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Urteilskopf 92 IV 26 8. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 24. März 1966 i.S. Allemann gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn.
Regeste Art. 36 Abs. 2 Satz 1 SVG , Art. 1 Abs. 8 VRV ; Strassenverzweigungen, Ausnahmen. 1. Einmündungen von Seitensträsschen oder Zufahrtswegen, die im Verhältnis zur Durchgangsstrasse praktisch ohne Verkehrsbedeutung sind, gelten nicht als Verzweigungen und sind daher von der allgemeinen Regel, dass der von rechts Kommende den Vortritt hat, auszunehmen. 2. Im Verhältnis zweier Nebenstrassen bleibt es dagegen beim Vortrittsrecht von rechts, wenn es nicht durch ausdrückliche Regelung aufgehoben worden ist; ob die eine der beiden Strassen mehr befahren wird als die andere, spielt keine Rolle.
Erwägungen ab Seite 26 BGE 92 IV 26 S. 26 Aus den Erwägungen: 1. Nach Art. 36 Abs. 2 Satz 1 SVG hat auf Strassenverzweigungen das von rechts kommende Fahrzeug den Vor tritt. Diese Regel war bereits in Art. 27 Abs. 1 MFG enthalten, der bestimmte, dass bei Strassengabelungen und -kreuzungen BGE 92 IV 26 S. 27 der Fahrer einem gleichzeitig von rechts kommenden Motorfahrzeug den Vortritt zu lassen hat. Unter Strassenkreuzungen im Sinne dieser Bestimmung sowie des Art. 26 Abs. 3 MFG waren unter der Herrschaft des alten Rechts auch Stellen zu verstehen, an denen eine Strasse in eine andere einmündet ( BGE 81 IV 49 , 137, 251; BGE 82 IV 24 ). Nicht als Kreuzungen (Einmündungen) galten dagegen Abzweigungen von blossen Feldwegen und Zufahrten zu Garagen, Gewerbebetrieben, Liegenschaften, Hausvorplätzen und dergleichen ( BGE 64 II 318 , BGE 76 IV 58 , BGE 78 IV 183 , BGE 83 IV 165 ). Diese Rechtsprechung beruhte auf der Überlegung, dass dem auf der Durchgangsstrasse verkehrenden Motorfahrzeugführer nicht zugemutet werden kann, vor jedem unbedeutenden Seitensträsschen die gleiche Vorsicht walten zu lassen wie vor einmündenden Strassen mit Durchgangsverkehr, weil dadurch der Verkehr in einem nicht zu rechtfertigenden Ausmass beeinträchtigt würde ( BGE 84 IV 35 ). Das neue Recht hat an dieser Ordnung nichts geändert, sondern sie ausdrücklich beibehalten. Es versteht unter Strassenverzweigungen Kreuzungen, Gabelungen und Einmündungen von Fahrbahnen, nicht aber Stellen, wo lediglich Rad- oder Feldwege, Garage-, Parkplatz-, Fabrik- oder Hofausfahrten usw. mit einer Fahrbahn zusammentreffen ( Art. 1 Abs. 8 VRV ). Dass solche Ausnahmen weiterhin auch sachlich gerechtfertigt sind, kann angesichts des ständig zunehmenden Verkehrs, der auf Flüssigkeit eingestellt und angewiesen ist, nicht zweifelhaft sein. Der Verkehr auf der Durchgangsstrasse soll weder innerorts noch ausserorts durch Abzweigungen behindert werden, die für den Motorfahrzeugverkehr praktisch keine oder nur geringe Bedeutung haben. Voraussetzung ist demgemäss nicht, dass auf dem abzweigenden Wege Motorfahrzeuge überhaupt nicht verkehren können; es genügt, dass nach der Natur des Weges und nach der allgemeinen Verkehrserfahrung an der Abzweigung nicht mit dem Einbiegen von Fahrern zu rechnen ist, die gegenüber den auf der Durchgangsstrasse Fahrenden den Vortritt beanspruchen könnten. Sache des Einbiegenden ist es, an solcher Stelle sich so vorsichtig auf die Strasse zu begeben, dass es nicht zu einem Zusammenstoss kommt ( BGE 80 IV 132 , BGE 84 IV 112 ). 2. Der Bubenrainweg in Önsingen ist gemäss Situationsplan 2,30 m breit und hat von der Abzweigung an eine Steigung BGE 92 IV 26 S. 28 von 14%. Er ist nicht als Strasse signalisiert und für den Ortsunkundigen auch nicht als solche erkennbar, weil er an sehr unübersichtlicher Stelle einmündet; seine Einführung in die Kluserstrasse lässt selbst aus geringer Entfernung noch eher auf eine kurze Zufahrtsrampe als auf eine dem Motorfahrzeug- oder Fahrradverkehr dienende Strasse schliessen. Den Akten ist ferner zu entnehmen, dass der Bubenrainweg mit grobem Schotter versehen, schlecht unterhalten ist und nur wenig befahren wird, obschon er eine kleine Wohnsiedlung erschliesst. Die Kluserstrasse ist dagegen gut ausgebaut, asphaltiert und weist einen grossen Durchgangsverkehr auf. Danach aber verhält es sich im vorliegenden Fall nahezu gleich wie bei dem in BGE 84 IV 32 veröffentlichten, wo es ebenfalls um die Einmündung eines unbedeutenden Quartiersträsschens in eine grössere Durchgangsstrasse ging. Unterschiede bestehen nur insofern, als der Birsblickweg in Grellingen teils asphaltiert, 2,20 m breit ist und über einen Fussgängersteig in die Durchgangsstrasse einführt, während der Bubenrainweg in Önsingen durchgehend beschottert, 2,30 m breit ist und unmittelbar in die Kluserstrasse einmündet. Abgesehen von diesen geringfügigen Unterschieden, die sich übrigens ausgleichen, sind die beiden Fälle sich so auffallend ähnlich, dass eine gleiche Behandlung sich aufdrängt. Freilich wurde das Urteil in BGE 84 IV 32 ff. noch unter der Herrschaft des alten Rechtes gefällt. Das neue Recht hat indes die Ausnahmen, welche die Rechtsprechung für Abzweigungen unbedeutender Strässchen gemacht hat, durchwegs übernommen. Die in Art. 1 Abs. 8 Satz 2 VRV aufgezählten Beispiele lassen darüber keine Zweifel offen. Einmündungen von Zufahrtswegen, wie hier, sind daher weiterhin vom Begriff der Strassenverzweigung und damit von der Vortrittsregel des Art. 36 Abs. 2 SVG auszunehmen. Das in BGE 90 IV 87 ff. veröffentlichte Urteil steht dem nicht entgegen. Gewiss wurde dort entschieden, dass es für Fahrer auf Nebenstrassen, deren Bahnen sich überschneiden, selbst dann beim Vortritt von rechts bleibt, wenn die Strassen unterschiedlichen Verkehr aufweisen (Erw. 2 a). An der bisherigen Rechtsprechung wurde dadurch jedoch nichts geändert. Die Vorinstanz übersieht, dass jenes Urteil sich auf die Verzweigung von Nebenstrassen bezieht, dass es hier aber, wie in BGE 84 IV 32 ff., um das Verhältnis eines unbedeutenden BGE 92 IV 26 S. 29 Quartiersträsschens zu einer grösseren Durchgangsstrasse geht. Im Verhältnis zweier Nebenstrassen gilt das Vortrittsrecht von rechts, wenn es nicht durch das Signal Nr. 116 oder 217 aufgehoben worden ist; ob die eine der beiden Strassen mehr befahren wird als die andere, kann aus den in BGE 90 IV 91 Erw. c dargelegten Gründen keine Rolle spielen (s. auch BGE 85 IV 38 , BGE 86 IV 188 , BGE 90 IV 37 , BGE 91 IV 94 /5).
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Urteilskopf 106 Ia 184 35. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 17. Dezember 1980 i.S. Krönert gegen Gemeinde Herisau und Obergericht des Kantons Appenzell-Ausserrhoden (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste Art. 22ter BV sowie Art. 19 und 20 GSchG (in der bis Ende 1979 geltenden Fassung); Entschädigung aus materieller Enteignung. Entzug einer in naher Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Überbauungsmöglichkeit verneint, weil im massgeblichen Zeitpunkt - dem Inkrafttreten eines Schutzzonenplanes - die Voraussetzungen von Art. 19 ff. GSchG nicht erfüllt waren und auch keine besonderen Umstände vorlagen, die eine Einzonung zwingend geboten hätten. Die im Entwurf zu einem Zonenplan vorgesehene Einzonung vermag die Annahme nicht zu begründen, ein Grundstück sei in naher Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit zu überbauen.
Sachverhalt ab Seite 185 BGE 106 Ia 184 S. 185 Die Ehegatten Krönert erwarben am 27. Dezember 1972 und 8. Februar 1973 am Hang der Anhöhe Lutzenland oberhalb Herisau zwei grössere Teilflächen angrenzender Landwirtschaftsbetriebe, um sie zu überbauen, zu parzellieren und teilweise weiter zu veräussern. Sie liessen verschiedene Projekte ausarbeiten, zuletzt für eine Terrassenhaussiedlung. Am 9. August 1973 erliess indessen der Gemeinderat von Herisau aufgrund einer Volksinitiative für das Gebiet Lutzenland - und damit auch für das Land Krönert - eine befristete Bausperre. Der in der Folge ausgearbeitete Schutzzonenplan Lutzenland wurde in der Gemeindeabstimmung vom 6. April 1975 angenommen und am 20. Mai 1975 vom Regierungsrat des Kantons Appenzell Ausser-Rhoden genehmigt. Das Kantonsgericht am 23. März 1977 und das Obergericht (Gesamtgericht) des Kantons Appenzell A.Rh. am 20. April 1978 wiesen die von den Eheleuten Krönert am 14. Juni 1976 gegen die Gemeinde Herisau eingereichte Klage aus materieller Enteignung ab. Das Bundesgericht weist die hiegegen gerichtete Beschwerde ebenfalls ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. a) Für die Prüfung der Frage der enteignungsähnlichen Wirkung ist das Verwaltungsgericht mit Recht vom Zeitpunkt der Rechtskraft des Schutzzonenplanes Lutzenland (20. Mai 1975) ausgegangen, stützen doch die Beschwerdeführer ihre Entschädigungsforderung auf den nach ihrer Auffassung durch den Schutzzonenplan erfolgten Entzug einer gegebenen bzw. in naher Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Überbauungsmöglichkeit ihres Grundstückes. Entscheidend ist daher, ob am massgebenden Stichtag die bauliche Nutzung voraussehbar und mit hoher Wahrscheinlichkeit in naher Zukunft zu verwirklichen war, und ob diese Erwartung durch den Schutzzonenplan aufgehoben wurde. b) Für die Beantwortung dieser Frage ist in erster Linie auf die rechtlichen Gegebenheiten abzustellen. Dabei kommt dem Bundesrecht Vorrang zu. Es ist daher zu prüfen, ob am 20. Mai 1975 die Voraussetzungen des am 1. Juli 1972 in Kraft getretenen Gewässerschutzgesetzes (GSchG) erfüllt waren, um die fragliche Parzelle mit den geplanten Einfamilienhäusern zu überbauen. BGE 106 Ia 184 S. 186 aa) Gemäss Art. 19 und 20 GSchG in der hier anwendbaren, bis Ende 1979 geltenden Fassung dürfen Bewilligungen für den Neu- und Umbau von Bauten und Anlagen aller Art nur innerhalb der Bauzonen oder, wo solche fehlen, innerhalb des im generellen Kanalisationsprojekt (GKP) abgegrenzten Gebietes erteilt werden, wenn der Anschluss der Abwässer an die Kanalisation gewährleistet ist. Baubewilligungen für Gebäude und Anlagen ausserhalb der Bauzonen oder des im generellen Kanalisationsprojekt abgegrenzten Gebietes dürfen nur erteilt werden, sofern der Gesuchsteller ein sachlich begründetes Bedürfnis nachweist ( BGE 102 Ib 213 E. 1a mit Verweisungen). Mit dieser Regelung verfolgte der Gesetzgeber nicht nur Ziele des Gewässerschutzes, sondern auch der Raumplanung, indem er mit Rücksicht auf die vielfältigen öffentlichen Interessen, die auf dem Spiele stehen - rationelle Nutzung des Bodens, Erhaltung des Landwirtschaftsgebietes, Landschaftsschutz u.a.m. - die allgemeine bauliche Nutzung auf die hiefür planerisch bezeichneten Gebiete begrenzen wollte (BGE BGE 101 Ib 193 E. 2a). Welches sachlich begründete Bedürfnis Neu- oder Umbauten ausserhalb der Bauzonen bzw. des GKP zu rechtfertigen vermag, präzisierte Art. 27 AGSchV näher; primär geht es dabei um sogenannte standortgebundene Bauten. Ausdrücklich hält die Bestimmung fest, dass die Anschlussmöglichkeit an eine Kanalisation in keinem Fall die Erfordernisse für die Anerkennung des sachlich begründeten Bedürfnisses ersetzt. bb) Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass sich die Parzelle der Beschwerdeführer in keiner rechtsgültigen Bauzone befand, da die Gemeinde Herisau am 20. Mai 1975 über keinen Zonenplan - dieser trägt im Recht des Kantons Appenzell Ausser-Rhoden die Bezeichnung Bebauungsplan (Art. 112 Abs. 2 lit. e EG zum ZGB) - verfügte. Ein früherer, dem Baureglement vom 18. Mai 1914 beigegebener rudimentärer Zonenplan wurde mit dem Baureglement vom 13. Dezember 1970 aufgehoben (Art. 135), ohne dass gleichzeitig ein Bebauungsplan erlassen werden konnte. Im Zeitpunkt der Annahme des Schutzzonenplanes Lutzenland lag lediglich der Entwurf eines Bebauungsplanes vor. Nach diesem befand sich das von den Beschwerdeführern erworbene Land am Rande der Bauzone in der Ein- und Zweifamilienhauszone. Aus einem vom zuständigen Gemeindeorgan noch nicht angenommenen und vom Regierungsrat noch nicht BGE 106 Ia 184 S. 187 genehmigten Plan (Art. 124 EG zum ZGB) kann jedoch entgegen der Annahme der Beschwerdeführer nicht gefolgert werden, ihr Land befinde sich in einer Bauzone im Sinne der Art. 19 und 20 GSchG , und zwar auch dann nicht, wenn der aufgelegte, jedoch noch nicht rechtsverbindlich festgesetzte Plan von den Baubehörden der Gemeinde in der Zeit zwischen dem Erlass des Baureglementes und der Planfestsetzung für die Erteilung von Baubewilligungen innerhalb des durch das GKP abgegrenzten Gebietes, wie dies die Vertreter der Gemeinde am Augenschein anerkannt haben, als wegleitend konsultiert wurde. cc) Unbestritten ist ferner, dass die Parzelle der Beschwerdeführer ausserhalb des vom Regierungsrat am 19. Dezember 1960 genehmigten generellen Kanalisationsprojekts liegt. Der Gemeinderat beantragte zwar mit Schreiben vom 6. Januar 1971 an die kantonale Baudirektion dessen Erweiterung, worauf diese am 26. März 1971 antwortete, sie sei bereit, "die vorgesehene Zonenerweiterung amtsintern anzuerkennen und die Baugesuche im erweiterten Gebiet gleich denjenigen innerhalb genehmigtem GKP zu behandeln". Da jedoch der Bauzonenplan der Gemeinde Herisau noch nicht rechtskräftig und daher auch die Zonenerweiterung des GKP nicht endgültig sei, wolle sie auf das Begehren des Gemeinderates, die Genehmigung des Regierungsrates für die provisorische Zonenerweiterung des GKP einzuholen, zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht eintreten. Gemäss der vom Gemeinderat beantragten Erweiterung des GKP wäre - was ebenfalls unbestritten ist - die Parzelle der Beschwerdeführer in das vom GKP erfasste Gebiet einbezogen worden. Die Beschwerdeführer sind daher der Meinung, zufolge der amtsinternen Anerkennung der vorgesehenen Erweiterung des GKP wäre der Erteilung der Baubewilligung ohne das Dazwischentreten der Lutzenland-Initiative nichts im Wege gestanden. Sie übersehen jedoch, dass am 1. Juli 1972 das neue eidgenössische Gewässerschutzgesetz in Kraft trat. Die im Jahre 1971 erfolgte amtsinterne Anerkennung der beantragten Erweiterung des GKP, die ausdrücklich als noch nicht endgültig bezeichnet wurde, vermochte keinesfalls von der Einhaltung der klaren Regeln des Gewässerschutzgesetzes über den Ausschluss der Überbaubarkeit des ausserhalb des GKP gelegenen Gebietes mit nicht standortgebundenen Bauten zu befreien. BGE 106 Ia 184 S. 188 Das Recht des Kantons Appenzell Ausser-Rhoden verlangte die Genehmigung der von den Gemeinden ausgearbeiteten generellen Kanalisationsprojekte durch den Regierungsrat (Art. 2 EG vom 27. April 1958 zum früheren GSchG). Ein im Hinblick auf die noch ausstehende Rechtskraft des Bebauungsplanes dem Regierungsrat nicht unterbreiteter Antrag der Gemeinde, das GKP zu erweitern, genügt daher nicht zur Annahme, das Grundstück der Beschwerdeführer sei im Sinne des Art. 19 GSchG innerhalb des GKP gelegen. Ein von dieser Rechtslage abweichendes Ergebnis wäre höchstens dann in Erwägung zu ziehen, wenn eine feste Praxis nachgewiesen wäre, dass die Behörden nach Inkrafttreten des GSchG auch ausserhalb des GKP von 1960 im Gebiet, dessen Einbezug der Gemeinderat in das GKP beantragt hatte, Baubewilligungen für andere als standortgebundene Bauten erteilt hätten. Dies trifft jedoch nicht zu, wie die von der bundesgerichtlichen Instruktionskommission verlangten Abklärungen ergeben haben. Gemäss der Auskunft des Gemeindebauamtes Herisau, an deren Vollständigkeit zu zweifeln entgegen der Meinung der Beschwerdeführer kein Anlass besteht, wurden im fraglichen Erweiterungsgebiet in der Zeit zwischen dem Inkrafttreten des Gewässerschutzgesetzes und der Rechtskraft des Bebauungsplanes (12. August 1975) einzig drei Bewilligungen erteilt, wovon die eine - freilich aus Gründen, die nicht mit dem GKP zusammenhängen - erst am 10. April 1976 rechtsgültig wurde. Die von den Beschwerdeführern angeführten drei weiteren Bewilligungen liegen in Gebieten mit Überbauungsplänen, welche der Gemeinderat aufgrund des früheren Baureglementes von 1914 rechtsverbindlich festsetzen konnte und die gemäss dem in der Gemeindeabstimmung vom 13. Dezember 1970 angenommenen neuen Baureglement ausdrücklich in Kraft blieben (Art. 135 Abs. 1). Derartige Überbauungspläne genügen, wie die Gemeinde zutreffend dargelegt hat, dem Begriff der Bauzone im Sinne des Gewässerschutzgesetzes. Sie kommen einer gemäss kantonalem Recht räumlich begrenzt angeordneten Bauzone gleich und entsprechen damit der raumplanerischen Zielsetzung der Art. 19 f. GSchG. dd) Die Parzelle der Beschwerdeführer liegt somit gewässerschutzrechtlich weder in einer Bauzone noch innerhalb des GKP und ist daher aufgrund der Art. 19 und 20 GSchG , wie das Obergericht zutreffend festgestellt hat, mit andern als BGE 106 Ia 184 S. 189 standortgebundenen Bauten nicht zu überbauen. Die Ausführungen des Obergerichts, wonach die Standortbedingtheit der terrassierten Einfamilienhäuser nicht hätte anerkannt werden können, decken sich mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ( BGE 102 Ib 79 E. 4b). c) Es kann sich daher nur fragen, ob bei Inkrafttreten des Schutzzonenplanes Lutzenland besondere Umstände vorlagen, welche die Einzonung zwingend geboten hätten, so dass im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung mit hoher Wahrscheinlichkeit in naher Zukunft die Überbauungsmöglichkeit zu bejahen war. In BGE 105 Ia 338 E. 3d wurde festgestellt, die Anwendung des Gewässerschutzgesetzes könne möglicherweise dann zu einer enteignungsähnlichen Wirkung führen, wenn baureifes oder grob erschlossenes Land, das innerhalb des mit den Anforderungen des Gewässerschutzgesetzes übereinstimmenden GKP liegt, nicht eingezont werde. Müsste im vorliegenden Fall angenommen werden, das Gewässerschutzgesetz gebiete eine Erweiterung des GKP im Sinne des vom Gemeinderat gestellten Antrages, so wäre möglicherweise die Nichteinzonung dem vom Bundesgericht erwähnten Ausnahmefall gleichzusetzen. Es fragt sich daher, ob das GKP den Anforderungen des Gewässerschutzgesetzes entspricht. Aus dem von der bundesgerichtlichen Instruktionskommission verlangten technischen Bericht über das GKP ergibt sich, dass Herisau im Jahre 1960 eine Bevölkerung von rund 14'800 Einwohnern aufwies und dass bei voller Überbauung des angenommenen Baulandes eine Einwohnerzahl von 27'000 erreicht werden kann. Gewiss muss bei der Würdigung derartiger Berechnungen berücksichtigt werden, dass das Mass der wirklichen Überbauung erfahrungsgemäss oft erheblich unter der möglichen Vollüberbauung bleibt. Dennoch erlauben die dem GKP zugrunde liegenden Annahmen die Folgerung, dass dieses keineswegs zu eng bemessen ist, soll es doch gemäss Art. 15 AGSchV , sofern keine Zonenplanung besteht, das überbaute und das innert höchstens 15 Jahren zur Erschliessung vorgesehene Baugebiet erfassen, dabei darf höchstens eine Verdoppelung der vorhandenen Bevölkerungszahl berücksichtigt werden. Dass Herisau mit einer besonders starken Bevölkerungszunahme rechnen müsste, kann aufgrund der Entwicklung der Vergangenen Jahre nicht angenommen werden, wies doch die Gemeinde nach den Angaben der Einwohnerkontrolle im Jahre BGE 106 Ia 184 S. 190 1965 lediglich 15'421 und im Jahre 1975 sogar bloss 15'074 Einwohner auf. Dass dieser Rückgang auf die ungenügende planerische Ausscheidung von Baugebiet zurückzuführen ist, kann angesichts der beachtlichen Reserven, die bei der Bemessung des Umfanges des GKP berücksichtigt wurden, nicht angenommen werden. Jedenfalls kann aufgrund dieser Bevölkerungszahl und deren Entwicklung nicht gefolgert werden, eine Erweiterung des GKP im Raume Egg/Lutzenland dränge sich gebieterisch auf. d) Diese Erwägungen schliessen auch die Annahme aus, eine Festlegung der Bauzone gemäss dem aufgelegten Bebauungsplan hätte sich aufgrund der baulichen und bevölkerungsmässigen Entwicklung der Gemeinde zwingend aufgedrängt. Der Behauptung der Beschwerdeführer, in Herisau sei zuwenig Land für Ein- und Zweifamilienhäuser ausgeschieden, kann angesichts der im GKP und dem angenommenen Bebauungsplan enthaltenen Reserven nicht gefolgt werden. Freilich begründete der Antrag des Gemeinderates, wie er im aufgelegten Bebauungsplan zum Ausdruck kam, die Hoffnung auf Einzonung des von den Beschwerdeführern erworbenen Landes. Doch vermag ein Antrag den Entscheid der für die Beschlussfassung über den Bebauungsplan zuständigen Stimmberechtigten der Gemeinde nicht zu binden. Muss zunächst ein Zonenplan angenommen werden, so schliesst dies in der Regel die Annahme aus, ein Grundstück sei in naher Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit zu überbauen (unveröffentlichtes Urteil Schmid vom 11. Juli 1979, E. 6, S. 17). Wer Land in der Hoffnung erwirbt, die Stimmberechtigten würden den gestellten Antrag annehmen, handelt auf eigenes Risiko. Eine abweichende Annahme wäre mit der den Beschwerdeführern bekannten demokratischen Grundordnung der Gemeinden nicht vereinbar. Dass die mit dem Schutzzonenplan Lutzenland vorgenommene Begrenzung des Baugebietes in ortsplanerischer Sicht als sachgerecht zu bezeichnen ist, hat der Augenschein bestätigt. Das von den Beschwerdeführern erworbene Land liegt inmitten von landwirtschaftlich genutztem Areal. Auch unter diesem Gesichtspunkt liegen daher keine zwingenden Gründe vor, welche die Einzonung des von den Beschwerdeführern erworbenen Landes geboten hätten.
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Urteilskopf 125 I 46 5. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 30. November 1998 i.S. X. gegen Amtsstatthalteramt Sursee, Staatsanwaltschaft und Obergericht des Kantons Luzern (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Art. 36 Abs. 4 BV , Art. 8 EMRK ; Telefonabhörung, Verwendung von Zufallsfunden als Beweismittel im Strafverfahren gegen den von der Abhörung mit erfassten Gesprächspartner, Zeugnisverweigerungsrecht aufgrund des Berufsgeheimnisses. Die auf dem Berufsgeheimnis beruhende Einschränkung der Verwendung von Abhörprotokollen entfällt, wenn die zur Zeugnisverweigerung berechtigte Person selbst einer überwachungswürdigen Straftat verdächtigt wird. Protokolle über Gespräche einer rechtmässig überwachten Person dürfen daher zu Lasten des mit abgehörten Berufsgeheimnisträgers verwendet werden, sofern bei diesem die Voraussetzungen für eine Telefonabhörung ebenfalls erfüllt gewesen wären (E. 6). Voraussetzung der Schwere des Delikts (E. 7a).
Sachverhalt ab Seite 47 BGE 125 I 46 S. 47 A. ist Geschäftsführer des Dancings B. im Kanton Luzern. Das Amtsstatthalteramt Sursee eröffnete gegen A. im Mai 1995 eine Strafuntersuchung wegen Verdachts der Förderung der Prostitution und weiterer Delikte. In diesem Strafverfahren wurden in der Zeit vom 16. Juni 1995 bis 27. Oktober 1995 vier Telefonanschlüsse im Dancing B. abgehört. Gestützt auf sog. Zufallsfunde aus diesen Überwachungen wurde im September 1995 gegen Rechtsanwalt X. ein Strafverfahren wegen Geldwäscherei und im Oktober 1995 ein solches wegen mehrfacher Anstiftung zu falschem Zeugnis eröffnet. X. ist der Schwager von A. und war vom 30. Mai 1995 bis 21. Juni 1995 dessen Verteidiger in der hängigen Strafsache. Das Amtsstatthalteramt Sursee unterbreitete der Kriminal- und Anklagekommission (im folgenden abgekürzt: KAK) des Obergerichts des Kantons Luzern im August 1997 zwölf Protokolle über Gespräche aus den erwähnten Telefonüberwachungen und ersuchte sie, die Protokolle im Strafverfahren gegen X. zur Verwendung zuzulassen. Die KAK entsprach diesem Gesuch mit Entscheid vom 16. Juni 1998. X. reichte dagegen staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 und Art. 36 Abs. 4 BV sowie von Art. 8 EMRK ein. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Mit dem angefochtenen Entscheid hat die KAK zwölf Abhörprotokolle der im Strafverfahren gegen A. überwachten Telefonanschlüsse zur Verwendung im Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer zugelassen. Dieser macht geltend, der Entscheid verletze das Telefongeheimnis gemäss Art. 36 Abs. 4 BV und Art. 8 Ziff. 1 EMRK sowie das Willkürverbot nach Art. 4 BV . a) Art. 36 Abs. 4 BV und Art. 8 Ziff. 1 EMRK garantieren das Telefongeheimnis. Sie schützen damit die persönliche Geheimsphäre der am Telefonverkehr beteiligten Personen. Die Verfassungsgarantie BGE 125 I 46 S. 48 kann eingeschränkt werden, sofern die Einschränkung auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, im öffentlichen Interesse liegt und verhältnismässig ist. In ähnlicher Weise kann nach Art. 8 Ziff. 2 EMRK in das durch die EMRK gewährleistete Telefongeheimnis eingegriffen werden, wenn dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Massnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist ( BGE 122 I 182 E. 3a; BGE 120 Ia 314 E. 2a). b) Die Überwachung des Telefonverkehrs ist im Kanton Luzern in den §§ 117 ff. des Gesetzes über die Strafprozessordnung (StPO) geregelt. § 117 StPO umschreibt die Voraussetzungen der Telefonabhörung wie folgt: "Der Amtsstatthalter und der Staatsanwalt können den Post-, Telefon- und Telegrafenverkehr des Angeschuldigten überwachen und Sendungen beschlagnahmen lassen sowie technische Überwachungsgeräte einsetzen, wenn 1. ein Verbrechen oder ein Vergehen, dessen Schwere oder Eigenart den Eingriff rechtfertigt, oder eine mit Hilfe des Telefons begangene Straftat verfolgt wird und 2. der Angeschuldigte der Tat dringend verdächtigt ist und wenn 3. die Untersuchung ohne die Überwachung wesentlich erschwert würde oder andere Untersuchungshandlungen erfolglos geblieben sind. Sind die Voraussetzungen beim Angeschuldigten erfüllt, so können Dritte überwacht werden, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen angenommen werden muss, dass sie für ihn bestimmte oder von ihm herrührende Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben. Ausgenommen sind Personen, die gemäss § 93 das Zeugnis verweigern dürfen. Der Telefonanschluss Dritter kann stets überwacht werden, wenn der Verdacht begründet ist, dass der Angeschuldigte ihn benutzt." Hinsichtlich der Verwendung der Ergebnisse der Überwachung legt § 117sexies Abs. 1 StPO Folgendes fest: "Soweit die Ergebnisse für die Untersuchung nicht notwendig sind oder aus dem Verkehr mit Personen herrühren, denen gemäss § 93 das Zeugnisverweigerungsrecht zusteht, dürfen sie im Verfahren nicht verwendet werden. Briefe, Sendungen und Telegramme dieser Art sind, sobald es die Untersuchung erlaubt, den Adressaten zuzustellen. Allfällig erstellte Kopien sowie Aufzeichnungen über Telefongespräche und über andere Überwachungsmassnahmen sind unter Verschluss zu halten und nach Abschluss des Verfahrens zu vernichten, sofern im Einstellungsbeschluss oder im Urteil nichts anderes verfügt wird." BGE 125 I 46 S. 49 c) Da die Telefonüberwachung einen schweren Eingriff in das Telefongeheimnis darstellt, prüft das Bundesgericht die Auslegung und Anwendung des entsprechenden kantonalen Rechts frei ( BGE 122 I 182 E. 5). Soweit jedoch reine Sachverhaltsfeststellungen und damit Fragen der Beweiswürdigung zu beurteilen sind, greift das Bundesgericht grundsätzlich nur ein, wenn die tatsächlichen Feststellungen der kantonalen Instanz willkürlich sind (vgl. BGE 123 I 268 E. 2d). 5. Deckt eine Telefonüberwachung Beweise für allfällige Straftaten eines Dritten auf, so liegt ein sog. Zufallsfund vor. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts dürfen Zufallsfunde aus rechtmässigen Telefonüberwachungen grundsätzlich verwertet und im Strafverfahren gegen den mit abgehörten Gesprächspartner als Beweismittel verwendet werden, wenn die formellen und materiellen Voraussetzungen zur Telefonüberwachung des Gesprächspartners aufgrund einer nachträglichen Prüfung ebenfalls erfüllt sind ( BGE 122 I 182 E. 3b und 4c; BGE 120 Ia 314 E. 2c). Die hier in Frage stehenden Abhörprotokolle enthalten Aufzeichnungen über Gespräche aus den rechtmässigen Telefonüberwachungen im Strafverfahren gegen A. Der Beschwerdeführer war Gesprächspartner von C., der Benützerin der abgehörten Telefonanschlüsse. Durch die Überwachungsmassnahme geriet er - zufällig - in Verdacht, Straftaten begangen zu haben. Die KAK hatte im angefochtenen Entscheid darüber zu befinden, ob die Abhörprotokolle im Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer als Beweismittel verwendet werden dürften. Sie hat entsprechend der erwähnten Rechtsprechung des Bundesgerichts geprüft, ob der durch die Zufallsfunde in Verdacht geratene Beschwerdeführer selber einer Telefonüberwachung hätte unterworfen werden können. Die KAK gelangte zum Schluss, die in § 117 Abs. 1 Ziff. 1-3 StPO genannten Voraussetzungen für eine Telefonüberwachung wären in Bezug auf den Beschwerdeführer erfüllt gewesen. Sie verwarf sodann den Einwand des Beschwerdeführers, sein Berufsgeheimnis als Anwalt schütze ihn gemäss § 117sexies StPO vor der Verwendung der Abhörprotokolle über Gespräche, an denen er in seiner Funktion als Anwalt beteiligt gewesen sei. 6. Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe die abgehörten Gespräche als Anwalt geführt, und nach der Luzerner StPO dürften Überwachungsergebnisse aus dem Verkehr mit Berufsgeheimnisträgern unter keinen Umständen in einem Strafverfahren als Beweismittel verwendet werden. Er ist der Meinung, die KAK hätte deshalb gar nicht prüfen müssen, ob er selber nach § 117 Abs. 1 BGE 125 I 46 S. 50 Ziff. 1-3 StPO einer Telefonüberwachung hätte unterworfen werden können. Es kann offen bleiben, ob die Gespräche, die der Beschwerdeführer führte und die abgehört wurden, überhaupt eine Verbindung mit seiner Anwaltstätigkeit hatten und unter das Anwaltsgeheimnis fallen. Nach § 117sexies Abs. 1 StPO dürfen Überwachungsergebnisse, die aus dem Verkehr mit Personen herrühren, denen gemäss § 93 StPO das Zeugnisverweigerungsrecht aufgrund des Berufsgeheimnisses zusteht, "im Verfahren" nicht verwendet werden. Damit ist das Strafverfahren gemeint, in welchem die Überwachungsmassnahme vorgenommen wurde. Wo z.B. aus dem Verkehr des Überwachten mit seinem Anwalt, seinem Arzt oder einem Geistlichen Aufzeichnungen über Gespräche ergehen, sind - im Verfahren gegen den überwachten Angeschuldigten - die daraus gewonnenen Erkenntnisse unverwertbar. Das hier massgebende Vertrauensverhältnis verdient Vorrang und muss unangetastet bleiben (ROBERT HAUSER/ERHARD SCHWERI, Schweizerisches Strafprozessrecht, 3. Auflage, 1997, S. 301, Rz. 29 zu § 71). Die Vorschrift von § 117sexies Abs. 1 StPO besagt hingegen nicht, dass eine Telefonüberwachung allgemein dann unzulässig wäre, wenn ein Strafverfahren gegen einen Anwalt selber durchgeführt wird. Er ist nicht in dem Sinn gegenüber anderen Beschuldigten privilegiert, dass er von jeder Telefonüberwachung ausgenommen wäre. Die auf dem Berufsgeheimnis beruhende Einschränkung der Verwendung von Abhörprotokollen entfällt, wenn die zur Zeugnisverweigerung berechtigte Person selbst einer überwachungswürdigen Straftat verdächtigt wird (NIKLAUS OBERHOLZER, Grundzüge des Strafprozessrechts, Bern 1994, S. 394). Dort, wo der Berufsgeheimnisträger selbst Angeschuldigter ist, geht das Interesse an der Strafverfolgung der Wahrung des Berufsgeheimnisses vor. So kann sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts eine Person, die ein Berufsgeheimnis zu wahren hat, in einem gegen sie hängigen Strafverfahren der Beschlagnahme von in ihrem Besitz befindlichen Akten nicht unter Berufung auf ihre Geheimhaltungspflicht widersetzen ( BGE 106 IV 413 E. 7c; BGE 102 IV 210 E. 4a; BGE 101 Ia 10 E. 5a). Für seine eigenen Verfehlungen kann niemand ein Privileg aufgrund eines Berufsgeheimnisses beanspruchen ( BGE 106 IV 413 E. 7c mit Hinweisen). Die KAK hat im angefochtenen Entscheid mit Recht auf diesen Grundsatz hingewiesen und betont, es sei nicht der Sinn des Berufsgeheimnisses, dessen Träger vor einer Strafverfolgung zu schützen. Ferner hat sie zutreffend erwogen, aus dem Urteil des BGE 125 I 46 S. 51 Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 25. März 1998 i.S. Kopp gegen die Schweiz (Rec. 1998-II S. 524 ff.) lasse sich entgegen der Meinung des Beschwerdeführers nicht ableiten, dass ein Anwalt grundsätzlich nicht abgehört werden dürfe und somit auch Zufallsfunde aus der Telefonüberwachung anderer nicht verwendet werden dürften. Das genannte Urteil kann für den vorliegenden Fall nicht herangezogen werden. Es ging in der vom EGMR zu beurteilenden Angelegenheit nicht um die hier zur Diskussion stehende Frage, ob Zufallsfunde aus rechtmässigen Telefonüberwachungen im Strafverfahren gegen den mit abgehörten Gesprächspartner als Beweismittel verwendet werden dürfen. Rechtsanwalt Kopp war nicht Angeschuldigter in einem Strafverfahren. Er wurde im Rahmen eines gerichtspolizeilichen Ermittlungsverfahrens als Drittperson nach Art. 66 Abs. 1bis BStP überwacht, und es stellte sich die Frage der hinreichenden gesetzlichen Grundlage und der richterlichen Kontrolle, wenn sämtliche Telefonanschlüsse eines Berufsgeheimnisträgers abgehört werden, welcher im Verfahren Drittperson ist, d.h. nicht selber einer Straftat verdächtigt wird. Nach dem Gesagten bezieht sich die Vorschrift von § 117sexies Abs. 1 StPO im vorliegenden Fall auf das gegen A. geführte Strafverfahren, in welchem die Telefonüberwachung vorgenommen wurde. Die KAK ging mit Recht davon aus, die aus dieser Überwachung stammenden Abhörprotokolle könnten im Verfahren gegen den von der Massnahme mit erfassten Beschwerdeführer verwendet werden, sofern die in § 117 Abs. 1 Ziff. 1-3 StPO genannten Voraussetzungen für eine Telefonüberwachung in Bezug auf den Beschwerdeführer ebenfalls erfüllt gewesen wären. 7. Der Beschwerdeführer rügt, die KAK habe zu Unrecht angenommen, er selber hätte gemäss § 117 Abs. 1 Ziff. 1-3 StPO einer Telefonüberwachung unterworfen werden können. a) § 117 Abs. l Ziff. 1 StPO erlaubt eine Überwachung nur, wenn ein Verbrechen oder Vergehen verfolgt wird, dessen Schwere oder Eigenart den Eingriff rechtfertigt. Dem Beschwerdeführer wird mehrfache Anstiftung zu falschem Zeugnis vorgeworfen. Er soll D. und E. (beide Kellner im Dancing B.) angestiftet haben, als Zeugen im Strafverfahren gegen A. falsche Aussagen zu machen. Ausserdem wird dem Beschwerdeführer Geldwäscherei im Sinne von Art. 305bis Ziff. 1 StGB zur Last gelegt. Er soll vereitelt haben, dass Bargeld im Umfang von Fr. 650'000.--, das aus den A. zur Last gelegten Delikten herrühren soll, von der Untersuchungsbehörde eingezogen werden konnte. Anstiftung zu falschem Zeugnis stellt BGE 125 I 46 S. 52 ein Verbrechen dar (Art. 24 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 307 Abs.1 StGB ). Bei der Geldwäscherei nach Art. 305bis Ziff. 1 StGB handelt es sich um ein Vergehen. Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, diese Delikte würden für sich allein betrachtet nicht die vom Gesetz verlangte Schwere aufweisen, um den Eingriff in das verfassungsmässige Recht gemäss Art. 36 Abs. 4 BV zu rechtfertigen. Er wirft der KAK vor, sie habe in willkürlicher Weise die Schwere der ihm zur Last gelegten Straftaten deshalb bejaht, weil sie diese in einen unmittelbaren Zusammenhang mit den A. vorgeworfenen Verbrechen und Vergehen gebracht habe. Das Bundesgericht hat im Urteil BGE 117 Ia 10 E. 4d S. 13 beiläufig bemerkt, am Merkmal der Schwere der Tat dürfte es bei einer Falschaussage (eines Zeugen) fehlen; es hat indes die Frage offen gelassen. In der Lehre wird mit Grund erklärt, bei falschem Zeugnis könnten Überwachungsmassnahmen nicht von vornherein ausgeschlossen werden, denn das Delikt könne z.B. in einem Mordprozess so schwer wiegen, dass eine Überwachung gerechtfertigt erscheine (HAUSER/SCHWERI, a.a.O., S. 296, Rz. 7 zu § 71; NIKLAUS SCHMID, Strafprozessrecht, 2. Auflage, Zürich 1993, S. 228, N. 763). Allgemein hängt es bei Verfehlungen, die für sich allein weniger schwer erscheinen, von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab, ob Überwachungsmassnahmen angeordnet werden dürfen (HAUSER/SCHWERI, a.a.O.). Die KAK führte im angefochtenen Entscheid aus, die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Delikte stünden im Zusammenhang mit den inkriminierten Vorgängen um das Dancing B. Es gehe im Wesentlichen um den Vorwurf, das Ergebnis der Strafuntersuchung gegen A., den Wirt des Dancings, beeinflusst und der Untersuchungsbehörde Bargeld im Umfang von Fr. 650'000.-- aus möglicherweise deliktischer Herkunft entzogen zu haben. A. würden zahlreiche Verbrechen und Vergehen vorgeworfen, wie gewerbsmässiger Betrug, Gehilfenschaft zu Menschenhandel (-sistiert bis zum rechtskräftigen Entscheid der Zürcher Behörden gegen Inhaber und Mitarbeiter der Agentur G.), mehrfache Förderung der Prostitution, mehrfache Urkundenfälschung und mehrfache Geldwäscherei. Die Staatsanwaltschaft habe gegen A. beim Kriminalgericht eine Zuchthausstrafe von vier Jahren und eine Busse von Fr. 100'000.-- beantragt. Die KAK hielt fest, der Beschwerdeführer habe mit der verdachtsweisen Beeinflussung der Zeugen zu verhindern versucht, dass die "schweren Delikte der Betreiber des Dancings B. aufgedeckt würden". BGE 125 I 46 S. 53 In der staatsrechtlichen Beschwerde wird eingewendet, diese Feststellung enthalte gravierende Vorverurteilungen und verletze die Unschuldsvermutung gemäss Art. 6 Ziff. 2 EMRK . Die Rügen sind unbegründet. Die KAK hat in Bezug auf die den Beschwerdeführer betreffenden Handlungen ausdrücklich das Wort "verdachtsweise" verwendet. Was die dem Betreiber des Dancings zur Last gelegten Delikte angeht, so hat sie mit der gewählten Formulierung keinen strafrechtlichen Schuldvorwurf erhoben, sondern lediglich zum Ausdruck bringen wollen, dass es in der Strafuntersuchung gegen A. um die Abklärung schwerer Delikte gegangen sei. Gegen A. wurde, wie sich aus dem Gesuch des Amtsstatthalters vom 16. Juni 1995 betreffend Genehmigung der Telefonüberwachung ergibt, eine Strafuntersuchung geführt wegen Menschenhandels, Förderung der Prostitution und Ausnützung einer Notlage; ausserdem bestand der Verdacht, dass diese schwerwiegenden Delikte gegen die sexuelle Integrität im Rahmen einer kriminellen Organisation begangen worden seien. A. ist übrigens im Juni 1998 erstinstanzlich zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt worden. Die Annahme der KAK, der Beschwerdeführer habe mit der ihm vorgeworfenen Anstiftung zu falschem Zeugnis gewisse Vorgänge im Dancing B. vertuschen wollen, ist nicht unhaltbar. Die beiden Kellner, die er zu falschen Zeugenaussagen angestiftet haben soll, wurden zu Vorgängen befragt, die sich in diesem Lokal abgespielt haben sollen, und konnten mit ihren Aussagen den Angeschuldigten A. erheblich belasten. Wenn aber mit einer Anstiftung zu falschem Zeugnis in einer Strafuntersuchung wegen schwerer Delikte die Beweislage zugunsten des Angeschuldigten beeinflusst werden soll, kann angenommen werden, die in Frage stehende Anstiftung wiege genügend schwer, um eine Überwachungsmassnahme anzuordnen. Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass der Beschwerdeführer noch Geldwäscherei in einem nicht geringen Umfang betrieben haben soll. Wird einerseits berücksichtigt, dass die Delikte, welche Gegenstand des gegen den Beschwerdeführer eingeleiteten Strafverfahrens bilden - mehrfache Anstiftung zu falschem Zeugnis und Geldwäscherei - an sich gravierende Straftaten sind, und wird anderseits in Rechnung gestellt, dass die angebliche Anstiftung zu falschem Zeugnis im Rahmen eines anderen Strafverfahrens erfolgte, das klarerweise schwere Straftaten zum Gegenstand hat, so konnte die KAK ohne Verfassungs- oder Konventionsverletzung annehmen, im Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer wäre im Hinblick auf die Schwere der Taten eine Telefonüberwachung zulässig gewesen.
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Urteilskopf 86 I 265 37. Auszug aus dem Urteil vom 14. Dezember 1960 i.S. Otto Hupfer & Söhne gegen Senn & Co A. G. und Präsident des Bezirksgerichts Liestal.
Regeste Vorläufige Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts. Willkür. An die in Art. 961 Abs. 3 ZGB verlangte Glaubhaftmachung des Pfandrechtsanspruchs dürfen keine strengen Anforderungen gestellt werden; im Zweifelsfall ist die vorläufige Eintragung zu bewilligen und die Entscheidung über den Bestand des Pfandrechts dem ordentlichen Richter zu überlassen.
Sachverhalt ab Seite 265 BGE 86 I 265 S. 265 Aus dem Tatbestand: A.- Die Firma Senn & Co AG Basel, die heutige Beschwerdegegnerin, liess im Frühjahr 1960 auf ihrem Grundstück Nr. 689 in Ziefen (BL) durch den Bauunternehmer Fred Rosenblatt ein Fabrikgebäude errichten. BGE 86 I 265 S. 266 Dieser bestellte bei der Firma Otto Hupfer & Söhne in Basel, der heutigen Beschwerdeführerin, insgesamt 92,5 m3 Frischbeton, von denen 37,5 m3 am 20. Juni und 55 m3 am 27. Juni 1960 geliefert wurden. Die Lieferungen erfolgten mit Liefermischern, welche auf Lastwagen montiert sind und die im gewünschten Verhältnis eingefüllten Mengen Sand, Kies, Zement und Wasser während der Fahrt vom Betonwerk zur Baustelle mischen. Die Beschwerdeführerin stellte Rosenblatt für diese Lieferungen am 30. Juni 1960 mit Fr. 5652.75 Rechnung. Am 10 Juli 1960 ersuchte die Beschwerdeführerin den Bezirksgerichtspräsidenten von Liestal um vorläufige Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts auf der Parzelle 689 in Ziefen für den Betrag von Fr. 5652.75 nebst Folgen, geschätzt auf total Fr. 6000.--. Der Bezirksgerichtspräsident wies das Grundbuchamt durch Verfügung vom 20. Juli 1960 an, dieses provisorische Bauhandwerkerpfandrecht vorläufig vorzumerken, und befristete die Wirkung dieser Vormerkung vorläufig bis zur Bestätigungsverhandlung; er ging davon aus, dass die Forderung an Hand der Rechnungskopie glaubhaft gemacht sei und die Voraussetzungen von Art. 837 Ziff. 3 und 839 ZGB erfüllt erschienen. In der Bestätigungsverhandlung vom 17. August 1960 machte die Beschwerdeführerin geltend, die Zubereitung und Lieferung von Frischbeton in der vom Besteller gewünschten besondern Mischung müsse als Lieferung von Material und Arbeit im Sinne von Art. 837 Ziff. 3 ZGB betrachtet werden, zumal da Frischbeton bei Nichtabnahme in wenigen Stunde verderbe. Die Beschwerdegegnerin wandte ein, es handle sich um eine reine Materiallieferung, für die ein Bauhandwerkerpfandrecht nicht in Frage komme; ferner bestritt sie die Forderung grundsätzlich und der Höhe nach. Durch Entscheid vom 26. August 1960 hob der Bezirksgerichtspräsident die Verfügung vom 20. Juli 1960 auf und wies das Grundbuchamt Liestal an, das vorgemerkte provisorische BGE 86 I 265 S. 267 Bauhandwerkerpfandrecht wieder zu löschen. Zur Begründung führte er aus: Wer bloss Baumaterial liefere, ohne es in die Baute zu verarbeiten, sei nicht Baugläubiger im Sinne von Art. 837 Ziff. 3 ZGB , denn er sei auf Grund nicht eines Werk-, sondern eines Kaufvertrages an der Baute beteiligt und könne daher seine Lieferung bis zur Bezahlung oder Sicherstellung des Preises zurückbehalten. Dagegen sei der Lieferant von genau nach Mass verfertigten und anderweitig nicht brauchbaren Gegenständen (Türen, Fenster, Balken usw.) Baugläubiger, da er Kredit gewähren müsse und erst Bezahlung verlangen könne, wenn sich das Werk durch Einpassung in die Baute als brauchbar erwiesen habe und abgenommen sei. Der vorliegend gelieferte Beton sei kein solches eigens für die betreffende Baute hergestelltes Material, denn das würde ja bedeuten, dass der fertig fabrizierte Beton nur gerade für dieses Bauwerk verwendet werden könnte und bei Nichtlieferung oder Nichtabnahme unbrauchbar wäre. Wenn der Kläger auch verschiedene Betonmischungen herstelle, so sei die einmal fabrizierte Mischung doch nicht so individualisiert, dass sie nur an einer bestimmten Baustelle verwendet werden könne. Die Tatsache, dass Beton nicht auf Lager fabriziert werden könne, sei eine Folge seiner kurzen Haltbarkeit und ändere nichts daran, dass er eine vertretbare Sache sei und einmal hergestellt wie zahlreiche andere Baumaterialien für verschiedene Bauten verwendbar sei. Als blosser Sachlieferant sei der Kläger auch nicht zur Vorleistung und Kreditgewährung gezwungen gewesen, sondern er hätte Bezahlung oder Sicherstellung des Kaufpreises vor der Lieferung verlangen können. Es stehe ihm somit für seine Betonlieferungen kein Bauhandwerkpfandrecht zu. B.- Mit der staatsrechtlichen Beschwerde beantragt die Firma Otto Hupfer & Söhne, dieser Entscheid des Bezirksgerichtspräsidenten von Liestal sei aufzuheben. Sie beruft sich auf Art. 4 BV und macht geltend: Die vorläufige Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts sei BGE 86 I 265 S. 268 zu bewilligen, wenn das Begehren nicht offenbar trölerisch oder schikanös sei ( BGE 39 II 139 ). Dies sei hier sicher nicht der Fall und die Abweisung des Begehrens daher unhaltbar und willkürlich. C.- Der Bezirksgerichtspräsident von Liestal und die Firma Senn & Co AG beantragen die Abweisung der Beschwerde. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1./2. - (Prozessuales). 3. Nach Art. 837 Ziff. 3 ZGB können die Handwerker und Unternehmer, die zu Bauten Material und Arbeit oder Arbeit allein geliefert haben, für ihre Forderung gegen den Grundeigentümer oder einen Unternehmer die Errichtung eines gesetzlichen Pfandrechts an diesem Grundstück verlangen. Die Eintragung hat bis spätestens drei Monate nach der Vollendung der Arbeit zu geschehen und darf nur erfolgen, wenn die Forderung vom Eigentümer anerkannt oder gerichtlich festgestellt ist ( Art. 839 Abs. 2 und 3 ZGB ). Da bis zur rechtskräftigen gerichtlichen Feststellung in der Regel mehr als drei Monate vergehen, ist zum Schutze der Handwerker und Unternehmer die vorläufige Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts vorgesehen ( Art. 22 Abs. 4 GBV und 961 Abs. 2 ZGB), die ebenfalls innert jener drei Monate erfolgen muss, aber nur voraussetzt, dass der Ansprecher seine Berechtigung glaubhaft macht, worüber der Richter in schnellem Verfahren zu entscheiden hat ( Art. 961 Abs. 3 ZGB ). Der angefochtene Entscheid ist begründet, wie wenn der Bezirksgerichtspräsident mit freier Prüfung und endgültig über das Vorliegen der Voraussetzungen von Art. 837 Ziff. 3 ZGB und über das Bestehen des von der Beschwerdeführerin beanspruchten Bauhandwerkerpfandrechts zu entscheiden gehabt hätte; dass er bloss zu prüfen hatte und nur geprüft hätte, ob der Pfandrechtsanspruch glaubhaft gemacht sei, ist mit keinem Worte auch nur angedeutet. Ob der Bezirksgerichtspräsident diese Beschränkung seiner BGE 86 I 265 S. 269 Kognition tatsächlich übersehen oder nur in den Erwägungen seines Entscheids nicht zum Ausdruck gebracht hat, kann indessen dahingestellt bleiben, da auch ersteres für sich allein noch nicht zur Gutheissung der Beschwerde führen würde. Die Aufhebung eines kantonalen Entscheids auf Grund von Art. 4 BV rechtfertigt sich nur, wenn der Beschwerdeführer im Ergebnis willkürlich behandelt worden ist, nicht schon, wenn die Motive des angefochtenen Entscheids unhaltbar sind (vgl. BIRCHMEIER, Handbuch des OG, S 352/3). Es ist daher zu prüfen, ob sich aus den im Entscheid des Bezirksgerichtspräsidenten enthaltenen Gründen die Auffasung vertreten lässt, die Beschwerdeführerin habe ihren Pfandrechtsanspruch nicht einmal glaubhaft gemacht. In BGE 39 II 139 Erw. 2 hat das Bundesgericht ausgeführt, der Richter sollte die vorläufige Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts stets bewilligen, wenn es sich nicht um ein offenbar trölerisches oder schikanöses Begehren handle, wovon vorliegend, wie der Bezirksgerichtspräsident in der Vernehmlassung in der gleichgelagerten Beschwerdesache Sutter mit Recht anerkennt, nicht die Rede sein kann. Nun ist freilich ein kantonaler Entscheid nicht schon deshalb willkürlich, weil er von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung abweicht ( BGE 71 I 229 , BGE 73 I 188 ). Allein auch wenn man nicht so weit wie das erwähnte Urteil gehen und nicht nur die Abweisung geradezu trölerischer und schikanöser Begehren zulassen will, kann es doch nicht zweifellos sein, dass an die in Art. 961 Abs. 3 ZGB verlangte Glaubhaftmachung keine strengen Anforderungen gestellt werden dürfen (in diesem Sinne ausser BGE 39 II 139 und BGE 79 II 439 auch die Rechtslehre; vgl. LEEMANN N. 42 zu Art. 839 ZGB , HOMBERGER N. 31 zu Art. 961 ZGB , SIMOND, L'hypothèque légale de l'entrepreneur S. 144/45). Das folgt insbesondere daraus, dass der Baugläubiger das Pfandrecht wegen der kurzen Verwirkungsfrist von Art. 839 Abs. 2 ZGB im Falle der Verweigerung der vorläufigen Eintragung endgültig verliert, BGE 86 I 265 S. 270 während die Bewilligung, sofern das Pfandrecht im nachfolgenden ordentlichen Prozess nicht anerkannt wird, für den Grundeigentümer nur eine vorübergehende Belastung seiner Liegenschaft zur Folge hat, die zudem durch Leistung einer anderweitigen hinreichenden Sicherheit vermieden werden kann ( Art. 839 Abs. 3 ZGB ). Angesichts dieser besonderen Interessenlage darf die vorläufige Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts nur verweigert werden, wenn der Bestand des Pfandrechts als ausgeschlossen erscheint oder höchst unwahrscheinlich ist; im Zweifelsfall, bei unklarer oder unsicherer Rechtslage, ist die vorläufige Eintragung dagegen zu bewilligen und die Entscheidung dem ordentlichen Richter zu überlassen (vgl. SJZ 24 S. 43, 47 S. 374; ZR 27 S. 114, 32 S. 260). Im vorliegenden Falle fragt sich, ob die Beschwerdeführerin mit dem bestellten Frischbeton Material und Arbeit im Sinne von Art. 837 Ziff. 3 ZGB geliefert habe. Die Abgrenzung solcher Lieferungen von den nicht pfandrechtsgeschützten reinen Materiallieferungen ist im Einzelfall oft heikel. In BGE 72 II 349 führte das Bundesgericht aus, um blosse Materiallieferung handle es sich bei Sachen, die der Lieferant zwar selbst, aber als vertretbare Lagerware wie z.B. Backsteine, Ziegel usw. hergestellt habe; als Lieferung von Material und Arbeit sei dagegen zu betrachten die Lieferung von unvertretbaren Sachen, die auf Grund eines Werkvertrags oder Werklieferungsvertrages eigens für den betreffenden Bau angefertigt worden seien und deren Zurückbehaltung daher den Lieferanten nicht vor Schaden bewahren würde, weil sie anderweitig nicht oder nur schwer verwendbar wären. Die Beschwerdeführerin macht geltend, letzteres sei hier der Fall; Frischbeton sei keine vertretbare Sache, da er nicht ab Lager verkauft, sondern aus einer grossen Zahl möglicher Mischungen jeweils auf Grund eines Werk- oder Werklieferungsvertrages für den Besteller besonders hergestellt werde und bei Nichtabnahme in wenigen Stunden unbrauchbar und völlig wertlos sei. Diese Betrachtungsweise ist BGE 86 I 265 S. 271 keineswegs so abwegig, wie der angefochtene Entscheid annimmt. Wenn Frischbeton auch ein Baumaterial im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs ist, so ist er doch insofern von besonderer Art, als er, anders als Backsteine, Ziegel usw., in der Form, in der er auf Bestellung hergestellt und geliefert wird, nur ganz kurze Zeit, nämlich nur wenige Stunden, verwendbar und haltbar ist. Mit den auf Grund eines Werk- oder Werklieferungsvertrages hergestellten Sachen wie Türen, Fenster oder Betonbalken, um die es in BGE 72 II 349 ging, hat der Frischbeton sodann gemein, dass seine Qualität und Tauglichkeit erst nach der Verwendung abschliessend geprüft werden kann (vgl. BGE 72 II 351 ), sodass es zweifelhaft ist, ob dem Lieferanten entgegengehalten werden kann, er sei nicht vorleistungspflichtig. Im Hinblick auf diese besondern Eigenschaften, durch die sich der Frischbeton von den andern Baumaterialien unterscheidet, erscheint es nicht als ausgeschlossen, dass der Richter im ordentlichen Prozess das der Lieferung zugrunde liegende Vertragsverhältnis als Werklieferungsvertrag betrachten und dem Lieferanten in Anwendung der in BGE 72 II 349 ff. aufgestellten Grundsätze das Bauhandwerkerpfandrecht einräumen könnte. Die Frage ist jedenfalls einer näheren Prüfung wert, und es geht nicht an, die Möglichkeit, hierüber einen Entscheid des ordentlichen Richters herbeizuführen, durch Verweigerung der vorläufigen Eintragung abzuschneiden. Der Bezirksgerichtspräsident selber hat denn auch in der Begründung seiner provisorischen Verfügungen vom 14. Juli (Fall Sutter) und vom 20. Juli 1960 (Fall Hupfer) zutreffend ausgeführt, die Voraussetzungen des Bauhandwerkerpfandrechts im Sinne von Art. 837 Ziff. 3 und 839 ZGB "sind glaubhaft gemacht" bzw. "erscheinen als erfüllt". Die dem angefochtenen Entscheid zugrunde liegende gegenteilige Auffassung, die Beschwerdeführerin habe ihre Berechtigung nicht einmal glaubhaft gemacht, ist unhaltbar, weshalb der Entscheid wegen Verletzung von Art. 4 BV aufzuheben ist. BGE 86 I 265 S. 272 Dispositiv Demnach erkennt das Bundergericht: Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Präsidenten des Bezirksgerichts Liestal vom 26. August 1960 aufgehoben.
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Urteilskopf 106 IV 52 18. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 18. Januar 1980 i.S. A. gegen Generalprokurator des Kantons Bern (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste Vortritt. Wird ein aus einer Nebenstrasse in eine Verzweigung einbiegendes Fahrzeug durch Verkehrsinseln in den Verkehrsstrom der Hauptstrasse eingeführt, so untersteht es bei der Weiterfahrt der hiefür geltenden Vortrittsrechtsordnung.
Sachverhalt ab Seite 52 BGE 106 IV 52 S. 52 A.- Am 9. September 1978 kam es in Steffisburg zwischen den von A. und B. geführten Personenwagen zu einem Zusammenstoss. In die als Hauptstrasse gekennzeichnete Bernstrasse münden an der sogenannten Stuckikreuzung zwei Nebenstrasen, in Richtung Bern gesehen von links die Schwäbisstrasse und von rechts die Stockhornstrasse. A. bog von der Schwäbisstrasse nach links, in Fahrtrichtung Bern, in die Bernstrasse ein. Als er das Einbiegemanöver beinahe vollendet hatte, stiess er - bereits auf dem Richtung Bern BGE 106 IV 52 S. 53 führenden Fahrstreifen - von hinten gegen den aus der Stockhornstrasse nach rechts, ebenfalls in Richtung Bern, in die Bernstrasse eingefahrenen Wagen des B. B.- Das Obergericht des Kantons Bern verurteilte A. am 14. September 1979 wegen Fahrens mit übersetzter Geschwindigkeit ( Art. 32 Abs. 1 SVG ), mangelnder Aufmerksamkeit (Art. 31 Abs. 1 und 26 Abs. 2 SVG) und ungenügender Rücksichtnahme ( Art. 14 Abs. 2 VRV ) zu Fr. 100.-- Busse. C.- Der Generalprokurator führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichtes sei aufzuheben und die Sache zur zusätzlichen Schuldigerklärung des A. wegen Missachtung des Vortrittsrechtes zurückzuweisen. A. verzichtet auf Gegenbemerkungen. Erwägungen Aus den Erwägungen: II.4. Der öffentliche Ankläger wendet sich gegen die Annahme der Vorinstanz, A. habe gegenüber B. den Vortritt gehabt. Nach Art. 36 Abs. 2 Satz 1 SVG habe auf Strassenverzweigungen das von rechts kommende Fahrzeug den Vortritt. Die elementare Regel des Rechtsvortritts habe der Bundesgesetzgeber im hier zu beurteilenden Fall des Einmündens von Nebenstrassen am gleichen Ort in eine Hauptstrasse in Art. 15 Abs. 2 VRV ausdrücklich aufrechterhalten. A. sei gegenüber B. wartepflichtig gewesen, weil er nach links, B. dagegen nach rechts habe abbiegen wollen ( Art. 36 Abs. 3 SVG ). a) Die Auffassung des Generalprokurators trifft zu für gewöhnliche Kreuzungen ohne besondere Verkehrsregelung durch Markierungen oder Bauten (vgl. Skizze I). Hier spurt der Linksabbieger A längs der Mittelachse der Nebenstrasse ein BGE 106 IV 52 S. 54 und fährt, wenn die Hauptstrasse frei ist, in einem Bogen nach links in diese ein. Dabei schneidet seine Fahrbahn diejenige des B, der vor der Hauptstrasse rechts eingespurt hatte. Gemäss den vom Generalprokurator angerufenen Bestimmungen ist hier B als Rechtsabbieger vortrittsberechtigt, A ist wartepflichtig. b) Auf Kreuzungen mit intensivem Verkehr ist diese Regelung ungenügend und unfallträchtig. Der Fahrer A muss oft lange Zeit warten, bis eine Lücke in beiden Fahrströmen der Hauptstrasse ihm erlaubt, diese in einem Zug zu überqueren. Es bildet sich hinter seinem Fahrzeug eine Kolonne. Er ist versucht, bis zur Strassenmitte vorzufahren, wenn von links auf genügende Distanz kein Fahrzeug naht. Muss er vor dem Verkehrsstrom von rechts (C), dann wieder auf eine Lücke warten, so behindert er den Verkehr auf der ersten Strassenhälfte. Kann er endlich in die 2. Fahrbahn einfahren, so muss er möglicherweise auf den Fahrer B warten und versperrt inzwischen der Kolonne C den Weg. Um diesen Nachteilen und Gefahren zu begegnen, werden häufig die Verkehrsströme z.B. durch ein zentrales Rondell und in der Mitte der einmündenden Strassen angebrachte Verkehrsinseln aufgeteilt und umgeleitet (vgl. Skizze II). BGE 106 IV 52 S. 55 Der aus der Nebenstrasse nach links in die Hauptstrasse strebende Fahrer A durchläuft nunmehr folgende Phasen: Er wird vor der Einmündung durch die Verkehrsinsel 1 nach rechts geführt, spurt also nicht mehr an der Strassenachse ein, sondern neben der Insel. Hinter den Drachenzähnen wartet er, bis sich in dem von links kommenden Verkehr der näheren Fahrbahn der Hauptstrasse eine Lücke zeigt. Hat er diese durchfahren, gelangt er zwischen das Rondell und die Insel 2. Dort ist er wiederum wartepflichtig gegenüber dem nun von rechts kommenden Verkehr auf der zweiten Bahn der Hauptstrasse (C). Tut sich hier eine Lücke auf, so fügt er sich in diesen Verkehrsstrom der Hauptstrasse ein und fährt mit ihm weiter. Sobald er sich zwischen dem Rondell und der Verkehrsinsel 3 befindet, bildet sein Fahrzeug einen Teil der Kolonne der Hauptstrasse. Damit ist er gegenüber dem aus der Nebenstrasse einmündenden Fahrer B vortrittsberechtigt. Die Stuckikreuzung in Steffisburg ist in dieser Weise ausgebaut. A. hatte somit gegenüber B. den Vortritt. c) Die Einwände des Anklägers halten nicht stand. Die Regelung bedeutet nicht eine verkappte Einführung des Kreiselverkehrs. Für diesen typisch ist eine einheitliche Vortrittsregelung der im Kreisel befindlichen Fahrzeuge, meist durch Einführung der Wartepflicht für einmündende Verkehrsteilnehmer (Burgernziel Bern, Maladière und Montchoisi Lausanne usw). Die Verkehrsordnung nach der Skizze II und dem angefochtenen Urteil hebt weder das Vortrittsrecht der auf der Hauptstrasse fahrenden Verkehrsteilnehmer auf noch die Wartepflicht der aus den Nebenstrassen kommenden Fahrzeuge. Das gilt auch für das Verhältnis zwischen A, B und C. Die durch das Rondell und die Verkehrsinseln bewirkte Umleitung der Fahrströme führt dazu, dass gar keine direkte Begegnung der Wege von A und B mehr stattfindet (wie gemäss Skizze I), sondern dass A zuerst in den Fahrstrom C der Hauptstrasse eingeschleust wird, bevor er mit dem Abbieger B aus der Nebenstrasse zusammentreffen kann. d) Die von der Vorinstanz im angefochtenen Urteil und schon früher vertretene Auffassung verletzt somit kein Bundesrecht. Sie ist ausserdem auch verkehrstechnisch richtig. Sie gewährleistet den ungehinderten Fluss beider Verkehrsströme der Hauptstrasse. Gleichzeitig erleichtert und beschleunigt sie den Verkehr aus den Nebenstrassen. Sie vereinfacht auch BGE 106 IV 52 S. 56 die Erkennung der Vortrittssituation. Der wartepflichtige B hat allen von links kommenden Fahrzeugen den Vortritt zu lassen, ohne beobachten oder überlegen zu müssen, ob eines von ihnen ein Hauptstrassenbenützer von C her ist oder ursprünglich wie A aus der Nebenstrasse kam. Ein von C her in flüssiger Kolonne nahender Fahrer muss nicht damit rechnen, dass weiter vom die Kolonne plötzlich anhält, weil ein von A her eingebogenes Fahrzeug dem Rechtsabbieger B aus der Nebenstrasse den Vortritt gewähren muss.
null
nan
de
1,980
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07a2be4c-7cd9-4ee4-864e-f8fe2b683ad9
Urteilskopf 122 III 81 16. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 12. Februar 1996 i.S. Firma X. & Co. AG und Firma Y. AG in Liquidation gegen A. und Firma B. AG (Berufung)
Regeste Patentansprüche und deren Auslegung (Art. 51 f. PatG); gesetzlicher Geltungsbereich. Auslegungskriterien; Bedeutung der Erklärungen bei der Patentanmeldung zur Bestimmung von Gegenstand und Schutzbereich (E. 4). Für Widerhandlungen nach schweizerischem Patentgesetz gilt ein striktes Territorialitätsprinzip (E. 5).
Sachverhalt ab Seite 81 BGE 122 III 81 S. 81 Folgende am 29. Mai 1968 als Einheit angemeldeter und im Lauf des Verfahrens aufgeteilter Patente sind in den Jahren 1971, 1973 und 1975 in der Schweiz eingetragen worden: - Nr. 511 130 betreffend Verfahren und Einrichtung zum Belegen nichttextiler Unterlagen mit pulverförmigen Werkstoffen mit folgenden unabhängigen Ansprüchen: BGE 122 III 81 S. 82 "I. Verfahren zum Belegen nichttextiler Unterlagen mit pulverförmigen Werkstoffen in gleichbleibender Schichtstärke und in gleichmässiger Verteilung über mindestens eine Begrenzungsfläche der Unterlage, dadurch gekennzeichnet, dass Entnahmen der zur Belegung vorgesehenen Pulvermenge aus einem Vorrat und/oder Verteilung der Entnahmemenge auf eine gemäss Grösse und einzustellendem Abstand des Pulverkornes strukturierte Förderfläche bei Temperaturen durchgeführt werden, die niedriger gehalten werden als die Temperaturen, bei denen das Pulverkorn der Förderfläche entnommen und auf die zu belegende Unterlage oder einen Zwischenträger überführt wird. II. Einrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach Patentanspruch I, dadurch gekennzeichnet, dass im Anschluss an einen Pulvervorratsbehälter ein Entnahme- und Verteilungsflächen bildendes Förder- und Verteilungsmittel in Form einer umlaufenden, mit Kühl- und Heizvorrichtungen ausgerüsteten Walze vorgesehen ist, deren Umfangsfläche Ausnehmungen aufweist, die nach Grösse und Abstand dem Pulverkorn und dessen vorgesehener Verteilung angepasst sind, und dass der so oberflächenstrukturierten Walze Anpresswalzen zugeordnet sind, deren Temperaturen höher sind als die Temperaturen der Walze mit strukturierter Oberfläche." - Nr. 536 727 betreffend Einrichtung zum Belegen nichttextiler Unterlagen mit pulverförmigen Werkstoffen mit folgendem unabhängigem Anspruch: "Einrichtung zum Belegen nichttextiler Unterlagen mit pulverförmigen Werkstoffen, dadurch gekennzeichnet, dass im Anschluss an einen Pulvervorratsbehälter ein Entnahme- und Verteilungsflächen bildendes Förder- und Verteilungsmittel in Form einer umlaufenden, mit Kühl- und Heizvorrichtungen ausgerüsteten Walze vorgesehen ist, deren Umfangsfläche Ausnehmungen aufweist, die nach Grösse und Abstand dem Pulverkorn und dessen vorgesehener Verteilung angepasst sind, und dass der so oberflächenstrukturierten Walze Anpresswalzen zugeordnet sind, deren Temperaturen höher einstellbar sind als die Temperatur der Walze mit strukturierter Oberfläche." - Nr. 561 117 betreffend Verfahren zum Belegen textiler Unterlagen mit pulverförmigem Kunstharz mit folgendem unabhängigem Anspruch: "Verfahren zum Belegen von Unterlagen aus Textilfasern mit pulverförmigem Kunstharz mittels reliefartig strukturierter Förderfläche, dadurch gekennzeichnet, dass das Kunstharzpulver auf die Förderfläche bei einer dessen Verteilung auf sie und dessen Aufnahme in den Strukturräumen des Reliefs zulassenden, eine Klebrigkeit des Pulvers bei Verteilung und Aufnahme vermeidenden Temperatur überführt wird, wobei letztere niedriger gehalten wird als die Temperatur der Unterlage aus Textilfasern, bei der das Kunstharzpulver auf diese übertragen wird, und dass die Übertragung des Kunstharzpulvers auf die Unterlage durch deren Kontakt mit der Förderfläche BGE 122 III 81 S. 83 erfolgt." Die Firma X. & Co. AG und die Firma Y. AG in Liquidation als Inhaberinnen der Patente klagten am 17. Oktober 1984 gegen A. und die Firma B. AG vor dem Obergericht des Kantons Thurgau auf Unterlassung patentverletzender Handlungen, auf Herausgabe von Plänen und auf Schadenersatz oder Gewinnherausgabe. Sie warfen den Beklagten vor, im Jahr 1981 durch Lieferung einer Puderpunkt-Beschichtungsanlage in die damalige DDR die genannten Patente verletzt zu haben und zu beabsichtigen, mit der Lieferung weiterer Maschinen, namentlich nach Bulgarien, das rechtswidrige Verhalten fortzusetzen. Im Lauf des Verfahrens, am 29. Mai 1988, lief die Schutzdauer der drei Patente ab, so dass die Unterlassungs- und Herausgabebegehren gegenstandslos wurden. Mit Urteil vom 22. Juni 1993/25. Januar/3. Mai 1994 wies das Obergericht die verbliebene Forderungsklage ab. Gegen dieses Urteil führen die Klägerinnen eidgenössische Berufung mit dem Hauptantrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage zu schützen. Das Bundesgericht weist die Berufung ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. Die klägerischen Sachpatente Nrn. 511 130 und 536 727 haben nach ihrem Wortlaut Einrichtungen zum Belegen nichttextiler Unterlagen zum Gegenstand. Es stellt sich die Frage, ob die patentgemässen Erfindungen auch dann (widerrechtlich) benützt werden, wenn identische oder naheliegend veränderte, d.h. nachgeahmte Vorrichtungen zu dem Zwecke gewerblich ausgeführt oder in Verkehr gesetzt werden, um damit textile Unterlagen zu belegen (Art. 66 lit. a in Verbindung mit Art. 8 Abs. 2 PatG ; SR 232.14). a) Nach Art. 51 Abs. 1 PatG ist die Erfindung in einem oder mehreren Patentansprüchen zu definieren. Die Patentanmeldung hat aufzuzeigen, was der Erfinder subjektiv als Teil der objektiv offenbarten Lehre zum technischen Handeln erkannt hat und unter Schutz gestellt haben will. Die Definition bestimmt den Gegenstand der Erfindung oder des Patentschutzes; dies erfolgt allerdings nicht nach Massgabe einer subjektiven oder empirischen Auslegung des in der Patentanmeldung erklärten Willens des Erfinders, sondern aufgrund deren objektivierten oder normativen Gehalts aus der Sicht des Fachmanns (RETO M. HILTY, Der Schutzbereich des Patents, Diss. Zürich 1990, S. 24 ff.; RETO M. HILTY, Die Bestimmung des Schutzbereichs BGE 122 III 81 S. 84 schweizerischer und europäischer Patente, in AJP 1993 S. 396 ff., S. 399; HANS PETER WALTER, Zwischen Skylla und Charybdis - zur Auslegung der Patentansprüche nach Art. 69 EPÜ , in GRUR 1993 S. 348 ff., 349 f.). Die normativ ausgelegten Patentansprüche bestimmen ebenfalls den sachlichen Geltungs- oder Schutzbereich des Patents ( Art. 51 Abs. 2 PatG ). Dieser unterscheidet sich vom Gegenstand der Erfindung einerseits funktionell, indem er nicht das Objekt des Schutzes, sondern dessen Ausdehnung beschlägt, anderseits in der Beurteilungsperspektive, indem er zwingend an einer angegriffenen Dritthandlung zu messen ist (RETO M. HILTY, in AJP 1993 vgt., S. 401). Das Tatbestandsmerkmal des Erfindungsgegenstands ist indessen unverändert das objektive Auslegungsergebnis über die Patentansprüche. Insoweit ist bei der Bemessung des Schutzumfangs ebenfalls von der dem Fachmann erkennbaren Tragweite der Erfindung auszugehen. Das Prinzip der objektivierten Auslegung entkleidet jedoch die Patentanmeldung und die darin enthaltenen Ansprüche der Rechtsnatur von Willenserklärungen nicht. Zwar kann der Erfindungsschutz über den subjektiven Verständnishorizont des Erfinders hinausreichen und nach dem allgemeinen hermeneutischen Grundsatz der überschiessenden Bedeutung eines Geisteswerkes auch diesem Unbewusstes erfassen (vgl. HANS MERZ, Auslegung, Lückenfüllung und Normberichtigung, in AcP 163/1964 S. 305 ff., 318 f. mit Hinweisen), doch wird er allemal durch die bewussten Erklärungen des Anmelders begrenzt, weil die behördliche Rechtserteilung nicht weiter reicht als der Anmelder dies tatsächlich gewollt oder bewusst erklärt hat. Der Patentanspruch bleibt seinem Wesen nach stets verbindliche Gestaltungserklärung des Anmelders und bindet den Inhaber bezüglich seiner Verfügungsmacht über die Erfindung, ist damit stets rechtliches Handlungsmodell. Er bestimmt abschliessend den Gehalt des subjektiven Patentrechts als Ausschliesslichkeitsrecht (ALOIS TROLLER, Begriff der patentfähigen Erfindung und Auslegung des Patentanspruchs, in: Wirtschaftsrecht in Theorie und Praxis, Gedenkschrift für Fritz Schönherr, S. 73 ff., 74). Der willentlichen Begrenzung des Schutzes ist folglich die bewusst in Kauf genommene gleichzustellen, selbst wenn sie an sich unfreiwillig oder widerwillig erfolgte. Bei der Anmeldung Versäumtes lässt sich nicht im Verletzungsprozess nachholen. Folglich hat der Anmelder Beschränkungs- und Verzichtserklärungen auch dann gegen sich gelten zu lassen, wenn dafür objektiv keine Notwendigkeit bestand, und trägt er BGE 122 III 81 S. 85 allgemein das Risiko eines ungenügend beanspruchten Herrschaftsbereichs, indem etwa auch ein offenes Auslegungsergebnis zu seinen Lasten geht (HANS PETER WALTER, in GRUR 1993 vgt., S. 350; BENKARD/ULLMANN, N. 7 und 82 ff. zu § 14 DPatG). b) Bei einem Sachpatent im Sinn von Art. 52 Abs. 1 lit. b PatG kommt der Aufnahme von Zweck-, Wirkungs- und Funktionsangaben in die Patentdefinition im Regelfall keine schutzbeschränkende Wirkung zu. Derartige Angaben dienen im allgemeinen bloss als Verständnishilfen, welche die Bedeutung einer unmittelbaren oder erläuternden Beschreibung der körperlichen Ausgestaltung oder der Einsatzmöglichkeiten des betreffenden Erzeugnisses haben. Sie beschränken daher dem Grundsatz nach den Schutzbereich der patentierten Vorrichtung nicht auf deren Verwendung zu dem genannten Zweck, in der bestimmten Funktion oder mit der angegebenen Wirkung. Vielmehr erstreckt der Patentschutz sich auf jeden wirkungsgleichen Gegenstand mit gleichen oder bloss unwesentlich veränderten Merkmalen in allen Funktionen, Wirkungen, Zwecken, Brauchbarkeiten und Vorteilen der Vorrichtung (ALOIS TROLLER, Immaterialgüterrecht, Bd. I, 3. Aufl., 1983, S. 178; BERNHARDT/KRASSER, Lehrbuch des Patentrechts, 4. Aufl., 1986, S. 323; BENKARD/BRUCHHAUSEN, N. 20 ff. zu § 1 DPatG; BENKARD/ULLMANN, N. 41 f. zu § 14 DPatG; KARL BRUCHHAUSEN, Der Schutzgegenstand verschiedener Patentkategorien, in GRUR 1980 S. 364 ff.; KARL BRUCHHAUSEN, Der Schutzstoff in der Chemie: Welche Bedeutung haben Angaben über den Zweck einer Vorrichtung, einer Sache oder eines Stoffes in der Patentschrift für den Schutz der Vorrichtung, der Sache oder des Stoffes durch ein Patent?, in GRUR Int. 1991 S. 413 ff.; aus der Rechtsprechung: BGHZ 112 S. 140, 156 f., und BGH-Urteil vom 17.09.1987, in GRUR 1988 S. 287 ff., 288). Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen gilt ohne weiteres dort, wo ein als solches bezeichnetes Sachpatent nach dem objektiven Verständnis des Fachmanns als Verwendungspatent zu gelten ( Art. 52 Abs. 1 lit. d PatG ), mithin die grammatikalische der teleologischen Auslegung zu weichen hat (vgl. dazu BGE 65 II 91 , insbesondere S. 93 f., 92 II 48 E. 3, 97 I 564 E. 1c; PMMBl 1975 I 33 ff.). Gleiches gilt, wenn die offenbarte Verwendung nicht blosse Zweckangabe ist, sondern bereits die funktionelle Eignung der Vorrichtung und deren körperliche Ausgestaltung erläuternd klarstellt (BGH-Urteil vom 02.12.1980, in GRUR 1981 S. 259, 260 unter Hinweis auf die allenfalls unterschiedlichen Folgen bezüglich Gegenstand und Schutzbereich des Sachpatents). Aus dem Verständnis des subjektiven Patentrechts als BGE 122 III 81 S. 86 Normsetzungsbefugnis folgt sodann weiter, dass dem Patentanmelder auch frei steht, Schutz bloss für eine bestimmte Verwendung einer an sich erfinderischen Lehre zum technischen Handeln zu beanspruchen, selbst wenn das aus dieser Lehre gewonnene Erzeugnis in der Form eines allgemeinen Sachpatents einen umfassenderen Verwendungsschutz zu begründen vermöchte. Beschränkungen des Sachpatents auf eine bestimmte Herstellung oder Verwendung des Erzeugnisses liegen im Ermessen des Anmelders, und der so begründete, zweckgebundene Stoffschutz reicht nicht weiter als vom Anmelder gewollt oder bewusst erklärt (KARL BRUCHHAUSEN, in GRUR 1980 vgt., S. 367; KARL BRUCHHAUSEN, in GRUR Int. 1991 vgt., S. 414; KURT VON FALCK, Die Beschränkung des auf ein Erzeugnis gerichteten Patentanspruchs auf eine bestimmte Art der Verwendung dieses Erzeugnisses, in GRUR 1993 S. 199 ff.). Eine solche Beschränkung führt nicht zu einem Wechsel in der Patentkategorie, jedoch zu einer gewollten oder bewusst in Kauf genommenen Begrenzung des Schutzbereichs des Sachpatents (BENKARD/ULLMANN, N. 80 ff. zu § 14 DPatG). Es verhält sich hier im Ergebnis nicht anders als im Fall der negativen Umschreibung von Gegenstand und Schutzbereich des Patents durch einen sogenannten Disclaimer (vgl. dazu etwa RUDOLF TESCHEMACHER, in: Münchner Gemeinschaftskommentar, N. 105 ff. zu Art. 84 EPÜ ; ROMUALD SINGER, Europäisches Patentübereinkommen, N. 15 zu Art. 54 und N. 4 zu Art. 84; ROMUALD SINGER, Der Neuheitsbegriff in der Rechtsprechung der Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts, in GRUR 1985 S. 789 ff., 793 f.). c) Nach den für das Bundesgericht verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz wurden die zur Beurteilung stehenden Einrichtungspatente bewusst auf eine Verwendung der Vorrichtungen der Belegung nichttextiler Unterlagen beschränkt, was sich äusserlich aus dem schweizerischen Verfahrensdualismus in materiell vorgeprüfte und ungeprüfte Patente erklärt ( Art. 87 ff. PatG ). Damit ist für die Bestimmung des Schutzbereichs der beiden Patente davon auszugehen, dass dieser bewusst auf eine bestimmte Verwendungsart beschränkt wurde. Ob diese bewusste Beschränkung sodann willentlich oder versehentlich, insbesondere aufgrund ungenügender Informationen des Amtes erfolgte, bleibt nach dem Gesagten für die Bestimmung von Gegenstand und Schutzbereich der Patente bedeutungslos (vgl. dazu die für den vorliegenden Fall massgebenden Richtlinien des Eidg. Amtes für geistiges Eigentum vom 13. März 1967 zur Anwendung von Art. 87 BGE 122 III 81 S. 87 Abs. 2 lit. a PatG , in PMMBl 1967 I 18 ff., sowie den Entscheid der II. Beschwerdeabteilung des Eidg. Amtes für geistiges Eigentum vom 15.12.1966 zu den Verfahrensfolgen bei einer anmelderseitigen Beschränkung des Anwendungsgebietes, in PMMBl 1967 I 6 ff.). Nach den insoweit wiederum verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz sind die angegriffenen Handlungen der Beklagten ausschliesslich auf eine Verwendung der davon erfassten Maschinen zur Belegung textiler Unterlagen ausgerichtet. Damit werden sie nach dem Gesagten vom Schutzbereich der klägerischen Sachpatente nicht erfasst und erscheinen dergestalt auch nicht als deren widerrechtliche Benützung. Damit ist insoweit dem geltend gemachten Anspruch auf Schadenersatz oder Gewinnherausgabe der rechtliche Boden entzogen. 5. Das Verfahrenspatent Nr. 561 117 schützt, wie die Vorinstanz rechtsfehlerfrei erkannt hat, seinem Gegenstand nach unmittelbar bloss die Belegung textiler Unterlagen in bestimmter Weise, nicht aber die dazu benützte Einrichtung. Deren Inverkehrsetzung könnte daher von vornherein bloss als Teilnahme an einer Patentverletzung im Sinn von Art. 66 lit. d PatG zivil- oder strafrechtlich erfasst werden (dazu ALOIS TROLLER, Immaterialgüterrecht, Bd. II, 3. Aufl., 1985, S. 894). a) Das Bundesgericht spricht dem schweizerischen Patentgesetz einen strikt territorialen Geltungsbereich zu und lässt dessen Schutz an den Landesgrenzen enden ( BGE 92 II 293 E. 4, BGE 97 II 169 E. 2a S. 173, BGE 100 II 237 E. 2). Im Fall der Berufung auf schweizerisches Recht ist daher internationalprivatrechtlich allein auf den Erfolgsort, d.h. auf den Ort abzustellen, wo das Patentrecht widerrechtlich tangiert wurde (FRANK VISCHER, in: IPRG-Kommentar, N. 6 zu Art. 110). Liegt der Erfolgsort ausserhalb der Schweiz, sind daher auch die Teilnehmer der Handlung im Sinn einer sogenannten mittelbaren Patentverletzung dem schweizerischen Recht nicht unterstellt, selbst wenn die ihnen zur Last gelegten Handlungen im Inland begangen wurden ( BGE 92 II 293 E. 4 e contrario). b) Nach den Feststellungen der Vorinstanz stehen Verletzungen des Verfahrenspatents Nr. 561 117 an einem schweizerischen Erfolgsort nicht zur Beurteilung. Damit wird eine allfällige Teilnahme der Beklagten nicht vom schweizerischen Recht beherrscht, und ist folglich auch insoweit dem geltend gemachten Schadenersatz- oder Gewinnherausgabeanspruch die im vorliegenden Verfahren allein zu beurteilende schweizerische Rechtsgrundlage (Art. 43 f. OG) entzogen.
null
nan
de
1,996
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
07a765dc-c7e8-4fd8-877d-b090ca169080
Urteilskopf 120 IV 38 9. Extrait de l'arrêt de la Cour de cassation pénale du 23 février 1994 dans la cause N. SA c. C., M. SA et Procureur général du canton de Genève (pourvoi en nullité)
Regeste Art. 270 Abs. 1 BStP ; Legitimation des Geschädigten zur Nichtigkeitsbeschwerde; Art. 23 UWG . Erörterung der drei Voraussetzungen, die nach der neuen Fassung von Art. 270 Abs. 1 BStP erfüllt sein müssen, damit der Geschädigte Nichtigkeitsbeschwerde erheben kann. Selbst wenn diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, ist das Opfer wegen Verletzung von Rechten, die ihm das OHG einräumt, und der Strafantragsteller, soweit es um eine angebliche Verletzung von Art. 28 ff. StGB geht, zur Nichtigkeitsbeschwerde legitimiert (E. 2). Die systematische Weigerung, UWG-Verletzungen strafrechtlich zu verfolgen, verletzt Bundesrecht (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 38 BGE 120 IV 38 S. 38 A.- L'entreprise N. SA, dont les activités concernent l'importation et la vente de peinture, notamment de programmes spécifiques de peinture pour bateaux, a employé C. durant plusieurs années. Elle a mis fin à ces relations de travail pour le 31 mai 1992. Le 9 juin 1992 a été fondée la société M. SA, dont le but social est le commerce et la diffusion de produits et articles dans le domaine de la BGE 120 IV 38 S. 39 marine et de la navigation. C. en a été nommé directeur, avec signature individuelle. Le 13 juillet 1992, N. SA a déposé une plainte pénale contre M. SA et C.; elle leur reproche d'avoir incité deux sociétés à rompre les contrats de distribution exclusive qui les liaient à elle et d'avoir envoyé, en fonction de ses fichiers de clientèle, des listes de marchandises et de prix à tous ses clients. Elle estime que ces faits constituent des actes de concurrence déloyale, au sens des art. 2 et 4 al. 1 let. a LCD (RS 241). Le 30 juillet 1992, C. a porté plainte contre le directeur de N. SA pour atteinte au crédit. B.- Par ordonnance du 22 décembre 1992, le Procureur général du canton de Genève a décidé de classer les deux plaintes pour des motifs d'opportunité, eu égard au caractère essentiellement civil de la cause. Statuant le 8 mars 1993 sur recours de N. SA, la Chambre d'accusation genevoise a confirmé l'ordonnance de classement. Comme le Procureur général, elle a estimé qu'il n'y avait pas matière à instruction pénale et que le litige relevait essentiellement de la compétence du juge civil. C.- N. SA, agissant par l'entremise de son mandataire, s'est pourvue en nullité contre cette ordonnance. Invoquant une violation de l' art. 4 let. a LCD , elle conclut, avec suite de frais et dépens, à l'annulation de la décision attaquée et au renvoi de la cause à l'autorité cantonale. Erwägungen Considérant en droit: 2. S'agissant de sa qualité pour se pourvoir en nullité, la recourante fait valoir qu'elle est plaignante et que les délits de concurrence déloyale énumérés à l' art. 23 LCD ne sont poursuivis que sur plainte. Elle conteste devoir être considérée comme "accusateur privé" au sens de l'al. 3 de l' art. 270 PPF , mais relève que si le Tribunal fédéral devait juger que tel est le cas, il faudrait néanmoins admettre qu'elle a qualité pour se pourvoir en nullité puisque l'accusateur public a expressément renoncé à soutenir l'accusation. Elle se réfère ainsi manifestement à l'ancien texte de l' art. 270 PPF , qui prévoyait un droit de recours du plaignant pour les infractions qui ne sont poursuivies que sur plainte, ainsi que de l'accusateur privé qui, conformément au droit cantonal, a soutenu l'accusation à lui seul, sans intervention de l'accusateur public. Or, ce texte a été remplacé par un nouvel art. 270 PPF (RO 1992 p. 2473), entré en BGE 120 IV 38 S. 40 vigueur, avec la loi fédérale sur l'aide aux victimes d'infractions (LAVI [RS 312.5]) du 4 octobre 1991, le 1er janvier 1993 (RO 1992 p. 2470). La décision de la Chambre d'accusation a été rendue, le 8 mars 1993, sous l'empire du nouveau droit, de sorte que les possibilités de l'attaquer par la voie du pourvoi en nullité sont régies exclusivement par les nouvelles dispositions. Selon le nouvel art. 270 al. 1 PPF , "le lésé peut également se pourvoir en nullité s'il était déjà partie à la procédure auparavant et dans la mesure où la sentence peut avoir des effets sur le jugement de ses prétentions civiles". Il en ressort clairement que la qualité du lésé pour se pourvoir en nullité dépend de trois conditions cumulatives: il faut que le recourant soit lésé par l'acte dénoncé, qu'il ait déjà été partie à la procédure auparavant et, enfin, que la sentence puisse avoir des effets sur le jugement de ses prétentions civiles. a) Doit être considéré comme lésé le titulaire du bien juridique protégé par les règles auxquelles il a été contrevenu ( ATF 118 Ia 14 consid. 2b, ATF 117 Ia 135 consid. 2a et les références citées; voir également ATF du 27 septembre 1993 dans la cause A., consid. 2b, destiné à la publication). Dans la mesure où les faits ne sont pas définitivement arrêtés, il faut se fonder sur les allégués de celui qui se prétend lésé pour déterminer si tel est effectivement le cas. En tant que concurrente de M. SA et de C., la recourante jouit de la protection des dispositions pénales de la LCD; elle doit donc être considérée comme lésée par les faits dénoncés. b) Selon l'art. 23 du code genevois de procédure pénale, les parties à la procédure cantonale sont le procureur général, la partie civile et l'inculpé. Le plaignant n'est nullement mentionné dans cette énumération. Toutefois, comme l'indique le texte allemand de l' art. 270 al. 1 PPF , selon lequel le lésé peut se pourvoir en nullité "wenn er sich bereits vorher am Verfahren beteiligt hat", on peut admettre que la qualité de partie, au sens de cette disposition, doit être comprise de manière large (voir ATF 119 IV 168 ss) et englober également des cas où, comme en l'espèce, le lésé a pu former un recours et provoquer la décision attaquée (dans ce sens: ERHARD SCHWERI, Eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde in Strafsachen, Berne 1993, p. 90 no 256). L'art. 191 let. a du code genevois de procédure pénale assimile expressément le plaignant à une partie pour interjeter un tel recours à la Chambre d'accusation. Il faut donc conclure que la recourante était partie devant l'autorité qui a rendu la décision attaquée. BGE 120 IV 38 S. 41 c) Enfin, l' art. 270 al. 1 PPF ne permet au lésé de se pourvoir en nullité que "dans la mesure où la sentence peut avoir des effets sur le jugement de ses prétentions civiles". Le législateur n'a voulu ouvrir au lésé la faculté de se pourvoir en nullité que pour lui permettre de défendre ses intérêts juridiques en vue d'obtenir la réparation civile de son préjudice. Le message relève à ce sujet: "cela permet, par exemple, à la victime d'attaquer un jugement d'acquittement fondé sur la constatation que le prévenu n'a pas commis l'acte dommageable" (FF 1990 II 935). Il faut donc que le jugement pénal touche l'existence ou la quotité de la prétention civile (SCHWERI, op.cit., p. 91 no 257). Le lésé ne saurait se pourvoir en nullité en invoquant un désir de vengeance, sans rapport avec sa créance en réparation. Ainsi, selon le message, la victime ne pourra pas recourir contre le genre ou la durée de la peine prononcée (FF 1990 II 935); elle ne pourra pas se plaindre non plus de l'octroi ou du refus du sursis, ou encore du prononcé d'une mesure en lieu et place d'une peine (SCHWERI, op.cit., p. 90 no 257). Le droit de se pourvoir en nullité accordé au lésé par la nouvelle version de l' art. 270 al. 1 PPF lui permet de soumettre au contrôle du Tribunal fédéral la solution apportée à une question de droit dans la mesure où elle est susceptible de l'entraver dans ses facultés de faire valoir ses prétentions civiles. Il ne saurait en revanche permettre au lésé de s'opposer à une décision parce qu'elle ne facilite pas son action sur le plan civil. Ainsi, celui-ci ne peut pas exiger des autorités qu'elles conduisent jusqu'à leur terme des poursuites pénales inopportunes uniquement pour le placer dans une position aussi favorable que possible pour faire valoir ses prétentions civiles. Dès lors que l'arrêt cantonal ne contient rien qui puisse être opposé au lésé sur le plan civil, il y a lieu d'admettre que la sentence n'a pas d'effet sur le jugement de ses prétentions civiles, au sens de l' art. 270 al. 1 PPF . Dans l'hypothèse contraire, il n'est en revanche pas nécessaire de démontrer que l'arrêt pénal influence effectivement le jugement des prétentions civiles; il suffit, selon le texte légal clair, qu'il existe à ce propos une simple possibilité, tel est le cas notamment si le juge civil, même si rien ne l'y contraint, se sent lié par l'arrêt rendu au pénal. En revanche, il faut que le jugement attaqué ait pour conséquence que le recourant rencontrera plus de difficultés à faire valoir ses prétentions civiles, au point qu'il en résulte pour lui un intérêt juridique à faire modifier la décision, intérêt juridique qui est d'ailleurs requis pour justifier l'accès à toute voie de recours. BGE 120 IV 38 S. 42 En outre, en présence de certaines circonstances particulières, il est concevable qu'un recours soit recevable alors même que toutes les conditions prévues aux art. 8 al. 1 let . c LAVI ou 270 al. 1 PPF ne sont pas réalisées. Ainsi, même si toutes les conditions de l' art. 270 al. 1 PPF ne sont pas données, la victime doit pouvoir introduire un pourvoi en nullité pour se plaindre de ce que les autorités cantonales ne l'ont pas mise au bénéfice de tous les droits qui lui sont reconnus par la LAVI. Par exemple, même en l'absence de toute influence sur d'éventuelles prétentions civiles, la victime doit pouvoir recourir contre une décision lui déniant la possibilité de soumettre à un tribunal un refus d'ouvrir l'action publique ou un non-lieu ( art. 8 al. 1 let. b LAVI ); de même, la victime d'une infraction contre l'intégrité sexuelle pourra de toute manière recourir pour se plaindre que la composition du tribunal ne satisfaisait pas aux exigences de l' art. 10 LAVI . S'agissant d'une infraction qui n'est poursuivie que sur plainte, le plaignant doit pour le moins avoir la possibilité de se pourvoir en nullité s'il soutient que l'arrêt attaqué porterait atteinte au droit de plainte qui lui est reconnu par le droit fédéral; il doit notamment avoir la possibilité, même s'il ne remplit pas toutes les conditions de l' art. 270 al. 1 PPF , de porter devant le Tribunal fédéral une prétendue violation des art. 28 ss CP . 3. La recourante soutient que les autorités cantonales ne pouvaient pas mettre fin à la poursuite pénale en l'absence de toute instruction préparatoire en invoquant, sans autre précision, le résultat incertain d'une éventuelle instruction. Elle soutient qu'une telle décision de classement est contraire au droit fédéral. Le Tribunal fédéral a admis récemment que le droit fédéral n'exclut pas que les cantons prévoient la possibilité d'un classement pour des motifs d'opportunité ( ATF 119 IV 92 ss). Il a toutefois précisé que de telles décisions n'étaient admissibles que dans certaines limites. Comme le droit cantonal ne saurait faire obstacle à une saine application du droit fédéral, un classement pour des motifs d'opportunité viole le droit fédéral s'il trahit une volonté de l'autorité compétente de ne pas appliquer le droit fédéral ou d'en modifier la portée; il en va de même si le classement repose sur une motivation tellement peu convaincante que l'on doive l'assimiler à un refus d'appliquer le droit fédéral ( ATF 119 IV 92 consid. 3b). En l'espèce, l'autorité cantonale n'a pas motivé de manière suffisante sa décision d'abandonner les poursuites pénales. La lecture de l'ordonnance attaquée ne permet en effet pas de discerner les motifs qui ont amené l'autorité cantonale à considérer que l'affaire qui lui était soumise avait BGE 120 IV 38 S. 43 un caractère essentiellement civil. Dans la mesure où ce caractère lui serait conféré, aux yeux de l'autorité cantonale, par la nature même de la cause, il y aurait lieu de considérer que la décision attaquée viole le droit fédéral car elle dénote d'une volonté générale de ne pas poursuivre pénalement les infractions à la LCD, ce qui n'est pas admissible puisque le législateur a prévu, outre des sanctions civiles, la répression pénale des violations des règles qu'il a édictées en matière de concurrence déloyale. Comme le rappelle à juste titre la recourante, le Conseil fédéral, dans son message relatif à la revision de la LCD, a relevé qu'il y avait lieu, pour des motifs ayant trait à la prévention, d'aggraver les peines prévues pour les délits de concurrence déloyale (FF 1983 II 1087 et 1121 s.); il a également insisté sur le fait que la possibilité de confisquer le bénéfice illicite obtenu par le biais de la concurrence déloyale devrait largement contribuer à faire de telles pratiques une affaire vraiment peu payante (FF 1983 II 1122). Il a ainsi clairement mis en lumière le rôle essentiel que les normes pénales devaient continuer à jouer, indépendamment des règles civiles également applicables dans ce domaine. Les autorités cantonales ne sauraient dès lors ne reconnaître d'importance qu'aux dernières, en renonçant systématiquement à appliquer les premières. En outre, le fait que l'information pénale s'annonce longue et difficile sans que son résultat soit certain ne suffit pas non plus pour justifier un classement en opportunité. D'éventuelles difficultés dans l'établissement des preuves ne pourraient le cas échéant être prises en considération que si les investigations à envisager s'avéraient, dans un cas déterminé, disproportionnées eu égard à la gravité de l'infraction et à l'importance de l'intérêt public à sanctionner celle-ci. Dans ces circonstances, force est de constater que la motivation de l'ordonnance attaquée ne permet pas à l'autorité de céans de contrôler si le droit fédéral a été correctement appliqué ou non. Par conséquent, le pourvoi doit être admis et il y a lieu de renvoyer la cause à l'autorité cantonale, conformément à l' art. 277 PPF , afin qu'elle statue à nouveau.
null
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Federation
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Urteilskopf 96 II 266 39. Urteil der I. Zivilabteilung vom 27. Oktober 1970 i.S. Zuber und Heimgartner gegen Hauri.
Regeste Nichtigkeitsbeschwerde in Zivilsachen. Art. 68 Abs. 1 OG . Die beim Appellationshof des Kantons Bern eingereichte Nichtigkeitsklage gegen die im summarischen Verfahren getroffenen Entscheide des Gerichtspräsidenten im Kanton Bern ist keinordentliches Rechtsmittel. Nicht der Entscheid des Appellationshofes, sondern jener des Gerichtspräsidenten ist somit der letztinstanzliche im Sinne des Art. 68 Abs. 1 OG (Erw. 1). Werkvertrag. Art. 367 Abs. 2 OR . Ortliche Zuständigkeit des Richters zur Ernennung von Sachverständigen (Erw. 2 und 3).
Sachverhalt ab Seite 267 BGE 96 II 266 S. 267 A.- Peter Hauri in Luzern erstellte aufeinem Teil des Grundstückes Nr. 334 im Hasliberg (Kanton Bern) auf Grund einer Vereinbarung, die er mit Urs Zuber getroffen hatte, ein Ferienhaus und verkaufte es samt Umschwung am 9. Juni 1969 als Grundstück Nr. 1775 dem Zuber. Im gleichen Jahre baute er ein auf dem Rest des Grundstückes 334 stehendes Ferienhaus nach den Wünschen des Paul Heimgartner um und verkaufte diesem die Liegenschaft. Zuber und Heimgartner behaupten, diese Häuser wiesen Mängel auf. Am 19. Februar 1970 beantragten sie dem Gerichtspräsidenten von Oberhasli unter Berufung auf Art. 367 Abs. 2 OR und Art. 322 ff. bern. ZPO, den Zustand der beiden Bauwerke durch Sachverständige prüfen zu lassen und ihn festzuhalten. Der Gerichtspräsident fasst die Eingabe als Gesuch um vorsorgliche Beweisführung im Sinne der Art. 222 ff. ZPO auf, BGE 96 II 266 S. 268 das den Art. 322 ff. ZPO nicht unterstehe und gemäss Art. 223 Abs. 1 ZPO an den Gerichtspräsidenten des Bezirkes zu richten gewesen wäre, wo die örtliche Zuständigkeit für die Hauptsache gegeben sei, also an den Richter in Luzern. Er erkannte deshalb am 5. Juni 1970: "Das Gesuch um Durchführung einer vorsorglichen Beweisführung wird zurückgewiesen." B.- Zuber und Heimgartner führen gegen diesen Entscheid Nichtigkeitsbeschwerde gemäss Art. 68 OG . Sie beantragen, ihn aufzuheben und festzustellen, dass der Gerichtspräsident von Oberhasli zur Beurteilung des Gesuches um Ernennung von Sachverständigen gemäss Art. 367 Abs. 2 OR örtlich zuständig sei, eventuell die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Der Gerichtspräsident von Oberhasli beantragt, die Beschwerde abzuweisen. Er bleibt bei der im angefochtenen Entscheid vertretenen Auffassung und fügt bei, man könnte sich fragen, ob dieser Entscheid nicht ein instanzabschliessender Vorentscheid sei, der mit der Appellation gemäss Art. 333 ff. ZPO oder mit einer Nichtigkeitsklage gemäss Art. 360 ZPO wegen Verletzung klaren Rechts hätte weitergezogen werden müssen, was zur Folge hätte, dass auf die Beschwerde nicht einzutreten wäre. Hauri nimmt weder in seiner Vernehmlassung vom 7. August 1970 noch in seiner Antwort vom 21. März 1970 an den Gerichtspräsidenten, auf die er verweist, zur Frage des Gerichtsstandes Stellung. Er bestreitet nur, die Verträge nicht richtig erfüllt zu haben. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Gemäss Art. 367 Abs. 2 OR ist jede Partei eines Werkvertrages berechtigt, auf ihre Kosten eine Prüfung des Werkes durch Sachverständige und die Beurkundung des Befundes zu verlangen. Diese Massnahme ist im Kanton Bern durch den Gerichtspräsidenten zu treffen (Art. 2 EG ZGB; Art. 2 Ziff. 5 ZPO ), und zwar im summarischen Verfahren ( Art. 322 ZPO ). Die Beschwerdeführer haben sich in ihrer Eingabe an den Gerichtspräsidenten ausdrücklich auf diese Bestimmungen berufen, also nicht eine vorsorgliche Beweisführung im Sinne der Art. 222 ff. ZPO beantragt, sondern eine im eidgenössischen Recht ( Art. 367 Abs. 2 OR ) vorgesehene Massnahme. Gegen den Entscheid, durch den der Gerichtspräsident dieses BGE 96 II 266 S. 269 Gesuch zurückwies, war die Appellation nicht zulässig (Art. 314 in Verbindung mit Art. 336 Abs. 2 ZPO ; CHATELAIN, ZBJV 84 72 f.). Dass der Gerichtspräsident meinte, die Beschwerdeführer verlangten eine vorsorgliche Beweisführung im Sinne des kantonalen Rechts, ändert nichts. Die ZPO bestimmt weder in Art. 222 ff. noch in Art. 333 ff., dass gegen die Ablehnung einer vorsorglichen Beweisführung appelliert werden könne. Art. 335 ZPO , der die Appellation gegenüber Endurteilen und gegenüber Entscheiden über Vor- und Zwischenfragen zulässt, betrifft nur Urteile in der Sache (LEUCH Art. 335 N. 1) sowie Vor- und Zwischenentscheide des erkennenden, d.h. zur Beurteilung eines Rechtsstreites angerufenen Richters. Gesuche um vorsorgliche Beweisführung zielen nur auf die Erhebung von Beweisen ab, nicht auf die Würdigung derselben und die Beurteilung eines Rechtsstreites (LEUCH Art. 222 N. 1 und 3). Gegen die im summarischen Verfahren getroffenen Entscheide kann dagegen gemäss Art. 360 ZPO Nichtigkeitsklage erhoben werden ( Art. 314 ZPO ). Sie ist ausser in dem hier nicht vorliegenden Falle der Ziffer 1 des Art. 360 nur zulässig, wenn der Entscheid klares Recht verletzt, indem er mit einer bestimmten Gesetzesvorschrift des Zivil- oder Prozessrechtes in Widerspruch steht oder sich auf eine offenbar unrichtige Akten- oder Beweiswürdigung gründet (Art. 360 Ziff. 2). Sie ist also nicht ein ordentliches Rechtsmittel, das dem Appellationshof die umfassende Überprüfung des angefochtenen Entscheides erlauben würde (MATTI, ZBJV 6510; LEUCH Vorbem. zu Art. 359 ff.). Der Entscheid des Gerichtspräsidenten, nicht der Entscheid des Appellationshofes, den die Beschwerdeführer durch Nichtigkeitsklage hätten erlangen können, ist somit der letztinstanzliche im Sinne des Art. 68 Abs. 1 OG ( BGE 63 II 104 , BGE 69 II 124 f., BGE 72 II 335 /336; ferner namentlich das schon in BGE 63 II 104 zitierte nicht veröffentlichte Urteil des Bundesgerichtes vom 3. Mai 1932 i.S. Radaelli und Möhrle c. Reo Reklame AG). Gegen den Entscheid des Gerichtspräsidenten ist die Berufung an das Bundesgericht schon deshalb nicht zulässig, weil der Gerichtspräsident als einzige, aber nicht vom Bundesrecht vorgesehene kantonale Instanz entschieden hat ( Art. 48 Abs. 1 und 2 OG ; LEUCH Art. 314 N. 1 Abs. 2). Der Entscheid kann daher mit der Nichtigkeitsbeschwerde angefochten werden ( Art. 68 Abs. 1 OG ; LEUCH Art. 314 N. 1 Abs. 2). BGE 96 II 266 S. 270 2. Art. 367 Abs. 2 OR sagt nicht ausdrücklich, welche Behörde örtlich zuständig sei, das Werk durch Sachverständige prüfen zu lassen und den Befund zu beurkunden. Dem Sinne nach kann diese Bestimmung jedoch nur die Behörde am Orte der Ablieferung des Werkes mit diesen Massnahmen betrauen wollen. Der zweite Absatz des Art. 367 hängt mit dem ersten zusammen, der den Besteller verpflichtet, nach der Ablieferung des Werkes, sobald es nach dem üblichen Geschäftsgang tunlich ist, dessen Beschaffenheit zu prüfen und den Unternehmer von allfälligen Mängeln in Kenntnis zu setzen. Die Prüfung durch Sachverständige und die Beurkundung des Befundes dienen der Sicherung des Beweises, dass das Werk bei der Ablieferung mangelhaft oder mängelfrei war. Die Prüfung durch Sachverständige wird oft geradezu die am Orte der Ablieferung vorzunehmende Prüfung durch den Besteller selbst ersetzen. Sie setzt den Zutritt zum Werk voraus, das sich im Zeitpunkt der Untersuchung in der Regel noch am Ablieferungsorte befindet. Gewiss ist der aus Mängeln des Werkes allenfalls entstehende Rechtsstreit nicht notwendigerweise an diesem Orte zu beurteilen. Das ist jedoch kein Grund, auch die in Art. 367 Abs. 2 OR vorgesehene Massnahme anderwärts treffen zu lassen. Der Prüfung des Werkes folgt nicht notwendigerweise ein Prozess nach. Es steht auch nicht von vornherein fest, an welchem Orte ein solcher durchzuführen wäre. Der Gerichtsstand im Prozesse hängt z.B. davon ab, ob der Besteller oder der Unternehmer klagt. Das Bundesgericht hat denn auch schon entschieden, dass der Käufer einer ihm von einem andern Orte übersandten Sache die in Art. 204 Abs. 2 OR vorgesehene Feststellung des Tatbestandes dort treffen lassen könne, wo sie sich befindet ( BGE 41 I 447 ). Das Schrifttum ist gleicher Auffassung (BECKER Art. 204 N. 11; LEUCH Art. 325 N. 1) und will den Fall des Art. 367 Abs. 2 OR gleich behandelt wissen (LEUCH a.a.O.; vgl. GAUTSCHI Art. 367 N. 15). 3. Die Beschwerdeführer verlangen die Prüfung von unbeweglichen Sachen. Diese wurden im Amtsbezirk Oberhasli abgeliefert (und befinden sich noch heute dort). Die Beschwerdeführer haben daher von Bundesrechts wegen Anspruch darauf, dass ihr Gesuch in diesem Amtsbezirk behandelt werde. Indem der Gerichtspräsident von Oberhasli das Gesuch als Begehren um vorsorgliche Beweisführung im Sinne der Art. 222 ff. ZPO BGE 96 II 266 S. 271 umdeutete, auf die Frage der örtlichen Zuständigkeit kantonales Prozessrecht ( Art. 223 Abs. 1 ZPO ) anwendete und sich unzuständig erklärte, wendete er statt des massgebenden eidgenössischen Rechtes kantonales Recht an ( Art. 68 Abs. 1 lit. a OG ) und verletzte er zugleich eine Vorschrift des eidgenössischen Rechtes über die örtliche Zuständigkeit der Behörden ( Art. 68 Abs. 1 lit. b OG ). Die Nichtigkeitsbeschwerde ist daher gutzuheissen und der angefochtene Entscheid aufzuheben. Da die Gerichtsstandsfrage spruchreif ist, rechtfertigt es sich, dass das Bundesgericht selbst sie entscheide ( Art. 73 Abs. 2 OG ). Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Gerichtspräsidenten von Oberhasli vom 5. Juni 1970 aufgehoben.
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Urteilskopf 134 II 235 28. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit public dans la cause X. contre Département de la santé et de l'action sociale du canton de Vaud (recours en matière de droit public) 2C_5/2008 du 2 avril 2008
Regeste Disziplinarbusse; Einwilligung des aufgeklärten, einsichtsfähigen Patienten. Der Wille des minderjährigen Patienten ist zu respektieren, soweit er urteilsfähig ist (E. 4.1). Fall, in dem sich eine 13 Jahre und zwei Monate alte Jugendliche in unzweideutiger Weise einer Behandlung widersetzte, ohne dass der intervenierende Osteopath dem Rechnung getragen hätte, da er allein auf die Zustimmung der beim Eingriff anwesenden Mutter abstellte (E. 4.2). Begriff der Urteilsfähigkeit im Sinne von Art. 16 ZGB ; die betroffene Jugendliche war trotz ihres Zustands fähig, die Natur ihrer Verletzung und der vorgeschlagenen Behandlung sachgerecht und verständig einzuschätzen (E. 4.3). Verhältnismässigkeit der dem behandelnden Osteopathen auferlegten Disziplinarbusse (E. 4.4).
Sachverhalt ab Seite 236 BGE 134 II 235 S. 236 Le 2 septembre 2005, A., née le 25 juin 1992, s'est rendue, avec sa mère, au Centre médical Y., en raison de douleurs occasionnées par une chute sur le coccyx lors d'un cours de gymnastique. La doctoresse B. a examiné A. en présence de sa mère et a diagnostiqué une lésion du coccyx. Elle a présenté à la patiente et à sa mère deux alternatives thérapeutiques: ne faire aucun traitement ou procéder à une manipulation par toucher rectal pour repositionner le coccyx. Elle a précisé qu'elle ne procédait pas elle-même à cette intervention, mais qu'elle connaissait X., un ostéopathe qui la pratiquait. Conformément au souhait de la mère de l'intéressée, la doctoresse a sollicité l'intervention de X. Celui-ci a procédé, le jour même, à une réduction endo-rectale pour corriger la position du coccyx de A., en présence de sa mère, bien que la patiente ait clairement manifesté son opposition. Il a effectué une première manipulation, puis en a fait une deuxième après avoir constaté, sur la radiographie, que la première n'avait pas eu l'effet escompté. X. a lui-même admis que la patiente avait crié sans discontinuer et que, crispée en permanence, elle n'avait à aucun moment coopéré, mais il avait considéré ce manque de collaboration comme une réaction normale chez une jeune fille qui avait mal. Pour sa part, la patiente a déclaré qu'elle avait supplié l'ostéopathe, pendant les deux manipulations, de cesser le traitement, mais qu'il n'en avait pas tenu compte. Le 6 septembre 2005, la mère de la patiente s'est plainte auprès de la Société Vaudoise de Médecine, en critiquant la prise en charge BGE 134 II 235 S. 237 médicale de sa fille le 2 septembre 2005. Le Chef du Département de la santé et de l'action sociale (ci-après: le Chef du Département) a ouvert une enquête administrative. Après avoir entendu les parties, le Conseil de la santé a retenu qu'au vu du caractère particulier de l'intervention, pratiquée sur une adolescente, X. aurait dû prendre en compte l'avis de la patiente, même si sa mère n'avait rien dit pendant le traitement. Il ressortait en effet des déclarations de la jeune patiente, entendue le 6 octobre 2006, qu'après les explications de l'ostéopathe, celle-ci a eu un temps de réflexion et a accepté de prendre un calmant. Lorsque le praticien est revenu, elle lui a dit qu'elle ne voulait pas du traitement. Sur son insistance, elle s'est cependant déshabillée et n'a plus osé résister, mais a crié à plusieurs reprises "Maman, je ne veux pas". La patiente a hurlé pendant les deux manipulations, suppliant le praticien de cesser, ce qu'il n'a pas fait. Le Conseil de la santé en a conclu qu'il se justifiait de prononcer une amende disciplinaire de 1'500 fr. à l'encontre de l'intéressé. En conséquence, le Chef du Département a infligé une amende de 1'500 fr. à X., par décision du 10 mai 2007. Statuant sur le recours de X., le Tribunal administratif vaudois l'a rejeté, par arrêt du 29 novembre 2007, et a confirmé la décision du 10 mai 2007. X. a formé un recours en matière de droit public auprès du Tribunal fédéral contre cet arrêt, en faisant notamment valoir que l'état dans lequel se trouvait la patiente l'empêchait de consentir valablement au traitement, de sorte que sa mère pouvait décider à sa place. Le Tribunal fédéral a rejeté le recours dans la mesure de sa recevabilité. Erwägungen Extrait des considérants: 4. 4.1 L'exigence du consentement éclairé du patient, comme fait justificatif à l'atteinte à l'intégrité corporelle que représente une intervention médicale, est un principe jurisprudentiel tiré du droit à la liberté personnelle et à l'intégrité corporelle ( ATF 133 III 121 consid. 4.1.1 p. 128 et les arrêts cités). La jurisprudence admet qu'un patient mineur peut consentir seul à un traitement médical qui lui est proposé lorsqu'il est capable de discernement ( ATF 114 Ia 350 consid. 7a p. 360). En effet, le mineur capable de discernement peut exercer seul les droits strictement personnels (cf. art. 19 al. 2 CC ), BGE 134 II 235 S. 238 parmi lesquels figure la faculté de consentir à un acte médical (OLIVIER GUILLOD, Le consentement éclairé du patient, thèse Neuchâtel 1986, p. 209; MARC THOMMEN, Medizinische Eingriffe an Urteilsunfähigen und die Einwilligung der Vertreter, in Basler Studien zur Rechtswissenschaft, 2004, vol. 15, p. 7). Cela correspond également à ce qui est prévu en matière d'essais cliniques, où les personnes mineures doivent donner leur consentement, si elles sont capables de discernement (voir art. 55 al. 1 let . c de la loi fédérale du 15 décembre 2000 sur les médicaments et les dispositifs médicaux [LPTh; RS 812.21]). Cette tendance à prendre en considération l'avis du mineur est confirmée dans les conventions internationales. L'art. 12 al. 1 de la Convention du 20 novembre 1989 relative aux droits de l'enfant (RS 0.107) dispose ainsi que "les Etats parties garantissent à l'enfant qui est capable de discernement le droit d'exprimer librement son opinion sur toute question l'intéressant, les opinions de l'enfant étant dûment prises en considération eu égard à son âge et à son degré de maturité". Quant à la Convention du 4 avril 1997 sur les Droits de l'Homme et la biomédecine, non encore ratifiée par la Suisse (FF 2002 p. 336 ss), elle prévoit aussi qu'en matière d'intervention dans le domaine de la santé, "l'avis du mineur est pris en considération comme un facteur de plus en plus déterminant, en fonction de son âge et de son degré de maturité", même si, selon la loi, il n'a pas la capacité de consentir à l'intervention (art. 6). Le mineur ne sera donc représenté par ses parents que s'il est incapable de discernement et l'évolution du droit tend à ce que, même dans cette hypothèse, l'on tienne compte de son avis (THOMMEN, op. cit., p. 5 et 40). 4.2 Le droit cantonal s'inspire de ces principes. L'art. 23 de la loi vaudoise du 29 mai 1985 sur la santé publique (LSP; RSV 800.01) prévoit qu'aucun soin ne peut être donné sans le consentement libre et éclairé du patient capable de discernement, qu'il soit majeur ou mineur (al. 1). Le consentement du patient peut être tacite en cas de soins usuels et non invasifs. L'alinéa 3 première phrase précise que le patient capable de discernement a le droit de refuser des soins, d'interrompre un traitement ou de quitter un établissement. Comme relevé par la juridiction cantonale, l' art. 23 LSP ne pose aucune limite d'âge. Les travaux préparatoires démontrent que le législateur a voulu accorder aux personnes mineures douées de discernement le droit strictement personnel d'accepter ou de refuser des soins, y compris à l'insu de leurs représentants légaux ou contre le gré de ces derniers. En revanche, pour les mineurs incapables de discernement, BGE 134 II 235 S. 239 les parents et représentants légaux sont compétents (cf. Bulletin du Grand Conseil vaudois de novembre 2001 p. 5126 et 5153). En l'espèce, il ressort du dossier que la patiente a été clairement et suffisamment informée du traitement proposé par l'ostéopathe, de sorte que les exigences pour qu'elle puisse donner son consentement éclairé ( ATF 133 III 121 consid. 4.1.1) sont réalisées. Les faits font aussi apparaître que la jeune fille s'est expressément opposée à ce traitement à plusieurs reprises. Le praticien n'en a toutefois pas tenu compte, procédant à deux manipulations successives, malgré les cris et l'opposition continue de la patiente, dès lors que la mère de celle-ci, qui assistait au traitement, avait manifesté son accord. Déterminer si l'ostéopathe pouvait passer outre le refus de sa patiente mineure au motif que la mère avait accepté le traitement dépend donc exclusivement du point de savoir si la jeune fille était ou non, au moment des faits, capable de discernement. 4.3 Sur ce point, le recourant se plaint d'une violation de l' art. 16 CC à titre de droit fédéral ou de droit cantonal supplétif. Il reproche au Tribunal administratif d'avoir présumé la capacité de discernement de la patiente, âgée de treize ans et deux mois au moment des faits, alors qu'elle n'était pas apte à choisir entre les alternatives proposées en raison de son anxiété. 4.3.1 Comme indiqué, l'exigence du consentement éclairé du patient, qui suppose sa capacité de discernement, découle du droit fédéral (supra consid. 4.1). On peut se demander si le fait que l' art 21 LSP rappelle ces principes a pour effet de conférer à l' art. 16 CC le caractère de droit cantonal supplétif, dont l'application ne peut être revue que sous l'angle de l'arbitraire ( art. 95 LTF ). Cette question peut demeurer indécise dès lors que, de toute manière, on ne discerne aucune violation de cette disposition, même examinée librement. 4.3.2 Est capable de discernement au sens du droit civil celui qui a la faculté d'agir raisonnablement ( art. 16 CC ). Cette disposition comporte deux éléments, un élément intellectuel, la capacité d'apprécier le sens, l'opportunité et les effets d'un acte déterminé, et un élément volontaire ou caractériel, la faculté d'agir en fonction de cette compréhension raisonnable, selon sa libre volonté ( ATF 124 III 5 consid. 1a p. 8; ATF 117 II 231 consid. 2a p. 232 et les références citées). La capacité de discernement est relative: elle ne doit pas être appréciée dans l'abstrait, mais concrètement, par rapport à un acte déterminé, en fonction de sa nature et de son importance, les facultés requises devant exister au moment de l'acte ( ATF 118 Ia 236 consid. 2b in fine p. 238). BGE 134 II 235 S. 240 Le code civil suisse ne fixe pas un âge déterminé à partir duquel un mineur est censé être raisonnable. Il faut apprécier dans chaque cas si l'enfant avait un âge suffisant pour que l'on puisse admettre que sa faculté d'agir raisonnablement n'était pas altérée par rapport à l'acte considéré (DESCHENAUX/STEINAUER, Personnes physiques et tutelle, 4 e éd., Berne 2001, n. 85 p. 27; BIGLER-EGGENBERGER, Commentaire bâlois, art. 16 CC , n. 14 ss). En matière médicale, la jurisprudence a souligné que la capacité de discernement d'un patient mineur, condition indispensable pour que celui-ci puisse consentir seul à un traitement, doit être appréciée dans chaque cas, en regard de la nature des problèmes que pose l'intervention. Les détenteurs de l'autorité parentale devraient être appelés à intervenir seulement s'il y a un doute que la personne mineure puisse apprécier objectivement les tenants et aboutissants de l'intervention proposée, mais l'intérêt thérapeutique du patient doit rester prépondérant dans tous les cas. Demeurent réservées les hypothèses où l'urgence d'une intervention est telle qu'il serait préjudiciable à cet intérêt d'attendre que les personnes concernées donnent leur consentement éclairé ( ATF 114 Ia 350 consid. 7a p. 360 et les références citées). La doctrine souligne aussi la nécessité d'analyser in concreto la capacité de discernement d'un patient mineur en fonction de son aptitude à comprendre sa maladie, à apprécier les conséquences probables d'une décision et à communiquer son choix en toute connaissance de cause (cf. DOMINIQUE MANAÏ, Les droits du patient face à la biomédecine, Berne 2006 p. 187 ss; GUILLOD, op. cit., p. 210). Dans cette analyse, qui incombe au médecin (NOÉMIE HELLE, La capacité de discernement, un critère juridique en voie de disparition pour les patients psychiques placés à des fins d'assistance, in Revue suisse de droit de la santé 2004 n° 3, p. 7 ss, spéc. n. 2.2 p. 9), il faut notamment tenir compte de l'âge de l'enfant, de la nature du traitement ou de l'intervention proposée et de sa nécessité thérapeutique. Cette approche concrète empêche de fixer des limites d'âge absolues pour évaluer la capacité de discernement des patients mineurs (cf. les différents chiffres avancés par la doctrine in GUILLOD, op. cit., p. 212). 4.3.3 La preuve de la capacité de discernement pouvant se révéler difficile à apporter, la pratique considère que celle-ci doit en principe être présumée, sur la base de l'expérience générale de la vie ( ATF 124 III 5 consid. 1b p. 8; ATF 117 II 231 consid. 2b p. 234). Cette présomption n'existe toutefois que s'il n'y a pas de raison générale de mettre en doute la capacité de discernement de la personne BGE 134 II 235 S. 241 concernée (DESCHENAUX/STEINAUER, op. cit., p. 30), ce qui est le cas des adultes qui ne sont pas atteints de maladie mentale ou de faiblesse d'esprit. Pour ces derniers, la présomption est inversée et va dans le sens d'une incapacité de discernement (cf. arrêts 5A_204/2007 du 16 octobre 2007, consid. 5.1 et 5C.32/2004 du 6 octobre 2004, consid. 3.2.2). Par analogie, on peut présumer qu'un petit enfant n'a pas la capacité de discernement nécessaire pour choisir un traitement médical (en ce sens, WALTER FELLMANN, Arzt und das Rechtsverhältnis zum Patienten, in Arztrecht in der Praxis, 2 e éd. 2007, p. 114; GUILLOD, op. cit., p. 213; EUGEN BUCHER, Commentaire bernois, n. 127 p. 288 et n. 132 p. 290 ad art. 16 CC ), alors que la capacité de discernement pourra être présumée pour un jeune proche de l'âge adulte (en ce sens, GUILLOD, op. cit., p. 215). Dans la tranche d'âge intermédiaire, l'expérience générale de la vie ne permet cependant pas d'admettre cette présomption, car la capacité de discernement de l'enfant dépend de son degré de développement. ll appartient alors à celui qui entend se prévaloir de la capacité ou de l'incapacité de discernement de la prouver, conformément à l' art. 8 CC (cf. BUCHER, op. cit., n. 133 p. 291 ad art. 16 CC ). 4.3.4 En l'espèce, on peut se demander si, comme le conteste le recourant, la cour cantonale était fondée à partir du principe que, la patiente étant âgée de 13 ans et deux mois au moment des faits, sa capacité de discernement devait être présumée. En effet, il s'agit d'un âge charnière où l'on peut hésiter à appliquer d'emblée la présomption réservée aux adultes. Il n'y a toutefois pas lieu d'entrer plus avant sur ce point, car le Tribunal fédéral applique le droit d'office ( art. 106 al. 1 LTF ) et n'est pas lié par la motivation retenue par l'autorité précédente (arrêt 4A_516/2007 du 6 mars 2008, consid. 1.2 non publié à l' ATF 134 III 300 ). Or, si les faits constatés dans l'arrêt attaqué permettent de retenir que la recourante avait la capacité de discernement, les règles sur le fardeau de la preuve et, partant, l'existence éventuelle de la présomption, perdent tout objet ( ATF 128 III 271 consid. 2b/aa p. 277). 4.3.5 Il ressort sur ce point de l'arrêt attaqué que la patiente était une adolescente âgée d'un peu plus de treize ans au moment des faits et qu'elle se rendait parfaitement compte de la portée de ses actes. Ayant subi une lésion du coccyx, la doctoresse, puis l'ostéopathe, lui ont proposé un traitement consistant en un toucher rectal pour remettre le coccyx en place; il ne s'agissait pas d'un traitement indispensable, l'alternative thérapeutique étant tout simplement de laisser faire BGE 134 II 235 S. 242 le temps. Dans un tel contexte, force est d'admettre que la patiente était, à son âge, apte à comprendre les renseignements donnés successivement par chacun des deux praticiens, à saisir la lésion dont elle souffrait, à apprécier la portée du traitement proposé, ainsi que son alternative, et à communiquer son choix en toute connaissance de cause. Le fait qu'elle avait mal et qu'elle pleurait ne l'empêchait pas de saisir l'enjeu du traitement, ce d'autant que celui-ci lui a été présenté par deux fois et qu'avant l'intervention de l'ostéopathe, la patiente a reçu un analgésique et eu un moment de réflexion. En admettant la capacité de discernement de cette patiente, la cour cantonale n'a donc pas violé l' art. 16 CC . Comme il ne s'agissait à l'évidence pas d'un traitement indispensable qui aurait dû être imposé ou pratiqué en urgence, il n'y avait aucun intérêt thérapeutique à poursuivre l'intervention sans l'accord et la collaboration de la patiente. L'ostéopathe aurait donc dû respecter la volonté de la jeune fille, qui devait être considérée comme prépondérante par rapport à celle de sa mère, même si l'on peut comprendre que le comportement de cette dernière a pu l'influencer dans sa décision. Quant aux arguments selon lesquels la patiente n'aurait pas manifesté une véritable opposition, mais seulement une réaction émotionnelle due à l'anxiété, à la douleur et à la peur, ils ne sauraient être retenus, car ils reposent sur des faits ne ressortant pas de l'arrêt attaqué, qui constate que la patiente s'est clairement et à plusieurs reprises opposée au traitement. 4.4 Au vu de ce qui précède, les autorités cantonales étaient en droit d'admettre que le comportement du recourant face à sa patiente constituait une négligence dans l'exercice de sa profession au sens de l' art. 191 LSP . Cette disposition prévoit la possibilité d'infliger différentes sanctions disciplinaires, dont une amende allant de 500 à 200'000 fr. Compte tenu de l'ensemble des circonstances, l'amende de 1'500 fr. infligée au recourant reste dans des limites raisonnables et n'apparaît pas manifestement disproportionnée. Contrairement à ce que prétend l'intéressé, cette condamnation n'est pas non plus arbitraire dans son résultat. Elle ne signifie en effet pas qu'un praticien ne pourrait plus intervenir lorsqu'un enfant se met à pleurer ou à crier dans son cabinet. Comme on l'a vu, il s'agit d'apprécier la situation de cas en cas. Or, en l'espèce, le recourant perd de vue qu'il n'était pas en face d'une jeune enfant, mais d'une adolescente de plus de treize ans et qu'il a procédé en deux fois à un BGE 134 II 235 S. 243 acte particulièrement intrusif, très douloureux, qui n'était pas indispensable, passant outre les refus réitérés de sa patiente. On est donc loin de la situation d'un enfant qui pleure, parce qu'il aurait peur du pédiatre ou du dentiste.
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Urteilskopf 81 IV 139 29. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 6. April 1955 i.S. Walker gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern.
Regeste Art. 61 Abs. 3 und Art. 46 MFV . Die Vorschriften von Art. 46 MFV sind auch auf das Überholen der Strassenbahn auf der rechten Seite anwendbar.
