wir haben gemeinsam zu entscheiden , ob wir diese Technologien haben wollen . Wir kritisieren die Hightechstrategie auch , weil die kleinen und mittelständischen Unternehmen , die insbesondere in Ostdeutschland die eigentlichen Innovationstreiber sind , weiterhin ein hohes Geschäftsrisiko tragen müssen . Sie erhalten weit weniger Fördergelder als Großkonzerne , obwohl sie weit mehr Arbeitsplätze schaffen . Zudem wird der Zugang der kleinen und mittelständischen Unternehmen durch die Initiative KMU-innovativ auf nur fünf Technologiefelder begrenzt . Das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen . Jetzt möchte ich an die Ausführungen von Herrn Röspel anknüpfen . Bei einigen Strategie- und Programmlinien fragt man sich wirklich : Wieso werfen wir hier noch Förder- bzw . Steuergelder hinterher ? Das gilt beispielsweise für das Luftfahrtforschungsprogramm IV . Die deutsche Luftfahrtindustrie jammert , sie habe kein Geld zur Entwicklung emissionsarmer Triebwerke . Sie macht aber seit Jahren Rekordgewinne . Das gleiche Bild zeigt sich bei der Pharmainitiative . Die Pharmabranche ist bekanntermaßen extrem renditestark . Die Nutznießer der Strategielinie IKT 2020 zur Erforschung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien sind letztlich Konzerne der Branchen Automobilbau , Gesundheitstechnik , Maschinenbau und Softwareentwicklung . Die Linke fordert , diese Strategielinie so auszurichten , dass das Internet als Informations- und Wissensplattform viel mehr Menschen zugänglich gemacht wird . Als ich Ihren Bericht gelesen habe , ist mir an einer Stelle fast nichts mehr eingefallen . Ich habe mich gefragt : Wieso müssen wir diesen Bereich fördern ? Es wird nämlich Fördergeld in Forschungen zur Ablösung von Ölplattformen und zur Entwicklung submariner Fördertechnologien gesteckt . Man muss sich einmal fragen : Haben die Ölkonzerne dieser Welt in den letzten Jahren nicht wirklich Milliarden und Abermilliarden an Rekordgewinnen erzielt ? Diskutieren wir nicht gerade da-rüber , dass der Preis für Superbenzin bald auf 1 ,50 Euro und der Preis für Diesel bald auf 1 ,40 Euro pro Liter steigen könnte ? Diesen Bereich unterstützen wir tatsächlich mit öffentlichen Geldern ! Wie Sie sehen , regt mich das auf . Die erneuerbaren Energien werden hingegen mit nur 77 ,5 Millionen Euro gefördert ; das halte ich für einen gravierenden Fehler . Die Bundesregierung macht sich mit Ihrer Hightechstrategie , genauso wie bei der Steuerpolitik , zur Lobbyistin der Interessen großer Unternehmen . Damit nicht genug , Frau Ministerin : Sie schaffen künstlich Märkte , indem Sie Nachfrage durch öffentliche Behörden versprechen . Das gehört bestimmt nicht zu den Kernaufgaben des Staates . - Eigentlich müssten mir die Liberalen jetzt zustimmen . Diese Hightechstrategie muss insgesamt einen Beitrag zur innovativen Lösung komplexer globaler Widersprüche leisten . Hier schließt sich der Kreis zu Schellnhuber . Technologische Innovation , sagt er nämlich weiter , reicht nicht - wir brauchen auch einen Mentalitätswandel im Verbraucherverhalten . Das heißt , Hochtechnologien sind gleichberechtigt vor dem Hintergrund sozialer , ökonomischer , ökologischer und kultureller Innovationen zu entwickeln . Vielleicht hört ja die Kanzlerin und vielleicht hören auch Sie , Frau Ministerin , tatsächlich auf den Klimaberater . Danke schön .
PDS/LINKE
Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Frau Ministerin, ich habe Ihre Ausführungen am Anfang oder auch Ihre Kernaussagen so verstanden, dass es bei diesem Engagement immer um den Zusammenhalt und die Stärkung unserer Gesellschaft geht, dass Sie vor allem wegkommen wollen von Projekten und hin zu einer Verstetigung oder auch zu Programmen. Viele Vereine und Verbände klagen über Nachwuchssorgen. Meine Frage ist: Steht das so auch im Engagementbericht? Wird das unterstrichen? Was haben Sie schon auf den Weg gebracht, oder was wird die Bundesregierung in diesem Bereich noch tun?
SPD
Frau Kollegin Bär, wir stellen fest, dass wir bei dieser wichtigen Debatte parteiübergreifend dieselben Interessen vertreten. Ich habe nach dem Beitrag von Frau Deligöz gerade, in dem sie auf ihren Sohn eingegangen ist, an Sie die Frage, ob jetzt nicht der Zeitpunkt wäre, dass wir gemeinsam nachhaltig den Begriff „Familienpolitik“ so weit verwenden, dass wir heute auch dem Vater von Lotte Marie gratulieren, nämlich dem Staatssekretär Ole Schröder, der an dieser Debatte leider nicht teilnehmen kann?
CDU/CSU
Herr Staatsminister , haben Sie sich diese Protokolle angesehen - ja oder nein ?
CDU/CSU
Aber gerne. Ich freue mich darauf.
CDU/CSU
Herr Bundesaußenminister , vorab erklärend , daß ich sehr dankbar dafür bin , was Sie bisher in dieser Hinsicht unternommen haben _ das schätze ich sehr _ , . möchte ich gleichwohl den Eindruck vermitteln , daß ich das , was Sie bisher gesagt haben , nur als Aus - weich- und Ausfluchtsmanöver empfinden kann . Ich möchte Sie fragen , ob Sie denn bereit sind , uns hier zu sagen , in welche Richtung Sie in Edinburgh argumentieren wollen , und dort im Hinblick auf eine gemeinsame militärische Ak tion gegebenenfalls bereit sind , den Verbündeten zu erklären , daß , wenn es hier schon unüberwindbare grundrechtliche Positionen gibt , wir als Deutsche bereit sein müssen , logistische militärische Hilfe und auch finanzielle Hilfe zur Verfügung zu stellen , so wie wir dies in einer anderen Krisenregion , nämlich am Golf , sehr wohl getan haben .
CDU/CSU
Ich habe eine Frage zu der jetzt überraschend niedriger als bisher geschätzt ausgefallenen ODA-Quote. Ich wollte fragen, ob ein Zusammenhang besteht zwischen den möglicherweise zeitlich anders strukturierten Vorfinanzierungen seitens der KfW und den Verzögerungen bei den Schuldenerlassen für Länder in Afrika. Hätte man diese beiden Aufgaben, die ich jetzt angesprochen habe, wie sonst üblich noch im letzten Jahr vollzogen – das war am Anfang Ihrer Amtszeit –, würde die ODAQuote dann anders aussehen?
SPD
Herr Präsident ! Meine sehr verehrten Damen und Herren ! Lassen Sie mich ein paar Vorbemerkungen machen : Ich wollte dem Herrn Kollegen Weiß einen Hinweis geben , aber er ist wieder nicht da . Er hält hier eine Rede , dauernd mit dem Blick durch das Schaufenster , beteiligt sich nicht an den Beratungen und verläßt dieses Haus , nachdem er die Rede gehalten hat . Wer so mit den Pflegebedürftigen umgeht , darf sich nicht wundern , daß man uns nicht ernst nimmt . . Frau Kollegin Mascher , ich bin Ihnen sehr dankbar , daß Sie überhaupt einmal auf den SPD-Gesetzentwurf zu sprechen gekommen sind . Denn Sie haben einen Gesetzentwurf eingebracht , über den hier überhaupt kein Mensch redet . Sie hätten wenigstens Ihren Gesetzentwurf mal verteidigen sollen . Aber selbst das Um Sie nicht einmal . . Schließlich ist hier die Rede davon , daß auch die Abgeordneten ihren Beitrag leisten müssen . Wir haben dies expressis verbis im Gesetzentwurf , und gleich verabschieden wir dies : Die Abgeordneten werden ihren Beitrag leisten . Dies halten wir für politisch notwendig , um den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land zu sagen : Wir werden uns da nicht herausstehlen . . Hier ist die Rede davon gewesen , Änderungsanträge seien immer wieder kurzfristig gekommen . Meine Damen und Herren , wenn m an in Beratungen ist , muß man auf Argumente eingehen , und wenn man auf Argumente eingeht , muß man auch Änderungsanträge stellen , und dann muß man halt miteinander darüber reden .
CDU/CSU
Herr Kollege Wodarg , solche Überlegungen gibt es nicht . Ich darf darauf hinweisen , daß die bisherigen vorläufigen Ergebnisse für 1994 keinen Anlaß für eine Ausweitung des Risikostrukturausgleichs geben , zumal die Beitragssatzunterschiede zwischen den Krankenkassen sehr deutlich reduziert worden sind . Allerdings , muß ich dazu sagen , reichen diese kurzen Erfahrungen für eine abschließende Bewertung noch nicht aus .
CDU/CSU
Ist denn der Bundesregierung bekannt , aus welchem Anlaß und warum dieses Gutachten im März 1999 auf Ersuchen der nordrhein-westfälischen Landesregierung überhaupt erstellt worden ist ?
CDU/CSU
Frau Präsidentin ! Verehrte Kolleginnen und Kollegen ! Die Kollegin Stokar meinte gerade , ich solle erzählen , was der BND im Kosovo gemacht habe ; das interessiere sie viel mehr . Dazu kann ich nur sagen : Erstens darf ich das nicht , weil ich zur Verschwiegenheit verpflichtet bin . Zweitens hätte wahrscheinlich die Präsidentin etwas dagegen , weil das nicht zur Tagesordnung gehört . Drittens gibt es hier einige , die das genauso erläutern könnten wie ich . Diese kann man vielleicht nachher befragen , soweit die Betreffenden dazu überhaupt etwas sagen dürfen . Ich wende mich dem Haushalt der Bundesjustizministerin zu . Ich will ihr den überhaupt nicht streitig machen . Ich will nicht über Zahlen reden . Ich glaube , über die Zahlen muss man sich nicht streiten . Hier herrscht weitgehend Einigkeit . Ich will vielmehr versuchen , eine Art Bilanz zu ziehen . Bei dieser Bilanz kommt es sicherlich darauf an , dass Sie in der Regierung sitzen und wir in der Opposition . Trotzdem sage ich : Es war nicht alles schlecht , was aus Ihrem Hause gekommen ist . Es war auch nicht alles schlecht , was die Große Koalition in der Rechtspolitik auf den Weg gebracht hat . Ich nenne die Reform des FGG und des Urheberrechts als Beispiele . Hier gibt es eine ganze Reihe von Gesetzen - an den Beratungen hat sich auch der Kollege Montag verdienstvoll beteiligt - , die wir gemeinsam getragen haben und die vorzeigbar sind . Hier wurden notwendige Reformen durchgeführt . Ich will auch nicht kritisieren , dass Sie , Frau Ministerin , sich persönlich vor das Oberlandesgericht gestellt haben , das die Freilassung von Christian Klar angeordnet hat , und darauf hingewiesen haben , dass Gesetze für alle gleich gelten , dass Entscheidungen , die nach Gesetz gefällt werden , zu akzeptieren sind und dass man keine neuen Voraussetzungen schaffen muss . Das war in Ordnung . Das sehe ich positiv . Aber , Frau Ministerin , wenn ich mir Ihre Bilanz als Verfassungsministerin , als Ministerin , die die Freiheits- und Bürgerrechte sowie wichtige Verfassungsgrundsätze wahren soll , ansehe , dann muss ich feststellen , dass Ihre Bilanz viel trauriger aussieht . Ich will versuchen , das an sechs Beispielen zu verdeutlichen . - Das müssen Sie sich schon anhören . Das ist meine Redezeit und nicht Ihre . Als Erstes haben Sie uns die Vorratsdatenspeicherung - das war das Weihnachtsgeschenk im letzten Jahr - sozusagen vererbt . Sie haben dazu gesagt , damit verhalte es sich nicht viel anders als mit einem gefüllten Briefumschlag ; mehr Gefahren gebe es nicht . Das Bundesverfassungsgericht sieht das offenbar anders . Es ist mit der höchsten Zahl von Verfassungsbeschwerden befasst , die jemals in der Bundesrepublik erhoben wurden . Es gibt eine Wiederbelebung der Straße . Seit den Notstandsgesetzen und vielleicht seit der Volkszählung ist noch nie so intensiv über ein Gesetz , bei dem es um Bürgerrechte geht , auf der Straße diskutiert worden . 15 000 Menschen sind - auch hier in Berlin - dagegen auf die Straße gegangen . Das haben Sie wenigstens zur Kenntnis genommen . Leider haben Sie daraus bisher keine Schlussfolgerungen gezogen . Sie hätten beispielsweise die Anwendung dieses Gesetzes aussetzen können , bis das Bundesverfassungsgericht entschieden hat . Das wäre vernünftig gewesen . Ich komme zweitens zum BKA-Gesetz . Hierzu haben Sie sich am Anfang - das schien ganz hoffnungsvoll zu sein - mit einigen kritischen Bemerkungen an die Öffentlichkeit gewagt . Sie haben beispielsweise geäußert , dass das BKA-Gesetz die Onlinedurchsuchung beinhalten soll . Sie haben außerdem gefragt : Welchen Sinn macht eigentlich die präventive Onlinedurchsuchung ? Wozu brauchen wir das ? Sie haben auch etwas zum Spähangriff auf Privatwohnungen gesagt : Wenn der Kernbereich privater Lebensgestaltung nicht abgehört werden darf , also etwa intime Gespräche im Schlafzimmer , dann gilt das erst recht für die heimliche Beobachtung mit Kameras . Sie haben das BKA-Gesetz mit auf den Weg gebracht und im Deutschen Bundestag für die Verabschiedung gesorgt . Offenbar waren Ihnen all Ihre starken Worte , die Sie vorher in der Kritik , auch an Ihrem Ministerkollegen , geäußert haben , nichts mehr wert . Das war alles vergessen . Das ist nicht gut und wirft ein schlechtes Licht auf die Ministerin , die eigentlich für die Wahrung der Freiheits- und Bürgerrechte zuständig ist . Als dritten Punkt möchte ich etwas erwähnen , wo es noch viel schneller ging . Zunächst haben Sie sich durchaus kritisch zu den Plänen , den bewaffneten Einsatz der Bundeswehr im Inneren zuzulassen , geäußert . Sie haben dann mit Ihrem Kollegen im Bundeskabinett , ganz stickum und ohne dass es irgendjemand außerhalb bemerkt hat , eine Änderung des Grundgesetzes ausgehandelt und verabschiedet . Eine solche Änderung wird hier im Hause offenbar und glücklicherweise keine Mehrheit finden . Auch da haben Sie wichtige Verfassungsgrundsätze , nämlich dass die Bundeswehr für Sicherheit und Ordnung im Inneren nicht zuständig ist und auch nicht zuständig werden soll , einfach aufgegeben und über Bord geworfen . Ich komme zum vierten Punkt . Er betrifft eine unserer Lieblingskritiken . Sie haben unter Rot-Grün einmal etwas gewagt , was ich damals anerkannt habe . Sie haben die UN-Konvention gegen Korruption vom 31 . Oktober 2003 unterzeichnet , obwohl Sie wussten , dass das einige Fraktionen im Parlament und einzelne Abgeordnete aus allen Fraktionen anders sehen . Sie haben aber nicht dafür gesorgt , dass diese internationale Verpflichtung , die Sie eingegangen sind , auch eingehalten wird . Diese Verpflichtung beinhaltet , dass wir eine gesetzliche Bestimmung schaffen , nach der Abgeordnetenbestechung über die jetzige Regelung § 108 e StGB hinaus strafbar wird . Darum haben Sie sich nicht mehr gekümmert . Sie können auch nicht sagen , dass das Sache des Parlaments ist und Sie damit nichts zu tun haben . Soweit ich weiß , sind Sie auch Bundestagsabgeordnete und wären durchaus aufgerufen , eine Regelung zu treffen . Ich komme zum vorletzten Punkt , den ich in diesem Zusammenhang nennen will . Es geht um den neuesten Vorstoß Ihres Regierungskollegen Schäuble . Nachdem er für das BKA-Gesetz im Bundesrat ganz offensichtlich keine Mehrheit gefunden hat , nicht findet und keine Aussicht darauf besteht , will er nichts anderes tun , als die Verfassung kompatibel zu machen und sie so zu ändern , dass in Zukunft der Bundesrat nicht mehr so wie bisher darüber entscheiden kann , wie das in den inzwischen fast 60 Jahren Bundesrepublik Deutschland üblich war . Ich habe von Ihnen kein Stopp und keine klare Aussage gehört , dass Sie das für falsch halten und auf keinen Fall mitmachen . Ich komme zum letzten Punkt , der vor allen Dingen mich betrifft . Im Jahre 1999 - damals waren Sie noch nicht Ministerin - haben die damalige Justizministerin und insbesondere der Staatssekretär Geiger mir persönlich und der grünen Bundestagsfraktion versprochen , dass das Bundesdatenschutzgesetz novelliert wird . Das Datenschutzgesetz sollte modern und bürgernah gestaltet werden und die Daten in allen Bereichen , auch im privaten Bereich , schützen . Bis heute warten wir darauf , dass ein solches Gesetz vorgelegt wird , obwohl es immer wieder von Verbänden , von Fachleuten und von Sachverständigen gefordert worden ist . Da sind Sie Ihrer Pflicht nicht nachgekommen .
GRUENE
Frau Präsidentin ! Meine sehr verehrten Damen und Herren ! Zunächst einmal bedanke ich mich für die FDP-Fraktion bei Herrn Diller und Frau Hajduk für die vom Grundansatz her sehr freundlichen Worte , wenngleich zumindest Sie , Herr Diller , zurückhaltender waren und einer gesetzlichen Regelung des konsequenten Subventionsabbaus noch nicht so recht folgen wollten . Sie verweisen auf die Absichtserklärung der Bundesregierung , Herr Diller , Subventionen künftig zeitlich befristen und degressiv ausgestalten zu wollen . Das ist zwar sehr ehrenwert , aber tatsächlich verstoßen Sie in Ihrer Verantwortung als Mitglied der Bundesregierung gegen diese Absichtserklärung . Denn in dem Subventionsbericht , der uns in umfangreicher Form vorliegt - es gibt so viele Subventionen , dass wir mit den Berichten darüber ganze Bücherschränke füllen könnten - , gibt es die Spalte Befristung , in der nahezu alle Finanzhilfen , die darin erfasst sind , als unbefristet ausgewiesen sind . Insofern gibt es eine Menge zu tun , Herr Diller . Deshalb reicht es mir nicht , dass der Bundeskanzler in der vorigen Woche hier feststellte , jetzt müsse etwas getan werden - und zwar nicht nur zur Haushaltskonsolidierung , sondern um im Haushalt andere Prioritäten zu setzen , was Sie schon längst hätten tun müssen , um den Standort Deutschland nach vorne zu bringen - , und auf eine einzige Subvention verwies . Nach der Absichtserklärung der Bundesregierung hätte er vielmehr feststellen müssen , dass die Bundesregierung ihre bisher nicht erledigten Hausaufgaben noch erledigen muss - ich verweise auf den Subventionsbericht - und dass bis 2010 systematisch alle Steuervergünstigungen und Finanzhilfen abgebaut werden müssen . Das wäre eine klare Ansage des Bundeskanzlers gewesen . Eine solche Agenda 2010 wäre glaubwürdig gewesen . Denn wenn wir so mutig wären , zu sagen : Wir müssen den rund 60-Milliarden-Euro-Ballast an Altsubventionen abbauen - Frau Hajduk hat darauf hingewiesen , dass dies dem engeren Subventionsbegriff entspricht ; man kann ihn auch weiter fassen und kommt dann auf 150 Milliarden Euro - , dann hätte der Staat endlich die Möglichkeit , die Haushalte zu konsolidieren , Steuersenkungen vorzunehmen , das Steuersystem zu vereinfachen und neue Prioritäten in den öffentlichen Haushalten zu setzen . Dazu haben wir aber vom Bundeskanzler und in der heutigen Debatte von Ihnen , Herr Diller , wie auch leider von den Koalitionsfraktionen nichts Substanzielles gehört . Insofern freuen wir uns darüber , dass wir uns gemeinsam über eine gesetzliche Normierung austauschen können , die Bund und Länder bindet . Das ist notwendig ; denn die Länder gewähren ihrerseits Finanzhilfen und beteiligen sich an der gesetzlichen Verankerung von Steuervergünstigungen . Insofern halten wir es für erforderlich , dass wir parallel zu unseren Bemühungen hier auch zu einer solchen gesetzlichen Regelung kommen . Es nützt nichts , Herr Schirmbeck , uns gegenseitig Versäumnisse aus der Vergangenheit vorzuhalten , auch wenn wir das ausufernd tun könnten . - Auch aus der jüngsten Vergangenheit , Frau Hajduk . Das ist auch Ihre Vergangenheit ; denn Sie haben bei der jüngsten namentlichen Abstimmung über die Steinkohlesubventionierung bis 2012 zugestimmt . Das müssen Sie sich leider vorhalten lassen . Sie haben auch in Nordrhein-Westfalen der weiteren Steinkohlesubventionierung zugestimmt . Wir könnten die Liste noch verlängern . Aber das hilft uns nicht weiter . Wir müssen vielmehr feststellen , ob wir es wirklich ernst meinen . Dann müssen wir die Spielregeln , nach denen wir die Haushalte aufstellen , die Steuergesetze gestalten und Finanzhilfen gewähren , neu bestimmen .
FDP
Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir über das Gesundheitssystem in Deutschland reden, reden wir eigentlich über eine wirklich stolze Summe. Das sind nämlich 220 Milliarden Euro. Hier in diesem Haushalt reden wir aber nur über 15 Milliarden Euro. Und genau genommen reden wir über noch viel weniger, nämlich über 596 Millionen Euro; denn 14,5 Milliarden Euro werden als Bundeszuschuss an die gesetzlichen Krankenkassen gezahlt. Das hat auch eine Rechtfertigung. Das sind die Zahlungen des Bundes an den Gesundheitsfonds zur pauschalen Abgeltung der Aufwendungen der Krankenkassen für versicherungsfremde Leistungen. Der entsprechende Ausgleich soll das System stabil halten. Vor allem aber soll es auch Vertrauen schaffen. Herr Lauterbach, wenn ich es vorhin richtig verstanden habe, was die aktuelle Diskussion angeht, so muss ich sagen: Ich glaube nicht, dass es richtig ist, wenn man Ihnen vorwirft, Sie hätten zu wenig gemacht. Darum geht es gar nicht. Es geht um zwei andere Sachen. Der erste Punkt ist: Haben Sie entschlossen genug agiert? Da gibt es ein ganz großes Fragezeichen. Der zweite Punkt ist: Was ist mit dem Vertrauen der Menschen? Denn der größte Anteil dieses Geldes für das Solidarsystem kommt von den Beitragszahlerinnen und Beitragszahlern, verbunden mit einem ganz großen Vertrauensvorschuss. Und genau dieses Vertrauen dürfen wir nicht aufs Spiel setzen; darum muss es gehen. Dieses Vertrauen wird aber verspielt, wenn der Arbeitgeberbeitrag weiterhin bei 7,3 Prozent verbleibt. Warum? In einer Krise, in der die Arbeitslosigkeit hoch ist und es der Wirtschaft schlecht geht, Herr Gröhe, lässt sich so etwas vielleicht rechtfertigen. Aber in einer Zeit, in der es uns wirtschaftlich gut geht und die Arbeitslosigkeit niedrig ist, brauchen wir eine echte Solidarität. Dann müssen wir die Arbeitgeber auch nicht schonen, dann gibt es keinen Grund dafür, mit Investitionen oder Ähnlichem zu argumentieren, sondern Solidarität muss es beidseitig geben – auf der Seite der Arbeitgeber und auf der Seite der Arbeitnehmer –, damit das System auch in Zukunft und nicht nur jetzt stabil und verlässlich ist und Vertrauen schaffen kann. Hier wird aber Vertrauen verspielt. Ein anderes Beispiel ist, dass Sie auf die Reserve des Gesundheitsfonds zurückgreifen und 1,5 Milliarden Euro entnehmen. Sie können jetzt sagen: Die Reserven sind hoch. Warum sollen wir dort nicht hineingreifen? – Auch das hat ganz viel mit Vertrauen zu tun. Das ist das Geld der Beitragszahler. Sie zahlen das Geld ein in dem Glauben, dass es dann, wenn es gebraucht wird, für sie auch zur Verfügung steht. Wenn der Bund in diese Reserve hineingreift, dann steht es aber nicht mehr zur Verfügung. Sie nehmen dieses Geld jetzt, um, wie Sie sagen, in die Telematikinfrastruktur und die gesundheitliche Versorgung von Flüchtlingen zu investieren. Man muss aber sagen: Die Zahlungen nach dem SGB II würden ohnehin anfallen – mit oder ohne Flüchtlinge. Entscheidend ist: Eigentlich müssten dafür Steuergelder und nicht die Gelder der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler verwendet werden. Das zerstört das Vertrauen der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler. Im Sozialsystem vorausschauend zu agieren, heißt, darauf zu setzen, dass man sich auch in Zukunft darauf verlassen kann. Bei dieser Gelegenheit fällt noch eines auf: Eigentlich müssten wir jetzt die Zahlungen nach dem SGB II neu berechnen. Sie sind zu niedrig und knapp bemessen. Das fällt uns irgendwann einmal auf die Füße, weil wir dieses Geld zuzahlen müssen. Hier bräuchten wir eine ehrliche Berechnung, damit wir das korrekt darstellen können. Zur Schaffung von Vertrauen gehört nicht nur der verantwortungsvolle Umgang mit den Ausgaben, sondern auch eine gute Rechnungsprüfungskontrolle. Hier hat Ihr Haus – dank dem Bundesrechnungshof ist das an uns herangetragen worden – einen großen Fehler gemacht. Es geht hier konkret um eine Ihrem Haus untergeordnete Behörde. Der Bundesrechnungshof hat aufgezeigt, dass die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ein Schimmelproblem im Gebäude hatte. Das ist schon schlimm genug, kann aber passieren. Bei dieser Gelegenheit kam aber heraus, dass drei Jahre lang die Rechnungen nicht überprüft wurden und verschimmelt sind. Die Frage ist: Wie kann es eigentlich passieren, dass Rechnungen in diesem Land nicht überprüft werden? Zu einer guten Regierungsführung gehört eben auch eine gute Kontrolle, wohin das Geld geht. Herr Minister, ich hoffe, Sie haben daraus gelernt. Sie haben nämlich auch Verantwortung für die Ihnen zugehörigen Behörden. Wir müssen mit dem Geld der Steuerzahler nicht nur achtsam, sondern auch verantwortungsvoll umgehen. Es ist gut, dass Sie einen Teil unserer Anträge aus dem letzten Jahr übernommen haben, zum Beispiel unseren Antrag zur Erhöhung der Mittel für die Migration und Integration im Gesundheitswesen. Weil es so gut ist, dass Sie unsere guten Ideen übernehmen, haben wir natürlich noch viel mehr gute Ideen, die wir Ihnen im Rahmen der Verhandlungen vorschlagen werden. Dazu gehört ganz definitiv, dass wir mehr Geld für Prävention, Aufklärung und Forschung brauchen. Ja, Sie machen hier sehr viel, aber der Bedarf liegt weit höher. Warum? Das Gesundheitswesen hat eben auch den Auftrag, darauf zu reagieren, dass sich der Lebensstil und die Lebenswelten der Menschen verändern. Darauf, dass Prävention immer wichtiger wird und dass auch die Gesundheitsrisiken steigen, brauchen wir noch entschlossenere Antworten in diesem Etat. Es geht hier übrigens nicht nur um nationale, sondern auch um internationale Fragen. Es ist gut und richtig, dass Sie inzwischen erkannt haben, dass die UN und die WHO eine wichtige Rolle spielen. In einer globalen, mobilen Welt müssen wir auch global und mobil denken. Wir müssen diese Strukturen in Zukunft stärken und noch viel stärker in den Fokus des Etats nehmen, weil wir nicht mehr weggucken können. Das dürfen wir aus Verantwortung nicht, aber auch deshalb nicht, weil die Welt sozusagen immer kleiner wird und wir immer auch für die anderen mitdenken müssen. Jetzt in Prävention zu investieren, bedeutet, dass uns diese Kosten an anderer Stelle später erspart werden. In diesem Sinne, Herr Minister, werden wir in der kommenden Zeit, denke ich, konstruktiv zusammenarbeiten. Wichtig ist, dass wir gemeinsam wissen: Gesundheitspolitik ist eben mehr als nur das, was wir in Bezug auf die Sozialversicherungen machen. Der Auftrag des Bundes ist auch, in den Bereichen tätig zu sein, die nicht in klassischer Weise durch die Versicherten finanziert werden, damit die Menschen auch in Zukunft gesund bleiben können.