Sachverhalt ab Seite 139 BGE 81 IV 139 S. 139 A.- Walker fuhr mit seinem Personenwagen am 10. Juni 1954, 19.50 Uhr, mit einer Geschwindigkeit von ca. 50 Std/km von Emmenbrücke gegen Luzern. Bei der Kirche Reussbühl, wo die Strasse eine langgestreckte Rechtskurve beschreibt, schickte er sich an, einen aus zwei Wagen bestehenden Strassenbahnzug zu überholen, der in gleicher Richtung auf der linken Strassenseite fuhr. Die Strasse wird an der betreffenden Stelle auf der rechten Seite durch eine ca. 3 m hohe Stützmauer abgeschlossen, so dass die Übersicht über die Kurve beeinträchtigt ist. Der Abstand zwischen dem Strassenbahngeleise und der Stützmauer beträgt ca. 4 m. Am Ende der Kurve, unmittelbar nach der für diese geltenden Parkierungsverbotstafel, war am rechten Strassenrand ein Personenwagen parkiert. Als Walker sich auf halber Höhe neben dem Strassenbahnzug befand, bremste er scharf ab. Dabei geriet sein Wagen ins Schleudern und kam kurz vor dem parkierten Personenwagen schräg gegen die Stützmauer zu gewendet zum Stehen. Zu diesem plötzlichen Bremsen sah sich Walker nach seiner Darstellung deshalb veranlasst, weil ein in gleicher Richtung fahrender Radfahrer das parkierte Auto überholte, so dass zwischen ihm und dem Tram für den Wagen Walkers nicht mehr genügend Raum zum Durchfahren geblieben sei. Auf das Bremsgeräusch vom Wagen Walkers hin leitete der Tramführer eine Schnellbremsung ein und brachte das Tram auf der Höhe des parkierten Wagens zum Anhalten. Ein Zusammenstoss erfolgte nicht. BGE 81 IV 139 S. 140 B.- Das Amtsgericht Luzern-Land erklärte mit Urteil vom 22. Dezember 1954 Walker der Widerhandlung gegen Art. 46 Abs. 2 MFV (Überholen der Strassenbahn in einer unübersichtlichen Strassenbiegung) schuldig und bestrafte ihn mit Fr. 40.- Geldbusse. C.- Mit der vorliegenden Nichtigkeitsbeschwerde beantragt Walker Aufhebung des angefochtenen Urteils und Rückweisung der Sache zu seiner Freisprechung. Er macht geltend, eine Verletzung von Art. 46 Abs. 2 MFV falle schon deswegen ausser Betracht, weil die genannte Vorschrift sich nur auf das normale Überholen nach links beziehe. Auf der rechten Seite dürfe dagegen eine Strassenbahn auch in einer Kurve überholt werden, wenn die Strassenbreite es zulasse. D.- Die Staatsanwaltschaft Luzern beantragt Abweisung der Beschwerde. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Das Überholen von Strassenbahnen ist in Art. 61 Abs. 3 MFV geregelt. Die Vorschrift unterscheidet zwischen der fahrenden und der haltenden Strassenbahn. Sie bestimmt, dass die fahrende Strassenbahn rechts zu überholen ist, wenn deren Abstand vom rechten Strassenrand dies erlaubt; nur wo dies nicht der Fall ist, darf links überholt werden. Im übrigen wird Art. 46 MFV , d.h. die allgemeine Ausführungsvorschrift zu Art. 26 Abs. 3 MFG über das Überholen, als anwendbar erklärt. Nach Art. 46 Abs. 1 MFV ist das Überholen nur gestattet, wenn die dazu erforderliche Strassenstrecke frei und übersichtlich ist, namentlich wenn kein anderes Fahrzeug entgegenkommt. Nach dem Überholen darf erst dann wieder rechts eingebogen werden, wenn für das überholte Fahrzeug jede Gefährdung ausgeschlossen ist. Abs. 2 sodann wiederholt wörtlich die Vorschrift von Art. 26 Abs. 3 MFG, dass an Strassenkreuzungen, Bahnübergängen und unübersichtlichen Stellen, besonders an Strassenbiegungen, nicht überholt werden dürfe. BGE 81 IV 139 S. 141 Abs. 3 endlich verpflichtet den Überholenden, besonders vorsichtig zu fahren und auf die übrigen Strassenbenützer Rücksicht zu nehmen. 2. Dass Art. 46 MFV auf das Überholen der Strassenbahn nur anwendbar sei, wenn dies auf der linken Seite geschieht, kann dem Wortlaut von Art. 61 Abs. 3 MFV nicht entnommen werden. Dieser verweist ganz allgemein und ohne Einschränkung auf Art. 46 MFV . Richtig ist allerdings, dass dieser Hinweis sinngemäss aufgefasst werden muss. So lässt sich Art 46 Abs. 1, der auf das normale linksseitige Überholen anderer nicht schienengebundener Fahrzeuge zugeschnitten ist, nicht uneingeschränkt anwenden auf das rechtsseitige Überholen der Strassenbahn, das nach Art. 61 Abs. 3 MFV den Regelfall bildet. Dagegen hat das Überholungsverbot des Art. 46 Abs. 2 MFV auch beim Überholen der Strassenbahn auf der rechten Seite seinen guten Sinn. Denn erfolgt solches Überholen an einer unübersichtlichen Stelle, insbesondere an einer Strassenbiegung, so kann dadurch eine gefährliche Situation geschaffen werden. Zwar verlässt der Überholende seine rechte Strassenseite nicht, so dass er nicht damit rechnen muss, er könnte einem aus der Gegenrichtung herannahenden Fahrzeug in die Quere kommen. Hingegen kann während des Überholungsmanövers plötzlich ein Hindernis in seiner Fahrbahn auftauchen, wie z.B. ein in gleicher Richtung fahrendes langsameres Fahrzeug, eine Gruppe von Fussgängern oder dergl. Erblickt er ein solches Hindernis wegen der Unübersichtlichkeit des Ortes so spät, dass er nicht mehr rechtzeitig anhalten kann, so besteht unmittelbare Unfallgefahr; denn das Hindernis durch Ausbiegen nach links zu umfahren, ist ihm durch die Strassenbahn verwehrt. Dem Auftreten solcher Gefahrsituationen wird durch das Überholungsverbot des Art. 46 Abs. 2 MFV vorgebeugt. 3. Die Reussbühlkurve ist nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz unübersichtlich; sie kann wegen der auf ihrer rechten Seite verlaufenden Stützmauer BGE 81 IV 139 S. 142 nicht voll überblickt werden. Nach Art. 46 Abs. 2 MFV darf deshalb dort der Strassenbahn nicht vorgefahren werden. Der Beschwerdeführer hat somit dadurch, dass er das Überholungsmanöver gleichwohl einleitete und zur Hälfte durchführte, gegen die genannte Bestimmung verstossen und ist daher zu Recht bestraft worden... Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
null
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de
1,955
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
07c09c2d-b9d8-4839-9dd8-311b6b39e120
Urteilskopf 118 II 528 99. Urteil der I. Zivilabteilung vom 15. Dezember 1992 i.S. Paritätische Berufskommission Baugewerbe des Kantons Luzern gegen S. AG (Berufung)
Regeste Gesamtarbeitsvertraglicher Anspruch auf Lohnkontrolle gegenüber einem Aussenseiter; sachliche Zuständigkeit des Zivilrichters; Berufungsvoraussetzungen ( Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 AVEG ; Art. 46 und Art. 48 Abs. 1 OG ). 1. Berufungsfähigkeit eines Entscheides, mit dem der Regierungsrat eines Kantons seine Zuständigkeit zur Anordnung einer Lohnkontrolle verneint (E. 2). 2. Keine Verletzung von Bundesrecht liegt in der Auffassung, der Zivilrichter und nicht der Regierungsrat sei zuständig, wenn nicht nur streitig ist, ob ein von den Parteien des Gesamtarbeitsvertrages unabhängiges Kontrollorgan einzusetzen sei, sondern der Aussenseiter auch die rechtliche Grundlage des Kontrollanspruchs bestreitet (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 528 BGE 118 II 528 S. 528 Am 1. Januar 1988 schlossen der Schweizerische Baumeisterverband einerseits sowie die Gewerkschaft Bau und Holz, der Christliche Holz- und Bauarbeiterverband der Schweiz, der Schweizerische Verband evangelischer Arbeitnehmer und der Landesverband Freier Schweizer Arbeitnehmer andererseits den Landesmantelvertrag BGE 118 II 528 S. 529 (LMV) für das schweizerische Bauhauptgewerbe ab, der bis 31. Dezember 1990 Geltung hatte. Mit Bundesratsbeschluss vom 10. Februar 1989 (BBl 1989 I 727) wurden einzelne Vorschriften des LMV allgemeinverbindlich erklärt. Dazu gehört Art. 10.4 LMV, der bestimmt, die paritätischen Berufskommissionen seien nötigenfalls berechtigt, gemeinsame Lohnkontrollen und Untersuchungen über die Arbeitsverhältnisse durchzuführen oder durchführen zu lassen. Die S. AG betreibt in Nottwil im Kanton Luzern ein Baugeschäft. Sie ist nicht Mitglied des Schweizerischen Baumeisterverbandes. Am 23. April 1990 beschloss die Paritätische Berufskommission Baugewerbe des Kantons Luzern, bei allen Bau- und Zimmereigeschäften im Kanton Luzern schriftliche Lohnerhebungen durchzuführen. Nachdem sich die S. AG mit Schreiben vom 4. September 1990 geweigert hatte, das ihr zugestellte Formular auszufüllen, reichte die Berufskommission am 5. Dezember 1990 beim Regierungsrat des Kantons Luzern das Gesuch ein, gegenüber der S. AG sei die in Art. 10.4 LMV vorgesehene Kontrolle anzuordnen. Die S. AG widersetzte sich diesem Begehren mit der Begründung, die rechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer solchen Kontrolle seien nicht gegeben; sie lehnte zudem eine Kontrolle durch die Berufskommission unter Hinweis auf Art. 6 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen (AVEG; SR 221.215.311) ab. Mit Entscheid vom 11. Februar 1992 trat der Regierungsrat auf das Gesuch der Berufskommission mit der Begründung nicht ein, weder nach Bundesrecht noch nach kantonalem Recht sei er verpflichtet, die verlangte Kontrolle anzuordnen; die Berufskommission habe jedoch gemäss Art. 10.4 LMV einen zivilrechtlichen Anspruch gegenüber der S. AG auf Durchführung der Kontrolle; über einen Streit hinsichtlich dieses Anspruches habe der Zivilrichter zu entscheiden. Die Berufskommission hat gegen den Entscheid des Regierungsrates Berufung eingelegt mit dem Antrag, ihn aufzuheben und die in Art. 10.4 LMV vorgesehene Kontrolle anzuordnen, eventuell die Sache an den Regierungsrat zurückzuweisen, damit er selbst die Kontrolle anordne. Das Bundesgericht weist die Berufung ab. BGE 118 II 528 S. 530 Erwägungen Erwägungen: 1. Die Paritätische Berufskommission ist gemäss ihren Statuten vom 11. Oktober 1974 ein Verein im Sinne von Art. 60 ff. ZGB . Mitglieder dieses Vereines sind die Sektionen Luzern und Luzern-Land des Schweizerischen Baumeisterverbandes, des Schweizerischen Bau- und Holzarbeiterverbandes, des Christlichen Holz- und Bauarbeiterverbandes sowie des Landesverbandes freier Schweizer Arbeiter. Zweck des Vereines ist insbesondere die Wahrnehmung der gemeinsamen Berufsinteressen gegenüber Behörden und Privaten sowie die Überwachung der Einhaltung der Gesamtarbeitsverträge. Da es sich bei der Berufungsklägerin demnach um eine juristische Person handelt, ist die von Amtes wegen zu prüfende Frage ihrer Parteifähigkeit (vgl. MESSMER/IMBODEN, Die eidgenössischen Rechtsmittel in Zivilsachen, S. 14 Rz. 11) zu bejahen. 2. a) Die Berufung ist abgesehen von den in Art. 44 lit. a bis f und Art. 45 lit. b OG abschliessend aufgezählten Fällen nur in Zivilrechtsstreitigkeiten zulässig ( Art. 44 Abs. 1 und Art. 46 OG ). Zu verstehen sind darunter Streitigkeiten, die in einem kontradiktorischen Verfahren ausgetragen werden, das die endgültige Regelung zivilrechtlicher Verhältnisse zum Ziel hat ( BGE 117 II 164 , BGE 116 II 377 , BGE 113 II 14 , BGE 112 II 147 E. 1). Wird mit der Berufung ein Nichteintretensentscheid angefochten, so beurteilt sich die Frage, ob ein zivilrechtlicher Anspruch streitig ist, aufgrund der Anträge und Sachvorbringen des Klägers ( BGE 115 II 239 E. 1a). Mit dem Gesuch vom 5. Dezember 1990 beantragte die Berufungsklägerin, der Regierungsrat habe gegenüber der Berufungsbeklagten die in Art. 10.4 LMV vorgesehene Kontrolle anzuordnen. Wie sich aus der Begründung des Gesuchs ergibt, lag diesem Antrag die Auffassung zugrunde, der Regierungsrat sei gemäss Art. 6 Abs. 1 und 2 AVEG zuständig, eine solche Kontrolle anzuordnen, dafür ein unabhängiges Kontrollorgan im Sinne dieser Vorschriften einzusetzen sowie Gegenstand und Umfang der Kontrolle zu bestimmen. In Art. 6 AVEG wird festgehalten, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, auf die der Geltungsbereich des Gesamtarbeitsvertrages ausgedehnt worden ist, könnten jederzeit bei der zuständigen kantonalen Behörde die Einsetzung eines besondern, von den Vertragsparteien unabhängigen Kontrollorgans an Stelle der im Vertrag vorgesehenen Kontrollorgane verlangen (Abs. 1); die zuständige kantonale Behörde bestimme Gegenstand und Umfang der Kontrolle nach Anhörung der Vertragsparteien und des Arbeitgebers oder Arbeitnehmers, BGE 118 II 528 S. 531 der die Einsetzung eines solchen Organs verlange (Abs. 2). Als streitig betrachtete die Berufungsklägerin somit den sich aus Art. 10.4 LMV ergebenden Anspruch, Lohnkontrollen durchzuführen oder durchführen zu lassen. Dass sich daran auch vor Bundesgericht nichts geändert hat, zeigen im übrigen die Anträge und Begründungen der Berufung und der Berufungsantwort. Ansprüche aus Gesamtarbeitsverträgen werden nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts auch dann dem Privatrecht zugeordnet, wenn sie auf allgemeinverbindlich erklärten Bestimmungen beruhen und gegenüber Aussenseitern geltend gemacht werden ( BGE 98 II 208 f.). Das sich aus Art. 10.4 LMV ergebende Kontrollrecht kann sodann selbständigen Charakter haben, wenn seine Durchsetzung - wie im vorliegenden Fall - nicht bloss eine vorsorgliche oder vorbereitende Massnahme darstellt. Vergleichbar dem ebenfalls selbständig einklagbaren Recht des Aktionärs auf Auskunfterteilung ( Art. 697 Abs. 4 OR ; BGE BGE 112 II 147 E. 2b: zu Art. 697 aOR) kann das Kontrollrecht in einem eigenen Verfahren durchgesetzt werden, in dem endgültig über dessen Bestand zu entscheiden ist. Erfüllt ist schliesslich auch die Voraussetzung eines kontradiktorischen Verfahrens, da der Regierungsrat der Berufungsbeklagten - in Übereinstimmung mit dem Gesuch der Berufungsklägerin - von Anfang an volle Parteistellung eingeräumt hat. b) Ebenfalls gegeben ist die weitere Voraussetzung, dass sich die Berufung gegen einen Endentscheid eines oberen kantonalen Gerichtes oder einer sonstigen Spruchbehörde richten muss ( Art. 48 Abs. 1 OG ). Einerseits werden Nichteintretensentscheide wie der hier angefochtene nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichts als Endentscheide im Sinne von Art. 48 Abs. 1 OG betrachtet ( BGE 115 II 239 f. E. 1b). Andererseits fällt der Regierungsrat aufgrund seiner Stellung und Funktion innerhalb des Kantons unter den Begriff der "sonstigen Spruchbehörde" (vgl. POUDRET, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, Bd. II, N 1.2.3 zu Art. 48 OG ; MESSMER/IMBODEN, a.a.O., S. 90 Rz. 64 insb. Fn. 7). c) Zu prüfen bleibt, ob es sich um eine vermögensrechtliche Streitsache im Sinne von Art. 46 OG handelt. Massgebend ist dafür, ob der Rechtsgrund des streitigen Anspruchs letzten Endes im Vermögensrecht ruht, mit der Klage letztlich und überwiegend ein wirtschaftlicher Zweck verfolgt wird ( BGE 116 II 380 E. 2a mit Hinweis; MESSMER/IMBODEN, a.a.O., S. 79 Rz. 57). Gegenstand der von der Berufungsklägerin angestrebten Kontrolle sind die Lohnzahlungen der Berufungsbeklagten an ihre Arbeitnehmer. Obschon diesem BGE 118 II 528 S. 532 Kontrollrecht - wie bereits erörtert - selbständiger Charakter zukommt, ist es mittelbar auf vermögenswerte Interessen ausgerichtet, denn damit soll insbesondere erreicht werden, dass allenfalls verletzte Lohnvorschriften des LMV gegenüber der Berufungsbeklagten durchgesetzt werden können. Auf die Berufung ist somit nur einzutreten, falls der gemäss Art. 46 OG erforderliche Streitwert von Fr. 8'000.-- erreicht wird. In der Berufungsschrift wird dies zwar behauptet, aber nicht begründet. Die Berufungsantwort äussert sich nicht dazu. Ausdrückliche Angaben zum Streitwert lassen sich sodann weder dem angefochtenen Entscheid noch den Rechtsschriften der Parteien im kantonalen Verfahren entnehmen. In einem solchen Fall wird nach der Praxis des Bundesgerichts in der Regel auf die Berufung nicht eingetreten ( BGE 116 II 381 Nr. 69, BGE 109 II 493 ff. E. 1ee). Unter den hier gegebenen Umständen vermag diese Praxis indessen nicht zu befriedigen. Sie setzte voraus, dass die Berufungsklägerin objektiv beurteilt in der Lage wäre, konkrete Angaben zur Höhe der mittelbar auf dem Spiel stehenden Vermögensinteressen zu machen, auf welche sich das Bundesgericht bei der ermessensweisen Schätzung des Streitwerts ( Art. 36 Abs. 2 OG ) stützen könnte. Nicht aus dem Blick zu verlieren ist in diesem Zusammenhang, dass in Übereinstimmung mit Art. 36 Abs. 1 OG primär auf die Verhältnisse auf der Seite der Berufungsklägerin abgestellt werden muss. Ausschlaggebend sind deshalb in erster Linie die der Klage zugrundeliegenden Vermögensinteressen der Berufungsklägerin bzw. der ihr als Mitglieder angehörenden Arbeitgeber- und Arbeitnehmervereinigungen. Angaben zum Unternehmen der Berufungsbeklagten (Anzahl Arbeitnehmer, gesamte Lohnsumme) hätten es dagegen - auf der Grundlage einer hypothetischen Verletzung des LMV durch die Berufungsbeklagte - allenfalls gestattet, das Vermögensinteresse zu bestimmen, das diese an einer Verhinderung der Lohnkontrolle hat. Obschon auch dieses Interesse allein schon in Anbetracht der zeitlichen Dauer des LMV als beträchtlich eingeschätzt werden muss, wird es doch von jenem der Berufungsklägerin übertroffen, da auf deren Seite darüber hinaus zu berücksichtigen ist, dass mit der Erhebung der Klage indirekt bezweckt wird, auch die Einhaltung von zukünftigen, allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträgen zu gewährleisten, und zwar nicht nur durch die Berufungsbeklagte, sondern - als Präventivmassnahme verstanden - auch durch andere Aussenseiter. Insoweit ist es der Berufungsklägerin aber kaum möglich, Angaben zum Umfang ihrer ohnehin nur BGE 118 II 528 S. 533 mittelbar vorhandenen Vermögensinteressen zu machen. Das Fehlen solcher Angaben in der Berufungsschrift darf ihr deshalb nicht zum Nachteil gereichen. Unter diesen Umständen rechtfertigt es sich, die ermessensweise Schätzung des Streitwertes allein aufgrund der Tatsachen vorzunehmen, welche das Bundesgericht den kantonalen Akten entnehmen kann. Diese Schätzung führt in Anbetracht der auf der Seite der Berufungsklägerin vorhandenen, bereits erwähnten globalen Vermögensinteressen zum Ergebnis, dass der nach Art. 46 OG erforderliche Streitwert von Fr. 8'000.-- auf jeden Fall erreicht ist. Auf die Berufung kann deshalb eingetreten werden. 3. In materieller Hinsicht ist einzig zu beurteilen, ob der Regierungsrat, wie mit der Berufung gerügt wird, Art. 6 Abs. 1 und 2 AVEG verletzt hat. Die Anwendung des kantonalen Rechts (§ 2 Abs. 2c VVO zum AVEG: Zuständigkeit des Regierungsrates im Sinne von Art. 6 Abs. 1 und 2 AVEG ) wird dagegen nicht überprüft ( Art. 43 OG ; BGE 115 II 241 E. 1c). Entgegen der mit der Berufung vertretenen Auffassung lässt sich aus dem Wortlaut von Art. 6 Abs. 1 AVEG , der für die Auslegung in erster Linie massgebend ist ( BGE 117 II 499 E. 6a mit Hinweisen), nicht ableiten, der Regierungsrat und nicht der Zivilrichter sei auch dann zuständig, wenn nicht nur streitig ist, ob ein von den Parteien des Gesamtarbeitsvertrages unabhängiges Kontrollorgan einzusetzen sei, sondern der Aussenseiter bereits die rechtliche Grundlage des Kontrollanspruchs bestreitet. Aus dem Wortlaut ergibt sich vielmehr, dass diese Bestimmung auf die Regelung des Falles beschränkt ist, in welchem der Aussenseiter an sich mit der Einsetzung eines Kontrollorganes einverstanden ist, die im Gesamtarbeitsvertrag für diese Aufgabe vorgesehene Paritätische Berufskommission aber ablehnt. Dass darin der Sinn der Bestimmung liegt, ist bereits in der Botschaft des Bundesrates zum Entwurf des AVEG (BBl 1954 I 178) festgehalten worden und entspricht auch der in der Literatur vertretenen Meinung (SCHWEINGRUBER/BIGLER, Kommentar zum Gesamtarbeitsvertrag, 3. Auflage, N 1 zu Art. 6 AVEG , S. 120). Aus Abs. 2 von Art. 6 AVEG , der eindeutig auf Abs. 1 Bezug nimmt und inhaltlich auf das Verfahren bei der Einsetzung des besonderen Kontrollorgans beschränkt ist, ergibt sich nichts anderes. Die Aufteilung der sachlichen Zuständigkeit zwischen Zivilrichter und "zuständiger kantonaler Behörde" im Sinne von Art. 6 Abs. 1 AVEG , so wie sie im angefochtenen Entscheid vorgenommen worden ist, verstösst aus diesen Gründen nicht gegen Bundesrecht. BGE 118 II 528 S. 534 4. Für den Entscheid über die Berufung unerheblich und deshalb nicht zu prüfen ist im übrigen, ob die Berufungsklägerin entsprechend ihrer in der Berufungsschrift vorgebrachten Behauptung befugt ist, in eigenem Namen - und nicht nur als bevollmächtigte Vertreterin der am Landesmantelvertrag beteiligten Parteien - gestützt auf Art. 10.4 LMV gegen die Berufungsbeklagte auf Duldung der Lohnkontrolle zu klagen. Immerhin ist darauf hinzuweisen, dass die Frage der Aktivlegitimation von Paritätischen Berufskommissionen in der Literatur umstritten ist (vgl. dazu VISCHER, N 14 f. zu Art. 357b OR ; STREIFF/VON KÄNEL, Leitfaden zum Arbeitsvertragsrecht, 5. Aufl., N 5 zu Art. 357b OR ; SCHWEINGRUBER/BIGLER, a.a.O., N 5 zu Art. 357b OR , S. 87; PETER WEHRLI, Die gemeinsame Durchführung des Gesamtarbeitsvertrages gemäss Art. 323ter OR , Diss. Zürich 1961, S. 26 ff.).
public_law
nan
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1,992
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CH_BGE_004
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Federation
07c0a6bd-f265-4ad7-b34a-022746051ffa
Urteilskopf 108 II 190 40. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 21. September 1982 i.S. Paul Leimgruber & Co. gegen Gribi (Berufung)
Regeste Art. 259 Abs. 2 OR , Art. 2 ZGB ; Kündigungserklärung des Käufers einer vermieteten Liegenschaft. 1. Kein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Mieters, der sich darauf beruft, der Erwerber der Mietsache habe die Kündigungserklärung um rund drei Wochen verspätet abgegeben (E. 2). 2. Eine Kündigung, die der Käufer der Mietsache ausspricht, bevor er als Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist, hat keine Rechtswirkung und konvalesziert nicht (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 191 BGE 108 II 190 S. 191 Urs Gribi gab der Paul Leimgruber & Co. am 27. März 1980 bekannt, dass er die von ihr gemietete und an Karl Rüedi untervermietete Liegenschaft Reinacherstrasse 80 in Basel von der Röchling AG erworben und gemäss Kaufvertrag das Mietverhältnis nicht übernommen habe, er kündige es deshalb auf den 30. Juni 1980. Gribi, der am 31. März 1980 als Eigentümer der Liegenschaft in das Grundbuch eingetragen worden war, bestätigte am 17. April 1980 der Paul Leimgruber & Co. gegenüber, den Mietvertrag nicht übernommen zu haben. Im April 1980 klagte die Paul Leimgruber & Co. beim Zivilgericht des Kantons Basel-Stadt gegen Gribi mit dem Antrag, es sei festzustellen, dass die mit Schreiben vom 27. März 1980 ausgesprochene Kündigung des Beklagten für das Mietverhältnis über die Liegenschaft Reinacherstrasse 80 ungültig sei und demgemäss der Beklagte als in das Mietverhältnis eingetreten gelte. Das Zivilgericht hiess die Klage am 13. Januar 1981 gut, das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt wies sie am 4. Dezember 1981 ab. Das Bundesgericht heisst die von der Klägerin gegen dieses Urteil erhobene Berufung gut. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Das Appellationsgericht betrachtet den Standpunkt der BGE 108 II 190 S. 192 Klägerin, der Beklagte sei in den Mietvertrag eingetreten, da seine erste Erklärung vor dem Eigentumserwerb und die zweite verspätet abgegeben worden sei, als rechtsmissbräuchlich. Es bestehe ein Missverhältnis zwischen dem Interesse der Klägerin, die Erklärung genau am 31. März 1980, dem letzten für eine Kündigung auf den 30. Juni 1980 möglichen Termin, zu empfangen, und dem Interesse des Beklagten an der Wirksamkeit einer seiner beiden Erklärungen. Unter diesen Umständen stehe dem Richter gestützt auf Art. 2 Abs. 2 ZGB die Befugnis zu, ein auf dem Wege richtiger Auslegung gewonnenes Ergebnis zu korrigieren. Die Klägerin beanstandet diese Auffassung zu Recht. Das Appellationsgericht stützt sie auf MERZ ab, der die Meinung vertritt, dass bei geringfügigen Zeitüberschreitungen und unwesentlichem Interesse an der Fristwahrung, dem ein sehr erhebliches Interesse am Nichteintritt der mit der Säumnis verbundenen Folgen gegenübersteht, die Berufung auf Rechtsmissbrauch nicht grundsätzlich abgewiesen werden soll (N. 384 zu Art. 2 ZGB ). Dieser Leitsatz könnte von vornherein einzig auf die zweite Erklärung des Beklagten vom 17. April 1980 Anwendung finden. Offensichtlich ist aber keine der von MERZ angeführten Voraussetzungen gegeben. Die Verspätung war mit nahezu drei Wochen nicht geringfügig. Ein Ungleichgewicht der Interessen wie in dem der Kommentarstelle zugrunde liegenden Entscheid des Reichsgerichts (RGZ 117, 354) bestand nicht. Vielmehr war für beide Parteien von grösster Wichtigkeit, dass eine Kündigung innert Frist erfolge; für den Beklagten, damit er die Klägerin dem Kaufvertrag entsprechend nicht in der Miete belassen musste, für diese, damit sie bei ausbleibender fristgemässer Kündigung sicher sein konnte, dass der Mietvertrag als übernommen gelte. Ist somit ein Missverhältnis der Interessen zu verneinen, so helfen auch die vom Appellationsgericht angeführten weiteren Kommentarstellen allgemeiner Natur (MERZ, N. 39 zu Art. 2 ZGB ; EGGER, N. 23 zu Art. 2 ZGB ) nicht weiter. 3. Nach einhelliger Lehre und Rechtsprechung ist allein der Erwerber der Mietsache zur Kündigung im Sinne des Art. 259 Abs. 2 OR berechtigt, und seine Erklärung ist nur rechtswirksam, wenn sie erfolgt, nachdem er als Eigentümer, als an der Sache dinglich Berechtigter in das Grundbuch eingetragen worden ist (SCHMID, N. 20 zu Art. 259 OR ; BECKER, N. 9 zu Art. 259 OR ; REYMOND, in Schweizerisches Privatrecht, Bd. VII/1, S. 228; BGE 39 II 470 , BGE 42 II 284 , Sem. jud. 70 (1948) S. 372). Da mit der Kündigung ein Gestaltungsrecht ausgeübt wird, tritt ihre Wirkung BGE 108 II 190 S. 193 unmittelbar mit dem Zugang beim Empfänger ein. Die Kündigungserklärung kann deshalb nicht widerrufen werden (SCHMID, N. 14 und 17 zu Art. 267 OR ). Aus diesen Gründen müssen sämtliche Gültigkeitsvoraussetzungen einer derartigen Erklärung im Zeitpunkt ihres Zuganges gegeben sein und nachträglich hinzutretende Tatsachen ohne Einfluss auf sie bleiben. Eine Konvaleszenz der Kündigung, die vom zukünftigen Eigentümer der Mietsache ausgesprochen wurde, ist daher entgegen VON TUHR/PETER (Schweiz. Obligationenrecht, S. 146 Fussnote 18) ausgeschlossen. Diese Autoren verweisen zur Begründung ihrer Auffassung auf eine andere Stelle ihres Werkes (§ 28 IV) und ein Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau (SJZ 20 (1923/24) S. 64 Nr. 52). Unter § 28 IV behandeln VON TUHR/PETER indessen lediglich zwei Fälle der Konvaleszenz bei Verfügungen über fremde Ansprüche, von denen sich die Gestaltungsrechte aber wegen ihrer unmittelbaren Wirkung gerade unterscheiden. Im Urteil des Aargauer Obergerichts wird die hier interessierende Frage mit dem Argument umgangen, da die Kündigung in Übereinstimmung mit den vertraglichen Vereinbarungen erfolgt sei, könne dem Mieter gleichgültig sein, ob sie vom Verkäufer oder vom Erwerbe ausgegangen sei. Der dort beurteilte Fall unterscheidet sich demnach auch vom Sachverhalt her vom hier vorliegenden. Eine Konvaleszenz der Kündigungserklärung ist überdies darum abzulehnen, weil Art. 259 Abs. 2 OR an die unterlassene Kündigung, der die unwirksame gleichzusetzen ist, die unwiderlegbare Rechtsvermutung knüpft, dass der Erwerber der Mietsache als in das Mietverhältnis eingetreten gilt (SCHMID, N. 23 zu Art. 259 OR ). Diese Rechtslage ist unvereinbar mit einem Schwebezustand in bezug auf die Gültigkeit der Kündigung; vielmehr muss für den Mieter auf den massgeblichen Zeitpunkt hin Klarheit darüber herrschen, ob das Mietverhältnis gekündigt worden oder der Erwerber der Mietsache in dieses eingetreten ist. Der Beklagte ist nach der unbestrittenen tatsächlichen Feststellung des Appellationsgerichts am 31. März 1980 als Eigentümer der Liegenschaft im Grundbuch eingetragen worden. Die von ihm am 27. März 1980 ausgesprochene Kündigung war demnach unwirksam. Die Bestätigung vom 17. April 1980, den Mietvertrag nicht übernommen zu haben, erfolgte verspätet; denn bei einem Erwerb der Liegenschaft am 31. März 1980 hätte der Beklagte gemäss Art. 267 Abs. 2 Ziff. 1 OR gleichentags auf den 30. Juni 1980, das nächste ortsübliche Ziel, kündigen müssen, und galt BGE 108 II 190 S. 194 nach Art. 259 Abs. 2 OR als in das Mietverhältnis eingetreten, wenn er dies unterliess. Die Auffassung des Appellationsgerichts, vom Beklagten habe nicht verlangt werden können, der Klägerin die Kündigung noch am 31. März 1980 zuzustellen, hält näherer Prüfung nicht stand. Wie der Beklagte in der Klageantwort an das Zivilgericht selbst ausgeführt hat, stand es im Belieben der Vertragsparteien, die Vertragsfertigung und den Grundbucheintrag früher vornehmen zu lassen, womit dem Beklagten genügend Zeit für die Kündigungserklärung im Sinne des Art. 259 Abs. 2 OR zur Verfügung gestanden hätte. Unbehelflich ist schliesslich die Behauptung des Beklagten, er sei zur Kündigung im Namen der Röchling AG berechtigt gewesen, wie aus der von dieser ebenfalls unterzeichneten Erklärung vom 27. März 1980 hervorgehe. Die Röchling AG selbst konnte das Mietverhältnis nicht gestützt auf Art. 259 Abs. 2 OR nach den gesetzlichen Vorschriften kündigen, sondern war an den vertraglichen Beendigungstermin gebunden.
public_law
nan
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Urteilskopf 108 Ib 270 51. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 25. Juni 1982 i.S. X-Bank gegen Eidgenössische Bankenkommission (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste Einhaltung der Höchstausleihsätze bei Dokumenten-Akkreditiven "back to back" ( Art. 4bis, 23 bis BankG ; Art. 21 BankV .). 1. Verfahrensrechtliche Grundsätze bei Verwaltungsgerichtsbeschwerden im Bereiche der Bankenaufsicht (E. 2). 2. Risikoverteilungsgrundsätze des schweizerischen Bankenrechtes (E. 3). 3. Unwiderrufliche Dokumenten-Akkreditive "back to back" erlauben es der Bankenkommission faktisch nicht, eine nachträgliche Herabsetzung des betreffenden Geschäftsvolumens zu verlangen, wenn die Akkreditiv-Verpflichtungen die in Art. 21 BankV genannten Höchstausleihsätze übersteigen; die Bankenkommission ist daher berechtigt, präventiv Vorschriften für die Überschreitung der Höchstausleihsätze aufgrund solcher Akkreditiv-Geschäfte zu erlassen (E. 4), auch wenn die in Art. 21 BankV festgesetzten Verhältniszahlen keine absoluten Grenzen zulässiger Geschäftstätigkeit darstellen (E. 5a). 4. Im übrigen gibt auch Art. 23bis Abs. 1 BankG der Bankenkommission die Befugnis, präventiv Anordnungen gegenüber Bankinstituten zu erlassen (E. 5c).
Sachverhalt ab Seite 271 BGE 108 Ib 270 S. 271 Die X-Bank ist eine seit November 1958 im Zürcher Handelsregister eingetragene Aktiengesellschaft mit Sitz in Zürich; ihr Grundkapital beträgt sechs Millionen Franken. Als Bankunternehmen untersteht sie der Aufsicht der Eidgenössischen Bankenkommission. Die Y-Treuhand AG, Zürich, fungiert als bankengesetzliche Revisionsstelle. Die X-Bank hat sich seit mehreren Jahren auf die Abwicklung von Dokumenten-Akkreditiv-Geschäften in der Form von sog. "back to back-Akkreditiven" spezialisiert, besonders zur Abwicklung internationaler Handelsgeschäfte mit Erdölprodukten. Gemäss ihrem Schreiben vom 14. Juni 1979 wickelt die X-Bank diese Finanzoperationen wie folgt ab: Aufgrund eines unwiderruflichen und nicht übertragbaren Dokumenten-Akkreditivs, das sie von der Bank des Endkäufers erhält, eröffnet die X-Bank ihrem Kunden ein gleichermassen ausgestaltetes und zu den gleichen Bedingungen wie das erste zahlbares Dokumenten-Akkreditiv zur Befriedigung des Lieferanten. Sobald die X-Bank die Akkreditiv-Verpflichtung gegenüber dem Lieferanten nach Übergabe der vereinbarten Dokumente erfüllt hat, kann sie diese Dokumente mit den Rechnungen des Kunden "sofort auf die unwiderrufliche Verpflichtung des Endkäufers applizieren", wodurch sie von der Bank des Käufers entsprechende Rückzahlungen erhält. Praktisch bedeutet dieses Vorgehen, dass die Bank ihrem Kunden kurzfristig Kredite gewährt, die einerseits leicht die in Art. 21 Abs. 1 der Verordnung zum Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen vom 17. Mai 1972 (BankV; SR 952.02) festgelegten BGE 108 Ib 270 S. 272 Deckungslimiten übersteigen können, deren Rückzahlung aber andererseits gut abgesichert zu sein scheint. Von Mitte Juli 1976 an hat die X-Bank der Eidgenössischen Bankenkommission mehrere Risikoverteilungsmeldungen wegen Überschreitungen der gesetzlichen Höchstausleihsätze, die auf die Abwicklung von Akkreditiv-Geschäften "back to back" zurückzuführen waren, zugesandt. Nach Rücksprache mit der bankengesetzlichen Revisionsstelle empfahl das Sekretariat der Eidgenössischen Bankenkommission der X-Bank mit Schreiben vom 30. Oktober 1976, inskünftig keine neuen Kredite zu gewähren, die die gesetzlichen Limiten überschreiten, ohne vorgängig mit ihr in Kontakt zu treten. Die Bank hielt dieser Empfehlung entgegen, unter ihren Kunden befänden sich Unternehmungen, die den Engroshandel mit Erdölprodukten betrieben; aufgrund der bedeutenden Preissteigerungen für diese Produkte auf dem Weltmarkt sei es ihr nicht möglich, die in Art. 21 Abs. 1 BankV gesetzten Limiten stets einzuhalten. Sie ersuchte deshalb die Bankenkommission, ihrer besonderen Lage durch die Gewährung einer Ausnahmeregelung, die Abweichungen von den Höchstausleihsätzen zulasse, Rechnung zu tragen. In Berücksichtigung der von der X-Bank vorgebrachten Gründe und gestützt auf die Tatsache, dass die Geschäftssparten, auf welche sich die Gesuchstellerin spezialisiert hatte, das Risiko von Plafonds-Überschreitungen in sich tragen, hatte die Aufsichtsbehörde dem Ersuchen teilweise stattgegeben. In ihrer Verfügung vom 18. April 1977 erkannte die Bankenkommission deshalb: "1. Der X-Bank, Zürich, wird bis auf weiteres gestattet, folgende Ausleihungen an einzelne Kunden zu tätigen, sofern sie die nachstehend genannten Prozentsätze der nach Art. 11 BankV berechneten eigenen Mittel nicht übersteigen: 1.1 back-to-back-Akkreditive für a) Verpflichtungen erstklassiger Banken mit Ausnahme der in Ziff. 1.3 genannten Banken im Umfang von 100% der eigenen Mittel b) gedeckte Verpflichtungen von anderen Kunden im Umfang von 80% der eigenen Mittel 1.2 Andere Engagements kommerzieller Natur im Umfange von 80% der eigenen Mittel, sofern der Deckungswert der dafür verpfändeten Sicherheiten 150% des Engagements ausmacht und diese Sicherheiten leicht realisierbar sind. 1.3 Verpflichtungen des Schweizerischen Bankvereins, der Schweizerischen Bankgesellschaft und der Schweizerischen Kreditanstalt im Umfang von je 160% der eigenen Mittel. BGE 108 Ib 270 S. 273 2. Die X-Bank darf Ausleihungen, welche die in Art. 21 Abs. 1 BankV festgesetzten Höchstgrenzen aufgrund der in Ziff. 1 erteilten Ermächtigungen übersteigen, nur unter der Bedingung tätigen, dass der die Höchstgrenzen gemäss Art. 21 Abs. 1 BankV übersteigende Betrag zu 100% durch zusätzliche eigene Mittel, welche die gemäss Art. 13 BankV erforderlichen minimalen eigenen Mittel übersteigen, abgedeckt ist. Vom zusätzlichen Betrag an eigenen Mitteln gemäss Ziff. 2 Abs. 1 können bis auf weiteres 50% der stillen Reserven in Abzug gebracht werden, sofern diese durch Zurückbehaltung von realisierten Gewinnen gebildet wurden, nicht durch Risiken gebunden sind und nicht bereits als eigene Mittel im Sinne von Art. 11 Abs. 1 lit. f geltend gemacht werden. Die bankengesetzliche Revisionsstelle hat diese stillen Reserven bei der ordentlichen Revision zu ermitteln und im Revisionsbericht ausdrücklich zu bestätigen, dass diese im Sinne dieser Verfügung verwendet werden können. 3. Der X-Bank wird eine Frist bis zum 30. September 1977 eingeräumt, während welcher die Überschreitungen auf die in Ziff. 1 dieser Verfügung festgesetzten Plafonds herabzusetzen und im Sinne der Ziff. 2 abzudecken sind. 4. Die X-Bank wird angewiesen, diejenigen organisatorischen Massnahmen zu treffen, die es erlauben, die ständige Einhaltung dieser Verfügung zu überprüfen. Die bankengesetzliche Revisionsstelle der X-Bank wird angewiesen, im Laufe ihrer ordentlichen Revision die Einhaltung dieser Verfügung zu überprüfen und das Prüfungsergebnis im Revisionsbericht festzuhalten. 5. Die X-Bank hat jeweils per 30. Juni und per 31. Dezember eine Aufstellung über sämtliche Positionen, welche die in Art. 21 Abs. 1 BankV festgesetzten Höchstgrenzen übersteigen, auszufertigen und diese bis zum letzten Tag des folgenden Monats der Eidgenössischen Bankenkommission sowie der bankengesetzlichen Revisionsstelle zusammen mit dem Ausweis über die eigenen Mittel zur Orientierung einzureichen. 6. (Die Verfahrenskosten werden der X-Bank auferlegt.)" In der Folge entstanden zwischen der X-Bank und dem Sekretariat der Eidgenössischen Bankenkommission Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung des wiedergegebenen Dispositives, welche zu einem längeren Briefwechsel zwischen den Parteien führten. Schliesslich ersuchte die X-Bank die Bankenkommission, ihre Verfügung vom 18. April 1977 wieder aufzuheben; sie ziehe eine Behandlung aufgrund einer direkten Anwendung von Art. 4bis BankG in Verbindung mit Art. 21 BankV vor. Mit Verfügung vom 22. Juli 1980 hat die Bankenkommission dem Ersuchen der X-Bank entsprochen und erkannt: "Die Verfügung vom 18. April 1977 wird aufgehoben". Da die Bankenkommission nach Art. 21 Abs. 6 BankV einerseits verlangen kann, dass die in Abs. 1 der Bestimmung genannten Verpflichtungen, welche die dort erwähnten BGE 108 Ib 270 S. 274 Höchstgrenzen übersteigen, gesenkt werden, und da andererseits kurzfristige und unwiderrufliche Akkreditive nach Ansicht der Bankenkommission nur schwer herabgesetzt werden können, machte die Kommission der Gesuchstellerin klar, was die Aufhebung der Verfügung vom 18. April 1977 für sie bedeute: "Um dieses Herabsetzungsrecht nicht illusorisch werden zu lassen, darf die Gesuchstellerin inskünftig ohne vorgängige Orientierung der Bankenkommission unwiderrufliche Akkreditive nur noch bis zu den in Art. 21 Abs. 1 BankV angegebenen Plafonds eröffnen, es sei denn, den Plafondsüberschreitungen stünden verrechenbare Guthaben oder verpfändete Treuhandgelder gegenüber oder die Bank habe entsprechende Unterbeteiligungen ohne Regress abgegeben." Da die X-Bank sich mit dieser Gesetzesauslegung nicht abfinden wollte, verfügte die Bankenkommission am 17. Oktober 1980: "Die X-Bank, Zürich, darf inskünftig Akkreditive nur noch bis zu den in Art. 21 Abs. 1 BankV angegebenen Prozentsätzen im Verhältnis zu den eigenen Mitteln eröffnen oder bestätigen, es sei denn, den Plafondsüberschreitungen stünden verrechenbare Guthaben oder verpfändete Treuhandgelder gegenüber oder die Bank habe entsprechende Unterbeteiligungen abgegeben." Mit fristgerechter Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die X-Bank dem Bundesgericht: "1. Die Verfügung der Eidg. Bankenkommission vom 17. Oktober 1980 sei vollumfänglich aufzuheben; 2. Es sei der Beschwerde aufschiebende Wirkung zu erteilen; alles unter entsprechenden Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Beschwerdegegnerin." Mit Präsidialverfügung vom 8. Januar 1981 gewährte das Bundesgericht der Beschwerde die anbegehrte aufschiebende Wirkung. Die Eidgenössische Bankenkommission beantragt die Abweisung der Beschwerde. Erwägungen Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab aus folgenden Erwägungen: 2. a) Die Eidgenössische Bankenkommission ist zwar eine verwaltungsunabhängige Behörde, jedoch keine Rekurskommission im Sinne von Art. 105 Abs. 2 OG . Daher kann das Bundesgericht die Sachverhaltsfeststellungen der Bankenkommission von Amtes wegen überprüfen ( Art. 105 Abs. 1 OG ). Im vorliegenden BGE 108 Ib 270 S. 275 Falle ist aber eine unrichtige Sachverhaltsdarstellung weder behauptet noch ergibt sich eine solche aus den Akten, weshalb das Bundesgericht von den Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz ausgehen kann. Strittig sind ausschliesslich Rechtsfragen. b) Im Bereiche der Bankenaufsicht besteht keine Möglichkeit, vor Bundesgericht die Unangemessenheit der angefochtenen Verfügung geltend zu machen. Als Grundlage für eine solche Rügemöglichkeit käme nämlich vorliegend einzig Art. 104 lit. c. Ziff. 3 OG in Frage; da das Bankenrecht als das hier massgebliche Bundesrecht jedoch keine Unangemessenheitsrüge vorsieht, entfällt auch diese Möglichkeit. Gemäss Art. 104 lit. a OG kann mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde jedoch die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens gerügt werden. Das Bundesgericht wendet alsdann das Bundesrecht im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren von Amtes wegen an. Es ist dabei nach Art. 114 Abs. 1 OG nicht an die von den Parteien gegebene Begründung der Begehren gebunden, weshalb es die Beschwerde auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen gutheissen oder abweisen kann ( BGE 107 Ib 90 E. 1). c) ob die Voraussetzungen für ein Einschreiten der Eidgenössischen Bankenkommission gegen ein ihrer Aufsicht unterstelltes Bankinstitut gegeben sind, ist eine Rechtsfrage, die das Bundesgericht an sich frei überprüft. Dabei muss es sich aber Zurückhaltung auferlegen bei der Beurteilung von ausgesprochenen Fachfragen, zu deren Beantwortung die Eidgenössische Bankenkommission zufolge ihrer Zusammensetzung aus Sachverständigen besser imstande ist als das Bundesgericht (technisches Ermessen der Eidgenössischen Bankenkommission). Insofern ist der Eidgenössischen Bankenkommission ein gewisser Beurteilungsspielraum bei der Prüfung des Einzelfalls zuzugestehen ( BGE 103 Ib 354 E. 5b). d) Welche konkreten Massnahmen bei Bejahung der Pflicht für ein Einschreiten der Kommission im Einzelfall angezeigt sind, stellt eine Ermessensfrage dar. Ausser im Falle des Bewilligungsentzuges nach Art. 23quinquies BankG , wo dieser bei gegebenen Voraussetzungen zwingend zu erfolgen hat, kommt der Bankenkommission als fachkundiger Behörde bei der Massnahmeauswahl ein weiter Spielraum des Ermessens zu ( BGE 105 Ib 408 E. 1c; BGE 103 Ib 354 E. 5c). Bei der Betätigung ihres Ermessens ist die Bankenkommission aber an die allgemeinen Grundsätze verwaltungsmässigen Handels gebunden: Es ist dies das Verbot der Willkür und BGE 108 Ib 270 S. 276 der rechtsungleichen Behandlung, das Gebot von Treu und Glauben und der Grundsatz der Verhältnismässigkeit; bei der Auswahl der Massnahme ist stets vom Hauptzweck der Bankengesetzgebung, dem Gläubigerschutz, auszugehen. 3. Das schweizerische Bankenrecht enthält Vorschriften über die von den Banken bei ihrer Geschäftstätigkeit zu beachtenden Risikoverteilungsgrundsätze. Bereits in seiner Botschaft an die Bundesversammlung über die Revision des Bankengesetzes vom 13. Mai 1970 hat der Bundesrat erklärt, die blosse Pflicht, Grosskredite lediglich im Revisionsbericht aufzuführen, genüge nicht: "Eine solche Vorschrift genügt nicht, um die Bildung von Klumpenrisiken zu verhindern. Dabei gehört die genannte Verteilung der Risiken zu den elementaren Grundsätzen der Bankenpolitik. Sie ist unerlässlich, soll die Sicherheit der Gläubiger gewährleistet sein. Schlechte Risikoverteilung ist denn auch eine Hauptursache von Fehlentwicklungen im Bankensektor. Es ist daher im Gesetz festzuhalten, dass die Ausleihungen einer Bank an einen einzelnen Kunden (...) in einem angemessenen Verhältnis zu den eigenen Mitteln zu stehen haben" (BBl. 1970 I.2, S. 1171). Der Gesetzgeber hat daraufhin in Art. 4bis Abs. 1 des revidierten Bankgesetzes festgehalten: "Die Ausleihungen einer Bank an einen einzelnen Kunden (...) müssen in einem angemessenen Verhältnis zu ihren eigenen Mitteln stehen." Absatz 2 dieser Bestimmung überträgt dem Bundesrat die Aufgabe, in der Vollziehungsverordnung dieses Verhältnis unter besonderer Berücksichtigung der Ausleihungen an öffentlichrechtliche Körperschaften und der Art der Deckung festzusetzen; der Bundesrat ist diesem Auftrag, mit welchem ihm sehr weitgehende Befugnisse eingeräumt wurden, in Art. 21 Abs. 1 BankV nachgekommen. In einem Entscheid vom 30. November 1973 hat das Bundesgericht daraufhin erkannt, dass die durch den Bundesrat in Art. 21 Abs. 1 BankV festgelegten Risikoverteilungsgrundsätze in Art. 4bis BankG eine genügende gesetzliche Grundlage hätten und auch im übrigen verfassungsmässig seien: "Es kann (...) nicht die Rede davon sein, dass die in der Verordnung getroffene Abstufung gesetzwidrig sei, umso weniger, als sie keine absoluten Grenzen setzt und die Eidgenössische Bankenkommission zwar einschreiten kann, wenn das Verhältnis nicht mehr gewahrt ist, aber eine Überschreitung der Limite dulden darf, wenn besondere Gründe, wie z.B. die Art und Weise der Sicherstellung der Kredite, dies erlauben" ( BGE 99 Ib 412 E. 2c). BGE 108 Ib 270 S. 277 Es besteht heute kein Grund, die Richtigkeit dieser Rechtsprechung zu überprüfen, zumal die Beschwerdeführerin die Rechtswidrigkeit von Art. 21 Abs. 1 BankV gar nicht geltend macht; sie behauptet nur, die Bankenkommission könne ihre Verfügung gar nicht auf Art. 21 BankV stützen - das Bankenrecht biete überhaupt keine Grundlage für die angefochtene Verfügung. 4. a) Zu prüfen ist, was die Gewährung von Dokumenten-Akkreditiven "back to back", auf welche sich die Beschwerdeführerin spezialisiert hat, praktisch bedeutet. Die von der Internationalen Handelskammer herausgegebenen "Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive" von 1974 (gültig seit dem 1. Oktober 1975) definieren ein Dokumenten-Akkreditiv als Vereinbarung, "derzufolge eine auf Ersuchen und in Übereinstimmung mit den Weisungen eines Kunden (Akkreditiv-Auftraggeber) handelnde Bank (eröffnende Bank) gegen Übergabe vorgeschriebener Dokumente Zahlungen an einen Dritten (Begünstigter) oder dessen Order (leistet) (...), sofern die Akkreditiv-Bedingungen erfüllt sind". Im schweizerischen Recht untersteht das Dokumenten-Akkreditiv im übrigen den Regeln über die Anweisung ( Art. 466 ff. OR ). Massgeblich für das Verhältnis zwischen der eröffnenden Bank und dem Begünstigten ist die Frage, ob es sich im einzelnen Fall um ein widerrufliches oder ein unwiderrufliches Akkreditiv handelt. Das widerrufliche Geschäft kann durch die eröffnende Bank nach Art. 2 der bereits genannten "Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive" jederzeit ohne vorherige Nachricht an den Begüngstigten geändert oder annuliert werden (vgl. dazu auch BGE 54 II 177 ). Demgegenüber begründet ein unwiderrufliches Akkreditiv eine feststehende Verpflichtung der eröffnenden Bank (Art. 3 der Richtlinien; vgl. dazu auch Herbert SCHÖNLE, Remarques sur les nouvelles Règles et usances uniformes relatives aux crédits documentaires, Quatrième journée juridique de la Faculté de Droit de Genève, 1965, S. 31). Hat die Bank demnach ein unwiderrufliches Akkreditiv eröffnet, so wird ihr dadurch die Möglichkeit der nachträglichen Herabsetzung des Betrages zu dessen Zahlung sie sich verpflichtet hat, entzogen. b) Würde die Beschwerdeführerin nun aufgrund einer Anordnung der Bankenkommission - entsprechend dem Wortlaut von Art. 21 Abs. 6 BankV - verpflichtet, "die Verpflichtungen ihrer Kunden gegenüber der Bank zu senken", so käme die Beschwerdeführerin jedesmal mit den zwischen ihr, dem akkreditierten BGE 108 Ib 270 S. 278 Dritten und ihren Kunden bestehenden Vereinbarungen in Konflikt; denn nach diesen Vereinbarungen soll ja die Verpflichtung ihrer Kunden, die mit der Eröffnung des Akkreditiv-Kredites entstanden ist, durch Bezahlung aus dem Akkreditiv der Käuferbank erfüllt werden. Eine "Herabsetzung" dieser kurzfristigen Kredite ist deshalb kaum denkbar und dementsprechend kann die Innehaltung der Höchstverpflichtungsgrundsätze von Art. 21 Abs. 1 BankV nur gewährleistet werden, wenn zum vornherein das Recht der Bank beschränkt wird, solche die Höchstgrenzen überschreitende Verpflichtungen ihrer Kunden überhaupt zu begründen. Derartige präventive Anweisungen der Bankenkommission sind jedenfalls insoweit gesetzeskonform, als sie die Beschwerdeführerin nur anweisen, das zu tun und zu unterlassen, was ohnehin schon nach Art. 21 Abs. 1 der BankV ihre Pflicht ist. Daraus folgt, dass zu entscheiden ist, ob die Bankenkommission mit ihrer Verfügung vom 17. Oktober 1980 der Beschwerdeführerin mehr geboten hat als das, wozu die Beschwerdeführerin ohnehin schon gestützt auf Art. 21 Abs. 1 BankV verpflichtet ist. 5. Die Beschwerdeführerin behauptet eine solche Verletzung von Bundesrecht mit der Begründung, angesichts der minimalen Risiken, die mit den von ihr abgeschlossenen Akkreditiv-Geschäften verbunden seien, genüge eine blosse Meldepflicht von allfälligen Überschreitungen der Limiten des Art. 21 BankV . Allein zu Unrecht a) Freilich hat das Bundesgericht schon in BGE 99 Ib 410 E. 2. entschieden, die in Art. 21 Abs. 1 BankV festgesetzten Verhältniszahlen seien nicht als absolute Grenzen zulässiger Geschäftstätigkeit zu verstehen. Ob im Einzelfall die Senkung eines Grossrisikos zu verlangen sei und gegebenenfalls in welchem Umfange, lege die Verordnung in das Ermessen der Bankenkommission. Dieses Ermessen ergibt sich klar aus dem Wortlaut von Art. 21 Abs. 6 BankV , der der Bankenkommission nur die Möglichkeit gewährt, nicht aber die Pflicht auferlegt, Engagements, die die Höchstausleihsätze übersteigen, herabzusetzen. Im Rahmen des ihr diesbezüglich zustehenden Ermessens kann die Bankenkommission, namentlich aufgrund der Sicherheiten, die der fraglichen Verpflichtung gegenüberstehen, einer Bank erlauben, die Höchstausleihsätze unter bestimmten Voraussetzungen zu überschreiten (vgl. dazu auch Sten.Bull. NR 1970 S. 745: "Le texte de la loi prévoit que la Commission des banques peut ordonner un assouplissement ou un renforcement des prescriptions réglementaires en BGE 108 Ib 270 S. 279 matière de proportion entre le montant des fonds propres et l'ensemble des engagements de la banque"). Aus diesen Gründen war die Bankenkommission grundsätzlich auch befugt, in ihrer Verfügung vom 18. April 1977 zugunsten der Beschwerdeführerin Abweichungen von den Höchstausleihsätzen nach Art. 21 Abs. 1 BankV zuzulassen; ob sich die Kommission beim Erlass jener Verfügung an den ihr zustehenden Ermessensspielraum gehalten hat, kann heute, wo ein anderer Entscheid Verfahrensgegenstand ist, nicht mehr geprüft werden. Jedenfalls musste sich die Beschwerdeführerin, als sie die Aufhebung jener sie begünstigenden Verfügung verlangte, bewusst gewesen sein, dass sie damit auf eine Sonderstellung verzichtete. b) Die Bankenkommission konnte jedoch im Rahmen ihres Ermessens nach der Aufhebung der Verfügung vom 18. April 1977 in ihrer heute angefochtenen Verfügung eine strengere Haltung einnehmen, ohne gegen das BankG zu verstossen: Massgebend ist, dass bei den erwähnten Akkreditiv-Krediten zwar die Risiken der beteiligten Banken klein sind, aber doch nicht völlig ausgeschlossen werden können. Insbesondere können plötzliche Zahlungsbeschränkungen im Lande der Käuferbank die Einlösbarkeit der Käufer-Akkreditive unerwartet erschweren oder verunmöglichen. Die Auslegung von Art. 21 BankV muss im Blick auf dessen eigentliche Rechtsgrundlage, den Art. 4bis Abs. 1 BankG , erfolgen. Danach hat die Kreditgewährung der Banken an einen einzelnen Kunden immer in einem angemessenen Verhältnis zu ihren eigenen Mitteln zu stehen, um Klumpenrisiken zu vermeiden; dies muss auch für die hier zu beurteilenden Akkreditiv-Kredite gelten. Ausserdem hat der Bundesrat in seiner Botschaft zur Revision des Bankengesetzes betont, dass eine gute Risikoverteilung "zu den elementaren Grundsätzen der Bankpolitik" gehöre (BBl. 1970 I.2, S. 1171). Der Gesetzgeber hat somit deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Banken sich an die Höchstausleihsätze zu halten haben, weshalb jede von der Bankenkommission nicht ausdrücklich erlaubte Überschreitung als Gesetzesverletzung bzw. als Missstand im Sinne von Art. 23ter BankG zu qualifizieren ist. Es kann daher keine Rede davon sein, dass sich die Bankenkommission, die die Einhaltung des Bankenrechtes zu gewährleisten hat, grundsätzlich mit der blossen Entgegennahme der Meldungen von Plafonds-Überschreitungen zufrieden geben müsste. Dies hat denn auch der Bundesrat in seiner Botschaft deutlich zum BGE 108 Ib 270 S. 280 Ausdruck gebracht: "Die rasche Orientierung über Missstände bei einzelnen Instituten hat nur dann ihren Sinn, wenn die Bankenkommission die erforderlichen Massnahmen zur Behebung der Missstände ergreifen und sie nötigenfalls gegen den Willen der Beteiligten durchsetzen kann" (BBl. 1970 I.2, S. 1158). Mit der Revision des Bankengesetzes von 1971 sollte namentlich die Wirksamkeit der Aufsichtstätigkeit der Bankenkommission erhöht werden (vgl. dazu Sten.Bull. STR 1970, S. 298 NR 1970, S. 744). c) Nach Art. 23ter Abs. 1 BankG erlässt die Bankenkommission die zur Herstellung des ordnungsgemässen Zustandes und zur Beseitigung der Missstände notwendigen Verfügungen, wenn sie von Verletzungen des Gesetzes oder von sonstigen Missständen Kenntnis erhält; diese Bestimmung berechtigt also die Bankenkommission bei gegebenen Voraussetzungen zum nachträglichen oder repressiven Einschreiten. Aber dieses Einschreiten ist nicht die einzige der Bankenkommission zur Verfügung stehende Eingriffsmöglichkeit: Nach Art. 23bis Abs. 1 BankG trifft die Bankenkommission die zum Vollzug des Gesetzes notwendigen Verfügungen und überwacht die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften. Es ist deshalb zum vornherein haltlos, wenn die Beschwerdeführerin geltend macht, die Bankenkommission könne nicht präventiv einschreiten: Art. 23bis Abs. 1 BankG gibt ihr diese Befugnis. d) Nachdem die Bankenkommission auf den ausdrücklichen Wunsch der Beschwerdeführerin hin die Verfügung vom 18. April 1977 aufgehoben hatte, erinnerte die Kommission die X-Bank in der heute angefochtenen Verfügung letztlich nur an ihre Pflicht, die im Art. 21 Abs. 1 BankV statuierten Höchstausleihsätze zu respektieren, wobei sie überdies der Beschwerdeführerin noch erlaubte, die in der Verordnung festgelegten Plafonds zu überschreiten, sofern diesen verrechenbare Guthaben (oder) verpfändete Treuhandgelder gegenüberstünden oder wenn die Bank entsprechende Unterbeteiligungen abgegeben habe. Darin kann weder eine Überschreitung oder ein Missbrauch des Ermessens noch eine andere Verletzung des Bundesrechtes erblickt werden. Die Beschwerde ist daher abzuweisen.
public_law
nan
de
1,982
CH_BGE
CH_BGE_003
CH
Federation
07ca9e80-f9fb-49c1-ba2f-2fa0c05c3ade
Urteilskopf 116 V 353 55. Urteil vom 17. Oktober 1990 i.S. Reederei X gegen Ausgleichskasse Basel-Landschaft und Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft
Regeste Art. 84 AHVG . Anforderungen an Form und Inhalt einer Beschwerde an die kantonale Rechtsmittelinstanz: Zusammenfassung der Rechtsprechung (Erw. 2b). Art. 85 Abs. 2 lit. b AHVG , Art. 4 Abs. 1 BV : Überspitzter Formalismus. Die kantonale Beschwerdeinstanz verletzt grundsätzlich kein Bundesrecht, wenn sie durch einen Nichteintretensentscheid die fehlende Einreichung der angefochtenen Kassenverfügung innert gesetzter Frist ahndet. Fällt die kantonale Rekursbehörde jedoch einen solchen Nichteintretensentscheid in einem Fall, wo ihr die verfügende Stelle bekannt ist und sich der angefochtene Verwaltungsakt ohne weiteres aus den Akten ermitteln lässt - der Zweck der Einreichung der angefochtenen Verfügung somit auf andere Weise bereits erreicht ist -, liegt überspitzter Formalismus vor (Erw. 3).
Sachverhalt ab Seite 354 BGE 116 V 353 S. 354 A.- Mit eingeschriebenem Brief vom 28. September 1989 teilte die Reederei X der Ausgleichskasse Basel-Landschaft mit: "Wir haben Ihre Abrechnungen vom 19. September 1989 über die Beitragsjahre 1984 und 1985 erhalten und möchten hiermit fristgerecht Beschwerde erheben. Grund unserer Beschwerde liegt darin, dass wir der Abrechnungshöhe nicht zustimmen können." Mit Schreiben vom 3. Oktober 1989 übermittelte die Ausgleichskasse die "Beschwerde Reederei X, Abrechnungsnummer 21532.1.0, in Sachen Nachzahlungsverfügungen für die Jahre 1984 und 1985" dem Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft; die Ausgleichskasse bat das Gericht, eine Begründung der Beschwerde zu verlangen und ihr nach deren Eingang eine Frist für die Vernehmlassung anzusetzen. Mit Brief vom 5. Oktober 1989 gelangte das Versicherungsgericht an die Reederei X und wies sie darauf hin, dass gemäss § 8 Abs. 1 der Verordnung über die Rechtspflege in Sozialversicherungssachen vom 3. Dezember 1984 die Beschwerde ein Rechtsbegehren, eine gedrängte Darstellung des Sachverhalts und eine kurze Begründung enthalten müsse. Nach der Gerichtspraxis habe bereits die erste, innerhalb der Beschwerdefrist einzureichende Eingabe dieses Erfordernis zu erfüllen. Lediglich für die Ausarbeitung der ausführlichen Beschwerdebegründung könne eine Fristerstreckung gewährt werden. Beschwerdeeingaben, welche den gesetzlichen Anforderungen nicht genügten, würden unter Ansetzung einer unerstreckbaren Nachfrist von 10 Tagen zur Verbesserung zurückgewiesen. Darauf antwortete die Reederei am 16. Oktober 1989, sie habe die Beschwerde betreffend AHV-Revision 1984 und 1985, Abrechnungsnummer 21532.1.0, eingereicht, da sie mit der Abrechnung nicht einiggehen könne. Die Beschwerde werde begründet "durch die SUVA-Revisionen" 1985 und 1988 für die Jahre 1984 und 1985. Diese Revisionen ergäben "gegenüber der AHV-Revision von Juli 1989 grosse Unterschiede", obwohl beiden Revisoren "die gleichen Unterlagen als Basis" gedient hätten. Sie ersuche deshalb um eine "neuerliche Revision". Diesem Schreiben waren die vom SUVA-Revisor festgehaltenen Zusammenstellungen der Kontrolldifferenzen beigelegt. Mit Entscheid vom 29. November 1989 trat das Versicherungsgericht auf die Beschwerde nicht ein, weil die Reederei innert Frist weder ein klar abgefasstes Rechtsbegehren gestellt noch die angefochtene Verfügung eingereicht habe. BGE 116 V 353 S. 355 B.- Die Reederei X lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, der vorinstanzliche Nichteintretensentscheid sei aufzuheben und die Sache sei zu materieller Entscheidung an das Versicherungsgericht zurückzuweisen. In seiner Stellungnahme erläutert das Versicherungsgericht seine Praxis zum Nichteintreten auf mangelhafte Beschwerden und beantragt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Während die Ausgleichskasse auf eine Vernehmlassung verzichtet, schliesst das Bundesamt für Sozialversicherung auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. (Kognition) 2. a) Nach Art. 85 Abs. 2 AHVG regeln die Kantone das Rekursverfahren, welches bestimmten Anforderungen zu genügen hat. Insbesondere muss die Beschwerde eine gedrängte Darstellung des Sachverhaltes, ein Rechtsbegehren und eine kurze Begründung enthalten. Genügt die Beschwerde diesen Anforderungen nicht, so setzt die Rekursbehörde dem Beschwerdeführer eine angemessene Frist zur Verbesserung und verbindet damit die Androhung, dass sonst auf die Beschwerde nicht eingetreten werde ( Art. 85 Abs. 2 lit. b AHVG ). § 8 der Verordnung des Kantons Basel-Landschaft über die Rechtspflege in Sozialversicherungssachen vom 3. Dezember 1984 sieht vor: Beschwerden und Klagen haben ein Rechtsbegehren, eine gedrängte Darstellung des Sachverhalts und eine kurze Begründung zu enthalten. Die Beweismittel sind beizulegen oder soweit möglich zu bezeichnen (Abs. 1). Ist eine Rechtsschrift mangelhaft, setzt der Präsident dem Beschwerdeführer oder Kläger eine angemessene Frist zur Verbesserung und verbindet damit die Androhung, dass sonst auf das Rechtsmittel nicht eingetreten werde (Abs. 2). Diese kantonale Verfahrensbestimmung hat (mit Ausnahme der Vorschrift, dass die Beweismittel beizulegen oder zu bezeichnen sind; vgl. dazu Erw. 3 hienach) gegenüber Art. 85 Abs. 2 lit. b AHVG keine selbständige Bedeutung. Insoweit geht es hier nicht um die Anwendung kantonalen Verfahrensrechts, sondern um die Auslegung von Art. 85 Abs. 2 lit. b AHVG , welche als Frage des Bundesrechts frei zu prüfen ist ( Art. 104 lit. a OG ; BGE 112 V 113 Erw. 2d). BGE 116 V 353 S. 356 b) Praxisgemäss sind an erforderliche Form und Inhalt einer Beschwerde an die kantonale Rechtsmittelinstanz nach Art. 84 AHVG keine hohen Anforderungen zu stellen. Die Einhaltung von Formvorschriften wird nicht nach strengen Massstäben beurteilt. Dennoch muss vom Rechtsuchenden ein Mindestmass an Sorgfalt in der Beschwerdeführung verlangt werden. Damit überhaupt von einer Beschwerde gesprochen werden kann, muss eine individualisierte Person gegenüber einer bestimmten Verfügung den klaren Anfechtungswillen schriftlich bekunden (nicht veröffentlichtes Urteil B. vom 17. November 1982); d.h. sie hat erkenntlich ihren Willen um Änderung der sie betreffenden Rechtslage zum Ausdruck zu bringen ( BGE 102 Ib 372 ; ZAK 1988 S. 459 Erw. 3a; GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., S. 196). Fehlt es hieran, so ist gar kein Beschwerdeverfahren anhängig gemacht worden. Andererseits hat im kantonalen sozialversicherungsrechtlichen Beschwerdeverfahren die Fristansetzung zur Verbesserung im Sinne von Art. 85 Abs. 2 lit. b AHVG immer dann zu erfolgen, wenn während der Rechtsmittelfrist der Beschwerdewille schriftlich klar manifestiert wird (MEYER, Die Rechtspflege in der Sozialversicherung, in: BJM 1989 S. 13 unten f.), die Beschwerde aber den gesetzlichen Erfordernissen bezüglich Antrag und Begründung nicht genügt (BGE BGE 107 V 245 , BGE 104 V 178 ; ZAK 1988 S. 459 Erw. 2; RKUV 1988 Nr. U 34 S. 33 Erw. II/1; vgl. auch ZAK 1986 S. 425). Vorbehalten bleibt eine rechtsmissbräuchlich erhobene ungenügende Beschwerde ( BGE 107 V 245 in fine, BGE 104 V 179 oben; RKUV 1988 Nr. U 34 S. 34 Erw. II/2a). c) Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin mit der erwähnten ersten Eingabe vom 28. September 1989 ihren Beschwerdewillen innert der 30tägigen Rechtsmittelfrist klar bekundet. Weil die Beschwerde jedoch den Mindestanforderungen nach Art. 85 Abs. 2 lit. b AHVG offensichtlich nicht genügte, hat die Vorinstanz richtigerweise das Nachfristverfahren eingeleitet. Mit Bezug auf die innert der angesetzten Nachfrist eingereichte Eingabe vom 16. Oktober 1989 ist einzuräumen, dass die Beschwerdeführerin nach wie vor keinen ausdrücklichen Antrag stellte, in welcher Richtung die beanstandeten Verfügungen aufzuheben oder abzuändern seien. Dennoch ist den Eingaben vom 28. September und 16. Oktober 1989 insgesamt eindeutig zu entnehmen, was die Beschwerdeführerin zu erreichen sucht: Sie will für die Jahre 1984 und 1985 weniger hohe Beiträge bezahlen, als dies die Verwaltung von ihr verlangt. Somit liegt - sinngemäss BGE 116 V 353 S. 357 - ein Antrag auf Festsetzung tieferer Beiträge vor. Dieses Begehren hat die Beschwerdeführerin auch insofern begründet, als sie durch den Hinweis auf angebliche Differenzen zwischen der Revision der SUVA und derjenigen der Ausgleichskasse sowie durch Einreichung von Belegen geltend machte, die Ausgleichskasse habe die angenommene Lohnsumme unrichtig festgesetzt. Die Eingaben der Beschwerdeführerin an die Vorinstanz vom 28. September und 16. Oktober 1989 sind somit unter den Gesichtspunkten eines zumindest sinngemäss gestellten Antrages und einer wenigstens ansatzweise vorgebrachten Begründung noch knapp als genügende Beschwerde nach Art. 85 Abs. 2 lit. b AHVG zu betrachten (in diesem Sinne unveröffentlichtes Urteil B. vom 3. April 1989). 3. a) Im vorliegenden Fall steht aber andererseits fest, dass die Reederei im erstinstanzlichen Beschwerdeverfahren die Nachzahlungsverfügungen der Ausgleichskasse für die Beitragsjahre 1984 und 1985 vom 19. September 1989 entgegen der Aufforderung der Vorinstanz nicht einreichte. Bei den angefochtenen Verfügungen handelt es sich indes um ein Beweismittel, das unter § 8 der kantonalen Verfahrensverordnung fällt. Insofern gründet der vorinstanzliche Nichteintretensentscheid auf kantonalem Recht. Gegen einen auf kantonalem Prozessrecht beruhenden Nichteintretensentscheid kann mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde gerügt werden, dass er die Anwendung des materiellen Bundesverwaltungsrechts verunmögliche ( BGE 112 V 112 , BGE 102 V 125 Erw. 1b, BGE 101 V 221 Erw. 1, BGE 99 V 56 Erw. 1 und 184 Erw. 1). Dabei prüft das Eidg. Versicherungsgericht die Anwendung des kantonalen Verfahrensrechts nicht uneingeschränkt, sondern praktisch nur auf Willkür, weil die Prüfungsbefugnis lediglich die Verletzung von Bundesrecht umfasst, wozu auch der Verstoss gegen verfassungsmässige Rechte und Grundsätze zählt ( BGE 114 V 205 Erw. 1a mit Hinweisen). Frei zu prüfen ist hingegen, ob ein kantonaler Entscheid, der im Rahmen der Willkürprüfung nicht zu beanstanden ist, gegen das Verbot des überspitzten Formalismus verstösst und damit die Verfassung verletzt ( BGE 115 Ia 17 Erw. 3b). b) Es steht unbestrittenerweise fest, dass die Vorinstanz § 8 der kantonalen Verordnung über die Rechtspflege in Sozialversicherungssachen willkürfrei anwendete. Zu prüfen ist hingegen, ob der angefochtene Entscheid nicht als überspitzt formalistisch bezeichnet werden muss. BGE 116 V 353 S. 358 Wie das Eidg. Versicherungsgericht wiederholt entschieden hat, verletzt die kantonale Beschwerdeinstanz durch einen Nichteintretensentscheid kein Bundesrecht, wenn sie damit die fehlende Einreichung der angefochtenen Kassenverfügung innert gesetzter Frist ahndet (nicht publizierte Urteile G. vom 30. Mai 1989, R. vom 5. März 1985 und I. vom 1. Oktober 1980). Es fragt sich unter dem Gesichtspunkt des verfassungsmässigen Verbotes des überspitzten Formalismus jedoch, ob sich der angefochtene Nichteintretensentscheid unter den hier gegebenen Verhältnissen mit dieser Rechtsprechung bestätigen lässt. Überspitzter Formalismus ist eine besondere Form der Rechtsverweigerung. Eine solche liegt vor, wenn für ein Verfahren rigorose Formvorschriften aufgestellt werden, ohne dass die Strenge sachlich gerechtfertigt wäre, wenn die Behörde formelle Vorschriften mit übertriebener Schärfe handhabt oder an Rechtsschriften überspannte Anforderungen stellt und dem Bürger den Rechtsweg in unzulässiger Weise versperrt. Wohl sind im Rechtsgang prozessuale Formen unerlässlich, um die ordnungsgemässe und rechtsgleiche Abwicklung des Verfahrens sowie die Durchsetzung des materiellen Rechts zu gewährleisten. Nicht jede prozessuale Formstrenge steht demnach mit Art. 4 BV in Widerspruch. Überspitzter Formalismus ist nur gegeben, wenn die strikte Anwendung der Formvorschriften durch keine schutzwürdigen Interessen gerechtfertigt ist, zum blossen Selbstzweck wird und die Verwirklichung des materiellen Rechts in unhaltbarer Weise erschwert oder verhindert ( BGE 115 Ia 17 Erw. 3b, BGE 114 Ia 40 Erw. 3, BGE 114 V 207 Erw. 3a; BGE 113 Ia 87 Erw. 1, 92 Erw. 4a, 96 Erw. 2 und 227 Erw. 1; RKUV 1988 Nr. U 60 S. 443 Erw. 2b mit weiteren Hinweisen). c) Das Erfordernis, die angefochtene Verfügung einzureichen, darf im Lichte dieser Grundsätze nicht als Selbstzweck behandelt werden. Diese Vorschrift soll ja dazu dienen, dem angerufenen Gericht Gewissheit zu verschaffen, über welchen Streitgegenstand welcher Verfügungsinstanz es zu urteilen hat. Vorliegend ist zu beachten, dass nach § 7 Abs. 1 der zitierten kantonalen Verordnung Klagen und Beschwerden, abweichende bundesrechtliche Bestimmungen vorbehalten, bei der Instanz, welche den angefochtenen Entscheid erlassen hat, zuhanden des Versicherungsgerichts einzureichen sind; diese leitet sie innert 20 Tagen zusammen mit den Akten an das Versicherungsgericht weiter. Wenn diesem von der kantonalen Ausgleichskasse eine Beschwerde übermittelt wird, ist somit die Eigenschaft der kantonalen Ausgleichskasse als BGE 116 V 353 S. 359 verfügende Stelle evident; denn dass die kantonale Ausgleichskasse auch Einreichungsstelle für Beschwerden gegen Verfügungen anderer (kantonaler oder Verbands-)Ausgleichskassen sei, macht das Versicherungsgericht in der Vernehmlassung nicht geltend und ergibt sich auch nicht aus kantonalem, geschweige denn eidgenössischem Recht. Würde sodann die Ausgleichskasse Basel-Landschaft, welche die Beschwerde weiterleitet, diese entsprechend § 7 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung "zusammen mit den Akten" dem Versicherungsgericht übermitteln, gelangte das angerufene Gericht ohne weiteres in den Besitz der angefochtenen Verfügung. Diesfalls könnten sich auch keine Zweifel darüber einstellen, ob sich der Versicherte tatsächlich gegen eine beschwerdefähige Kassenverfügung oder lediglich gegen eine Beitragsabrechnung wendet, gegen welche praxisgemäss nicht Beschwerde geführt werden kann (ZAK 1989 S. 39). Dass bei anders gelagerten verfahrensrechtlichen Situationen die Einreichung der angefochtenen Verfügung im Sinne der Mitwirkungspflicht durchaus geboten sein und bei einem Verstoss dagegen Nichteintreten nach sich ziehen kann, ist unbestritten. Die vorinstanzliche Auffassung aber, dies dränge sich aus Gründen der rechtsgleichen Behandlung in allen Fällen auf, verletzt Bundesrecht. Denn was unter dem Gesichtspunkt des Verbots des überspitzten Formalismus nach Art. 4 BV an formellen prozessualen Vorkehren zur Gewährleistung eines ordnungsgemässen Gerichtsverfahrens notwendig und gerechtfertigt ist, kann nicht allgemein abstrakt, sondern nur unter Berücksichtigung der konkreten Verfahrenssituation beurteilt werden. d) Im vorliegenden Fall stand die kantonale Ausgleichskasse als Gegenpartei offensichtlich fest. Sodann liessen sich die angefochtenen Verfügungen aufgrund der in den Eingaben der Reederei enthaltenen Abrechnungsnummern ohne weiteres ermitteln, obgleich es die Ausgleichskasse entgegen § 7 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung unterliess, die Beschwerdeschrift mitsamt Akten an das Versicherungsgericht weiterzuleiten. Unter diesen Umständen ist es überspitzt formalistisch, auf die Beschwerde mangels Einreichung der angefochtenen Verfügungen nicht einzutreten. Dispositiv Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der angefochtene Nichteintretensentscheid vom 29. November 1989 BGE 116 V 353 S. 360 aufgehoben, und die Sache wird an das Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft zurückgewiesen, damit dieses, nach Prüfung der übrigen Eintretensvoraussetzungen, über die Beschwerde gegen die Nachzahlungsverfügungen vom 19. September 1989 entscheide.
null
nan
de
1,990
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
07db6a1b-ea73-48d9-aa3c-9a90be1b8df5
Urteilskopf 100 Ia 378 54. Urteil vom 30. Oktober 1974 i.S. Minelli gegen Kantonsrat des Kantons Zürich.
Regeste Art. 85 lit. a OG ; Kantonales Initiativrecht; Wiedererwägungsantrag. Legitimation der Initianten zur Anfechtung eines behördlichen Beschlusses betreffend Wiedererwägung eines Volksentscheids (E. 1). Zulässigkeit eines behördlichen Vorstosses auf Wiedererwägung eines Volksentscheids, sofern eine gesetzliche "Sperrfrist" für das neue Aufgreifen einer bereits entschiedenen Frage fehlt und das Vorgehen nicht als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren ist (E.2 und 4).
Sachverhalt ab Seite 378 BGE 100 Ia 378 S. 378 A.- Am 21. August 1972 reichte Ludwig A. Minelli als Präsident eines Initiativkomitees dem Zürcher Kantonsrat BGE 100 Ia 378 S. 379 eine kantonale Volksinitiative zu einem Gesetz zur Bekämpfung der Jugendkriminalität ein. Die Initiative wurde dem Volk am 30. Juni 1974 zusammen mit sechs anderen Vorlagen, darunter einem Gesetz über die Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes, der Strafprozessordnung und des Einführungsgesetzes zum Schweiz. Strafgesetzbuch (sog. "kleine Strafprozessrevision") unterbreitet und entgegen der Empfehlung des Kantonsrates und des Regierungsrates von den Stimmberechtigten des Kantons Zürich mit 143 723 Ja gegen 129 527 Nein angenommen. Nach der Abstimmung wurde von verschiedenen Seiten geltend gemacht, zwischen der Volksinitiative und der gleichzeitig vom Volk angenommen "kleinen Strafprozessrevision" beständen Widersprüche und das durch Annahme der Initiative geschaffene Gesetz zur Bekämpfung der Jugendkriminalität (JKG) laufe teilweise dem Bundesrecht zuwider. Mit dieser Begründung erhoben der Regierungsrat des Kantons Zürich und zwei Winterthurer Stimmberechtigte gegen die Erwahrung der die beiden Vorlagen betreffenden Abstimmungsergebnisse Einsprache. In der Folge wurden die Einsprachen zurückgezogen und der Kantonsrat erwahrte am 2. September 1974 die Ergebnisse der Volksabstimmung vom 30. Juni 1974. B.- Am 26. August 1974 reichte der II. Vizepräsident des Kantonsrates, Konrad Gisler-Flaach, eine parlamentarische Initiative ein, welche die Aufhebung des JKG verlangte. Der Kantonsrat stimmte dieser Initiative zu und verabschiedete am 16. September 1974 mit 101 gegen 3 Stimmen zuhanden der Volksabstimmung ein kurzes Gesetz, das lediglich die Aufhebung des JKG vom 30. Juni 1974 zum Inhalt hat. Die Volksabstimmung über diese Vorlage wurde vom Regierungsrat auf den 8. Dezember 1974 festgesetzt. C.- Gegen den Beschluss des Kantonsrates vom 16. September 1974 über das Gesetz betreffend die Aufhebung des JKG vom 30. Juni 1974 reichte Ludwig A. Minelli gemäss Art. 85 lit. a OG beim Bundesgericht Stimmrechtsbeschwerde ein mit dem Antrag, der angefochtene Beschluss sei aufzuheben. Zur Begründung wird im wesentlichen geltend gemacht, der Beschluss sei rechtsmissbräuchlich; die in § 50 Abs. 4 des Gemeindegesetzes umschriebene Regel, wonach auf Antrag der Gemeindevorsteherschaft Initiativen durch den Bezirksrat als unzulässig erklärt werden können, "wenn sie sich als Wiederholung BGE 100 Ia 378 S. 380 eines innert Jahresfrist von der Gemeindeversammlung behandelten Geschäftes darstellen und keine neuen Tatsachen vorliegen, die eine nochmalige Behandlung rechtfertigen", gelte nicht nur für Gemeindeinitiativen, sondern als ungeschriebenes Recht für alle Initiativen im Kanton Zürich und zwar auch für entsprechende Vorstösse der Behörden. Die erst nach der Volksabstimmung erkannte Möglichkeit der Konkurrenz zwischen Bestimmungen des JKG und den Vorschriften der "kleinen Strafprozessrevision" sei keine neue Tatsache. Zudem könnte dieser Umstand niemals die Wiederholung der Abstimmung über das ganze Gesetz rechtfertigen, sondern es müsste genügen, über die unvereinbaren Normen neu abzustimmen. - Die angebliche Bundesrechtswidrigkeit sei höchst umstritten. Zur Behebung eventueller Verstösse gegen Bundesrecht bedürfte es im übrigen keiner neuen Volksabstimmung, denn gemäss Art. 2 UeB/BV träte das Bundesrecht ohne weiteres an Stelle der bundesrechtswidrigen Norm. - Auch mit der Behauptung einer angeblichen Irreführung der Stimmbürger lasse sich eine faktische Wiederholung der Abstimmung über die Initiative nicht begründen. Der Titel der Initiative sei vom Regierungsrat vor der Abstimmung nicht als irreführend beanstandet oder abgeändert worden, die Bezeichnung sei im Rahmen der üblichen demokratischen Gepflogenheiten abgefasst. Der Aufhebungsbeschluss lasse sich auch nicht mit der persönlichen Meinung der Mehrheit der Kantonsräte rechtfertigen, das JKG sei von den Stimmberechtigten in Unkenntnis seines wirklichen Inhalts angenommen worden. - Der "Beleuchtende Bericht" zum angefochtenen Beschluss behaupte in wahrheitswidriger Weise, das JKG widerspreche Bundesrecht und schaffe auf dem Boden des kantonalen Rechts unlösbare Konflikte. D.- Der Kantonsrat schliesst in seiner Vernehmlassung auf Abweisung der Beschwerde im wesentlichen mit der Begründung, § 50 Abs. 4 des Gemeindegesetzes sei eine singuläre Bestimmung und lasse sich nicht durch Analogie auf den vorliegenden Fall zur Anwendung bringen. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. In Anlehnung an die frühere Praxis des Bundesrates hat das Bundesgericht schon wiederholt entschieden, dass BGE 100 Ia 378 S. 381 jeder stimmfähige Bürger auch zur Beschwerde gegen die Zulassung von Referendums- oder Initiativbegehren legitimiert sei (Angaben über die ältere Rechtsprechung in BGE 59 I 122 ). Lediglich im Urteil vom 30. September 1965 i.S. Schmid (abgedruckt in ZBl 67/1966 S. 31 ff.) wurde angenommen, die Anordnung der Abstimmung über eine angeblich unzulässige Initiative schränke das Stimmrecht nicht ein, sondern erweitere es, weshalb dem Stimmberechtigten die Legitimation zur Anfechtung eines solchen Beschlusses fehle. Von diesem Präjudiz distanzierte sich aber das Bundesgericht in BGE 99 Ia 728 E. 1 (betreffend Volksinitiative gegen das Expressstrassen-Y) wieder und stellte fest, einzige Voraussetzung der Beschwerdebefugnis sei die Stimmberechtigung bei der in Frage stehenden Abstimmung oder Wahl. In der bisherigen Rechtsprechung zu dieser Legitimationsfrage ging es noch nie um die Zulässigkeit einer von den Behörden ausgearbeiteten Vorlage, sondern es handelte sich durchwegs um die Zulässigkeit von Volksbegehren. Nach der allgemeinen Formulierung in den Erwägungen von BGE 99 Ia 728 E. 1 hat der Stimmberechtigte die Befugnis, jede Abstimmungsvorlage mit der Behauptung anzufechten, sie sei unzulässig. Ob eine so weite Fassung mit allen Konsequenzen zutreffend ist, kann hier offen bleiben. Im vorliegenden Fall macht ja der Beschwerdeführer nicht einfach geltend, er werde durch eine nach seiner Auffassung unzulässige Volksabstimmung beschwert, sondern er bringt - mindestens implicite - zudem vor, durch den angefochtenen Beschluss werde der Erfolg der von ihm unterzeichneten und eingereichten Volksinitiative in rechtswidriger Weise in Frage gestellt. Die Beschwerde gemäss Art. 85 lit. a OG schützt nach konstanter Praxis auch das Initiativrecht. Initianten können sich mit diesem Rechtsmittel dagegen zur Wehr setzen, dass durch ein unzulässiges Vorgehen der Behörden bei Abstimmungsfragen die Wirkungen der Annahme eines Volksbegehrens verhindert werden. Der Beschwerdeführer ist daher legitimiert, mit staatsrechtlicher Beschwerde geltend zu machen, durch den angefochtenen Beschluss des Kantonsrates werde gesetzwidrig oder rechtsmissbräuchlich versucht, mittels einer neuen Abstimmung den Erfolg der JKG-Initiative zu vernichten. 2. Eine Vorschrift, welche dem Kantonsrat verbieten BGE 100 Ia 378 S. 382 würde, eine Frage, über welche die Stimmbürger vor kurzer Zeit entschieden haben, erneut der Volksabstimmung zu unterbreiten, besteht in der Zürcher Gesetzgebung nicht. Das Gemeindegesetz (Gesetz über das Gemeindewesen vom 6. Juni 1926/14. September 1969) gibt in § 50 Abs. 4 dem Bezirksrat die Möglichkeit, Initiativen auf Antrag der Gemeindevorsteherschaft unzulässig zu erklären, wenn es sich um reine Wiedererwägungsinitiativen handelt. Solche Beschränkungen des Initiativrechts auf Gemeindeebene kennen auch andere Kantone (z.B. Schwyz GOG § 8 Abs. 2). Dass die "Sperrfrist" für entsprechende Vorstösse der Gemeindebehörden ebenfalls gelten muss, ist damit nicht gesagt. Für die Annahme, § 50 Abs. 4 Gemeindegesetz enthalte eine Beschränkung, die als ungeschriebener Rechtssatz für das gesamte Zürcher Initiativrecht auch auf kantonaler Ebene und in analoger Weise für Vorlagen der Behörden gelte, fehlt jeder Anhaltspunkt. Das Bundesgericht hat in BGE 94 I 125 f. angenommen, eine Initiative, welche auf die Wiedererwägung eines Gemeindeversammlungsbeschlusses hinauslaufe, sei an sich zulässig, sofern das Gesetz derartige Initiativen nicht in der eben dargelegten Weise durch eine "Sperrfrist" ausdrücklich verbiete oder das Vorgehen als rechtsmissbräuchlich erscheine. Ausser den allgemeinen Schranken des Initiativrechts - Verletzung von Vorschriften des Bundes oder des Kantons, offensichtliche Undurchführbarkeit - wurde somit beim Fehlen einer gesetzlichen "Sperrfrist" für das neue Aufgreifen einer bereits entschiedenen Frage lediglich das Kriterium des Rechtsmissbrauchs als mögliches Hindernis betrachtet. Diese Auffassung wurde in BGE 99 Ia 405 f. in bezug auf die Zulässigkeit von Wiedererwägungsanträgen an Tagwen- oder Gemeindeversammlungen im Kanton Glarus bestätigt: Soweit Anträge auf Wiedererwägung vom Gesetz nicht ausdrücklich ausgeschlossen werden, haben sie - abgesehen vom Fall des Rechtsmissbrauchs - als zulässig zu gelten. Schweigt das Gesetz über diese Frage, so kann das Recht auf Stellung von Wiedererwägungsanträgen nicht durch Lückenfüllung ausgeschlossen oder beschränkt werden. Zur Frage des Rechtsmissbrauchs wird in diesem Urteil festgestellt, dass ein erstmaliger Wiedererwägungsantrag, besonders bei knappem Abstimmungsergebnis, nicht rechtsmissbräuchlich sei; Rechtsmissbrauch könnte allenfalls angenommen werden, wenn die BGE 100 Ia 378 S. 383 Stimmberechtigten ihren Willen in der betreffenden Sache schon mehr als einmal klar bekundet hätten. - Die Frage, ob eine Initiative unzulässig erklärt werden könne, weil sie eine bereits entschiedene Frage betreffe, wurde auch bei der Beratung des Falles Bebi und Konsorten gegen Aargau ( BGE 98 Ia 640 f.) und des bereits erwähnten Falles Burkhalter und Konsorten gegen Zürich ( BGE 99 Ia 728 f.) im gleichen Sinne erörtert, ohne dass dies in den Motiven dieser Urteile zum Ausdruck kommt. Es besteht kein Grund, von der mehrfach bestätigten Auffassung abzuweichen, wonach - beim Fehlen gesetzlicher Beschränkungen - durch Initiative oder Antrag auch die Wiedererwägung eines bereits getroffenen Entscheides vorgeschlagen werden kann und diese Möglichkeit in der Regel nur am Kriterium des Rechtsmissbrauchs ihre Grenze findet. Wenn aber der Stimmbürger durch Ausübung der ihm zur Verfügung stehenden demokratischen Rechte ein Zurückkommen auf gefasste Beschlüsse veranlassen darf, dann besteht kein sachlicher Grund, dem kantonalen Parlament zu verwehren, dass es mit einer neuen Abstimmungsvorlage die Korrektur eines vorangehenden Volksentscheides anstrebt. Es ist in erster Linie ein Gebot der politischen Klugheit, dass von dieser Möglichkeit, eine entschiedene Frage erneut zur Diskussion zu stellen, weder von den Stimmberechtigten noch von den Behörden im Übermass Gebrauch gemacht wird. Diese freiheitliche, einen Vorstoss auf Wiedererwägung nicht hindernde Regelung kann zur Folge haben, dass erfolgreiche Initianten gezwungen werden, ihre Anliegen in einem zweiten Abstimmungskampf zu vertreten. Das ist jedoch keine Behinderung oder Einschränkung des Initiativrechts, sondern die unvermeidliche Konsequenz des Fehlens einer die Wiedererwägung hindernden Sperrfrist. Steht einer Initiative, welche praktisch die Wiedererwägung eines Volksentscheides verlangt, nichts entgegen, so muss im gleichen Umfang auch von Seiten der Behörden ein Vorstoss auf Wiedererwägung zulässig sein. In allen diesen Fällen wird der Gegner des durch die Wiedererwägung angestrebten Ziels zu einem für ihn unerwünschten, erneuten Abstimmungskampf gezwungen. Will man dies vermeiden, so muss eine gesetzliche "Sperre" eingeführt werden; die Regelung liesse sich selbstverständlich so ausgestalten, dass nicht nur Volksinitiativen, sondern auch behördliche BGE 100 Ia 378 S. 384 Vorstösse, welche die Wiedererwägung von Volksentscheiden zum Gegenstand haben, innert einer gewissen Frist nicht mehr zulässig wären. Ob solche Beschränkungen wünschbar sind, ist hier nicht zu beurteilen. Zwei Motionen, welche auf Bundesebene das Initiativrecht u.a. in diesem Sinne begrenzen wollten, wurden 1923 vom Parlament abgelehnt (BURCKHARDT, Schweiz. Bundesrecht II Nr. 572 III und IV S. 371/72). Ein Ausschluss der Wiedererwägung lässt sich nicht durch richterliche Rechtsfindung einführen, sondern er besteht nur dort, wo das Gesetz Anträge auf Wiedererwägung an bestimmte Fristen bzw. besondere Voraussetzungen knüpft. Da im Kanton Zürich eine solche, die Wiedererwägung von Volksentscheiden beschränkende oder ausschliessende Regelung nur im Gemeinderecht besteht, in bezug auf kantonale Abstimmungen aber fehlt, ist davon auszugehen, dass der angefochtene Beschluss des Kantonsrates keine Bestimmung der einschlägigen kantonalen Gesetzgebung verletzt. 3. Hat der Kantonsrat somit die Möglichkeit, dem Volk die Aufhebung eines kürzlich beschlossenen Gesetzes vorzuschlagen, ohne dass besondere Voraussetzungen erfüllt sein müssten, so erübrigt es sich, auf die weitern in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen einzutreten; denn diese Möglichkeit, dem Volk die Wiedererwägung eines getroffenen Entscheides zu beantragen, ist rechtlich unabhängig davon, ob eine neue, erst nach der vorangehenden Abstimmung eingetretene oder erkannte Tatsache vorliegt. Auch die behauptete Bundesrechtswidrigkeit einzelner Bestimmungen des JKG oder die geltend gemachten Widersprüche zur gleichzeitig vom Volk angenommenen "kleinen Strafprozessrevision" sind nicht Voraussetzung für die Zulässigkeit des angefochtenen Beschlusses. Wenn auch diese Argumente für die politische Rechtfertigung des aussergewöhnlichen Vorgehens von Bedeutung sein mögen, so ist deren Stichhaltigkeit trotzdem für die Rechtmässigkeit des beanstandeten Beschlusses ohne Belang; denn eine neue Vorlage in der gleichen Sache ist an sich zulässig, ohne dass Widersprüche zwischen dem aufzuhebenden Gesetz und anderen Erlassen des Kantons oder des Bundes nachgewiesen sein müssen. Das Bundesgericht hat auch nicht im Hinblick auf die bevorstehende zweite Abstimmung zu untersuchen, ob die gegen das JKG erhobenen Vorwürfe und Beanstandungen zutreffen. BGE 100 Ia 378 S. 385 Auf das beiläufige Begehren, es sei gewissermassen präventiv festzustellen, ob Bestimmungen des JKG bundesrechtswidrig seien und ob unlösbare Widersprüche innerhalb des kantonalen Rechts entständen, ist nicht einzutreten; denn diese Probleme bilden wohl den Hintergrund, aber nicht den rechtlich relevanten Gegenstand des angefochtenen Beschlusses. Es ist Sache der Initianten, ihre Vorlage in der kommenden Auseinandersetzung gegebenenfalls gegen ungerechtfertigte Kritik zu verteidigen. Ebenfalls nicht einzutreten ist auf die Rüge des Beschwerdeführers, der "Beleuchtende Bericht" zum angefochtenen Beschluss enthalte Unwahrheiten, war doch dieser Bericht - wie der Vernehmlassung des Kantonsrates zu entnehmen ist - bei Einreichung der staatsrechtlichen Beschwerde noch gar nicht herausgegeben worden. 4. Zu prüfen bleibt, ob der Vorstoss auf Aufhebung des JKG im Sinne der dargelegten Praxis als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren ist. Lässt die Gesetzgebung Anträge auf Wiedererwägung ohne spezielle Beschränkung zu, so kann nur in Extremfällen bei krassem Missbrauch der demokratischen Institutionen eine erneute Abstimmung untersagt werden. Im vorliegenden Fall fand die Mehrheit des Kantonsrates offenbar, das durch die Annahme der Initiative entstandene Gesetz schaffe Unklarheiten und die Stimmberechtigten hätten sich anlässlich der ersten Abstimmung mit dieser Vorlage zu wenig auseinandergesetzt. Dass das Verhältnis einzelner Vorschriften des JKG zu Bestimmungen des kantonalen Rechts und des Bundesrechts nicht von vornherein klar ist, wird auch vom Beschwerdeführer nicht bestritten. Ob die Auslegung mit mehr oder weniger Mühe Klarheit schaffen könnte, bleibe dahingestellt. Auf jeden Fall ist es nicht rechtsmissbräuchlich, dass der Kantonsrat versucht, die nach seiner Auffassung sich ergebenden Schwierigkeiten durch eine Aufhebung des JKG zu klären. - Sogar eine erstmalige Wiedererwägung, die einfach deswegen angestrebt wird, weil das Parlament oder unterlegene Initianten hoffen, eine bessere Information der Stimmberechtigten werde zu einem andern Resultat führen, ist nicht rechtsmissbräuchlich. Damit wird einfach der legale Weg benützt, um ein möglicherweise eher zufälliges, auf ungenügender Orientierung beruhendes Abstimmungsresultat durch eine zweite Abstimmung BGE 100 Ia 378 S. 386 überprüfen zu lassen. Im allgemeinen dürfte die Skepsis der Stimmberechtigten gegenüber solchen Wiederholungen von Urnengängen über die gleiche Frage die Gefahr eines Missbrauchs dieser Möglichkeit stark eindämmen. Nur wenn der demokratische Apparat in sinnloser Weise strapaziert und dadurch in Frage gestellt würde, könnte allenfalls wegen Rechtsmissbrauchs eine erneute Abstimmung verhindert werden. Gründe für ein solches Einschreiten bestehen im vorliegenden Fall offensichtlich nicht. Auch die Tatsache, dass der faktisch in Wiedererwägung gezogene Volksentscheid die Annahme einer Initiative betrifft, kann nicht zu einer andern Beurteilung der Frage des Rechtsmissbrauchs führen. Wenn aus den bereits dargelegten Erwägungen -beim Fehlen gegenteiliger Bestimmungen - sowohl Initianten als auch Behörden verlangen können, dass ein vor kurzem entschiedenes Problem dem Volk erneut unterbreitet wird, dann lässt sich folgerichtig auch aus dem Verbot des Rechtsmissbrauchs nicht ein besonderer (- im Vergleich zu andern Volksentscheiden weitergehender -) Schutz eines durch Initiative zustandegekommenen Entscheides gegen behördliche Wiedererwägungsbestrebungen ableiten. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann.
public_law
nan
de
1,974
CH_BGE
CH_BGE_002
CH
Federation
07e02984-2310-46bd-8cc3-d15031488b23
Urteilskopf 138 III 537 77. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit civil dans la cause dame A. contre B. et C. (recours en matière civile) 5A_434/2011 du 31 mai 2012
Regeste Art. 260a ZGB , Art. 76 Abs. 1 BGG ; Klage auf Anfechtung der Vaterschaftsanerkennung: Beschwerderecht an das Bundesgericht; Passivlegitimation. In einem Verfahren auf Anfechtung der Anerkennung der Vaterschaft ist die Mutter vor Bundesgericht beschwerdeberechtigt (E. 1). Im Verfahren auf Anfechtung der Anerkennung der Vaterschaft kommt der Mutter keine Parteirolle zu, weshalb sie unter diesem Titel nicht berechtigt ist, Berufung zu führen (E. 2.2.1). Sie kann sich als Nebenintervenientin am Verfahren beteiligen und alle Angriffs- und Verteidigungsmittel vorbringen und Rechtsmittel einlegen, soweit diese Handlungen mit denjenigen der unterstützten Partei übereinstimmen (E. 2.2.2).
Sachverhalt ab Seite 537 BGE 138 III 537 S. 537 A. Le 23 juillet 1994, dame A. a donné naissance à un garçon, prénommé B. que C. a reconnu devant l'officier d'état civil le 4 août suivant. Dame A. et C. se sont mariés le 5 mai 1995. Par jugement du 27 mai 2008, confirmé par arrêt de la Cour de justice du 16 octobre 2009, le Tribunal de première instance de Genève a prononcé leur divorce. BGE 138 III 537 S. 538 B. Le 3 octobre 2008, C. a formé une action en désaveu de paternité. La mère et l'enfant, représenté par son curateur, se sont opposés à la demande. Par jugement du 3 décembre 2009, le Tribunal de première instance de Genève a constaté la non-paternité de C. Il a examiné la demande au regard des dispositions sur la contestation de la reconnaissance de paternité, dès lors que le demandeur avait reconnu l'enfant après sa naissance. Le 28 mai 2010, sur appel de la mère, la Chambre civile de la Cour de justice a annulé ce jugement et rejeté l'action "en désaveu de paternité, respectivement en contestation de la reconnaissance de paternité", pour le motif qu'elle était périmée. S'agissant plus particulièrement de la recevabilité de l'appel, elle a reconnu à la mère la qualité pour recourir, quand bien même, selon la doctrine, celle-là ne peut participer à l'action en contestation qu'en tant qu'intervenante. Elle a jugé, sous l'angle de l'interdiction du formalisme excessif, qu'il fallait, en l'espèce, considérer l'intéressée comme une partie, dès lors que celle-ci avait été traitée comme telle en première instance, et, partant, lui reconnaître la qualité pour appeler du jugement. Le 13 décembre 2010, le Tribunal fédéral a admis le recours en matière civile interjeté par le père contre cet arrêt, a annulé ce dernier et a renvoyé la cause pour examen des conditions de la demande en contestation de la reconnaissance de paternité. Il a jugé en bref que, les conditions d'une restitution du délai pour ouvrir action étaient réalisées en l'espèce ( ATF 136 III 593 consid. 6). Il n'a en revanche pas examiné plus avant les considérations de l'autorité cantonale reconnaissant à la mère la qualité pour recourir, dès lors que cette question ressortissant au droit cantonal de procédure n'avait fait l'objet d'aucun grief motivé (arrêt 5A_492/2010 du 13 décembre 2010 consid. 4, non publié aux ATF 136 III 593 ). C. Statuant sur renvoi le 20 mai 2011, la Chambre civile de la Cour de justice a confirmé le jugement de première instance du 3 décembre 2009 constatant la non-paternité de C. S'agissant de la recevabilité de l'appel de la mère sous l'angle de la qualité pour recourir, elle a renvoyé aux considérations de son premier arrêt, motif pris que celles-là n'avaient pas été critiquées devant le Tribunal fédéral. Au fond, elle a jugé que les conditions de la demande étaient remplies à satisfaction de droit. BGE 138 III 537 S. 539 D. Le Tribunal fédéral a rejeté le recours en matière civile de la mère qui tendait, principalement, au rejet de l'action du père et, subsidiairement, au renvoi pour nouvelle décision. (résumé) Erwägungen Extrait des considérants: 1. 1.1 En l'espèce, l'arrêt litigieux confirme un jugement de première instance admettant l'action en contestation de la reconnaissance de paternité introduite par le père. Il s'agit d'une contestation civile ( art. 72 al. 1 LTF ) de nature non pécuniaire. Le recours, dirigé contre une décision finale ( art. 90 LTF ) rendue - sur renvoi - par l'autorité cantonale de dernière instance ( art. 75 al. 1 LTF ), a par ailleurs été interjeté en temps utile ( art. 100 al. 1 LTF ). 1.2 Selon l' art. 76 al. 1 LTF , a qualité pour former un recours en matière civile quiconque a pris part à la procédure devant l'autorité précédente ou a été privé de la possibilité de le faire (let. a) et est particulièrement touché par la décision attaquée et a un intérêt digne de protection à son annulation ou sa modification (let. b, dans sa teneur en vigueur depuis le 1 er janvier 2011 [RO 2010 1739], l'arrêt attaqué ayant été rendu après cette date, cf. art. 132 al. 1 LTF ). Il incombe au recourant d'alléguer les faits qu'il considère comme propres à fonder sa qualité pour recourir au Tribunal fédéral selon l' art. 76 LTF , lorsqu'ils ne ressortent pas à l'évidence de la décision attaquée ou du dossier de la cause ( ATF 133 II 353 consid. 1 p. 356). 1.2.1 Il ne fait aucun doute que la première condition prise de la participation à la procédure devant l'autorité précédente est remplie en l'espèce. 1.2.2 Il faut aussi admettre que la seconde condition est réalisée, ne serait-ce que d'un point de vue économique (intérêt de la mère à ne pas assumer seule l'entretien de l'enfant). L'intérêt digne de protection consiste en effet en l'utilité pratique que l'admission du recours apporterait au recourant en lui évitant de subir un préjudice de nature économique, idéale, matérielle ou autre que la décision attaquée lui occasionnerait ( ATF 133 II 400 consid. 2.2 p. 404, ATF 131 II 409 consid. 1.3 p. 413; ATF 131 II 361 consid. 1.2 p. 365, ATF 131 II 587 consid. 2.1 p. 588, 649 consid. 3.1 p. 651; ATF 131 V 298 consid. 3 p. 300). 2. 2.1 Renvoyant aux considérations (cf. supra, let. B) de son premier prononcé - que le Tribunal fédéral n'avait pas examinées plus avant BGE 138 III 537 S. 540 dans son arrêt de renvoi, faute d'un grief motivé du père sur ce point (5A_492/2010 du 13 décembre 2010 consid. 4, non publié aux ATF 136 III 593 ) -, la Cour de justice a considéré la mère comme une partie, quand bien même celle-là n'était censée participer à la procédure que comme intervenante, et a ainsi admis sa qualité pour appeler du jugement de première instance. Elle a ensuite examiné les conditions de l'action en contestation de la reconnaissance de paternité, qu'elle a considérées comme remplies en l'espèce. Cela étant, elle a rejeté l'appel de la mère et confirmé le jugement de première instance qui constatait la non-paternité. 2.2 Cette issue peut être confirmée par substitution de motifs ( ATF 133 III 545 consid. 2.2 p. 550). 2.2.1 La qualité pour appeler - question qui relevait de la procédure cantonale avant l'entrée en vigueur du Code de procédure civile - ayant été admise, la Cour de justice devait, conformément à l'arrêt de renvoi, examiner les conditions de la demande en contestation de la reconnaissance de paternité. Dans ce cadre, se posaient les questions - qui sont examinées d'office (cf. ATF 110 V 347 consid. 1 p. 348; arrêt 9C_14/2010 du 21 mai 2010 consid. 3.1 et les références) - de la qualité pour agir (ou légitimation active) et pour défendre (ou légitimation passive), qui appartiennent aux conditions matérielles de la prétention litigieuse, lesquelles se déterminent selon le droit au fond et dont le défaut conduit au rejet de l'action ( ATF 125 III 82 consid. 1a p. 83/84; ATF 123 III 60 consid. 3a p. 63; cf. arrêts 5A_713/2011 du 2 février 2012 consid. 4.1; 5A_641/2011 du 23 février 2012 consid. 5.1; 9C_14/2010 précité). Or, dans l'action en contestation de la reconnaissance de paternité, si la mère a la qualité pour agir (ou légitimation active) par la loi ( art. 260a al. 1 CC ), elle ne dispose pas de la qualité pour défendre (ou légitimation passive). L'enfant qui conteste la reconnaissance agit contre l'auteur de celle-ci, alors que ce dernier agit contre l'enfant. Ainsi, alors même que, en dépit du fait qu'elle est étrangère au rapport de droit en cause, elle peut, par la loi, agir en son propre nom comme partie (FABIENNE HOHL, Procédure civile, vol. I, 2001, n os 440 et 441; cf. ATF 116 II 253 consid. 3 p. 257; cf. arrêt 5A_641/2011 du 23 février 2011 consid. 5.1), la mère n'est pas admise à défendre à l'action en tant que partie ni, par conséquent, à recourir à ce titre. Il importe peu que, sous l'angle de la qualité pour appeler selon le droit cantonal, la Cour de justice ait admis la qualité de partie pour des motifs tenant à BGE 138 III 537 S. 541 l'interdiction du formalisme excessif (cf. supra, let. B et consid. 2.1). Comme il a été dit, la qualité pour agir et pour défendre appartiennent aux conditions matérielles de la prétention litigieuse, lesquelles se déterminent selon le droit au fond. 2.2.2 Certes, selon la doctrine, la mère peut participer à la procédure en tant qu'intervenante accessoire (OLIVIER GUILLOD, in Commentaire romand, Code civil, 2010, n o 9 ad art. 260a CC et les auteurs cités à la note 18; INGEBORG SCHWENZER, in Commentaire bâlois, Zivilgesetzbuch, vol. I, 3 e éd. 2006, n o 8 ad art. 260a CC ; MEIER/STETTLER, Droit de la filiation, 4 e éd. 2009, n o 126, p. 67; MARTIN STETTLER, Le droit suisse de la filiation, TDPS, vol. III/2/1, 1987, p. 214, let. B et p. 215, let. C), soit pour soutenir les conclusions de la partie qu'elle assiste (sur la notion d'intervention accessoire: FABIENNE HOHL, op. cit., n os 558 et 562; cf. sous l'empire du CPC [RS272]: JACQUES HALDY, in Code de procédure civile commenté, 2011, n° 2 ad art. 74 et 76 CPC ). Si, à ce titre, elle peut faire valoir tous les moyens d'attaque et de défense ainsi qu'interjeter recours, il faut toutefois que ses actes soient compatibles avec ceux de la partie qu'elle soutient (HOHL, op. cit., n o 577; cf. sous l'empire du CPC: HALDY, op. cit., n o 4 ad art. 76 CPC ). Elle ne peut ainsi recourir si la partie principale s'oppose au recours ou acquiesce au jugement (HOHL, op. cit., n o 578). Or, sous cet angle, l'appel de la mère était aussi voué à l'échec. Force est en effet de constater que l'enfant, qui était représenté par un curateur, n'a lui-même pas fait recours contre l'admission de l'action en contestation de la reconnaissance de paternité par le Tribunal de première instance, tout comme il n'a d'ailleurs pas recouru devant la Cour de céans contre l'arrêt de la Cour de justice qui confirme ce jugement.
null
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2,012
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
07e42773-055a-4978-80bb-2b47cbd18824
Urteilskopf 136 V 376 44. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. T. gegen IV-Stelle Luzern (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) 9C_400/2010 vom 9. September 2010
Regeste Art. 29 Abs. 1 und Art. 30 Abs. 1 BV ; Art. 6 Ziff. 1 EMRK ; Art. 43 Abs. 1 und Art. 61 lit. c ATSG ; Art. 59 Abs. 3 IVG ; Art. 72bis IVV ; zur Beweistauglichkeit von Administrativgutachten der Medizinischen Abklärungsstellen (MEDAS) unter den Aspekten der Unabhängigkeit sowie der Verfahrensfairness und Waffengleichheit. Aus der formellen Parteieigenschaft der Durchführungsstelle der Invalidenversicherung im gerichtlichen Prozess bzw. aus deren Legitimation zur Erhebung von Beschwerden in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten darf nicht gefolgert werden, die Beweiserhebungen der Verwaltung im vorausgehenden nichtstreitigen Verfahren seien Parteihandlungen (E. 4).
Sachverhalt ab Seite 376 BGE 136 V 376 S. 376 A. T. (geb. 1978) arbeitete, ohne zuvor eine Berufslehre absolviert zu haben, in der Verpackungsindustrie und zuletzt als hauswirtschaftliche Kraft im Zentrum X. in S. Schon seit längerer Zeit wegen Rückenbeschwerden in ärztlicher Behandlung, erlitt sie am 25. Juni 2005 als Beifahrerin einen Autounfall, bei welchem sie sich eine Wirbelkörperberstungsfraktur im thorakolumbalen Übergangsbereich zuzog. Auf Anmeldung zum Leistungsbezug vom BGE 136 V 376 S. 377 19. Oktober 2006 hin klärte die IV-Stelle des Kantons Luzern (nachfolgend: IV-Stelle Luzern) die gesundheitlichen und erwerblichen Verhältnisse sowie die beruflichen Eingliederungsmöglichkeiten ab; namentlich liess sie die Versicherte im Institut Y. untersuchen. Gestützt auf die Expertise des Instituts Y. vom 7. April 2008 lehnte die genannte IV-Stelle, nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens, den Rentenanspruch bei einem Invaliditätsgrad von 25 Prozent ab (Verfügung vom 19. Januar 2009). B. Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern nach Durchführung eines einfachen Schriftenwechsels und einer öffentlichen Gerichtsverhandlung ab (Entscheid vom 18. März 2010). C. Die Versicherte lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Rechtsbegehren, die Sache sei, unter Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides, an die IV-Stelle Luzern zur weiteren Abklärung im Sinne der Erwägungen zurückzuweisen (...). Während kantonales Gericht und IV-Stelle Luzern auf Abweisung der Beschwerde schliessen, hat das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) von einer Vernehmlassung abgesehen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. (Auszug) Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. 4.1 4.1.1 Nach Art. 43 Abs. 1 ATSG (SR 830.1) prüft der Versicherungsträger die Begehren, nimmt die notwendigen Abklärungen von Amtes wegen vor und holt die erforderlichen Auskünfte ein (Satz 1). Das Gesetz weist somit dem Durchführungsorgan die Aufgabe zu, den rechtserheblichen Sachverhalt nach dem Untersuchungsgrundsatz abzuklären, und zwar richtig und vollständig, so dass gestützt darauf die Verfügung über die jeweils in Frage stehende Leistung ergehen kann ( Art. 49 ATSG ). Auf dem Gebiet der Invalidenversicherung obliegen diese Pflichten der (örtlich zuständigen) Invalidenversicherungsstelle (nachfolgend: IV-Stelle; Art. 54-56 in Verbindung mit Art. 57 Abs. 1 lit. c-g IVG ). Was den für die Invaliditätsbemessung ( Art. 16 ATSG und Art. 28 ff. IVG ) erforderlichen medizinischen Sachverstand angeht, kann die IV-Stelle sich hierfür - nebst dem Regionalen Ärztlichen Dienst (RAD; Art. 59 Abs. 2 und 2 bis IVG ), BGE 136 V 376 S. 378 den Berichten der behandelnden Ärztinnen und Ärzte ( Art. 28 Abs. 3 ATSG ) und den externen medizinischen Sachverständigen ( Art. 59 Abs. 3 IVG ) - auf die medizinischen Abklärungsstellen (nachfolgend: MEDAS) stützen ( Art. 59 Abs. 3 IVG ). Laut Art. 72 bis IVV (SR 831.201) trifft das BSV mit Spitälern oder anderen geeigneten Stellen Vereinbarungen über die Errichtung von medizinischen Abklärungsstellen, welche die zur Beurteilung von Leistungsansprüchen erforderlichen ärztlichen Untersuchungen vornehmen (Satz 1); es regelt Organisation und Aufgaben dieser Stellen und die Kostenvergütung (Satz 2). 4.1.2 Nach ständiger Rechtsprechung handelt die IV-Stelle nicht als Partei, sondern als zur Neutralität und Objektivität verpflichtetes Organ des Gesetzesvollzuges, solange in der Sache kein Beschwerdeverfahren angehoben ist ( BGE 114 V 228 E. 5a S. 234; BGE 104 V 209 E. 1c S. 211; Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts I 551/86 vom 25. Mai 1987 E. 1b, nicht publ. in: BGE 113 V 159 ; so zuletzt bestätigt im Urteil 8C_845/2008 vom 4. März 2009 E. 3.1). Nach Eintritt der Rechtshängigkeit wird die Verwaltung zwar im prozessualen Sinne zur Partei; sie ist lite pendente indessen weiterhin der Objektivität verpflichtet und hat daher nicht auch im materiellen Sinn Parteieigenschaft. Auf dieser Rechtslage beruht auch die Judikatur über die Beweiskraft versicherungsmedizinischer Berichte und Gutachten ( BGE 125 V 351 ; BGE 122 V 157 ). Bei formell einwandfreien und materiell schlüssigen (das heisst beweistauglichen und beweiskräftigen) medizinischen Entscheidungsgrundlagen des Versicherungsträgers (Administrativgutachten) besteht daher nach der - kürzlich bestätigten - Rechtsprechung kein Anspruch auf eine gerichtliche Expertise ( BGE 135 V 465 E. 4 S. 467). 4.2 Unter Bezugnahme auf das von Prof. Dr. iur. JÖRG PAUL MÜLLER und Dr. iur. JOHANNES REICH verfasste "Rechtsgutachten zur Vereinbarkeit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur medizinischen Begutachtung durch Medizinische Abklärungsstellen betreffend Ansprüche auf Leistungen der Invalidenversicherung mit Art. 6 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten" vom 11. Februar 2010 (im Folgenden: Rechtsgutachten) erhebt die Beschwerdeführerin gestützt auf Art. 6 Ziff. 1 EMRK verschiedene (nicht spezifisch auf ihren Fall bezogene) Rügen formellrechtlicher Art (fehlende Unabhängigkeit der MEDAS von der Invalidenversicherung, Verletzung des Fairnessgrundsatzes, Verstoss gegen das rechtliche Gehör). BGE 136 V 376 S. 379 4.2.1 Nach der Rechtsauffassung, wie sie in der gesetzlichen Ordnung über die Amtsermittlungspflicht des Sozialversicherungsträgers zum Ausdruck kommt, wird Beweis über sozialversicherungsrechtliche Ansprüche schwergewichtig auf der Stufe des Administrativverfahrens geführt, nicht im gerichtlichen Prozess. Hierin liegt eine Grundentscheidung des Gesetzgebers, deren Abänderung im formellen Gesetz vollzogen werden müsste (vgl. Art. 164 Abs. 1 lit. e-g BV ). An der Ordnung schweizerischen Zuschnitts des sozialversicherungsrechtlichen Abklärungsverfahrens hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) bislang nicht Anstoss genommen (vgl. den Nichtzulassungsentscheid Bicer gegen Schweiz vom 22. Juni 1999, in: VPB 2000 Nr. 138 S. 1341, betreffend BGE 122 V 157 ), ebenso wenig an der Rechtsprechung, die ein abschliessendes Abstellen auf MEDAS-Gutachten erlaubt (Nichtzulassungsentscheid der Europäischen Menschenrechtskommission [EKMR, bis 1998] Baumgartner gegen Schweiz vom 20. April 1998, in: VPB 1998 Nr. 95 S. 917, betreffend BGE 123 V 175 ; vgl. auch AHI 1997 S. 120, I 41/95). 4.2.2 Die Rechtsgutachter gelangen zum Ergebnis, die gegenwärtige Ausgestaltung des Verfahrens zur Beurteilung von IV-Leistungsansprüchen genüge im Hinblick auf das grosse Gewicht der von den MEDAS erstellten Gutachten - jedenfalls ohne genügende kompensatorische Behelfe - dem in Art. 6 EMRK verankerten Recht auf ein faires Verfahren nicht. Nach ihrer Auffassung werden die IV-Stellen aufgrund von deren Beschwerdelegitimation im bundesgerichtlichen Verfahren ( Art. 62 Abs. 1 bis ATSG und Art. 89 IVV in Verbindung mit Art. 201 Abs. 1 Satz 1 AHVV [SR 831.101]) zurPartei; die beigezogenen MEDAS-Administrativgutachten seien folglich als Beweismittel einer Partei zu betrachten. Damit hafte dem gesamten Abklärungsverfahren der Anschein der Einseitigkeit an, was die konventionsrechtlich geforderte Fairness und Waffengleichheit in Frage stelle. Zu bedenken ist indessen, dass die Verwaltung aufgrund von Art. 89 Abs. 2 lit. a BGG immer dann zur Beschwerde berechtigt ist, wenn der angefochtene Akt die Bundesgesetzgebung in ihrem Aufgabenbereich verletzen kann. Daraus ist offenkundig nicht abzuleiten, jede - meist vorgängige - Sachverhaltsabklärung im nichtstreitigen Verwaltungsverfahren durch die betreffende Verwaltungseinheit sei Parteihandeln und das gerichtliche Abstellen darauf EMRK-widrig. Der rechtsgutachterlichen Schlussfolgerung liegt nicht die dargelegte BGE 136 V 376 S. 380 rechtliche Konzeption zugrunde, wonach das Durchführungsorgan der Sozialversicherung als Behörde auch nach dem Übergang zum Anfechtungsstreitverfahren - trotz seiner formellen Parteistellung - an die rechtsstaatlichen Grundsätze ( Art. 5 BV ) gebundenes Verwaltungsorgan bleibt, welches zur Neutralität und Objektivität verpflichtet ist (vgl. nebst den in E. 4.1.2 zitierten Urteilen BGE 105 V 186 E. 1 S. 188; ISABELLE HÄNER, Die Beteiligten im Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozess, 2000, S. 157 Rz. 281 ff., S. 200 Rz. 388 ff. und S. 201 Rz. 391 ff.; STÉPHANE BLANC, La procédure administrative en assurance-invalidité, 1999, S. 11 ff. und 121 f.; FRANZ SCHLAURI, Grundstrukturen des nichtstreitigen Verwaltungsverfahrens in der Sozialversicherung, in: Verfahrensfragen in der Sozialversicherung, Schaffhauser/Schlauri [Hrsg.], 1996, S. 26 f.; MARANTELLI-SONANINI/HUBER, Praxiskommentar zum VwVG, 2009, N. 53 zu Art. 6 VwVG ; MERKLI/AESCHLIMANN/HERZOG, Kommentar zum Gesetz vom 23. Mai 1989 über die Verwaltungsrechtspflege des Kantons Bern [VRPG], N. 5 und 26 zu Art. 12 VRPG; ANDRÉ GRISEL, Traité de droit administratif, Bd. II, 1984, S. 838 f.). Im Hinblick auf diese verfassungsrechtliche Lage darf aus der formellen Parteieigenschaft der Durchführungsstelle im gerichtlichen Prozess bzw. der Legitimation zur Erhebung von Beschwerden in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nicht gefolgert werden, auch die Beweiserhebungen der IV-Stelle im (vorausgehenden) nichtstreitigen Verfahren bis zum Verfügungserlass seien Handlungen einer (formellen) Partei. Denn das Verfügungsverfahren zählt nicht zur Verwaltungsrechtspflege im Sinne des Anfechtungsstreitverfahrens, das heisst des Beschwerdeverfahrens (FRITZ GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl. 1983, S. 14, 16 und 169; RHINOW/KOLLER/KISS, Öffentliches Prozessrecht und Justizverfassungsrecht des Bundes, 1996, S. 7 Rz. 25, S. 8 Rz. 31 und S. 144 Rz. 748). Was vor der IV-Stelle stattfindet, ist ein Einparteienverfahren mit dem/der Leistungsgesuchssteller/in als Partei und der IV-Stelle als Behörde, welche nach den Grundsätzen des Amtsbetriebes die Herrschaft über das Verfahren innehat (SVR 2007 IV Nr. 22 S. 77, I 478/04 E. 2.2.4.3; PETER SALADIN, Das Verwaltungsverfahrensrecht des Bundes, 1979, S. 87 Ziff. 11.22, S. 113 ff. und 119 ff.; HÄNER, a.a.O., S. 147 Rz. 263; BENOÎT BOVAY, Procédure administrative, 2000, S. 87; BLAISE KNAPP, Précis de droit administratif, 4. Aufl. 1991, S. 217 Ziff. 953; PIERRE MOOR, Droit administratif, Bd. II, 1991, S. 126 f.; zur Frage der Rechtsanwendung von Amtes wegen und des Amtsbetriebs statt BGE 136 V 376 S. 381 vieler: KÖLZ/HÄNER, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Aufl. 1998, S. 39 Rz. 112 ff. und S. 41 Rz. 117 f.;URS MÜLLER, Das Verwaltungsverfahren in der Invalidenversicherung, 2010, S. 163 Rz. 911 ff. und S. 58 Rz. 292 ff.). Im Übrigen trifft die Verwaltung in vielen anderen Zweigen der öffentlichen Verwaltung ebenfalls eingehende Sachverhaltsabklärungen (vgl. beispielsweise Art. 26 ff. des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 1995 überKartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen [Kartellgesetz, KG; SR 251], Art. 5 des Bundesgesetzes vom 1. Juli 1966 über den Natur- und Heimatschutz [NHG; SR 451], Art. 22 des Kernenergiehaftpflichtgesetzes vom 18. März 1983 [KHG; SR 732.44], Art. 10a des Bundesgesetzes vom 7. Oktober 1983 über den Umweltschutz [Umweltschutzgesetz, USG; SR 814.01], Art. 8 des Preisüberwachungsgesetzes vom 20. Dezember 1985 [PüG; SR 942.20] oder Art. 24 ff. des Bundesgesetzes vom 22. Juni 2007 über die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht [Finanzmarktaufsichtsgesetz, FINMAG; SR 956.1] ). 4.2.3 Hinsichtlich der Fragen, wie es sich mit der im Rechtsgutachten konstatierten wirtschaftlichen Abhängigkeit der MEDAS von den IV-Stellen verhält und ob, wie ebenda gefordert, verfahrensmässige Korrektive angezeigt sind, gibt der vorliegende Fall zu keinen Weiterungen Anlass. Immerhin ist darauf hinzuweisen, dass den kantonalen Gerichten die Kompetenz zur vollen Tatsachenprüfung zufällt ( Art. 61 lit. c ATSG ), die sie nötigenfalls durch Einholung gerichtlicher Expertisen auszuschöpfen haben.
null
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de
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CH_BGE
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Federation
07e6f398-c07a-4934-9120-e03f616bff84
Urteilskopf 95 I 283 40. Urteil vom 23. Mai 1969 i.S. Organchemie AG gegen Schweiz. Eidgenossenschaft (PTT - Betriebe).
Regeste Haftpflicht des Bundes aus dem Telephonverkehr. 1. Zulässigkeit der verwaltungsrechtlichen Klage (Erw. 1). 2. Nach dem Telegraphen- und Telephonverkehrsgesetz vom 14. Oktober 1922 haftet die Eidgenossenschaft nicht für den Schaden, den ein Telephonabonnent deshalb erleidet, weil er auf den ihm zugeteilten Linien wegen eines technischen Hindernisses in der Telephonzentrale nur beschränkt erreichbar ist (Erw. 2). 3. Die Haftung des Bundes kann auch nicht aus dem Verantwortlichkeitsgesetz vom 14. März 1958 abgeleitet werden (Erw. 3). 4. Bedeutung des "Legalitätsprinzips" (Erw. 4). 5. Gegenüber dem fehlbaren Beamten steht dem Geschädigten kein Anspruch zu (Erw. 5).
Sachverhalt ab Seite 284 BGE 95 I 283 S. 284 A.- Die Organchemie AG betrieb ihr Geschäft bis am 12. August 1967 (Samstag) in Zürich. Sie war bis dahin Abonnentin eines Telephonanschlusses mit 10 Amtsleitungen Nr. 47 19 20 bis 47 19 29. Im Verzeichnis der Telephonabonnenten war nur die Nummer 47 19 20 angegeben. War diese Linie besetzt, so wurde der Anrufer automatisch auf eine freie Linie geschaltet. Die Gesellschaft wollte in einen Neubau in Kilchberg (Zürich) übersiedeln und bestellte dafür einen Telephonanschluss mit 15 Amtsleitungen. Die Kreistelephondirektion Zürich teilte ihr die Nummern 91 19 20 bis 91 19 34 zu. Die Gesellschaft liess neues Briefpapier drucken, in welchem die Nummer 91 19 20 angegeben wurde. Am 14. August 1967 (Montag) nahm sie ihre Tätigkeit im neuen Gebäude auf. Dabei stellte sich heraus, dass die Anrufer, welche die Nummer 91 19 20 einstellten, nicht automatisch mit der nächstfolgenden freien Nummer verbunden werden konnten, wenn die gewählte Nummer besetzt war. Es wurde festgestellt, dass in der Telephonzentrale Kilchberg eine solche Umstellung einer angerufenen Nummer mit der Endzahl 0 nicht möglich war. Noch am Nachmittag des 14. August 1967 BGE 95 I 283 S. 285 schalteten die PTT-Betriebe daher die Nummer 91 19 20 provisorisch auf ein Sprechband, das den Anrufenden anwies, eine Nummer des telephonischen Auftragsdienstes einzustellen; tat er das, so wurde er aufgefordert, die Nummer 91 19 21 zu wählen. Ab 6. September 1967 wurde die Nummer 91 19 20 mit einem Sprechband verbunden, das den Anrufer direkt auf die Nummer 91 19 21 verwies. B.- Die Organchemie AG erklärt, sie habe infolge eines Fehlers, welcher der Telephondirektion bei der Zuteilung der Telephonnummern für den Neubau in Kilchberg unterlaufen sei, einen Schaden im Betrage von Fr. 19'919.15 (Druckkosten, Ausfall von Bestellungen usw.) erlitten. Sie meldete beim Eidg. Finanz-und Zolldepartement eine Forderung gegen den Bund in dieser Höhe an, wobei sie sich auf das BG vom 14. März 1968 über die Verantwortlichkeit des Bundes sowie seiner Behördemitglieder und Beamten (Verantwortlichkeitsgesetz, VG) berief. Die Generaldirektion PTT, welcher die Eingabe überwiesen wurde, lehnte die Forderung ab. Sie führte aus, nach dem BG vom 14. Oktober 1922 über den Telegraphen- und Telephonverkehr (Telegraphen- und Telephonverkehrsgesetz, TVG) hafteten die PTT-Betriebe nicht für Störungen und Hindernisse im Telephonbetrieb, und das Verantwortlichkeitsgesetz sei nicht anwendbar. C.- Mit der vorliegenden Klage vom 11. Juli 1968 gegen die Schweizerische Eidgenossenschaft (PTT-Betriebe) hält die Organchemie AG an ihrer Forderung fest. Es wird geltend gemacht, das TVG lasse die Haftung des Bundes aus dem Telephonverkehr zu, soweit es sie nicht ausdrücklich ausschliesse. Art. 35 TVG müsse in diesem Sinne verstanden werden. Einzig für Störungen und Hindernisse im Telephonbetrieb hafte der Bund nicht ( Art. 37 TVG ). Hier handle es sich nicht um einen solchen Tatbestand, wohl aber um einen Vorgang des Telephonverkehrs, nämlich um eine fehlerhafte "Abonnementsbearbeitung". Der gemeinsame Anschluss mehrerer Telephonlinien an das Ortsnetz sei im Gesetz vorgesehen und technisch möglich. Im vorliegenden Fall hätte es lediglich einer richtigen Anordnung des zuständigen Beamten bedurft. Die falsch eingerichtete Anlage habe gar nicht in Betrieb genommen werden können. Für die Folgen des vom Sachbearbeiter begangenen Fehlers hafte der Bund nach Art. 35 TVG . BGE 95 I 283 S. 286 Auf jeden Fall habe er dafür nach Art. 3 Abs. 1 VG einzustehen. Abs. 2 daselbst schliesse dies nicht aus. Der Geschädigte dürfe unter der Herrschaft des neuen Verantwortlichkeitsgesetzes nicht schlechter gestellt werden, als er es unter der Geltung des alten Gesetzes von 1850 gewesen sei. Das neue Gesetz habe seine Stellung verbessert, indem es ihm einen direkten Anspruch gegen den Bund eingeräumt habe. D.- Die Schweizerische Eidgenossenschaft beantragt die Abweisung der Klage. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Die Klage wird in erster Linie auf das TVG gestützt. Die Klägerin macht demnach einen in der Bundesgesetzgebung begründeten Anspruch gegen den Bund aus öffentlichem Recht geltend. Der in Art. 3 Abs. 3 des PTT-Organisationsgesetzes vom 6. Oktober 1960 bezeichnete Streitwert von 8000 Franken ist überschritten. Entsprechend Art. 13 der Vollziehungsverordnung vom 26. Mai 1961 zu diesem Gesetz ist die Klage gegen die Schweizerische Eidgenossenschaft (PTT-Betriebe) gerichtet. Das Bundesgericht ist als einzige Instanz im Sinne des Art. 110 OG zur Beurteilung einer solchen aus dem TVG abgeleiteten Klage zuständig ( BGE 94 I 171 /172). In zweiter Linie wird die Klage auf das VG gestützt. Auch nach dieser Begründung ist das Bundesgericht als einzige Instanz gemäss Art. 110 OG zuständig ( Art. 10 Abs. 1 VG ). Die Klägerin hat den aus dem VG abgeleiteten Anspruch vorschriftsgemäss zunächst der Verwaltung und sodann rechtzeitig dem Bundesgericht unterbreitet ( Art. 10 Abs. 2, Art. 20 VG ). 2. Das TVG ordnet in seinem Abschnitt IV (Art. 35-37) die Haftpflicht der PTT-Betriebe aus dem Telegraphen- und Telephonverkehr. Art. 35 enthält allgemeine Bestimmungen, Art. 36 betrifft den Telegraphenverkehr und Art. 37 den Telephonverkehr. Im vorliegenden Fall kommen nur die Art. 35 und 37 in Betracht. Durch Art. 35 Abs. 1 wird die Haftpflicht der Verwaltung "auf den in diesem Gesetz umschriebenen Umfang beschränkt". Nach Art. 37 Abs. 1 haften die PTT-Betriebe "nicht für die Folgen von Störungen und Hindernissen im Telephonbetrieb". In BGE 94 I 173 (oben) hat das Bundesgericht angenommen, das Wort "Telephonverkehr" in Art. 35 Abs. 1 bezeichne einen weiteren Begriff als das Wort BGE 95 I 283 S. 287 "Telephonbetrieb" in Art. 37 Abs. 1. Dagegen liesse sich einwenden, dass auch im Randtitel des Art. 37 vom "Telephonverkehr" die Rede ist; es erscheint nicht als ausgeschlossen, dass der im Absatz 1 dieses Artikels verwendete Ausdruck "Telephonbetrieb" dasselbe bedeutet wie das im Randtitel stehende Wort. Doch kann dies dahingestellt bleiben. Denn auch wenn man mit der Klägerin annimmt, der Ausdruck "Telephonbetrieb" in Art. 37 Abs. 1 TVG habe einen engeren Sinn und bedeute dasselbe, was Art. 1 Abs. 2 der Vollziehungsverordnung I zum TVG vom 1. Juni 1942 als "Betreiben" bezeichnet, so folgt daraus nichts zu ihren Gunsten. Unter dem "Betrieb" ist dann der "Gebrauch" der Anlage "zum Senden oder Empfangen von Zeichen, Bildern oder Lauten" zu verstehen. Auch wenn von diesem Begriff auszugehen ist, war das, was sich bei der Klägerin am 14. August 1967 gezeigt hat, eine Störung im Sinne des Art. 37 Abs. 1 TVG . Es trifft nämlich nicht zu, dass die neue Anlage damals überhaupt nicht in Betrieb genommen werden konnte. Sie konnte vom Personal der Klägerin für ausgehende Gespräche in vollem Umfang benützt werden. Sie konnte aber auch für eingehende Gespräche benützt werden. Wie die Klägerin in der Replik selber darlegt, war die Linie 91 19 20 am 14. August 1967 "für die eingehenden Gespräche praktisch ständig besetzt". Die Störung bestand darin, dass Anrufer, welche die Klägerin über die Nummer 91 19 20 erreichen wollten, das Besetzt-Zeichen vernahmen, wenn auf dieser Linie bereits ein Gespräch geführt wurde, statt dass sie automatisch auf eine der übrigen Linien geschaltet worden wären. Es handelt sich um eine Störung im Telephonbetrieb, die auf ein technisches Hindernis in der Anlage der PTT zurückzuführen war. Das Hindernis bewirkte, dass für die eingehenden Gespräche nur eine einzige Linie funktionierte, während für die ausgehenden Gespräche 14 weitere Linien benützbar waren. Das ist aber ein Sachverhalt, für dessen Folgen die PTT-Betriebe nach Art. 37 Abs. 1 TVG - auch bei enger Auslegung des Ausdrucks "Telephonbetrieb" - nicht haften. 3. Allerdings unterliegt keinem Zweifel, dass für die Betriebsstörung das Personal der PTT-Betriebe verantwortlich ist. Die zuständigen Beamten waren nach der gesetzlichen Ordnung verpflichtet, der Klägerin eine für die ein- und ausgehenden Gespräche gleichermassen brauchbare Linien- und BGE 95 I 283 S. 288 Nummernreihe zuzuteilen. Sie hätten die Zuteilung so vornehmen müssen, dass die technische Besonderheit der Telephonzentrale Kilchberg sich nicht zum Nachteil der Klägerin ausgewirkt hätte. Wenn sie dies getan hätten, wäre die Betriebsstörung vermieden worden. Enthielte das TVG keine Bestimmungen über die Haftpflicht der Verwaltung, so würde daher der Bund laut Art. 3 Abs. 1 VG für die Folgen des von den PTT-Beamten begangenen Fehlers haften. Nun bestimmt aber Art. 3 Abs. 2 VG , dass "bei Tatbeständen, welche unter die Haftpflichtbestimmungen anderer Erlasse fallen, die Haftung des Bundes sich nach jenen besonderen Bestimmungen richtet". Das bedeutet, dass das VG in allen Bereichen nicht anwendbar ist, für welche das übrige Bundesrecht eine Haftung des Bundes vorsieht oder ausschliesst (StenBull StR 1956 S. 325; BGE 94 I 172 Erw. 3). Da der vorliegende Tatbestand unter die Haftpflichtbestimmungen des TVG fällt, lässt sich der Anspruch der Klägerin auch nicht auf das VG stützen. 4. Der Klägerin hilft auch der Einwand nicht, dass das "missverstandene Legalitätsprinzip" mit einer "modernen rechtsstaatlichen Auffassung" nicht vereinbar sei. Das Legalitätsprinzip besagt, dass der Staat für Schaden, den seine Beamten einem Bürger rechtswidrig zufügen, nur einzustehen hat, wenn ein Rechtssatz dies ausdrücklich vorsieht ( BGE 63 II 30 /31, BGE 68 II 217 /218, BGE 77 I 95 ; dazu O. K. KAUFMANN, Verhandlungen des Schweizerischen Juristenvereins 1953, ZSR 72 S. 352 a ff., und P. GRAFF, daselbst S. 465 a, ferner O. K. KAUFMANN in "Haftung des Staates für rechtswidriges Verhalten seiner Organe", 1967, S. 559). Hier geht es nicht um dieses Prinzip, sondern darum, ob eine Haftung des Staates für eine rechtswidrige Schädigung eines Privaten durch Beamte bestehe, obwohl zwei verfassungsmässig zustande gekommene Bundesgesetze sie ausdrücklich aus schliessen. Diese Frage stellen heisst sie verneinen. Nach Art. 113 Abs. 3 und Art. 114 bis Abs. 3 BV ist das Bundesgericht an die Bundesgesetze gebunden. 5. Richtig ist, dass die Klägerin als Geschädigte unter der Herrschaft des VG schlechter gestellt ist, als sie es unter der Geltung des BG vom 9. Dezember 1850 über die Verantwortlichkeit der eidgenössischen Behörden und Beamten gewesen wäre. Damals hätte sie von den fehlbaren Beamten Schadenersatz fordern können. Nach Art. 3 Abs. 3 VG ist das nunmehr ausgeschlossen. BGE 95 I 283 S. 289 Dies zu ändern kann nicht Aufgabe des Richters sein. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Klage wird abgewiesen.
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Urteilskopf 81 IV 161 35. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 13. Mai 1955 i.S. Bieri gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich.
Regeste Art. 154 StGB , Art. 38 LMG . Wer den Tatbestand beider Bestimmungen erfüllt, ist unter Anwendung des Art. 68 StGB nach beiden zu bestrafen, und zwar auch bei vorsätzlicher Begehung (Änderung der Rechtsprechung).
Erwägungen ab Seite 161 BGE 81 IV 161 S. 161 Aus den Erwägungen: In BGE 69 IV 112 wurde daraus, dass der an Stelle des Art. 37 LMG getretene Art. 154 StGB eine schärfere Strafandrohung enthält als Art. 38 Abs. 2 und 3 LMG , der im Verhältnis zu Art. 37 LMG Sondernorm für qualifizierte Fälle gewesen sei, geschlossen, Art. 38 Abs. 2 gelte, in Verbindung mit Abs. 4, nur noch für fahrlässiges Inverkehrbringen gesundheitsschädlicher oder lebensgefährlicher Lebensmittel oder Gebrauchs- oder Verbrauchsgegenstände, während die vorsätzliche Tat fortan unter Art. 154 Ziff. 1 StGB falle; denn es könne nicht der Sinn des Gesetzes sein, dass das Merkmal, das die Fälle unter altem Recht als strafwürdiger erscheinen liess (Gesundheitsschädlichkeit, Lebensgefährlichkeit), sie heute privilegiere. An dieser Rechtsprechung kann nicht festgehalten werden. Sie verkennt, dass Art. 154 StGB und Art. 38 Abs. 2 und 3 LMG nicht das gleiche Rechtsgut schützen. Erstere Bestimmung dient dem Schutz des Vermögens (vgl. Überschrift zum zweiten Titel, Art. 137 ff.). Sie umschreibt einen betrugsähnlichen Tatbestand, indem sie sinngemäss wie Art. 153 StGB Täuschungsabsicht verlangt ( BGE 71 IV 12 ). Sie soll Gewähr bieten, dass der Erwerber nicht eine Ware erhalte, die er nur zu geringerem Preise oder BGE 81 IV 161 S. 162 überhaupt nicht erstehen würde, wenn sie so zusammengesetzt wäre, wie ihr Aussehen, ihre Bezeichnung oder ihre Aufmachung vortäuschen. Ob die Ware Mängel aufweise, die der Gesundheit oder dem Wohlbefinden von Menschen abträglich sein könnten, lässt Art. 154 (wie Art. 153 StGB ) ausser Betracht (81 IV 100). Art. 38 Abs. 2 und 3 LMG dagegen erfasst das Inverkehrbringen der Ware gerade unter diesem Gesichtspunkt, schützt dagegen das Vermögen nicht. Diese Bestimmung dient dem Schutze der Gesundheit und des Lebens und gilt daher neben Art. 154 StGB auch für vorsätzliche Begehung weiter. Dass man sie nicht aufzuheben gedachte, ergibt sich ausser aus Art. 398 Abs. 2 lit. f StGB auch daraus, dass der Entwurf des Bundesrates zum Strafgesetzbuch sie durch eine in dieses Gesetz aufzunehmende besondere Bestimmung (Art. 201 des Entwurfes) ersetzen lassen wollte (vgl. Art. 422 Abs. 2 lit. k des Entwurfes), die eidgenössischen Räte dies jedoch ablehnten - und auch den dem Art. 38 Abs. 1 LMG entsprechenden Art. 200 betreffend das Herstellen gesundheitsschädlicher Waren strichen -, mit der Begründung, die Ordnung dieser Fälle werden dem Bundesgesetz betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen als dem Sondergesetze überlassen, das nötigenfalls dem Strafgesetzbuche angepasst werden könne (vgl. StenBull, Sonderausgabe, NRat 438 f., StR 203 f.). Dass diese Anpassung unterblieb, ändert nichts daran, dass Art. 38 Abs. 2 und 3 LMG neben Art. 154 Ziff. 1 StGB Platz hat. Wer beide Bestimmungen verletzt, ist nach den Grundsätzen über das Zusammentreffen strafbarer Handlungen ( Art. 68 StGB ) nach beiden zu bestrafen, da keine das Unrecht der Tat nach allen Seiten abgilt. Das ist auch nicht unbillig. Wer ein Lebensmittel, einen Gebrauchs- oder einen Verbrauchsgegenstand in Verkehr bringt, der nicht nur gefälscht, sondern ausserdem gesundheitsschädlich oder sogar lebensgefährlich ist, verdient strengere Strafe, als wer eine Ware in Verkehr bringt, die nur nach der einen oder nach der andern Richtung zu beanstanden ist.
null
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1,955
CH_BGE
CH_BGE_006
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Urteilskopf 117 Ia 421 66. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 12. Dezember 1991 i.S. X. gegen X. und Obergericht des Kantons Thurgau (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Art. 4 BV ; Vertrauensschutz bei unzutreffender Rechtsmittelbelehrung. Angabe der für den ordentlichen Prozess geltenden Berufungsfrist in einem Entscheid, der im beschleunigten Verfahren ergangen ist, wo sämtliche Fristen der kantonalen Zivilprozessordnung auf die Hälfte verkürzt sind (§ 151 Ziff. 2 der thurgauischen ZPO).
Sachverhalt ab Seite 421 BGE 117 Ia 421 S. 421 Das zuständige Bezirksgericht verpflichtete A.X. mit Urteil vom 12. September/3. Oktober 1990, seiner mündigen Tochter B.X., die gegen ihn eine Unterhaltsklage erhoben hatte, mit Wirkung ab 1. August 1989 für die Dauer von zwei Jahren oder bis zu einem allfälligen Schulabschluss monatlich und im voraus Fr. 400.-- zu bezahlen. Das Urteil enthielt folgende Rechtsmittelbelehrung: "Gegen dieses Urteil kann binnen 10 Tagen seit Zustellung bei der Gerichtskanzlei ... Berufung erklärt werden. Die Eingabe hat schriftlich im Doppel zu erfolgen." Der Entscheid wurde dem Anwalt von A.X. am 4. Oktober 1990 zugestellt. Mit Eingabe vom 15. Oktober 1990 erklärte dieser die Berufung an das Obergericht des Kantons Thurgau. Mit Beschluss vom 16. April 1991 trat das Obergericht auf die Berufung nicht ein. Es begründete seinen Entscheid im wesentlichen damit, dass nach dem Gesetz über die Zivilrechtspflege (Zivilprozessordnung) des Kantons Thurgau vom 6. Juli 1988 (ZPO) Streitigkeiten über die Unterhaltspflicht gemäss Art. 279 ZGB im beschleunigten Verfahren zu behandeln und dass in einem solchen Verfahren sämtliche Fristen auf die Hälfte herabgesetzt seien. Die Berufung hätte deshalb innert fünf Tagen erklärt werden müssen und sei somit verspätet. Der Anwalt von A.X. BGE 117 Ia 421 S. 422 hätte bei der gebotenen Aufmerksamkeit erkennen können, dass die von der ersten Instanz angegebene Berufungsfrist unrichtig gewesen sei, und er hätte sich deshalb nicht auf die im erstinstanzlichen Urteil enthaltene Rechtsmittelbelehrung verlassen dürfen. Gegen diesen ihm am 12. August 1991 zugestellten Entscheid hat A.X. staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV erhoben. Er beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheids. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. a) Die bundesgerichtliche Rechtsprechung leitet aus Art. 4 BV ein Recht auf Vertrauensschutz ab, das unter anderem beinhaltet, dass falsche Auskünfte von Behörden unter bestimmten Voraussetzungen eine vom materiellen Recht abweichende Behandlung des Rechtsuchenden gebieten. Ein wichtiger Anwendungsfall dieses verfassungsmässigen Rechts besteht darin, dass einer Partei aus einer fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung grundsätzlich kein Nachteil erwachsen darf. Aufgrund einer unrichtigen Auskunft kann sich daher eine gesetzliche Frist im Einzelfall entsprechend verlängern (vgl. BGE 115 Ia 18 f. E. 4a; BGE 114 Ia 106 f. E. 2a und dort zitierte Entscheide). Diese Rechtsprechung ist allerdings an den Vorbehalt geknüpft worden, dass sich nur derjenige auf eine fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung berufen kann, der die Unrichtigkeit nicht kennt und auch bei gebührender Aufmerksamkeit nicht hätte erkennen können. Nur grobe Fehler einer Partei oder ihres Vertreters sollen aber dazu führen, eine falsche Rechtsmittelbelehrung aufzuwiegen. Das Bundesgericht hat in seiner bisherigen Rechtsprechung einen solchen Fehler bejaht und den Vertrauensschutz dementsprechend versagt, wo eine Partei oder ihr Anwalt die Fehlerhaftigkeit der Rechtsmittelbelehrung durch Konsultierung des massgebenden Gesetzestextes allein hätte erkennen können; nicht verlangt wurde hingegen, dass neben dem Gesetzestext auch noch die einschlägige Rechtsprechung oder Literatur hätte nachgeschlagen werden müssen (vgl. BGE 112 Ia 310 E. 3 sowie insbesondere BGE 106 Ia 16 ff. E. 3). b) Im vorliegenden Fall steht fest, dass der Beschwerdeführer durch einen Anwalt vertreten war, der mit dem Zivilprozessrecht des Kantons Thurgau gut vertraut ist. Aus § 151 Ziff. 2 ZPO geht klar hervor, dass im beschleunigten Verfahren sämtliche Fristen BGE 117 Ia 421 S. 423 dieses Gesetzes auf die Hälfte herabgesetzt sind. Aufgrund dieser Bestimmung war somit an sich klar erkennbar, dass die Berufungsfrist, die ordentlicherweise zehn Tage beträgt ( § 225 Abs. 1 ZPO ), in Fällen, die in das beschleunigte Verfahren verwiesen sind, nur fünf Tage dauert. Daraus kann allerdings noch nicht der Schluss gezogen werden, es sei als grober Fehler im Sinne der erwähnten Rechtsprechung zu betrachten, dass der Anwalt des Beschwerdeführers sich auf die ihm mitgeteilte Rechtsmittelbelehrung verlassen habe, ohne das Gesetz zu konsultieren. Das Erkennen der Fehlerhaftigkeit der Rechtsmittelbelehrung setzte nämlich das Bewusstsein des Anwalts voraus, dass die gegen seinen Klienten angestrengte Unterhaltsklage den besonderen Vorschriften des beschleunigten Verfahrens unterliege. Die Aufzählung in § 150 ZPO zeigt, dass die im beschleunigten Verfahren zu behandelnden Fälle sehr verschiedenartig sind; für den Praktiker ist es deshalb nicht immer einfach, sich zu vergegenwärtigen, ob ein bestimmter Streitfall diesem Verfahren unterliege. Es ist nach dem Gesagten verständlich, wenn ein Anwalt, der wie hier die beklagte Partei vertrat, sich also mit einer Klage zu befassen hatte, die beim Gericht bereits hängig war, bei der Entgegennahme des erstinstanzlichen Urteils nicht gleich daran denkt, die Berufungsfrist könnte entgegen der ihm erteilten Rechtsmittelbelehrung nicht die übliche, sondern eine aufgrund von § 151 Ziff. 2 ZPO verkürzte sein. Dies gilt mindestens in einem Fall wie dem vorliegenden, wo nichts im erstinstanzlichen Urteil darauf hindeutete, dass die beurteilte Streitigkeit den Bestimmungen des beschleunigten Verfahrens unterstand. Kann aber im Umstand, dass der Anwalt des Beschwerdeführers die ihm mitgeteilte Berufungsfrist nicht von vornherein als fehlerhaft erkannte und diese auch nicht weiter auf ihre Richtigkeit hin prüfte, kein schwerwiegender Fehler erblickt werden, muss es beim Grundsatz bleiben, dass dem Beschwerdeführer aus der unrichtigen Rechtsmittelbelehrung kein Nachteil erwachsen darf. Es verstösst daher gegen das sich aus Art. 4 BV ergebende Recht auf Vertrauensschutz, dass das Obergericht die Berufung als verspätet erachtet hat und aus diesem Grunde darauf nicht eingetreten ist. c) Zum gleichen Ergebnis führt die Überlegung, dass die Vermeidung von Rechtsnachteilen im Falle der Befolgung unrichtiger Rechtsmittelbelehrungen auf der Ebene des Bundesrechts sogar positivrechtlich geregelt worden ist (vgl. Art. 107 Abs. 3 OG und Art. 38 VwVG ). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung BGE 117 Ia 421 S. 424 kommt diesen Gesetzesbestimmungen eine allgemeine Tragweite zu (vgl. 105 Ib 160 E. 5; 96 II 72 ; 96 III 99 ). Ein Vorbehalt, der den Vertrauensschutz beschränken würde, kann den genannten Bestimmungen nicht entnommen werden. Dies spricht dafür, dass der Schutz des Vertrauens nur in seltenen Ausnahmefällen zu versagen ist. Abgesehen von den Situationen, in denen der Adressat die Unrichtigkeit der Rechtsmittelbelehrung ohnehin selbst erkannt hat, liegt ein solcher Fall einzig dann vor, wenn er sie hätte erkennen müssen. Davon kann hier nicht die Rede sein ...
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Urteilskopf 88 II 465 66. Urteil der I. Zivilabteilung vom 27. Dezember 1962 i.S. Haldimann gegen Felina GmbH.
Regeste Verwechselbarkeit von Wortmarken. Art. 6 MSchG .
Sachverhalt ab Seite 465 BGE 88 II 465 S. 465 A.- Die Felina GmbH in Mannheim ist Inhaberin der Marke "Felina", die in verschiedenen Ausführungen im internationalen Register eingetragen ist. Die erste Eintragung erfolgte 1923; gegenwärtig bestehen die Eintragungen Nr. 113 133, 158 347 und 204 349. Die Marke war ursprünglich nur für Büstenhalter bestimmt; in der Folge BGE 88 II 465 S. 466 wurde jedoch das Warenverzeichnis verschiedentlich erweitert und enthält nun für die am 25. Oktober 1957 eingetragene Marke Nr. 204 349 neben besonderen Angaben, wie "Corsages à savoir soutien-gorge, corsets, gaines, ceintures pour jarretières" auch die allgemeine Bezeichnung "lingerie pour hommes et femmes". Der Wäschefabrikant Paul Haldimann liess am 24. März 1959 im schweizerischen Markenregister unter der Nr. 175 241 die für "Herren- und Damenunterwäsche" bestimmte Marke florina die Feinwäsche für Sie eintragen. Am 6. Juli 1959 hinterlegte er die gleiche Marke unter Nr. 221 702 im internationalen Register für "sousvêtements pour messieurs et dames". B.- Mit Klage vom 18. Dezember 1961 beantragte die Felina GmbH, es sei festzustellen, dass die schweizerische und internationale Marke Haldimanns nichtig sei, da sie sich von ihrer älteren Marke "Felina" nicht genügend unterscheide, und es sei dem Beklagten der Gebrauch der nichtigen Marke zu untersagen. Der Beklagte bestritt das Bestehen einer Verwechslungsgefahr und beantragte demgemäss Abweisung der Klage. C.- Das Obergericht des Kantons Basel-Landschaft erkannte mit Urteil vom 31. August 1962: "1. Es wird festgestellt, dass die schweizerische Marke Nr. 175 241 samt der zugehörigen IR-Marke Nr. 221 702 des Beklagten nichtig ist. 2. Dem Beklagten wird der Gebrauch der nichtigen Marke verboten. Für den Fall der Übertretung des Verbotes wird ihm Bestrafung mit Haft oder Busse gemäss Art. 292 StGB angedroht. 3. Bis zum Ablauf von 6 Monaten nach Rechtskraft dieses Urteils ist es dem Beklagten gestattet, die am Urteilstage bereits vorhandene und mit der nichtigen Wortmarke "florina" bezeichnete Wäsche abzustossen." D.- Gegen dieses Urteil hat der Beklagte die Berufung an das Bundesgericht ergriffen mit dem erneuten Antrag auf Abweisung der Klage. BGE 88 II 465 S. 467 Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Gemäss Art. 4 Abs. 1 der Madrider Übereinkunft betr. die internationale Eintragung der Fabrik- oder Handelsmarken (Fassung von London 1934) geniessen die im internationalen Register eingetragenen Marken der Klägerin in der Schweiz den gleichen Schutz, wie wenn sie unmittelbar im schweizerischen Register eingetragen worden wären. 2. Da die Zeichen beider Parteien für Waren bestimmt sind, die nicht gänzlich voneinander abweichen, hat gemäss Art. 6 MSchG die Marke des Beklagten nur Bestand, wenn sie sich von der bereits früher eingetragenen Marke der Klägerin durch wesentliche Merkmale unterscheidet und als Ganzes betrachtet nicht leicht zu einer Verwechslung Anlass geben kann. Die Vorinstanz hat eine genügende Unterscheidbarkeit der Marken der Parteien verneint. Mit der Berufung hält der Beklagte daran fest, dass eine Verwechslungsgefahr nicht bestehe. 3. Gegen die Verwechselbarkeit soll nach der Ansicht des Beklagten einmal sprechen, dass die Wortstämme "flor" und "Fel" nichts Gemeinsames hätten. Dem kann nicht beigepflichtet werden. Beide Wortstämme beginnen mit dem Buchstaben f, dem an zweiter bezw. dritter Stelle ein l folgt. Die Verbindung dieser beiden Konsonanten gibt den beiden Wortstämmen das Gepräge. Der Vokal, der für den Wortklang in der Regel entscheidende Bedeutung hat, ist allerdings verschieden. Die Wirkung dieses Unterschiedes wird aber dadurch vermindert, dass in beiden Marken der Wortstamm unbetont ist. Vor allem aber müssen für die Beurteilung der Verwechselbarkeit die in Frage stehenden Marken als Ganzes betrachtet werden, weil es auf den Gesamteindruck ankommt ( BGE 87 II 36 und dort erwähnte Entscheide). Im vorliegenden Falle weisen die beiden Marken neben dem Wortstamm noch den Zusatz "- ina" auf. Dadurch BGE 88 II 465 S. 468 wird die Ähnlichkeit der beiden Marken erheblich verstärkt, vor allem auch wegen der Übereinstimmung in der Betonung des Buchstabens i. Aber nicht nur im Wortklang, sondern auch im Schriftbild bewirkt die gemeinsame Endung eine starke Annäherung. Die Marke "florina" zählt 7 Buchstaben, die Marke "Felina" deren 6; 5 von ihnen sind beiden Marken gemeinsam. Der Verschiedenheit des Druckes ist bei Wortmarken keine grosse Bedeutung beizumessen ( BGE 84 II 316 und dort erwähnte Entscheidungen). Ebenso ist unerheblich, dass "Felina" als reine Phantasiebildung erscheint, während bei der Marke "florina" der Wortstamm den Gedanken an etwas Blumenhaftes oder an die Stoffart Flor hervorrufen kann. Denn diese Annäherung an einen Sinngehalt ist zu schwach und zu unbestimmt, als dass er gegenüber dem ähnlichen Klang- und Wortbild ins Gewicht zu fallen vermöchte. Man könnte sich nun allerdings fragen, ob bei der Beurteilung der Verwechselbarkeit der beiden Marken der Endung "-ina" das gleiche Gewicht beigelegt werden dürfe wie dem Wortstamm. Der Beklagte bestreitet dies unter Hinweis auf die Feststellung der Vorinstanz, dass die Endung "-ina" in der Branche häufig anzutreffen sei. Die Wahl einer nicht sehr unterscheidungskräftigen Endung könnte jedoch nur dann von ausschlaggebender Bedeutung sein, wenn die Verwechslungsgefahr ausschliesslich durch sie geschaffen würde. Das trifft im vorliegenden Fall nicht zu. Gewiss ist die Gleichheit der Endung von Einfluss auf die Grösse der Verwechslungsgefahr. Aber diese besteht, wie dargelegt wurde, schon beim Wortstamm und wird durch die gemeinsame Endung nur noch verschärft. 4. Der Beklagte wendet ein, die Unterscheidbarkeit der beiden Marken werde dadurch erhöht, dass seine Marke den Zusatz "die Feinwäsche für Sie" aufweise. Wie jedoch die Vorinstanz mit Recht erklärt, wird der Gesamteindruck einer Marke vorwiegend durch den Hauptbestandteil bestimmt, da dieser in die Augen BGE 88 II 465 S. 469 springt, während reklamehafte Zusätze schon wegen ihrer Länge weniger im Gedächtnis haften bleiben und darum von untergeordneter Bedeutung sind. 5. Der Beklagte wendet sich weiter gegen die Feststellung der Vorinstanz, die Käufer der Waren beider Parteien rekrutierten sich aus der breiten Masse des Volkes, also hauptsächlich aus Leuten, die subtilen Unterschieden der Marken einfacher Gebrauchsartikel keine besondere Beachtung schenkten, weshalb an die Unterscheidbarkeit hohe Anforderungen zu stellen seien. Demgegenüber macht der Beklagte geltend, dass die Käuferinnen von Feinwäsche heikel und durchaus in der Lage seien, dem Verkäufer ihre Wünsche genau zu umschreiben. Da für andere Textilprodukte dieser Art ähnliche Marken existierten, werde das Publikum veranlasst, die einzelnen Marken mit vermehrter Aufmerksamkeit zu betrachten. Die Vorinstanz hat die vom Beklagten angefochtene Feststellung nicht auf Grund von Beweiserhebungen getroffen, sondern sich von der allgemeinen Lebenserfahrung leiten lassen. Schlussfolgerungen, die sich auf diese stützen, sind nach ständiger Rechtsprechung vom Bundesgericht frei überprüfbar ( BGE 69 II 204 ff. Erw. 5). Es besteht jedoch kein Anlass, im vorliegenden Falle von der Auffassung der Vorinstanz abzuweichen. Denn erfahrungsgemäss werden im allgemeinen Gebrauchsartikel der hier in Frage stehenden Art ohne grosse Aufmerksamkeit erstanden, weshalb die Mehrheit der Käuferschaft verhältnismässig leicht der irrtümlichen Annahme zum Opfer fallen dürfte, eine ihr angebotene Ware sei von der gewünschten Marke. Die Vorinstanz hat daher mit Recht an die Unterscheidbarkeit der zu vergleichenden Marken einen strengen Masstab angelegt, zumal ja der Käufer die Marken in der Regel nicht nebeneinander sieht, sondern auf das Erinnerungsbild abstellen muss, das er von der einen Marke hat ( BGE 87 II 37 und dort erwähnte Entscheide). BGE 88 II 465 S. 470 6. Der Beklagte behauptet schliesslich, der angefochtene Entscheid stehe mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht im Einklang, weil die hier einander gegenüberstehenden Marken nicht den gleichen Wortstamm hätten. Das Bundesgericht hat jedoch schon wiederholt Verwechslungsgefahr angenommen bei Marken, deren Wortstamm zwar an sich verschieden, aber doch so ähnlich war, dass dem jüngeren Zeichen als Ganzes genommen die unterscheidende Kraft fehlte (vgl. BGE 36 II 428 : Honneur-Bonheur; BGE 47 II 363 : Glygis-Hygis; BGE 52 II 166 : Coro-Hero; BGE 55 II 155 : Valvoline-Havoline; BGE 70 II 189 : Figor-Cafidor). Der Entscheid der Vorinstanz hält sich in dem durch diese Rechtsprechung gezogenen Rahmen und kann daher nicht beanstandet werden. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Kantons Basel-Landschaft vom 31. August 1962 bestätigt.
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07f9112f-c89b-4ff6-b1d8-8ee286b6e3af
Urteilskopf 126 V 5 2. Arrêt du 25 janvier 2000 dans la cause S. contre Office de l'assurance-invalidité du canton de Genève et Commission cantonale de recours en matière d'AVS/AI, Genève
Regeste Art. 6 Abs. 2 IVG ; Art. 18 Abs. 2 AHVG ; Ziff. 2 Abs. 4 in Verbindung mit Ziff. 1 lit. h der Übergangsbestimmungen der 10. AHV-Revision: Invalidenrente und Übergangsrecht. Ist die Invalidität vor dem 1. Januar 1997 eingetreten und die Rentenberechtigung eines Leistungsansprechers (Angehöriger eines Staates, mit welchem die Schweiz kein Sozialversicherungsabkommen geschlossen hat) verneint worden, weil er nicht während zehn vollen Jahren Beiträge geleistet oder ununterbrochen während fünfzehn Jahren in der Schweiz Wohnsitz gehabt hat, kann eine solche Rente nunmehr beansprucht werden, wenn die nach neuem Recht ( Art. 6 Abs. 2 IVG ) erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Dazu gehört, dass bei Eintritt der Invalidität während mindestens eines vollen Jahres Beiträge geleistet worden sind.
Sachverhalt ab Seite 6 BGE 126 V 5 S. 6 A.- Né en 1944, ressortissant de l'Etat X, S. est entré en Suisse le 20 mars 1987 pour y déposer une demande d'asile qui a été rejetée. Il a quitté la Suisse le 11 septembre 1995 pour se rendre en Israël, où il a séjourné jusqu'au 18 juin 1996, date à laquelle il est revenu en Suisse. Depuis le 27 février 1997, il est au bénéfice d'un permis B. S. souffre depuis son enfance d'un asthme qui s'est brutalement décompensé en 1979 et qui a nécessité une quinzaine d'hospitalisations en urgence jusqu'en mars 1987. En 1986, il a subi une lobectomie supérieure gauche. Depuis le mois de janvier 1988, il est soigné par le docteur P. Depuis lors, son état s'est plus ou moins stabilisé, bien qu'il présente un syndrome obstructif modéré à sévère quatre à cinq fois par année. Il souffre par ailleurs d'un retard mental d'origine probablement organique. Son médecin traitant le décrit en outre comme psychiquement très fragile, à la suite d'épisodes de tortures subies dans son pays d'origine. S. a été reconnu invalide dans son pays d'origine (décision du 1er juillet 1986). De ce fait, il a perçu, momentanément tout au moins, une rente d'invalidité de la Direction des assurances-vieillesse de la Ville Z (Etat X). B.- Le 5 mai 1992, S. a présenté une demande de rente de l'assurance-invalidité. Par décision du 10 août 1992, la Caisse cantonale genevoise de compensation l'a rejetée, au motif que le requérant, ressortissant d'un pays avec lequel la Suisse n'avait conclu aucune convention de sécurité sociale, ne comptait pas dix années entières de cotisations ou quinze années ininterrompues de domicile en Suisse au moment de la survenance de l'invalidité, fixée par la commission de l'assurance-invalidité au 1er juin 1988. C.- Le 17 juin 1997, S. a présenté une nouvelle demande de rente. Le 2 juin 1998, l'Office de l'assurance-invalidité du canton de Genève a rejeté cette deuxième demande, considérant que la survenance de l'invalidité était antérieure à l'entrée en Suisse de l'assuré (20 mars 1987). D.- Par jugement du 18 janvier 1999, la Commission cantonale genevoise de recours en matière d'AVS/AI a rejeté le recours formé contre cette décision par S. BGE 126 V 5 S. 7 E.- S. interjette un recours de droit administratif dans lequel il conclut derechef au versement d'une rente de l'assurance-invalidité. L'office de l'assurance-invalidité conclut au rejet du recours. Quant à l'Office fédéral des assurances sociales (OFAS), il ne s'est pas déterminé à son sujet. Erwägungen Considérant en droit : 1. a) Selon l' art. 6 al. 2 LAI , en vigueur jusqu'au 31 décembre 1996, les étrangers et les apatrides n'avaient droit aux prestations (sous réserve de l' art. 9 al. 3 LAI ) qu'aussi longtemps qu'ils conservaient leur domicile civil en Suisse et que si, lors de la survenance de l'invalidité, ils comptaient au moins dix années entières de cotisations ou quinze années ininterrompues de domicile en Suisse. Cette disposition - qui apparaissait contestable sous l'angle du droit à l'égalité de traitement ( ATF 121 V 247 consid. 1b) - a été modifiée avec l'entrée en vigueur de la dixième révision de l'AVS, le 1er janvier 1997. En effet, aux termes du nouvel art. 6 al. 2 LAI , les étrangers ont droit aux prestations, sous réserve de l' art. 9 al. 3 LAI , aussi longtemps qu'ils conservent leur domicile et leur résidence habituelle en Suisse, mais seulement s'ils comptent, lors de la survenance de l'invalidité, au moins une année entière de cotisations (cf. art. 36 al. 1 LAI ) ou dix années de résidence ininterrompue en Suisse. Par cet assouplissement de la réglementation en matière d'assurance-invalidité, le législateur a adopté un régime analogue à celui prévu à l' art. 18 al. 2 LAVS , relatif aux rentes de l'AVS en faveur des étrangers et de leurs survivants qui ne possèdent pas la nationalité suisse (Message concernant la dixième révision de l'assurance-vieillesse et survivants du 5 mars 1990, FF 1990 II 113; MEYER-BLASER, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (IVG), in: MURER/STAUFFER [Hrsg.], Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Sozialversicherungsrecht, Zurich 1997, p. 36 sv.). Demeurent toutefois réservées les dispositions dérogatoires des conventions bilatérales de sécurité sociale conclues par la Suisse avec un certain nombre d'Etats pour leurs ressortissants respectifs. En l'occurrence, la Suisse n'a toutefois pas conclu de convention de sécurité sociale avec le pays d'origine du recourant. b) Selon l' art. 36 al. 2 LAI , les dispositions de la LAVS sont (sous réserve de l' art. 36 al. 3 LAI ) applicables par analogie au calcul des rentes ordinaires (voir à ce propos ATF 124 V 159 ); le Conseil fédéral peut édicter des prescriptions complémentaires. Selon l' art. 32 BGE 126 V 5 S. 8 al. 1 RAI en corrélation avec les art. 50 RAVS et 29ter al. 2 LAVS, une année de cotisations est entière lorsqu'une personne a été assurée au sens des art. 1er ou 2 LAVS pendant plus de onze mois au total et que, pendant ce temps-là, soit elle a versé la cotisation minimale (variante I), soit son conjoint au sens de l' art. 3 al. 3 LAVS a versé au moins le double de la cotisation minimale (variante II) ou, enfin, elle peut se prévaloir de bonifications pour tâches éducatives ou pour tâches d'assistance (variante III). A la différence de la situation qui existait avant l'entrée en vigueur de la dixième révision de l'AVS (cf. ATF 111 V 106 consid. 1b, ATF 110 V 280 consid. 1a), un assuré peut donc, selon le nouveau droit, satisfaire à l'exigence de la période minimale de cotisations d'une année ouvrant droit à une rente ordinaire de l'AVS/AI, sans avoir payé personnellement des cotisations ( ATF 125 V 253 ). Ces dispositions légales plus favorables introduites par la dixième révision de l'AVS ne s'appliquent toutefois pas aux cas d'assurance survenus sous l'empire de l'ancien droit et pour lesquels le droit à une rente a été nié, parce que la condition de la durée minimale de cotisations (ancien art. 29 al. 1 LAVS ) n'était pas réalisée (arrêt non publié K. du 23 mars 1999). 2. a) Selon les dispositions transitoires relatives à la modification de la LAI, dans le cadre de la dixième révision de l'AVS, les dispositions transitoires concernant l' art. 18 al. 2 LAVS sont applicables par analogie (al. 4). Ce renvoi concerne la lettre h des dispositions transitoires de la dixième révision de l'AVS, qui est ainsi rédigée : "L'art. 18, 2e alinéa, s'applique également lorsque l'événement assuré est survenu avant le 1er janvier 1997 pour autant que les cotisations n'aient pas été remboursées à l'assuré. Le droit à la rente ordinaire prend naissance au plus tôt à l'entrée en vigueur (...)." Quant à l' art. 18 al. 2 LAVS , auquel il est fait référence, il prévoit (dans sa version en vigueur depuis le 1er janvier 1997) que les étrangers et leurs survivants qui ne possèdent pas la nationalité suisse n'ont droit à une rente qu'aussi longtemps qu'ils ont leur domicile et leur résidence habituelle en Suisse (première phrase). En d'autres termes, lorsque le cas d'assurance (invalidité) est survenu avant le 1er janvier 1997 et que le droit à une rente a été refusé au requérant (ressortissant d'un Etat avec lequel la Suisse n'a pas conclu de convention de sécurité sociale), parce qu'il ne comptait pas dix années entières de cotisations ou quinze années ininterrompues de domicile en Suisse, cette personne peut désormais prétendre une telle rente si elle remplit les conditions prévues par le nouveau droit ( art. 6 al. 2 LAI ), en particulier la condition d'une durée minimale BGE 126 V 5 S. 9 de cotisations d'une année lors de la survenance de l'invalidité (voir JÜRG BRECHBÜHL, 10e révision de l'AVS : Aspects du droit transitoire, in: Sécurité sociale 1996, p. 246; message précité, p. 122). Les dispositions transitoires ne suppriment pas cette dernière condition : elles n'ont pas pour objet de placer les assurés auxquels elles s'appliquent dans une situation plus avantageuse que les personnes pour lesquelles le cas d'assurance est survenu après le 1er janvier 1997. Quant au droit à la rente, il prend au plus tôt naissance, le cas échéant, dès l'entrée en vigueur de la dixième révision de l'AVS, à moins que les cotisations n'aient été remboursées sous le régime de l'ancien droit. Il est en outre nécessaire, conformément à la règle générale de l' art. 6 al. 1 LAI , valable aussi bien pour les ressortissants suisses et étrangers, que la personne ait été assurée, par exemple à raison de son domicile en Suisse ( art. 1er al. 1 let. a LAVS en corrélation avec l' art. 1er LAI ), au moment de la survenance de l'invalidité. b) Il importe donc, en l'occurrence, de déterminer le moment de la survenance de l'invalidité. Selon l' art. 4 al. 2 LAI , l'invalidité est réputée survenue dès qu'elle est, par sa nature et sa gravité, propre à ouvrir droit aux prestations entrant en considération. Ce moment doit être déterminé objectivement, d'après l'état de santé; des facteurs externes fortuits n'ont pas d'importance. Il ne dépend en particulier ni de la date à laquelle une demande a été présentée, ni de celle à partir de laquelle une prestation a été requise, et ne coïncide pas non plus nécessairement avec le moment où l'assuré apprend, pour la première fois, que l'atteinte à sa santé peut ouvrir droit à des prestations d'assurance ( ATF 118 V 82 consid. 3a et les références). S'agissant du droit à une rente, la survenance de l'invalidité se situe au moment où celui-ci prend naissance, conformément à l' art. 29 al. 1 LAI , soit dès que l'assuré présente une incapacité de gain durable de 40 pour cent au moins (variante I) ou dès qu'il a présenté, en moyenne, une incapacité de travail de 40 pour cent au moins pendant une année sans interruption notable (variante II), mais au plus tôt le 1er jour du mois qui suit le dix-huitième anniversaire de l'assuré ( art. 29 al. 2 LAI ; RCC 1984 p. 464 sv.). c) Selon les pièces médicales figurant au dossier, c'est à partir de 1979 que l'état de santé du recourant s'est sensiblement aggravé. Le recourant a pu retrouver un certain équilibre dans sa santé à partir de 1988, mais, malgré cela, il n'a jamais été en mesure d'exercer une activité professionnelle. Jusqu'en 1992, en effet, il a tenté BGE 126 V 5 S. 10 de s'insérer dans la vie professionnelle, mais toutes ses tentatives sont restées vaines, en raison de la décompensation chronique de son asthme. Celle-ci se manifeste notamment au contact de la vapeur (par exemple dans une activité de plongeur dans un hôtel ou un restaurant), lors du port de charges, au cours d'exercices physiques ou encore à l'occasion de contacts avec le chaud/froid, avec des milieux empoussiérés et, enfin, lorsque l'intéressé souffre d'affections virales banales. A chaque fois qu'il entreprend une activité, son asthme se décompense par les facteurs décrits ci-dessus. De fait, le recourant n'a jamais exercé d'activité lucrative régulière; il a seulement accompli un stage en milieu protégé d'une année, à raison de deux à quatre heures par jour, du 1er juillet 1997 au 29 juin 1998 (de l'aveu même du recourant cette occupation avait pour but d'établir une durée de cotisations d'une année). Sur la base de ces éléments, on peut retenir que l'invalidité (soit en l'occurrence une incapacité de gain pratiquement entière) est survenue en 1979, soit bien avant que le recourant n'arrive en Suisse. Ce dernier n'a ainsi pas pu, avant cette survenance, satisfaire aux conditions de l' art. 6 al. 2 LAI (nouveau), notamment la condition relative au paiement de cotisations pendant une année au moins. Par ailleurs, il n'y a pas eu ultérieurement, en particulier depuis 1987, des interruptions notables de l'incapacité de gain qui permettraient d'admettre l'existence, depuis l'arrivée en Suisse du recourant, d'un nouveau cas d'assurance (cf. ATFA 1966 p. 179 consid. 4). Le refus de rente de l'office de l'assurance-invalidité était ainsi justifié. Il est vrai que dans sa décision du 10 août 1992, la Caisse cantonale genevoise de compensation a constaté que l'invalidité était survenue en juin 1988. Mais cet élément ne saurait, dans ce contexte, être décisif. Cette constatation fait partie des motifs de la décision en question, et non de son dispositif (refus de rente), lequel est en principe seul doué de l'autorité de la chose jugée (voir par exemple ATF 121 III 477 consid. 4, ATF 115 V 418 consid. 3b/aa, ATF 113 V 159 ). Quant au fait, allégué par le recourant, qu'il aurait acquis la nationalité israélienne lors de son séjour en Israël, il ne justifie pas un examen du cas au regard de la Convention de sécurité sociale entre la Confédération suisse et l'Etat d'Israël du 23 mars 1984. L'acquisition d'une nouvelle nationalité ne change rien au fait que les conditions d'assurance doivent être remplies au moment de la survenance de l'invalidité ( ATF 111 V 113 consid. 3d, ATF 108 V 64 consid. 4). Dans ces circonstances, le recours de droit administratif est mal fondé.
null
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Federation
07fb3c0a-42ff-40cd-b277-73a3debe4353
Urteilskopf 113 Ia 26 5. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 7. April 1987 i.S. S. gegen X. AG und Mitbeteiligte, Handelsgericht und Kassationsgericht des Kantons St. Gallen (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Zuständigkeit des Kassationsgerichts, Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde bei Verzicht auf die eidgenössische Berufung ( Art. 4 BV , Art. 426 Abs. 2 ZP/SG). 1. Ist die kantonale Nichtigkeitsbeschwerde nur zulässig, soweit keine eidgenössische Berufung möglich ist, so kann ihre Zulässigkeit willkürfrei auch bei vertraglichem Verzicht auf die Berufung verneint werden (E. 1). 2. Bei gültigem Verzicht auf das ordentliche Rechtsmittel der eidgenössischen Berufung kann nicht ersatzweise staatsrechtliche Beschwerde wegen verfassungswidriger Anwendung von Bundeszivilrecht erhoben werden (E. 3a). 3. Schranken des Verzichts (E. 3b).
Sachverhalt ab Seite 27 BGE 113 Ia 26 S. 27 A.- Mit Gesellschaftsvertrag vom 25. Mai 1979 schlossen sich S., die X. AG und zwei weitere Firmen zu einer einfachen Gesellschaft zusammen, deren Zweck einerseits in der Aufteilung des Marktes eines bestimmten Vertragsgebiets in feste Marktanteile (Kontingente) und anderseits in der Durchsetzung einheitlicher Preise und Konditionen gegenüber den Abnehmern bestand. Die Parteien sahen für Kontingentsüberschreitungen eine Ausgleichsabgabe und für jede Vertragsverletzung überdies eine Konventionalstrafe von Fr. 10'000.-- vor. Ein durch Dr. D. geführtes Sekretariat hatte unter anderem als Inkassostelle zu amten und die Einhaltung der Kontingente zu überwachen. Gemäss Ziffer 22 des Vertrags sollten sämtliche damit zusammenhängenden Streitigkeiten vorbehältlich der kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde durch das Handelsgericht des Kantons St. Gallen "als einzige und letzte Instanz" beurteilt werden. Nach Meinungsverschiedenheiten zwischen den Gesellschaftern hielt das Sekretariat für S. eingegangene Zahlungen über insgesamt Fr. 262'895.30 mit der Begründung zurück, der Betrag werde mit von S. verwirkten Konventionalstrafen verrechnet. B.- Die Klage von S. gegen die übrigen Gesellschafter auf Auszahlung der zurückbehaltenen Summe hiess das Handelsgericht des Kantons St. Gallen am 19. Dezember 1985 vollumfänglich, die von den Beklagten erhobene Widerklage auf Zahlung von 3 Millionen Franken Konventionalstrafe und Fr. 3'790.-- Ausgleichsabgaben im Umfang von Fr. 702'145.-- gut und verpflichtete den Kläger zur Zahlung des Saldos von Fr. 439'249.70 nebst Zins. Eine Nichtigkeitsbeschwerde des Klägers wies das Kassationsgericht des Kantons St. Gallen am 22. August 1986 ab, soweit es darauf eintrat. C.- Der Kläger hat die Urteile des Handels- und des Kassationsgerichts mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV angefochten, die das Bundesgericht abweist, soweit es darauf eintritt. BGE 113 Ia 26 S. 28 Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Das Kassationsgericht ist auf die Nichtigkeitsbeschwerde nicht eingetreten, soweit der Beschwerdeführer mit ihr eine Verletzung eidgenössischen Rechts durch unrichtige Auslegung des Gesellschaftsvertrags und unzutreffende Anwendung von Art. 163 Abs. 3 OR gerügt hat. Zur Begründung führt das Kassationsgericht im wesentlichen aus, nach Art. 426 Abs. 2 ZP/SG sei die Nichtigkeitsbeschwerde gegen ein Urteil des Handelsgerichts nur insoweit zulässig, als das Erkenntnis nicht mit Berufung oder zivilrechtlicher Beschwerde beim Bundesgericht angefochten werden könne. Die vom Beschwerdeführer behauptete Verletzung von Bundesrecht wäre mit Berufung anfechtbar gewesen, hätten die Parteien nicht unter Ziffer 22 des Gesellschaftsvertrages gültig auf dieses Rechtsmittel verzichtet. Durch diesen Verzicht werde nicht eine Überprüfungsbefugnis des Kassationsgerichts anstelle derjenigen des Bundesgerichts geschaffen. Andernfalls könnten die Parteien die Kognition des Kassationsgerichts erweitern und mit der Nichtigkeitsbeschwerde Rügen erheben, die zwingendes Verfahrensrecht ausschliesse. Der Beschwerdeführer wirft dem Kassationsgericht vor, es habe damit seine Kognition willkürlich eingeschränkt und ihm das rechtliche Gehör verweigert. Der vertragliche Ausschluss der Berufung könne nicht zu einer grösseren Beschränkung der Kognition des Kassationsgerichts führen, als wenn die Berufung aufgrund einer gesetzlichen Vorschrift ausgeschlossen sei. Überdies setze sich das Kassationsgericht in Widerspruch zu Art. 427 Ziff. 1 ZP/SG und zu seiner bisherigen Praxis. Schliesslich wäre es willkürlich, wenn der Beschwerdeführer wegen des im Jahr 1979 erklärten Verzichts auf die Berufung jeder Möglichkeit beraubt würde, eine Vertragsauslegung zu rügen. a) Da nicht ein unmittelbar aus Art. 4 BV hergeleiteter, vom Bundesgericht frei zu prüfender Anspruch in Frage steht, namentlich keine Verletzung der verfassungsrechtlichen Minimalgarantie des rechtlichen Gehörs dargetan wird ( BGE 112 Ia 5 E. 2b mit Hinweisen, BGE 111 Ia 274 E. 2a und 166 E. 2a mit Hinweisen), ist die Zuständigkeit des Kassationsgerichts ausschliesslich eine Frage des kantonalen Rechts, dessen Anwendung das Bundesgericht nur auf Willkür überprüft. Willkür im Sinn von Art. 4 BV liegt bei der Auslegung und Anwendung von Gesetzesnormen nicht schon dann vor, wenn eine andere Auslegung ebenfalls BGE 113 Ia 26 S. 29 vertretbar oder gar zutreffender erschiene. Das Bundesgericht greift erst dann ein, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist ( BGE 112 Ia 27 E. 1c mit Hinweisen). b) Es ist offensichtlich haltbar, aufgrund von Art. 426 Abs. 2 ZP/SG die Überprüfung der Anwendung von Bundeszivilrecht durch das Kassationsgericht auf die Fälle zu beschränken, in denen eine Überprüfung durch das Bundesgericht von Gesetzes wegen ausgeschlossen ist. Weder Gründe der Gleichbehandlung noch Art. 427 Ziff. 1 ZP/SG gebieten es, auch derjenigen Partei eine Kontrollmöglichkeit durch das Kassationsgericht zu eröffnen, die freiwillig auf die Kontrolle durch das Bundesgericht verzichtet hat und sich deshalb nicht darüber beklagen kann, sie sei jeder Möglichkeit beraubt worden, eine Vertragsauslegung zu rügen. Art. 427 Ziff. 1 ZP/SG nennt zwar als Nichtigkeitsgrund unter anderem die Verletzung einer Bestimmung des Bundesrechts, die auf die Beurteilung der Streitsache von wesentlichem Einfluss ist. Dadurch wird jedoch die auf Fälle von Streitsachen unter Fr. 8'000.-- beschränkte Zulässigkeit der mit Nichtigkeitsbeschwerde anfechtbaren Verletzungen von Bundeszivilrecht (LUTZ, Kommentar, N. 6 zu Art. 426 ZP/SG) nicht erweitert. Unbehelflich ist auch der Hinweis auf ein früheres Urteil des Kassationsgerichts, räumt doch der Beschwerdeführer selbst ein, dass in jenem Entscheid die Berufung von Gesetzes wegen, also nicht zufolge eines vertraglichen Verzichts ausgeschlossen war. Der vorliegende Verzicht ist im übrigen nicht dem Vorausverzicht auf die Nichtigkeitsbeschwerde gleichzusetzen, den das Kassationsgericht im angefochtenen Urteil ausdrücklich als unzulässig erachtet. Der zu beurteilende Sachverhalt weist vielmehr eine Parallele zum in BGE 98 Ia 647 beurteilten auf, wo das Bundesgericht beim Verzicht auf die Anrufung einer oberen kantonalen Instanz aus ähnlichen Erwägungen wie das Kassationsgericht nicht auf eine staatsrechtliche Beschwerde eingetreten ist (S. 648 f. E. 2). 3. Schliesslich macht der Beschwerdeführer geltend, das Handelsgericht habe es in willkürlicher Anwendung von Art. 163 Abs. 3 OR und unter Verletzung der Rechtsgleichheit, der Verhältnismässigkeit und des Gebotes der schonenden Rechtsausübung abgelehnt, die auf Fr. 650'000.-- festgesetzte ruinöse Konventionalstrafe für Preisreduktionen zu ermässigen. Der umfangreichen Beschwerdebegründung lässt sich im wesentlichen entnehmen, dass der Beschwerdeführer dem Handelsgericht vorwirft, die Konventionalstrafe in Beziehung zum Gesamtumsatz von rund BGE 113 Ia 26 S. 30 1,4 Millionen Franken und nicht in Beziehung zu den tatsächlich gewährten Rabatten von lediglich Fr. 11'729.50 oder zum Umsatz von rund Fr. 280'000.-- gesetzt zu haben, den der Beschwerdeführer mit den Rabattlieferungen erzielt haben will. Gleich wie bei der auf Fr. 50'000.-- herabgesetzten Konventionalstrafe für überhöhte Preise hätte berücksichtigt werden müssen, dass viele Baustellen mit einer Menge unter 5 m3 Beton beliefert worden seien. Der Verdacht liege nahe, dass es den Beschwerdegegnerinnen mit der Konventionalstrafe darum gegangen sei, einen missliebigen Konkurrenten aus dem Weg zu schaffen. a) Die Mitanfechtung des handelsgerichtlichen Urteils hält zwar vor dem Fristerfordernis von Art. 89 Abs. 1 OG stand, ist doch das Kassationsgericht wenigstens teilweise auf die Nichtigkeitsbeschwerde eingetreten ( BGE 109 Ia 250 E. 1 mit Hinweisen); die Verfassungsrügen, die das Kassationsgericht nicht prüfen durfte, können an sich noch mit einer staatsrechtlichen Beschwerde gegen das handelsgerichtliche Urteil erhoben werden ( BGE 104 Ia 83 E. 2b mit Hinweisen insbesondere auf BGE 94 I 462 E. 2a bb). Dagegen stellt sich die Frage, ob ein gültiger Verzicht auf das ordentlicherweise offenstehende Rechtsmittel der Berufung es auch ausschliesst, das Urteil des Handelsgerichts anstelle der Berufung mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen verfassungswidriger Anwendung von Bundeszivilrecht anzufechten. Das ist in Anlehnung an den Grundgedanken von BGE 98 Ia 648 f. E. 2, wonach ein Verzicht auf die Weiterziehung an eine kantonale Rechtsmittelinstanz eine staatsrechtliche Beschwerde gegen den unterinstanzlichen Entscheid ausschliesst, zu bejahen. Bereits in BGE 66 I 175 f. hat das Bundesgericht angenommen, dass eine staatsrechtliche Beschwerde wegen Willkür nicht mehr möglich ist, wenn die Parteien vereinbart haben, ihre Streitigkeit durch eine einzige kantonale Instanz beurteilen zu lassen. Dass die Gesellschafter im vorliegenden Fall nicht auf eine kantonale Rechtsmittelinstanz verzichtet haben, macht für die Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde keinen Unterschied. b) Wie das Kassationsgericht geht auch der Beschwerdeführer davon aus, dass gültig im voraus auf die Berufung an das Bundesgericht verzichtet worden sei. Das lässt sich auf eine alte Rechtsprechung stützen, die einen solchen Vorausverzicht zulässt, wenn ein Streitobjekt vorliegt, über das die Parteien frei verfügen können (so schon BGE 33 II 207 f. E. 5, BGE 48 II 133 f. E. 3; BIRCHMEIER, Bundesrechtspflege, S. 76 N. 2d; GULDENER, Schweizerisches BGE 113 Ia 26 S. 31 Zivilprozessrecht, 3. Aufl. 1979, S. 502; zur Schranke der Verzichtsmöglichkeit BGE 79 II 236 ff. E. 3). Demgegenüber sind die höchstpersönlichen und unveräusserlichen subjektiven Rechte der Parteidisposition entzogen und damit als Prozessgegenstand einem Rechtsmittelverzicht nicht zugänglich. Dazu zählen etwa persönliche Status- und Familienrechte ( BGE 79 II 237 ), gewisse Persönlichkeitsrechte (im wirtschaftlichen Bereich namentlich die Schutzrechte aus Art. 27 ZGB ) oder die unverjährbaren und unverzichtbaren Grundrechte ( BGE 74 I 283 f.). Ein in diesem Sinne unzulässiger Verzicht auf die Berufung könnte jedoch nicht dazu führen, dass anstelle der Berufung die staatsrechtliche Beschwerde zuzulassen wäre, sondern hätte vielmehr zur Folge, dass trotz Verzichts auf eine Berufung eingetreten werden müsste. Eine solche Berufung aber hätte hier im Anschluss an das handelsgerichtliche Urteil erhoben werden müssen; die Frage einer allfälligen Umdeutung der staatsrechtlichen Beschwerde in eine Berufung (vgl. BGE 110 II 56 E. 1a mit Hinweis) stellt sich deshalb nicht, weil die Berufungsfrist nicht eingehalten wäre. Damit kann das Bundesgericht auch nicht prüfen, ob im vorliegenden Fall eine unzulässige Beschränkung der wirtschaftlichen Persönlichkeitsrechte des Beschwerdeführers angenommen werden könnte. c) Selbst wenn angenommen würde, der Berufungsverzicht schliesse die staatsrechtliche Beschwerde nicht aus, wäre darauf nicht einzutreten. Die Ausführungen über die Herabsetzung der Konventionalstrafe genügen den Anforderungen an die Substantiierung nicht ( BGE 110 Ia 3 f. E. 2a mit Hinweis).
public_law
nan
de
1,987
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CH_BGE_002
CH
Federation
08095c68-8a8e-48b2-b9a4-74d0bd7bb28d
Urteilskopf 96 II 301 41. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 12. November 1970 i.S. K. gegen K.
Regeste Art. 153 Abs. 2 ZGB . Herabsetzung einer Bedürftigkeitsrente. Vorbedingung für eine Herabsetzung ist eine erhebliche und dauernde Veränderung der Vermögensverhältnisse (Erw. 3 und 4). Eine Erhöhung des Einkommens des Anspruchsberechtigten im Rahmen der allgemeinen Teuerung und der üblichen Verbesserung der Reallöhne ist noch keine erhebliche Abnahme der Bedürftigkeit (Erw. 5 a). Bedeutung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums für die Festsetzung der Rentenhöhe (Erw. 5 b und d).
Erwägungen ab Seite 302 BGE 96 II 301 S. 302 Aus den Erwägungen: 3. Die der Beklagten im gerichtlich genehmigten Vergleich vom 7. Juni 1968 zuerkannte Rente ist eine Bedürftigkeitsrente im Sinne von Art. 152 ZGB . Nach Art. 153 Abs. 2 ZGB wird eine solche Rente auf Verlangen des pflichtigen Ehegatten aufgehoben oder herabgesetzt, wenn die Bedürftigkeit nicht mehr besteht oder in erheblichem Masse abgenommen hat, sowie wenn die Vermögensverhältnisse des Pflichtigen der Höhe der Rente nicht mehr entsprechen. Da der Kläger nicht geltend macht, es habe sich seine eigene finanzielle Lage verschlechtert, ist lediglich zu prüfen, ob sich eine Herabsetzung der Rente wegen veränderter Verhältnisse der Beklagten rechtfertige. Voraussetzung einer solchen Herabsetzung ist jedoch, dass sich die Vermögensverhältnisse erheblich und nach menschlichem Ermessen dauernd verändert haben (Kommentar EGGER N. 6 zu Art. 153 ZGB ; HINDERLING, 3. Aufl., S. 146). 4. Gemäss den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz war dem Kläger im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses (7. Juni 1968) bekannt, dass die Beklagte als Aushilfsangestellte in einem Warenhaus ein monatliches Einkommen von ca. Fr. 400.-- erzielte. Im Jahre 1969 verdiente sie nach den Angaben des Bezirksgerichts dann durchschnittlich Fr. 640.-- im Monat. Die Vorinstanz scheint dieser Einkommenserhöhung den dauernden Charakter absprechen zu wollen, denn sie sagt in ihrem Urteil, die Beklagte habe nicht die Gewissheit, dass sie dauernd und auch im Falle von Arbeitsunfähigkeit oder Krankheit beschäftigt sein werde. Damit stellt indessen das Obergericht zu hohe Anforderungen an die Dauerhaftigkeit der Veränderung der Einkommensverhältnisse, wie sie vorstehend in Auslegung des Art. 153 Abs. 2 ZGB gefordert worden ist. Wenn die Beklagte vom 1. Januar 1969 an zeitweise ganztägig, BGE 96 II 301 S. 303 d.h. in vermehrtem Masse als früher, tätig sein konnte, darf sowohl angesichts ihres Alters (48 Jahre) als auch angesichts ihrer persönlichen Verhältnisse (der älteste Sohn ist volljährig, die Tochter geht in die Lehre, und der jüngste, 13-jährige Sohn ist zwar geistig etwas zurückgeblieben, kann aber gleichwohl eine Schule besuchen) und angesichts der Arbeitsmarktlage angenommen werden, dass sie auch in Zukunft in diesem vermehrten Umfange dem Erwerb werde nachgehen können. Wohl besteht wie bei allen Erwerbstätigen theoretisch jederzeit die Gefahr einer krankheits- oder unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass sich diese Gefahr bei der Beklagten in naher Zukunft verwirklichen werde (z.B. infolge angegriffener Gesundheit oder vorhandener Krankheitsdisposition), bestehen indessen nicht. Unter diesen Umständen muss die Erhöhung des monatlichen Einkommens um ca. Fr. 240.-- nach menschlichem Ermessen als dauernd betrachtet werden. Es bleibt demnach lediglich zu prüfen, ob eine solche Erhöhung auch eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse darstelle. 5. a) Im Scheidungsurteil sind die Ansprüche der geschiedenen Frau nach Möglichkeit endgültig und dauernd festzulegen. Dementsprechend sind bei der Bemessung der Unterhaltsbeiträge gewöhnlich nicht nur diejenigen Verhältnisse zu berücksichtigen, die zur Zeit der Scheidung gerade bestehen, sondern auch diejenigen, die sich voraussichtlich in naher Zukunft mit grosser Wahrscheinlichkeit verwirklichen werden. Eine wesentliche Veränderung in den Verhältnissen des anspruchsberechtigten Ehegatten kann deshalb in der Regel nur angenommen werden, wenn Ereignisse vorliegen, die bei der Scheidung weder bestanden haben noch mit Bestimmtheit vorauszusehen waren (WÄSCH, Die Abänderung von Scheidungsurteilen nach Art. 153 ZGB , Diss. Bern 1950, S. 51 f.). Eine Erhöhung des Einkommens des Anspruchsberechtigten im Rahmen der allgemeinen Teuerung und der üblichen Verbesserung der Reallöhne bedeutet daher noch keine erhebliche Abnahme der Bedürftigkeit. Im vorliegenden Falle nun wusste der Kläger beim Abschluss des Vergleichs, dass die Beklagte im März 1968 Fr. 405.-- verdient hatte, und nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz rechnete er damals bereits damit, dass sie "in Kürze mindestens Fr. 850.--" werde verdienen können. Wenn er BGE 96 II 301 S. 304 trotzdem vergleichsweise der Beklagten für die folgenden zehn Jahre monatlich Fr. 300.-- offerierte, so ist anzunehmen, dass er bereit war, auch dann diese Beträge zu entrichten, wenn die Beklagte "in Kürze" mehr als Fr. 400.-- verdienen sollte. Wenn die Vorinstanz unter diesen Umständen die nun eingetretene Erhöhung des Einkommens von ca. Fr. 240.-- noch nicht als wesentliche Veränderung betrachtete, so kann darin keine Verletzung von Bundesrecht erblickt werden, zumal wenn mitberücksichtigt wird, dass seit dem Abschluss des Vergleiches vom 7. Juni 1968 auch die Teuerung fortgeschritten ist. b) Die Bedürftigkeitsrente dient grundsätzlich zur Deckung des Notbedarfs, für dessen Ermittlung das betreibungsrechtliche Existenzminimum gewisse Anhaltspunkte bieten kann. Lebt der Pflichtige in guten finanziellen Verhältnissen, so darf - nicht zuletzt auch mit Rücksicht auf die ständig fortschreitende Geldentwertung - aus Billigkeitsgründen der Ehefrau auch eine Rente zugesprochen werden, die mehr als nur das betreibungsrechtliche Existenzminimum zu decken vermag (HINDERLING, 3. Aufl., S. 133). Was aber für die erstmalige Festsetzung der Rentenhöhe gilt, gilt sinngemäss auch für die Herabsetzung der Rente. Eine solche hat nicht immer schon zu erfolgen, wenn die Bedürftigkeitsrente und die Einkünfte der Ehefrau deren Existenzminimum übersteigen, sondern die Rente hat angemessen zu bleiben. Es ist auf die konkreten Verhältnisse des einzelnen Falles abzustellen. Nach dem bezirksgerichtlichen Entscheid beläuft sich das Existenzminimum der Beklagten auf Fr. 1120.--. Davon ist jedoch die Kinderzulage von Fr. 140.-- für die Tochter abzuziehen, die nach den Feststellungen des Bezirksgerichtes seit 1. Dezember 1969 monatlich Fr. 700.-- verdient, also voll erwerbsfähig und inzwischen auch 18 Jahre alt geworden ist, so dass der Kläger für sie gemäss dem Scheidungsurteil keine Beiträge mehr leisten muss. Das Existenzminimum der Beklagten zur Zeit des vorinstanzlichen Urteils muss deshalb mit Fr. 980.-- in Rechnung gestellt werden. Auf der andern Seite betragen ihre monatlichen Einkünfte gegenwärtig Fr. 1190.-- (Fr. 640.-- aus Erwerbseinkommen, Fr. 400.-- und Fr. 150.-- aus Unterhaltsbeiträgen für sich bzw. ihren jüngsten Sohn), zuzüglich der Kinderzulagen von Fr. 35.-. Das sind Fr. 210.-- bzw. Fr. 245.-- mehr als das Existenzminimum. Das liegt im Rahmen dessen, was der Kläger der Beklagten selbst zuzubilligen BGE 96 II 301 S. 305 gewillt ist. In seiner Berufung führt er nämlich aus, er sei bereit, der Beklagten weiterhin eine Rente von Fr. 200.-- zu entrichten, obwohl sie ihren Notbedarf praktisch mit ihrem eigenen Verdienst zu decken vermöge. Damit bringt er aber zum Ausdruck, dass er grundsätzlich einverstanden ist, der Beklagten über das Existenzminimum hinaus Fr. 200.-- zu bezahlen. Es kann schon deshalb nicht gesagt werden, die von der Vorinstanz getroffene Regelung entspreche nicht mehr der heutigen Lage und die Beibehaltung der bisherigen Unterhaltsbeiträge verletze Bundesrecht. Auch unter dem Gesichtspunkt der Vermögensverhältnisse des Pflichtigen drängt sich keine Herabsetzung der Bedürftig keitsrente auf... d) Schliesslich billigte die Vorinstanz der Beklagten zu, dass sie bescheidene Einkommenserhöhungen als Rücklage für weniger günstige Zeiten verwenden dürfe. Inwiefern sie damit Bundesrecht verletzt haben sollte, wie der Kläger behauptet, ist nicht ersichtlich. Gesteht man der Beklagten eine etwas über dem Existenzminimum liegende Bedürftigkeitsrente zu, was nach den gemachten Ausführungen zulässig ist und auch dem Willen des Klägers entspricht, und gibt sich die Beklagte trotzdem mit einer bescheidenen Lebensführung zufrieden, so muss es ihr frei stehen, die nicht für den Unterhalt verwendeten Mittel als Rücklage für spätere Zeiten zu verwenden. Die Berufung ist auch in diesem Punkte unbegründet und abzuweisen.
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Urteilskopf 81 IV 220 49. Urteil des Kassationshofes vom 11. Juli 1955 i.S. Dolder gegen Generalprokurator des Kantons Bern.
Regeste Art. 61 Abs. 2 StGB ist auf die von einer Überweisungsbehörde gefassten Aufhebungsbeschlüsse nicht anwendbar.
Sachverhalt ab Seite 220 BGE 81 IV 220 S. 220 A.- Die Anklagekammer des Kantons Bern beschloss am 22. Mai 1955, das gegen Friedrich Dolder wegen Brandstiftung, eventuell fahrlässiger Verursachung eines Brandes, eingeleitete Strafverfahren aufzuheben, weil keine genügenden Belastungstatsachen vorlägen, die eine Überweisung BGE 81 IV 220 S. 221 an das urteilende Gericht zu rechtfertigen vermöchten. Sie sprach Dolder eine Entschädigung zu und auferlegte die Verfahrenskosten dem Staate. Das Begehren des Angeschuldigten um Veröffentlichung des Beschlusses wies sie im wesentlichen mit der Begründung ab, Art. 61 StGB gelte nur für Urteile, Aufhebungsbeschlüsse aber seien keine solchen, da sie sich nicht über den Bestand einer strafbaren Handlung aussprächen, sondern lediglich verfügten, das Verfahren solle nicht fortgesetzt werden. B.- Dolder führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, die Anklagekammer sei anzuweisen, den Aufhebungsbeschluss gemäss Art. 61 StGB in angemessener Weise veröffentlichen zu lassen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Art. 61 StGB betrifft die "Veröffentlichung des Urteils" (s. Randtitel); er bestimmt in Abs. 1, wann ein "Strafurteil", in Abs. 2, wann ein "freisprechendes Urteil" zu veröffentlichen ist. Voraussetzung zur Anwendung des einen wie des andern Absatzes ist somit, dass geurteilt, d.h. verbindlich darüber erkannt worden sei, ob der Angeschuldigte sich einer strafbaren Handlung schuldig gemacht habe oder nicht. Das "Strafurteil" bejaht diese Frage, das "freisprechende Urteil" verneint sie. Das ist der Sinn, den diese Worte im allgemeinen haben, und nichts weist darauf hin, dass der Gesetzgeber ihnen eine andere Bedeutung gegeben habe. Dahingestellt bleiben kann, ob Art. 61 Abs. 2 StGB nur anwendbar ist, wenn der Entscheid sich der Wendung, der Angeklagte werde "freigesprochen", ausdrücklich bedient, oder ob inhaltlich ein freisprechendes Urteil auch vorliegt, wenn die zur Verurteilung zuständige Behörde im Erkenntnisverfahren bestimmt, das Verfahren werde "eingestellt", es werde "aufgehoben" oder es werde ihm "keine weitere Folge gegeben" und dgl. Jedenfalls liegt ein freisprechendes Urteil dann nicht vor, wenn die Sache der Behörde, welche die Aufgabe des erkennenden Richters zu erfüllen BGE 81 IV 220 S. 222 hat, nicht vorgelegt, das Urteilsverfahren also nicht eingeleitet, sondern die Verfolgung durch eine andere Behörde vorzeitig abgebrochen wird, z.B. indem sie davon absieht, Anklage zu erheben, eine von einer anderen Behörde erhobene Anklage nicht zulässt, das Verfahren "einstellt" oder es "aufhebt". Freilich mag der Angeschuldigte auch in diesen Fällen ein Interesse haben, dass der Entscheid der Öffentlichkeit bekannt werde. Das kann jedoch dem Bundesgesetzgeber nicht entgangen sein. Hätte er es berücksichtigen wollen, so hätte er die Veröffentlichung nicht auf "Strafurteile" und "freisprechende Urteile" beschränkt, sondern ausdrücklich auch auf Einstellungsbeschlüsse erstreckt, ein Begriff, der ihm aus Art. 268 BStP geläufig war. Von der Veröffentlichung abzusehen, wenn die Sache der zur Verurteilung zuständigen Behörde nicht unterbreitet, das Verfahren vielmehr vorzeitig abgebrochen wird, lässt sich sachlich durchaus rechtfertigen. Die Einstellung des Verfahrens durch die Überweisungsbehörde kommt materiell nicht immer einem vorweggenommenen Freispruch gleich; sie erfolgt nicht selten aus Gründen der Zweckmässigkeit, z.B. weil die verhältnismässig geringe Aussicht auf ein Strafurteil den Aufwand des Urteilsverfahrens nicht rechtfertigt. Nach einem Einstellungsbeschluss kann daher offen bleiben, ob der Angeschuldigte im Falle der Fortsetzung des Verfahrens verurteilt worden wäre. Den Beschluss unter der blossen Voraussetzung, dass das Interesse des Angeschuldigten seine Veröffentlichung gebiete, wie ein freisprechenden Urteil allgemein bekanntzumachen, drängt sich daher keineswegs auf. Das gilt auch dann, wenn das Verfahren nur unter ähnlichen Voraussetzungen wie nach einer Freisprechung zu Ungunsten des Angeschuldigten wieder aufgenommen werden darf. Dazu kommt, dass dieser, wenn ein Urteilsverfahren nicht stattfindet, schon durch die prozessualen Vorgänge in der Regel weniger belastet wird als nach einer Überweisung, die ihn nötigt, dem erkennenden Richter Rede und Antwort BGE 81 IV 220 S. 223 zu stehen. Auch materiell ist der Angeschuldigte gewöhnlich weniger belastet, wenn die Überweisung unterbleibt. Das Bedürfnis nach öffentlicher Entlastung ist daher im allgemeinen geringer als nach der Überweisung. Wenn der Beschwerdeführer geltend macht, diese führe nach bernischem Recht zur öffentlichen Verkündung des Urteils, wogegen ein Aufhebungsbeschluss in geheimer Sitzung gefasst und nur den Parteien mitgeteilt werde, weshalb hier die Veröffentlichung im Sinne des Art. 61 Abs. 2 StGB sich umsomehr aufdränge, verkennt er, dass die geheime Abwicklung des Verfahrens vor dem Untersuchungsrichter und der Überweisungsbehörde dem Angeschuldigten eine öffentliche Anprangerung erspart und damit auch das Bedürfnis nach Veröffentlichung des Aufhebungsbeschlusses mindert. Das Interesse des Verfolgten an der amtlichen Veröffentlichung eines nicht im Urteilsverfahren gefassten Aufhebungsbeschlusses ist je nach Ausgestaltung des Prozesses durch das kantonale Recht grundsätzlich so gering, dass sich die Auffassung durchaus vertreten lässt, dem Angeschuldigten sei genügend gedient, wenn nicht schon das Bundesrecht, sondern höchstens allenfalls das kantonale Prozessrecht sie gestattet. Hier dem kantonalen Recht Raum zu lassen, bestand umsomehr Anlass, als Art. 64 bis Abs. 2 BV und Art. 365 Abs. 1 StGB den Kantonen das gerichtliche Verfahren vorbehalten. Damit ist zugleich gesagt, dass kein Anlass besteht, Art. 61 Abs. 2 StGB auf die von einer Überweisungsbehörde gefassten Aufhebungsbeschlüsse analog anzuwenden, wie der Beschwerdeführer subsidiär verlangt. 2. Wie die Anklagekammer in einem Entscheid vom 29. Februar 1952 i.S. Monnat, auf den sie sich in vorliegender Sache beruft, in verbindlicher Auslegung des bernischen Prozessrechtes ausgeführt hat, wird im Aufhebungsbeschluss nicht erkannt, der Angeschuldigte habe keine strafbare Handlung begangen, sondern lediglich verfügt, das Verfahren sei nicht fortzusetzen. Auch ist BGE 81 IV 220 S. 224 nicht bestritten, dass die Anklagekammer nicht urteilender Richter ist, sondern nur den Zwischenentscheid auf Überweisung an diesen (vgl. z.B. Art. 197 Abs. 3 bern. StrV) oder auf Aufhebung der Untersuchung zu fällen hat. Daher ist Art. 61 Abs. 2 StGB im vorliegenden Falle nicht anwendbar. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
null
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1,955
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080d2253-7375-4d84-ab53-b5ab96d575d4
Urteilskopf 104 IV 206 47. Urteil des Kassationshofes vom 12. September 1978 i.S. H. gegen Generalprokurator des Kantons Bern
Regeste Art. 8 Abs. 5 und 6 BAV . Die zulässige Nutzlast für ein Sattelmotorfahrzeug entspricht der um die Sattellast verminderten Differenz zwischen Gesamt- und Leergewicht von Sattelschlepper und Sattelanhänger (E. 2).
Sachverhalt ab Seite 206 BGE 104 IV 206 S. 206 A.- Anlässlich einer polizeilichen Kontrolle ergab sich, dass das von S. geführte Sattelmotorfahrzeug des H. eine um 2'450 kg über dem zulässigen Gesamtzugsgewicht von 5'750 kg liegende Last aufwies. S. war durch H. veranlasst worden, das Fahrzeug mit bis zu 3'180 kg zu beladen. B.- Das Obergericht des Kantons Bern sprach H. am 25. April 1978 in Bestätigung eines einzelrichterlichen Urteils des Veranlassens zum Überladen schuldig und verurteilte ihn zu einer Busse von Fr. 150.-. C.- H. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf Freisprechung. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Mit der Nichtigkeitsbeschwerde kann nur die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Rückweisung der BGE 104 IV 206 S. 207 Sache an die Vorinstanz zu neuer Entscheidung verlangt werden ( Art. 277ter Abs. 1 BStP ). Soweit das Begehren des Beschwerdeführers um Freisprechung darüber hinausgehend auf einen Entscheid des Kassationshofes in der Sache selber abzielt, ist darauf nicht einzutreten ( BGE 102 IV 257 ). 2. Der Beschwerdeführer macht geltend, nach Gesetz stelle die Summe der Gesamtgewichte von Sattelschlepper und Sattelanhänger das zulässige Gesamtzugsgewicht, die Differenz der Gesamt- und Leergewichte von Sattelschlepper und Sattelanhänger oder die Summe ihrer Nutzlasten die zulässige Nutzlast dar. Gemäss den Fahrzeugausweisen betrage das Gesamtgewicht des Sattelschleppers 3'500 kg, dasjenige des Sattelanhängers 3'530 kg, deren Leergewicht 2'220 kg beziehungsweise 1'630 kg und ihre Nutzlast 1'280 kg beziehungsweise 1'900 kg. Es ergebe sich demnach für sein Sattelmotorfahrzeug ein zulässiges Gesamtzugsgewicht von 7'030 kg und eine zulässige Nutzlast von 3'180 kg. Wenn er als Weisung das weitergegeben habe, was sich aufgrund der Gewichtsangaben im Fahrzeugausweis gestützt auf die gesetzlichen Vorschriften habe errechnen lassen, so könne er S. nicht zum Überladen veranlasst haben. Nutzlast ist die Differenz zwischen Gesamtgewicht und Leergewicht unter Einschluss einer allfälligen Sattellast, d.h. jenes Gewichtsanteils, welcher vom Sattelanhänger über die Sattelkupplung auf den Sattelschlepper übertragen wird ( Art. 8 Abs. 5 und 6 BAV ). Aus dieser Begriffsbestimmung ergibt sich mit aller Deutlichkeit, dass die zulässige Nutzlast für ein Sattelmotorfahrzeug nicht der Differenz zwischen Gesamt- und Leergewicht von Sattelschlepper und Sattelanhänger entspricht, sondern der um die Sattellast verminderten Differenz zwischen Gesamt- und Leergewicht von Sattelschlepper und Sattelanhänger; andernfalls wäre, obgleich bei angekuppeltem Sattelanhänger ein Teil des Gewichtes (vgl. Art. 64 Abs. 2 BAV ) als Sattellast auf dem Sattelschlepper ruht, dieser Teil entgegen Art. 8 Abs. 5 BAV nicht in das Leergewicht des Sattelschleppers eingeschlossen. Aus diesem Grund kann Art. 8 Abs. 9 BAV für Sattelmotorfahrzeuge nicht ohne weiteres Geltung beanspruchen. Dieser Artikel, der bestimmt, das Gesamtgewicht bestehe aus dem von Rechts wegen zulässigen Gewicht eines Zugfahrzeugs und seiner Anhänger mit Einschluss von Insassen und Ladung, ist auf gewöhnliche Anhängerzüge zugeschnitten, bei denen der Anhänger vom Zugfahrzeug nur gezogen BGE 104 IV 206 S. 208 wird (vgl. auch die Definition "Sattelmotorfahrzeug" in Art. 3 Abs. 3 lit. h BAV ). Auf der oben dargestellten Grundlage berechnet, ergibt sich bei Leergewichten des Sattelschleppers und des Sattelanhängers von 2'220 kg und 1'630 kg, Gesamtgewichten von 3'500 kg und 3'530 kg sowie einer Sattellast von 1'280 kg gemäss den Fahrzeugausweisen eine zulässige Nutzlast von 1'900 kg, wie diese aus dem Fahrzeugausweis des Sattelanhängers übrigens ersichtlich ist. Wenn der Beschwerdeführer S. die Weisung erteilte, sein Sattelmotorfahrzeug mit bis zu 3'180 kg zu beladen, so hat er diesen demnach objektiv zum Überladen veranlasst, und zwar, weil eine Überschreitung der zulässigen Nutzlast notwendigerweise auch zu einer solchen des zulässigen Höchstgewichtes führt, sowohl hinsichtlich der zulässigen Nutzlast, wie auch bezüglich des zulässigen Gesamtgewichtes. 3. Auch wenn sich der Beschwerdeführer durch Art. 8 Abs. 9 BAV sollte irreführen haben lassen, so handelte er dennoch pflichtwidrig unvorsichtig ( Art. 18 Abs. 3 StGB ). Aus den Fahrzeugausweisen, die er für seine Berechnung einsehen musste, ergab sich lediglich die Nutzlast des Sattelanhängers (1'900 kg); für den Sattelschlepper ist gar keine Nutzlast ausgewiesen. Dem Beschwerdeführer, der als Inhaber eines Transportunternehmens mit mehreren Fahrzeugen und Sattelschleppern mit den Verhältnissen vertraut ist, musste aber ohne weiteres klar sein, dass Sattellast mit Nutzlast nicht gleichgesetzt werden kann. Sollten bei ihm in dieser Hinsicht noch Zweifel vorhanden gewesen sein, so hätte es die nach den Umständen und den persönlichen Verhältnissen gebotene Sorgfalt erfordert, dass er sich auch für die Klärung dieser beiden Begriffe der BAV bedient hätte. Dann aber wäre er zwangsläufig darauf gestossen, dass seine Berechnungsart die tatsächliche Verschiedenheit von gewöhnlichen Anhängerzügen und von Sattelmotorfahrzeugen offensichtlich nicht berücksichtigte und deshalb nicht richtig sein konnte. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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081268d9-d22d-43d2-b189-60b4d849ccf5
Urteilskopf 134 III 577 90. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Z. (Beschwerde in Zivilsachen) 5A_434/2008 vom 5. September 2008
Regeste Art. 125 ZGB ; nachehelicher Unterhalt. Grundsätze zur Bestimmung des Unterhaltsbeitrages bei lebensprägender Ehe (Präzisierung der Rechtsprechung; E. 3).
Sachverhalt ab Seite 577 BGE 134 III 577 S. 577 A. Z. (Ehefrau), geb. 1944, und X. (Ehemann), geb. 1946, heirateten 1971 vor dem Zivilstandsamt A. Aus der Ehe gingen die heute volljährigen Kinder R., S. und T. hervor. Seit dem 1. Mai 2000 leben die Parteien getrennt. B. Am 8. Dezember 2004 reichte der Ehemann die Scheidungsklage ein. Mit Urteil vom 24. Oktober 2006 schied das Bezirksgericht Brugg die Ehe und verurteilte den Ehemann u.a. zu nachehelichem Unterhalt von Fr. 6'000.- pro Monat bis März 2008 (Erreichen des AHV-Alters der Ehefrau). Auf Appellation und Anschlussappellation hin verpflichtete das Obergericht des Kantons Aargau den Ehemann mit Urteil vom 27. Mai 2008 zu Unterhaltszahlungen an die Ehefrau von Fr. 1'136.- (bzw. ab Auszug der Tochter T. von Fr. 1'736.-) bis zu seinem Eintritt ins AHV-Alter und danach von Fr. 892.- (bzw. ab Auszug der Tochter T. von Fr. 1'192.-). BGE 134 III 577 S. 578 C. Im Unterhaltspunkt hat der Ehemann gegen dieses Urteil am 30. Juni 2008 Beschwerde in Zivilsachen erhoben mit den Begehren um dessen Aufhebung und Absehen von nachehelichem Unterhalt, eventualiter um Rückweisung der Sache an die Vorinstanz. Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit auf sie eingetreten werden kann. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Der Ehemann anerkennt zu Recht, dass die Ehe aufgrund der Dauer und klassischen Rollenteilung lebensprägend war. Hingegen kritisiert er die angewandte Methode der hälftigen Überschussteilung und macht geltend, der abgeschiedene Ehegatte habe kein Recht auf lebenslängliche finanzielle Gleichstellung. Er verweist dabei insbesondere auf BGE 134 III 145 , in welchem erwogen wurde, dass für den nachehelichen Unterhalt bei lebensprägenden Ehen in einem ersten Schritt anhand der Feststellung der zuletzt erreichten bzw. gepflegten gemeinsamen Lebenshaltung (zuzüglich der scheidungsbedingten Mehrkosten) der gebührende Unterhalt eines jeden Ehegatten zu ermitteln, in einem zweiten Schritt die beidseitige Eigenversorgungskapazität zu prüfen und in einem dritten Schritt ein allfälliger Unterhaltsbeitrag des einen an den anderen festzusetzen ist. Mit Bezug auf die Formulierung, die Methode der hälftigen Überschussverteilung sei hierfür in der Regel unpassend, hat der erwähnte Entscheid in der Praxis zu einer gewissen Verunsicherung geführt (vgl. auch Urteilsbesprechungen von SPYCHER, ZBJV 144/2008 S. 514, und HAUSHEER, ZBJV 144/2008 S. 568), so dass sich das Bundesgericht zu einer Präzisierung veranlasst sieht: Der nacheheliche Unterhalt fusst auf anderen Grundsätzen ( Art. 125 Abs. 1 ZGB ) und folgt anderen Kriterien ( Art. 125 Abs. 2 ZGB ) als der eheliche Unterhalt, der auf der gegenseitigen ehelichen Beistandspflicht bzw. Familienunterhaltspflicht ( Art. 163 Abs. 1 ZGB ) und der zwischen den Ehegatten vereinbarten Aufgabenteilung beruht ( Art. 163 Abs. 2 ZGB ). Entsprechend können die beiden Unterhaltsarten nicht gleichgesetzt werden und wäre es unzulässig, den ehelichen Unterhalt für die Zeit nach der Scheidung unabhängig von der besonderen Situation des jeweiligen Einzelfalles einfach fortzusetzen. BGE 134 III 145 lag die Konstellation zugrunde, dass zufolge klassischer Rollenteilung das Fr. 5'334.- betragende BGE 134 III 577 S. 579 Einkommen des Ehemannes gleichzeitig den zuletzt erreichten gemeinsamen Standard bildete bzw. die tatsächlich gepflegte Lebenshaltung angesichts der festgestellten Sparquote sogar noch tiefer lag, dass aber für die nacheheliche Zeit nicht allein dieses Einkommen zur Verfügung stand, weil sich die Ehefrau im Zuge der Scheidung rasch in den Arbeitsprozess integrieren konnte und ihr ein eigenes Einkommen von Fr. 3'690.- anzurechnen war. Bei dieser Sachlage war für den gebührenden Unterhalt im Sinn von Art. 125 Abs. 1 ZGB nicht das infolge Ausdehnung der Arbeitstätigkeit nunmehr zur Verfügung stehende Gesamteinkommen von rund Fr. 9'000.-, sondern die letzte gemeinsame Lebenshaltung von etwas über Fr. 5'000.- massgebend, weshalb die Methode der Existenzminimumsberechnung mit hälftiger Teilung des sich aus den neuen Einkommensverhältnissen ergebenden Überschusses nicht zu einem sachgerechten Ergebnis geführt hätte. Gerade mit Blick auf die mit der Scheidung und der damit verbundenen Auflösung der Versorgungsgemeinschaft häufig einhergehenden Veränderungen in der ökonomischen Situation der Parteien lässt sich nicht unbekümmert um den Einzelfall ein bestimmtes Berechnungsschema zur Anwendung bringen; damit würde den Vorgaben von Art. 125 ZGB zu wenig Rechnung getragen. So hat ein jeder Entscheid nicht nur den auf den konkreten Einzelfall angewandten Kriterien von Art. 125 Abs. 2 ZGB gerecht zu werden, sondern beispielsweise auch zu berücksichtigen, dass zum nachehelichen Unterhalt - im Unterschied zum ehelichen - bei vorhandenen Mitteln der Vorsorgeaufbau gehört und je nach konkreter Situation der gebührende Unterhalt im Sinn von Art. 125 Abs. 1 ZGB für denjenigen Ehegatten, dem keine Erwerbsarbeit zumutbar ist, grösser sein kann als derjenige des arbeitstätigen Ehepartners. Auch insofern würde eine schematische Anwendung der Methode der hälftigen Überschussteilung zu unsachgemässen Resultaten führen. Dies heisst allerdings nicht - und insofern ist BGE 134 III 145 zu präzisieren -, dass die Methode der hälftigen Überschussteilung von vornherein nicht zur zahlenmässigen Konkretisierung des gebührenden Unterhaltes und des allfällig geschuldeten nachehelichen Unterhaltsbeitrages herangezogen werden dürfte; gerade bei langen, von klassischer Rollenteilung geprägten Ehen im mittleren Einkommensbereich kann sie durchaus vernünftige Ergebnisse liefern und lassen sich insoweit die in Art. 125 ZGB vorgegebenen Prinzipien rechnerisch adäquat umsetzen. So hat denn auch das Bundesgericht bei BGE 134 III 577 S. 580 seinen Entscheiden immer wieder auf kantonale Berechnungen abgestellt, die auf der betreffenden Methode beruhten. Indes sind in jedem Fall die relevanten Lebensverhältnisse festzustellen, weshalb es nicht angehen würde, die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen unabhängig vom konkreten Einzelfall durch die Methode der hälftigen Überschussverteilung zu ersetzen, wie dies teilweise Praxis ist. 4. Für den vorliegenden Fall ergibt sich, dass das Obergericht vom gebührenden Unterhalt der Ehegatten ausgegangen ist und hierfür den zuletzt gelebten gemeinsamen Standard festgestellt hat, indem es beweiswürdigend erwog (dazu die nicht publ. E. 6), es könne für die Zeit des ehelichen Zusammenlebens von knapp dreissig Jahren nicht von einer nennenswerten Sparquote gesprochen werden, weshalb mit der Ehefrau und entgegen den Behauptungen des Ehemannes davon auszugehen sei, dass während des Zusammenlebens, aber auch nach der wirtschaftlichen Selbständigkeit der Kinder das verfügbare Einkommen für den laufenden Unterhalt verbraucht worden sei. Auch wenn den konkreten Berechnungen angesichts der stets wechselnden Rappenbeträge eine gewisse vordergründige Scheingenauigkeit nicht abzusprechen ist, verletzt die obergerichtliche Vorgehensweise im Ergebnis kein Bundesrecht, zumal den Gerichten bei der Unterhaltsfestsetzung ein weites Ermessen zukommt ( Art. 4 ZGB ; BGE 127 III 136 E. 3a S. 141) und damit auch relativ grosse Freiheit in der Gewichtung der relevanten Kriterien gemäss Art. 125 Abs. 2 ZGB . (...) 8. Wenn der Ehemann schliesslich geltend macht, das Obergericht sei fälschlicherweise von der Situation unmittelbar vor der Trennung ausgegangen und habe ausser Acht gelassen, dass das Einkommen während rund 24 Jahren für eine fünfköpfige Familie eingesetzt worden sei, verkennt er, dass eben gerade der zuletzt erreichte Standard massgebend ist ( BGE 132 III 593 E. 3.2 S. 594 f.; BGE 134 III 145 E. 4 S. 146). Im Übrigen fusst die Unterhaltsrechtsprechung bei der lebensprägenden Ehe auf dem Gedanken, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte auf den Fortbestand der Ehe und die damit zusammenhängende Versorgung bauen durfte (Urteile 5C.169/2006 vom 13. September 2006, E. 2.4; 5C.244/2006 vom 13. April 2007, E. 2.4.8; 5A_701/2007 vom 10. April 2008, E. 4); diesfalls ist aber auch davon auszugehen, dass die durch das wirtschaftliche Selbständigwerden der Kinder freigewordenen Mittel für beide Ehegatten verwendet worden wären. Die BGE 134 III 577 S. 581 Ehefrau hat aus diesem Grund nach einer 30-jährigen Ehe, der mehrere Kinder entsprossen sind, grundsätzlich Anspruch auf Fortführung der gleichen Lebenshaltung wie der Ehemann ( BGE 132 III 593 E. 3.2 S. 594 f.; BGE 134 III 145 E. 4 S. 146). Kann aber der Ehemann demnach die aufgrund der erwachsenen Kinder freigewordenen Mittel nicht einfach für sich reklamieren, stossen schliesslich die Ausführungen im Zusammenhang mit dem Lehrabschluss der Tochter S. ins Leere.
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Urteilskopf 123 II 1 1. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 17. Februar 1997 i.S. B. G. gegen Sozialversicherungsgericht und Justizdirektion des Kantons Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste Entschädigung und Genugtuung. Art. 11 ff. OHG . Die Pflicht, das Verfahren nach Art. 11 ff. OHG einfach und rasch durchzuführen, schliesst eine Sistierung nicht grundsätzlich aus; Voraussetzungen einer Sistierung im allgemeinen (E. 2). Es widerspricht Sinn und Zweck des OHG, das Entschädigungsverfahren nach Art. 11 ff. zu sistieren, um vom Opfer zu verlangen, zunächst selber einen zivilen Schadenersatzprozess zu führen (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 1 BGE 123 II 1 S. 1 Am 1. Dezember 1994 werden der 17jährige A. G. aus nichtigem Anlass von seinem gleichaltrigen Kollegen P. B. mit einem Schwert erstochen. B. G. fand den Leichnam ihres Sohnes am nächsten Tag in seinem Bett, wo ihn der Täter unter der Bettdecke versteckt hatte. Von diesem Schicksalsschlag hat sich B. G. bis heute nicht erholt; sie musste in der Folge auf Ende 1995 hin ihre Arbeit aufgeben und ist heute zu 100% invalid. BGE 123 II 1 S. 2 Am 29. März 1996 stellte B. G. bei der Opferhilfestelle der Justizdirektion des Kantons Zürich ein Gesuch mit dem Antrag, es sei ihr "zu Lasten der Opferhilfe Schadenersatz und Genugtuung zu leisten". Ausserdem ersuchte sie um einen Vorschuss im Sinne von Art. 15 OHG (SR 312.5) in Höhe von Fr. 25'000.--. Mit Verfügung vom 9. Mai 1996 wies die Justizdirektion des Kantons Zürich die Gesuche von B. G. um Vorschuss und Entschädigung ab und sistierte das Gesuch um Genugtuung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens. Zur Begründung führte sie im wesentlichen an, es sei zwar glaubhaft, dass A. G. einem Tötungsdelikt zum Opfer gefallen und deshalb Opfer im Sinne von Art. 2 Abs. 1 OHG sei, weshalb die Gesuchstellerin diesem nach Art. 2 Abs. 2 lit. c OHG bei der Geltendmachung von Entschädigung und Genugtuung gleichgestellt sei, soweit ihr Zivilansprüche gegen den Täter zustünden. Nach der massgeblichen zivilrechtlichen Bestimmung von Art. 45 Abs. 3 OR hätte der Täter indessen nur einen allfälligen Versorgerschaden zu decken. Der von ihr als Schaden geltend gemachte Arbeitsausfall sei jedoch kein solcher, sondern vielmehr ein Reflexschaden, aus dem sich kein zivilrechtlicher Schadenersatzanspruch gegenüber dem Täter ableiten lasse. Dementsprechend bestehe auch kein Forderungsrecht gegenüber der Opferhilfestelle, weshalb das Gesuch um Entschädigung des erlittenen Lohnausfalls und damit auch das Gesuch um Vorschuss abzuweisen sei. Die Beurteilung des Gesuchs um Genugtuung hange wesentlich vom Ausgang des Strafverfahrens gegen P. B. ab, weshalb es bis zu dessen rechtskräftiger Erledigung zu sistieren sei. Die Verfügung der Justizdirektion vom 9. Mai 1996 focht die Beschwerdeführerin mit Beschwerde beim Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich an, u.a. mit den Rechtsbegehren, Ziff. III der Verfügung der Justizdirektion vom 9. Mai 1996 sei aufzuheben, diese sei zu verpflichten, B. G. in dem Umfange, in welchem ihr ein zivilrechtlicher Anspruch zustehe, entsprechend den Bemessungsgrundsätzen von Art. 13 OHG zu entschädigen, und das Verfahren betreffend Entschädigung sei bis zum Vorliegen eines Urteils über den Schadenersatzanspruch zu sistieren. Mit Verfügung vom 8. August 1996, mitgeteilt am 15. August 1996, verfügte der Referent die Sistierung des Prozesses "bis zur rechtskräftigen Erledigung eines Entscheids über den Schadenersatzanspruch von B. G.". Mit Eingabe vom 26. August 1996 erhebt B. G. - der Rechtsmittelbelehrung der angefochtenen Verfügung entsprechend - BGE 123 II 1 S. 3 Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Eidgenössischen Versicherungsgericht. Sie beantragt, die Sistierung des Verfahrens beim Sozialversicherungsgericht sei aufzuheben und stellt im übrigen die ähnlichen Rechtsbegehren wie vor dem Sozialversicherungsgericht. Am 29. August 1996 überwies das Eidgenössische Versicherungsgericht die Angelegenheit zuständigkeitshalber dem Bundesgericht zur weiteren Behandlung. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. a) Strittig ist vorliegend einzig, ob das Sozialversicherungsgericht das Verfahren um eine Entschädigung nach Art. 11 ff. OHG sistieren durfte, bis ein rechtskräftiges Zivilurteil über den Schadenersatzanspruch der Beschwerdeführerin gegen den Täter besteht. Nicht mehr zur Diskussion steht dagegen ihr ursprünglich gestelltes Vorschussbegehren nach Art. 15 OHG : dessen Ablehnung durch die Justizdirektion focht sie beim Sozialversicherungsgericht bereits nicht mehr an (grundsätzlich zum Anspruch des Opfers auf Vorschuss: BGE 121 II 116 ). Ebenfalls nicht angefochten ist die Sistierung ihres Gesuchs um Zusprechung einer Genugtuung. b) Die Kantone haben für Ansprüche nach Art. 11 ff. OHG ein "einfaches, rasches und kostenloses Verfahren" vorzusehen ( Art. 16 Abs. 1 OHG ). Dabei handelt es sich um ein eigenständiges Verwaltungsverfahren; es ist daher grundsätzlich unabhängig von anderen Zivil-, Straf- und Verwaltungsverfahren durchzuführen. Die Pflicht, das Verfahren einfach und rasch durchzuführen, schliesst eine Sistierung nicht grundsätzlich aus. Eine solche kann sich etwa rechtfertigen, wenn ein anderes Verfahren hängig ist, dessen Ausgang von präjudizieller Bedeutung ist, und das Verfahren nach Art. 11 ff. OHG nicht rascher und einfacher zum Ziele führen würde. So hat das Bundesgericht die Sistierung des Opferhilfeverfahrens bis zum Abschluss des Strafverfahrens in einem Fall zugelassen, in welchem zunächst durch Gutachten abgeklärt werden musste, ob überhaupt eine Straftat (schwere fahrlässige Körperverletzung durch ärztlichen Kunstfehler) vorlag, was die Opferhilfestelle nicht schneller hätte tun können, als dies im Strafverfahren erfolgte ( BGE 122 II 211 E. 3e). 3. a) Der Referent des Sozialversicherungsgerichtes hat im angefochtenen Entscheid das Verfahren sistiert, bis die Beschwerdeführerin in einem (offenbar noch einzuleitenden) Schadenersatzprozess gegen den Täter ein rechtskräftiges Urteil erstritten haben BGE 123 II 1 S. 4 wird. Zur Begründung hat er angeführt, die Bezifferung des Schadens sei im heutigen Zeitpunkt nicht möglich, und die Bemessung der Entschädigung nach OHG hänge unter anderem von der Frage ab, ob der Unfallversicherer zahlungspflichtig sei und wie die Invalidenversicherung entscheide. b) Das OHG will u.a. gerade verhindern, dass das Opfer zur Durchsetzung seiner Ansprüche einen an Kosten- und Beweislastrisiken reichen Zivilprozess gegen den Täter anstrengen muss (BBl 1990 II 987 f.). Zu diesem Zweck räumt es ihm den Entschädigungsanspruch gemäss Art. 11 ff. OHG gegenüber dem Staat ein, der in einem raschen, einfachen und kostenlosen Verfahren durchgesetzt werden kann. Darauf hat das Opfer ein primäres Recht. Dieser Anspruch ist nur insofern subsidiär (wie das Marginale zu Art. 14 OHG lautet), als sich das Opfer andere Leistungen, die es als Schadenersatz erhalten hat, anrechnen lassen muss, und Ansprüche, die ihm aufgrund der Straftat zustehen, im Umfang ihrer Leistung auf den Staat übergehen ( Art. 14 Abs. 1 und 2 OHG ; vgl. auch GOMM/STEIN/ZEHNTNER, Kommentar zum OHG, N. 5 ff., insbes. N. 7 zu Art. 14). Daher widerspricht es Sinn und Zweck des OHG und verletzt Bundesrecht, das Entschädigungsverfahren nach Art. 11 ff. OHG zu sistieren und vom Opfer zu verlangen, zunächst selber einen Schadenersatzprozess zu führen. Die Ansprüche, die dem Opfer gegenüber der Unfall- oder der Invalidenversicherung zustehen, sind, wie erwähnt, von der Entschädigung nach OHG in Abzug zu bringen oder gehen auf den Staat über (vgl. auch dazu GOMM/STEIN/ZEHNTNER, a.a.O., N. 12 ff. und 54 zu Art. 14), weshalb die Begründung im angefochtenen Entscheid, wonach die Bemessung der Entschädigung von den Leistungen der Versicherungen abhänge, unzutreffend ist. Auch soweit die Sistierung damit begründet wird, verletzt sie daher Bundesrecht. 4. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist somit gutzuheissen und die angefochtene Sistierung des Verfahrens aufzuheben.
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nan
de
1,997
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CH
Federation
081c4cd4-44e2-4349-a5a3-03a7c6b76e03
Urteilskopf 112 Ib 105 17. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit public du 23 avril 1986 dans la cause R. contre Commune de Commugny et Vaud, Etat et Chambre des recours du Tribunal cantonal (recours de droit administratif)
Regeste Art. 5 Abs. 2 RPG ; materielle Enteignung; Umzonung eines Grundstücks aus der Zone für Einfamilienhäuser in Landwirtschafts- und Rebbauzone. Ersatz für vergeblich erstellte Pläne. 1. Definition der materiellen Enteignung (E. 2). 2. Unterscheidung zwischen Auszonung und Nichteinzonung, die den Eigentumsinhalt gemäss den Anforderungen der Raumplanung ( Art. 22quater BV ) festlegt. Im konkreten Fall Annahme einer Auszonung, die den Eigentümer einer wesentlichen, aus seinem Eigentum fliessenden Möglichkeit der Grundstücksnutzung beraubt (E. 3). 3. Unter Berücksichtigung aller im Entscheidungszeitpunkt massgeblichen rechtlichen und tatsächlichen Elemente wäre damit zu rechnen gewesen, dass das Grundstück in naher Zukunft überbaut worden wäre (E. 4). 4. Die von der Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen der Entschädigung von Projektierungskosten sind im konkreten Fall nicht erfüllt, denn die Zonenplanänderung wurde nicht durch die Einreichung eines Baubewilligungsgesuchs ausgelöst (E. 6).
Sachverhalt ab Seite 106 BGE 112 Ib 105 S. 106 Le 19 mars 1974, R. a acquis la parcelle 712, d'une surface de 2822 m2, sise sur le territoire de la commune de Commugny. De forme rectangulaire et en nature de pré-champ, cette parcelle est située sur le coteau de Monthoux, à quelque 200 m au nord-est du centre du village, en direction de l'autoroute. En pente légère vers le lac, le coteau de Monthoux est planté en vignes. Il ne comporte qu'une seule construction: la villa de dame B. avec piscine attenante, implantée dans le prolongement ouest du terrain acquis par R. Trois autres constructions, situés plus à l'ouest, ne font pas partie du coteau. A l'est de celui-ci se trouvent des terrains de nature agricole. Directement bordée au nord et au sud par des vignes, la parcelle 712 fait partie d'un ensemble viticole et agricole compact. L'endroit est tranquille et plaisant; il se prêterait fort bien à une construction. De la route communale venant du centre du village, l'accès à la parcelle 712 est assuré, à l'ouest, par une bande de terrain en nature de pré-champ longue de 20 m environ. L'aménagement de celle-ci en chemin ne présenterait aucune difficulté, et la commune de Commugny ne s'y opposerait pas. En septembre 1974, R. a participé aux frais du revêtement bitumineux d'une place de parc commune avec dame B. à l'entrée de cette bande d'accès. En 1977, il a en outre supporté la moitié du coût de réfection de la conduite privée d'amenée d'eau alimentant les parcelles 712 et 710. La parcelle 712 n'est pas directement raccordée au réseau d'eau, d'électricité et des égouts. Les amenées de l'électricité, du téléphone et de l'eau potable ne posent toutefois pas de problèmes. L'évacuation des eaux pourrait se faire par le collecteur passant BGE 112 Ib 105 S. 107 le long de la route communale moyennant l'installation d'une pompe, solution à laquelle la commune serait opposée, ou en construisant un collecteur sur une centaine de mètres en bordure de la vigne au sud-ouest (parcelle No 711). Le tracé des collecteurs communaux qui longe la route communale a été aménagé en 1980/1981, et aboutit juste devant le chemin d'accès à la parcelle 712. R. a acquis son terrain dans l'intention d'y construire une villa familiale. Au début de 1979, il fut informé par dame B., à qui la Municipalité de Commugny avait refusé l'autorisation de construire une piscine sur son bien-fonds, d'une modification possible du plan de zones. Il donna alors mandat à un architecte de faire mettre à l'enquête la construction d'une villa sur la parcelle 712. Le 4 octobre 1979, l'architecte soumit à la Municipalité un projet d'implantation pour approbation préalable. La Municipalité répondit qu'il était prévu d'inclure la parcelle 712 dans une zone inconstructible. Le 12 octobre 1979, l'architecte confirma que le projet de la villa était immédiatement réalisable et que son client entendait construire sans délai. La Municipalité s'opposa à la délivrance du permis de construire, eu égard à la modification envisagée du plan de zones. En 1972, dans le cadre d'un premier projet de modification du plan de zones, il avait été envisagé de classer le terrain ou se trouve la parcelle 712 en zone inconstructible. Ce terrain est toutefois resté en zone de villas moyennant une charge foncière relative aux frais d'équipement. Le 17 juin 1980, le Conseil communal de Commugny a adopté un nouveau plan de zones classant la parcelle 712 en zone agricole et viticole protégée. Il a considéré que la sauvegarde du coteau viticole de Monthoux, site particulièrement digne de protection, excluait toute nouvelle construction dans ce secteur. Cette modification du plan de zones, à laquelle R. s'est vainement opposé, a été approuvée par le Conseil d'Etat le 1er avril 1981. Le 3 août 1981, R. a ouvert action en expropriation matérielle contre la commune de Commugny devant le Tribunal du district de Nyon. Il a conclu pour l'essentiel au paiement de 530'916 fr. 40. L'Etat de Vaud est intervenu au procès pour s'opposer à l'action. Par jugement du 30 janvier 1984, le Tribunal de district a rejeté la demande. Saisie d'un recours de R., la Chambre des recours du Tribunal cantonal vaudois a, par arrêt du 6 mars 1985, nié l'existence d'une BGE 112 Ib 105 S. 108 expropriation matérielle et rejeté les conclusions principales de l'intéressé. Elle a notamment considéré que le classement du coteau de Monthoux en zone agricole et viticole se justifiait en raison de sa situation et de sa vocation viticole. Par ailleurs, on ne pouvait dire qu'au 1er avril 1981, date de l'approbation du nouveau plan de zones, la parcelle 712 aurait été vouée à la construction dans un proche avenir. Agissant par la voie du recours de droit administratif, R. a requis le Tribunal fédéral d'annuler l'arrêt de la Chambre des recours du Tribunal cantonal, d'admettre l'existence d'une expropriation matérielle et de fixer l'indemnité due de ce chef, à 522'070 fr., avec intérêts. Il s'est prévalu d'une violation de l'art. 5 al. 2 de la loi fédérale du 22 juin 1979 sur l'aménagement du territoire (LAT), ainsi que des art. 4 et 22ter Cst. , alléguant à cet égard que les principes de la bonne foi, de l'égalité de traitement et de la proportionnalité n'avaient pas été respectés par l'autorité cantonale. La commune de Commugny, l'Etat de Vaud et l'Office fédéral de l'aménagement du territoire ont conclu au rejet du recours; le Tribunal cantonal, pour sa part, s'est référé à son arrêt. Erwägungen Extrait des considérants: 1. (Recevabilité du recours de droit administratif.) 2. a) Selon la jurisprudence, il y a expropriation matérielle lorsque l'usage actuel d'une chose ou son usage futur prévisible est interdit ou restreint d'une manière particulièrement grave, de sorte que le lésé se trouve privé d'un attribut essentiel de son droit de propriété. Une atteinte de moindre importance peut aussi constituer une expropriation matérielle si elle frappe un ou plusieurs propriétaires de manière telle que, s'ils n'étaient pas indemnisés, ils devraient supporter un sacrifice par trop considérable en faveur de la collectivité, incompatible avec le principe de l'égalité de traitement ( ATF 110 Ib 32 consid. 4, ATF 109 Ib 15 consid. 2, ATF 108 Ib 354 consid. 4 et arrêts cités). Dans l'un et l'autre cas, la protection ne s'étend également à l'usage futur prévisible que dans la mesure ou celui-ci apparaît au moment déterminant comme très probable dans un proche avenir ( ATF 109 Ib 15 /16 consid. 2, ATF 107 Ib 223 ). Par usage futur prévisible, on entend généralement la possibilité d'affecter à la construction l'immeuble concerné. BGE 112 Ib 105 S. 109 b) Pour juger si un bien-fonds aurait été très vraisemblablement utilisé comme terrain à bâtir dans un proche avenir, il faut, selon la jurisprudence, prendre en considération tous les facteurs juridiques et matériels qui peuvent déterminer ses chances d'être édifié. Parmi ces facteurs figurent les dispositions du droit des constructions fédérales, cantonales et communales en vigueur au moment déterminant, la situation et les caractéristiques générales de l'immeuble en cause ainsi que les possibilités de l'équiper, l'état de la planification communale et cantonale et le développement des constructions dans les environs. Les différents facteurs doivent être examinés et pesés. C'est seulement si la construction est juridiquement admissible et pratiquement possible et si les circonstances la rendent très vraisemblable dans un proche avenir qu'une restriction de propriété excluant toute construction peut être considérée comme une atteinte particulièrement grave, entraînant l'obligation d'indemniser le propriétaire. Comme motifs permettant de considérer qu'un bien-fonds ne pourrait pas être bâti dans un avenir relativement proche, le Tribunal fédéral a indiqué par exemple la nécessité d'obtenir une dérogation ou de modifier un plan de zones, ou d'établir un plan d'équipement ou un plan spécial (plan de quartier ou autre), la nécessité de procéder à un remaniement parcellaire ou à d'autres travaux d'équipement importants. La possibilité d'équiper une parcelle - et même, selon les circonstances, le fait qu'elle est équipée - ne suffit pas à la faire considérer automatiquement comme constructible dans un proche avenir ( ATF 109 Ia 16 consid. 2 et les arrêts cités). Le propriétaire concerné doit en outre rendre hautement vraisemblable qu'au moment du déclassement ou du refus de classement de son bien-fonds, celui-ci aurait été effectivement voué à la construction, selon le cours ordinaire des choses, dans un proche avenir. La réponse dépend d'une appréciation objective des données sociales et économiques de la région, tels le développement de la construction dans le secteur ou se trouve l'immeuble et les perspectives de croissance démographique de la commune mises en parallèle avec la capacité globale de son plan de zones. L'affectation antérieure d'un bien-fonds, sa situation par rapport au territoire déjà bâti, ses qualités intrinsèques mesurées à l'aune des impératifs de l'aménagement du territoire, telle la nécessité de réserver des terres agricoles suffisantes et de protéger des paysages de valeur sont, dans ce contexte, des indices BGE 112 Ib 105 S. 110 déterminants ( ATF 102 Ia 129 consid. 2 f; arrêt Wohlen du 10 novembre 1982, consid. 2 non publié in ATF 108 Ib 352 ; ROUILLER, Considérations sur la garantie de la propriété et sur l'expropriation matérielle, faites à partir de la jurisprudence du Tribunal fédéral, in RJB 1985 p. 19 ss). c) Pour déterminer si l'on se trouve en présence d'une expropriation matérielle, il faut se placer au moment de l'entrée en vigueur de la restriction au droit de propriété ( ATF 110 Ib 33 consid. 4a, ATF 109 Ib 16 consid. 3, ATF 108 Ib 338 consid. 4c et arrêts cités). 3. Dans ses observations, l'Office fédéral de l'aménagement du territoire estime que la parcelle 712 n'est pas l'objet d'un déclassement ou dézonage, mais d'une simple mesure de non-classement en zone à bâtir. Selon la jurisprudence, lorsque la modification d'un plan de zones - qui a pour effet qu'une parcelle ne figure plus dans la zone à bâtir ou elle se trouvait auparavant - intervient pour adapter ce plan à la législation fédérale et cantonale en vigueur, cette mesure n'implique pas la privation d'une faculté essentielle découlant du droit de propriété; elle a bien plutôt pour effet de préciser le contenu véritable du droit de propriété, de sorte qu'il n'y a en principe pas d'expropriation matérielle ( ATF 109 Ib 17 consid. 4a, ATF 105 Ia 338 consid. 3d; KUTTLER, Eigentumsbeschränkungen, die einer Enteignung gleichkommen, in Staatsorganisation und Staatsfunktionen im Wandel, Festschrift Eichenberger, 1982, p. 649/650; ROUILLER, op.cit., p. 21; SCHÜRMANN, Bau- und Planungsrecht, 2e éd. 1984, p. 231). L'Office fédéral considère que l'ancien plan de zones de 1973 ne prévoyait pas de zone agricole et n'opérait pas une distinction suffisante entre terrains à bâtir et terrains non constructibles; c'est donc pour l'adapter aux exigences nouvelles des art. 25bis et 25ter LCAT qu'on l'aurait modifié avec effet au 1er avril 1981; partant, il n'y aurait en principe pas d'expropriation matérielle en l'espèce. Cette opinion de l'Office fédéral de l'aménagement du territoire ne saurait être partagée. a) La loi cantonale du 5 février 1941 sur les constructions et l'aménagement du territoire (LCAT) a subi des modifications successives au cours des dernières décennies. C'est ainsi que la loi du 26 février 1964 y a introduit un art. 25bis concernant la limitation des constructions dans les zones agricoles, et un art. 25ter ayant la teneur suivante: "Les zones destinées à assurer l'extension d'une agglomération doivent se justifier par le BGE 112 Ib 105 S. 111 développement prévisible de la commune ou de la région dans les dix années à venir. Les voies d'accès, l'adduction d'eau et les égouts doivent être prévus." Puis la loi du 15 décembre 1971 est venue préciser l'art. 25ter en ce sens que les voies d'accès, l'adduction d'eau, l'évacuation et l'épuration des eaux usées doivent être prévues et réalisées dans le délai de dix ans; elle y a ajouté en outre un alinéa concernant la réserve de zones de construction d'utilité publique. Enfin, la loi du 13 septembre 1976 a complété l'art. 25bis relatif à la zone agricole; elle a de plus introduit à l'art. 25ter un nouvel al. 3 en vertu duquel le territoire qui ne répond pas aux prescriptions de l'al. 1 doit être classé soit en zone agricole, soit en zone de verdure, soit en zone intermédiaire. b) Il résulte toutefois de l'examen des préavis de la Municipalité de Commugny, adressés au Conseil communal les 18 avril 1973 et 19 mai 1980, que si le plan de zones a effectivement été modifié en 1973 et en 1981 pour l'adapter de manière générale aux nouvelles réglementations entrées en vigueur, ce n'est précisément pas pour réaliser un tel objectif que la parcelle 712 du recourant a été, en 1981, sortie de la zone de villas et attribuée à la zone agricole et viticole de la commune de Commugny. Dans le préavis du 18 avril 1973, il est relevé que la modification de l'art. 25ter par la loi du 15 décembre 1971 implique une réduction et une meilleure délimitation des zones de construction. Afin de créer une situation durable, qui soit acceptable par l'autorité cantonale, la Municipalité proposait de "déclasser en zone sans affectation spéciale" une partie des parcelles placées en zone de villas, attendu que, faute d'équipement suffisant, ces parcelles ne constituaient pas des terrains à bâtir au regard des nouvelles dispositions légales. En ce qui concerne la parcelle 712, dont le propriétaire d'alors avait fait opposition, elle admettait de lui faire suivre le sort de la parcelle contiguë No 710 (déjà bâtie pour la plus grande part), à savoir de la maintenir en zone de villas moyennant l'engagement du propriétaire - comme pour le solde non construit de la parcelle 710 - d'assumer les frais du raccordement au réseau d'égouts. Le Conseil d'Etat a approuvé, le 12 octobre 1973, le nouveau plan de zones et les propositions de réponse aux opposants. Il s'ensuit dès lors que les autorités cantonales et communales reconnaissaient que la parcelle 712 constituait bien du terrain à bâtir au regard de la nouvelle réglementation légale. C'est peu après, à savoir le 19 mars 1974, que R. acquérait la propriété de BGE 112 Ib 105 S. 112 cette parcelle en reprenant la charge foncière relative aux frais d'équipement. Dans le préavis du 19 mai 1980 à l'appui du nouveau plan de zones de 1981, la Municipalité se réfère d'abord à l'arrêté fédéral urgent du 17 mars 1972 (AFU) et à son règlement cantonal d'application: il s'avère cependant qu'aucune mesure de protection fondée sur ces textes n'a été ordonnée concernant le coteau de Monthoux et plus spécialement la parcelle 712. S'agissant des modifications apportées par la loi du 13 septembre 1976, la Municipalité rapporte qu'en raison du nouvel art. 25bis LCAT, elle est tenue de substituer à la zone sans affectation spéciale une zone agricole: cette opération ne touche pas non plus la parcelle 712. Puis l'autorité communale expose qu'elle place même en zone intermédiaire des secteurs situés en zone de villas, mais non encore bâtis ni équipés; cette modification concerne les lieux dits au Saugey et en Bouchattet, et non pas le coteau de Monthoux. Enfin, la Municipalité affirme qu'elle a dû prendre des mesures de protection pour les terrains non encore bâtis situés sur La Fontaine et en Monthoux, classés jusqu'ici pour l'essentiel en zone sans affectation spéciale. "Il s'agit - dit-elle - à la fois d'un site près du village, qui mérite d'être protégé, et d'un coteau viticole qui mérite d'être conservé. C'est pourquoi ces deux secteurs ont été placés en zone agricole et viticole protégée, ce qui pourra éventuellement, dans un cas particulier tout à fait exceptionnel, exposer la commune à une demande d'indemnité [...]." Le préavis municipal fait donc apparaître clairement le motif du changement d'affectation intervenu à propos du coteau de Monthoux et de la parcelle 712: il ne s'agit nullement de la nécessité d'adapter la réglementation communale aux nouvelles exigences légales de l'art. 25ter al. 3 LCAT, mais bien exclusivement de la volonté de protéger un site et sa "vocation viticole". Les réponses données aux opposants B. et R. le confirment. A dame B., la Municipalité déclare que la modification de la zone est justifiée "pour sauvegarder le site encore intact du coteau de Monthoux" et qu'au demeurant, "bien loin de prétériter l'opposante, cette mesure la favorise au contraire puisqu'elle rend inconstructible la parcelle 712 sise immédiatement devant sa villa". Au recourant, elle fait savoir que la raison d'affecter la parcelle 712 à la zone viticole protégée réside dans la "sauvegarde du coteau viticole de Monthoux, qui constitue un site particulièrement digne de protection". La Municipalité fait par ailleurs allusion au BGE 112 Ib 105 S. 113 dommage que pourrait subir le propriétaire de ladite parcelle, aux vaines tentatives faites pour résoudre le cas à l'amiable et à l'éventualité - dont elle n'entend pas préjuger - que ce préjudice soit assimilé à une expropriation matérielle. c) L'on ne se trouve donc pas, en l'espèce, en présence d'une mesure de non-classement ayant pour effet de préciser l'étendue du droit de propriété (cf. arrêts non publiés Coderey, Fayet et Crot c. commune de Lutry des 21 mars et 5 décembre 1978), mais bien d'un déclassement pur et simple qui prive le propriétaire d'une faculté essentielle découlant de son droit de propriété. 4. Encore faut-il, pour admettre l'existence d'une expropriation matérielle, que le bien-fonds en cause eût très vraisemblablement été utilisé, dans un proche avenir, comme terrain à bâtir. A cet égard, la date déterminante est, comme l'a admis le Tribunal cantonal, le 1er avril 1981, date de l'entrée en vigueur du nouveau règlement communal sur le plan d'extension et la police des constructions. a) Bien qu'étant située en zone de villas depuis 1962 en tout cas, la parcelle 712 (essentiellement en nature de pré-champ) n'a pas fait l'objet de travaux de construction jusqu'à la date déterminante du 1er avril 1981. Au moment ou, le 4 octobre 1979, l'architecte du recourant a soumis un projet d'implantation d'une villa pour approbation préalable, le nouveau texte des art. 25bis et 25ter LCAT était depuis longtemps en vigueur, et la Municipalité de Commugny avait déjà élaboré plusieurs projets successifs de révision du plan de zones. Toutefois, on l'a vu, le déclassement de la parcelle 712 n'est en rien la conséquence de la modification des art. 25bis et ter LCAT. On ne saurait donc dire que cette réglementation cantonale aurait pu faire obstacle à la délivrance d'un permis. Lors de l'inspection locale, puis dans son écriture du 30 décembre 1985, le mandataire de la commune de Commugny et de l'Etat de Vaud a exposé que l'autorité communale aurait été en droit de rejeter une demande de permis de construire pour le motif que la parcelle n'était pas équipée. On ne saurait le suivre sur ce point. En effet, indépendamment des exigences formelles relatives au contenu du dossier présenté par l'architecte, et qui sont dénuées de pertinence en l'espèce, la Municipalité s'est fondée exclusivement sur l'art. 83 LCAT pour s'opposer à la demande de permis d'implantation du 4 octobre 1979 et pour la rejeter le 15 janvier 1980 après mise à l'enquête. L'art. 83 LCAT dispose, BGE 112 Ib 105 S. 114 à son al. 1, que "la Municipalité a le droit de refuser le permis si l'ouvrage, bien que conforme aux lois et règlements, compromet le développement futur d'un quartier. La Municipalité peut également refuser le permis si elle a l'intention [...] d'apporter [une] modification au plan d'extension, et que l'ouvrage soit en contradiction avec les plans ou les dispositions projetées, ou en gêne la réalisation." Rien dans le dossier n'établit que l'autorité communale aurait fondé le refus du permis sur un défaut d'équipement de la parcelle 712 (art. 67bis LCAT). Il y a là à tout le moins un indice que ce bien-fonds constituait, aux yeux de l'autorité communale, du terrain à bâtir suffisamment équipé. b) L'arrêt attaqué a constaté d'ailleurs que le raccordement aux réseaux d'électricité, de téléphone et d'eau potable ne posait pas de problèmes. Quant aux possibilités de rejoindre les collecteurs communaux d'eaux usées et d'eaux claires, il résultait de l'instruction que "ce raccordement était techniquement réalisable sans frais excessifs [...]". Emanant d'un tribunal cantonal, de telles constatations de fait lient en principe le Tribunal fédéral ( art. 105 al. 2 OJ ). Au demeurant, les représentants de la commune ont déclaré à la délégation du Tribunal fédéral, lors de l'inspection locale, que le tracé des collecteurs communaux qui longe la route communale a été aménagé en 1980/1981 jusqu'à proximité de la parcelle 712. Au cours de cette inspection, M. H. - dont l'arrêt attaqué dit qu'on ignore s'il aurait, avec ses consorts, donné son accord au moment déterminant - est convenu avec le recourant qu'un arrangement pourrait être trouvé quant à un tracé épargnant la vigne plantée sur la parcelle 711. Cette solution permettrait de surcroît de renoncer à l'alternative du pompage, système que la commune refuse pour des raisons de sécurité (déficience du pompage ensuite d'éventuelles pannes d'électricité). Il s'ensuit qu'on ne saurait invoquer un manque d'équipement de la parcelle 712. c) Le Tribunal cantonal admet que le recourant a acheté la parcelle litigieuse en 1974 dans l'intention d'y construire une villa, que cette intention subsistait en 1979 et le 1er avril 1981, et que les motifs qu'il allègue pour expliquer le report de son projet sont plausibles. Ces constatations de fait lient le Tribunal fédéral. La juridiction cantonale considère, avec raison, que cet aspect subjectif n'est pas décisif en soi. Il revêt toutefois une certaine BGE 112 Ib 105 S. 115 importance, qu'il faut apprécier de cas en cas en relation avec les autres critères, pour juger si la parcelle litigieuse a une vocation objective à la construction dans un proche avenir. Dans ce contexte, il faut mentionner la charge foncière que le recourant a dû reprendre lors de l'achat de sa parcelle. Cette charge non seulement oblige le propriétaire à équiper le cas échéant le terrain à ses frais, mais stipule en outre une contribution de 4 fr. 50 par m2 "pour couvrir partiellement les frais généraux d'infrastructure communale", contribution qui devra être payée à la commune "lors de la délivrance du permis de construire". A cela s'ajoutent les dépenses du recourant relatives à l'aménagement d'une place de parc commune avec dame B. en 1974 (500 fr.) et à la réfection d'une conduite d'eau en 1977 (1'187 fr. 20), dépenses dont le Tribunal cantonal constate qu'elles ont été "engagées en vue de la construction aujourd'hui impossible". Il s'agit là d'éléments objectifs qui doivent être pris en considération, en plus de la volonté de construire subjective du propriétaire, pour permettre d'admettre la vraisemblance d'une utilisation future de la parcelle comme terrain à bâtir. d) Le motif principal, voire unique, qui a conduit le Tribunal cantonal à rejeter le recours de R. sur le principe de l'expropriation matérielle consiste en la considération que le coteau de Monthoux est un site de valeur, à vocation viticole. Il n'est pas contestable - et la délégation du Tribunal fédéral a pu s'en rendre compte - que ce coteau présente un certain charme, encore que sa valeur ne soit nullement exceptionnelle. Il est exact également qu'il est pour l'essentiel planté en vigne et que la parcelle 712 était entourée de vignes sur deux côtés à la date décisive. Point n'est besoin toutefois de rechercher si, comme l'expose la juridiction cantonale, le coteau de Monthoux a une "vocation viticole". A supposer que tel soit le cas et que le site soit en soi digne de protection, cela signifierait simplement que la commune de Commugny pouvait se prévaloir d'un intérêt public pour le placer entièrement dans une zone agricole et viticole protégée. Cela ne signifierait pas encore que le déclassement d'une parcelle, pour réaliser cet objectif, ne doive pas entraîner l'obligation d'indemniser son propriétaire. Au demeurant, la juridiction cantonale se fonde trop largement sur les qualités du coteau de Monthoux pris dans son ensemble, et ne retient pas suffisamment le caractère particulier, dans ce contexte, de la parcelle 712 en relation avec la parcelle 710. Il apparaît en effet que ces deux parcelles contiguës - dont l'une est BGE 112 Ib 105 S. 116 déjà bâtie - s'articulent en quelque sorte l'une à l'autre pour créer, au haut et sur le bord du coteau, un ensemble propice à la construction au sein d'un ensemble viticole et agricole plus considérable. e) Il ressort en outre de l'arrêt entrepris que la population de la commune de Commugny a passé de 926 habitants en 1973 à 1537 habitants en 1980; pour garder un certain contrôle du développement de l'agglomération, les autorités communales ont dû limiter les possibilités de construire existantes compte tenu des besoins prévisibles de la commune; elles ont ainsi groupé certains secteurs destinés à la construction; dans la partie est du territoire communal, elles ont en revanche transféré différentes parcelles de la zone de villas ou sans affectation spéciale en zone agricole ou, comme c'est le cas de celles situées en Monthoux, en zone agricole et viticole protégée. On ne saurait contester que le nouveau plan d'extension de la commune de Commugny, dans la mesure ou il restreint des zones constructibles trop vastes et oriente la construction en dehors d'une zone en nature viticole et agricole, consacre de manière générale un aménagement harmonieux du territoire communal en conformité avec les objectifs fixés par la législation cantonale. Toutefois, cette considération tirée des perspectives de développement de la commune ne saurait faire obstacle à une demande d'indemnisation pour expropriation matérielle en l'espèce. Ce qui est en cause, en effet, c'est la parcelle du recourant et la construction, sur cette parcelle, d'une maison familiale. Il n'est nullement question d'un secteur ou d'une zone constructible à supprimer. Considéré dans l'optique d'un frein mis à la poussée générale de la construction par l'aménagement global des zones à bâtir, le cas de la parcelle 712 ne peut jouer aucun rôle. Que cette parcelle subsiste comme terrain à bâtir ou que cette possibilité lui soit ôtée ne change rien aux mesures à prendre par les autorités communales pour maîtriser l'évolution de la construction sur le territoire de la commune. f) Au vu de l'ensemble de ce qui précède, il y a donc lieu d'admettre - en application des principes posés par la jurisprudence - que la parcelle 712 aurait très vraisemblablement été utilisée, dans un proche avenir, comme terrain à bâtir si elle n'avait pas été déclassée en zone agricole et viticole protégée. Une telle utilisation n'aurait d'ailleurs exigé ni autorisation exceptionnelle, ni établissement d'un plan d'équipement ou de lotissement, BGE 112 Ib 105 S. 117 ni remaniement parcellaire. Dès lors, la restriction qui touche la parcelle du recourant en vertu du plan d'extension communal entré en vigueur le 1er avril 1981 est constitutive d'une expropriation matérielle qui justifie l'allocation d'une indemnité au sens de l' art. 5 al. 2 LAT . La présente espèce se distingue essentiellement des causes Coderey, Fayet et Crot c. commune de Lutry déjà citées (arrêts non publiés des 21 mars et 5 décembre 1978) en ce que la nouvelle réglementation de Commugny prive définitivement le propriétaire du droit de construire une villa sur sa parcelle, en la déclassant, tandis qu'à Lutry les nouvelles dispositions légales supprimaient une simple possibilité de construire admise à titre subsidiaire, les parcelles concernées passant de la zone rurale ou viticole en zone de verdure. C'est à juste titre que, dans ces causes, le Tribunal fédéral a retenu que la nouvelle réglementation communale définissait le contenu du droit de propriété plus qu'elle ne le restreignait (mesure de non-classement). En outre, alors qu'à Lutry on constatait l'absence de développement de la construction dans les secteurs en cause, à Commugny on note au contraire une forte et incontestable poussée de la demande de terrains à bâtir, de sorte que le recourant, s'il n'avait pas eu lui-même l'intention de construire, aurait trouvé très aisément un acquéreur pour son terrain. 5. Sur la question du principe de l'expropriation matérielle, le recours de droit administratif doit ainsi être admis et la décision attaquée annulée, sans qu'il soit encore nécessaire de rechercher si cette dernière consacre aussi une inégalité de traitement et une violation de l' art. 22ter Cst. , ou serait incompatible avec d'éventuelles assurances données au recourant. L'état du dossier n'est pas tel que le Tribunal fédéral puisse fixer lui-même le montant de l'indemnité due au recourant. L'affaire doit par conséquent être renvoyée à la Chambre des recours du Tribunal cantonal du canton de Vaud pour nouvelle décision ( art. 114 al. 2 OJ ). 6. Indépendamment de ses conclusions relatives à l'indemnisation pour expropriation matérielle, le recourant a réclamé à la commune de Commugny et à l'Etat de Vaud, solidairement, le remboursement de la totalité, par 8'846 fr. 40, des frais qu'il avait engagés en vain pour l'équipement de sa parcelle et en vue de l'obtention du permis de construire. L'arrêt attaqué ne lui a alloué de ce chef qu'une somme de 1'687 fr. 20 pour des BGE 112 Ib 105 S. 118 motifs d'équité, "vu les circonstances particulières et eu égard au principe de la bonne foi". Le recourant ne se prévaut pas à cet égard d'une violation de l'art. 31 al. 1 LCAT, expressément rappelé dans l'arrêt attaqué, et qui dispose que "lorsqu'un plan d'extension est abandonné ou modifié, le propriétaire à qui cet abandon cause un dommage en est indemnisé". D'après la juridiction cantonale, dont les considérants ne sont pas contestés sur ce point, cette disposition doit être interprétée restrictivement. Elle n'a pratiquement pas une portée plus étendue que celle du principe de la bonne foi découlant de l' art. 4 Cst. C'est donc uniquement dans la perspective de cette garantie constitutionnelle, invoquée au moins implicitement dans le présent recours, qu'il convient d'examiner si la demande de remboursement du recourant est fondée. a) Selon la jurisprudence, un constructeur ne peut réclamer le remboursement de frais d'un projet de construction devenu inutile si ce projet n'était pas conforme à la réglementation en vigueur. Ce principe vaut aussi lorsque la demande de permis de construire était conforme au droit en vigueur au moment ou elle a été présentée mais qu'entre ce moment et celui de la décision, les dispositions légales se sont modifiées au détriment du constructeur; le propriétaire ne peut exiger que le droit de construction régissant à un moment donné son immeuble demeure inchangé. Cependant, lorsque c'est le dépôt d'une demande de permis qui a provoqué la modification du plan ou du règlement, l'autorité voulant ainsi empêcher l'exécution du projet, le remboursement des frais engagés en vain ne saurait être refusé, si l'intention de l'autorité ne pouvait pas être prévue par le propriétaire. Le dédommagement doit également être prévu dans les cas ou, avant de présenter son projet, le constructeur a reçu des assurances quant au maintien de la réglementation. Dans ces circonstances exceptionnelles, l'indemnisation est due même s'il n'y a pas d'expropriation, formelle ou matérielle. Elle est alors fondée sur le principe de la confiance découlant de l' art. 4 Cst. ( ATF 108 Ib 357 /358 consid. 4b, aa et bb et la jurisprudence citée; ROUILLER, op.cit., p. 27/28). b) En l'espèce, il est manifeste que les conditions d'une telle indemnisation ne sont pas remplies. Il ressort en effet du dossier que ce n'est nullement le dépôt de la demande de permis de construire qui a incité les autorités communales à modifier le plan de zones. Par ailleurs, le recourant admet lui-même que la lettre BGE 112 Ib 105 S. 119 de la Municipalité du 10 octobre 1979 ne pouvait pas constituer pour lui l'assurance que les prescriptions en vigueur seraient maintenues. Le fait qu'il ait dû, par la suite, poursuivre ses démarches en vue d'obtenir le permis de bâtir, voire qu'il ait été invité par l'autorité communale à les compléter, ne saurait impliquer une assurance quelconque relativement au maintien de la réglementation des constructions. Le recours est donc mal fondé sur ce point. Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral: 1. Admet le recours et annule l'arrêt attaqué dans la mesure ou il s'agit du principe de l'expropriation matérielle et de l'indemnité due au recourant; rejette le recours pour le surplus; 2. Renvoie la cause à l'autorité intimée pour nouvelle décision.
public_law
nan
fr
1,986
CH_BGE
CH_BGE_003
CH
Federation
081dd520-1049-410b-bfd4-0a6a4e2cc5d9
Urteilskopf 141 III 472 62. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen B. und C. (Beschwerde in Zivilsachen) 5A_923/2014 vom 27. August 2015
Regeste Art. 298 Abs. 1, Art. 298b Abs. 2 und Art. 298d Abs. 1 ZGB ; Zuteilung der alleinigen elterlichen Sorge. Die Kriterien für die Alleinzuteilung des Sorgerechts sind nicht die gleichen wie für dessen Entzug im Sinn einer Kindesschutzmassnahme. Eine erhebliche und chronische Kommunikations- oder Kooperationsunfähigkeit der Eltern rechtfertigt die Alleinzuteilung, wenn dadurch die Belastung für das Kind verringert werden kann (E. 4).
Sachverhalt ab Seite 473 BGE 141 III 472 S. 473 A. A. und B. sind die nicht verheirateten Eltern der im Jahr 2009 geborenen Tochter C. Im Zeitpunkt der Geburt lebten die Eltern im gleichen Haushalt. Sie schlossen eine Vereinbarung, in welcher sie sich u.a. auf die gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge einigten. In deren Genehmigung übertrug die Vormundschaftsbehörde mit Beschluss vom 23. Juli 2009 gestützt auf aArt. 298a Abs. 1 ZGB die gemeinsame elterliche Sorge. Wenige Monate später trennten sich die Eltern. Die Mutter zog mit C. einige Male um und wohnt seit Frühsommer 2011 in W. Der Vater pflegt seit der Trennung regelmässig Kontakt zu seiner Tochter, verfügt aber seit dem Auszug über keine eigene Wohnung mehr; er lebt mal hier und mal da, aktuell bei seinem Bruder. Die Kontakte mit der Tochter finden in der Regel bei der Grossmutter väterlicherseits statt, welche im selben Haus wie der Bruder wohnt. B. Auf ein entsprechendes Begehren der Mutter hin hob die KESB nach den nötigen Untersuchungen und Anhörungen mit Entscheid vom 21. März 2013 die gemeinsame elterliche Sorge gestützt auf aArt. 298a Abs. 2 ZGB wegen fehlender Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit der Eltern auf und übertrug die alleinige elterliche Sorge an die Mutter, unter Regelung des Besuchsrechts des Vaters und Errichtung einer Beistandschaft gemäss Art. 308 ZGB . Dagegen erhob der Vater eine Beschwerde, welche der Bezirksrat mit Entscheid vom 20. März 2014 abwies. Die hiergegen vom Vater erhobene Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Zürich nach mündlicher Anhörung der Eltern und der Beiständin von C. sowie Stellungnahme der Kindesvertreterin mit Urteil vom 15. Oktober 2014 ab. C. Gegen das obergerichtliche Urteil hat der Vater am 21. November 2014 beim Bundesgericht eine Beschwerde erhoben, im Wesentlichen mit dem Antrag um dessen Aufhebung und Festhaltung an der gemeinsamen elterlichen Sorge über C. Das Bundesgericht hat die BGE 141 III 472 S. 474 Sache am 27. August 2015 an einer öffentlichen Sitzung beraten und die Beschwerde abgewiesen. (Zusammenfassung) Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. In rechtlicher Hinsicht geht es um die Auslegung des im Rahmen der Sorgerechtsnovelle (AS 2014 357) per 1. Juli 2014 in Kraft getretenen Art. 298d Abs. 1 ZGB , wonach die Zuteilung der elterlichen Sorge neu zu regeln ist, wenn dies wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse zur Wahrung des Kindeswohls nötig ist. Unbestrittenermassen sind veränderte Verhältnisse gegeben. Zu prüfen ist hingegen die Frage, ob im Zusammenhang mit der Wahrung des Kindeswohls für die Alleinzuteilung des elterlichen Sorgerechts die Messlatte von Art. 311 ZGB gilt. 4.1 Im Entwurf fehlte eine Regelung für veränderte Verhältnisse vollständig. Zwar sah Art. 134 Abs. 1 E-ZGB, welcher dem schliesslich verabschiedeten Art. 134 Abs. 2 ZGB entsprach, eine Verweisnorm vor; es fehlte aber an der verwiesenen Norm im achten Titel. Diese Lücke wurde von der ständerätlichen Kommission erkannt und durch Einfügung des Art. 298d ZGB geschlossen (Ständerat AB 2013 S 12; Zustimmung durch Nationalrat AB 2013 N 703). Was diese Auslegung von Art. 298d Abs. 1 ZGB anbelangt, ist die Botschaft vom 16. November 2011 zur Revision der elterlichen Sorge (BBl 2011 9077 ff.) nicht restlos klar. Im Zusammenhang mit Art. 298 ZGB wird keine Interventionsschwelle für die Alleinzuteilung diskutiert, erst bei Art. 298b ZGB erfolgen Ausführungen. Dabei wird zunächst festgehalten, der Entwurf spreche bewusst von den Interessen - in der verabschiedeten Fassung: Kindeswohl - und nicht vom Schutz des Kindes. Dieser Begriff sei besetzt, indem er im Randtitel von Art. 307 ZGB erscheine und dabei einer Situation zugewiesen sei, die danach verlange, dass die Kindesschutzbehörde von Amtes wegen einschreite. Es gelte zu verhindern, dass ein Konflikt der Eltern untereinander voreilig mit der Notwendigkeit einer solchen Intervention in Zusammenhang gebracht werde. Unmittelbar im nächsten Absatz wird jedoch festgehalten, ungeachtet der vorgeschlagenen Terminologie dürfe einem Elternteil die (gemeinsame) elterliche Sorge nur dann vorenthalten werden, wenn die Kindesschutzbehörde Anlass hätte, sie ihm andernfalls gleich wieder zu entziehen. Der Massstab, den die Kindesschutzbehörde ihrem BGE 141 III 472 S. 475 Entscheid zugrunde legen müsse, decke sich damit neu mit jenem von Art. 311 ZGB (BBl 2011 9105 zu Art. 298b). Ferner wird auch in der einleitenden Übersicht auf Art. 311 ZGB verwiesen und festgehalten, dass dem einen Elternteil die elterliche Sorge unter den gleichen Voraussetzungen vorenthalten werden könne (BBl 2011 9087 Ziff. 1.3.1). 4.2 Die Unschärfe der Botschaft pflanzte sich in den parlamentarischen Beratungen fort. So wurde die Alleinzuteilung des Sorgerechts zur Wahrung des Kindeswohls mit Art. 311 ZGB in Verbindung gebracht bzw. gleichgesetzt (vgl. AB 2012 N 1625 und 1644), aber gleichzeitig von verschiedenen Parlamentariern festgehalten, dass Raum für weitere Fälle bestehe (vgl. AB 2012 N 1644-1646) bzw. diese nicht drastisch sein müssten (vgl. AB 2012 N 1638) bzw. Ausnahmen bei schwierigen Verhältnissen möglich seien (vgl. AB 2012 N 1636; sinngemäss auch AB 2012 N 1627 und 1628 sowie AB 2013 S 5). Die ambivalente Herangehensweise spiegelt sich auch in den bundesrätlichen Ausführungen im Parlament, indem eine Verbindung mit Art. 311 ZGB hergestellt, aber gleichzeitig der Charakter einer Generalklausel betont und festgehalten wurde, auch andere als die Gründe von Art. 311 ZGB könnten eine Alleinzuteilung rechtfertigen (vgl. AB 2012 N 1638 und 1646). 4.3 Insgesamt lässt sich aufgrund der widersprüchlichen Botschaft und der nicht abschliessend klaren Voten in den Beratungen nicht mit letzter Sicherheit eruieren, was der präzise wirkliche Wille des Gesetzgebers war. Immerhin ist die Stossrichtung im Parlament erkennbar, dass das Kindeswohl im Vordergrund stehen soll. Ferner lässt sich der Botschaft entnehmen, dass für Art. 298 Abs. 1 und Art. 298b Abs. 2 ZGB der gleiche Massstab gelte (BBl 2011 9103 zu Art. 298). Aufgrund der analogen Norminhalte darf davon ausgegangen werden, dass auch Art. 298d Abs. 1 ZGB , welcher erst im Parlament ins Spiel kam und über welchen keine Diskussion stattfand, die gleiche Intensität an Beeinträchtigung des Kindeswohls im Auge hat. Einzig die Ausgangslage ist nicht bei allen drei Normen die gleiche: So ist etwa bei der Scheidung zu berücksichtigen, dass es im Zuge des gerichtlichen Verfahrens naturgemäss zu Streitigkeiten kommen kann, die jedoch in den meisten Fällen mit der Zeit abklingen. Solche einem fast jeden Scheidungsverfahren mehr oder weniger inhärenten Differenzen sind selbstredend kein Grund für eine Alleinzuteilung (dazu unten); erweist sich die Annahme, dass BGE 141 III 472 S. 476 die Konflikte mit der Zeit beigelegt werden können und sich die gemeinsame Ausübung des Sorgerechts einpendelt, im Nachhinein als falsch, können allenfalls veränderte Tatsachen und damit Abänderungsgründe im Sinn von Art. 298d Abs. 1 ZGB gegeben sein. 4.4 Was nun die Frage anbelangt, ob im Zusammenhang mit den drei genannten Normen die Interventionsschwelle von Art. 311 ZGB gilt, geht die Lehre unter Verweis auf die parlamentarische Beratung übereinstimmend - wenn auch in unterschiedlichem Ausmass - davon aus, dass andere bzw. weniger gravierende Gründe die Alleinzuteilung der elterlichen Sorge ebenfalls rechtfertigen können (SCHWENZER/COTTIER, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. I, 5. Aufl. 2014, N. 14 zu Art. 298, N. 10 zu Art. 298b, N. 4 zu Art. 298d ZGB ; MEIER/STETTLER, Droit de la filiation, 5. Aufl., 2014, S. 343 f. und 358 ff.; BUCHER, Elterliche Sorge im schweizerischen und internationalen Kontext, in: Familien in Zeiten grenzüberschreitender Beziehungen, 2013, S. 10 f.; FELDER/HAUSHEER/AEBI-MÜLLER/DESCH, Gemeinsame elterliche Sorge und Kindeswohl, ZBJV 2014 S. 892 ff., insb. 902; BÜCHLER/MARANTA, Das neue Recht der elterlichen Sorge, Jusletter 11. August 2014 S. 15 ff; GLOOR/SCHWEIGHAUSER, Die Reform des Rechts der elterlichen Sorge - eine Würdigung aus praktischer Sicht, FamPra.ch 2014 S. 6 f.; GEISER, Wann ist Alleinsorge anzuordnen und wie ist diese zu regeln?, ZKE 2015 S. 240 ff.; HAUSHEER/GEISER/AEBI-MÜLLER, Das Familienrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, 5. Aufl., 2014, vgl. Rz. 17.88 und 17.168, allerdings Rz. 17.128 a.E.). 4.5 Dieser Ansicht ist aus mehreren Gründen zuzustimmen. Zwar ist das rechtliche Ergebnis in beiden Konstellationen der Entzug elterlicher Sorgerechte, was vordergründig eine parallele Auslegung der jeweils einschlägigen Normen als angezeigt erscheinen liesse. Indes ist nicht zu übersehen, dass die Thematik eine völlig andere ist. Dies zeigt sich schon an der sprachlichen Unterscheidung, welche das Gesetz trifft: Während in Art. 298 ff. ZGB durchwegs vom "Kindeswohl" die Rede ist, sprechen Art. 307 ff. ZGB von dessen "Gefährdung". Bei den Kindesschutzmassnahmen geht es nämlich um das von Amtes wegen erfolgende Eingreifen der Kindesschutzbehörde bei einer Gefährdung des Kindes, wobei je nach Gefährdungsgrad eine Stufenfolge vorgesehen ist. Kann der Gefährdung des Kindes nicht anders begegnet werden, d.h. sind Massnahmen nach Art. 307 f. ZGB ungenügend, ist das Kind gemäss Art. 310 ZGB den BGE 141 III 472 S. 477 Eltern wegzunehmen und angemessen unterzubringen (sog. Fremdplatzierung). Wenn selbst diese einschneidende Massnahme zur Wahrung des Kindeswohls nicht ausreicht, kann den Eltern unter den in Art. 311 Abs. 1 ZGB genannten Bedingungen das Sorgerecht entzogen werden. Es handelt sich dabei um eine ultima ratio , welche nur Platz greift, wenn alle anderen Massnahmen keinen Erfolg versprechen (Prinzip der Subsidiarität). In der Regel findet in diesen Fällen nach dem Entzug auch gar kein persönlicher Verkehr zwischen Eltern und Kindern statt, während bei der Alleinzuteilung des Sorgerechtes nach Art. 298 ff. ZGB dem nicht (mehr) sorgeberechtigten Elternteil grundsätzlich (weiterhin) die normalen Besuchsrechte zustehen, so dass das Kind von der rechtlichen Änderung faktisch kaum etwas spüren wird, ausser dass die Eltern nicht mehr über die Entscheidungen streiten können, welche sie vorher gemeinsam zu fällen hatten. Nebst der systematischen Stellung und dem unterschiedlichen Regelungsinhalt ist für die Abgrenzung zwischen der Sorgerechtszuteilung nach Art. 298 ff. ZGB und dem Sorgerechtsentzug gemäss Art. 311 ZGB weiter zu beachten, dass das Gesetz bei den Kindesschutzmassnahmen durchwegs "die Eltern" aufführt (Art. 307 Abs. 1, Art. 308 Abs. 1, Art. 310 Abs. 1 und Art. 311 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 ZGB ). Zwar ist theoretisch auch der Sorgerechtsentzug gegenüber einem Elternteil möglich, was indirekt aus Art. 311 Abs. 2 ZGB hervorgeht; das Gesetz hat aber als Hauptanwendungsfall das Unvermögen des Elternpaares und mithin den Fall vor Augen, dass die Elternteile mögliche Defizite des anderen nicht gegenseitig auszugleichen vermögen, so dass das Kind insgesamt gefährdet ist. Sodann bedarf es keiner vertieften Erläuterung, dass die Fremdplatzierung eines Kindes gestützt auf Art. 310 ZGB jedenfalls von der Auswirkung her ein ungleich grösserer Eingriff ist als die Alleinzuteilung des Sorgerechtes gestützt auf Art. 298 ff. ZGB . Bei dieser bleibt das Kind in aller Regel beim hauptbetreuenden Elternteil und es wird oft gar nicht wahrnehmen, dass die rechtliche Entscheidzuständigkeit eine Änderung erfahren hat. Wenn aber ein Entzug der elterlichen Sorge gemäss Art. 311 ZGB eine noch entschieden einschneidendere Massnahme ist als die Fremdplatzierung gemäss Art. 310 ZGB , kann für die auf Art. 298 ff. ZGB gestützte Alleinzuteilung der elterlichen Sorge schon allein von der Logik her nicht der gleiche Massstab wie für den Sorgerechtsentzug gemäss Art. 311 ZGB gelten. BGE 141 III 472 S. 478 Das Gleichsetzen der Alleinzuteilung des Sorgerechts mit dem als Kindesschutzmassnahme verfügten Entzug der elterlichen Sorge würde aber auch in praktischer Hinsicht keinen Sinn machen. Eine Massnahme gemäss Art. 311/312 ZGB wird schweizweit rund 50 bis 100 Mal pro Jahr angeordnet (gegenüber rund 1000 Fremdplatzierungen, vgl. Statistik, ZKE 2012, S. 456), was ihren absoluten Ausnahmecharakter deutlich hervortreten lässt. Es wäre nicht sachgerecht und würde auch nicht mit den Voten im Parlament übereinstimmen, wenn die Alleinzuteilung des Sorgerechtes bei Trennung oder Scheidung ebenfalls nur bei ganz krassen Ausnahmefällen erfolgen würde. Im Parlament wurde mehrmals auf den offenen und generalklauselartigen Wortlaut von Art. 298 ff. ZGB hingewiesen, welcher angemessene Lösungen im Sinn des Kindeswohles zulasse. 4.6 Nach dem Gesagten können für die Alleinzuteilung der elterlichen Sorge gemäss Art. 298 ff. ZGB nicht die gleichen Voraussetzungen wie für den auf Art. 311 ZGB gestützten Entzug des Sorgerechts gelten. Vielmehr kann beispielsweise auch ein schwerwiegender elterlicher Dauerkonflikt oder die anhaltende Kommunikationsunfähigkeit eine Alleinzuteilung des Sorgerechts gebieten, wenn sich der Mangel negativ auf das Kindeswohl auswirkt und von einer Alleinzuteilung eine Verbesserung erwartet werden kann. Das gemeinsame elterliche Sorgerecht wird zur inhaltslosen Hülse, wenn ein Zusammenwirken nicht möglich ist, und es liegt in aller Regel nicht im Kindeswohl, wenn die Kindesschutzbehörde oder gar der Richter andauernd die Entscheidungen treffen muss, für welche es bei gemeinsamer Sorge der elterlichen Einigung bedarf. Die bloss formale Aufrechterhaltung der gemeinsamen Sorge über das Kindeswohl zu stellen, liesse sich nicht mit dem Grundgedanken des Kindesrechts vereinbaren und würde auch nicht mit den parlamentarischen Voten übereinstimmen. 4.7 Erforderlich ist aber in jedem Fall eine Erheblichkeit und Chronizität des Konflikts oder der gestörten Kommunikation; punktuelle Auseinandersetzungen oder Meinungsverschiedenheiten, wie sie in allen Familien vorkommen und insbesondere mit einer Trennung oder Scheidung einhergehen können, können angesichts des mit der Gesetzesnovelle klarerweise angestrebten Paradigmenwechsels - der Minderheitsantrag II auf eine freie richterliche Sorgerechtszuteilung (AB 2012 N 1635) wurde verworfen - nicht Anlass für eine Alleinzuteilung des elterlichen Sorgerechts sein. Ist sodann ein Konflikt BGE 141 III 472 S. 479 zwar schwerwiegend, erscheint er aber singulär, ist im Sinn der Subsidiarität zu prüfen, ob nicht ein richterlicher Entscheid über einzelne Inhalte des Sorgerechts bzw. eine richterliche Alleinzuweisung spezifischer Entscheidungsbefugnisse in den betreffenden Angelegenheiten (beispielsweise über die religiöse Erziehung, in schulischen Belangen oder in Bezug auf das in Art. 298 Abs. 2 und Art. 298d Abs. 2 ZGB genannte Aufenthaltsbestimmungsrecht) ausreicht, um Abhilfe zu schaffen. Die Alleinzuteilung des elterlichen Sorgerechts muss eine eng begrenzte Ausnahme bleiben.
null
nan
de
2,015
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
0826a2bb-c1ad-40c8-b50a-7940ac2d87ad
Urteilskopf 136 III 82 10. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause X. contre Y. (recours en matière civile) 4A_353/2009 du 3 novembre 2009
Regeste a Art. 270 Abs. 1 lit. a OR ; Mieter, der sich aufgrund der Verhältnisse auf dem örtlichen Wohnungsmarkt gezwungen sieht, einen Mietvertrag abzuschliessen. Ein Wohnungsmangel kann nicht allein gestützt auf eine mehrere Jahre alte Statistik angenommen werden, die in keiner Weise nach der Art der Wohnungen oder dem Ort innerhalb des weitläufigen Kantonsgebiets, in welchem die Wohnungen gelegen sind, differenziert (E. 2). Regeste b Art. 270 Abs. 1 lit. b OR ; erhebliche Erhöhung des Anfangsmietzinses im Verhältnis zum früheren Mietzins. Der angefochtene Mietzins wird mit dem früher vom Vermieter eingenommenen verglichen ohne Rücksicht auf die Berechnungsgrundlagen des früheren Mietzinses; die Erhöhung ist erheblich, wenn sie zehn Prozent übersteigt (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 83 BGE 136 III 82 S. 83 A. Par contrat du 11 janvier 2007, Y. a remis à bail à X. un appartement de trois pièces et demie à Fribourg. Le loyer mensuel a été fixé à 1'550 fr., charges non comprises, lesquelles s'élevaient à 130 francs. Le calcul du loyer était fondé sur un taux hypothécaire de 3 %, un indice des prix à la consommation (IPC) de 100,6 points (décembre 2006), les charges d'exploitation au 31 décembre 2005 et une réserve de loyer de 4 %. L'avis de fixation de loyer, communiqué à la locataire, indiquait que le loyer mensuel net précédent était de 1'450 fr. et les charges de 125 francs. Le motif de la hausse de loyer était le loyer du marché. B. Le 25 février 2007, la locataire a saisi la Commission de conciliation en matière d'abus dans le secteur locatif du district de la Sarine, puis, le 25 avril 2007, à la suite de l'échec de la tentative de conciliation, le Tribunal des baux de l'arrondissement de la Sarine. L'action tendait à la diminution du loyer initial, qui devait être porté à 1'283 fr.05 par mois, selon les conclusions de la locataire. Le Tribunal des baux de l'arrondissement de la Sarine a restreint les débats à la question de la recevabilité. Par jugement du 28 juillet 2008, les premiers juges ont déclaré la demande recevable. Les magistrats ont retenu que la situation difficile rencontrée par la locataire sur le marché local du logement était établie au sens de l'art. 270 al. 1 let. a 2 e hypothèse CO; ils ont par contre considéré que la hausse de loyer ne pouvait pas être considérée comme sensible au sens de l' art. 270 al. 1 let. b CO . La bailleresse a recouru contre ce jugement, en faisant valoir en substance que la seule pénurie de logements n'ouvre pas automatiquement la voie de la contestation du loyer initial, puisqu'il faut BGE 136 III 82 S. 84 encore une situation de contrainte concrète ayant entraîné le locataire à conclure le bail en question. Statuant le 28 mai 2009, la Cour d'appel civil du Tribunal cantonal a admis le recours et, statuant à nouveau, jugé que la demande de diminution du loyer initial est irrecevable. Selon les juges cantonaux, la situation de pénurie sur le marché local du logement, qui ouvre la possibilité au locataire, en application de l'art. 270 al. 1 let. a 2 e hypothèse CO, de demander une diminution du loyer initial, n'était pas réalisée. Par ailleurs, le loyer stipulé n'était pas sensiblement plus élevé que le loyer dû par les précédents locataires, au sens de l' art. 270 al. 1 let. b CO . C. La locataire exerce un recours en matière civile devant le Tribunal fédéral. Elle dénonce une violation de l' art. 270 CO et conclut à l'admission du recours, à l'annulation de l'arrêt entrepris, à la recevabilité de l'action en diminution du loyer initial et au renvoi de la cause à la juridiction cantonale pour qu'elle statue au fond, le tout sous suite de dépens. La bailleresse invite le Tribunal fédéral à déclarer le recours irrecevable et, subsidiairement, à le rejeter. Le Tribunal fédéral a rejeté le recours. Erwägungen Extrait des considérants: 2. La recourante reproche à la cour cantonale d'avoir violé le droit fédéral en considérant que les conditions posées à l' art. 270 al. 1 CO pour permettre au locataire de contester le loyer initial ne sont pas remplies. Pour que le locataire soit fondé à contester le loyer initial selon cette disposition, il doit: soit avoir été contraint de conclure le bail par nécessité personnelle ou familiale (let. a, première hypothèse), soit avoir été contraint de le conclure en raison de la situation du marché local (let. a, seconde hypothèse), soit encore avoir subi une augmentation sensible du loyer par rapport à celui payé par le précédent locataire pour la même chose (let. b). Ces conditions étant alternatives, il suffit que l'une d'entre elles soit remplie pour qu'il faille entrer en matière sur la demande de contestation du loyer initial. D'après la jurisprudence constante du Tribunal fédéral, la notion de contrainte figurant à l' art. 270 al. 1 let. a CO suppose que le locataire ait de bonnes raisons de changer de logement et que l'on ne BGE 136 III 82 S. 85 puisse attendre de lui qu'il renonce à une occasion qui se présente, et ceci parce que les motifs de nécessité personnelle ou familiale ou la situation sur le marché local du logement sont tels qu'une renonciation serait déraisonnable ( ATF 114 II 74 consid. 3c p. 77 s.; arrêts 4C.367/2001 du 12 mars 2002 consid. 3a; 4C.169/2002 du 16 octobre 2002 consid. 2.1; cf. également ROGER WEBER, in Basler Kommentar, Obligationenrecht, vol. I, 4 e éd. 2007, n os 2 et 4 ad art. 270 CO ; PETER HIGI, Zürcher Kommentar, 3 e éd. 1994, n° 36 ad art. 270 CO ). S'agissant de la situation sur le marché local à prendre en considération pour apprécier le caractère déraisonnable d'une renonciation, le Tribunal fédéral a jugé qu'une telle situation pouvait être qualifiée de difficile dans les cantons où la pénurie est constatée, sur la base d'une étude statistique sérieuse, par le gouvernement cantonal. Pour arriver à cette conclusion, le Tribunal fédéral a pris appui sur l'articulation entre l'art. 270 al. 1 let. a in fine CO et l' art. 270 al. 2 CO et sur le but de protection des locataires poursuivi par ces dispositions (arrêt 4C.367/2001 du 12 mars 2002 consid. 3). Dans ce dernier arrêt, concernant une affaire genevoise, le Tribunal fédéral a admis que la situation difficile sur le marché local du logement était établie, compte tenu des arrêtés du Conseil d'Etat constatant la pénurie, qui indiquent pour tout le canton les catégories de logements par nombre de pièces et qui limitent leur validité à une année pour tenir compte de l'évolution de la situation économique et des changements pouvant intervenir dans la constatation de la pénurie. Dans le cas d'espèce, le logement litigieux est situé dans le canton de Fribourg, plus précisément dans son chef-lieu, Fribourg. Par ordonnance concernant l'usage de la formule officielle pour la conclusion d'un nouveau bail à loyer adoptée le 26 novembre 2002 (RSF 222.3.12), le Conseil d'Etat du canton de Fribourg a rendu obligatoire l'usage de la formule officielle dans tout le canton. Il a considéré que le taux des logements vacants dans le canton, qui s'élevait, au 1 er janvier 2002, à 1,28 % du parc immobilier, était inférieur au taux mentionné dans le règlement d'exécution du 3 juin 1997 de la loi d'application relative au bail à loyer et au bail à ferme non agricole (RELABLF; RSF 222.3.11). Ce règlement précise, en effet, en son art. 2, qu'il y a pénurie, au sens de la loi, lorsque le taux des logements vacants, dans le canton, est inférieur à 1,8 % du parc immobilier. Pour l'année litigieuse (2007), l'annuaire statistique BGE 136 III 82 S. 86 "construction et logement" de l'Etat de Fribourg fait état d'un taux de logements vacants de 1,12 % dans le canton de Fribourg; ce document se base sur les données de l'Office fédéral de la statistique "Source: Office fédéral de la statistique". Dans le canton de Fribourg, contrairement à ce qui prévaut à Genève, l'ordonnance du Conseil d'Etat n'est pas actuelle, en ce sens qu'elle date de 2002 déjà et qu'elle n'est pas renouvelée d'année en année. Par ailleurs, la situation de pénurie de logements qui y est constatée, pour fonder l'usage obligatoire de la formule officielle au sens de l' art. 270 al. 2 CO , est basée sur une statistique, qui, il convient de l'admettre, n'établit pas le taux de vacance des logements en fonction des catégories de logements; la seule indication du nombre de logements vacants de une à six pièces et demie sur la totalité des logements vacants est à cet égard insuffisante. En outre, cette étude se limite à une appréciation globale de la situation cantonale. Or, dans un canton présentant une superficie étendue, comme celui de Fribourg, il paraît nécessaire de faire une distinction entre les diverses régions cantonales, qui peuvent présenter, s'agissant du taux de vacance des logements, des disparités importantes, notamment entre les milieux urbains et les régions périphériques ou rurales. Sur ce point, la situation du canton de Fribourg diffère de celle de Genève, où la différenciation locale est moindre. Il en découle que l'appréciation globale de la situation de pénurie cantonale, sur laquelle l'exécutif cantonal fribourgeois a pris appui pour fonder sa décision, n'apparaît pas suffisante au regard de la jurisprudence du Tribunal fédéral. A cela s'ajoute que la cour cantonale a expressément retenu que le taux de vacance dans la ville de Fribourg, qu'elle a fixé à 2,29 % en 2007, est supérieur à celui publié pour l'ensemble du canton pour la même année. Même si l'on ignore d'où provient cette donnée, à défaut de toute précision apportée sur ce point par l'autorité cantonale, il s'agit là d'une question de fait que la recourante ne remet pas en cause et qui ne saurait être présentement discutée ( art. 105 al. 1 LTF ). Cela étant, l'existence d'une situation de contrainte de la locataire en raison de la pénurie de logements n'est pas réalisée. En conclusion, l'autorité cantonale n'a pas violé le droit fédéral en rejetant l'existence d'une situation de pénurie concrète au sens de l' art. 270 al. 1 let. a CO . BGE 136 III 82 S. 87 3. La locataire recourante prétend que le loyer initial a été sensiblement augmenté pour la même chose par rapport au précédent loyer et que, par conséquent, la condition (alternative) posée par l' art. 270 al. 1 let. b CO est réalisée. Se référant à l'avis de l'auteur SÉBASTIEN FETTER (cf. infra, consid. 3.2), elle fonde son raisonnement sur l'évolution des bases de calcul du précédent loyer, fixé au 1 er décembre 1997, et de celui contesté, fixé au 11 janvier 2007, et prétend que, compte tenu de la progression du taux hypothécaire (- 15,25 %), de l'IPC (+ 3,22 %) et des charges (du 1.12.1997 au 31.12.2005: + 4 %), qui justifierait une réduction de loyer de 8 %, le loyer a subi une augmentation de 14,9 % et non pas de 6,9 %. 3.1 Dans un arrêt (4C.281/2006 du 17 novembre 2006 consid. 2.2), le Tribunal fédéral a admis que le loyer initial n'avait pas été sensiblement augmenté au sens de l' art. 270 al. 1 let. b CO , dans la mesure où le loyer annuel avait passé de 20'640 fr. à 21'480 fr., soit une majoration de 3,9 %. Dans un autre arrêt (4C.169/2002 du 16 octobre 2002 consid. 3.1), le Tribunal fédéral a jugé que l'augmentation de 89,65 % du précédent loyer net constituait une augmentation sensible au sens de la disposition précitée. Ces deux arrêts, qui ne traitent certes pas directement de la question des critères à prendre en compte dans la détermination de l'augmentation du loyer initial, ne font aucunement mention des bases de calcul des loyers qui ont été comparés. 3.2 La doctrine majoritaire est d'avis qu'il ne faut pas prendre en considération les critères de fixation de l'ancien et du nouveau loyer (DAVID LACHAT ET AL., Das Mietrecht für die Praxis, 8 e éd. 2009, n° 17/2.2.4 p. 287; DAVID LACHAT, Le bail à loyer, 2008, n° 2.2.4 p. 391; WEBER, op. cit., n° 5 ad art. 270 CO ; RAYMOND BISANG ET AL., Das schweizerische Mietrecht, Kommentar, 3 e éd. 2008, n° 20 ad art. 270 CO ; HIGI, op. cit., n° 53 ad art. 270 CO ; JEAN-JACQUES SCHWAAB, La fixation et la contestation du loyer initial, in 15 e séminaire sur le droit du bail, 2008, n° 96 p. 23). FETTER se distancie de ces précédents auteurs. Il préconise en effet de calculer la hausse de loyer en méthode relative, soit de prendre en considération l'évolution du taux hypothécaire et de l'ISPC depuis la dernière fixation du précédent loyer, ces faits étant notoires (SÉBASTIEN FETTER, La contestation du loyer initial, 2005, n os 420 ss p. 195 s.). BGE 136 III 82 S. 88 3.3 Sous l'angle de l'interprétation littérale, le texte de l' art. 270 al. 1 let. b CO mentionne uniquement le critère de l'augmentation sensible du loyer initial par rapport au précédent loyer. Aucune référence n'est faite aux bases de calcul des loyers à comparer. On peut également observer que le législateur a parallèlement adopté l' art. 256a al. 2 CO , qui donne la faculté au locataire de connaître le montant convenu dans le bail à loyer précédent, mais non les bases de calcul sur lesquelles il repose, ce qui traduit bien la volonté du législateur de ne pas se référer à ces dernières pour ouvrir le cas échéant la voie à une contestation du loyer initial. Il est également significatif de relever que la jurisprudence relative aux mentions imposées par la formule officielle au sens de l' art. 270 al. 2 CO , afin que le locataire puisse décider, en toute connaissance de cause, de contester le nouveau loyer ou de s'en accommoder, fait état de "l'ancien loyer", sans référence aux bases de calcul du précédent loyer ( ATF 120 III 341 consid. 5b p. 348; ATF 121 III 56 consid. 2c p. 58 s.); dans un arrêt non publié, le Tribunal fédéral a même fait expressément référence, dans son analyse de la communication régie par l' art. 270 al. 2 CO , au "montant du loyer antérieurement perçu" ou encore au "loyer versé par l'ancien locataire" (arrêt 4A_214/2007 du 12 novembre 2007 consid. 3). Il ne faut par ailleurs pas perdre de vue que l' art. 270 CO ne règle que les conditions préliminaires dont dépend le bien-fondé d'une action en contestation du loyer initial. Les conditions matérielles liées à la notion du loyer abusif ressortent des art. 269 et 269a CO ( ATF 120 III 240 consid. 2 p. 243). Sous cet angle, un examen de l'évolution des loyers sur la base de données relatives, qui anticiperait déjà - indépendamment de la méthode qui sera appliquée pour fixer le loyer initial - une analyse sur le fond, ne se justifie guère. Le même résultat s'impose si l'on s'attache au but poursuivi par la législation relative à la protection contre les loyers abusifs. Le but de la contestation du loyer initial n'est pas de vérifier si une éventuelle augmentation par rapport au précédent loyer est abusive, mais d'examiner si le loyer en tant que tel excède la norme (FETTER, op. cit., n° 507 p. 232; cf. BO 1989 CN 525, intervention Seiler). La condition posée à l' art. 270 al. 1 let. b CO , qui est indépendante de toute situation de contrainte pesant sur le locataire au sens de l' art. 270 al. 1 let. a CO - ces conditions étant des conditions alternatives -, tend à limiter les pratiques rencontrées chez de nombreux bailleurs BGE 136 III 82 S. 89 de profiter d'un changement de preneur pour procéder à une augmentation massive du loyer (arrêt 4C.169/2002 du 16 octobre 2002 consid. 3.2; RICHARD BARBEY, L'arrêté fédéral instituant des mesures contre les abus dans le secteur locatif [...], 1984, p. 24 s. et les références). Elle n'a pas pour finalité de réguler le marché du logement. Dès lors, il ne se justifie pas d'analyser, dans le cadre de l'examen de cette condition de recevabilité de la contestation, si le loyer est ou non adapté à la variation des facteurs relatifs. A l'issue de cette analyse, il faut retenir que l' art. 270 al. 1 let. b CO doit être interprété selon son sens littéral. Ainsi, comme jugé dans les arrêts non publiés précédemment cités, la condition de l'augmentation sensible du loyer s'examine au regard du loyer contesté et de celui antérieurement perçu par le bailleur. 3.4 En l'occurrence, l'augmentation du loyer initial par rapport au précédent loyer est de 100 fr., ce qui représente un taux de 6,9 %. Ce pourcentage est inférieur au taux limite de 10 % - que la recourante ne remet pas en cause - mentionné comme étant la limite au-delà de laquelle une augmentation peut être considérée comme sensible au sens de l' art. 270 al. 1 let. b CO (cf. arrêt 4C.168/2002 [recte: 4C.169/2002] du 16 octobre 2002 consid. 3.1). Il s'ensuit que l'autorité cantonale n'a pas violé le droit fédéral en jugeant que la condition de l'augmentation sensible du loyer de l' art. 270 al. 1 let. b CO n'est pas réalisée.
null
nan
fr
2,009
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
0827c79b-9f5c-43ea-8b21-148ebecefa44
Urteilskopf 89 I 80 14. Urteil vom 20. März 1963 i.S. Jampen und Konsorten gegen Straub und Konsorten und Staatsrat des Kantons Freiburg
Regeste Wahlbeschwerde. 1. Zu den "kantonalen Wahlen" im Sinne von Art. 85 lit. a OG gehören auch die Gemeindewahlen (Erw. 1). 2. Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts bei Wahlbeschwerden (Erw. 3). 3. Wann hat die Unterlassung des Einspruchs gegen das Wahl- und Abstimmungsverfahren die Verwirkung des Rechts zur Anfechtung des Wahl- oder Abstimmungsergebnisses wegen Verfahrensmängeln zur Folge? (Erw. 4). 4. Gemeinsamer Gemeinderat zweier für die Verwaltung vereinigter Gemeinden des Kantons Freiburg. Sind, beim Fehlen einer gesetzlichen Regelung, die Mitglieder des Gemeinderates durch beide Gemeinden gemeinsam zu wählen, oder hat jede Gemeinde nur die auf sie entfallenden Mitglieder zu wählen? (Erw. 5).