GRUENE
Frau Präsidentin ! Liebe Kolleginnen und Kollegen ! Der größte Teil der Mitglieder dieses Hauses ist sich einig , dass das Stasi-UnterlagenGesetz eine Erfolgsgeschichte ist . Ich erinnere noch einmal daran , dass diese Akten geöffnet worden sind , damit die Opfer von Stasiverfolgung ihre Akten einsehen können . Sie haben das in einer verantwortungsvollen Art und Weise getan . Jedenfalls ist es nicht zu dem vor der Aktenöffnung prophezeiten Bürgerkrieg gekommen , auch nicht zu allen anderen Gräueltaten , aber sie hat natürlich zu einem geführt : Mit der Öffnung der Stasi-Akten wurde das Gerüst einer Diktatur bloßgelegt und es wurden die Täter , die dieser Diktatur gedient haben , kenntlich gemacht . Bevor ich auf diesen Punkt zu sprechen komme , weise ich auf eines ganz entschieden hin . Da die Akten vor allen Dingen für die Opfer geöffnet worden sind , muss auch der Opferschutz in der Weise , wie er zu Beginn intendiert war , erhalten bleiben . Ich persönlich würde mich gegen alles wehren , was diesen Opferschutz einschränkte , unabhängig davon , ob es sich bei diesen Opfern um unbekannte Personen oder so genannte Personen der Zeitge Gisela Schröter 19380 schichte handelt . Das ist kein Ost-West-Problem , sondern ein Täter-Opfer-Problem . Diese Tatsache darf in dieser Debatte nicht verwischt werden . . Ich bin auch im Zweifel , ob diese Stasi-Unterlagen vordergründig als Material für Geschichtsaufarbeitung geschützt werden müssen , denn sie sind zum Beispiel hinsichtlich der Stasi-Vermerke über die Opfer eher unzuverlässig . In anderer Hinsicht sind sie sehr zuverlässig . Sie sind sehr hilfreich für die Identifikation der Täter . Auch das ist bei vermuteten 20000 bis 30000 Westspionen kein Problem von Ost oder West . . Ich nutze die Gelegenheit , um einmal vorzuführen , welches Demagogenstück uns heute von der PDS zugemutet wurde . Jetzt sind nur noch drei Abgeordnete dieser Fraktion anwesend . Zwei davon waren inoffizielle Mitarbeiter der Staatssicherheit . Frau Abgeordnete Jelpke , Sie zelebrierten hier das Klagelied der geschundenen Ostbiografie . Ich zeige Ihnen jetzt eine exemplarische Ostbiografie eines im Plenarsaal anwesenden Abgeordneten auf . Ich spreche von Professor Heinrich Fink , IM Heiner . Als er Chef der Christlichen Friedenskonferenz war und Bärbel Bohley , Freia Klier und andere , unter anderem auch ich , im Stasigefängnis saßen und anschließend abgeschoben wurden , hatte IM Heiner von der Staatssicherheit den Zersetzungsauftrag , diese Abgeschobenen in Kirchenkreisen des Westens zu diffamieren . Er hat diesen Auftrag zuverlässig erfüllt . Dieser Mann sitzt heute im Bundestag und kann hier sprechen . Von geschundener Ostbiografie kann in diesem Zusammenhang überhaupt nicht die Rede sein . Eher frage ich mich , wie dem berechtigten Anliegen der Bürgerbewegung , dass inoffizielle Mitarbeiter der Staatssicherheit zumindest nicht mehr in herausragenden politischen Funktionen tätig sein sollen , in diesem Falle Rechnung getragen wurde . . Ich führe gleich ein noch viel bekannteres Beispiel an , weil man dieses Lied von der PDS immer hört . . In dieser ganzen Stasi-Diskussion wird immer gesagt , Politiker aus dem Osten mussten sich gefallen lassen , was man Kohl nicht zumuten will . In diesem Zusammenhang wird immer von Gregor Gysi gesprochen . An dieser Stelle verlese ich , was der Bundestag festgestellt hat und was in diesem Hohen Hause noch nicht verlesen worden ist . . Nach dem Ergebnis einer sorgfältigen Recherche unter Auswertung von über 1000 Blatt IM-Akten hat der Immunitätsausschuss Folgendes festgestellt : . Gysi hat nach Überzeugung des Ausschusses seine Anwaltstätigkeit in der DDR dazu benutzt , um im Rahmen seiner inoffiziellen Zusammenarbeit mit dem MfS Informationen über seine Mandanten zu liefern und Arbeitsaufträge des MfS auszuführen . Die Überprüfung der verschiedenen Mandatsverhältnisse hat in jedem der genannten Fälle ergeben , dass Rechtsanwalt Gysi personenbezogene Informationen , Einschätzungen und Bewertungen zu seinen Mandanten an das MfS weitergegeben hat . Aber er hat noch mehr gemacht : Gregor Gysi hat in der Zeit seiner inoffiziellen Tätigkeit Anweisungen seiner Führungsoffiziere über die Beeinflussung seiner Mandanten ausgeführt und über die Erfüllung seinerArbeitsaufträge berichtet . Er hat sich hierauf nicht beschränkt , sondern auch eigene Vorschläge an das MfS herangetragen . Gysi hat seine herausgehobene berufliche Stellung als einer der wenigen Rechtsanwälte in der DDR genutzt , um als Anwalt auch international bekannter Oppositioneller die politische Ordnung der DDR vor seinen Mandanten zu schützen . Um dieses Ziel zu erreichen , hat er sich in die Strategien des MfS einbinden lassen , selbst an der operativen Bearbeitung von Oppositionellen teilgenommen und wichtige Informationen an das MfS weitergegeben . Auf diese Erkenntnisse war der Staatssicherheitsdienst zur Vorbereitung seiner Zersetzungsstrategien dringend angewiesen . Das Ziel dieser Tätigkeit unter Einbindung von Gysi war die möglichst wirksame Unterdrückung der demokratischen Opposition in der DDR . Dieser Mann sitzt heute nicht nur im Bundestag , sondern auch in allen Talkshows . Die große Frage ist immer : War er es oder war er es nicht ? Ich sage es Ihnen hier von diesem Pult aus : Er war es . Leider ist meine Redezeit zu Ende ; sonst hätte ich Ihnen noch einmal erklärt , wie die Zersetzungspläne der Staatssicherheit ausgesehen haben , die jetzt durch dieAktenöffnung offensichtlich geworden sind . Diese Zersetzungspläne gingen bis hin zur Planung von Morden . Mein Freund Jürgen Fuchs hat drei solcher Mordanschläge überstanden ; einer davon betraf seine ganze Familie . In diese Zersetzungspläne der Staatssicherheit eingebunden zu sein war kein Kavaliersdelikt , sondern ist eine Sache , zu der man , wenn man sich als Volksvertreter und vor allen Dingen als Vertreter ostdeutscher Interessen aufspielt , wenigstens ehrlich stehen sollte . Das tut Gregor Gysi leider nicht . . _ War das jetzt eine Zwischenfrage ? Dann würde ich sie gerne noch beantworten . . Vera Lengsfeld 19381 Vizepräsidentin Antje Vollmer : Die Redezeit ist zu Ende .
CDU/CSU
Seit Fertigstellung des heute debattierten Antrags vor einem Jahr hat sich beim Problem der explodierenden Kosten beim Bau des Fusionsreaktors ITER nichts verändert. Wir müssen mit nicht geplanten Mehrausgaben von satten 2,7 Milliarden Euro rechnen; 1,3 Milliarden muss der EU-Haushalt schon in den kommenden zwei Jahren zusätzlich stemmen. Infolgedessen sollen allein dieses Jahr 100 Millionen Euro auf Kosten anderer Forschungsprojekte im Haushalt des 7. Forschungsrahmenprogramms eingespart werden. Da der immer teurer Zu Protokoll gegebene Reden werdende ITER auf Dauer den EU-Haushalt sprengt, soll er nach derzeitigem Planungsstand daraus komplett herausgenommen und ab 2014 über einen zwischenstaatlich vereinbarten Extrahaushalt finanziert werden. Ein außer Kontrolle geratenes Projekt auf diese Weise außerhalb der Kontrolle des EU-Parlaments zu platzieren, ist kein Weg, der von Zukunftsfähigkeit des Projekts zeugt. Die finanziellen Rahmenbedingungen sind also anhaltend schlecht. Völlig gekippt ist inzwischen die von Anfang an umstrittene Zweckmäßigkeit der Vision „Fusionsenergie“. Denn nach Fukushima ist selbst bei eingefleischten Befürwortern der Kernenergie als Klimaretter die Überzeugung in die Brüche gegangen, dass wir mit einem Mix aus Kohle, Öl, Kernenergie und den Erneuerbaren bis 2050, 2060 oder 2070 auskommen, bis dann möglicherweise der Stern der Fusionsenergie am Horizont aufgegangen ist. Der Schock von Fukushima drückt nun beim Ausbau und bei der Erforschung erneuerbarer Energiequellen und Speichertechnologien deutlich auf die Tube. Zur notwendigen Energiewende kann ITER das nächste halbe Jahrhundert lang nichts beitragen, bindet aber immer mehr Mittel, die für andere Forschung und Entwicklung fehlen. So entspricht Kernfusion im 6. Energieforschungsprogramm der Bundesregierung mit 0,6 Milliarden Euro für die Jahre 2011 bis 2014 fast der Hälfte der gesamten Förderung der erneuerbaren Energien. Dazu hat sogar die regierungseigene Expertenkommission für Forschung und Innovation, EFI, in ihrem aktuellen Jahresgutachten dringend angemahnt, eine Diskussion über Sinn und Zweck dieser Ausgaben zu führen. Die drohenden Versorgungsengpässe in Großregionen nach Abschaltung von Kernkraftwerken in Japan oder Deutschland zeigen zugleich, wie anfällig Energieversorgung ist, wenn sie aus Großanlagen zentralisiert erfolgt. Das Projekt ITER zielt im Ergebnis jedoch ebenfalls auf Mammutanlagen, die an wenigen Orten die Versorgung und die Preispolitik bestimmen werden. Insgesamt teilen wir die Grundkritik des SPDAntrags an ITER, finden die Schlussfolgerungen aber äußerst inkonsequent. Angesichts begrenzter finanzieller Ressourcen und der Dringlichkeit der Energiewende schlägt aus Sicht der Linken die Stunde für eine Beratung über den Ausstieg aus ITER. Erfreulicher sehen mit Stand von heute die Aussichten für die Grundlagenforschung auf europäischer Ebene aus. Der Europäische Forschungsrat ERC fällt, anders als befürchtet, offenbar nicht dem Sparzwang wegen ITER zum Opfer, da der aktuelle Entwurf für das 8. Forschungsrahmenprogramm eine Verdopplung der Mittel für den ERC vorsieht. Da das Forschungsbudget der EU für die sieben Jahre ab 2014 um insgesamt 46 Prozent steigt, sind fast 100 Prozent Aufwuchs für den ERC ein klares Signal für die Stärkung der wissensgetriebenen und nach dem Bottom-up-Prinzip ausgewählten Forschung. Kritisch sieht meine Fraktion aber nach wie vor, dass der Entwurf für das 8. FRP nicht auf die in Evaluationen dargelegte, mehrfach ungerechte Förderpraxis des ERC eingeht. Mit keinem Wort werden Maßnahmen für die Erhöhung der geringen Erfolgsquote von Frauen erwähnt, obwohl es beispielsweise in Deutschland mit Gleichstellungsstandards bei der DFG, die Patin für den ERC gestanden hat, gute Erfahrungen gibt. Immerhin wird die regional äußerst ungerechte Verteilung gesehen. Die neuen EU-Beitrittsländer kommen beim ERC bislang kaum zum Zuge und begleiten die Ausweitung des ERC-Budgets mit entsprechender Skepsis. Beim gestrigen parlamentarischen Abend zum Horizont 2020, also dem 8. Forschungsrahmenprogramm, sprach der Leiter der Generaldirektion Forschung und Innovationen Smits nunmehr davon, dass an Verfahren gearbeitet werde, um Mitgliedsländer mit weniger entwickelten Forschungsstrukturen beim ERC ins Boot zu holen, ohne an den Exzellenzkriterien zu rütteln. Dass aber auch die letzteren Teil des Problems sind, weil sie ein ganz eng gefasstes Modell von Wissenschaftlerkarrieren prämieren, hatte sogar die anwesende Wissenschaftlerin bemängelt, der es selbst schließlich gelungen ist, eines der begehrten Forschungsstipendien des ERC zu bekommen. Der ERC kann also durchaus weiter von unten nach oben im Sinne des Bottom-up-Prinzips verbessert werden.
PDS/LINKE
Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass wir, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, ein weiteres wichtiges Vorhaben dieser Legislaturperiode beraten können, nämlich den bereits erwähnten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld. Terroranschläge, wie zuletzt im Herzen unserer Hauptstadt, absichtlich herbeigeführte Flugzeugabstürze, wie jüngst beim Germanwings-Flugzeug über Südfrankreich, oder alltägliche Unglücksfälle, bei denen Menschen durch das Verschulden Dritter zu Tode kommen: Stets geht der Verlust geliebter Menschen einher mit Ohnmacht und Wut und vor allem mit dem grenzenlosen seelischen Leid derer, die trauernd und alleine zurückbleiben. Regelmäßig steht dann auch die Frage nach einer Entschädigung für die Hinterbliebenen im Raum. Im internationalen Vergleich zeigt sich das deutsche Schadensersatzrecht in diesem Punkt bisher eher zurückhaltend. Es kennt nämlich bis heute keinen gesetzlichen Anspruch, nach dem Hinterbliebene für das mit dem Tod eines nahen Angehörigen verbundene Leid entschädigt werden. Die Gerichte gewähren Hinterbliebenen derzeit nur ganz ausnahmsweise einen eigenen Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld, nämlich dann, wenn sie durch den Tod eines Angehörigen deutlich in ihrem gesundheitlichen Befinden beeinträchtigt sind. Den meisten von Ihnen hier ist in diesem Kontext sicherlich der Begriff „Schockschaden“ geläufig. Der historische Gesetzgeber fand es seinerzeit anstößig, einen immateriellen Schaden in Geld aufzuwiegen. Über die moralischen Beweggründe für diese Entscheidung kann man trefflich streiten. Der Ansatz hat aber zunehmend Kritik erfahren. Der Deutsche Juristentag hat etwa schon in den 60er-Jahren eine gesetzliche Regelung für einen Entschädigungsanspruch beim Tod eines Angehörigen gefordert. In den letzten Jahren ist diese Frage jedoch immer kontroverser diskutiert worden. Insoweit könnte der Gesetzentwurf, den wir heute beraten, durchaus als Paradigmenwechsel im deutschen Schadensersatzrecht bezeichnet werden. Das seelische Leid und die Trauer von Hinterbliebenen wollen wir künftig im Sinne einer Anerkennung entschädigen. Medizinisch fassbare gesundheitliche Beeinträchtigungen sind dazu nicht mehr erforderlich. Selbstverständlich – dessen sind wir uns bewusst – kann kein Geld der Welt die Trauer der Betroffenen relativieren oder gar kompensieren. Wir wollen aber ein wichtiges Zeichen in Richtung der Hinterbliebenen senden: Die Rechtsordnung verschließt sich eurem seelischen Leid nicht länger. Mit der Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld machen wir nämlich deutlich: Die Gesellschaft steht solidarisch hinter denjenigen, die zurückbleiben, und gewährt ihnen Anerkennung. Mit diesem Gesetzentwurf beenden wir auch bestehende Ungerechtigkeiten; denn bei Ehrverletzungen und selbst bei entgangenen Urlaubsfreuden haben die Betroffenen bereits einen Anspruch auf Ersatz ihres immateriellen Schadens. Hinterbliebenen, die unter dem Verlust ihrer Lieben sicherlich ungleich mehr leiden, bleibt dies bislang verwehrt, und genau dies ändern wir nunmehr. Letztendlich entfällt mit der Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld auch ein – darin dürften wir uns hier im Hause sicherlich einig sein – nicht wünschenswertes Alleinstellungsmerkmal des deutschen Rechts. Viele Staaten in der Europäischen Union und weltweit kennen bereits seit langem – wenn auch mit unterschiedlicher Begründung und Ausprägung – einen Entschädigungsanspruch für Hinterbliebene. Deutschland zieht hiermit nach. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin davon überzeugt, dass wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf eine ausgewogene Lösung gefunden haben, und das war nicht ganz leicht. Lassen Sie mich deshalb abschließend noch einige Details des Entwurfes skizzieren. Der Anspruch wird im Hinblick auf die Anspruchsberechtigten als „Hinterbliebenengeld“ bezeichnet. Anspruchsberechtigt sind diejenigen Hinterbliebenen, die in einem besonderen Näheverhältnis zum Getöteten stehen. Für Ehegatten und eingetragene Lebenspartner, Eltern und Kinder wird dies vermutet. Der Gesetzentwurf gibt mit der Anerkennung als Zweck des Anspruchs zugleich den entscheidenden Faktor für seine Bemessung vor. Es geht um eine im Einzelfall angemessene Entschädigung. Deswegen führen wir auch keine Pauschale ein. Denn dies wäre einerseits nicht geeignet, Einzelfallgerechtigkeit herzustellen, andererseits ist es gerade nicht angemessen, in Gestalt einer Pauschale eine Art „Sterbegeld“ zu zahlen. Die Bestimmung der Anspruchshöhe soll also den Gerichten überlassen bleiben. Dass die Rechtsprechung dazu imstande ist, belegen die deutsche Rechtspraxis und die Erfahrungen aus anderen Staaten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weiß, dass dieser Gesetzentwurf vielen von Ihnen ein Herzensanliegen ist. Deshalb hoffe ich auf Unterstützung unseres Gesetzentwurfes und um angemessene Beratung. Vielen Dank.
Der Verteidigungsminister hat seinen ersten Dienstsitz in Bonn . Wir haben in den Unterlagen , die uns zugegangen sind und die wir im Umzugsbeschluß umzusetzen haben , andere Hinweise nicht . Übrigens , Herr Wallow , Sie wissen , daß auch das Kanzleramt dem Ministerpräsidenten des Landes Rheinland-Pfalz noch einmal entsprechend geantwortet hat . .
CDU/CSU
Frau Präsidentin ! Liebe Kolleginnen und Kollegen ! Die Entscheidung über die Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs zu treffen , heißt , vor einer nicht lösbaren Aufgabe zu stehen . Das gemeinsame Ziel ist der wirksame Schutz des ungeborenen Lebens . Wenn heute morgen bereits gesagt wurde , das seien reine Lippenbekenntnisse , dann möchte ich fragen , wer das Recht hat , wem den wirksameren Schutz als Absicht abzusprechen . . Wenn ich hier wiederhole , was viele vor mir gesagt haben _ dieser kann nur mit der Mutter und nicht gegen sie erreicht werden _ , so ist das nicht nur Erfahrung , sondern meine tiefste Überzeugung . Niemand wird das Kind gegen die Mutter retten können . Deswegen geht dies nur mit der Mutter . . So gilt es auch , nicht beide gegeneinander auszuspielen , sondern sich schützend vor das ungeborene Leben und vor die Mütter zu stellen . . Unser aller und auch mein Dilemma besteht darin , zu wissen , daß jeder Schwangerschaftsabbruch Tötung menschlichen Lebens ist , aber auch um die ausweglosen Situationen zu wissen , in denen ein Schwangerschaftsabbruch subjektiv als der einzige Ausweg aus einer anders nicht abwendbaren Notlage gesehen wird . Dabei sind die seelischen Konflikte in vielen Fällen weit weniger lösbar als die sozialen . . Auch ich sage hier : Es geht nicht darum , zu behaupten , dies sei eine Frauensache . Wenn es uns gelungen wäre , die Verantwortung der Männer und Väter in einer anderen Weise zu praktizieren , wären weit mehr Kinder nicht abgetrieben worden . . Deswegen sage ich noch einmal : Dieses Dilemma in Gesetzesform zu fassen , ist nicht nur schwierig , sondern im Grunde unmöglich . Aber wir sind gezwungen , normative Antworten auch auf die letzten , existentiellen Fragen unseres Lebens zu geben . Wir streiten nicht über das Ziel , sondern ringen um den besseren Weg . Dies habe ich auch mit den Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion über Monate getan . Wir haben gerungen und es uns nicht leicht gemacht . Ich respektiere alle , die in dieser Frage unterschiedliche Antworten , nämlich ihre ganz persönlichen , ihre Gewissensantworten , geben . Dabei sollte allerdings noch einmal festgehalten werden : Nicht hinnehmbar ist , daß die einen erklären , diejenigen , die nicht dem s trengen Modell oder dem Modell der psycho-sozialen Notlage folgten , gäben menschliches Leben preis , stellten es zur Disposition . . Niemand hat das Recht , über menschliches Leben zu verfügen . . Es gibt kein Selbstbestimmungsrecht als ein Recht über anderes menschliches Leben . Tötung von Leben ist ein Unrecht , ein strafbares Delikt . Diese Aussage ist wichtig für unser Unrechtsbewußtsein , für unsere Ehrfurcht vor dem Leben und den Umgang mit ihm . Der rechtliche Schutz ist unbestritten . Aber ich wünschte mir , daß bei allem Reden über Sittenverfall auch einmal mehr gesehen würde , in welchem Maße gerade in der jungen Generation die Ehrfurcht vor dem Leben gewachsen ist . . Es gilt hier auch , mehr Anerkennung und Respekt gegenüber den vielen Müttern auszusprechen , die unter schwierigsten Verhältnissen ja zum Kind gesagt haben . . Glauben Sie mir , mich treffen am meisten jene Briefe , die mich in diesen Tagen erreicht haben , in denen gesagt wird : Sie haben uns damals geraten , die Schwangerschaft auszutragen ; ich will Ihnen meine heutige Situation darstellen . Sie ist äußerst schwierig . Weil ich ja zum Kind gesagt habe , habe ich keine Sozialhilfe , weil meine Mutter über der Einkommensgrenze lag ; habe ich kein BAFÖG , weil ich zu Hause wohne , und ich würde gern meine Schulausbildung , mein Abitur nachholen . Bei allem , was wir geleistet haben , versperren wir nicht den Blick dafür , wie die Realität aussehen kann ! . Machen wir uns weiter zum wichtigsten Ziel , dort , wo wir helfen können , noch wirksamer zu helfen , als wir es in der Vergangenheit get an haben ! . Lassen Sie mich in den mir verbleibenden Minuten sagen , warum ich für den Gruppenantrag stimme . Es geht mir nach wie vor um die Frage , wer denn über eine Not- und Konfliktlage entscheiden kann ; denn ein Schwangerschaftsabbruch kann doch überhaupt nur in einer ausweglosen Not- und Konfliktlage in Frage kommen . Ich frage mich , warum in dieser Notund Konfliktlage eigentlich dem Arzt oder nachfolgend dem Richter , dem Staatsanwalt mehr Kompetenz , mehr Verantwortung zugesprochen wird als der Frau , . die die Verantwortung nicht nur jetzt , sondern ein Leben lang für das Kind , für die Kinder übernimmt . Hören wir deswegen endlich auf , die Frauen für entscheidungsunfähig , für nicht verantwortungsfähig zu halten ! . _ Herr Geis , ich verstehe Ihre Erregung , aber ich antworte genauso entschieden : Wenn Sie das nicht tun , warum trauen Sie dann der Entscheidung von Frauen nicht ? . Alle , die ich bisher als Ärzte und Ärztinnen gefragt habe , antworten sehr schlicht : Wir glauben unseren Patienten . Wir haben als Ärzte zuzuhören , nachzudenken , unsere verantwortliche Entscheidung , die auch eine Gewissensentscheidung ist , zu treffen . Es ist Unsinn und nicht redlich , hier zu behaupten , diejenigen , die nicht von einer Indikation durch den Arzt ausgehen , ließen die Frauen allein . Da ist die verpflichtende Beratung , verpflichtend gegenüber dem Leben , so wie der Staat verpflichtend sein muß in seinen sozialen Hilfen . Da ist das Gespräch mit dem Arzt oder mit der Ärztin . Aber dann muß ich Ihnen sagen und wiederhole ich hier : Niemand kann der Frau die letzte Entscheidung abnehmen . . Ich finde problematisch , was in den letzten Wochen über Gewissen und Gewissensentscheidung gesagt worden ist , und will dies hier nicht vertiefen . . Ich möchte allerdings bei dieser Gelegenheit ausdrücklich unserem Fraktionsvorsitzenden danken , der zu jeder Zeit dies respektiert hat und auf mich keinen Druck ausgeübt hat . . Lassen Sie mich abschließend sagen : Ich halte es für unvertretbar , daß wir jetzt noch in den beiden An trägen prüfen , welche soziale Hilfe die einen oder die anderen mehr haben . . Dann kann ich nur sagen , sie sind unterschiedlich gewichtet . Wer den Kinderbetreuungsanspruch auf 1996 statt auf 1999 setzt , hat eine andere Gewichtung . . Ich bin überhaupt nicht dagegen , daß auch noch Familiengeld gegeben wird _ damit das klar ist _ , aber ich halte es für ganz wichtig , daß ein Rechtsanspruch bei der Sozialhilfe bis zum 6 . Lebensjahr ohne Regreß besteht . . Deswegen vergleichen wir nicht , was wir hier nicht vergleichen sollten , sondern achten wir mehr darauf , daß wir im Bundesrat das durchsetzen , was zunächst einmal noch zur Verwirklichung ansteht . . Ich schließe mit dem Satz : Geben wir endlich dem Leben eine Chance , mehr Chancen ! Lassen Sie mich hinzufügen : Leben weitergeben ist unsere Aufgabe , . nicht nur dem ungeborenen , sondern auch dem geborenen . Bemühen wir uns gemeinsam darum ! . gin hat das Wort die Abgeordnete Regina SchmidtZadel .
CDU/CSU
Frau Präsidentin ! Liebe Kolleginnen und Kollegen ! Meine Damen und Herren ! Wer von Ihnen möchte denn gern im Heim leben ? - Das ist übersichtlich : offensichtlich niemand . Das kann ich auch verstehen . Aber wieso denn eigentlich nicht nach diesem tollen Gesetz ? - Immer noch nicht ? Das kann ich immer noch verstehen . Denn wenn die wichtigste Veränderung darin besteht , dass man künftig nicht mehr Bewohner oder Bewohnerin ist , sondern Verbraucher , dann ist das wirklich ein bisschen schwach . Die wirklichen Probleme von Menschen , die auf Pflege , Hilfe und Assistenz angewiesen sind , ob im Alter oder wegen Behinderung , werden mit diesem Gesetz bedauerlicherweise nicht gelöst . Unabhängig davon verkenne ich nicht , dass es notwendig ist , bestimmte Regelungen zu treffen . Das liegt aber daran , dass Sie vor drei Jahren das Heimrecht weitgehend in die Länderhoheit gegeben haben und sich heute wundern , dass Sie nichts mehr zu sagen haben . Wir haben damals schon davor gewarnt und gesagt , dass dies falsch sei . Nun hat Herr Struck zumindest in einem anderen Zusammenhang einmal gesagt , dass bei der Föderalismusreform I einige Fehler begangen worden seien . Hier ist ein weiterer . Jetzt müssen wir retten , was zu retten ist . Wie gesagt , die Föderalismusreform war vor drei Jahren . Daher finde ich es erstaunlich , dass die SPD-Fraktion jetzt sagt , in der Kürze der zur Verfügung stehenden Beratungszeit hätten die erforderlichen Veränderungen nicht mehr ausgearbeitet werden können . Drei Jahre sind reichlich Zeit , liebe Kolleginnen und Kollegen ; wir müssen schon einmal die Kirche im Dorf lassen . Sie wissen so lange wie ich , welche Probleme auf der Tagesordnung stehen , und Sie hätten so lange wie wir die Zeit gehabt , die Beamten im Ministerium damit zu beauftragen , entsprechende Texte auszuarbeiten . Diese Ausrede hilft den Betroffenen wirklich nicht . Der Maßstab auch für dieses Gesetz muss die UN-Konvention über die Rechte für Menschen mit Behinderungen sein , die inzwischen innerstaatlich geltendes Recht ist . Dort steht zum Beispiel in Art . 19 , dass niemand gezwungen werden darf , gegen seinen Willen mit jemandem , den er nicht kennt oder nicht mag , ein Zimmer zu teilen . Was haben wir denn jetzt wirklich erreicht ? Was haben die Verbraucherinnen und Verbraucher künftig für tolle Rechte ? Sie haben immer noch keinen eigenen Schlüssel . Angesichts dessen braucht man nicht mehr von Selbstbestimmung zu reden . Sie haben immer noch nicht das ausdrückliche Recht auf geschlechtergleiche Assistenz und Pflege . Sie haben immer noch keine vernünftige Regelung , aufgrund derer sie selbst bestimmen könnten , welches Haustier sie haben möchten . Bitte schön , wenn wir von Selbstbestimmung und von den Bedürfnissen der Menschen reden , dann ist dies etwas , was man niemandem verwehren sollte . Es gibt noch nicht einmal ein uneingeschränktes Besuchsrecht . Wenn ich irgendwo wohne und mir nicht aussuchen kann , wer mich wann und wie lange besucht , dann hat dies mit Selbstbestimmung nicht viel zu tun , liebe Kolleginnen und Kollegen . Ich sage ausdrücklich , dass Regelungen sein müssen . Der jetzige Zustand ist unhaltbar . Insofern werden wir nicht gegen Ihr Gesetz stimmen , obwohl wir so viele Kritikpunkte haben , sondern wir werden uns der Stimme enthalten . Damit bringen wir ganz klar zum Ausdruck , dass wir nicht den Weg verwehren , bestimmte notwendige Regelungen zu schaffen . Aber ein Beitrag zu dem in Ihrem eigenen Koalitionsvertrag versprochenen Paradigmenwechsel ist dieses Gesetz nicht . Insofern gehört es zum Ende der Legislaturperiode nicht auf die Haben- , sondern auf die Negativseite Ihrer Bilanz . Es tut mir leid , dass man das so sagen muss . Ich hoffe , dass die Menschen eines Tages auf die Frage Möchten Sie in einer Wohnung oder in einem Zimmer wohnen , das unter das Heimgesetz fällt ? sagen : Ja , davor habe ich keine Angst mehr . Momentan wollen dies weder Sie noch ich noch vermutlich irgendjemand auf der Tribüne . Das müssen wir wirklich ändern . Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und hoffe , dass Sie diese Dinge demnächst wirklich einmal berücksichtigen werden .
PDS/LINKE
Herr Staatssekretär , stimmen Sie mit mir darin überein , daß bis zur Verordnung vom 15 . August 1990 die Grundeigentümer auch Eigentümer der darunterliegenden Kiesvorkommen waren und daß durch die Verordnung vom 15 . August 1990 de facto und de jure eine Enteignung vorgenommen wurde ? Heinrich L .
SPD
Weder das Bayerische Staatsministerium für Unterricht , Kultus , Wissenschaft und Kunst noch die Technische Universität München führen Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten . Die Antwort ist kurz , weil die Frage kurz war .
CDU/CSU
Frau Kollegin Paus, die in dieser Woche beabsichtigte zweite und dritte Lesung des Zweiten Finanzmarktstabilisierungsgesetzes, auf die Sie abzielen, hat nichts damit zu tun, dass die Bundesregierung einen dreistelligen Milliardenbetrag für die Banken bereitstellen möchte; wir wollen vielmehr damit für die Bürgerinnen und Bürger Finanzmarktstabilität in Deutschland garantieren. – Nein, Frau Kollegin, sondern indem man für den Fall der Fälle vorbereitet ist, stabilisierend einzugreifen. Die bisherige Stabilität des Finanzmarkts in der Bundesrepublik Deutschland zeigt, dass die Regierung richtig gehandelt hat. Folgerichtig muss ich Ihnen sagen, dass wir wenig davon halten, bevor der Vertrag über den Europäischen Stabilitätsmechanismus ratifiziert ist, schon an eine Änderung, sei es eine Aufstockung oder eine instrumentelle Änderung, zu denken. Wir sind der Auffassung, dass zum jetzigen Zeitpunkt das Instrumentarium im ESM inklusive des Volumens ausreicht. Wir lassen uns nicht von den anonymen Märkten treiben, die mit den Worten, es müsse die Bazooka ausgepackt werden, von den deutschen Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern ein Übermaß an Vorleistungen erwarten. In diesem Kontext glauben wir, dass in dem Verbund von Europäischem Stabilitätsmechanismus, strengeren Fiskalregeln und marktdisziplinierenden Maßnahmen – ich will nicht von einem Gesamtkunstwerk sprechen, sondern von einem politischen Verbund – die Sache sehr gut aufgehoben ist. Wir beteiligen uns nicht an Spekulationen, die von Marktteilnehmern über welche Kanäle auch immer in die deutsche Politik getragen werden.
Wichtig ist, dass wir Homophobie in allen Gesellschaftsbereichen bekämpfen. Die Bundesregierung tut hier alles, damit es in unserer Gesellschaft keine Diskriminierung gibt. Das ist nicht nur Aufgabe der Bundesregierung, sondern auch Aufgabe der Länder, der Kommunen, aller gesellschaftlich relevanten Gruppen. Nun fragen Sie nach ganz konkreten Gesetzgebungsmaßnahmen im Bereich der Gleichstellung von homosexuellen Partnerschaften mit anderen Partnerschaften. Meines Erachtens ist die Tatsache, dass es noch Unterschiede gibt, überhaupt keine Rechtfertigung dafür, dass es Homophobie gibt.