Sachverhalt ab Seite 81 BGE 89 I 80 S. 81 A.- Das freiburg. Gesetz vom 19. Mai 1894 über die Gemeinden und Pfarreien (GG) enthält im V. Titel Vorschriften über die "Ausnahmsweise Verwaltung der Gemeinden". Es regelt die Voraussetzungen, unter denen der Staatsrat den Gemeinderat abberufen und durch "zeitweilige Verwalter" ersetzen kann (Art. 226/30), und bestimmt anschliessend in "Art. 231. Endlich kann eine Gemeinde für die Verwaltung mit einer benachbarten Gemeinde vereinigt werden: a) ..... b) wenn die Bevölkerung einer Gemeinde weniger als 150 Seelen beträgt; c) .... In den auf diese Weise vereinigten Gemeinden ist ein Gemeinderat zu ernennen, dessen Mitglieder so gut als möglich auf alle BGE 89 I 80 S. 82 diese Gemeinden im Verhältnis ihrer Bevölkerungszahl verteilt werden. Der Staatsrat setzt diese Verteilung fest. Art. 232. Ungeachtet dieser Vereinigung bleibt jede Gemeinde Eigentümerin ihrer Gememde- und sonstigen Güter; der Gemeinderat verwaltet dieselben gesondert. ...." Entsprechende Bestimmungen enthielten schon die Gemeindegesetze von 1831, 1848, 1864 und 1879. B.- Die Gemeinden Merlach und Greng werden seit über 100 Jahren gemäss Art. 231 lit. b. GG durch einen gemeinsamen Gemeinderat verwaltet. Im übrigen haben die beiden Gemeinden ihre Selbständigkeit behalten; jede führt ihr eigenes Register der stimmfähigen Bürger, hält (unter dem Vorsitz des gemeinsamen Gemeindeammanns) eigene Gemeindeversammlungen ab und verkehrt selber mit der kantonalen Verwaltung. Nach der Volkszählung von 1960 hat die Gemeinde Merlach 332 Einwohner mit 82 Stimmberechtigten und die Gemeinde Greng 68 Einwohner mit 17 Stimmberechtigten. Der gemeinsame Gemeinderat von Merlach und Greng besteht seit jeher aus 5 Mitgliedern, davon vier aus Merlach und einem aus Greng. Er wurde bisher durch die Gesamtheit der Stimmberechtigten beider Gemeinden in einer gemeinsamen Wahlversammlung nach dem absoluten Mehr gewählt. Für die Neuwahlen im Februar/März 1962 empfahl die Mehrheit der Stimmbürger von Greng ihren bisherigen Vertreter Walter Straub zur Wiederwahl, während Stimmbürger von Merlach die in Greng wohnhaften Fritz Berger und Ernst Laubscher vorschlugen. In der Wahlversammlung vom 25. Februar 1962, an welcher 78 Stimmbürger, davon 16 aus Greng, teilnahmen, erreichten drei bisherige Mitglieder des Gemeinderates aus Merlach das absolute Mehr. Von den Kandidaten aus Greng erhielten Berger 31, Straub 30 und Laubscher 19 Stimmen. Am 28. Februar 1962 reichten 13 Stimmbürger von Greng beim Staatsrat des Kantons Freiburg eine Beschwerde BGE 89 I 80 S. 83 ein mit dem Antrag, die Wahlhandlung zu kassieren und anzuordnen, es seien neue Wahlen in der Weise durchzuführen, dass die Gemeinden Merlach und Greng getrennte Wahlkreise mit eigenen Wahlversammlungen bilden; ferner sei festzustellen, dass die Gemeinde Merlach 4 und die Gemeinde Greng einen Vertreter im gemeinsamen Gemeinderat haben. Am 4. März 1962 fand eine zweite Wahlversammlung statt, an der 80 Stimmbürger, davon 15 aus Greng, teilnahmen. In dieser erreichte ein weiterer Kandidat aus Merlach das absolute Mehr, während Straub 34, Berger 33 und Laubscher 10 Stimmen erhielten. Darauf reichten 14 Stimmbürger aus Greng beim Staatsrat eine weitere Beschwerde ein, mit der sie die in der Beschwerde vom 28. Februar 1962 gestellten Begehren erneuerten. Der Staatsrat stellte das weitere Wahlverfahren ein, holte ein Rechtsgutachten bei Prof. W. Oswald (Freiburg) ein und hiess dann mit Entscheid vom 9. Oktober 1962 die Beschwerden dahin gut, dass er die ergangenen Wahlhandlungen kassierte und anordnete, die Neuwahlen seien in getrennten Wahlversammlungen in dem Sinne durchzuführen, dass die Gemeinden Merlach und Greng ihre Vertreter im gemeinsamen Gemeinderat im Verhältnis von 4: 1 gesondert bestimmen. Die Begründung dieses Entscheids lässt sich wie folgt zusammenfassen: Dass für die Gemeinden Merlach und Greng ein gemeinsamer Gemeinderat zu wählen sei und die Gemeinde Greng Anspruch auf einen Sitz in diesem habe, sei unbestritten. Streitig und im Gesetz nicht ausdrücklich gesagt sei dagegen, wie der gemeinsame Gemeinderat zu wählen sei. Art. 231 GG stelle eine Ausnahme von Art. 2 GG, wonach in jeder Gemeinde eine Gemeindeversammlung und ein Gemeinderat bestehe, dar und sei daher einschränkend auszulegen in dem Sinne, dass bei Gemeinden mit gemeinsamer Verwaltung jede Gemeinde ihre Versammlung, also auch die Wahlversammlung bewahre. Bei der Beratung des GG BGE 89 I 80 S. 84 von 1879 habe der Regierungsvertreter im Grossen Rat erklärt, dass bei gemeinsamer Verwaltung jede Gemeinde selbständig bleibe und die Bürger keines ihrer Rechte verlieren. Den Gemeinden sei somit das Recht auf einen Gemeinderat bzw. auf eine angemessene Vertretung im gemeinsamen Gemeinderat und das Recht auf eine eigene Gemeindeversammlung geblieben und den Stimmbürgern das Recht, ihr in Art. 20 und 72 ff. GG umschriebenes Stimm- und Wahlrecht auszuüben. Wieso dies aber nur für die gewöhnliche Gemeindeversammlung und nicht auch für die Wahlversammlung gelten sollte, sei nicht einzusehen. Wenn im Rahmen der administrativen Vereinigung der kleinen Gemeinde als Minderheit gegenüber der grösseren als Mehrheit das Recht auf angemessene Vertretung im gemeinsamen Gemeinderat garantiert werde, so wäre es widersinnig, es der grösseren auf anderm Wege, nämlich bei der Bestimmung dieser Vertretung, zu ermöglichen, die Minderheit zu majorisieren. Damit diese das ihr zustehende Mitspracherecht wirksam ausüben könne, müsse sie den ihr als am geeignetsten erscheinenden Vertreter selber bestimmen können. C.- Gegen diesen Entscheid haben 20 Stimmberechtigte aus Merlach und Fritz Berger aus Greng beim Bundesgericht eine Beschwerde gemäss Art. 85 lit. a OG eingereicht. Sie werfen dem Staatsrat Verletzung von Art. 6 lit. b BV sowie willkürliche, mit Art. 4 BV unvereinbare Anwendung von Art. 231 GG vor und machen im wesentlichen geltend: Wenn nach Art. 231 GG für zwei Gemeinden ein gemeinsamer Gemeinderat zu ernennen sei, so müsse dieser auch in einer gemeinsamen Wahlversammlung gewählt werden. Es wäre höchst ungerecht, wenn die Stimmbürger von Merlach an der Wahl des Vertreters von Greng nicht teilnehmen könnten, da dieser auch die Gemeinde Merlach mit verwalte, und noch ungerechter wäre es, wenn die Stimmbürger von Greng bei der Wahl der vier Vertreter von Merlach nicht mitsprechen dürften. Der angefochtene Entscheid verstosse gegen Art. 6 lit. b BGE 89 I 80 S. 85 BV , da der Grundsatz der Volkssouveränität erfordere, dass die Behörden vom Inhaber der Souveränität gewählt würden, die Gemeindebehörden also von den Bürgern der von diesen Behörden verwalteten Gemeinden. Der angefochtene Entscheid sei sodann willkürlich, weil die Bürger von Greng vor der Wahl keine Einsprache gegen das Wahlverfahren (Wahl in einer gemeinsamen Wahlversammlung) erhoben hätten und daher nicht befugt seien, das Wahlverfahren nach den Wahlen zu beanstanden ( BGE 74 I 20 ). Ferner sei der angefochtene Entscheid deshalb willkürlich, weil der Staatsrat damit ohne triftigen Grund von einer langjährigen Praxis abgewichen sei. D.- Der Staatsrat des Kantons Freiburg sowie die Beschwerdegegner Walter Straub und Mitbeteiligte beantragen die Abweisung der Beschwerde. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Durch den angefochtenen Entscheid hat der Staatsrat die am 25. Februar und 4. März 1962 in gemeinsamer Wahlversammlung durchgeführten beiden ersten Wahlgänge für den gemeinsamen Gemeinderat von Merlach und Greng kassiert und bestimmt, wie bei den Neuwahlen vorzugehen sei. Diese Gemeindewahlen gehören zu den "kantonalen Wahlen" im Sinne von Art. 85 lit. a OG ( BGE 76 I 51 , BGE 80 I 227 ). Die Beschwerdeführer sind stimmberechtigte Bürger der Gemeinden Merlach und Greng. Als solche sind sie befugt, den Entscheid des Staatsrates sowohl mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte ( Art. 84 lit. a OG ) als auch mit einer Wahlbeschwerde im Sinne von Art. 85 lit. a OG anzufechten. 2. ( Art. 6 lit. b BV gewährleistet kein verfassungsmässiges Individualrecht.) 3. Bei Beschwerden gemäss Art. 85 lit. a OG prüft das Bundesgericht die Auslegung von Bundesrecht und kantonalem Verfassungsrecht frei, die Auslegung anderer kantonaler Vorschriften aber, sofern sie nicht das schon BGE 89 I 80 S. 86 von Bundesrechts wegen gewährleistete Stimmrecht nach Inhalt und Umfang normieren, sondern Verfahrens- und ähnliche Fragen betreffen, nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel des Art. 4 BV ( BGE 83 I 176 Erw. 2 und dort angeführte frühere Urteile). Im vorliegenden Falle gehen die Beschwerdeführer und die Beschwerdegegner übereinstimmend davon aus, dass es um den Inhalt und Umfang des Stimmrechts gehe und die Kognition des Bundesgerichts daher unbeschränkt sei. Diese Auffassung dürfte richtig sein, denn der Streit darüber, ob die Stimmbürger von Merlach die Vertreter nur der eigenen oder auch der andern Gemeinde im gemeinsamen Gemeinderat zu wählen haben, betrifft wohl nicht nur eine Verfahrensfrage, sondern auch den Umfang ihres Stimmrechts. Wie es sich damit verhält, braucht indes nicht abschliessend entschieden zu werden, da der angefochtene Entscheid, wie sich aus den nachstehenden Erwägungen ergibt, den in der Beschwerde erhobenen Rügen auch bei freier Prüfung standhält. 4. Die Beschwerdeführer vertreten unter Berufung auf BGE 74 I 20 die Auffassung, die 14 Stimmbürger von Greng, welche die in gemeinsamer Wahlversammlung beider Gemeinden durchgeführten Wahlgänge vom 28. Februar und 4. März 1962 beim Regierungsrat angefochten haben, hätten das Recht zu dieser Anfechtung verwirkt, weil sie vor den Wahlen keinen Einspruch gegen das Wahlverfahren erhoben hätten. Nach einem vom Bundesgericht bereits in BGE 49 I 329 /30 aufgestellten und in BGE 74 I 21 Erw. 2, BGE 81 I 207 und zahlreichen nicht veröffentlichten Urteilen bestätigten Grundsatz verwirkt ein Stimmberechtigter das Recht zur Anrufung des Bundesgerichtes, wenn er gegen das für eine Wahl oder Abstimmung angeordnete Verfahren, das er für verfassungs- oder gesetzwidrig hält, nicht schon vor der Wahl oder Abstimmung Einspruch erhebt, denn es wäre stossend und mit Treu und Glauben unvereinbar, wenn er wegen eines Mangels, den er zunächst widerspruchslos hingenommen hat, hinterher BGE 89 I 80 S. 87 die Wahl oder Abstimmung anfechten könnte, weil deren Ergebnis den gehegten Erwartungen nicht entspricht. Selbst wenn dieser Grundsatz ohne weiteres auch für die Anrufung kantonaler Rekursinstanzen gelten sollte, was nicht feststeht, so wäre er hier nicht verletzt. Es kommt darauf an, ob ein früherer Einspruch nicht nur an sich möglich, sondern den Betroffenen nach den Umständen auch zuzumuten war (vgl. die nicht veröffentl. Urteile vom 30. April 1958 i.S. Schär c. Bern Erw. 5 und vom 23. Januar 1962 i.S. Schwenk c. Aargau Erw. 1 a.E.). Nun ist die Wahl des gemeinsamen Gemeinderates von Merlach und Greng von jeher in einer gemeinsamen Wahlversammlung erfolgt und dabei als Vertreter von Greng stets der von den Stimmbürgern dieser Gemeinde Vorgeschlagene gewählt worden. Auch scheint es, dass die Wahlen in andern vereinigten Gemeinden des Kantons bisher ebenfalls auf diese Weise durchgeführt worden sind und dabei überall der Vorschlag der kleineren Gemeinde durchdrang. Die Stimmbürger von Greng durften daher erwarten, dass die Mehrheit ihrem Vorschlag auch dieses Mal folgen werde. Es erscheint daher, obwohl schon am 19. Februar 1962 in einer Wählerversammlung ein Stimmbürger aus Merlach einen andern Kandidaten aus Greng vorgeschlagen hat, nicht als Verstoss gegen Treu und Glauben, dass die Stimmbürger von Greng es zunächst unterliessen, gegen die Wahl in gemeinsamer Wahlversammlung Einspruch zu erheben. Nachdem dann der erste Wahlgang vom 25. Februar 1962 gezeigt hatte, dass die Mehrheit der Wähler von Merlach ihre Stimme nicht mehr wie bisher dem von den Stimmbürgern von Greng vorgeschlagenen Kandidaten zu geben gewillt waren, haben 13 der 17 Stimmbürger von Greng schon am 28. Februar 1962 beim Staatsrat Beschwerde erhoben. 5. Nach Art. 231 GG ist in den für die Verwaltung vereinigten Gemeinden ein Gemeinderat zu ernennen, dessen Mitglieder so gut als möglich auf alle diese Gemeinden im Verhältnis ihrer Bevölkerungszahl verteilt werden. BGE 89 I 80 S. 88 Dass danach die Gemeinde Merlach Anspruch auf 4 und die Gemeinde Greng Anspruch auf einen Vertreter in dem aus 5 Mitgliedern bestehenden gemeinsamen Gemeinderat haben, ist unbestritten. Streitig ist einzig, ob alle 5 Vertreter in einer gemeinsamen Wahlversammlung oder die Vertreter jeder Gemeinde in einer Wahlversammlung der betreffenden Gemeinde zu wählen sind. Bis heute ist die Wahl des gemeinsamen Gemeinderates von Merlach und Greng (und offenbar auch der übrigen administrativ vereinigten Gemeinden des Kantons Freiburg) in einer gemeinsamen Wahlversammlung der Stimmbürger beider Gemeinden erfolgt. Dieses Verfahren scheint kaum je zu Anständen geführt zu haben und wurde vom Staatsrat in einem (nicht bei den Akten liegenden) Entscheid vom 8. April 1907 als das richtige bezeichnet. Im vorliegenden Falle hat dagegen der Staatsrat deshalb, weil die Wahl des von der Mehrheit der Stimmbürger von Greng vorgeschlagenen Kandidaten in der gemeinsamen Wahlversammlung auf Widerstand stiess, die Wahl der Vertreter jeder Gemeinde in getrennten Wahlversammlungen angeordnet. Diese Lösung verstösst jedenfalls nicht gegen den Wortlaut des Gesetzes, da weder Art. 231 GG noch eine andere Bestimmung des GG vorschreibt, wie der gemeinsame Gemeinderat administrativ vereinigter Gemeinden zu wählen ist. Fraglich kann nur sein, ob sie dem Sinne des Gesetzes widerspricht. Wenn Art. 231 GG bestimmt, dass die Mitglieder des gemeinsamen Gemeinderates auf die Gemeinden im Verhältnis ihrer Bevölkerungszahl "verteilt" werden, so wird damit, wie der Staatsrat mit Recht ausführt und offenbar auch die Beschwerdeführer annehmen, jeder Gemeinde das Recht eingeräumt, im gemeinsamen Gemeinderat verhältnismässig "vertreten" ("représentée") zu sein. Dafür genügt nicht, dass ein Mitglied in der betreffenden Gemeinde wohnt oder, ohne dort zu wohnen, als deren Vertreter bezeichnet wird. Von einer "Vertretung" kann BGE 89 I 80 S. 89 sinngemäss nur gesprochen werden, wenn das betreffende Mitglied auch das Vertrauen der Mehrheit der Stimmbürger der betreffenden Gemeinde geniesst. Eine derartige Vertretung ist aber im Falle der Wahl in gemeinsamer Wahlversammlung nicht gewährleistet. An sich wäre es zweifellos wünschbar, dass die Mitglieder des gemeinsamen Gemeinderates auch in einer gemeinsamen Wahlversammlung gewählt werden. Dies kann jedoch, wie der vorliegende Fall zeigt, dazu führen, dass als Vertreter der kleineren Gemeinde Personen gewählt werden, welche von der überwiegenden Mehrheit der Stimmbürger dieser Gemeinde (hier: von 14 der 17) abgelehnt werden, was besonders stossend scheint, wenn die kleinere Gemeinde wie hier nur Anspruch auf einen einzigen Vertreter im gemeinsamen Gemeinderat hat. Eine befriedigende Lösung dieser Schwierigkeit ist nicht leicht zu finden. Im Kanton Bern, wo nach Art. 17 Abs. 3 des Gemeindegesetzes von 1917 die Minderheitspartei einen Anspruch auf angemessene Vertretung in den nach Majorzsystem zu bestellenden Behörden und Kommissionen hat, räumte die Praxis der Minderheit ein Vorschlagsrecht und der Mehrheit die Befugnis ein, unter gewissen Voraussetzungen einen Doppelvorschlag zu verlangen (Kreisschreiben der Gemeindedirektion vom 1. Mai 1957, MBVR 1957 S. 226/7 Ziff. 5). Ob diese Lösung auch angezeigt und zulässig wäre, um der kleineren Gemeinde das ihr nach Art. 231 des freiburg. GG zustehende Vertretungsrecht zu sichern, erscheint fraglich, zumal einer Gemeinde mit nur 17 Stimmbürgern ein Doppelvorschlag unter Umständen nicht zuzumuten ist. Als zulässig erscheint dagegen mangels gegenteiliger Anhaltspunkte im Gesetz die im angefochtenen Entscheid vom Staatsrat angeordnete Wahl der Vertreter jeder Gemeinde in getrennten Wahlversammlungen. Diese Lösung hat nicht nur den Vorteil der Einfachheit für sich, sondern entspricht auch der politischen Selbständigkeit der nur administrativ vereinigten Gemeinden. BGE 89 I 80 S. 90 Die in der Beschwerde dagegen erhobenen Einwände sind unbegründet. Dass eine durch Volkswahl zu bestellende Behörde von der Gesamtheit der Stimmberechtigten des ihr unterstellten Gebietes zu wählen sei, ist kein allgemein gültiger Grundsatz des schweizerischen Staatsrechtes. Beim Nationalrat, bei den meisten Kantonsräten und auch bei Parlamenten grösserer Städte werden die Mitglieder in getrennten Wahlkreisen gewählt, obwohl sie nicht "Vertreter" dieser Wahlkreise, sondern zusammen Repräsentanten des gesamten Volkes des in Frage stehenden Gemeinwesens sind (vgl. hiezu BURCKHARDT, Komm. zur BV S. 715/16, und GIACOMETTI, Staatsrecht der Kantone S. 301/2). Dass es sich dort um Parlamente, hier dagegen um eine vollziehende Behörde handelt, verschlägt nichts. Wie statt der Wahl des Gemeinderates nach dem Majorzsystem auch die Wahl nach dem Proporzsystem möglich ist und in der Schweiz vorkommt (GIACOMETTI a.a.O.S. 415/16, HEINIGER, Der Gemeinderat, Diss. Zürich 1957 S. 34 ff.), so kann sich, statt der Wahl aller Mitglieder durch die Gesamtheit der Stimmbürger, beim Vorliegen besonderer Verhältnisse auch die Wahl einzelner Mitglieder in Wahlbezirken rechtfertigen. Solche besonderen Umstände liegen aber offensichtlich vor, wenn zwei politisch selbständige Gemeinden einen gemeinsamen Gemeinderat haben und jede Gemeinde in diesem im Verhältnis ihrer Bevölkerungszahl vertreten sein soll. Unbegründet ist schliesslich auch der Einwand der Beschwerdeführer, der Staatsrat sei im angefochtenen Entscheid ohne triftigen Grund von einer langjährigen Praxis abgewichen. Einmal kann, da sich der Staatsrat seit dem vereinzelten Entscheid vom 8. April 1907 nicht mehr mit der Frage zu befassen hatte, ob der gemeinsame Gemeinderat in gemeinsamer Wahlversammlung zu wählen sei, nicht von einer Praxis und jedenfalls nicht von einer ständigen Praxis des Staatsrates gesprochen werden. Davon abgesehen kann es einer Behörde nicht verwehrt werden, ihre bisherige Praxis zu überprüfen und sie gegebenenfalls, BGE 89 I 80 S. 91 neuer oder besserer Erkenntnis folgend, zu ändern ( BGE 86 I 326 mit Verweisungen). So verhält es sich aber hier. Der Staatsrat hat offenbar erstmals festgestellt, dass die Wahl in gemeinsamer Wahlversammlung zu einer Majorisierung der kleineren durch die grössere Gemeinde führen kann, und ist zum Schluss gekommen, diesem dem Sinne von Art. 231 GG widersprechenden Missstand könne hier nur durch die Wahl der Vertreter jeder Gemeinde in getrennten Wahlversammlungen wirksam begegnet werden. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird abgewiesen.
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082bb955-755f-479d-8381-67c65d5d88d6
Urteilskopf 116 Ia 197 33. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 27. Juli 1990 i.S. Baukonsortium X. und Mitbeteiligte gegen Einwohnergemeinde Kappel und Regierungsrat des Kantons Solothurn (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Art. 4 BV ; Zonenplanung ( Art. 15 RPG ). 1. Verfahren ( Art. 87 OG ): Gegen einen letztinstanzlichen Zwischenentscheid im Rahmen eines Zonenplanungsverfahrens kann staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV geführt werden, wenn das Bundesgericht in einem durch die Gemeinde gleichzeitig angehobenen Verfahren ohnehin weitgehend über dieselben Fragen zu entscheiden hat (E. 1b). 2. Begriff des Landes, das weitgehend überbaut ist, im Sinne von Art. 15 lit. a RPG . Bedeutung der Erschliessung im Rahmen der Gesamtbeurteilung (E. 2b).
Sachverhalt ab Seite 198 BGE 116 Ia 197 S. 198 Der Regierungsrat des Kantons Solothurn hat am 12. Juli 1988 den vom Gemeinderat der Einwohnergemeinde Kappel am 30. Juni 1987/3. November 1987 revidierten Zonenplan im Sinne der Erwägungen teilweise genehmigt. Den Erwägungen des regierungsrätlichen Entscheids ist zu entnehmen, dass das Fassungsvermögen der vom Gemeinderat Kappel festgesetzten Bauzone um ca. 300 Einwohner zu gross sei. Diese Feststellung führte den Regierungsrat unter anderem dazu, die von der Einwohnergemeinde Kappel vorgesehene planungsrechtliche Behandlung des Grundstücks GB Kappel Nr. 293 sowie der Nachbarparzelle GB Kappel Nr. 291 in seinem Entscheid vom 12. Juli 1988 nicht zu genehmigen. Diese Parzellen befanden sich nach dem Zonenplan der Einwohnergemeinde Kappel von 1968 in der Wohnzone WG 4 (Wohn- und Gewerbezone, 4 Geschosse), wobei die nordwestlichen Teile in der zweiten Etappe lagen. In dem vom Gemeinderat festgesetzten, dem Regierungsrat zur Genehmigung unterbreiteten Zonenplan wurden diese Grundstücke der Wohn-Ortsbildschutzzone 2-geschossig (OSCH 2) zugeteilt. Gegen den erwähnten Regierungsratsentscheid vom 12. Juli 1988, in welchem der vom Gemeinderat beschlossenen Zuordnung der Parzellen Nrn. 291 und 293 zur Wohnzone OSCH 2 die Genehmigung verweigert worden ist, führen die Grundeigentümer staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des Willkürverbots ( Art. 4 BV ) (siehe auch 116 Ia 193 ff., 221 ff., 236 f.). Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. b) Der angefochtene Entscheid ist teilweise ein Rückweisungsentscheid und insofern ein Zwischenentscheid, der das umstrittene Ortsplanungsverfahren nicht abschliesst. Staatsrechtliche Beschwerden gegen Zwischenentscheide, die lediglich einen Schritt auf dem Weg zu einem letztinstanzlichen Endentscheid darstellen, sind gemäss Art. 87 OG wegen Verletzung von Art. 4 BV nicht zulässig, es sei denn, der Zwischenentscheid habe für den Betroffenen einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil zur Folge. Soweit andere Rügen erhoben werden, können letztinstanzliche Zwischenentscheide auch dann angefochten werden, wenn sie keinen nicht wiedergutzumachenden Nachteil bewirken ( Art. 86 OG ). Werden neben der Verletzung von Art. 4 BV noch weitere Beschwerdegründe vorgebracht, so tritt das Bundesgericht auf die Beschwerde in vollem Umfang ein, allerdings nur dann, wenn die BGE 116 Ia 197 S. 199 neben der Verletzung von Art. 4 BV geltend gemachten Verfassungsrügen nicht mit der Willkürrüge zusammenfallen, somit selbständige Bedeutung haben und nicht offensichtlich unzulässig oder unbegründet sind ( BGE 115 Ia 314 E. 2b mit Hinweisen). Die Beschwerdeführer rügen lediglich die Verletzung des Willkürverbots ( Art. 4 BV ) und machen keine Beeinträchtigung anderer verfassungsmässiger Rechte geltend. Auf ihre Beschwerden kann somit grundsätzlich nur eingetreten werden, wenn der angefochtene Entscheid für die Beschwerdeführer einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil zur Folge hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts bedarf es eines nicht wiedergutzumachenden Nachteils rechtlicher Natur, damit ein Zwischenentscheid im Sinne von Art. 87 OG mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV angefochten werden kann; eine bloss tatsächliche Beeinträchtigung wie beispielsweise eine Verlängerung oder Verteuerung des Verfahrens genügt nicht ( BGE 108 Ia 204 E. 1 mit Hinweisen). Der Nachteil ist nur dann rechtlicher Art, wenn er auch durch einen für den Beschwerdeführer günstigen Endentscheid nicht mehr behoben werden könnte ( BGE 115 Ia 319 E. 1a/bb mit Hinweisen). Indessen muss die blosse Möglichkeit eines nicht wiedergutzumachenden Nachteils rechtlicher Natur genügen. Zudem ist der gesetzgeberische Grund, der zum Erlass dieser Bestimmung geführt hat, zu beachten. Es geht um Gründe der Prozessökonomie: das Bundesgericht soll sich als Staatsgerichtshof in der Regel nur einmal mit einem Prozess befassen müssen, und zwar erst dann, wenn feststeht, dass die beschwerdeführende Partei einen endgültigen Nachteil erlitten hat ( BGE 106 Ia 235 mit Hinweisen). Das Bundesgericht hat schon vor 10 Jahren festgehalten, dass diese Forderung seit dem Inkrafttreten des heute geltenden OG von 1943 nichts an Aktualität eingebüsst hat. Die notorische Überlastung des Bundesgerichts gebietet vielmehr, am dargelegten Grundsatz festzuhalten. Eine Lockerung der Praxis liesse sich auch mit dem Text des Gesetzes kaum vereinbaren ( BGE 106 Ia 235 ). Im vorliegenden Fall ist jedoch weiter zu berücksichtigen, dass das Bundesgericht auch eine staatsrechtliche Beschwerde der Gemeinde Kappel gegen den hier angefochtenen Entscheid des Regierungsrats zu behandeln hat ( BGE 116 Ia 221 ff.) und in diesem Verfahren weitgehend über dieselben materiellen Fragen entscheidet, die auch die Beschwerdeführer in der vorliegenden staatsrechtlichen Beschwerde aufwerfen. Würde im heutigen Zeitpunkt nur auf die BGE 116 Ia 197 S. 200 Autonomiebeschwerde eingetreten, nicht jedoch auch auf die von den privaten Beschwerdeführern eingereichten staatsrechtlichen Beschwerden, so hätte sich das Bundesgericht mit der Planungssache Kappel in unerwünschter Weise zweimal zu befassen. Es entspricht daher der prozessökonomischen Zielsetzung von Art. 87 OG , alle Beschwerden gleichzeitig zu behandeln. Somit kann im vorliegenden Fall offengelassen werden, ob der angefochtene Entscheid für die Beschwerdeführer möglicherweise einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil rechtlicher Natur zur Folge hat. 2. a) Im angefochtenen Entscheid führt der Regierungsrat zum Gebiet Unterdorf unter anderem aus, der Ostrand der Gemeinde Kappel werde durch weitgehend intakte Bauten des alten Dorfkerns geprägt. In diesem Bereich befänden sich mehrere aktive Landwirtschaftsbetriebe. Die alten markanten Hofgebäude und die zugehörigen Hofstätten und Gärten würden zusammen einen harmonischen Übergang zum Landwirtschaftsgebiet bilden und damit einen wesentlichen Bestandteil des schützenswerten Ortsbildes der Gemeinde Kappel darstellen. Im alten Zonenplan sei dieses Gebiet vollständig der Wohn- und Gewerbezone WG 2 bzw. WG 3 zugewiesen gewesen. Anlässlich der Vorprüfung zum Zonenplan sei die Gemeinde darauf hingewiesen worden, dass die Ausscheidung einer Bauzone im Bereich dieses Dorfrandgebiets aus verschiedenen Gründen problematisch sei. Zum einen seien existenzfähige Landwirtschaftsbetriebe am Rand der Bauzone gemäss der Praxis des Regierungsrats dem Landwirtschaftsgebiet zuzuweisen, um sie vor den nachteiligen Auswirkungen einer nahen Bauzone möglichst gut zu schützen. Zum andern sei es aus ortsbild- und landschaftsschützerischen Gründen wichtig, die bestehenden Obstgärten und Hofstätten ungeschmälert zu erhalten. Der zur Genehmigung eingereichte Zonenplan scheide nun grössere Teile dieses Gebiets als Reservegebiet, einige Grundstücke sogar als Bauzone aus. Gemäss § 26 des Baugesetzes des Kantons Solothurn vom 3. Dezember 1978 (BauG) werde innerhalb des Siedlungsgebiets die Bauzone ausgeschieden. Diese umfasse Land, das bereits weitgehend überbaut oder erschlossen sei oder auf absehbare Zeit für eine geordnete Besiedlung benötigt werde und erschlossen werden könne. Eine Bautätigkeit im Gebiet "Unterdorf" würde nicht nur das Orts- und Landschaftsbild erheblich stören, sondern auch die Landwirtschaft behindern. Deshalb seien die ausgeschiedenen Bauzonen im Bereich der Hofstätten der Parzellen GB Nrn. 281, 282, 284, 291, 293 problematisch. Die BGE 116 Ia 197 S. 201 Erhaltung der intakten östlichen Dorfansicht mit den vorgelagerten Obstgärten verlange eine Auszonung dieser Parzellen. Im übrigen könnten weder ein Gestaltungsplan, noch spezielle Vorschriften zur Ortsbildschutzzone die Zerstörung dieses wertvollen, harmonischen Übergangs zum Landwirtschaftsgebiet verhindern. Die periphere, zum Teil sogar inselartige Lage dieser Grundstücke und das Interesse an der Verhinderung einer übergrossen Bauzone würden diese Massnahme rechtfertigen. Die umstrittenen Parzellen seien vollumfänglich dem Landwirtschaftsgebiet zuzuweisen. b) Die Beschwerdeführer wenden gegen dieses Vorgehen im wesentlichen ein, ihr Land müsse aufgrund von § 26 Abs. 1 BauG eingezont werden, da es sowohl weitgehend überbaut als auch erschlossen sei. Gemäss Art. 15 RPG umfassen Bauzonen Land, das sich für die Überbauung eignet und weitgehend überbaut ist oder voraussichtlich innert fünfzehn Jahren benötigt und erschlossen wird. Die in dieser Vorschrift enthaltenen Grundsätze sind entscheidend für die Frage, ob ein Grundstück in die Bauzone aufzunehmen ist oder nicht. Art. 15 RPG geht nach dem Grundsatz des Vorrangs des Bundesrechts (Art. 2 ÜbBest BV) allfällig davon abweichendem kantonalem Planungsrecht vor. Das Raumplanungsgesetz des Bundes knüpft am bestehenden baulichen Zustand an, d.h. an den vorhandenen Bauten und deren Nutzungsmöglichkeiten sowie - im Zusammenhang damit - unter anderem an der bereits erstellten Infrastruktur. Eine "weitgehende Überbauung" ist eine effektiv bewohnte und benutzte Häusergruppe, die zudem von derartiger Qualität ist, dass sie sinnvollerweise nur der Bauzone zugeteilt werden kann. Nur die in die Bauzonen gehörenden Bauten, d.h. diejenigen des allgemeinen Siedlungsbaus, sind bei der Beurteilung, ob bereits eine weitgehende Überbauung besteht, zu berücksichtigen. Landwirtschaftliche und andere, primär für die Freilandnutzung bestimmte Bauten, geben in der Regel kein oder nur ein wenig gewichtiges Argument für die Zuteilung zur Bauzone ab ( BGE 113 Ia 450 ff. E. d). Im vorliegenden Fall ist zu beachten, dass diejenigen Teile der Grundstücke Nrn. 291 und 293, auf denen grosse Gebäude stehen, in der Bauzone verbleiben. Eine Zuordnung zur Landwirtschaftszone ist lediglich für die grösseren nordwestlich davon liegenden Teile dieser Parzellen vorgesehen. Dort steht auf Parzelle Nr. 293 der von den Beschwerdeführern erwähnte Speicher. Die Parzellen liegen, wie der Regierungsrat zutreffend ausführt, am BGE 116 Ia 197 S. 202 Siedlungsrand und können, soweit sie nicht zur Bauzone geschlagen werden sollen, nach den Kriterien der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht als weitgehend überbaut betrachtet werden. Daran ändert nichts, dass die Grundstücke allenfalls bereits voll erschlossen sind, denn nach der Praxis des Bundesgerichts macht Erschliessung allein keine "weitgehende Überbauung" aus. Sie ist bloss ein Element im Rahmen der Gesamtbeurteilung ( BGE 113 Ia 451 ). Sie begründet daher für sich allein betrachtet auch keinen Anspruch auf Einzonung ( BGE 107 Ia 243 E. 3b; BGE 105 Ia 233 f. E. 3c/aa; vgl. nicht publiziertes Urteil vom 20. April 1989 i.S. Einwohnergemeinde Etziken). Im Rahmen dieser Gesamtbeurteilung durfte der Regierungsrat dem Einbezug der Parzellen Nrn. 291 und 293 in die Bauzone ohne Verfassungsverletzung die Genehmigung verweigern. Neben den Gesichtspunkten des Ortsbildschutzes und der Landwirtschaft führten den Regierungsrat namentlich Überlegungen zur zulässigen Grösse der gesamten Bauzone zu diesem Ergebnis. Er nahm sogar in Kauf, dass trotz einiger Rückzonungsaufträge an die Gemeinde immer noch eine nach den Kriterien von Art. 15 RPG zu grosse Bauzone bestehen bleibt. Auf das Problem der Bauzonendimensionierung muss jedoch im vorliegenden Fall nicht weiter eingegangen werden, da die Beschwerdeführer die vom Regierungsrat in dieser Hinsicht gemachten Ausführungen nicht in Frage stellen. Durch sein Vorgehen hat der Regierungsrat aus diesen Gründen auch nicht in unzulässiger Weise in das Ermessen der Gemeinde eingegriffen. Schliesslich kann nicht von einer willkürlichen Anwendung des kantonalen Rechts gesprochen werden, da sich dieses wie erwähnt an den Rahmen der in Art. 15 RPG enthaltenen Grundsätze über die Ausscheidung von Bauzonen zu halten hat. In diesem Sinne ist der angefochtene Entscheid weder unter dem Aspekt von Art. 4 BV noch in bezug auf Art. 22ter BV zu beanstanden (vgl. BGE 116 Ia 230 E. 3b).
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Urteilskopf 106 IV 286 73. Urteil des Kassationshofes vom 19. November 1980 i.S. Polizeirichteramt der Stadt Zürich gegen C. (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste Art. 3 Abs. 4 VRV ; Art. 33 Abs. 3 BAV ; Verordnung über die Arbeits- und Ruhezeit der berufsmässigen Motorfahrzeugführer (Chauffeurverordnung). Der selbständigerwerbende Taxiführer, der daneben keine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer ausübt, ist weder gestützt auf Art. 3 Abs. 4 VRV noch aufgrund der Bestimmungen der Chauffeurverordnung verpflichtet, auf Privatfahrten mit seinem Taxi den Fahrtschreiber in Betrieb zu halten.
Sachverhalt ab Seite 287 BGE 106 IV 286 S. 287 A.- C. ist selbständigerwerbender Taxifahrer in Zürich. Das Polizeirichteramt der Stadt Zürich wirft ihm vor, er habe in der Zeit vom 1. Januar 1979 bis zum 10. Februar 1979 als Lenker seines Taxis auf dem Gebiet der Stadt Zürich den Fahrtschreiber nur bei Taxifahrten, nicht auch auf Privatfahrten in Betrieb gehalten und zudem am 2. Januar, 27. Januar und am 1. Februar 1979 nach jeweils fünfeinhalb Stunden Arbeitszeit die vorgeschriebene Ruhepause von mindestens einer halben Stunde nicht eingehalten. Das Polizeirichteramt der Stadt Zürich büsste ihn deswegen mit Verfügung vom 24. April 1979 wegen Widerhandlung gegen Art. 3 Abs. 4 VRV sowie Art. 6 der Verordnung über die Arbeits- und Ruhezeit der berufsmässigen Motorfahrzeugführer (ARV; Chauffeurverordnung) und Art. 5 Abs. 2 der Sonderbestimmungen des Stadtrates über die Arbeits- und Ruhezeit der Taxiführer in der Stadt Zürich gestützt auf Art. 96 VRV und Art. 25 ARV mit Fr. 60.--. B.- Der Gebüsste verlangte die gerichtliche Beurteilung. Der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirksgerichts Zürich sprach C. daraufhin am 27. November 1979 der Verletzung einer Verkehrsregel im Sinne von Art. 25 Abs. 1 ARV in Verbindung mit Art. 14 und Art. 5 Abs. 2 der Sonderbestimmungen über die Arbeits- und Ruhezeit der Taxiführer in der Stadt Zürich schuldig (Nichteinhaltung der Ruhepause nach 5 1/2 Stunden Arbeitszeit) und büsste ihn deswegen mit Fr. 20.--. Vom BGE 106 IV 286 S. 288 Vorwurf der Widerhandlung gegen Art. 3 Abs. 4 VRV (Betrieb des Fahrtschreibers) wurde C. freigesprochen. Die vom Polizeirichteramt der Stadt Zürich gegen dieses Urteil eingereichte kantonale Nichtigkeitsbeschwerde, mit welcher die Verurteilung des C. auch wegen Verletzung von Art. 3 Abs. 4 VRV verlangt wurde, wies die I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich mit Beschluss vom 13. Juni 1980 ab. C.- Das Polizeirichteramt führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem sinngemässen Antrag, der Beschluss des Obergerichts vom 13. Juni 1980 sei aufzuheben und die Sache zur Verurteilung des C. auch wegen Widerhandlung gegen Art. 3 Abs. 4 VRV an die zuständige kantonale Behörde zurückzuweisen. Der Beschwerdeschrift ist die Fotokopie einer schriftlichen Rechtsauskunft der Hauptabteilung Strassenverkehr des Bundesamtes für Polizeiwesen vom 4. Juli 1980 an die Stadtpolizei Zürich beigelegt. C. beantragt in seiner Vernehmlassung die Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde unter Kosten- und Entschädigungsfolgen. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Zu entscheiden ist die Frage, ob der selbständigerwerbende Taxiführer verpflichtet sei, den Fahrtschreiber auch auf Privatfahrten mit seinem Taxi in Betrieb zu halten. Der Beschwerdeführer bejaht eine solche Pflicht vor allem gestützt auf Art. 3 Abs. 4 VRV (in der Fassung gemäss Bundesratsbeschluss vom 27. August 1969 über administrative Ausführungsbestimmungen zum Strassenverkehrsgesetz), wonach der Fahrzeugführer den vorgeschriebenen Fahrtschreiber ständig in Betrieb zu halten und richtig zu bedienen hat. Der Beschwerdegegner und die Vorinstanz verneinen sie namentlich unter Berufung auf Art. 13 Abs. 4 ARV , wonach selbständigerwerbende Fahrzeugführer nicht gehalten sind, die übrige Arbeitszeit mit dem Fahrtschreiber aufzuzeichnen. 2. a) Gemäss Art. 33 Abs. 3 lit. c der Verordnung über Bau und Ausrüstung der Strassenfahrzeuge (BAV) müssen leichte Motorwagen zum gewerbsmässigen Personentransport mit einem Fahrtschreiber zur Kontrolle der Arbeits- und Ruhezeit und zur Abklärung von Unfällen ausgerüstet sein. Der BGE 106 IV 286 S. 289 Fahrtschreiber hat demnach eine doppelte Funktion: er soll einerseits die Kontrolle der Arbeits- und Ruhezeit der berufsmässigen Fahrzeugführer ermöglichen, anderseits der Abklärung von Unfällen dienen. Lediglich die Erreichung des letzteren dieser beiden Zwecke will Art. 3 Abs. 4 VRV sicherstellen; diese Bestimmung schreibt das ständige Inbetriebhalten und die richtige Bedienung des vorgeschriebenen Fahrtschreibers vor, damit im Falle eines Unfalles auch mittels dieses Instruments die Unfallursachen abgeklärt werden können. Die Erreichung des andern Zwecks des in Art. 33 Abs. 3 BAV vorgeschriebenen Fahrtschreibers (Kontrolle der Einhaltung der Arbeits- und Ruhezeit) wird durch die einschlägigen Bestimmungen der Chauffeurverordnung sichergestellt. Auch das Bundesamt für Polizeiwesen scheint in seinem Bericht an die Stadtpolizei Zürich von dieser Doppelfunktion des Fahrtschreibers auszugehen, wenn es schreibt: "Beim nicht der ARV unterstellten Führer dient der Fahrtschreiber bloss als Mittel zur Unfallabklärung. Er hat daher bloss das passende Einlageblatt einzulegen und den Fahrtschreiber während der Fahrt in Betrieb zu halten. Beim der ARV unterstellten Führer dient der Fahrtschreiber der Unfallabklärung und der Arbeits- und Ruhezeitkontrolle, weshalb er sowohl während der Fahrt (Lenkzeit, Lenkpause) als auch bei Stillstand des Fahrzeugs (übrige Arbeitszeit, Arbeitspause) so in Betrieb zu halten ist, dass er die erwähnten Registrierungen liefert. Daher hat der Führer zusätzlich zu den Regeln von Art. 3 Abs. 4 VRV die Vorschriften von Art. 14 ARV zu beachten." Aus der Stellung von Art. 3 Abs. 4 VRV im Abschnitt "Allgemeine Fahrregeln" und aus dem Randtitel zu Art. 3 VRV "Bedienung des Fahrzeugs" wird deutlich, dass diese Vorschrift sich an alle Fahrzeugführer richtet, gleichgültig ob sie der Chauffeurverordnung unterstellt seien oder nicht. In Art. 3 Abs. 4 VRV , der die mit Bundesratsbeschluss vom 27. August 1969 über administrative Ausführungsbestimmungen zum Strassenverkehrsgesetz aufgehobenen Abs. 1-3 von Art. 13 ARV ersetzt, fehlt, anders als in jenen aufgehobenen Bestimmungen (vgl. AS 1966 S. 44), bezeichnenderweise jeder Hinweis auf Arbeitgeber, Arbeitnehmer und arbeitsrechtliche Verhältnisse. b) Der Grund für die Ausrüstung von Taxis mit Fahrtschreibern als Hilfsmittel der Unfallabklärung liegt - anders als bei BGE 106 IV 286 S. 290 den in Art. 33 Abs. 3 lit. a und b BAV erwähnten Fahrzeugen (schwere Motorwagen, gewerbliche zweiachsige Traktoren und Sattelschlepper mit einem Gesamtzugsgewicht von mehr als 5000 kg) - nicht in ihrer Beschaffenheit an sich, sondern darin, dass sie zum gewerbsmässigen Personentransport verwendet werden. Im Interesse der Taxikunden und damit der Öffentlichkeit sollen Unfälle, an welchen Taxis beteiligt sind, möglichst rasch und genau abgeklärt werden können; der Fahrtschreiber kann ein geeignetes Hilfsmittel dazu sein. Hingegen bilden Taxis ihrer Beschaffenheit nach keine höhere Gefahr für die Verkehrssicherheit als andere leichte Motorwagen; im Gegenteil: die leichten Motorwagen zum gewerbsmässigen Personentransport unterstehen einer jährlichen und nicht nur (wie die übrigen leichten Motorwagen) einer alle drei Jahre stattfindenden amtlichen Nachprüfung ( Art. 83 Abs. 1 BAV ). Soweit ein Taxi nicht als solches, d.h. zum gewerbsmässigen Personentransport eingesetzt ist, sondern für eine private Fahrt verwendet wird, kann die Pflicht zum Inbetriebhalten des Fahrtschreibers nur für Taxis nicht mit der Verkehrssicherheit und dem Bedürfnis nach erleichterter Unfallabklärung begründet werden. Da aber Art. 3 Abs. 4 VRV gerade die Erreichung dieser Zwecke sicherstellen will, kann die Verpflichtung, den in einem Taxi eingebauten Fahrtschreiber auch auf Privatfahrten in Betrieb zu halten, entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht auf diese Bestimmung gestützt werden. Hingegen müssen nach dem Gesagten die Führer der in Art. 33 Abs. 3 lit. a und b BAV genannten Fahrzeuge (schwere Motorwagen, etc.) den Fahrtschreiber auf sämtlichen Fahrten in Betrieb halten, da der Einbau eines Fahrtschreibers als Hilfsmittel zur Unfallabklärung bei diesen Fahrzeugen wegen deren Beschaffenheit an sich vorgeschrieben ist. Der Führer eines solchen Fahrzeugs, der auf einer Fahrt den Fahrtschreiber nicht in Betrieb hält, macht sich daher auch dann nach Art. 3 Abs. 4 i.V.m. Art. 96 VRV strafbar, wenn er gemäss der Chauffeurverordnung als Selbständigerwerbender nicht zur Aufzeichnung der Fahrt mittels Fahrtschreiber verpflichtet ist. Der Umstand, dass ein Taxi auch auf einer Privatfahrt beschädigt werden kann mit der Folge, dass es den erhöhten Sicherheitsanforderungen allenfalls nicht mehr genügt, vermag entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ebenfalls keine Pflicht zum Inbetriebhalten des Fahrtschreibers auf Privatfahrten BGE 106 IV 286 S. 291 mit dem Taxi zu begründen. Das Ausmass von Unfallschäden lässt sich keinesfalls allein aufgrund der Aufzeichnungen des Fahrtschreibers, sondern erst durch eine technische Kontrolle ausreichend feststellen. Abgesehen davon meldet die Polizei der Zulassungsbehörde die Fahrzeuge, die bei Unfällen starke Schäden erlitten haben oder bei Kontrollen erhebliche Mängel aufweisen ( Art. 83 Abs. 5 BAV ); die Zulassungsbehörde unterzieht das Fahrzeug einer Kontrollprüfung, wenn es wesentliche Änderungen erfuhr oder bei einem Unfall stark beschädigt wurde ( Art. 83 Abs. 3 BAV ). Bei der Prüfung der Frage, ob ein Schaden "stark" oder ein Mangel "erheblich" sei, können die Behörden der Tatsache Rechnung tragen, dass es sich beim betroffenen Fahrzeug um ein Taxi handelt. 3. Zu prüfen bleibt somit, ob sich die Pflicht, den Fahrtschreiber auf einer mit einem Taxi unternommenen Privatfahrt in Betrieb zu halten, aus den Bestimmungen der Chauffeurverordnung ergibt, welche die Bedienung des Fahrtschreibers als Instrument zur Kontrolle der Einhaltung der Arbeits- und Ruhezeitvorschriften regeln. a) Der Beschwerdegegner ist unbestrittenermassen selbständigerwerbender Fahrzeugführer und übt daneben keine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer aus. Die Bestimmungen über die Arbeits- und Ruhezeit ( Art. 4-9 ARV ) sind daher auf ihn nicht anwendbar ( Art. 1 Abs. 3 ARV ). Hingegen gilt auch für ihn Art. 3 ARV , wonach der "Dienst am Lenkrad" neun Stunden im Tag und 45 Stunden in der Woche nicht überschreiten darf (Abs. 1), und wonach spätestens nach neun Stunden Dienst am Lenkrad, jedenfalls einmal innert 24 Stunden, eine "Lenkruhe" von neun zusammenhängenden Stunden einzuhalten ist (s. BGE 104 IV 264 ). Als Mittel zur Kontrolle der Einhaltung dieser Vorschriften dienen der Fahrtschreiber, die Arbeits- und Ruhezeitkontrolle und das Arbeitsbuch ( Art. 11 ARV ). Nach Art. 13 Abs. 4 ARV sind aber selbständigerwerbende Fahrzeugführer nicht gehalten, die "übrige Arbeitszeit" mit dem Fahrtschreiber aufzuzeichnen. Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, diese Bestimmung betreffe nur die Arbeitszeit des selbständigerwerbenden Fahrzeugführers bei stillstehendem Fahrzeug und sage nichts darüber aus, ob der Fahrtschreiber auf Privatfahrten mit Taxis in Betrieb zu halten sei. Das Obergericht und der Einzelrichter in Strafsachen sowie der Beschwerdegegner ziehen demgegenüber aus Art. 13 Abs. 4 ARV BGE 106 IV 286 S. 292 den Schluss, dass der selbständigerwerbende Fahrzeugführer, wenn er schon die übrige Arbeitszeit nicht mit dem Fahrtschreiber aufzuzeichnen habe, erst recht auf Privatfahrten in der Freizeit und in den Ferien den Fahrtschreiber nicht in Betrieb halten müsse. b) Die "übrige Arbeitszeit" des selbständigerwerbenden Fahrzeugführers wird in der Chauffeurverordnung nicht definiert und weder hinsichtlich der Art noch bezüglich der Dauer der Tätigkeit umschrieben. Fest steht einzig, dass unter die "übrige Arbeitszeit", also abgesehen vom "Dienst am Lenkrad", verschiedene Tätigkeiten fallen. Es fehlen jegliche Anhaltspunkte dafür (und auch der Beschwerdeführer vermag keine zu nennen), dass ein selbständigerwerbender Taxiführer während der übrigen Arbeitszeit sein Fahrzeug nicht verwenden dürfe, z.B. für Fahrten zum Arbeitsort. Die Behauptung des Bundesamtes für Polizeiwesen in seinem Bericht an die Stadtpolizei Zürich, "übrige Arbeitszeit" sei Arbeitszeit, die nicht "Lenkzeit" sei, findet in der Chauffeurverordnung keine Stütze. In Art. 17 Abs. 4 ARV , den das Bundesamt in diesem Zusammenhang anruft, wird die "übrige Arbeitszeit" nicht einer "Lenkzeit", sondern dem "Dienst am Lenkrad", was offensichtlich nicht dasselbe ist, gegenübergestellt. Auch in Art. 15 Abs. 3 und 3 Abs. 3 ARV ist nicht von einer "Lenkzeit", sondern vom "Dienst am Lenkrad" die Rede. Der selbständigerwerbende Taxiführer, der daneben etwa als Kaufmann Geschäfte treibt (was ihm die Chauffeurverordnung nicht verbietet), und dazu sein Taxi als Transportmittel benützt, tut dabei nicht "Dienst am Lenkrad", sondern verrichtet eine unter die "übrige Arbeitszeit" fallende Tätigkeit. Diese Arbeitszeit muss er nach Art. 13 Abs. 4 ARV nicht mit dem Fahrtschreiber aufzeichnen. Zwar können nach Art. 20 Abs. 1 ARV die Kantone oder die von ihnen ermächtigten Gemeinden für Taxiführer in städtischen Verhältnissen anstelle von Art. 4-9 und 15-17 ARV andere Bestimmungen aufstellen und diese auch für selbständigerwerbende Taxiführer anwendbar erklären mit der Folge, dass allfällige kantonale Höchstarbeitszeitvorschriften auch für selbständigerwerbende Taxiführer gelten. Auch in diesem Fall ist der selbständigerwerbende Taxiführer aber nicht zur Aufzeichnung der übrigen Arbeitszeit mit dem Fahrtschreiber verpflichtet, da Art. 13 Abs. 4 ARV in Art. 20 Abs. 1 ARV gerade nicht aufgeführt wird und die Kantone daher keine von Art. 13 Abs. 4 ARV BGE 106 IV 286 S. 293 abweichenden Regeln aufstellen können. Zudem vermöchten solche Aufzeichnungen auch gar nicht eine zuverlässige Kontrolle der gesamten Arbeitszeit zu gewährleisten. Der selbständigerwerbende Taxiführer hat demnach entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers auch unter dem Gesichtspunkt der Arbeits- und Ruhezeitkontrolle nicht auf allen Fahrten mit seinem Taxi den Fahrtschreiber in Betrieb zu halten. Wenn er aber schon Fahrten im Rahmen seiner unter die "übrige Arbeitszeit" fallenden Tätigkeiten nicht aufzeichnen muss, so fehlt diese Verpflichtung, wie die Vorinstanz und der Beschwerdegegner zutreffend ausführen, erst recht für Fahrten in der Freizeit und in den Ferien. Der Beschwerdeführer behält denn auch selber den Fall der mehrtägigen Verwendung des Taxis als Privatfahrzeug, z.B. für eine Ferienfahrt, vor. Im Bericht des Bundesamtes für Polizeiwesen an die Stadtpolizei Zürich, auf den der Beschwerdeführer sich beruft, wird dazu ausgeführt, "selbstverständlich wäre es unbillig zu verlangen", dass der Fahrtschreiber auch auf solchen Fahrten in Betrieb gehalten und richtig bedient werden müsste. "In einem solchen Fall wird der Taxiführer der Vollzugsbehörde seine Ferienabwesenheit und seine Ferienrückkehr melden." Abgesehen davon, dass sowohl das Kriterium der "mehrtägigen Verwendung" wie auch die Modalitäten der An- und Abmeldung unbestimmt sind und daher Unsicherheiten schaffen, besteht weder für die zugebilligte Ausnahmeregelung noch insbesondere für die Meldepflicht, die in die verfassungsmässigen Rechte des Taxiführers eingreift, eine gesetzliche Grundlage. Die Zubilligung einer Ausnahmeregelung für die mehrtägige Verwendung eines Taxis als Privatfahrzeug zeigt, wie der Beschwerdegegner zutreffend ausführt, mit aller Deutlichkeit die Schwäche der Argumentation des Beschwerdeführers. Am Ergebnis, dass der selbständigerwerbende Taxiführer lediglich auf den durch den gewerbsmässigen Personentransport bedingten Fahrten den Fahrtschreiber als Instrument der Arbeits- und Ruhezeitkontrolle in Betrieb halten muss, ändert nichts, dass auch der selbständigerwerbende Taxiführer an jenen Tagen, an welchen er "Dienst am Lenkrad" verrichtet, eine Lenkruhe von neun zusammenhängenden Stunden einhalten muss ( Art. 3 Abs. 3 ARV ). Aus dieser Verpflichtung bzw. der Notwendigkeit der Kontrolle ihrer Einhaltung folgt keineswegs zwingend die Pflicht zum Inbetriebhalten des Fahrtschreibers BGE 106 IV 286 S. 294 auf sämtlichen Fahrten bzw. rund um die Uhr. Der Fahrtschreiber ist weder das einzige noch ein umfassendes Kontrollmittel; als solche dienen gemäss Art. 11 ARV vor allem die Arbeits- und Ruhezeitkontrolle ( Art. 15 ARV ) und das Arbeitsbuch ( Art. 17 ARV ). Die "Aufstellung über die Dauer des täglichen Dienstes am Lenkrad und der Lenkruhe", zu welcher der selbständigerwerbende Fahrzeugführer nach Art. 15 Abs. 3 ARV verpflichtet ist, muss als Nachweis für die Einhaltung der Ruhezeitvorschriften genügen. Die unrichtige Aufstellung ist in gleicher Weise strafbar wie die unkorrekte Bedienung des Fahrtschreibers (vgl. Art. 25 ARV ). Dass die Einhaltung der Ruhezeit nicht aus den Aufzeichnungen des Fahrtschreibers ersichtlich sein muss, geht nicht zuletzt auch aus Art. 17 Abs. 4 ARV hervor: wo das Tagesblatt des Arbeitsbuches zu führen ist, d.h. bei Schadhaftigkeit oder ungenügender Aussagekraft des Fahrtschreibers (vgl. Art. 17 Abs. 2 ARV ), hat der selbständigerwerbende Fahrzeugführer "lediglich den Dienst am Lenkrad laufend einzutragen"; er muss, anders als der unselbständigerwerbende, weder die übrige Arbeitszeit noch die Pausen und die Ruhezeit im Tagesblatt des Arbeitsbuches aufzeichnen. C. war somit weder gestützt auf Art. 3 Abs. 4 VRV noch aufgrund der Chauffeurverordnung verpflichtet, auf den Privatfahrten mit seinem Taxi den Fahrtschreiber in Betrieb zu halten. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Nichtigkeitsbeschwerde des Polizeirichteramtes der Stadt Zürich wird abgewiesen.
null
nan
de
1,980
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
0832ac68-f10a-4a13-89c0-d9ca332d1d4b
Urteilskopf 95 II 68 12. Arrêt de la IIe Cour civile du 10 juillet 1969 dans la cause C. contre C.
Regeste Trennung. Abänderung der Beiträge des Ehemannes an den Unterhalt der Ehefrau. 1. Gegen einen Entscheid der letzten kantonalen Instanz über Eheschutzmassnahmen ist die Nichtigkeitsbeschwerde im Sinne von Art. 68 Abs. 1 lit. b OG zulässig (Erw. 1). 2. Der Trennungsrichter ist zuständig, die Beiträge festzusetzen, die der Ehemann seiner getrennten Ehefrau gemäss Art. 160 Abs. 2 ZGB zu zahlen hat (Erw. 2 a). 3. Ändert sich die Lage der Ehegatten, so können diese Beiträge durch den Richter auf eine Klage hin, mit welcher die Abänderung des Trennungsurteils verlangt wird, aufgehoben, herabgesetzt oder erhöht werden; das Eheschutzverfahren ist nicht anwendbar (Erw. 2 b und c). - Die Kantone bezeichnen den sachlich zuständigen Richter (Erw. 2 e). - Ortlich zuständig ist der Richter am Wohnsitz der beklagten Partei (Erw. 3). - Die Berufung an das Bundesgericht ist zulässig, wenn der nach Art. 46 OG erforderliche Streitwert erreicht ist (Erw. 2 d).
Sachverhalt ab Seite 70 BGE 95 II 68 S. 70 A.- Par jugement du 16 décembre 1964, le Tribunal matrimonial du district de Neuchâtel a notamment prononcé la séparation de corps des époux C. pour une durée indéterminée et condamné le défendeur à payer à sa femme une pension mensuelle de 750 fr. Statuant en appel, le Tribunal cantonal neuchâtelois, par arrêt du 8 mars 1965, a confirmé sur ces points le jugement de première instance. Dame C. a saisi le Président du Tribunal du district de Neuchâtel, par acte du 9 octobre 1968, d'une requête de mesures protectrices de l'union conjugale tendante à ce que son mari soit condamné à lui payer une pension de 1500 fr. par mois. C. a conclu à l'irrecevabilité de cette requête, subsidiairement à son rejet; il a soutenu notamment que le juge des mesures protectrices de l'union conjugale n'était pas compétent ratione materiae pour modifier la pension fixée par un jugement de séparation de corps. Par ordonnance de mesures protectrices de l'union conjugale du 31 octobre 1968, le Président du Tribunal du district de Neuchâtel a modifié le chiffre 2 du dispositif du jugement de séparation de corps, rendu le 16 décembre 1964 par le Tribunal matrimonial de Neuchâtel, et condamné le défendeur à payer à sa femme une pension mensuelle de 1150 fr., une pension réduite de 1050 fr. étant due pour octobre 1968. Au sujet de la compétence, cette ordonnance est motivée comme il suit: la modification d'un jugement de séparation de corps dans la mesure où il fixe la pension due par le mari à la femme est de la compétence exclusive du juge des mesures protectrices de l'union conjugale (Recueil de jurisprudence neuchâteloise, vol. 2, 1957-1961, Ire partie, p. 44); le défendeur a déclaré expressément à l'audience que, si le juge des mesures protectrices de l'union conjugale était compétent matériellement, il reconnaissait subsidiairement sa compétence locale; comme il s'agit d'un litige qui dépend de la volonté des parties, le juge saisi est compétent à raison du lieu (art. 15 du code de procédure civile neuchâtelois). La Cour de cassation civile neuchâteloise, par arrêt du 18 novembre 1968, a rejeté le recours de C. en tant qu'il était recevable. Sur la question de la compétence matérielle ou locale du premier juge, elle a considéré que le pourvoi en cassation du droit cantonal n'était pas ouvert, car C. pouvait former un BGE 95 II 68 S. 71 recours en nullité au Tribunal fédéral selon l' art. 68 al. 1 lettre b OJ (art. 37 de la loi neuchâteloise d'organisation judiciaire; Recueil de jurisprudence neuchâteloise, vol. 1, 1953-1957, Ire partie, p. 58, 113). B.- Contre l'ordonnance de mesures protectrices de l'union conjugale du 31 octobre 1968, C. a formé en temps utile un recours en nullité au Tribunal fédéral. Il a pris les conclusions suivantes: "Plaise au Tribunal fédéral: 1. Prononcer la nullité de l'ordonnance de mesures protectrices de l'union conjugale rendue par le Président du Tribunal I du district de Neuchâtel le 31 octobre 1968 dans le litige divisant les parties. 2. Déclarer la requête de mesures protectrices de l'union conjugale déposée par Dame C. irrecevable faute de compétence du Président du Tribunal I du district de Neuchâtel à raison de la matière et du lieu, et rejeter cette requête. Eventuellement et matériellement: 3. Déclarer la requête matériellement mal fondée et la rejeter. Eventuellement: 4. Renvoyer la cause pour nouveau jugement au Juge de première instance. En tout état de cause: 5. Mettre les frais et dépens des deux instances à la charge de l'intimée dame C." Dame C. intimée, a conclu, avec dépens, à l'irrecevabilité et au rejet du recours. Erwägungen Considérant en droit: 1. Les ordonnances de mesures protectrices de l'union conjugale rendues en vertu des art. 169 ss. CC ne sont pas des décisions finales au sens de l' art. 48 al. 1 OJ ; elles ne tranchent pas non plus une contestation civile, mais concernent une affaire civile (RO 91 II 416 consid. 1 et les références; arrêt du 23 février 1967 en la cause X., consid. 1, non publié au RO 93 II 1 ss.). Le recours en réforme n'est dès lors pas recevable contre de telles ordonnances. Celles-ci peuvent en revanche être déférées au Tribunal fédéral par la voie du recours en nullité prévu à l' art. 68 OJ (arrêts précités). Selon l'arrêt rendu par la Cour de cassation civile du canton de Neuchâtel, le 18 novembre 1968, le prononcé du président du tribunal de district qui statue sur une requête de mesures protectrices de l'union conjugale ne peut pas faire l'objet d'un recours en cassation du droit cantonal en ce qui concerne la BGE 95 II 68 S. 72 compétence à raison de la matière ou à raison du lieu. La décision attaquée a donc été rendue par la dernière juridiction cantonale ( art. 68 al. 1 OJ ; arrêt du 23 février 1967 enla cause X., consid. 1, déjà cité). Le recourant se plaint d'une violation des règles fédérales quant à la compétence à raison de la matière et à raison du lieu. Le recours est dès lors recevable au regard de l' art. 68 al. 1 lettre b OJ . 2. a) Le code civil ne règle la séparation de corps que d'une manière incomplète aux art. 143, 146 à 148, 155, 156 à 158 (EGGER, n. 14 à l' art. 149 CC ; GMÜR, n. 13 à l' art. 147 CC ; FRANK, Wirkungen der gerichtlichen Ehetrennung, RSJ 1960, vol. 56, p. 290). Au sujet des effets accessoires, il ne contient des dispositions que sur le régime matrimonial (art. 155), l'attribution des enfants (art. 156), la modification des mesures concernant les enfants en raison de faits nouveaux (art. 157) et l'homologation par le juge des conventions conclues entre les époux (art. 158 ch. 5). Il ne dit rien notamment de l'entretien de l'épouse par le mari pendant la séparation. Le jugement qui prononce la séparation de corps ne dissout pas le mariage mais le laisse subsister (EGGER, n. 12 à l' art. 149 CC ; GMÜR, n. 14 à l' art. 147 CC ; HINDERLING, Das schweizerische Ehescheidungsrecht, 3e éd., p. 103). Il s'ensuit, selon la jurisprudence constante du Tribunal fédéral (RO 40 II 309, consid. 3, 444 s., consid. 5; 51 II 367 , consid. 3; 52 II 2 ), que l'obligation du mari de pourvoir convenablement à l'entretien de sa femme, en vertu de l' art. 160 al. 2 CC , subsiste et qu'il appartient au juge de déterminer, à défaut d'entente entre les parties, le montant des subsides qu'il doit lui verser (cf. EGGER, n. 14 à l' art. 149 CC ; GMÜR, n. 17, 17 a à l' art. 147 CC ; HINDERLING, op.cit., p. 126; ALIX HAESCHEL, Le devoir d'entretien entre époux, thèse Lausanne 1942, p. 41, 44; FRANZ PFYFFER, Die Wirkungen der Ehetrennung nach dem ZGB, thèse Fribourg 1949, p. 36 ss., 49 ss.; FRANK, op.cit., p. 291 ch. 2). Cependant, lorsqu'il s'agit d'époux étrangers dont la loi nationale ne connaît pas le divorce et pour lesquels la séparation de corps pour une durée indéterminée est la seule solution permettant de mettre fin à la vie commune, les art. 151 ss. CC sont applicables aux indemnités ou à la pension alimentaire que le conjoint innocent peut réclamer (RO 50 II 313, 52 II 2 ss.), à moins que ni l'un ni l'autre de ces conjoints étrangers BGE 95 II 68 S. 73 n'eût été décidé à divorcer, s'il l'avait pu (arrêt non publié du 24 juin 1969 en la cause Rossi c. Rossi). La compétence à raison de la matière pour fixer les subsides que le mari est tenu de verser à son épouse séparée de corps, en vertu de l' art. 160 al. 2 CC , appartient au juge de la séparation de corps; lorsqu'il est saisi de conclusions sur ce point, il doit statuer dans le jugement prononçant la séparation de corps, comme aussi sur l'homologation, prévue à l' art. 158 ch. 5 CC , de la convention relative à la même question (RO 84 II 145). Seule la liquidation du régime matrimonial, en cas de divorce ou de séparation de corps, peut être disjointe et renvoyée à un procès distinct, lorsque le règlement des autres effets accessoires ne dépend pas de cette liquidation (RO 77 II 18; 80 II 8 ; 81 II 399 ; 84 II 145 s.). b) Le code civil règle à l' art. 153 la suppression ou la réduction des rentes allouées en cas de divorce. Il ne contient en revanche aucune disposition sur la modification des subsides dus par le mari à la femme, en vertu de l' art. 160 al. 2 CC , et fixés par le jugement de séparation de corps. L' art. 153 al.2 CC n'est pas applicable, même pas par analogie, car il ne vise clairement que les rentes allouées à la suite de divorce; il serait d'ailleurs contraire à la nature de la séparation de corps, qui laisse subsister l'obligation du mari de pourvoir convenablement à l'entretien de la femme (art. 160 al 2. CC), d'admettre que les subsides en faveur de l'épouse puissent être supprimés ou modifiés seulement dans le sens d'une réduction (FRANK, op.cit., p. 291 ch. 2; EGGER, n. 14 à l' art. 149 CC ; PFYFFER, op.cit., p. 59). Dès lors que les subsides alloués à l'épouse par le jugement de séparation de corps sont fondés sur l' art. 160 al. 2 CC et que, d'après cette disposition, le mari est tenu de pourvoir convenablement à l'entretien de la femme, ils doivent pouvoir être modifiés dans le sens non seulement d'une réduction, mais aussi d'une augmentation: lorsque les circonstances changent, que la situation de l'épouse s'aggrave et que les ressources du mari lui permettent de verser un montant supérieur à la pension fixée par le jugement de séparation de corps, la femme a le droit de demander une augmentation des subsides qui lui sont dus en vertu de l' art. 160 al. 2 CC (cf. FRANK, op.cit., p. 291 ch. 2; PFYFFER, op.cit., p. 60; PICOT, Séparation de corps, FJS no 792 p. 3 ch. V/1; HINDERLING, op.cit., p. 150; RSJ 1947, vol. 43, p. 258 no 125; BlZR 1950, vol. 49, p. 50/51 BGE 95 II 68 S. 74 no 28; arrêt de l'Obergericht du canton de Zurich, du 15 juillet 1960, en la cause V., cité par KEHL, Die Abänderung und Ergänzung von Scheidungs- und Trennungsurteilen, p. 365, no 15). c) Comme il ne contient aucune disposition sur la modification, à la suite de faits nouveaux, des subsides alloués à la femme par un jugement de séparation de corps, le code civil ne règle pas non plus la compétence ratione materiae ou ratione loci pour l'instance tendant à une telle modification. On est en présence d'une lacune de la loi qu'il appartient au juge de combler, conformément à l' art. 1er CC (cf. EGGER, n. 14 à l' art. 149 CC ; PFYFFER, op.cit., p. 59). C'est dans le jugement prononçant la séparation de corps que le juge doit fixer les subsides alloués à la femme en vertu de l' art. 160 al. 2 CC (RO 84 II 145). Contrairement à l'opinion exprimée par le Tribunal cantonal neuchâtelois, dans son arrêt du 2 décembre 1957, en la cause B. c. G. (Recueil de jurisprudence neuchâteloise, vol. 2, 1957-1961, Ire partie, p. 44), cité par la décision attaquée, le juge de la séparation de corps ne peut pas se dispenser de déterminer la pension due à la femme, lorsqu'il est saisi de conclusions sur ce point. Le jugement de séparation de corps qui détermine la pension due à la femme par le mari, en vertu de l' art. 160 al. 2 CC , entre en force de chose jugée lorsqu'il est définitif. Mais, ainsi qu'on l'a vu, ces subsides peuvent être modifiés en cas de changement dans la situation des époux. Ce n'est dès lors que par la voie d'une action en modification du jugement de séparation de corps que la femme peut réclamer une augmentation de la pension ou le mari, une réduction (cf. arrêt du 24juin 1969 en la cause Rossi c. Rossi, non publié). La procédure des mesures protectrices de l'union conjugale ne saurait s'appliquer à une telle instance. Ces mesures visent à sauvegarder l'union conjugale ( art. 169 al. 2 CC ) et en assurer le maintien. Elles ont un caractère essentiellement provisoire et temporaire (arrêt X., du 23 février 1967, consid. 1, non publié au RO 93 II 1 ss.; HANS RUDOLF LEUENBERGER, Der Schutz der ehelichen Gemeinschaft nach Art. 169 ff. ZGB, thèse Berne 1944, p. 177). Elles ne peuvent plus être ordonnées, lorsqu'un des époux a ouvert action en séparation de corps ou en divorce; seules les mesures provisoires selon l' art. 145 CC peuvent alors être requises et décidées (RO 64 II 176 et 396; 86 II 307 ; arrêt non publié, BGE 95 II 68 S. 75 du 7 octobre 1965, en la cause Galle c. Galle, consid. 3; LEMP, n. 9 à l' art. 169 CC ). A fortiori, des mesures protectrices de l'union conjugale ne peuvent-elles plus être prises après qu'un jugement de séparation de corps ou de divorce a été prononcé. Comme elles tendent à sauvegarder l'union conjugale, elles n'ont plus leur place lorsque les époux sont séparés de corps par un jugement qui admet l'existence d'une cause de divorce, respectivement de séparation de corps ( art. 146 et 158 ch. 1 CC ), qu'il s'agisse d'une cause déterminée (art. 137 à 141 CC) ou indéterminée ( art. 142 CC ), absolue ou relative, de telle sorte que la continuation de la vie commune ne peut plus être exigée des époux. Il en résulte que, d'après leur but et leur nature, des mesures protectrices de l'union conjugale ne sauraient être ordonnées afin de modifier un jugement de séparation de corps passé en force de chose jugée (cf. LEMP, n. 9 in fine à l' art. 169 CC , ainsi que la jurisprudence citée: arrêt de la Cour d'appel du canton de Berne, du 13 décembre 1919, en la cause Assola, RJB 1920, vol. 56, p. 181 s.; arrêt du Tribunal cantonal vaudois, du 20 février 1937, en la cause Viquerat, JdT 1938 III 31 s.). d) Cette solution permet au surplus de déférer au Tribunal fédéral par la voie du recours en réforme, pourvu que la valeur litigieuse atteigne 8000 fr. ( art. 46 OJ ), le prononcé de la juridiction cantonale conforme à l' art. 48 OJ qui modifie un jugement de séparation de corps en ce qui concerne les subsides alloués à l'épouse. Il importe en effet que la voie du recours en réforme soit ouverte en pareil cas, comme elle l'est pour l'action en modification ou en suppression d'une rente fixée par un jugement de divorce, fondée sur l' art. 153 al. 2 CC (RO 69 II 148) ou pour l'action en augmentation ou en réduction de la contribution du parent qui n'a pas la puissance paternelle à l'entretien des enfants, à la suite d'un jugement de divorce ou de séparation de corps ( art. 157 CC ; RO 82 II 367; 85 II 366 ). e) Il n'appartient pas au Tribunal fédéral de dire quel est, dans le canton de Neuchâtel, le juge compétent à raison de la matière pour statuer sur une action en modification d'un jugement de séparation de corps en ce qui concerne les subsides alloués à la femme. Cette question ressortit au droit cantonal. Il y a lieu, cependant, de rappeler la disposition de l' art. 48 OJ , selon laquelle le recours en réforme n'est recevable en principe que contre les décisions finales des tribunaux ou autres autorités suprêmes des cantons et qui ne peuvent pas être l'objet BGE 95 II 68 S. 76 d'un recours ordinaire de droit cantonal; il n'est ouvert contre les décisions finales prises par des tribunaux inférieurs que s'ils ont statué en dernière instance, mais non comme juridiction cantonale unique, ou s'ils ont statué comme juridiction cantonale unique prévue par le droit fédéral. Pour les actions en modification d'un jugement de divorce ou de séparation de corps, notamment pour celles qui tendent à une augmentation ou une réduction des subsides alloués à la femme séparée de corps judiciairement, le droit fédéral ne prescrit pas de juridiction cantonale unique, en sorte que l' art. 48 al. 2 lettre b OJ n'est pas applicable. Il est de jurisprudence (RO 71 II 184; 77 II 281 , consid. 2; 80 III 153 , consid. 2 a; 85 II 285 , consid. 2) que le recours en réforme n'est pas recevable contre un jugement d'une juridiction qui n'est pas le tribunal suprême du canton, lorsqu'elle a jugé en qualité de juridiction unique, mais sans qu'il s'agisse d'une juridiction unique prévue par le droit fédéral. Il est souhaitable que le Tribunal fédéral puisse revoir l'application du droit fédéral dans les actions en modification d'un jugement de séparation de corps au sujet des subsides alloués à la femme, lorsque la valeur litigieuse est de 8000 fr. au moins. Il incombe aux autorités neuchâteloises compétentes de rechercher une solution qui permette, vu l' art. 48 OJ , d'atteindre ce but (cf. RO 85 II 286). 3. Selon la jurisprudence constante du Tribunal fédéral (RO 42 I 333 ss., consid. 2; 46 II 336 ss., consid. 3; 51 II 109 ss., consid. 2; 61 II 226 , consid. 2; 63 II 70 ; 81 II 315 s., consid. 2; 85 II 162 , consid. 5; 90 II 355 , consid. 2 c), le juge compétent ratione loci pour connaître des actions en modification d'un jugement de divorce, fondées sur les art. 153 al. 2 (suppression ou réduction de rentes) et 157 CC (mesures concernant les enfants en raison de faits nouveaux), est celui du domicile de la partie défenderesse. Par identité de motifs, l'action en modification d'un prononcé de séparation de corps au sujet des subsides alloués à la femme doit être portée au même for. En l'espèce, la décision attaquée relève que le recourant a déclaré expressément à l'audience "que si le juge des mesures protectrices de l'union conjugale était compétent matériellement, ce qu'il contestait par ailleurs, il reconnaissait sa compétence locale". Il n'est pas nécesssaire de décider si une prorogation de for est possible s'agissant d'une action en modification de subsides alloués par un jugement de séparation de corps. BGE 95 II 68 S. 77 L'acceptation par le défendeur et recourant du for du domicile de la demanderesse et intimée dépendait en effet de la condition que le juge des mesures protectrices de l'union conjugale de Neuchâtel fût compétent ratione materiae; or il ne l'est pas, en sorte que, si la prorogation de for était admissible, elle est devenue caduque. Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral: Admet le recours et annule la décision attaquée.
public_law
nan
fr
1,969
CH_BGE
CH_BGE_004
CH
Federation
083ac582-eb63-407b-95ef-9b9a55a404e2
Urteilskopf 83 IV 137 37. Urteil des Kassationshofes vom 20. September 1957 i.S. Schüssler gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zug.
Regeste Art. 125 Abs. 1StGB.Fahrlässige Körperverletzung. a) Verhältnis zu Art. 11 des Bundesgesetzes über die Beschäftigung der jugendlichen und weiblichen Personen in den Gewerben (Erw. 1). b) Die Verschlimmerung einer bestehenden Krankheit ist Gesundheitsschädigung (Erw. 2). c) Kausalzusammenhang zwischen körperlicher Überanstrengung und Verschlimmerung der Krankheit (Erw. 3). d) Fahrlässigkeit des Dienstherrn (Erw. 4).
Sachverhalt ab Seite 138 BGE 83 IV 137 S. 138 A.- Carlo Himmelrich, geb. 5. September 1933, konnte in Faido, wo er während drei Jahren in einer Bäckerlehre war, nicht viel lernen. Um sich vor der Abschlussprüfung weiter auszubilden, trat er anfangs Juli 1951 eine Aushilfsstelle in der Bäckerei Siegfried Schüssler in Kriens an. Obschon seine Leistungsfähigkeit ungenügend war, nahm ihn am 29. Juli 1951 Bäckermeister Hans Schüssler in Cham, ein Bruder des bisherigen Arbeitgebers, in Dienst. Die Arbeitszeit begann hier regelmässig morgens um 0200 oder 0230 Uhr und betrug, vom freien Mittwochnachmittag abgesehen, 12-13 Stunden im Tag, wöchentlich 74-75 Stunden. Den Mitangestellten fiel bald auf, dass Himmelrich immer Durst hatte und viel Wasser trank, immer müde war, etwas hüstelte und nicht gut aussah; ihre Aufforderungen, einen Arzt aufzusuchen, waren jedoch umsonst. Schüssler seinerseits glaubte, Himmelrich sei, weil dessen Leistungen nicht befriedigten, entweder krank oder faul. Am 18. August 1951 kehrte Himmelrich nach Hause zurück. Es wurde festgestellt, dass er an einer über beide Lungenflügel sich ausbreitenden Miliartuberkulose litt, die zu einer Hirnhautentzündung führte, an der er am 1. August 1952 starb. BGE 83 IV 137 S. 139 Am 25. August 1951 hatte der Vater des Verstorbenen Strafklage gegen Schüssler eingereicht. Die im Untersuchungsverfahren eingeholten ärztlichen Gutachten kamen zum Schluss, dass Himmelrich schon vor dem letzten Stellenantritt an Tuberkulose erkrankt sei und dass die körperlichen Anstrengungen, denen er sich in Cham unterziehen musste, den Krankheitsverlauf ungünstig beeinflusst hätten. B.- Das Strafobergericht des Kantons Zug erklärte am 12. Juli 1957 Schüssler der fahrlässigen Körperverletzung gemäss Art. 125 Abs. 1 StGB schuldig und verurteilte ihn zu einer Busse von Fr. 500.--. Es warf Schüssler vor, er habe durch die Verletzung der Vorschriften des Gesamtarbeitsvertrages für das schweizerische Bäcker- und Konditorengewerbe über die Beschränkung der Arbeitszeit auf 12 Stunden pro Werktag bezw. auf 56 Stunden in der Woche und durch die Missachtung des in Art. 3 des Bundesgesetzes über die Beschäftigung der jugendlichen und weiblichen Personen in den Gewerben vom 31. März 1922 aufgestellten Verbots der Nachtarbeit die Krankheit Himmelrichs verschlimmert. Er habe aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit die mögliche Gesundheitsschädigung nicht bedacht und die erkennbaren Anzeichen eines krankhaften Zustandes nicht richtig gewürdigt. C.- Der Verurteilte beantragt mit Nichtigkeitsbeschwerde, er sei freizusprechen. Er bestreitet, dass zwischen seinem Verhalten und der Verschlimmerung der Krankheit ein Kausalzusammenhang bestehe und dass ihn ein Verschulden treffe; zudem stelle die Verschlimmerung einer bestehenden Krankheit rechtlich keine Gesundheitsschädigung dar. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Der Beschwerdeführer macht mit Recht nicht geltend, die Tat falle ausschliesslich unter die Strafbestimmung des Bundesgesetzes über die Beschäftigung jugendlicher und weiblicher Personen in Gewerben und BGE 83 IV 137 S. 140 sei als blosse Übertretung wegen absoluter Verjährung nicht mehr verfolgbar. Das Nachtarbeitsverbot, das auch vom Fabrikgesetz übernommen wurde, will allgemein die Gesundheit Jugendlicher vor nachteiligen Auswirkungen unangemessener Arbeit schützen. Zuwiderhandlungen werden in Art. 11, der darin Art. 88 FG entspricht (vgl. Botschaft des Bundesrates vom 10.12.1920, BBl 1920, V S. 469), der abstrakten Gefährdung wegen mit Busse oder Haft bedroht. Auf Grund dieses Bundesgesetzes ausgefällte Strafen geltend tatsächlich eingetretene Schädigungen der Gesundheit nicht ab. Auf solche sind daher die Bestimmungen des Strafgesetzbuches über die Körperverletzung anzuwenden. 2. Art. 125 StGB verlangt gleich wie Art. 123 eine Schädigung des Körpers oder der Gesundheit. Diese Bestimmungen setzen nicht einen Zustand absoluter Gesundheit voraus. Wäre es so, müsste sogar die vorsätzliche Verletzung eines bereits kranken Menschen nach Art. 123 StGB straflos bleiben. Massgebend ist allein, ob der Gesundheitszustand, wie er vor der Einwirkung war, beeinträchtigt worden ist. Daher fällt unter den Begriff der Gesundheitsschädigung nicht bloss die Bewirkung eines krankhaften Zustandes, sondern auch die Verschlimmerung einer schon bestehenden Krankheit. 3. Die Vorinstanz stellt fest, dass Himmelrich während seiner Anstellung beim Beschwerdeführer regelmässig Nacht- und Überzeitarbeit leisten musste und dass sich sein Krankheitszustand auch aus diesem Grunde verschlimmert hat. Soweit sie den natürlichen Kausalzusammenhang zwischen körperlicher Überanstrengung und Krankheitsverlauf bejaht, liegt darin eine Tatsachenfeststellung, die den Kassationshof bindet und mit Nichtigkeitsbeschwerde nicht angefochten werden kann ( Art. 277 bis Abs. 1, Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP ). Rechtsfrage und damit überprüfbar ist nur, ob die emgetretene Verschlimmerung der Krankeit als adäquate Folge der Überanstrengung erscheint ( BGE 82 IV 33 ). BGE 83 IV 137 S. 141 Die regelmässige Arbeit in einem Gewerbebetrieb, die morgens spätestens um 0230 Uhr beginnt und täglich mindestens 12-13 Stunden dauert, ist nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge geeignet, einen noch im Entwicklungsstadium befindlichen, darum der Nachtruhe bedürftigen Jugendlichen an der Gesundheit zu schädigen. Gerade weil es allgemeiner Lebenserfahrung entspricht, dass solche Überanstrengungen gesundheitliche Schäden herbeizuführen pflegen, schreibt das Gesetz vor, dass Personen unter 18 Jahren während der Nacht nicht beschäftigt werden dürfen, sondern dass ihnen eine Nachtruhe von wenigstens 11 aufeinanderfolgenden Stunden eingeräumt werden muss. Himmelrich hätte unter den gegebenen Umständen schon bei voller Gesundheit einen Schaden davontragen können. Um so näher lag es, dass sich sein krankhafter Gesundheitszustand durch die Überanstrengungen verschlimmert hat. Dass möglicherweise noch andere Ursachen zur Verschlimmerung der Krankheit beigetragen haben, ist ohne Belang. Für die Bejahung der Rechtserheblichkeit des Kausalzusammenhangs genügt es, dass eine nachteilige Beeinflussung der Tuberkulose durch das Verhalten des Beschwerdeführers im Bereiche des normalen Geschehens lag ( BGE 73 IV 232 ). 4. Auch der Vorwurf der Fahrlässigkeit ist begründet. Pflichtwidrig ist ein Verhalten, wenn der Täter die Vorsicht nicht beobachtet, zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist ( Art. 18 Abs. 3 StGB ). Schon die allgemein bekannte Tatsache, dass ungenügende Nachtruhe und zu lange Arbeitszeiten die Gesundheit Jugendlicher gefährden und bei längerer Dauer zu körperlichen Schädigungen führen, hätten den Beschwerdeführer davon abhalten sollen, den noch nicht 18 Jahre alten Gehilfen Himmelrich regelmässig von morgens 0200 oder 0230 Uhr an und täglich mehr als 12 Stunden im Bäckereibetrieb arbeiten zu lassen. Die möglichen Folgen seines Verhaltens zu bedenken, war er um so mehr verpflichtet, als er sich nach der verbindlichen Feststellung BGE 83 IV 137 S. 142 der Vorinstanz bewusst war, dass sein Betrieb dem Bundesgesetz über die Beschäftigung Jugendlicher in den Gewerben und damit dem Verbot der Nachtarbeit unterstand. Der Umstand, dass die Arbeitsleistungen Himmelrichs denjenigen eines durchschnittlich befähigten Arbeiters nicht entsprachen, berechtigte ihn nicht, die gesetzlichen Schutzbestimmungen zu missachten. Nach der ebenfalls verbindlichen Feststellung der Vorinstanz konnte der Beschwerdeführer überdies sehen, dass Himmelrich von schwächlicher Körperkonstitution war, und nach kurzer Zeit konnte er auch erkennen, dass sich bei ihm sogar Anzeichen eines krankhaften Zustandes bemerkbar machten. Dass Himmelrich entgegen den Aufforderungen keinen Arzt aufsuchte, nicht krank sein wollte und selbst seinen Vater, mit dem er in telephonischer Verbindung stand, über den wirklichen Sachverhalt nicht aufklärte, entschuldigt den Beschwerdeführer keineswegs. Als Arbeitgeber war er gehalten, einen jugendlichen Untergebenen, ob er gesund oder krank sei, vor Überanstrengung zu schützen, und bei pflichtgemässer Überlegung hätte er sich sagen müssen, dass sich die Gefahr einer Gesundheitsschädigung verwirklichen könne, ja sogar, dass diese Möglichkeit nahe lag. Nicht notwendig war, dass er Art und schwere der Krankheit erkannte oder dass er voraussehen konnte, in welchem Grad sich die körperliche Überanstrengung auf den Krankheitsverlauf schädlich auswirken werde. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Urteilskopf 108 II 319 61. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 14. Oktober 1982 i.S. L. gegen H., Bezirksgerichtspräsident von Arlesheim und Obergericht des Kantons Basel-Landschaft (Staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Wechselrecht. Ein auf den Inhaber ausgestellter Wechsel ist nichtig.
Sachverhalt ab Seite 319 BGE 108 II 319 S. 319 Am 14. September 1981 leitete H. beim Betreibungsamt Arlesheim gegen L. eine Wechselbetreibung auf Zahlung von Fr. 30'000.-- nebst Zins zu 5% seit 16. Juli 1981 ein (Betreibung Nr. 7101). Er stützte sich dabei auf einen von L. am 15. April 1981 ausgestellten und am 15. Juli 1981 fällig gewordenen Wechsel, der ursprünglich an die Order "Inhaber" gestellt war, in der Folge aber abgeändert wurde, wobei das Wort "Inhaber" durchgestrichen und durch den Namen H. ersetzt wurde. Mit Urteil vom 26. Oktober 1981 wies der Gerichtspräsident von Arlesheim das Gesuch der Betriebenen um Bewilligung des Rechtsvorschlages ab. Das Obergericht des Kantons Basel-Landschaft bestätigte am 13. Juli 1982 in Abweisung einer Appellation der Betriebenen den Entscheid des Gerichtspräsidenten. Das Bundesgericht heisst die staatsrechtliche Beschwerde der Betriebenen gegen den Entscheid des Obergerichts gut. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Das Obergericht ging davon aus, dass der Wechsel grundsätzlich ein geborenes Orderpapier sei, das nicht auf den Inhaber ausgestellt werden könne. Es kam jedoch zum Schluss, dieses Verbot des Inhaberwechsels sei nicht einsichtig, nachdem der gleiche Erfolg dadurch erzielt werden könne, dass der Aussteller sich selbst als ersten Wechselnehmer einsetze und den Wechsel mit einem Blankoindossament oder mit einem Indossament an den Inhaber versehe. Die Vollständigkeit der Urkunde sei nur für die Geltendmachung der Forderung, nicht jedoch für deren Entstehung notwendig. Das Prinzip des Handelns nach Treu und Glauben sowie die Verkehrssicherheit verlangten, dass eine auf den Inhaber als Remittenten ausgestellte Wechselurkunde als vollgültiger Blankowechsel zu behandeln sei, sofern zur Zeit der Geltendmachung der Forderung der Remittent namentlich auf der BGE 108 II 319 S. 320 Urkunde vermerkt sei. Die Streichung des Wortes "Inhaber" und dessen Ersetzung durch den Namen des Remittenten könnten nicht als Verfälschung bezeichnet werden. 4. Diese Argumentation wird in der Beschwerde zu Recht als unhaltbar beanstandet. Gemäss Art. 991 Ziff. 6 und 1096 Ziff. 5 OR haben der gezogene Wechsel bzw. der Eigenwechsel den Namen dessen zu enthalten, an den oder an dessen Order gezahlt werden soll. Diese Bestimmungen schliessen den Inhaberwechsel aus. Die Lehre unterstreicht einmütig das Verbot des Inhaberwechsels, mag sie auch dessen Zweckmässigkeit bezweifeln (GUHL/MERZ/KUMMER, Das schweizerische Obligationenrecht, 7. Aufl., S. 833; BAUMBACH/HEFERMEHL, Wechselgesetz und Scheckgesetz, 13. Aufl., N. 11 zu Art. 1; STAUB/STRANZ, Kommentar zum Wechselgesetz, 13. Aufl., N. 48 zu Art. 1; STRANZ, Wechselgesetz, 14. Aufl., N. 17 zu Art. 1; KAPFER, Wechselgesetz und Scheckgesetz, 8. Aufl., N. 9 zu Art. 1; ARMINJON/CARRY, La lettre de change et le billet à ordre, S. 224/225 N. 201; PERCEROU ET BOUTERON, La lettre de change, S. 12 N. 9; MOSSA, Trattato della cambiale, 3. Aufl., S. 291; DE SEMO, Trattato di diritto cambiario, 3. Aufl., S. 296 N. 328). Der Hinweis des Obergerichts auf die Möglichkeit, den gleichen Erfolg mit einem Blankowechsel zu erreichen, ändert nichts. Ein Blankowechsel ist seiner Natur nach unvollständig ( Art. 1000 OR ); er kann nachträglich ausgefüllt werden. Der Inhaberwechsel ist dagegen von Anfang an vollständig ausgefüllt und als solcher, ebenfalls von Anfang an, formnichtig. Diese Formnichtigkeit ist im vorliegenden Fall umso mehr zu beachten, als es den Anschein hat, dass die Änderung des ausgefüllten Wechsels nach der Unterzeichnung durch die Beschwerdeführerin als Ausstellerin, Bezogene und Akzeptantin vom Beschwerdegegner vorgenommen oder veranlasst worden ist. Das Wechselrecht ist - gerade im Interesse der Verkehrssicherheit und im Hinblick auf die wechselmässige Haftung - durch Formstrenge gekennzeichnet. Die Gültigkeit bzw. Ungültigkeit des Wechsels muss sich aus der Urkunde selbst ergeben.
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Urteilskopf 124 IV 193 34. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 29. September 1998 i.S. S. gegen Kantonsgericht des Kantons Wallis (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste Art. 38 StGB ; bedingte Entlassung.Die bedingte Entlassung ist die Regel, von der nur aus guten Gründen abgewichen werden kann (E. 4d; Bestätigung der Rechtsprechung). Bei zeitlich befristeten Freiheitsstrafen ist die Gefährlichkeit des Täters zu beurteilen und ob diese bei einer allfälligen Vollverbüssung der Strafe abnehmen, gleich bleiben oder zunehmen wird. Zudem ist zu prüfen, ob die bedingte Entlassung mit der Möglichkeit von Auflagen und Schutzaufsicht eher zu einer Resozialisierung des Täters führt als die Vollverbüssung der Strafe (E. 4d/aa/bb; Weiterentwicklung der Rechtsprechung).Anwendung dieser Grundsätze auf den konkreten Fall und Einzelfragen (E. 5b).
Sachverhalt ab Seite 194 BGE 124 IV 193 S. 194 A.- S. befindet sich im Vollzug einer 101/2-jährigen Zuchthausstrafe wegen qualifizierten Raubes, qualifizierten Diebstahls usw., die das Kantonsgericht des Kantons Wallis am 1. Juni 1994 ausgesprochen hat. Am 23. April 1998 waren zwei Drittel der Strafe verbüsst. B.- Die Kommission für bedingte Entlassung des Kantons Wallis lehnte am 16. März 1998 die bedingte Entlassung des S. aus dem Strafvollzug ab. Eine Verwaltungsbeschwerde des Betroffenen wies der Staatsrat des Kantons Wallis mit Entscheid vom 20. Mai 1998 ab. Die dagegen erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde wies das Kantonsgericht am 16. Juli 1998 ab, soweit es darauf eintrat. C.- S. führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und er sei unverzüglich bedingt zu entlassen; eventualiter sei anstelle einer Rückweisung an die Vorinstanz eine mündliche Parteiverhandlung anzuordnen. Während sich das Kantonsgericht vernehmen liess, verzichtete das EJPD auf eine Stellungnahme.Das Bundesgericht hat die Verwaltungsgerichtsbeschwerde teilweise gutgeheissen Erwägungen aus folgenden Erwägungen: 3. Hat der zu Zuchthaus oder Gefängnis Verurteilte zwei Drittel der Strafe verbüsst, so kann ihn die zuständige Behörde bedingt entlassen, wenn sein Verhalten während des Strafvollzuges nicht dagegen spricht und anzunehmen ist, er werde sich in der Freiheit bewähren ( Art. 38 Ziff. 1 Abs. 1 StGB ). Die bedingte Entlassung ist die vierte Stufe des Strafvollzugs und deshalb in der Regel anzuordnen. Davon darf nur aus guten Gründen abgewichen werden. Wie bei der Zubilligung des bedingten Strafvollzuges ist auch bei der bedingten Entlassung für die Beurteilung des künftigen Wohlverhaltens eine Gesamtwürdigung durchzuführen, um BGE 124 IV 193 S. 195 eine möglichst zuverlässige Grundlage für die Prognose zu erhalten. Es sind somit das gesamte Vorleben, die Täterpersönlichkeit, das deliktische und sonstige Verhalten des Täters zu untersuchen.Es genügt, dass das Verhalten des Verurteilten während des Strafvollzuges nicht gegen die vorzeitige Entlassung spricht. Man kann sich fragen, ob das Verhalten während des Vollzuges überhaupt noch ein selbständiges Entscheidungskriterium oder nicht vielmehr bloss ein Umstand ist, der bei der Gesamtwürdigung zu berücksichtigen ist ( BGE 119 IV 5 E. 1a/aa mit Hinweisen). Welche Art von Delikt zur Freiheitsstrafe geführt hat, ist an sich für die Prognose nicht entscheidend. Die Entlassung darf nicht für gewisse Tatkategorien erschwert werden. Dagegen sind die Umstände der Straftat insoweit beachtlich, als sie Rückschlüsse auf die Täterpersönlichkeit und damit auf das künftige Verhalten erlauben. Ob die mit einer bedingten Entlassung in gewissem Masse stets verbundene Gefahr neuer Delikte ( BGE 98 Ib 106 E. 1b; BGE 119 IV 5 E. 1b) zu verantworten ist, hängt im Übrigen nicht nur davon ab, wie wahrscheinlich ein neuer Fehltritt ist, sondern auch von der Bedeutung des eventuell bedrohten Rechtsgutes. Hat z.B. ein Strafgefangener früher nur unbedeutende Eigentumsdelikte begangen, so darf ein höheres Risiko übernommen werden als bei einem Gewaltverbrecher, der sich in schwerer Weise gegen hochwertige Rechtsgüter (Leib, Leben usw.) vergangen hat. Die mit der bedingten Entlassung verfolgte Wiedereingliederung des Rechtsbrechers ist nicht Selbstzweck, sondern auch ein Mittel, um die Allgemeinheit vor neuen Straftaten zu schützen. Deswegen rechtfertigt es sich auch, im Rahmen der Prognose der Art des möglicherweise weiterhin gefährdeten Rechtsgutes Rechnung zu tragen.Im Rahmen der Gesamtwürdigung sind neben dem Vorleben und der Persönlichkeit vor allem die neuere Einstellung, der Grad der Reife einer allfälligen Besserung und die nach der Entlassung zu erwartenden Lebensverhältnisse des Täters zu prüfen. Bei Würdigung der Bewährungsaussichten ist freilich allgemein ein vernünftiges Mittelmass zu halten in dem Sinne, dass nicht jede noch so entfernte Gefahr neuer Straftaten eine Verweigerung der bedingten Entlassung zu begründen vermag, ansonst dieses Institut seines Sinnes beraubt würde. Anderseits darf aber auch nicht aufgrund einzelner günstiger Faktoren die bedingte Entlassung bewilligt werden, obwohl gewichtigere Anhaltspunkte für die Gefahr neuer Rechtsbrüche sprechen ( BGE 103 Ib 27 ; BGE 104 IV 281 ; BGE 119 IV 5 E. 1 und 2 mit Hinweisen). BGE 124 IV 193 S. 196 4. a) In der Literatur besteht Einigkeit über die Schwierigkeit, im Einzelfall eine verlässliche Prognose zu stellen (STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil II, S. 88 N. 49 und S. 93 N. 61; SCHULTZ, Einführung in den Allgemeinen Teil des Strafrechts II, 4. Auflage, S. 61; REHBERG, Strafrecht II, 6. Auflage, S.44 lit. c; TRECHSEL, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, Art. 38 N. 6; LOGOZ, Commentaire du Code Pénal Suisse, S. 217 f.; MICHEL GRABER, La libération conditionelle à l'épreuve du fédéralisme, Kriminologisches Bulletin 13/1987, S. 12; FRANÇOIS STRASSER, La libération conditionnelle entre le rite et l'innovation, in: La libération conditionnelle: risque ou chance?, Bâle et Francfort-sur-le-Main 1994, S. 154 ff.; WOLFGANG FRISCH, Dogmatische Grundfragen der bedingten Entlassung und der Lockerungen des Vollzugs von Strafen und Massregeln, ZStrW 102/1990, S. 708). Dies gilt insbesondere für den weitaus grössten Teil der Strafgefangenen, bei denen nicht sämtliche möglichen Beurteilungsmerkmale klarerweise entweder für oder gegen eine günstige Prognose sprechen. Der Grund für diese Schwierigkeit liegt - abgesehen von der jeder Prognose anhaftenden Ungenauigkeit - einerseits in der gesetzlichen Formulierung, die den Regelungsinhalt mit unbestimmten Gesetzesbegriffen umschreibt (wenn das Verhalten des Verurteilten während des Strafvollzuges nicht gegen die bedingte Entlassung spricht und anzunehmen ist, er werde sich in der Freiheit bewähren), und anderseits in der spärlichen dogmatischen Durchdringung dieser Problematik in der Literatur. FRISCH (a.a.O., S. 707 ff.) leuchtet - für das deutsche Recht (insbesondere § 57 Abs. 1 StGB ) und z.T. unter Hinweis auf die Schweizer Rechtsprechung und Lehre - die Problematik von Prognoseentscheiden aus und zeigt Leitlinien, die den Entscheidungsvorgang versachlichen können. Seine Darlegungen haben im Wesentlichen auch für die Schweiz ihre Gültigkeit. Besonders prüfenswert ist sein Vorschlag, im Sinne einer umfassenden risikoorientierten Sicht seien die Vorzüge und Nachteile der Vollverbüssung der Strafe denjenigen einer Aussetzung eines Strafrestes gegenüberzustellen. b) Die empirische Untersuchung in den französisch-sprachigen Kantonen (mit Ausnahme des Kantons Wallis) über die bedingte Entlassung von Strafgefangenen und ihre allfällige Rückversetzung im Jahr 1990 (La libération conditionnelle: risque ou chance?, Bâle et Francfort-sur-le-Main 1994) zeitigte unter anderem folgende Ergebnisse: BGE 124 IV 193 S. 197 Im Kanton Genf sei die bedingte Entlassung im Sinne des Stufenstrafvollzuges konsequent als vierte und letzte Stufe ausgestaltet. Die Strafgefangenen kämen praktisch automatisch in den Genuss einer positiven Vormeinung und damit auch der bedingten Entlassung. Nur in schwerwiegenden Fällen (bei früherer Rückversetzung) oder besonders komplexen werde eine eingehendere Prognoseabklärung vorgenommen mit der Möglichkeit, dass die bedingte Entlassung verweigert werde (9%). Demgegenüber erscheine die bedingte Entlassung im Kanton Waadt als eine vom Stufenstrafvollzug unabhängige Einrichtung. Insbesondere Rückfälligen werde die bedingte Entlassung nur sehr zurückhaltend gewährt (35%). Diese Praxis diene damit vor allem der Generalprävention: Der Entscheid der kantonalen Behörde orientiere sich am «Risiko», und die Gewährung oder Verweigerung der bedingten Entlassung erscheine einerseits als Disziplinarinstrument gegenüber den Strafgefangenen und anderseits als Mittel, um die öffentliche Sicherheit zu wahren (MASSIMO SARDI, Pratique de la libération conditionelle, in: La libération ..., S. 134 ff; vergleichbar wie im Kanton Genf sei die Situation in den Kantonen Neuenburg, Freiburg und Jura, a.a.O., S. 133 Fn 32). Dieselbe Untersuchung förderte aber nicht nur massive kantonale Unterschiede in der Zweckausrichtung der bedingten Entlassung zu Tage, sondern teilweise auch Praktiken, welche entweder die heute gültigen gesetzlichen Voraussetzungen gar nicht prüften oder sich auf Bedingungen des alten Rechts wie auch auf solche des Revisionsentwurfs stützten (FRANÇOIS STRASSER, a.a.O., S. 137 ff., insbesondere S. 140 f.). Abschliessend wird - im Sinne einer Wiederaufwertung der bedingten Entlassung - gefordert: eine wirksame gerichtliche Überprüfungsmöglichkeit im Kanton, eine signifikante Herabsetzung der unterschiedlichen Beurteilungen durch die Kantone sowie eine Verbesserung der Begründung der Entscheide (ROBERT ROTH, Perspectives, in: La libération ..., S. 203 ff., insbesondere S. 208). c) Diese Forderungen sind zwischenzeitlich zumindest teilweise erfüllt. Durch Art. 98a OG sind die Kantone verpflichtet worden, bis spätestens zum 15. Februar 1997 (Ziff. 1 Abs. 1 SchlB der Änderung vom 4. Oktober 1991) unter anderem im Verfahren der bedingten Entlassung und der Rückversetzung als letzte kantonale Beschwerdeinstanzen richterliche Behörden zu bestellen. Zudem hat das Bundesgericht die Waadtländer Praxis mehrmals als bundesrechtswidrig beanstandet, unter anderem auch wegen der unzureichenden Begründung ( BGE 119 IV 5 ). BGE 124 IV 193 S. 198 d) Wie oben erwähnt und wie das Bundesgericht in BGE 119 IV 5 E. 2 bestätigt hat, stellt die bedingte Entlassung in der Ausgestaltung des Art. 38 StGB die vierte und letzte Etappe des Stufenstrafvollzugs dar, worüber auch in der Schweizer Literatur Einigkeit besteht (SCHULTZ, a.a.O., S. 58; LOGOZ, a.a.O., S. 214; STRATENWERTH, a.a.O., S. 87 N. 46; TRECHSEL, a.a.O., Art. 38 N. 1; GRABER, a.a.O., S. 9 f.). Sie erfüllt rein spezialpräventive Zwecke ( BGE 103 Ib 23 E. 1; STRATENWERTH, a.a.O., S. 88 N. 49) und bildet die Regel, von der nur aus guten Gründen abgewichen werden darf ( BGE 119 IV 5 E. 2). Welches sind nun aber diese «guten Gründe»? Betrachtet man die vom Bundesgericht in verschiedenen Entscheiden aufgestellten Kriterien (E. 3), so erhält man eine Liste von Merkmalen, die entweder eher für oder gegen die bedingte Entlassung sprechen. Der Entscheid darüber, welche Seite überwiegt, bleibt jedoch spekulativ. Wenn dieser aus naheliegenden Gründen (Prognose) schliesslich immer auch auf unsicheren Annahmen beruhen wird, muss er doch im Beurteilungsvorgang von sachlichen Anhaltspunkten getragen sein. aa) Die beiden gesetzlichen Voraussetzungen «das nicht gegen die bedingte Entlassung sprechende Verhalten des Verurteilten während des Strafvollzugs» und «die Annahme, er werde sich in Freiheit bewähren», können kurz als «günstige Prognose» umschrieben werden. Diese günstige Prognose steht aber im Spannungsfeld zwischen einerseits dem spezialpräventiven Imperativ der bedingten Entlassung als letzter Stufe des Strafvollzugs, da die Freiheit nur «in Freiheit» erlernt werden kann (STRASSER, a.a.O., S. 155 f), und anderseits dem Anspruch der Allgemeinheit auf Rechtsgüterschutz (FRANZ STRENG, Strafrechtliche Folgenorientierung und Kriminalprognose, in: Die Täter-Individualprognose, Hrsg. Dieter Dölling, Heidelberg 1995, S. 116 f.).Bei realistischer Betrachtung muss man in den meisten Fällen der Entscheidung über die bedingte Entlassung bei zeitlich befristeten Freiheitsstrafen (d.h. dort, wo der Sachrichter keine Verwahrung angeordnet hat) annehmen, dass sich am Zustand, in dem sich der Täter jetzt, nach Zwei-Drittel-Verbüssung, befindet, während des restlichen Drittels im Vollzug nicht mehr allzu viel ändern wird. Der vagen Hoffnung eines Fortfalls der Gefährlichkeit in dieser Zeit aus Gründen, die nicht sichtbar sind, steht mindestens gleichrangig die Verschärfung der Gefahr durch die Situation des Vollzugs und die Fernhaltung des Täters vom Leben in Freiheit gegenüber. Die weitere Verbüssung der Strafe taugt damit nicht zur Vermeidung BGE 124 IV 193 S. 199 etwaiger Straftaten. Sie taugt zwar allenfalls zur Vermeidung während der (restlichen) Zeit der Verbüssung, verschiebt im Übrigen das Problem möglicher Straftatenbegehung bloss auf einen späteren Zeitpunkt (FRISCH, a.a.O., S. 736) und schneidet zudem unter dem spezialpräventiven Aspekt späterer Legalbewährung am schlechtesten ab (KARL-LUDWIG KUNZ, Kriminologie, 2. Auflage, Bern 1998, § 31 N. 18). Zwar spielen auch bei dieser Überlegung gewisse prognostische und damit unsichere Elemente eine Rolle. Doch wird die konkrete Beantwortung wohl in den meisten Fällen relativ einfach sein, weil die Frage nach der Gefährlichkeit des Strafgefangenen nun nicht mehr mit derjenigen nach dessen Resozialisierung vermengt wird. bb) Anschliessend ist folgende Frage zu prüfen: Sollte die bedingte Entlassung in spezialpräventiver Hinsicht Vorteile in Gestalt einer möglichen dauerhaften Problemlösung oder -entschärfung bieten, die die Vollstreckung nicht bietet und deren man sich bei der Vollstreckung begibt, so ist die bedingte Entlassung gegenüber der ja in Wahrheit nicht problemlösenden, sondern das Problem nur zeitlich verschiebenden Verweigerung der bedingten Entlassung in all den Fällen vorzugswürdig, in denen diese Vorteile bestehen und ihre Wahrnehmung sinnvoll erscheint. In den Fällen, in denen die weitere Vollstreckung die Unfähigkeit des Täters zu einem normkonformen Leben in Freiheit nur noch zu verstärken droht, bietet die bedingte Entlassung in ihrer Verbindung mit sachgerechten Weisungen und der Stellung unter Schutzaufsicht die Möglichkeit, durch eine rechtzeitige, schrittweise Anpassung an das Leben in Freiheit solche Schäden zu vermeiden. Unabhängig davon bietet die bedingte Entlassung zwei andere allgemeine Vorteile. Da der bedingt Entlassene damit rechnen muss, bei bestimmtem Fehlverhalten (neuerlichen Taten, symptomatischen Verstössen gegen Weisungen) auch noch den ausgesetzten Strafrest verbüssen zu müssen, wird er bei dieser Lösung eher bereit sein, die ihm erteilten Weisungen einzuhalten und sich damit normkonform zu verhalten, als er dies nach verbüsster Strafe wäre. Zudem besteht in Fällen, in denen im Rahmen der bedingten Entlassung Probleme des Verurteilten im Umgang mit der Freiheit sichtbar werden, die Möglichkeit einer Krisenintervention durch die Rückversetzung und durch gezielte sozialtherapeutische Angebote zur Behebung oder Entschärfung dieser Probleme. Vergleichbare Möglichkeiten gibt es im Falle der Vollverbüssung weder in rein zeitlicher noch in verfahrensmässiger Hinsicht (FRISCH, a.a.O., S. 737 ff.; HANS-ULRICH MEIER, Strafvollzug BGE 124 IV 193 S. 200 im Spannungsfeld der öffentlichen Meinung, in: Recht, Macht und Gesellschaft, Zürich 1995, S. 99 f.; teilweise ebenso: STRATENWERTH, a.a.O., S. 95 N. 64). cc) Diese kurz dargestellten Leitlinien führen ganz allgemein zu einer Aufgliederung der Prognoseproblematik in verschiedene besser überschaubare Bestandteile, wodurch der spekulative Teil des Entscheidungsvorgangs eingeschränkt und damit auch vereinfacht wird. Eine derartige Versachlichung wird der zuständigen Behörde vermehrt Anhaltspunkte für ihren Entscheid und damit auch für die Begründung liefern, was sich in einer erhöhten Akzeptanz bei den Betroffenen, aber auch in einer leichteren Überprüfbarkeit bei einem allfälligen Weiterzug positiv niederschlagen wird. Die aufgezeigten Leitlinien werden zudem auf eine Vereinheitlichung der Praxis in den verschiedenen Kantonen hinwirken und so einen wichtigen Beitrag zur Rechtsgleichheit und Rechtssicherheit im Bereich der bedingten Entlassung leisten. Durch die aufgezeigte Handhabung erfährt die bedingte Entlassung gleichzeitig eine Aufwertung und Stärkung als vierte und letzte Etappe des Stufenstrafvollzugs, welche Aufgabe sie im Schweizer Recht unbestritten zu erfüllen hat. 5. a) Die Vorinstanz verweist zunächst auf die Ausführungen der Kommission für bedingte Entlassung und des Staatsrats, wonach aufgrund des Vorlebens des Beschwerdeführers keine günstige Prognose gestellt werden könne. Nach ihnen handle es sich beim Beschwerdeführer um einen Berufsverbrecher, der seit 1972 keiner geregelten Arbeit mehr nachgehe, seinen Lebensunterhalt durch Straftaten bestreite und der seine Delikte jeweils rücksichtslos und ohne etwelche moralische Hemmungen begangen habe. Sie verwiesen auch auf die erneute deliktische Tätigkeit, die er an den Tag gelegt habe, nachdem er am 30. Mai 1995 von einem Urlaub nicht mehr in die Strafanstalt zurückgekehrt sei und die darauf schliessen lasse, dass er seinen Hang zum Delinquieren noch nicht aufgegeben habe. In gleichem Sinne werde auch das Verhalten des Beschwerdeführers gedeutet, der nach wie vor die Täterschaft und die persönliche Verantwortung für die Straftaten, für welche er im Strafvollzug stehe, leugne. Weiter führt die Vorinstanz aus, die Sachverhalte, die dieser Beurteilung zugrunde lägen, seien durch die lange Serie von Verurteilungen aktenmässig belegt und die Art und Weise, wie der Beschwerdeführer seine Verbrechen verübt habe, gehe aus den entsprechenden Urteilen hervor. Während der relativ kurzen Zeit, die er in den letzten dreissig Jahren in Freiheit verbracht habe, sei er nie einer BGE 124 IV 193 S. 201 geregelten Arbeit nachgegangen. Die Begründung des Staatsrats, dass der Beschwerdeführer nach jedem Strafvollzug wieder rückfällig geworden sei, und dass jemandem, der erstmals eine Strafe verbüsse, eher eine günstige Prognose gestellt werden könne als jemandem, der immer wieder rückfällig geworden sei, sei keineswegs abwegig.Wie die Einsichtigkeit bei der Strafzumessung als Kriterium berücksichtigt werden könne, sei es durchaus sinnvoll, dieselbe auch als Indiz für eine eingetretene Änderung der inneren Lebenseinstellung zu betrachten und deren Fehlen als mangelnde innere Änderung zu deuten. Da das Urteil des Walliser Kantonsgerichts vom 1. Juni 1994 in Rechtskraft erwachsen sei, sei die Täterschaft des Beschwerdeführers als erwiesen anzusehen. Wenn er nun einerseits ausführe, die Taten zu bereuen, wenn er sie tatsächlich begangen habe, anderseits aber bestreite, die fraglichen Taten begangen zu haben, so sei das nicht als Charakterfestigkeit auszulegen, sondern spreche gegen seine Einsichtigkeit. Auf eine fehlende Änderung seiner Lebenseinstellung weise auch die Nichtrückkehr in die Strafanstalt am 30. Mai 1995 hin. Zwar habe die Verteidigerin des Beschwerdeführers zugesichert, ihn in ihrer Anwaltskanzlei zu beschäftigen. Eine solche Abmachung müsse jedoch im Gesamtzusammenhang betrachtet werden. Der heute 56-jährige Beschwerdeführer sei gelernter Carrossier ohne kaufmännische oder weitergehende Ausbildung. Die Kenntnis einiger einschlägiger, ihn persönlich betreffender Rechtsnormen und das Abfassen von entsprechenden Rechtsschriften in der Haft, wo die Zeit unter dem Gesichtspunkt des Arbeitsaufwandes eine untergeordnete Rolle spiele, dürften nicht genügen, um die Arbeit als juristischer oder kaufmännischer Mitarbeiter in einer Anwaltskanzlei erfolgversprechend auszuüben. Dies mit der Folge, dass der Beschwerdeführer sich wohl eher als ein von seiner Rechtsvertreterin Unterstützter denn als vollwertiger Mitarbeiter fühlen müsste, was der Persönlichkeit des Beschwerdeführers - wie sie vom Gericht eingeschätzt werde - durchaus entgegenstehen könnte. Die gleichen Überlegungen gälten für die Wohngelegenheit bei seiner Cousine. Die beiden ersten Instanzen hätten deshalb nicht ohne Grund die Zusicherungen hinsichtlich Arbeitsplatz und Wohnung als zu vage beurteilt.An sich könnten das Alter des Beschwerdeführers und dessen gesundheitliche Probleme zu einer inneren Wandlung geführt haben und damit eine positive Prognose begünstigen. Neben den Zusicherungen seiner Vertreterin könne den Akten jedoch nichts entnommen BGE 124 IV 193 S. 202 werden, was auf eine Änderung der inneren Einstellung des Beschwerdeführers schliessen liesse. Selbst sein Schreiben vom 16. März 1998 an die Kommission stelle eine einzige Anklage dar, ohne auch nur ansatzweise einen Anhaltspunkt für die Einsicht in das Unrecht seiner Taten oder für ein künftig geändertes Verhalten zu liefern. Bei dieser Sach- und Rechtslage und im Hinblick auf die beschränkte Kognitionsbefugnis des Gerichts bleibe kein Raum, um den angefochtenen Entscheid aufzuheben und die bedingte Entlassung anzuordnen. Denn es genüge nicht, dass eine andere Lösung möglicherweise auch vertretbar wäre, um auf einen Ermessensmissbrauch oder ein Überschreiten des Ermessens zu schliessen. Die Beschwerde sei deshalb abzuweisen. b) Diese Begründung zur Verweigerung der bedingten Entlassung trägt den in Erwägung 4 hievor dargelegten Leitlinien nicht Rechnung und bedarf hinsichtlich der Gewichtung einzelner Beurteilungsmerkmale der Präzisierung. Deshalb ist der angefochtene Entscheid aufzuheben, um der Vorinstanz Gelegenheit zu geben, die Frage der bedingten Entlassung neu zu beurteilen. aa) Dabei wird die Vorinstanz davon ausgehen, dass die bedingte Entlassung als vierte und letzte Stufe des Strafvollzugs in der Regel anzuordnen ist, und sie wird berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer eine zeitlich befristete Strafe verbüsst und, falls ihm die bedingte Entlassung verweigert wird, in etwas mehr als drei Jahren bedingungslos in die Freiheit entlassen werden muss. bb) Konkret wird die Vorinstanz die Gefährlichkeit, die heute vom Beschwerdeführer ausgeht, ihrem Ausmass nach zu beurteilen haben und ob diese Gefährlichkeit bei einer allfälligen Vollverbüssung der Strafe abnehmen, gleich bleiben oder zunehmen wird. Anschliessend sind Überlegungen darüber anzustellen, ob es zweckmässig ist, eine allfällige bedingte Entlassung mit Weisungen und/oder Schutzaufsicht zu verbinden, und ob eine so auf den Beschwerdeführer zugeschnittene bedingte Entlassung im Vergleich zur Vollverbüssung der Strafe spezialpräventiv vorzugswürdiger ist oder nicht. Zu den Einzelheiten kann auf Erwägung 4 und die dortigen Literaturstellen verwiesen werden. cc) Bei der Neubeurteilung wird die Vorinstanz von demjenigen Sachverhalt auszugehen haben, wie er sich dannzumal präsentieren wird. Insbesondere wird sie zu überprüfen haben, ob der Beschwerdeführer, wie er geltend macht, seit anfangs Juli 1998 zweimal wöchentlich alleine und unbeaufsichtigt für mehrere Stunden in die Stadt zur Therapie geht und inwieweit dies für den Prognoseentscheid BGE 124 IV 193 S. 203 von Bedeutung sei. Einer Abklärung bedürfen auch die Angaben des Beschwerdeführers, er sei zwar gelernter Carrossier aber mit fundierter kaufmännischer und weitergehender Ausbildung: 1961 habe er die Abendschule für Buchhaltung und Betriebsorganisation im Institut Avor-Ammann in Rorschach besucht und diese Ausbildung mit Diplom abgeschlossen; 1962 habe er einen Schreibmaschinenkurs besucht; 1967 bis 1969 habe er einen Kurs in Betriebsorganisation und Personalführung belegt und mit Diplom abgeschlossen; in der Zwischenzeit habe er gelernt, den Computer zu beherrschen, was aufgrund seiner zahlreichen selbstverfassten Eingaben bewiesen sei, und zudem habe er nicht nur ihn persönlich betreffende Eingaben verfasst. Falls sich diese Angaben bewahrheiten - das Verfassen von Rechtsschriften für Mitgefangene ist übrigens gerichtsnotorisch -, dürfte wohl auch die diesbezügliche vorinstanzliche Einschätzung anders ausfallen, da sie vom Gegenteil ausging. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass die Kantonsgerichte Wallis und Jura in ihren Strafurteilen dem Beschwerdeführer angesichts seiner verschiedenen Rechtsschriften «bei weitem eine mittlere Intelligenz», «wenn nicht mehr» zubilligen. Der Beschwerdeführer legt weiter dar, er werde nach der bedingten Entlassung bei seiner Cousine wohnen, die ihn seit Jahren regelmässig besuche. Allenfalls hat die Vorinstanz auch insoweit Näheres abzuklären. dd) Die Vorinstanz nennt als erste gesetzliche Voraussetzung der bedingten Entlassung das Wohlverhalten in der Anstalt, das die beiden ersten Instanzen - so scheine es - beim Beschwerdeführer als erfüllt erachtet hätten; doch komme diesem Element keine selbständige Bedeutung mehr zu, sondern stelle vielmehr ein Beurteilungsmerkmal im Rahmen der Prognose dar. In der Folge wird das Wohlverhalten des Beschwerdeführers in der Anstalt nicht mehr erwähnt. Bei der Neubeurteilung wird sich die Vorinstanz darüber auszusprechen haben, ob dieses Element hinsichtlich der Frage der bedingten Entlassung etwas hergibt oder nicht (vgl. GÜNTER GRIBBOHM, StGB, Leipziger Kommentar, 11. Auflage, § 57 N. 19). Prognostisch wichtige Erkenntnisse lassen sich aus dem Verhalten des Verurteilten in Situationen entnehmen, die dem normalen Leben ähnlich sind; dazu gehört häufig das Verhalten bei der Arbeit. Indessen gilt auch im Zusammenhang mit Vollzugslockerungen und mit Fluchtversuchen, dass die atypische Situation, in der sich der «Untergebrachte» hier befindet, selbst erhebliche rechtswidrige Taten nicht notwendig als Anhaltspunkte für eine schlechte Prognose BGE 124 IV 193 S. 204 im Falle einer geordneten Entlassung erscheinen lässt (ders., a.a.O., 10. Auflage, § 67d N. 37). Diese Überlegung wird die Vorinstanz bei der Einschätzung der Nichtrückkehr des Beschwerdeführers vom 27. Februar 1995 in die Anstalt Bochuz zu bedenken haben. Ebenfalls von Bedeutung ist, dass es auf jener Flucht «nur» zu Taten wie Gebrauch und Hehlerei von falschen Ausweispapieren sowie Hehlerei von gestohlenen Autoschildern kam, nicht aber zu Raub und Diebstahl wie früher. ee) In der Literatur wird die Ansicht vertreten, eine innere Wandlung könne nur aus Erfahrungssätzen hergeleitet werden; von besonderer Bedeutung sei dabei die Erfahrung, dass die Neigung zu Gewalttaten mit fortschreitendem Alter zurückgehe. Weiter wird es als fehlerhaft bezeichnet, aus fortdauerndem Leugnen der früheren Tat auf eine schlechte Prognose zu schliessen; eine Pflicht, sich zur begangenen Tat zu bekennen, bestehe auch nach der Verurteilung nicht, und das Bestreiten der Tat könne vielerlei, auch prognostisch indifferente Gründe haben. Schuldeinsicht sei nicht notwendige Voraussetzung für ein künftiges Leben ohne Straftaten (GRIBBOHM, a.a.O., 10. Auflage, § 67c N. 70 mit Hinweisen; ders. 11. Auflage, § 57 N. 21). Deshalb ist insoweit ein Fragezeichen gerechtfertigt, wenn die Vorinstanz von der Uneinsichtigkeit des Beschwerdeführers auf eine ungünstige Prognose schliessen sollte und auch dem Alter des Beschwerdeführers nichts Positives abzugewinnen vermag. Dasselbe gilt, soweit die Vorinstanz aus der Eingabe vom 16. März 1998 dem Beschwerdeführer vorhält, dieses Schreiben stelle eine einzige Anklage dar. Abgesehen von den kurzen Ausführungen über sein Rückenleiden sowie die ins Auge gefasste Arbeits- und Wohnsituation bei einer bedingten Entlassung trifft dies zwar zu; doch gilt es zu bedenken, dass es sich dabei um eine Parteischrift handelt, die Europäische Kommission für Menschenrechte am 16. Januar 1996 das Untersuchungsverfahren sowie dasjenige bis zur Aburteilung des Beschwerdeführers als ungebührlich lang beurteilt hat und der Beschwerdeführer angesichts der noch hängigen Beschwerden in Strassburg an eine Revision des Walliser Urteils glaubt. Damit erscheint die Eingabe des Beschwerdeführers und mithin dessen Uneinsichtigkeit in einem anderen Licht. Da bei langdauernder Haft und Untersuchungshaft aus medizinischer Sicht mit Schädigungen des Betroffenen zu rechnen ist (RALF BINSWANGER, Zum Problem langdauernder Untersuchungshaft, ZStrR 91/1975, S. 406 ff., insbesondere S. 409 ff.) und der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben während mehr als sechs Jahren in Einzelhaft gehalten BGE 124 IV 193 S. 205 worden war, sollte auch von daher die Strafverbüssung nicht unnötig verlängert werden. ff) Schliesslich stellt sich im Nachgang zu den konsiliar-psychiatrischen Berichten vom 10. Juni und 2./4. Dezember 1992 die Frage, ob die Vorinstanz nicht allenfalls die Persönlichkeit des Beschwerdeführers näher abklären sollte (Hans Wiprächtiger, Die Abklärung der Persönlichkeit des Beschuldigten - Die Sicht des Richters, ZStrR 111/1993, S. 175 ff., insbesondere S. 192 Ziff. 7). Dies nicht zuletzt auch im Hinblick auf ihre Einschätzung der Persönlichkeit des Beschwerdeführers, wonach er sich in der Anwaltskanzlei wohl eher als ein von seiner Rechtsvertreterin Unterstützter denn als vollwertiger Mitarbeiter fühlen müsste.
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Urteilskopf 100 Ia 427 60. Auszug aus dem Urteil vom 18. September 1974 i.S. Gugelberg gegen Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden.
Regeste Art. 85 lit. a OG ; Gemeindeautonomie. Der Private kann die Rüge der Autonomieverletzung nicht als selbständigen Beschwerdegrund vorbringen, sondern nur zur Unterstützung anderweitiger Verfassungsrügen, zu denen er legitimiert ist. Voraussetzungen, unter denen eine Autonomieverletzung mittels Stimmrechtsbeschwerde nach Art. 85 lit. a OG gerügt werden kann.
Sachverhalt ab Seite 428 BGE 100 Ia 427 S. 428 Aus dem Sachverhalt: A.- Leonhard Hermann-Kuoni stellte bei der Stadtverwaltung Maienfeld das Gesuch, seine im Übrigen Gemeindegebiet gelegene Parzelle Nr. 1714 in die Wohnzone W 1 umzuteilen. Der Stadtrat beschloss einstimmig, der Gemeindeversammlung das Gesuch zu Annahme zu empfehlen, diese lehnte es jedoch in der Folge mit grosser Mehrheit ab. B.- Das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden hiess einen von Hermann hiegegen erhobenen Rekurs gut, hob den ablehnenden Gemeindeversammlungsbeschluss auf und wies die Gemeinde an, die fragliche Parzelle in die Wohnzone W 1 umzuteilen. C.- Die Stadtgemeinde Maienfeld und der in Maienfeld stimmberechtigte Dr. Andreas von Gugelberg führen gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtes je staatsrechtliche Beschwerde. Die Stadtgemeinde rügt eine Verletzung der Gemeindeautonomie, Dr. von Gugelberg eine Verletzung seines politischen Stimmrechtes durch Missachtung der Gemeindeautonomie. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde der Stadtgemeinde Maienfeld gut. Auf die Beschwerde des Dr. A. von Gugelberg tritt es hingegen mangels Legitimation nicht ein. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Der Beschwerdeführer Dr. Andreas von Gugelberg rügt gestützt auf Art. 85 lit. a OG eine Verletzung des politischen Stimmrechts. Die Rüge wird damit begründet, das Verwaltungsgericht habe durch die Aufhebung des Beschlusses der Maienfelder Gemeindeversammlung die Gemeindeautonomie missachtet. Dr. von Gugelberg ist in Maienfeld stimmberechtigt. Nach der neuern Rechtsprechung des Bundesgerichtes ist der Bürger, der wegen Verletzung anderer verfassungsmässiger BGE 100 Ia 427 S. 429 Rechte staatsrechtliche Beschwerde führt, befugt, vorfrageweise auch eine Verletzung der Gemeindeautonomie zu rügen ( BGE 99 Ia 252 E. 3, BGE 94 I 131 , BGE 93 I 445 E. 7 a, BGE 91 I 412 E. 2; ZIMMERLI, ZBl 1972, S. 272 f). Der Private kann somit die Rüge der Autonomieverletzung nicht als selbständigen Beschwerdegrund vorbringen, sondern nur zur Unterstützung einer anderweitigen Verfassungsrüge, zu deren Erhebung er legitimiert ist. So kann beispielsweise der durch ein Bauprojekt betroffene Nachbar den Entscheid einer kantonalen Beschwerdeinstanz, mit welchem die Baubewilligung entgegen dem Willen der erstinstanzlich verfügenden Gemeindebehörden erteilt wird, nicht nur wegen Verletzung von Art. 4 oder Art. 22ter BV anfechten, sondern in diesem Zusammenhang zusätzlich noch geltend machen, die kantonale Instanz habe die Autonomie der Gemeinde missachtet ( BGE 99 Ia 252 ff. E. 3, BGE 91 I 413 ). In gleicher Weise kann die Frage, ob ein kantonaler Entscheid die Gemeindeautonomie verletze, auch im Rahmen einer Stimmrechtsbeschwerde nach Art. 85 lit. a OG aufgeworfen werden ( BGE 91 I 413 E. 2). Voraussetzung ist jedoch, dass ein Eingriff in die politischen Rechte der Stimmbürger vorliegt; nur dann ist der einzelne Stimmberechtigte gestützt auf Art. 85 lit. a OG zur Beschwerde legitimiert. Wie das Bundesgericht in BGE 72 I 24 ff. feststellte, kann ein Gemeindestimmbürger den Entscheid einer kantonalen Aufsichtsbehörde, welche einen Gemeindeversammlungsbeschluss wegen inhaltlicher Unvereinbarkeit mit übergeordnetem Recht aufhebt, nicht wegen Verletzung seines Stimmrechtes anfechten. Ebenso ist eine Stimmrechtsbeschwerde ausgeschlossen, wenn die kantonale Aufsichtsbehörde einem Beschluss der Gemeindestimmbürger aus materiellrechtlichen Gründen die Genehmigung verweigert (nicht publ. Urteil vom 4. März 1948 i.S. Bösch gegen Regierungsrat St. Gallen, E. 3). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Dasselbe muss gelten, wenn eine kantonale Rechtsmittelinstanz über die inhaltliche Zulässigkeit eines Gemeindeversammlungsbeschlusses zu befinden hat. Der einzelne Stimmbürger kann gegen die Aufhebung eines solchen Beschlusses nur dann gestützt auf Art. 85 lit. a OG staatsrechtliche Beschwerde führen, wenn die Rechtmässigkeit des Abstimmungsverfahrens oder die Ermittlung des Abstimmungsergebnisses in Frage steht, nicht aber, wenn die materielle Zulässigkeit eines an sich rechtmässig zustandegekommenen BGE 100 Ia 427 S. 430 Beschlusses streitig ist. Der Stimmbürger kann sich selbst dann nicht über eine Verletzung seiner politischen Rechte beschweren, wenn sich die kantonale Behörde nicht damit begnügt, den Beschluss der Gemeindeversammlung aufzuheben, sondern darüber hinaus - wie hier - der Gemeinde eine bestimmte Anweisung erteilt und die betreffende Angelegenheit insoweit der freien Beurteilung durch die Stimmbürger entzieht. Wohl wird dadurch indirekt in die Befugnisse der Stimmberechtigten eingegriffen, doch würde es Sinn und Zweck der Vorschrift von Art. 85 lit. a OG nicht entsprechen, wenn allgemein jeder Sachentscheid einer kantonalen Behörde, der mit der Frage der Stimmberechtigung an sich in keinem Zusammenhang steht, aber eine in die Kompetenzen der Gemeindeversammlung fallende Angelegenheit betrifft, mittels Stimmrechtsbeschwerde an das Bundesgericht weitergezogen werden könnte. Gegen derartige Sachentscheide können nur jene Bürger staatsrechtliche Beschwerde führen, die in ihrer persönlichen Rechtsstellung betroffen, d.h. gemäss der allgemeinen Vorschrift des Art. 88 OG zur Beschwerde legitimiert sind. Dieser Grundsatz unterliegt gewissen Ausnahmen. Die bundesgerichtliche Rechtsprechung lässt den Stimmbürger zum Beispiel dann zur Beschwerde gemäss Art. 85 lit. a OG zu, wenn eine kantonale Aufsichtsbehörde entgegen dem Willen der Stimmberechtigten eine Erhöhung des kommunalen Steuerfusses anordnet ( BGE 100 Ia 266 E. 1; in diesem Sinne auch BGE 42 I 185 ). Ebenso ist der Bürger zur Stimmrechtsbeschwerde legitimiert, wenn die kantonale Aufsichtsbehörde das Budget für ein kommunales Elektrizitätswerk, das von den Stimmberechtigten verworfen wurde, selber für verbindlich erklärt (Urteil vom 18. September 1968 i.S. Döbeli gegen Einwohnergemeinde Brugg und Regierungsrat Aargau, nicht publizierte Erw. 2). Läuft die Anordnung der kantonalen Behörde darauf hinaus, dass die Befugnisse der Stimmbürger in bestimmten wesentlichen Fragen der kommunalen Selbstverwaltung überhaupt ausgeschaltet werden, so ist es gerechtfertigt, dass der einzelne Stimmbürger die Zulässigkeit dieser Massnahme gestützt auf Art. 85 lit. a OG überprüfen lassen kann. Ein derartiger Fall liegt hier jedoch nicht vor. Es steht kein grundlegender Eingriff in die Rechte der Stimmbürger in BGE 100 Ia 427 S. 431 Frage; es geht lediglich darum, ob das kantonale Verwaltungsgericht anordnen durfte, dass eine bestimmte Parzelle entgegen dem ablehnenden Beschluss in die Bauzone aufgenommen wird, wobei unbestritten ist, dass eine solche Anweisung an sich in der Kompetenz der Beschwerdeinstanz liegt; der Beschwerdeführer stellt einzig die sachliche Richtigkeit des Urteils in Frage. Die genannten besonderen Voraussetzungen, unter denen die Legitimation des Stimmbürgers zur Beschwerdeführung ausnahmsweise zu bejahen ist, sind hier nicht erfüllt. Auf die Beschwerde des Dr. Andreas von Gugelberg ist daher nicht einzutreten.
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Urteilskopf 86 I 105 19. Urteil der I. Zivilabteilung vom 10. Mai 1960 i.S. Hybrida A.-G. gegen Eidgenössisches Amt für das Handels- register.
Regeste 1. Art. 940 OR , Art. 21 HRegV , Prüfungspflicht des Handelsregisterführers. Ein Vorgang ist auch dann einzutragen, wenn sich darüber streiten lässt, ob das materielle Zivilrecht ihn gestatte (Erw. 1). 2. Art. 717 f., 458 f. OR. Die Auffassung, einem gemeinsam zeichnungsberechtigten Mitglied des Verwaltungsrates einer Aktiengesellschaft könne ausserdem Einzelprokura erteilt werden, ist nicht offensichtlich unhaltbar (Erw. 2 f.).
Sachverhalt ab Seite 105 BGE 86 I 105 S. 105 A.- Die Statuten der Hybrida AG, die im Jahre 1956 mit Sitz in Buochs gegründet wurde, bestimmen, die Gesellschaft werde durch die Kollektivunterschrift von zwei Mitgliedern des Verwaltungsrates verpflichtet und BGE 86 I 105 S. 106 dieser könne andere unterschriftsberechtigte Personen bezeichnen und die Art ihrer Zeichnung festlegen. Der zweiköpfige Verwaltungsrat ernannte den ihm angehörenden Geschäftsführer Franz Tanner, an dessen Wohnort Schüpfheim sich der wesentlichste Teil des Geschäftsbetriebes der Gesellschaft abwickelt, zum Prokuristen mit Einzelunterschrift. Die Prokura wurde in das Handelsregister des Kantons Nidwalden eingetragen und unbeanstandet ausgeübt. B.- Am 27. September 1958 beschloss die Generalversammlung, den Sìtz der Gesellschaft nach Schüpfheim zu verlegen. Das Handelsregisteramt des Kantons Luzern lehnte es ab, diesen Vorgang einzutragen, weil einem kollektiv zeichnungsberechtigten Mitglied des Verwaltungsrates nicht Einzelprokura erteilt werden könne. Auf Beschwerde der Hybrida AG wies der Regierungsrat des Kantons Luzern das Amt am 2. April 1959 an, die Verlegung des Sitzes der Gesellschaft einzutragen. Das luzernische Handelsregisteramt weigerte sich nochmals, nunmehr mit der Begründung, die erfolgte schriftliche und mit beglaubigten Unterschriften versehene Anmeldung genüge nicht, die Hybrida AG müsse sie auf einem amtlichen Formular unter nochmaliger Beglaubigung der Unterschriften erneuern. Auf Beschwerde der Hybrida AG wies der Regierungsrat am 18. Juni 1959 das Amt erneut an, der Anmeldung vom 27. September 1958 Folge zu geben. Das Eidgenössische Amt für das Handelsregister teilte der Hybrida AG am 4. Juli 1959 mit, es genehmige die Eintragung der Verlegung ihres Sitzes nicht, wenn dem kollektiv zeichnungsberechtigten Mitglied des Verwaltungsrates Tanner Einzelprokura erteilt werde. C.- Die Hybrida AG führt gegen diesen Entscheid gemäss Art. 97 ff. OG Beschwerde. Sie beantragt dem Bundesgericht, ihn aufzuheben und das eidgenössische Amt zu verhalten, die beanstandete Eintragung zu genehmigen. BGE 86 I 105 S. 107 Das eidgenössische Amt beantragt, die Beschwerde abzuweisen. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Im Handelsregister sind nicht nur die zweifellos statthaften, sondern auch solche Vorgänge offenkundig zu machen, über deren Zulässigkeit sich streiten lässt. Solche Streitigkeiten zu entscheiden, ist Sache des ordentlichen Richters. Die Handelsregisterbehörden und das Bundesgericht als Verwaltungsgericht haben nur darüber zu wachen, dass das Handelsregister nicht zur Bekanntgabe von Rechtsverhältnissen missbraucht werde, die vom ordentlichen Richter unmöglich geschützt werden könnten. Sie haben daher nicht eingehend zu prüfen, ob ein Vorgang, um dessen Eintragung nachgesucht wird, nach materiellem Zivilrecht wirksam sei, sondern nur, ob er ihm nicht offensichtlich widerspreche ( BGE 56 I 137 f., BGE 60 I 57 , BGE 62 I 262 , BGE 67 I 113 f., 345, BGE 75 I 324 , BGE 78 I 450 , BGE 85 I 64 ). An dieser vom eidgenössischen Amt beanstandeten Rechtsprechung ist festzuhalten. Wenn die Gültigkeit des Rechtsverhältnisses von der Eintragung abhängt, vermöchten sonst die Handelsregisterbehörden seine Begründung zu verhindern. Das ist nicht ihre Aufgabe. Sie haben grundsätzlich nur zu registrieren, nicht mit abschliessender Entscheidungsbefugnis in die Rechtsbeziehungen einzugreifen. In diesem Sinne ist das Prüfungsrecht auch im vorliegenden Falle beschränkt, denn es ist eine Frage des materiellen Zivilrechts, nicht des Registerrechts, ob eine Person, die als Mitglied des Verwaltungsrates einer Aktiengesellschaft kollektiv zeichnungsberechtigt ist, ausserdem Einzelprokura haben könne. 2. Das eidgenössische Amt ist der Auffassung, wer dem Verwaltungsrat einer Aktiengesellschaft angehört, könne überhaupt nie Prokurist sein. Es verweist auf die Ausführungen F. VON STEIGERS in "Die Schweizerische Aktiengesellschaft" 17 165 ff. BGE 86 I 105 S. 108 a) Dieser Aufsatz leitet die Unvereinbarkeit der Stellung eines Mitgliedes des Verwaltungsrates mit der Stellung einez Prokuristen in erster Linie aus Art. 458 OR ab, aus dem sich ergebe, dass der Prokurist eine vom Geschäftsinhaber verschiedene Person sein müsse. Darauf kann jedoch hier wie in dem in BGE 67 I 342 ff. veröffentlichten Falle nichts ankommen. Wenn der Geschäftsinhaber nicht sein eigener Prokurist sein kann, so liegt der Grund im Begriff der Prokura als einer durch die Art. 458 ff. OR näher umschriebenen Ermächtigung, einen andern im Betriebe seines Gewerbes oder Geschäftes zu vertreten, d.h. ihn durch Rechtshandlungen zu verpflichten. Vertreten und verpflichtet wird die Aktiengesellschaft, in deren Namen und auf deren Rechnung die Rechtsgeschäfte abgeschlossen werden, nicht der Verwaltungsrat als Organ oder das einzelne Mitglied, das ihm angehört. Geschäftsinhaber oder Geschäftsherr im Sinne der Art. 458 f. ist die Gesellschaft, nicht deren Verwaltungsrat oder das einzelne Mitglied der Verwaltung. Wird ein solches zum Prokuristen ernannt, so kann daher nicht gesagt werden, der Geschäftsinhaber habe sich zum eigenen Prokuristen gemacht. b) Fragen kann sich dagegen, ob das Mitglied der Verwaltung als Prokurist Vertreter der Gesellschaft sein könne, obschon es in seiner Eigenschaft als Mitglied eines Organs zugleich ihren Willen bilden hilft ( Art. 55 Abs. 1 ZGB ). Bei der Willensbildung der juristischen Person mitzuwirken und diese Dritten gegenüber zu vertreten, sind jedoch Vorgänge, die nicht auf verschiedene Personen aufgeteilt zu werden brauchen. Eine und dieselbe Person kann den Willen der Aktiengesellschaft bilden helfen und diese gegenüber Dritten vertreten. Das ergibt sich schon daraus, dass mindestens ein Mitglied der Verwaltung zur Vertretung der Gesellschaft befugt sein muss ( Art. 717 Abs. 1 Satz 2 OR ). Seine Zugehörigkeit zur Verwaltung steht somit jedenfalls dann, wenn es nicht Vertretungsmacht nach Art. 717 f. OR hat, der Prokura nicht im Wege. BGE 86 I 105 S. 109 Zum mindesten kann nicht gesagt werden, diese Auffassung sei so offensichtlich unhaltbar, dass die Handelsregisterbehörden die Eintragung eines Prokuristen wegen seiner Zugehörigkeit zum Verwaltungsrate ablehnen dürften. c) - Der Verfasser des angeführten Aufsatzes bringt ferner vor, es sei formalistisch, "im Falle einer juristischen Person gegenüber dem Prokuristen als Prinzipal die Gesellschaft als solche und nicht deren Verwaltung anzusehen". Praktisch werde der Prokurist fast immer von der Verwaltung, nur selten von der Generalversammlung ernannt ( Art. 721 Abs. 3 OR ). Stets sei er der Verwaltung verantwortlich. Diese habe ihn zu überwachen und könne ihn in seinen Funktionen einstellen ( Art. 726 OR ). Daraus folge, dass die Verwaltung dem Prokuristen gegenüber jedenfalls alle Rechte ausübe, die der Gesellschaft als Inhaberin des Geschäftes zukommen. Die Personalunion zwischen Verwaltungsrat und Prokurist widerspreche dem Willen des Gesetzgebers. Sie führe zu Unklarheiten hinsichtlich der Verantwortung. Es ist nicht zu ersehen, weshalb ein Mitglied des Verwaltungsrates neben den Pflichten, die es in dieser Eigenschaft hat, nicht auf Grund eines Dienstverhältnisses oder Auftrages auch Pflichten als Prokurist sollte übernehmen können mit der Folge, dass es dem Verwaltungsrate und allenfalls der Generalversammlung über ihre Erfüllung Rechenschaft abzulegen hätte und für ihre Verletzung zur Verantwortung gezogen werden könnte, unbeschadet der Verantwortung, die es daneben als Mitglied des Verwaltungsrates trägt. Darauf kommt aber für den Entscheid der Frage, ob die einem Mitglied des Verwaltungsrates erteilte Prokura in das Handesregister eingetragen werden könne, nichts an. Die Eintragung dient der Bekanntgabe der in der Prokura liegenden Vertretungsmacht. Sie hat zur Folge, dass der gutgläubige Dritte sich auf diese verlassen kann. Über das interne Rechtsverhältnis zwischen dem Prokuristen einerseits und der Gesellschaft oder ihrer BGE 86 I 105 S. 110 Verwaltung anderseits sagt die Eintragung der Prokura nichts aus. Es interessiert den Dritten nicht, und die Handelsregisterbehörden haben sich um dieses Rechtsverhältnis nicht zu kümmern, wenn sie um die Eintragung der Prokura ersucht werden. Es berührt sie z.B. nicht, ob der Dienstvertrag oder Auftrag zwischen dem Prokuristen und der Gesellschaft gültig sei oder von wann bis wann er dauere. Massgebend darf für sie nur sein, ob dem Einzutragenden gültig, vorbehaltlos und ohne zeitliche Beschränkung jene Vollmacht erteilt wurde, die das Gesetz als Prokura bezeichnet. Es besteht daher kein Grund, von dem in BGE 67 I 342 ff. veröffentlichten Entscheide abzuweichen, wonach die Zugehörigkeit des Prokuristen zum Verwaltungsrate jedenfalls dann, wenn er nicht schon als Mitglied dieses Organs zeichnungsberechtigt ist, der Eintragung der Prokura in das Handelsregister nicht im Wege steht. 3. Es frägt sich weiter, ob die Tatsache, dass Tanner in seiner Eigenschaft als Mitglied des Verwaltungsrates berechtigt und verpflichtet ist, gemeinsam mit dem zweiten Verwaltungsratsmitglied die Beschwerdeführerin zu vertreten, der Erteilung der Prokura an ihn im Wege steht. a) Gemäss Art. 717 OR bestimmen die Statuten oder ein von ihnen vorgesehenes Reglement, ob und wie die Vertretung der Aktiengesellschaft unter die Mitglieder des Verwaltungsrates zu verteilen sei (Abs. 1 Satz 1). Die Statuten oder das Reglement können die Generalversammlung oder die Verwaltung ermächtigen, die Vertretung an eine oder mehrere Personen, Mitglieder des Verwaltungsrates oder Dritte, die nicht Aktionäre zu sein brauchen. zu übertragen (Abs. 2). Das Gesetz lässt also der Aktiengesellschaft weitgehend Freiheit, ihre Vertretung zu ordnen, wie ihr beliebt. Es bestimmt nur, dass mindestens ein Mitglied der Verwaltung zur Vertretung der Gesellschaft befugt sein müsse (Abs. 1 Satz 2) und dass in Ermangelung abweichender Anordnungen der Statuten, BGE 86 I 105 S. 111 des Reglementes, der Generalversammlung oder des Verwaltungsrates die Vertretung allen Mitgliedern der Verwaltung gemeinsam zustehe (Abs. 3). Dass kollektiv zeichnungsberechtigten Mitgliedern der Verwaltung nicht Einzelprokura erteilt werden könne, drängt sich nach dem Wortlaut und dem Sinn dieser Norm nicht auf. Auch der Begriff der Prokura, wie ihn Art. 458 OR umschreibt, führt nicht zu diesem Ergebnis. Prokurist ist, wer vom Inhaber eines Gewerbes oder Geschäftes ermächtigt wird, dieses für ihn zu betreiben und "per procura" die Firma zu zeichnen. Das heisst nicht, dass Prokurist nur sein könne, wer nicht schon eine andere Vertretungsmacht hat. b) Die Auffassung des eidgenössischen Amtes findet auch keine Stütze in den Bestimmungen über den Umfang der Vertretungsmacht. Die Vertreter der Aktiengesellschaft sind ermächtigt, im Namen der Gesellschaft alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die der Zweck der Gesellschaft mit sich bringen kann ( Art. 718 Abs. 1 OR ). Ihre Vertretungsbefugnis kann auf die Rechtshandlungen der Hauptniederlassung oder einer Zweigniederlassung oder durch Bestimmungen über die gemeinsame Führung der Firma beschränkt werden. Wenn diese Beschränkungen in das Handelsregister eingetragen werden, wirrken sie auch gegenüber Dritten, mögen diese sie gekannt haben oder nicht. Andere Beschränkungen sind gegenüber gutgläubigen Dritten nicht wirksam ( Art. 718 Abs. 2 OR ). Der Prokurist dagegen gilt gutgläubigen Dritten gegenüber als ermächtigt, den Geschäftsherrn durch Wechsel-Zeichnungen zu verpflichten und in dessen Namen alle Arten von Rechtshandlungen vorzunehmen, die der Zweck des Gewerbes oder Geschäftes des Geschäftsherrn mit sich bringen kann. Zur Veräusserung und Belastung von Grundstücken ist er nur ermächtigt, wenn ihm diese Befugnis ausdrücklich erteilt worden ist (Art. 459). Der Vertreter der Aktiengesellschaft einerseits und der Prokurist anderseits haben also nicht die BGE 86 I 105 S. 112 gleiche Vertretungsmacht. Auch kann nicht gesagt werden, dass jener notwendigerweise auch ermächtigt sei, die dem Prokuristen zustehenden Rechtshandlungen vorzunehmen, so dass die Erteilung der Prokura an den Vertreter einer Aktiengesellschaft sinnlos wäre. Wenn die Vertreter der Aktiengesellschaft nur gemeinsam zeichnungsberechtigt sind, kann ein praktisches Bedürfnis bestehen, einzelnen von ihnen Prokura zu erteilen, damit sie von der dem Prokuristen zustehenden sachlich beschränkteren Vertretungsmacht ohne Mitwirkung der anderen Gebrauch machen können. c) Dem kann nicht entgegengehalten werden, Art. 718 Abs. 2 OR sage abschliessend, auf welche Weise die Vertretungsbefugnis der Gesellschaftsorgane im Verhältnis zu Dritten beschränkt werden könne, daher lasse sie sich nicht auf bestimmte Arten von Rechtsgeschäften einengen oder in der Weise regeln, dass ein und derselbe Vertreter bald allein, bald nur gemeinsam mit einem andern zeichnen könne. Die Vertretungsmacht wird weder im einen noch im anderen Sinne dem Gesetze zuwider aufgeteilt, wenn einem gemeinsam zeichnungsberechtigten Vertreter der Gesellschaft ausserdem Einzelprokura erteilt wird, sondern es wird die in Art. 718 Abs. 1 umschriebene und nach Art. 718 Abs. 2 zulässigerweise beschränkte Befugnis mit der in Art. 459 vorgesehenen verbunden, weil weder die eine noch die andere allein den Anforderungen des Geschäftsverkehrs genügt. d) Das eidgenössische Amt hält es für "absolut unsinnig", dass ein Mitglied des Verwaltungsrates in Verbindung mit einem andern Mitglied dieses Organs sich selbst zum Prokuristen bestelle. Dass dieses Vorgehen praktisch vernünftig ist, ergibt sich aus dem bereits Gesagten. Es widerspricht aber auch nicht offensichtlich dem Recht. Indem ein Mitglied des Verwaltungsrates sich einverstanden erklärt, dass das andere Prokura erhalte, stimmt es allgemein allen jenen Rechtshandlungen zu, die ein Prokurist nach dem Gesetz BGE 86 I 105 S. 113 vornehmen kann. Es ist nicht zu ersehen, weshalb es das nur sollte tun können, wenn der Prokurist ein Dritter ist, nicht auch, wenn er dem Verwaltungsrate angehört und mit dem andern gemeinsam die Unterschrift führt. Es kann nicht gesagt werden, das die Prokura erhaltende Mitglied ermächtige sich selber. Es lässt sich vom andern ermächtigen und tut damit nichts grundsätzlich anderes, als wenn es sich dessen Einverständnis zu den Rechtshandlungen von Fall zu Fall verschafft. e) Das eidgenössische Amt legt der Beschwerdeführerin nahe, Tanner als Verwaltungsrat kollektiv zeichnen zu lassen und daneben für bestimmte Geschäfte eine nicht in das Handelsregister einzutragende Einzel-Handlungsvollmacht zu erteilen. Damit anerkennt es das praktische Bedürfnis nach einer Ergänzung der kollektiven Vertretungsbefugnis, die dem Geschäftsführer in seiner Eigenschaft als Mitglied des Verwaltungsrates zusteht. Ein einleuchtender Grund dafür, warum die zusätzliche Vertretungsbefugnis nicht Prokura sein und nicht im Handelsregister bekanntgegeben werden dürfte, ist nicht zu ersehen. Weder das öffentliche Interesse, noch der Grundsatz, dass die Eintragungen in das Handelsregister wahr sein müssen und zu keinen Täuschungen Anlass geben dürfen ( Art. 38 Abs. 1 HRegV ), verbieten die Eintragung. Niemand kann durch sie irregeführt werden, denn aus dem Handelsregister ist nichts anderes zu ersehen, als was wirklich gilt, nämlich einerseits die kollektive Vertretungsmacht gemäss Art. 717 f. und anderseits die Prokura gemäss Art. 458 f. OR. Verwirrung kann nicht wegen der Eintragung in das Handelsregister, sondern höchstens trotz derselben entstehen, nämlich für jemanden, der nicht zwischen der Vertretungsmacht der Gesellschaftsorgane und jener des Prokuristen zu unterscheiden weiss. Da der Prokurist der Firma einen die Prokura andeutenden Zusatz beizufügen hat ( Art. 458 Abs. 1 OR , Art. 26 Abs. 3 HRegV ), kann immer unterschieden werden, ob er die Gesellschaft auf Grund der Prokura oder als Mitglied des Verwaltungsrates BGE 86 I 105 S. 114 vertritt. Dritte können sich also überlegen, ob die Rechtshandlung im Rahmen der Vertretungsbefugnis, sei es als Prokurist, sei es als Mitglied des Verwaltungsrates, bleibt. Die Einwendung, dass sie den einen oder anderen der beiden Einträge im Handelsregister nicht gekannt haben, ist ausgeschlossen ( Art. 933 Abs. 1 OR ). Sie können nicht geschädigt werden, weil der Handelsregistereintrag Unklarheit schaffen würde, sondern höchstens wenn und weil sie aus den im Register klar zum Ausdruck gebrachten Verhältnissen nicht die gebotenen Schlüsse ziehen. Es steht den Handelsregisterbehörden nicht zu, sie durch Verweigerung einer Eintragung, die dem materiellen Zivilrecht nicht offensichtlich widerspricht, vor solchen Denkfehlern zu schützen. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: 1.- Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Eidgenössischen Amtes für das Handelsregister vom 4. Juli 1959 aufgehoben. 2.- Das Eidgenössische Amt für das Handelsregister ist gehalten, die nachgesuchte Eintragung zu genehmigen.
public_law
nan
de
1,960
CH_BGE
CH_BGE_001
CH
Federation
0853cf2b-4123-4a18-9934-8560a6a77e4a
Urteilskopf 105 Ia 193 39. Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 10. Juli 1979 i.S. Z. und Mitbeteiligte gegen X. AG und Obergericht des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Art. 4 BV ; rechtliches Gehör. Allgemeine Voraussetzungen des aus Art. 4 BV folgenden Minimalanspruches auf rechtliches Gehör.
Sachverhalt ab Seite 193 BGE 105 Ia 193 S. 193 § 65 des zürcherischen Gerichtsverfassungsgesetzes vom 13. Juni 1976 (im folgenden: GVG) lautet: Wenn mehrere Personen gemeinsam klagen wollen oder gemeinsam eingeklagt werden sollen und das Handelsgericht nur für einzelne von ihnen zuständig ist, so bestimmt das Obergericht auf Antrag eines Klägers, ob das Handelsgericht oder das Bezirksgericht für sämtliche Streitgenossen zuständig ist. Die X. AG (in Nachlassliquidation) führt gegen die Y. AG, welche bei der X. AG als Kontrollstelle gewirkt hatte, sowie gegen vier Verwaltungsräte (Z. und Konsorten) einen Verantwortlichkeitsprozess. Für die Y. AG wäre nach § 62 GVG das Handelsgericht, für die vier Verwaltungsräte das Bezirksgericht sachlich zuständig. Gestützt auf § 65 GVG stellte die X. AG am 7. November 1978 beim Obergericht des Kantons Zürich das Gesuch, das Handelsgericht sei für sämtliche Streitgenossen als zuständig zu erklären. Das Obergericht bewilligte das Gesuch mit Beschluss vom 13. November, ohne den Beklagten Gelegenheit zu vorgängiger Stellungnahme einzuräumen. BGE 105 Ia 193 S. 194 Die beklagten Verwaltungsräte führten fristgerecht Nichtigkeitsbeschwerde an das Kassationsgericht des Kantons Zürich sowie staatsrechtliche Beschwerde wegen Verweigerung des rechtlichen Gehörs. Das staatsrechtliche Beschwerdeverfahren wurde mit Präsidialverfügung vom 3. Januar 1979 bis zum Entscheid des Kassationsgericht sistiert. Mit Entscheid vom 22. Januar 1979 ist das Kassationsgericht des Kantons Zürich nicht auf die Nichtigkeitsbeschwerde eingetreten. Es erwog, der streitige Beschluss betreffe eine Justizverwaltungssache. Die Nichtigkeitsbeschwerde sei daher ausgeschlossen. Dieser Entscheid blieb unangefochten. Das Bundesgericht hat mit Verfügung vom 12. Februar 1979 das staatsrechtliche Beschwerdeverfahren wieder aufgenommen. Die Beschwerdegegnerin schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Gemäss Art. 87 OG ist die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV erst gegen letztinstanzliche Endentscheide zulässig, gegen letztinstanzliche Zwischenentscheide nur, wenn sie für den Betroffenen einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil zur Folge haben. Ob der angefochtene Entscheid ein End- oder ein Zwischenentscheid ist, kann offen bleiben. Nach der Bundesgerichtspraxis können insbesondere Entscheide über Ablehnungsbegehren oder über die örtliche und sachliche Zuständigkeit von Gerichtsbehörden ungeachtet der Frage, ob ein nicht wieder gutzumachender Nachteil vorliegt, aus prozessökonomischen Gründen selbständig mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden ( BGE 97 I 213 E. 1a mit Verweisungen; BGE 87 I 177 ; BGE 69 I 17 ; vgl. LUDWIG, Endentscheid, Zwischenentscheid und Letztinstanzlichkeit im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren, ZBJV 1974 S. 184 f; MARTI, Die staatsrechtliche Beschwerde, 4. Auflage, 1979, N. 162). Auf die Beschwerde ist daher einzutreten. 2. Der Anspruch auf rechtliches Gehör wird zunächst grundsätzlich von den kantonalen Verfahrensvorschriften umschrieben; erst wo sich dieser Rechtsschutz als ungenügend erweist, greifen die unmittelbar aus Art. 4 BV fliessenden bundesrechtlichen Minimalgarantien Platz. Während das Bundesgericht die Auslegung und Anwendung des kantonalen Rechts grundsätzlich nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel der BGE 105 Ia 193 S. 195 Willkür prüft, untersucht es frei, ob der bundesrechtliche Gehörsanspruch gewahrt ist ( BGE 101 Ia 303 E. 4). a) § 65 GVG gibt der Gegenpartei keinen Anspruch auf Anhörung vor Erlass der Verfügung des Obergerichts. Ein allfälliger Gehörsanspruch kann sich jedenfalls nicht auf diese Bestimmung stützen. Dass eine abweichende Praxis besteht, behaupten die Beschwerdeführer nicht. Es ist daher einzig zu prüfen, ob durch den angefochtenen Entscheid der aus Art. 4 BV fliessende Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden ist. b) Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung besitzen die Parteien in Zivil- und Strafsachen einen unbedingten Anspruch, vor Erlass eines Entscheides, der sie belastet oder belasten könnte, angehört zu werden ( BGE 101 Ia 296 E. 1d mit Verweisungen; BGE 96 I 323 E. 2b; BGE 94 I 109 ). Im Verwaltungsverfahren ist dieser Anspruch dagegen nach der Praxis nicht in so umfassender Weise garantiert, sondern nur dann, wenn der Betroffene durch den Entscheid beschwert werden könnte, das öffentliche Interesse keine sofortige Entscheidung verlangt und die einmal getroffene Massnahme weder mit einem ordentlichen, die freie Überprüfung gestattenden Rechtsmittel angefochten noch von der verfügenden Behörde selbst uneingeschränkt in Wiedererwägung gezogen werden kann ( BGE 99 Ia 46 E. 3b, BGE 98 Ia 8 E. 2c; GRISEL, Droit administratif suisse, S. 179 ff.; REINHARDT, Das rechtliche Gehör in Verwaltungssachen, Zürich 1968, S. 69 ff.; 102 ff., 115 ff.). aa) Nach der unangefochten gebliebenen Auffassung des Kassationsgerichts betrifft der Entscheid des Obergerichts eine Angelegenheit der Justizverwaltung, nicht der Gerichtsbarkeit. Das Kassationsgericht erachtet die gerichtliche Bestimmung der sachlichen Zuständigkeit als Parallelfall zur Festsetzung des Gerichtsstandes durch das Obergericht gemäss § 14 ZPO (ähnlich: WALDER, Der neue zürcherische Zivilprozess, Zürich 1977, S. 73 N. 144 und 99 N. 46). Seine Ausführungen über die Natur des Entscheides gemäss § 65 GVG sind indessen - wie zu zeigen sein wird - nicht entscheidend für die Frage, ob nach der bundesrechtlichen Minimalgarantie des rechtlichen Gehörs ein Anspruch der Gegenpartei auf Anhörung besteht, bevor das Obergericht die sachlich zuständige Gerichtsbehörde bestimmt. bb) Es fragt sich nämlich, ob es im Lichte des aus Art. 4 BV BGE 105 Ia 193 S. 196 folgenden Minimalanspruches noch sinnvoll ist, streng zwischen Zivil- und Strafprozessen einerseits, verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten anderseits zu unterscheiden. Das Bundesgericht hat nie einlässlich umschrieben, was es unter der "unbedingten" Geltung des Gehörsanspruches in Zivil- und Strafsachen versteht. Zudem hat es diesen Anspruch für das summarische Verfahren empfindlich eingeschränkt mit der Begründung, dass sich der Richter hier mit blosser Glaubhaftmachung begnügen könne und deshalb bei der Sachverhaltsermittlung davon absehen dürfe, die Parteien beizuziehen, wenn es aus irgend einem Grunde, etwa wegen Dringlichkeit, nicht tunlich sei ( BGE 88 I 201 = Pra 1963, S. 73; vgl. die Kritik bei TINNER, Das rechtliche Gehör, ZSR 83 II 370 ff.). Überdies lässt sich mit guten Gründen die Frage aufwerfen, ob wirklich alle Verfügungen, welche im Laufe eines Zivil- oder Strafverfahrens ergehen können, unterschiedslos die vorgängige Anhörung der Parteien erheischen (vgl. GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, Zürich 1979, 3. Auflage, S. 176). Im Verwaltungsverfahren hat das Bundesgericht andererseits den Anspruch auf rechtliches Gehör zunächst grundsätzlich verneint und ihn nur in einzelnen, nach und nach erweiterten Sachgebieten zugelassen (vgl. die Nachweise bei TINNER, a.a.O., S. 366 ff.). Heute ist er dem Grundsatze nach allgemein anerkannt. Die Einschränkungen, welche er nach der Praxis im Verwaltungsverfahren erfährt, werden durch das Bundesgericht vor allem mit der ungleichen Stellung der entscheidenden Behörde begründet; im Verwaltungsverfahren habe diese nicht bloss auf Grund von Parteibehauptungen und im Rahmen gestellter Begehren zu entscheiden, sondern von Amtes wegen über die richtige Anwendung des Gesetzes zu befinden ( BGE 99 Ia 46 E. 3b). Diese Erwägung ist diskutabel. Einerseits hat auch der Strafrichter nach der materiellen Wahrheit zu forschen, andererseits treffen die Ausführungen über die Stellung der Verwaltungsbehörde für Verwaltungsgerichtsinstanzen nicht in gleicher Weise zu. Gesamthaft ist die Tendenz der Rechtsprechung offensichtlich, die einzelnen Verfahrensarten hinsichtlich des Anspruches auf rechtliches Gehör einander anzunähern. Es rechtfertigt sich daher heute nicht mehr, für die Umschreibung des aus Art. 4 BV folgenden Minimalanspruches strikte zwischen Zivil- und Strafverfahren einerseits, verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten andererseits zu unterscheiden. BGE 105 Ia 193 S. 197 cc) Für die Beurteilung des vorliegenden Falles ist vielmehr von der konkreten Interessenlage auszugehen. Der Gehörsanspruch ist einerseits ein Mittel der Sachaufklärung, andererseits ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht des Verfahrensbeteiligten beim Erlass von Verfügungen, welche seine Rechtsstellung berühren (IMBODEN/RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 5. Auflage, Basel 1976, Nr. 81 B I). Das Bedürfnis, angehört zu werden, ist dort besonders intensiv und daher unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten schutzwürdig, wo die Gefahr besteht, dass jemand durch einen staatlichen Hoheitsakt beschwert werden könnte (TINNER, a.a.O., S. 331; REINHARDT, a.a.O., S. 70). Besteht diese Gefahr nicht, so ist auch das Interesse, vor Erlass einer Verfügung angehört zu werden, nicht erheblich. Weitere Schranken des Gehörsanspruches können in der besonderen Dringlichkeit einer bestimmten Verfügung (vgl. BGE 88 I 201 f.; IMBODEN/RHINOW, a.a.O., Nr. 81 B III; REINHARDT, a.a.O., S. 102 ff., 113 f.) oder im Umstand liegen, dass der Betroffene bei vorgängiger Anhörung den Zweck einer im öffentlichen Interesse liegenden Massnahme vereiteln könnte (vgl. TINNER, a.a.O., S. 382 f.) Zu berücksichtigen ist endlich, ob der Hoheitsakt frei in Wiedererwägung gezogen oder mit einem die volle Überprüfung gestattenden Rechtsmittel angefochten werden kann (vgl. BGE 98 Ia 8 E. 2c; TINNER, a.a.O., S. 396 f; kritisch: REINHARDT, a.a.O., S. 115 ff., 137 f.). Der Umstand, dass eine solche Möglichkeit besteht, rechtfertigt es indessen nicht schlechthin, auf die Anhörung des Betroffenen vor Erlass einer Verfügung zu verzichten. Die nachträgliche Gewährung des rechtlichen Gehörs bildet häufig nur einen unvollkommenen Ersatz für eine unterlassene vorgängige Anhörung (vgl. IMBODEN/RHINOW, a.a.O., Nr. 87 B III; IMBODEN, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 3. Auflage, Basel 1969, Bd. II Nr. 616 III). Ob ein Bürger vor Erlass einer bestimmten Anordnung angehört werden muss, ist demnach, soweit keine besonderen gesetzlichen Regeln bestehen, im Einzelfall oder für bestimmte Fallgruppen in Abwägung der oben entwickelten Gesichtspunkte zu entscheiden (vgl. TINNER, a.a.O., S. 377 ff.). 3. Der angefochtene Entscheid, mit dem das Handelsgericht für den Verantwortlichkeitsprozess als zuständig erklärt wurde, ist eine grundlegende prozessleitende Verfügung. Gegen diesen Entscheid ist nach zürcherischem Recht kein Rechtsmittel BGE 105 Ia 193 S. 198 vorgesehen, und er kann seiner Natur nach auch kaum in Wiedererwägung gezogen werden, wenn das Verfahren einmal aufgenommen worden ist. Darin allein liegt schon ein Indiz für ein erhöhtes Schutzbedürfnis der betroffenen Partei. 4. Für die Beurteilung der Klagen gegen die Beschwerdeführer wären im Hauptprozess die ordentlichen Gerichte zuständig gewesen. Der angefochtene Entscheid, mit welchem das Handelsgericht als zuständig erklärt worden ist, bewirkt, dass den Beschwerdeführern im hängigen Prozess nur eine Gerichtsinstanz mit tatsächlicher und rechtlicher Kognition zur Verfügung steht; wäre das Bezirksgericht als zuständig bezeichnet worden, so hätte ihnen gegen das bezirksgerichtliche Urteil die Berufung an das Obergericht offen gestanden, welchem ebenfalls freie Tatsachen- und Rechtskontrolle zukommt. a) Die Gerichtsorganisation steht in der Zuständigkeit der Kantone (Art. 64 Abs. 3 und 64bis Abs. 3 BV). Diese sind von Bundes wegen nicht dazu verpflichtet, den gerichtlichen Instanzenzug in einer bestimmten Weise zu konzipieren, insbesondere eine bestimmte Anzahl von funktionell einander über- und untergeordneten Gerichtsbehörden zu schaffen (vgl. STRÄULI/MESSMER, a.a.O., N. 1 und 2 zu § 17 ZPO ; BURCKHARDT, Kommentar der schweizerischen Bundesverfassung, 3. Auflage, Bern 1931, zu Art. 58, S. 533). So haben verschiedene Kantone (z.B. Zürich, Bern, St. Gallen) für handelsrechtliche Streitigkeiten Handelsgerichte geschaffen, in welchen der Beizug wirtschaftlich sachverständiger Personen eine rasche und fachkundige Beurteilung solcher Fälle gewährleisten soll. Dem Nachteil des Verlustes einer Instanz stehen somit gewichtige Vorteile gegenüber. Dies ist namentlich bei Streitigkeiten wie der hier in Frage stehenden aktienrechtlichen Verantwortlichkeitsklage der Fall. Die verschiedenen gesetzlich vorgesehenen Verfahrensarten können daher grundsätzlich als gleichwertig gelten. b) Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist formeller Natur. Er besteht, wenn seine Voraussetzungen gegeben sind, unabhängig davon, ob die ergangene Verfügung in der Sache als haltbar erscheint oder nicht ( BGE 103 Ia 140 mit Verweisungen). Zweifellos besteht gerade für Prozesse von der Art der zwischen den Parteien hängigen Verantwortlichkeitsklage ein erhebliches Interesse an Erledigung in ein und demselben Verfahren. BGE 105 Ia 193 S. 199 Aber selbst wenn die verschiedenen Verfahrensarten grundsätzlich als gleichwertig zu gelten haben, bleibt zu prüfen, ob für die Beschwerdeführer nicht die Möglichkeit einer Beschwer besteht. § 65 GVG ist dem § 14 ZPO nachgebildet, welcher einen analogen Entscheid des Obergerichts über den Gerichtsstand vorsieht, wenn mehrere Personen beklagt werden, für die nicht dasselbe ordentliche Gericht örtlich zuständig wäre. Auch dort ist keine Vernehmlassung vorgeschrieben und nach der Praxis offenbar auch nicht üblich (STRÄULI/MESSMER, N. 4 zu § 14 ZPO ). Ob diese Praxis zu § 14 ZPO vor Art. 4 BV standhält, kann hier offen bleiben. Dagegen fragt sich, ob sie vorbehaltlos auf den Entscheid über die sachliche Zuständigkeit gemäss § 65 GVG übertragen werden kann, denn anders als bei § 14 ZPO hat dieser Entscheid Unterschiede im Instanzenzug zur Folge. Aus den Vorschriften über die sachliche Zuständigkeit des Handelsgerichts ( § § 61 ff. GVG ) ergibt sich, dass natürliche Personen, welche nicht als Firma im schweizerischen oder in einem ausländischen Handelsregister eingetragen sind oder an ihrem ausländischen Wohnort als selbständige Kaufleute gelten, ohne ihre Zustimmung nur dann, wenn es vom Gesetz zwingend vorgesehen ist ( § 61 GVG ), als Beklagte vor Handelsgericht belangt werden können ( § § 62 und 63 GVG ). Die einzige Ausnahme von dieser Regel bildet § 65 GVG . Im Gegensatz zu § 61 GVG ist hier die Zuständigkeit des Handelsgerichts aber nicht in generell-abstrakter Weise zwingend angeordnet, sondern das Obergericht hat im Einzelfall nach freiem Ermessen darüber zu entscheiden. Der Entscheid richtet sich nach den Ausführungen des Kassationsgerichts nach Zweckmässigkeitskriterien. Der Verlust einer Instanz mit freier Beweiswürdigung führt zu einer wesentlichen Straffung des Verfahrens. Nicht die Durchsetzung des materiellen Rechts an sich ist erschwert, wohl aber wird die Dauer des Prozesses verkürzt, und die Anforderungen an die Sorgfalt der Parteien werden erhöht. Einer Partei mag die Konzentration des Verfahrens auf eine Instanz mit Tatsachenkognition als Vorteil erscheinen, während einer anderen, beispielsweise einer prozessungewohnten Person, die Möglichkeit der Berufung an eine weitere Tatsacheninstanz willkommen wäre. Vorteile und Nachteile der beiden BGE 105 Ia 193 S. 200 Verfahren liegen auf verschiedenen Ebenen. Es sind daher unterschiedliche Betrachtungsweisen und Bewertungen möglich. Auch im zu beurteilenden Fall ist es durchaus möglich, dass die Beschwerdeführer oder einzelne von ihnen erhebliche Gründe hätten vorbringen können, welche bei Abwägung aller Umstände dafür gesprochen hätten, entweder das ganze Verfahren den ordentlichen Gerichten zuzuteilen oder aber die Prozesse gegen die Verwaltungsräte und die Kontrollstelle getrennt durchführen zu lassen (wobei dann immer noch die Möglichkeit offen bliebe, das eine Verfahren bis zum Abschluss des anderen zu sistieren). Dies gilt umso mehr, als der Streitwert des Verantwortlichkeitsprozesses ausserordentlich hoch ist. Da die Möglichkeit einer Beschwer demnach nicht schlechthin von der Hand zu weisen ist, und da zudem der Entscheid über die sachliche Zuständigkeit allein im Ermessen des Obergerichts steht, nicht appellabel ist und eine Wiedererwägung als praktisch ausgeschlossen gelten muss, hatten die Beschwerdeführer nach Art. 4 BV Anspruch darauf, vorgängig angehört zu werden. Die Beschwerde ist daher gutzuheissen und der angefochtene Entscheid aufzuheben. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird gutgeheissen, und der Entscheid des Obergerichtes des Kantons Zürich (II. Zivilkammer) vom 13. November 1978 wird aufgehoben.
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nan
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1,979
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CH_BGE_002
CH
Federation
085b6f45-b933-4abb-8bc9-6b455b63f354
Urteilskopf 124 V 324 54. Auszug aus dem Urteil vom 4. Dezember 1998 i.S. IV-Stelle des Kantons St. Gallen gegen S. und Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen
Regeste Art. 85 Abs. 1 IVV in Verbindung mit Art. 77 AHVV . Art. 77 AHVV räumt dem Versicherten einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf Korrektur einer formell rechtskräftigen Verfügung ein, welcher indessen nicht auf eine generelle Wiedererwägung der Verwaltungsverfügung abzielt, sondern dem Versicherten lediglich die - rechnerische - Berichtigung einer formell rechtskräftigen Rentenverfügung ermöglicht, ohne dass die Verwaltung an die spezifischen Voraussetzungen von Revision oder Wiedererwägung gebunden ist.
Erwägungen ab Seite 325 BGE 124 V 324 S. 325 Aus den Erwägungen: 2. a) Gemäss Art. 85 Abs. 1 IVV ist Art. 77 AHVV unter anderem für die Nachzahlung von Renten - unter Berücksichtigung der Verjährungsbestimmungen - sinngemäss anwendbar. Danach kann, wer eine ihm zustehende Rente nicht bezogen oder eine niedrigere Rente erhalten hat, als er zu beziehen berechtigt war, den ihm zustehenden Betrag von der Ausgleichskasse nachfordern (Art. 77 erster Satz AHVV). Das Eidg. Versicherungsgericht hat in BGE 119 V 180 ohne nähere Begründung die Frage offengelassen, ob diese Bestimmung dem Versicherten ganz allgemein Anspruch auf "Wiedererwägung" einer Verwaltungsverfügung einräumt. b) Das kantonale Gericht hat eine rechnerische Berichtigung der rechtskräftigen Rentenverfügung unter Hinweis auf ein in SVR 1996 IV Nr. 69 S. 201 publiziertes Urteil bejaht. In jenem Entscheid hatte die Rekurskommission für Sozialversicherung des Kantons Obwalden ausgeführt, bei Art. 77 AHVV handle es sich nicht um eine Kann-Vorschrift. Vielmehr verpflichte diese Bestimmung die Ausgleichskasse, zu niedrig ausbezahlte Renten im Rahmen der Bestimmungen über die Anspruchsverwaltung nachzuzahlen. In diesem Sinne räume sie dem Versicherten einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf Berichtigung einer rechtskräftigen Verfügung ein. Die Rechtsprechung bezüglich Wiedererwägung formell rechtskräftiger Verfügungen könne demgegenüber nur in Ermangelung eines gesetzlich geregelten Anspruchs zum Zuge kommen. Ein solcher Anspruch auf Wiedererwägung ergebe sich nun aber gerade aus Art. 77 AHVV . Diese Bestimmung setze keine zweifellose Unrichtigkeit des Rechtszustandes im Zeitpunkt des Verfügungserlasses voraus, sondern mache eine Nachzahlung lediglich davon abhängig, dass niedrigere Leistungen erbracht wurden, als der Versicherte eigentlich zu beziehen berechtigt gewesen wäre. Die Vorinstanz schloss daraus, Art. 77 AHVV setze nicht den klassischen Tatbestand der Wiedererwägung voraus, sondern räume dem Versicherten nur einen Anspruch auf eine rein rechnerische Berichtigung einer formell rechtskräftigen Verfügung ein, was eine Überprüfung des Invaliditätsgrades zum vornherein ausschliesse. c) Dieser Betrachtungsweise ist beizupflichten. Gemäss dem Wortlaut von Art. 77 AHVV bezieht sich dessen Anwendungsbereich nicht nur auf Fälle, in denen die Verwaltung mangels Antrag noch gar nicht verfügt hat ("eine ihm zustehende Rente nicht bezogen"), sondern sie verpflichtet die BGE 124 V 324 S. 326 Ausgleichskasse zudem, gestützt auf eine bereits ergangene Verfügung zu niedrig ausbezahlte Renten im Rahmen der Bestimmungen über die Anspruchsverwirkung nachzuzahlen. Dem Versicherten wird somit unter den Voraussetzungen von Art. 77 AHVV ein gerichtlich durchsetzbarer Anspruch auf Korrektur einer formell rechtskräftigen Verfügung eingeräumt (vgl. auch RUMO-JUNGO, Die Instrumente zur Korrektur der Sozialversicherungsverfügung, in: Verfahrensfragen in der Sozialversicherung, St. Gallen 1996, S. 287 Fn. 85). Dieser zielt indessen nicht auf eine generelle Wiedererwägung der Verwaltungsverfügung ab, sondern ermöglicht dem Versicherten lediglich die - rechnerische - Berichtigung einer formell rechtskräftigen Rentenverfügung, ohne dass die Verwaltung an die spezifischen Voraussetzungen von Revision oder Wiedererwägung gebunden ist. Die Verwaltung kann sich in diesen Fällen nicht darauf beschränken, auf ein entsprechendes Gesuch mit der Begründung nicht einzutreten, es bestehe kein gerichtlich durchsetzbarer Anspruch auf Korrektur einer unrichtig berechneten Invalidenrente. Verfügungen, mit welchen auf ein Nachforderungsgesuch im Sinne von Art. 77 AHVV nicht eingetreten wird oder welche ein solches Gesuch ablehnen, sind beschwerdeweise anfechtbar.
null
nan
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1,998
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CH_BGE_007
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Federation
085f6f40-6de1-4c08-98ae-2ce79fa8d994
Urteilskopf 117 V 244 31. Auszug aus dem Urteil vom 26. August 1991 i.S. G. gegen Kantonales Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit, Bern, und Verwaltungsgericht des Kantons Bern
Regeste Art. 28 Abs. 1 und 3 AVIG , Art. 42 Abs. 1 und 2 AVIV . Art. 42 Abs. 1 AVIV ist gesetzmässig. Die einwöchige Frist zur Meldung der Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit, Unfall oder Mutterschaft ist eine Verwirkungsfrist mit der Folge, dass der Arbeitslose bei verspäteter Meldung - sofern dafür kein entschuldbarer Grund vorliegt - keinen Taggeldanspruch für die Tage vor der Meldung hat.
Erwägungen ab Seite 244 BGE 117 V 244 S. 244 Aus den Erwägungen: 2. Gemäss Art. 28 AVIG haben Arbeitslose, die wegen Krankheit, Unfall oder Mutterschaft vorübergehend nicht oder nur vermindert arbeits- und vermittlungsfähig sind und deshalb die Kontrollvorschriften nicht erfüllen können, sofern sie die übrigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllen, Anspruch auf das volle Taggeld. Der Anspruch beginnt jedoch erst nach einer Wartezeit von einer Woche, ausgenommen wenn die Arbeitsunfähigkeit durch Mutterschaft oder Unfall bedingt ist oder der Arbeitslose sich zur Behandlung in einer Heilanstalt befindet. Er dauert höchstens bis zum 30. Tage nach Beginn der ganzen oder teilweisen BGE 117 V 244 S. 245 Arbeitsunfähigkeit und ist innerhalb der Rahmenfrist auf 34 Taggelder beschränkt (Abs. 1). Der Bundesrat bestimmt die Einzelheiten; er regelt insbesondere die Frist für die Geltendmachung des Anspruchs und die Folgen einer verspäteten Geltendmachung (Abs. 3). Der Bundesrat hat von dieser Befugnis Gebrauch gemacht und in Art. 42 AVIV folgende Regelung getroffen: "Arbeitslose, die wegen Krankheit, Unfall oder Mutterschaft vorübergehend nicht oder nur vermindert arbeits- und vermittlungsfähig sind und ihren Taggeldanspruch geltend machen wollen, müssen ihre Arbeitsunfähigkeit innert einer Woche seit deren Beginn dem Arbeitsamt melden. Der Versicherte kann die Meldung telefonisch oder durch eine Drittperson erstatten, wenn er wegen seines Zustandes nicht in der Lage ist, sich persönlich beim Arbeitsamt zu melden (Abs. 1). Meldet der Versicherte seine Arbeitsunfähigkeit ohne entschuldbaren Grund zu spät, so hat er keinen Taggeldanspruch für die Tage vor der Meldung (Abs. 2)." 3. a) Die Gesetzgebung über die Arbeitslosenversicherung enthält verschiedenenorts Fristenregelungen, deren Befolgung für die Wahrung der einzelnen Leistungsansprüche von erheblicher Bedeutung ist. Zu unterscheiden sind dabei einerseits die zeitliche Limitierung für die Meldung von Arbeitsausfällen und andererseits diejenige für die Geltendmachung der Entschädigungsansprüche. So muss sich beispielsweise der Versicherte am ersten Tag, für den er Arbeitslosenentschädigung beanspruchen will, persönlich beim Arbeitsamt seines Wohnortes zur Arbeitsvermittlung melden; ab diesem Zeitpunkt hat er auch die Kontrollvorschriften des Bundesrates zu befolgen und sich damit namentlich der Stempelkontrolle zu unterziehen ( Art. 17 Abs. 2 AVIG in Verbindung mit Art. 18 ff. AVIV ). Der Arbeitgeber anderseits, der für seine Angestellten Kurzarbeitsentschädigung verlangt, muss mindestens 10 Tage vor der Arbeitszeitverkürzung eine schriftliche Voranmeldung einreichen ( Art. 36 Abs. 1 AVIG ). Zur Wahrung des Anspruches auf Schlechtwetterentschädigung hat er witterungsbedingte Arbeitsausfälle unverzüglich zu melden und diese Mitteilung bei längerem Andauern wöchentlich zu erneuern ( Art. 45 AVIG ; Art. 69 AVIV ). Die Geltendmachung der Arbeitslosenentschädigung schliesslich hat innert 3 Monaten nach dem Ende der Kontrollperiode, auf die sich der Anspruch bezieht, zu erfolgen (Art. 20 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 18 Abs. 2 AVIG ; Art. 29 AVIV ). Der unbenützte Ablauf dieser Frist führt zum Erlöschen des Anspruchs ( Art. 20 Abs. 3 AVIG ). Die gleiche Regelung gilt auch für den Arbeitgeber hinsichtlich der Geltendmachung BGE 117 V 244 S. 246 von Kurzarbeits- und Schlechtwetterentschädigung (Art. 38 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 39 Abs. 3 AVIG und Art. 47 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 48 Abs. 3 AVIG ). b) Sowohl bei den Meldefristen als auch bei den Fristen für die Geltendmachung der Versicherungsleistungen handelt es sich nach der Rechtsprechung um Verwirkungsfristen, deren Nichtwahrung das Erlöschen des Anspruches zur Folge hat ( BGE 114 V 123 mit zahlreichen Hinweisen). Dies hat das Eidg. Versicherungsgericht bislang namentlich in bezug auf die zehntägige Frist zur Voranmeldung der Kurzarbeit ( BGE 110 V 334 ) und die Fristen zur erstmaligen Meldung des Arbeitsausfalls infolge Schlechtwetterentschädigung und zu deren wöchentlicher Erneuerung ( BGE 110 V 339 ) erkannt. Im Bereich der Kurzarbeits- und Schlechtwetterentschädigung hat der Gesetzgeber diese Regelung insofern gemildert, als er eine Anspruchsverwirkung nur in den Fällen eintreten lässt, in denen kein entschuldbarer Grund für die Verspätung der Meldung vorliegt ( Art. 58 Abs. 4 und Art. 69 Abs. 2 AVIV ). Die gleiche Regelung findet sich ebenfalls im Zusammenhang mit der Taggeldberechtigung bei vorübergehend fehlender oder verminderter Arbeitsfähigkeit ( Art. 42 Abs. 1 AVIV ). Die Fristen von Art. 36 Abs. 1 und Art. 45 Abs. 1 AVIG stellen keine blossen Ordnungsvorschriften, sondern formelle Anspruchsvoraussetzungen dar, was bedeutet, dass der ohne entschuldbaren Grund verspätet gemeldete Arbeitsausfall im Ausmass der Verspätung der Voranmeldung nicht anrechenbar bzw. erst vom Tag der Meldung an anrechenbar ist ( BGE 110 V 341 Erw. 2a; GERHARDS, Kommentar zum Arbeitslosenversicherungsgesetz, Bd. I, N 38 und 40 zu Art. 36 AVIG ). Diese Fristen dienen in erster Linie der Sicherung der Kontrollmöglichkeiten durch die kantonalen Amtsstellen (insbesondere hinsichtlich der meteorologischen Verhältnisse) und der Vermeidung von Missbräuchen, indem der Verwaltung ein gewisser zeitlicher Spielraum zur Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen eingeräumt wird; sie sind mit Sinn und Zweck der Meldepflicht (Gewährleistung der Kontrolle) sachlich gerechtfertigt (vgl. BGE 110 V 341 Erw. 2a; GERHARDS, a.a.O., N 40 zu Art. 36 und N 10 zu Art. 45 AVIG ). c) Die Vorschrift von Art. 28 AVIG stellt einen Einbruch in das Grundprinzip der Arbeitslosenversicherung dar, wonach Leistungen nur bei Vermittlungsfähigkeit des Versicherten in Betracht kommen (vgl. Art. 8 Abs. 1 lit. f AVIG ). Zur Vermeidung von Härtefällen, Schliessung von Lücken im Bereich der "Nahtstellen" BGE 117 V 244 S. 247 zwischen ihr und anderen Zweigen der Sozialversicherung (insbesondere Kranken- und Unfallversicherung), vorab aber im Interesse der Verbesserung der sozialen Sicherung Arbeitsloser im Falle von Krankheit, Unfall und Mutterschaft wurde durch diese Sonderregelung ein zeitlich limitiertes Taggeld eingeräumt (vgl. GERHARDS, a.a.O., N 2 zu Art. 28 AVIG ; SPÜHLER, Grundriss des Arbeitslosenversicherungsrechts, 1985, S. 43). Um der Missbrauchsgefahr zu begegnen, wie etwa der Entziehung der Kontrollpflicht und der Vermittlung durch Berufung auf blosse Unpässlichkeit, hat der Gesetzgeber durch die Voraussetzung einer Wartezeit von einer Woche für den Krankheitsfall (nicht aber bei Mutterschaft, Unfall und Hospitalisation) sowie durch das Erfordernis der Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit mittels Arztattest Rechnung getragen. Das gleiche Ziel verfolgt auch Art. 42 Abs. 1 AVIV , wonach der wegen Krankheit, Unfall oder Mutterschaft gänzlich oder vermindert arbeits- und vermittlungsfähige Arbeitslose, der seinen Taggeldanspruch geltend machen will, seine Arbeitsunfähigkeit innert einer Woche seit deren Beginn dem Arbeitsamt zu melden verpflichtet ist. Diese Regelung erweist sich nach dem Sinn und Zweck der Meldepflicht (Verhinderung von Missbräuchen, Gewährleistung der Kontrolle) als sachlich gerechtfertigt und die erwähnte Verordnungsbestimmung demnach als gesetzmässig (vgl. in diesem Zusammenhang BGE 114 V 303 Erw. 4a). Die fragliche Bestimmung stellt keine blosse Ordnungsvorschrift, sondern eine formelle Anspruchsvoraussetzung dar. Analog den übrigen erwähnten Meldefristen handelt es sich bei der einwöchigen Frist von Art. 42 Abs. 1 AVIV ebenso um eine Verwirkungsfrist, deren Nichtbeachtung zur Folge hat, dass der Arbeitslose, der ohne entschuldbaren Grund seine Arbeitsunfähigkeit verspätet meldet, keinen Taggeldanspruch für die Tage vor der Meldung besitzt ( Art. 42 Abs. 2 AVIV ).
null
nan
de
1,991
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
086336ff-7d23-4f58-98b7-c270a5f3ff8e
Urteilskopf 112 IV 47 14. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 8. April 1986 i.S. L. gegen Generalprokurator des Kantons Bern (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste Art. 19 Ziff. 1 Abs. 6 BetmG ; Anstalten treffen. Aufnahme eines Darlehens zum Zweck der Abwicklung eines Rauschgiftgeschäftes.
Erwägungen ab Seite 47 BGE 112 IV 47 S. 47 Aus den Erwägungen: 4. Die unbestimmte Wendung "wer hiezu Anstalten trifft" in Art. 19 Ziff. 1 Abs. 6 BetmG macht sinngemäss jede klar erkennbare, auf Drogendelikte ausgerichtete Vorbereitungshandlung zur strafbaren Tat. Die Aufnahme eines Darlehens, welche ausdrücklich zum Zwecke der Abwicklung eines Rauschgiftgeschäftes erfolgt, ist ein tatbestandsmässiges Anstaltentreffen. Ob sich der BGE 112 IV 47 S. 48 Darlehensnehmer auch nachweisbar bereits um konkrete Bezugsmöglichkeiten bemühte, was beim Beschwerdeführer zutreffen dürfte, ist für die grundsätzliche Strafbarkeit der auf Drogenhandel ausgerichteten Finanzierungsbemühungen ohne Bedeutung. Die in der Nichtigkeitsbeschwerde vertretene restriktivere Interpretation hätte übrigens die merkwürdige Folge, dass ein Darlehensnehmer, dem man weitere Bemühungen im Betäubungsmittelsektor nicht nachweisen könnte, straflos bliebe, während der Geldgeber oder Vermittler gemäss Art. 19 Ziff. 1 Abs. 7 BetmG zu bestrafen wäre. Eine solche widersprüchliche Lösung wird dem klaren Sinn des Gesetzes nicht gerecht. Die Rüge einer Verletzung von Art. 19 Ziff. 1 Abs. 6 BetmG ist unbegründet.
null
nan
de
1,986
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
0866a4b7-6cb1-4178-be06-21606db384bb
Urteilskopf 105 IV 289 73. Urteil des Kassationshofes vom 27. November 1979 i.S. F. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste Art. 41 Ziff. 2 Abs. 1 StGB . Weisung. Die einem wegen Handels mit unzüchtigen Gegenständen ( Art. 204 StGB ) Verurteilten erteilte Weisung, während der Probezeit kein Geschäft mit Sexartikeln zu betreiben oder betreiben zu lassen, verstösst nicht gegen Bundesrecht.
Erwägungen ab Seite 289 BGE 105 IV 289 S. 289 Das Bundesgericht zieht in Erwägung: In der Weisung der Vorinstanz, während der 3jährigen Probezeit "kein Geschäft mit Sexartikeln zu betreiben oder betreiben zu lassen", erblickt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 41 Ziff. 2 StGB . Zu Unrecht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts müssen sich Wahl und Inhalt der Weisungen nach dem spezialpräventiven Zweck des bedingten Strafvollzugs richten, durch den der Verurteilte dauernd gebessert und vor Rückfall bewahrt werden soll. Unzulässig sind unerfüllbare oder unzumutbare Weisungen sowie solche, die vorwiegend darauf abzielen, dem Verurteilten Nachteile zuzufügen oder Dritte vor ihm zu schützen. Die Weisung muss vielmehr im wohlverstandenen Interesse des Verurteilten liegen BGE 105 IV 289 S. 290 und voraussichtlich befolgt werden können. Innerhalb der sich daraus ergebenden Schranken sind Wahl und Inhalt der Weisungen ins richterliche Ermessen gestellt, in welches der Kassationshof nicht eingreifen kann ( BGE 103 IV 136 , BGE 102 IV 9 ). Die hier in Frage stehende Weisung, während der Probezeit kein Geschäft mit Sexartikeln zu betreiben oder betreiben zu lassen, steht mit dieser Rechtsprechung in Einklang. Die Ansicht des Beschwerdeführers, mit einer Weisung dürfe nicht ein rechtlich zulässiges Verhalten untersagt werden, ist unzutreffend. Weisungen verbieten regelmässig gerade an sich erlaubte Tätigkeiten (Führen eines Motorfahrzeugs, Alkoholgenuss, selbständige Erwerbstätigkeit, etc.; BGE 102 IV 9 , BGE 100 IV 257 , BGE 95 IV 123 ). Das für den Beschwerdeführer allenfalls noch akzeptable Verbot des Handels mit unzüchtigen Artikeln wäre überflüssig, da ein solcher Handel ohnehin schon gemäss Art. 204 StGB von Amtes wegen verfolgt wird. Einer derartigen Weisung käme keine verstärkende und die Zwecke des bedingten Strafvollzugs unterstützende Wirkung zu, zumal der erneute Handel mit unzüchtigen Artikeln auch ohne Weisung als Täuschung des richterlichen Vertrauens erscheinen und zum Widerruf des bedingten Strafvollzugs führen müsste. Die Vorinstanz hat dem Beschwerdeführer den bedingten Strafvollzug nur mit Bedenken gewährt und die günstige Prognose vor allem auch davon abhängig gemacht, dass F. nicht durch den Handel mit Sexartikeln in die Gefahr komme, im Grenzbereich falsch zu urteilen oder sich durch den Erwerbstrieb verführen zu lassen und die Nachfrage der Kunden nach unzüchtigen Artikeln zu befriedigen. Aufgrund der früheren Erfahrungen musste mit einer solchen Gefahr ernstlich gerechnet werden. Es war daher durchaus zweck- und verhältnismässig, den nunmehr einsichtigen Beschwerdeführer mittels der hier in Frage stehenden klaren Weisung vor erneuter Straffälligkeit möglichst zu bewahren. Entgegen der nicht näher begründeten Behauptung des Beschwerdeführers hat die Weisung keinen pönalen Charakter, auch wenn sie einen unangenehmen Eingriff darstellen mag. Schliesslich ist eine Rüge, die fragliche Weisung verletze die persönliche Freiheit und die Handels- und Gewerbefreiheit, im Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde unzulässig ( Art. 269 Abs. 2 BStP ) und daher unbeachtlich. Zudem ist grundsätzlich festzuhalten, dass gerechtfertigte, dem Gesetz entsprechende Weisungen die Verfassungsnormen nicht verletzen, BGE 105 IV 289 S. 291 sondern zulässige Einschränkungen der Individualrechte darstellen. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
null
nan
de
1,979
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
0866e84a-66b4-480b-ae42-3b1bfb6f4da8
Urteilskopf 108 II 241 51. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 1. Dezember 1982 i.S. Compagnie Internationale des Wagons-Lits et du Tourisme gegen Biregg Verlag AG in Nachlassliquidation (Berufung)
Regeste Namensrecht, Verletzung in den persönlichen Verhältnissen. Reproduktion alter Plakate eines Unternehmens im Postkartenformat. Dass dabei auch die Firma des Unternehmens wiedergegeben wird, verletzt dessen Namensrecht nicht (E. 5). Die Reproduktion verletzt das Unternehmen unter den gegebenen Umständen auch nicht in seinen persönlichen Verhältnissen (E. 6).
Sachverhalt ab Seite 241 BGE 108 II 241 S. 241 A.- Die Compagnie Internationale des Wagons-Lits et du Tourisme (im folgenden CIWLT genannt) wurde im Jahre 1876 unter der Firma "Compagnie Internationale des Wagons-Lits et de Grands Express Européens" in Bruxelles gegründet, wo sie auch heute noch ihren Sitz hat. Sie schuf sich in der Vor- und Zwischenkriegszeit einen Namen als bedeutendes Unternehmen der Eisenbahnverkehrsbranche. Auf vielen Strecken des europäischen Eisenbahnnetzes betrieb sie, zum Teil in weltberühmten Eisenbahnzügen, ihre Schlaf-, Speise- und Salonwagen; zu diesem Zweck gab sie anfänglich sogar eigene Billette, Fahrpläne und BGE 108 II 241 S. 242 Reservationskarten heraus. Seit Ende des zweiten Weltkrieges bemühte sie sich um eine Erweiterung ihres Leistungsangebotes und baute vor allem den touristischen Bereich ihres Unternehmens aus. Neben ihrer hergebrachten Tätigkeit führt sie heute auf der ganzen Welt Reisebüros, Restaurations- und Hotelbetriebe. Im Zusammenhang damit erfolgte auch die Änderung der ursprünglichen Firmenbezeichnung in die heutige Firma. Um die Jahrhundertwende hatte die CIWLT eine Reihe von Plakaten anfertigen lassen, um für einzelne Züge zu werben, so für den Orientexpress, den Simplonexpress, den Engadinexpress, den "Club Train Paris-Londres", etc. Exemplare dieser für die damalige Zeit charakteristischen Plakate befinden sich in der Plakatsammlung des Kunstgewerbemuseums Zürich; fast alle enthalten in gut sichtbarer Weise die (frühere) Firmenbezeichnung der CIWLT. Die Biregg Verlag AG, die in Luzern einen Verlag mit Presse- und Bildagentur betreibt, reproduzierte die alten Plakate der CIWLT in Postkartenformat und verkaufte diese in der Schweiz sowie in beschränktem Ausmass auch in Frankreich. Die CIWLT fühlte sich durch die Wiedergabe ihrer früheren Firma auf den Postkarten in ihrem Persönlichkeitsrecht, insbesondere in ihrem Namensrecht, verletzt. B.- Mit Klage gegen die Biregg Verlag AG vom 5. März 1981 stellte die CIWLT beim Amtsgericht Luzern-Stadt folgende Rechtsbegehren: "1) Die Beklagte habe den Druck, Nachdruck und Vertrieb von alten Plakaten der Klägerin in Postkartenform zu unterlassen. 2) Die sich noch im Umlauf befindlichen Postkarten habe die Beklagte einzuziehen und zu vernichten. 3) Die Beklagte habe der Klägerin einen Schadenersatz von Fr. 10'000.-- zu bezahlen. 4) Die Beklagte habe der Klägerin eine Genugtuung von Fr. 4'000.-- zu bezahlen. 5) Die Beklagte habe der Klägerin Fr. 5'000.-- zu bezahlen als Gewinn aus dem Druck und Vertrieb der Postkarten. 6) Die Klägerin sei zu ermächtigen, das Urteil in drei von ihr zu bestimmenden schweizerischen Tageszeitungen im Umfang von je einer Viertelseite auf Kosten der Beklagten veröffentlichen zu lassen." Die Beklagte widersetzte sich der Klage. Mit Urteil vom 16. Dezember 1981 wies das Amtsgericht die Klage ab. Auf Berufung der Klägerin hin bestätigte das Obergericht des BGE 108 II 241 S. 243 Kantons Luzern das amtsgerichtliche Urteil mit Entscheid vom 27. April 1982. C.- Gegen den obergerichtlichen Entscheid erhob die Klägerin Berufung an das Bundesgericht wobei sie das Klagebegehren 2 fallen liess und die geltendgemachten Geldbeträge herabsetzte. Die Beklagte beantragt die Abweisung der Berufung. Das Bundesgericht weist die Berufung ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 5. Die Klägerin erblickt eine Verletzung ihres Namensrechts darin, dass Bestandteil der von der Beklagten reproduzierten Plakate ihr (früherer) Name bildet. Eine Namensanmassung im Sinne von Art. 29 Abs. 2 ZGB liegt indessen nur vor, wenn jemand den Namen eines andern unbefugterweise zur Bezeichnung seiner eigenen Person oder zur Kennzeichnung einer Sache (z.B. einer Zeitschrift, eines Gerätes oder eines Geschäftsbetriebs) verwendet ( BGE 102 II 165 f. E. 3 und 307 f. E. 2 mit Hinweisen). Die Anwendbarkeit von Art. 29 Abs. 2 ZGB setzt somit voraus, dass die Kennzeichnungswirkung eines fremden Namens für eigene Zwecke missbraucht wird. An dieser Voraussetzung fehlt es hier offensichtlich. Mit der Wiedergabe der früheren Plakate der Klägerin hat die Beklagte in keiner Weise den Anschein erweckt, der darauf befindliche Name habe etwas mit ihr selber zu tun. Ob in der Öffentlichkeit allenfalls der Eindruck entstehen konnte, dass die Klägerin mit der Beklagten in Geschäftsverbindungen stehe oder dass die Klägerin die Postkarten als Mittel zur Werbung verwende, wie in der Berufung geltend gemacht wird, ist keine Frage des Namensschutzes. In der ungerechtfertigten Erweckung eines falschen Eindrucks könnte höchstens eine (andere) Verletzung der Klägerin in ihren persönlichen Verhältnissen im Sinne von Art. 28 Abs. 1 ZGB erblickt werden. Die Vorinstanz hat daher Art. 29 ZGB richtig auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt angewendet, indem sie das Vorliegen einer Namensanmassung verneinte. 6. Eine Persönlichkeitsverletzung im Sinne von Art. 28 Abs. 1 ZGB liegt nur vor, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind: Es muss sich um einen Eingriff in die persönlichen Verhältnisse eines Rechtssubjekts handeln, und dieser Eingriff muss widerrechtlich sein (was das Gesetz mit dem Wort "unbefugterweise" zum Ausdruck bringt). Ob diese beiden Voraussetzungen im vorliegenden BGE 108 II 241 S. 244 Fall zutreffen, ist im folgenden näher zu prüfen. Mit Recht nicht streitig ist hingegen, dass der Persönlichkeitsschutz des Art. 28 ZGB auch einer juristischen Person wie der Klägerin zusteht (vgl. dazu vor allem BGE 95 II 488 ff. E. 4). a) Die Vorinstanz hat verneint, dass die um die Jahrhundertwende entstandenen Plakate bereits wegen ihrer Eigenschaft als Mittel der Werbung für die Klägerin unter den Schutz des Art. 28 Abs. 1 ZGB fallen. Sie hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, es könnten nicht alle Güter, die einen nur irgendwie gearteten Bezug zu einer Person hätten, automatisch der durch Art. 28 ZGB geschützten Persönlichkeitssphäre zugerechnet werden; andernfalls würde das Persönlichkeitsrecht eine uferlose Ausdehnung erfahren; die in Frage stehenden Plakate hätten durch den Zeitablauf ihren ursprünglichen Charakter als Kennzeichnungsmittel der Klägerin längst eingebüsst; der Grundgedanke, dass nach Ablauf einer gewissen Frist bestimmte Werke zum Allgemeingut würden, müsse auch für Kennzeichnungsmittel gelten. Dieser Auffassung ist entgegen der Berufung grundsätzlich beizupflichten. Insbesondere trifft der Vorwurf nicht zu, die Vorinstanz habe den Gedanken der zeitlichen Begrenztheit des durch das Urheberrecht garantierten Schutzes in unzulässiger Weise auch auf das Gebiet des Persönlichkeitsrechts übertragen. Die Vorinstanz wollte lediglich zum Ausdruck bringen, dass Werbemittel die für den Persönlichkeitsschutz erforderliche enge Beziehung zu einer bestimmten Person mit der Zeit verlieren können, selbst wenn sie ursprünglich den Charakter eines nach Art. 28 ZGB geschützten Gutes aufgewiesen haben sollten. Diese Überlegung steht nicht im Widerspruch zum Wesen des Persönlichkeitsschutzes. Es muss hier nicht näher geprüft werden, inwieweit die Wiedergabe von Werbeplakaten einer Geschäftsfirma durch eine mit dieser nicht in direktem Wettbewerb stehende Person überhaupt als Verletzung in den persönlichen Verhältnissen im Sinne von Art. 28 Abs. 1 ZGB zu betrachten ist. Es ist nicht völlig auszuschliessen, dass sehr individuell gestaltete Werbemittel unter Umständen zum Kreis der persönlichkeitsrechtlich geschützten Güter gezählt werden können, mit der Wirkung, dass sie ohne Zustimmung des Berechtigten nicht reproduziert werden dürfen. Die Schutzwürdigkeit wäre aber höchstens für jene Zeit zu bejahen, während der solche Mittel tatsächlich für die Werbung eingesetzt werden und damit zum ideellen Bestandteil des betreffenden Wirtschaftsunternehmens werden. Dies trifft indessen für die streitigen Plakate nicht zu. BGE 108 II 241 S. 245 Diese sind für die Klägerin nur noch von historischer Bedeutung. Ihre Reproduktion könnte somit, wie die Vorinstanz mit Recht angenommen hat, nur dann als ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Klägerin betrachtet werden, wenn sie geeignet wären, einen falschen Anschein von der gegenwärtigen Tätigkeit der Klägerin zu erwecken oder deren Bild in der Öffentlichkeit sonstwie zu verfälschen. Dies ist nach Auffassung der Klägerin der Fall, weil durch den Vertrieb der von der Beklagten hergestellten Postkarten der Eindruck erweckt werde, die Klägerin betreibe mit veralteten Mitteln Werbung für veraltete Dienstleistungen. Die Vorinstanz hat demgegenüber ausgeführt, der durchschnittliche Betrachter der Postkarten werde diese ohne weiteres als kleinformatige Wiedergabe von Werbeplakaten aus längst vergangener Zeit, die keine Rückschlüsse auf das heutige Unternehmen der Klägerin zuliessen, erkennen. In der Berufung wird diese Würdigung als offensichtlich unrichtig gerügt. Da es sich dabei um eine Frage der allgemeinen Lebenserfahrung und nicht um eine für das Bundesgericht verbindliche Tatsachenfeststellung handelt, ist auf diese Rüge einzutreten. Gegen die Auffassung der Klägerin, dass die streitigen Reproduktionen den Eindruck eines Werbemittels erweckten, spricht bereits deren Ausgestaltung als Postkarten. Wer an einem Kiosk eine solche Karte erwirbt, nimmt ebensowenig wie der Empfänger der Karte an, dass diese der aktuellen Werbung für die Firma der Klägerin diene. Anders verhielte es sich höchstens, wenn die Klägerin selber solche Karten zum Versand brächte, was hier jedoch ausser Betracht fällt. Gegen den Werbezweck spricht auch, wie im angefochtenen Urteil mit Recht hervorgehoben, der Umstand, dass auf der Kartenrückseite angegeben ist, es handle sich bei der Abbildung um ein altes Plakat aus der Plakatsammlung des Kunstgewerbemuseums Zürich. Entgegen den Ausführungen in der Berufung verstärkt dieser Hinweis den Eindruck, dass das abgebildete Plakat wegen seines für eine vergangene Zeit typischen Charakters als Kartenmotiv gewählt wurde und in keinem Zusammenhang mit der heutigen Tätigkeit der betreffenden Firma steht. Die Wiedergabe des (früheren) Namens der Klägerin auf den Postkarten ändert daran nichts. Die Firmenbezeichnung erscheint als natürlicher Bestandteil des Plakats und erlaubt im Rahmen des Gesamtbildes keinen Rückschluss des Betrachters auf die heutigen Aktivitäten der Klägerin. Ebenso trifft es nicht zu, dass die Wiedergabe des Namens der Beklagten auf der Rückseite der BGE 108 II 241 S. 246 Postkarten die falsche Vorstellung hervorrufen könnte, die Klägerin stehe mit der Beklagten in Geschäftsverbindungen. Erweckt aber die Wiedergabe der in Frage stehenden Plakate in Postkartenform keinen falschen Eindruck hinsichtlich der Klägerin, so ist nicht einzusehen, worin denn sonst eine Verletzung in den persönlichen Verhältnissen bestehen sollte. Es ginge zu weit, aus Art. 28 Abs. 1 ZGB ein ausschliessliches Verfügungsrecht der Klägerin über die Wiedergabe ihrer früheren Werbeerzeugnisse ableiten zu wollen, sofern ihr Ruf und ihr heutiges Erscheinungsbild wie hier durch die Reproduktion nicht betroffen werden. Fehlt es aber an einem Eingriff in die persönlichen Verhältnisse der Klägerin, kann von einer Persönlichkeitsverletzung schon aus diesem Grunde nicht die Rede sein. b) Selbst wenn jedoch die in Frage stehenden Plakate entgegen dem bisher Ausgeführten zum Kreis der nach Art. 28 ZGB geschützten Güter zu rechnen wären, müsste das Verhalten der Beklagten einen widerrechtlichen Charakter aufweisen, damit die Klägerin Ansprüche aus der Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts geltend machen könnte. Die Vorinstanz hat angenommen, die für den Entscheid über die Widerrechtlichkeit typische Güterabwägung ergebe, dass die Betätigungsfreiheit der Beklagten schwerer wiege als das Interesse der Klägerin. Dies sei um so mehr der Fall, als die schönen alten Plakate bereits als Teil des abendländischen Kulturguts zu betrachten seien und das Interesse der Öffentlichkeit am unbeschwerten Zugang zu den Zeugen einer längst vergangenen Plakatkunst das von der Klägerin geltend gemachte Interesse bei weitem überwiege. Der Klägerin mag zugestimmt werden, wenn sie bezweifelt, ob der künstlerische Wert der Plakate so hoch zu veranschlagen sei, dass ein erhebliches öffentliches Interesse daran bestehe. Auch wenn man nicht so weit gehen will, die betreffenden Plakate geradezu als Teil des abendländischen Kulturgutes zu betrachten, ist das Interesse an deren Wiedergabe dennoch nicht als gering zu betrachten. So wie alte Bilder nach Erlöschen des urheberrechtlichen Schutzes frei reproduzierbar sind, sollten auch alte Plakate grundsätzlich ohne Beschränkung wiedergegeben werden können. Um das Rechtsgut der Betätigungsfreiheit aufwiegen zu können, müsste auf der andern Seite ein privates Interesse von einigem Gewicht vorhanden sein. Ein höherwertiges Interesse der Klägerin an der Nichtwiedergabe ihrer alten Plakate in Postkartenform ist indessen nicht erkennbar. Wie bereits in anderem Zusammenhang BGE 108 II 241 S. 247 dargelegt, sind die von der Beklagten herausgegebenen Postkarten nicht geeignet, zum Nachteil der Klägerin einen falschen Eindruck zu erwecken. Insbesondere erscheint die Befürchtung der Klägerin, durch den Vertrieb der streitigen Postkarten entstehe in der Öffentlichkeit ein unzutreffendes Bild über ihre heutige Tätigkeit, als unbegründet, da die Abbildungen ohne weiteres als Plakate aus einer vergangenen Zeit erkennbar sind. Selbst wenn die auf den Postkarten wiedergegebenen Plakate nicht in das heutige Werbekonzept der Klägerin passen sollten, wäre die darin zu erblickende Behinderung der Werbetätigkeit der Klägerin so gering, dass sie das Interesse der Beklagten an der freien Wiedergabe der alten Plakate nicht aufzuwiegen vermöchte. Anders verhielte es sich allenfalls dann, wenn die reproduzierten Plakate die Erinnerung an frühere Aktivitäten der Klägerin wecken würden, von denen diese sich inzwischen nicht nur völlig gelöst hätte, sondern die auch ihrem Ansehen schaden könnten. Davon kann hier indessen keine Rede sein. Ist das Interesse der Beklagten aber höher zu bewerten als jenes der Klägerin, fehlt es an der Voraussetzung der Widerrechtlichkeit. Auch unter diesem Gesichtspunkt hat die Vorinstanz deshalb mit Recht verneint, dass eine Persönlichkeitsverletzung vorliege.
public_law
nan
de
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CH_BGE
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CH
Federation
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Urteilskopf 125 I 21 4. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 7. Oktober 1998 i.S. Grüne Bewegung Uri (u.a.) gegen Landrat des Kantons Uri (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Art. 85 lit. a OG ; Urner Volksinitiative `für gleiche Wahlchancen' ("Wahlchanceninitiative"). Zusammenfassung der bisherigen Rechtsprechung zu Art. 4 Abs. 2 BV im Allgemeinen (E. 3a) und zu Frauenquoten im Besonderen (E. 3b); Auseinandersetzung mit der hieran geübten Kritik (E. 3c und 3d). Als Gleichstellungsmassnahmen kommen auch ergebnisbezogene Quoten in Betracht (E. 3d/aa; Präzisierung von BGE 123 I 152 ). Die quotenmässige Zuteilung von Volkswahl-Mandaten stellt eine unzulässige Einschränkung des freien und gleichen Wahlrechts dar (E. 3d/dd). Kriterien für die Beurteilung von Quotenregelungen nach Völkerrecht (E. 4). Beurteilung der Gleichstellungsmassnahmen der `Wahlchanceninitiative': Quoten für Behörden und Kommissionen, die direkt vom Volk gewählt werden (E. 5a); Quoten für Behörden und Kommissionen, die nur indirekt vom Volk gewählt werden (E. 5b); Quoten für Majorzwahlen und Wahlvorschlagsquoten für Proporzwahlen zum Landrat (E. 5c); Teilgültigkeit der Initiative (E. 7). Befristungsproblematik (E. 6).
Sachverhalt ab Seite 22 BGE 125 I 21 S. 22 Am 15. April 1996 wurde dem Regierungsrat des Kantons Uri die Volksinitiative "für gleiche Wahlchancen (Wahlchancen-Initiative)" mit folgendem Wortlaut eingereicht: "Die Verfassung des Kantons Uri ist durch den folgenden Artikel 75bis (Gleichstellung der Geschlechter) zu ergänzen: 1 Alle Behörden und Kommissionen, die vom Volk gewählt oder durch gewählte Organe bestimmt werden, sind annähernd je zur Hälfte mit Frauen und Männern besetzt. Jedes Geschlecht ist jedoch mindestens zu einem Drittel vertreten. Für den Landrat gelten die Vorschriften der Absätze 2 und 3. 2 Bei den Landratswahlen in Gemeinden, in denen nach Proporzsystem gewählt wird, beträgt die zahlenmässige Differenz zwischen Frauen und Männern auf den gedruckten Wahllisten höchstens eins. BGE 125 I 21 S. 23 3 Bei den Landratswahlen in Gemeinden, denen nur ein Sitz zusteht, wird eine Kandidatin oder ein Kandidat gewählt. In Gemeinden mit zwei Sitzen werden je eine Frau und ein Mann gewählt. Übergangsbestimmungen: 1 Nimmt ein gewähltes Organ Ersatzwahlen für eine Behörde oder Kommission vor, hat jedes Geschlecht Anspruch auf jede zweite Nachfolge, bis das Minimalziel von Artikel 75bis Abs. 1 erfüllt ist. 2 Bei der ersten nach den Bestimmungen von Artikel 75bis durchgeführten Gesamterneuerungswahl von Behörden oder Kommissionen, die vom Volk im Majorz gewählt werden, gilt folgende Ausnahme: Personen, die bereits bisher Mitglieder der gleichen Behörde oder der gleichen Kommission waren und wiedergewählt werden, gelten auch dann als gewählt, wenn das Ziel von Artikel 75bis noch nicht erfüllt ist. 3 Bei der ersten Gesamterneuerungswahl des Landrates nach Annahme von Artikel 75bis beträgt in den Gemeinden, in denen nach Proporz gewählt wird, der Anteil jedes Geschlechts auf den gedruckten Wahllisten mindestens je 30 Prozent." Der Regierungsrat erstattete am 22. April 1997 Bericht und Antrag an den Landrat des Kantons Uri. Er führte aus, die Initiative wirke sich diskriminierend aus. Sie führe dazu, dass in konkreten Wahlen ein Mann oder eine Frau wegen des Geschlechts nicht wählbar sei. Dies verletze den Anspruch der Kandidaten und Kandidatinnen auf rechtsgleiche Behandlung und, soweit Volkswahlen betroffen seien, auch die Wahl- und Abstimmungsfreiheit der Stimmbürger und Stimmbürgerinnen. Desgleichen schränke die unterbreitete Wahlvorschlagsquote für die Landratswahlen in den Proporzgemeinden die Auswahlfreiheit der Stimmberechtigten ein. Dafür gebe es keine Rechtfertigung. Der Regierungsrat beantragte deshalb, die Wahlchancen-Initiative sei für ungültig zu erklären und nicht dem Volk zur Abstimmung vorzulegen. Der Landrat folgte mit Beschluss vom 4. Juni 1997 dem Antrag des Regierungsrats. Die Grüne Bewegung Uri, Annalise Russi, Doris Rosenkranz, Raphael Brand und Alf Arnold Rosenkranz haben gegen die Ungültigerklärung der Initiative eine staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht eingereicht und beantragen die Aufhebung des Beschlusses des Landrates. Eventualiter sei der Beschluss im Umfang der Teilgültigkeit der Wahlchancen-Initiative aufzuheben. Die Beschwerdeführerinnen und die Beschwerdeführer (nachfolgend: Beschwerdeführerinnen) machen eine Verletzung ihrer politischen Rechte geltend. BGE 125 I 21 S. 24 Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut Erwägungen aus folgenden Erwägungen: 3. a) Im Mittelpunkt der Rechtserörterungen steht Art. 4 Abs. 2 BV . Diese Bestimmung umfasst drei Sätze: Satz 1 statuiert die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Nach Satz 2 hat das Gesetz - vor allem in Familie, Ausbildung und Arbeit - für die Gleichstellung von Frauen und Männern zu sorgen. Satz 3 legt das Lohngleichheitsprinzip fest. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung gewährleistet Satz 1 ein verfassungsmässiges Recht, das mit bestimmten Ausnahmen eine rechtliche Differenzierung nach dem Geschlecht verbietet und unmittelbar anwendbar ist. Eine unterschiedliche Behandlung von Mann und Frau ist nur zulässig, wenn auf dem Geschlecht beruhende biologische oder funktionale Unterschiede eine Gleichbehandlung absolut ausschliessen ( BGE 108 Ia 22 E. 5a S. 29 und nachfolgend bestätigt in BGE 123 I 152 E. 3a S. 156; BGE 120 V 312 E. 2a S. 314; BGE 117 Ia 262 E. 2a S. 264, 270 E. 2a S. 272; BGE 117 V 318 E. 2a S. 321; BGE 116 V 198 E. II/ 2a/bb S. 208). Gemäss Satz 2 ist der Gesetzgeber beauftragt, die Gleichstellung von Mann und Frau zu verwirklichen. Hieraus ergibt sich die staatliche Aufgabe, tatsächliche Gleichstellung in der sozialen Wirklichkeit zu schaffen ( BGE 116 Ib 270 E. 7a S. 283, 284 E. 7a S. 297; bestätigt in BGE 123 I 152 E. 3a S. 156 f. und BGE 117 V 194 E. 4a S. 196). In diesem Sinn nimmt die Rechtsprechung eine Zweiteilung vor: Satz 1 statuiert das Diskriminierungsverbot als formalrechtliche Gleichstellung und Satz 2 das Egalisierungsgebot als Auftrag, materielle Chancengleichheit zu schaffen. Das Lohngleichheitsprinzip gemäss Satz 3 ist im vorliegenden Zusammenhang nicht relevant. Nach den zitierten Präjudizien versteht das Bundesgericht den Geschlechtergleichheitssatz als formelles Diskriminierungsverbot. Der formalrechtliche Charakter ist allerdings insoweit durchbrochen, als aufgrund biologischer und funktionaler Unterschiede der Geschlechter Differenzierungen erforderlich sind. In dieser Hinsicht weist auch Art. 4 Abs. 2 Satz 1 BV einen Aspekt materieller Gleichstellung auf (s. CHRISTA TOBLER, Quoten und Verständnis der Rechtsgleichheit der Geschlechter im schweizerischen Verfassungsrecht, unter vergleichender Berücksichtigung der EuGH-Entscheidung Kalanke, in: Frauenförderung durch Quoten, Hrsg. KATHRIN ARIOLI, Basel/Frankfurt a.M. 1997, S. 68). Die Erforderlichkeit politischer Quoten kann nicht mit biologischen oder funktionalen Unterschieden BGE 125 I 21 S. 25 der Geschlechter begründet werden. Quotenregelungen lassen sich nach der gegenwärtigen Rechtsprechung nicht auf Art. 4 Abs. 2 Satz 1 BV abstützen. Indessen umfasst der in Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BV enthaltene Auftrag an den Gesetzgeber, die tatsächliche Gleichstellung zwischen Mann und Frau herbeizuführen, den Erlass positiver Gleichstellungsmassnahmen. Dies schliesst Frauenförderungsmassnahmen mit ein. Wieweit solche Massnahmen unter Satz 2 von Art. 4 Abs. 2 BV fallen, hängt davon ab, welche Tragweite man dem Begriff der materiellen Chancengleichheit zumisst, der dem Egalisierungsgebot zugrunde liegt. b) Im Zusammenhang mit der "Solothurner Quoteninitiative" hatte das Bundesgericht erstmals Gelegenheit, sich zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit politischer Quoten zu äussern ( BGE 123 I 152 ). Zum Verhältnis von Satz 1 zu Satz 2 des Art. 4 Abs. 2 BV wird in den Erwägungen ausgeführt, dass die Verfassungsbestimmung positive Massnahmen zur Verwirklichung der tatsächlichen Gleichstellung - insbesondere Frauenförderungsmassnahmen - zulasse und damit unter Umständen ein Abweichen vom Diskriminierungsverbot erlaube, sofern die Förderungsmassnahmen in einem vernünftigen Verhältnis zum Regelungsziel stehen, d.h. sich gestützt auf eine Interessenabwägung als verhältnismässig erweisen (E. 3b S. 157 f.). Die `Solothurner Quoteninitiative' verlangte eine dem Bevölkerungsanteil entsprechende Vertretung von Frauen und Männern in Parlament, Regierung und Gerichten. Das Bundesgericht erblickte in einer solchen Quotenregelung ein Abweichen vom Diskriminierungsverbot, wofür es nach dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit keine Rechtfertigung gebe. Bei der Prüfung der Verhältnismässigkeit untersuchte es, ob die unterschiedliche Behandlung von Mann und Frau für die Erfüllung des Auftrags zur Herstellung der tatsächlichen Gleichstellung im konkreten Fall geeignet und erforderlich sei und ob das Zweck-Mittel-Verhältnis stimme. Es führte dazu u.a. aus, es gehe bei dem in Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BV enthaltenen Gebot um die rechtliche und faktische Möglichkeit eines jeden, seine Stellung in der Gesellschaft ohne Einfluss geschlechtsspezifischer Hemmnisse zu gestalten. Die angestrebte Gleichheit sei eine Gleichheit der Chancen und nicht des Resultats. Eine Quotenregelung, welche eine paritätische Vertretung der Geschlechter vorschreibe oder anstrebe, ziele auf Ergebnisgleichheit ab und gehe damit über das Ziel des in Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BV enthaltenen Egalisierungsgebots hinaus. Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BV biete keine Handhabe für eine paritätische Verteilung der politischen BGE 125 I 21 S. 26 Mandate und Richterstellen zwischen Männern und Frauen. Das Bundesgericht hielt deshalb die vorgeschlagene Quotenregelung für kein geeignetes Mittel zur Verwirklichung tatsächlicher Gleichstellung (E. 5b S. 164 f.). Hinsichtlich der Voraussetzung der Erforderlichkeit folgte es der Ansicht der Solothurner Regierung. Diese hatte ausgeführt, dass sich die Wahlchancen der Frauen im Kanton Solothurn zu Beginn der 90er Jahren erheblich verbessert hätten (Frauenanteil im Kantonsrat von 34,7%) und dass in den nächsten Jahren eine langsame Annäherung der Sitzzahlen der Geschlechter im Parlament zu erwarten sei. Deshalb könne auf harte Massnahmen, wie Quotenregelungen es seien, verzichtet werden (E. 6 S. 167 ff.). Das Bundesgericht erachtete sodann die Verhältnismässigkeit im engeren Sinn (Zweck-Mittel-Relation) als verletzt, da die vorgeschlagene Quotenregelung keine Rücksicht auf die Qualifikation der Bewerber nehme (E. 7b S. 169 ff.). Schliesslich prüfte das Bundesgericht die vorgeschlagene Quotenregelung in Bezug auf vom Volk gewählte Behörden unter dem Gesichtspunkt des Stimm- und Wahlrechts. Es hielt fest, dass das allgemeine, freie und gleiche Stimm- und Wahlrecht grundsätzlich absolut gelte und dass Einschränkungen nur zulässig seien, um ein Wahlsystem zu verwirklichen. Das Abstellen auf das Geschlecht sei keine solche systembedingte Abweichung. Das Geschlecht sei deshalb sowohl in Bezug auf das aktive wie auch das passive Wahlrecht grundsätzlich ein unzulässiges Kriterium. Werde das Geschlecht zum determinierenden Kriterium erhoben, könne der freie Willen der Stimmbürger nicht mehr zuverlässig und unverfälscht zum Ausdruck kommen. Das Bundesgericht nahm deshalb an, die vorgeschlagene Initiative kollidiere - soweit sie vom Volk gewählte Behörden betraf - auch mit den politischen Rechten beider Geschlechter (E. 8 S. 171 ff.). c) Der bundesgerichtliche Quotenentscheid ist in der Lehre unterschiedlich aufgenommen worden. Im folgenden Überblick sollen hauptsächlich die Punkte stichwortartig aufgezeigt werden, die zu abweichenden Meinungsäusserungen Anlass gegeben haben und auf welche im Rahmen der Beurteilung der vorliegenden Quoteninitiative - soweit erforderlich - einzugehen ist. Das Quotenurteil hat bei YVO HANGARTNER Zustimmung gefunden (Urteilsbesprechung in AJP 1997, S. 1031-1033). ETIENNE GRISEL hält das Urteil im Ergebnis für richtig, kritisiert aber die bundesgerichtliche Auslegung von Art. 4 Abs. 2 BV : Seines Erachtens ist auch das Gleichstellungsgebot in Satz 2 formalrechtlicher Natur, BGE 125 I 21 S. 27 weshalb es kein Spannungsverhältnis zwischen Satz 1 und Satz 2 gebe (Egalité des sexes et quotas de représentation, in: Festschrift Hangartner, St. Gallen 1998, S. 537-550, insbes. S. 539 ff.). ASTRID EPINEY kritisiert die vom Bundesgericht getroffene Unterscheidung zwischen Massnahmen, die eine "Ergebnisgleichheit", und solchen, die eine "Chancengleichheit" im Auge haben, sowie die daran anknüpfende Verfassungswidrigkeit der ersteren (Chancengleichheit über das Ergebnis? AJP 1997, S. 1033-1036). Es sei nicht sachgerecht, eine bestimmte, dazu noch sehr schwer abzugrenzende Kategorie von Massnahmen von vornherein aus dem Anwendungsbereich des Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BV auszuschliessen; es müsse vielmehr, um dem Spannungsfeld zwischen der zweifellos stattfindenden Diskriminierung betroffener Männer und der Verwirklichung einer tatsächlichen Chancengleichheit zu begegnen, der Grundsatz der Verhältnismässigkeit herangezogen werden. Das Bundesgericht habe im Prinzip die verfassungsrechtliche Zulässigkeit des Ziels selbst verneint und nicht die Geeignetheit der Massnahme im Rahmen der Zweck-Mittel-Relation geprüft. Elisabeth Freivogel beklagt, dass sich das Bundesgericht nur vereinzelt und einseitig mit der einschlägigen Literatur zur Quotenproblematik auseinander gesetzt habe (Kommentar zum Gleichstellungsgesetz, Hrsg. Margrith Bigler Eggenberger und Claudia Kaufmann, Basel und Frankfurt am Main 1997, Art. 3 Rz. 170 Fn. 226). DENISE BUSER und TOMAS POLEDNA haben das bundesgerichtliche Quotenurteil einer eingehenden Analyse unterworfen (Politische Quoten auf dem Schafott - Reflexionen zum Bundesgerichtsurteil zur "Solothurner Quoteninitiative", AJP 1997, S. 981-989). Die Autoren bezeichnen das Urteil im Ergebnis als verständlich, angesichts der strengen Vorschriften der Solothurner Quoteninitiative und in Anbetracht des hohen Anteils von Frauen im Solothurner Parlament. Sie halten jedoch die Urteilsbegründung in mehrfacher Hinsicht für problematisch. Nach ihrer Kritik hat das Bundesgericht die Tragweite von Art. 4 Abs. 2 BV unter dem isolierten Blickwinkel des ersten Satzes der Bestimmung beurteilt und auf eine integrale Auslegung des Gleichheitsartikels unter Einbezug all seiner Gehalte verzichtet. Eine solche verengte Optik verletze letztlich das verfassungsmässige Gleichstellungsprinzip. Sodann bemängeln die Autoren, dass das Bundesgericht den Diskriminierungsgehalt von Quotenregelungen als gegeben voraussetze, was jedoch nicht ohne weiteres selbstverständlich sei. Eine materielle Gleichstellung gehe zwingend einher mit dem Abbau tatsächlicher Privilegien der BGE 125 I 21 S. 28 Gegenseite. Dies sei der Normalfall bei Gleichstellungsmassnahmen. Formell geschlechtsneutral ausgestaltete Quoten hätten an sich keine Schlechterstellung eines Geschlechtes zur Folge. Sie bewirkten zwar materiell eine Besserstellung des bis anhin untervertretenen Geschlechts. Die Kompensationswirkung von Gleichstellungsmassnahmen sei jedoch verfassungsrechtlich gewollt. Gegen die Annahme des Bundesgerichts, dass die umstrittene Quotenregelung wegen ihrer Ergebnisorientiertheit über die Zielsetzung von Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BV hinausgehe, wenden Buser/Poledna ein, dass der in der Bestimmung verwendete Begriff Gleichstellung - entsprechend bislang herrschender Lehre - sowohl den Aspekt der Chancengleichheit als auch denjenigen der Ergebnisgleichheit umfasse. In Bezug auf die Gleichstellung im politischen Bereich bemängeln sie, das Bundesgericht habe seine Sicht allein auf die politischen Rechte - insbesondere das Wahlrecht - ausgerichtet. Das Gebot der Gleichbehandlung einschliesslich des Gleichstellungsgebots gelte indessen ausnahmslos für alle Bereiche des Lebens, mithin auch hinsichtlich einer ausgeglichenen Vertretung beider Geschlechter in staatlichen Organen. Indem das Bundesgericht die politische Repräsentationsebene vom Gleichheitskonzept ausklammere, ignoriere es die weiterreichende Dimension des Verfassungsrechts. Sodann stellten Quotenregelungen keine unzulässige Abweichung von der Wahlrechtsgleichheit dar. Der Gesetzgeber habe durch die Bundesverfassung den positiven Auftrag erhalten, für eine Verbesserung der heutigen Untervertretung der Frauen in politischen Organen zu sorgen. Quotenregelungen bewirkten eine Optimierung der Gleichheit im Sinn von Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BV , seien also verfassungsrechtlich abgestützt und in diesem Sinn mit systembedingten Abweichungen von der Wahlgleichheit vergleichbar. Schliesslich vertreten Buser/Poledna die Ansicht, dass Wahlquoten - anders als Quotenregelungen im Erwerbsleben - sich einem Qualifikationsbezug entziehen (vgl. auch Ulrich Häfelin/Walter Haller, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 4. Aufl., Zürich 1998, Rz. 1561d, S. 512). ANDREAS AUER und VINCENT MARTENET kritisieren den Quotenentscheid unter demokratischen und föderalistischen Aspekten (Les quotas, la démocratie et le fédéralisme, SJ 1997, S. 629-659). Sie heben u.a. hervor, dass es in der schweizerischen Doktrin keinen Konsens über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Quotenregelungen gebe und dass die Einführung von Geschlechterquoten in vielen westlichen Demokratien zur Diskussion stehe. Die Entwicklung BGE 125 I 21 S. 29 sei im Fluss. Bei dieser Sachlage hätte sich das Bundesgericht - entsprechend seiner traditionellen Praxis - grosse Zurückhaltung auferlegen und der Verfassungsautonomie der Kantone Rechnung tragen sollen, welche diesen einen weiten Spielraum bei der Handhabung von Art. 4 Abs. 2 BV einräume. d) Im Folgenden sind einige der umstrittenen Punkte aufzugreifen: aa) Im Vordergrund steht die Frage, ob Gleichstellungsmassnahmen im Sinn von Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BV auch Quotensysteme erfassen. In den Erwägungen zum "Solothurner Quotenurteil" wird gesagt, dass die anzustrebende materielle Chancengleichheit auf eine Gleichheit der Startbedingungen und nicht des Resultats abziele (E. 5b). In diesem Zusammenhang wird auch auf die Kalanke-Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) hingewiesen (Urteil vom 17. Oktober 1995 in der Rs. C-450/93, Kalanke, Slg. 1995, S. I-3051 ff. = EuGRZ 1995, S. 546 ff. [zwischenzeitlich wurde diese Rechtsprechung im Urteil vom 11. November 1997 in der Rs. C-409/95, Marschall, Slg. 1997, S. I-6363 = EuGRZ 1997, S. 563 ff. präzisiert]). Diese Hinweise könnten in dem Sinn verstanden werden, das Bundesgericht habe ergebnisbezogene Gleichstellungsmassnahmen generell als mit Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BV unvereinbar erachtet und dem Begriff der materiellen Chancengleichheit eine rein formalrechtliche Tragweite zugemessen (vgl. BGE 108 Ia 22 E. 5b S. 31, wo Folgendes ausgeführt wird: 'Quant à la notion d'égalité des chances, elle n'a, selon le Conseil fédéral, jamais signifié autre chose que: "formellement, les hommes et les femmes doivent être placés dans la même situation juridique" [FF 1980 I p. 124].'). Bei einem solchen Verständnis des Begriffes der Gleichstellung in Satz 2 wären Quotenregelungen wegen ihrer Ergebnisorientiertheit ausgeschlossen; die Frage der Verhältnismässigkeit würde sich gar nicht mehr stellen. Eine solch einschränkende Auslegung liegt dem `Solothurner Quotenentscheid' jedoch nicht zugrunde. Das Bundesgericht war der Auffassung, die Solothurner Initiative gehe unter dem Aspekt der materiellen Chancengleichheit über das Gebotene hinaus, indem sie zeitlich unbefristet eine paritätische Repräsentation der Geschlechter und in diesem Sinn eine Ergebnisgleichheit festschreiben wollte. Dagegen erklärt das bundesgerichtliche Urteil nicht von vornherein alle Quoten für unzulässig, die ein bestimmtes Ergebnis zwingend vorschreiben. Deren Zulässigkeit muss vielmehr im Einzelfall am Massstab des Verhältnismässigkeitsprinzips geprüft werden. HANGARTNER BGE 125 I 21 S. 30 bemerkt in der oben zitierten Urteilsbesprechung, es wäre eine unzulässige Vereinfachung, aus dem Entscheid ableiten zu wollen, Quoten als Massnahme zur Gleichstellung von Frauen (oder von Männern) seien zum Vornherein stets unzulässig (a.a.O., S. 1031). In der Doktrin besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass Gleichstellungsmittel im Sinn von Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BV ergebnisbezogene Massnahmen einschliessen (Georg Müller, Kommentar zur Bundesverfassung, Art. 4, Rz. 137b und die dortigen Hinweise). Im Folgenden ist daher davon auszugehen, dass Quotenregelungen nicht wegen ihrer Ergebnisbezogenheit generell aus dem Gleichstellungsinstrumentarium ausgeschlossen werden können. bb) Nach allgemeiner Auffassung bildet - wie gesagt - Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BV den verfassungsrechtlichen Ansatzpunkt für Quotenregelungen (GEORG MÜLLER, BV-Kommentar, Art. 4 Rz. 137b; derselbe, Quotenregelungen - Rechtssetzung im Spannungsfeld von Gleichheit und Verhältnismässigkeit, ZBl 91/1990, S. 306-318, insbes. S. 310; TOMAS POLEDNA, Geschlechterquoten im Wahl- und Parlamentsrecht, in: Frauenförderung durch Quoten, Hrsg. KATHRIN ARIOLI, Basel/Frankfurt a.M. 1997, S. 141 ff.; MARIANNE SCHWANDER CLAUS, Verfassungsmässigkeit von Frauenquoten, Diss. Bern 1995, 37 ff.; DENISE BUSER, Die Zulässigkeit der Quotierung von Parlamentsmandaten, AJP 1994, S. 330-337, insbes. S. 333 ff.; ANDREAS AUER, Les mesures positives et l'art. 4 al. 2 Cst., AJP 1993, S. 1336-1348, insbes. S. 1342 f.; BEATRICE WEBER-DÜRLER, Aktuelle Aspekte der Gleichberechtigung von Mann und Frau, ZBJV 128/1992, S. 357-380, insbes. S. 366; KATHARINA SIMONE ARIOLI, Frauenförderungsmassnahmen im Erwerbsleben unter besonderer Berücksichtigung der Verfassungsmässigkeit von Quotenregelungen, Diss. Zürich 1991, S. 101 ff.; TOMAS POLEDNA/CHRISTINE KAUFMANN, Die parteiinterne Kandidatennomination - ein demokratisches Defizit?, ZBl 90/1989, S. 281-310, insbes. S. 286 ff.; CHARLES-ALBERT MORAND, L'érosion jurisprudentielle du droit fondamental à l'égalité entre hommes et femmes, in: L'égalité entre hommes et femmes: bilan et perspectives, Hrsg. CHARLES-ALBERT MORAND, Lausanne 1988, S. 73-107, insbes. S. 85 ff.; MICHEL ROSSINELLI, Actions positives et égalité des sexes en droit suisse, in: L'égalité entre hommes et femmes, a.a.O., S. 253-270; a.A. ETIENNE GRISEL, a.a.O., S. 539 ff., wonach sich Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BV - ebenso wie Satz 1 - nur auf die formalrechtliche Gleichstellung bezieht). Demgegenüber vertritt CHRISTA TOBLER eine Auslegung von Art. 4 Abs. 2 Satz 1 BV , die Raum lässt für eine differenzierende BGE 125 I 21 S. 31 Behandlung der Geschlechter durch Frauenquoten (a.a.O., S. 115 ff.). Die Autorin kritisiert, dass das Bundesgericht den Geschlechtergleichheitssatz im Ansatz als formelle Gleichbehandlung der Geschlechter versteht. Damit lasse sich echte Rechtsgleichheit und mithin das Ziel der seinerzeitigen Verfassungsrevision, nämlich die umfassende Besserstellung der Frau, nicht erreichen (s. Botschaft über die Volksinitiative "Gleiche Rechte für Mann und Frau" vom 14. November 1979, BBl 1980 I 69 ff., insbes. S. 141 f.). Ausgehend von einem materiellen Verständnis der Rechtsgleichheit befürwortet die Autorin eine Änderung der Praxis zu Art. 4 Abs. 2 Satz 1 BV : Danach sollten nicht mehr nur biologische und funktionale Unterschiede eine Ungleichbehandlung rechtfertigen, sondern auch andere tatsächliche Unterschiede als relevant anerkannt werden. Dies führe zu einem materiellen Verständnis der Rechtsgleichheit und ermögliche eine umfassende Förderung der Rechtsgleichheit, einschliesslich positive Massnahmen wie Quoten. Die für eine Praxisänderung angegebenen Gründe (CHRISTA TOBLER, a.a.O., S. 120 ff.) sind nicht zwingend. Das Bundesgericht hat sich bei seiner Auslegung am Willen des historischen Verfassungsgebers orientiert (s. BGE 108 Ia 22 E. 5a S. 29). Dass es dabei die Regelungsabsicht des Gesetzgebers und die darauf beruhenden Wertentscheidungen unzuverlässig ermittelt hätte, kann nicht gesagt werden. Natürlich beruht auch diese Entscheidung auf wertenden Gesichtspunkten, die je nach Standpunkt verschieden ausfallen können. Es ist kein grundlegender Wandel in den Anschauungen zu erkennen, der ein Abrücken von der herkömmlichen Auslegung nahelegt. Es ist daran festzuhalten, dass Art. 4 Abs. 2 Satz 1 BV die absolute Gleichbehandlung von Mann und Frau verlangt, sofern diese nicht durch biologische oder funktionale Gründe ausgeschlossen ist. Das schliesst aber Massnahmen zur umfassenden Verbesserung der Stellung der Frauen in Gesellschaft und Politik keineswegs aus: Die Beurteilung einer konkreten Gleichstellungsmassnahme muss immer anhand von Art. 4 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 erfolgen, d.h. der materielle Gleichstellungsauftrag muss als gleichwertiger Bestandteil von Art. 4 Abs. 2 BV gesehen werden und darf nicht etwa als Ausnahmebestimmung betrachtet und deshalb restriktiv interpretiert werden. Eine angemessene Massnahme zur Verwirklichung der tatsächlichen Gleichstellung stellt daher keine verfassungswidrige Diskriminierung dar (vgl. Art. 3 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 24. März 1995 über die Gleichstellung von Frau und Mann [SR 151; GlG]). BGE 125 I 21 S. 32 cc) Bei diesem Verständnis der Geschlechtergleichheit stehen Satz 1 und Satz 2 von Art. 4 Abs. 2 BV in einem Spannungsverhältnis. Positive Gleichstellungsmassnahmen können mit dem Gebot der formalrechtlichen Gleichstellung in Konflikt geraten. Aus der Verfassung lässt sich kein prinzipieller Vorrang für den einen oder anderen Teilgehalt von Art. 4 Abs. 2 BV herleiten. Das Bundesgericht hat im "Solothurner-Quotenurteil" anerkannt, dass das Spannungsverhältnis durch eine Abwägung der Interessen aufzulösen ist ( BGE 123 I 152 E. 3b S. 157 ff.). Dabei kommt dem Verhältnismässigkeitsprinzip entscheidende Bedeutung zu. Das Bundesgericht steht somit im Einklang mit der vorherrschenden Doktrin, die sich mehrheitlich am System der "praktischen Konkordanz" orientiert (GEORG MÜLLER, BV-Kommentar, Art. 4 Rz. 137c; derselbe, Quotenregelungen, S. 310 ff.; YVO HANGARTNER, Grundzüge des schweizerischen Staatsrechts, Band II, Zürich 1982, S. 190; ULRICH HÄFELIN/WALTER HALLER, a.a.O., Rz. 1561b f., S. 511 f.; POLEDNA, Geschlechterquoten im Wahl- und Parlamentsrecht, a.a.O., S. 142 ff.; SCHWANDER CLAUS, a.a.O., S. 73 ff.; AUER, a.a.O., S. 1345 ff. [der allerdings auf die Anwendungsschwierigkeiten hinweist und die Bedeutung des Verhältnismässigkeitsprinzips relativiert]; WEBER-DÜRLER, a.a.O., S. 369; ARIOLI, a.a.O., S. 125 ff.). Aus dem Prinzip der praktischen Konkordanz folgt, dass keines der entgegenstehenden Prinzipien und der darin zum Ausdruck kommenden Anliegen völlig zu Lasten des anderen verwirklicht werden darf (vgl. GEORG MÜLLER, BV-Kommentar, Art. 4 Rz. 137c mit Hinweis auf Konrad Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 19. Aufl., Heidelberg 1993, Rz. 72). dd) Im Schrifttum wird dem Prinzip der praktischen Konkordanz nicht nur im Verhältnis von Satz 1 und Satz 2 von Art. 4 Abs. 2 BV Bedeutung zugemessen, sondern auch in Bezug auf andere verfassungsrechtliche Grundsätze, wie z.B. diejenigen über die politischen Rechte (POLEDNA, Geschlechterquoten im Wahl- und Parlamentsrecht, a.a.O., S. 144 f.). Im "Solothurner-Quotenurteil" hat das Bundesgericht indessen entschieden, dass Quotenvorgaben die Prinzipien der allgemeinen, freien und gleichen Wahl einschränken, dass solche Einschränkungen nur zulässig seien, um ein Wahlsystem zu verwirklichen, und dass Quotierungen keine wahlsystembedingten Abweichungen darstellen und deshalb unzulässig seien: Es sei grundsätzlich unzulässig, das Geschlecht zum determinierenden Wahlkriterium zu erheben ( BGE 123 I 152 E. 8 S. 173 f.). In der Literatur ist diese Auffassung - wie bereits ausgeführt worden ist - BGE 125 I 21 S. 33 auf Kritik gestossen. Es sei nicht erklärbar, weshalb allein wahlsystembedingte Eingriffe in die Wahlrechtsgleichheit verfassungsrechtlich Bestand haben sollen, obwohl diese (im Gegensatz zum Gleichstellungsauftrag) nicht verfassungsrechtlich vorgegeben seien (POLEDNA/BUSER, a.a.O., S. 986). Sodann habe das Bundesgericht den weiten Spielraum der Kantone bei der Ausgestaltung ihrer Verfassung und insbesondere ihres Wahlrechts missachtet (POLEDNA/BUSER, a.a.O., S. 986; AUER/MARTENET, a.a.O., S. 641 ff.). Die Stimmrechtsfreiheit und die Wahlrechtsgleichheit stellen fundamentale Prinzipien des demokratischen Staatswesens dar, die nur aus gewichtigen, zwingenden Gründen eingeschränkt werden dürfen. Nur einzelne wenige spezifische Elemente können im Bereich der politischen Rechte eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen ( BGE 124 I 55 E. 5a S. 62 unter Berufung auf ARTHUR HAEFLIGER, Alle Schweizer sind vor dem Gesetz gleich, Bern 1985, S. 57); in der Literatur wird daher von einem "absoluten" oder "strengen" Gleichheitsgrundsatz im Bereich des Stimmrechts gesprochen (vgl. FRITZ FLEINER/ZACCARIA GIACOMETTI, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, Zürich 1949, S. 407; HÄFELIN/HALLER, a.a.O., Rz. 1568, S. 514; YVO HANGARTNER, Grundzüge des schweizerischen Staatsrechts, S. 180; TOMAS POLEDNA, Wahlrechtsgrundsätze und kantonale Parlamentswahlen, Diss. Zürich 1988, S. 5 ff. und S. 23 ff. unter Hinweis auf Art. 4 Abs. 1 BV ). Dem Grundsatz der Zählwertgleichheit kommt unstreitig absoluter Charakter zu: Jedem Wähler steht ausnahmslos die gleiche Anzahl von Stimmen zu; Unterscheidungen nach Bildung, Geschlecht, Einkommen, Besitz, Wohnsitz oder anderen subjektiven Merkmalen sind ausgeschlossen (POLEDNA, Wahlrechtsgrundsätze, S. 26 mit weiteren Literaturnachweisen). Dagegen lässt die bundesgerichtliche Rechtsprechung gewisse Einschränkungen der Stimmkrafts- und der Erfolgswertgleichheit (bei Proporzwahlen) unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit und aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses zu (vgl. BGE 123 I 97 E. 4b S. 105). Dabei können - was einzuräumen ist - auch Gründe in Betracht fallen, die nur in einem weiten Sinne wahlsystembedingt sind, wie z.B. der Schutz regionaler oder sprachlicher Minderheiten (vgl. etwa den in Art. 84 Abs. 2 und Art. 85 der Berner Verfassung dem Berner Jura garantierten Sitz im Regierungsrat). Wegen des hohen Stellenwertes der betroffenen politischen Rechte sind solche Einschränkungen allerdings nur mit grösster Zurückhaltung anzuerkennen. BGE 125 I 21 S. 34 Im Solothurner Quotenfall hat das Bundesgericht entschieden, dass die quotenmässige Zuteilung von Volkswahl-Mandaten eine unzulässige Einschränkung des freien und gleichen Wahlrechts darstellt. Derartige Quotenregelungen greifen in höherem Masse in die Wahlfreiheit und -gleichheit ein als andere Modalitäten des Wahlsystems und sind daher als verfassungswidrig zu betrachten. An dieser erst vor kurzem begründeten Praxis ist festzuhalten. 4. a) Nebst Art. 4 Abs. 2 BV fällt auch Art. 25 UNO-Pakt II ins Blickfeld. Danach hat jeder Staatsbürger das Recht und die Möglichkeit, ohne Unterschied nach den in Art. 2 des Pakts genannten Merkmalen (namentlich des Geschlechts) und ohne unangemessene Einschränkung "bei echten, wiederkehrenden, allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlen, bei denen die freie Äusserung des Wählerwillens gewährleistet ist, zu wählen und gewählt zu werden" (lit. b) und "unter allgemeinen Gesichtspunkten der Gleichheit zu öffentlichen Ämtern seines Landes Zugang zu haben" (lit. c). Art. 3 des Pakts verpflichtet die Vertragsstaaten, die Gleichberechtigung von Mann und Frau bei der Ausübung aller im Pakt festgelegten bürgerlichen und politischen Rechte sicherzustellen. Darüber hinaus enthält Art. 26 des Pakts ein allgemeines Diskriminierungsverbot. Diese Bestimmungen schliessen allerdings "positive Diskriminierungen" zur Gleichstellung benachteiligter Bevölkerungsschichten nicht aus. Derartige Massnahmen werden als zulässig betrachtet, solange sie angemessen sind und nur vorübergehend Geltung haben (MANFRED NOWAK, UNO-Pakt über bürgerliche und politische Rechte und Fakultativprotokoll: CCPR-Kommentar, Kehl, Strassburg, Arlington 1989, Rz. 35 zu Art. 25 UNO-Pakt II , S. 484; WALTER KÄLIN/GIORGIO MALINVERNI/MANFRED NOWAK, Die Schweiz und die UNO-Menschenrechtspakte, 2. Auflage, Basel/Frankfurt a.M. 1997, S. 229; TOMAS POLEDNA, Geschlechterquoten im Wahl- und Parlamentsrecht, a.a.O., S. 148 f.; ASTRID EPINEY/NORA RAFAEIL: Chancengleichheit: ein teilbarer Begriff, AJP 1996, S. 179 - 187, insbes. S. 185; vgl. auch Ausschuss für Menschenrechte, Allgemeine Bemerkungen 4[13] (1981) und 18[37] (1989) zu positiven Massnahmen zugunsten benachteiligter Gruppen, abgedruckt in: KÄLIN/ MALINVERNI/NOWAK, a.a.O., S. 359 f. und S. 399 ff., insbes. S. 402, sowie Entscheid des Menschenrechtsausschusses vom 9. Juli 1987 i.S. R. Stalla Costa v. Uruguay, deutsche Übersetzung in EuGRZ 1989 S. 123, zur bevorzugten Einstellung von Opfern der Militärdiktatur im öffentlichen Dienst). b) Diese Auslegung wird durch das UNO-Übereinkommen vom BGE 125 I 21 S. 35 18. Dezember 1979 zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau bestätigt, das den Pakt konkretisiert und ergänzt. Das Übereinkommen ist für die Schweiz am 26. April 1997 in Kraft getreten, wurde allerdings (entgegen Art. 2 lit. a und 6 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Gesetzessammlungen und das Bundesblatt vom 21. März 1986 [Publikationsgesetz; PublG.; SR 170.512]) noch nicht in der Amtlichen Sammlung des Bundesrechts veröffentlicht (was im Lichte von Art. 10 Abs. 1 PublG . bedenklich ist). Es verpflichtet die Vertragsstaaten, auf allen Gebieten, insbesondere auf politischem, sozialem, wirtschaftlichem und kulturellen Gebiet, alle geeigneten Massnahmen zur Sicherung der vollen Entfaltung und Förderung der Frau zu ergreifen, damit gewährleistet wird, dass sie die Menschenrechte und Grundfreiheiten gleichberechtigt mit dem Mann ausüben und geniessen kann (Art. 3). Die Vertragsstaaten sichern zu, durch gesetzgeberische und sonstige Massnahmen für die tatsächliche Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichberechtigung von Mann und Frau zu sorgen (Art. 2 lit. a in fine) und jede Diskriminierung der Frau zu verbieten (Art. 2 lit. b). Die Vertragsstaaten verpflichten sich insbesondere, alle geeigneten Massnahmen zur Beseitigung der Diskriminierung der Frau im politischen und öffentlichen Leben ihres Landes zu treffen (Art. 7); sie gewährleisten insbesondere allen Frauen in gleicher Weise wie den Männern das Stimmrecht bei allen Wahlen und Volksabstimmungen sowie das passive Wahlrecht für alle öffentlich gewählten Gremien (lit. a), das Recht auf Mitwirkung an der Ausarbeitung der Regierungspolitik und deren Durchführung sowie auf Bekleidung öffentlicher Ämter und auf Wahrnehmung aller öffentlichen Aufgaben auf allen Ebenen staatlicher Tätigkeit (lit. b). Art. 4 Abs. 1 des Übereinkommens stellt klar, dass die Vertragsstaaten hierzu zeitweilig auch gleichheitsdurchbrechende Massnahmen (`Sondermassnahmen') ergreifen dürfen. Derartige Massnahmen zur beschleunigten Herbeiführung der De-facto-Gleichberechtigung von Mann und Frau gelten nicht als Diskriminierung im Sinne des Übereinkommens. Sie dürfen allerdings keinesfalls die Beibehaltung ungleicher oder gesonderter Massstäbe zur Folge haben und müssen aufgehoben werden, sobald die Ziele der Chancengleichheit und der Gleichbehandlung erreicht sind. Der vom Übereinkommen eingesetzte Ausschuss für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau hat die Mitgliedstaaten in einer allgemeinen Empfehlung aufgefordert, vermehrt von zeitlich befristeten Sondermassnahmen - wie beispielsweise Vorzugsbehandlungen oder Quoten-Systemen - Gebrauch BGE 125 I 21 S. 36 zu machen, um die Integration der Frauen namentlich im Bereich der Politik zu fördern (Allgemeine Empfehlung Nr. 5, 7. Session, 1988, abgedruckt in: Lars Adam Rehof, Guide to the Travaux Préparatoires of the United Nations Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women, Dordrecht/Boston/ London, 1993, S. 308; vgl. auch Botschaft des Bundesrates vom 23. August 1995 betreffend das Übereinkommen von 1979 zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau, BBl 1995 IV 934). Das Übereinkommen enthält diesbezüglich aber keine konkrete Verpflichtung, sondern überlässt den Vertragsstaaten die Wahl der Mittel, mit denen sie die Untervertretung von Frauen im politischen und öffentlichen Leben beheben wollen (CHRISTINA HAUSAMMANN/ERIKA SCHLÄPPI: Menschenrechte und Frauenrechte: Das UNO-Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau und seine Bedeutung für die Schweiz, AJP 1995, S. 32-46, insbes. S. 38 und 44; Botschaft des Bundesrates, BBl 1995 IV S. 941). 5. Die vorliegende Quoteninitiative ist im Lichte der obigen Rechtserörterungen zu prüfen. Sie trifft eine Quotenregelung für: a) Behörden und Kommissionen, die direkt vom Volk gewählt werden; b) Behörden und Kommissionen, die nur indirekt vom Volk gewählt werden; c) Landratswahlen. Die Zulässigkeit einer Quotierung ist für jede der drei Kategorien einzeln zu prüfen, weil sich unterschiedliche Fragen stellen und nicht überall dieselben Kriterien massgebend sind. a) Abs. 1 des vorgeschlagenen Art. 75bis KV sieht u.a. eine Quotenregelung für die Organe vor, die vom Volk gewählt werden. Satz 1 statuiert die annähernd hälftige Vertretung beider Geschlechter. Satz 2 schreibt als Minimalziel vor, dass jedes Geschlecht mindestens zu einem Drittel vertreten sein muss. Von dieser Regelung sind die Landratswahlen ausgenommen, für welche ausschliesslich die besonderen Vorschriften der Absätze 2 und 3 gelten. Nach dem in E. 3d/dd Gesagten sind Quotenvorgaben für die Zuteilung von Volkswahl-Mandaten grundsätzlich unzulässig. Dies gilt auch für die von der Wahlchancen-Initiative erfassten Volkswahlen. In dieser Hinsicht sind die politischen Rechte der Beschwerdeführerinnen durch den angefochtenen Entscheid des Landrates nicht verletzt worden. Man kann sich allerdings fragen, ob der erste Satz von Art. 75bis Abs. 1 KV nicht Bestand haben könnte. Die annähernd BGE 125 I 21 S. 37 paritätische Repräsentation wird lediglich als Ziel formuliert, ohne einen unmittelbaren Rechtsanspruch auf eine bestimmte Vertretung zu begründen. Dies ist - auch unter dem Blickwinkel der politischen Rechte - mit einer starren Quotenregelung nicht vergleichbar. Wie es sich damit verhält, kann aber vorliegend offen bleiben. Die Zielnorm (Satz 1) und der vorgeschriebene Mindestvertretungsanteil (Satz 2) bilden eine einheitliche Regelung. Erweist sich der eine Teil als verfassungswidrig, macht es wenig Sinn, den anderen Teil zu belassen. Der angefochtene Entscheid ist somit zu schützen, soweit er sich auf Volkswahlen gemäss Art. 75bis Abs. 1 der Wahlchancen-Initiative sowie die dazugehörige Übergangsbestimmung (Abs. 2) bezieht. b) Anders zu beurteilen ist dagegen die Regelung in Art. 75bis Abs. 1, soweit es um die Wahl von Behörden und Kommissionen durch vom Volk gewählte Organe geht. Bei diesen Wahlen wird die Wahl- und Abstimmungsfreiheit nicht berührt. Das Stimmrecht schützt nur diejenigen politischen Rechte, die dem Bürger eine direkte Mitwirkung an der politischen Willensbildung ermöglichen, sei es durch die Unterzeichnung von Referendums- und Initiativbegehren oder durch die Teilnahme an Wahlen und Abstimmungen, nicht aber die besonderen Befugnisse, die einem Bürger als Behörde- oder Parlamentsmitglied zustehen (Bundesgerichtsurteil vom 4. Oktober 1978, publ. im ZBl 80/1979 S. 74 E. 1a mit Hinweisen; vgl. auch GEORG MÜLLER, Quotenregelungen, a.a.O., S. 315 a.E.). Demzufolge ist aufgrund einer Verhältnismässigkeitsprüfung zu beurteilen, ob die Quotenregelung für Behördenwahlen im Hinblick auf Art. 4 Abs. 2 Satz 1 BV gerechtfertigt werden kann. aa) Nach den Darlegungen der Beschwerdeführerinnen sind die Frauen in zahlreichen Behörden und Kommissionen stark untervertreten. Zwar erreicht der Frauenanteil in vielen Gremien ein Drittel und mehr, insgesamt ist jedoch den Beschwerdeführerinnen beizupflichten und von einer erheblichen Unterrepräsentanz auszugehen. Diese lässt auf eine faktische Benachteiligung der Frauen im öffentlichen und politischen Leben des Kantons schliessen. Zum Abbau der Benachteiligung sind Gleichstellungsmassnahmen angezeigt ( Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BV ; Art. 7 i.V.m. Art. 3 UNO-Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau). Diesem Ziel dient die vorliegende Quotenregelung. Eine verfassungskonforme Auslegung ermöglicht auch hier, in Satz 1 des vorgeschlagenen Art. 75bis KV eine Zielnorm zu erblicken, die lediglich eine Richtschnur festlegt, welche den Wahlbehörden für BGE 125 I 21 S. 38 Differenzierungen Raum lässt. Hingegen darf der in Satz 2 garantierte Drittelsanteil nicht unterschritten werden. Die Wahlbehörden können - unter dem Vorbehalt der Mindestvertretungsgarantie - aus nachvollziehbaren Gründen vom allgemeinen Ziel des annähernden Geschlechtergleichgewichts abweichen, so etwa dann, wenn nicht genügend geeignete Kandidatinnen zur Verfügung stehen. Dies kann so weit gehen, dass ein Geschlecht mit zwei Dritteln und das andere mit nur einem Drittel vertreten ist. Es besteht somit nur in Bezug auf die Mindestanteilgarantie eine starre Quote. Diese verunmöglicht keineswegs eine Auswahl nach Leistungs- und Eignungskriterien. Wird die Minimalgrenze von einem Drittel unterschritten, ist dies vielmehr ein Indiz dafür, dass traditionelle Rollenvorstellungen den Ausschlag gegeben haben, deren Überwindung Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BV gerade bezweckt. In diesem Sinn kann die vorgeschlagene Mindestquote als ergebnisbezogene Regelung verstanden werden, die geeignet ist, eine gewisse materielle Chancengleichheit herzustellen. bb) Ist trotz bestehender formalrechtlicher Gleichheit der Frauenanteil tief geblieben, können sich Quotierungen rechtfertigen. Bei einer Quotenhöhe von einem Drittel muss eher von einer milden Massnahme gesprochen werden. Überdies sieht Abs. 1 der Übergangsbestimmungen vor, dass der Mindestanteil nicht sofort erreicht werden muss; vielmehr hat das unterrepräsentierte Geschlecht lediglich Anspruch auf jede zweite Nachfolge durch Ersatzwahlen. Weniger eingreifende Massnahmen, die ebenso geeignet wären, sind nicht offenkundig. Unter diesen Umständen kann die Erforderlichkeit der vorgeschlagenen Gleichstellungsmassnahme nicht verneint werden. In diesem Zusammenhang ist ein gewisser Ermessensspielraum des kantonalen Verfassungsgebers anzuerkennen. Ihm obliegt letztlich der Entscheid, ob er Quoten für ein angemessenes Mittel zur Gleichstellung der Frauen im politischen Bereich hält oder nicht. cc) Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit im engen Sinn hielt der Landrat die vorgesehene Quotenregelung auch wegen der fehlenden Befristung für unzulässig. Dieser Einwand ist nicht stichhaltig. Die Quotenregelung greift nur zwingend ein, wenn der Mindestanteil von einem Drittel unterschritten wird. Es ist davon auszugehen, dass ein solcher Mindestanteil sich nach Abbau der noch bestehenden Hindernisse für eine gleichberechtigte Teilnahme der Frauen am politischen Leben von selbst einstellen und die Quotenvorgabe somit gegenstandslos werden wird. Insoweit kommt ihr ohnehin eine limitierte Wirkung zu, weshalb eine zeitliche BGE 125 I 21 S. 39 Befristung unter dem Blickwinkel der Verhältnismässigkeit nicht in Betracht gezogen werden muss. Die vorgesehene Übergangslösung verhindert sodann - anders als im Solothurner Quotenfall -, dass Männer auf Jahre hinaus bei Ersatzwahlen nicht berücksichtigt werden könnten und hat somit nicht zur Folge, dass Männern der Zugang zu gewissen Ämtern oder Kommissionen jahrzehntelang versperrt wäre. dd) Insgesamt kann der Quotenregelung für Behördenwahlen die Verhältnismässigkeit nicht abgesprochen werden, so dass sie keine Diskriminierung im Sinn von Art. 4 Abs. 2 Satz 1 BV darstellt. c) Für die Landratswahlen sind drei Regelungen zu unterscheiden. In den Gemeinden, in denen nach dem Proporzsystem gewählt wird (d.h. denen drei oder mehr Landräte zustehen; vgl. Art. 88 Abs. 1 KV/UR ), sieht die Wahlchancen-Initiative eine Wahlvorschlagsquotierung vor: Die zahlenmässige Differenz zwischen Frauen und Männern auf den gedruckten Wahllisten darf höchstens eins betragen (Abs. 2 des vorgeschlagenen Art. 75bis KV). In Gemeinden mit zwei Sitzen, in denen das System der Mehrheitswahl gilt ( Art. 88 Abs. 1 KV/UR ), sind je eine Frau und ein Mann zu wählen (Abs. 3). Keine Vorschriften bestehen für Einerwahlkreise (Abs. 3). Die Einführung der Wahlvorschlagsquotierung soll stufenweise erfolgen; Abs. 3 der Übergangsbestimmungen setzt für die erste Gesamterneuerungswahl nach Annahme der Initiative den Mindestgeschlechteranteil auf den Wahllisten auf 30% fest. Für die Zweierwahlkreise statuiert die Initiative eine Geschlechterparität, was nach dem oben Dargelegten (E. 3d/dd) unzulässig ist. In Bezug auf Abs. 3 der Wahlchancen-Initiative ist der angefochtene Entscheid deshalb nicht zu beanstanden. Der erste Satz von Abs. 3 ist zwar - für sich allein - unbedenklich; er hat aber keine selbständige Bedeutung, weshalb die Ungültigerklärung zu Recht den ganzen Absatz umfasst. Es bleibt somit lediglich zu prüfen, ob sich die Wahlvorschlagsquotierung bei Proporzwahlen als zulässig erweist. Diese Art Quote sichert keine bestimmte Anzahl von Sitzen im Landrat zu. Sie erhöht einzig die Nominierungschancen des untervertretenen Geschlechts. Inwieweit beide Geschlechter im Landrat repräsentiert sind, hängt von der Wahlentscheidung der Stimmberechtigten ab. Da Art. 75bis Abs. 1 Satz 2 KV auf die Landratswahlen nicht anwendbar ist, kann der Frauenanteil im Landrat im Ergebnis sogar unter einem Drittel liegen. Nominationsquoten gelten allgemein als mildeste Form der Wahlquote. Im "Solothurner-Quotenurteil" hat das Bundesgericht BGE 125 I 21 S. 40 durchblicken lassen, dass die Wahlrechtsgrundsätze Massnahmen der Wahllistengestaltung nicht von vornherein ausschliessen ( BGE 123 I 152 E. 6 S. 167 f.). Nominationsquoten wirken sich auf einer anderen Stufe aus als Mandatsquoten. Freilich erfassen die Wahlrechtsgrundsätze auch die Phase der Wahlvorbereitung und mithin das Nominationsverfahren (vgl. BGE 121 I 138 E. 3 S. 141 f. mit Hinweisen). Betroffen sind die passive Wahlgleichheit der Kandidierenden, die Wahlvorschlagsfreiheit der Stimmberechtigten und der Parteien und die Auswahlfreiheit der Stimmenden (s. DENISE BUSER, Verfassungskonforme Quoten für Volkswahl-Mandate, in: Frauenförderung durch Quoten, Hrsg. KATHRIN ARIOLI, Basel/Frankfurt a.M. 1997, S. 187-230, insbes. S. 208). Das Mass der Betroffenheit hängt davon ab, wie das Wahlsystem im Einzelnen ausgestaltet ist. aa) Die Verhältniswahl des Urner Landrates ist im Proporzgesetz vom 3. März 1991 (ProporzG) geregelt. Dieses sieht ein System konkurrierender, freier Listen vor, wie es die meisten schweizerischen Kantone kennen (vgl. PIERRE GARRONE, L'élection populaire en Suisse, Diss. Genève 1991, S. 179 ff.). Wahlvorschläge können von mindestens 15 in der Gemeinde wohnhaften stimmberechtigten Personen eingereicht werden (Art. 2). Sie dürfen höchstens so viele Namen enthalten als in der Gemeinde Landräte zu wählen sind (Art. 4 Abs. 1). Eine stimmberechtigte Person darf nicht mehr als einen Wahlvorschlag unterzeichnen (Art. 6 Abs. 2). Die bereinigten Wahlvorschläge heissen Listen (Art. 12 Abs. 1). Zwei oder mehrere Listen können durch übereinstimmende Erklärungen ihrer Vertreter miteinander verbunden werden (Art. 13 Abs. 1). Wählbar ist nur, wer auf einer Wahlliste steht (Art. 17 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 2). Die Gemeinde stellt den Stimmberechtigten neben den Wahllisten auch einen amtlichen Wahlzettel ohne Vordruck zu (Art. 15 Abs. 1 und 2). Darauf kann der Wähler nach Belieben Namen von Kandidaten verschiedener Wahllisten eintragen (Art. 17 Abs. 1). Wähler, die vorgedruckte Wahllisten benutzen, können einzelne Kandidatennamen streichen und Kandidatennamen aus anderen Listen eintragen (panaschieren; vgl. Art. 17 Abs. 2). Art. 17 Abs. 3 ProporzG gestattet, den Namen des gleichen Kandidaten auf dem Wahlzettel zweimal aufzuführen (kumulieren). bb) Die passive Wahlgleichheit kann insofern betroffen sein, als nach Ausschöpfung der Quote auf einer Liste Kandidierende des betreffenden Geschlechts nicht mehr berücksichtigt werden können. Indessen besteht ohne weiteres die Möglichkeit, auf einer anderen BGE 125 I 21 S. 41 Liste zu kandidieren. Dies wird dadurch erleichtert, dass schon eine kleine Anzahl Stimmberechtigte einen Wahlvorschlag einreichen kann und das Urner Wahlrecht die Listenverbindung gestattet. Allerdings gibt es in der Regel mehr kandidaturwillige Männer als Frauen. Kandidaturwillige Männer müssen daher unter Umständen eher zurücktreten als mitkonkurrierende Frauen. Die schlechteren Ausgangschancen von Frauen beruhen jedoch zum Teil auf frauenspezifischen Hindernissen (vgl. Bericht der Eidgenössischen Kommission für Frauenfragen: Viel erreicht - wenig verändert? Zur Situation der Frauen in der Schweiz, Bern 1995, S. 48), deren Abbau Nominationsquoten gerade bezwecken. Die Verringerung der Nominierungschancen der Männer ist die notwendige Konsequenz der gewollten Verbesserung der Chancen der Frauen. Nominationsquoten tangieren die passive Wahlgleichheit nach dem Gesagten nur marginal. Desgleichen erfährt die Wahlvorschlagsfreiheit der Stimmberechtigten und der Parteien (Vereinsfreiheit) angesichts der Ausgestaltung des Urner Wahlrechts keine wesentliche Einschränkung. Die Auswahlfreiheit der Stimmenden ist ohnehin durch das System der Listenwahl beschränkt, wonach nur ein gültig nominierter Kandidat wählbar ist. In der Praxis werden die Wahlvorschläge in aller Regel von den Parteien ohne Mitwirkung der übrigen Stimmberechtigten ausgearbeitet. Es lässt sich argumentieren, dass Nominationsquoten, welche die faktische Diskriminierung von Frauen im politischen Bereich durch Vorgaben für das parteiinterne Auswahlverfahren ausgleichen sollen, gerade dadurch eine diskriminationsfreie Auswahl durch die Stimmberechtigten ermöglichen. cc) Wahlvorschlagsquoten sind geeignete Gleichstellungsmassnahmen. Zwar sichern sie dem unterrepräsentierten Geschlecht keine Mandate zu, sie erhöhen aber deren Wahlchancen. Im Wahljahr 1996 zählte der 64-köpfige Landrat nur 10 Landrätinnen, was einem Anteil von 16% entspricht (im Wahljahr 1980: 1; 1984: 2; 1988: 6; 1992: 8). Mit diesem relativ tiefen Anteil lässt sich grundsätzlich die Erforderlichkeit von Wahlvorschlagsquotierungen begründen. Dabei ist, wie bereits gesagt wurde (vgl. oben, E. 5b/bb), ein gewisser Spielraum des kantonalen Verfassungsgebers anzuerkennen. Bei der Erforderlichkeitsprüfung ist auch die Quotenhöhe zu berücksichtigen. Diese erscheint auf den ersten Blick relativ hoch - in den Proporzgemeinden mit einer geraden Anzahl Landratssitze läuft Art. 75bis Abs. 2 KV auf eine 50%-Quote hinaus. Die Erfahrungen seit 1971 haben jedoch gezeigt, dass die Wahlchancen der BGE 125 I 21 S. 42 Frauen schlechter sind als die der Männer (RUTH VOGGENSBERGER, Frauenpartizipation, Wahlaspekte und Quotenregelungen für Kantonsparlamente: eine Annäherung von zwei Seiten, in: Frauenförderung durch Quoten, Hrsg. KATHRIN ARIOLI, Basel/Frankfurt a.M. 1997, S. 231-278, insbes. S. 240 ff.; Bericht der Eidgenössischen Kommission für Frauenfragen: Viel erreicht - wenig verändert, a.a.O., S. 48). Die Wahlvorschlagsquote muss somit, soll sie überhaupt wirksam werden, über der angestrebten Mindestrepräsentation der Frauen und damit nicht weit von der Parität entfernt liegen (vgl. BUSER, Verfassungskonforme Quoten, a.a.O., S. 213; VOGGENSBERGER, a.a.O., S. 262). Es kann daher nicht ohne weiteres gesagt werden, mit einer tieferen Quotenhöhe und somit milderen Massnahme könne das Ziel der Gleichstellungsmassnahme ebenso gut erreicht werden. dd) Angesichts der Ausgestaltung des Wahlsystems und des Umstandes, dass Wahlvorschlagsquoten an sich eine milde Gleichstellungsmassnahme darstellen, kann der Initiative in diesem Punkt die Verhältnismässigkeit im engeren Sinn nicht abgesprochen werden. Dies gilt umso mehr, als Abs. 3 der Übergangsbestimmungen eine stufenweise Einführung ermöglicht. Insgesamt erscheint Abs. 2 des vorgeschlagenen Art. 75bis KV vor Art. 4 Abs. 2 Satz 1 BV als gerechtfertigt. 6. Im Sinne eines Zwischenergebnisses ist festzuhalten, dass die Quote für Wahlen durch (vom Volk gewählte) Behörden sowie die Wahlvorschlagsquote für die Landratswahlen in den Proporzgemeinden unter dem Blickwinkel von Art. 4 Abs. 2 BV nicht zu beanstanden sind. Nach Auffassung der kantonalen Behörden stehen diese Quoten auch in Widerspruch zu Art. 25 UNO-Pakt II . Diese Bestimmung und das sie konkretisierende UNO-Übereinkommen vom 18. Dezember 1979 schliessen - wie oben in E. 4 ausgeführt worden ist - positive Gleichstellungsmassnahmen und insbesondere auch Quotensysteme nicht aus. Diese müssen allerdings angemessen und vorübergehend sein. Dass die vorliegenden Quotenregelungen auch im Sinn von Art. 25 UNO-Pakt II angemessen sind, bedarf keiner weiteren Begründung. Fraglich ist dagegen, ob die von ihrem Wortlaut zeitlich unbefristeten Quoten der Chancengleichheits-Initiative "vorübergehende" Massnahmen in diesem Sinne darstellen. a) Art. 4 Abs. 1 des UNO-Übereinkommens vom 18. Dezember 1979 zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau spricht von "zeitweiligen Sondermassnahmen", welche keinesfalls BGE 125 I 21 S. 43 die Beibehaltung ungleicher oder gesonderter Massnahmen zur Folge haben dürfen und aufgehoben werden müssen, sobald die Ziele der Chancengleichheit und der Gleichbehandlung erreicht sind. Daraus ergibt sich, dass die zeitliche Begrenzung der Massnahmen nicht unbedingt in Form einer Befristung der Gültigkeitsdauer erfolgen muss, sondern es genügt, wenn die Massnahmen aufgehoben werden, sobald sie ihr Ziel erreicht haben. Das gilt insbesondere dann, wenn nicht voraussehbar ist, wieviel Zeit der Abbau der Benachteiligung des unterrepräsentierten Geschlechts in Anspruch nehmen wird (in diesem Sinne auch die Botschaft des Bundesrates vom 17. März 1997 zur Volksinitiative "Für eine gerechte Vertretung der Frauen in den Bundesbehörden", BBl 1987 III S. 584 f., sowie ANDREAS AUER, a.a.O., S. 1346 f.). Auch im vorliegenden Fall kann hierüber keine verlässliche Prognose gemacht werden. Es ist sodann bereits gesagt worden (E. 5b/cc), dass einem relativ tiefen Mindestvertretungsanteil - wie er hier für Behördenwahlen vorgesehen wird - gewissermassen eine zeitliche Limitierung innewohnt. b) Konnte somit auf eine Befristung verzichtet werden, ergibt sich doch aus den genannten internationalen Übereinkommen wie auch aus Art. 4 Abs. 2 BV und dem Verhältnismässigkeitsprinzip, dass die Quotenregelung aufgehoben werden muss, wenn die tatsächliche Chancengleichheit der Frauen im politischen Leben des Kantons Uri verwirklicht und eine angemessene Repräsentation der Frauen in Behörden, Kommissionen, Landrat und Regierung auch ohne Quotenvorgaben gewährleistet erscheint. Daraus ergibt sich die Verpflichtung von Regierungsrat und Landrat, periodisch zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung der Quotenregelung noch vorliegen und gegebenenfalls deren Aufhebung zu beantragen bzw. zu beschliessen. Die Initiative ist in diesem Sinne verfassungs- und völkerrechtskonform auszulegen; sie kann in dieser Hinsicht gegebenenfalls vom Gesetzgeber näher ausgeführt und präzisiert werden. 7. a) Nach dem Gesagten erweist sich die Initiative nur teilweise als rechtswidrig: Gegen Art. 4 Abs. 2 Satz 1 BV sowie die Grundsätze des allgemeinen, freien und gleichen Wahlrechts verstossen Art. 75bis Abs. 1, soweit er sich auf vom Volk gewählte Behörden und Kommissionen bezieht, und Abs. 3 Satz 2. Art. 75bis Abs. 3 Satz 1 sowie Abs. 2 der vorgeschlagenen Übergangsbestimmungen werden damit gegenstandslos. Soweit sich Art. 75bis Abs. 1 auf Behörden und Kommissionen bezieht, die von gewählten Organen bestimmt werden, ist er - ebenso wie Abs. 2 und von den Übergangsbestimmungen BGE 125 I 21 S. 44 Abs. 1 und 3 - mit Bundesverfassungs- und Völkerrecht vereinbar. Am Initiativtext dargestellt, ergibt sich folgendes Bild, wobei der in Klammern gesetzte Text die Teile umfasst, deren Ungültigerklärung bestätigt worden ist: "1 Alle Behörden und Kommissionen, die (vom Volk gewählt oder) durch gewählte Organe bestimmt werden, sind annähernd je zur Hälfte mit Frauen und Männern besetzt. Jedes Geschlecht ist jedoch mindestens zu einem Drittel vertreten. Für den Landrat gelten die Vorschriften der Absätze 2 und 3. 2 Bei den Landratswahlen in Gemeinden, in denen nach Proporzsystem gewählt wird, beträgt die zahlenmässige Differenz zwischen Frauen und Männern auf den gedruckten Wahllisten höchstens eins. 3 (Bei den Landratswahlen in Gemeinden, denen nur ein Sitz zusteht, wird eine Kandidatin oder ein Kandidat gewählt. In Gemeinden mit zwei Sitzen werden je eine Frau und ein Mann gewählt.) Übergangsbestimmungen: 1 Nimmt ein gewähltes Organ Ersatzwahlen für eine Behörde oder Kommission vor, hat jedes Geschlecht Anspruch auf jede zweite Nachfolge, bis das Minimalziel von Artikel 75bis Abs. 1 erfüllt ist. 2 (Bei der ersten nach den Bestimmungen von Artikel 75bis durchgeführten Gesamterneuerungswahl von Behörden oder Kommissionen, die vom Volk im Majorz gewählt werden, gilt folgende Ausnahme: Personen, die bereits bisher Mitglieder der gleichen Behörde oder der gleichen Kommission waren und wiedergewählt werden, gelten auch dann als gewählt, wenn das Ziel von Artikel 75bis noch nicht erfüllt ist.) 3 Bei der ersten Gesamterneuerungswahl des Landrates nach Annahme von Artikel 75bis beträgt in den Gemeinden, in denen nach Proporz gewählt wird, der Anteil jedes Geschlechts auf den gedruckten Wahllisten mindestens je 30 Prozent." b) Im Fall von Teilungültigkeit gebietet der Grundsatz der Verhältnismässigkeit, die Initiative nicht als Ganzes für ungültig zu erklären, sofern vernünftigerweise anzunehmen ist, die Unterzeichner der Initiative hätten den gültigen Teil auch unterzeichnet, wenn er ihnen allein unterbreitet worden wäre. Dies ist dann der Fall, wenn der verbleibende Teil der Initiative nicht von untergeordneter Bedeutung ist, sondern noch ein sinnvolles Ganzes im Sinne der ursprünglichen Stossrichtung ergibt, so dass die Initiative nicht ihres wesentlichen Gehaltes beraubt wird ( BGE 121 I 334 E. 2a S. 338; 119 Ia 154 E. 9a S. 165 f. mit Hinweisen). Im vorliegenden Fall zielen alle von der Initiative vorgesehenen Massnahmen darauf ab, die Repräsentation der Frauen im Landrat sowie in Behörden und Kommissionen zu erhöhen. Auch ohne die vorgesehenen Quoten bei Volkswahlen von Behörden und Kommissionen sowie bei Landratswahlen in Gemeinden BGE 125 I 21 S. 45 mit nur zwei Sitzen erscheinen die verbleibenden Massnahmen geeignet, zur Verwirklichung der politischen Gleichstellung der Frauen im Kanton beizutragen. Sie sind auch keineswegs von nur untergeordneter Bedeutung. Das gilt insbesondere für Art. 75bis Abs. 2, werden doch derzeit 50 von 64 Sitzen im Landrat im Proporzwahlsystem besetzt. Unter diesen Umständen ist die Initiative als teilweise gültig zu betrachten und hätte vom Landrat in diesem Umfang zur Abstimmung gebracht werden müssen.
public_law
nan
de
1,998
CH_BGE
CH_BGE_001
CH
Federation
0879f88e-7ee8-4413-aa50-4e5fa4e91168
Urteilskopf 120 V 405 56. Arrêt du 19 décembre 1994 dans la cause M. contre Caisse cantonale genevoise de compensation et Commission cantonale de recours en matière d'AVS, Genève
Regeste Art. 1 Abs. 2 lit. a AHVG und Art. 1 lit. c AHVV , Art. 33 und 37 § 3 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen, Art. 2, 3 und 5 des Abkommens zwischen der schweizerischen Eidgenossenschaft und Spanien über die Soziale Sicherheit: Unterstellung eines spanischen Staatsangehörigen unter die AHV, welcher nacheinander als Chauffeur bei zwei afrikanischen diplomatischen Vertretungen in Genf angestellt war. - Das Befreiungsprivileg von der Zugehörigkeit zur Sozialversicherung erstreckt sich auf die Mitglieder des Dienstpersonals (namentlich auf die Chauffeure) der diplomatischen Mission, welche nicht Angehörige des akkreditierten Staates sind oder die dort nicht ihren ständigen Aufenthaltsort haben (Erw. 3b). - Begriff des ständigen Aufenthaltes (Erw. 4b). Im vorliegenden Fall kein ständiger Aufenthalt in der Schweiz angenommen (Erw. 4c). - Die Mitglieder und Angestellten diplomatischer oder konsularischer Vertretungen, die nicht von Art. 5 des Abkommens zwischen der schweizerischen Eidgenossenschaft und Spanien über Soziale Sicherheit erfasst werden, sind dem Wiener Übereinkommen unterstellt. Gegenüber den Art. 2 und 3 des schweizerisch-spanischen Abkommens gelten die massgebenden Bestimmungen des Wiener Übereinkommens als lex specialis (Erw. 5).