Herr Präsident , ich habe mich für zwei kurze Bemerkungen gemeldet . Die erste Bemerkung betrifft den Fall Öcalan . Hier muß eine ausgesprochen schwierige Abwägungsentscheidung getroffen werden . Für jede Regierung wäre die Schwierigkeit dieselbe . Dies sollten Sie aber auch kenntlich machen . Eine Scheinlösung vorzutragen , die Strafverfolgung zu vertagen , bis ein internationaler Gerichtshof , von dem wir wissen , daß er in absehbarer Zeit nicht mit der Arbeit beginnt , die Verantwortung für diesen Fall übernimmt , ist in der Tat eine Irreführung der Öffentlichkeit . Wenn Sie sagen , es sei eine Abwägungsentscheidung , dann begründen Sie es auch so vor der deutschen Öffentlichkeit ! Es ist eine Abwägungsentscheidung zwischen dem Strafverfolgungsanspruch des Staates auf der einen Seite und der Opportunität und der Berücksichtigung der inneren Sicherheit auf der anderen Seite . Ein Zweites . Als ich das Thema heute morgen eingebracht habe , habe ich am Anfang meiner Rede gesagt : Mich ärgert , daß in der öffentlichen Debatte so getan wird , als seien alle jungen Ausländer Mehmets . Daß über dieser Debatte jetzt der Schatten des Falles Öcalan schwebt , finde ich ausgesprochen bedauerlich . Das ist nicht vernünftig . Denn in der Öffentlichkeit entsteht der Eindruck : Staatsangehörigkeit , Einwanderung , Zuwanderungsbegrenzung , all das habe nur etwas mit Kriminalitätsbekämpfung zu tun . Es geht nicht an , daß wir die große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft , die in Deutschland leben , kriminalisieren , indem wir sie bei der Reform des Staatsangehörigkeitsrechtes oder bei der Zuwanderungsbegrenzung in Haftung für die Mehmets und Öcalans nehmen . Das ist nicht fair und dient auch nicht dem , was wir politisch beabsichtigen . . Deswegen finde ich es sehr bedauerlich , daß die Debatte am Schluß diese Wendung genommen hat . . Der Fall Öcalan und der Fall Mehmet haben mit der Debatte um ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht in Deutschland nichts zu tun . Es gibt den Fall Öcalan und den Fall Mehmet , aber das hat nichts damit zu tun , daß wir nicht trotzdem eine Modernisierung unseres Staatsangehörigkeitsrechts _ zugunsten der Kinder , die hier geboren werden _ dringend brauchen . .
FDP
Dies richtet sich jeweils nach den Deliktbereichen. Ich will zumindest so viel sagen, dass es durchaus auch im Bereich der Ballungsräume Rückzugsszenarien für organisierte Kriminalität gibt. Das heißt, der kausale Zusammenhang, der in Ihrer Frage unterstellt wird, ist jedenfalls in ermittlungstechnischer Hinsicht sehr schwer aufzustellen und nachzuweisen.
Können Sie dann im Umkehrschluss ausschließen, dass man bei tatsächlich vorhandenen Leckagen nicht auf die Idee kommt, dass es sich möglicherweise nur um natürliche Vorkommen handelt? Halten Sie es also für realistisch, dass diese Unterscheidung tatsächlich getroffen werden kann? Der Stoff an sich ist ja gleich.
SPD
Ja .
CDU/CSU
Herr Präsident ! Meine Damen und Herren ! Ich habe im Bundestag schon einmal einen Politiker erlebt , der am Rednerpult stand - das war damals noch in Bonn - und sagte : Die Rente ist sicher . - Er hat dann auch noch Plakate geklebt . Er sieht das heute ein bisschen anders . Ich denke , von daher sind Zweifel durchaus angebracht . Meine Damen und Herren , in dieser Debatte mogeln Sie sich um eine Kernforderung in der jüngsten OECD-Studie herum , nämlich um die Aufforderung an die Bundesrepublik , dass Deutschland der Rentenentwicklung bei Geringverdienern besondere Aufmerksamkeit widmen soll . Genau an dieser Stelle steht Deutschland auf dem letzten Platz der 30 verglichenen Staaten . Es war wenig davon zu hören , was Sie dagegen tun wollen . Ich frage mich , wie blind man eigentlich sein muss , um nicht zu sehen , was so offenkundig ist . Ich denke , man braucht nicht erst die OECD-Studie , um zu wissen , dass es in diesem reichen Land Altersarmut gibt , dass es also längst Menschen gibt , die in Armut leben . Das ist in einem so reichen Land wie der Bundesrepublik ein Skandal . Wer mit offenen Augen durch unser Land geht , der sieht das auch . Die Lebensmitteltafeln berichten zum Beispiel darüber , dass eben nicht nur die Hartz-IV-Empfängerinnen und -Empfänger und die Alleinerziehenden , sondern zunehmend auch Ältere zu den Tafeln kommen und um Hilfe bitten . Die Wohlfahrtsverbände machen darauf aufmerksam , dass dieses Problem deutlich zunimmt . Als Politiker sind wir an dieser Stelle gefordert , über die Ursachen der Zunahme von Altersarmut zu reden . Vor allen Dingen müssen wir schnellstens gegensteuern . Eine Studie des Mitteldeutschen Rundfunks hat vor kurzem unter anderem die Alterseinkommen in Ost und West verglichen und ist zu dem Ergebnis gekommen , dass die Alterseinkommen im Osten etwa 20 Prozent unter denen im Westen liegen . So viel zur Legende vom reichen Ostrentner ! Wo liegen die Gründe ? Ganz offensichtlich funktioniert das traditionelle Rentenmodell vor allen Dingen im Osten nicht . Zwei Säulen greifen nicht , die Betriebsrente und die private Vorsorge . Eine private Vorsorge ist im Osten kaum vorhanden . Auch sollten wir nicht vergessen , dass jemand , der arbeitslos wird und in Hartz IV fällt , zuerst seine private Vorsorge aufzubrauchen hat , bevor er überhaupt soziale Leistungen bekommen kann . Außerdem führen zunehmende Rentenabschläge zu massiven Rentenkürzungen . Immerhin gehen inzwischen vier von zehn Beschäftigten mit Einbußen vorzeitig in Rente . Das Problem Altersarmut ist nicht nur ein Problem des Ostens ; es ist zunehmend auch ein Problem im Westen . Auch im Westen ist eine dramatische Zunahme der Altersarmut zu verzeichnen . Die Kollegin von den Grünen hat auf die dramatische Zunahme im Niedriglohnbereich , also bei den Mini- und Midijobs , aufmerksam gemacht . Das ist eine der Ursachen für die deutliche Zunahme der Altersarmut . Auch im Westen sind die Säulen Betriebsrente und private Vorsorge längst brüchig geworden . Nur noch etwa 40 Prozent der Beschäftigten sind überhaupt betrieblich rentenversichert . Vor kurzem war zu lesen : Müntefering sägt an Betriebsrente . Da ging es um die Pläne , die Sie angesprochen haben , Herr Kolb . Also auch die Säule Betriebsrente wird weiter abgetragen . Wo funktionieren denn diese drei Säulen am Ende noch ? Ganz klar ist eines geworden : Die Bundesregierung hat die Dramatik der Situation nicht erfasst . Nehmen wir einmal die Rentenanpassung dieses Jahres , die 0 ,54 Prozent ausmacht : Die Rentner jubeln und verneigen sich voller Dankbarkeit vor der Bundesregierung . Diese 0 ,54 Prozent gleichen natürlich nicht die gestiegenen Lebenshaltungskosten aus . Sie sind auch kein Ausgleich für die gestiegenen Beiträge zur Krankenversicherung . Aber endlich , nach drei Nullrunden , gibt es den lang ersehnten Zuschlag . 0 ,5 Prozent mehr zu haben oder nicht zu haben ist schon eine ganze Menge ; bei dem einen oder anderen sind es sogar 2 Euro oder mehr . Meine Damen und Herren , so ist der Altersarmut nicht beizukommen . Es ist zutiefst ungerecht , wenn Menschen , die ihr Leben lang gearbeitet haben , im Alter beim Sozialamt betteln müssen . Wir fordern von der Bundesregierung ein Konzept für eine nachhaltige Verhinderung von Altersarmut und ein Konzept für eine existenzsichernde Rente . Dies bedeutet eben nicht nur , genug zu essen und zu trinken zu haben ; ein Leben in Würde im Alter bedeutet auch , an Kultur teilhaben zu können , sich einmal ein gutes Buch leisten zu können und an der Gesellschaft teilnehmen zu können . Dazu gehört also schon ein bisschen mehr . Wir wollen eine Erwerbstätigenversicherung , in die alle einzahlen . Wir wollen eine Verbreiterung der Basis für die Rentenversicherung . Wir wollen , dass künftig Abgeordnete des Europaparlaments , des Bundestags und von Landtagen in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen . Vor allen Dingen wollen wir den Ausbau der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung . Das ist eine wichtige Grundlage für die Rentenversicherung . Schließlich verlangen wir von der Bundesregierung endlich einen Fahrplan für die Angleichung der Renten im Osten an die im Westen . Danke .
PDS/LINKE
Deswegen fordere ich Sie, liebe Kollegen, auf, heute mit Ihrer Zustimmung zum Teilhabechancengesetz dieser Chance für Langzeitarbeitslose das Tor zu öffnen. Vielen Dank.
CDU/CSU
Kollege Schaaf, ich sage es noch einmal deutlich: In der von mir aus gegebenem Anlass angesprochenen Meldung wird der Kollege Strengmann-Kuhn mit den Worten zitiert: Die Bundesregierung muss endlich handeln und ihr zynisches Spiel auf Zeit aufgeben. Ich weise die Unterstellung, dass die Bundesregierung ein zynisches Spiel betreibt, mit aller Entschiedenheit zurück. Sie ist abwegig. Deswegen sage ich Ihnen noch einmal: Es ist in der Vergangenheit gehandelt worden. Es hat in der Vergangenheit Gesetzgebung gegeben. Es hat Urteile gegeben. Es ist ein deutlich günstigeres Urteil im Jahre 2009 ergangen, aufgrund dessen die Deutsche Rentenversicherung tätig geworden ist. Aufgrund dieses Urteils ist die Bundesregierung im Jahr 2010 tätig geworden, indem sie den Kreis der Begünstigten, die eine Entschädigungspauschale in Höhe von 2 000 Euro erhalten, auf alle Verfolgten ausgeweitet hat, die freiwillig in einem Getto gearbeitet haben. Das heißt, es hat umfangreiche Aktivitäten gegeben. Ich wiederhole: Wir werden Gespräche darüber führen, welche Konsequenzen angesichts der unterschiedlichen Vorschläge, die wir in der Anhörung erhalten haben, zu ziehen sind. Diese sind noch nicht abgeschlossen. Wir streben selbstverständlich an, das Ergebnis, wenn wir es gefunden haben, politisch unverzüglich umzusetzen.
Ich bin fast fertig . - Die internationale Staatengemeinschaft wird möglichst schnell eine adäquate Lösung suchen müssen , aber bitte nicht im Hauruckverfahren .
SPD
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Linksfraktion, in einer Debatte über den Europäischen Forschungsraum nur über nationale Fehler zu lamentieren, offenbart Ihr ganzes Haltungsproblem zur Europäischen Union. Die Europäische Union und Deutschland als große Volkswirtschaft und Wissensnation haben in diesen herausfordernden Zeiten eine immense politische Verantwortung. Wenn wir vielerorts wachsenden Populismus und zunehmende Wissenschaftsfeindlichkeit feststellen, dann können manchmal Zweifel aufkommen, wie wir als Europäische Gemeinschaft zusammen die Kurve kriegen. Solche Zweifel dürfen aber nicht zu Selbstblockade, Fatalismus und Gleichgültigkeit führen. Vielmehr braucht es die Haltung „Jetzt erst recht“ für ein besseres Europa. Europa braucht Ideenreichtum und die Kreativität aller Bürgerinnen und Bürger. Gerade in der Forschungsund Innovationspolitik wäre daher eine Rückkehr zu nationalen Egoismen und Kleinstaaterei verheerend. Denn wir brauchen wissensbasierte und zukunftsweisende Lösungen für die großen gesellschaftlichen und globalen Herausforderungen unserer Zeit. Nur gemeinsam schaffen wir es – den Ergebnissen der Klimaforschung folgend –, mehr Druck für internationalen Klimaschutz und die europäische Energiewende Richtung Erneuerbare, Einsparung und Effizienz auszuüben. Nur gemeinsam können wir im internationalen Wettbewerb bestehen und dabei auch hohe ethische und bürgerrechtliche Standards durchsetzen, ob bei Big-Data-Datenschutz, der Technikfolgenabschätzung beim autonomen Fahren oder Dual-Use-Problemen. Solche klaren Ziele und Prioritäten geben den Menschen in Europa Orientierung, Zuversicht und Motivation. Wir wollen eine Innovationsunion und einen Europäischen Forschungsraum. Auch so kann Europa wieder mehr Optimismus entfachen. Die Koalition lobt sich in diesen Tagen gerne über den grünen Klee, weil das nationale 3-Prozent-Ziel erreicht sei. Dazu können wir nur sagen: Endlich! – Deutschland hatte sich schon gemäß den Lissabon-Zielen für 2010 verpflichtet, 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Forschung und Entwicklung zu investieren. Die EFI fordert ebenso wie wir seit Jahren, 3,5 Prozent anzupeilen, um wieder zu den Innovationsspitzenreiterländern aufzuschließen. Nachdem Sie nun 6 Jahre zu spät die 3 Prozent erstmalig erreicht haben, erklären Sie diese in Ihrem Antrag zur Untergrenze für ganz Europa. Wie soll das bitte schön funktionieren? Einerseits haben Sie Europa einen Spar- und Austeritätskurs aufgedrückt, andererseits fordern Sie von finanzschwächeren Staaten eine FuE-Quote, die selbst wir als stärkste Volkswirtschaft gerade erst erreicht haben. Das ist ebenso fragwürdig wie unrealistisch. So kommen wir zu keinen nachhaltigen und chancengleichen Aufstiegspfaden in ganz Europa. In den Mittelpunkt der Debatte muss doch gehören, wie wir die krasse Forschungs- und Innovationskluft zwischen Mitgliedstaaten und Regionen endlich schließen. Darauf geben Sie keine Antworten. Eine starke öffentliche Forschungsförderung durch die EU und die Mitgliedstaaten ist für die Innovationsfähigkeit unverzichtbar. Dies gilt vor allem für die Grundlagenforschung. Heute berät der Bundesrat über einen Antrag der Länder Nordrhein-Westfalen – größtes, schönstes und wichtigstes Bundesland –, Bremen und Brandenburg zur Zwischenevaluation von „Horizont 2020“. Wir teilen die darin formulierte Sorge um die zukünftige Förderung der Grundlagenforschung. Veränderungen der Förderstruktur dürfen nicht zu deren Lasten gehen. Wir brauchen ein exzellentes Wechselspiel von erkenntnis- und anwendungsorientierter Forschung; denn ohne Neugier und Experimentierfreude ist Technologietransfer einfach undenkbar. In Ihrem Antrag vermisse ich schmerzlich, die Menschen in den Mittelpunkt zu rücken. Sie sind es doch, die dank ihrer Kreativität eine Innovationsunion überhaupt bauen können. Die Perspektiven von Forscherinnen und Forschern, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Azubis und Studierenden der Generation Erasmus, Gründerinnen und Gründer sind ein blinder Fleck Ihres Antrags, und das ist seine größte Schwäche. Diese und weitere Themen wären es wert gewesen, mit einem gemeinsamen, interfraktionellen Antrag angegangen zu werden. Diese Chance hat die Koalition leider nicht genutzt. So hätten wir unter anderem das klare Nein zu EU-Forschungsmitteln für die Atomenergie gemeinsam an die EU-Kommission richten können – das wäre sicherlich ein tolles Signal vom gesamten Bundestag gewesen – und die Forderungen insgesamt klarer priorisieren können, als es in Ihrem 13-seitigen Antrag der Fall ist. Wir werden uns bei der Abstimmung über den Koalitionsantrag enthalten und versprechen, auch 2017 bei der Suche nach gemeinsamen Lösungen für Europa nicht nachzulassen, sondern jetzt erst recht dafür zu ackern. Besinnliche Feiertage und bis bald in 2017.
GRUENE
Eine kurze Vorbemerkung , Herr Staatssekretär : Ich finde es schon erschreckend , dass Sie es offenkundig nicht als Problem begreifen , wenn 13 Prozent der Menschen von Armut bedroht sind . Ich komme zu meiner ersten Nachfrage : Inwieweit könnte ein gesetzlich garantierter Mindestlohn zur Armutsvermeidung beitragen ? Ein Problem in diesem Land ist die Kinderarmut . 2 ,6 Millionen Kinder in Deutschland leben in Armut ; das ist ein Skandal . Dazu meine zweite Nachfrage : Was will die Bundesregierung tun , welche konkreten Maßnahmen plant die Bundesregierung , um Kinderarmut zu vermeiden ?
PDS/LINKE
Herr Präsident , ich hoffe , ich verletze Ihren Hinweis nicht , wenn ich der Frau Staatssekretärin die Frage nach einer möglicherweise beabsichtigten politischen Reaktion stelle . Gibt es im Bereich des Ministeriums , das für Familie , Frauen , Senioren und Jugend zuständig ist , die Absicht einer politischen Reaktion darauf , daß die Bayerische Staatsregierung mit einem solchen Vorschriftenbündel das Schutzkonzept für das ungeborene Leben , das als solches vom Verfassungsgericht genehmigt worden ist , unterläuft , indem Zwang , Angst und Verunsicherung erneut eine Rolle spielen ?
SPD
Frau Staatssekretärin , da Sie offensichtlich _ wie wir gerade gehört haben _ eine sehr große Neigung haben , Maßnahmen im Gesundheitswesen erst zu Beginn des Jahres 2003 , also ein Vierteljahr nach der Bundestagswahl , in Kraft zu setzen , will ich fragen : Können Sie heute definitiv ausschließen , dass dieses Strategiepapier des Kanzlerministers und die persönlichen Meinungen des Kanzlers und seines Kanzleramtschefs in den nächsten Monaten oder gar erst nach der Bundestagswahl _ wenn Sie weiterhin die Verantwortung haben _ Grundlage Ihrer Politik werden könnten ?
CDU/CSU
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Lay, Ihre Rede und vor allen Dingen Ihre Ausführungen zum Verhältnis zwischen Staat und Privat hat mich animiert, doch etwas grundsätzlicher einzusteigen. Sie sagen im Grundsatz, dass wir mehr Staat und weniger Privat brauchen. Aber der Glaube, dass eine Staatswirtschaft die beste Grundlage ist, um unsere Versorgung auf ein gutes und günstiges Fundament zu stellen, sollte in unserem Land seit 1989 eigentlich widerlegt sein, liebe Frau Lay. Aber Sie scheinen immer noch in einer anderen Welt zu leben. Der Erfolg der sozialen Marktwirtschaft basiert auf Wettbewerb, auf Gewinnstreben – auch Gewinnstreben ist wichtig – und auf privatem Eigentum, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das führt letztendlich zu Wachstum, zu Innovation und langfristig zu Wohlstand für alle. Ich sage Ihnen, liebe Frau Lay: Haben Sie Mut zur Marktwirtschaft! Haben Sie auch Mut zu privatem Eigentum!
CDU/CSU
Herr Präsident ! Meine Damen und Herren ! Frau Kollegin Leutheusser-Schnarrenberger hat schon für die Bundesregierung darauf hingewiesen , daß die Vorgänge in Magdeburg für die Bundesregierung völlig inakzeptabel sind und daß die Bundesregierung alles unternehmen wird , daß sich ähnliches nicht wiederholt , soweit das in ihren Fähigkeiten und Möglichkeiten steht . Ich möchte auf Grund der Debatte aber auch gleich hinzufügen , daß wir als Bundesregierung uns nicht in der Lage sehen , die polizeiliche Lage in Magdeburg zu beurteilen , und daß es auch nicht Aufgabe der Bundesregierung sein kann , das zu tun . Sicherlich wird jeder dazu seine eigene Meinung haben , aber das ist die Zuständigkeit des Landes Sachsen- Anhalt und damit der dortigen Kontrollorgane . Es ist nicht Absicht der Bundesregierung , hierzu weiter etwas zu sagen . Hinzufügen möchte ich gleich , daß wir ja ähnliches auch in anderen Ländern schon erlebt haben , wo sich die Bundesregierung gleichermaßen zurückgehalten hat . Ich finde , es wäre auch nicht gut , wenn wir diese Dinge hier parteipolitisch instrumentalisieren würden . Die Ehrlichkeit dieser Debatte sollte uns auch dazu führen zu sagen , daß eine Spur davon bisher durchaus sichtbar wurde . Die Bundesregierung hat die Tatsache , daß in Fulda vor einigen Monaten Neonazis aufmarschieren konnten , nicht zum Anlaß genommen , die Landesregierung in Wiesbaden zu kritisieren , sondern war der Auffassung , daß es Aufgabe der dortigen Gremien ist , den Dingen nachzugehen . . _ Und das ist auch geschehen . Zu Recht auch ! Das ist völlig in Ordnung . . Das muß auch geschehen , aber es sollte nicht nach dem Motto laufen , das sich hier in der Diskussion _ vielleicht nicht ausgesprochen , aber doch unausgesprochen _ andeutete . Das zweite , was ich sagen möchte , ist : Die Bundesregierung hat _ _ . _ Das wollte ich Ihnen gerade sagen . Die Bundesregierung hat auf Grund der von uns gemeinsam beklagten Zustände ja die Offensive gegen Gewalt und Fremdenfeindlichkeit _ auch mit Hilfe der Länder , auch SPD-geführter L ander _ betrieben . Ich glaube , diese Offensive hat durchaus beachtliche Teilerfolge aufzuweisen . Ich sage noch einmal : Es ist dies ein Verdienst nicht nur der Bundesregierung , sondern auch der L ander . Es ist uns ja immerhin gelungen _ obwohl es immerhin noch 1 800 Übergriffe auf Asylbewerberheime gab und damit 1 800 zuviel _ die Zahl dieser Übergriffe im Vergleich zum Vorjahr um 25 % zu reduzieren . Ich glaube , daß wir die Erfolge , die wir haben , nicht herunterreden sollten . Ich bin der festen Überzeugung , daß wir , Herr Kollege Schmude , wenn wir über Gesetzesverschärfungen reden , sie nicht von vornherein als falsch beurteilen sollten . . _ Ich wollte darauf nur hinweisen , damit eben die Gewichte richtig gesetzt werden . . Wir sind ja z . B . offensichtlich der gemeinsamen Überzeugung , daß die bisherige Strafandrohung für Körperverletzung zu gering war , . und deshalb wollen wir das korrigieren . Also kann man nicht a priori sagen : Gesetzesänderungen sind falsch . Es kommt vielmehr darauf an , welche wir betreiben . . Deshalb wäre ich auch insoweit für Klarheit in der Debatte dankbar . Ich möchte auch nicht den Eindruck erweckt wissen , daß wir sozusagen rechte Gewalt mehr bekämpfen müßten als linke Gewalt _ oder einfache Gewalt oder grobe Gewalt oder mittlere Gewalt _ , sondern Gewalt ist Gewalt , und alles muß gleichermaßen bekämpft werden . . Das ist doch ohne Zweifel richtig . An Ihre Adresse , Herr Kollege Hirsch , muß ich , weil Sie das Stichwort Kirchenasyl angesprochen haben , sagen , daß ich diese Debatte auch nachdenklich führen will . Ich meine , wir sollten darüber wirklich noch einmal gemeinsam reflektieren . Wenn Sie sagen , das sei Ausdruck der Tatsache , daß Bürger wegen staatlicher Willkürmaßnahmen meinten , . zur Selbsthilfe zu greifen , . _ ich korrigiere mich : zur Selbsthilfe zu greifen , dann halte ich das für eine zumindest sehr bedenkliche Schiene , auf die wir uns begeben . Wenn wir jetzt einmal bei den rechten Gewalttätern bleiben , wird das nämlich in deren Ideologie damit begründet , daß der Staat nicht in der Lage sei , bestimmte Zustände zu verhindern . Wir können das staatliche Gewaltmonopol nicht aufgeben . Es muß gleichermaßen für alle gelten . Deshalb habe ich meine großen Zweifel , obwohl diejenigen , die sich da bemühen , einen anderen Anspruch haben . Das will ich gerne einräumen . Aber die Instrumente , die wir damit einräumen würden , sind zumindest sehr , sehr gefährlich . Deshalb sollten wir , Herr Kollege Hirsch , darüber vielleicht noch einmal gemeinsam nachdenken . . _ Ich habe gerade gesagt , die Motive derjenigen , die so handeln , sind sicherlich ethisch oder moralisch unterschiedlich zu bewerten , aber der Weg , der begangen wird , ist doch gefährlich . Ich habe mich sehr daran gestört , Herr Kollege Schmude , daß Sie gesagt haben , unser Land beginnt sich zu verändern und zeigt mehr Kälte . . _ Hören Sie mir doch zu . Zeigen Sie doch jetzt auch , daß Sie für Argumente offen sind . Wir wollen jetzt doch auch den Zuschauern zeigen , daß wir über eine solche Sache gemeinsam reden . . Ist es nicht doch so , daß wir in Deutschland , Herr Kollege Schmude , 7 Millionen Ausländer haben ? Ist es nicht doch so , daß wir in Deutschland in diesem Jahr bisher 45 000 Asylbewerber aufgenommen haben , so viel wie Frankreich im ganzen Jahr ? Ist es nicht so , daß in Deutschland 500 000 Bürgerkriegsflüchtlinge sind , mehr als in der ganzen übrigen Europäischen Gemeinschaft ? . Ist es deshalb richtig zu sagen , daß wir in Deutschland einen Überschuß an Kälte haben ? . Ist das angesichts der Tatsache gerechtfertigt , daß wir Lichterketten in Deutschland haben ? Ist es angesichts der Tatsache gerechtfertigt , daß wir bei internationalen Sportfesten große Begegnungen der Völkerverständigung und der Völkerfreundschaft haben ? . Ist es vor dem Hintergrund gerechtfertigt _ hören Sie mir doch einmal zu _ , daß wir in unserem Lande viele gemeindliche und vereinliche Begegnungen zwischen den Völkern und Nationen haben ? . Ich bin der festen Überzeugung , daß deshalb das Bild , das Sie malen , so nicht richtig ist . Richtig ist , daß uns das gemeinsam besorgt . . : Sie müssen die andere Seite auch würdigen ! Nicht nur die eine Seite , auch die andere !) Aber wir können darauf setzen , daß in unserem Lande so viele Kräfte da sind , so viel Engagement da ist , diese Fremdenfeindlichkeit zu überwinden , daß wir diese Kräfte nicht herunterreden sollten , sondern sie mobilisieren und motivieren sollten und deshalb auch zwischen den Parteien in diesem Hause nicht künstliche Fronten aufrichten sollten , sondern gemeinsam gegen Gewalt und Ausländerfeindlichkeit in unserem Land streiten sollten . . Eines muß ich ganz zum Schluß noch sagen : Daß Sie auch Regelungsbedarf gesehen haben , zeigt ja die Tatsache , daß wir gemeinsam z . B . zum Asylkompromiß gekommen sind . Sie sind doch auch zum Asylkompromiß deshalb gekommen , weil Sie der Oberzeugung waren , daß die Empfindungen , die Betroffenheit , die Haltung der Menschen dazu führen müsse , daß wir Korrekturen der früheren Entwicklung vornehmen . Deshalb haben Sie doch _ und zwar zu Recht _ zugestimmt . Wenn dem aber so ist , dann kann man doch nicht sagen , die Zahl der Ausländer , die Betroffenheit der Menschen , die Kapazitäten , die Ressourcen in unserem Land seien unbeachtlich . Daß wir Ausländer aufnehmen wollen , ist selbstverständlich . . _ Das hat mit dem Thema zu tun , das Herr Schmude angesprochen hat . _ Ich bin und bleibe der festen Meinung , daß wir recht daran tun , wenn wir den Nährboden für die Rechtsradikalen u . a . _ neben Lichterketten , neben Veranstaltungen wie dieser , neben unserer Gemeinsamkeit der Demokraten _ auch dadurch austrocknen , daß wir Gesetze beschließen und administrative Maßnahmen ergreifen , die dazu führen , daß die Rechtsradikalen keine Chance haben . .
CDU/CSU
Aber immer . . _ Vorsicht , ich habe es dabei .
CDU/CSU
Herr Minister Seehofer , ich will Sie natürlich nicht aufhalten ; ich habe dafür Verständnis . Nur meine ich , daß das , was Sie vorgetragen haben , zum Teil sehr aufgeregt war . Teilweise war es auch an die Bundestagsfraktion der Grünen gerichtet . Sie waren sich da wohl sehr sicher , daß Sie ein schlagendes Argumentationsmuster gegen uns haben , wenn Sie uns die Naturheilverfahren an den Kopf werfen , die nach der Positivliste herausfallen sollen . Sie haben auch noch Herrn Ellis Huber von der Berliner Ärztekammer genannt . Ich stehe hier nicht , um die Beschlüsse der Berliner Ärztekammer zu kritisieren . Ich nehme es mit Interesse zur Kenntnis , was man dort macht . Nur weiß auch ich , daß gleichzeitig mit der Vorstellung der Positivliste gesagt wurde _ das wurde auch schriftlich dokumentiert _ , daß man selbstverständlich daran arbeite , für Naturheilmittel eine weitere Liste zu erstellen . Wir sind nicht diejenigen , die blauäugig auf sogenannte grüne Naturheilmittel schauen und sie als Alternativmedizin der Schulmedizin gegenüberstellen . Diese einfache Rechnung machen wir nicht . Wir erkennen sehr wohl an , daß in bezug auf die Naturheilverfahren Kriterien entwickelt werden müssen . Sie sind nicht immer ungefährlich ; auch darüber wissen wir genug . Folglich müssen wissenschaftliche Kriterien entwickelt werden , um die Wirksamkeit dieser Präparate nachzuweisen . Also auch in diesem Sinne müssen Qualitätskriterien vorhanden sein . Es wird Ihnen nicht gelingen , der Bundestagsfraktion der Grünen gerade das als schlagendes Argument entgegenzuhalten . Wir legen auch hier _ das sagte ich eben _ Wert auf Qualität und wollen in diesem Sinn eine Positivliste einführen . Wenn Sie jetzt noch das soziale Argument bringen , daß wir diejenigen seien , die , weil wir für die Positivliste sind , verursachten , daß die Quote der Selbstmedikation oder der Eigenfinanzierung für Ältere und chronisch Kranke steigt , dann will ich Ihnen noch ein Argument nennen , das man gesamtgesundheitspolitisch nicht unter den Tisch fallen lassen darf . Der Bedarf an und auch die Abhängigkeit von Medikamenten ist sehr stark mit der sozialen Stellung verbunden . Das ist sehr wohl richtig . Deshalb gehört das größte Augenmerk darauf gerichtet , daß die Hausärzte und auch sehr viele Fachärzte nicht bloß in einem Nachschlag eine nicht strukturverbessernde Aufwertung der sprechenden Medizin bekommen , sondern daß wir in die Zukunft hinein einen viel größeren Raum und eine viel bessere finanzielle Ausstattung für die sprechende Medizin vorhalten , damit genau die sozialen Probleme , die zu Medikamentenbedarf und -abhängigkeit führen , von der allgemeinen Gesundheitsversorgung in den Griff bekommen werden . Das sind Ziele grüner Gesundheitspolitik . Aber wir werden Ihnen in Zukunft auch noch einige andere vorstellen . .
GRUENE
Herr Präsident ! Meine Damen und Herren ! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU und der FDP , ich glaube schon , dass das , was am Wochenende erneut von führenden Vertretern der CDU , der CSU und auch der FDP in Interviews im Hinblick auf die Reformen in der gesetzlichen Krankenversicherung geäußert wurde , diese Aktuelle Stunde rechtfertigt . . Denn wir müssen uns darüber unterhalten , ob auch in Zukunft das gilt , was in Deutschland in der Sozialversicherung gewachsen ist : dass jeder und jede ohneAnsehen der Person und des Einkommens die medizinische Leistung erhält , die er oder sie braucht , um gesund zu werden , . um die Schmerzen zu lindern oder um _ manchmal , am Ende des Lebens _ noch ein Stück Lebensqualität zu erhalten . . Ruth Fuchs 23094 Ich gehöre nicht zu denen , denen man unterstellen könnte , dass sie in all den Jahren im Bundestag reformunfreudig gewesen seien . Ich weiß aber den Wert dieser gesetzlichen Krankenversicherung zu schätzen . Die gesetzliche Krankenversicherung ist in meinen Augen das Herzstück des Sozialstaates . . Denn inwieweit der einzelne Mensch in der Lage ist , am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen , eine Familie zu gründen , Kinder aufzuziehen , ältere Menschen zu pflegen oder auch durch eigene Erwerbsarbeit seinen Lebensunterhalt zu verdienen , ist davon abhängig , inwieweit er gesundheitlich dazu in der Lage ist . . _ Ich werde noch auf einzelne Dinge eingehen . Das Sozialgesetzbuch V ist eindeutig : Jeder Versicherte hat Anspruch auf eine angemessene und notwendige Leistung , die wirtschaftlich zu erbringen ist . . Die Kunst der Reform besteht darin , dafür zu sorgen , dass jeder einzelne Euro , der von Versicherten in die gesetzliche Krankenversicherung eingezahlt wird , optimal eingesetzt wird , . und Über- , Unter- und Fehlversorgungen zu beseitigen . Wir müssen dafür sorgen , dass aufhört , was heute im Gesundheitswesen passiert : dass der eine Arzt oft gar nicht weiß , was die andere Ärztin macht , und dass das zulasten der Patientinnen und Patienten und deren Gesundheit geht . . Wir müssen die integrierte Versorgung weiter auf den Weg bringen . Wir tun dies , Herr Kollege . Wir sind derzeit dabei , die Programme für eine bessere Versorgung chronisch kranker Menschen auf den Weg zu bringen ; denn die chronisch kranken Menschen werden in diesem Lande nicht optimal behandelt . Das liegt aber nicht , Kollegin Mauz , . an der Politik , sondern daran , dass zu wenig zusammengearbeitet wird , weil es zu wenig Abstimmung gibt . Das hat etwas mit den Strukturen in unserer Selbstverwaltung zu tun . Deshalb folgende Frage . Wenn Sie sagen , Kollegin Mauz , dass Leistungen nicht erbracht werden , dann passt das doch nicht mit der Aussage vom Kollegen Merz zusammen , dass jedes Zimperlein bezahlt wird . Wenn Sie behaupten , die Menschen bekommen ihre Medikamente nicht mehr , dann erklären Sie mir doch einmal den hohen Anstieg der Kosten für Medikamente . Das passt doch alles nicht zusammen . Im Gesundheitswesen fehlt es häufig an Abstimmung ; das beeinträchtigt die Qualität . Dadurch werden die hohen Kosten verursacht . Deshalb müssen wir da ansetzen : die Qualität der Versorgung verbessern und Wirtschaftlichkeitsreserven erschließen . Aber wir müssen auch dafür sorgen , dass dies nicht zulasten von kranken Menschen geschieht . . Jetzt komme ich zu Ihren Vorschlägen . Zu den Grundund Wahlleistungen sagen Sie gar nichts mehr , . weil niemand von Ihnen , weder von der FDP noch von der CDU/CSU , mir sagen kann , welche Leistung er nicht erhalten möchte , wenn er krank ist . . _ Welche Leistung ? Sagen Sie es , . schriftlich ! Aber die CDU/CSU ist da schon vorsichtiger . Deshalb sage ich : Wer anfängt , Leistungen auszugrenzen , . der macht Schluss damit , dass , wie es heute der Fall ist , die Erbringung von Leistungen allein vom medizinisch Notwendigen her definiert wird . Das ist der Unterschied . . Grund- und Wahlleistungen oder die Schaffung von , wie es jetzt so schön heißt , kleinen Paketchen , . bei denen jeder etwas abwählen kann , wodurch er Beiträge sparen kann , funktionieren vielleicht in der privaten Bundesministerin Ulla Schmidt 23095 Versicherung ; da hat jeder eine individuelle Versicherung . Aber was passiert mit Ihren Paketen , wenn der Ernährer der Familie _ seltener ist es die Ernährerin _ sagt : Ich bin jung , brauche keine Rehabilitation , keine Hospize und auch für bestimmte andere Dinge keine Versicherung . Er oder sie weiß ja nicht , was vielleicht in der nächsten Minute passiert .Aber was ist mit den Kindern ? Ein Kind kann schon krank sein , ehe es das Licht der Welt erblickt hat . Die gesetzliche Krankenkasse , wie sie heute ist , mit ihrem umfassenden Anspruch auf das medizinisch Notwendige für alle , hat auch dafür gesorgt , dass jedes Kind in diesem Lande eine Versorgung erhält . Andere Länder wären froh , wenn sie eine solche Versorgung hätten . . Ich kann nicht zulassen , dass jemand aus dieser Solidargemeinschaft , bei der das Familieneinkommen die Grundlage für die Krankenversorgung der gesamten Familie ist , etwas abwählt , wodurch auch die Versorgung für die Kinder eingeschränkt wird . . Sie können doch nicht ernsthaft vorschlagen , dass die Kinder davon ausgenommen werden . Das kann nicht sein . _ Sie haben vorgeschlagen , dass man Leistungen abwählen kann . Gilt das nur für den , der bezahlt ? Gilt das nicht für alle , die versichert sind ? Wie funktioniert denn unser System ? Zweitens . Wer wählt denn zum Beispiel die 500 Euro Eigenbeteiligung ? . Wählen das die älteren Menschen ? _ Nein . Wählen das die kranken Menschen ? _ Nein . Wählen das Menschen mit Behinderungen ? _ Nein . Wer wählt sie denn ? Das sind die jungen , gut verdienenden Männer ! Den Kranken in diesem Versicherungssystem fehlt hierdurch das Geld für die Versorgung , die sie brauchen . . Das ist unsolidarisch . So funktioniert die Versicherung nicht . . Unter Ihrer Ägide sind die Krankenkassenbeiträge in sechs Jahren um 1 ,2 Prozent gestiegen . . _ Doch , ich kann es Ihnen nachweisen ; ich kenne die maß- geblichen Statistiken . _ Unter Rot-Grün sind sie in vier Jahren im Schnitt nur um 0 ,35 Prozent gestiegen . Dritter Punkt . Wenn Sie den Weg der Kostenerstattung , wie sie in der privaten Krankenversicherung zu finden ist , einschlagen , dann nehmen Sie der gesetzlichen Krankenkasse das Instrument , das sie braucht , um eine Qualitätskontrolle und eine Ausgabensteuerung durchführen zu können . . So kann man nicht vorgehen . Wir werden an diesem solidarischen , paritätisch finanzierten System festhalten , weil es das einzige System ist , das den Menschen von der Geburt bis zu seinem Tode davor schützt , im Krankheitsfalle alleine gelassen zu werden . Vielen Dank . .
SPD
Ich lasse sie gerne zu , möchte jedoch bemerken : Herr Minister Clement - es ist gut , daß Sie zurückkommen - , ich wollte mit diesen - - Vizepräsident Burkhard Hirsch : Gestatten Sie zuerst die Zwischenfrage ? .
CDU/CSU
Herr Präsident ! Liebe Kolleginnen und Kollegen ! Meine sehr verehrten Damen und Herren ! Herr Montag und Herr Neškovic , die Rechtspolitik der großen Koalition steht in der Kontinuität der Rechtspolitik der letzten sieben Jahre , der Rechtspolitik von Herta Däubler-Gmelin bis zu Brigitte Zypries . Von dieser Rechtspolitik , Herr Kollege Neškovic - Ihre Rede gibt Anlass , das noch einmal zu sagen - , haben auch Sie einmal profitiert ; da standen Sie noch auf der anderen Seite . Von daher sollten Sie sich in Ihren Reden und bei den Vorwürfen , die Sie hier erheben , im Ton ein bisschen zurücknehmen , Herr Kollege ! Wir sind es in der Rechtspolitik bisher nicht gewohnt gewesen , dass der Wortwechsel in solch einer persönlichen Schärfe erfolgt . Ich hoffe , dass das nicht der Stil ist , in dem in den Senaten des BGH mittlerweile beraten wird - dann müssten wir bei den nächsten Besetzungen ein bisschen genauer hinsehen . Es ist schon darauf hingewiesen worden , dass das Justizministerium prozentual gemessen mit einem geringen Anteil am Gesamthaushalt auskommen muss . Ich meine , dass es in den zurückliegenden Jahren hervorragende Arbeit geleistet hat . Dafür herzlichen Dank , Frau Ministerin , auch allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Ihrem Hause , die in den letzten Jahren wirklich Großes geleistet haben ! All denen , die im Augenblick so ungeduldig sind und uns fragen , wann die große Koalition den Rechtsausschuss endlich mit Vorlagen befassen will , sage ich : Wir werden noch in diesem Jahr umfangreiche Entwürfe vorlegen . - Wissen Sie , Herr Fricke : Wir haben erst im Dezember des vorigen Jahres mit der Regierungsbildung begonnen und brauchen natürlich ein paar Monate , um sorgfältig und gründlich an guten Entwürfen zu arbeiten ; genau das machen wir im Augenblick . Wir werden Ihnen in absehbarer Zeit einen Entwurf zur angemahnten Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung vorlegen . Die Regelung der Vorratsdatenspeicherung , die neue Kronzeugenregelung , die Normierung der Vereinbarung im Strafprozess , die uns abgefordert wird , die nachträgliche Sicherungsverwahrung von Jugendlichen , die Neuregelung der Führungsaufsicht , der Maßregelvollzug , Probleme des Stalkings , Probleme der Zwangsheirat und der Zwangsprostitution - überall haben wir Entwürfe in der Bearbeitung , über die wir zu reden haben und die wir Ihnen demnächst vorlegen werden . Nicht zuletzt für uns alle ein wichtiges Thema ist , wie die Abgeordnetenbestechung künftig zu regeln sein wird ; auch das werden wir noch in diesem Jahr sorgfältig zu beraten haben , liebe Kolleginnen und Kollegen . Ferner sind zu nennen der zweite Korb beim Urheberrecht in der Informationsgesellschaft , die Richtlinien des Forderungssicherungsgesetzes , das Insolvenzrecht , die FGG-Novellierung - ein umfangreicher Katalog von Novellierungen , die notwendig sind und die wir mit Ihnen gemeinsam diskutieren werden . Ihre Ungeduld werden Sie noch verlieren ; Sie werden genügend Arbeit bekommen . Ich sage heute auch deutlich - man sollte vor seiner Vergangenheit nicht weglaufen - : Seit 1998 fristet die Rechtspolitik in diesem Hause kein Mauerblümchendasein mehr , sondern steht immer häufiger im Mittelpunkt des gesellschaftlichen Diskurses , mal kritisch , mal weniger kritisch . Ich habe in meinem Resümee zum Haushalt bisher so viele positive Dinge gesagt , da muss ich auch eine Negativentwicklung erwähnen , auch vor dem Hintergrund der Diskussion um die Föderalismusreform . Diejenigen von Ihnen , liebe Kolleginnen und Kollegen , die mich länger kennen , wissen , dass ich seit 1998/99 in jeder Debatte hier zu denen gehört habe , die eine Modernisierung der Justiz eingefordert haben . In der Haushaltsdebatte vom 7 . September 2004 - ich habe es noch einmal nachgelesen - habe ich optimistisch verkündet , dass die seit langem überfällige Reformdebatte in der Justiz jetzt endlich auch in einem breiteren Feld und mit einem breiten Konsens eröffnet worden sei . Sie erinnern sich vielleicht an den damaligen Aufschlag der Jumiko . Die auflagenstärkste deutsche Tageszeitung machte damals mit der Überschrift Die größte Justizreform seit 1873 auf , wenn ich mich richtig erinnere . Die Entwicklung seitdem , gerade in den letzten Wochen und Monaten , hat mich allerdings erneut etwas anderes gelehrt . Der Konsens , den ich eingefordert hatte , muss zwischen dem Bund und den Ländern gefunden werden ; das ist klar . Aber die Entwicklung zeigt im Augenblick , dass die Länder den Konsens gar nicht führen können , weil sie selber ein Länderinteresse nicht definieren können . So wird das sehr problematisch . Beim Thema große Justizreform wird jetzt ein Schreckensbild an die Wand gemalt . Frau Ministerin , einen gemeinsamen Lösungsansatz sehe ich im Augenblick nicht , um es ganz deutlich zu sagen . Liebe Kolleginnen und Kollegen , Sie alle wissen , dass ich ein energischer Verfechter der Notwendigkeit einer bzw . der Föderalismusreform bin . Reform des Föderalismus heißt für mich , die historisch erfolgreiche föderale Struktur der Bundesrepublik Deutschland in einem sich erweiternden Europa und unter dem Druck der massiven globalen Herausforderungen zukunftsfähig zu machen . Reform des Föderalismus bedeutet aber nicht einen Rückfall in die deutsche Kleinstaaterei des 18 . und 19 . Jahrhunderts . In dem uns so sehr berührenden Bereich der Justiz habe ich gegenwärtig den Eindruck , dass einige oder die meisten Länder auf dem Weg zurück in diese historisch , wie ich denke , überholte Kleinstaaterei sind . Herr Kollege Montag , Herr Kollege Neškovic , Frau Kollegin - - Nein , Sie haben das nicht angesprochen , glaube ich . Die Punkte in dem Gesamtpaket , die die Justiz angehen - Strafvollzug , Notarordnung , alle diese Dinge - , werden wir in der Anhörung mit Ihnen gemeinsam sorgfältig ansehen . Wie Herr Gehb gesagt hat , wird da nichts durchgewunken . Da wird wirklich in der Sache gründlich gearbeitet . Ich hoffe , wir alle werden das in einem weniger aufgeregten Ton tun können , als er teilweise zu Beginn dieser Debatte geherrscht hat . Die Themen , die wir zu bearbeiten haben , sind es wert , weniger ideologisch , sondern mehr sachlich gesehen zu werden . Schönen Dank .
SPD
Sie können mir jetzt zuhören. Dafür wollten Sie in dieses Hohe Haus. Hören Sie sich das also bitte an. Sie versuchen, diejenigen zu beschämen, die sich für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung einsetzen, die Bildungsarbeit machen oder die Opfern beistehen, die von Rassisten und anderen Menschenverächtern angegriffen wurden. Dass Sie die nicht mögen, verstehe ich sofort; denn viele dieser Initiativen sensibilisieren für die Folgen von Diskriminierungen. Dabei fällt eben auf, dass unzählige Beispiele für die Abwertung von Menschen aus Ihren Reihen kommen. Sie können natürlich sagen, was Sie denken. Das gilt aber auch für diejenigen, die Ihnen widersprechen, die anderer Meinung sind. Die dürfen das; die sagen das. Das ist Demokratie, und das ist gut so. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das mit der Klausel geht aber noch weiter. Ich hatte dafür Sorge zu tragen, dass auch alle meine Projektpartner diese Klausel unterschreiben und sich zur fdGO bekennen. Dazu zählten alle unsere Ehrenamtlichen, der Redakteur der „Wochenzeitung“, der Techniker für eine Veranstaltung. Dazu zählte aber eben auch der Nachkomme von Holocaustüberlebenden, der aus Tschechien anreiste, eine Aufwandsentschädigung bekommen sollte, wenn, ja wenn er bestätigt, dass er kein Extremist ist. Es war so übergriffig, dass der deutsche Staat genau diesem Menschen das Misstrauen ausspricht. Schauen wir uns doch einmal Ihre Partner an. Bei einem Ihrer Fraktionsmitglieder lese ich beispielsweise, dass er die rechtsextreme Identitäre Bewegung als Vorfeldorganisation der AfD ansieht. Diese wird in einigen Ländern und vom Bundesamt für Verfassungsschutz so eingeschätzt, dass es dort Bestrebungen gegen die fdGO gibt. Der Kollege wird im Übrigen selbst vom Verfassungsschutz beobachtet. Mit welchem Recht fordern also genau Sie, andere sollten sich bekennen? Kehren Sie doch vor der eigenen Haustür! Ganz praktisch gesehen ist die Klausel so ziemlich das wirkungsloseste Instrument, um sicherzustellen, dass die geförderten Projekte ihre Programmziele erreichen. Diejenigen, die tatsächlich ein undemokratisches Ansinnen haben, werden das mit leichter Hand unterschreiben. Wir unterstützen wirksame und nachhaltige Projekte der Demokratieförderung und der Radikalisierungsprävention allein durch das Programm „Demokratie leben!“ mit 100 Millionen Euro. Dafür gibt die Förderrichtlinie den Rahmen vor: Der Projektantrag muss plausibel sein, der Fördermittelgeber verlangt Projektdokumentationen, lädt zu Projekttreffen ein, stellt Begleitung sicher und macht Projektbesuche. Am Ende jedes Jahres gibt es einen Sachbericht samt Abrechnung. Wurde das Ziel erreicht, wunderbar. Daneben gibt es eine Zielvereinbarung für die Folgezeit, und durch Evaluationen wird die Wirksamkeit geprüft. Wenn Verbesserungspotenzial gesehen wird, wird nachgesteuert, und wenn nicht gut ist, was herauskommt, endet die Förderung. Wo also ist das Problem? Eine Klausel ist dafür völlig unnötig. Was aber nötig ist, ist, denen, die für die Demokratie einstehen, Planungssicherheit zu geben. Daueraufgaben müssen dauerhaft finanziert werden. Es gibt jetzt seit fast 20 Jahren Demokratieförderprogramme. Daran wird deutlich: Die Aufgabe ist nicht einfach irgendwann erledigt. Deswegen wollen und werden wir die Engagierten weiter unterstützen und die Förderung verstetigen. Vielen Dank.
SPD
Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die Debatten über Kinderehen in unserem Land wecken seit Monaten Emotionen. Die Gründe liegen auf der Hand. Es geht um den Schutz von Minderjährigen, das Kindeswohl und den Schutz von Frauen. Am Ende geht es aber auch um die banale, nackte Frage: Welche Regeln gelten, wenn Tausende Menschen in unser Land kommen? Ich will es vorwegnehmen. In unserem Rechtsstaat kann die Antwort nur lauten: Unsere Regeln gelten. – Ich möchte davor warnen, dass wir in dieser Debatte versuchen, dieses Problem zu relativieren, es mit wortreichen Argumenten, wie es die Opposition macht, kleinzureden. Kollege Fechner hat vorhin geschildert, wie es in Flüchtlingslagern ausschaut. Mit Stand September 2016 waren laut Ausländerzentralregister 1 475 minderjährige Menschen verheiratet. Davon waren 994 zwischen 16 und 18 Jahre, 120 zwischen 14 und 16 Jahre sowie sage und schreibe 361 unter 14 Jahre alt, also Kinder. Unsere Regeln gelten. Die Rechtslage in unserem Land sieht vor, dass die Ehemündigkeit erst mit 18 Jahren erreicht wird. Mit unter 16 Jahren kann keine Ehe wirksam geschlossen werden. Wenn die Betreffenden zwischen 16 und unter 18 Jahre alt sind, ist eine Eheschließung nur im Einzelfall und mit Genehmigung des Familiengerichts möglich. Ich bin froh, dass der vorliegende Gesetzentwurf genau diesen Ansatzpunkt dem Grunde nach aufgreift und festlegt, dass Ehen bei unter 16-Jährigen grundsätzlich nichtig sind und dass Ehen, bei denen die Betreffenden zwischen 16 und 18 Jahre alt sind, aufhebbar sind. Justizminister Heiko Maas hat am Anfang für die Aufhebungslösung geworben. Danach sollten Ehen von Kindern zunächst einmal Geltung beanspruchen. Eine Aufhebung sollte dann im Einzelfallverfahren überprüft werden. Aber ich glaube – das will ich Ihnen im Folgenden zeigen –, dass die Nichtigkeitslösung die einzig zwingende Konsequenz sein kann, wenn wir uns mit der Herausforderung in dieser Größenordnung tiefer befassen und den Fokus auf das Kindeswohl und den Schutz junger Mädchen legen. Das Argument für die Aufhebungslösung lautet, eine Auflösung habe weitreichende Folgen, die beispielsweise Unterhaltsansprüche und Erbschaftsansprüche betreffen. Diese Ansprüche würden den betreffenden Frauen verlustig gehen, wenn von Anfang an von der Nichtigkeit ausgegangen werde. Aber diese Argumentation ist wahrscheinlich im Wesentlichen theoretischer Natur; denn bei den Ehen, die wir im Auge haben, und den Konstellationen, denen wir begegnen wollen, handelt es sich vor allem um Flüchtlinge, die ohne Hab und Gut in unser Land gekommen sind. In diesen Fällen stellt sich die Unterhaltsfrage nicht ernsthaft, weil im Wesentlichen alles von der öffentlichen Hand übernommen wird. Wir sollten zudem die Signalwirkung der Nichtigkeitslösung nicht unterschätzen. Befassen wir uns einmal mit einem möglichen Aufhebungsverfahren. Es gibt Experten, die sagen, dass ein Aufhebungsverfahren zwischen drei und sechs Monaten dauern könnte, und zwar allein schon deswegen, weil die Zuständigkeit deutscher Gerichte in der Regel erst nach drei bis sechs Monaten begründet ist. Der gewöhnliche Aufenthalt in Deutschland muss nämlich begründet sein. Dafür sieht die Rechtsprechung eine Aufenthaltsdauer von drei bis sechs Monaten vor. So lange soll die Ehe eines Kindes in unserem Land fortbestehen, einschließlich aller ehelichen Rechte und Pflichten? Ich bin dem bayerischen Justizminister Winfried Bausback sehr dankbar, dass er diese Diskussion angefacht hat, dieser schwierigen Frage nicht aus dem Weg gegangen ist und immer wieder Werbung für die Nichtigkeitslösung gemacht hat, die in meinen Augen das einzig richtige Signal ist. Ich will Ihnen am Ende meines Redebeitrags noch sagen, dass ich die Hoffnung habe, dass wir uns im parlamentarischen Verfahren mit einer Nichtigkeitslösung sogar in der Altersspanne von 16 bis 18 Jahre anfreunden, wenn die Ehe in einem Land geschlossen wurde, bei dem wir schon von vornherein ausschließen können, dass dort ein ausreichender Schutz von Frauen gewährleistet ist. Wenn heutzutage ein Mädchen im Alter von 16 Jahren in einem Flüchtlingslager oder in Syrien oder Afghanistan verheiratet wird, dann können wir, wenn wir ehrlich sind, mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,9 Prozent ausschließen, dass es sich um eine freiwillige Eheschließung handelt. Vielmehr wird diese junge Frau durch gesellschaftliche Konventionen und religiöse Erwartungen in diese Ehe gezwungen. Dafür sollten wir die eindeutige Antwort der Nichtigkeit parat haben. Ich freue mich auf die weiteren parlamentarischen Beratungen und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
CDU/CSU
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ich frage die Bundesregierung: Warum liegen Ihnen keine Erkenntnisse vor? Ich frage das vor dem Hintergrund, dass eine aktuelle Antwort der Landesregierung Niedersachsens auf eine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vorliegt, in der genau diese Angaben für das Bundesland Niedersachsen gemacht worden sind. Wieso kann die Bundesregierung so eine Anfrage nicht beantworten?
GRUENE
Frau Ministerin , Sie haben mir Informationsmaterial zukommen lassen , wofür ich mich bedankt habe . Außerdem habe ich Sie darum gebeten , mir noch weitere Informationsmappen zu übersenden . Das Grundverständnis der PDS im Bundestag ist , dass wir als Bundestagsabgeordnete nicht nur die Aufgabe haben , Gesetzesvorlagen zuzustimmen oder sie abzulehnen , sondern dass wir die Menschen im Lande auch über die Risiken und Nebenwirkungen wie auch über die Auswirkungen unseres Tuns aufklären müssen . So habe ich die erste Informationsmappe meiner Hausärztin geschenkt , die diese in ihrem Wartezimmer ausgelegt hat . Sollten Sie mir die gewünschten weiteren Materialien übersenden , werde ich eine Informationsmappe in meiner Wahlkreissprechstunde für die Information der Bürgerinnen und Bürger nutzen . Eine Informationsmappe werde ich immer in der Tasche haben , um den Bürgerinnen und Bürgern , die mich danach fragen , was auf sie zukommt , zu erklären , dass ab Januar pro Quartal 10 Euro Eintrittsgebühr für die Arztpraxis fällig werden , dass sie ab Januar bei Arznei- und Verbandsmitteln mindestens 5 Euro pro Verordnung zuzahlen müssen , dass sie auch bei Heil- und Hilfsmitteln wie zum Beispiel Rollstühlen zuzahlen müssen - das ist in Ihrem Gesetzespaket vorgesehen - , und um zu erklären , welche Leistungen aus dem Katalog der gesetzlichen Krankenkasse gestrichen werden ; meine Kollegin Lötzsch hat das schon aufgezählt . Eine Antwort auf die wohl wichtigste Frage findet sich allerdings weder in Ihrem Werbematerial noch auf den Werbeplakaten zur Agenda 2010 , die uns in dieser Stadt und im Rest der Republik belästigen , nämlich wie wir dem Trend zur Aufsplittung der Sozialkassen in Teilkaskoversicherungen endlich entgegentreten und uns auf den Sinn des solidarischen Sicherungssystems zurückbesinnen können . Der Gedanke , der dahinter steht , lautet : Gesunde helfen Kranken , materiell Stärkere helfen materiell Schwächeren . Denn das schafft Zusammenhalt in unserer Gesellschaft . Diese Antwort bleiben Sie uns schuldig . Deswegen werden wir mit Ihnen auch weiterhin darüber streiten .
PDS/LINKE
Frau Präsidentin ! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen ! Man kann sich sehr oft des Eindrucks nicht erwehren , dass die rot-grüne Bundesregierung die nationale Lage nicht richtig einschätzt und deswegen auf europäischer Ebene Weichenstellungen vornimmt , von denen sie hinterher nichts mehr wissen will . Nachdem man Sie gehört hat , Frau Staatssekretärin , kann man sich dieses Eindrucks wirklich nicht mehr erwehren . Wenn die Debatte zu diesem Punkt Sie schon geschafft hat , dann muss man ja Angst und Bange haben , wenn Sie als Regierungsmitglied nach Brüssel geschickt werden , um unsere nationalen Interessen zu vertreten . Wenn Sie eine so harmlose Debatte schon schafft , bei der sich alle im Grundsatz einig sind und nur Sie einen Gegensatz konstruieren , um Ihre eigene Fehlleistung zu vertuschen , dann kann einem wirklich angst und bange werden . Zur Erinnerung : Es war doch diese Bundesregierung , die auch Sie , Frau Staatssekretärin , vertreten , die im März 2000 auf einer Sondertagung des Europäischen Rates in Lissabon zugestimmt hat , als dort als strategisches Ziel festgelegt wurde , dass Beschäftigung , Wirtschaftsreform und sozialer Zusammenhalt als Bestandteile einer wissensbasierten Wirtschaft gestärkt werden sollen . So lautet der Beschluss . Die Regierungschefs aller Mitgliedstaaten und damit auch die rot-grüne Bundesregierung waren an der Festlegung dieser Strategie beteiligt , mit der die Forderung verbunden ist , dass Hemmnisse im Dienstleistungsbereich beseitigt werden und die Liberalisierung beschleunigt werden soll , insbesondere im Beförderungsbereich . Diese Liberalisierung und Harmonisierung im Transportsektor haben Sie gewollt , sonst hätten Sie zu dem Lissabon-Prozess nicht Ja sagen dürfen . Auch Ihr Minister , der heute wieder einmal durch Abwesenheit in einer wesentlichen Debatte zur Verkehrswirtschaft in der maritimen Szene glänzt , hat sich noch zu Port Package I ganz positiv geäußert . Sie alle wissen es ja . Er hat die Lage völlig falsch eingeschätzt oder wusste vielleicht auch gar nicht , was er da im Einzelnen von sich gibt ; denn er hat auch in Barcelona und Brüssel weiterhin fleißig daran mitgewirkt . Vor diesem Hintergrund kann man durchaus verstehen , dass die Europäische Kommission , nachdem die anderen nationalen Regierungen ebenso wie die deutsche das so sehr befürworteten , Port Package II auflegt . Die Geister , die Sie da gerufen haben und nun selbst beklagen , sollen nun die Koalitionsfraktionen wieder in die Schranken weisen . Das macht Herr Beckmeyer in der ihm eigenen Art natürlich sehr geschickt . Er täuscht die Zuhörer darüber , welche Fehler sich die rot-grüne Bundesregierung geleistet hat , indem er die Sachlage so darstellt , dass die CDU/CSU-Fraktion etwas will , was sie allerdings nie gefordert hat . Das ist politisch klug , nur leider zu kurz gesprungen ; denn das fällt auf , Herr Kollege Beckmeyer . Herr Fischer hat Ihnen ja vorhin schon einmal deutlich gesagt , dass Sie sich da eine verlogene Welt zurechtzimmern . Sie , Frau Wetzel , haben sogar im Dezember eine Presseerklärung herausgegeben , in der Sie meiner Fraktion vorgeworfen haben , wir würden Port Package II unterstützen . Das haben wir nie getan . Das war voreilig , das war falsch . Wie so häufig war auch diese Pressemitteilung von Ihnen verkehrt . - Bevor Sie wieder so viel herumschreien , sollten Sie das zur Kenntnis nehmen und sich bei meiner Fraktion für diesen Fehler , den Sie sich geleistet haben , entschuldigen . Das wäre das Einfachste , was Sie tun könnten . Damit es auch die Öffentlichkeit weiß , sage ich noch einmal ganz deutlich - ich rede ja heute hier , damit klar wird , was wir wollen - : Aus ordnungspolitischen Gründen unterstützt die CDU/CSU-Bundestagsfraktion natürlich die Liberalisierungsmaßnahmen auf europäischer Ebene . Warum das ? Nur durch Wettbewerb erreichen wir sinkende Kosten und steigende Leistungen und nur dann bleiben wir wettbewerbsfähig . Das gilt natürlich auch für unsere Seehäfen . Das ist im Grundsatz auch richtig so . Die Frage ist nur , ob dieser neuerliche Vorschlag von Port Package II die Effizienz und Leistungsfähigkeit der deutschen Seehäfen fördert . Da muss man ganz klar sagen : Das tut diese Richtlinie nicht . Der Schuss würde nach hinten losgehen und uns schwer schaden , wenn diese Richtlinie Grundlage des europäischen Rechts werden würde . Denn die Europäische Kommission und auch diese Bundesregierung verstehen Liberalisierung falsch . Man kann natürlich Liberalisierung wollen , aber dann muss man sie global einführen , weil wir nun einmal im Zeitalter der Globalisierung leben . Wenn wir in Europa so freundlich sind , hier alles zu liberalisieren , dann führt das nur dazu , dass die großen asiatischen Wettbewerber , die zu Hause eine Monopolstruktur haben , mit einer ungeheuren Marktmacht hierher kommen , die deutschen und europäischen Wettbewerber aus dem Markt drängen und diesen übernehmen . Die deutschen Unternehmen hätten auf den anderen Märkten keine Chance , weil es dort nicht so liberal zugeht , wie wir es hier beschließen sollen . Von daher kann das , was hier vorgeschlagen wird , nicht richtig sein . Wir brauchen , nachdem Port Package I gescheitert ist und Port Package II scheitern wird , ein Port Package III . Dieses darf nicht wieder so verheerend ausfallen wie die ersten beiden Entwürfe . Wir haben in Deutschland ein Hafensystem , das bedarfsgerecht , unternehmerfreundlich und flexibel ist , das den Wettbewerb durchaus gestalten kann , das in den vergangenen Jahren Innovationen gefördert und sich durchaus als effizient erwiesen hat . Unsere Seehäfen sind Teil einer Boombranche . Wir hätten gerne viele Branchen , Herr Beckmeyer , die so gut funktionieren wie die deutsche Seeverkehrswirtschaft . Leider ist das nicht so . Der Boom in dieser Branche liegt Gott sei Dank nicht an Ihrer Politik , sondern den bringt die Globalisierung mit sich . Wenn Sie dafür zuständig wären , würde wahrscheinlich auch diese Branche noch zurückfallen . - Ist doch so ! - Aber wir brauchen - jetzt komme ich auf den Punkt , warum ich in großer Sorge bin ; Herr Beckmeyer , Sie kommen ja selber aus einem Hafenstandort - in der jetzigen Boomphase Investitionen von öffentlichen Trägern und privaten Kapitalgebern . Gerade in dieser Boomphase müssen wir die Seehäfen unterstützen . Die andauernden Diskussionen , erst über Port Package I und Port Package II - wie lange geht das schon ? und wer weiß , wann Port Package III kommt - , verunsichern jeden Investor , sowohl die öffentlichen Hände wie die privaten Investoren . Sie können mir glauben , dass ich weiß , wovon ich spreche . Das ist für die deutsche Seeverkehrswirtschaft in hohem Maße schädlich . Diese Bundesregierung ist daran federführend beteiligt . Sie redet groß auf maritimen Konferenzen ; ein Redeschwall folgt auf den anderen . Es kommt jedoch nichts Konkretes dabei heraus , nur schöne Worte , aber keine Taten . - Frau Faße , das ist leider die Politik Ihrer Regierung . Ich mache einmal einen Vorschlag : Treten Sie doch in die Regierung ein , dann wird es besser ! Lösen Sie die Staatssekretärin ab ! Sie verstehen ja wenigstens etwas davon . Aber Sie sind nicht in Brüssel . In Brüssel sitzt die Bundesregierung mit am Tisch . - Wenn Sie wenigstens das von meiner heutigen Rede verstehen , dann ist das ja schon mal was . Lachen bei der SPD) Ich habe von den Investitionen gesprochen , weil in dieser Richtlinie der Bestands- und Vertrauensschutz nicht mehr gegeben ist , den wir in Deutschland brauchen . Auf die Einzelheiten haben Herr Fischer und auch andere schon hingewiesen . Ich denke , dass wir das dringend korrigieren müssen . Das können wir so nicht durchgehen lassen . Ich denke auch , dass zum Beispiel die Auffassung der Bundeslotsenkammer , die Kompetenzverlagerung zur EU nicht vorzunehmen , sondern es bei der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten zu belassen , durchaus gerechtfertigt ist . Abschließend kann man nur sagen : Diese Bundesregierung muss endlich ihre Schulaufgaben in Europa richtig machen . Sie sollte die Empfehlungen der CDU/CSU-Fraktion dazu ernst nehmen , nicht unnötig Wahlkampf und keine falschen Debatten führen und diese Richtlinie ablehnen . Herzlichen Dank .