Sachverhalt ab Seite 406 BGE 120 V 405 S. 406 A.- M., de nationalité espagnole, marié, père de trois enfants, a exercé une activité lucrative en Suisse, de 1971 à 1973, au bénéfice d'un permis A (saisonnier). En 1977, il est revenu en Suisse sans être au bénéfice d'une autorisation de travail ou de séjour. Il a trouvé un emploi de chauffeur au service, successivement, de deux missions permanentes auprès des organisations internationales à Genève, tout d'abord la représentation du Gabon, puis la représentation de la République de Côte d'Ivoire, pour laquelle il a travaillé à partir du 16 février 1979. Il a été licencié pour le 30 septembre 1990, à la suite de mesures d'austérité décidées par le gouvernement de la Côte d'Ivoire. Pendant la durée de ces deux engagements, il fut titulaire d'une carte de légitimation (de type E) délivrée par le Département fédéral des affaires étrangères. BGE 120 V 405 S. 407 Durant cette même période, il n'a été affilié à aucun régime de sécurité sociale, ni en Suisse ni à l'étranger. B.- Après son licenciement, M. n'a pas retrouvé d'emploi. Il a obtenu une autorisation de séjour en Suisse (permis B). Le 19 juin 1991, il a demandé à la Caisse cantonale genevoise de compensation de l'affilier aux régimes d'assurances sociales suisses (AVS/AI/APG, assurance-chômage) en tant que salarié d'un employeur non tenu de payer des cotisations, avec effet rétroactif au 1er janvier 1986, soit dans les limites de la péremption quinquennale selon l' art. 16 al. 1 LAVS . Par décision du 20 janvier 1992, la caisse de compensation a rejeté la demande, au motif que l'intéressé, durant la période pour laquelle il demandait à payer des cotisations, bénéficiait des privilèges et immunités diplomatiques et que, de ce fait, il ne pouvait pas être considéré comme faisant partie du cercle des personnes assujetties à l'AVS. C.- Par jugement du 23 juin 1993, la Commission cantonale genevoise de recours en matière d'AVS a rejeté le recours formé contre cette décision par M. D.- Contre ce jugement, M. interjette un recours de droit administratif dans lequel il demande au tribunal de constater qu'il était obligatoirement assuré à l'AVS depuis 1977 et qu'il doit, de ce fait, payer des cotisations sur le revenu qu'il a réalisé dès le 1er janvier 1986. La caisse de compensation conclut au rejet du recours, ce que propose également l'Office fédéral des assurances sociales (OFAS). Erwägungen Considérant en droit: 1. (Pouvoir d'examen) 2. Le litige porte uniquement sur l'assujettissement à l'AVS du recourant pour une période pendant laquelle il était au service d'une mission diplomatique. En effet, après la cessation de ses rapports de travail, à fin septembre 1990, et l'obtention d'un permis B, il est devenu obligatoirement assuré à l'AVS en vertu de l' art. 1er al. 1 let. a LAVS (cf. RCC 1989 p. 398; pour les autres assurances, voir notamment l' art. 1er LAI et l' art. 2 LACI ). 3. a) Selon l' art. 1er al. 2 let. a LAVS , ne sont pas assurés les ressortissants étrangers qui bénéficient de privilèges et d'immunités diplomatiques ou d'exemptions fiscales particulières. L' art. 1er let . c BGE 120 V 405 S. 408 RAVS considère comme tels les membres des délégations étrangères auprès des organisations internationales ayant leur siège en Suisse, ainsi que les familles de ces personnes. L'exemption de la sécurité sociale en vertu des privilèges et immunités diplomatiques repose, en droit international, sur la Convention de Vienne sur les relations diplomatiques, du 18 avril 1961 (RS 0.191.01), ratifiée par la Suisse le 30 octobre 1963, par le Gabon le 2 avril 1964 et par la République de Côte d'Ivoire le 1er octobre 1962. A propos de cette exemption, l'art. 33 de ladite Convention dispose ce qu'il suit: 1. Sous réserve des dispositions du paragraphe 3 du présent article, l'agent diplomatique est, pour ce qui est des services rendus à l'Etat accréditant, exempté des dispositions de sécurité sociale qui peuvent être en vigueur dans l'Etat accréditaire. 2. L'exemption prévue au paragraphe 1 du présent article s'applique également aux domestiques privés qui sont au service exclusif de l'agent diplomatique, à condition: a. Qu'ils ne soient pas ressortissants de l'Etat accréditaire ou n'y aient pas leur résidence permanente; et b. Qu'ils soient soumis aux dispositions de sécurité sociale qui peuvent être en vigueur dans l'Etat accréditant ou dans un Etat tiers. 3. L'agent diplomatique qui a à son service des personnes auxquelles l'exemption prévue au paragraphe 2 du présent article ne s'applique pas doit observer les obligations que les dispositions de sécurité sociale de l'Etat accréditaire imposent à l'employeur. 4. L'exemption prévue aux paragraphes 1 et 2 du présent article n'exclut pas la participation volontaire au régime de sécurité sociale de l'Etat accréditaire pour autant qu'elle est admise par cet Etat. 5. Les dispositions du présent article n'affectent pas les accords bilatéraux ou multilatéraux relatifs à la sécurité sociale qui ont été conclus antérieurement et elles n'empêchent pas la conclusion ultérieure de tels accords. Conformément à une décision du Conseil fédéral du 31 mars 1948/20 mai 1958 (cf. RSDIE 1991, p. 553), le régime des privilèges et immunités diplomatiques s'applique également aux membres des missions permanentes auprès des organisations internationales à Genève, qui jouissent d'un statut analogue à celui des missions diplomatiques établies à Berne. b) Le bénéfice de l'exemption de la sécurité sociale (dite aussi immunité sociale) s'étend aux membres du personnel de service de la mission qui ne BGE 120 V 405 S. 409 sont pas ressortissants de l'Etat accréditaire ou n'y ont pas leur résidence permanente (art. 37 § 3 de la Convention). A l'inverse donc, les ressortissants de l'Etat accréditaire ou les résidents permanents, membres du personnel de service, sont assujettis aux assurances sociales de l'Etat accréditaire (voir la note de la Direction du droit international public du 25 juin 1990, in: CAFLISCH, La pratique suisse en matière de droit international public 1990, RSDIE, 1991 p. 552 ad 7.9); ces ressortissants ou résidents sont traités, en Suisse, comme des salariés dont l'employeur n'est pas tenu de cotiser selon l' art. 6 LAVS (arrêt non publié G. du 17 novembre 1976). En effet, l'obligation d'observer, comme employeur, les dispositions de la sécurité sociale de l'Etat accréditaire n'est applicable à l'agent diplomatique que pour les personnes qui sont à son propre service (art. 33 § 3 de la Convention; voir la communication à ce sujet de la Direction du droit international public à l'OFAS, in: CAFLISCH, La pratique suisse en matière de droit international public 1987, ASDI 1988, p. 241 ss). c) Par "membre du personnel de service", il faut entendre des membres du personnel de la mission employés au service domestique de celle-ci ( art. 1er let . g de la Convention). Il s'agit, notamment, des chauffeurs, des gouvernantes, des jardiniers et des cuisiniers (SALMON, Manuel de droit diplomatique, Bruxelles 1994, no 525; MENÉTREY, Le statut fiscal des représentations diplomatiques et consulaires et de leur personnel, RDAF 1978, p. 88). 4. a) Il y a lieu de constater, tout d'abord, que le recourant n'était pas au service privé d'un agent diplomatique, de sorte que le problème à résoudre ne se pose pas sous l'angle de l'art. 33 § 2 et 3 de la Convention. Il apparaît, en revanche, qu'il faisait partie du personnel de service d'une mission diplomatique au sens des dispositions conventionnelles précitées, comme en atteste d'ailleurs le fait qu'il était titulaire d'une carte de légitimation remise par le Département fédéral des affaires étrangères. Du reste, le recourant n'a jamais manifesté, dans le passé, la volonté de renoncer aux exemptions sociales (et aussi fiscales; cf. art. 37 § 3 de la Convention) dont il bénéficiait. A cet égard, on peut se demander si sa requête d'affiliation rétroactive aux assurances sociales suisses, après de longues années de silence et au moment seulement où le besoin d'une couverture d'assurance se fait sentir de manière concrète (notamment celle de l'assurance-chômage), n'est pas incompatible avec les règles de la bonne foi et si elle ne devait pas, pour ce motif déjà, être rejetée. Compte tenu de ce qui va suivre, il n'est toutefois pas nécessaire BGE 120 V 405 S. 410 d'approfondir cette question. b) Le recourant, de nationalité espagnole, n'est pas ressortissant de l'Etat accréditaire. Dès lors, sauf à considérer qu'il avait sa résidence permanente en Suisse, durant ses deux engagements successifs au service d'une représentation étrangère, on doit admettre qu'il n'était pas assujetti aux régimes de sécurité sociale suisse. A ce propos, le recourant fait valoir qu'il avait acquis, avec les années, une résidence permanente en Suisse à la date à laquelle sa demande d'affiliation à l'AVS devrait normalement prendre effet (1986), car, à cette date, il résidait à Genève depuis pratiquement dix ans. La notion de résidence permanente au sens de la Convention de Vienne n'est, a priori, définie ni dans le droit international ni dans le droit interne suisse. En Suisse, ainsi que dans d'autres pays européens, notamment en Allemagne et en France, on considère comme déterminant, pour décider de la résidence permanente, le moment du recrutement de l'agent; le statut est alors fixé pour toute la durée des fonctions; la durée des fonctions et de résidence dans l'Etat accréditaire ne joue à cet égard pas de rôle (SALMON, op.cit., no 500). Le Tribunal fédéral des assurances a déjà eu l'occasion d'adopter ce point de vue, indirectement tout au moins et dans un autre contexte il est vrai. C'est ainsi qu'il a jugé que les années - même nombreuses - passées en Suisse par un étranger au bénéfice de privilèges et d'immunités diplomatiques ne comptaient pas comme années de résidence au sens des dispositions de conventions bilatérales de sécurité sociale permettant d'étendre conditionnellement aux ressortissants étrangers le bénéfice de l' art. 42 al. 1 LAVS , relatif au droit à une rente extraordinaire de vieillesse (arrêt non publié R. du 6 novembre 1990). Conformément à cette notion de la résidence permanente, la pratique et la jurisprudence helvétiques considèrent comme résidents permanents toutes les personnes engagées sur place par l'Etat accréditant, sauf si elles sont au bénéfice d'une carte d'identité spéciale (carte de légitimation) au moment du changement d'emploi et/ou sont entrées en Suisse avec un visa ou une autorisation ad hoc pour occuper un emploi donnant droit à une carte d'identité spéciale (MENÉTREY, loc.cit., p. 73; décision de la Commission cantonale argovienne de recours en matière fiscale du 26 novembre 1982, signalée par CAFLISCH, in: La pratique suisse en matière de droit international public 1983, ASDI, 1984, p. 187 ch. 7.7; réponse du Conseil fédéral à une motion Spielmann du 2 mars 1992 concernant le respect des BGE 120 V 405 S. 411 Conventions de Vienne sur les relations diplomatiques par les Missions accréditées en Suisse, BO 1992 CN 1198 ss). En résumé, si une mission diplomatique en Suisse engage un ressortissant étranger résidant déjà en Suisse (normalement au bénéfice d'un permis B ou C délivré par la police des étrangers), ce ressortissant ne pourra pas se prévaloir des immunités consacrées par la Convention de Vienne (MENÉTREY, loc.cit., p. 74). c) Lors de ses deux engagements en qualité de chauffeur, le recourant ne bénéficiait d'aucun permis de séjour ou d'établissement. C'est pour cette raison, d'ailleurs, que le Département fédéral des affaires étrangères lui a délivré une carte de légitimation qui le dispensait, justement, du règlement de ses conditions de séjour en Suisse (BOURGNON, Fiche juridique suisse no 831b p. 5). Le titulaire d'une telle carte doit en principe quitter la Suisse à la fin de sa période d'activité au service d'une mission diplomatique. Le fait que le recourant a obtenu un permis de séjour, après la cessation de son emploi au service de la représentation ivoirienne, ne saurait lui conférer, a posteriori, le statut de résident permanent pour la période antérieure à son licenciement. Par conséquent, on doit admettre que, jusqu'à la fin de cet emploi, le recourant bénéficiait de l'immunité sociale au sens de la Convention de Vienne. 5. Le recourant invoque aussi le principe de l'égalité de traitement entre ressortissants suisses et ressortissants espagnols consacré par la Convention de sécurité sociale entre la Suisse et l'Espagne du 13 octobre 1969. Il fait valoir, à ce propos, que, même s'ils bénéficient de privilèges et d'immunités diplomatiques ou d'exemptions fiscales particulières, les ressortissants suisses sont obligatoirement affiliés à l'AVS ( art. 1er al. 2 let. a LAVS a contrario). L'égalité de traitement postulerait qu'il en soit de même pour les ressortissants espagnols. Le recourant invoque, en outre, le principe, découlant de la même convention, de la soumission à la législation sociale du lieu de travail. La convention bilatérale précitée pose pour principe, à son art. 2, que, sous réserve de dispositions contraires de cet accord international et de son Protocole final, les ressortissants suisses ou espagnols sont soumis aux obligations et admis au bénéfice de la législation de l'autre Partie dans les mêmes conditions que les ressortissants de cette Partie. Elle part, en outre, du principe de l'affiliation à la législation du lieu de travail, principe qui découle de l'art. 3 § 1. L'art. 5 de la même convention prévoit toutefois une réglementation spéciale (réservée par l'art. 33 § 5 de la Convention de Vienne) relative BGE 120 V 405 S. 412 aux membres des missions diplomatiques et postes consulaires. La teneur de cette disposition est la suivante: 1 Les ressortissants de l'une des Parties contractantes envoyés comme membres des missions diplomatiques et postes consulaires de cette Partie sur le territoire de l'autre sont soumis à la législation de la première Partie. 2 Les ressortissants de l'une des Parties qui sont engagés sur le territoire de l'autre pour des travaux dans une mission diplomatique ou un poste consulaire de la première Partie sont soumis à la législation de la seconde Partie. Ils peuvent opter pour l'application de la législation de la première Partie dans les trois mois suivant le début de leur emploi. 3 Les dispositions du paragraphe 2 sont applicables par analogie aux ressortissants de l'une des Parties qui sont employés au service personnel d'une des personnes visées au paragraphe premier. 4 Les paragraphes 1 à 3 ne sont pas applicables aux employés des membres honoraires des postes consulaires. Cette disposition, de toute évidence, n'est pas applicable en l'espèce, dès lors que le recourant n'était pas au service de l'une des Parties contractantes. Celles-ci n'ont réglé, sous l'angle de la sécurité sociale, que la situation de leurs ressortissants au service de missions diplomatiques ou de postes consulaires de l'une des Parties, en dérogeant, partiellement tout au moins, au régime de la Convention de Vienne (art. 5 § 2). La question de l'assujettissement à la sécurité sociale des agents diplomatiques ou consulaires ressortissants de l'une des Parties est réglée ici de manière exhaustive. Les membres et employés des missions diplomatiques ou postes consulaires qui ne sont pas visés par l'art. 5 (c'est le cas du recourant) tombent, logiquement, sous le régime de la Convention de Vienne. Par rapport aux art. 2 et 3 de la Convention hispano-suisse, les dispositions pertinentes de la Convention de Vienne apparaissent en effet plus précises, puisqu'elles traitent de catégories de personnes bien déterminées. Conformément à une règle classique d'interprétation, valable aussi en cas de concurrence de deux traités internationaux (JAAC 1984, 48/IV, no 61, p. 423), on doit considérer qu'elles l'emportent, en tant que lex specialis, sur les dispositions, plus générales, des art. 2 et 3 de la Convention hispano-suisse. Du reste, le Tribunal fédéral des assurances a déjà eu l'occasion de juger, à propos de ressortissants français, que la règle de la soumission à la législation du lieu de travail, également contenue dans la Convention franco-suisse de sécurité sociale, devait céder le pas devant les BGE 120 V 405 S. 413 dispositions de la LAVS qui excluent de l'assurance les ressortissants étrangers au bénéfice de privilèges et d'immunités diplomatiques ou d'exemptions fiscales particulières ( ATF 110 V 154 consid. 3c; arrêt non publié D. du 22 septembre 1977). 6. Quant à la possibilité réservée par l'art. 33 § 4 de la Convention de Vienne d'une participation volontaire au régime de la sécurité sociale de l'Etat accréditaire, elle n'existe pas s'agissant de la Suisse. En effet, la seule forme d'assurance volontaire que connaît le droit de l'AVS est l'assurance facultative des ressortissants suisses résidant à l'étranger, aux conditions fixées par l' art. 2 LAVS ( ATF 110 V 153 consid. 3c). 7. (Frais de justice)
null
nan
fr
1,994
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
087d4064-225c-4449-be75-b107fe3021d3
Urteilskopf 103 II 330 54. Arrêt de la Ire Cour civile du 6 décembre 1977 dans la cause A. contre hoirs X.
Regeste Art. 97, Art. 261, Art. 271 OR . Haftung des Mieters für den Schaden, der durch eine Explosion in der gemieteten Wohnung entstand, weil die Hähnen eines Gasherdes in Selbstmordabsicht geöffnet wurden (E. 2). Art. 41 ff. OR . Haftung der Erben des Urhebers einer unerlaubten Handlung, wenn der Schaden erst nach dessen Tod eintrat (E. 3). Art. 54 Abs. 1 OR . Rechtsnatur der Haftung auf Grund dieser Bestimmung. Schadenersatzbemessung in Berücksichtigung der finanziellen Verhältnisse der Parteien, wenn der Haftpflichtige auf eine Privathaftpflichtversicherung und der Geschädigte auf eine Gebäudeversicherung zurückgreifen kann, die allerdings dem Wert des beschädigten Gebäudes nicht angepasst wurde (E. 4).
Sachverhalt ab Seite 331 BGE 103 II 330 S. 331 Dame A. est propriétaire d'une maison d'habitation comportant trois appartements de cinq pièces, dont l'un, sis au rez-de-chaussée, était habité par X., sa femme et leurs enfants. Le soir du 27 juillet 1972, dame X., qui n'avait cessé de prendre des tranquillisants depuis 1967, a pris la décision de se suicider par l'inhalation de gaz de cuisson. Vers 0 h 05, la maison a été gravement endommagée à la suite d'une explosion provoquée par le gaz émanant de la cuisinière, dont tous les robinets étaient ouverts. Dame X est décédée avant l'explosion, d'une intoxication consécutive à l'inhalation du gaz. X. et ses enfants sont les héritiers uniques de dame X., dont ils ont accepté la succession. En juillet 1972, X. était assuré contre les conséquences de sa responsabilité civile de particulier - soit également la responsabilité civile de son épouse - auprès de l'Union Suisse, Compagnie générale d'assurances, à Genève. La somme assurée par cette police s'élève à 500'000 fr. A la suite de l'explosion, le bâtiment devait primitivement être démoli puis reconstruit. La remise en état s'est toutefois révélée moins coûteuse et a dès lors été entreprise. A dire d'expert, elle a déjà coûté 279'710 fr. 40, et il fallait encore disposer pour la terminer de 110'000 fr. à 115'000 fr., plus 1'560 fr. pour travaux extérieurs et 3'021 fr. pour la fourniture et pose de doubles fenêtres. Selon le procès-verbal d'évaluation des dommages de l'Etablissement d'assurance contre l'incendie et autres dommages du canton de Vaud (ci-après: ECA), l'indemnité allouée à dame A. en cas de reconstruction s'élève à 280'300 fr. L'Union Suisse a refusé de participer au préjudice excédant ce montant. Après des poursuites frappées d'opposition, dame A. a ouvert action en paiement par X. et ses enfants solidairement, subsidiairement par X. seul, de 282'820 fr. 15 avec intérêt à 5% dès le 28 juillet 1972. Les défendeurs ont conclu à libération. Par jugement du 29 juin 1977, la Cour civile du Tribunal cantonal vaudois a condamné solidairement les défendeurs à payer à la demanderesse 12'440 fr. avec intérêt à 5% dès le 28 juillet 1972 sur 2'000 fr. et dès le 1er janvier 1974 sur 10'440 fr. BGE 103 II 330 S. 332 La demanderesse recourt en réforme au Tribunal fédéral en concluant au paiement, par les défendeurs, de 131'431 fr. 40 avec intérêt à 5% dès le 28 juillet 1972 sur 120'991 fr. 40 et dès le 1er janvier 1974 sur 10'440 fr. Les défendeurs ont formé un recours joint où ils reprennent leurs conclusions libératoires. Erwägungen Considérant en droit: 1. Le Tribunal cantonal a rejeté le moyen tiré par la demanderesse de l' art. 333 CC . Il a nié que dame X. fût atteinte de maladie mentale au sens de cette disposition. Il considère d'autre part que X. ne répond pas d'un défaut de surveillance pour avoir laissé son épouse à son domicile sans précautions particulières; sa toxicomanie et l'état d'hébétude résultant de l'absorption de médicaments n'étaient en effet pas de nature, dans le cours normal des choses, à la conduire à des actes inconsidérés. La demanderesse ne critique pas cette appréciation, renonçant ainsi implicitement en instance fédérale au moyen pris de l' art. 333 CC . L'appréciation du Tribunal cantonal ne pourrait d'ailleurs qu'être confirmée au regard des faits constatés par le jugement attaqué et de l'expertise médicale à laquelle il se réfère. 2. Le Tribunal cantonal a nié que la responsabilité des défendeurs pût être fondée sur l' art. 271 CO . "A défaut de toute indication relative au contrat de bail que les parties auraient conclu", estime-t-il,"on ne saurait imputer aux défendeurs, notamment à X., une quelconque faute en rapport avec les dommages causés à la demanderesse et à son bâtiment". a) La demanderesse critique avec raison cette argumentation. Le jugement attaqué relève que l'explosion s'est produite dans la cuisine de l'appartement "loué par le défendeur"; à propos du dommage issu de la perte de loyer, il adopte la constatation de l'expert selon laquelle le loyer du rez-de-chaussée s'élevait à 415 fr. par mois; il inclut ce montant, porté à 450 fr. pour le premier trimestre 1973 eu égard à l'augmentation du taux hypothécaire, dans le calcul des "loyers que la demanderesse aurait obtenus de ces locaux durant l'année considérée", soit la deuxième année consécutive BGE 103 II 330 S. 333 au dommage. Le Tribunal cantonal se met donc en contradiction avec ses propres constatations dans la mesure ou il entend nier l'existence d'un contrat de bail entre les parties. On ne verrait d'ailleurs pas quel autre titre juridique qu'un bail expliquerait l'occupation du rez-de-chaussée de l'immeuble par la famille X. Peu importe que ce contrat n'ait pas été produit en justice, puisque la demanderesse affirme, sans être contredite sur ce point par les défendeurs, qu'il a été conclu oralement. L'existence d'un contrat de bail étant admise, le "défaut de toute indication relative" à ce contrat ne pouvait dispenser l'autorité cantonale d'examiner le moyen tiré de l' art. 271 CO . b) Le preneur est tenu d'user de la chose louée avec tout le soin nécessaire et de la restituer à la fin du bail dans l'état où il l'a reçue, sous réserve des changements et détériorations qui résultent de la jouissance de la chose dans les termes du contrat (art. 261 al. 1, 271 al. 1 et 2 CO). Il répond envers le bailleur du dommage causé à l'objet loué, à moins qu'il ne prouve qu'aucune faute ne lui est imputable ( art. 97 CO ), c'est-à-dire qu'il a usé de la chose avec tout le soin qu'on pouvait attendre de lui. Selon l' art. 101 CO , il est également responsable, comme du sien propre, du comportement de ses auxiliaires, tels que des personnes vivant en ménage commun avec lui ( ATF 98 II 290 consid. 2, 91 II 294 consid. 2a). Il répond enfin du cas fortuit si lui ou l'une de ces personnes a fait de l'objet loué un usage contraire aux obligations découlant du bail (SCHMID, n. 26 ad art. 261 CO ). La responsabilité du preneur pour le cas fortuit est expressément prévue par l' art. 257 CO , si l'usage est impossible par le fait du preneur. Il y a lieu de l'admettre également pour le dommage causé à l'objet loué par un usage contraire aux règles du bail, par analogie avec les art. 306 al. 3 CO sur le prêt et 474 al. 2 CO sur le dépôt. L'ouverture des robinets d'un appareil à gaz, par le preneur ou l'une des personnes dont il répond, aux fins de suicide dans un appartement, constitue manifestement un usage contraire au bail. Un tel comportement est en effet notoirement propre à mettre gravement en danger des vies humaines et des biens, soit directement par inhalation, soit indirectement par l'explosion du mélange du gaz avec l'air. En l'espèce, la responsabilité du défendeur X. est donc engagée selon les art. 261, 271 et 97 CO , BGE 103 II 330 S. 334 quand bien même aucune faute ne pourrait être retenue à sa charge ni à celle de son épouse. Le jugement attaqué doit ainsi être réformé sur ce point. 3. Examinant l'action de la demanderesse au regard des art. 41 ss, notamment 54 CO, le Tribunal cantonal a rejeté l'objection tirée par les défendeurs du fait que le dommage n'était pas encore réalisé à la mort de dame X. et par conséquent à l'ouverture de la succession, qui ne pouvait comprendre une dette envers la demanderesse à raison des conséquences d'une explosion postérieure au décès. Les défendeurs reprennent ce moyen à l'appui de leur recours joint. Le Tribunal cantonal considère avec raison que l'obligation de réparer un dommage est subordonnée à la réalisation de trois conditions, à savoir un acte humain illicite et imputable à faute à son auteur, un dommage et un rapport de causalité adéquate entre ces deux éléments. Peu importe qu'il y ait un décalage dans le temps entre l'acte illicite et le dommage, et que celui-ci se produise après le décès de l'auteur, pourvu que l'acte ait été commis de son vivant. Il est vrai qu'en l'espèce, l'acquisition de la succession est intervenue au moment du décès, soit alors que le dommage n'existait pas encore. Mais l'acte illicite avait déjà été commis, et il engageait la responsabilité de son auteur pour le préjudice qui pouvait en résulter. Cette responsabilité a passé aux héritiers, qui ont accepté la succession. Celle-ci comprend non seulement les dettes existant au moment du décès, mais aussi les obligations issues d'un acte illicite commis avant ce moment, même si elles dépendent de la survenance d'un événement postérieur au décès et ne naissent dès lors qu'après l'ouverture de la succession (TUOR/PICENONI, n. 3 ad art. 560 CC ; ESCHER, n. 14 ad art. 560 CC ; cf. aussi, pour le droit allemand, SOERGEL/SIEBERT, Kommentar zum BGB, 10e éd., n. 2 ad § 1967; STAUDINGER, Kommentar zum BGB, 11e éd., n. 4 ad § 1967). La référence du recours joint à l'arrêt ATF 88 II 26 s. consid. 7, concernant l'impossibilité pour le débiteur du failli de compenser sa dette avec une créance en dommages-intérêts née après l'ouverture de la faillite ( art. 213 al. 2 LP ), bien que le comportement incriminé du failli ait été antérieur à celle-ci, est sans pertinence ici. Les héritiers peuvent se soustraire à leur responsabilité en renonçant à la succession grevée. S'ils ne le font pas, ils répondent des obligations résultant des actes de BGE 103 II 330 S. 335 leur auteur. L'objection des défendeurs est ainsi mal fondée, ce qui entraîne le rejet du recours joint. 4. a) Le Tribunal cantonal déclare adopter la constatation de l'expertise médicale selon laquelle dame X. était vraisemblablement, le soir du sinistre, dans l'incapacité d'agir raisonnablement du fait de l'absorption de médicaments. Il écarte l'application de l' art. 54 al. 2 CO en considérant que dame X. avait développé une toxicomanie médicamenteuse depuis 1967 déjà et qu'on ne peut dès lors soutenir qu'elle se soit volontairement intoxiquée le soir du 27 juillet 1972 pour se suicider. La demanderesse ne critique pas le jugement cantonal sur ces points. b) Les premiers juges admettent que les conditions d'application des art. 41 ss CO seraient réunies s'agissant d'une personne capable de discernement, et ils examinent dès lors si les défendeurs doivent par équité être chargés de la réparation du dommage causé à la demanderesse, selon l' art. 54 al. 1 CO . Considérant que le bâtiment de la demanderesse était sous-assuré, ils estiment qu'il serait inéquitable de faire supporter cette négligence à l'assureur de la responsabilité civile des défendeurs, les prétentions de la demanderesse à la réparation du dommage non couvert par l'ECA du fait de cette sous-assurance - prétentions relatives aux frais de réparation et à la perte de loyer de la première année à compter du sinistre - devant dès lors être rejetées. La perte de rendement des locaux loués durant la deuxième année consécutive à l'accident, qui n'est pas couverte par l'ECA, doit en revanche être mise à la charge des défendeurs, compte tenu du fait qu'ils sont assurés contre les conséquences de la responsabilité civile. Il en va de même d'une indemnité au titre de la dépréciation consécutive aux défauts présentés par le bâtiment à la suite de l'explosion et qui ne peuvent être corrigés. Quant aux prétentions pour frais de déménagement et frais divers, elles sont rejetées faute de preuve du dommage. aa) Aux termes de l' art. 54 al. 1 CO , le juge peut condamner une personne même incapable de discernement à la réparation totale ou partielle du dommage qu'elle a causé, si l'équité l'exige. Cette disposition institue une responsabilité causale fondée sur les risques que présente pour autrui l'état de la personne incapable de discernement; le juge décide selon l'équité si et dans quelle mesure cette personne doit être BGE 103 II 330 S. 336 condamnée à la réparation du dommage causé par son comportement, que ce soit en matière contractuelle ou délictuelle ( ATF 102 II 230 ). Il faut prendre notamment en considération la situation financière des deux parties au moment du jugement ( ATF 102 II 231 consid. 3b et les citations), et le fait que le dommage subi par le lésé est couvert, en tout ou partie, par le paiement de tiers ( ATF 71 II 231 s. consid. 6). bb) Le Tribunal cantonal juge équitable en l'espèce de faire supporter à dame X., soit à ses héritiers, la totalité du dommage qui ne pouvait être couvert par l'assurance contractée par la demanderesse auprès de l'ECA. Il refuse en revanche toute indemnité pour le dommage assurable, mais non assuré. Selon les constatations du jugement attaqué, la demanderesse était assujettie, en sa qualité de propriétaire du bâtiment litigieux, à l'assurance obligatoire contre l'incendie et autres dommages prévue par la législation vaudoise en la matière. La valeur assurée de l'immeuble s'élevait au 28 juillet 1972 à 305'000 fr. A dire d'expert, l'immeuble valait en réalité, à cette date, 363'986 fr. 80. Il est constant que la demanderesse répond d'une certaine sous-assurance, pour n'avoir pas adapté sa police auprès de l'ECA après les améliorations apportées en 1964 au bâtiment (comprenant notamment le chauffage central et deux blocs pour cuisines). La valeur de ces améliorations est estimée à 28'000 fr. en 1964 et à 43'400 fr. en 1972, selon l'"indice lucernois", mais les nouvelles installations de chauffage et de cuisine remplaçaient vraisemblablement des anciens appareils qui étaient assurés auparavant. Les défendeurs, auxquels incombait le fardeau de la preuve, n'ont pas établi le montant de la sous-assurance et n'ont fait aucune offre de preuve à cet égard. L'expert, chargé d'estimer le dommage subi par le bâtiment à la suite de l'explosion, n'avait pas à fixer le montant qu'aurait dû verser l'ECA si la propriétaire avait adapté la somme assurée aux améliorations apportées à l'immeuble. Il n'est toutefois pas nécessaire de déterminer exactement le montant à concurrence duquel celui-ci était sous-assuré. La faute qui peut être imputée à la demanderesse à cet égard ne justifie en tout cas pas la solution retenue en l'espèce par le Tribunal cantonal, au regard des art. 54 al. 1 et 44 CO . cc) L'ECA a alloué à la demanderesse une indemnité de 280'300 fr. pour la reconstruction de son bâtiment. Selon BGE 103 II 330 S. 337 l'expertise technique du 25 juin 1976, à laquelle se réfère le jugement attaqué, 279'710 fr. 40 avaient été dépensés, ce qui laissait un solde de 589 fr. 60. La remise en état du bâtiment n'était alors pas terminée, et l'autorité cantonale constate: "A ce jour, sous réserves de nouvelles hausses et taxes, il paraît possible de pouvoir terminer en disposant d'environ Fr. 110'000.-- à 115'000.--", à quoi il y a lieu d'ajouter "le coût de travaux extérieurs par 1'560 fr. et ceux de la fourniture et pose de fenêtres doubles par 3'021 fr.". Les parties ne contestent pas ces chiffres en instance fédérale. Le montant supérieur de 115'000 fr., que retient la demanderesse dans le calcul du dommage restant à indemniser, doit être admis compte tenu du renchérissement intervenu depuis le dépôt du rapport de l'expert et de la "réserve de nouvelles hausses" qu'il formule. La somme de 118'991 fr. 40 (115'000 fr. + 1'560 fr. + 3'021 fr. soit 119'581 fr., dont à déduire le solde de 589 fr. 60) réclamée par la demanderesse en plus des 12'440 fr. que lui a alloués le Tribunal cantonal correspond ainsi au dommage consécutif à l'explosion et non couvert par l'ECA. La demanderesse ne reprend pas en instance de réforme ses prétentions supplémentaires pour frais de déménagement et frais divers. dd) Sur un dommage total de 411'731 fr. 40, 280'300 fr. ont ainsi été couverts par l'assurance garantissant la propriétaire contre l'incendie et les autres dommages, et 131'431 fr. 40 sont réclamés selon l' art. 54 al. 1 CO à l'auteur du dommage, soit à ses héritiers. Peu importe que la législation vaudoise prévoie le passage à l'ECA, jusqu'à concurrence de l'indemnité payée, des "prétentions que l'ayant droit peut avoir contre des tiers en raison d'actes illicites". Le droit de recours d'un établissement cantonal d'assurance contre l'auteur du dommage relève en effet du droit fédéral, et il ne peut être étendu par une disposition cantonale sur la subrogation ( ATF 96 II 175 consid. 1, ATF 77 II 246 ). Or selon l' art. 51 CO , l'établissement d'assurance qui répond contractuellement du dommage ne peut pas se retourner contre la personne qui n'est tenue qu'"aux termes de la loi", sans qu'une faute lui soit imputable, ce qui est le cas en l'espèce (cf. ATF 77 II 247 ). L'ECA n'a d'ailleurs exercé aucune action récursoire contre les défendeurs. La police d'assurance responsabilité civile contractée par X. auprès de l'Union Suisse, pour une somme de 500'000 fr., BGE 103 II 330 S. 338 couvre la responsabilité civile de son épouse, et cela notamment pour les risques de "dégâts aux locaux loués". Dans la mesure où l'on admet une responsabilité des défendeurs, en leur qualité d'héritiers de dame X., elle est donc couverte par cette police. Il s'agit là d'un facteur dont on doit tenir compte dans l'appréciation fondée sur l'équité que commande l' art. 54 al. 1 CO . Il ne serait en effet pas conforme à l'équité de laisser à la charge du lésé toute la partie du dommage qui n'est pas assurée, même si elle avait pu et dû l'être, alors que l'auteur de l'acte dommageable - ou ses ayants cause - ne risque nullement de voir son avenir économique compromis puisqu'il s'est garanti contre les conséquences d'un tel acte en concluant une assurance et en payant les primes. En l'espèce, l'assurance immobilière contractée par la demanderesse a déjà couvert plus des deux tiers du dommage. Même si l'on tient compte d'une faute de la lésée, qui n'a pas adapté sa police à la valeur du bien assuré, il est équitable de mettre le solde non couvert de son préjudice à la charge de l'auteur de celui-ci, soit de son assureur de la responsabilité civile, qui répond lui aussi du dommage dans la mesure où dame X. est tenue à réparation. L'exonération des défendeurs, pour cette partie du préjudice, ne se justifie ni par la sous-assurance dont répond la demanderesse, ni par sa situation financière sur laquelle le prononcé déféré ne fournit d'ailleurs aucun renseignement. Le jugement attaqué doit donc également être réformé en tant qu'il a refusé d'allouer à la demanderesse, selon l' art. 54 al. 1 CO , le solde des frais de remise en état de l'immeuble endommagé. 5. Les défendeurs répondent dès lors du montant de 118'991 fr. 40 que réclame encore la demanderesse, d'une part à titre solidaire en vertu de l' art. 54 al. 1 CO , d'autre part et pour ce qui concerne le défendeur X. seul, selon les art. 97, 261 et 271 CO . Compte tenu des 12'440 fr. déjà alloués à la demanderesse en instance cantonale, ils sont condamnés solidairement à payer à celle-ci 131'431 fr. 60. L'intérêt à 5% est dù à partir de la date moyenne du 1er janvier 1974 pour les 10'440 fr. de perte de loyer, et dès la survenance du dommage, soit le 28 juillet 1972, pour le dommage subi par le bâtiment (frais de réparation, 118'991 fr. 40, plus indemnité de dépréciation, 2'000 fr., soit au total 120'991 fr. 40). BGE 103 II 330 S. 339 Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral: 1. Admet le recours en réforme principal, rejette le recours joint et annule le jugement de la Cour civile du Tribunal cantonal vaudois du 29 juin 1977. 2. Condamne solidairement les défendeurs à payer à la demanderesse 131'431 fr. 40 avec intérêt à 5% dès le 28 juillet 1972 sur 120'991 fr. 40 et dès le 1er janvier 1974 sur 10'440 fr.
public_law
nan
fr
1,977
CH_BGE
CH_BGE_004
CH
Federation
08811037-efeb-4662-88a2-ac8f4b023708
Urteilskopf 89 I 11 3. Urteil vom 13. Februar 1963 i.S. Shell Switzerland gegen Regierungsrat des Kantons Solothurn.
Regeste Staatsrechtliche Beschwerde ( Art. 87 und 88 OG ). Voraussetzungen der Willkürbeschwerde gegen einen Zwischenentscheid (Erw. 1). Legitimation des Inhabers eines Baurechts zur 8cschwerde wegen Verweigerung der Baubewilligung (Erw. 2). Rechtliches Gehör in Verwaltungssachen. Wer um eine Ausnahmebewilligung (hier: für ein Bauvorhaben) nachsucht und dabei seine Auffassung darlegen kann, hat keinen Anspruch, sich zu den daraufhin von der Bewilligungsbehörde eingeholten internen Berichten zu äussern (Erw. 3). Willkür, rechtsungleiche Behandlung. Verweigerung der Bewilligung zur Umwandlung der für landwirtschaftliche Zwecke benutzten Ein- und Ausfahrt an einer öffentlichen Strasse in eine solche für eine Tankstelle und Service-Station (Erw. 4-6).
Sachverhalt ab Seite 12 BGE 89 I 11 S. 12 A.- Dr. Kurt Stampfli räumte auf seinem landwirtschaftlich beworbenen Grundstück GB Nr. 3462 an der Rötistrasse 33 in Solothurn der Shell Switzerland ein Baurecht für die Errichtung und den Betrieb einer Service-Station ein. Die Shell Switzerland stellte am 1. Juni 1962 bei der Baukommission der Stadt Solothurn ein entsprechendes Baugesuch für die Erstellung dieser Service-Station mit zwei Tanksäulen und einer mobilen Kabine mit Büro, W.C. und Geräteraum. Die geplante Service-Station würde an der Rötistrasse liegen, die eine Durchgangsstrasse erster Klasse ist. Nach § 2 der Verordnung des Regierungsrates des Kantons Solothurn über den Schutz des Strassenverkehrs vom 31. Januar 1958 (StVVO) sind die Errichtung neuer und die wesentliche Erweiterung bestehender Ein- und Ausfahrten an Durchgangsstrassen erster Klasse verboten. Der Regierungsrat kann Ausnahmen gestatten, wenn die Ein- und Ausfahrten einem Bedürfnis für die Verkehrsabwicklung entsprechen, verkehrstechnisch richtig gestaltet BGE 89 I 11 S. 13 werden und die zweckmässige Erschliessung eines Grundstückes anders nicht möglich ist. Nach § 5 StVVO haben die Baubehörden Gesuche für Bauten an Durchgangsstrassen dem Baudepartement zuhanden des Regierungsrates zuzustellen zur Kontrolle, ob Ein- und Ausfahrten vorgesehen werden. Bei Entscheiden im Sinne von § 2 ist gemäss § 13 StVVO die Stellungnahme der kantonalen Verkehrskommission oder ihres Ausschusses einzuholen. Auf Grund von § 5 StVVO unterbreitete die städtische Baukommission das Baugesuch der Shell Switzerland dem kantonalen Baudepartement, das seinerseits die Akten dem Ausschuss der kantonalen Verkehrskommission zur Begutachtung zustellte. Dieser führte einen Augenschein durch und beantragte am 3. Juli 1962 dem Baudepartement, die Errichtung der Service-Station aus verkehrspolizeilichen Gründen abzulehnen, da direkte Ein- und Ausfahrten am fraglichen Ort unerwünscht seien. Polizei- und Baukommission der Stadt Solothurn schlossen sich dieser Auffassung an. B.- Auf Antrag des kantonalen Baudepartementes lehnte der Regierungsrat des Kantons Solothurn am 9. Oktober 1962 das Gesuch um Erteilung einer Bewilligung für direkte Ein- und Ausfahrten im Zusammenhang mit der geplanten Service-Station der Shell Switzerland ab. C.- Diesen Entscheid des Regierungsrates ficht die Shell Switzerland mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV an. Sie beantragt, ihn aufzuheben und die Sache zu neuem Entscheid im Sinne der Erteilung der Bewilligung an den Regierungsrat zurückzuweisen. Auf die Begründung der Beschwerde wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen hingewiesen. D.- Im Namen des Regierungsrates beantragt das Baudepartement des Kantons Solothurn, die Beschwerde abzuweisen. Auf die Ausführungen in der Beschwerdeantwort wird ebenfalls in den Erwägungen hingewiesen, soweit sich dies als nötig erweist. BGE 89 I 11 S. 14 Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Staatsrechtliche Beschwerden wegen Verletzung von Art. 4 BV sind gemäss Art. 87 OG erst gegen letztinstanzliche Endentscheide zulässig; gegen letztinstanzliche Zwischenentscheide nur, wenn diese für den Betroffenen einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil zur Folge haben. Der angefochtene Entscheid des Regierungsrates erging im Rahmen eines Baubewilligungsverfahrens über die Vorfrage, ob für die im Bauprojekt vorgesehene Ein- und Ausfahrt an der Rötistrasse eine Ausnahmebewilligung gemäss § 2 Abs. 2 StVVO zu erteilen sei. Der Entscheid hierüber ist für die Baubehörden verbindlich und kann durch die Anfechtung ihrer Entscheide nicht mehr rückgängig gemacht werden. Der Beschluss des Regierungsrates, mit dem eine Ausnahmebewilligung für die Ein- und Ausfahrt abgelehnt wird, besiegelt daher das Schicksal des Baugesuches der Beschwerdeführerin, an der fraglichen Stelle eine Service-Station errichten zu dürfen, endgültig in negativem Sinne. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob es sich beim angefochtenen Entscheid des Regierungsrates um einen Endentscheid mit Bezug auf die ausschliesslich von ihm zu beurteilende verkehrspolizeiliche Frage der Erteilung einer Ausnahmebewilligung für die Errichtung einer Ein- und Ausfahrt handle oder um einen blossen Zwischenentscheid im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens, denn auch im letzteren Falle hat er wegen seiner Verbindlichkeit für die Baubehörden einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil für die Beschwerdeführerin zur Folge, sodass im einen wie im anderen Falle die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV gemäss Art. 87 OG zulässig ist. 2. Die Beschwerdeführerin ist nicht Eigentümerin des in Rede stehenden Landes, doch ist unbestritten, dass dessen Eigentümer der Shell Switzerland zur Errichtung einer Service-Station darauf ein Baurecht eingeräumt hat. BGE 89 I 11 S. 15 Die Beschwerdeführerin ist daher grundsätzlich berechtigt, auf dem betreffenden Grundstück die geplante Service-Station zu bauen. Die Verweigerung der Bewilligung durch den Regierungsrat, die für die Station erforderliche Ein- und Ausfahrt anzulegen, greift demnach in die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin ein, weshalb sie gemäss Art. 88 OG zur staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert ist ( BGE 86 I 102 Erw. 3). 3. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Tatsache, dass sie weder vor den beratenden Instanzen (kantonale Verkehrskommission und städtische Baukommission), noch vor dem Regierungsrat ihre Auffassung habe darlegen und zum ablehnenden Standpunkt der antragstellenden Behörden nicht habe Stellung nehmen können, stelle eine Verweigerung des rechtlichen Gehörs dar. Da sie vor dem Regierungsrat als einziger kantonaler Instanz nicht zu Gehör gekommen sei, rechtfertige sich im vorliegenden Falle eine Ausnahme vom Grundsatz, dass im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren neue Beweismittel unzulässig seien. Nach § 2 StVVO sind die für die geplante Service-Station notwendigen Ein- und Ausfahrten grundsätzlich verboten, weil sie an eine Durchgangsstrasse erster Klasse zu liegen kämen. Um ihr Bauprojekt verwirklichen zu können, bedarf somit die Beschwerdeführerin einer Ausnahmebewilligung im Sinne von § 2 Abs. 2 StVVO. Demgemäss wären bereits im Baugesuch die Gründe darzulegen gewesen, welche die Erteilung einer solchen Ausnahmebewilligung hätten rechtfertigen können. Mit Recht macht die Beschwerdeführerin nicht geltend, dass sie daran gehindert worden sei. Wenn sie gleichwohl von dieser Möglichkeit, ihren Standpunkt darzulegen, keinen Gebrauch gemacht hat, kann sie sich nicht hinterher über eine Verweigerung des rechtlichen Gehörs beklagen, weil ihr in einem späteren Stadium des Verfahrens nicht noch einmal Gelegenheit geboten wurde, ihre Auffassung zu begründen. Die Beschwerdeführerin nennt keine gesetzliche BGE 89 I 11 S. 16 Bestimmung, die etwas derartiges vorsehen würde, und dem unmittelbar sich aus Art. 4 BV ergebenden Anspruch auf Gewährung des rechtlichen Gehörs ist schon damit Genüge getan, dass der Beschwerdeführerin die Möglichkeit offenstand, ihre Auffassung im Baugesuch darzulegen. Insbesondere lässt sich ein Anspruch der Beschwerdeführerin, sich vor Ausfällung des angefochtenen Entscheides zu den vom Regierungsrat eingeholten internen Berichten der kantonalen Verkehrskommission, der städtischen Polizeikommission und der städtischen Baukommission zu äussern, nicht unmittelbar aus Art. 4 BV ableiten (vgl. betreffend Einsicht in verwaltungsinterne Auskünfte: BGE 83 I 155 Erw. 5, sowie die nicht veröffentlichten Urteile vom 1. Juni 1955 in Sachen Tenner, Erw. 2, und 31. Januar 1962 in Sachen Bau- & Verwaltungs AG, Erw. 3 a). Selbst wenn übrigens die Beschwerdeführerin keine Möglichkeit gehabt hätte, sich zur Frage der Ausnahmebewilligung zu äussern, bevor darüber entschieden wurde, läge keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vor, weil - wie der Regierungsrat in der Beschwerdeantwort ausdrücklich erklärt hat - der Beschwerdeführerin mit Bezug auf den angefochtenen Verwaltungsentscheid die Möglichkeit eines Wiedererwägungsgesuches offensteht ( BGE 74 I 249 ). Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin würde sich die Zulassung neuer Beweismittel im vorliegenden staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren nicht rechtfertigen, auch wenn ihr im kantonalen Verfahren das Gehör verweigert worden wäre. Die Folge wäre vielmehr die, dass der angefochtene Entscheid aufgehoben werden müsste und die kantonale Instanz nach Anhören der Beschwerdeführerin neu zu entscheiden hätte. - Unter "neuen Beweismitteln" versteht die Beschwerdeführerin offenbar das Privatgutachten von Ingenieur Biermann vom 31. Oktober 1962, das erst nach dem Entscheid des Regierungsrates erstattet worden ist, somit neu ist und als BGE 89 I 11 S. 17 "Beweismittel" bei staatsrechtlichen Beschwerden der vorliegenden Art nicht zugelassen werden kann. Dagegen steht es der Beschwerdeführerin frei, die Auffassung von Ingenieur Biermann für die Begründung ihres Beschwerdestandpunktes, dass der angefochtene Entscheid materiell willkürlich sei, zu übernehmen. 4. Das fragliche Grundstück besitzt heute schon eine im Rahmen landwirtschaftlicher Bewirtschaftung benützte Ein- und Ausfahrt an der Rötistrasse. Die Beschwerdeführerin behauptet deshalb, im Zusammenhang mit der geplanten Tankstelle müssten keine neuen Ein- und Ausfahrten errichtet werden, sodass das Projekt überhaupt nicht unter § 2 StVVO falle und keiner Ausnahmebewilligung bedürfe. Vorbehältlich einer Ausnahmebewilligung verbietet indessen § 2 StVVO nicht nur die Errichtung neuer, sondern auch "die wesentliche Erweiterung bestehender Ein- und Ausfahrten" an Durchgangsstrassen erster Klasse. Es liegt auf der Hand, dass die Ein- und Ausfahrt für eine Service-Station sich hinsichtlich Ausbau und Frequenz wesentlich von derjenigen für einen landwirtschaftlichen Betrieb unterscheidet und die Umwandlung einer solchen in die Ein- und Ausfahrt für eine Tankstelle ohne jede Willkür als eine "wesentliche Erweiterung" im Sinne von § 2 Abs. 1 StVVO bezeichnet werden darf, die gemäss Abs. 2 der nämlichen Bestimmung nur auf Grund einer Ausnahmebewilligung zulässig ist. In der Beschwerde selber wird denn auch ausgeführt, dass bei Errichtung der Service-Station im Interesse der Erhöhung der Sicherheit und der Flüssigkeit des Verkehrs auf der Rötistrasse "eine gewisse Erweiterung bezw. Anpassung" der bestehenden Ein- und Ausfahrten notwendig sei. 5. Nach § 2 Abs. 1 StVVO sind die Errichtung neuer und die wesentliche Erweiterung bestehender Ein- und Ausfahrten an Durchgangsstrassen erster Klasse grundsätzlich verboten. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung "kann" der Regierungsrat unter den dort genannten Umständen BGE 89 I 11 S. 18 Ausnahmen gestatten, muss es aber nicht. Die Erteilung einer Ausnahmebewilligung ist seinem Ermessen überlassen. Der Entscheid hängt wesentlich davon ab, ob die geplanten Ein- und Ausfahrten die Sicherheit und Flüssigkeit des Strassenverkehrs beeinträchtigen. Im Vordergrunde steht demnach die Würdigung der örtlichen Verhältnisse, denen die kantonalen Behörden näher stehen als das Bundesgericht. Es kann nicht seine Aufgabe sein, sein eigenes Ermessen an die Stelle desjenigen der kantonalen Behörden zu setzen und im Einzelfalle alle für und gegen die Gewährung einer Ausnahmebewilligung sprechenden Gründe gegeneinander abzuwägen. Das Bundesgericht schreitet deshalb nur ein, wenn die kantonale Behörde ihr freies Ermessen offensichtlich überschritten oder missbraucht hat und daher in Willkür verfallen ist ( BGE 83 I 150 Erw. 5; Urteil vom 28. Februar 1962 in Sachen Protractor AG, Erw. 3). Dies behauptet die Beschwerdeführerin, doch ist ihre Rüge unbegründet. Der Regierungsrat hat in den Erwägungen des angefochtenen Entscheides die Gründe eingehend dargelegt, die der Erteilung einer Ausnahmebewilligung für die Errichtung der geplanten Ein- und Ausfahrt entgegenstehen. Was die Beschwerdeführerin auf Grund des Privatgutachtens Biermann dagegen vorbringt, ist eine rein appellatorische Kritik, die nicht darzutun vermag, dass der Regierungsrat das ihm zustehende Ermessen willkürlich gehandhabt habe. Insbesondere lässt sich die Auffassung des Regierungsrates nicht schon deswegen als willkürlich bezeichnen, weil nach den Normen der Vereinigung Schweizerischer Strassenfachmänner der Bewilligung der streitigen Tankstelle angeblich nichts im Wege stehen würde. Das schliesst nicht aus, dass der Regierungsrat strengere Anforderungen an die Erteilung einer Ausnahmebewilligung stellen kann, wenn es sich auf Grund der konkreten Verkehrsverhältnisse auf dem in Frage stehenden Strassenstück sachlich rechtfertigen lässt. Dass dies schlechterdings nicht der Fall sei, tut BGE 89 I 11 S. 19 die Beschwerde nicht dar; im Gegenteil gibt sie ausdrücklich zu, dass die vorgesehene Ausfahrt in den Bereich der Vorsortierungsspuren vor der grossen Strassenkreuzung beim Baseltor zu liegen käme, dass während der Stosszeiten Verkehrsstauungen bis zum fraglichen Grundstück entstehen, dass bei der Ausfahrt der Vorwegweiser und der sich darunter befindende Reklameständer die Übersicht stark beeinträchtigen und dass zur Erreichung einer einwandfreien Verkehrsübersicht Bäume der bestehenden Lindenallee entfernt werden müssten. Aber auch gegen die im angefochtenen Entscheid erwähnte Gefährdung des zeitweise dichten Fussgängerverkehrs auf dem Trottoir, das anscheinend besonders häufig von Kantonsschülern benützt wird, vermag die Beschwerdeführerin nichts vorzubringen, was geeignet wäre, Willkür darzutun. Unter dieses Umständen kann nicht gesagt werden, der angefochtene Entscheid verstosse gegen Art. 4 BV . 6. Schliesslich macht die Beschwerdeführerin geltend, es stelle eine rechtsungleiche Behandlung dar, dass der Regierungsrat ihr die Ausnahmebewilligung nicht erteile, anderseits aber einer Verlegung der Garage Schnetz AG auf das Grundstück GB Nr. 3699 an der Bielstrasse und des Garagebetriebs mit Service-Station der Autovertretung AG auf die Parzelle GB Nr. 303 an der Baselstrasse zugestimmt habe, obschon diese beiden Strassen ebenfalls Durchgangsstrassen erster Klasse und dazu noch mit ungünstigeren Verkehrsverhältnissen als an der Rötistrasse seien und der Beschwerdeführerin im Jahre 1960 die direkte Ein- und Ausfahrt auf dem Grundstück GB Nr. 303 an der Baselstrasse aus verkehrspolizeilichen Gründen verweigert worden sei. Der Regierungsrat weist demgegenüber in der Beschwerdeantwort darauf hin, dass der Autovertretung AG die Ausnahmebewilligung noch gar nicht erteilt worden sei und dass in beiden von der Beschwerdeführerin genannten Fällen insofern besondere Verhältnisse vorlägen, als die betreffenden Betriebe am bisherigen Ort den Verkehr BGE 89 I 11 S. 20 erheblich stärker störten, als es nach der Verlegung an die Biel- bezw. an die Baselstrasse der Fall sei, sodass sich aus diesen Betriebsverlegungen verkehrstechnisch eine Verbesserung ergebe, zumal der Garageneubau Schnetz AG durch eine rückwärtige Erschliessungsstrasse bedient werde und auch beim Garagebetrieb der Autovertretung AG für eine derartige Erschliessung gesorgt werde. Die Beschwerdeführerin hat nicht behauptet, gleiche oder ähnliche besondere Verhältnisse hätten im Zusammenhang mit dem von ihr im Jahre 1960 gestellten Gesuch betreffend Baselstrasse vorgelegen oder bestünden beim heutigen Baugesuch. Insbesondere wird nicht geltend gemacht, dass es sich auch beim Projekt der Shell Switzerland um die Verlegung einer verkehrstechnisch ungünstig gelegenen Service-Station an einen verkehrstechnisch günstigeren Ort handle. Von einer rechtsungleichen Behandlung könnte jedoch nur gesprochen werden, wenn der Regierungsrat bei gleichen tatsächlichen Verhältnissen ungleich entschieden hätte. Der Vorwurf rechtsungleicher Behandlung erweist sich daher ebenfalls als unbegründet. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird abgewiesen.
public_law
nan
de
1,963
CH_BGE
CH_BGE_001
CH
Federation
0891a107-774d-480a-b5c8-7890bdb635f8
Urteilskopf 86 II 291 46. Urteil der II. Zivilabteilung vom 12. Juli 1960 i. S. Thönen gegen Domag A.-G.
Regeste 1. Eine einstweilige Verfügung in einem Zivilrechtsstreit ist eine der Nichtigkeitsbeschwerde nach Art. 68 OG unterliegende Zivilsache. 2. Anwendung des kantonalen statt des massgebenden eidgenössischen Rechtes ( Art. 68 Abs. 1 lit. a OG ) durch "verschleierten Arrest", d.h. durch eine nicht an die Voraussetzungen des Art. 271 SchKG geknüpfte einstweilige Verfügung nach kantonalem Zivilprozessrecht zur Sicherung des Vollzugs einer Geldforderung. Diese Rüge ist auch dann begründet, wenn zwar das Hauptbegehren der Klage auf Herausgabe von Sachen zu Eigentum geht, die dem Urteil in der Sache selbst nicht vorgreifende Prüfung jedoch ergibt, dass dieses Begehren grundlos ist und nur als Vorwand zur Erwirkung einer Beschlagnahmung nach kantonalem Prozessrecht zur Sicherung der eventuell eingeklagten Geldforderung dient.
Sachverhalt ab Seite 292 BGE 86 II 291 S. 292 A.- Die Domag AG erhebt als Zessionarin ihres Geschäftsleiters Hans Meier Anspruch auf einen Provisionsanteil von Fr. 18'000.--, den ihr Fritz Thönen aus einem von ihm gemeinsam mit Hans Meier und W. Gautschi vermittelten Liegenschaftenhandel schulde. Sie ging zuerst strafrechtlich gegen Thönen und Gautschi vor, denen sie vorwarf, jenen ihr zukommenden Anteil für sich ertrogen, eventuell veruntreut zu haben. Thönen und Gautschi bestritten jedes Vergehen und erklärten, Meier (bzw. die Domag AG) habe aus diesem Mäklergeschäft nur Fr. 10'000.-- zu gut. Dieser Betrag liege bei Thönen und könne an Meier ausbezahlt werden, wenn dieser seine Anschuldigungen zurückziehe. Der Bezirksanwalt liess Thönen polizeilich vorführen und ordnete eine Hausdurchsuchung bei ihm an zur Feststellung des Vorhandenseins und zur allfälligen Beschlagnahme des angeblichen Deliktsbetrages. Thönen übergab der Bezirksanwaltschaft einen Umschlag mit Fr. 10'000.-- und einige Tage später einen zweiten mit Fr. 8000.-- Inhalt. In den Quittungen wurde ihm bestätigt, dieses Geld werde vorläufig nicht Meier (bzw. der Domag AG) ausgehändigt, sondern bleibe zuhanden der Bezirksanwaltschaft hinterlegt "bis zur Erledigung der zivilrechtlichen Auseinandersetzung mit Hans Meier". B.- In der Folge gelangte aber der Bezirksanwalt zur BGE 86 II 291 S. 293 Ansicht, das Strafverfahren sei zu sistieren, ohne dass der Ausgang der zivilrechtlichen Auseinandersetzung abgewartet werden müsste. Er stellte mit Schlussbericht vom 6. Januar 1960 in diesem Sinne Antrag an die Staatsanwaltschaft. Diese verfügte die Sistierung am 20. Januar 1960. Schon vorher, am 29. Dezember 1959, hatte der Bezirksanwalt die Rückgabe des bei ihm hinterlegten Betrages von Fr. 18'000.-- an Thönen verfügt. Die Domag AG verlangte neuerdings die Beschlagnahme dieser Summe und zog die Sistierungsverfügung an die kantonale Justizdirektion weiter, jedoch ohne Erfolg. Das Strafverfahren wurde mit dem Entscheid der Justizdirektion endgültig sistiert, und es ist unbestritten, dass damit im Strafverfahren die Verfügung auf Rückgabe der Hinterlage von Fr. 18'000.-- an Thönen rechtskräftig geworden ist. C.- Inzwischen hatte die Domag AG einen Zivilprozess gegen Thönen angehoben. Das Hauptbegehren der Klage ging auf Verpflichtung des Beklagten, ihr die bei der Bezirksanwaltschaft Zürich ins Depot gelegte Summe von Fr. 18'000.-- "unbeschwert zu Eigentum herauszugeben" und Verzugszins zu 5% seit 16. Oktober 1959 zu bezahlen. Der Eventualantrag ging auf Zahlung von Fr. 18'000.-- nebst Verzugszins. Zugleich verlangte die Klägerin die vorsorgliche Anordnung, es sei die bei der Bezirksanwaltschaft liegende Hinterlage, sobald sie dort infolge der Erledigung des Strafverfahrens frei werde, der Kasse des Bezirksgerichts zu übergeben und dort bis zum Abschluss des Zivilprozesses zu verwahren. Während der Bezirksgerichtspräsident provisorisch, unter Vorbehalt eines Gerichtsentscheides, verfügte, die Kasse der Bezirksanwaltschaft habe den Betrag von Fr. 18'000.-- bis auf weiteres in Depot zu behalten, hob das Gericht auf Einsprache Thönens diese Massnahme auf und wies das Begehren der -Klägerin um weitere Sperrung der Hinterlage ab, in der Erwägung, es würde sonst eine unzulässige Verarrestierung und vorläufige Urteilsvollstreckung zu Sicherungszwecken verfügt. BGE 86 II 291 S. 294 Auf Rekurs der Domag AG verfügte dann aber das Obergericht mit Beschluss vom 12. April 1960, in Anwendung der §§ 127 ff., insbesondere § 131 der zürcherischen ZPO, die bei der Bezirksanwaltschaft hinterlegten Banknoten im Betrage von Fr. 18'000.-- seien, sobald dort frei geworden, der Kasse des Bezirksgerichts zu übergeben und dort bis zur Erledigung des zwischen den Parteien hängigen Zivilprozesses separiert aufzubewahren. D.- Gegen diesen Entscheid richtet sich die vorliegende, auf Art. 68 OG gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Beklagten, mit dem Antrag, der angefochtene Beschluss sei aufzuheben und die Kasse des Bezirksgerichts Zürich anzuweisen, dem Beschwerdeführer das dort unter Nr. 03/6396 liegende Depot von Fr. 18'000.-- sofort und unbeschwert herauszugeben. Die Klägerin trägt auf Abweisung der Beschwerde an. Das Obergericht hat auf Gegenbemerkungen verzichtet. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Die Nichtigkeitsbeschwerde ist nach Art. 68 OG zulässig in Zivilsachen, die nicht dem umfassenderen Rechtsmittel der Berufung unterliegen. So verhält es sich hier. Eine anlässlich eines Zivilrechtsstreites getroffene provisorische Massnahme ist als Zivilsache zu betrachten ( BGE 74 II 51 , BGE 78 II 89 ). Sodann unterliegen Entscheide über solche Massnahmen nicht der Berufung; denn man hat es dabei weder mit Endentscheiden im Sinne des Art. 48 OG zu tun (vgl. BGE 74 II 177 , BGE 77 II 281 ) noch mit Vor- oder Zwischenentscheiden im Sinne des Art. 50 OG , die unter Umständen mit Berufung angefochten werden können, um (bei gegenteiliger Beurteilung der betreffenden Vor- oder Zwischenfrage) durch einen den Rechtsstreit beendigenden Entscheid des Bundesgerichts ersetzt zu werden (vgl. BGE 71 II 250 , BGE 81 II 398 , BGE 82 II 170 , BGE 84 II 231 ). Etwas derartiges kommt hier nicht in Frage, da der Entscheid des Obergerichts gar nicht die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche oder eine gegen die BGE 86 II 291 S. 295 Klage erhobene Einrede betrifft. Endlich entspricht die Beschwerdebegründung dem Art. 68 OG , denn es wird im Sinne der lit. a daselbst die Anwendung kantonalen statt des nach Ansicht des Beschwerdeführers massgebenden Bundesrechts gerügt. 2. Enthielte die Klage nur das auf Zahlung eines Geldbetrages gehende Begehren, wie es als eventuelles gestellt ist, so wäre die vom Obergericht getroffene vorsorgliche Massnahme zweifellos unzulässig. In welcher Weise die Vollstreckung von Geldforderungen gesichert werden kann, ist eine Frage des Bundesrechts ( Art. 64 Abs. 1 BV , Art. 38 und 271 SchKG ). Neben dem bundesrechtlich geregelten, an bestimmte Voraussetzungen gebundenen und in bestimmter Weise zu vollziehenden und zu prosequierenden Arrest ( Art. 271 ff. SchKG ) ist kein Raum für eine zu solcher Sicherung zu treffende einstweilige Verfügung des kantonalen Prozessrechts ( BGE 41 I 204 , BGE 78 II 92 , BGE 79 II 285 ; JAEGER/DAENIKER, Einleitende Bemerkungen zu Art. 271 SchKG ; BLUMENSTEIN, Handbuch S. 829; FRITZSCHE II S. 195; GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, S. 328, Bem. 2 a). Dies räumt auch das Obergericht ein. Es hält aber für entscheidend, dass hier nur in eventuellem Sinn auf Geldzahlung geklagt wird und das Hauptbegehren auf Herausgabe der vom Beklagten hinterlegten und im Depot gesondert aufbewahrten 18 Banknoten zu Fr. 1000.-- lautet. Der behauptete Anspruch gehe also auf eine Sache, somit sei eine vorsorgliche Massnahme zur Aufrechterhaltung des tatsächlichen Zustandes des Streitgegenstandes gemäss § 131 der zürcherischen ZPO möglich. Der Wortlaut der Klagebegehren lässt in der Tat als Gegenstand des Streites in erster Linie das Eigentum an den erwähnten Banknoten erscheinen. Wenigstens ist solches Eigentum ausgedrückt in der Wendung "unbeschwert zu Eigentum herauszugeben", obschon das Begehren nicht etwa die einzelnen Banknoten mit Nennwert und Nummer angibt, sondern als herauszugebende Sache BGE 86 II 291 S. 296 "die Summe von Fr. 18'000.--" bezeichnet, die der Beklagte in zwei Teilbeträgen von Fr. 10'000.-- und Franken 8000.-- bei der Bezirksanwaltschaft ins Depot gelegt habe. Allein auch wenn man das Begehren um unbeschwerte Herausgabe der "Summe von Fr. 18'000.--.. zu Eigentum" als Vindikation der betreffenden Banknoten auffasst, wie es offenbar gemeint ist, kann nach dem Inhalt der Klage, d.h. nach dem ihr zu Grunde liegenden Tatbestand, und namentlich nach dem Sinn und Zweck der bei der Bezirksanwaltschaft erfolgten Hinterlegung, nicht ernstlich in Frage kommen, dass diese Banknoten an die Klägerin zu Eigentum übertragen worden seien oder ihr auch nur ein Pfandrecht daran bestellt worden sei. Unter diesem Gesichtspunkt war im Zwischenverfahren über das Gesuch um eine vorsorgliche Massnahme die materielle Sachlage bereits im Sinn einer unvorgreiflichen Vorprüfung, einer sog. prima-facie-Entscheidung, ins Auge zu fassen. Nur so lässt sich vermeiden, dass eine Partei, der es in Wirklichkeit nur um die Sicherung einer Geldforderung geht, durch Formulierung eines nach dem unbestrittenen oder aus den Akten klar hervorgehenden Tatbestand haltlosen Vindikationsbegehrens die bundesrechtlichen Arrestvoraussetzungen zu umgehen vermöge, wodurch die Gegenpartei ohne zureichenden Grund für die Dauer des Rechtsstreites in der Verfügung über ihr Vermögen gehindert wäre. Wie sich aus den insoweit übereinstimmenden Darlegungen beider Parteien und aus den Strafuntersuchungsakten ergibt, lag der Hinterlegung weder ein Vertrag zwischen ihnen selbst noch ein Vertrag des Beklagten mit der Bezirksanwaltschaft zu Gunsten der Klägerin oder des Hans Meier im Sinne von Art. 112 Abs. 2 OR zu Grunde. Ebensowenig beruhte die Hinterlegung auf gerichtlicher Anordnung, wonach sie - wie etwa bei Sicherheitsleistung für Prozesskosten - als Zahlung auf Recht hin zu gelten hätte und dem Begünstigten gesichert wäre, also vom Hinterleger nicht frei widerrufen werden könnte (vgl. BGE BGE 86 II 291 S. 297 42 III 360 ff.; OSTERTAG, Die Hinterlegung zu Gunsten Dritter, SJZ 19 S. 353 ff.; LEUCH, N. 2 zu Art. 75 der bernischen ZPO). Vielmehr hat der Beklagte die beiden Beträge, ohne dazu vertraglich verpflichtet zu sein, unter dem Druck des gegen ihn angehobenen Strafverfahrens hinterlegt, dessen Auswirkungen ihm, wie das Bezirksgericht hervorhebt, durch die polizeiliche Vorführung eindringlich vor Augen geführt worden waren. Es lag ihm anscheinend daran, auf diese Weise das Vorhandensein des angeblich ertrogenen oder veruntreuten Geldes und seine Bereitschaft zu der ihm allenfalls obliegenden Ersatzleistung kundzutun, um eben den betreffenden Anschuldigungen zu begegnen. Diesem Zweck entsprechend wurde die Hinterlegung hinfällig mit der rechtskräftigen Sistierung des Strafverfahrens, wie sie auch hinfällig geworden wäre mit einem rechtskräftigen Freispruch. Es mag dahingestellt bleiben, ob die Strafuntersuchungsbehörden die Hinterlegung lediglich als freiwillige Handlung des Beklagten (des damaligen Beschuldigten) zur Kenntnis nahmen und unterstützten oder als von ihm auf sich genommene Beschlagnahme gemäss § 83 oder 96 der zürcherischen StrPO, d.h. als eine konservatorische Massnahme von wesentlich strafprozessualer Natur, betrachteten. Wie dem auch sein mag, haben sie die Hinterlage dem Beklagten durch rechtskräftige Verfügung anlässlich der Sistierung des Strafverfahrens frei gegeben. Daraus ergibt sich, dass sie der Hinterlegung keine Bedeutung ausserhalb des Strafverfahrens beimassen. Eine abweichende Willensmeinung des Beklagten selbst lässt sich nicht etwa aus den Quittungen der Bezirksanwaltschaft herleiten, welche die beiden Geldbeträge "als Depot bis zur Erledigung der zivilrechtlichen Auseinandersetzung mit Hans Meier" in Empfang nahm. Diese Art der Quittierung erklärt sich daraus, dass die Strafuntersuchungsorgane wie auch der Beklagte mit einer dem Abschluss des Strafverfahrens vorausgehenden Erledigung der zivilrechtlichen Streitigkeit rechneten. Dagegen lag ihnen fern, die - bei der Bezirksanwaltschaft, nicht BGE 86 II 291 S. 298 bei einer zivilgerichtlichen Hinterlegungsstelle befindliche - Hinterlage auch nach Sistierung des Strafverfahrens fortbestehen zu lassen. Wenn die Klägerin sich dennoch mit der rechtskräftigen Freigabe der Hinterlage an den Beklagten nicht abfinden wollte, sondern mit ihrer Zivilklage das Gesuch verband, die Kasse der Bezirksanwaltschaft sei anzuweisen, das von ihm dort hinterlegte Geld, "sobald im Strafprozess die Aufhebung des Depots bei der Bezirksanwaltschaft rechtskräftig angeordnet ist", zu weiterer Aufbewahrung an die Kasse des Bezirksgerichts zu leiten, so zielte sie auf eine neue Beschlagnahme auf zivilprozessualer Grundlage ab. Angesichts der im Strafprozess ergangenen Freigabeverfügung stand jedoch fest, dass das in Umschlägen hinterlegte Geld im Eigentum des Beklagten geblieben und der Klägerin bzw. dem Hans Meier daran auch kein Pfandrecht bestellt worden war, was allenfalls durch entsprechende Anweisung an die Hinterlegungsstelle, also die Bezirksanwaltschaft, mit Zustimmung der begünstigten Person hätte geschehen können. Bei der gegebenen Sachlage war die Hinterlage gemäss ihrer auf die Dauer des Strafverfahrens beschränkten Zweckbestimmung in der Tat frei geworden, so dass sich aus der ihr zu Grunde liegenden Verfügung des Beklagten nichts mehr herleiten liess (vgl. OSER/SCHÖNENBERGER, N. 4 zu Art. 480 OR ). Daher erweist sich vorweg das dem Zahlungsbegehren der Klage vorangestellte Vindikationsbegehren als gänzlich grundlos; denn von einem andern Akt der Eigentumsübertragung auf die Klägerin oder auf Hans Meier ist nicht die Rede. Kann aber das Eigentum an den seinerzeit im Strafverfahren hinterlegten Banknoten nicht ernstlich als Streitgegenstand in Betracht kommen, sondern muss das Vindikationsbegehren nach dem Gesagten als blosser Vorwand für das Gesuch um vorsorgliche (Neu-)Beschlagnahme betrachtet werden, so geht dieses Gesuch nach seinem wahren Inhalt auf Erwirkung einer Sicherungsmassnahme des kantonalen Prozessrechts für die den einzigen wahren Streitgegenstand bildende BGE 86 II 291 S. 299 Mäklerprovision. Somit ist die von der Vorinstanz in Anwendung kantonalen Prozessrechts getroffene Massnahme nichts anderes als ein verschleierter Arrest, der vor der ausschliesslichen bundesrechtlichen Ordnung der Art. 271 ff. SchKG nicht zu Recht bestehen kann. Der angefochtene Entscheid ist deshalb aufzuheben und die Sache nach Art. 73 Abs. 2 OG zu neuer Entscheidung (nach eidgenössischem statt kantonalem Recht) an die Vorinstanz zurückzuweisen (was wohl zur Abweisung des nicht zugleich gemäss Art. 271 SchKG begründeten Gesuches führen wird). Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, der Beschluss des Obergerichtes des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, vom 12. April 1960 aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung an das Obergericht zurückgewiesen.
public_law
nan
de
1,960
CH_BGE
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CH
Federation
0894ce71-2151-4480-8335-b4aa53a9320d
Urteilskopf 141 V 139 15. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Bundesamt für Sozialversicherungen gegen Arbeitslosenkasse Ob- und Nidwalden und Mitb. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) 9C_417/2014 vom 11. Februar 2015
Regeste Art. 50 Abs. 2 IVG i.V.m. Art. 20 Abs. 2 AHVG ; Art. 63 Abs. 2 und Art. 71 Satz 2 ATSG ; Rz. 10061 der Wegleitung über die Renten (RWL) in der Eidgenössischen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung; Rangfolge bei der Verrechnung. Es besteht kein triftiger Grund für ein Abweichen von Rz. 10061 RWL, welche - im Fall von Nachzahlungen - den Vorrang von Forderungen der AHV und IV bzw. von intrasystemischen vor intersystemischen Forderungen bei der Verrechnung regelt. Für einen Vorrang von Forderungen des vorleistungspflichtigen Versicherungszweigs besteht keine gesetzliche Grundlage (E. 6.3.1 und 6.3.2).
Sachverhalt ab Seite 140 BGE 141 V 139 S. 140 A. Die 1948 geborene A. stellte am 28. Juni 2009 einen Antrag auf Arbeitslosenentschädigung ab 1. September 2009. Sie gab an, im Umfang von höchstens 50 % einer Vollzeitbeschäftigung arbeiten zu wollen und bezogen auf dieses Pensum 50 % arbeitsfähig zu sein. Die Arbeitslosenkasse Ob- und Nidwalden (nachfolgend: Arbeitslosenkasse) erbrachte daraufhin von 1. September 2009 bis 18. Oktober 2011 Taggeldleistungen. A. hatte sich ausserdem bei der Invalidenversicherung (IV) zum Leistungsbezug angemeldet. Die IV-Stelle Nidwalden (nachfolgend: IV-Stelle) sprach A. mit Verfügung vom 20. Dezember 2011 eine Viertelsrente der Invalidenversicherung mit Wirkung ab 1. August 2009 (Invaliditätsgrad von 41 %) und eine ganze Invalidenrente mit Wirkung ab 1. April 2011 zu (Invaliditätsgrad von 70 %). Im Nachgang zur Rentenverfügung der IV-Stelle verpflichtete die Arbeitslosenkasse A., die von 1. September 2009 bis 18. Oktober 2011 ausgerichteten Taggelder - beschränkt auf die Höhe der von der IV für denselben Zeitraum ausgerichteten Leistungen im Betrag von Fr. 19'218.15 - zurückzuerstatten; sie kündigte an, den Rückforderungsbetrag direkt mit den Leistungen der IV zu verrechnen (Verfügung vom 28. Februar 2012). Die IV-Stelle setzte mit Verfügung Nr. 9 vom 16. Mai 2012 die für die Zeit von 1. August 2009 bis 31. März 2011 nachzuzahlenden Rentenbetreffnisse auf insgesamt Fr. 9'327.- (zuzüglich Verzugszins von Fr. 11.-) fest und verrechnete diese - bis auf eine Restanz von Fr. 330.- - im Betrag von Fr. 6'082.- mit einer Forderung der Arbeitslosenkasse und im Betrag von Fr. 2'926.- (dieser entspreche den dem Ehemann von A. zu viel ausbezahlten Leistungen der Alters- und Hinterlassenenversicherung [AHV]) mit einer Forderung der Ausgleichskasse Schweizerischer Baumeisterverband (fortan: Ausgleichskasse). Mit Verfügung Nr. 10 gleichen Datums setzte die IV-Stelle die Nachzahlung für die Zeit von 1. April 2011 bis 29. Februar 2012 auf Fr. 18'678.- fest und erklärte Verrechnung im Betrag von Fr. 5'922.40 mit einer Forderung des Krankentaggeldversicherers AXA Versicherungen AG (nachfolgend: Krankentaggeldversicherer), im Betrag von Fr. 8'883.60 mit einer Forderung der Arbeitslosenkasse sowie im Betrag von Fr. 3'872.- mit einer Forderung der Ausgleichskasse. B. In Gutheissung der von der Arbeitslosenkasse gegen die beiden Verfügungen erhobenen Beschwerde hob das Verwaltungsgericht des BGE 141 V 139 S. 141 Kantons Nidwalden die Verfügungen Nr. 9 und 10 insoweit auf, als der Arbeitslosenkasse die Nachzahlung von zusätzlich Fr. 4'252.55 vorenthalten worden sei und wies die Ausgleichskasse an, der Arbeitslosenkasse den ausstehenden Betrag von Fr. 4'252.55 zu überweisen. C. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV; nachfolgend: Beschwerdeführer) erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, der vorinstanzliche Entscheid sowie die Verfügungen Nr. 9 und 10 der IV-Stelle seien aufzuheben und die Sache sei zu weiteren Abklärungen und zum Erlass einer neuen Verrechnungsverfügung an die IV-Stelle zurückzuweisen. Während sich die Ausgleichskasse nicht vernehmen lässt, beantragt die Beschwerdegegnerin, der angefochtene Entscheid sei dahin gehend anzupassen, als die Ausgleichskasse anzuweisen sei, ihr die restliche Rückerstattungsforderung im Betrag von Fr. 2'023.50 (statt Fr. 4'252.55) zu überweisen. Die IV-Stelle verzichtet auf eine Stellungnahme. D. Mit Verfügung vom 5. November 2014 wurde der Krankentaggeldversicherer zur Beantwortung der Beschwerde eingeladen und gleichzeitig aufgefordert, sich zur Frage zu äussern, ob er Leistungen gemäss KVG oder Versicherungsvertragsgesetz (VVG; SR 221. 229.1) erbracht habe. Der Krankentaggeldversicherer reicht am 25. November 2014 entsprechende Unterlagen zu den Akten und sieht mit Eingabe vom 17. Dezember 2014 von einer materiellen Stellungnahme ab. Mit Stellungnahme vom 14. Januar 2015 hält der Beschwerdeführer an seinem Rechtsbegehren fest. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut, soweit es darauf eintritt. Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. Im angefochtenen Entscheid werden die für die Beurteilung der Streitsache massgeblichen Rechtsgrundlagen zutreffend dargelegt. Es betrifft dies insbesondere die Bestimmungen zur Rückerstattung unrechtmässig bezogener Leistungen ( Art. 25 ATSG [SR 830.1]), zur Vorleistungspflicht ( Art. 70 ATSG ) sowie zur Rückerstattung von Vorleistungen ( Art. 71 Satz 2 ATSG ). Darauf wird verwiesen. Zu ergänzen ist, dass nach Art. 50 Abs. 2 IVG für die Verrechnung Art. 20 Abs. 2 AHVG sinngemäss Anwendung findet. Gemäss BGE 141 V 139 S. 142 dieser Bestimmung können mit fälligen Leistungen u.a. die Forderungen aufgrund des AHVG und des IVG (lit. a) sowie die Rückforderung von Renten und Taggeldern der Arbeitslosenversicherung und der Krankenversicherung (lit. c) verrechnet werden. 5. 5.1 Das kantonale Gericht erwog, die Arbeitslosenkasse habe grundsätzlich Anspruch darauf, dass sie die ausbezahlten Leistungen zurückerhalte, nachdem sie für die im gleichen Zeitraum ausgerichteten IV-Leistungen eine Vorleistung im Rahmen von Art. 71 ATSG erbracht habe. In Frage stehe indes, ob die Ausgleichskasse (recte: die IV-Stelle) befugt gewesen sei, vor der Rückerstattung an die Arbeitslosenkasse ihre eigene Forderung (recte: die Forderung der Ausgleichskasse) gegenüber dem Ehemann der Versicherten zu verrechnen bzw. abzuziehen. Zwar sehe Rz. 10908 der Wegleitung des BSV über die Renten (RWL) in der Eidgenössischen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung ( www.bsv.admin.ch/vollzug/documents/view/75/lang:deu/category:23 ) vor, dass ausnahmsweise eine Verrechnung von Leistungen zwischen Ehegatten möglich sei, wenn ein enger versicherungsrechtlicher Konnex bestehe. Auch halte Rz. 10061 RWL fest, im Rahmen von Nachzahlungen an Dritte und dabei an Durchführungsstellen anderer Sozialversicherungsträger könnten Forderungen der AHV oder der IV vorgängig verrechnet werden. Aber abgesehen davon, dass Verwaltungsweisungen für das Sozialversicherungsgericht nicht zwingend verbindlich seien, könne der Vorrang der Verrechnung von AHV- und IV-Leistungen nur gelten, wenn es um eine Verrechnung von Leistungen der gleichen versicherten Person gehe. Ansonsten würden die Voraussetzungen der Kongruenz der zu verrechnenden Leistung völlig ausgehebelt, zumal keine gesetzliche Grundlage bestehe für eine solche Verrechnung und ein solches Vorrecht der Invalidenversicherung bei der Verrechnung unter Ehegatten, welche an sich schon einen Ausnahmefall darstelle. Deshalb hätte die Ausgleichskasse (recte: die IV-Stelle) die Forderung gegenüber dem Ehegatten der Versicherung (recte: der Versicherten) nicht vorab abziehen dürfen. Folglich habe die Ausgleichskasse der Arbeitslosenkasse deren gesamte Vorleistung bzw. den noch ausstehenden Restbetrag von Fr. 4'252.55 nachzuzahlen. 5.2 Der Beschwerdeführer rügt im Wesentlichen, gemäss höchstrichterlicher Rechtsprechung sei eine Verrechnung der vom Ehemann zu viel bezogenen Rentenbetreffnisse mit der IV-Nachzahlung an BGE 141 V 139 S. 143 die Ehefrau zulässig. Der Vorrang von Forderungen der IV und der AHV bei der Verrechnung lasse sich aus Art. 63 Abs. 2 ATSG ableiten, wonach AHV und IV zusammen als eine Sozialversicherung gälten. Es mache durchaus Sinn, zunächst intrasystemische vor allfälligen intersystemischen Verrechnungen zuzulassen. Die Verrechnung richte sich im Übrigen auch dann nach Art. 20 Abs. 2 AHVG , wenn der Rückerstattungstatbestand gemäss Art. 71 ATSG vorliege. Demnach sei die IV-Stelle befugt gewesen, die an den Ehemann zuviel ausbezahlten (AHV-)Rentenbetreffnisse mit der IV-Nachzahlung an die Ehefrau (vorrangig) zu verrechnen. 5.3 Die Beschwerdegegnerin räumt einen Fehler bei der Berechnung der Rückerstattungsforderung ein und legt dar, der Rückerstattungsbetrag belaufe sich auf total Fr. 16'989.10 (statt Fr. 19'218.15). Deshalb sei der angefochtene Entscheid insoweit anzupassen, als die Ausgleichskasse anzuweisen sei, der Beschwerdegegnerin einen Betrag von Fr. 2'023.50 (statt: Fr. 4'252.55) zu überweisen. Im Übrigen wendet sie gegen die Beschwerde ein, vorliegend handle es sich gar nicht um eine Verrechnung von Leistungen, welche unter Art. 20 AHVG falle, sondern um eine Rückerstattung von Vorleistungen gemäss Art. 71 ATSG . Somit gehe der Beschwerdeführer falsch in der Annahme, auch Vorleistungen nach Art. 70 ATSG könnten erst nach der vorrangigen Verrechnung von IV- und AHV-Forderungen gemäss Art. 20 Abs. 2 AHVG beglichen werden. Auch sei Rz. 10061 RWL nicht auf Vorleistungen gemäss Art. 70 ATSG anwendbar. Geleistete ALV-Zahlungen im Rahmen von Art. 70 ATSG , die im Nachhinein mit IV-Leistungen gedeckt würden, seien bei der Nachzahlung der definitiv zugesprochenen IV-Leistung vorrangig zu decken. 6. 6.1 Unter den Parteien ist unbestritten, dass die Beschwerdegegnerin Vorleistungen im Sinne von Art. 70 ATSG erbracht hat (zur Frage der Höhe der Vorleistung: nicht publ. E. 2.2; E. 6.3.4), weshalb ihr gegenüber der IV als übernehmender Versicherungszweig ein Rückerstattungsanspruch zusteht ( Art. 71 Satz 2 ATSG ). Strittig ist dagegen zunächst, auf welchem Wege bzw. auf welcher gesetzlichen Grundlage die Rückabwicklung zu erfolgen hat. Die Beschwerdegegnerin ist entgegen dem Beschwerdeführer der Ansicht, bei der Rückerstattung von Vorleistungen gelange Art. 20 Abs. 2 AHVG nicht zur Anwendung bzw. die Rückerstattung BGE 141 V 139 S. 144 erfolge nicht durch Verrechnung. Dem kann nicht gefolgt werden. Ungeachtet dessen, ob die Ausgleichspflicht aus einem unrechtmässigen Leistungsbezug herrührt oder auf einer Vorleistung beruht, findet der Ausgleich bzw. der Auszahlungsvorgang in der hier gegebenen Konstellation (Rückforderung des einen, Nachzahlung des anderen Zweigs) mittels einer (zweigübergreifenden) Verrechnung statt (vgl. BGE 136 V 195 E. 7.2 S. 203 mit Hinweis auf Botschaft vom 28. Februar 2001 zu einem revidierten Arbeitslosenversicherungsgesetz, BBl 2001 2245, 2303 Ziff. 2.1 zu Art. 95 Abs. 1 bis AVIG ; FRANZ SCHLAURI, Die zweigübergreifende Verrechnung und weitere Instrumente der Vollstreckungskoordination des Sozialversicherungsrechts, in: Sozialversicherungsrechtstagung 2004, S. 175 ff.; vgl. auch Ziff. B1 des Kreisschreibens des Staatssekretariats für Wirtschaft [SECO], AVIG-Praxis RVEI [Rückforderung, Verrechnung, Erlass und Inkasso]). Da im ATSG eine allgemeine Verrechnungsnorm fehlt ( BGE 136 V 286 E. 5.3 S. 290 mit Hinweis; Urteil 9C_149/2012 vom 6. Februar 2013 E. 3; MEYER/REICHMUTH, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung, 3. Aufl. 2014, N. 4 zu Art. 50 IVG ), richtet sich die Tilgung von Forderungen mittels Verrechnung nach den zweigbezogenen sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen. Vorliegend ist gestützt auf den Verweis von Art. 50 Abs. 2 IVG die Bestimmung von Art. 20 Abs. 2 AHVG sinngemäss anwendbar (E. 4 hievor), welche die zweiginterne (intrasystemische) und die zweigübergreifende (intersystemische) Verrechnung von Leistungen und Forderungen regelt ( BGE 136 V 286 E. 4.1 S. 288; zu den koordinationsrechtlichen Begriffen: SUSANNE LEUZINGER-NAEF, Die Leistungskoordination gemäss Art. 63-71 ATSG , in: Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG], Schaffhauser/Kieser [Hrsg.], 2003, S. 165). 6.2 Die Vorinstanz hat zur Verrechnung der Forderung der AHV mit der Nachzahlung der IV festgestellt, dass Schuldner und Gläubiger nicht identisch sind. Darüber, ob die Forderung der AHV unter den konkreten Umständen der Verrechnung überhaupt zugänglich ist, hat sie indes keine Ausführungen gemacht. Wie der Beschwerdeführer diesbezüglich zutreffend darlegt, wird im Bereich der Alters- und Hinterlassenenversicherung sowie der Invalidenversicherung eine Verrechnung auch in Fällen zugelassen, in denen die versicherte Person nicht gleichzeitig Schuldner und Gläubiger von einander gegenüberstehenden Forderungen ist. Es reicht hierfür aus, dass unter versicherungstechnischem oder rechtlichem Blickwinkel eine enge BGE 141 V 139 S. 145 Beziehung zwischen den Verrechnungsforderungen besteht ( BGE 138 V 2 E. 4.1 S. 4; BGE 137 V 175 E. 2.2.1 S. 178; BGE 130 V 505 ; MEYER/REICHMUTH, a.a.O., N. 5 zu Art. 50 IVG ; UELI KIESER, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Sozialversicherungsrecht, Alters- und Hinterlassenenversicherung, 3. Aufl. 2012, N. 4 zu Art. 20 AHVG ; vgl. auch Rz. 10908 RWL). Die Rückforderung unrechtmässig bezogener AHV-Rentenbetreffnisse gegenüber dem Ehemann der A. resultiert aus der bei Ehepaaren vorzunehmenden Rentenplafonierung ( Art. 35 Abs. 1 AHVG ) sowie der splittingbedingten Verringerung seines massgebenden durchschnittlichen Jahreseinkommens ( Art. 29 quinquies Abs. 3 lit. a AHVG ), welche zu einer rückwirkenden Herabsetzung der Altersrente des Ehemannes führte. Sowohl die Rentenplafonierung als auch das Beitragssplitting sind notwendigerweise mit der rückwirkend zugesprochenen Invalidenrente der A. verbunden. Unter diesen Umständen bejaht die Rechtsprechung die erforderliche, versicherungstechnisch oder rechtlich enge Beziehung zwischen den zu verrechnenden Forderungen ohne Weiteres (Urteil 9C_149/2012 vom 6. Februar 2013 E. 4 mit Hinweisen). 6.3 6.3.1 Hinsichtlich der Rangordnung in der Befriedigung der von insgesamt drei Parteien angemeldeten Verrechnungsforderungen - wobei das Verhältnis zwischen den Forderungen der Ausgleichskasse und denjenigen der Beschwerdegegnerin im Zentrum steht - stützen sich Verwaltung und Beschwerdeführer auf Rz. 10061 RWL, wonach (im Falle von Nachzahlungen; Ziff. 10.1.6 RWL) ausstehende Forderungen der AHV und IV in jedem Fall vorrangig verrechnet werden können, d.h. vor den Verrechnungsansprüchen anderer Sozialversicherer. Demgegenüber sind Vorinstanz und Beschwerdegegnerin in Abweichung von der in der RWL vorgesehenen Lösung der Ansicht, in der vorliegenden Konstellation müsse die Rückforderung der Vorleistungen in den Genuss der vorrangigen Verrechnung kommen. Wie das kantonale Gericht korrekt wiedergegeben hat, sind Verwaltungsweisungen für das Sozialversicherungsgericht nicht verbindlich. Dieses soll sie bei seiner Entscheidung aber berücksichtigen, sofern sie eine dem Einzelfall angepasste und gerecht werdende Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulassen. Das Gericht weicht also nicht ohne triftigen Grund von Verwaltungsweisungen ab, wenn diese eine überzeugende Konkretisierung der BGE 141 V 139 S. 146 rechtlichen Vorgaben darstellen. Insofern wird dem Bestreben der Verwaltung, durch interne Weisungen eine rechtsgleiche Gesetzesanwendung zu gewährleisten, Rechnung getragen ( BGE 140 V 543 E. 3.2.2.1 S. 547 f.; BGE 138 V 346 E. 6.2 S. 362; BGE 137 V 1 E. 5.2.3 S. 8; BGE 133 V 257 E. 3.2 S. 258 mit Hinweisen). 6.3.2 Die Rz. 10061 i.V.m. Rz. 10060 RWL statuiert eine Rangfolge der Verrechnung (auch Dreikreismodell genannt), gemäss welcher vorab die betroffene Sozialversicherung für eigene Forderungen und Schulden zur Verrechnung berechtigt ist. An zweiter Stelle stehen Forderungen anderer Zweige. Diese sind vor den extrasystemischen Forderungen zu befriedigen (Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 11. September 2008, in: BVR 2009 S. 143 mit Hinweis auf SCHLAURI, a.a.O., S. 159 f. und 198). Konkret regelt Rz. 10061 RWL das Verhältnis zwischen primär zu befriedigenden intrasystemischen und sekundär zum Zuge kommenden intersystemischen Forderungen, indem es den Vorrang von Forderungen der AHV und der IV vor Ansprüchen anderer Sozialversicherungsträger festlegt. Bei den Forderungen der AHV und der IV handelt es sich - worauf der Beschwerdeführer zu Recht hinwies - nämlich um intrasystemische Forderungen, da nach der Konzeption des ATSG die AHV und IV zusammen als eine Sozialversicherung gelten ( Art. 63 Abs. 2 ATSG ). Weder Vorinstanz noch Beschwerdegegnerin vermögen darzulegen, inwiefern die Rz. 10061 RWL bzw. dieses Dreikreismodell keine dem Einzelfall angepasste und gerecht werdende Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulassen sollte. Im Gegenteil ist der Vorrang von intrasystemischen gegenüber intersystemischen Forderungen rechtslogisch geboten (in diesem Sinne auch SCHLAURI, a.a.O., S. 160). Entgegen der Vorinstanz, welche offenbar von einem (zivilrechtlichen) Kongruenzerfordernis auszugehen scheint (MEYER/REICHMUTH, a.a.O., N. 5 zu Art. 50 IVG ), ist nicht ersichtlich, weshalb diese Rangordnung nicht gelten sollte bei der Verrechnung von Forderungen und Ansprüchen von Ehegatten, sofern die im Sozialversicherungsrecht geforderte enge Beziehung der einander gegenüberstehenden Verrechnungsforderungen besteht (E. 6.2 hievor). Soweit die Beschwerdegegnerin sinngemäss einwendet, Rz. 10061 RWL gelange bei Rückerstattungen von Vorleistungen (ausnahmsweise) nicht zur Anwendung, dringt sie nicht durch. Es wäre zwar an sich denkbar, dem vorleistungspflichtigen Versicherungszweig Vorrang bei der verrechnungsweisen Rückerstattung BGE 141 V 139 S. 147 der Vorleistungen gegenüber Rückforderungen einzuräumen, die nicht aus einer Vorleistung herrühren. Ein solcher Vorrang ist im Gesetz, namentlich in Art. 71 Satz 2 ATSG , jedoch nicht vorgesehen. Dass die Rückerstattung von Vorleistungen bei der Verrechnung gesondert bzw. in Abweichung des Dreikreismodells zu behandeln wäre, wird auch von der Lehre nicht postuliert. Mithin ist kein triftiger Grund (E. 6.3.1 Abs. 2 vorne) für ein Abweichen von der RWL gegeben und es bleibt bei der in Rz. 10061 vorgesehenen Rangfolge, womit die IV-Stelle die Rückforderung der AHV zu Recht vorrangig befriedigt hat. Folglich verletzt der angefochtene Entscheid Bundesrecht. 6.3.3 Schliesslich wirft der Beschwerdeführer die Frage nach der Rangfolge der Forderung der Beschwerdegegnerin einerseits und derjenigen des Krankentaggeldversicherers andererseits auf, was von der (rechtlichen) Qualifikation des Taggeldversicherers (als Sozialversicherungsträger oder als bevorschussender Dritter; Rz. 10054 und 10057 RWL; Rz. 1004 des Kreisschreibens des BSV über die Verrechnung von Nachzahlungen der IV mit Leistungsrückforderungen von zugelassenen Krankenkassen [in der ab 1. Januar 1999 geltenden Fassung]) abhängt. Aus den Allgemeinen Vertragsbedingungen (AVB) - obwohl vom Krankentaggeldversicherer erst letztinstanzlich aufgelegt, sind sie aufgrund ihrer rechtlichen Natur dennoch zu berücksichtigen - erhellt, dass die Leistungen nicht auf einer dem KVG unterstehenden Taggeldversicherung beruhten ( Art. 67 ff. KVG ), sondern gemäss VVG gewährt wurden. Damit handelt es sich bei der entsprechenden Rückforderung um eine extrasystemische Forderung (UELI KIESER, ATSG-Kommentar, 2. Aufl. 2009, N. 18 zu Art. 70 ATSG ). Diese steht nach dem Gesagten (E. 6.3.2 hievor; Rz. 10061 i.V.m. 10060 RWL) in der Rangfolge der Verrechnung an dritter Stelle, hinter den intra- und intersystemischen Forderungen. 6.3.4 Die Verfügung Nr. 9, bei welcher es allein um das Verhältnis zwischen intra- und intersystemischen Forderungen geht (vgl. Sachverhalt lit. A Abs. 3 hievor), ist nicht zu beanstanden. Die Verfügung Nr. 10 beachtet zwar den Vorrang der intrasystemischen Forderung der Ausgleichskasse, hält indes die Rangfolge zwischen der inter- und der extrasystemischen Forderung nicht ein: Statt die für die betreffende Zeitspanne zur Verrechnung angemeldete (Rest-) Forderung der Beschwerdegegnerin von Fr. 13'136.15 (Fr. 19'218.15 ./. Fr. 6'082.-) zu befriedigen, werden lediglich Fr. 8'883.60 zur BGE 141 V 139 S. 148 Verrechnung zugelassen bei gleichzeitiger Verrechnung eines Betrags von Fr. 5'922.40 zu Gunsten des (an dritter Stelle stehenden) Taggeldversicherers. Insoweit ist die Verfügung Nr. 10 bundesrechtswidrig und aufzuheben. Im Verfahren vor Bundesgericht beantragt die Beschwerdegegnerin mit Stellungnahme vom 21. August 2014, es sei ihre Restforderung von nurmehr Fr. 2'023.50 (statt ursprünglich Fr. 4'252.55) zu verrechnen. Weil das Bundesgericht nicht über die Begehren der Parteien hinausgehen darf ( Art. 107 Abs. 1 BGG ), wird die Verfügung Nr. 10 insoweit abgeändert, als zu Gunsten der Beschwerdegegnerin Fr. 10'907.10 (Fr. 8'883.60 plus Fr. 2'023.50) und zu Gunsten des Taggeldversicherers Fr. 3'898.90 (Fr. 5'922.40 ./. Fr. 2'023.50) verrechnet werden (die Verrechnung zu Gunsten der Ausgleichskasse bleibt sich gleich). 7. Nach dem Gesagten ist die Beschwerde teilweise begründet. Der angefochtene Entscheid ist aufzuheben, und die Verfügung der IV-Stelle Nr. 10 vom 16. Mai 2012 ist insoweit abzuändern, als zu Gunsten der Beschwerdegegnerin Fr. 10'907.10 und zu Gunsten des Taggeldversicherers Fr. 3'898.90 mit der Nachzahlung der IV-Stelle verrechnet werden.
null
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de
2,015
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
0898a130-ee6c-4d81-9859-aaf1d7d87cb5
Urteilskopf 99 IV 63 13. Urteil des Kassationshofes vom 18. April 1973 i.S. Wirth gegen Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen.
Regeste Art. 238 Abs. 2, 18 Abs. 3 StGB. Fehlerhafte Bedienung eines Eisenbahnstellwerks durch einen Stationslehrling, dessen Verhalten infolge besonderer sachlicher und persönlicher Umstände nicht als pflichtwidrig unvorsichtig gewertet werden kann.
Sachverhalt ab Seite 63 BGE 99 IV 63 S. 63 A.- Wirth, der am 14. April 1971 die Abschlussprüfung als Stationslehrling bestanden hatte, trat am darauffolgenden Tag seinen Dienst auf der Station Mörschwil an. Nach einer zweitägigen BGE 99 IV 63 S. 64 Einführung versah er am 17. April 1971 zum ersten Mal den Stationsdienst allein. An diesem Tag fuhr der Zug Nr. 140 (München-Zürich), der mit dem Personenzug Nr. 3171 (St. Gallen-Rorschach) in Mörschwil kreuzen musste, mit einiger Verspätung durch die genannte Station. Daraufhin stellte Wirth die Ausfahrt für den Personenzug 3171 irrtümlich aus Gleis 3 statt aus Gleis 2 her. Als er den Fehler bemerkte, stellte er das auf Fahrt stehende Ausfahrsignal wieder in die Haltestellung zurück und löste die Fahrstrasse mit der Notauflösung auf. Dann übergab er dem Lokomotivführer des Zuges 3171 den schriftlichen Abfahrbefehl und fertigte den Zug bei geschlossenem Ausfahrsignal ab. Da die Weiche 5 bei der Einstellung der Fahrstrasse aus Gleis 3 in Schutzstellung gelaufen war, mit andern Worten, die Bahn auf ein Stumpengeleise geöffnet hatte, und diese Stellung mit der Rücknahme der Fahrstrasse auf Gleis 3 nicht automatisch in die Ausgangsstellung zurückgeschaltet wurde, was Wirth übersah, fuhr der Personenzug 3171 auf das kurze Stumpengeleise, wobei die Lokomotive trotz einer von ihrem Führer sogleich vorgenommenen Schnellbremsung mit allen vier Achsen über das Gleisende hinausfuhr. Hierbei entstand Sachschaden für ca. Fr. 17 000.--. Ausserdem wurden drei Personen leicht verletzt. B.- Mit Urteil vom 4. Mai 1972 bestrafte die Gerichtskommission Rorschach Wirth wegen fahrlässiger Störung des Eisenbahnverkehrs mit einer bedingt vorzeitig löschbaren Busse von Fr. 200.--. Eine vom Gebüssten gegen diesen Entscheid eingelegte Berufung wies das Kantonsgericht St. Gallen am 22. Januar 1973 ab. C.- Wirth führt Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt Freisprechung von Schuld und Strafe. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Dass der Tatbestand des Art. 238 Abs. 2 StGB objektiv erfüllt ist, war schon vor Kantonsgericht nicht mehr streitig. Zur Entscheidung steht denn auch vor Bundesgericht einzig die Frage, ob dem Beschwerdeführer Fahrlässigkeit und damit ein strafrechtlich erhebliches Verschulden zur Last falle. 2. Fahrlässig handelt nach Art. 18 Abs. 3 StGB , wer die Folgen seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedacht oder darauf nicht Rücksicht genommen hat. BGE 99 IV 63 S. 65 Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit, wenn der Täter die Vorsicht nicht beachtet, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist. Wo es sich um das Verhalten von Bahnbeamten handelt, sind für die Beantwortung der Frage, ob jenes pflichtgemäss oder pflichtwidrig war, insbesondere die internen Dienstvorschriften von Belang (s. BGE 79 IV 169 ; BGE 88 IV 103 , 109 E. 2; BGE 96 IV 3 ). Damit ist freilich nicht gesagt, dass jeder Verstoss gegen solche Vorschriften, der zur Verletzung oder Tötung eines Menschen oder zu einer Störung des Eisenbahnverkehrs führt, den Vorwurf der Fahrlässigkeit rechtfertige. Das trifft nur zu, wo die Vorsicht, welche der Täter nicht beachtet hat, objektiv geboten und subjektiv zumutbar war ( BGE 88 IV 103 /4). 3. Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz hat Wirth zunächst von zwei nebeneinander befindlichen Tasten die falsche betätigt und damit die Fahrstrasse aus Gleis 3 statt aus Gleis 2 geöffnet. Diese Fehlschaltung hatte zur Folge, dass die Schutzweiche 5 automatisch auf Ablenkung gestellt wurde. Nachdem Wirth den Fehler bemerkt hatte, entschied er sich von zwei möglichen Korrekturen für die weniger zeitraubende, aber aussergewöhnlichere, indem er einen schriftlichen Abfahrtsbefehl ausstellte. Dabei vergass er, dass die Schutzweiche immer noch auf Ablenkung gestellt war. Er unterliess es ferner, vor dem Erteilen des schriftlichen Fahrbefehls das Stellwerktableau zu prüfen und eine sogenannte Rangierfahrstrasse einzustellen, wodurch die Weichen automatisch richtig gestellt worden wären. Dadurch hat Wirth objektiv gegen die Vorschrift in Ziff. 47.3 des Fahrdienstreglements R 310.1 verstossen, welche eine Prüfung verlangt, ob die Weichen und Rangiersignale richtig stehen, bevor ein Einfahr- oder Ausfahrsignal auf Fahrt gestellt, die Zustimmung zur Ein- oder Ausfahrt erteilt und der Abfahrbefehl gegeben wird. Der Beschwerdeführer stellt diesen von der Vorinstanz festgehaltenen Fehler nicht in Abrede. Dagegen bestreitet er, fahrlässig gehandelt zu haben. Es ist somit zu prüfen, ob die Wirth unterlaufenen Fehler gleichzeitig auch - wie die Vorinstanz annimmt - ein schuldhaftes Verhalten im strafrechtlichen Sinne darstellen. Als strafrechtliche Fahrlässigkeit kann dem Täter nur das angerechnet werden, was unter den Tatumständen von ihm bei Anwendung der gebotenen Vorsicht und bei Berücksichtigung BGE 99 IV 63 S. 66 seiner Kenntnisse und Erfahrungen erwartet werden durfte. Die strafrechtliche Sanktion muss da Halt machen, wo die Grenzen der menschlichen Leistungsfähigkeit an sich oder der persönlichen Voraussetzungen erreicht oder überschritten werden. Gerade beim Eisenbahnbetrieb mit seinen komplizierten technischen Abläufen können Situationen entstehen, in denen eine Ordnungsvorschrift verletzt wird, ohne dass aber bereits von einem strafrechtlich relevanten fahrlässigen Verhalten gesprochen werden kann. In dieser Hinsicht sind im vorliegenden Falle mehrere vor der Tat bzw. Unterlassung des Beschwerdeführers liegende sachliche und persönliche Umstände zu berücksichtigen. Wirth hatte zwar drei Tage vor dem Unfall die Lehrabschlussprüfung mit Erfolg bestanden. Er war aber immer noch Lehrling und befand sich dementsprechend in der Ausbildung. Dennoch hatte er am 17. April den Dienst völlig allein zu leisten, ohne Instruktor oder einen zweiten, voll ausgebildeten Stationsbeamten. Von besonderer Bedeutung ist, dass Wirth während seiner Ausbildung das sog. Domino-Stellwerk, wie es die Station Mörschwil aufweist, nur theoretisch kennen gelernt, aber nie praktisch daran gearbeitet hatte. Das erste Lehrjahr absolvierte er in einer Station, wo Weichen und Signale durch Betätigung einzelner Schalter in die richtige Stellung gebracht werden. Im zweiten Lehrjahr arbeitete er an einem Stellwerk, wo dieselben Manöver durch Hebel ausgeführt werden. In beiden Stationen waren also Weichen und Signale einzeln zu betätigen und deren Stellung an derjenigen der Schalter bzw. Hebel abzulesen. Beim Domino-Stellwerk dagegen werden einzelne Fahrstrassen eingestellt, wobei dann automatisch alle erforderlichen Weichen und Signale richtig gestellt werden, ohne dass der Beamte dies kontrollieren müsste. Wird jedoch versehentlich die falsche Fahrstrasse betätigt, dann kann sie zwar durch Notauflösung wieder aufgelöst werden, doch ist es nicht möglich, nun einfach durch Betätigung der richtigen Taste die ursprünglich vorgesehene Fahrstrasse herzustellen. Hiezu bedarf es besonderer Massnahmen, die im Normalbetrieb nicht vorkommen. In Mörschwil war Wirth während nur 2 Tagen jeweils in einem Früh- und Spätdienst am Domino-Stellwerk eingeführt worden, bevor ihm am 17. April 1971 der Abfertigungsdienst allein übertragen wurde. Die Vorinstanz behauptet nicht, dass es BGE 99 IV 63 S. 67 während des zweitägigen Einführungsdienstes zu Verspätungen oder Störungen gekommen sei, oder dass der instruierende Beamte mit Wirth übungsmässig gleiche oder ähnliche Situationen durchgenommen habe, wie sie dann am 17. April aufgetreten sind. Die Feststellung im angefochtenen Urteil, Wirth habe sich auf der Station Mörschwil sicher gefühlt, konnte sich daher bloss auf die Handhabung unter normalen Bedingungen beziehen. Er hatte vor dem Unfall keine Gelegenheit, sich in einer solchen Ausnahmesituation zurechtfinden zu müssen. Als Wirth den verspäteten Zug Nr. 3171 abfertigen sollte, stellte er versehentlich die falsche Fahrstrasse her. Er entdeckte seinen Fehler sofort und betätigte die Notauflösung. Sein erster Fehler führte daher nicht zu einer Gefährdung i.S. von Art. 238 StGB . Dass er dann bei der ungewöhnlichen Massnahme, die zur richtigen Abfertigung des Zuges an sich tauglich war, nicht mehr an die falsche Stellung der Schutzweiche 5 dachte und daher deren Stellung nicht durch einen Blick auf das Stellwerktableau kontrollierte, war ein Fehler, der sich aus der Ausnahmesituation erklärt. Es galt, den bereits verspäteten Zug rasch abzufertigen und zu diesem Zweck aussergewöhnliche Massnahmen zu ergreifen, wofür Wirth jegliche Erfahrung abging. Zudem befand er sich wegen des vorausgehenden Fehlers und der drängenden Zeit in einer besonderen Spannung; um so mehr, als er dabei völlig auf sich allein gestellt war. Diese momentane Überforderung führte dazu, dass die Weiche 5 seiner Aufmerksamkeit entging. Für ein aus den Umständen erklärliches menschliches Versagen und gegen die Annahme, der Beschwerdeführer habe die ihm nach seinen persönlichen Verhältnissen zumutbare Vorsicht pflichtwidrig ausser Acht gelassen, spricht auch sein allgemein guter dienstlicher Leumund. Diese Auffassung deckt sich auch mit derjenigen des Eidg. Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartements, das dem Beschwerdeführer hinsichtlich der Korrektur von Unregelmässigkeiten im Abfertigungsdienst einen offensichtlichen Mangel an Erfahrung attestiert. Fehlt es mithin an einer fahrlässigen Handlung des Wirth, so ist dieser eines Vergehens nicht schuldig und daher freizusprechen. BGE 99 IV 63 S. 68 Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Kantonsgerichts St. Gallen vom 22. Januar 1973 aufgehoben und die Sache zur Freisprechung des Beschwerdeführers an die Vorinstanz zurückgewiesen.
null
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de
1,973
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
08998be2-c368-4451-987c-1cffbf217995
Urteilskopf 90 IV 239 50. Extrait de l'arrêt de la Chambre d'accusation du 5 décembre 1964 dans la cause Ministère public fédéral contre Dériaz.
Regeste Art. 52 BStP . 1. Die in dieser Bestimmung vorgesehene Beschwerde ist die gleiche, wie sie in Art. 214 ff. BStP geregelt ist; Aktivlegitimation (Erw. 1). 2. Überprüfungsbefugnis der Anklagekammer; Fragen der Rechtsanwendung und der Zweckmässigkeit in den Fällen der Art. 44, 47 und 50 BStP (Erw. 2 und 3).
Sachverhalt ab Seite 239 BGE 90 IV 239 S. 239 Le 30 novembre 1964, le Juge d'instruction fédéral a ordonné, sous diverses conditions, la mise en liberté de Dériaz, détenu préventivement depuis le 1er avril 1964. Le Ministère public fédéral a formé un recours contre cette décision. Erwägungen Considérant en droit: 1. L'art. 52 PPF permet à l'inculpé en détention préventive de demander en tout temps à être mis en liberté (al. 1); il prévoit expressément que le rejet de la demande peut faire l'objet d'un recours à la Chambre d'accusation (al. 2). Cette voie de droit est en réalité celle de la plainte que règlent les art. 214 ss. PPF (RO 83 IV 180, consid. 3). Elle est ouverte sans aucune restriction aux parties et, par conséquent, au Ministère public contre toutes les opérations ou omissions du magistrat instructeur et, en particulier, contre la mise en liberté d'un inculpé détenu préventivement. On ne saurait conclure à contrario de l'art. 52 al. 2 qu'en cas de libération, la voie du recours BGE 90 IV 239 S. 240 ne serait pas ouverte. Par rapport aux art. 214 ss., cette règle n'a aucune portée restrictive. Le Ministère public fédéral a donc qualité pour porter plainte. 2. Saisie d'une plainte contre l'admission ou le rejet d'une demande de libération formée par un inculpé en détention provisoire, la cour de céans ne peut intervenir que si le juge d'instruction a violé la loi; dans la mesure où la décision attaquée relève de l'appréciation, elle se borne donc à examiner si ledit juge a outrepassé le pouvoir que la loi lui confère (RO 77 IV 56; 83 IV 182 lit. b). 3. Selon l'art. 50 PPF, l'inculpé en détention préventive doit être libéré dès que son incarcération ne se justifie plus, c'est-à-dire notamment lorsque les conditions auxquelles les art. 44 et 47 PPF subordonnent le mandat d'arrêt et la détention ne sont plus réalisées. Cependant, si la loi autorise le magistrat instructeur à prononcer la détention préventive dans certaines circonstances, elle lui confère un pouvoir d'appréciation qui porte non seulement sur l'opportunité de cette mesure, à laquelle il peut renoncer, même lorsque les conditions légales sont données, mais aussi sur l'existence de ces conditions elles-mêmes. Par exemple le jugement sur l'existence, soit de présomptions de culpabilité ou de fuite imminente, soit d'une volonté de compromettre l'instruction repose, pour une part, sur l'appréciation. Dans cette mesure, le pouvoir d'examen de la cour de céans est strictement limité, comme on l'a montré plus haut. Il l'est de la même façon lorsqu'il s'agit de mettre fin à la détention préventive, c'est-à-dire de juger si les conditions légales qui justifient cette mesure subsistent. Dans la négative, l'art. 50 PPF impose la libération et le juge ne peut la maintenir par de simples motifs d'opportunité. Dans l'affirmative, en revanche, il lui est encore loisible d'apprécier si de tels motifs justifient néanmoins et désormais une relaxe.
null
nan
fr
1,964
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
089f0f75-7095-4ee2-8e8d-9e60dc4f70d0
Urteilskopf 113 IV 56 17. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 6. November 1987 i.S. M. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste Art. 63 StGB ; Art. 6 Ziff. 2 EMRK . Verhalten in der Untersuchung als Strafzumessungsfaktor. Erschwert ein Angeklagter die Untersuchung durch hartnäckiges Bestreiten, so darf daraus auf fehlende Reue und Einsicht geschlossen und dies straferhöhend gewertet werden.
Erwägungen ab Seite 56 BGE 113 IV 56 S. 56 Aus den Erwägungen: 4. ... b) Der Beschwerdeführer rügt, die nachstehende Passage des obergerichtlichen Urteils sei bundesrechtswidrig bzw. mit Art. 63 StGB - ausgelegt nach den Grundsätzen von Art. 6 Ziff. 2 EMRK - nicht vereinbar: "Auch ist ihm anzulasten, dass er die Durchführung der Untersuchung sehr erschwert und sich nicht im geringsten kooperativ gezeigt hat. Er stritt eine Beteiligung an den ihm vorgehaltenen Straftaten kategorisch ab und stellte sich als völlig harmlosen Biedermann hin. Er lässt also jegliche Reue und Einsicht vermissen, was ein düsteres Licht auf ihn wirft." ... c) Nach Art. 63 StGB misst der Richter die Strafe nach dem Verschulden des Täters zu; er berücksichtigt die Beweggründe, das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse des Schuldigen. Die persönlichen Verhältnisse betreffen die Persönlichkeit des Täters, so wie sie sich zur Zeit der Beurteilung zeigt (SCHULTZ, AT II, 4. Aufl., S. 77). Bei der Beurteilung der Persönlichkeit sind unter anderem auch Einsicht und Reue bzw. deren Fehlen mitzuberücksichtigen. Wohl wurde in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung festgehalten, dass Schweigen, Aussageverweigerung, einfache Bestreitungen oder blosses Leugnen sich mit verfahrensrechtlich anerkannten Grundsätzen vereinbaren lassen und dass dem Angeklagten daraus keine Nachteile bezüglich der Anrechnung der Untersuchungshaft ( BGE 103 IV 10 ), der Haftentschädigung ( BGE 112 Ib 446 ) oder der Kostenauflage bei Einstellung des Verfahrens ( BGE 109 Ia 166 ) erwachsen dürfen. Dies bedeutet aber nicht, dass ein entsprechendes Verhalten bei der Beurteilung der Täterpersönlichkeit im Rahmen der Strafzumessung nicht berücksichtigt werden dürfe. Indem die Vorinstanz aus dem Verhalten des Beschwerdeführers in der Untersuchung auf das Fehlen jeglicher Reue und Einsicht schloss, beantwortete sie eine Frage der Beweiswürdigung bezüglich seiner Persönlichkeit, die vom Kassationshof in diesem Verfahren nicht zu prüfen ist. Beizufügen bleibt, dass der Verurteilte sich nicht zum ersten Mal als Hehler betätigte. Dass aber fehlende Reue und Einsicht straferhöhend gewertet werden dürfen, lässt sich mit Art. 63 StGB vereinbaren. Die Beschwerde erweist sich demnach auch in diesem Punkt als unbegründet.
null
nan
de
1,987
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
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08a23575-f219-4f74-9d7b-0ab39729227a
Urteilskopf 98 Ia 163 23. Auszug aus dem Urteil vom 29. März 1972 i.S. X. & Co. AG gegen Kanton Bern und Verwaltungsgericht des Kantons Bern.
Regeste Art. 4 BV ; Art. 2 Üb. Best. BV; Handänderungsabgabe. Art. 7 Abs. 1 des bernischen Gesetzes über die Handänderungs- und Pfandrechtsabgaben vom 15. November 1970 (Besteuerung der anlässlich eines Grundstückerwerbs mitveräusserten Zugehör) verstösst weder gegen Art. 4 BV noch gegen die derogatorische Kraft des Bundesrechts.