CDU/CSU
Wenn man falsch in einer Zeitung zitiert wird , dann sollte man dementieren , damit alle wissen , daß man das nicht so stehenläßt . .
FDP
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Friedrich, ich schließe mich natürlich den guten Wünschen meiner Fraktion an. Ich denke, wir werden hier durchaus noch einiges auszudiskutieren haben; über gewisse Dinge, die Sie gleich am Anfang Ihrer Amtszeit gesagt haben, möchte ich noch sprechen, aber an anderer Stelle. Lieber Herr Grindel, ich sage es vorweg: Ich werde Sie auch in Zukunft nie darüber befragen, was Ihre Frau abends zu den Dingen sagt, die Sie hier am Tag von sich geben. Ich sage das nur mal; ich kenne Sie schließlich ein bisschen. Wir sollten es dabei belassen. – Ich habe es ja freundlich gesagt. Es steht am Ende fest, dass hier ein Gesetz unnötig durchgepeitscht wird; das haben alle Sachverständigen am Montag gesagt. Ich habe mich gewundert, wie geduldig diese Sachverständigen eigentlich waren, zumal die CDU/CSUFraktion in der letzten Stunde nur noch mit einer Person in dieser Anhörung vertreten war. Sie haben den Sachverstand überhaupt nicht gewürdigt. Sie haben in der letzten Woche viele Punkte nachgereicht, und diese Punkte sollten die Sachverständigen mit behandeln. Sie haben selber gesagt, dass das gar nicht möglich war. Daher hätte etwas mehr Respekt vor dem, was uns Sachverständige liefern, gezeigt, dass Sie es mit diesem Gesetz ernst meinen. Dass Sie es nicht ernst meinen, zeigt, dass Sie es heute in aller Eile durchpeitschen müssen. Auch heute gibt es auf die Frage, warum darüber nicht vernünftig gesprochen wird, nicht eine inhaltliche Antwort. Kurz gesagt: Dass es gut ist, dass das Rückkehrrecht eingeführt wird, wurde erwähnt. Es sollte aber unabhängig davon gestaltet werden, wie alt die Betroffenen sind. An dieser Stelle noch der kurze Hinweis: Es ist auch egal, ob sie volljährig sind, wenn sie nach Deutschland eingereist sind. Das wurde hier noch nicht explizit gesagt, und daher möchte ich es hier erwähnen. Es ist doch vollkommen unabhängig davon. Denn selbst wenn sie nach Ihren Kriterien integriert wären, wäre das kein Hindernis. Insofern könnten Sie sich hinsichtlich dieses Punktes wirklich ein wenig bewegen. Dass der eigene Straftatbestand „Zwangsheirat“ Symbolpolitik ist, wurde hier schon mehrfach gesagt, und zwar zu Recht. Sie tun immer so – auch Herr Friedrich hat das heute getan –, als wäre das vorher überhaupt kein Thema gewesen. Sie wissen: Es war schon ein Straftatbestand. Jetzt haben Sie symbolisch einen eigenen Straftatbestand eingeführt und meinen, damit etwas verhindern zu können. Kein Sachverständiger – auch keiner von Ihren – hat diese Prognose bestätigt. Es bleibt also erst einmal abzuwarten. – Nein, das haben sie nicht bestätigt. Da waren wir wohl in verschiedenen Anhörungen. Sie haben eben gesagt, dass Sie mit sehr vielen NGOs gesprochen haben. Ich frage mich wirklich, mit welchen. Gerade weil Sie das Christliche hier immer wieder wiederholen: Die Prälaten der EKD und des Kommissariats der deutschen Bischöfe haben am 11. März 2011 an uns alle geschrieben. Sie haben gesagt, dass die Annahme Özoðuz vollkommen haltlos ist, dass man mit der Erhöhung der Mindestehebestandszeit von zwei auf drei Jahre etwas verhindern kann. Es bringe die Frauen in eine schlechte Lage, hieß es, und man solle das auf gar keinen Fall machen. Es haben uns sehr viele Organisationen geschrieben. Wir haben mit ihnen darüber gesprochen. Man fragt sich: Mit wem haben Sie gesprochen? Vielleicht haben Sie ja mit welchen gesprochen, aber das, was sie gesagt haben, haben Sie in dieses Gesetz dann aber nicht eingearbeitet. Das kann man festhalten. Bei der Anhörung wurde auch gesagt, dass man doch auch einmal mit der Gruppe der potenziell Betroffenen oder mit denjenigen sprechen sollte, die mit diesen direkt zusammenarbeiten. Es gibt beispielsweise ein Aktionsbündnis muslimischer Frauen, das sich gegründet hat und sogar vom Bundesministerium gefördert wird. Sie haben nie mit ihnen gesprochen, wie ich erfahren habe. Auch die haben noch einmal gesagt: Diese Frauen haben Angst, sich zu melden; sie haben Angst vor Abschiebung. Es wird eher so sein, dass sie noch ein drittes Jahr in diesem Gefängnis der Ehe bleiben, als dass ihnen mit dieser Regelung wirklich geholfen wird. – Was Sie da machen, geht also einfach nicht. Die Zahlenspielerei und Ihren Hinweis auf Visastellen finde ich schon besonders bemerkenswert. Die Bundesregierung sagt ja selber, belastbare Zahlen könne man nicht nennen. Was macht dann der Abgeordnete Grindel? Er fährt in die Visastelle und fragt: Was habt ihr denn für Zahlen? Die antworten: Wir verdächtigen soundso viele. – Das sind dann für Sie all die Scheinehen. Das kann doch nun nicht wirklich irgendeine belastbare Größe für unser Arbeiten hier im Bundestag sein. Das halte ich für absurd. Letzter Punkt. Die Integrationskurse. Sie haben eben noch einmal von Anreizen gesprochen. Das Wort „Anreiz“ ist ja gefallen. Wenn man den Leuten dann, wenn sie den Deutschtest bestehen, die Aufenthaltserlaubnis gibt – übrigens nur für bis zu einem Jahr; Sie sagen ja: „bis zu einem Jahr“; es ist einmal festzuhalten, dass Sie nicht „ein Jahr“ sagen –, dann schafft das Ihrer Meinung nach einen Anreiz. Was Sie damit in Wirklichkeit erreichen, ist doch Folgendes: Diejenigen, die mit guter Bildung hierherkommen und eine gute Voraussetzung haben, eine fremde und zudem schwere Sprache wie Deutsch schnell zu lernen, sollen schnell raus aus dieser Sache sein, eine solche Aufenthaltserlaubnis längerfristig haben und hier gut bleiben und arbeiten können. Die anderen werden an einem Gängelband gehalten.
SPD
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir behandeln heute einen Antrag der Linken, in dem formuliert wird, dass der Einbruch am Arbeitsmarkt geringer ist, als befürchtet. Meine Damen und Herren von der Linken, worüber diskutieren wir dann heute? Unsere Maßnahmen zur Bewältigung der Krise haben Wirkung gezeigt. Der große Einbruch am Arbeitsmarkt, den einige Experten in düstersten Prognosen ausgemalt haben, hat bisher nicht stattgefunden. Dies belegen die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit. Saisonbereinigt sind die Zahlen angesichts der Krise sogar positiv zu bewerten. In Ostdeutschland liegt die Arbeitslosenquote gegenwärtig bei 13,7 Prozent. Insgesamt sind 3,6 Millionen Menschen arbeitslos. Dies ist Ausdruck einer Arbeitsmarktpolitik mit Augenmaß, an der vor allem die unionsgeführte Bundesregierung einen großen Anteil hatte und hat. Unsere Arbeitsmarktreformen haben gewirkt. Vor der Krise nahm die Zahl der Arbeitslosen von über 5 Millionen auf knapp 3,2 Millionen ab. Im Februar 2010 sank die Arbeitslosigkeit in den neuen Bundesländern gegenüber dem Vorjahresmonat sogar um 3,5 Prozent. Das sind Erfolge, die Sie nicht wegdiskutieren können. Diese Zahlen zeigen, dass wir in den zurückliegenden Monaten durch die Einführung der Kurzarbeiterregelung, durch die Absenkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrages auf 2,8 Prozent und durch die Verlängerung der Arbeitslosengeld-I-Bezugsdauer für ältere Arbeitnehmer die richtigen Maßnahmen getroffen haben, um in der Krise Arbeitsplätze zu erhalten. Ein Wort zur Kurzarbeiterregelung. Mit den Konjunkturpaketen I und II hat die unionsgeführte Bundesregierung die Weichen richtig gestellt. Daran haben Sie von der SPD mitgewirkt. Die christlich-liberale Koalition hat im November letzten Jahres die Bezugsdauer von Kurzarbeitergeld verlängert. Diese Maßnahme finanzieren wir aus dem Bundeshaushalt mit circa 1,5 bis 2 Milliarden Euro. Dadurch unterstützen wir in der Krise Arbeitnehmer und mittelständische Betriebe dort, wo Hilfe gebraucht wird. Die Bundesagentur für Arbeit hat jüngst mitgeteilt, dass gerade kleine und mittelständische Betriebe die Kurzarbeiterregelung nutzen. 15 Prozent der Unternehmen, die weniger als 20 Mitarbeiter beschäftigen, nutzen die Kurzarbeiterregelung. Die Hälfte der Betriebe, die zwischen 20 und 500 Mitarbeiter beschäftigen, nutzt die Kurzarbeiterregelung. Von den großen Unternehmen nutzt nur ein Drittel die Kurzarbeiterregelung. Die christlich-liberale Koalition wird die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass die Arbeitsplätze der Arbeitnehmer in den mittelständischen Unternehmen erhalten bleiben. Eine Verlängerung der Arbeitslosengeld-I-Bezugsdauer würde die schon zu hohen Lohnnebenkosten weiter ansteigen lassen. Die Linke macht in ihrem Antrag keinen einzigen Vorschlag, wie diese Maßnahme gegenfinanziert werden soll. Eine Anhebung des Arbeitslosenversicherungsbeitrages und somit die Gefährdung von Hunderttausenden sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen wären die Folge. Im letzten Wahlkampf hat die Linke mit dem Slogan „Reichtum für alle“ geworben. Im Gegensatz zu Ihnen müssen wir verantwortungsvoll handeln. Wir können keine leeren Versprechungen abgeben. Mit der Verabschiedung des morgen auf der Tagesordnung stehenden Entwurfs eines SozialversicherungsStabilisierungsgesetzes werden wir Folgendes tun: Erstens. Die Beitragssätze und damit die Lohnnebenkosten werden stabilisiert. Zweitens. Die Bundesagentur erhält einen Bundeszuschuss, um ihre Mindereinnahmen auszugleichen. Drittens. Wir werden die Freibeträge für das Altersvorsorgevermögen von 250 Euro auf 750 Euro je vollendetem Lebensjahr erhöhen. Viertens. Außerdem stärken wir die private Altersvorsorge. Im Vergleich zu den Maßnahmen in anderen EU-Ländern haben unsere Maßnahmen zur Bekämpfung der Krise Wirkung gezeigt. Darauf können und werden wir uns nicht ausruhen. Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer konnten sehr schnell wieder in den Arbeitsmarkt vermittelt werden. Ein Grund dafür ist die aktive Arbeitsvermittlung. Ich möchte diese Gelegenheit heute nutzen und mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der BA und allen privaten Arbeitsvermittlern bedanken, welche mit großem persönlichen Einsatz tagtäglich Menschen wieder in Arbeit bringen. Mit Blick auf die demografische Entwicklung in den nächsten Jahren können wir es uns nicht leisten, jüngere Arbeitnehmer zu Hause zu lassen. Wir brauchen dringend Fachkräfte, vor allem in technischen und naturwissenschaftlichen Berufen. Wir werden alles daransetzen und entsprechend dem Bedarf auf unserem Arbeitsmarkt verstärkt qualifizieren und ausbilden. Als nächste schwierige Aufgabe steht die Neuordnung der Jobcenter im SGB II vor uns. Dies ist eine große, wichtige und bedeutende Aufgabe. Die Betroffenen sollen ihre Leistungen ab dem 1. Januar 2011 in gewohnter Weise erhalten. Wir lehnen den Antrag der Linken ab. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
CDU/CSU
Herr Präsident ! Liebe Kolleginnen und Kollegen ! Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Quotenregelung im Bremer Gleichberechtigungsgesetz hat bei vielen Enttäuschung und Verwirrung hervorgerufen . Ziel dieser Debatte sollte es deshalb sein , Klarheit über die Auswirkung dieses Urteils auf die Frauenförderung insgesamt zu schaffen . Da gilt es vor allem die Feststellung zu machen : Frauenförderung ist auch in Zukunft unabdingbar . . Solange im höheren Dienst der öffentlichen Verwaltung die Frauen deutlich unterrepräsentiert sind und bei Gremien des Bundes sogar nur 7 % der Stellen mit Frauen besetzt sind , können wir auf eine aktive Frauenförderpolitik nicht verzichten . Das ist auch nicht die Intention des Urteils . Diejenigen , die jetzt frohlockend das Ende der Frauenförderung kommen sehen , täuschen sich . Sie können sich nicht auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs berufen . Dieses lehnt lediglich eine automatische Bevorzugung gleich qualifizierter Frauen bei Einstellung und Beförderung ab . Damit wird ein Weg ausgeschlossen , der übrigens auch im Vorfeld dieses Urteils nicht unumstritten war . Benda hat in seinem Gutachten zu Notwendigkeiten und Möglichkeiten positiver Aktionen zugunsten von Frauen im öffentlichen Dienst 1986 sogar als Verfechter solcher positiven Aktionen darauf hingewiesen , daß sie nicht so ausgestaltet werden dürften , daß sie stets und ohne Möglichkeit der Abweichung in jedem Einzelfall das Ziel der Frauenförderung in den Vordergrund stellen . Frauenpolitik läßt sich nicht auf eine starre Quote reduzieren , sondern muß an die vielschichtigen Lebenswirklichkeiten von Frauen in unserer Gesellschaft anknüpfen . Noch immer sind die Chancen zwischen Frauen und Männern ungleich verteilt . Noch immer gibt es Rollenklischees , Doppelbelastungen , Vorurteile , Benachteiligungen und Diskriminierungen . Frauen werden auf schlechter bezahlte Berufe abgedrängt , und in Führungspositionen ist ihr Anteil verschwindend gering . Frauen werden in wirtschaftlich schwierigen Zeiten eher entlassen und später als Männer wieder eingestellt . In politischen Gremien und Institutionen sind sie stark unterrepräsentiert . Die Arbeit in der Familie ist auch heute noch vornehmlich Frauensache ebenso wie soziale ehrenamtliche Tätigkeit . Das Problem , Beruf und Familie zu vereinbaren , müssen in aller Regel die Frauen und nicht die Männer lösen . Teilzeitarbeit ist ebenso wie der Bereich der nicht sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse eine Domäne der Frauen . Sie erhalten auf Grund des geringeren Lohnes anschließend auch weniger Rente . Diese Beispiele zeigen deutlich , daß es bis heute nicht gelungen ist , die Lücke zwischen Anspruch und Lebensalltag zu schließen . Deshalb lassen Sie uns das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum Anlaß nehmen , gemeinsam mit Zielstrebigkeit und Beharrlichkeit die Gleichberechtigung weiter voranzubringen . Die Bundesregierung leistet dazu einen entscheidenden Beitrag . Seit einem Jahr ist das Zweite Gleichberechtigungsgesetz des Bundes in Kraft . Es setzt auf Instrumente wie Frauenförderpläne mit verbindlichen Zielvorgaben . Diese verbindlichen Zielvorgaben sind für die praktische Frauenförderung wegen ihrer Flexibilität ein geeignetes Instrument . Diese Möglichkeiten werden wir intensiv nutzen , um bestehende Benachteiligungen von Frauen weiter abzubauen . Aber die Pallette von Maßnahmen dieses Gesetzes reicht natürlich noch sehr viel weiter . Sie betrifft den Bereich der Fortbildung , der familiengerechten Arbeitszeiten , das Benachteiligungsverbot bei Teilzeitbeschäftigung und familienbedingte Beurlaubung sowie die verbesserte Repräsentanz von Frauen in staatlichen Gremien . Der Richterspruch berührt dieses Frauenförderungsgesetz des Bundes nicht . Im Gegenteil : In all . noch : Bundesministerin Claudia Nolte Rechtsansprüche noch schärfer in den Blick nehmen . Auch die Bereiche außerhalb des öffentlichen Dienstes müssen wir einbeziehen . Gerade die Frage nach der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit und der Chance von Frauen auf dem Arbeitsmarkt ist für Frauen von Bedeutung . Deshalb ist z . B . die zeitgerechte Erfüllung des Rechtsanspruches auf einen Kindergartenplatz dringend . Genauso waren die Maßnahmen der Arbeitsmarktpolitik zugunsten von Frauen wichtig . Allerdings halte ich es für nicht hinnehmbar , daß wir uns mit einem geteilten Arbeitsmarkt abfinden : den Männern den ersten , den Frauen den zweiten . . Die für den ersten Arbeitsmarkt Hauptverantwortlichen müssen ihre Verantwortung für mehr Chancengerechtigkeit in ihrem Bereich wahrnehmen . Ich habe deshalb in Thüringen eine Arbeitsmarktkonferenz durchgeführt , an der Wirtschaftspolitiker gleichermaßen wie Tarifpartner beteiligt waren . Ich will das auch in den anderen neuen Bundesländern tun . Denn in diesem Sinne verstehe ich auch Frauenförderung und werde weiterhin in diesem Bereich für den Abbau der Benachteiligung von Frauen kämpfen . . Weder die staatliche Frauenförderung insgesamt noch die Instrumente der Frauenförderung im Zweiten Gleichberechtigungsgesetz werden durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofes in Frage gestellt . Dieses Urteil kann und darf deshalb nicht zum Anlaß genommen werden , Frauenförderung zurückzuschrauben . Auch nach dem Luxemburger Richterspruch bleibt die Frauenförderung dringend notwendig und möglich . . Für die Gesamtbewertung des Urteils des Europäischen Gerichtshofes sind im übrigen noch die Folgeentscheidungen des Bundesarbeitsgerichtes zur Bremer Quote und unabhängig davon die ebenfalls noch in diesem Jahr zu erwartende Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zur Quote in NRW zu berücksichtigen . Meine Damen und Herren , der Gleichberechtigungsgedanke muß auch in der Europäischen Union und da vor allem in der Praxis noch stärker verankert werden . Ich finde es nicht gut _ es ist in vielen Berichten kritisch angemerkt worden _ , daß unter den obersten europäischen Richtern keine Frau ist . Ich denke , das kann so nicht bleiben . Da sind wir uns einig . . Für den Bereich der Arbeitswelt findet sich eine wichtige Grundlage für die Notwendigkeit und Zulässigkeit von Frauenförderung im Art . 6 Abs . 3 des Sozialprotokolls . An dieser Regelung hat die Bundesregierung maßgeblich mitgewirkt . Diese Ansätze sind im Rahmen der Vorbereitung der Regierungskonferenz 1996 in den vertraglichen Grundlagen weiterzuentwickeln . Ich halte darüber hinaus Maßnahmen der Europäischen Union für notwendig , die die Chancengleichheit von Frauen verbessern . Ich mache mich deshalb für das 4 . Aktionsprogramm der Europäischen Union zur Frauenförderung stark und bin zuversichtlich , daß wir die noch offenen Fragen bei gutem Willen aller klären werden . .
CDU/CSU
Herr Kollege, zuerst einmal bedeutet das erfreuliche Emissionsergebnis von gestern, dass die von der Bundesregierung unterstützte Einrichtung dieser Fazilität ein Erfolg ist. Die vor der ersten Emission gelegentlich zu hörenden Zweifel, dass das alles nichts taugt, dass nachgebessert werden und über alternative Instrumente nachgedacht werden muss, haben sich zumindest im Rahmen der ersten Emission nicht bewahrheitet. Deswegen sieht sich die Bundesregierung in ihrer Politik bestätigt. Zum zweiten Teil Ihrer Frage. Dass wir alle Maßnahmen prüfen, stimmt. Wir haben die Sozialisierung der Zinsunterschiede – das ist nichts anderes als die von Ihnen vorgeschlagene Emission von Euro-Anleihen – aus unserem Portfolio ausgeschlossen, weil wir glauben, dass die Zinsdifferenz – die Frau Bundeskanzlerin hat dies mehrfach deutlich gemacht – ein Bestandteil einer umfassenden Anreizstrategie hin zu mehr Solidität der Staatsfinanzen der betroffenen Länder sein kann. Wir glauben, dass mit der Emission von Euro-Anleihen genau dieser Anreiz verloren geht. Das ist Ergebnis und Stand unserer bisherigen Überlegungen und Prüfungen im Hinblick auf dieses Instrument.
Herr Minister, wenn wir über Schiedsgerichtsverfahren reden, dann ist damit oft die Sorge verbunden, dass durch Schiedsgerichtsverfahren an unseren berühmten Standards, an unseren Regulierungskompetenzen und Festsetzungskompetenzen für Standards gerüttelt werden kann. Wir haben viele Beteuerungen und Versprechungen gehört, dass natürlich niemand an den Standards rüttele, dass die europäischen Standards erhalten blieben. Ich möchte Sie fragen, wie Sie das Angebot der Europäischen Union an die USA bewerten, beispielsweise bei Pestizidrückstandswerten die Vorgaben des Codex Alimentarius zu übernehmen, der in weiten Bereichen ganz andere Werte enthält als unsere bislang geltenden europäischen Grenzwerte. Ich nenne nur ein Beispiel: das Pestizid Captan. In Europa haben wir dafür einen Rückstandswert von 3 Milligramm pro Kilogramm, und der Codex Alimentarius sieht 15 Milligramm pro Kilogramm vor. Da gibt es also erhebliche Standardunterschiede. Wie bewerten Sie dieses Angebot vor dem Hintergrund der Aussagen, niemand wolle Standards antasten?
GRUENE
Die Frage kommt jetzt. – Ist Ihnen bekannt, dass das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung ausdrücklich festgestellt hat, dass „Parlamentsarmee“ heißt: eine dem gesamten Parlament verantwortliche Armee – das bedeutet, dass das gesamte Parlament informiert werden muss –, und dass es nicht der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts entspricht, wenn die jetzige Bundesregierung irrtümlicherweise meint, dass sie, wenn sie einzelne Leute wie zum Beispiel Obleute informiert hat, ihrer Informationspflicht ausreichend nachgekommen ist?
GRUENE
Wir haben sie eingearbeitet . Noch gibt es keinen Grund , anzunehmen , daß die Summen , die wir zum Beispiel für den Kosovo-Einsatz , für das Warten in Mazedonien oder die Flüchtlinge vorgesehen haben , höher sein werden , als sie von uns geschätzt wurden . Es gibt allerdings zwei Unwägbarkeiten , Frau Höll : Wir wissen nicht , ob wir nicht bald in die Situation kommen , daß es zu einer Beendigung der Luftschläge und der kämpferischen Auseinandersetzung kommt und dann der Wiederaufbau erfolgen muß , und wir müssen eine zweite Frage beantworten , nämlich die , wie viele Soldaten wir im Kosovo benötigen , um dort die Rückkehr der Flüchtlinge zu organisieren . Ich kann mir ja auch vorstellen , daß die Bevölkerung Jugoslawiens _ wenn sie die Möglichkeit erhält , vielleicht eine andere politische Führung zu bekommen _ bei diesem Aufbau sehr viel aktiver mithelfen wird und die Notwendigkeit , dort mit mehreren zehntausend Soldaten hineinzugehen _ so wird das jetzt geschätzt _ , dann nicht gegeben ist . Das hängt sehr stark davon ab , was in den nächsten Wochen passiert . Hoffentlich dauert es nicht noch Monate .
SPD
Herr Präsident ! Meine sehr geehrten Damen und Herren ! Wir stehen tatsächlich vor einer großen Herausforderung ; das ist in diesem Hohen Hause bei allen Fraktionen sicherlich zustimmungsfähig . Die Frage ist , ob die Bundesregierung die richtigen Antworten auf diese große Herausforderung gibt . Eine große Herausforderung ist die Lösung der sogenannten Bankenkrise . Hierzu hat sich der Bundesfinanzminister eingelassen ; es war sehr interessant , ihm zuzuhören . Er hat beispielsweise gesagt , es gebe kein Drehbuch . Wenn man das hier so vorträgt , dann macht man es sich etwas zu einfach . Es geht bei der Bankenkrise zunächst um die Frage , die wir hier auch diskutiert haben : Gab es Staatsversagen ? Das war die Meinung der einen Seite dieses Hauses . Dann geht es um die Frage : Gab es ein großes Versagen der Vorstände der Banken oder der Banken überhaupt ? Das war der Schwerpunkt der anderen Seite dieses Hauses . Die Konsequenz aus den Diskussionen der letzten Monate ist , dass es auf der einen Seite in großem Umfang Staatsversagen und auf der anderen Seite in großem Umfang Versagen von Bankern durch Veruntreuung und Verschleuderung von Milliarden gab . Diese Konsequenzen müssen wir hier sehen . Dann müssen wir fragen : Was können wir jetzt tun , um eine solche Krise zukünftig zu vermeiden ? Auf der einen Seite muss der Staat anders handeln als in der Vergangenheit . Auf der anderen Seite müssen die Banker angehalten oder genötigt werden , anders zu handeln , als sie bisher gehandelt haben . So einfach sind im Grunde genommen die Konsequenzen , die aus den bisherigen Ereignissen zu ziehen sind . Nun hat der Bundesfinanzminister hier gesagt , es gebe kein Drehbuch . Ich sage noch einmal : So einfach sollte man es sich nicht machen . Es gab hierzu den Zwischenruf : Wer kein Drehbuch hat , sollte jetzt zurücktreten , weil er keine Antworten auf die Herausforderungen hat . Ich will beispielsweise ein Drehbuch nennen , das wir Ihnen empfehlen , das Drehbuch der Schweden . Das liegt der Bundesregierung vor . Die Schweden standen vor einer ähnlichen Herausforderung und haben diese Herausforderung erfolgreich bewältigt . Nun ist diese Herausforderung nicht völlig mit der jetzigen Situation vergleichbar , aber in vielen Dingen ist sie es natürlich schon . Ich möchte Ihnen erklären , warum wir , die Fraktion Die Linke , für das schwedische Modell plädieren . Wir plädieren nicht deshalb für das schwedische Modell , weil wir der Auffassung sind , der Staat sei der bessere Banker - es gibt einige solcher Klischees , die ständig wiedergekäut werden - , sondern weil wir der Auffassung sind , dass diese Regierung die verdammte Pflicht hat , die Verwendung von Steuergeldermilliarden zu kontrollieren . Das ist der Kern dieser Auseinandersetzung . Das tun Sie aber überhaupt nicht . Ich wiederhole : Diese Bundesregierung veruntreut in großem Umfang Steuergeld - in Milliardenhöhe - , indem sie Schecks verteilt , ohne sicherzustellen , dass das Geld auch ordentlich verwandt wird . Das ist der Kern des Problems . Das bedeutet ganz konkret : Wenn man einer großen Geschäftsbank , der Commerzbank , 18 Milliarden Euro hinüberschiebt , dann muss man auch folgende Fragen beantworten können : Erstens . Können sie solche Gelder wieder außerhalb der Bilanz verwenden ? Zweitens . Können sie solche Gelder vielleicht in Steueroasen verschieben ? Drittens . Können sie solche Gelder verwenden , um wieder Schrottpapiere zu kaufen ? Keines dieser Probleme haben Sie gelöst ! Es ist unglaublich , welch katastrophales Versagen und welche Ahnungslosigkeit man immer wieder feststellen muss , wenn man Ihnen zuhört . Wir haben versucht , Ihnen auf die Sprünge zu helfen . Wir haben gesagt : Wenn Sie unseren Vorstellungen nicht folgen wollen , sollten Sie zumindest die Vorschläge des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt ernst nehmen . Er hat einen Katalog zur Regulierung der Finanzmärkte vorgelegt , der weit besser ist als das , was Sie bisher vorgetragen haben . Es ist unglaublich , dass Sie das kommentarlos abgelehnt haben . Nun komme ich zu meinem zweiten Punkt , zum Konjunkturprogramm . Das Konjunkturprogramm ist natürlich in vielen Punkten richtig angelegt . Es ist aber viel zu klein bemessen , und es ist sozial unausgewogen . Der Bundesfinanzminister hat darauf hingewiesen , dass die außenwirtschaftliche Verflechtung der Bundesrepublik Deutschland 40 Prozent beträgt und dass die außenwirtschaftliche Verflechtung Deutschlands weitaus größer ist als die Japans , der Vereinigten Staaten von Amerika oder Chinas . Das alles ist richtig . Gleichzeitig fällt die Antwort , die Deutschland auf die konjunkturelle Krise gibt , ungleich zögerlicher aus als die Antwort der Staaten , die ich gerade nannte . Das muss doch zumindest einmal thematisiert werden . Wir lassen uns wieder einmal von den anderen ziehen und glauben , wir könnten endlos so weitermachen . Sie müssen auch einmal ein Argument anführen - irgendein Argument ! Sie haben wieder einmal betont , das Konjunkturprogramm sei angemessen dimensioniert . Ich habe Sie vor einiger Zeit darauf hingewiesen , dass der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt - es ist natürlich ein biss-chen boshaft , das hier zu sagen - erwähnt hat , dass man , um einen Rückgang der Wirtschaftstätigkeit um etwa 2 Prozent zu kompensieren , mindestens 3 bis 4 Prozent des Sozialprodukts aufbringen muss . Sie müssen einmal ein Argument anführen , warum Sie das nicht tun . Allein die Anwendung der Grundrechenarten müsste Sie eigentlich dazu bringen . Es ist an der Zeit , dass Sie Ihre Politik umstellen . Als der Bundesfinanzminister die Verschuldungssituation dargestellt hat , war von unserer Seite ein Zuruf zu hören . Ich frage Sie : Ist es von der Opposition denn wirklich vermessen , Sie darauf hinzuweisen , dass Sie hier noch vor dreieinhalb Monaten absoluten Unsinn vorgetragen haben ? Sie haben an dieser Stelle ausgeführt , Sie würden die Konsolidierungsziele einhalten , und die Staatsquote würde sinken . Angesichts dessen , dass Sie noch vor drei Monaten solch einen Unsinn von sich gegeben haben , wundert man sich , mit welch einer Frechheit und Dreistigkeit Sie hier auftreten . Herr Bundesfinanzminister , weil Sie gerade lächeln - das ist immer so schön - , nun zu Ihnen . Kürzlich hatten Sie die Ehre , vom Träger des Wirtschaftsnobel-preises 2008 in der New York Times erwähnt zu werden . Er hat einen wunderbaren Artikel über die ökonomischen Konsequenzen der Politik des Herrn Steinbrück geschrieben und Ihre Fehler erläutert ; anscheinend lesen Sie solche Artikel aber nicht , oder sie gehen einfach an Ihnen vorbei . Zum Schluss seiner Ausführungen hat der Autor geschrieben , dass Sie holzköpfig und dumm seien . Boneheadedness hat er Ihnen vorgeworfen . Wenn ein Nobelpreisträger der Nationalökonomie einen solchen Vorwurf äußert , dann sollte man zumindest einmal kritisch in sich blicken und sich fragen , ob man nicht gravierende Fehler gemacht hat . Boneheadedness - dieses Wort wird Ihnen in den nächsten Jahren an der Backe kleben . Das ist ein wunderbarer Begriff , um Ihre Arbeit zu beschreiben . Ich wiederhole : Mit den Begriffen Dummheit und Holzköpfigkeit wurden Ihre Bemühungen , auf die konjunkturellen Herausforderungen der Welt zu reagieren , charakterisiert . Es ist nun einmal so : Die größte Exportnation der Welt kann in einer weltwirtschaftlichen Krise dieses Ausmaßes im Vergleich zu allen anderen Industriestaaten nicht eines der kleinsten Konjunkturprogramme vorlegen . Das ist das Versagen , das man Ihnen vorwerfen muss . Mein letzter Punkt . Sie wollen einen Fonds zur Stützung der Industrie auflegen . Das ist nach unserer Auffassung richtig . Denn wir wissen nicht , ob in nächster Zeit weitere Rettungsaktionen erforderlich sein werden bzw . welches Ausmaß sie haben werden . Es wird in diesem Zusammenhang , übrigens auch von den Kolleginnen und Kollegen der liberalen Fraktion , immer wieder da-rauf hingewiesen , dass man Großbetriebe unterstützt , während man kleine Betriebe nicht unterstützt ; das ist ein Zwiespalt , in dem sich jeder , der Verantwortung trägt , befindet . Das ist natürlich eine völlig unbefriedigende Situation . Aber das ist auch eine moralische Frage : Wenn Großbetriebe Pleite machen , entsteht ein Strudel , in den viele Kleinbetriebe hineingezogen werden . Deshalb kann der Staat nicht tatenlos zusehen , wenn Großbetriebe Konkurs anmelden . Ich muss das in dieser Klarheit einmal ansprechen . Die Bundesregierung diskutiert jetzt darüber , wie man sich im Fall Schaeffler verhalten soll . Natürlich ist diese Diskussion notwendig ; aber man muss zu einem Ergebnis kommen . Es geht hier nicht darum , das Vermögen von Frau Schaeffler zu retten oder sie risikofrei zu stellen , es geht um 200 000 Arbeitsplätze . Der Staat kann nicht tatenlos zusehen , wenn Fehlentscheidungen zur Gefährdung dieser 200 000 Arbeitsplätze führen . Deshalb ist es richtig , wenn der Staat sowohl bei Opel als auch bei Schaeffler als auch bei anderen Betrieben versucht , lenkend einzugreifen . Das vertrete ich hier für unsere Fraktion . Auf der anderen Seite sollten wir aus den Fehlentscheidungen der Vergangenheit endlich Lehren ziehen . Schon in den 60er-Jahren ist darüber diskutiert worden , ob es richtig ist , im Rahmen der regionalen Strukturförderung Millionen zu geben - damals ging es noch um Millionen - , die letztlich den privaten Anteilseignern zukommen . Dies sei , so hat der sozialdemokratische Wirtschaftsminister Karl Schiller wörtlich gesagt , verteilungspolitisch problematisch . Seit den 60er-Jahren wird darüber diskutiert ; doch geändert hat sich überhaupt nichts . Als die Mauer fiel und es darum ging , die Frage zu beantworten , was aus dem Staatsvermögen der DDR werden soll , haben wir die Privatisierung als Antwort gegeben . Dabei hätten wir die Chance gehabt , eine andere Wirtschaftsstruktur anzugehen . Jetzt haben wir wieder diese Chance , weil der Staat in großem Umfang herausgefordert sein wird , Betriebe zu unterstützen . Die Linke gibt allerdings nicht die Antwort der Verstaatlichung , wie sie ein Ministerpräsident der CDU gegeben hat und wie die Bundeskanzlerin der Presse zufolge vernehmbar war . Die Linke sagt vielmehr : Belegschaftsbeteiligungen sind die richtige Antwort , wenn der Staat in großem Umfang eingreifen muss . Die Mitarbeitergesellschaft ist für uns die Gesellschaft der Zukunft . Wir müssen uns wieder der Frage stellen , wie wir die Demokratie in unserem Lande verwirklichen können . Ein Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen hat nach dem Kriege gesagt : Demokratie in der Politik und Absolutismus in der Wirtschaft , das wird auf Dauer nicht gut gehen . Wir haben jetzt die Chance , durch Belegschaftsbeteiligungen und Mitarbeitergesellschaften den Absolutismus in der Wirtschaft abzubauen .
PDS/LINKE
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! 0800 0116 016: Alles Mögliche haben wir heutzutage in unseren Smartphones gespeichert. Aber welche Frau verfügt in ihrem Telefonbuch über diese Nummer? Wer von uns kennt diese Nummer überhaupt? Normalerweise müssten sie mindestens 40 Prozent der in Deutschland lebenden Frauen kennen und auf ihrem Handy unter „H“ wie Hilfetelefon abgespeichert haben. Denn – das zeigt auch der Bericht – laut Studien sind etwa 40 Prozent der Frauen seit ihrem 16. Lebensjahr mindestens einmal psychischer und/oder sexueller Gewalt ausgesetzt gewesen. Die Nummer, die ich gerade genannt habe, ist die Nummer des Hilfetelefons, das seit März 2013 zur Verfügung steht und in dem Bericht ausdrücklich lobend angesprochen wird. Die Bundesregierung hat damit eine wichtige Lücke im Hilfesystem geschlossen. Denn das Telefon ist ein kostenloses, bundesweites und anonymes Erstberatungsangebot bei allen Formen von Gewalt. Es bietet Betroffenen, Angehörigen oder sonstigen Personen unkomplizierte Hilfe rund um die Uhr und in 15 Sprachen. Wir brauchen Angebote wie dieses für alle, und damit meine ich wirklich: für alle. Denn jedem muss klar sein, dass Gewalt gegen Frauen überall stattfindet, jederzeit und in allen Schichten. Ich teile die hier angesprochene Ansicht, dass es nichts mit Diskriminierung zu tun hat, wenn ein Mann seine Frau verprügelt, leider nicht. Das zeigt nicht nur ein großer Teil des Berichts. Wenn Frauen körperlich oder sexuell Gewalt erfahren, hat das häufig etwas mit Macht und mit Kleinhalten zu tun. Auch das ist für mich eine Form von Diskriminierung. Spätestens mit den Vorfällen in der Silvesternacht in Köln haben wir erlebt, dass sexuelle und körperliche Gewalt auch öffentlich passiert. Körperliche oder sexuelle Gewalt gegen Frauen kommt überall vor: auf öffentlichen Plätzen und Straßen, am Arbeitsplatz und oft zu Hause in den eigenen vier Wänden. Es ist erschreckend, wenn man hört, dass Frauen von häuslicher Gewalt mehr bedroht sind als durch andere Gewaltdelikte wie Körperverletzung mit Waffen, Wohnungseinbrüche oder Raub. Sexuelle oder körperliche Gewalt gegen Frauen reicht von einfachen Belästigungen wie anzüglichen Bemerkungen oder einem Klaps auf den Po über Schläge, Verprügeln, Stalking und Vergewaltigung bis hin zu Tötungsdelikten, nicht selten innerhalb von partnerschaftlichen oder familiären Beziehungen. Diese Übergriffe steigern sich dann im Hinblick auf Häufigkeit und Intensität. Mich hat es oft erschreckt, zu erleben, dass Opfer gerade dem Partner gegenüber später im gerichtlichen Verfahren sich selbst die Schuld gegeben und das Verhalten des Partners entschuldigt haben. Sie haben immer mehr das Gespür dafür verloren, was man eigentlich in einer Beziehung akzeptieren sollte und was nicht. So vielfältig diese Formen von Gewalt gegenüber Frauen sind – ich habe gar nicht alle Formen der Gewalt angesprochen –, so vielfältig sind auch die strafrechtlichen Einordnungen. Sie reichen von der einfachen Beleidigung bis hin zu Stalking, Körperverletzung, Vergewaltigung oder auch Tötungsdelikten. Leider bestehen im Strafrecht erhebliche Strafbarkeitslücken. Deshalb – das haben einige Kollegen schon zu Recht gesagt – braucht man beides: die Debatte in der Bevölkerung wie auch in manchen Fällen die Änderung des Rechts. Wir als Gesetzgeber müssen genau da ansetzen. Denn als Bundesgesetzgeber sind wir definitiv für die Reform des Strafrechts zuständig. Ein Beispiel ist die Reform der Straftatbestände bei Menschenhandel und Zwangsprostitution. In den nächsten Wochen und Monaten wird sicherlich ein Gesetzentwurf eingebracht. Denn es ist kein Geheimnis, und es ist auch keine Übertreibung, wenn ich sage, dass junge Mädchen und Frauen mitten in Europa wie Ware gehandelt werden. Sie werden wie Frischfleisch angepriesen und von einem Bordell ins nächste verkauft, benutzt und weggeworfen. Da müssen wir tätig werden – leider hat das gutgemeinte Prostitutionsgesetz zum Teil das Gegenteil bewirkt –; wir müssen die ersten Schritte gehen und werden sehen, wie praxistauglich diese sind. Auch im Bereich des Stalkings hat der Bundesjustizminister vergangene Woche einen Entwurf vorgelegt. Ich freue mich sehr darüber. Denn auch das zeigen die Statistiken: Es wurden 25 000 Fälle zur Anzeige gebracht, und es gab 400 Verurteilungen. Und warum? Ein erheblicher Grund für dieses Missverhältnis besteht in der Fassung des Straftatbestandes. Es ist nicht in Ordnung, zuerst zu verlangen, dass das Opfer wegen der permanenten Belästigungen seinen Arbeitsplatz wechselt oder umzieht. Wir müssen hier früher ansetzen. Ich freue mich, dass Justizminister Maas nun das Thema aktiv angeht. Das nächste Thema – Sie sprachen es schon an – ist die Reform des Vergewaltigungstatbestandes. Hier wird in den nächsten Wochen ein Entwurf in die Gesetzgebung eingebracht werden. Auch hier gibt es gravierende Schutzlücken, und zwar schon vor den Ereignissen in der Kölner Silvesternacht. Es kann nicht sein, dass die Fälle, in denen sich die Frau nicht wehrt, weil der Täter überlegen ist, oder in denen sich die Mutter nicht wehrt, wenn sie vergewaltigt wird, weil sie ihr Kind nicht aufwecken will, nicht bestraft werden. Die Rechtslage zu verbessern, ist das eine. Ich höre immer wieder, dass die Gesetze nichts bringen. Manchmal ist das so; das räume ich ein. Aber eine frühzeitig eingreifende Strafbarkeit kann vieles verhindern. Ich nenne als Beispiel den Bereich des Stalking. Wenn Opfer zur Polizei oder zur Staatsanwaltschaft gehen und ihnen dort gesagt wird, das sei doch nichts, und sie schließlich weggeschickt werden, dann spricht sich das herum. Die Opfer nehmen das mit. Glauben Sie mir: Gerade im Bereich des Stalking ist es wichtig, die Täter frühzeitig zu erreichen. Nicht wenige von ihnen haben psychische Schäden. Nicht selten führen diese harmlosen Stalking-Delikte zu einer Steigerung, bis hin zur Tötung. Ein weiterer Aspekt ist die Finanzierung. Sie haben recht: Die Finanzierung ist ein Hauptproblem. Dabei sind wir als Bund häufig nicht zuständig. Aber das Thema im Hinblick auf den Bericht anzusprechen, ist völlig richtig. Mir tut es in der Seele weh – dabei läuft in Bayern in diesem Bereich vieles besser als woanders –, wenn ich erlebe, dass lokale Einrichtungen wie der Notruf der Diakonie Hochfranken oder die „Schutzhöhle“ ums Überleben kämpfen müssen und dass nur dank der Medien, des Fernsehens und der Zeitungen, Gelder akquiriert werden, die das Überleben solcher Einrichtungen sichern. Jeden Euro, den wir an dieser Stelle sparen, müssen wir hinterher – genauso wie in der Jugendhilfe – mehrfach wieder ausgeben. Wenn wir die Opfer gleich zu Beginn alleine lassen und nicht optimal betreuen, tragen viele gesundheitliche Schäden davon. Auch die Kosten sind enorm. Viele Opfer landen in der Erwerbsunfähigkeit, weil sie mit den Belastungen nicht zurechtkommen. Daher kann ich nur sagen: Auch wenn der Bund nicht zuständig ist, sollten wir an einem Strang ziehen und uns eine Strategie überlegen. Hier bin ich sofort bei Ihnen. Das ist ein Bereich, den wir auch im Hinblick auf die Flüchtlingskrise nicht vernachlässigen dürfen. Ganz im Gegenteil: Wir werden ihn sogar ausbauen müssen. Wenn wir nicht wollen, dass sich Frauen aus Scham nicht melden, dann müssen wir dieses Thema mitten in die Gesellschaft bringen, und zwar nicht nur einmal am 8. März eines jeden Jahres, sondern immer wieder. Wenn wir wollen, dass Taten zur Anzeige gebracht werden und dass Männer, die zu solchen Taten neigen, therapiert werden, dann müssen sich mutige Nachbarn bei der Polizei melden, wenn sie hören, dass eine Frau zu Hause verprügelt wird. Wir müssen zudem junge Mädchen ermutigen, sich selbst einzugestehen, dass vielleicht in der eigenen Beziehung eine Grenze längst überschritten ist und dass man Hilfe in Anspruch nehmen sollte. Allen Betroffenen sage ich: Das Wählen der 0800 0116 016 kann die Eintrittskarte in ein neues Leben sein. Vielen Dank.
CDU/CSU
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will einmal eines klarstellen: Bei der Kontrolle der Vorgänge rund um den BBI Willy Brandt – so heißt der Flughafen; wahrscheinlich ärgert sich Willy Brandt in diesen Tagen, wenn er hört, was über den Flughafen erzählt wird – geht es um drei Gesellschafter, die tätig geworden sind bzw. untätig waren. Wir stellen fest: Eines der vielleicht bekanntesten Infrastrukturprojekte in Deutschland ist richtig versemmelt worden. Ich stelle jetzt nicht die Frage, die Gregor Gysi vielleicht gerne stellen würde, ob der Standort richtig ist, weil ich glaube, am heutigen Tag geht es um etwas anderes, nämlich um aus dem Ruder laufende Kosten, sehenden Auges der Geschäftsführung und aller Mitglieder im Aufsichtsrat. Das Ding sollte einmal weniger als halb so viel kosten. Wer bezahlt das? Offenbar hat kaum einer der Verantwortlichen einen Überblick über die Art und Weise des Baus. Die Öffnung wurde schon einmal verschoben. Was haben wir jetzt? Jetzt haben wir die Situation, dass sich die Airlines und auch der Non-Aviation-Bereich, also das Gewerbe dort, fragen, ob sie aufgrund der erneuten Verschiebung überhaupt Schadensersatz bekommen. Verträge wurden abgeschlossen, die besagen, dass eine Verschiebung von 18 Monaten hinzunehmen ist. Dahinter stecken bis zu 400 Menschen, die jetzt Kündigungen erhalten. Dahinter stecken Azubis, die dachten, am 1. September 2012 könnten sie mit einer Ausbildung anfangen. Dahinter steckt, dass der Steuerzahler nicht weiß, wie viel er am Ende auf allen drei Ebenen – in Berlin, in Brandenburg und im Bund – für eklatantes Missmanagement zuschießen muss. Das ist das Thema des heutigen Tages. Herr Ramsauer hüllt sich ja in Schweigen und bietet uns eine Ersatz-Soko an. An dieser Stelle kann ich Ihnen nur sagen: Nehmen Sie uns als Haushaltsgesetzgeber und als Kontrolleur ernst! Wir können es uns nämlich gar nicht gefallen lassen, dass es plötzlich doppelt so teuer wird und dass aufgrund der ganzen Hektik der letzten Monate noch mehr Kosten entstehen. In den letzten Monaten ist man, nur um den Termin 3. Juni 2012 politisch zu halten, damit man sich nicht blamiert, so weit gegangen, osteuropäische Tagelöhner mit dem mündlichen Versprechen von 5 Euro die Stunde vom S-Bahnhof Grünau ohne Sicherheitskontrolle in Bussen auf den Flughafen zu karren. Auch hier fragen wir: Was war da? Wer wusste davon? Wer musste davon wissen? Diese Fragen stelle ich an alle drei Gesellschafter. Wir lassen uns nicht mit dem lapidaren Satz abspeisen, Sie hätten es nicht gewusst und irgendjemand aus der Planungsabteilung hätte nicht genug gesagt, und wir lassen uns auch nicht mit dem lapidaren Satz abspeisen: Dann müssen jetzt all die Menschen, die in der Einflugschneise in Tegel leben, den Lärm vermehrt hinnehmen. Dazu sagen wir ein ganz klares Nein. Herr Ramsauer, Sie werden das Problem schon anders lösen müssen. Jetzt brauchen wir eine tabulose Aufklärung. Wir werden uns nicht mit dem Bauernopfer Körtgen zufriedengeben, der mal eben weggeschoben wurde. Ich glaube nicht – davon bin ich nicht zu überzeugen –, dass 2010 ein Eröffnungstermin verschoben wird und man danach als Geschäftsführung und als Aufsichtsratsmitglied nicht erkennt, dass man jetzt einmal die Zügel ein bisschen anziehen und sich um diese Baustelle wöchentlich kümmern muss. Das verstehe ich nicht. Ich kann dieses Konstrukt nicht akzeptieren, dass Planung und Controlling zusammengehören. Das macht doch kein Mensch mehr, das macht auch kein Unternehmen mehr. Sie hatten recht, Herr Döring: Das ist nicht nur altmodisch, das ist gaga. Ich kann nicht akzeptieren, dass angeblich der Brandschutz der einzige heikle Punkt sein soll. Ich habe eben von den Tagelöhnern gesprochen. Mir wird von Handwerksfirmen erzählt: Da haben wir schnell Wände hochgezogen, die wir eine Woche später wieder abgerissen haben, weil wir gemerkt haben, dass da ein bisschen was fehlt. – So nicht. Auch beim Brandschutz sage ich: Ich lasse mir nicht unterschieben – ich denke, die Mehrheit des Hauses auch nicht –, der Aufsichtsrat habe erst mit Datum vom 20. April 2012 davon erfahren. No way. Es kann mir keiner erzählen, dass die Entfernung zu groß war. Der zu bauende Flughafen ist ja nicht 3 000 Kilometer weit von Berlin entfernt. Die Verantwortlichen begegnen sich doch ständig alle paar Tage und Wochen. Und dabei sollen die Aufsichtsratsmitglieder und ein Herr Schwarz nicht miteinander geredet haben? Es wäre noch aufzuklären, ob dem wirklich so ist. Ich habe da so meine Zweifel. Ich kann mir schon gar nicht vorstellen, dass das Problem erst im Dezember 2011 aufgefallen ist. Vorher hat man Herrn Körtgen geholt, weil dieser den Umbau am Düsseldorfer Flughafen geleitet hat, nachdem dort bei einem Brand Menschen ums Leben gekommen sind. Man hat gesagt: Hierher kommt die modernste Technik. Dabei merkt man nicht, dass man das zielgenau führen muss? Das glaubt doch kein Mensch. Dann setzen Sie im Februar eine Taskforce Brandschutz ein. Davon soll der Aufsichtsrat nichts gewusst haben? Dafür bieten Sie uns jetzt Herrn Körtgen als Bauernopfer. No way. Dann gibt es eine Interimslösung. Man will die Entrauchungsanlagen und die Feuertüren im Handbetrieb bedienen. Handbetrieb statt Hightech auf dem größten internationalen Flughafen! Ich sage Ihnen ehrlich: Das lasse ich mir von niemandem bieten: nicht von Herrn Wowereit, nicht von Herrn Platzeck und auch nicht von Herrn Ramsauer. Dann pfeifen die Spatzen von den Dächern, dass die Aufsichtsbehörden in Dahme-Spreewald animiert werden sollten, die Erlaubnis für die Anlagen im Handbetrieb zu geben. Aber der Witz ist: Diese wissen, dass sie als kleine Mitarbeiter dafür persönlich haften – ich möchte wissen, was hier Brandenburg gemacht hat –, sodass sie nachts nicht mehr schlafen könnten, wenn einer auf dem Flughafen sterben würde. Aber die Aufsichtsratsmitglieder dachten: Wir werden uns schon rausreden. – Das kann ich nicht akzeptieren. Ich will Ihnen als letzten Satz eines sagen. Ich akzeptiere nach all diesen Vorfällen nicht, dass man sagt: Wir haben nichts gewusst. – Schauen Sie in die Kommentare zum Aktiengesetz. Dort steht: Zu den Aufgaben eines Aufsichtsrats gehört Verschaffen und Behalten eines Überblicks über die wesentlichen wichtigen Geschäftsvorfälle.
GRUENE
Herr Lowack , ich habe Ihnen mitgeteilt , daß uns keine fundierten Kenntnisse darüber vorliegen . Wenn Sie uns eine Praxis benennen können , die auf Grund des Gesundheitsstrukturgesetzes pleite gegangen ist , dann bitte ich Sie , mir diesen Arzt mitzuteilen . Er möchte mir unter Offenlegung seiner Einnahmen und Ausgaben nachweisen , daß diese Praxis infolge des Gesundheitsstrukturgesetzes nicht mehr existenzfähig ist .
CDU/CSU
Jetzt mal Butter bei die Fische! Die allgemeinen Regeln haben Sie verlesen; die kennen wir alle. Seit drei Monaten führt Saudi-Arabien Krieg, seit kurzem auch VAE und Katar. Diese Länder stellen regelmäßig Anträge auf Export von deutschen Kriegswaffen. Jetzt frage ich Sie ganz konkret: Wurde seit Beginn der Kriegshandlungen im Jemen, seit dem Einmarsch der Golfkooperationsrattruppen in den Jemen auch nur ein einziger Antrag auf Export von Kriegswaffen aus Deutschland in diese Länder abgelehnt oder nicht?
PDS/LINKE
Lieber Herr Kollege Haack , ich war an den Beratungen beteiligt . Ich habe noch einmal alle Reden nachgelesen . . Im November 1988 wurde etwas gesagt , was ich auch hier zum Abschluß sagen werde : Wir tun das Notwendige , um in einem ersten Schritt die gesetzliche Krankenversicherung zu stabilisieren . Es wurde von allen Rednern _ auch von Norbert Blüm _ von diesem Pult aus betont , daß dieser Schritt nicht ausreicht . und daß wir in einem zweiten Schritt eine Krankenhausreform , eine Reform der Kassenorganisation und eine Reform bei der Entwicklung der Arztzahlen brauchen . Das wurde bereits im November 1988 angekündigt . . Genauso sage ich auch heute _ damit Sie nicht in drei oder vier Jahren wieder zu einer Zwischenfrage aufstehen _ : Die Maßnahmen zur Notbremsung und zur gleichzeitigen Einleitung von strukturellen Änderungen bei den Ärzten , beim Arzneimittelbudget , im Krankenhaus- und Pharmabereich , bei der Pflegeverordnung , beim Personalbesatz im Krankenhaus werden nicht ausreichen , um eine Krankenversicherung zu bekommen , die auch im nächsten Jahrhundert garantiert , daß wir den Menschen _ und zwar jedermann , den Sozialhilfeempfänger wie den Gutverdienenden _ auf qualitativ hochwertigem Niveau versorgen können . . Deshalb wird ein dritter Schritt unumgänglich sein . Mir wie allen Koalitionären wäre es lieber , wenn wir jetzt die Zeit hätten , einige Monate zusätzlich über strukturelle Maßnahmen zu reden . Aber auf Grund der aktuellen Lage haben wir diese Zeit nicht . Ich möchte auch ein bißchen an die Rahmenbedingungen , unter denen diese ganze Operation stattfindet , und an den Grund dafür erinnern dürfen , daß wir die Gesichtspunkte einer Beitragssatzstabilität und einer gerechten Lastenverteilung besonders ernst nehmen müssen : Wir befinden uns in einer historischen Umbruchsituation , in der die Seelenlage der Bevölkerung sehr aufgewühlt ist . Ich bin der tiefen Überzeugung , daß man ein Reformkonzept in der Öffentlichkeit nicht hinüberbringen kann , daß man keine Akzeptanz für dieses Reformkonzept gewinnt , wenn man _ erstens _ nicht alle Beteiligten in die Pflicht nimmt und man _ zweitens _ nicht alle Anstrengungen unternimmt , auch unter Berücksichtigung der ersten Gesundheitsreform , damit die Lasten zur Stabilisierung des Beitrages gerecht auf alle verteilt werden . Wenn ich den Versicherten etwas zumute , dann müssen die Ärzte , die Krankenhäuser , die Apotheker und die Pharmahersteller einsehen , daß auch sie in dieser schwierigen historischen Zeit ihren Beitrag zur Beitragsstabilisierung erbringen müssen . . Es bleibt dabei : Beitragssatzstabilität ist das Gebot der Stunde . Wenn es in allen Bereichen erlaubt ist , neben fachlichen , sozialen und medizinischen Prioritäten auch finanzielle und ökonomische Prioritäten zu setzen , dann muß dies vor dem Hintergrund der großen auch ökonomischen Herausforderungen , die im Hinblick auf die fünf neuen Länder , aber auch auf den europäischen Binnenmarkt und die Situation in der alten Bundesrepublik bestehen _ es ist nicht so , daß wir hier ohne Probleme wären _ , erlaubt sein , daß wir neben den medizinischen Prioritäten , die in der Krankenversicherung natürlich berücksichtigt werden müssen , auch finanzielle und ökonomische Prioritäten beachten . Das drückt sich in Beitragssatzstabilität aus . Kern der Maßnahmen , jedenfalls der Sofortbremsung ist im Grunde genommen , daß nicht mehr ausgegeben werden kann , als eingenommen wird . Ich weiß nicht , was daran unsozial , ungerecht , sozialistisch oder planwirtschaftlich sein soll . Ich könnte mir auch vorstellen , daß man sagt : In einer solchen Situation sind Nullrunden erforderlich , was die Honoraranstiege , die Mengenanstiege u . ä . betrifft . Das haben wir nicht getan . Wir haben die Zuwächse beschränkt . Deshalb ist es ja eine geradezu gespenstische Diskussion , wenn auf der einen Seite die Rede davon ist , es seien Luftbuchungen , und uns auf der anderen Seite diejenigen , die von den angeblichen Luftbuchungen betroffen sind , vorhalten , daß beim Inkrafttreten dieser Sparmaßnahmen eine ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten nicht mehr möglich sei .