Sachverhalt ab Seite 163 BGE 98 Ia 163 S. 163 A.- Nach Art. 1 des bernischen Gesetzes betreffend die Handänderungs- und Pfandrechtsabgaben vom 15. November 1970 (HPAG) wird beim Erwerb eines Grundstücks eine kantonale Abgabe erhoben, die 1,5%, jedoch mindestens Fr. 20.- beträgt (Art. 6 HPAG) und aufgrund der Gegenleistung für den Grundstückerwerb bemessen wird (Art. 7 Abs. 1 HPAG). Diese besteht "aus allen vermögenswerten Leistungen, die der Erwerber dem Veräusserer oder Dritten für das Grundstück, einschliesslich der Zugehör, zu erbringen hat". B.- Mit Sacheinlagevertrag vom 27. März 1971 übertrug die Kommanditgesellschaft X. & Co. der zu gründenden Aktiengesellschaft X. & Co. AG Aktiven und Passiven, darunter ein Grundstück zum Übernahmewert von Fr. 591'000.--, sowie Maschinen, Werkzeuge und Mobiliar als Zugehör im Wert von Fr. 737'000.--. Die gestützt auf Art. 7 Abs. 1 HPAG erhobene Handänderungsabgabe betrug demnach Fr. 19'921.-- (Fr. 8'866.50 für das Grundstück + Fr. 11'054.50 für die Zugehör). Die X. & Co. AG erhob gegen diese Veranlagung Einsprache mit der Begründung, die Abgabe dürfe nur vom Wert BGE 98 Ia 163 S. 164 des Grundstücks, nicht aber von jenem der Zugehör erhoben werden. Ihre Einsprache wurde jedoch vom Grundbuchamt, von der Justizdirektion des Kantons Bern und mit Urteil vom 13. Dezember 1971 letztinstanzlich vom Verwaltungsgericht des Kantons Bern abgewiesen. C.- Die X. & Co. AG führt staatsrechtliche Beschwerde. Sie rügt eine Verletzung von Art. 4 BV und von Art. 2 Üb. Best. BV und beantragt, den angefochtenen Entscheid des Verwaltungsgerichts aufzuheben. Die Begründung dieses Antrags ergibt sich, soweit wesentlich, aus den nachfolgenden Erwägungen. D.- Verwaltungsgericht und Justizdirektion des Kantons Bern beantragen die Abweisung der Beschwerde. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Die Beschwerdeführerin beanstandet, dass die Handänderungsabgabe nicht nur vom Wert des übertragenen Grundstücks, sondern auch von jenem der mitübertragenen Zugehör erhoben wurde. - Die angefochtene Veranlagung entspricht der Vorschrift von Art. 7 Abs. 1 HPAG. Die Beschwerdeführerin behauptet denn auch nicht, die kantonalen Behörden hätten das Gesetz in verfassungswidriger Weise angewendet. Sie macht vielmehr geltend, die Bestimmung von Art. 7 Abs. 1 HPAG sei verfassungswidrig. Die Frist zur Anfechtung des HPAG ist zwar längst abgelaufen. Nach ständiger Rechtsprechung kann jedoch die Verfassungswidrigkeit einer allgemeinen Norm noch im Anschluss an eine darauf gestützte Anwendungsverfügung gerügt werden. Erweist sich dieser Vorwurf als begründet, so führt dies freilich nicht zur Aufhebung der angefochtenen Vorschrift, sondern bloss zur Kassation des angefochtenen Entscheids ( BGE 97 I 334 Erw. 3 und dort angeführte Urteile). 3. a) Das Verwaltungsgericht bezeichnet die bernische Handänderungsabgabe als sog. Gemengsteuer d.h. als Steuer, die in Verbindung mit einer Grundbuchgebühr erhoben wird (vgl. ERNST BLUMENSTEIN, System des Steuerrechts, 3. Aufl., S. 7 und 167/8). Diese Ansicht findet ihre Stütze in Art. 1 HPAG, wird in der Rechtslehre geteilt (H. HUBER, Bundesrechtliche Schranken im Grundstückabgaberecht, ZBGR 49/1968, S. 69; WILLY MEIER, Die bernische Handänderungs- und Pfandrechtsabgabe, Diss. Bern 1946, S. 26) und von der Beschwerdeführerin BGE 98 Ia 163 S. 165 nicht beanstandet. Ferner ist unbestritten, dass die mit Sacheinlagevertrag übertragenen Maschinen, Werkzeuge und Mobilien im Grundbuch angemerkte Zugehör des Grundstücks darstellen und dass sich die Verfügung über dieses auch auf die Zugehör bezog ( Art. 644 Abs. 1 ZGB ). b) Wie die Beschwerdeführerin mit Recht ausführt, kann der Eigentümer der Hauptsache über die in seinem Eigentum stehende Zugehör - sei es mit oder ohne Aufhebung des Zugehörverhältnisses - in den Formen des Fahrnisrechts verfügen (MEIER-HAYOZ, N. 42 zu Art. 644/5 ZGB mit Hinweisen auf Rechtsprechung und Lehre). Ebenso ist richtig, dass in solchen Fällen keine Handänderungsabgabe verfällt, sofern die Verfügung über Zugehör nicht anlässlich einer Veräusserung des Grundstücks erfolgt. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ergibt sich daraus jedoch nicht, dass Art. 7 Abs. 1 HPAG gegen Art. 4 BV verstösst. Wird beim Grundstückserwerb eine Handänderungsabgabe erhoben, so lässt sich sachlich rechtfertigen, im Falle der Veräusserung eines Grundstücks mit Zugehör auch die Gegenleistung für diese mit der Abgabe zu belasten, zumal sich die Verfügung über das Grundstück in der Regel auch auf die Zugehör bezieht ( Art. 644 Abs. 1 ZGB ) und zwischen Hauptsache und Zugehör diesfalls ein besonders enger wirtschaftlicher Zusammenhang besteht. Wie ohne Willkür angenommen werden kann, folgt die Zugehör grundsätzlich auch steuerrechtlich der Hauptsache (E. BLUMENSTEIN, a.a.O., S. 197/8; MEIER-HAYOZ, N. 62 zu Art. 644/5 ZGB; ZBl 53/1952, S. 494 f.). Die angefochtene Ordnung verhindert, dass der erwähnte wirtschaftliche Zusammenhang auseinandergerissen wird und trifft daher keine rechtlichen Unterscheidungen, für die sich in den zu regelnden tatsächlichen Verhältnissen kein vernünftiger Grund finden lässt ( BGE 96 I 56 , 66 Erw. 2, 143, 456). Zu Unrecht macht die Beschwerdeführerin demnach geltend, die steuerliche Nichterfassung einer sowohl formell als auch materiell von der Veräusserung des Grundstücks losgelösten Verfügung über Zugehör führe zu einer rechtsungleichen und daher verfassungswidrigen Behandlung (vgl. dazu auch WILLY MEIER, a.a.O., S. 54 und 128), denn dem erwähnten wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen Hauptsache und Zugehör kommt diesfalls nach dem Willen des zur Veräusserung befugten Eigentümers geringere Bedeutung zu. Dass die Zugehör anlässlich ihrer Veräusserung mit dem Grundstück nach BGE 98 Ia 163 S. 166 den Regeln zur Verhinderung einer interkantonalen Doppelbesteuerung ( Art. 46 Abs. 2 BV ) der Steuerhoheit des Belegenheitskantons untersteht ( BGE 68 I 143 ; LOCHER, Doppelbesteuerung, § 7 I A 2), ändert daran nichts. Ähnliche Überlegungen rechtfertigen sich im übrigen auch für die steuerrechtliche Behandlung der Übertragung eines Bau- oder Quellenrechts, wo die Handänderungsabgabe bloss dann erhoben wird, wenn die Servituten als selbständige und dauernde Rechte ins Grundbuch aufgenommen worden sind (Art. 4 lit. b HPAG). c) Die Beschwerdeführerin macht weiter geltend, es stehe dem Abgabepflichtigen frei, die Zugehör vertraglich nach Belieben zu bewerten und damit die Höhe der Abgabe zu beeinflussen. Wenn der Grundbuchverwalter die Zugehör sodann gemäss Art. 7 Abs. 6 HPAG nach Ermessen zu bewerten habe, so führe dies zu Willkür, rechtsungleicher Behandlung und Zufälligkeiten, weshalb die angefochtene Bestimmung auch unter diesem Gesichtswinkel gegen Art. 4 BV verstosse. Allein auch diese Rüge ist unbegründet. Nach Art. 7 Abs. 1 HPAG wird die Abgabe aufgrund der Gegenleistung für den Grundstückerwerb bemessen. Diese besteht "aus allen vermögenswerten Leistungen, die der Erwerber dem Veräusserer oder Dritten für das Grundstück, einschliesslich der Zugehör, zu erbringen hat". Daraus ergibt sich, dass für die Bemessung der Abgabe nicht allein auf den vereinbarten Übernahmepreis, sondern auch auf den Wert - bei Grundstücken mindestens auf den amtlichen Wert (Art. 7 Abs. 4 HPAG) - der übertragenen Sache abzustellen ist (vgl. W. MEIER, a.a.O., S. 125; E. BLUMENSTEIN, a.a.O., S. 236/7). Der freien Bestimmung der Gegenleistung sind mithin Grenzen gesetzt. Ferner ist selbstverständlich, dass Übernahmepreis für das Grundstück und Entgelt für die mitübertragene Zugehör im öffentlich beurkundeten Vertrag wahrheitsgetreu anzugeben sind. Unlautere Machenschaften, wie sie die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang befürchtet, wären offensichtlich unzulässig und allenfalls sogar strafbar. - Wenn der Grundbuchverwalter - was im vorliegenden Fall unterbleiben konnte - die Abgabe, d.h. die massgebende Gegenleistung mangels einer schlüssigen Parteiabrede nach Ermessen zu bestimmen hat (Art. 7 Abs. 6 HPAG), so führt dies entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht notwendigerweise zu einem unhaltbaren Ergebnis. BGE 98 Ia 163 S. 167 Der Grundbuchverwalter hat nicht willkürlich d.h. nach Belieben, sondern nach pflichtgemässem Ermessen zu entscheiden und dabei insbesondere dem Wert der Gegenleistung Rechnung zu tragen und das Gebot der rechtsgleichen Behandlung zu beachten. Dass die massgebende Gegenleistung unter Umständen auch ermessensweise festzulegen ist, lässt die angefochtene fiskalische Belastung der Übertragung von Zugehör somit nicht als verfassungswidrig erscheinen. d) Die Beschwerdeführerin bringt ferner vor, dass bei der grundbuchlichen Behandlung von Grundstücken einerseits und von Zugehör anderseits hinsichtlich Aufwand, Verantwortung, Interesse der Parteien und Kosten wesentliche Unterschiede beständen. Es sei deshalb willkürlich, bei der Bemessung der Abgabe für Zugehör die gleichen Ansätze anzuwenden wie für die Übertragung von Grundstücken. Diese Rüge wird durch keine besonderen Vorbringen begründet, so dass sich fragt, ob überhaupt darauf eingetreten werden kann (vgl. Art. 90 Abs. 1 lit. b OG ). Wie es sich damit verhält, braucht indessen nicht entschieden zu werden, denn könnte der Hinweis auf die beiden Urteile 82 I 281 ff. und 92 I 5 ff. als genügende Begründung gelten, so vermöchte die Beschwerdeführerin damit nicht durchzudringen. Wohl erkannte das Bundesgericht in den erwähnten Entscheiden, es verstosse gegen Art. 4 BV , für die Eintragung eines Grundpfandrechts die gleiche Gebühr (berechnet von der Pfandsumme) zu erheben wie beim Eigentumsübergang (berechnet vom Wert des Grundstücks), und es halte gleichermassen nicht vor der Verfassung stand, für die grundbuchliche Vormerkung der Miete eine wesentlich andere Gebühr zu erheben als für die Vormerkung anderer persönlicher Rechte. Allein die in den genannten Urteilen enthaltenen Erwägungen können nicht auf den vorliegenden Fall übertragen werden. Wird ein Grundstück mit Zugehör veräussert, so findet sowohl hinsichtlich des Grundstücks wie auch der Zugehör ein Eigentumsübergang statt. Bereits aus diesem Grund erscheint es zumindest nicht als unhaltbar, von Grundstück und Zugehör die nämliche Abgabe zu erheben. Dazu kommt, dass - wie aus Art. 1 Abs. 2 HPAG und aus der gesamten Ausgestaltung der Abgabe zu schliessen ist - die bernische Handänderungsabgabe in erster Linie Steuercharakter hat und der damit verbundenen Eintragungsgebühr nur untergeordnete Bedeutung zukommt. BGE 98 Ia 163 S. 168 4. Die Beschwerdeführerin rügt endlich eine Verletzung von Art. 2 Üb. Best. BV mit der Begründung, eine nach den Umständen nicht mehr verhältnismässige Abgabe für die Übertragung von Zugehör erschwere deren Anmerkung im Grundbuch und verstosse daher gegen den Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts. Wie das Bundesgericht wiederholt entschieden hat, beschränkt Art. 954 ZGB , welche Bestimmung die Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit der Willkürrüge erwähnt, die Steuerhoheit der Kantone nicht (Urteil vom 9. März 1966 i.S. Scheller AG, Erw. 1, abgedruckt in ZBGR 48/1967, S. 158; BGE 84 I 139 Erw. 3; BGE 82 I 284 Erw. 1 mit Hinweisen). Aus dem erwähnten Entscheid vom 9. März 1966 ergibt sich jedoch, dass eine mit einer Grundbuchgebühr verkoppelte kantonale Handänderungssteuer gegen die Verfassung verstösst, wenn sie derart hoch ist, dass sie die Benützung einer Einrichtung des Bundesrechts verunmöglicht oder ungebührlich erschwert (vgl. dazu die Redaktionsbemerkung in ZBGR 48/1967, S. 165). Mit Recht hat die Lehre somit gestützt auf die erwähnte Rechtsprechung angenommen, für den Abgabepflichtigen sei in diesem Zusammenhang gleichgültig, unter welchen rechtlichen Gesichtspunkten die verschiedenen von ihm geforderten Abgaben erhoben würden (H. HUBER, a.a.O., ZBGR 49/1968, S. 85/6). Mit Rücksicht auf die den Kantonen zustehende Freiheit bei der Ausgestaltung des Steuersystems darf indessen nicht leichthin angenommen werden, eine Abgabe erschwere in übermässiger Weise die Benützung eines Instituts des Bundesprivatrechts. Was die bernische Handänderungsabgabe auf der Übertragung von Zugehör anbelangt, so fällt zunächst in Betracht, dass für die Abgabepflicht nichts darauf ankommt, ob die Zugehör im Grundbuch angemerkt ist oder nicht. Bilden bewegliche Sachen Zugehör im Sinne von Art. 644 Abs. 2 ZGB und werden sie zusammen mit dem Grundstück veräussert, so unterliegt der Wert der Zugehör auch in jenen Fällen der Handänderungsabgabe, in denen keine Anmerkung ( Art. 946 Abs. 2 ZGB ) erfolgt ist. Unter dem Gesichtswinkel der fiskalischen Belastung besteht demnach kein Grund, um von einer Anmerkung der Zugehör abzusehen. Damit ist der Verfassungsrüge bereits weitgehend der Boden entzogen. - Würde die Abgabe bloss auf der Übertragung angemerkter Zugehör erhoben, so könnte sodann nicht angenommen werden, die Höhe BGE 98 Ia 163 S. 169 der Abgabe (1,5% der Gegenleistung bzw. des amtlichen Werts) erschwere die Benützung des bundesrechtlichen Instituts der Anmerkung übermässig. Dass das Bundesgericht in dem von der Beschwerdeführerin erwähnten Urteil 82 I 281 ff. eine bei der Eintragung eines Grundpfandrechts erhobene Abgabe von 1,4% der Pfandsumme (gegenüber 2,5‰ der bernischen Pfandrechtsabgabe gemäss Art. 13 Abs. 1 HPAG) als übermässig bezeichnet hat, hilft der Beschwerdeführerin nicht, da im vorliegenden Fall - wie in Erw. 3 lit. d ausgeführt - andere Gesichtspunkte massgebend sind und der genannte Entscheid zudem erkennen lässt, dass das Bundesgericht die nämliche, beim Eigentumsübergang erhobene und vom Wert des Grundstücks berechnete Abgabe nicht beanstandet hat. Der Abgabesatz von 1,5% entspricht ungefähr dem schweizerischen Mittel (vgl. Übersicht in "Die Steuern der Schweiz", III. Teil, Handänderungsabgaben, Ausgabe 1971), bewirkt keine übermässige Erschwerung der Eigentumsübertragung an Grundstücken und Zugehör und verstösst daher nicht gegen die derogatorische Kraft des Bundesrechts. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird abgewiesen.
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CH
Federation
08a3fe5a-7222-4f36-b522-1f99035edd28
Urteilskopf 122 III 308 56. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 25. Juni 1996 i.S. X. gegen Y. (Berufung)
Regeste Art. 154 Abs. 2 ZGB ; während des Scheidungsverfahrens abgeschlossener Erbvertrag. Diese Bestimmung ist dispositiver Natur. Ergibt sich, dass der vor der Scheidung abgeschlossene Erbvertrag über diese hinaus wirksam sein soll, so ist dies zu beachten (E. 2).
Sachverhalt ab Seite 309 BGE 122 III 308 S. 309 Q. hatte am 21. Mai 1965 mit seiner damaligen Ehefrau Y. einen Erbvertrag abgeschlossen. Danach verpflichtete er sich, Y. - vorbehältlich ihrer späteren Wiederverheiratung oder ihres Vorversterbens - 12,5% seines Nachlasses als Erbanteil zu hinterlassen. Inhaltlich entsprach der Erbvertrag dem, was in der gerichtlich genehmigten Vereinbarung über die Nebenfolgen der Scheidung vom 22. April 1965 abgemacht worden war. Der Erbvertrag sollte vom Tage der Rechtskraft des Scheidungsurteils an gelten. Am 21. März 1985 errichtete Q. eine öffentliche letztwillige Verfügung, nach der Y. Erbansprüche im Umfang von 12,5% seines Nachlasses gemäss dem Erbvertrag hat. Q. verstarb am 14. Januar 1990. Er hinterliess als gesetzliche Erben seine (zweite) Ehefrau Z. und vier Töchter. Die Tochter X. begehrte mit Klage vom 5. April 1993 vorfrageweise festzustellen, dass Y. nicht erbberechtigt sei und demzufolge aus der Erbteilung keinerlei Ansprüche habe. Das Bezirksgericht Meilen wies mit Teilurteil vom 9. Juni 1994, das Obergericht des Kantons Zürich auf Berufung der Klägerin mit Urteil vom 11. Dezember 1995 das Feststellungsbegehren ab. Die Klägerin beantragt dem Bundesgericht, es sei vorfrageweise festzustellen, dass Y. keine Erbenqualität zukomme und sie demzufolge aus der Nachlassteilung keine Ansprüche habe. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. a) Gemäss Art. 154 Abs. 2 ZGB haben geschiedene Ehegatten zueinander kein gesetzliches Erbrecht und können aus Verfügungen von Todes wegen, die sie vor der Scheidung errichtet haben, keine Ansprüche erheben. BGE 122 III 308 S. 310 Das Obergericht gelangt zum Schluss, diese Bestimmung sei nicht zwingender Natur. Ehegatten, die im Bewusstsein eines eventuellen Scheidungsfalles eine Verfügung von Todes wegen errichteten, indem sie beispielsweise ausdrücklich feststellten, die Begünstigung des anderen Ehegatten solle über eine allfällige Scheidung hinaus Gültigkeit haben, benötigten den Schutz dieser Bestimmung nicht; denn durch diese Verfügung hätten sie einen anderen als den vom Gesetz vermuteten Willen, nämlich jenen, dass die Verfügung auch nach erfolgter Scheidung weiterhin gelten solle, zum Ausdruck gebracht. Die Klägerin hält diese Auslegung für bundesrechtswidrig. Art. 154 Abs. 2 ZGB wolle erreichen, dass mit der Ehescheidung sämtliche rechtlichen Beziehungen zwischen den Ehegatten als solche aufgelöst würden. Dadurch helfe diese Bestimmung künftige Komplikationen erbrechtlicher Natur zu vermeiden und könne daher nicht dispositives Recht darstellen. Der Einwand der Klägerin ist trotz des öffentlichen Testamentes vom 21. März 1985 zu prüfen, da sie im kantonalen Verfahren auch die Ungültigkeit der letztwilligen Verfügung behauptet hat, weil darin auf den Erbvertrag verwiesen werde. b) Das Gesetz muss grundsätzlich aus sich selbst, d.h. nach seinem Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde liegenden Wertungen ausgelegt werden. Bei der Auslegung der einzelnen Bestimmung ist weiter deren Bedeutungszusammenhang zu berücksichtigen ( BGE 120 II 112 E. 3, mit Hinweisen). aa) Aus dem Wortlaut von Art. 154 Abs. 2 ZGB ergibt sich für den Entscheid, ob die Bestimmung zwingender oder dispositiver Natur ist, überhaupt nichts. Auch in den Gesetzesmaterialien wird dazu nichts gesagt; von Interesse ist immerhin (siehe auch E. 2b/ff hinten), dass die Expertenkommission auf das System des deutschen Rechts hingewiesen und die Aufnahme eines Vorbehaltes im Sinne von § 2077 Abs. 3 DBGB erwogen hatte (Protokoll der Expertenkommission 1900-1901 I S. 150 und 151). In einer Hinsicht ist Art. 154 Abs. 2 ZGB klar: massgeblicher Zeitpunkt für den Wegfall des gesetzlichen Erbrechts der Ehegatten wie für die Auswahl jener Verfügungen von Todes wegen, aus denen keine Ansprüche mehr sollen erhoben werden können, ist der Zeitpunkt der Scheidung, d.h. jener, in welchem das Scheidungsurteil rechtskräftig wird (CURTI-FORRER, Schweizerisches Zivilgesetzbuch, Zürich 1911, N. 16 zu Art. 154 ZGB ; A. EGGER, Zürcher Kommentar, 1914, N. 4c zu Art. 154 ZGB ; GMÜR, Berner Kommentar, 2. Aufl. BGE 122 III 308 S. 311 1923, N. 19 zu Art. 154 ZGB ; BÜHLER/SPÜHLER, Berner Kommentar, Ergänzungsband, N. 80 zu Art. 154 ZGB ; TUOR/SCHNYDER/SCHMID, Das schweizerische Zivilgesetzbuch, 11. Aufl. 1995, S. 181); erst dann sind die Ehegatten geschieden. Soll insoweit zwischen den beiden Kategorien erlöschender Ansprüche nicht ein unüberbrückbarer Widerspruch entstehen - für eine unterschiedliche Ordnung fehlen jegliche Anhaltspunkte - ist es ausgeschlossen, "bei" der Scheidung errichtete letztwillige Verfügungen von Art. 154 Abs. 2 ZGB auszunehmen, wie BREITSCHMID es befürwortet (AJP 1993 II, S. 1448/A/4.). Dass das Marginale von Art. 154 ZGB mit "Bei Scheidung" überschrieben ist, steht dem nicht entgegen, lautet doch jenes von Art. 155 ZGB ebenso "Bei Trennung", obgleich auch dort der entscheidende Zeitpunkt eindeutig jener der Trennung, d.h. der Rechtskraft des Trennungsurteils ist. Für sämtliche vor der Scheidung errichteten letztwilligen Verfügungen von Todes wegen muss demnach die gleiche, einheitliche Ordnung gelten, also auch für jene, die nicht ausserhalb, sondern erst im Zuge eines Scheidungsverfahrens entstanden sind. bb) Dass geschiedene Ehegatten zueinander kein gesetzliches Erbrecht haben, ergibt sich bereits aus Art. 462 ZGB , da nach Auflösung der Ehe nicht mehr von einem überlebenden Ehegatten im Sinne dieser Bestimmung gesprochen werden kann. Das Dahinfallen vor der Scheidung getroffener individueller erbrechtlicher Anordnungen gründet auf der Vermutung, sie seien allein durch den Bestand der Ehe gerechtfertigt, also an den stillschweigenden Vorbehalt geknüpft, dass die Ehe im Zeitpunkt des Todes des Erblassers noch bestehe, so dass deren Auflösung durch Scheidung automatisch den Wegfall zur Folge haben müsse (BREITSCHMID, AJP 1993 II, S. 1447/II/2./b; DESCHENAUX/TERCIER/WERRO, Le mariage et le divorce, 4. Aufl., 1995, § 14 N. 670; HENRICI, ZSR 33/1914 S. 321). Ein anderer oder weiterer Grund wird in der Lehre nicht genannt. Die Ordnung von Art. 154 Abs. 2 ZGB stellt hinsichtlich der Verfügungen von Todes wegen demnach auf einen hypothetischen Willen des oder der Ehegatten ab, der in aller Regel vorhanden sein mag, indessen nicht notwendigerweise gegeben sein muss, sondern im Einzelfall auch gegenteilig sein kann. Er darf, wo wie im schweizerischen Recht grundsätzlich Vertragsfreiheit herrscht, insbesondere auch unter den Ehegatten ( Art. 168 ZGB ), und abgesehen vom Pflichtteil frei verfügt werden kann (Art. 470 f. ZGB), daher nicht präsumiert werden, wo er nachweislich nicht vorhanden ist. Die Auslegung rechtsgeschäftlicher Inhalte folgt denn auch, wenn nicht ausschliesslich, so doch in erster BGE 122 III 308 S. 312 Linie dem Willensprinzip ( Art. 18 OR ; BGE 120 II 182 E. 2a, mit Hinweisen auf das Testament). Die Art. 154 ZGB als scheidungsrechtlicher Sondernorm zugrunde liegende Idee, den Ehegatten nach der Scheidung in vermögensrechtlicher Hinsicht möglichst eine Stellung einzuräumen, wie wenn die Ehe gar nicht eingegangen worden wäre ( BGE 113 II 222 E. 7 zu Art. 154 aZGB), kommt in derartigen Fällen gerade nicht zum Tragen. Als solche gebietet auch sie den zwingenden Charakter keineswegs. Die Klägerin wendet nun allerdings ein, der Hinfall letztwilliger Verfügungen auch bei klarem gegenteiligem Willen des oder der Ehegatten rechtfertige sich, um die Gefahr zu bannen, dass der unter Scheidungsdruck stehende Ehegatte legal dazu gebracht werden könne, zusätzlich zu den vom Gesetz vorgesehenen scheidungsrechtlichen Leistungen erbrechtliche Konzessionen zu machen. Es ist jedoch nicht zu ersehen, weshalb diesem auch bei anderen Rechtsgeschäften vorhandenen Druck nicht mit den hiefür vom Gesetz vorgesehenen Rechtsbehelfen ( Art. 18 ff. OR ; Art. 469 ZGB ) wirksam genug begegnet werden könnte und warum sich gerade nur im Falle der Scheidung der Anspruchsverlust als generelle, ausschliessliche und automatische Rechtsfolge aufdrängte. Das gilt für Fälle wie den vorliegenden um so mehr, als die Zuwendung eines Erbanteils durch Erbvertrag bereits in der Vereinbarung über die Nebenfolgen der Scheidung als Teil der vermögensrechtlichen Auseinandersetzung - und zwar frei verfügbare Ansprüche betreffend - zugesichert und diese Vereinbarung richterlich genehmigt, also auf ihre rechtliche Zulässigkeit, Klarheit und sachliche Angemessenheit hin ( BGE 121 III 393 E. 3c, BGE 119 II 297 E. 3b, je mit Hinweisen) geprüft worden ist. In Art. 151 Abs. 1 ZGB ist zudem die Möglichkeit vorgesehen, im Scheidungsfall entgangene Anwartschaften, zu denen auch Erbanwartschaften gehören ( BGE 114 II 119 E. 2a), angemessen zu berücksichtigen. Was hindern könnte, sie als Erbanteil und durch Verfügung von Todes wegen festzulegen - das muss zwangsläufig vor der rechtskräftigen Scheidung erfolgen -, ist nicht einzusehen. Dass nach erfolgter Scheidung eine letztwillige Verfügung gleichen Inhalts wie jene vor der Scheidung getroffene rechtswirksam errichtet, sie also erneuert werden kann, ist denn auch unumstritten (BÜHLER/SPÜHLER, Berner Kommentar, N. 81 zu Art. 154 ZGB ; A. EGGER, Zürcher Kommentar, 2. Aufl. 1936, N. 16 zu Art. 154 ZGB ). Dann aber bleibt nicht zu rechtfertigen, dass die in der Regel richtige Vermutung des Gesetzgebers, es solle nach der Scheidung der andere Ehegatte BGE 122 III 308 S. 313 nicht mehr begünstigt sein, eine gewollt anderslautende Anordnung ausschliessen soll. cc) Nach der am 1. Januar 1988 in Kraft getretenen neuen Fassung der Art. 159-251 ZGB sind u.a. bei Scheidung Vereinbarungen über die Änderung der gesetzlichen Beteiligung am Vorschlag und der gesetzlichen Teilung gültig, sofern dies der Ehevertrag ausdrücklich vorsieht ( Art. 217 und 242 Abs. 3 ZGB ). Unter den dahinfallenden Ansprüchen gemäss Art. 154 Abs. 3 aZGB figurieren seit der Revision jene aus Eheverträgen nicht mehr, obgleich ein Ehevertrag nicht nur die Auflösung des bisherigen Güterstandes zum Inhalt haben, sondern auch zukünftige Wirkungen vorsehen kann ( BGE 113 II 222 E. 7 S. 226). Der Entwurf zur Änderung des Scheidungsrechts sieht in Art. 120 Abs. 2 vor, geschiedene Ehegatten hätten zueinander kein gesetzliches Erbrecht und könnten aus Verfügungen von Todes wegen, die sie vor der Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens, also nicht mehr wie bisher vor der Scheidung errichtet haben, keine Ansprüche erheben; ausschlaggebend sei die Erwägung, dass die Ehegatten nicht unter allen Umständen daran gehindert werden sollten, während des Scheidungsverfahrens eine Zuwendung für den Scheidungsfall vorzusehen (BBl 1996 I S. 206 und 96 Ziff. 233.2). Die Neuordnung wird also Fälle wie den vorliegenden ausnehmen. dd) Gemäss der Auslegungsregel von Art. 83 Abs. 2 VVG ist unter dem als Begünstigtem genannten Ehegatten der überlebende Ehegatte zu verstehen, so dass sich bei versicherungsrechtlichen Ansprüchen nach durchgeführter Scheidung bezüglich der Begünstigung die gleiche Rechtsfolge wie nach Art. 154 Abs. 2 ZGB ergäbe. Indessen kann gemäss Art. 77 Abs. 2 VVG die Begünstigung für unwiderruflich erklärt werden, und sie hat dann selbst im Scheidungsfall Bestand (DESCHENAUX/TERCIER/WERRO, a.a.O., § 14 N. 675). Das ist im vorliegenden Fall geschehen. Im Anwendungsbereich des VVG findet der Wille des Ehegatten demnach Beachtung. Das wird durch BGE 49 II 306 ohne Rückgriff auf Art. 77 Abs. 2 VVG , zumal in jenem Fall keine Unwiderruflichkeitserklärung vorlag, bereits aus Art. 83 Abs. 2 VVG abgeleitet, der als Auslegungsregel nur massgebend sei, wenn kein anderer Wille des Versicherten ersichtlich ist. Gegenüber einer ausdrücklichen Bestätigung der Begünstigung nach der Scheidung hätte sich die Klägerin nach jenem Entscheid jedenfalls nicht mehr auf Art. 154 Abs. 3 aZGB berufen können. ee) Die Klägerin legt besonderes Gewicht auf BGE 108 II 405 , der nach ihrer Darstellung wie die herrschende Lehre in eine andere Richtung weise. Jener BGE 122 III 308 S. 314 Entscheid hat jedoch ausschliesslich das Versprechen, einen Erbvertrag - und zudem mit einem Dritten - abzuschliessen, behandelt, und das mit dem von Art. 27 ZGB garantierten Schutz der Persönlichkeit als unvereinbar erklärt. Darauf aber kommt nichts mehr an, sobald der Erbvertrag in der Folge wie vorliegend abgeschlossen worden und eine durch diesen eingegangene übermässige Bindung nicht behauptet ist. Die Lehre zeigt sich uneinheitlich, selbst wenn sie mehrheitlich den Standpunkt der Klägerin stützen sollte, den sie allerdings nicht näher rechtfertigt, ja teilweise die Frage der Massgeblichkeit eines anderslautenden Willens gar nicht berührt. So halten GMÜR (a.a.O., N. 22 zu Art. 154 ZGB ), A. EGGER (a.a.O, N. 16 zu Art. 154 ZGB ), BÜHLER/SPÜHLER (a.a.O., N. 81 zu Art. 154 ZGB ) die Ansprüche aus vor der Scheidung errichteter letztwilliger Verfügung für untergegangen, selbst wenn sie ausdrücklich auch für den Fall der Scheidung vorgesehen worden sind, wobei GMÜR anfügt, um so mehr als der wahre Wille des Erblassers nach dem wirklichen Eintreten des Scheidungsfalles wohl gewechselt haben werde, und EGGER ergänzt, um Rechte aus einer versicherungsrechtlichen Begünstigungsklausel ableiten zu können, müsse der Geschiedene nachweisen, dass der Verstorbene diese Begünstigung auch nach der Scheidung aufrechterhalten wollte. LEMP (Berner Kommentar, N. 4 zu Art. 226 und N. 32 zu Art. 238 ZGB ), DESCHENAUX/TERCIER/WERRO (a.a.O., § 14 N. 674) sowie HEGNAUER/BREITSCHMID (Grundriss des Eherechts, 3. Aufl. 1993, S. 97 N. 11.09) bezeichnen, ohne auf einen möglicherweise entgegenstehenden Willen überhaupt Bezug zu nehmen, die Ansprüche als untergegangen, letztere allerdings unter Vorbehalt einer bedingten erbvertraglichen Bindung in einer genehmigten Vereinbarung. ROSSEL/MENTHA (Manuel de droit civil suisse S. 271) folgen jener Auffassung, sofern die Ansprüche später nicht rechtswirksam bestätigt worden seien, was übrigens auch BÜHLER/SPÜHLER einräumen. Für CURTI-FORRER (N. 17 zu Art. 154 ZGB ), U. EGGER (N. 4 zu Art. 154 ZGB ), HENRICI (ZSR 33/1914 S. 65) und sinngemäss auch PIOTET (ZSR 110/1991 I S. 227) bleibt der wirkliche Wille entscheidend, sofern er ersichtlich ist. ff) Nach § 2077 Abs. 1 DBGB, dessen System der Entwurf wie angeführt entspricht, "ist eine letztwillige Verfügung, durch die der Erblasser seinen Ehegatten bedacht hat, unwirksam, wenn die Ehe nichtig oder wenn sie vor dem Tode des Erblassers aufgelöst worden ist. Der Auflösung der Ehe steht es gleich, wenn zur Zeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen BGE 122 III 308 S. 315 für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte. Das gleiche gilt, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes auf Aufhebung der Ehe zu klagen berechtigt war und die Klage erhoben hatte". Die Verfügung ist aber nicht unwirksam, wenn anzunehmen ist, dass der Erblasser sie auch für einen solchen Fall getroffen haben würde (§ 2077 Abs. 3 DBGB). Das gilt in den Fällen des § 2077 auch für ein gemeinschaftliches Testament seinem ganzen Inhalte nach, wobei wiederum, wird die Ehe vor dem Tode eines Ehegatten aufgelöst oder liegen die Voraussetzungen des § 2077 Abs. 1 Satz 2 oder 3 vor, die Verfügung insoweit wirksam bleibt, als anzunehmen ist, dass sie auch für diesen Fall getroffen sein würde (§ 2268 Abs. 1 und 2 DBGB). Dem wirklichen Willen des Erblassers kommt demnach für die Frage ihrer Wirksamkeit sowohl bei der letztwilligen Verfügung wie beim gemeinschaftlichen Testament ausschlaggebende Bedeutung zu. c) Die Auslegung von Art. 154 Abs. 2 ZGB aus sich selbst und aus dem Gesamtzusammenhang muss mithin zum Ergebnis führen, sie sei dispositiver Natur: Es fehlt an einleuchtenden Gründen für ihren zwingenden Charakter, und ein solcher führte zu Widersprüchen mit anderen, gleichartigen Normen. Im Erbvertrag vom 21. Mai 1965 haben Q. und Y. diesen als vom Tage der Rechtskraft des Scheidungsurteils an geltend erklärt, und Q. hat zudem in der öffentlichen letztwilligen Verfügung vom 21. März 1985, falls es sich dabei nicht um eine selbständige Erbeinsetzung handeln sollte, jene aus dem Erbvertrag jedenfalls bestätigt. Daraus ergibt sich der klare Wille einer Wirksamkeit des vor der Scheidung abgeschlossenen Erbvertrags über diese hinaus. Dieser Wille ist, da Art. 154 Abs. 2 ZGB dispositiver Natur ist, zu beachten. Die Berufung muss daher abgewiesen werden.
null
nan
de
1,996
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
08a888f5-6ca1-43c6-8de0-b17ac9945526
Urteilskopf 93 I 215 27. Auszug aus dem Urteil vom 13. Juni 1967 i.S. Phyteia AG und Edwin Hänseler & Co gegen Regierungsrat des Kantons Appenzell A. Rh.
Regeste Herstellung von Heilmitteln. Interkantonale Vereinbarung betreffend die Kontrolle der Heilmittel. Handels- und Gewerbefreiheit. Die Interkantonale Vereinbarung hindert die Kantone nicht, den Verkauf von Heilmitteln, die von der interkantonalen Kontrollstelle günstig beurteilt worden sind, auf ihrem Gebiet zu verbieten (Erw. 3). Wenn Weckamine und weckaminhaltige Arzneistoffe in den Apotheken verkauft werden dürfen und nur der verschärften Rezeptpflicht unterstellt sind, so verstösst ein allgemeines Verbot, solche Stoffe im Kanton herzustellen, gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit und damit gegen Art. 31 BV ; die Volksgesundheit ist hinreichend geschützt, wenn die Herstellung von einer Bewilligung abgängig gemacht, dem Hersteller die Führung einer genauen Produktions-, Lager- und Versandkontrolle vorgeschrieben und ihm nur der Verkauf an diplomierte Ärzte und Apotheker gestattet wird (Erw. 6).
Sachverhalt ab Seite 216 BGE 93 I 215 S. 216 A.- Am 25. April 1965 erliess die Landsgemeinde des Kantons Appenzell A. Rh. ein Gesetz über das Gesundheitswesen (GG). Die in Art. 1 vorgesehene Heilmittelkommission bestimmt die Arzneimittel, die der einfachen oder verschärften Rezeptpflicht unterstehen; hiebei "sind die Empfehlungen der Internationalen Kontrollstelle für Heilmittel (IKS) wegleitend" (Art. 20 Abs. 2). Gegen die Verfügungen der Heilmittelkommission kann an den Regierungsrat rekurriert werden, der endgültig entscheidet (Art. 27). B.- Am 25. August 1966 fasste die Heilmittelkommission folgenden Beschluss: "1. Die Herstellung oder Einfuhr von Weckaminen und weckaminähnlichen Arzneistoffen aller Art und in jeder Form, ihre Vermittlung und Abgabe, ist im ganzen Gebiet des Kantons Appenzell A. Rh. grundsätzlich untersagt. 2. Die direkte Abgabe durch Frei-Heiltätige in Praxisräumlichkeiten oder der Versand ins In- und Ausland fallen ebenfalls unter diese Bestimmung. 3. Allfällige, auf dringende ärztliche Verordnung benötigte Arzneistoffe dieser Gattung dürfen nur vermittelst Rezept eines eidg. dipl. Arztes und einmalig durch eine öffentliche Apotheke bezogen werden." Gegen diesen Beschluss rekurrierten zwei Firmen an den Regierungsrat, nämlich a) die Phyteia AG Herisau, die zwei weckaminhaltige Präparate (Panactin und Adiposan) herstellt, und b) die Edwin Hänseler & Co Herisau, die sich mit der Herstellung von und dem Handel mit biologisch-pharmazeutischen Produkten befasst und zur Zeit noch keine weckaminhaltigen Erzeugnisse herstellt, es aber zu tun beabsichtigt. Der Regierungsrat wies die Rekurse am 22. Dezember 1966 ab. C.- Gegen diesen Entscheid führen die Firmen Phyteia AG und Edwin Hänseler & Co gemeinsam staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Verletzung der Art. 4 und 31 BV aufzuheben und demgemäss die Beschwerdeführerinnen BGE 93 I 215 S. 217 zu ermächtigen, auch inskünftig von der IKS geprüfte und zugelassene Weckamine, weckaminhaltige und weckaminähnliche Präparate zu fabrizieren und im Kt. Appenzell A. Rh. an eidg. dipl. Ärzte und Apotheker und ausserkantonal gemäss den am Empfangsort gültigen gesundheitspolizeilichen Vorschriften zu verkaufen. Sie erheben u.a. folgende Rügen: a) Die Annahme des Regierungsrates, die Heilmittelkommission sei befugt, von der IKS geprüfte und zugelassene Heilmittel zu verbieten, verstosse ganz eindeutig gegen Art. 22 und 23 GG und sei willkürlich (wird näher ausgeführt). Art. 20 Abs. 2 GG, auf den sich der Regierungsrat stütze, regle nur die Abgabe von Heilmitteln an Verbraucher, treffe also nicht zu auf die Beschwerdeführerinnen, die nicht direkt an die Verbraucher liefern. b) Aus Art. 17 der interkantonalen Vereinbarung vom 16. Juni 1954 betreffend die Kontrolle der Heilmittel ergebe sich, dass die Kantone Heilmittel, die von der IKS geprüft worden seien, nicht verbieten können. c) Der Missbrauch von Weckaminen könne schädlich wirken. Das treffe aber noch für eine Unzahl anderer Heilmittel zu, die in Spitälern und von Ärzten regelmässig verordnet werden. Gleich wie bei diesen andern Heilmitteln sei die Unterstellung unter Rezeptpflicht der richtige Behelf zum Vermeiden von Missbräuchen. Das allgemeine Verbot verletze das Prinzip der Verhältnismässigkeit. Eine wirksame Kontrolle sei möglich; sie funktioniere bei weit gefährlicheren Präparaten auch. Beide Beschwerdeführerinnen seien bereit, eine genaue Fabrikations-, Lager- und Versandkontrolle zu führen. D.- Der Regierungsrat des Kantons Appenzell A. Rh. beantragt Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Auf seine Ausführungen wird in den nachstehenden Erwägungen eingegangen. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Die Beschwerdeführerinnen werfen dem Regierungsrat eine Verletzung der Interkantonalen Vereinbarung vom 16. Juni 1954 über die Kontrolle der Heilmittel (IVS) vor, indem sie geltend machen, aus Art. 17 IVS ergebe sich e contrario, dass die Kantone Heilmittel, die - wie die von der Phyteia AG hergestellten weckaminhaltigen Präparate - von der IKS geprüft und zugelassen worden seien, nicht verbieten könnten. BGE 93 I 215 S. 218 Die Rüge ist unbegründet. Die IVS ist ein Konkordat im Sinne von Art. 84 Abs. 1 lit. b OG , dessen Auslegung das Bundesgericht frei überprüfen kann (vgl. BGE 90 I 47 ). Dieses Konkordat, dem alle Kantone beigetreten sind, nimmt ihnen die Freiheit, von der IKS geprüfte Heilmittel zu verbieten, nicht weg. Die IKS "untersucht, begutachtet und registriert" die ihr eingereichten Heilmittel, teilt den Kantonen den "Befund" mit und "beantragt die zu bewilligende Verkaufsart oder die Abweisung des Heilmittels" (Art. 13 IVS). Die Kantone sind gehalten, das Inverkehrbringen von Heilmitteln, die dem Konkordat nicht entsprechen, zu verhindern und ihre kantonalen Erlasse an das Konkordat und die Vollzugsbestimmungen anzupassen (Art. 17 IVS). Dagegen sieht das Konkordat nirgends, auch nicht in Art. 17, vor, dass die Kantone die von der IKS empfohlenen Heilmittel im Kantonsgebiet zuzulassen hätten. Sie sind vielmehr, wie das Bundesgericht bereits im nicht veröffentlichten Urteil vom 18. November 1964 i.S. Engler (Erw. 1) festgestellt hat, befugt, auch Heilmittel, die von der IKS günstig beurteilt worden sind, zu verbieten. 5. Die Beschwerdeführerinnen machen weiter geltend, der angefochtene Entscheid verstosse ganz eindeutig gegen Art. 22 und 23 GG und sei willkürlich. Art. 22 Abs. 1 GG verbietet das Inverkehrbringen von Heilmitteln, bevor sie von der IKS geprüft sind. Daraus folgt nicht, dass die kantonalen Behörden das Inverkehrbringen aller von der IKS günstig beurteilten Heilmittel zulassen müssten. Dürfen sie aber das Inverkehrbringen verbieten, dann ist es kaum willkürlich, auch die Fabrikation zu verbieten. Art. 23 GG sieht für die nicht von der IKS zu prüfenden Heilmittel ein besonderes Melde- und Prüfungsverfahren vor (Abs. 1) und ermächtigt die Heilmittelkommission, solche Heilmittel zu verbieten, sofern "deren Anwendung Schäden befürchten lässt" (Abs. 2). Der Wortlaut des Art. 23 bezieht sich allerdings auf Fabrikate, die einzeln geprüft werden, doch dürfte sich auch ein generelles Verbot ganzer Kategorien ohne Willkür auf die Vorschrift stützen lassen. Der weiterhin angerufene Art. 20 GG führt zu keinem andern Schluss. Er ordnet die Rezeptpflicht für die Abgabe an die Verbraucher und bestimmt, dass die Empfehlungen der IKS dabei "wegleitend" seien, was wiederum darauf hinweist, dass die Heilmittelkommission an die Befunde der IKS nicht gebunden ist. Die Frage, ob der angefochtene Beschluss BGE 93 I 215 S. 219 kantonales Recht verletzt, kann indes offen bleiben, da die Beschwerde aus andern Gründen gutgeheissen werden muss. 6. Die Herstellung und der Verkauf von Medikamenten ist eine Erwerbstätigkeit, die unter dem Schutz der Handels- und Gewerbefreiheit ( Art. 31 BV ) steht. Die Kantone dürfen sie daher nur aus polizeilichen Gründen, zum Schutze der öffentlichen Ordnung und Sicherheit beschränken. Solche polizeilichen Beschränkungen müssen, um vor Art. 31 BV zu bestehen, die Gewerbegenossen in gleicher Weise treffen und verhältnismässig sein ( BGE 91 I 104 Erw. 2a mit Verweisungen). Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit erheischt, dass die Einschränkungen nicht über das hinausgehen, was erforderlich ist, um den gewerbepolizeilichen Zweck zu erfüllen, dem sie dienen. Sie müssen also das richtige Mittel zur Verwirklichung des im öffentlichen Interesse liegenden Zieles sein und es erlauben, dieses unter möglichster Schonung der Freiheit des Einzelnen zu erreichen. Das gesteckte Ziel muss zudem in einem vernünftigen Verhältnis zu den eingesetzten Mitteln, den zu seiner Erlangung notwendigen Freiheitsbeschränkungen stehen ( BGE 91 I 464 und dort angeführte frühere Urteile). Der vom Regierungsrat bestätigte Beschluss der Heilmittelkommission bezweckt den Schutz der Volksgesundheit. Da die Weckamine, wie die Beschwerdeführerinnen nicht bestreiten, suchtgefährlich sind und ihr Missbrauch zu gesundheitlichen Schäden führen kann, sind Massnahmen zur Bekämpfung des Missbrauchs mit Art. 31 BV grundsätzlich vereinbar. Als geeignet hiefür erscheint, wie bei andern suchtgefährlichen und im Falle des Missbrauchs schädlichen Medikamenten, vor allem die Unterstellung unter die Rezeptpflicht. Der Regierungsrat ist indes mit der Heilmittelkommission der Auffassung, dass dies allein nicht genüge und nur ein grundsätzliches Verbot den Missbrauch von Weckaminen genügend verhindern könne; wenn nämlich, so führt er im angefochtenen Entscheid aus, solche Mittel "trotz des nachgewiesenermassen geringen Bedarfs in grossen Mengen in den Kanton eingeführt oder hier hergestellt, verarbeitet oder vertrieben werden können, so ist die Gefahr ausserordentlich gross, dass sie auf illegalem Wege in die Hände Unbefugter geraten." Damit lässt sich jedoch ein allgemeines Verbot der Herstellung von Weckaminen im Kantonsgebiet nicht rechtfertigen. Weckamine sind Heilmittel, welche die IKS geprüft und für BGE 93 I 215 S. 220 welche sie, wie der Regierungsrat in der Beschwerdeantwort ausführt, nur die einfache Rezeptpflicht empfohlen hat. Die Heilmittelkommission hat sie durch Ziff. 3 des Beschlusses vom 25. August 1966 der verschärften Rezeptpflicht unterstellt, was bedeutet, dass sie nur auf Rezept eines eidg. dipl. Arztes hin und nur in einer Apotheke bezogen werden können und der Apotheker das Rezept zurückzubehalten hat (§ 13 der VO vom 6. Dezember 1965 über den Verkehr mit Heilmitteln). Zum Zwecke dieser Abgabe ist, wie der Regierungsrat in der Beschwerdeantwort ausführt, die nach Ziff. 1 des genannten Beschlusses verbotene Einfuhr von Weckaminen ausnahmsweise gestattet, wogegen die Herstellung im Kantonsgebiet selber verboten sein soll. Ein solches Verbot ist jedoch zum Schutze der Volksgesundheit nicht erforderlich. Wichtig für diese ist, dass sich die Apotheker an die in Ziff. 1 des Beschlusses vorgeschriebene Rezeptpflicht halten. Tun sie es, so ist es belanglos, wo die Weckamine fabriziert werden; tun sie es dagegen nicht, dann wird der Missbrauch auch durch das Fabrikationsverbot nicht ausgeschlossen. Im einen wie im andern Falle liegt die Verantwortung zunächst beim Arzt und beim Apotheker. Kommen diese ihrer Pflicht nach, so ist die Gefahr, welche die Heilmittelkommission und der Regierungsrat bannen wollen, behoben. Diese Gefahr besteht nicht nur bei Weckaminen, sondern noch bei sehr zahlreichen andern Arzneimitteln. Genügt die Rezeptpflicht bei diesen, so muss sie auch bei den Weckaminen genügen. Voraussetzung hiefür ist allerdings, dass dem Fabrikanten nur die Belieferung von diplomierten Ärzten und Apothekern gestattet wird und er sich dieser Vorschrift unterzieht. Allein auch in dieser Hinsicht verhält es sich mit den Weckaminen gleich wie bei andern giftigen oder stark wirkenden Arzneien. Umstände, die zum Unterschied von diesen ein grundsätzliches Fabrikationsverbot rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Namentlich macht der Regierungsrat nicht etwa geltend, dass die Fabrikanten im Kanton Appenzell A. Rh. allgemein weniger vertrauenswürdig seien als anderswo und daher befürchtet werden müsse, die der verschärften Rezeptpflicht unterstellten Präparate würden im Schwarzhandel unter dem Publikum verbreitet. Das grundsätzliche Fabrikationsverbot geht somit weiter, als der Schutz der Volksgesundheit erheischt. Wird die Herstellung, wie es Art. 14 GG und § 24 der VO für (rezeptpflichtige) BGE 93 I 215 S. 221 Arzneimittel vorsehen, von einer Bewilligung abhängig gemacht und wird dem Hersteller die Führung einer genauen Produktions-, Lager- und Versandkontrolle vorgeschrieben und der Verkauf nur an diplomierte Ärzte und Apotheker gestattet, dann ist, wenn die Abgabe an Verbraucher nur auf Rezept hin erlaubt ist, derselbe Schutz des Publikums erreicht, der bei allen andern ebenso gefährlichen oder noch gefährlicheren Arzneien genügt. Den Behörden wird damit keine andere Kontrolle überbunden als jene, die für die Produzenten und die Apotheker bezüglich aller übrigen gefährlichen Medikamente ohnehin besteht: beim Produzenten die Überwachung der Fabrikations-, Lager- und Versandlisten, beim Apotheker die Überwachung der Giftschränke. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird dahin gutgeheissen, dass der Beschluss des Regierungsrates des Kantons Appenzell A. Rh. vom 22. Dezember 1966 aufgehoben wird. Im übrigen wird auf die Beschwerde nicht eingetreten.
public_law
nan
de
1,967
CH_BGE
CH_BGE_001
CH
Federation
08aacc74-1edf-444f-88ad-7f02ca7bc2bb
Urteilskopf 103 Ia 537 79. Extrait de l'arrêt du 21 décembre 1977 en la cause Société C. S.A. contre Commission cantonale de recours en matière d'impôt du canton de Fribourg
Regeste Art. 4 BV ; Besteuerung von unterkapitalisierten Immobiliengesellschaften. Der freiburgische Steuergesetzgeber hat Art. 4 BV nicht verletzt, indem er bei Immobiliengesellschaften ein Mindestverhältnis zwischen Eigenkapital und steuerbarem Wert ihrer Aktiven verlangt.
Erwägungen ab Seite 537 BGE 103 Ia 537 S. 537 Extrait des considérants: 1. a) (procédure). b) Aux termes de l'art. 89 al. 1 de la loi du 7 juillet 1972 sur les impôts cantonaux du canton de Fribourg (LIC), "si des sociétés de capitaux et des sociétés immobilières disposent de fonds qui leur sont accordés comme capital étranger, leur capital propre selon l'art. 88 s'augmente de ces fonds jusqu'à ce que le montant total atteigne auprès des sociétés immobilières 1/4 et auprès des autres sociétés de capitaux 1/6 de la valeur imposable de leurs actifs". Selon l' art. 83 al. 3 LIC , "font également partie du bénéfice net imposable des sociétés de capitaux et des sociétés immobilières les intérêts correspondant à la part du capital étranger qui, en vertu de l'art. 89, doit être ajouté au capital social". En l'espèce, la recourante ne conteste pas être une société immobilière au sens des dispositions précitées, soit une société de capitaux qui s'occupe principalement de l'acquisition, de la construction, de la gérance ou de la vente d'immeubles ( art. 89 al. 3 LIC ). Son principal actif est un immeuble et le loyer de celui-ci constitue l'unique produit porté au compte de pertes et profits. Elle ne discute pas non plus le calcul du montant BGE 103 Ia 537 S. 538 de son capital et de son bénéfice imposables, tel qu'il a été effectué par l'autorité fiscale en application des art. 89 al. 1 et 83 al. 3 LIC. Ses critiques s'adressent à ces dispositions elles-mêmes, dont elle soutient, à titre préjudiciel et à l'occasion d'une décision d'application, qu'elles sont inconstitutionnelles. Selon une jurisprudence constante, elle est recevable à former un tel grief ( ATF 100 Ia 65 ). 2. Le législateur est lié par l' art. 4 Cst. En matière fiscale, le canton doit observer le principe de l'égalité de traitement résultant de cette disposition constitutionnelle, ainsi que le principe de l'interdiction de l'arbitraire. La loi fiscale viole ces principes lorsqu'elle n'est pas fondée sur une base objective et sérieuse, n'a pas de sens ou établit des distinctions juridiques qui ne trouvent pas de justification raisonnable dans les faits. Mais, à l'intérieur du cadre ainsi établi, le canton conserve une large liberté d'action; l' art. 4 Cst. ne lui impose pas l'application d'une méthode déterminée d'imposition ( ATF 99 Ia 679 et les arrêts cités). En l'espèce, la question litigieuse est celle de savoir si le législateur fribourgeois a violé l' art. 4 Cst. en prescrivant que le montant des fonds propres d'une société immobilière, telle que la recourante, doit atteindre le quart de la valeur imposable - soit en l'espèce, de la valeur comptable - de ses actifs. L' art. 89 LIC porte la note marginale "sous-capitalisation"; l'autorité de recours, dans la décision déférée, fait allusion à la jurisprudence du Tribunal fédéral en matière d'impôt pour la défense nationale et relative à la sous-capitalisation des sociétés immobilières, en relevant que le législateur a franchi un pas de plus par rapport à cette jurisprudence, et qu'il s'est distancé de la pratique en matière d'impôt pour la défense nationale pour instaurer une limite minimale des fonds propres par rapport aux fonds étrangers. 3. Le Tribunal fédéral a rendu plusieurs arrêts concernant les sociétés immobilières "sous-capitalisées", tant en matière d'impôts cantonaux que fédéraux. Lorsqu'il statue sur l'admissibilité d'une taxation fondée sur la réalité économique, il dispose d'un pouvoir d'examen diffèrent selon qu'il est saisi d'un recours de droit public pour arbitraire contre la fixation d'impôts cantonaux ou, au contraire, d'un recours de droit administratif en matière de contributions fédérales ou d'un recours de droit public pour double imposition. Dans le BGE 103 Ia 537 S. 539 premier cas, son pouvoir d'examen est limité; il suffit alors que le procédé puisse se justifier par des raisons objectives et pertinentes. Dans les deux autres cas, le Tribunal fédéral statue en général avec plein pouvoir et n'admet le procédé que si la forme juridique adoptée par le contribuable est insolite et n'a été choisie qu'aux fins d'éluder l'impôt. Cette distinction a des conséquences importantes, notamment lorsqu'il s'agit de statuer sur l'admissibilité de la taxation, fondée sur la réalité économique, des sociétés immobilières "sous-capitalisées". Ainsi, en matière d'impôt pour la défense nationale, le Tribunal fédéral n'admet qu'une société immobilière n'est sous-capitalisée que si les fonds étrangers excédent ce que la société peut emprunter de tiers avec ses actifs pour seule garantie. C'est la valeur vénale de ces actifs qui est déterminante. Ayant à juger si une société tente d'éluder les impôts sur le capital et sur le rendement net, l'autorité de taxation de l'impôt pour la défense nationale ne peut prendre en considération que les éléments qui servent de base au calcul de l'impôt pour la période fiscale en cause, en particulier la valeur de l'immeuble au début de la période de taxation. La question qu'elle doit examiner est en effet celle de savoir si les dettes de la société correspondent à sa capacité d'emprunt, ce qui ne peut être décidé qu'au regard de la valeur actuelle de ses actifs, et non pas celle de savoir si le capital propre de la société, tel qu'il apparaît au bilan, donne une image satisfaisante de la capacité contributive de la personne morale ( ATF 102 Ib 162 ). Statuant sur un recours de droit public formé contre une décision de taxation en matière d'impôts cantonaux, le Tribunal fédéral a en revanche jugé qu'il n'était pas arbitraire de soutenir qu'une société immobilière doit disposer des fonds propres suffisants à sa fondation, ou, au plus tard, au moment de la réalisation de son but principal, et que si elle est alors sous-capitalisée, une augmentation ultérieure de la valeur vénale des actifs - et, par conséquent, de la capacité d'emprunt de la société - ne modifie pas cette situation. Si l'on aborde le problème sous l'angle de l'imposition de la société d'après sa capacité contributive, force est en effet de constater que l'accroissement de la valeur vénale des immeubles de la société immobilière n'est pas déterminant, s'il n'apparaît pas au bilan. La société reste sous-capitalisée, malgré la formation BGE 103 Ia 537 S. 540 de réserves latentes sur ses actifs (arrêt du 26 mars 1976 en la cause S.I. X. contre Commission valaisanne de recours en matière fiscale). Il ressort de cette jurisprudence que le Tribunal fédéral a admis la validité du principe selon lequel une société immobilière doit être normalement capitalisée; il doit donc exister, au moment de la fondation, une certaine proportion entre fonds propres et fonds étrangers. En matière d'impôts cantonaux, le Tribunal fédéral a reconnu qu'une taxation fondée sur la réalité économique et visant à imposer la société d'après sa capacité économique réelle repose sur des motifs sérieux et pertinents. Il a ainsi déclaré conforme à la constitution la règle adoptée par l'autorité fiscale et selon laquelle les fonds propres de la société immobilière doivent atteindre un certain montant par rapport à la valeur comptable des actifs. Ainsi, une taxation cantonale fondée sur la réalité économique peut être admise sur le plan cantonal, même si la société immobilière en cause n'est pas "sous-capitalisée" au sens des dispositions régissant l'impôt pour la défense nationale. 4. Aux termes de l'art. 1er lettre c LIC, le canton de Fribourg perçoit un impôt sur le bénéfice net, ainsi que sur le capital et les réserves des sociétés anonymes, des sociétés en commandite par actions, des sociétés à responsabilité limitée et des sociétés coopératives. La recourante soutient que la réglementation adoptée aux art. 83 al. 3 et 89 LIC viole l' art. 4 Cst. , car elle serait contraire aux principes généraux d'imposition tels qu'ils sont établis aux art. 83 al. 2 et 88 LIC , dispositions qui définissent l'objet du bénéfice et du capital imposables. a) Le législateur fribourgeois considère que la société anonyme constitue une entité juridiquement et économiquement indépendante, menant une vie propre, et l'impose en fonction de sa capacité contributive, soit sur la base du capital et du bénéfice. Il existe toutefois des entreprises qui ne se proposent pas d'obtenir un bénéfice. Dès lors, ainsi que le remarquent les auteurs du rapport du 14 février 1955 sur "le problème de l'imposition égale et juste des entreprises" (rapport de la commission d'experts pour la motion Piller, édité par le Département fédéral des finances et des douanes, Bâle 1955, p. 92), "un système fiscal qui s'en tient exclusivement aux éléments capital et bénéfice frappe dans le vide lorsqu'il s'agit BGE 103 Ia 537 S. 541 d'entreprises dont le but n'est pas de réaliser un profit et dont le résultat s'exprime dans d'autres facteurs que le bénéfice et le capital propre". C'est pour ce motif que plusieurs cantons ont adopté un impôt minimum, ayant pour objet les recettes brutes de l'entreprise. Le canton de Fribourg est du nombre (cf. art. 1er lettre d et 90 ss LIC; sur la constitutionnalité des impôts minimaux sur les recettes brutes, cf. ATF 102 Ia 256 et la jurisprudence citée, et sur celle des impôts minimaux sur la propriété foncière, ATF 100 Ia 246 et les arrêts cités). Il convient dès lors de constater que l'adoption, par un canton, du système général d'imposition du bénéfice et du capital ne met pas obstacle en la règle à ce que d'autres méthodes d'imposition soient prévues lorsqu'elles visent des entreprises qui sont organisées économiquement de telle sorte qu'une taxation fondée sur les éléments bénéfice et capital frapperait dans le vide. b) Les sociétés immobilières, telle que la recourante, ne sont pas de celles qui ne se proposent pas de réaliser un bénéfice. Leur capacité contributive doit être estimée, selon le système général d'imposition du canton de Fribourg, d'après leur bénéfice et leur capital propre. Ainsi que l'a admis le Tribunal fédéral dans la jurisprudence rapportée ci-dessus (consid. 3), l'autorité fiscale cantonale peut, sans violer l' art. 4 Cst. , considérer qu'il doit exister un certain rapport entre les fonds propres et les fonds étrangers des sociétés immobilières. Une telle opinion, en matière d'impôts cantonaux, se justifie au regard de considérations tirées du principe d'une imposition égale de ces sociétés, en fonction de leur capacité contributive. L'exigence précitée est en effet de nature à assurer l'égalité de traitement entre sociétés immobilières sous-capitalisées et sociétés normalement capitalisées. Dès lors, le législateur cantonal qui, pour éviter que le système général d'imposition fondé sur le bénéfice et le capital ne crée des inégalités entre sociétés immobilières, exige de celles-ci un rapport minimum entre leurs fonds propres et la valeur imposable de leurs actifs, adopte une réglementation qui repose sur une base objective et sérieuse. Il ne viole ni le principe de l'égalité de traitement, ni celui de l'interdiction de l'arbitraire. Il n'y a donc pas contradiction entre les art. 88 et 83 al. 2 LIC et les art. 89 et 83 al. 3 de cette loi, ces dernières dispositions s'inscrivant dans le cadre d'une imposition égale des entreprises, BGE 103 Ia 537 S. 542 en fonction de leur capacité contributive telle qu'elle doit ressortir du bénéfice et du capital propre. Dans ces conditions, la question de savoir si les fonds étrangers, considérés comme capital propre, sont ou non constitués par des prêts des actionnaires ou de personnes les touchant de près (soit, en d'autres termes, si les dettes de la société correspondent à sa capacité d'emprunt) n'est pas déterminante. c) La recourante critique le texte de l' art. 83 al. 3 LIC , dont elle prétend qu'il est en lui-même contradictoire et absurde parce qu'il n'est pas concevable que les intérêts dus sur une part du capital étranger puissent être considérés comme faisant partie du bénéfice net de la société. Cette disposition ne constitue cependant que la conséquence, sur le plan du bénéfice imposable, de la règle adoptée à l' art. 89 LIC , dont on a vu qu'elle n'est pas contraire à l' art. 4 Cst. en tant qu'elle exige un rapport minimum entre fonds propres et fonds étrangers. Dès lors, le grief que soulève la recourante ne doit être examiné que dans la mesure où il vise une prétendue contradiction interne de l' art. 83 LIC . A cet égard, la recourante joue sur les mots et méconnaît le sens clair de cette disposition, mise en relation avec l' art. 89 LIC . Certes, les intérêts dus sur des fonds étrangers sont par définition des intérêts passifs. Mais, dans la mesure où le législateur peut valablement imposer aux sociétés immobilières un rapport minimum entre fonds propres et fonds étrangers, considérant ainsi qu'une part du capital étranger doit, du point de vue du droit fiscal, être qualifiée de fonds propres, il n'est que logique et raisonnable de considérer que les intérêts correspondant à cette part font partie du bénéfice imposable de ces sociétés. b) Il convient donc d'admettre en l'espèce que le législateur fribourgeois n'a pas violé l' art. 4 Cst. en imposant aux sociétés immobilières un rapport minimum entre les fonds propres et la valeur imposable de leurs actifs. Il n'y a pas lieu d'examiner si la proportion d'un quart, telle qu'elle a été inscrite à l' art. 89 LIC , repose elle aussi sur des motifs sérieux et objectifs. En effet, sur ce point, la recourante ne soulève aucun grief recevable. Elle affirme certes que "la sous-capitalisation, issue de calculs purement théoriques, ne correspond à aucune réalité économico-financière", qu'elle n'est que "la conséquence d'une conception purement théorique et irréelle", qu'elle résulte "d'une manipulation purement artificielle BGE 103 Ia 537 S. 543 du financement préjugé de l'entreprise en exigeant un rapport qui n'a rien d'objectif entre la proportion des fonds propres et la proportion du capital étranger". Mais de tels arguments ne sont pas de nature à démontrer que la proportion choisie par le législateur est en elle-même inconstitutionnelle. Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral: Rejette le recours en tant qu'il est recevable.
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CH_BGE
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Federation
08aad5bb-92f1-47a8-af3f-fc8f996d46a4
Urteilskopf 125 IV 74 11. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 2. März 1999 i.S. Generalprokuratur des Kantons Bern gegen E.D. (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste Art. 70 und 251 Ziff. 2 StGB ; Bestimmung der Verjährungsfrist beim leichten Fall. Für die Berechnung der Verfolgungsverjährung ist von der Strafdrohung des Grundtatbestands auszugehen (E. 2; Bestätigung der Rechtsprechung).
Sachverhalt ab Seite 74 BGE 125 IV 74 S. 74 A.- B.D. erhob am 23. Juni 1997 Strafanzeige gegen seine geschiedene Gattin E.D. mit der Begründung, sie habe am 1. Juli 1991 einen Darlehensvertrag über Fr. 50'000.-- mit seinem Namen unterschrieben. Nach dem Beweisergebnis ist davon auszugehen, dass E.D. am 9. Juli 1991 einen Kreditvertrag vom 1. Juli 1991 und als Folge davon zwei Zahlungsaufträge mit ihrem Namen und dem Namen ihres damaligen Gatten unterzeichnete, wobei dieser Kenntnis von der Darlehensaufnahme gehabt und ihr grundsätzlich zugestimmt hatte, als sie seine Unterschrift auf die Papiere setzte. B.- Der Gerichtspräsident 8 des Gerichtskreises II Biel-Nidau gab dem Verfahren wegen Urkundenfälschung am 29. Juni 1998 infolge Eintritts der Verfolgungsverjährung keine weitere Folge. Das Obergericht des Kantons Bern gab im Appellationsverfahren am 30. Oktober 1998 dem Verfahren ebenfalls infolge Eintritts der Verfolgungsverjährung keine weitere Folge ( Art. 251 Ziff. 2 und Art. 70 Abs. 3 StGB ). C.- Die Generalprokuratur des Kantons Bern erhebt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung (Schuldigerklärung von E.D. wegen besonders leichten Falls einer mehrfachen Urkundenfälschung und Sanktion) an die kantonale Behörde zurückzuweisen. BGE 125 IV 74 S. 75 D.- In seinen Gegenbemerkungen bemerkt das Obergericht unter Hinweis auf die Autoren Schultz, Trechsel und Rehberg sowie BGE 102 IV 206 und BGE 108 IV 41 im Sinne seiner Urteilserwägungen, dass es für die Frage der Verfolgungsverjährung entscheidend sei, ob ein schwerer oder leichter Fall vorliege. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. a) Die Vorinstanz nimmt an, die Beschwerdegegnerin habe durch ihre Vorgehensweise den Grundtatbestand der Urkundenfälschung gemäss Art. 251 Ziff. 1 StGB in objektiver und subjektiver Hinsicht erfüllt. Sie nimmt zudem einen «besonders leichten Fall» im Sinne von Art. 251 Ziff. 2 StGB an. Es liege bloss eine geringe Abweichung der Fälschung von der wahren Sachlage vor; der durch die Fälschung erzielte unrechtmässige Vorteil sei marginal, und hinsichtlich der Motivlage sei festzuhalten, dass die Beschwerdegegnerin offenbar so gehandelt habe, wie sie es gewohnt gewesen sei. Die Vorinstanz geht (mit der Erstinstanz) in Anwendung von Art. 251 Ziff. 2 in Verbindung mit Art. 70 Abs. 3 StGB von einer fünfjährigen Verjährungsfrist aus. Bei Erhebung der Strafanzeige am 23. Juni 1997 seien seit dem Zeitpunkt der vorgeworfenen Tat (Juli 1991) rund 6 Jahre verstrichen gewesen. Deshalb sei das Delikt im Zeitpunkt der Strafanzeige verjährt gewesen. In ihrer Begründung nimmt sie an, das Bundesgericht habe in BGE 108 IV 41 seine frühere Praxis einer rein abstrakten Betrachtungsweise ( BGE 102 IV 206 ) offensichtlich modifiziert, ohne allerdings ausdrücklich von einer Praxisänderung zu sprechen. Nach BGE 108 IV 41 seien Schärfungs- und Milderungsgründe des Besonderen Teils des Strafgesetzbuchs bei der Feststellung des angedrohten gesetzlichen Höchstmasses der Strafe generell zu berücksichtigen. Auch wenn der Richter dabei - wie sich das Bundesgericht ausgedrückt habe - «in objektiver Weise unter Vernachlässigung aller den konkreten Fall berührender subjektiver Elemente» ( BGE 108 IV 41 E. 2f) vorgehen müsse, könne dies nicht eine Beschränkung auf ausschliesslich objektive Tatbestandselemente bedeuten. Denn dies stünde im klaren Widerspruch zur feststehenden Praxis, den unbestimmten Rechtsbegriff des (besonders) leichten Falls jeweils unter Berücksichtigung der gesamten Umstände - also nicht bloss der objektiven - zu beurteilen. Wohl nicht ohne Grund fehle denn auch im Leitsatz von BGE 108 IV 41 jeder Vorbehalt bzw. jegliche Einschränkung. So wenig der Entscheid über das Vorliegen eines BGE 125 IV 74 S. 76 besonders leichten Falls mit jenem hinsichtlich des konkreten Verschuldens des Täters im Sinne von Art. 63 StGB gleichgesetzt werden könne, so wenig lasse sich die Frage nach dem leichten Fall einzig und allein nach rein objektiven Kriterien bestimmen. b) Die Beschwerdeführerin richtet sich nicht gegen die Annahme eines besonders leichten Falls, wendet aber ein, BGE 108 IV 41 bringe unmissverständlich zum Ausdruck, dass die Änderung der Deliktskategorie gegenüber dem Grundtatbestand nur bei denjenigen Strafbestimmungen zum Zug komme, in denen sich der schwere oder leichte Fall ausschliesslich nach objektiven Kriterien bestimme. Das folge einerseits aus Ziff. 2 der Regesten, die jene vermeintlich fehlende Einschränkung enthielten, und andererseits aus der Begründung, welche klarstelle, dass die «mittlere» Lösung gelten solle, welche es zwar zulasse, die Schärfungs- und Milderungsgründe des Besonderen Teils des Strafgesetzbuchs bei Feststellung des angedrohten gesetzlichen Höchstmasses der Strafe zu berücksichtigen. Dies gelte aber nur unter der Voraussetzung, dass die Frage, ob ein schwerer (oder leichter) Fall im Sinne eines bestimmten Straftatbestands vorliege, aus dieser besonderen Norm und ihrem Kontext heraus objektiv zu beantworten sei, d.h. unter Ausschluss der persönlichen Verhältnisse, Eigenschaften und Umstände, welche die Strafbarkeit des konkreten Täters berühren. Das Bundesgericht habe mit guten Gründen keine derartige Praxisänderung vorgenommen. Elisabeth Trachsel (Die Verjährung gemäss den Art. 70-75bis des Schweizerischen Strafgesetzbuches, Diss. Zürich 1990, S. 63) weise zu Recht darauf hin, nur mit einer Auslegung im Sinne von BGE 108 IV 41 lasse sich vermeiden, dass der abstrakten Betrachtungsweise für die Deliktseinteilung und die Bestimmung der Verjährungsfristen der Boden entzogen werde. BGE 108 IV 41 betreffe indessen Art. 273 StGB , eine Bestimmung, die bei schweren Fällen ausschliesslich Zuchthaus androhe; dagegen könne in besonders leichten Fällen der Urkundenfälschung gemäss Art. 251 Ziff. 2 StGB bzw. Art. 251 Ziff. 3 aStGB auf Gefängnis oder Busse erkannt werden. Damit unterschieden sich diese Bestimmungen in einem wesentlichen Punkt. Wie es sich bei einer Kann-Bestimmung in Bezug auf die Deliktseinteilung und die Bestimmung der Verjährungsfrist verhalte, habe das Bundesgericht für den leichten Fall der Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlasung der Ausländer (ANAG; SR 142.20) auch in diesem Sinne entschieden (nämlich in einem nicht veröffentlichten Entscheid des Kassationshofs vom 24. Mai 1993 in Sachen Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen gegen S., E. 2d. BGE 125 IV 74 S. 77 2. Urkundenfälschung wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft ( Art. 251 Ziff. 1 StGB ). In besonders leichten Fällen kann auf Gefängnis oder Busse erkannt werden (Ziff. 2). Die Beschwerdeführerin weist zu Recht auf den der Konstellation von BGE 108 IV 41 vergleichbaren Fall in der Entscheidung des Bundesgerichts vom 24. Mai 1993 betreffend Art. 23 Abs. 1 ANAG hin. Diese Taten werden «mit Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft. Mit dieser Strafe kann Busse bis zu 10'000 Franken verbunden werden; in leichten Fällen kann auch nur auf Busse erkannt werden». Das Bundesgericht führte in E. 2d dieses Entscheids aus: «Die Frage, ob der leichte Fall der Widerhandlung gegen das ANAG im Sinne von dessen Art. 23 Abs. 1 gleich dem Grundtatbestand ein Vergehen oder aber bloss eine Übertretung sei, würde sich nur dann stellen, wenn Art. 23 Abs. 1 a.E. ANAG vorschriebe, dass in leichten Fällen auf Busse zu erkennen ist. Art. 23 Abs. 1 a.E. ANAG bestimmt aber: «In leichten Fällen kann auch nur auf Busse erkannt werden». Das Gesetz stellt es damit in das Ermessen des Richters, ob er in leichten Fällen eine Gefängnisstrafe bis zu 6 Monaten (allenfalls verbunden mit einer Busse) oder aber nur eine Busse ausspricht (ebenso VALENTIN ROSCHACHER, Die Strafbestimmungen des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer, Diss. Zürich 1991, S. 70). Dass dem Richter dieses Ermessen zusteht, ergibt sich zweifelsfrei aus dem Begriff «kann», aber auch aus der Wendung «auch nur» in der zitierten Bestimmung. Art. 23 Abs. 1 a.E. ANAG erweitert mithin lediglich den Strafrahmen, der für den Grundtatbestand vorgesehen ist, nach unten, indem in leichten Fällen statt auf Gefängnis bis zu 6 Monaten auch nur auf Busse erkannt werden kann. Der im angefochtenen Entscheid nicht näher begründeten Meinung der Vorinstanz, Art. 23 Abs. 1 a.E. ANAG drohe für die leichten Fälle ausschliesslich bloss Busse an, kann angesichts des klaren Wortlauts dieser Bestimmung nicht gefolgt werden. [...] Die Zubilligung eines solchen Auswahlermessens ist nicht zuletzt gerade auch deshalb sinnvoll, weil die Abgrenzung zwischen dem leichten und dem nicht mehr leichten Fall schwierig sein kann und der Grenzbereich recht weit ist. Gerade dann, wenn sich der leichte Fall ausschliesslich nach objektiven Kriterien bestimmen sollte, kann auch bei dessen Annahme die Ausfällung einer Gefängnisstrafe anstelle einer Busse die angemessene Sanktion sein, beispielsweise wenn der Täter einschlägig vorbestraft ist. BGE 125 IV 74 S. 78 Es ergibt sich somit zusammenfassend, dass Art. 23 Abs. 1 ANAG für den leichten Fall der Widerhandlung entgegen der Meinung der Vorinstanz nicht bloss Busse, sondern auch Gefängnis bis zu 6 Monaten androht. Auch der leichte Fall der Widerhandlung ist daher, da die angedrohte Höchststrafe massgebend ist, ein Vergehen (ebenso VALENTIN ROSCHACHER, a.a.O., S. 70), und zwar unabhängig davon, ob sich der leichte Fall ausschliesslich nach objektiven oder auch nach in der Person des Täters liegenden subjektiven Kriterien bestimmt. Die Verfolgungsverjährung beträgt demnach gemäss Art. 70 und 72 Ziff. 2 Abs. 2 StGB, die mangels diesbezüglicher Spezialbestimmungen im ANAG anwendbar sind ( Art. 333 Abs. 1 StGB ), relativ 5 und absolut 7 1/2 Jahre.» An der in diesen Erwägungen dargelegten Rechtsprechung ist festzuhalten. Eine Urkundenfälschung wird durch die Qualifikation der Tat als besonders leichter Fall nicht zu einem Vergehen herabgestuft. Art. 251 Ziff. 2 StGB konkretisiert denn auch in keiner Weise, wann in besonders leichten Fällen auf Gefängnis und wann auf Busse zu erkennen ist. Deshalb ist für die Berechnung der Verfolgungsverjährung von der Strafdrohung des Grundtatbestands auszugehen. Die relative Verjährung beträgt daher 10 Jahre ( Art. 70 Abs. 2 StGB ). Die angefochtene Entscheidung verletzt somit Bundesrecht. Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen.
null
nan
de
1,999
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
08bf802c-e3bf-4c6b-9efc-833d8cf87524
Urteilskopf 83 I 47 8. Urteil vom 25. Januar 1957 i.S. Schweiz. Weinhändlerverband und Konsorten gegen Generaldirektion der Post-, Telegraphen- und Telephonverwaltung.
Regeste Werbestempel der Post. 1. Zuständigkeit des Bundesgerichts. 2. Legitimation zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde. 3. Ein Stempel mit dem Text "Mehr Verantwortung - kein Alkohol am Steuer" und dem Bilde eines Automobils darf auf Sendungen gewisser am Alkoholkonsum interessierter Postbenützer nicht gegen deren Willen angebracht werden.
Sachverhalt ab Seite 48 BGE 83 I 47 S. 48 A.- Einem Begehren der Aktion "Gesundes Volk" entsprechend, erklärte sich die eidg. Postverwaltung Ende 1955 bereit, auf den Postsendungen in verschiedenen Städten neben dem Poststempel eine Werbeflagge mit dem Text "Mehr Verantwortung - weniger Alkohol" und der Abbildung einer Weinflasche einzusetzen. Weil gewisse am Alkoholkonsum interessierte Kreise diese Flagge beanstandeten, wurde sie im Frühling 1956 zurückgezogen und ersetzt durch einen Stempel mit dem Text "Mehr Verantwortung - kein Alkohol am Steuer" und der Abbildung eines Automobils. Der Schweizerische Weinhändlerverband, der Verband schweizerischer Weinimporteure en gros, die Interessegemeinschaft für den schweizerischen Weinimport, die Fédération romande des vignerons und der Verband des schweizerischen Spirituosengewerbes ersuchten die Generaldirektion der PTT, auch diese Werbeflagge unverzüglich zurückzuziehen. Die Direktion der Postabteilung lehnte das Begehren mit Schreiben vom 17. Juli 1956 ab. Der Weinhändlerverband und die Firma Berger & Co., Weine und Spirituosen, in Langnau i.E., wandten sich nochmals an die Generaldirektion der PTT, worauf diese mit Entscheid vom 28. Juli 1956 die Stellungnahme der Postabteilung bestätigte. B.- Mit der vorliegenden Beschwerde beantragen die Firma Berger & Co., der Schweizerische Weinhändlerverband, die Fédération romande des vignerons und der Verband des schweizerischen Spirituosengewerbes, den Entscheid der Generaldirektion der PTT aufzuheben und die Verwendung der Postwerbeflagge "Mehr Verantwortung - kein Alkohol am Steuer" als widerrechtlich zu untersagen, eventuell die Postverwaltung anzuhalten, alle erforderlichen Massnahmen zu treffen, um die Abstempelung sämtlicher Postsendungen der Beschwerdeführer mit dieser Flagge zu verhindern. BGE 83 I 47 S. 49 C.- Auf ein Gesuch der Beschwerdeführer um Erteilung aufschiebender Wirkung hin hat sich die Generaldirektion der PTT bereit erklärt, den Weinhändlern und anderen Interessenten zu gestatten, ihre Briefpost jeweils gebündelt am Postschalter mit dem schriftlichen Vermerk "Nicht mit der Maschine stempeln" abzugeben, so dass die betreffenden Sendungen lediglich einen Abdruck des Handstempels ohne Flagge erhalten würden. D.- Nach einem Meinungsaustausch mit dem eidg. Post- und Eisenbahndepartement hat das Bundesgericht die Beurteilung der Beschwerde insoweit übernommen, als darin eine Verletzung von Rechten der Postbenützer behauptet wird. E.- Die Generaldirektion der PTT beantragt Abweisung der Beschwerde. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. - Gemäss Art. 99 Ziff. XI OG ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig gegen Entscheide des eidg. Post- und Eisenbahndepartements und Entscheide der Generaldirektion der PTT, die an das Departement nicht weiterziehbar sind, über Ansprüche, die sich stützen auf das Postverkehrsgesetz oder das Telegraphen- und Telephonverkehrgesetz, die zugehörigen Vollziehungsverordnungen und gewisse an die Anstaltsbenützer gerichtete Ausführungsbestimmungen (Abs. 1; s. auch Art. 97, Abs. 2 OG , der die Konzessionsgebühren und Post- Telegraphen- und Telephontaxen besonders erwähnt). Ausgenommen sind die Haftpflicht- und die Straffälle ( Art. 99 Ziff. XI Abs. 2 OG ). In den Angelegenheiten, in denen Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben werden kann, ist die Generaldirektion der PTT Mittelinstanz im Sinne des Art. 23 BG über die Organisation der Bundesverwaltung, das Departement also von der Entscheidungsbefugnis ausgeschlossen (Art. 2 Ziff. 4, Art. 3 Ziff. 4 BRB über die Zuständigkeit im Bereich der PTT-Verwaltung vom 22. März 1946). Entscheide der Generaldirektion BGE 83 I 47 S. 50 über Ansprüche, die unter Art. 99 Ziff. XI Abs. 1 OG fallen, unterliegen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, ihre sonstigen Entscheide der Verwaltungsbeschwerde an das Departement. Art. 99 Ziff. XI unterstellt der Verwaltungsgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der in Abs. 2 genannten Fälle, das ganze Verhältnis gegenseitiger Rechte und Pflichten, das zwichen den von der PTT-Verwaltung betriebenen öffentlichen Anstalten und ihren Benützern besteht. Im vorliegenden Fall kommt eine Verletzung der Rechte der Postbenützer in Betracht, jedoch nur soweit es sich um die von den Beschwerdeführern selbst aufgegebenen Sendungen handelt. Die Beschwerdeführer behaupten, dass eine solche Verletzung ihnen gegenüber vorliege, und stellen deshalb den Eventualantrag. Dieser richtet sich - wie auch der Hauptantrag - gegen einen Entscheid der Generaldirektion der PTT. Zur Beurteilung des Eventualantrages ist daher das Bundesgericht zuständig. Soweit die Begründung der Beschwerde das Postbenützungsverhältnis berührt, betrifft sie aber ausschliesslich diesen Antrag. Der Hauptantrag, die Verwendung der beanstandeten Werbeflagge sei schlechthin zu untersagen, beruht auf Überlegungen, die nicht das Postbenützungsverhältnis angehen, und fällt daher nicht in den Bereich der Zuständigkeit des Bundesgerichts. Hierüber wird vielmehr das Departement zu entscheiden haben. 2. - Wenn der angefochtene Entscheid rechtswidrig im Sinne der Begründung des Eventualantrages der Beschwerdeführer ist, so greift er in deren Rechtsstellung und nicht bloss in ihre Interessen ein. Das gilt nicht nur für die Firma Berger & Co., sondern auch für die beschwerdeführenden Verbände. Der Eventualantrag bezieht sich auf die Postsendungen "der Beschwerdeführer", nicht auch auf diejenigen der Mitglieder der beteiligten Verbände (abgesehen von der Firma Berger & Co., die Mitglied des Weinhändlerverbandes ist), so dass nicht zu prüfen ist, ob die Verbände berechtigt wären, zur Wahrung der Rechte BGE 83 I 47 S. 51 ihrer Mitglieder an deren Stelle Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu erheben. Sämtliche Beschwerdeführer sind daher, was den Eventualantrag anbelangt, zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde legitimiert, auch wenn nicht alle in dem angefochtenen Entscheide als Partei beteiligt waren ( Art. 103 Abs. 1 OG ). 3. - Nach Art. 4 des Postverkehrsgesetzes ist die Postverwaltung, wo die erforderlichen Posteinrichtungen bestehen, gegenüber jedermann zur Erfüllung der in diesem Gesetz, in der Postordnung und in den Ausführungsbestimmungen vorgesehenen Leistungen verpflichtet. Insbesondere hat sie Postsendungen anzunehmen und zu befördern. Anderseits hat sie zu beachten, dass die Sendungen (Karten, Briefe, Pakete) samt allfälligem Umschliessungsmaterial (Briefumschlägen usw.) Eigentum des Postbenützers sind. Sie hat sich ungerechtfertigter Eingriffe in die Rechte des Eigentümers, der auf ihre Dienste infolge des im Postregal begründeten Monopols angewiesen ist, zu enthalten. Diese Verpflichtung, die namentlich in den Bestimmungen über die Haftpflicht der Post zum Ausdruck kommt (Art. 44 ff. Postverkehrsgesetz), lässt freilich die Befugnis der Postverwaltung unberührt, von den Sendungen den Gebrauch zu machen, der zur Erfüllung der Aufgabe der Post erforderlich ist. Insbesondere ist die Verwaltung berechtigt, auf den Sendungen zur Entwertung der für die Frankierung verwendeten Postwertzeichen oder zu sonstigen postamtlichen Zwecken den Abdruck eines Datumstempels anzubringen. Ferner darf sie, wie dies bei der Abstempelung mit der Maschine geschieht, neben dem Datumstempeleine Stempelflagge einsetzen, damit die auf der Sendung aufgeklebten oder aufgedruckten Postwertzeichen rasch und sicher entwertet werden können. Die Flagge kann aus blossen Wellenlinien oder auch aus einem Werbetext mit oder ohne Abbildung bestehen. Werbeflaggen werden etwa verwendet für Hinweise, die mit dem Postdienst selbst zusammenhängen ("Benützet die Luftpost", "Weihnachtspost beizeiten BGE 83 I 47 S. 52 aufgeben" und dgl.), sodann zur Werbung für sonstige Anliegen des Staates im allgemeinen (Landesverteidigung, Verkehrssicherheit, Lärmbekämpfung usw.), ferner für gemeinnützige Sammlungen (Nationalspende, Rotes Kreuz usw.) und auch zur Propaganda für bedeutende Feste oder wirtschaftliche Veranstaltungen (Mustermesse, Schweizerwoche und dgl.) oder für touristische Zwecke. Die Verwendung solcher Werbestempel ist zwar in der Gesetzgebung über das Postwesen nicht vorgesehen, doch lässt sich nichts Triftiges gegen sie einwenden, wenn und soweit sie im öffentlichen Interesse liegt und die Rechte des Eigentümers der Postsendung nicht verletzt. 4. Es ist klar, dass die Werbeflagge mit dem Text "Mehr Verantwortung - kein Alkohol am Steuer" dem öffentlichen Interesse an der Sicherheit des Strassenverkehrs dient; denn es ist bekannt, dass unter Alkoholeinfluss stehende Fahrzeuglenker zu unvorsichtigem Fahren neigen und deshalb sehr häufig Unfälle verursachen. Die Beschwerdeführer wenden vergeblich ein, jener Text fordere mehr, als nach Gesetz zulässig sei, weil er, wie sich aus der kategorischen Wendung "kein Alkohol" ergebe, über den Inhalt des Art. 59 MFG (Verbot, in angetrunkenem Zustand ein Motorfahrzeug zu führen) und des Art. 57 MFV (Verbot des Alkoholgenusses für Führer von Motorwagen zum gewerbsmässigen Personentransport) hinausgehe. Die im Text verwendeten Worte "kein Alkohol am Steuer" können nur dann richtig verstanden werden, wenn ihr Zusammenhang mit der vorausgehenden Wendung "mehr Verantwortung" berücksichtigt wird, zumal das Wort "Verantwortung" besonders hervorgehoben ist, indem es mit grösseren Buchstaben als die übrigen Worte geschrieben ist. Danach bedeutet der Text nicht, dass man sich schlechterdings nicht ans Steuer setzen könne oder dürfe, wenn man Alkohol - und sei es auch so wenig - getrunken hat, sondern nur, dass der Fahrzeuglenker den Sinn für seine Verantwortlichkeit besser bewahrt, wenn er völlig nüchtern ist. Die Formel bringt in gedrängter Fassung, BGE 83 I 47 S. 53 aber doch deutlich eine allgemeine Vorsichtsregel zum Ausdruck, die sich nicht in der Befolgung jener gesetzlichen Verbote erschöpft. Sie hält sich gewiss im Rahmen dessen, was zur Erhöhung der Verkehrssicherheit empfohlen werden darf. Daher kann der Postverwaltung grundsätzlich nicht verwehrt werden, den Fahrzeuglenkern mittels der beanstandeten Werbeflagge Zurückhaltung im Alkoholgenuss nahezulegen; dies umsoweniger, als die Verwaltung selber ein Interesse daran hat, dass der Ermahnung nachgelebt wird, da sie zahlreiche Motorfahrzeuge einsetzt und ausserdem Tausende von Zustellboten beschäftigt, die zu Fuss oder auf Fahrrädern die Strasse benützen. Gleichwohl brauchen die Beschwerdeführer sich nicht gefallen zu lassen, dass auf ihren der Post übergebenen Sendungen der streitige Werbestempel angebracht wird. Man kann ihnen nicht wohl zumuten, bei einer Propagandaaktion mitzumachen, die nach ihrer Auffassung ihren Interessen abträglich ist. Ihre Einstellung ist verständlich. In der Tat werden ihre Postsendungen, wenn sie jenen Stempel tragen, beim Empfänger einige Verwunderung erregen oder gar lächerlich wirken, besonders dann, wenn die verwendeten Briefumschläge oder Postkarten mit Texten oder Bildern ausgestattet sind, die für den Absender werben sollen. Die Postverwaltung war verpflichtet, auf Begehren der Beschwerdeführer deren Postsendungen von der Abstempelung mit der beanstandeten Werbeflagge auszunehmen. Der angefochtene Entscheid verkennt dies und verletzt damit Rechte, die mit dem Eigentum der Beschwerdeführer an den der Post zur Beförderung anvertrauten Gegenständen verbunden sind. Die Postverwaltung wird dafür zu sorgen haben, dass diese Rechte beachtet werden. Es ist ihre Sache, die erforderlichen Massnahmen anzuordnen. Sie wird prüfen, ob das Vorgehen genügt, das die Generaldirektion auf das Begehren der Beschwerdeführer um Erteilung aufschiebender Wirkung hin vorgeschlagen hat. Nötigenfalls werden noch weitere Anordnungen zu treffen sein. BGE 83 I 47 S. 54 Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: 1.- Auf das Hauptbegehren der Beschwerde wird nicht eingetreten. 2.- Das Eventualbegehren der Beschwerde wird im Sinne der Erwägungen gutgeheissen.
public_law
nan
de
1,957
CH_BGE
CH_BGE_001
CH
Federation
08c58015-b2a8-4b99-aaca-2998fc79bd35
Urteilskopf 96 V 140 41. Auszug aus dem Urteil vom 13. Oktober 1970 i.S. Hillmann gegen Schweizerische Ausgleichskasse und Rekurskommission der Schweizerischen Ausgleichskasse
Regeste Art. 29 Abs. 4 OG und Art. 32 des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland über Soziale Sicherheit. Art. 32 des Staatsvertrages geht als Sondernorm der allgemeinen Bestimmung von Art. 29 Abs. 4 OG vor. Demnach haben deutsche Staatsangehörige mit Wohnsitz in Deutschland, welche an einem Prozess vor dem Eidg. Versicherungsgericht beteiligt sind, in der Regel kein Zustellungsdomizil in der Schweiz zu verzeigen.
Erwägungen ab Seite 140 BGE 96 V 140 S. 140 Aus den Erwägungen: Nach Art. 32 Abs. 1 des vorerwähnten Staatsvertrages können die Behörden, Gerichte und Träger der Vertragsparteien bei Anwendung des Abkommens, vorbehältlich des Art. 35 Abs. 2, unmittelbar miteinander und mit den beteiligten Personen und ihren Vertretern in ihren Amtssprachen verkehren. Demgegenüber bestimmt Art. 29 Abs. 4 OG , welcher seit dem 1. Oktober 1969 auch auf das Verfahren vor dem Eidg. Versicherungsgericht Anwendung findet, dass Parteien, die im Ausland wohnen, in der Schweiz ein Zustellungsdomizil BGE 96 V 140 S. 141 zu verzeigen haben. Zu prüfen ist, welche dieser Bestimmungen zur Anwendung gelangt. Mit Schreiben vom 9. September 1970 hat das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine entsprechende Anfrage des Eidg. Versicherungsgerichts und unter Hinweis auf ein Schreiben des deutschen Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung vom 17. August 1970, mitgeteilt, die deutschen Verwaltungs- und Gerichtsbehörden seien der Auffassung, die erwähnte Bestimmung ermögliche die unmittelbare Zustellung gerichtlicher Akte an eine Prozesspartei im anderen Vertragsstaat, beispielsweise als eingeschriebene Sendung mit Rückschein. In Übereinstimmung mit dieser Ansicht ist auch das Eidg. Versicherungsgericht der Meinung, dass Art. 32 des Staatsvertrages nicht nur die Sprachenfrage regelt, sondern auch die Möglichkeit des "unmittelbaren" Verkehrs statuiert. Diese staatsvertragliche Bestimmung geht demnach als lex specialis der allgemeinen Norm des Art. 29 Abs. 4 OG vor.
null
nan
de
1,970
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
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08c6b750-9c00-425b-9c56-6430e92dd910
Urteilskopf 111 II 358 70. Urteil der I. Zivilabteilung vom 17. Dezember 1985 i.S. Thurgauischer Malermeisterverband und Mitbeteiligte gegen Max Beerli AG (Berufung)
Regeste Gesamtarbeitsvertrag; Feststellungsklage der Arbeitnehmerverbände. 1. Art. 55 Abs. 1 lit. c OG . Ob der Richter von den Begehren der Parteien abweichen darf, ist eine Frage des kantonalen Rechts, dessen Verletzung nicht mit der Berufung gerügt werden kann, auch nicht wegen Willkür (E. 1). 2. Art. 357b Abs. 1 lit. a OR . Die Klage der Verbände gegen einen Arbeitgeber auf Feststellung eines streitigen Anspruchs kann sich nur auf diese Bestimmung stützen; sie setzt aber kein zusätzliches Interesse voraus (E. 2). 3. Art. 321c OR . Überzeitarbeit kann auch aus Nebenbeschäftigungen im Interesse des Arbeitgebers bestehen; Berechnung der Entschädigung (E. 3). 4. Art. 135 Ziff. 2 OR . Die Verjährung des streitigen Anspruchs wird durch die Klage der Verbände nicht unterbrochen (E. 4).
Sachverhalt ab Seite 359 BGE 111 II 358 S. 359 A.- Die Max Beerli AG, Balterswil, betreibt ein Geschäft für Maler- und Verputzarbeiten. Sie ist die Rechtsnachfolgerin der gleichnamigen Einzelfirma, die von Mitte März bis Mitte Dezember 1979 die Gebrüder Carmine und Bernardino Rinaldi beschäftigt hat. Der Thurgauische Malermeisterverband und drei Gewerkschaften haben die Paritätische Berufskommission für das Maler- und Gipsergewerbe des Kantons Thurgau beauftragt, für die gemeinsame Durchführung und die Einhaltung des bestehenden Gesamtarbeitsvertrages zu sorgen. Im Mai 1982 klagten diese Berufsorganisationen, vertreten durch die Kommission, gegen die Max Beerli AG auf Feststellung, dass die Beklagte ihren früheren Arbeitnehmern Carmine und Bernardino Rinaldi noch Fr. 5'938.80 bzw. 15'031.85 nebst Zins schulde. Sie verlangten ferner, dass die Beklagte zur Zahlung einer Konventionalstrafe von Fr. 5'250.-- an die Kläger verurteilt werde. Das Bezirksgericht Münchwilen wies die Klage am 10. April 1984 ab. Die Kläger appellierten an das Obergericht des Kantons Thurgau, das am 29. Januar 1985 ihr Feststellungsbegehren betreffend Carmine Rinaldi im Betrag von Fr. 3'400.-- nebst 5% Zins BGE 111 II 358 S. 360 seit 27. Oktober 1980 guthiess, ihre Rechtsbegehren im übrigen aber ebenfalls abwies. B.- Die Kläger haben gegen das Urteil des Obergerichts Berufung eingelegt, mit der sie an ihrem Rechtsbegehren betreffend Carmine Rinaldi im Betrag von Fr. 5'983.80 und an demjenigen betreffend Bernardino Rinaldi im Betrag von Fr. 12'438.-- nebst Zins festhalten; eventuell sei die Sache insoweit zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Mit der Weigerung des Obergerichts, ihnen eine Konventionalstrafe zuzusprechen, haben sie sich abgefunden. Die Beklagte beantragt, die Berufung abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Die Kläger werfen dem Obergericht Willkür vor, weil es die Klage betreffend Carmine Rinaldi trotz Anerkennung durch die Beklagte nicht im vollen Betrag von Fr. 5'938.80 geschützt habe. Das widerspreche dem Grundsatz, dass ein Gericht nicht weniger zusprechen dürfe, als eine Partei anerkannt habe. Die Willkürrüge sei zwar grundsätzlich mit staatsrechtlicher Beschwerde zu erheben; davon werde aber im Sinn eines Aufsatzes SCHUBARTH (BJM 1985 S. 57 ff.) abgesehen, um das Verfahren nicht zu spalten. Im Berufungsverfahren gehe es nämlich vor allem um Art. 8 ZGB , den das Obergericht bezüglich des Bernardino Rinaldi verletzt habe. Dem widerspricht die Beklagte zu Recht. Es ist eine Frage des kantonalen Rechts, ob der Richter von den Begehren der Parteien abweichen, insbesondere einer Partei weniger zusprechen darf, als die Gegenpartei anerkannt hat ( BGE 89 II 62 /63, BGE 81 II 147 mit Hinweisen). Die Verletzung kantonalen Rechts kann aber mit der Berufung nicht gerügt werden ( Art. 55 Abs. 1 lit. c OG ), auch nicht wegen Willkür, die als Verstoss gegen Art. 4 BV mit staatsrechtlicher Beschwerde geltend zu machen ist ( Art. 43 Abs. 1 Satz 2 OG ; BGE 109 II 132 E. 2a, BGE 107 II 157 E. 5a). Dass sich daraus eine Aufspaltung des Rechtsmittelweges ergibt, rechtfertigt keine Ausnahme. Gewiss ist es nach der Rechtsprechung gestattet, Berufung und staatsrechtliche Beschwerde in einer einzigen Rechtsschrift zu vereinigen, wenn die beiden Rechtsmittel äusserlich klar auseinandergehalten und auch inhaltlich nicht vermengt werden ( BGE 103 II 218 mit Hinweisen). Diese Voraussetzungen sind hier jedoch BGE 111 II 358 S. 361 nicht erfüllt. Soweit es um den Anspruch des Carmine Rinaldi geht, ist daher auf die Berufung nicht einzutreten. 2. Das Obergericht geht davon aus, dass die Kläger durch einen Gesamtarbeitsvertrag vom 1. Juli 1974 und Rahmenverträge von 1977, 1979 und 1981 verbunden seien und vereinbart hätten, die gemeinsame Durchführung der Verträge im Sinn von Art. 357b OR der Paritätischen Berufskommission zu überlassen. Die Beklagte sei zwar nicht Mitglied des Thurgauischen Malermeisterverbandes gewesen, habe aber den Rahmenverträgen, die vom 1. September 1977 bis 31. März 1979 und vom 25. Juni 1979 bis 31. März 1982 allgemeinverbindlich gewesen seien, während dieser Zeit ebenfalls unterstanden. Die Aktivlegitimation der Kläger sei daher einzig für die Zeitspanne vom 31. März bis 25. Juni 1979 zu verneinen, im übrigen dagegen gestützt auf Art. 357b Abs. 1 lit. a OR zu bejahen. Die "Anschlusserklärung" der Firma Beerli vom 14. Dezember 1972 ändere daran nichts. a) Die Beklagte hält die Feststellungsklage mangels eines entsprechenden Interesses der Kläger noch im Berufungsverfahren für unzulässig. Sie äussert sich dazu aber nur für die Zeitspanne vom 31. März bis 25. Juni 1979 und sagt mit keinem Wort, weshalb die Parteien eines Gesamtarbeitsvertrages ein zusätzliches Interesse nachweisen müssten, wenn sie gemäss Art. 357b Abs. 1 lit. a OR auf Feststellung eines Anspruches klagen. Das ist auch nicht zu ersehen, anerkennt das Gesetz mit dieser Bestimmung doch offenkundig ein Interesse der Vertragsparteien an einer Klarstellung durch den Richter, wenn es wie hier in einem Einzelfall um die Auslegung von Bestimmungen des Gesamtarbeitsvertrages geht. Wie es sich mit der Zeitspanne vom 31. März bis 25. Juni 1979 verhält, hat die Vorinstanz nur für Carmine Rinaldi, nicht aber für seinen Bruder Bernardino entschieden, weil sie angenommen hat, ein Anspruch des letzteren sei schon grundsätzlich zu verneinen. Darauf ist nur einzutreten, wenn der Auffassung der Vorinstanz nicht gefolgt werden kann. b) Die Kläger fechten diese Erwägung des Obergerichts nicht an, sondern begründen ihren Feststellungsanspruch damit, dass die Bestimmungen des Rahmenvertrages im Maler- und Gipsergewerbe allgemeinverbindlich erklärt worden seien. Ergänzend meinen sie freilich, der Anspruch der Verbände ergebe sich schon aus der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, wonach neben einer solchen Erklärung noch andere Möglichkeiten beständen, Verbandsinteressen zu wahren ( BGE 75 II 310 ). Ein Anspruch der BGE 111 II 358 S. 362 Vertragsparteien auf Feststellung gegenüber einem einzelnen Arbeitgeber kann sich indes nur auf Art. 357b Abs. 1 lit. a OR stützen. Da vom 31. März bis 25. Juni 1979 der Rahmenvertrag nicht allgemein galt, entfällt ein Feststellungsanspruch der Kläger für diese Zeitspanne. Es ist deshalb auch nicht zu prüfen, ob Überstundenarbeit in der gleichen Zeit nach Bestimmungen des OR oder des Arbeitsgesetzes zu vergüten wären oder nicht. Was die Kläger dazu in tatsächlicher Hinsicht vorbringen, ist somit gegenstandslos. 3. Nach dem angefochtenen Urteil hat sich Bernardino Rinaldi bei der Anstellung bereit erklärt, neben seiner Hauptbeschäftigung als Chauffeur und Magaziner der Beklagten täglich die Pferde des Firmeninhabers Max Beerli zu pflegen und nach dessen Weisungen an Samstagen im Wald oder in Haus und Stall zu arbeiten. Es sei zuerst von Fr. 2'300.-- Lohn gesprochen worden, der damals nicht nur dem üblichen Grundlohn für einen Chauffeur/Magaziner, sondern auch den Leistungen des Arbeitnehmers entsprochen habe. Der Lohn sei dann mit Rücksicht auf die zusätzlichen Arbeiten auf Fr. 3'000.-- erhöht worden. Die Differenz sei deshalb als Pauschalentschädigung für die Nebenbeschäftigungen anzusehen, die sich aber nicht als Überstunden im Hauptberuf ausgeben liessen, folglich auch keinen Anspruch auf eine Vergütung für Überzeitarbeit gemäss Gesamtarbeitsvertrag ergäben. Die Kläger lassen weder das eine noch das andere gelten. a) Nach der zwingenden Vorschrift des Art. 321c Abs. 3 OR ist Überzeitarbeit mit einem Zuschlag von mindestens einem Viertel des Normallohnes zu entschädigen, wenn die Überstunden nicht durch Freizeit ausgeglichen werden und nichts anderes schriftlich vereinbart oder durch Normal- oder Gesamtarbeitsvertrag bestimmt ist. Es ist unbestritten, dass hier keine solchen Ausnahmen vorliegen, der Gesamtarbeitsvertrag insbesondere den gleichen Zuschlag für Überzeitarbeit vorsieht. Was sodann unter Überstunden zu verstehen ist, ergibt sich aus der Überschreitung der Normalarbeitszeit, die damals nach dem Rahmenvertrag angeblich auf 46 1/4 Std. in der Woche und auf 9 1/4 Std. im Tag beschränkt worden ist. Das Obergericht stützt seine Auffassung zu Recht nicht darauf, dass Bernardino Rinaldi die zusätzlichen Arbeiten nicht für die Einzelfirma, sondern für deren Inhaber persönlich ausgeführt hat. Die Klage richtet sich zwar gegen die Max Beerli AG, welche aber BGE 111 II 358 S. 363 offensichtlich aus der Einzelfirma Max Beerli hervorgegangen ist und eine allfällige Haftung aus dem streitigen Arbeitsverhältnis übernommen hat ( Art. 333 OR ). Kläger und Obergericht weisen denn auch darauf hin, dass im allein massgebenden Jahr 1979 nur die Einzelfirma bestanden hat. Das kann nur heissen, dass damals Max Beerli sowohl im geschäftlichen wie im privaten Bereich allein als Arbeitgeber aufgetreten ist. Die Auffassung des Obergerichts beruht deshalb ausschliesslich auf seiner Feststellung, dass die zusätzlichen Arbeiten für Max Beerli nichts mit der Beschäftigung des Arbeitnehmers als Chauffeur und Magaziner zu tun hatten. Dem kann nicht beigepflichtet werden. Ob Überstundenarbeit im Sinn von Art. 321c OR und des Gesamtarbeitsvertrages vorliegt, entscheidet sich nicht nach der Art der Tätigkeit, sondern allein nach der Normalarbeitszeit und deren Überschreitung im Interesse des Arbeitgebers (STAEHELIN und REHBINDER, je N. 1 zu Art. 321c OR ). Es wäre in der Tat gefährlich, die Anwendung dieser Normen davon abhängig zu machen, dass der Arbeitnehmer auch bei Überschreitung der Normalarbeitszeit nur eigentliche Berufsarbeiten ausführt; wo aussergewöhnliche Verhältnisse Überstunden erfordern, kann es sich sehr wohl auch um eine andere Beschäftigung handeln. Von einer besonderen Nebenbeschäftigung, die eine Ausnahme rechtfertigen würde, kann hier umso weniger die Rede sein, als ein Gesamtlohn vereinbart und von der Beklagten bezahlt worden ist. Das Obergericht hat daher zu Unrecht angenommen, ein Anspruch des Arbeitnehmers auf eine Entschädigung für angeblich geleistete Überzeitarbeit sei zum vornherein zu verneinen. b) Daraus folgt indes noch nicht, dass bei der Berechnung einer Entschädigung für Überzeitarbeit auf einen Grundlohn von Fr. 3'000.-- abzustellen sei, wie die Kläger geltend machen. Sie verkennen, dass nach der verbindlichen Feststellung des Obergerichts der übliche Grundlohn für eine Arbeit, wie die von Bernardino Rinaldi als Chauffeur und Magaziner übernommene, damals Fr. 2'300.-- betragen und den Fähigkeiten des Arbeitnehmers entsprochen hat. Das Obergericht stellt ferner fest, dass mit der Erhöhung dieses Lohnes um Fr. 700.-- die Nebenbeschäftigung des Arbeitnehmers abgegolten werden sollte. Angenommen, Bernardino Rinaldi habe während der Normalarbeitszeit ausschliesslich als Chauffeur oder Magaziner gearbeitet, so hätte seine Nebenbeschäftigung aus Überzeitarbeit bestanden. Weil er dafür mit Fr. 700.-- monatlich entschädigt worden ist, wäre somit nur noch BGE 111 II 358 S. 364 zu prüfen, ob dieser Betrag auch dem Normallohn samt Zuschlag gemäss Art. 321c Abs. 3 OR entsprochen hat. Den Feststellungen des Obergerichts ist indes nicht zu entnehmen, ob Bernardino Rinaldi die Normalarbeitszeit nur für eigentliche Berufsarbeiten verwendet und, wenn ja, wie viele Stunden er darüber hinaus für Nebenbeschäftigungen aufgewendet hat. Das angefochtene Urteil ist daher gestützt auf Art. 64 Abs. 1 OG aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Obergericht wird - prozesskonforme Behauptungen und Beweisanträge vorbehalten - den Sachverhalt weiter abklären und allenfalls auch das Beweisverfahren ergänzen müssen. Es hat alsdann je nach dem Ergebnis neu zu urteilen und sich dabei nicht nur zur Behauptung der Kläger, die Beklagte habe durch Entgegennahme der Überstundenrapporte den Anspruch anerkannt, sondern auch zum Einwand der Beklagten zu äussern, Bernardino Rinaldi habe durch sein Verhalten auf einen solchen Anspruch wirksam verzichtet (vgl. BGE 105 II 39 ff.). c) Bei diesem Ausgang des Berufungsverfahrens ist die Rüge der Kläger, das Obergericht habe sich mit ihren Vorbringen nicht auseinandergesetzt und dadurch Art. 8 ZGB verletzt, gegenstandslos, zumal es sich dabei entgegen ihrer Annahme nicht um eine "Beweiswürdigungsregel" handelt ( BGE 102 II 279 und BGE 85 II 455 mit Hinweisen). Mit ihren Ausführungen zum Ausmass der Überstunden, zur angeblichen Nachtarbeit und zum 13. Monatslohn hat sich zudem nun das Obergericht zu befassen. Was schliesslich ihr Vorwurf angeht, das Obergericht habe ihnen das rechtliche Gehör verweigert und dadurch auch Art. 4 BV verletzt, ist auf bereits Gesagtes zu verweisen. 4. Die Vorinstanz hielt die Verjährungseinrede der Beklagten für unerheblich, weil es vorliegend nur um die Feststellung des Anspruches gehe. Nach Ansicht der Beklagten ist eine Klage auf Feststellung, dass eine verjährte Forderung geschuldet sei, indes zum vornherein ausgeschlossen. Die Kläger sind dagegen der Meinung, die Verjährung sei durch ihr Vorgehen jedenfalls unterbrochen worden. a) Eine Klage auf Feststellung einer bestimmten Forderung kann, wie eine Leistungsklage, die Verjährung gemäss Art. 135 Ziff. 2 OR unterbrechen ( BGE 101 II 79 und BGE 100 II 344 mit Hinweisen). Erforderlich ist, wie aus dem französischen Text der Bestimmung erhellt, dass die Klage vom Gläubiger oder einem bevollmächtigten Vertreter, nicht aber von einem beliebigen Dritten BGE 111 II 358 S. 365 erhoben wird. Vorliegend ist weder dem angefochtenen Urteil noch den Vorbringen der Parteien zu entnehmen, dass die klagenden Berufsorganisationen von Bernardino Rinaldi bevollmächtigt wären; sie haben denn auch nicht in seinem Namen geklagt. Nach Auffassung der Kläger ergibt sich die unterbrechende Wirkung ihrer Feststellungsklage unmittelbar aus Art. 357b Abs. 1 lit. a OR . Das lässt sich schon deshalb nicht sagen, weil die Bestimmung den Anspruch auf Feststellung ausdrücklich auf den Abschluss, den Inhalt und die Beendigung des Arbeitsverhältnisses beschränkt. Diese Umschreibung ist abschliessend (VISCHER, in Schweiz. Privatrecht VII/1 S. 469 Anm. 3b); die Bestimmung lässt sich zwangslos auf die Frage anwenden, ob die Nebenbeschäftigungen des Arbeitnehmers unter die Überstundenregelung des Gesamtarbeitsvertrages fallen, nicht aber auf die Feststellung ausdehnen, wieviel die Beklagte ihm nach dieser Regelung schuldet. Dazu kommt, dass das Gesetz mit der Bestimmung in erster Linie das Kollektivinteresse der Verbände an der Einhaltung der Verträge wahren will; der Leistungsklage des Arbeitnehmers wird damit nicht vorgegriffen, weil ihm die persönliche Freiheit, den Anspruch durchzusetzen oder darauf zu verzichten, belassen werden soll (BBl 1954 I S. 168 zum gleichlautenden Art. 323ter OR ; VISCHER N. 17/18 und SCHWEINGRUBER/BIGLER N. 6a zu Art. 357b OR ). Die Feststellungsklage der Verbände bedeutet daher nicht, dass der Arbeitnehmer seinen Anspruch ebenfalls geltend macht; sie hat vielmehr gerade dann einen Sinn, wenn jener auf seine Leistungsklage verzichtet. Auch Art. 357b OR erlaubt daher nicht den Schluss, die Feststellungsklage der Verbände vermöge die Verjährung eines streitigen Anspruchs zu unterbrechen. b) Ob allfällige Ansprüche des Bernardino Rinaldi verjährt wären, kann das Bundesgericht mangels tatsächlicher Feststellungen der Vorinstanz nicht beurteilen. Die Einrede zu widerlegen, wäre übrigens Sache des Arbeitnehmers im Leistungsprozess, wenn die Beklagte sich auch darin auf Verjährung berufen sollte ( Art. 142 OR ); im vorliegenden Verfahren ist sie so oder anders nicht von Belang, weil der streitige Anspruch nicht auf Zahlung eines Betrages geht, folglich auch nicht wie eine Geldforderung verjähren kann. Das Kollektivinteresse der Verbände an einer richterlichen Klärung der Streitfrage hängt zudem nicht davon ab, ob die Forderung vollstreckt werden kann. Sollte die Feststellungsklage sich als begründet erweisen, so dürfte das Obergericht deshalb durch seinen Urteilsspruch nicht den Eindruck erwecken, BGE 111 II 358 S. 366 es werde der Bestand einer Forderung im Sinn von Art. 137 Abs. 2 OR festgestellt. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: 1. Soweit das angefochtene Urteil den Arbeitnehmer Carmine Rinaldi betrifft, wird auf die Berufung nicht eingetreten. 2. Im übrigen wird die Berufung dahin gutgeheissen, dass das Urteil des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 29. Januar 1985 aufgehoben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen wird.
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nan
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1,985
CH_BGE
CH_BGE_004
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Federation
08cc2266-5eb9-4e99-9aea-f751fff1893e
Urteilskopf 95 IV 170 43. Extrait de l'arrêt de la Cour de cassation pénale du 3 novembre 1969 dans la cause Bernardi contre Nobs et Ministère public du canton de Neuchâtel.
Regeste Nichtbeherrschen des Fahrzeugs. Fahrzeug, dessen Motor abstellt. Schuld des Führers? Körperverletzung. Ist sie auf eine Verletzung der Verkehrsregeln zurückzuführen, so ist Art. 100 Ziff. 1 Abs. 2 SVG nicht anwendbar.
Sachverhalt ab Seite 171 BGE 95 IV 170 S. 171 A.- Le 27 janvier 1969, peu après 7 heures, Nobs, qui venait de quitter son domicile au volant de sa voiture Austin, déboucha d'un chemin vicinal sur la route cantonale Dombresson-Valangin, au lieu dit "Sous Engollon" et tourna à gauche en direction de Valangin. Il avait à peine parcouru une quinzaine de mètres sur la route cantonale que son moteur cala. Avant qu'il ait eu le temps de le remettre en marche, l'Austin fut tamponnée par une Fiat, qui venait de Dombresson et dont le conducteur, Bernardi, aperçut trop tard le véhicule arrêté. Les deux automobilistes furent légèrement blessés. B.- Le 25 mars 1969, le Tribunal de police du district du Val-de-Ruz a frappé Nobs d'une amende de 60 francs pour lésisions corporelles, sa faute ayant consisté notamment dans la perte de la maîtrise de son véhicule. C.- La Cour neuchâteloise de cassation pénale a admis, le 10 septembre, un recours de Nobs et cassé le jugement en ce qui le concerne. Elle admet que, provoqué par le froid, l'arrêt de son moteur n'est pas assimilable à la perte de la maîtrise et que la faute, si elle existe est en tout cas de très peu de gravité, ce qui permettrait d'exempter Nobs de toute peine. D.- Contre cet arrêt, Bernardi, en tant que plaignant, se pourvoit en nullité au Tribunal fédéral. Il réclame la condamnation de Nobs pour lésisions corporelles. Erwägungen Considérant en droit: 1. ... 2. Est maître de son véhicule le conducteur qui en obtient les réactions voulues, qui est en mesure de le commander immédiatement d'une manière appropriée aux circonstances (RO 76 IV 55). La perte de la maîtrise résulte en général d'une vitesse excessive; elle peut aussi être due à un arrêt involontaire du moteur. L'automobiliste dont la voiture s'immobilise parce que, contre son gré, le moteur a calé ne la maîtrise pas. C'est BGE 95 IV 170 S. 172 ce qui est arrivé à Nobs. Aussi a-t-il contrevenu à l'art. 31 al. 1 LCR. Il n'est pas douteux que cette contravention est une des causes de l'accident et des blessures du plaignant: si l'Austin ne s'était pas arrêté, ou bien la Fiat ne l'aurait pas tamponnée, ou bien le choc eût été moins violent, les deux véhicules roulant dans la même direction. Il reste à examiner si l'immobilisation de l'Austin provient d'une faute de l'intimé. La cour cantonale a retenu l'explication qu'il a donnée, à savoir que le moteur a calé - alors, a-t-il précisé, qu'il voulait passer de première en seconde vitesse - parce qu'il était froid. Elle admet avec lui qu'il s'est agi d'un événement fortuit, ajoutant que sa faute, si faute il y a eu, est de très peu de gravité, de sorte que l'art. 100 ch. 1 al. 2 LCR permet de l'exempter de toute peine. En réalité - on l'a déjà vu - il est prévenu de lésions corporelles par négligence. Or l'art. 125 CP ne prévoit pas l'exemption de toute peine dans les cas de très peu de gravité. Que les lésions corporelles soient consécutives à une violation de règles de la circulation ne change rien: l'art. 100 ch. 1 al. 2 ne s'applique pas. Sur ce point, la critique du recourant est fondée. Tout conducteur sait qu'un moteur froid - comme l'était celui de Nobs - risque de caler, notamment lors d'un arrêt du véhicule. On préviendra donc cet incident dans la mesure du possible, en actionnant de façon convenable, soit le "choke", soit la pédale des gaz. Cependant, même un conducteur expérimenté ne parviendra pas toujours à maintenir son moteur en marche. Il n'y aura faute qu'en cas de maladresse caractérisée ou d'oubli d'une manoeuvre nécessaire. Or, en l'espèce, le juge cantonal n'a constaté aucun fait qui puisse être imputable à faute à Nobs et, dans l'état actuel des choses, on ne voit pas qu'il soit possible de faire utilement, sur ce point, aucune constatation nouvelle. Dispositiv Par ces motifs, la Cour de cassation pénale: Rejette le pourvoi
null
nan
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1,969
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
08cfc464-5e23-4987-856a-675e35d99f5b
Urteilskopf 106 V 48 11. Urteil vom 15. April 1980 i.S. Wegmann gegen Schweizerische Unfallversicherungsanstalt und Versicherungsgericht des Kantons Zürich
Regeste Art. 76 KUVG . Gestaffelte und terminierte Rente bei Fingerverstümmelungen geringen Grades.
Sachverhalt ab Seite 48 BGE 106 V 48 S. 48 A.- Ernst Wegmann verunfallte am 15. September 1975 an seinem Arbeitsplatz und erlitt dabei eine offene Querfraktur des linken Zeigefingers mit Fraktur des distalen Köpfchens der Mittelphalanx. Der Kreisarzt der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) stellte am 16. September 1976 als bleibende Behinderung einen Streckausfall im Mittelgelenk des verletzten Fingers von 20 Grad und im Nagelgelenk von 35 Grad fest. Beim Faustschluss sperre der Zeigefinger um 2 cm. Medizinisch-theoretisch könne man noch nicht von einer messbaren Verminderung der Erwerbsfähigkeit sprechen. Am 26. Januar 1976 nahm Ernst Wegmann die bisherige Tätigkeit als Mechaniker-Meister wieder vollständig auf. Anfangs März 1976 wurde er in das technische Lager der Fabrik versetzt, wo er sich als Magaziner betätigte. Er erklärte am 19. September 1976 gegenüber dem SUVA-Sachbearbeiter, dass die Versetzung ins Magazin nur teilweise unfallbedingt gewesen sei. Er habe mit seinem Vorgesetzten Meinungsverschiedenheiten gehabt. N., der direkte Vorgesetzte des Versicherten, führte am 20. Oktober 1976 vor dem SUVA-Sachbearbeiter aus, dass die Mechanikerarbeit vorab Fingerfertigkeit erfordere. Er schätze die unfallbedingte Leistungseinbusse von Ernst Wegmann auf durchschnittlich 20%. Man habe ihn ausschliesslich wegen der Unfallfolgen auf den Magazinerposten versetzt. Dort sei er mit einem Meisterlohn (er komme auf einen Jahresbruttolohn von Fr. ...) grundsätzlich überbezahlt. Der Vorgänger an dieser Stelle habe monatlich Fr. 2'300.-- verdient. Ohne Unfall hätte Ernst Wegmann auf den 1. Januar 1976 wie alle andern Mitarbeiter in seiner Abteilung eine Lohnerhöhung von BGE 106 V 48 S. 49 Fr. 100.-- monatlich erhalten. Laut Auskunft der Personalabteilung wurde gegenüber Ernst Wegmann auf eine Salärreduktion verzichtet, da es sich um einen langjährigen Mitarbeiter handle, doch sei mit einer langsamer verlaufenden Lohnentwicklung zu rechnen. Mit Verfügung vom 11. Januar 1977 eröffnete die SUVA Ernst Wegmann, dass ihm für die Zeit vom 18. Januar 1976 bis 31. Januar 1979 eine Rente ausgerichtet werde. Nach Ablauf dieser Zeit falle die Rente ohne vorherige Anzeige dahin, weil dann eine messbare unfallbedingte Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit nicht mehr bestehen werde. Den Grad der Erwerbsunfähigkeit setzte die SUVA für die Zeit bis zum 31. Juli 1978 auf 20%, ab dann auf 10% fest. B.- Beschwerdeweise Verlangte Ernst Wegmann, die Verfügung der SUVA sei dahingehend abzuändern, dass auch nach dem 31. Januar 1979 eine Rente von 10% auszurichten sei. Am 21. Februar 1978 wies das Versicherungsgericht des Kantons Zürich die Beschwerde ab. C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt Ernst Wegmann seinen Antrag erneuern. In der Begründung wird im wesentlichen ausgeführt, dass die Versetzung vom Werkmeister zur tiefer bewerteten Stelle des Magaziners bereits eine dauernde Invalidität von 10% bedeute. Die Leistungseinbusse als Mechaniker-Meister betrage laut N. 20%, und es könnte argumentiert werden, dass auch in Zukunft am bisherigen Arbeitsplatz eine solche Invalidität gegeben sei. Da Ernst Wegmann wegen der Unfallfolgen Magaziner bleibe, ergebe sich eine Invalidität von weit mehr als 10%... Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. Nach Art. 76 KUVG haben verunfallte Versicherte Anspruch auf eine Invalidenrente, wenn von weiterer ärztlicher Behandlung keine namhafte Besserung des Gesundheitszustandes mehr zu erwarten ist und der Unfall eine voraussichtlich bleibende Erwerbsunfähigkeit hinterlässt. Die Rente beträgt bei gänzlicher Erwerbsunfähigkeit 70% des zuletzt erzielten Jahresverdienstes ( Art. 77 KUVG ). Die für den Rentenanspruch massgebende Invalidität entspricht dem Verhältnis zwischen dem Erwerbseinkommen, das der Versicherte ohne Invalidität zu erzielen vermöchte, und dem Einkommen, welches er BGE 106 V 48 S. 50 trotz des versicherten Gesundheitsschadens nach seinen beruflichen Fähigkeiten zumutbarerweise noch zu erwerben fähig ist ( BGE 98 V 166 ). Die Renten werden - unter Vorbehalt der Revision gemäss Art. 80 KUVG - grundsätzlich auf unbestimmte Zeit gewährt. Rechtsprechung und Doktrin haben jedoch seit jeher die Zusprechung abgestufter und befristeter Renten als zulässig erkannt. Es soll damit Fällen Rechnung getragen werden, in welchen bereits anlässlich der Rentenfestsetzung Vorauszusehen ist, dass sich die Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit zufolge Anpassung und Angewöhnung des Versicherten an die Unfallfolgen in absehbarer Zeit ausgleichen werden (EVGE 1956 S. 8; unveröffentlichte Urteile Brem vom 24. August 1972, Vitulli vom 11. April 1973, Romano Vom 11. April 1975, Toquero vom 23. Januar 1976 und Vinals vom 26. Januar 1977; MAURER, Recht und Praxis der Schweizerischen obligatorischen Unfallversicherung, 2. Aufl., S. 218, 230 Ziff. 9 und S. 245 Ziff. 6a). 2. Die Bemessung der Rente mit 20% bis 31. Juli 1978 und 10% ab 1. August 1978 ist nicht angefochten. Streitig ist einzig die Frage, ob die Terminierung der Rente Rechtens ist bzw. ob eine zeitlich unbefristete Rente hätte zugesprochen werden müssen. a) Es ist eine Erfahrungstatsache, dass Fingerverstümmelungen geringeren Ausmasses trotz des bleibenden Defekts nach einer gewissen Phase der Anpassung und Angewöhnung keine oder nur noch eine minimale Verminderung der Erwerbsfähigkeit bewirken. Dieser Faktor ist bei der Festsetzung der Rente zu berücksichtigen und daher in solchen Fällen in der Regel eine zeitlich befristete Rente zuzusprechen (EVGE 1952 S. 81, 1951 S. 78, 1938 S. 81; unveröffentlichte Urteile Vinals vom 26. Januar 1977 und Jeandupeux Vom 18. Juni 1959). Da der Unfallschaden des Beschwerdeführers einen verhältnismässig geringen Funktionsausfall der linken Hand bewirkt, hat die SUVA zu Recht der vorstehend genannten Praxis des Eidg. Versicherungsgerichts Rechnung getragen. Es konnte aufgrund der unfallmedizinischen Erfahrung beim Beschwerdeführer erwartet werden, dass er die Behinderung der linken Hand durch vermehrte funktionelle Umstellung auf die rechte allmählich wettmache. Der Beschwerdeführer kann sich im weiteren damit behelfen, dass er kleine und kleinste Gegenstände BGE 106 V 48 S. 51 etwa mit dem Daumen und dem Mittelfinger der linken Hand fasst und handhabt. Nach einiger Übung dürfte so auch für kompliziertere Handgriffe die frühere Fertigkeit der linken Hand annähernd wieder erreicht werden. Aufgrund dieser erfahrungsgemäss zu erwartenden Anpassung und Angewöhnung an den Unfallschaden durfte die SUVA berechtigtermassen annehmen, die Invalidität würde sich im Laufe der Zeit verringern und schliesslich unter den von der Praxis für die Ausrichtung einer Rente angenommenen Grenzwert fallen (unveröffentlichtes Urteil Romano vom 11. April 1975; MAURER, a.a.O., S. 229). Die Bemessung der Invalidität (20% bis 31. Juli 1978, ab dann 10%) und der erforderlichen Anpassungs- und Angewöhnungszeit ist nicht zu beanstanden. b) Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, ist unbehelflich. Nicht entscheidend kann sein, dass der Beschwerdeführer Linkshänder ist (EVGE 1951 S. 78). Diese Erschwernis lässt sich ohne übermässige Anstrengung durch Umgewöhnung beheben. Nicht gehört werden kann ferner der Einwand, die Terminierung der Rente bereits am 11. Januar 1977 sei nicht gerechtfertigt, da selbst nach Auffassung der SUVA die Frage, ob die zu erwartende, Besserung bis 31. Januar 1979 eintrete, besser in diesem Zeitpunkt beurteilt Werden könne. Die Zusprechung einer terminierten Rente ist statthaft, wenn die zukünftige Angewöhnung voraussehbar und wahrscheinlich ist; sie braucht nicht sicher zu sein (EVGE 1931 S. 101). Sowohl Voraussehbarkeit als auch Wahrscheinlichkeit der Anpassung und Angewöhnung waren vorliegendenfalls gegeben. Schon im Zeitpunkt der Verfügung (11. Januar 1977) eine dauernde Invalidität von 10% anzunehmen, rechtfertigt sich entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht. Die Schätzung der unfallbedingten Leistungseinbusse mit 20% durch N. am 20. Oktober 1976 kann sich nur auf die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers bis zur Versetzung ins Magazin beziehen und berücksichtigt daher die zu erwartende Angewöhnung und Anpassung an den Unfallschaden nicht. Der Umstand ferner, dass der Beschwerdeführer ins Magazin versetzt wurde und somit ab anfangs März 1976 den bisherigen Beruf als Mechaniker-Meister nicht mehr ausübte, ist für die Festsetzung der Invalidität im vorliegenden Fall ohne Belang. Entscheidend ist vielmehr, dass der Beschwerdeführer nach unfallmedizinischer Erfahrung in absehbarer Zeit infolge Angewöhnung BGE 106 V 48 S. 52 und Anpassung aller Wahrscheinlichkeit nach als Mechaniker-Meister nicht mehr in rentenbegründendem Ausmass erwerbsunfähig wäre. Unter diesem Gesichtspunkt können weder die Versetzung in die angeblich tiefer bewertete Stelle im Magazin noch die entgangenen Reallohnerhöhungen im Jahre 1976 und 1977 Beachtung finden. Angesichts der Lohnerhöhung per 1. Januar 1978 scheint im übrigen nicht festzustehen, dass die Lohnentwicklung - wie behauptet - langsamer verlaufen wird. Dispositiv Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
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08d16ece-4119-4279-8793-a7bcbe242de4
Urteilskopf 116 II 220 41. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 26. April 1990 i.S. St. gegen St.-S. (Berufung)
Regeste Wirkung der Rückweisung an die kantonale Instanz ( Art. 66 OG ). Der Rahmen des von der kantonalen Instanz nach der Rückweisung zu fällenden Urteils wird vom Rückweisungsentscheid des Bundesgerichts in rechtlicher Hinsicht abgesteckt. Der von der Rückweisung erfasste Streitpunkt darf nicht ausgeweitet oder auf eine neue Rechtsgrundlage gestellt werden, und der zuvor obsiegende Berufungskläger darf somit im neuen kantonalen Verfahren keine Verschlechterung seiner Rechtsstellung erleiden.
Sachverhalt ab Seite 221 BGE 116 II 220 S. 221 A.- Mit Urteil vom 28. April 1988 hat die II. Zivilabteilung des Bundesgerichts in teilweiser Gutheissung einer Berufung des Ehemannes St. das Scheidungsurteil des Obergerichts von Appenzell A.Rh. bezüglich des der Ehefrau zugesprochenen Unterhaltsbeitrags von Fr. 800.-- monatlich aufgehoben und die Sache zur Aktenergänzung und zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen. Die Rückweisung erfolgte aus der Überlegung heraus, dass das Obergericht keine genügenden Feststellungen zur Frage der Bedürftigkeit der Beklagten im Sinne von Art. 152 ZGB getroffen hatte. Daher sah sich das Bundesgericht ausserstande, über den Antrag des Klägers, das Begehren der Ehefrau um Zusprechung einer Bedürftigkeitsrente abzuweisen, eventuell diese auf Fr. 300.-- und auf eine Dauer von höchstens zwei Jahren zu reduzieren, abschliessend zu befinden. B.- Das Obergericht von Appenzell A.Rh. hat hierauf erneut entschieden. Es stützte den Unterhaltsbeitrag für die geschiedene Ehefrau neu auf Art. 151 ZGB und setzte die Rente auf Fr. 600.-- monatlich fest. Diese Rente wurde auf den Eintritt des Klägers in das AHV-Alter befristet; von einer Indexierung wurde, wie schon im ersten kantonalen Urteil, abgesehen. Die vom Ehegatten auch gegen dieses Urteil erhobene Berufung wurde vom Bundesgericht teilweise gutgeheissen, indem der Berufungskläger gestützt auf Art. 152 ZGB verpflichtet wurde, an den BGE 116 II 220 S. 222 persönlichen Unterhalt der Ehefrau bis zu ihrem Eintritt in das AHV-Alter einen monatlich vorauszahlbaren Unterhaltsbeitrag von Fr. 200.-- zu entrichten. Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. a) Nach Art. 66 Abs. 1 OG darf die kantonale Instanz, an die eine Sache vom Bundesgericht zurückgewiesen wird, neues Vorbringen berücksichtigen, soweit es nach dem kantonalen Prozessrecht noch zulässig ist. Sie hat jedoch die rechtliche Beurteilung, mit der die Zurückweisung begründet worden ist, auch ihrer Entscheidung zugrunde zu legen. Wegen dieser Bindung der Gerichte - auch des Bundesgerichts - ist es, abgesehen von allenfalls zugelassenen Noven, ihnen wie den Parteien verwehrt, im Fall einer erneuten Anrufung des Bundesgerichts der Beurteilung des Rechtsstreits einen anderen als den bisherigen Sachverhalt zu unterstellen oder die Sache unter rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen, die im Rückweisungsentscheid ausdrücklich abgelehnt oder gar nicht in Erwägung gezogen worden sind ( BGE 111 II 95 mit Hinweisen). Mit der Rückweisung wird der Prozess hinsichtlich des davon betroffenen Streitpunktes in die Lage zurückversetzt, in der er sich vor Fällung des kantonalen Urteils befunden hat (BIRCHMEIER, Bundesrechtspflege, S. 241). Der Rahmen wird demnach vom Rückweisungsentscheid des Bundesgerichts in rechtlicher Hinsicht abgesteckt. Demgegenüber bestimmt das kantonale Recht, welche kantonale Instanz die Neubeurteilung vorzunehmen hat, ob neue Tatsachen, die seit dem Erlass des angefochtenen Urteils eingetreten sind, nun noch berücksichtigt werden dürfen, ob nochmals ein Beweisverfahren durchzuführen ist, ob die Klage erweitert oder reduziert werden darf, ob auch noch eine Anschlussappellation zulässig wäre. Alle diese prozessualen Schritte haben sich aber innerhalb des rechtlichen Rahmens zu bewegen, den das Bundesgericht mit seinem Rückweisungsentscheid vorgegeben hat. Der von der Rückweisung erfasste Streitpunkt darf also nicht ausgeweitet oder auf eine neue Rechtsgrundlage gestellt werden ( BGE 61 II 359 ; BIRCHMEIER, a.a.O., S. 242). Daraus folgt schliesslich auch, dass der zuvor obsiegende Berufungskläger im neuen Verfahren keine Verschlechterung seiner Rechtsstellung erleiden darf; im für ihn ungünstigsten Fall müsste er sich mit dem bisherigen, von der Gegenpartei nicht angefochtenen Ergebnis abfinden. BGE 116 II 220 S. 223 b) In seinem Urteil vom 28. April 1988 hatte sich das Bundesgericht lediglich zur Frage auszusprechen, ob die Voraussetzungen für eine der Ehefrau zuzusprechende Bedürftigkeitsrente im Sinne von Art. 152 ZGB gegeben seien. Nur eine solche Bedürftigkeitsrente war der Beklagten vom Obergericht von Appenzell A-Rh. zugesprochen worden, und der Berufungskläger beantragte vor Bundesgericht - entsprechend seinem im kantonalen Verfahren eingenommenen Standpunkt - deren Aufhebung. Eventuell erklärte er sich bereit, der von ihm geschiedenen Frau während zwei Jahren monatlich Fr. 300.-- zu bezahlen. Das Bundesgericht pflichtete der Auffassung des Obergerichts, dass der Beklagten kein die Rente ausschliessendes Verschulden an Zerrüttung und Scheidung angelastet werden könne, bei. Es hielt aber fest, dass die vom Obergericht vorgetragene Auffassung allenfalls geeignet wäre, einen Unterhaltsbeitrag im Sinne von Art. 151 Abs. 1 ZGB zu begründen, nicht jedoch eine auf Art. 152 ZGB gestützte Bedürftigkeitsrente. Das Obergericht hatte offensichtlich übersehen, dass Leistungen gemäss Art. 152 ZGB nicht so sehr helfen sollen, eine genügende Altersvorsorge für die geschiedene Frau aufzubauen, als vielmehr, eine durch die Scheidung bewirkte Notlage zu beheben. Entscheidend sei die Frage - führte das Bundesgericht in seinem Rückweisungsentscheid aus -, ob die Beklagte, die "auf Abruf" arbeite, aller Wahrscheinlichkeit nach auf Dauer ihren Lebensunterhalt zu decken vermöge. Im folgenden umriss das Bundesgericht die vom Obergericht von Appenzell A.Rh. noch zu treffenden Abklärungen, die das Bundesgericht allenfalls in die Lage versetzen würden, die Rechtsfrage der Bedürftigkeit zu beantworten, nämlich: ob die Beklagte angesichts ihres Alters gesundheitlich in der Lage sei, voll erwerbstätig zu sein, ob ihr Arbeitgeber das damals bestehende Arbeitsverhältnis als verhältnismässig stabil betrachte, wie hoch das jährliche Durchschnittseinkommen der Beklagten sei und mit welchem Bedarf sie für sich und die Tochter rechnen müsse. Mit diesen Hinweisen und der - mangels Anschlussberufung nicht umstrittenen - rechtlichen Grundlage war der Rahmen dessen, was das Obergericht noch nachzuholen hatte, klar gegeben. Mit welchen Beweismitteln das Obergericht die Feststellungen treffen wollte, die unabdingbar waren für die Beurteilung der Voraussetzungen einer Bedürftigkeitsrente gemäss Art. 152 ZGB , bestimmte sich ausschliesslich nach kantonalem Recht. Insofern durfte das Obergericht selbstverständlich davon ausgehen, dass im BGE 116 II 220 S. 224 Scheidungsverfahren insgesamt die Offizial- bzw. Untersuchungsmaxime gelte; und es durfte demgemäss ohne Verletzung von Bundesrecht der materiellen Wahrheit nachgehen, zum Beispiel unter Würdigung von Noven und ohne Rücksicht auf bestimmte Parteianträge. Nachdem sich aber dem Bundesgericht die Frage, ob die Beklagte Anspruch auf eine Entschädigungsrente im Sinne von Art. 151 Abs. 1 ZGB erheben könne, mit dem Urteil vom 28. April 1988 gar nicht gestellt hatte, war es dem Obergericht von Appenzell A.Rh. nach dem Rückweisungsentscheid gemäss Art. 64 Abs. 1 OG verwehrt, darauf zurückzukommen. Mit diesem Verfahrensschritt wurde dem Obergericht nicht Gelegenheit gegeben, sein erstes Urteil in einem nicht mehr streitigen und deshalb von der Rückweisung nicht betroffenen Punkt zu verbessern. Die Kritik des Berufungsklägers am jetzt angefochtenen Urteil des Obergerichts von Appenzell A.Rh. erweist sich daher unter dem Gesichtswinkel von Art. 66 Abs. 1 OG als grundsätzlich gerechtfertigt.
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Urteilskopf 101 IV 107 29. Auszug aus dem Entscheid der Anklagekammer vom 2. Juni 1975 i.S. X. gegen Fürstlich Liechtensteinisches Landgericht und Oberzolldirektion Bern.
Regeste Art. 4 des Vertrages zwischen der Schweiz und Liechtenstein über den Anschluss des Fürstentums Liechtenstein an das schweizerische Zollgebiet. Soweit der Zollanschluss ihre Anwendung bedingt, treten die eidgenössischen Bundesgesetze in Liechtenstein zur gleichen Zeit wie in der Schweiz in Kraft. Dem Fürstentum kommt hinsichtlich solcher Bestimmungen die gleiche Rechtsstellung zu wie den schweizerischen Kantonen.