CDU/CSU
Herr Präsident ! Die Große Anfrage der SPD zur Finanzlage der Rentenversicherung und der Rentenversicherungsbericht 1995 der Bundesregierung sowie das Gutachten des Sozialbeirats sind Anlaß für die heutige Debatte über Lage und Situation der gesetzlichen Rentenversicherung . Da wir davon ausgehen können , daß die Vermittlungsbemühungen im Vermittlungsausschuß scheitern , steigt der Rentenversicherungsbeitrag im nächsten Jahr auf mehr als 20 Prozent - auch der Bundesarbeitsminister spricht von 20 ,3 Prozent - , liegt also um einen vollen Prozentpunkt höher als in diesem Jahr . Damit wird eine psychologisch ganz unzweifelhaft wichtige Grenze überschritten . Dies steht im klaren Gegensatz zu unseren Ankündigungen , Lohnnebenkosten insgesamt zu senken und mit Sparmaßnahmen den drohenden Anstieg auf mehr als 20 Prozent zu verhindern . Ich verhehle nicht , daß diese Tatsache Schockwirkungen auslösen kann , daß Wirtschaft und Tarifpartner im Ringen um niedrige Tarifabschlüsse ein falsches Signal von der Politik erhalten , daß die Glaubwürdigkeit des verabredeten Kurses - Senkung von Steuern und Abgaben - leidet . Aber die Debatte sollte nicht Panik verbreiten , sondern Nachdenken auslösen über die Ursachen , warum wir diesen Anstieg der Rentenversicherungsbeiträge erleben müssen . Wir müssen einsteigen in die Bewertung der beschlossenen Sparmaßnahmen . Was ist die Hauptursache für den starken Beitragsanstieg ? Die Hauptursache liegt nach wie vor in der riesigen Belastung durch die Frühverrentung . Auch in diesem Jahr gibt es mehr als 300 000 Frühverrentungsfälle . Das heißt , mehr als die Hälfte der Rentenzugangsberechtigten bekommen eine Leistung aus der Rentenversicherung , die eigentlich dem Risiko Arbeitslosigkeit zuzuordnen ist . Ein weiterer Grund dafür ist - damit eng zusammenhängend - die wachsende Arbeitslosigkeit . Es befindet sich alles in einem Teufelskreis : hohe Arbeitslosigkeit auf Grund wettbewerbsschädigender hoher Lohnnebenkosten , hohe Lohnnebenkosten auf Grund wachsender Arbeitslosigkeit . In der Öffentlichkeit wird man sich die Augen reiben und sagen : Da waren doch die vielen Sparmaßnahmen , die nach erbitterten Auseinandersetzungen im Bundestag und Bundesrat schließlich auch durchgesetzt wurden . Die stellten doch gerade den kurzfristig drohenden Anstieg als vermeidbar hin . Was Fachleute wissen , aber in der Öffentlichkeit immer noch nicht hinlänglich bekannt ist - und deswegen auch immer wieder gesagt werden muß - : Die beschlossenen Änderungen wirken nicht sofort , sondern auf Grund des Vertrauensschutzes erst in etwa zwei Jahren . So werden wir in diesem Jahr noch einmal 300 000 Frührentner haben , obwohl diese Schleuse geschlossen und der Zugang zur Rente auf Grund von Arbeitslosigkeit abgeschafft wurde . Ich erinnere an weitere Gesetze , die wir gegen die Opposition durchgebracht haben , um die Rentenversicherung zu entlasten . Es ist , glaube ich , notwendig , daß wir uns dies noch einmal vor Augen führen . So wurde die Möglichkeit , neben einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit etwas hinzuzuverdienen , drastisch eingeschränkt . Die Friedensgrenze zwischen Rentenversicherung und berufsständischen Versorgungswerken wurde neu geregelt . Die für die Rentenversicherung verheerende Rechtsprechung zu den Renten wegen Erwerbs- und Berufsunfähigkeit wurde korrigiert . Das Rentenanpassungsverfahren in den neuen Bundesländern wurde an das der alten Länder angepaßt . Im Wachstums- und Beschäftigungspakt folgten weitere Maßnahmen : Es gab die Heraufsetzung der Altersgrenze , die Verkürzung der Anerkennung von . noch : Gisela Babel Fremdrentenrecht , die Privatisierung von Rentenvermögen . . Die Koalition hat also den Umbau in der Rentenversicherung . beherzt angepackt , obwohl die beschlossenen Maßnahmen wahrlich nicht populär sind . Alle Maßnahmen mußten wir gegen die Totalblockade der Opposition in diesem Haus und im Bundesrat durchsetzen . . Durchgesetzt haben wir alles , was wir ohne Zustimmung der SPD im Bundesrat durchsetzen konnten . Aber es gibt Teile in dem Katalog beitragsdämpfender Maßnahmen , die zustimmungsbedürftig sind und bei denen die Opposition in der Pflicht steht . Ich nehme ein eklatantes Beispiel : die Verwaltungskosten in den Landesversicherungsanstalten . Meine Damen und Herren von der SPD , bitte erklären Sie doch einmal , warum man nicht bereit ist , eine Aufblähung der Verwaltung - vielleicht durch die Wiedervereinigung gut begründet , als man in der Tat mehr Verwaltungskapazitäten aufbauen mußte , um die Probleme zu bewältigen - in der Größenordnung von 40 Prozent in fünf Jahren - wesentlich höhere Zuwächse als zum Beispiel auch in der Arbeitslosenversicherung , wo es nur 20 Prozent sind - wieder abzubauen ! Das können Sie doch überhaupt keinem erklären . . Hier weigern Sie sich im Vermittlungsausschuß . Sie haben sich etwas Interessantes ausgedacht : ein Junktim zwischen der Zustimmung zu diesen Maßnahmen , die vernünftig wären , . und der Frage , ob man 590-DM-Verträge bei Nebentätigkeiten rentenversicherungspflichtig machen sollte . . Hier hat die FDP in der Tat energisch Widerstand geleistet . und den Koalitionspartner bewogen - mühsam und unter Mithilfe der CSU , wie ich dankbar anmerke - , den Pakt abzulehnen . . Das könnte gleichwohl bei manchen Kollegen der Koalition und auch beim Bundesarbeitsminister die Vorstellung nähren , es seien die SPD und die FDP , die schuld seien an den 20 Prozent übersteigenden Rentenversicherungsbeiträgen . Deswegen will ich hier ein ganz klares Wort sagen : Wer Arbeit entlasten will , Sozialbeiträge senken will , kann das nicht tun , indem er an anderer Stelle Arbeit wieder belastet und Beiträge eintreibt , wo bislang keine gezahlt wurden . Ich will es einmal ganz drastisch sagen : Sie können doch nicht einen Bankräuber dadurch bekehren , daß Sie ihn überreden , nur noch Handtaschen zu stehlen . Es muß eine klare Linie sein , daß wir wirklich überall Arbeit entlasten . Deswegen komme ich zu Ihnen , Frau Böhmer , weil Sie darauf eingegangen sind , wie sehr der Arbeitsprozeß Erosionen , wie Sie es genannt haben , hervorruft . Auch ich sehe diese Erosionen , und auch ich sehe sie mit Sorge . Aber das , was hier in Sachen Nebentätigkeit geplant ist , ist meist nicht der Punkt . Die Rentenversicherungspflicht ist besonders unsinnig , es sei denn , man denkt , daß man alle diese Ameisen melken könne , das heißt , daß es viel Geld in der Rentenversicherung gebe . Sie werden aber natürlich die Schwarzarbeit unterstützen . . Sie werden eine Fülle von Arbeitnehmern , die sich ein Zubrot verdienen , einfach verprellen . Meine Damen und Herren , wie weit entfernen wir uns von der Lebenswirklichkeit , wenn wir wirklich immer weiter Fesseln an solche Verträge anlegen wollen ? Ich halte es für völlig unzumutbar . Die FDP macht das nicht mit . Insofern kommen wir nicht umhin : Wir müssen sparen und Leistungen einschränken . Auf die Verwaltungskosten habe ich schon hingewiesen . Die SPD meint , für Oppositionspolitik genüge es , immer wieder nur Schmerzensschreie auszustoßen und als schmerzfreie Therapie die Finanzierung über Steuern vorzuschlagen . Steuererhöhungen finden in Ihren Reihen immer Anklang . Sie träfen , so meinen Sie , nur eine kleine Gruppe , mit der Sie nichts zu tun haben : die Gruppe der Reichen . Steuererhöhungen treffen aber auch Arme , nämlich diejenigen , die durch diese Belastung ihren Arbeitsplatz gefährdet sehen oder die bereits arbeitslos sind . Mit neuen Geldquellen ist die Rentenversicherung nicht beitragsstabil zu halten . . Kann uns die mangelnde Qualität der Opposition über eigene Fehler hinwegtrösten ? Ich meine , nein . . noch : Gisela Babel man früher hätte handeln und dem Rat der Fachleute - ich rechne Herrn Dreßler sogar dazu ; er hat sehr früh angemahnt , Maßnahmen zu treffen - folgen sollen . Das sind nicht die Maßnahmen , an die Herr Dreßler denkt , aber es sind Maßnahmen , die in der Öffentlichkeit diskutiert worden sind . Die Strukturreform von morgen hätte man schon gestern beginnen müssen . Daraus haben die Bundesregierung und die Koalition gelernt . Die langfristige Stabilisierung der Rentenversicherung wird in Angriff genommen . Damit befaßt sich eine Regierungskommission , deren Vorschläge im Dezember vorliegen sollen . Ich gehe davon aus , daß sich die Kommission nicht darauf beschränken wird , nur die Einnahmeseite zu verbessern . Insofern glaube ich auch nicht , daß es richtig wäre , das zum Anlaß zu nehmen , 590-DM-Verträge sozialversicherungspflichtig zu machen . Das Problem der Flucht in diese Verträge ist das Problem der hohen Lohnnebenkosten . Das muß man sehen . Wenn es uns nicht gelingt , eine Absenkung bei Steuern und Abgaben zu erreichen , dürfen wir diese Diskussion nicht führen . Frau Fischer hat sich ein wenig neblig ausgedrückt ; dann hat sie allerdings wieder an die junge Generation gedacht , bei der die Grünen Anklang finden wollen . Ich denke jedoch , daß man um Leistungskürzungen nicht herumkommen wird . Das wird nicht jetzt und auch nicht morgen sein , aber langfristig wird das sicher zur Konsolidierung gehören . Wir werden auf einen neuen Generationenvertrag hinarbeiten . Es ist richtig , daß man zumindest in der politischen Auseinandersetzung auf solche Dinge hinweist . Das Ziel , die Lohnnebenkosten unter 40 Prozent zu drücken , scheint durch diese Debatte in utopische Ferne gerückt zu sein und von der Koalition nicht mehr verfolgt zu werden . Ich möchte festhalten , daß das Ziel , die Lohnnebenkosten auf unter 40 Prozent zu senken , ein Ziel dieser Regierung , dieser Koalition und sicher auch der FDP bleibt . Davon sollten wir uns nicht verabschieden . Langfristig wird der Umbau gelingen , und mittelfristig sind auch in der Rentenversicherung die Weichen richtig gestellt . Nach Herumreißen des Steuers dauert es immer eine gewisse Weile , bis der Tanker Rentenversicherung seine Richtung ändert . Wir haben das Steuer herumgerissen , und wir sind auf richtigem Kurs . Ich bedanke mich . .
FDP
Frau Kollegin, die Entscheidungen sind noch nicht gefallen. Das Bundesverkehrsministerium ist nicht für National Roaming, wohl aber für regionales Roaming, wenn man es gut einrichten kann.
Herr Präsident ! Meine Damen und Herren ! Ich möchte in meiner Rede nur auf einen Punkt des Antrags der SPD eingehen , und zwar auf die Frage der Regelung des Sorgerechts nach Trennung und Scheidung . Immerhin muß man , wenn man den jetzt vorgelegten Antrag mit dem aus der vergangenen Legislaturperiode vergleicht , zu der sehr positiven Feststellung kommen , daß sich die SPD vom gemeinsamen Sorgerecht als Regelfall , d . h . von der Vorstellung , das in der Ehe gegebene gemeinsame Sorgerecht könne auch nach der Trennung und Scheidung automatisch fortexistieren , verabschiedet hat . Die ursprünglichen Vorstellungen der SPD haben in der Gesellschaft eine sehr breite Diskussion hervorgerufen . Je länger diese andauerte und je stärker tatsächlich das Wohl des Kindes in den Mittelpunkt gestellt wurde , desto länger wurde die Liste derjenigen , die die Regelfallregelung beim gemeinsamen Sorgerecht ablehnen . Die Regelfallregelung wird keineswegs nur von Verbänden , die vorwiegend die Interessen Alleinerziehender vertreten , abgelehnt , wie das hier zuweilen behauptet wird . Vielmehr sind es auch die Familienverbände und der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband , die ihre Erfahrungen aus der Betreuungs- und Beratungspraxis in die Debatte eingebracht haben . Es ist in der Folge dieser breiten gesellschaftlichen Diskussion zu einem außerparlamentarischen Bündnis Gemeinsames Sorgerecht ? Ja _ auf Wunsch beider Eltern , nicht als Regelfall gekommen . Ich meine , daß die intensive , sachliche und auch beharrliche Arbeit wesentlich dazu beigetragen hat , daß die SPD hat einsehen müssen , daß das gemeinsame Sorgerecht als Regelfall gerade nicht mit dem Kindeswohl begründet werden kann . Jetzt hat die SPD die Forderung des Bündnisses Gemeinsames Sorgerecht ? Ja _ auf Wunsch beider Eltern , nicht als Regelfall nach einer Elternvereinbarung aufgegriffen , der zufolge die Eltern künftig gehalten sein sollen , unabhängig von der Sorgerechtsregelung zunächst einmal die Frage des Aufenthalts , des Umgangs , der Pflege , der Erziehung des Kindes und nicht zuletzt die Frage des Unterhalts einvernehmlich zu klären . In der Frage der Sorgerechtsregelung selbst hat sich die SPD dazu durchgerungen , daß das Gericht dem übereinstimmenden Vorschlag der Eltern zur Regelung der nachehelichen Sorge folgen soll , wenn dieser dem Kindeswohl nicht widerspricht . All das ist ausdrücklich zu begrüßen . Beim genauen Lesen des Antragstextes wird aber deutlich , daß sich die SPD noch immer nicht von der nicht nur irrigen , sondern auch , wie ich meine , gefährlichen Ansicht getrennt hat , das gemeinsame Sorgerecht sei per se die das Kindeswohl am besten fördernde Sorgerechtsform . Der Antrag der SPD sieht vor , daß im Streitfall _ ich rede jetzt nur über die strittigen Fälle _ der Art , daß nur ein Elternteil das alleinige Sorgerecht beantragt , das Gericht diesem nur dann folgen soll , wenn dies zur Wahrung des Kindeswohls angezeigt ist . Das heißt , die SPD führt in ihrem Antrag für die Übertragung des alleinigen Sorgerechts im Streitfall ein Kriterium ein , das sehr viel schärfer gefaßt ist als die jetzige Regelung in § 1671 BGB , nach der eine Sorgerechtsregelung getroffen werden soll , die dem Wohle des Kindes am besten entspricht . Warum diese Unterschiede ? Warum wird diese Differenz aufgebaut ? Ich meine , der Hintergrund ist , daß transportiert werden soll , daß das gemeinsame Sorgerecht grundsätzlich doch das bessere sei . Folgt man dem Antrag der SPD , muß derjenige Elternteil , der das alleinige Sorgerecht , aus welchen Gründen auch immer , will , den Nachweis erbringen , daß trotz Trennung und Scheidung die Beibehaltung des gemeinsamen Sorgerechts nicht zur Wahrung des Kindeswohls geeignet ist bzw . dem Kindeswohl sogar schadet . Angesichts der noch immer virulenten Fiktion , die Wahrnehmung der elterlichen Verantwortung insbesondere durch Väter lasse sich durch das Rechtsinstitut der gemeinsamen Sorge befördern _ Frau Grießhaber hat das hier deutlich formuliert _ , wird es dem Elternteil , der das alleinige Sorgerecht beantragt _ das sind in der Regel Frauen _ nicht oder nur sehr schwer gelingen , diesen Nachweis zu erbringen und die Übertragung des alleinigen Sorgerechts durchzusetzen . . noch : Christina Schenk Im übrigen heißt das , daß die von der SPD vorgesehene Regelung dazu führen kann , daß das gemeinsame Sorgerecht auch im strittigen Fall gegen den Willen eines Elternteils angeordnet wird . Im Antrag der SPD wird diese für das Kind absolut schlimmste Variante jedenfalls nirgendwo explizit ausgeschlossen . Der Ermessensspielraum für die Gerichte ist enorm . Es ist mir sehr wichtig , das so deutlich zu sagen : Es muß klar sein , daß es im strittigen Fall im Interesse des Kindes stets nur die Entscheidung geben kann , das alleinige Sorgerecht auf einen Elternteil zu übertragen . Die nacheheliche Sorgerechtsregelung hat das Kind vor den Konflikten der Eltern zu schützen und es diesen nicht schutzlos auszuliefern . Von daher wäre es durchaus angebracht , Eltern , die den Wunsch nach einem gemeinsamen Sorgerecht äußern , aufzufordern , darzutun , daß sie willens und vor allem in der Lage sind , den besonderen Anforderungen , die die nacheheliche Ausübung des gemeinsamen Sorgerechts an Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit stellt , gerecht zu werden . Noch einmal : Die für das Kind beste Sorgerechtsregelung ist immer die , die das Kind so gut wie nur möglich vor eventuellen Elternkonflikten schützt . Das heißt , das gemeinsame Sorgerecht kann nach einer Trennung bzw . Scheidung nur dann dem Wohl des Kindes zuträglich sein , wenn die Eltern die notwendige Bereitschaft und die notwendige Fähigkeit zur Kommunikation und Kooperation mitbringen . Meine Damen und Herren , an dieser Stelle ist es ganz hilfreich , auch einmal einen Blick auf die gesellschaftlichen Realitäten zu werfen . Höchstens 10 % der geschiedenen Eltern _ das mag gebietsweise etwas unterschiedlich sein _ entscheiden sich für das gemeinsame Sorgerecht . Eine Begründung dafür , die Ausnahme per Gesetz zur Regel umdefinieren zu wollen , wenn auch nur durch die Hintertür , ist bislang noch nicht geliefert worden . Ich will anschließend noch einmal die Grundprinzipien nennen , die unserer Auffassung nach einer Neuregelung des elterlichen Sorgerechts zugrunde liegen sollten . Erstens . Die gesetzliche Regelung des Sorgerechts muß ohne Bevorzugung eines bestimmten Modells erfolgen , so daß sich Eltern frei und entsprechend ihren persönlichen Bedingungen für eine Sorgerechtsform entscheiden können . . Dies allein ist der bestmögliche Schutz des Wohls des Kindes . Ich meine , die Jugendämter sollten in ihren Beratungsgesprächen explizit darauf hinweisen , daß zu den notwendigen Voraussetzungen für das nacheheliche gemeinsame Sorgerecht die Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Eltern unabdingbar dazugehört . Sie müssen die Eltern über die Gefahr für das Wohl des Kindes aufklären , die entsteht , wenn diese Voraussetzungen nicht gegeben sind . In solchen Fällen ist das alleinige Sorgerecht immer die bessere Entscheidung . Zweitens . Bei einer Scheidung sind die Eltern aufgefordert , dem Gericht einen einvernehmlichen Vorschlag zur nachehelichen Sorgerechtsregelung zu unterbreiten . Die Gerichte haben diesem Vorschlag zu entsprechen , wenn dieser dem Kindeswohl nicht widerspricht . Drittens . Beantragt nur ein Elternteil die Zuweisung des alleinigen Sorgerechts oder stellen die Eltern sich widersprechende Anträge , so soll das Gericht wie bisher dem Antrag folgen , der dem Kindeswohl am ehesten entspricht . Die Übertragung und die Aufrechterhaltung des gemeinsamen Sorgerechts gegen den Willen eines Elternteils ist auszuschließen , und zwar absolut . Der letzte Punkt ist meiner Meinung nach für die Praxis des gemeinsamen Sorgerechts sehr wichtig . Können sich die Eltern bei Ausübung des gemeinsamen elterlichen Sorgerechts in einer einzelnen Angelegenheit der elterlichen Sorge nicht einigen , so hat der betreuende Elternteil Entscheidungsvorrang . Ich meine , gerade bei der Frage des Sorgerechts ist es relativ einfach , zu vernünftigen Regelungen zu kommen , zumindest solange man sich den Blick nicht durch Mythen oder durch Wunschdenken verkleistern läßt . Vielen Dank . .
PDS/LINKE
Frau Präsidentin ! Sehr geehrte Damen und Herren ! Mehr Arbeit statt Arbeitslosigkeit ist nicht nur ein soziales , sondern vor allem auch ein finanzielles Gebot der Stunde . Nach Auffassung der Bundesregierung soll das vorgelegte Standortsiche13764 Deutscher Bundestag _ 12 . Wahlperiode _ 161 . Sitzung . Bonn , Donnerstag , den 27 . Mai 1993 Fritz Schumann rungsgesetz auf die Förderung des gesamtwirtschaftlichen Wachstums durch Stärkung der Investitionstätigkeit gerichtet sein . So kann man es nachlesen in der Zielsetzung des Gesetzentwurfs , weil es dort so formuliert ist . Wachstum , sei es gesamtwirtschaftlich , wie von der Bundesregierung formuliert , oder ökologisch und sozial verträglich , was unseren Vorstellungen entspricht , kann nicht nur durch Investitionstätigkeit allein erzeugt werden , obwohl das natürlich eine wichtige Voraussetzung ist . Wirtschaftliches Wachstum erfordert in jedem Falle Menschen , die mit ihrer Hände und ihrer Köpfe Arbeit mit den vorhandenen Produktionskapazitäten und Investitionen Güter , Leistungen und Werte schaffen und diese dann auch konsumieren wollen . Genau das kommt bei dem vorgelegten Standortsicherungsgesetz nicht heraus . Statt dessen werden immer wieder aufs neue die hohen Löhne in Deutschland kritisiert . Es ist eine politische Parteinahme für die Unternehmerseite , die Lohnpolitik zu kritisieren , ohne sie in den Zusammenhang mit der in den 80er Jahren erfolgten Gewinnexplosion zu stellen . Die abhängig Beschäftigten haben einen begründeten Anspruch auf einen gerechten Anteil am wachsenden Sozialprodukt . Wenn wiederholt die steigenden Lohnstückkosten angeführt werden , so müssen auch die Stückgewinne erwähnt werden . Während die Lohnstückkosten seit Ende der Rezession im Jahre 1982 bis zum Jahre 1992 um jahresdurchschnittlich 2 ,1 % gewachsen sind , haben die Stückgewinne mit jahresdurchschnittlich 4 ,8 % erheblich stärker zugenommen . Soweit zu diesem Argument . Jetzt zu den Wirkungen des vorgelegten Gesetzentwurfs . Die Bundesregierung gibt vor , das Stocken der Investitionstätigkeit auch in den alten Ländern durch weitere finanzielle Entlastung der Unternehmen überwinden zu wollen . Fakt ist aber , daß es den Unternehmen nicht an finanziellen Mitteln fehlt . Die unternehmerischen Ersparnisse haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen . Das spiegelt sich sowohl in den außerordentlich hohen liquiden Mitteln der Unternehmen _ wie man in den Berichten der Bundesbank nachlesen kann _ als auch im Aufbau von erheblichen stillen Reserven in Unternehmen wider , die stark an der Einigung Deutschlands verdient haben . Vor allem wird das in den zunehmenden Finanzanlageinvestitionen und Wertpapierspekulationen deutlich . Hier wurden in den letzten Jahren Milliardensummen zu spekulativen Zwecken statt zu Investitionen , Innovationen und Herstellung und somit zur Sicherung von Beschäftigten angelegt . Grund dafür war und bleibt das nicht zuletzt aus dem hohen Finanzbedarf der deutschen Einigung resultierende Renditegefälle , das wegen des hohen Realzinsniveaus für risikoarme Finanzanlagen den Ausschlag gab . Und an dieser Schraube wird nach meiner Auffassung mit dem vorgelegten Gesetzentwurf weitergedreht . Der Anreiz zu konkreten Investitionen ist mit dem vorgelegten Gesetzentwurf viel zu gering . Greifen könnten Maßnahmen , wie sie mit unserem Antrag zur Investitionshilfeabgabe vorgeschlagen werden , die ja auch hier in dieser Bundesrepublik schon ihre Praxis gehabt haben . Die finanzielle Entlastung der Unternehmen wird in Fortsetzung der bisherigen Entwicklung _ ich sehe nicht , was anders werden sollte _ die Spekulationsgeschäfte weiter anheizen . Die weiter voranschreitende Rationalisierung und Trends zur schlanken Produktion führen zu Einkommensrückgängen der Bevölkerung , zu fortschreitender sozialer Ausgrenzung aus dem Arbeitsprozeß ins soziale Abseits für immer mehr Menschen . Die Folge ist ausbleibende Konsumgüternachfrage . Damit nehmen die Investitionsanreize weiter ab ; die angebliche Vorgabe der Förderung des Wachstums rückt in weite Ferne . Wenn die Unternehmen trotz voller Kassen nicht investieren , muß man nach anderen Möglichkeiten suchen . Vielleicht kann der Ausweg nur darin bestehen , durch gesetzliche Maßnahmen ein besseres Investitionsklima zu schaffen . Mittel , die nicht investiv eingesetzt werden , müssen überdurchschnittlich besteuert werden . Investitionen , die reale Beschäftigung schaffen , müssen begünstigt und gefördert werden . Den Wirtschaftsstandort Deutschland und Europa kann man nicht mit wachsender Arbeitslosigkeit , sondern nur mit mehr Arbeit erhalten . Auch dazu hat sich heute Graf Lambsdorff hier bekannt . Danke . .
PDS/LINKE
Herr Parlamentarischer Staatssekretär Kolb , begrüßt die Bundesregierung die Absicht der Bayernwerk AG , aus Mochovce Atomstrom zu einem Preis von ca . 6 Pfennig pro Kilowattstunde einzuführen und dann in der Bundesrepublik zu einem Preis von mindestens 18 Pfennig zu verkaufen , oder sieht sie darin nicht auch eine neue Form der Ausbeutung der Slowakischen Republik , von den ökologischen Folgen jetzt einmal ganz zu schweigen ? Heinrich L .
GRUENE
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Kollegin Höger, Sie haben dazu zwei Fragen gestellt. Ich will mit der Beantwortung der ersten Frage beginnen. Ein Vertrag, der die Ächtung oder das Verbot von Atomwaffen zum Ziel hat, ohne die Kernwaffenstaaten als die maßgeblichen Akteure und Verantwortlichen mit einzubinden, greift aus Sicht der Bundesregierung ins Leere. Deshalb drängt die Bundesregierung darauf, auch im Verbund mit ihren Partnern – es gibt eine sogenannte Nichtverbreitungs- und Abrüstungsinitiative, NPDI; der gehören wir an, und da arbeiten wir auch aktiv mit –, die Kernwaffenstaaten zu weiteren konkreten Abrüstungsschritten aufzufordern. Das ist zuletzt geschehen am 15. September 2016 bei einem Treffen dieser Gruppe von Staaten, der auch Deutschland angehört, und der sogenannten P‑5‑Staaten, also der Staaten, die selbst über Atomwaffenarsenale verfügen. Aus Sicht der Bundesregierung sollte die nächste nu­ kleare Abrüstungsrunde zwischen den USA und Russland erfolgen. Sie alle müssen wissen, dass 90 Prozent der Atomwaffenarsenale in den Händen dieser beiden Staaten liegen. Es ist bedauerlich, dass Russland bislang eine Antwort auf den Vorschlag von Präsident Obama aus dem Jahr 2013 in Berlin schuldig geblieben ist, bei dem es um ein Angebot ging, zur weiteren Reduzierung bei den nuklearen Sprengköpfen beizutragen. Darüber hinaus leitet die Bundesregierung die Sorge, dass die Orientierung an einem Nuklearwaffenverbot zu einer Schwächung des Nichtverbreitungsvertrags, NVV, führt. Dieser ist bislang für uns der Eckpfeiler des geltenden völkerrechtlichen Regimes für Nichtverbreitung und nukleare Abrüstung. Diesem NVV haben eben alle Staaten zugestimmt, bzw. es leisten dazu auch Staaten einen Beitrag, die über Atomwaffenarsenale verfügen. Auch dort ist das Ziel Global Zero, also eine Welt ohne Atomwaffen, schon festgelegt. Entscheidend ist aus Sicht der Bundesregierung, dass Maßnahmen und Schritte hin zu nuklearer Abrüstung im Kontext genau dieses Vertrages, des NVV, entwickelt und umgesetzt werden sollen.
Und Sie haben gesagt, man solle diesen Gesetzentwurf nicht skandalisieren, obwohl das Verfahren – es geht darum, wie das hier gehandhabt wird – und der Inhalt skandalös sind. Ich habe jetzt eine Frage zum Inhalt. Unter jeder Mautbrücke, unter der ein Fahrzeug durchfährt, wird derzeit ein Foto gemacht, auf dem der Pkw, das Nummernschild – Stichwort automatische Kennzeichenerfassung –, der Fahrer bzw. die Fahrerin und gegebenenfalls der Beifahrer bzw. die Beifahrerin zu erkennen sind. Außerdem werden darauf das Datum und die Zeit erfasst. Diese Daten werden gespeichert. Bei dem heutigen System werden dann weit über 99 Prozent der Bilder sofort wieder gelöscht – vor allen Dingen die aller Pkws. In Deutschland gibt es 42 Millionen Pkws. Wie wollen Sie es datenschutzrechtlich organisieren, dass die Leute, die mautpflichtige Straßen nicht benutzen, einen Rückerstattungsanspruch haben? Wie sollen sie den Nachweis führen, dass sie diese Straßen nicht benutzen, wenn Sie es so machen, wie es gestern im Innenausschuss gesagt wurde, dass nämlich alle Fotos, die gemacht werden, nicht ein Jahr lang gespeichert werden, um die entsprechende Nutzung gegenüber den Pkw-Führern nachzuweisen? Meine Frage ist: Zwingen Sie also alle Leute, die keine Maut zahlen wollen, weil sie diese Straßen nicht benutzen, dazu, ein Fahrtenbuch zu führen, wie das gestern im Innenausschuss gesagt wurde? Halten Sie das nicht für eine massive Zumutung – insbesondere im Hinblick auf die Bürokratie, die dies für Millionen von Menschen in Deutschland wahrscheinlich bedeuten würde?
GRUENE
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch meine Rede soll mit einem großen Dankeschön beginnen, mit einem großen Dankeschön an die vier Mitberichterstatterinnen, die sich auf Initiative der Kollegin Kotting-Uhl hin ab Februar dieses Jahres getroffen haben, als wir das letzte Mal eine Asse-Debatte hatten; solche Debatten gab es ja schon wiederholt. Damals ging es um die Frage, wie schnell denn wohl die Rückholung erfolgen kann. Es hatte gerade ein Gutachten aus dem Bundesamt für Strahlenschutz gegeben, das signalisiert hatte, dass die Rückholung längst nicht so schnell, so zügig vonstattengehen könnte, wie man sich das vorgestellt hatte, sondern dass ein Zeitraum von ungefähr 30 Jahren ins Auge zu fassen sei, was wiederum zu großer Empörung und großer Verunsicherung in der Bevölkerung geführt hat. Die Geschichte der Asse ist tatsächlich eine Geschichte, in der viel Vertrauen in der Region verspielt worden ist. Die Asse ist von 1967 bis 1978 zur Einlagerung von 126 000 Fässern mit schwach- und mittelradioaktivem Atommüll genutzt worden. Keiner weiß so ganz genau, was eigentlich darin ist. Es hat niemals ein atomrechtliches Planfeststellungsverfahren gegeben. Wenn wir hier im Bundestag über diese Frage debattiert haben – ich gehöre diesem Haus nun seit zehn Jahren an –, war doch noch sehr lange von einem Forschungsbergwerk die Rede, was die Sache überhaupt nicht getroffen hat, und es war viel die Rede von politischer Schuldzuweisung, was in der Sache auch nicht geholfen hat. Ich glaube, da sind wir heute viel weiter. Wir fassen die Probleme, die es ohne Zweifel gibt, an und lassen die politischen Schuldzuweisungen weg, auch weil wir wissen, dass sich in dieser Angelegenheit keine Partei mit Ruhm bekleckert hat. Deshalb noch einmal ganz herzlichen Dank an meine Mitberichterstatterinnen! Herzlichen Dank aber auch an die Staatssekretärin Heinen-Esser, die seit Monaten regelmäßigen Kontakt zur Asse-Begleitgruppe hält! Das war übrigens ihr Angebot Anfang dieses Jahres. Sie hat gesagt: Ich bin immer wieder vor Ort und stehe für Fragen zur Verfügung. Ich stelle mich Ihren Fragen. Lassen Sie uns auf Augenhöhe konstruktiv miteinander diskutieren! Lassen Sie uns versuchen, gemeinsam Lösungsmöglichkeiten zu finden! – Genau das war die Gesprächsatmosphäre, die wir miteinander hatten. Wir haben alle Fraktionen eingebunden. Wir haben die Bürgerinitiative über den Rechtsanwalt Gassner eingebunden. Das Bundesumweltministerium hat uns in der ganzen Zeit mit Fachbeamten zur Seite gestanden, wofür ich sehr dankbar bin. Das Land Niedersachsen hat uns begleitet, zwar aus der Ferne, aber dennoch sehr intensiv. Jetzt haben wir einen Gesetzentwurf, von dem wir ausgehen können, dass er nicht nur auf dem Papier existiert, sondern dass die Maßnahmen zur Beschleunigung des bürokratischen Verfahrens, das es zur Sicherung von Sicherheitsstandards im Bereich des Atomrechts ohne Zweifel geben muss, beitragen. Ich bin froh, dass wir heute Abend zu dieser Stunde diese Debatte führen können. In der Debatte am 10. Februar hatten wir gefordert, dass es zügiger gehen muss. Wir hatten einen neuen Schacht gefordert, den Schacht 5. Von diesem reden wir jetzt selbstverständlich. Wir haben erreichen können, dass die Planungen für diesen Schacht schon jetzt vonstattengehen können, ohne dass alle notwendigen Vorarbeiten erledigt sind. Wir haben geschafft, dass die Vergabebedingungen erleichtert worden sind; das ist ausgesprochen positiv. Wir haben darüber hinaus bei den letzten Haushaltsverhandlungen geschafft, dass dem Bundesamt für Strahlenschutz 50 Stellen mehr zugewiesen worden sind. Angesichts unserer angespannten Haushaltssituation ist das ein großer Erfolg. Das zeigt tatsächlich, wie interessiert wir daran sind, dass die Arbeiten in der Asse zügig vorangehen. Auch eines ist richtig: Es war vergleichsweise einfach, diese gesetzgeberische Arbeit zu vollziehen. Nun muss die Asse geräumt werden, mit allen notwendigen Vorarbeiten. Wie kompliziert das ist, merken wir, weil wir seit über sechs Monaten dabei sind, den ersten Schritt zu einer sogenannten Faktenerhebung vorzunehmen. Eine Kammer soll probeweise angebohrt werden, um festzustellen, was in dieser Kammer liegt und in welchem Zustand die Fässer sind. Seit sechs Monaten gibt es kein Ergebnis. Das liegt möglicherweise daran, dass die Kammer zusammengesackt ist, dass das Salz zusammengesintert ist und wir kein Lumen, keinen Hohlraum, finden. Die Schritte, die wir mit der Vereinfachung der Bürokratie im politischen Konsens erreicht haben, sind wichtige Vorbedingungen. Damit sind wir ein gutes Stück des Weges gegangen, aber längst noch nicht das wichtigste. Ich will zusagen, dass sich der Deutsche Bundestag, die Berichterstatterinnen und die Fraktionen mit dieser Thematik weiterhin intensiv beschäftigen werden. Wir werden den Fortgang der Arbeiten in der Asse selbstverständlich intensiv beobachten und uns immer wieder im Umweltausschuss informieren lassen, um festzustellen, dass Fortschritte gemacht werden. Ich will zusagen, dass wir jederzeit ansprechbar sind für die Menschen vor Ort, für die Bürgerinitiativen, die übrigens am 27. November bei uns waren und mit unserem Berichterstatterinnen den Gesetzentwurf diskutiert haben. Zu meiner großen Freude konnte ich breite Zustimmung vernehmen. Ihnen allen einen herzlichen Dank.
CDU/CSU
Wir widmen uns heute mit dem Aktionsplan zur urbanen Mobilität der EU-Kommission, einem Thema, das bereits in der letzten Legislaturperiode auf der Agenda des Bundestages stand. Damals hatte sich der Bundestag mit dem Grünbuch der Kommission „Hin zu einer neuen Kultur der Mobilität in der Stadt“ zu beschäftigen. Auch die FDP-Fraktion hatte sich bereits dort sowohl in der Plenardebatte als auch im Zusammenhang mit einem Entschließungsantrag im Ausschuss intensiv mit dem damaligen Grünbuch beschäftigt. Wenn man sich noch einmal durchliest, was die Kommission in diesem Papier an verkehrspolitischen Maßnahmen gefordert hat, so kann man mit dem jetzt vorliegenden Aktionsplan zur urbanen Mobilität vergleichsweise zufrieden sein. Der Grundsatz muss sein: Grenzüberschreitende Verkehre sind Aufgabe der EU, der regionale Verkehr nicht. Das verstehen wir unter Subsidiarität. Ich darf an Vorschläge im Grünbuch wie die Einrichtung eines zentralen Registers für die europäischen Fahrzeuge und einer europäischen Beobachtungsstelle für städtischen Verkehr erinnern. Das wären Maßnahmen gewesen, für die der Begriff „bürokratische Monster“ noch milde ausgedrückt ist. Falls solche dirigistischen Maßnahmen, die tief und unnötig in einen der Kernbereiche der persönlichen Freiheit, nämlich der individuellen Mobilität eindringen, wieder in Vorschlägen der EUKommission auftauchen sollten, wird sich die FDPFraktion dem genauso entschieden entgegenstellen. Das gilt vor allem auch für Maßnahmen wie die umfassende Videoüberwachung von Bussen und öffentlichen Plätzen. Es gibt für uns auch weiterhin keine Einteilung in guten oder schlechten Verkehr, keine Einteilung in Verkehr, der vermieden werden muss und solchen, der gefördert werden sollte. Verkehrspolitik mit ideologischem Schaum vor dem Mund nützt niemandem, am wenigsten der Umwelt. Intelligente Strategien zur Verkehrslenkung sind die Lösung, nicht solche, die Verkehr vermeiden wollen. Wir wollen dem Bürger nicht vorschreiben, wie er sich fortzubewegen hat. Das ist seine ureigenste Entscheidung. Auf erzieherische Maßnahmen der Politik kann der Bürger gut verzichten. Daher ist es positiv zu bewerten, dass sich viele der ursprünglichen Maßnahmen nicht mehr im Aktionsplan finden. Dies unterstützt die Leitlinie der christlich-liberalen Koalition, die die Subsidiarität in allen PolitikfelZu Protokoll gegebene Reden dern stärken will, gerade auch durch die verbesserten Mitwirkungsrechte der nationalen Parlamente. Wir werden also auch in Zukunft gerade bei solchen Ideen der Kommission äußerst wachsam sein; das kann ich versprechen. Dies gilt insbesondere bei Eingriffen in den kommunalen Bereich. Wir haben in Deutschland ein grundgesetzlich verankertes Selbstverwaltungsrecht der Kommunen. Dies hat sich in der Vergangenheit bewährt und wird es auch in Zukunft tun. Ich sage das auch als engagierter Kommunalpolitiker. Daher muss unter allen Umständen vermieden werden, dass die Kommunen über die europäische Ebene gegängelt und bevormundet werden. Der Kommunalpolitiker vor Ort weiß am besten, was für seinen Ort, seine Gemeinde, seine Stadt die sinnvollen Lösungen sind. Am aktuellen Beispiel der Diskussion um die Passagierrechte im Kraftomnibusverkehr wird deutlich, dass die Kommission gelegentlich über das Ziel hinausschießt und auch Dinge regeln möchte, die wie der Stadt- und Regionalverkehr auf nationaler bzw. regionaler Ebene bleiben sollten. Daher begrüße ich auch die Idee des Werkzeugkastens mit verschiedenen verkehrspolitischen Instrumenten, aus dem sich die Kommunen bedienen können. Kein noch so guter Kommunalpolitiker kann auf alle Ideen alleine kommen. Von daher ist es gut, wenn sie sich durch die Kenntnis vorbildlicher Lösungen für städtische Verkehrsprobleme in anderen Ländern inspirieren lassen können. Und ich betone hier: können. Wir sagen ganz grundlegend: Der Austausch von Best-Practice-Modellen sollte Vorrang vor legislativen Maßnahmen haben. Allerdings muss auch hier darauf geachtet werden, dass durch die Herausstellung geeigneter Modelle keine faktische Bindungswirkung für die Mitgliedstaaten bzw. deren Untergliederungen entfaltet wird. Daher muss die Bundesregierung bei der Umsetzung des Aktionsplans darauf achten, dass durch die Vergabe von Studien zu Themenfeldern wie City-Maut, Umweltzonen, Datenerhebung im Straßenverkehr etc. keine legislativen Maßnahmen vorbereitet werden. Das Gleiche gilt für Maßnahmen, bei denen der Aufbau zusätzlicher Bürokratie notwendig wäre; das muss vermieden werden. Die Kommission soll stärker in der Rolle des Organisators von Prozessen des Best-Practice-Austauschs wirken, anstatt legislative Maßnahmen vorzuschlagen. Ich habe Vertrauen in die Bundesregierung, dass sie auch weiterhin der Wahrung der Subsidiarität einen hohen Stellenwert einräumt. Der Entwurf der Schlussfolgerungen des Rates, die beim nächsten Verkehrsministerrat in Luxemburg beschlossen werden sollen, geht in die richtige Richtung. Wenn das auch bei der Umsetzung beachtet wird, gilt weiterhin die Marschroute: europäische Probleme in Brüssel lösen, kommunale Probleme vor Ort klären.
FDP
Herr Kollege Jork , Sie haben die Modernisierung der Berufsausbildung angesprochen . Ich möchte Sie deshalb gerne Folgendes fragen : Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen der Berufsausbildungspolitik und der Wirtschaftspolitik in verschiedenen Bundesländern und den konkreten Auswirkungen in Bezug auf die Arbeitslosigkeit ? . Gibt es also einen Zusammenhang zwischen den Realitäten und der Berufsausbildungspolitik der verschiedenen Bundesländer ?
CDU/CSU
Ich komme kurz auf den Beitrag des Kollegen Wagner zurück . Ich bin der Meinung , man sollte mit dem Vorwurf , jemand habe etwas nicht korrekt gesagt , vorsichtig sein . Erstens stelle ich fest , daß im Haushaltsausschuß der Ansatz des Kap . 09 02 Tit . 697 15 _ Zuschüsse an Unternehmen des deutschen Steinkohlebergbaus _ von 406 Millionen DM um 250 Millionen DM auf 156 Millionen DM gekürzt worden ist , . und zwar mit der Begründung der Ansatzkürzung zur teilweisen Auflösung der globalen Minderausgabe von 600 Millionen DM auf 350 Millionen DM , und daß bei Kap . 09 02 Tit . 683 14 _ Zuschüsse für den Absatz deutscher Steinkohle zur Verstromung und zum Absatz an die Stahlindustrie sowie zum Ausgleich von Belastungen infolge Kapazitätsanpassung _ zur Erwirtschaftung der globalen Minderausgabe für das Haushaltsjahr 2000 im Einvernehmen mit den betroffenen Unternehmen beabsichtigt ist , weitere 250 Millionen DM statt im Dezember 2000 im Januar 2001 zu zahlen . Gekürzt wurde der eingangs genannte Titel . Zweitens zur Werftenhilfe . Ich habe hier eine Bilanz der Politik des Jahres 1999 gezogen und habe in diesem Zusammenhang gesagt , daß der Bundesfinanzminister auf den zusätzlichen Mitteln für die Werftenhilfe , die wir gemeinsam beschlossen haben , sitzt und die Werftarbeiter im Regen stehen läßt . Die Mittel für 1999 sind bis heute nicht freigegeben . Es macht überhaupt keinen Sinn , für das nächste Jahr gemeinsam zusätzliche Mittel für die Werften zu beschließen , wenn das Finanzministerium die Mittel wieder nicht bereitstellt . Wir waren uns einig : 214 Millionen DM für die Werften zusätzlich . Ich habe niemals behauptet , daß die SPD nicht bereit sei , hierzu einen Beitrag zu leisten . Ich bitte das zur Kenntnis zu nehmen . .
CDU/CSU
Sehr geehrter Herr Präsident ! Meine sehr geehrten Damen und Herren ! Raumfahrt fasziniert die Menschen heute noch genauso wie bei der Landung des ersten Menschen auf dem Mond . Das war in der Debatte hier im Deutschen Bundestag gerade sehr deutlich spürbar . Das war auch am Tag der Raumfahrt am letzten Wochenende und bei der Nacht der langen Sterne spürbar , die von Hunderttausenden von Menschen genutzt worden sind . Hunderttausende von Menschen haben sich voller Faszination und Begeisterung mit den Ergebnissen und den neuen Erkenntnissen , die wir durch die Weltraumforschung gewonnen haben , auseinander gesetzt . Ich sage ausdrücklich : Das gilt sowohl für Jung als auch für Alt . Herr Nüßlein , lassen Sie mich eine Bemerkung hinzufügen . Wenn Sie Deutschland so schildern , als ob Wissenschaft und Forschung keine Bedeutung hätten , dann leben Sie offensichtlich in einer anderen Welt . Das , was man am Wochenende erleben konnte , zeigt ganz deutlich , wie begeistert viele Menschen in unserem Land von Wissenschaft und Forschung sind und mit welch hohem Interesse und großer Neugier sie die Möglichkeiten nutzen , diese kennen zu lernen . Gestatten Sie mir noch eine zweite Bemerkung , auch wenn sie nicht direkt zum Thema gehört . Wenn Sie , Herr Nüßlein , sich hier hinstellen und beklagen , dass der Wettbewerb der Spitzenuniversitäten noch nicht gestartet sei , dann frage ich mich , welch ein gespaltenes Bewusstsein jemand besitzen muss , dessen eigene Partei verhindert , dass dieser Wettbewerb startet . Wenn es nach der Bundesregierung und den SPD-geführten Ländern gegangen wäre , dann hätten wir den Wettbewerb im Juli dieses Jahres starten können . Die CDU- und CSU-geführten Länder waren es , die das verhindert haben . Das gleiche gilt für die Juniorprofessur . Wir haben hier im Parlament alle mit großer Entschiedenheit für die Einführung der Juniorprofessur gestritten , am Anfang auch Sie . Irgendwann haben Sie sich dann still und heimlich davon distanziert . Sie wollten das nicht so richtig offen tun . Das gilt nicht für die FDP . Das gilt für die CDU . Dann haben drei Ihrer Länder dagegen geklagt . Wir haben Jungwissenschaftler über die Juniorprofessur wieder vom Ausland zurückgewonnen . Der Anteil der Berufungen aus dem Ausland beträgt 15 Prozent . Das stellen Sie wieder infrage . Dazu muss ich sagen : Schaffen Sie Ordnung in Ihrer eigenen Partei ! Dann können wir weiterreden . Natürlich ist Raumfahrt nicht nur Faszination der Wissenschaft . Raumfahrt ist heute Triebfeder für wissenschaftliche und technologische Entwicklungen und ein wichtiger Eckpfeiler auch des Industriestandorts Deutschlands . Für Märkte mit Milliardenumsätzen ist die Raumfahrttechnologie inzwischen unverzichtbar . Das gilt nicht nur für die Fernsehbilder , die uns übermittelt werden , sondern auch für die gesamte weltweite Datenkommunikation . Die Informationsmöglichkeiten , die das Internet bietet , sind ohne Satellitenkommunikation nicht denkbar . Das gilt für die Kenntnisse , Bilder und Daten im Zusammenhang mit Wetterentwicklungen - zum Beispiel die Wege , die ein Hurrikan nimmt - , über die wir inzwischen verfügen , wie auch für Informationen , die wir durch Erdbeobachtung über Waldbrände , die Umweltverschmutzung der Meere etc . erhalten . Die Raumfahrttechnologie ist also nicht mehr wegzudenken . Das alles zeigt , dass die Raumfahrt inzwischen Bestandteil unseres Alltags geworden ist . Die drei vorliegenden Anträge zur Raumfahrtpolitik zeigen - das ist erfreulich - , dass es ein großes Maß an Übereinstimmung zwischen allen Parteien gibt . Das ist vielleicht in den Redebeiträgen nicht so deutlich geworden wie in den Anträgen . Meines Erachtens zeigt sich auch , dass Sie durchaus das anerkennen , was die Bundesregierung in den vergangenen Jahren in der Raumfahrtpolitik erreicht und durchgesetzt hat . Tatsache ist , dass wir inzwischen eine gute Grundlage für die Weiterentwicklung der Raumfahrt in Deutschland geschaffen haben . Mit den Entscheidungen der ESA-Ministerkonferenz in Paris unter deutschem bzw . meinem Vorsitz hat die Bundesregierung den europäischen Trägersektor wieder auf eine solide Basis gestellt . Diese solide Basis gab es leider in den 90er-Jahren nicht mehr . Wir haben sie wieder geschaffen .
SPD
Frau Präsidentin ! Liebe Kolleginnen und Kollegen ! Der vorliegende Einzelplan 16 ist in keinster Weise der große Wurf hinsichtlich einer Aufwertung der Umweltpolitik oder gar ein Schritt in Richtung ökologischer Modernisierung . Er rangiert mit seinem Volumen bei den Fachministerien an vorletzter Stelle , nur noch gefolgt vom Einzelplan 07 des Ministeriums für Justiz . Er ist absolut und in seinem Anteil am Gesamthaushalt noch niedriger als der Ansatz für 1998 mit 1 ,22 Milliarden DM und beträgt gerade noch 0 ,23 Prozent des Gesamtetats . Wenn Minister Trittin auf das Sparen hinweist und dies auch noch lobt , dann , so meine ich , könnte man in anderen Haushalten wesentlich besser sparen , aber nicht bei der Umweltpolitik . Wie wäre es denn mit der Rüstungspolitik ? Früher haben auch Sie dies gefordert . Inhaltlich ist dieser Haushalt im wesentlichen eine Fortschreibung des Haushalts der Vorgängerregierung . Nicht einmal die in den Koalitionsvereinbarungen festgeschriebenen Vorhaben sind in diesem Entwurf ersichtlich . Nun ist der Einzelplan 16 natürlich kein Umweltinvestitionsplan . Aber was hier vorgelegt wird , ist gerade für die Grünen ein Armutszeugnis . Ich vermag hier keine Akzentsetzungen hin zu einer Ökologisierung , die Sie ständig im Mund führen , zu erkennen . Wie bei der Ökosteuer ist Ökologie zu einer reinen Worthülse verkommen . Nun werden Sie argumentieren , daß sich nicht alle umweltrelevanten Ausgaben des Bundes im Einzelplan 16 befinden . Das ist richtig . Wir werden genau prüfen , inwieweit sich bestimmte Projekte in anderen Haushaltsplänen wiederfinden . Aber auch im Programmhaushalt des Einzelplans 16 hätten sich Akzente setzen lassen , wenn man nur gewollt hätte , zum Beispiel bei der Ausweisung von Naturschutzgebieten mit gesamtstaatlich repräsentativer Bedeutung . Wie wollen Sie eigentlich den im Koalitionsvertrag vereinbarten Biotopverbund mit zusammenhängend 10 Prozent der Gesamtfläche realisieren ? Weitere Beispiele für Akzentsetzungen : Sie hätten mehr Mittel für internationale Zusammenarbeit einstellen können , die Investitionen zur Verminderung grenzüberschreitender Umweltbelastungen entscheidend erhöhen können , die Arbeit der Verbände im Bereich des Umwelt- und Naturschutzes stärker institutionell und projektbezogen fördern können . Diese Liste ist beliebig verlängerbar . Es ist geradezu peinlich , wenn Erhöhungen im Programmhaushalt vorgenommen werden , wie etwa die Erhöhung des Ansatzes für die Projektförderung an die Naturschutzverbände um 34 ,8 Prozent . Das sind dann sage und schreibe 258 000 DM . Ich meine , das sind Peanuts . . Oder : Sie erhöhen den Ansatz für das Umweltprogramm der Vereinten Nationen um 1 Million DM , jedoch unter der Bedingung , daß andere Staaten ihre Mittel ebenfalls erhöhen . Das grenzt an Irreführung . In allem ist das , was Sie hier vorlegen , genau wie die Haushalte der Vorgängerregierung keine adäquate Antwort auf die gravierenden und sich weiter verschärfenden Umweltprobleme . Wir werden hier mit Änderungsanträgen versuchen , die notwendigen Korrekturen anzubringen . Aber den Vorwurf der Halbherzigkeit und des fehlenden Mutes bei der Gestaltung von Umweltpolitik kann ich Ihnen leider nicht ersparen . . Doch kommen wir nun zum derzeit aktuellsten Thema , dem Atomausstieg . Ich will gar nicht auf das Trauerspiel , das das Haus Trittin in diesem Zusammenhang seit 100 Tagen abgeliefert hat , eingehen . . _ Wir sind für den sofortigen Ausstieg , während die FDP immer dagegen war . Die PDS hat die notwendigen Konsequenzen gezogen . Die PDS wird nach einer Expertenanhörung unter Einbeziehung der Anti-AKW-Bewegung und der Bürgerinitiativen nächste Woche einen geeigneten Gesetzentwurf zum Verbot der Wiederaufbereitung als Einstieg in den Ausstieg und in der Folge weitere Gesetzesvorhaben für eine schnellstmögliche Beendigung der Nutzung der Atomkraft einbringen . Dann können die Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen Farbe bekennen und zeigen , ob es ihnen mit dem Atomausstieg ernst ist . Im Rahmen dieser Haushaltsberatungen nur soviel : Wir brauchen vorrangig ein Konzept zur Entsorgung von Atommüll , das heißt zur Endlagerung . Alle Mittel im Kapitel 1604 _ außer denen für die internationale Zusammenarbeit _ sollten darauf konzentriert werden . Es muß Schluß sein mit den Lebenslügen _ sei es , die Wiederaufbereitung als Entsorgungsnachweis stillschweigend zu akzeptieren ; sei es , über die Verfüllung oder den Neubau von Zwischenlagern die Lösung der Endlagerfrage auf den Sankt-Nimmerleins-Tag zu verschieben . Hier kann die neue Bundesregierung Glaubwürdigkeit beweisen . Entsprechend muß auch die Atomforschung auf den Ausstieg konzentriert werden . Wir wollen den sofortigen Ausstieg , und wir wollen ihn unumkehrbar . Wir sind , so scheint es , inzwischen die einzige Partei , die das ernsthaft verfolgt . Danke . .
PDS/LINKE
Der Minister hat sich nicht ablichten lassen , sondern er ist vor Ort bei der Ausübung seiner Amtstätigkeit , bei der bestimmte Sicherheitsvorschriften einzuhalten waren , fotografiert worden .
SPD
Frau Präsidentin ! Meine Damen und Herren ! Die heutige Debatte ist meines Erachtens kein demokratischer Meinungsbildungsprozeß gewesen , . weder parlamentarisch noch außerparlamentarisch . Erst vor knapp 20 Stunden wurde uns , den Gruppen und auch den Fraktionen , die Drucksache von über 150 Seiten auf den Tisch gelegt . In den nächsten zwei Sitzungswochen werden noch in kleinen Anhörungen Sachverständige gehört ; aber durchgeplant ist bereits heute , wann und wie die Gesetze durchgepeitscht werden sollen . . Besonders gravierend und schlimm finde ich , daß fast alle gesellschaftlichen Organisationen , angefangen von den Gewerkschaften bis hin zu kirchlichen Verbänden , immer wieder dieses Parlament und die Fraktionen , die die Grundgesetzänderung wollen , aufgefordert haben , das Grundgesetz nicht zu verändern . Dies wird meines Erachtens ganz zynisch von diesem Parlament bzw . von den Vorlegern der Gesetzentwürfe ignoriert . Mit der vorgesehenen Gesetzesänderung und den heute eingebrachten Begleitgesetzen werden zukünftige Flüchtlinge vor den deutschen Grenzen gehalten . Betroffen sind die hier lebenden Flüchtlinge und die Ausländer und Ausländerinnen . Verändern wird sich auch das Verhältnis der Bundesrepublik vor allem zu den Nachbarn im Osten . Vor nicht allzu langer Zeit hat der Kanzler gar mit dem Staatsnotstand gedroht . . Es geht also nicht gerade um Lappalien _ das wollte ich damit deutlich machen . Und doch haben es Regierung und Fraktionsführungen nicht für nötig gehalten , auch nur den Schein des demokratischen Vorgehens zu wahren . Wenn Sie jetzt auf monatelange öffentliche Auseinandersetzungen verweisen , kann ich nur sagen : Sie haben nicht nur Ihre Verhandlungspartner _ z . B . die polnischen Vertreter und Vertreterinnen _ bewußt im 12292 Deutscher Bundestag _ 12 . Wahlperiode _ 143 . Sitzung . Bonn , Donnerstag , den 4 . März 1993 Ulla Jelpke unklaren über die Konsequenzen verschiedener Vereinbarungen gelassen ; . Sie haben auch die deutsche Öffentlichkeit systematisch mit Halb- und Unwahrheiten gefüttert und so Ihren Beitrag zu der Pogromstimmung in der Bundesrepublik geleistet . . Dabei behaupten Sie weiterhin , mit dem Öl der Grundgesetzänderung das Feuer der Pogromhetzer löschen zu können . Zur innenpolitischen Seite dieser Asylpolitik haben wir schon darauf hingewiesen , daß die Bundesregierung die rechtsextremen programmatischen Vorstellungen der Republikaner zur Asylpolitik vollständig übernommen hat . Ich bin heute gezwungen , hier zu sagen , daß durch die Asylbegleitgesetze dieses Programm der Republikaner übererfüllt wird . . Ich erkläre hier in aller Schärfe : Die vorgelegten Begleitgesetze sind , entkleidet man sie ihrer bürokratischen Formelhaftigkeit , Dokumente des Schreckens , um so mehr , als sie vor dem Hintergrund der politischen Entwicklung in den letzten zwei Jahren gesehen werden müssen . Noch nie wurden in diesem Staat in einer solchen Weise für eine spezielle Menschengruppe derartige Sondergesetze geschaffen , deren Benachteiligungsabsicht so offensichtlich ist . Jeder _ das sage ich sozusagen in Klammern _ täuscht sich , der glaubt , diese Benachteiligungsabsicht sei auf Flüchtlinge beschränkt . Das Asylverfahrensgesetz auf der Grundlage der Grundgesetzänderung hat mit Asylrecht im herkömmlichen Sinne nichts mehr , aber auch gar nichts mehr zu tun . Es ist ein Reisewegüberprüfungsgesetz ; es ist ein Gesetz zur Abschiebung und Einreiseverweigerung . Den fast 150 Seiten ist anzumerken , daß Bürokraten versuchen , ihren Feinden auch das allerletzte Schlupfloch zu schließen und die letzte Notlüge zu bestrafen . Ziel ist nicht nur die Aushöhlung der Genfer Flüchtlingskonvention , sondern vor allem die Verhinderung ihrer Anwendung . . Mit dem Dreh der sicheren Drittstaaten , von denen die BRD umgeben ist , . und den sicheren Herkunftsländern , die durch einfa - ches Gesetz definiert werden , ist es der Koalition der Asylabschaffer gelungen , den individuellen Anspruch auf Asyl durch Reisewegkontrollverfahren zu ersetzen . Zwei Eckpfeiler entscheiden über die Effizienz des Vorhabens : erstens die optimale Verhinderung der Einreise , zweitens die schnellstmögliche Abschiebung für Illegale und Problemfälle . . Dabei ist die Frage der tatsächlichen Verfolgung der Flüchtlinge völlig egal geworden . Dafür sollen ja gerade die anderen zuständig sein . Für diesen Zweck wurde der Begriff sicherer Drittstaat erfunden . Erfinden können ihn meines Erachtens nur Leute , die vom Grundsatz der Flüchtlingsabwehr als Verwirklichung des Grundrechts auf Asyl ausgehen . Innenminister Seiters pervertiert diesen Gedanken zusätzlich dadurch , daß er zu derartigen Staaten Länder erklärt , von denen er weiß , daß hier möglicherweise guter Wille vorhanden ist , aber alle sonstigen Voraussetzungen fehlen , z . B . Polen . Nicht nur der Landweg wird versperrt ; zugemacht wird zudem das Schlupfloch Flughafen . Flughafenbetreiber werden zur Schaffung von Unterbringungsmöglichkeiten verpflichtet , damit der Bundesgrenzschutz die Reisewege und damit die Zurückweisungsmöglichkeiten überprüfen kann , bevor ein Asylverfahren eingeleitet wird und damit ein Bleiberecht entstehen kann . . Was alle hierlassen müssen , auch die Zurückgewiesenen , sind ihre Fingerabdrücke . Dieser Entrechtung , Demütigung und präventiven Kriminalisierung an den Grenzen entspricht die Verschärfung der Lagerordnung in den Unterkünften . Erweitert wird die Befugnis zur Durchsuchung des Ausländers und von Sachen . Eingeführt wird der Zwang zu einem Arbeitsdienst zur Selbstversorgung und zur Aufrechterhaltung und Betreibung der Sammellager . Kommunale und gemeinnützige Träger sind aufgefordert , sogenannte Arbeitsgelegenheiten für den Arbeitsdienst zu schaffen . Nur noch als zynisch ist die Begründung für den Stundenlohn von 2 DM zu bezeichnen , der angeblich der Motivation dienen soll . Damit wird ein Asylverfahrensgesetz komplettiert , das ohnehin schon das Leben der Asylsuchenden in allen Einzelheiten reglementiert und bereits bei geringsten Verstößen mit polizeilicher Behandlung bis hin zur Ausweisung droht . Eine zusätzliche Herabstufung bedeutet es , daß die Einzelrichtertätigkeit in Asylverfahren früher als bei anderen Verfahren von Richtern auf Probe wahrgenommen werden soll . Keineswegs vom Tisch ist nach meiner Meinung die Vorstellung der CDU , Richter mit Prämien zu dieser Tätigkeit in Asylverfahren zu Lokken . Folgt man einen Moment der Logik der Gesetzesinitiatoren , so ist diese Lagerbehandlung in Kombination mit den Abweisungsmechanismen an den Grenzen ganz besonders entlarvend . Die Grundgesetzänderung sollte angeblich ja gerade dazu dienen , die wirklich Verfolgten zu schützen . Die hier vorgelegte Behandlung erinnert exakt an die schikanösen Prozeduren , denen die vor den Nazis Flüchtenden nahezu weltweit ausgeliefert waren . . Durch die Einführung des Grundrechts auf Asyl sollten nie wieder Verfolgte und Flüchtlinge an den deutschen Grenzen abgewiesen werden können . Leider hat die SPD-Führung bewiesen , daß man mit ihr nicht nur über alles reden , sondern auch alles mit ihr machen kann . Bei dem Paket , das Herr Klose , Herr Engholm und andere schnüren wollten , durften Sie von der SPD gerade noch den Daumen auf den Knoten halten . Von Ihrem Einwanderungsgesetz ist die Ermäßigung für die Gebühr bei der Einbürgerung übriggeblieben . Bei dem Streit über das Asylbewerberleistungsgesetz dreht es sich um Fristen und um den Personenkreis . Auch hier ist das Prinzip geschluckt . Die Ausführung wird letzten Endes der CDU überlassen . Nach dem offiziellen Ende des Kalten Krieges hat die Bundesregierung zum wesentlichen Bestandteil internationaler Konferenzen das Schachern um Flüchtlingszahlen und die Erpressung mit Destabilisierung der eh schon labilen Verhältnisse in den Nachbarstaaten gemacht . Die Äußerung einer polnischen Parlamentarierin , sie befürchte den Sturz ihrer Ministerpräsidentin , wenn die Bundesrepublik Deutschland mit ihrer Politik fortfahre , steht für sehr viel weitergehende Ängste unserer Nachbarn vor dieser Politik . Der neue Überfall auf Polen _ von dem auch Herr Wartenberg sprach _ ist die Überschrift eines Artikels des Journalisten Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung . . _ Das ist ein Zitat .
PDS/LINKE
Frau Lemke, das muss ich prüfen. Das weiß ich nicht; das kann ich Ihnen jetzt nicht beantworten. Ich würde Ihnen das schriftlich nachreichen.