Sachverhalt ab Seite 107 BGE 101 IV 107 S. 107 A.- Dem im Fürstentum Liechtenstein wohnhaften X. wird vorgeworfen, er habe seit 1971 wiederholt, über verschiedene Firmen, unter den Bezeichnungen "Bitalen", "Allgol", BGE 101 IV 107 S. 108 "Detergol" oder "Alkenol" zu Zollansätzen von 50 Rappen bis 5 Franken pro q Benzin aus Deutschland in die Schweiz eingeführt, das zum Ansatz von Fr. 26.50 pro q zollpflichtig ist und ausserdem einem Zollzuschlag von Fr. 35.06 pro q unterliegt; auf diese Weise habe er Zollabgaben von ca. 5,7 Millionen Franken umgangen. B.- Am 24. April 1975 beantragte die Zollkreisdirektion Chur gestützt auf Art. 52/53 VStrR beim Fürstlich Liechtensteinischen Landgericht Vaduz einen Haftbefehl gegen X. Das Gericht entsprach diesem Antrag. Am 29. April 1975 wurde X. verhaftet und in das Untersuchungsgefängnis Vaduz eingewiesen. Am 1., 2. und 8. Mai 1975 beschwerte er sich gegen die Verhaftung und verlangte seine Freilassung. Am 12. Mai 1975 stellte die Zolluntersuchungsbehörde beim Fürstlich Liechtensteinischen Landgericht gestützt auf Art. 57 Abs. 2 VStrR den Antrag, die angeordnete Untersuchungshaft sei über 14 Tage hinaus zu verlängern. Das Gericht gab diesem Antrag statt. Der Beschuldigte beschwerte sich gegen diese Entscheidung, hielt seine früheren Haftbeschwerden vom 2. und 8. Mai 1975 aufrecht und beantragte, seine Beschwerden seien an das zuständige Gericht weiterzuleiten. Das Fürstlich Liechtensteinische Landgericht sandte darauf mit Schreiben vom 13. Mai 1975 die Haftbeschwerden des Beschuldigten dem Kantonsgericht St. Gallen, das es gestützt auf Art. 27 des Vertrages zwischen der Schweiz und Liechtenstein über den Anschluss des Fürstentums Liechtenstein an das schweizerische Zollgebiet vom 29. März 1923 für zuständig hielt. Das Kantonsgericht St. Gallen verneinte jedoch seine Zuständigkeit und leitete die Haftbeschwerden an die Anklagekammer des Bundesgerichts weiter. Erwägungen Aus den Erwägungen: a) Gemäss Art. 4 des Vertrages zwischen der Schweiz und Liechtenstein über den Anschluss des Fürstentums Liechtenstein an das schweizerische Zollgebiet vom 29. März 1923 (BS 11, S. 160 ff.) finden im Fürstentum in gleicher Weise Anwendung wie in der Schweiz die zur Zeit des Inkrafttretens des Vertrages geltenden und die während seiner Dauer in Rechtswirksamkeit tretenden Bestimmungen der gesamten schweizerischen Zollgesetzgebung sowie der übrigen Bundesgesetzgebung, BGE 101 IV 107 S. 109 soweit der Zollanschluss ihre Anwendung bedingt. Bezüglich der anzuwendenden schweizerischen Gesetzgebung kommt dem Fürstentum Liechtenstein die gleiche Rechtsstellung zu wie den schweizerischen Kantonen (Art. 6 des Vertrags). Die seit dem Inkrafttreten des Vertrags im Fürstentum anwendbaren Bundeserlasse werden in einer Anlage I eigens angeführt (Art. 9 des Vertrags). Art. 10 des Vertrags sieht vor, dass alle Ergänzungen und Abänderungen der in der Anlage I erwähnten Bundesgesetzgebung vom schweizerischen Bundesrat der fürstlichen Regierung mitgeteilt und von dieser ebenfalls öffentlich bekannt gemacht werden. Dasselbe Verfahren hat Platz zu greifen mit Bezug auf die während der Vertragsdauer in Rechtswirksamkeit tretenden Bundesgesetze, Bundesbeschlüsse und Verordnungen, die unter Art. 4 des Vertrags fallen. Das am 13. Mai 1924 erlassene liechtensteinische Einführungsgesetz zum Zollvertrag mit der Schweiz vom 29. März 1923 sieht in Art. 2 Abs. 2 vor, dass spätere anwendbare Erlasse in Liechtenstein, soweit sie dort anwendbar sind, "zu gleicher Zeit wie in der Schweiz ohne weiteres in Kraft" treten. Nach Art. 3 des Einführungsgesetzes hat die Regierung des Fürstentums zu prüfen, ob die von den schweizerischen Behörden als anwendbar bezeichneten Bestimmungen zu der in Art. 4 des Zollvertrags genannten Bundesgesetzgebung gehören und sie hat diese dem Landtag möglichst frühzeitig "zur Kenntnisnahme" vorzulegen. b) Auf das Verfahren betreffend die Verfolgung von Zollwiderhandlungen fanden bisher im Fürstentum Liechtenstein wie in der Schweiz einerseits die Bestimmungen des dritten Abschnitts des Zollgesetzes und anderseits die Art. 279 bis 320 BStP Anwendung. Die genannten Artikel des Bundesgesetzes über die Bundesstrafrechtspflege sind mit dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes über das Verwaltungsstrafrecht am 1. Januar 1975 aufgehoben und durch die Bestimmungen dieses Gesetzes ersetzt worden. Auf den gleichen Zeitpunkt wurden auch verschiedene Bestimmungen des dritten Abschnittes des Zollgesetzes abgeändert; unter anderem wurde Art. 90 des Zollgesetzes betreffend die vorläufige Festnahme durch das Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht aufgehoben. Das Verfahren betreffend die Ahndung von Zollwiderhandlungen richtet sich demnach in der Schweiz seit dem 1. Januar BGE 101 IV 107 S. 110 1975 nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes über das Verwaltungsstrafrecht. Dasselbe muss auch für das Fürstentum Liechtenstein gelten, dessen Einführungsgesetz zum Zollvertrag ausdrücklich vorsieht, dass spätere anwendbare Erlasse in Liechtenstein zur gleichen Zeit wie in der Schweiz ohne weiteres in Kraft treten. Der Umstand, dass der Bundesrat das neue Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht und die dadurch bedingten Änderungen des Zollgesetzes und des Bundesgesetzes über die Bundesstrafrechtspflege der Fürstlich Liechtensteinischen Regierung noch nicht mitgeteilt und dass diese die fraglichen Gesetzesänderungen noch nicht bekannt gemacht hat, ändert nichts. Der Fürstlich Liechtensteinische Staatsgerichtshof als Verfassungsgerichtshof hat schon am 30. Januar 1947 in einem Urteil unter anderem ausgeführt: durch den Zollanschluss seien die Schweiz und Liechtenstein ein Zollgebiet und damit auch ein Wirtschaftsgebiet geworden, das vom Ausland durch eine gemeinsame Grenze geschützt, intern aber ohne Schranken sei; ein einheitliches Wirtschaftsgebiet erfordere einheitliche Wirtschaftliche Vorschriften. Im fraglichen Verfahren war geltend gemacht worden, die eidgenössischen Vorschriften könnten erst nach Abschluss des Anwendbarkeitsverfahrens im Sinne von Art. 3 des Einführungsgesetzes zum Zollvertrag und durch Publizierung in den Landeszeitungen Rechtswirksamkeit in Liechtenstein erlangen. Sinngemäss denselben Einwand erhob auch der Beschuldigte in seiner Beschwerde vom 8. Mai 1975. Demgegenüber stellte der Fürstlich Liechtensteinische Staatsgerichtshof im erwähnten Entscheid ausdrücklich fest: nach Art. 6 des Zollvertrags komme dem Fürstentum, hinsichtlich der gemäss Zollvertrag anzuwendenden eidgenössischen Bestimmungen, die gleiche Rechtsstellung zu wie den schweizerischen Kantonen. Die in Liechtenstein anzuwendenden eidgenössischen Bestimmungen treten daher im Fürstentum in gleicher Weise in Kraft wie in den Kantonen, d.h. unmittelbar kraft Erlass durch die eidgenössischen Stellen und ohne Mitwirkung der Kantone. Ob eine eidgenössische Bestimmung in Liechtenstein anzuwenden sei, bestimme der Bund. Die Fürstliche Regierung habe allerdings nach Art. 3 des Einführungsgesetzes zum Zollvertrag zu prüfen, ob die von der zuständigen Bundesbehörde als anwendbar bezeichnete Bestimmung zu der in Art. 4 des Zollvertrags BGE 101 IV 107 S. 111 genannten Bundesgesetzgebung gehöre; aber bei Meinungsverschiedenheiten könne sie die Streitfrage nur auf diplomatischem Wege zu erledigen versuchen oder ein Schiedsgericht anrufen. Die liechtensteinischen Bestimmungen über das Anwendbarkeitsverfahren und die Publikation seien demnach nur Ordnungsvorschriften, nicht aber konstitutives Erfordernis für das Inkrafttreten und die Verbindlichkeit der nach dem Zollvertrag anwendbaren Bestimmungen in Liechtenstein; die Anwendbarkeitserklärung und die Publikation hätten nur deklaratorische Bedeutung. Massgebend sei allein Art. 4 des Zollvertrags in Verbindung mit Art. 2 des Einführungsgesetzes, wonach die eidgenössische Bundesgesetzgebung, soweit der Zollanschluss ihre Anwendung bedinge, in Liechtenstein zur gleichen Zeit wie in der Schweiz ohne weiteres inkrafttrete (Urteil vom 30. Januar 1947 i.S. des N.N. und der Firma N.N. gegen das Urteil des kriegswirtschaftlichen Strafappellationsgerichts vom 12. Januar 1946). Diesen Erwägungen ist beizupflichten. Auf das Verfahren betreffend Widerhandlung gegen das Zollgesetz finden demnach seit dem 1. Januar 1975 nicht nur in der Schweiz, sondern auch im Fürstentum Liechtenstein die Bestimmungen des Bundesgesetzes über das Verwaltungsstrafrecht Anwendung. c) Nach Art. 26 VStrR kann gegen Zwangsmassnahmen und damit zusammenhängende Amtshandlungen bei der Anklagekammer des Bundesgerichts Beschwerde geführt werden. Richtet sich eine Beschwerde gegen eine kantonale Gerichtsbehörde, ist sie direkt bei der Anklagekammer einzureichen. Die Anordnung und die Verlängerung der Untersuchungshaft sind Zwangsmassnahmen im Sinne der genannten Bestimmung. Die im vorliegenden Verfahren angefochtenen Entscheidungen wurden vom Fürstlich Liechtensteinischen Landgericht gefällt. Da nach Art. 6 des Zollvertrags dem Fürstentum die gleiche Rechtsstellung wie den schweizerischen Kantonen zukommt, ist es gleich zu halten, wie wenn die erwähnten Entscheidungen von einer kantonalen Gerichtsbehörde gefällt worden wären. Gegen Haftverfügungen, die das Fürstlich Liechtensteinische Landgericht wegen Zollwiderhandlungen erlassen hat, kann demnach direkt bei der Anklagekammer des Bundesgerichts Beschwerde geführt werden. Diese ist für die Behandlung solcher Beschwerden zuständig. Auf die Beschwerde ist mithin einzutreten.
null
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1,975
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08d70d40-ea99-4ecf-9b1d-269388ff064e
Urteilskopf 104 II 6 2. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 23. März 1978 i.S. Dr. R. gegen Gesellschaft der Ärzte des Kantons Zürich
Regeste Anfechtung eines Vereinsbeschlusses; Persönlichkeitsrecht des Vereinsmitglieds. Der Beschluss der Gesellschaft der Ärzte des Kantons Zürich, in einer Vereinbarung mit dem Apothekerverein des Kantons Zürich auf die Selbstdispensation in den Städten Zürich und Winterthur zu verzichten, verletzt die Persönlichkeitsrechte der Mitglieder der Gesellschaft im Sinne von Art. 27 ZGB nicht.
Sachverhalt ab Seite 6 BGE 104 II 6 S. 6 A.- § 17 des zürcherischen Gesetzes über das Gesundheitswesen vom 4. November 1962 verbietet den Ärzten in den Städten Zürich und Winterthur die Abgabe von Arzneimitteln, die sogenannte Selbstdispensation. Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich erklärte mit Entscheid vom 13. Juli 1973 dieses Verbot der Selbstdispensation als Verstoss gegen die Handels- und Gewerbefreiheit, mithin als verfassungswidrig und nichtig. Darauf erteilte die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich verschiedenen Ärzten die Bewilligung zur Selbstdispensation, am 25. Februar 1975 auch Dr. R. In der Folge kam es zwischen der Gesellschaft der Ärzte des Kantons Zürich und dem Apothekerverein des Kantons Zürich zu einer Vereinbarung, in der einerseits die in den Städten Zürich und Winterthur praktizierenden Ärzte sich bereit erklärten, keine Privatapotheke zu führen, während anderseits die Vereinigungen der Apotheker der genannten Städte sich verpflichteten, für einen ausreichenden Notfall-und BGE 104 II 6 S. 7 Nachtdienst in den beiden Städten zu sorgen und ohne ärztlichen Auftrag weder Blutdruckmessungen noch andere medizinische Untersuchungen am Patienten vorzunehmen sowie weder Blut noch andere Körperflüssigkeiten zu entnehmen und zu untersuchen (ausgenommen einfache Urinanalysen). Gemäss Ziffer 1 lit. a der Vereinbarung sind vom Verbot der Selbstdispensation ausgenommen die Ärzte, die am 1. Januar 1974 bereits eine Bewilligung zur Führung einer Privatapotheke besassen. Durch Urabstimmungsbeschluss stimmte die Gesellschaft der Ärzte des Kantons Zürich dieser Vereinbarung zu. B.- Dr. R. klagte beim Bezirksgericht Zürich gegen die Gesellschaft der Ärzte des Kantons Zürich auf Aufhebung des Vereinsbeschlusses. Das Bezirksgericht Zürich und das Obergericht des Kantons Zürich wiesen die Klage ab, letzteres mit Urteil vom 6. Juni 1977 und im wesentlichen mit der Begründung, eine unbefugte Verletzung der Persönlichkeitsrechte des Klägers liege nicht vor; der Beschluss der Beklagten stelle auch keine Statutenverletzung im Sinne von Art. 75 ZGB dar; Rechtsmissbrauch könne der Beklagten nicht vorgeworfen werden, und die Rückwirkung der Vereinbarung auf Ärzte, welche die Bewilligung zur Selbstdispensation nach dem 1. Januar 1974 erworben hätten, verletze weder Bundesrecht noch ein wohlerworbenes Recht des Klägers, weil dieser bei der Einrichtung einer Privatapotheke das Risiko bewusst in Kauf genommen habe, dass für Vereinsmitglieder die Selbstdispensation in Zürich künftig verboten werden könnte. C.- Gegen dieses Urteil erhob der Kläger Berufung ans Bundesgericht. Das Bundesgericht weist die Berufung ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Der Kläger geht vom Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 13. Juli 1973 aus, durch den das in § 17 des kantonalen Gesundheitsgesetzes verankerte Verbot der Selbstdispensation in den Städten Zürich und Winterthur als Verstoss gegen die Handels- und Gewerbefreiheit und somit als verfassungswidrig und nichtig bezeichnet worden war. Er anerkennt grundsätzlich, dass ein Privater auf ein ihm verfassungsmässig garantiertes Recht verzichten BGE 104 II 6 S. 8 könne, hält aber dafür, dass der Verzicht einem Vereinsmitglied nicht durch Vereinsbeschluss aufgezwungen werden dürfe. Ein solcher Beschluss verletze das Persönlichkeitsrecht des Mitglieds im Sinne von Art. 27 ZGB . 2. a) Nach Art. 27 ZGB kann niemand auf seine Rechts-und Handlungsfähigkeit ganz oder teilweise verzichten (Abs. 1), sich seiner Freiheit entäussern oder sich in ihrem Gebrauch in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken (Abs. 2). Wie die Vorinstanz zutreffend ausführt, sind auch Vereinsbeschlüsse und statutarische Bindungen nach diesen Grundsätzen zu beurteilen (EGGER, N. 5 zu Art. 27 ZGB ; KÜNZLER, Der Schutz der Persönlichkeit nach Art. 27 ZGB , Diss. Zürich 1951, S. 115/116; Vgl. auch BGE 44 II 81 /82). Dagegen können interne Bindungen der Vereinsmitglieder zum vornherein nicht gegen den vom Kläger ebenfalls angerufenen Art. 28 ZGB verstossen. Die Schutzbestimmungen des Art. 27 ZGB sind insbesondere auch auf wirtschaftliche Betätigungen anwendbar. Wo es jedoch um die Einschränkung der Vertragsfreiheit geht, nimmt das Bundesgericht einen Verstoss gegen Art. 27 ZGB nur mit Zurückhaltung an. Eine Beschränkung der individuellen Wettbewerbsfähigkeit verstösst nur dann gegen die genannte Bestimmung, wenn sie übermässig ist. Ob das der Fall sei, beurteilt sich nach den konkreten Umständen. Grundsätzlich ist eine vertragliche oder statutarische Einschränkung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit nur dann eine übermässige, wenn sie den Verpflichteten der Willkür eines andern ausliefert, seine wirtschaftliche Freiheit aufhebt oder in einem Masse einschränkt, dass die Grundlagen seiner wirtschaftlichen Existenz gefährdet sind (EGGER, N. 35 zu Art. 27 ZGB ). In diesem Sinne hat das Bundesgericht wiederholt geurteilt. In BGE 95 II 57 /58 führte es aus, die Aufgabe oder Beschränkung der Entschlussfreiheit verstosse jedenfalls dann nicht gegen Art. 27 Abs. 2 ZGB , wenn sie die wirtschaftliche Existenz des Verpflichteten nicht gefährde; Art. 27 Abs. 2 ZGB wolle nur die persönliche Freiheit vor zu weitgehenden, den guten Sitten widersprechenden vertraglichen Eingriffen schützen, nicht aber sagen, in welchem Ausmass vertragliche Bindungen anderer Art zulässig seien. In BGE 84 II 23 wurde bemerkt, wer einen Teil seiner wirtschaftlichen Freiheit vertraglich aufgebe, verstosse nur dann gegen die guten Sitten, wenn BGE 104 II 6 S. 9 er dadurch seine wirtschaftliche Existenz gefährde. Und in BGE 51 II 168 steht zu lesen, im heutigen Geschäftsleben kämen weitgehende persönliche und wirtschaftliche Bindungen der Bewegungsfreiheit, insbesondere auch in Verkoppelung der gegenseitigen Interessen der Kontrahenten, vor, die nicht als anstössig erschienen; es komme darauf an, ob die Bindung das zulässige Mass überschreite und ob der Verpflichtete im Freiheitsgebrauch in einem das sittliche Gefühl verletzenden Grad im Sinne von Art. 27 Abs. 2 ZGB beschränkt sei; die Beschränkung der wirtschaftlichen Persönlichkeit werde nur dann zu einer unsittlichen, wenn sie die Grundlage der wirtschaftlichen Existenz des Verpflichteten gefährde (vgl. auch BGE 102 II 218 E. 6, BGE 88 II 174 , BGE 53 II 320 ). b) Was für vertragliche Bindungen zwischen Privaten gilt, muss analog auch für statutarische Geltung haben, die durch freiwilligen Beitritt zu einem Verein übernommen werden können. Im Hinblick auf die behauptete Verletzung von Art. 27 Abs. 2 ZGB ist somit im vorliegenden Fall lediglich zu prüfen, ob durch das zwischen der Beklagten und dem Apothekerverein des Kantons Zürich vertraglich vereinbarte Verbot der Selbstdispensation der Kläger in seiner Wettbewerbsfähigkeit bzw. individuellen beruflichen Tätigkeit übermässig, d.h. in solchem Ausmass beeinträchtig wird, dass er in seiner wirtschaftlichen Existenz gefährdet erscheint. Soweit die Ausführungen der Berufungsschrift über dieses Thema hinausgehen, sind sie unerheblich. Insbesondere ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung, aus welchen Gründen sich die Beklagte zum Abschluss der fraglichen Vereinbarung entschlossen hat. 3. a) Das Verbot der Selbstdispensation hindert den Kläger an seiner eigentlichen Berufsausübung nicht, sondern untersagt ihm lediglich eine Tätigkeit, die seiner Praxis neben-oder untergeordnet ist. Ob die Medikamentenabgabe eine spezifisch ärztliche Tätigkeit sei oder nicht, mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls bildet sie weder die Haupttätigkeit noch die Haupteinnahmequelle des Arztes. Zahlreiche Ärzte geben denn auch keine Medikamente direkt an Patienten ab, was beweist, dass die ärztliche Berufsausübung ohne Selbstdispensation möglich ist und häufig vorkommt. Es kann deshalb keine Rede davon sein, dass das Verbot der Selbstdispensation den Kläger in seiner wirtschaftlichen Existenz gefährden BGE 104 II 6 S. 10 würde. Das Verbot stellt schon aus diesem Grunde keine Verletzung von Art. 27 Abs. 2 ZGB dar. b) Dem Kläger steht im übrigen, wenn er auf die Selbstdispensation grossen Wert legt, frei, das Verbot für ihn dadurch unwirksam werden zu lassen, dass er seine Praxis aus der Stadt Zürich in eine Vororts- oder Landgemeinde verlegt oder aus der Beklagten austritt. Weder die eine noch die andere Massnahme würden ihn in seiner wirtschaftlichen Existenz gefährden. Er legt zwar grosses Gewicht auf die Feststellung, dass ein Austritt aus der Beklagten für ihn erhebliche Nachteile nach sich ziehe. So macht er insbesondere geltend, der Verlust der Mitgliedschaft führe automatisch zum Rücktritt vom Vertrag der Beklagten mit den Krankenkassen, und wenn er als Aussenstehender ein Gesuch um Beitritt zu diesem Vertrag stelle, könne er nicht ohne weiteres mit dessen Gutheissung rechnen; überdies verliere er den FMH-Titel, und es bestehe keine Gewähr dafür, dass die Gesundheitsdirektion seinem Gesuch um Führung eines Spezialarzttitels entsprechen werde; er werde auch Schwierigkeiten beim Inkasso der Honorare erhalten und durch den Austritt in eine gewisse Isolation geraten. Dem Kläger mag zugestanden werden, dass ihm der Austritt aus der Beklagten gewisse Nachteile bringt. Die Vorinstanz, auf deren Ausführungen diesbezüglich verwiesen werden kann, hat indessen zutreffend dargetan, dass diese bei weitem nicht so schwer wiegen, wie der Kläger behauptet. Die schwerste Beeinträchtigung dürfte wohl der Verlust des FMH-Titels darstellen. Diesbezüglich hielt jedoch die Vorinstanz (offenbar auf Grund ihrer Ortskenntnisse) fest, dass die Bedeutung dieser drei Buchstaben bei einem ansehnlichen Teil des Publikums "kaum derart bekannt sein dürfte". Wichtiger ist in diesem Zusammenhang, dass nach den auf das kantonale Recht abgestützten Erwägungen des angefochtenen Urteils für den Kläger "eine Bewilligung der Gesundheitsdirektion zur Führung des Zusatzes "Spezialarzt" ohne weiteres erhältlich sein dürfte, da die fraglichen Voraussetzungen schon vorher offensichtlich vorhanden waren". Das Kassationsgericht des Kantons Zürich bemerkte dazu, das Obergericht sei im Rahmen seines Ermessens geblieben, wenn es den Schluss gezogen habe, dass für den Kläger die Bewilligung der Gesundheitsdirektion zur Führung des Spezialarzt-Titels BGE 104 II 6 S. 11 "ohne weiteres erhältlich" sei. Der Vertreter des Klägers hat denn auch in seinem der ersten Instanz als Beweismittel eingereichten Exposé zur Selbstdispensation selber ausgeführt, es müsse gesagt werden, "dass die Gesundheitsdirektion den betroffenen Ärzten gestatten würde, den Titel "Spezialarzt für..." zu führen". Der Kläger kann also nach einem Austritt aus der Beklagten die Bewilligung erlangen, sich " Spezialarzt für innere Medizin" zu nennen; er muss nur auf den Zusatz "FMH" verzichten. Die von ihm behaupteten Nachteile des Austritts wiegen demnach nicht so schwer, dass der angefochtene Beschluss deswegen gegen Art. 27 Abs. 2 ZGB verstossen würde. Der Kläger steht heute vor der Wahl, entweder Mitglied der Beklagten zu bleiben und die Selbstdispensation aufzugeben oder die Selbstdispensation weiterzuführen und entweder aus der Beklagten auszutreten oder die Praxis zu verlegen. In dieser Wahl ist er frei (vgl. BGE 44 II 82 ). Bezüglich der Gestaltung seiner weiteren beruflichen Tätigkeit ist er also nicht der Willkür eines andern ausgeliefert. Wie immer sein Entscheid ausfallen mag, seine berufliche Tätigkeit wird dadurch nicht in solcher Weise übermässig beeinträchtigt, dass er in seiner beruflichen Existenz gefährdet wäre. Das zwischen der Beklagten und dem Apothekerverein des Kantons Zürich vereinbarte Verbot der Selbstdispensation in den Städten Zürich und Winterthur stellt deshalb für den Kläger keine Verletzung des Persönlichkeitsrechts im Sinne von Art. 27 ZGB dar. Die Berufung ist in diesem Punkte unbegründet.
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Urteilskopf 138 III 728 110. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause A.X. contre Banque A. SA, Banque B. SA et C. (recours en matière civile) 4A_288/2012 du 9 octobre 2012
Regeste a Vorsorgliche Massnahmen ( Art. 261 ff. ZPO und Art. 98 BGG ); Rechenschaftsablegung ( Art. 400 Abs. 1 OR ). Ein Nichteintretensentscheid, der mit der Begründung, die beantragte Massnahme würde voraussetzen, dass über den streitigen Anspruch definitiv entschieden wird, ein Verfahren betreffend vorsorgliche Massnahmen abschliesst, kann nur aus den in Art. 98 BGG genannten Gründen angefochten werden (E. 2.2-2.5). Die Einschätzung, ein Begehren um Rechnungslegung könne nicht Anlass zu vorsorglichen Massnahmen geben, da es eine definitive Entscheidung über den aus Art. 400 Abs. 1 OR fliessenden Anspruch verlangt, ist nicht willkürlich (E. 2.7). Regeste b Rechtsschutz im summarischen Verfahren in klaren Fällen ( Art. 257 ZPO ). Die Voraussetzung der klaren Rechtslage ist im zu beurteilenden Fall nicht gegeben (E. 3).
Erwägungen ab Seite 729 BGE 138 III 728 S. 729 Extrait des considérants: 2. 2.1 Le recourant invoque une violation des art. 261 et 262 CPC (RS 272). En substance, il reproche à la Cour de justice d'avoir considéré que la requête fondée sur l' art. 400 al. 1 CO , tendant à la remise de documents, d'informations et de rapports d'activité, ne peut pas être l'objet de la protection provisoire prévue aux dispositions précitées. 2.2 Se pose la question du pouvoir d'examen du Tribunal fédéral, eu égard à l' art. 98 LTF (cf. consid. 1.2 non publié). Il est évident que les mesures provisionnelles ordonnées en vertu des art. 261 ss CPC répondent à la notion de mesures provisionnelles au sens de l' art. 98 LTF . Elles ont un caractère temporaire et ne sont que l'accessoire d'une action au fond, qui réglera définitivement la situation juridique. Si le procès au fond n'est pas déjà pendant, ces mesures doivent être validées par l'ouverture d'une action, laquelle débouchera sur un jugement entraînant la caducité de ces mesures (cf. art. 263 et 268 al. 2 CPC ). En conséquence, lorsque le juge est saisi d'une requête visant à mettre un justiciable au bénéfice de la protection temporaire des art. 261 ss CPC , la décision à intervenir devra le plus souvent être qualifiée de décision sur mesures provisionnelles au sens de l' art. 98 LTF . Toutefois, il convient encore de s'assurer que la décision prise par le juge des mesures provisionnelles n'entraîne pas un effet définitif sur la prétention en cause. 2.3 Dans son message, le Conseil fédéral a invoqué trois motifs conduisant à limiter le pouvoir d'examen en matière de mesures provisionnelles: tout d'abord, le caractère temporaire de ces mesures implique que le Tribunal fédéral risque de devoir réexaminer les mêmes questions juridiques en cas de recours contre la décision principale définitive. Ensuite, ces mesures peuvent être ordonnées sur la base de simples vraisemblances et d'une analyse sommaire du droit; il serait incohérent d'octroyer un plein pouvoir de cognition au Tribunal BGE 138 III 728 S. 730 fédéral. Enfin, il s'agit de ne pas ouvrir les voies de recours plus largement que sous l'ancienne loi fédérale d'organisation judiciaire (OJ; RS 3 521), afin d'éviter une surcharge du Tribunal fédéral, notamment en matière civile (cf. Message du 28 février 2001 concernant la révision totale de l'organisation judiciaire fédérale, FF 2001 4134 ch. 4.1.4.2; BERNARD CORBOZ, in Commentaire de la LTF, 2009, n° 2 ad art. 98 LTF ). Sous l'empire de l'OJ, les décisions sur mesures provisionnelles pouvaient tout au plus être l'objet d'un recours en nullité ou d'un recours de droit public pour violation des droits constitutionnels, à l'exclusion d'un recours en réforme (cf. par ex. ATF 127 III 390 consid. 1a; JEAN-FRANÇOIS POUDRET, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, vol. II, 1990, p. 279). Ce recours ordinaire n'était ouvert que contre des décisions finales ( art. 48 al. 1 OJ ). Cette notion, plus restrictive que celle consacrée à l' art. 90 LTF , englobait toute décision qui, d'une part, mettait un terme à la procédure entre les parties et, d'autre part, statuait sur le fond de la prétention ou s'y refusait pour un motif empêchant définitivement le justiciable d'actionner la même partie en invoquant la même prétention (cf. par ex. ATF 132 III 785 consid. 2 p. 789). Le caractère final ou non d'une décision se déterminait exclusivement en fonction de l'effet qu'elle revêtait sur le droit déduit en justice, indépendamment de la procédure suivie et de la qualification donnée à la décision. Ainsi, une décision rendue en procédure sommaire pouvait être qualifiée de finale, pour autant qu'elle réglât définitivement le sort de l'action; tel était en principe le cas si la décision avait été rendue à l'issue d'une procédure probatoire complète et se fondait sur une motivation exhaustive en droit ( ATF 126 III 445 consid. 3b p. 447; ATF 120 II 352 consid. 1b p. 354; POUDRET, op. cit., p. 267 n. 1.1.2 et p. 277 n. 1.1.5 ad art. 48 OJ ). Sous réserve d'exceptions (cf. ATF 126 III 445 consid. 3b), les décisions rendues en matière de mesures provisionnelles ne remplissaient pas ces exigences et n'étaient donc pas considérées comme des décisions finales au sens de l' art. 48 al. 1 OJ (arrêt 4P.311/2004 du 2 mars 2005 consid. 1.2, résumé in SJ 2005 I p. 492; cf. ATF 112 II 193 consid. 1b p. 196). Sous l'OJ, le Tribunal fédéral avait été saisi d'un recours en réforme contre une décision rejetant une demande en consultation des comptes de la société anonyme au motif que la créancière requérante ne justifiait pas d'un intérêt digne de protection ( art. 697h al. 2 CO ). Conformément au droit cantonal, la décision avait été rendue en BGE 138 III 728 S. 731 procédure sommaire, sur la base de la vraisemblance des faits et aprèsune administration limitée des moyens de preuve. Le Tribunal fédéral avait en substance relevé que la prétention invoquée ne pouvait pas donner lieu à une seconde procédure, puisqu'une fois la consultation exercée, la prétention de la requérante était épuisée. En conséquence, la décision rendue en procédure sommaire était revêtue de l'autorité de chose jugée en vertu du droit fédéral, et pouvait fairel'objet d'un recours en réforme. Le justiciable ne devait pas être privé de cette voie de recours du fait de l'application erronée d'une procédure sommaire limitant le degré de la preuve et l'administration des moyens de preuve ( ATF 120 II 352 ). 2.4 Il découle de ce qui précède que si la décision prise par le juge dans une procédure sommaire ou provisoire a un effet définitif sur le sort de l'action et exclut une procédure ordinaire ultérieure, il ne se justifie pas de restreindre les motifs de recours contre une telle décision. Ce qui valait sous l'OJ vaut aussi sous la LTF. En d'autres termes, lorsqu'il s'agit de définir le pouvoir d'examen dont dispose le Tribunal fédéral pour contrôler une décision rendue par le juge des mesures provisionnelles, il faut déterminer si cette décision revêt ou non un effet définitif, c'est-à-dire final au sens où l'entendait l'ancien art. 48 OJ , plus restrictif que l' art. 90 LTF . La jurisprudence ne dit pas autre chose lorsqu'elle précise que la qualification d'une décision comme jugement de fond ou comme mesure provisionnelle au sens de l' art. 98 LTF ne dépend pas de la procédure dont émane cette décision, mais bien de l'effet - provisoire ou définitif - que celle-ci revêt pour la prétention en cause: il s'agit de rechercher si la décision tranche définitivement une question de droit, sur la base d'un examen complet des faits et du droit, avec autorité de chose jugée ( ATF 133 III 589 consid. 1 p. 590). 2.5 En l'occurrence, le juge des mesures provisionnelles au sens des art. 261 ss CPC a renoncé à entrer en matière sur une demande en reddition de compte fondée sur l' art. 400 al. 1 CO , en faisant valoir que s'il statuait sur cette question, sa décision entraînerait un effet définitif pour la prétention en cause. En se refusant précisément à rendre une telle décision, il a laissé la porte ouverte à une procédure permettant un examen complet de la cause en fait et en droit. Sa décision ne revêt donc pas un effet définitif pour la prétention en cause. Il s'ensuit que l' art. 98 LTF est applicable, et que les motifs de recours sont restreints. BGE 138 III 728 S. 732 2.6 Le recourant invoque une violation des art. 261 ss CPC et explique pour quels motifs il estime erronée l'analyse juridique de la Cour de justice. Toutefois, il ne se plaint pas d'arbitraire dans l'application de ces dispositions. Il plaide certes que la décision attaquée est arbitraire, mais en faisant valoir qu'elle méconnaîtrait des éléments ressortant des pièces produites et qualifierait à tort la succession de conflictuelle. La recevabilité du grief prête ainsi à discussion. Le recourant invoque aussi l' art. 29 Cst. et une violation du droit d'être entendu, mais ses explications ne permettent pas d'inférer qu'il reprocherait à l'autorité intimée un refus de statuer, ce qui aurait pu poser la question d'une éventuelle possibilité de contrôler librement l'application du CPC (cf. arrêt 5A_453/2011 du 9 décembre 2011 consid. 1.2, in Plädoyer 2012 3 p. 68). Cela étant, il importe peu que le recourant n'ait pas invoqué l'arbitraire en relation avec les art. 261 ss CPC . En effet, le raisonnement juridique de la Cour de justice en est clairement exempt, pour les motifs exposés ci-dessous. 2.7 Sur le principe, le juge ne peut pas ordonner dans le cadre provisionnel une mesure qui, de par sa nature, implique un jugement définitif de la prétention à protéger (cf. ISAAK MEIER, Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutzes, 1983, p. 37, qui cite l'exemple d'une action constatatoire). Cette situation doit être distinguée de la mesure d'exécution anticipée provisoire telle que l'interdiction de faire concurrence qui peut, en pratique, revêtir un effet définitif (cf. FABIENNE HOHL, Procédure civile, tome II, 2 e éd. 2010, p. 334 n. 1830 et ATF 131 III 473 ). Le droit à la consultation des comptes de la SA ( art. 697h CO ) est une prétention de droit privé pouvant donner lieu à une action en justice. Toutefois, il n'est typiquement pas possible de procéder selon la voie provisionnelle. Une condamnation à présenter les comptes a pour effet de régler définitivement le sort du droit à la consultation et n'appelle pas de validation: une fois les comptes consultés, il n'y a plus de place pour une procédure ordinaire sur le même objet ( ATF 120 II 352 consid. 1a et 2b). Le droit à l'information et à la reddition de compte fondé sur le contrat de mandat est un droit accessoire indépendant, qui peut entant que tel faire l'objet d'une action en exécution (WALTER FELLMANN, Commentaire bernois, 1992, n° 88 ad art. 400 CO ). Plusieurs auteurs sont d'avis que la voie des mesures provisionnelles ne peut BGE 138 III 728 S. 733 pas être utilisée pour concrétiser un tel droit. Ces auteurs relèvent que si le jugeordonne au mandataire de fournir l'information ou les documents requis, il règle définitivement le sort de la prétention; celle-ci s'"épuise" avec la communication de l'information, qui offre entière satisfaction au mandant (HOHL, op. cit., p. 334 s. n. 1831 et 1836 s.; YVES WALDMANN, Informationsbeschaffung durch Zivilprozess, 2009, p. 266 et 272 s., approuvé par REMO MÜLLER, Konto und Erbgang - Informationsfluss zwischen Bank/Post und den Erben [...], in Jusletter 29 mars 2010 p. 26 note 115; ces deux derniers auteurs réservent toutefois des exceptions; apparemment contra JULIEN BROQUET, L'action en reddition de comptes et en restitution de l' art. 400 al. 1 CO , in Quelques actions en exécution, 2011, p. 73 s., pour qui la voie provisionnelle peut également être envisagée, même s'il admet qu'elle est ainsi détournée de son but originel). Au vu de ce qui précède, il n'était pas insoutenable d'appliquer à la reddition de compte de l' art. 400 al. 1 CO le même raisonnement que celui tenu par la jurisprudence pour le droit à la consultation des comptes de la SA. Le recourant objecte que l'ancien droit genevois connaissait la reddition de compte par voie provisionnelle et que cette solution devrait s'appliquer par analogie. Il est vrai que l'art. 324 al. 2 let. b de l'ancienne loi de procédure civile genevoise (aLPC/GE) autorisait le juge des mesures provisionnelles à ordonner la reddition de comptes lorsque le droit du requérant était évident ou reconnu. Toutefois, la doctrine n'avait pas manqué de souligner le caractère atypique de cette "mesure provisionnelle" et de remettre en question sa qualification (cf. notamment LAURA JACQUEMOUD-ROSSARI, Reddition de comptes et droit aux renseignements, SJ 2006 II p. 23 s. et 40). Conformément à la lettre même de la loi, doctrine et jurisprudence genevoises n'admettaient cette voie procédurale que si le requérant justifiait d'un droit certain, et pas seulement vraisemblable. Une validation par une procédure ultérieure n'était pas nécessaire. La jurisprudence fédérale avait relevé l'effet définitif de la décision ordonnant une telle mesure et admis la possibilité de recourir en réforme ( ATF 126 III 445 ; cf. aussi arrêt 5C.235/2004 du 24 mars 2005 consid. 1.2, qui se réfère à l' ATF 120 II 352 ). Le recourant ne saurait donc se méprendre sur la nature "provisionnelle" des décisions qui étaient rendues en application de l'art. 324 al. 2 let. b aLPC/GE. 2.8 Dans une argumentation très sommaire, le recourant paraît en outre se plaindre d'une violation de son droit à obtenir une décision BGE 138 III 728 S. 734 motivée. Pour autant que recevable, le grief devrait de toute façon être rejeté, dès lors que les raisons du refus d'appliquer la procédure provisionnelle ressortent clairement de la décision attaquée. Au demeurant, le recourant paraît surtout reprocher à la Cour de justice d'avoir opté pour une opinion doctrinale qui lui est défavorable; or, encore une fois, l'analyse juridique portée par l'autorité intimée n'a rien d'arbitraire. 3. 3.1 Le recourant se plaint ensuite d'arbitraire dans l'application de l' art. 257 CPC . La cour cantonale aurait exclu à tort la voie de la procédure sommaire pour les cas clairs. 3.2 La procédure pour les cas clairs prévue à l' art. 257 CPC permet au juge de statuer sur la prétention avec autorité de chose jugée, si les conditions d'application de cette procédure sommaire sont réalisées. La prétention est jugée sur le fond; elle n'est pas seulement déclarée exécutoire à titre provisoire - comme tel pouvait être le cas dans certaines procédures cantonales. L'admission de la requête exclut toute procédure ordinaire ultérieure (Message du 28 juin 2006 relatif au code de procédure civile suisse, FF 2006 6959 ch. 5.18). La procédure pour les cas clairs n'est donc pas une procédure provisionnelle au sens de l' art. 98 LTF , de sorte que les motifs de recours ne sont pas restreints. Le Tribunal fédéral revoit librement l'application de l' art. 257 CPC . 3.3 Selon l' art. 257 CPC , le tribunal admet l'application de la procédure sommaire à condition que, d'une part, l'état de fait ne soit pas litigieux, ou qu'il soit susceptible d'être immédiatement prouvé (let. a), et que, d'autre part, la situation juridique soit claire (let. b). Cette seconde condition est réalisée si l'application de la norme au cas concret s'impose de façon évidente au regard du texte légal ou sur la base d'une doctrine et d'une jurisprudence éprouvées ( ATF 138 III 123 consid. 2.1.2). Cette procédure accélérée est une option pour le justiciable (Message précité, FF 2006 6959), qui doit donc la solliciter, ce qui n'implique pas nécessairement d'utiliser les termes "cas clairs". En cas de doute, l'autorité doit interpeller le requérant (FRANÇOIS BOHNET, in CPC, Code de procédure civile commenté, 2011, n° 19 ad art. 257 CPC ). 3.4 La recevabilité du grief est douteuse. En effet, la Cour de justice a relevé que d'une part, le recourant n'avait pas requis d'entrée de cause l'application de cette procédure et que d'autre part, l'état de fait BGE 138 III 728 S. 735 de la succession était particulièrement conflictuel et la situation juridique particulièrement délicate. Le recourant ne critique pas le premier motif invoqué par la cour et se contente d'expliquer pour quelles raisons le cas clair était à son sens réalisé. Or, la jurisprudence exige, sous peine d'irrecevabilité, d'argumenter sur tous les motifs de l'arrêt attaqué dans la mesure où chacun d'eux suffit à sceller le sort de la cause (cf. ATF 133 IV 119 consid. 6.3). Quoi qu'il en soit, supposé recevable, le grief devrait de toute façon être rejeté pour les motifs exposés ci-dessous. 3.5 Le droit de l'héritier à obtenir des informations peut avoir un fondement contractuel ou successoral. Lorsque l'héritier exerce par une action séparée une prétention de nature contractuelle fondée sur les contrats conclus par le de cujus, il doit établir d'une part la relation contractuelle du défunt avec les tiers intimés, d'autre part l'acquisition de cette prétention par voie successorale. Même si la prétention a un fondement contractuel, il n'en demeure pas moins que la légitimation pour faire valoir ce droit relève, elle, du droit successoral (cf. ATF 132 III 677 consid. 3.4.2-3.4.4; ATF 135 III 185 consid. 3.4.2; ANDREAS SCHRÖDER, Erbrechtliche Informationsansprüche oder: die Geister, die ich rief...", successio 2011 p. 193 s.; BREITSCHMID/MATT, Informationsansprüche der Erben und ihre Durchsetzung, successio 2010 p. 92 et 93; MÜLLER, op. cit., p. 18 note 72). Lorsque l'héritier se prévaut d'un droit à l'information sur des avoirs dont le défunt était seulement l'ayant droit économique, il fait valoir un droit successoral, et non pas contractuel ( ATF 136 III 461 consid. 4 et 5.2; arrêt 5A_638/2009 du 13 septembre 2010 consid. 4.1, rés. in recht 29/2011 p. 134 et PJA 2012 p. 868). 3.6 Dans le cas concret, le recourant entend être renseigné non seulement sur des avoirs dont le défunt était directement titulaire, mais aussi sur des comptes dont le défunt était ayant droit économique. Ses conclusions relèvent donc partiellement du statut successoral, dont on ne saurait soutenir qu'il est clair. Une procédure en ouverture de la succession en Suisse était toujours pendante lorsque l'autorité précédente a rendu sa décision. Même si le jugement tunisien du 2 décembre 2003 a été reconnu en Suisse, se pose la question de la portée de cette reconnaissance par rapport à la procédure pendante. De surcroît, même en présupposant l'applicabilité du droit tunisien, l'on ignore de quelle façon ce droit règle la question de l'information sur des avoirs détenus par des entités dont le défunt était seulement l'ayant droit économique. BGE 138 III 728 S. 736 Le recourant se prévaut certes aussi d'un droit contractuel à l'information, régi par le droit suisse à défaut d'accord contraire ( art. 117 LDIP [RS 291]). Il doit toutefois justifier de l'acquisition de ce droit par voie successorale. Le recourant ne plaide à juste titre pas que la succession serait clairement régie par le droit suisse - lequel lui reconnaît effectivement la qualité d'héritier réservataire ( art. 457 et 471 CC ). Il soutient qu'il jouirait clairement de la même position en droit tunisien, comme l'attesteraient les décisions produites. Son statut ne serait du reste pas contesté par les intimés. Les prétendus aveux judiciaires des intimés sont inexistants. Les allégués sur la qualité d'héritier réservataire selon le droit tunisien n'ont pas été admis par les intimés, qui se sont référés aux jugements tunisiens en contestant les allégations pour le surplus. Quant à la communication partielle d'informations par deux des intimés, elle ne saurait s'interpréter comme une reconnaissance claire de la qualité d'héritier réservataire au regard du droit tunisien. Le jugement tunisien du 2 décembre 2003, confirmé par la Cour de cassation tunisienne le 19 octobre 2009, désigne un liquidateur chargé de répartir l'entier de la succession entre les héritiers, sans constater qui sont ces héritiers. Il a certes été fait droit à une requête émanant du recourant, mais ce simple élément ne permet pas de conclure que la qualité d'héritier, respectivement d'héritier réservataire, a été clairement reconnue au recourant par les tribunaux tunisiens, et encore moins que les droits contractuels du défunt ont clairement été transmis au recourant. Il s'ensuit que l'autorité d'appel n'a pas enfreint le droit fédéral en considérant que la situation juridique n'était pas claire.
null
nan
fr
2,012
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
08dcfa9b-7b61-4284-9a31-58e50ca9550d
Urteilskopf 99 V 189 58. Urteil vom 21. September 1973 i.S. Eulenberger gegen Ausgleichskasse des Kantons Bern
Regeste Art. 137 lit. b OG . Zum Begriff des entscheidenden neuen Beweismittels.
Sachverhalt ab Seite 189 BGE 99 V 189 S. 189 A.- Eulenberger hatte sich bei einem Unfall von 1964 eine Rückenmarksschädigung mit Paraplegie zugezogen. Die Invalidenversicherung kam jahrelang für medizinische Massnahmen und Hilfsmittel auf. Doch verweigerte sie mit Kassenverfügung vom 5. Mai 1971 die Übernahme der Kosten der Physiotherapie (einschliesslich Gehschulung), die wegen Rekurvation in den Kniegelenken von Ende November 1970 bis Mitte Januar 1971 im Berner Inselspital durchgeführt worden war. Der Patient focht jene Verfügung an, wurde aber von beiden Instanzen abgewiesen. Die II. Kammer des Eidg. Versicherungsgerichts führte in ihrem Urteil vom 10. April 1972 hauptsächlich folgendes aus: "In den Akten fehlt ein ausführlicher und eindeutiger medizinischer Bericht zu dem im Zentrum stehenden invalidenversicherungsrechtlichen Problem. Wenn auch unbestritten sein mag, dass die Rekurvationstendenz in den Kniegelenken als eindeutig labile sekundäre Erscheinung zu werten ist, dürfte sie doch im Verhältnis zu den schmerzauslösenden Gegebenheiten von sekundärer Bedeutung gewesen sein. Es wäre zu prüfen gewesen, ob sie Teil des primären Lähmungsbildes ist, also eine unmittelbar zum Krankheitsbild gehörende Begleiterscheinung. Könnte oder müsste das bejaht werden, wäre eine Leistungspflicht der Invalidenversicherung gegeben... Es ist somit lediglich zu prüfen, ob die Rekurvationstendenz in den Kniegelenken in den Bereich des labilen pathologischen Geschehens gehört. Bei diesem Leiden handelt es sich um die Überstreckung des Knies (über 180 Grad) als sofort, meist aber später auftretende Lähmungserscheinung. Wie aus den Akten zu entnehmen ist, scheint anfänglich keine Rekurvation vorgelegen, sondern eine solche sich erst im Laufe der Zeit entwickelt zuhaben. Die Überdehnung von Bändern ist ein labiler pathologischer Zustand, weshalb eine Leistungspflicht der Invalidenversicherung gestützt auf Art. 12 IVG entfällt." B.- Mit Revisionsgesuch vom 29. März 1973 beantragt Eulenberger dem Eidg. Versicherungsgericht, gestützt auf Art. 137 lit. b OG das Urteil vom 10. April 1972 aufzuheben und die BGE 99 V 189 S. 190 Invalidenversicherung zum Ersatz der Fr. 1831.10 zu verhalten, die er - laut Quittungen - für Physiotherapie (einschliesslich Gehschulung) dem Inselspital bezahlt hat. Er beruft sich aufein vom 2. Februar 1973 datiertes Zeugnis des Chefarztes Dr. W., das folgenden Wortlaut hat: "Eulenberger hat 1964 einen Taucherunfall erlitten, welcher zu einer Rückenmarksschädigung mit Paraplegie führte. Ich habe ihn schon während seines ersten Rehabilitationsaufenthalts im Loryspital kennengelernt und seine ersten Gehversuche mitbeobachten können... Der Patient wies initial eine paraspastische Lähmung der Beine auf, welche kompliziert war durch Sensibilitätsausfälle, welche die gefühlsmässige Rückkontrolle der Bewegungen der Beine stark erschwerten. Das Gehen erfolgte in der ersten Zeit ... unter Durchschlagen und Überstrecken der Kniegelenke. Es bestand somit von Anfang an eine ausgesprochene Tendenz zur Ausbildung eines Genu recurvatum. Diese ... für das Kniegelenk sehr schädliche Fehlhaltungstendenz war, solange ich den Patienten damals in der ersten Phase beobachten konnte, therapeutisch nicht korrigierbar. Dies lag an der ungünstigen Kombination einer schweren Spastik mit Störungen des Gefühls, insbesondere auch der Tiefensensibilität im Bereich der Kniegelenke. In meinem Bericht vom 24.8.1966 an Prof. W. ... stellte ich folgendes fest: 'Das paraspastische Syndrom, welches heute noch besteht, scheint relativ konstant. Dagegen bildet sich offensichtlich die Sensibilität immer noch etwas zurück.' Tatsächlich hat diese Besserungstendenz im Laufe der Jahre offensichtlich dazu geführt, dass die sensible Rückkontrolle wiederum einen derartigen Stand erreichte, dass eine krankengymnastische Korrektur des Gehaktes, speziell der Genu-recurvatum-Tendenz, möglich wurde und im Loryspital 1970/71 mit Erfolg durchgeführt werden konnte. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass im vorliegenden Fall die Genu-recurvatum-Tendenz bei der paraspastischen Gehstörung von Anfang an vorhanden war und ein initial therapeutisch unlösbares Problem stellte, welches erst später nach teilweiser Regeneration der Sensibilität korrigiert werden konnte." Während Invalidenversicherungs-Kommission und Ausgleichskasse eine Revision befürworten, pflichtet das Bundesamt für Sozialversicherung dem angefochtenen Urteil bei. Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. Auf Grund der Art. 137 lit. b und 141 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit Art. 135 OG ist ein Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts revidierbar, wenn eine Partei nachträglich neue erhebliche Tatsachen erfährt oder entscheidende Beweismittel auffindet (trouve des preuves concluantes; trova prove decisive), BGE 99 V 189 S. 191 die sie im frühern Beschwerdeverfahren nicht beibringen konnte, und binnen neunzig Tagen seit der Entdeckung des Revisionsgrundes die Revision verlangt. Der Versicherte hat das Zeugnis des Chefarztes Dr. W. vom 2. Februar 1973 mitsamt dem Revisionsgesuch vom 29. März 1973 am 30. März zur Post gegeben. Dass er eine solche Bescheinigung schon in einem früheren Zeitpunkt hätte beibringen können, wird weder von der Ausgleichskasse noch vom Bundesamt für Sozialversicherung geltend gemacht. Daher ist im erwähnten ärztlichen Zeugnis ein innert der gesetzlichen Revisionsfrist eingereichtes neues Beweismittel zu erblicken und auf das vorliegende Revisionsgesuch einzutreten. 2. Im Sinne des Art. 137 lit. b OG entscheidend ist eine neue ärztliche Bescheinigung, wenn sie den rechtserheblichen medizinischen Sachverhalt in einem derart neuen Lichte zeigt, dass anders zu entscheiden gewesen wäre, wenn das nunmehr angerufene Beweismittel schon im Beschwerdeverfahren vorgelegen hätte (EVGE 1959 S. 5 ff. und 1968 S. 37 Erw. 2 und 3; BGE 95 II 285 Erw. 2 lit. a; unveröffentlichtes Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts vom 4. Juli 1972 i.S. Schaffner, Erw. 1). Laut dem gründlichen Bericht des Dr. W. hat beim Gesuchsteller von Anfang an eine typische Tendenz zur Bildung eines Genu recurvatum bestanden, die hauptsächlich wegen einer Störung der Tiefensensibilität im Bereich der Kniegelenke ursprünglich nicht korrigierbar gewesen ist. Doch hat sich jene Sensibilität in der Folge allmählich dermassen regeneriert, dass in den Jahren 1970 und 1971 "eine krankengymnastische Korrektur des Gehaktes, speziell der Genu-recurvatum-Tendenz, mit Erfolg durchgeführt werden konnte". Wäre dieser medizinische Sachverhalt schon im Jahre 1972 abgeklärt gewesen, so hätte das Eidg. Versicherungsgericht die am 16. Dezember 1971 bei ihm eingegangene Verwaltungsgerichtsbeschwerde des Versicherten schützen müssen. Jedenfalls wird die Annahme der II. Kammer, eine Rekurvation habe scheinbar anfänglich nicht bestanden, sondern "sich erst im Laufe der Zeit entwickelt", durch die spezialärztlichen Darlegungen vom 2. Februar 1973 in einleuchtender Weise widerlegt. Der in Art. 137 lit. b OG umschriebene Revisionsgrund liegt somit vor. Weil die Rekurvationstendenz in den Kniegelenken ab initio am primären Lähmungsbild beteiligt war, teilt sie das rechtliche Schicksal des Grundleidens und muss die Invalidenversicherung BGE 99 V 189 S. 192 auf Grund des Art. 12 IVG die Kosten der während der Jahre 1970 und 1971 durchgeführten Physiotherapie übernehmen ( BGE 98 V 98 Erw. 2)... Dispositiv Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: Das Revisionsgesuch wird gutgeheissen, der angefochtene Entscheid aufgehoben und die Invalidenversicherung verpflichtet, dem Gesuchsteller die Behandlungskosten im Betrage von Fr. 1831.10 zu ersetzen.
null
nan
de
1,973
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
08e682b6-21f2-4194-96bc-b5f7b55de76b
Urteilskopf 106 Ib 223 34. Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 14. Mai 1980 i.S. Kanton Zürich gegen Anton Bonomo's Erben Immobilien AG, Anton Bonomo's Erben AG und Eidg. Schätzungskommission, Kreis 10 (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste Teilenteignung einer gewerblich genutzten Liegenschaft. Das Bundesgericht kann auch jene Entschädigungsposten in seine Prüfung miteinbeziehen, die durch im Enteignungsverfahren abgeschlossenen Teilvergleich festgesetzt worden sind (E. 1). Mietern und Pächtern steht ein Entschädigungsanspruch nur insoweit zu, als durch die Expropriation ihre vertraglichen Rechte verletzt worden sind (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 2). Die Enteignungsentschädigung bemisst sich entweder nach dem Wert, den das enteignete Recht für einen Käufer aufweist, oder nach dem besonderen Interesse des Enteigneten daran, dieses Recht behalten zu können. Die beiden Berechnungsarten dürfen nicht miteinander vermischt werden. Anwendung dieser Grundsätze im konkreten Fall (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 224 BGE 106 Ib 223 S. 224 Für den Ausbau der Überlandstrasse in Zürich-Schwamendingen, der Bestandteil des Nationalstrassenprojektes N. 1.1.2 bildet, wurde vom Grundstück Kat. Nr. 4 503 (11 981 m2) und den dazugehörenden Strassen- und Bachanteilen (Parz. Nr. 1 143 und 1 138) eine Fläche von 2 034 m2 definitiv enteignet. Innerhalb der Frist zur Forderungsanmeldung verlangte die Eigentümerin, die Anton Bonomo's Erben Immobilien AG (Enteignete 1), eine Entschädigung von Fr. 450.--/m2 für das abgetretene Land sowie eine Vergütung des Minderwertes des Restgrundstückes und der Inkonvenienzen in Höhe von Fr. 2'256'800.--. Zudem stellte die Baufirma Anton Bonomo's Erben AG (Enteignete 2), die auf dem enteigneten Grundstück einen Werkhof betrieb, eine Entschädigungsforderung im Betrage von Fr. 3'089'000.--, weil sie durch die Teilenteignung zur Verlegung des Werkplatzes nach Dübendorf gezwungen werde. Nach der Einigungsverhandlung fanden zwischen dem Kanton Zürich und den Enteigneten Vergleichsverhandlungen statt, welche zum Abschluss verschiedener Teilvergleiche führten. Die Parteien einigten sich unter anderem darauf, dass der Enteigner für das abgetretene Land Fr. 420.--/m2 (insgesamt Fr. 854'280.--) zu bezahlen und der Enteigneten 2 die Abräum- und Transportkosten nach Aufwand zu entschädigen habe. Diese Kosten beliefen sich schliesslich auf Fr. 336'513.--. Die Eidg. Schätzungskommission, Kreis 10, entschied am 8. Dezember 1975 über die noch strittigen Forderungen und sprach den beiden Enteigneten gemeinsam eine Inkonvenienzentschädigung von insgesamt Fr. 802'500.--, nämlich Fr. 110'000.-- für die Abbruchkosten der Enteigneten 1 und Fr. 34'000.-- unter dem gleichen Titel für die Enteignete 2, Fr. 38'000.-- für wertlos gewordene Anlagen, Fr. 120'000.-- für Betriebserschwernisse und Fr. 500'000.-- für "Pachtzinsausfall/-differenz" zu. Zu diesem letzten Entschädigungsposten führte die Schätzungskommission aus, dass den Enteigneten infolge der Expropriation ein Schaden durch Pachtzinsausfall einerseits und Pachtzinserhöhung andererseits entstanden sei; BGE 106 Ib 223 S. 225 die entsprechenden Ersatzforderungen der beiden Enteigneten seien angesichts der wirtschaftlichen Einheit, die diese bildeten, gemeinsam zu behandeln und die Entschädigung gesamthaft festzusetzen. Dass für das Grundstück an der Überlandstrasse während einer Übergangszeit ein gewisser Zinsausfall zu erwarten sei, werde vom Enteigner nicht in Abrede gestellt, doch sei auch nicht ausgeschlossen, dass für den neuen Werkhof in Dübendorf Mehrzinse aufgewendet werden müssten. In den Werkhof Dübendorf seien insgesamt (Landerwerb eingeschlossen) rund Fr. 3'940'000.-- investiert worden. Für diese Anlagekosten sei bei einer Verzinsung von 7% ein Jahreszins von Fr. 268'800.-- aufzubringen. Demgegenüber habe für den Werkhof an der Überlandstrasse ein erheblich niedrigerer Pachtzins entrichtet werden müssen, wobei allerdings mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Bindungen der Enteigneten nicht auf den tatsächlich bezahlten Zins von jährlich ca. Fr. 30'000.-- abgestellt werden könne, sondern objektiverweise, im Hinblick auf die günstige Lage des Grundstückes, von einem Zins von Fr. 90'000.-- auszugehen sei, so dass sich schliesslich eine "Pachtzinsdifferenz" von Fr. 178'000.-- ergebe. Nun müsse allerdings berücksichtigt werden, dass das teilweise enteignete Grundstück zweifellos in kurzer Zeit wieder verwendet d.h. teilweise oder ganz veräussert oder wieder verpachtet werden könne. Die Liegenschaft werde mit Sicherheit einen Ertrag abwerfen, der ein Mehrfaches des bisherigen Pachtzinses ausmache. Unter Berücksichtigung aller Umstände rechtfertige es sich daher, den Enteigneten unter dem Titel Pachtzinsausfall und Pachtzinsdifferenz eine Entschädigung von Fr. 500'000.-- zuzusprechen. Beide Parteien haben den Entscheid der Schätzungskommission beim Bundesgericht mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten. Der Kanton Zürich verlangt, dass die Entschädigung für die "Pachtzinsdifferenz" gestrichen werde. Die Enteigneten stellen den Antrag, dass dieser Entschädigungsposten im Hinblick auf die Investitionskosten für den neuen Werkhof auf Fr. 1'677'742.-- erhöht werde. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Das Bundesgericht ist in bundesrechtlichen Enteignungsverfahren an die Anträge der Parteien gebunden, wenn BGE 106 Ib 223 S. 226 auch das Enteignungsgesetz in der heutigen Fassung (nach der Revision vom 18. März 1971) die reformatio in peius sive in melius nicht mehr ausdrücklich ausschliesst (vgl. BGE 102 Ib 89 ). Es kann daher dem Enteigneten nicht mehr zusprechen, als er verlangt, und die Enteignungsentschädigung nicht niedriger ansetzen, als dies der Enteigner beantragt. Allerdings braucht sich das Gericht nicht an die Beschwerdebegründung zu halten; es wendet das Recht von Amtes wegen an und überprüft den angefochtenen Entscheid frei. Da die Enteignungsentschädigung eine Einheit bildet, auch wenn sie aus verschiedenen Bestandteilen besteht (vgl. Art. 19 EntG ), darf sich die Prüfung auch auf Entschädigungsposten beziehen, die an sich von den Parteien nicht bestritten sind ( BGE 105 Ib 328 ff. und dort zitierte Entscheide; BGE 29 II 219 f.). Dies gilt ebenfalls, wenn die Gesamtentschädigung, wie hier, nur teilweise durch Entscheid und im übrigen durch - nach der Planauflage abgeschlossene und daher öffentlichrechtliche (BGE 101 Ib E. 6a) - Vergleiche zwischen den Parteien festgelegt worden ist. 2. Die Schätzungskommission ist davon ausgegangen, dass die beiden beschwerdeführenden Firmen, die von den selben Aktionären mit gleichen Aktienanteilen getragen werden, wirtschaftlich eng miteinander verbunden und daher, jedenfalls im Zusammenhang mit der Ausrichtung einer Inkonvenienzentschädigung, als eine einzige Person zu behandeln seien. Diese Auffassung ist verständlich, doch ist fraglich, ob hier über die Tatsache, dass gewollt zwei verschiedene Rechtssubjekte gebildet wurden, hinweggesehen werden dürfe, über eine Tatsache, auf die übrigens die Enteignete 2 selbst mit Nachdruck hingewiesen hat. Wird ausschliesslich auf die rechtlichen Verhältnisse abgestellt und die Enteignete 2 als Mieterin (nicht Pächterin: vgl. BGE 93 II 456 mit Hinweisen, BGE 97 II 61 E. 1) der Liegenschaft der Enteigneten 1 betrachtet, so steht ihr ein Entschädigungsanspruch nur insoweit zu, als durch die Enteignung in die sich aus dem Mietvertrag ergebenden Rechte eingegriffen worden ist ( Art. 5 und Art. 23 Abs. 2 EntG ). Wie das Bundesgericht bereits in BGE 95 I 309 f. entschieden hat, ist der obligatorisch Berechtigte nur für die vorzeitige Auflösung des bestehenden Vertrages zu entschädigen, nicht dagegen für die Nachteile, die ihm aus der Kündigung auf einen vertraglich vorgesehenen BGE 106 Ib 223 S. 227 Termin erwachsen. Der Mieter oder Pächter, welchem der Enteigner vertragsgemäss kündigt, kann deshalb keine Vergütung dafür verlangen, dass er das Geschäftsinventar nicht vollständig amortisieren kann oder dass er nicht sofort ein neues Tätigkeitsfeld findet, noch hat er - wie im (nicht veröffentlichten) Entscheid Azienda elettrica ticinese c. Bontà vom 8. Juli 1970 bestätigt worden ist - einen Anspruch auf Ersatz der Kosten einer Betriebsverlegung und der Wiedererrichtung von Anlagen an einem andern Ort. Der Enteigner hat für rein tatsächliche Nachteile gegenüber Mietern und Pächtern grundsätzlich nicht einzustehen und braucht sich daher nicht entgegenhalten zu lassen, dass der Vertrag, hätte die Enteignung nicht stattgefunden, möglicherweise erneuert worden wäre. Eine Entschädigung für tatsächliche Nachteile, die den Gegenwert der rein vertraglichen Rechte überstieg, hat das Bundesgericht lediglich in zwei Sonderfällen zugesprochen ( BGE 51 I 359 ff., BGE 92 I 437 f.) und es im zitierten Entscheid Bontà ausdrücklich abgelehnt, diese Rechtsprechung zu erweitern. Im vorliegenden Fall ist das Mietverhältnis auf einen im Gesetz vorgesehenen Termin unter Einhaltung der vorgeschriebenen Kündigungsfrist aufgelöst worden (vgl. Art. 259 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 267 Abs. 2 Ziff. 1 OR ). Da die vertraglichen Rechte der Enteigneten 2 als Mieterin somit nicht verletzt worden sind, steht ihr nach der angeführten Rechtsprechung grundsätzlich keine Entschädigung zu, und zwar weder für den Abbruch und Transport ihrer Anlagen noch für die wertlos gewordenen Bauten und Einrichtungen oder für die Betriebserschwernisse am neuen Ort. Es kann sich einzig fragen, ob ihr unter den vorliegenden Umständen nicht ein Ersatzanspruch über den Mietvertrag hinaus zuerkannt werden könnte, der seinen Grund darin fände, dass Mieterin und Vermieterin den selben Aktionären mit gleicher Aktienverteilung gehören, ihre Interessen in bezug auf die Nutzung der enteigneten Liegenschaft sich daher decken und eine Auflösung des Mietverhältnisses nicht erfolgt wäre, solange dies nicht im gemeinsamen Interesse der beiden Firmen gelegen hätte. Die Frage kann jedoch im Hinblick auf die gestellten Parteibegehren offen gelassen werden: Selbst wenn es sich nämlich rechtfertigen würde, Eigentümerin und Mieterin ihrer identischen Interessen am enteigneten Grundstück wegen als einzige Person zu behandeln, BGE 106 Ib 223 S. 228 könnte ihnen - wie im folgenden zu zeigen sein wird - keine höhere Entschädigung zugesprochen werden, als sie der Enteigner anerkannt hat. 3. a) Die Enteignungsentschädigung für ein Grundstück bestimmt sich entweder nach dem Wert, den es auf Grund der bisherigen, vollen Nutzung oder einer möglichen besseren Verwendung für einen beliebigen Käufer aufweist (Verkehrswert); oder es ist darauf abzustellen, welches spezielle Interesse der Eigentümer daran hat, das Grundstück zu behalten, und welcher Schaden ihm entsteht, wenn der gegenwärtige oder von ihm in Aussicht genommene Gebrauch des Bodens verunmöglicht oder eingeschränkt wird (subjektiver Schaden). Zu ersetzen ist nur der Verkehrswert oder der subjektive Schaden, wobei dem Enteigneten grundsätzlich der höhere Betrag zusteht ( BGE 95 I 456 E. 2, nicht publ. Entscheid vom 24. März 1976 i.S. Bärfuss, nicht publ. Entscheid vom 21. Januar 1976 i.S. Clerc, IMBODEN/RHINOW, Schweiz. Verwaltungsrechtsprechung, Bd. II, Nr. 128 III S. 927 ff., DUBACH, Die Berücksichtigung besserer Verwendungsmöglichkeit und der werkbedingten Vor- und Nachteile, ZBl 79/ 1978, S. 3 ff.). Bestandteile des objektiven Wertes und Elemente des subjektiven Schadens dürfen daher bei der Schadensberechnung nicht vermischt und dieser keine Annahmen zugrunde gelegt werden, die sich gegenseitig ausschliessen (vgl. BGE 22 S. 54 ff. E. 3; DUBACH, a.a.O., S. 2). b) Die Parteien haben die Entschädigung für die enteignete Fläche von rund 2 000 m2, die vollständig in der Bauzone D lag, auf Fr. 420.--/m2 festgesetzt. Mit diesem Preis ist, wie folgende Überlegung zeigt, offensichtlich nicht der bisherigen Nutzung des Terrains als Werkhof, sondern dem Wert Rechnung getragen worden, den das abgetretene Land bei besserer Verwendung im Rahmen der geltenden Zonenordnung für einen beliebigen Käufer oder für den bauwilligen Eigentümer selbst aufgewiesen hätte: Wird das Restgrundstück, das durch die Enteignung nicht entwertet worden ist, nach den gleichen Massstäben eingestuft, wie sie die Parteien angewendet haben, so ergibt sich nach den unbestritten gebliebenen Schätzungen der bundesgerichtlichen Experten - "Freihaltezone" mitberücksichtigt - ein Wert von rund 2,8 Millionen Franken. Der Gesamtwert der Parzelle belief sich demnach vor der Enteignung auf ca. 3,65 Millionen Franken (rund Fr. 850'000.-- für den enteigneten und rund BGE 106 Ib 223 S. 229 Fr. 2'800'000.-- für den restlichen Teil). Es ist klar, dass dieser Betrag den Wert der Parzelle als Baugrundstück wiedergibt, dagegen nicht den Wert darstellen kann, der sich aus der bisherigen Nutzung des Bodens als Werkhofareal ergibt. Selbst wenn nämlich nicht auf den tatsächlich erzielten Mietertrag von Fr. 30'000.-- bis Fr. 35'000.-- abgestellt wird, sondern den Erwägungen der Schätzungskommission folgend auf einen objektivierten Ertrag von Fr. 90'000.--, und wenn angesichts der geringen Unterhaltskosten und Abschreibungsquoten für solche Anlagen ein Kapitalisierungsfaktor von weniger als 7% gewählt wird, kann der Ertragswert nie die Höhe von 3,65 Millionen Franken erreichen (Ertragswert bei einem Kapitalisierungssatz von 5%: Fr. 1'800'000.--; bei 6%: Fr. 1'500'000.--; bei 7%: Fr. 1'285'000.--). Die Vereinbarung der Parteien, die Entschädigung für das abgetretene Land auf Fr. 420.--/m2 festzusetzen, beruht demnach auf der Annahme, dass die ganze Parzelle zu diesem Preis bzw. zum Gesamtpreis von 3,65 Millionen Franken hätte verkauft werden können. Dieser Preis stellt aber den vollen Baulandwert dar und wäre vom Käufer nur für ein Grundstück bezahlt worden, das zur Überbauung bereit steht. Das heisst, dass die Enteigneten, bevor sie diesen Wert hätten realisieren können, auf eigene Kosten die bestehenden Bauten hätten abbrechen (Fr. 145'000.--) und den Betrieb verlegen müssen (Fr. 336'500.--); zudem hätten sie die Abschreibung der wertlos gewordenen Anlagen (Fr. 38'000.--) selbst tragen und für die Betriebsmehrkosten am neuen Ort (Fr. 120'000.--) selbst aufkommen müssen. Um die von der Enteignung betroffene Parzelle von der bisherigen, ertragsarmen Nutzung einer besseren Verwendung als Baugrundstück zuführen zu können, wären den Enteigneten also Auslagen in der Höhe von ca. Fr. 640'000.-- entstanden. Der Netto-Verkehrswert des ganzen Grundstückes vor der Enteignung reduziert sich damit auf rund 3 Millionen Franken (vgl. Entscheid vom 16. Januar 1980 i.S. Kanton Zürich c. Gauger & Co. AG, nicht publ. E. 3a; DUBACH, a.a.O., S. 4). Nun ist den Enteigneten für die Teilexpropriation ihrer Parzelle eine Entschädigung von rund Fr. 850'000.-- für das abgetretene Land sowie - ohne die umstrittene "Pachtzinsdifferenz" - eine Inkonvenienzentschädigung von insgesamt Fr. 639'000.-- zuerkannt worden, mit welcher die Abbruchs- BGE 106 Ib 223 S. 230 und Transportkosten, die Betriebsmehraufwendungen und der durch die vorzeitige Abschreibung der nicht transportfähigen Installationen entstandene Schaden gedeckt werden konnte. Nach der Enteignung bzw. der vom Enteigner bezahlten Betriebsverlegung und Räumung des alten Werkhofareals verfügten die Enteigneten somit nicht nur über eine Verkehrswert-Entschädigung von Fr. 850'000.--, sondern auch über den nunmehr vollen Baulandwert des Restgrundstückes in Höhe von 2,8 Millionen Franken, insgesamt über einen bereits realisierten oder sofort realisierbaren Wert von 3,65 Millionen Franken. Dieser Betrag übersteigt um etwa Fr. 650'000.-- den Netto-Verkehrswert der ursprünglichen Liegenschaft, der - unter den getroffenen Annahmen - beim Verkauf der ganzen Parzelle hätte erzielt werden können oder bei Totalenteignung hätte entschädigt werden müssen. c) Die Entschädigung, die den beschwerdeführenden Firmen - ohne die "Pachtzinsdifferenz" - zuerkannt worden ist, wäre einzig dann zu erhöhen, wenn der subjektive Schaden der Enteigneten grösser wäre, d.h. wenn diese im Falle, dass sie das ganze Werkhofareal hätten behalten können, grösseren Nutzen gehabt hätten als sie ihn aus der Kapitalentschädigung und dem Restgrundstück ziehen können. Einen solchen Nachweis haben die Enteigneten jedoch nicht erbracht, und es besteht auch kein Anlass zu vermuten, dass nicht der ganze Schaden abgegolten worden sei. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Betriebsumzug wegen der Enteignung nur vorverlegt werden musste; er hätte sich früher oder später aus verschiedenen Gründen ohnehin aufgedrängt: Zum einen konnte das in der Wohnzone liegende Grundstück der Enteigneten, solange es als Werkhofareal genutzt wurde, nur einen Bruchteil des Ertrages abwerfen, der seinem objektiven Wert entsprochen hätte; zum anderen war der Werkhof an sich "zonenfremd" und es war zumindest fraglich, ob eine Erweiterung möglich gewesen wäre. Die ganzen Verlegungskosten hätten daher in absehbarer Zeit von den Enteigneten selbst aufgewendet und die vorübergehende Ertragseinbusse während des Umzugs ohnehin einmal in Kauf genommen werden müssen. Den Enteigneten ist daher durch die Enteignung nur insofern ein zusätzlicher Schaden erwachsen, als die Verlegung allenfalls zur Unzeit vorgenommen werden musste. Ein Schaden dieser Art würde jedoch den BGE 106 Ib 223 S. 231 Betrag von Fr. 650'000.--, der den Enteigneten über die Verkehrswertentschädigung hinaus zuerkannt worden ist, auf keinen Fall überschreiten. Zu Unrecht wollen die Enteigneten die Investitionskosten für den neuen Werkhof in die Entschädigungsberechnung miteinbeziehen. Die Enteignungsentschädigung ist lediglich ein Wertausgleich und bemisst sich nicht nach den Beschaffungskosten für ein Ersatzobjekt. Ausserdem kann die sich anhand des Verkehrswertes zu berechnende Zinslast für das neue Werkhofareal, das zu einem Preis von ca. Fr. 150.--/m2 erworben werden konnte, offensichtlich nicht höher sein als jene für das nun freigewordene Grundstück und können die für die Neubauten aufzubringenden Zinsen nicht mit jenen verglichen werden, die für die vor zwanzig, dreissig und vierzig Jahren erstellten alten Gebäude aufgewendet werden mussten. d) Die Beschwerde der Enteigneten ist somit abzuweisen, während das Begehren des Enteigners gutgeheissen werden kann.
public_law
nan
de
1,980
CH_BGE
CH_BGE_003
CH
Federation
08efd45d-ef3c-401e-9d08-5e65f33ab873
Urteilskopf 96 IV 23 6. Entscheid der Anklagekammer vom 19. März 1970 i.S. Generalprokurator des Kantons Bern gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau.
Regeste Art. 346 ff. und 372 StGB ; Art. 263 BStP . 1. Zuständigkeit der Anklagekammer in Fällen, in denen sich der Beschuldigte teils als Jugendlicher, teils nach Vollendung des achtzehnten Altersjahres vergangen hat (Erw. 1). 2. In solchen Fällen ist in der Regel eine einheitliche Beurteilung zu ermöglichen, und zwar an jenem der konkurrierenden Orte, der nach dem Ermessen der Behörden der zweckmässigste ist (Erw. 2). 3. Konkurrenz des besondern Gerichtsstandes des Art. 372 Abs. 1 mit dem allgemeinen Gerichtsstand der Art. 346 ff. StGB (Erw. 3 a). 4. Vor der Vollendung des achtzehnten Altersjahres begangene Straftaten sind mit milderer Strafe bedroht als nachher verübte; Folgen für die Bestimmung des allgemeinen Gerichtsstandes (Erw. 3 b).
Sachverhalt ab Seite 24 BGE 96 IV 23 S. 24 A.- Peter Luginbühl, geb. am 17. September 1951, wurde vom Jugendgericht seines Wohnsitzes Schaffhausen durch Entscheide vom 20. November und 22. Dezember 1967 wegen begangener Diebstähle, Entwendung von Motorfahrzeugen zum Gebrauch und Fahrens ohne Führerausweis in eine Erziehungsanstalt für Jugendliche eingewiesen. Am 2. Dezember 1968 übergab ihn das gleiche Gericht insbesondere wegen wiederholten und fortgesetzten Diebstahls und Betrugs einer vertrauenswürdigen Familie zur Erziehung. Luginbühl bewährte sich nicht. Er beging im Kanton Zürich drei weitere Diebstähle, einen Hausfriedensbruch, zwei Sachbeschädigungen, eine Veruntreuung und eine Entwendung eines Personenwagens zum Gebrauch, entwendete auch in den Kantonen Solothurn und Baselland ein Motorfahrzeug bzw. Fahrrad zum Gebrauch und verübte in Frankreich einige Diebstähle, mindestens zwei Betrüge und sechs Entwendungen von Motorfahrzeugen zum Gebrauch, worauf er am 1. September 1969 verhaftet und am 9. September 1969 auf Grund eines Entscheides des Jugendgerichtes Schaffhausen in die Erziehungsanstalt Aarburg übergeführt wurde. Am 15. September 1969 floh Luginbühl aus dieser Anstalt. Bis und mit dem 17. September 1969, dem Tage, an dem er das achtzehnte Jahr vollendete, beging er gemeinsam mit dem aus der gleichen Anstalt entwichenen Gerhard Hochstrasser im Kanton Aargau acht Diebstähle, zwei Sachbeschädigungen und eine Entwendung eines Personenwagens zum Gebrauch sowie im Kanton Luzern eine gleichartige Entwendung. Vom 18. September bis am 1. Oktober 1969 verübte Luginbühl im Kanton Bern fünf Diebstähle, zwei Entwendungen von Personenwagen zum Gebrauch und eine versuchte sowie eine vollendete Befreiung von Gefangenen, im Kanton Aargau zwei Diebstähle, wovon beide mit Sachbeschädigung und der eine auch mit Hausfriedensbruch verbunden waren, im Kanton Appenzell-I.Rh. einen Diebstahl, im Kanton Appenzell-A.Rh. zwei Diebstähle, wovon einer mit Sachbeschädigung verbunden war, im Kanton St. Gallen einen Diebstahl und eine Entwendung eines Personenwagens zum Gebrauch, im Kanton Zürich zwei Diebstähle, wovon einer mit Hausfriedensbruch verbunden, und eine Entwendung eines Personenwagens zum Gebrauch, im Kanton Basel-Land einen Diebstahl und eine Entwendung eines Personenwagens zum Gebrauch. Am 1. Oktober 1969 wurde Luginbühl im Kanton Solothurn (Olten) verhaftet. Bei diesem BGE 96 IV 23 S. 25 Anlass soll er sich der Gewalt und Drohung gegen Beamte schuldig gemacht haben. In allen erwähnten Kantonen soll er ferner ohne Führerausweis Personenwagen geführt haben. Am 4. November 1969 erklärte Luginbühl vor dem Jugendanwalt des Kantons Schaffhausen, er habe sich sofort entschlossen, möglichst bald aus der Erziehungsanstalt Aarburg auszubrechen. Er werde auch in Zukunft in keinem Heim mehr bleiben; er werde immer wieder ausreissen. Viel lieber würde er im Zuchthaus sitzen. Seit 6. Januar 1970 ist Luginbühl wieder flüchtig und zur Verhaftung ausgeschrieben. B.- Mit Schreiben vom 11. Dezember 1969 lehnte die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau den aargauischen Gerichtsstand ab mit der Begründung, das Schwergewicht der nach Vollendung des achtzehnten Altersjahres verübten strafbaren Handlungen Luginbühls befinde sich im Kanton Bern und dieser habe vor dem Kanton Aargau eine Untersuchung angehoben. Mit Eingabe vom 11. März 1970 beantragt der Generalprokurator des Kantons Bern der Anklagekammer des Bundesgerichts, die Behörden des Kantons Aargau für die Verfolgung und Beurteilung aller dem Luginbühl zur Last gelegten strafbaren Handlungen zuständig zu erklären. Erwägungen Die Anklagekammer zieht in Erwägung: 1. Luginbühl wird strafbarer Handlungen beschuldigt, die er teils als Jugendlicher, teils nach Vollendung des achtzehnten Altersjahres begangen haben soll. Dennoch ist der interkantonale Streit über den Gerichtsstand nicht gemäss Art. 372 Abs. 3 StGB vom Bundesrat oder gemäss Delegationsbeschluss vom eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement zu beurteilen. Der Entscheid obliegt der Anklagekammer ( BGE 85 IV 251 Erw. 1, BGE 86 IV 197 ). Auf das Gesuch ist daher einzutreten. 2. Wer zur Zeit der Tat ein Jugendlicher war, aber am Tage der richterlichen Beurteilung das achtzehnte Altersjahr erreicht und das zwanzigste noch nicht überschritten hat, ist gemäss Art. 371 Abs. 2 StGB im Verfahren gegen Jugendliche zu verfolgen und zu beurteilen. "Für das Verfahren gegen Jugendliche" ("pour les causes des adolescents", "per il procedimento contro adolescenti") sind die Behörden des Wohnsitzes oder, wenn der Beschuldigte sich dauernd an einem anderen Orte aufhält, die Behörden des Aufenthaltsortes zuständig BGE 96 IV 23 S. 26 ( Art. 372 Abs. 1 StGB ) und nur in Ermangelung eines Wohnsitzes oder eines dauernden Aufenthaltes die durch die allgemeinen Bestimmungen über den Gerichtsstand berufenen Behörden ( Art. 372 Abs. 2 StGB ). Wenn Luginbühl alle Straftaten als Jugendlicher begangen hätte, müsste er daher an seinem Wohnsitz oder an einem davon abweichenden dauernden Aufenthaltsort verfolgt und beurteilt werden (vgl. BGE 85 IV 247 ; Verwaltungsentscheide der Bundesbehörden 1942/43 Nr. 22, 23 und 27, 1951 Nr. 34, 1953 Nr. 30). Für Handlungen, die im Übergangsalter zwischen 18 und 20 Jahren begangen werden, sind Strafen auszusprechen ( Art. 100 StGB ), ist nicht mehr von Bundesrechts wegen das Verfahren gegen Jugendliche anwendbar und treffen die allgemeinen Bestimmungen über den Gerichtsstand ( Art. 346 ff. StGB ) schlechthin zu. Für Fälle, in denen sich der Beschuldigte teils als Jugendlicher, teils nach der Vollendung des achtzehnten Altersjahres vergangen hat, enthält das Strafgesetzbuch keine Gerichtsstandsnormen. Die Anklagekammer hat entschieden, dass dennoch in der Regel die Verfolgung und Beurteilung nicht teils am Gerichtsstand des Art. 372 Abs. 1, teils am Gerichtsstand der Art. 346 ff. StGB stattfinden soll, sondern eine einheitliche Beurteilung zu ermöglichen ist, und zwar an jenem der konkurrierenden Orte, der nach dem Ermessen der Behörden - im Streitfalle nach dem Ermessen der Anklagekammer - der zweckmässigste ist. Die Anklagekammer entscheidet dabei nach den Grundsätzen, die sie gestützt auf Art. 263 BStP in freier Weiterentwicklung der gesetzlichen Gerichtsstandsvorschriften gewonnen hat ( BGE 85 IV 255 Erw. 2, BGE 86 IV 199 Erw. 3). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Der Generalprokurator des Kantons Bern ficht sie denn auch nicht an. 3. Die durch das Jugendgericht Schaffhausen verhängte Erziehung Luginbühls in einer Anstalt ist nicht beendet. Die zuständige Behörde kann sie in einer Erziehungsanstalt für Jugendliche oder gemäss Art. 93 Abs. 2 StGB in einer Strafanstalt weiterführen lassen. Die Fortsetzung in einer Strafanstalt hätte nicht den Sinn einer Bestrafung, sondern einer mit strafanstaltlicher Disziplin vollzogenen Massnahme ( BGE 85 IV 16 ). Für die nach der Entweichung aus der Erziehungsanstalt Aarburg aber vor der Vollendung des achtzehnten Altersjahres begangenen Handlungen kann gegen Luginbühl auf eine für BGE 96 IV 23 S. 27 Jugendliche bestimmte Massnahme oder auf eine der in Art. 95 StGB vorgesehenen Strafen erkannt werden, wovon als schwerste die Einschliessung von einem Tage bis zu einem Jahr, allenfalls verbunden mit Busse, in Frage kommt. Für die nach. der Vollendung des achtzehnten Altersjahres verübtenHandlungen können die im Gesetz vorgesehenen Strafen ausgesprochen werden, wobei Strafmilderung nach Art. 65 StGB möglich ist ( Art. 100 StGB ). Mit der schwersten Strafe bedroht sind die Diebstähle. Für diese kann Zuchthaus bis zu fünf Jahren verhängt werden ( Art. 137 Ziff. 1 StGB ). Nimmt man mit dem Generalprokurator des Kantons Bern an, Luginbühl habe als Mitglied einer Bande oder gewerbsmässig gestohlen, so steht auf ihnen sogar Zuchthaus bis zu zehn Jahren ( Art. 137 Ziff. 2 StGB ). Wenn sich jemand teils als Jugendlicher, teils im Übergangsalter zwischen 18 und 20 Jahren vergangen hat und die Verfehlungen beider Altersstufen eine Strafe erfordern, ist in Anlehnung an Art. 68 StBG eine Gesamtstrafe auszusprechen. Erfordern die Verfehlungen des Jugendalters eine Massnahme, jene des Übergangsalters dagegen eine Strafe, so ist auf beide zu erkennen. Die Massnahme ist dann zuerst durchzuführen. Nachher hat die zuständige Behörde zu entscheiden, ob und inwieweit auch noch die Strafe zu vollziehen sei ( BGE 92 IV 84 , BGE 93 IV 9 ). a) Man könnte sich bei dieser materiellen Rechtslage fragen, ob Schaffhausen als einheitlicher Gerichtsstand zu bezeichnen wäre. Die Behörden dieses Kantons haben sich mit Luginbühl wegen der schon beurteilten Verfehlungen ohnehin noch zu befassen. Für Schaffhausen sprechen auch die neuen vor der Vollendung des achtzehnten Altersjahres verübten Handlungen, denn dort hat Luginbühl seinen Wohnsitz, und der Generalprokurator des Kantons Bern macht mit Recht nicht geltend, Aarburg, wo sich Luginbühl einige Tage in der Erziehungsanstalt befand, habe als dauernder Aufenthaltsort im Sinne des Art. 372 Abs. 1 StGB zu gelten. Anderseits kommt für alle noch nicht beurteilten Handlungen ernsthaft eine Gesamtstrafe in Frage. Auch wird die zuständige Behörde des Kantons Schaffhausen möglicherweise beschliessen, die bereits verhängte Erziehungsmassnahme in einer Strafanstalt fortsetzen zu lassen. Unter diesen Gesichtspunkten würde der allgemeine Gerichtsstand der Art. 346 ff. StGB vor dem Gerichtsstand des Wohnsitzes ( Art. 372 Abs. 1 StGB ) den Vorzug verdienen. BGE 96 IV 23 S. 28 b) Es braucht indessen zu dieser Frage nicht abschliessend Stellung genommen zu werden. Der Generalprokurator des Kantons Bern beantragt nicht, die Behörden des Kantons Schaffhausen zuständig zu erklären, sondern den Beschuldigten im Kanton Aargau zu verfolgen und zu beurteilen. Er befürwortet die Zuständigkeit dieses Kantons in erster Linie, weil wegen einer der nach der Flucht vom 15. September 1969 verübten Handlungen Luginbühls die aargauischen Behörden schon am 18. September, die Behörden des Kantons Bern dagegen erst am 22. September 1969 eine Untersuchung angehoben haben. Ferner macht er geltend, es könne eher von einem im Kanton Aargau liegenden Schwerpunkt dieser Handlungen gesprochen werden und es sei nach BGE 79 IV 47 auch zu berücksichtigen, dass Luginbühl unmittelbar vor ihrer Begehung aus einer aargauischen Anstalt geflohen war. Dem ist vorweg entgegenzuhalten, dass der Diebstahl zum Nachteil Geissmanns in Hägglingen, dessetwegen die aargauischen Behörden am 18. September 1969 eine Untersuchung anhoben, am 15. oder 16. September, also vor der Vollendung des achtzehnten Altersjahres des Beschuldigten verübt wurde; er ist mit milderer Strafe bedroht als der nach diesem Zeitpunkt, nämlich am 21. oder 22. September begangene Diebstahl, der Gegenstand der bernischen Untersuchung vom 22. September 1969 bildet. Art. 350 Ziff. 1 Abs. 2 StGB trifft daher nicht zu. Auch aus Art. 346 Abs. 2 StGB kann ein aargauischer Gerichtsstand des Zuvorkommens in der Anhebung einer Untersuchung nicht abgeleitet werden, denn die Verschiedenheit der Strafen, die auf die vor und die nach der Vollendung des achtzehnten Altersjahres begangenen Diebstähle angedroht sind, verbieten bei der Bestimmung des Gerichtsstandes alle als ein einziges, banden- oder gewerbsmässig begangenes Verbrechen zu behandeln. Die geringere Strafdrohung, unter der Luginbühl bis zur Vollendung des achtzehnten Altersjahres stand, hat ferner zur Folge, dass die vom 15. bis 17. September 1969 im Aargau begangenen Diebstähle auch unter dem Gesichtspunkt des Schwergewichtes der strafbaren Tätigkeit den aargauischen Gerichtsstand nicht zu begründen vermögen. Nur auf die vom 18. September bis 1. Oktober 1969 verübten Diebstähle ist die schwerste Strafe von Zuchthaus bis zu fünf Jahren, eventuell bis zu zehn Jahren, angedroht. In erster Linie an ihnen und nur nebenbei auch an den anderen Handlungen ist zu ermessen, wo sich das Schwergewicht BGE 96 IV 23 S. 29 der strafbaren Tätigkeit des Beschuldigten befindet. Daher liegt es im Kanton Bern. Vom 18. September 1969 an soll Luginbühl hier fünf Diebstähle begangen haben, im Aargau dagegen nur zwei. Dieses Übergewicht wird durch die anderen, mit geringerer Strafe bedrohten Handlungen nicht so sehr abgeschwächt, dass sich der aargauische Gerichtsstand rechtfertigen liesse. Die versuchte und die vollendete Befreiung von Gefangenen stehen unter der Strafdrohung von Gefängnis bis zu drei Jahren ( Art. 310, 36 Ziff. 1 StGB ). Diese im Kanton Bern begangenen Vergehen sind schwerer als die acht im Aargau begangenen Diebstähle aus der Zeit vom 15. bis 17. September 1969, für die höchstens Einschliessung bis zu einem Jahr und Busse in Frage käme. Dass Luginbühl aus einer aargauischen Anstalt entwichen ist, ändert nichts. Dieser Umstand könnte für den Gerichtsstand mitbestimmend sein, wenn die Behörden des Kantons Aargau sich schon vorher mit dem Beschuldigten befasst, ihn insbesondere in die Erziehungsanstalt Aarburg eingewiesen hätten, oder wenn in keinem der beteiligten Kantone von einem Schwergewicht der strafbaren Tätigkeit gesprochen werden könnte. Weder das eine noch das andere ist der Fall. Die Flucht aus der Anstalt mit der im Aargau begonnenen Kette von neuen Straftaten kann daher entgegen der allgemeinen Bedeutung, die einem solchen Umstand in BGE 79 IV 47 beigemessen worden ist, nicht ausschlaggebend sein. Sonst könnte der Gerichtsstand selbst dann vom Anstaltsort abhängig gemacht werden, wenn ein Kanton, der selber über keine Anstalt verfügt, eine Massnahme in einem anderen Kanton vollziehen lässt. Der Flucht aus der aargauischen Anstalt steht hier übrigens gegenüber, dass Luginbühl im Kanton Bern heimatberechtigt ist. Im Streit zwischen den Kantonen Bern und Aargau ist schliesslich unerheblich, dass sich Luginbühl auch noch in anderen Kantonen vergangen hat und dass die Kantone Appenzell-I.Rh. und St. Gallen schon am 21. September wegen eines nach der Vollendung des achtzehnten Altersjahres verübten Diebstahls eine Untersuchung angehoben haben, der Kanton Bern dagegen ein Tag später. Im Kanton Aargau wurde wegen einer solchen Tat erst am 1. Oktober 1969 Anzeige eingereicht. Der Kanton Bern hat daher auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 350 Ziff. 1 Abs. 2, eventuell des Art. 346 Abs. 2 StGB , den Vorrang vor dem Kanton Aargau. BGE 96 IV 23 S. 30 Dispositiv Demnach erkennt die Anklagekammer: Das Gesuch wird abgewiesen, und die Behörden des Kantons Bern werden zuständig erklärt, Peter Luginbühl für alle ihm zur Last gelegten Handlungen zu verfolgen und zu beurteilen.
null
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de
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CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
08f01f8c-6631-43e6-98a7-00fa919b7497
Urteilskopf 106 Ia 62 14. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 7. Mai 1980 in Sachen Baumann und Neininger gegen Baumann sowie Gemeinderat Ingenbohl und Regierungsrat und Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Art. 88 OG . Legitimation des Nachbarn zur staatsrechtlichen Beschwerde wegen willkürlicher Auslegung und Anwendung der Vorschriften über die höchstzulässige Ausnützung von Bauparzellen.
Sachverhalt ab Seite 62 BGE 106 Ia 62 S. 62 Hans Baumann und Werner Neininger sind Eigentümer der nebeneinander liegenden Parzellen 575 und 595 im Gebiet des Quartierplanes Wylen in der Gemeinde Ingenbohl. Auf dem an die Parzelle 595, nicht aber an die Parzelle 575, anstossenden BGE 106 Ia 62 S. 63 Grundstück plant Tino Baumann die Erstellung eines Doppeleinfamilienhauses. Hans Baumann und Werner Neininger legten Einsprache gegen das Bauprojekt ein, welche jedoch keinen Erfolg hatte; auch ihre Beschwerden an den Regierungsrat und an das Verwaltungsgericht wurden abgewiesen. Gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts ergriffen Hans Baumann und Werner Neininger staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV . Sie werfen dem Verwaltungsgericht Willkür bei der Festlegung der massgebenden Ausnützungsziffer und bei der Berechnung der effektiven Ausnützung vor. Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerden beider Nachbarn ein aus folgender Erwägungen Erwägung: 2. Die Beschwerdeführer als Eigentümer der dem Grundstück des Beschwerdegegners Tino Baumann benachbarten Liegenschaften sind zur Anfechtung der Baubewilligung mit staatsrechtlicher Beschwerde befugt, soweit sie die Verletzung von Bauvorschriften geltend machen, die ausser den Interessen der Allgemeinheit auch oder in erster Linie dem Schutz der Nachbarn dienen, sofern sie sich im Schutzbereich der Vorschriften befinden und durch die behaupteten widerrechtlichen Auswirkungen der Baute betroffen werden. Nicht entscheidend ist, ob sie im kantonalen Verfahren zum Baurekurs zugelassen worden sind ( BGE 102 Ia 93 f. E. 1; BGE 99 Ia 254 f. E. 4 mit Verweisungen). Die Beschwerdeführer werfen dem Verwaltungsgericht eine Verletzung der Vorschriften über das höchstzulässige Mass der baulichen Nutzung vor. Die entsprechenden Bestimmungen der im vorliegenden Fall zur Anwendung gelangenden "Besonderen Bauvorschriften zum Zonen- und Überbauungsplan für das Planungsgebiet Wylen" bilden Teil der Zonenvorschriften, welche die Nutzungsart, die Bauweise, die Länge und Höhe der Gebäude sowie deren Geschosszahl regeln. Die ziffernmässige Begrenzung der maximalen Ausnützung ist für die Dichte der Überbauung bedeutsam, indem sie zu einer Beschränkung der Baukuben im Verhältnis zur Parzellenfläche führt. Diese Zweckbestimmung liegt nicht nur im allgemeinen öffentlichen Interesse, sondern gewährt auch den Nachbarn eine Sphäre rechtlich geschützter Interessen. Vom Mass der Nutzung hängt BGE 106 Ia 62 S. 64 wesentlich die Belastung der auch den Nachbarn dienenden Erschliessungsanlagen, das Mass der Immissionen, die Sicherung der Frei- und Grünflächen sowie des Lichteinfalles ab. Die Beschwerdeführer, deren Liegenschaften der gleichen Zone wie das Grundstück des Beschwerdegegners Tino Baumann zugewiesen sind, befinden sich im Schutzbereich dieser Vorschriften. Auch ist nicht auszuschliessen, dass sie als Nachbarn durch die behauptete widerrechtliche Überschreitung des zulässigen Nutzungsmasses betroffen werden. Auf ihre Beschwerden ist daher einzutreten.
public_law
nan
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1,980
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CH_BGE_002
CH
Federation
08f14d74-ab01-4146-b10c-517d69186e36
Urteilskopf 133 V 416 52. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. S. gegen Assura Kranken- und Unfallversicherung sowie Verwaltungsgericht des Kantons Bern (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) 9C_43/2007 vom 7. August 2007
Regeste Art. 25 Abs. 1, Art. 42 Abs. 1 KVG ; Art. 394 OR : Ärztliche Selbstbehandlung. Die Leistungspflicht der obligatorischen Krankenpflegeversicherung erstreckt sich nicht auf ärztliche Selbstbehandlungen (E. 2-4).
Sachverhalt ab Seite 416 BGE 133 V 416 S. 416 A. Der 1955 geborene Dr. med. S., Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, war bis Ende 2003 bei der Assura Kranken- und Unfallversicherung obligatorisch für Krankenpflege versichert. Im Zusammenhang mit einem gemeldeten Zeckenbiss aus dem Jahre 1999 erbrachte der Unfallversicherer (Zürich Versicherungs-Gesellschaft) zunächst die gesetzlichen BGE 133 V 416 S. 417 Versicherungsleistungen, lehnte aber mit Verfügung vom 8. Januar 2003 und Einspracheentscheid vom 7. März 2006 den Anspruch auf Leistungen ab. Das zu dieser Frage eingeleitete Rechtsmittelverfahren ist letztinstanzlich noch beim Bundesgericht hängig (U 585/06). Die Assura anerkannte am 3. April 2003 im Grundsatz ihre Vorleistungspflicht für die Behandlung der angeblich durch den Zeckenbiss übertragenen Lyme-Borreliose, verweigerte aber gewisse Leistungen, worauf das damalige Eidg. Versicherungsgericht (heute Bundesgericht) in teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit Urteil vom 27. Januar 2005 die sich nach Massgabe des KVG richtende Vorleistungspflicht der Assura bestätigte. S. ersuchte die Assura am 15. Dezember 2005 um Rückerstattung der Kosten für in der Zeit vom 6. Dezember 2001 bis 17. Januar 2002 und vom 5. November bis 16. Dezember 2002 von ihm an sich selbst vorgenommene Borreliose-Behandlungen im Gesamtbetrag von Fr. 22'532.60. Mit Verfügung vom 14. März 2006 lehnte die Assura die Vergütung der beiden Rechnungen ab. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 5. Mai 2006 fest. B. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wies die hiegegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 18. Januar 2007 ab. C. S. lässt Beschwerde führen und beantragen, in Aufhebung des angefochtenen Entscheids sei im Rahmen der Vorleistungspflicht sein Anspruch von Fr. 22'532.60 für die Selbstbehandlungen zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung anzuerkennen. Die Assura und das Bundesamt für Gesundheit schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Die Beschwerde wird abgewiesen. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Streitig ist, ob sich die Leistungspflicht der obligatorischen Krankenversicherung auch auf die Selbstbehandlung eines Arztes erstreckt. Diese dem Bundesgericht erstmals vorgelegte Rechtsfrage ist von grundsätzlicher Bedeutung, weshalb über sie nach Art. 20 Abs. 2 BGG in Fünferbesetzung zu entscheiden ist. 2. 2.1 Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt die Kosten für die Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer BGE 133 V 416 S. 418 Krankheit und ihrer Folgen dienen ( Art. 25 Abs. 1 KVG ). Haben Versicherer und Leistungserbringer nichts anderes vereinbart, so schulden gemäss Art. 42 Abs. 1 KVG die Versicherten den Leistungserbringern die Vergütung der Leistung, wobei sie gegenüber dem Versicherer einen Anspruch auf Rückerstattung (im Sinne der Erstattung oder Vergütung) haben (System des Tiers garant). Versicherer können nach Abs. 2 dieses Artikels vereinbaren, dass der Versicherer die Vergütung schuldet (System des Tiers payant). Ein Anspruch auf Erstattung des Honorars eines freipraktizierenden Leistungserbringers durch den Versicherer besteht jedoch in der Regel nur, wenn eine solche Honorarforderung nach den zivilrechtlichen Voraussetzungen gegeben ist ( BGE 125 V 430 E. 3a S. 432 und 435 E. 3a), wobei deren Erfüllung im letztgenannten Fall des Eltern-Kind-Verhältnisses offenbleiben kann. 2.2 Gestützt auf die in E. 2.1 dargelegte Rechtsprechung hat das kantonale Gericht zu Recht geprüft, ob dem Leistungserbringer, der identisch mit dem Beschwerdeführer ist, ein Honoraranspruch gegenüber sich selbst entstanden ist. Die Vorinstanz verneint dies im Wesentlichen auf den Überlegungen basierend, dass das Vertragsverhältnis zwischen Arzt und Patient unter die Bestimmungen über den Auftrag ( Art. 394 ff. OR ) fällt und dass niemand mit sich selbst einen Vertrag schliessen kann. Diese Auffassung wird von der Doktrin (siehe GEBHARD EUGSTER, Krankenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], 2. Aufl., Basel 2006, Rz. 951 und Fn. 1483) und dem Bundesamt für Gesundheit geteilt. 3. 3.1 Den vorinstanzlichen Erwägungen ist beizupflichten: Das vom Gesetzgeber gewählte System des Tiers garant (vgl. Art. 42 Abs. 1 KVG ) beruht auf einem personalen Dreiecksverhältnis zwischen Versicherer (Krankenkasse), Versichertem (Patient) und Leistungserbringer (z.B. Arzt). Gleiches gilt ohne Weiteres auch für das System des Tiers payant. Sind nun aber - wie hier - Patient und Arzt identisch, schuldet Ersterer sich selbst mangels eines zivilrechtlichen Vertragsverhältnisses offensichtlich keine Vergütung für die an seiner eigenen Person vorgenommenen ärztlichen Behandlungen. 3.2 Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringen lässt, dringt nicht durch: BGE 133 V 416 S. 419 3.2.1 Er macht geltend, er könne wegen des Versicherungsobligatoriums nicht wählen, ob er eine Krankenversicherung abschliessen oder sich selbst behandeln wolle und habe daher Anspruch auf die volle Übernahme der Kosten für Pflichtleistungen. Dass er - wie jede versicherte Person - grundsätzlich Anspruch auf die Leistungen nach KVG hat, ändert nach dem Gesagten indessen nichts daran, dass die entsprechenden Voraussetzungen jeweils erfüllt sein müssen. Wenn behandelter Patient und behandelnder Arzt die gleichen Personen sind, fehlt es an einer krankenversicherungsrechtlich vergütungsfähigen Honorarforderung, weshalb eine Leistungspflicht des Versicherers entfällt. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers bietet das KVG keinen Raum, den Ausnahmefall der ärztlichen Selbstbehandlung, wie von ihm verlangt, zu regeln, liegt doch diesfalls das nach dem vom Gesetzgeber gewählten System verlangte rückforderbare Substrat nicht vor. 3.2.2 Aus der nicht Gegenstand des Verfahrens bildenden Übernahme der Medikamentenkosten durch die Beschwerdegegnerin kann der Beschwerdeführer nichts zu seinen Gunsten ableiten. Ob, wie EUGSTER, a.a.O., in Rz. 951 an sich folgerichtig postuliert, von einem Arzt sich selbst verordnete Arzneimittel nicht Pflichtleistungen sein können, kann offenbleiben, ist doch unbestritten, dass der Beschwerdeführer sich diese nicht selbst verordnet hat. Vielmehr wurden sie ihm von einer anderen ihn behandelnden Ärztin verschrieben. 3.2.3 Aus der Rechtsprechung, wonach sich die Leistungspflicht der obligatorischen Krankenpflegeversicherung auch auf die ärztliche Behandlung durch den Ehepartner der versicherten Person ( BGE 125 V 430 ) und durch einen Elternteil des versicherten Kindes ( BGE 125 V 435 ) erstreckt, ergibt sich ebenfalls nichts zu Gunsten des Beschwerdeführers, lag doch jenen Konstellationen keine personelle Identität zu Grunde. 3.2.4 Dass der Beschwerdeführer bei einer anderen Ärztin in Behandlung steht, die ihm die Medikamente und die Behandlung verordnet hat, ändert nichts daran, dass es im Wesentlichen um eine nicht kassenpflichtige Selbstbehandlung geht. 3.2.5 Inwiefern schliesslich die Selbstbehandlung wirtschaftlicher sein soll, ist nicht nachvollziehbar, hat doch der Beschwerdeführer (als Leistungserbringer) den üblichen Ansatz nach Tarif in Rechnung gestellt. BGE 133 V 416 S. 420 4. Die KV-rechtliche Vergütung ärztlicher Selbstbehandlung ist auch wegen der Gefahr des Missbrauchs zu verneinen (vgl. zur Ungültigkeit des Selbstkontrahierens bei Interessenkollisionen im Zivilrecht: GUHL/KOLLER, Das Schweizerische Obligationenrecht, 9. Aufl., Zürich 2000, S. 157 N. 15 zu § 18 mit Hinweisen auf die Praxis). Eine solche hatte das damalige Eidg. Versicherungsgericht zwar bereits in den in E. 3.2.3 erwähnten Konstellationen geortet. Es hielt aber fest, dass es dem Krankenversicherer unbenommen bleibt, die Kontrollmöglichkeiten in solchen Fällen zu intensivieren. In jenen Fällen waren Arzt und Patient wohl familiär sehr eng miteinander verbunden, jedoch verschiedene natürliche Personen. Den an seiner eigenen Person tätig werdenden Arzt als Leistungserbringer der gesetzlichen Krankenversicherung zuzulassen, würde indessen zu einer Vermischung der Rollen der versicherten Person und des Leistungserbringers führen, was auch unter dem Gesichtswinkel einer jederzeit möglichen und unkontrollierbaren Missbrauchsgefahr abzulehnen ist.
null
nan
de
2,007
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
08f85b93-a72b-4a61-a9de-1d320ca95516
Urteilskopf 118 II 297 58. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 5. Mai 1992 i.S. I. gegen S. (Berufung)
Regeste Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR . Irrtum in bezug auf einen künftigen Sachverhalt. Voraussetzung für das Vorliegen eines Grundlagenirrtums ist, dass einerseits die sich auf den Irrtum berufende Partei fälschlicherweise annahm, ein zukünftiges Ereignis sei sicher, und anderseits auch die Gegenpartei nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr hätte erkennen müssen, dass die Sicherheit für die andere Partei Vertragsvoraussetzung war. Dabei muss es sich um einen Irrtum über eine objektiv wesentliche Vertragsgrundlage gehandelt haben (E. 2).
Sachverhalt ab Seite 298 BGE 118 II 297 S. 298 Im Jahre 1981 war S. Mehrheitsaktionär der S. AG. Er hielt sämtliche 142 Namenaktien zum Nennwert von Fr. 500.-- sowie 189 der 429 Namenaktien zum Nennwert von Fr. 1'000.--. Am 23. September 1981 schloss er mit I. einen Vertrag über den Verkauf von Aktien, verbunden mit verschiedenen Kaufs- und Rückkaufsrechten. Gemäss Art. 2 dieses Vertrages verkaufte S. seine 142 Namenaktien zum Nennwert von Fr. 500.-- für insgesamt Fr. ... an I. Der Kaufpreis wurde beglichen und der Käufer im Aktienbuch eingetragen. Art. 3 sah für 148 der Namenaktien zum Nennwert von Fr. 1'000.-- ein zeitlich gestaffeltes Kaufsrecht vor. Danach durfte I. einerseits das Kaufsrecht bis spätestens Ende 1987 ausüben, konnte anderseits aber das absolute Mehr von 286 der Total 571 Stimmen erst ab Januar 1986 erlangen. Den Kaufpreis setzten die Parteien in einer Zusatzvereinbarung auf Fr. ... je Namenaktie fest. In Art. 4 des Hauptvertrages behielt sich S. ein zeitlich befristetes Rückkaufsrecht an sämtlichen Aktien für den Fall vor, dass I. sein Kaufsrecht bis Ende 1987 nicht vollständig ausüben sollte. I. war vom 1. Februar 1981 bis 28. Februar 1986 in der S. AG angestellt; er teilte sich anfänglich mit S. in die Aufgabe der Geschäftsführung, die ihm dann in den Jahren 1984 und 1985 allein oblag. Am 2. April 1986 übte I. sein Kaufsrecht an den 148 Namenaktien aus. Mit Schreiben vom 24. April und vom 25. Juni 1986 stellte sich S. auf den Standpunkt, er sei an den Vertrag nicht gebunden. Im September 1986 klagte I. daher gegen S. auf Übertragung der 148 Namenaktien gemäss Art. 3 des Vertrages gegen Bezahlung des in der Zusatzvereinbarung festgelegten Kaufpreises. Der Beklagte hielt der Klage entgegen, er habe sich in einem wesentlichen Irrtum über die Eignung des Klägers als Geschäftsführer befunden. In dieser Funktion habe der Kläger seine Pflichten verletzt und völlig versagt. Er habe das Unternehmen so schlecht geführt, dass es in die BGE 118 II 297 S. 299 Verlustzone geraten sei. Sein Verhalten habe Sinn und Geist des Vertrages, mit dem die Nachfolge in der S. AG hätte sichergestellt werden sollen, widersprochen. Das Walliser Kantonsgericht wies die Klage am 20. Februar 1991 ab. Auf Berufung des Klägers heisst das Bundesgericht die Klage gut. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Vorinstanz und Parteien sind sich zu Recht darüber einig, dass der vom Beklagten geltend gemachte Irrtum nicht unter Art. 24 Abs. 1 Ziff. 2 OR fällt. Diese Bestimmung regelt im Gegensatz zur früheren Fassung gemäss Art. 20 aOR einzig den Irrtum über die Identität und nicht denjenigen über die Eigenschaften des Vertragspartners. Dieser Irrtum kann lediglich als Grundlagenirrtum im Sinne von Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR in Betracht fallen, sofern er das qualifizierende Kriterium der objektiven Wesentlichkeit erfüllt; andernfalls bleibt er ein gemäss Art. 24 Abs. 2 OR unbeachtlicher Motivirrtum (BECKER, N 9 und OSER/SCHÖNENBERGER, N 24 zu Art. 24 OR ; GUHL/MERZ/KOLLER, Das schweizerische Obligationenrecht, 8. Auflage, S. 131; VON TUHR/PETER, Allgemeiner Teil des schweizerischen Obligationenrechts, Band I, 3. Auflage, S. 304 f.; ENGEL, Traité des obligations en droit suisse, S. 222; BUCHER, Allgemeiner Teil des schweizerischen Obligationenrechts, 2. Auflage, S. 200 f.). Das Kantonsgericht ist zum Schluss gelangt, der Irrtum, auf den sich der Beklagte berufe, erfülle alle Merkmale eines Grundlagenirrtums. Der Kläger bringt in seiner Berufung demgegenüber vor, von einem wesentlichen Irrtum könne nicht die Rede sein. Dass sich die Hoffnungen und Erwartungen des Beklagten nicht erfüllt hätten, lasse sich nach Rechtsprechung und Lehre nicht als Irrtum ausgeben. Ob der Irrtum des Beklagten als wesentlich im Sinne von Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR anzusehen ist, ist eine Rechtsfrage, die das Bundesgericht im Berufungsverfahren frei prüft. a) Die Vorinstanz ist bei ihrer Beurteilung von einem Irrtum über einen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht gegebenen, künftigen Sachverhalt ausgegangen. Nicht nur der Misserfolg des Klägers als Geschäftsführer, sondern auch die Ursache seines Scheiterns habe in der Zukunft gelegen. Es treffe nicht zu, dass der Kläger aufgrund seiner vorbestandenen Eignung und Veranlagung zwar den Anforderungen an einen beaufsichtigten Mitarbeiter in leitender Stellung, nicht aber der Aufgabe eines auf sich gestellten alleinigen BGE 118 II 297 S. 300 Geschäftsführers gewachsen gewesen sei. Vielmehr habe sich seine Einstellung gewandelt, und es sei gar eine nicht mehr zu behebende Veränderung in seinen charakterlichen Eigenschaften eingetreten. Dieser bezogen auf den Vertragsschluss in zweifacher Hinsicht zukünftige Sachverhalt hat das Kantonsgericht folgerichtig bewogen, sich mit der Frage der rechtlichen Erheblichkeit eines solchen in die Zukunft gerichteten Irrtums zu befassen. b) Ob und wieweit ein Grundlagenirrtum auch der falschen Vorstellung über einen künftigen Sachverhalt entspringen kann, ist umstritten (Übersicht über die hauptsächlichsten Lehrmeinungen in GAUCH/SCHLUEP, Allgemeiner Teil des schweizerischen Obligationenrechts, Band I, 5. Auflage, Rz. 799 f. und bei KLAUSBERGER, Die Willensmängel im schweizerischen Vertragsrecht, Diss. Zürich 1989, S. 59 Fn. 282-284). Die bundesgerichtliche Praxis mündet in BGE 109 II 109 ff., wo ihre Entwicklung ausführlich dargestellt wird. In diesem Entscheid schliesst das Bundesgericht einen Irrtum über einen künftigen Sachverhalt dann nicht aus, wenn beide Vertragsparteien die Verwirklichung als sicher angesehen haben, verwirft ihn jedoch von vornherein gegenüber blossen Hoffnungen, übertriebenen Erwartungen und Spekulationen. Kritik hat die Rechtsprechung nicht nur seitens grundsätzlicher Gegner der Mitbeachtung eines zukünftigen Sachverhalts erfahren (GAUCH/SCHLUEP, a.a.O., Rz. 801). Selbst Befürworter beanstanden das Erfordernis, dass eine beiden Parteien gemeinsame sichere Vorstellung bestanden haben muss, dass also die Anerkennung des Irrtums der einen Partei vom Irrtum auch der andern abhängig sein soll (GUHL/MERZ/KOLLER, a.a.O., S. 132 und 134; KLAUSBERGER, a.a.O., S. 61). Der Einwand ist insofern berechtigt, als das Bundesgericht diesbezüglich in verschiedenen Entscheiden ( BGE 109 II 110 f., 324, BGE 113 II 27 ) den Eindruck erweckt hat, beide Parteien müssten sich über den betreffenden Sachverhalt geirrt haben. Ein Grundlagenirrtum kann jedoch auch dann vorliegen, wenn zwar nur die sich auf den Irrtum berufende Partei fälschlicherweise annahm, ein zukünftiges Ereignis sei sicher, aber auch die Gegenpartei nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr hätte erkennen müssen, dass die Sicherheit für die andere Partei Vertragsvoraussetzung war ( BGE 117 II 224 ; BUCHER, a.a.O., S. 204 Fn. 40). c) Unerlässliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Berufung auf einen Grundlagenirrtum bleibt indes, dass es sich dabei um einen Irrtum über eine objektiv wesentliche Vertragsgrundlage und nicht bloss um eine auf Hoffnung gründende spekulative Erwartung gehandelt BGE 118 II 297 S. 301 hat. Der Irrende muss sich m. a. W. über einen bestimmten Sachverhalt geirrt haben, den er nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr als notwendige Vertragsgrundlage betrachten durfte ( BGE 113 II 27 ). aa) Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Dass sich eine Person in einer ihr übertragenen Funktion bewähren werde, kann hier wie andernorts nicht als unumstösslich feststehendes Ereignis angesehen werden. Auch wenn Vorabklärungen und betriebliches Umfeld zu einer günstigen Prognose berechtigen, steht der tatsächliche Erfolg nie mit Gewissheit fest. Ein mehr oder minder grosser Unsicherheitsfaktor musste bei objektiver Betrachtung auch vom Beklagten in seine Beurteilung einbezogen werden. Aufgrund ähnlicher Überlegungen hat das Bundesgericht beispielsweise die Annahme, eine Erfindung werde sich gewinnbringend verwerten lassen, oder ein Fabrikgebäude bleibe weiterhin einer rationellen Produktion zugänglich, nicht als unumstösslich feststehende Vertragsgrundlage gelten lassen. Die Irrtumsanfechtung steht nicht als Versicherung gegen eine unvorhergesehen schlechte Entwicklung zur Verfügung (GUGGENHEIM, le droit suisse des contrats, Band I, 1991, S. 156). bb) Nicht anders verhielte es sich, wenn man den für die Vertragschliessenden massgeblichen Sachverhalt entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht in einer zukünftigen, sondern in einer bereits aktuellen Gegebenheit erblicken wollte, nämlich in der schon vorhandenen, aber erst später offenbar gewordenen Nichteignung des Klägers. Mit dem Umstand, dass er nicht optimal für alle höheren Aufgaben geeignet sein könnte, war als Möglichkeit von Anfang an zu rechnen. Das Gegenteil konnte daher vernünftigerweise nicht eine notwendige Vertragsgrundlage bilden. cc) Bei der Annahme, die massgebliche Vorstellung des Beklagten knüpfe an das unerwartete künftige Ereignis einer Charakterwandlung an, gilt es schliesslich folgendes zu bedenken: Der vom Kantonsgericht offensichtlich nicht aufgrund des Beweisergebnisses, sondern der allgemeinen Lebenserfahrung gezogene Schluss, die Nichteignung des Klägers stehe endgültig fest, der Erfolg des Unternehmens lasse sich unter seiner Leitung daher nicht mehr herbeiführen, lässt sich gerade bei Annahme einer charakterlichen Entwicklung nicht aufrechterhalten. Hat eine Entwicklung in die eine Richtung stattgefunden, so ist sie auch in die andere möglich. Der Sachverhalt, über den sich der Beklagte geirrt haben will, stünde diesfalls noch gar nicht fest und könnte nicht zur Begründung eines Irrtums herangezogen werden ( BGE 109 II 112 ). BGE 118 II 297 S. 302 Aus allen diesen Gründen hat die Vorinstanz somit in Verletzung von Bundesrecht den Irrtum des Beklagten als wesentlich und den Vertrag als für ihn unverbindlich betrachtet. Dass dem Zuspruch der Klage bei Verneinung eines Grundlagenirrtums etwas entgegenstehen würde, wird weder behauptet noch ist dies ersichtlich. Die Berufungsantwort enthält insbesondere auch keinen Eventualantrag für den Fall der grundsätzlichen Gutheissung des klägerischen Rechtsbegehrens.
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1,992
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Federation
08fb3d48-d283-42c7-b0e0-9b621a991900
Urteilskopf 141 V 585 63. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen IV-Stelle des Kantons Zürich (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) 8C_590/2015 vom 24. November 2015
Regeste Art. 4 IVG ; Art. 87 Abs. 2 und 3 IVV ; Art. 6-8, 17 Abs. 1 und Art. 53 Abs. 2 ATSG : Praxisänderung; Neuanmeldung. Die neue Rechtsprechung zu den somatoformen Schmerzstörungen stellt für sich allein keinen Neuanmeldungs- bzw. Revisionsgrund dar (E. 5).
Sachverhalt ab Seite 586 BGE 141 V 585 S. 586 A. A.a Die 1955 geborene A. absolvierte eine Ausbildung als Büroangestellte. Am 27. November 2006 wurde ihr im Universitätsspital B. im Bereich der linken Schilddrüse ein papilläres Mikrokarzinom operativ entfernt. Am 17. Dezember 2006 meldete sie sich bei der IV-Stelle des Kantons Zürich (nachfolgend: IV-Stelle) zum Leistungsbezug an. Mit Verfügung vom 2. August 2007 verneinte diese den Rentenanspruch, was das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 30. April 2009 bestätigte. Die Beschwerde der Versicherten hiess das Bundesgericht teilweise gut, hob diesen Entscheid und die Verfügung der IV-Stelle auf und wies die Sache an diese zurück, damit sie, nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, über den Rentenanspruch neu verfüge. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab (Urteil 8C_581/2009 vom 24. November 2009). A.b Die IV-Stelle holte diverse Arztberichte und ein Gutachten der Gutachterstelle X. vom 1. Juli 2010 mit Ergänzungen vom 15. Februar und 17. Mai 2011 ein. Mit unangefochten in Rechtskraft erwachsener Verfügung vom 6. Juli 2011 verneinte sie den Rentenanspruch (Invaliditätsgrad 17 %). Vom 31. Oktober 2011 bis 4. April 2012 gewährte sie der Versicherten Arbeitsvermittlung, die erfolglos war. A.c Am 25. Januar 2013 meldete sich die Versicherte bei der IV-Stelle erneut zum Leistungsbezug an. Diese holte diverse Arztberichte ein. Mit Verfügung vom 18. März 2014 verneinte sie den Rentenanspruch erneut. B. Hiegegen erhob die Versicherte Beschwerde beim Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich. (...) Mit Entscheid vom 17. Juni 2015 wies die Vorinstanz die Beschwerde ab. (...) C. Mit Beschwerde beantragt die Versicherte, in Aufhebung des kantonalen Entscheids sei die IV-Stelle zu verpflichten, ihr ab 28. Juli 2013 eine ganze Invalidenrente auszurichten; eventuell sei die Sache zwecks Einholung eines psychiatrischen Gutachtens an die Vorinstanz zurückzuweisen. Ein Schriftenwechsel wurde nicht angeordnet. BGE 141 V 585 S. 587 Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. (Auszug) Erwägungen Aus den Erwägungen: 5. 5.1 Die Versicherte macht geltend, mit Urteil BGE 141 V 281 vom 3. Juni 2015 habe das Bundesgericht seine Rechtsprechung zu den somatoformen Schmerzstörungen geändert. Gemäss den Gutachten der Gutachterstelle X. vom 1. Juli 2010 und der Frau Dr. med. C. vom 25. Juni 2014 leide sie unter anderem auch an solchen Störungen. Deshalb müsse ihr ein Anspruch auf eine Beweisergänzung im Rahmen des neuen strukturierten Beweisverfahrens eingeräumt werden. 5.2 Eine rechtskräftige Verfügung über eine Dauerleistung ist nur ausnahmsweise zu Ungunsten der versicherten Person an eine geänderte Gerichtspraxis anzupassen. Eine Ausnahme setzt zunächst voraus, dass die neue Praxis eine allgemeine Verbreitung erfährt. Zusätzlich müssen qualifizierende Elemente gegeben sein, welche die Nichtanwendung der neuen Praxis auf laufende Leistungen unter dem Aspekt der Rechtsgleichheit als stossend erscheinen liessen. Ein derartiges Element liegt vor, wenn die frühere Praxis nur noch auf einige wenige Personen Anwendung findet, so dass diese als privilegiert (oder diskriminiert) erscheinen, sowie wenn sich die damalige Leistungszusprechung aus der Sicht der neuen Praxis schlechterdings nicht mehr vertreten lässt ( BGE 135 V 201 E. 6.4 S. 210 f.). Die Rechtsprechung durchbricht den Grundsatz, wonach eine Praxisänderung keine Änderung formell rechtskräftiger Verfügungen über eine Dauerleistung rechtfertigt, kaum je in Bezug auf Anpassungen zu Ungunsten der Versicherten. Wo eine derartige Herabsetzung vorgenommen wurde ( BGE 112 V 387 , bestätigt in BGE 115 V 308 ), betonte das Gericht, es handle sich - angesichts des der früheren Praxis zugrunde liegenden sachfremden Kriteriums - um eine Ausnahmesituation, welche eine besondere Lösung erfordere ( BGE 115 V 308 E. 4b S. 316; vgl. auch BGE 121 V 157 E. 4b S. 162). Zu Gunsten der Versicherten liess das Gericht demgegenüber in einzelnen Fällen eine Anpassung unter weniger strengen Voraussetzungen zu (vgl. BGE 135 V 201 E. 6.1.3 mit Hinweisen auf: BGE 129 V 200 E. 1.2 S. 203 oben; BGE 120 V 128 E. 3c S. 132; BGE 107 V 153 E. 3 S. 157; SVR 2001 ALV Nr. 4 S. 9 und 10, C 222/99 E. 3b). Letztlich hat eine wertende Abwägung der betroffenen Interessen zu erfolgen ( BGE 135 V 201 E. 6.4 S. 210; siehe auch MEYER/REICHMUTH, Rechtsprechung des BGE 141 V 585 S. 588 Bundesgerichts zum IVG, 3. Aufl. 2014, N. 66 und 68 zu Art. 30-31 IVG ; GÄCHTER/MEIER, Schmerzrechtsprechung 2.0, Jusletter 29. Juni 2015, S. 20 f. Rz. 99 ff.; GEORGES PESTALOZZI-SEGER, Behinderung und Recht, 3/15, S. 4). 5.3 Die frühere, mit Urteil BGE 130 V 352 eingeleitete Rechtsprechung konnte sowohl zur Bejahung als auch zur Verneinung des invalidisierenden Charakters einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung bzw. eines äquivalenten Beschwerdebildes führen. Dies gilt auch im Rahmen der geänderten Praxis nach BGE 141 V 281 . Mit dieser erfolgte nicht eine Änderung der Voraussetzungen für den Leistungsanspruch, sondern die Schaffung neuer Standardindikatoren für dessen Beurteilung und eines strukturierten, ergebnisoffenen Beweisverfahrens ( BGE 141 V 281 E. 3.6 S. 294 f., E. 6 S. 307 f.), ohne dass die Aussicht auf eine Rentenleistung a priori steigen würde. Das Bundesgericht betonte vielmehr, unverändert sei auch in Zukunft dem klaren Willen des Gesetzgebers gemäss Art. 7 Abs. 2 ATSG (SR 830.1) Rechnung zu tragen, wonach im Zuge der objektivierten Betrachtungsweise von der grundsätzlichen "Validität" ( BGE 139 V 547 E. 8.1 S. 563) der die materielle Beweislast tragenden versicherten Person auszugehen sei ( BGE 141 V 281 E. 3.7.2 S. 295 f., E. 6 S. 308). Unter der früheren Praxis erfolgte Rentenablehnungen erscheinen daher aus der heutigen Perspektive nicht ohne Weiteres als rechtswidrig, sachfremd oder schlechterdings nicht vertretbar. Der Gesichtspunkt der gesetzmässigen und sachlich vertretbaren Durchführung der Versicherung (vgl. BGE 115 V 308 E. 4b S. 316) verlangt deshalb nicht, vom Grundsatz der Nichtanpassung an eine geänderte Rechtspraxis abzuweichen (vgl. auch BGE 135 V 201 E. 7.2.1 S. 213). Erhebliche Gründe, die einen gegenteiligen Schluss zuliessen, werden nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich. Nach dem Gesagten stellt die neue Rechtsprechung zu den somatoformen Schmerzstörungen bzw. äquivalenten Beschwerdebildern für sich allein keinen Neuanmeldungs- bzw. Revisionsgrund dar (vgl. ebenso: GÄCHTER/MEIER, a.a.O., S. 21 Rz. 102-104; IV-Rundschreiben des Bundesamtes für Sozialversicherungen Nr. 334 vom 7. Juli 2015 S. 2 Ziff. 4b). Grund für eine Neuanmeldung - bei der die Revisionsregeln analog anwendbar sind ( Art. 17 ATSG ; BGE 134 V 131 E. 3 S. 132; BGE 117 V 198 E. 3a) - wäre somit allemal eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse ( BGE 141 V 9 E. 2.3 S. 10; BGE 130 V 343 E. 3.5 S. 349), die hier aber gerade nicht vorliegt (nicht publ. E. 4). Ob ein rechtskräftig beurteilter, unveränderter Sachverhalt BGE 141 V 585 S. 589 nach einer neuen Rechtsprechung rechtlich anders eingeordnet würde, spielt demgegenüber keine Rolle. 5.4 Die neue Rechtsprechung bildet auch keinen Wiedererwägungsgrund nach Art. 53 Abs. 2 ATSG (vgl. Urteil 9C_513/2008 vom 23. März 2009 E. 3, in: SJ 2010 I S. 32; MEYER/REICHMUTH, a.a.O., N. 67 zu Art. 30-31 IVG ; IV-Rundschreiben Nr. 334, a.a.O., S. 2 Ziff. 4b).
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08fbd451-3065-45ce-9357-e832160186b0
Urteilskopf 97 I 784 114. Urteil vom 15. September 1971 i.S. X.-AG gegen Zürich, Kanton und Verwaltungsgericht.
Regeste Art. 4 BV ; zürcherisches Steuerrecht; Ertragssteuer juristischer Personen, Grundstückgewinnsteuer. Es verstösst nicht gegen Art. 4 BV , die von einer Aktiengesellschaft bezahlten oder in der Bilanz zurückgestellten Grundstückgewinnsteuern als steuerbaren Ertrag im Sinne von § 45 Abs. 1 StG zu behandeln.
Sachverhalt ab Seite 784 BGE 97 I 784 S. 784 A.- Am 7. Februar 1964 verkaufte die X.-AG ihre Liegenschaft in Zürich. Mit Rücksicht darauf bilanzierte sie per 31. Dezember 1964 eine Rückstellung für Grundstückgewinnsteuern in der Höhe von Fr. 800'000.--. In ihrer Steuererklärung 1965 setzte sie vom ausgewiesenen Gesellschaftsgewinn einen Betrag von Fr. 2'190,861.-- (Fr. 1'390,861.-- steuerfreier, d.h. nicht der Ertragssteuer unterliegender Grundstückgewinn + Fr. 800'000.-- vom Liegenschaftsgewinn bereits abgebuchte Rückstellung) ab. Daraus ergab sich für 1965 ein ertragssteuerlich massgeblicher Verlust von Fr. 1'053,019.--, welcher von der Einschätzungsbehörde anerkannt wurde. Für 1965 hatte die X.-AG demnach keine Ertragssteuer zu bezahlen. Zulasten der genannten Rückstellung, die sie im Jahre 1966 um Fr. 532.40 erhöhte, zahlte die Pflichtige im Jahre 1965 Fr. 647'900.-- und im Jahre 1966 Fr. 149'098.-- Grundstückgewinnsteuern. Für die Steuereinschätzung 1966 anerkannte der Steuerkommissär die erwähnte Rückstellung unter Hinweis auf eine inzwischen erfolgte Praxisänderung nicht mehr; für 1967 liess er demzufolge auch die Erhöhung der Rückstellung um Fr. 532.40 BGE 97 I 784 S. 785 nicht zu. Für 1966 und 1967 wurde die X.-AG wie folgt eingeschätzt: 1966: Reinertrag laut GVR: Fr. 264'202.-- + der GVR belastete Steuern: Fr. 47'968.-- korrigierter Reinertrag: Fr. 312'170.-- abzüglich: Verlustvortrag 1965: Fr. 1'053,019.-- ./. Rückstellung (Aufrechnung): Fr. 800'000.--: Fr. 253'019.-- Saldo: Fr. 59'151.-- steuerlich massgeblicher Reinertrag: Fr. 59'100.-- 1967: Reinertrag laut GVR: Fr. 398'686.-- + der GVR belastete Steuern: Fr. 53'273.-- korrigierter Reinertrag: Fr. 451'959.-- + der GVR belastete Erhöhung der Rückstellung für Grundstückgewinnsteuern (Aufrechnung): Fr. 532.--: Fr. 452'491.-- ./. abzugsberechtigte Verzugszinsen: Fr. 3'534.-- Saldo: Fr. 448'957.-- steuerlich massgeblicher Reinertrag: Fr. 448'900.-- Nachdem sie erfolglos Einsprache erhoben hatte, gelangte die X.-AG an die Rekurskommission mit dem Antrag, den steuerbaren Ertrag für die Steuerjahre 1966 und 1967 auf je Fr. 0 festzusetzen. Sie machte im wesentlichen geltend, die Aufrechnung der erwähnten Rückstellung sei gesetzwidrig. Mit Entscheid vom 20. November 1970 wies jedoch die Steuerrekurskommission I des Kantons Zürich den Rekurs ab. B.- Gegen diesen Entscheid erhob die X.-AG Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Zürich. Sie beantragte, den aus der Steuereinschätzung 1965 herrührenden Verlust von Fr. 1'053,019.-- zur Verrechnung zuzulassen und dementsprechend BGE 97 I 784 S. 786 den Ertrag für die Steuerjahre 1966 und 1967 auf je Fr. O festzusetzen. Zur Begründung machte sie wiederum geltend, die Grundstückgewinnsteuer dürfe nicht zum steuerbaren Ertrag einer juristischen Person hinzugerechnet werden, weshalb die Aufrechnung der umstrittenen Rückstellung gegen das Gesetz verstosse. Mit Urteil vom 23. März 1971 wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde ab. Zur Begründung führte es im wesentlichen folgendes aus: Wenn eine juristische Person durch Veräusserung einer Liegenschaft einen Gewinn erziele, so unterliege dieser teils der Grundstückgewinnsteuer im Sinne der § § 161 ff. StG , teils der Ertragssteuer gemäss § § 45 ff. StG . Die Differenz zwischen Erlös und Anlagekosten sei Grundstückgewinn ( § 164 Abs. 1 StG ); der Unterschiedsbetrag zwischen Anlagekosten und Buchwert sei dagegen steuerbarer Liegenschaftsgewinn im Sinne des § 45 Abs. 2 StG und unterliege der Ertragssteuer. Grundsätzlich sei jedoch der Liegenschaftsgewinn, wie jeder andere Gewinn, für den Saldo der Gewinn- und Verlustrechnung im Sinne des § 45 Abs. 1 lit. a StG und damit für ein wesentliches Element des steuerbaren Ertrages mitbestimmend. Wenn die Ertragsbesteuerung auf einen Teil des Liegenschaftsgewinns beschränkt bleibe, so lasse sich das nur damit rechtfertigen, dass der komplementäre Gewinnteil der Grundstückgewinnsteuer unterworfen werde. Insofern erweise sich diese als ergänzende Ertragssteuer und damit als Steuer für Ertrag im Sinne des § 45 Abs. 1 lit. b StG . Für die Grundstückgewinnsteuer gelte wie für die Ertragssteuer, dass sie nicht aufgewendet werde, um einen Gewinn zu erzielen, sondern weil ein Gewinn erzielt worden sei. Daraus ergebe sich, dass § 45 Abs. 1 StG , welche Vorschrift den steuerbaren Gesamtertrag bestimme, durch § 45 Abs. 2 StG , welche Bestimmung für den auszuscheidenden Teilertrag massgebend sei, nicht berührt werde. Die Grundstückgewinnsteuer müsse mithin als Steuer für Ertrag behandelt werden und sei somit nicht abzugsfähig. C.- Die X.-AG führt staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV . Sie beantragt, den angefochtenen Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 23. März 1971 aufzuheben. Die Beschwerdebegründung ergibt sich, soweit wesentlich, aus den nachfolgenden Erwägungen. D.- Das Verwaltungsgericht und der Regierungsrat des Kantons Zürich beantragen die Abweisung der Beschwerde. BGE 97 I 784 S. 787 Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Nach der zürcherischen Steuerrechtsordnung unterliegt der von einer Aktiengesellschaft erzielte Grundstückgewinn teils der Grundstückgewinnsteuer gemäss § § 161 ff. StG , teils der Ertragssteuer im Sinne der § § 45 ff. StG . Der Unterschiedsbetrag zwischen Veräusserungserlös und Anlagekosten ist Grundstückgewinn ( § 164 Abs. 1 StG ). Die Differenz zwischen Anlagekosten und Buchwert ist dagegen Liegenschaftsgewinn im Sinne von § 45 Abs. 2 StG und unterliegt der Ertragssteuer. Diese Ordnung will verhindern, dass ein Gewinn aus Liegenschaftsveräusserung gleichzeitig mit der Grundstückgewinn- und der Ertragssteuer erfasst wird (RB ORK 1958 Nr. 21 S. 31). 2. Streitig ist, ob eine Aktiengesellschaft berechtigt ist, allfällig geschuldete Grundstückgewinnsteuern bzw. entsprechende Rückstellungen der ertragssteuerlich massgeblichen Gewinn- und Verlustrechnung zu belasten. Diese Frage wurde von den zürcherischen Steuerjustizbehörden nicht immer gleich beantwortet. Die Oberrekurskommission (ORK) entschied am 24. April 1958 dahin, die Grundstückgewinnsteuer könne vom steuerbaren Ertrag abgesetzt werden. Zur Begründung führte sie im wesentlichen folgendes aus: Die sogenannten Veräusserungskosten (z.B. Mäklerlohn, Handänderungskosten) minderten gemäss § 166 Abs. 1 lit. d und e StG den steuerbaren Grundstückgewinn. Die Grundstückgewinnsteuer gehöre indessen nicht zu den Handänderungskosten im Sinne des § 166 Abs. 1 lit. c StG , denn sie werde nicht aufgewendet, um einen Immobiliengewinn zu erzielen, sondern sei geschuldet, weil ein solcher Gewinn erzielt worden sei. Wenn aber die Grundstückgewinnsteuer den steuerbaren Grundstückgewinn nicht schmälere, so bestehe kein Grund zur Annahme, sie mindere den steuerfreien Liegenschaftsgewinn im Sinne des § 45 Abs. 2 StG . Die Grundstückgewinnsteuer sei deshalb bei der näheren Zuordnung, welche § 45 Abs. 2 StG hinsichtlich der betrieblichen Unkosten gebiete, nicht auf den steuerfreien Liegenschaftsgewinn, sondern auf den steuerbaren Ertrag zu verlegen, den sie entsprechend schmälere (RB ORK Nr. 21 S. 32). Am 10. März 1967 wich das Verwaltungsgericht von der Rechtsprechung der ORK ab. Es erkannte, aus dem nach § 45 BGE 97 I 784 S. 788 Abs. 1 StG berechneten Ertrag sei gemäss Abs. 2 der Gewinn aus Liegenschaften auszuscheiden. Als solcher habe der Nettogewinn zu gelten. Die Grundstückgewinnsteuer sei wie eigentliche Veräusserungskosten auf den Liegenschaftsgewinn zu verlegen, und nur der nach ihrem Abzug verbleibende Gewinn sei als Nettogewinn zu betrachten, der nach § 45 Abs. 2 StG abzugsfähig sei. Gegen dieses Urteil wurde staatsrechtliche Beschwerde erhoben, welche am 4. Oktober 1967 beurteilt wurde. Dabei liess das Bundesgericht offen, ob die erwähnte Begründung gegen Art. 4 BV verstosse und führte aus, das angefochtene Urteil könne auf eine andere, vor dem Willkürverbot haltbare Begründung gestützt werden, weshalb die Beschwerde abzuweisen sei (ASA 37, S. 67 ff.). In seinem Urteil vom 30. Oktober 1969 lehnte das Verwaltungsgericht den Abzug der Grundstückgewinnsteuer vom Ertrag einer juristischen Person erneut ab, und zwar mit einer andern Begründung, als sie im Urteil vom 10. März 1967 gegeben worden war. Es führte aus, die Grundstückgewinnsteuer erweise sich als ergänzende Ertragssteuer und damit als Steuer für Ertrag im Sinne des § 45 Abs. 1 lit. b StG (ZBl 71, 231). Diese Rechtsprechung wurde im angefochtenen Urteil bestätigt. 3. Ob bezahlte Steuern bei der Bemessung der Ertragssteuer für Aktiengesellschaften abzugsfähig sind, ist eine alte Streitfrage des schweizerischen Steuerrechts (E. BLUMENSTEIN, Zur Frage des Steuerabzuges bei der Ertragssteuer für Aktiengesellschaften und wirtschaftliche Genossenschaften, ASA 4 S. 321 ff.). Nach dem Wehrsteuerbeschluss (Art. 49 Abs. 2) und nach verschiedenen kantonalen Steuergesetzen können die Steuern ganz allgemein vom Reinertrag abgesetzt werden (vgl. KÄNZIG, N. 189 ff. zu Art. 49 WStB). Zahlreiche kantonale Steuergesetze lassen dagegen den Abzug der Steuern nur in beschränktem Umfang zu. Gleich wie andere kantonale Rechtsordnungen verweigert das zürcherische Steuergesetz den Abzug von Steuern für Ertrag und Kapital ( § 45 Abs. 1 lit. b StG ). Dieser Ordnung liegt der in der Steuerrechtslehre vertretene Gedanke zugrunde, dass nur jene Steuern zum Abzug zuzulassen sind, die entweder zu den Gewinnungskosten zu rechnen sind (Zölle, Warenumsatzsteuern, Gewerbesteuern) oder die die Quelle des Ertrags belasten und deshalb die Ertragsbildung hindern (z.B. Couponsteuer; vgl. E. BLUMENSTEIN, a.a.O., S. 330 und System des Steuerrechts, 3. Aufl. 1971, S. 226 und S. 234; BGE 97 I 784 S. 789 I. BLUMENSTEIN, Kommentar zum bernischen Steuergesetz, N. 4 zu Art. 35 und N. 10 zu Art. 64). Das entspricht der auch vom Bundesgericht gebilligten Anschauung, dass die direkten Steuern auf Einkommen und Ertrag nicht abzugsfähig sind, da sie nicht bezahlt werden müssen, um ein Einkommen bzw. einen Ertrag zu erzielen, sondern weil ein Einkommen oder Ertrag erzielt wurde, mit andern Worten, da sie Einkommens- bzw. Ertrags verwendung darstellen. 4. Nach § 45 Abs. 2 StG sind Gewinne auf Liegenschaften nur in dem Umfang als Ertrag steuerbar, in dem Abschreibungen zugelassen worden sind. Damit will für den Fall, dass der Buchwert tiefer liegt als die Anlagekosten, eine Ausscheidung des erzielten Gesamtgewinns vorgenommen werden. Da nach § 164 StG der Betrag, um welchen der Erlös die Anlagekosten übersteigt, von der Grundstückgewinnsteuer erfasst wird, leuchtet es ein, dass nur der Unterschiedsbetrag zwischen steuerlich massgeblichem Buchwert und Anlagekosten - d.h. die Summe der zugelassenen Abschreibungen - der Ertragssteuer unterworfen wird. Das Verwaltungsgericht hat § 45 Abs. 2 StG somit nicht in unhaltbarer Weise angewendet, wenn es die Grundstückgewinnsteuer bei der Ertragssteuer nicht zum Abzug zugelassen hat. Die erwähnte Vorschrift lässt sich mit sachlichen Gründen in dem Sinne auslegen, dass damit nur die Aufteilung des Gesamtgewinns auf die beiden Steuerarten klargestellt werden will. 5. Aus § 45 Abs. 2 StG ergibt sich zweifelsfrei, dass der Gesetzgeber eine gegenseitige Anpassung der Ertrags- und Grundstückgewinnsteuer vornehmen wollte. Deshalb ist es geboten, bei der Anwendung des § 45 StG , soweit er sich auf den Liegenschaftsgewinn bezieht, die Regeln über die Grundstückgewinnsteuer mitzuberücksichtigen (vgl. RB ORK 1958 Nr. 21 S. 31/32). Wird die Vorschrift des § 45 StG , soweit sie sich auf den Liegenschaftsgewinn bezieht, im System des Gesetzes betrachtet, so ergibt sich zunächst der bereits bekannte Grundsatz, dass der gesamte Gewinn teils der Grundstückgewinn-, teils der Ertragssteuer unterworfen wird. Dabei ist wesentlich, dass der Unterschiedsbetrag zwischen Anlagekosten und Veräusserungserlös nur von der Grundstückgewinnsteuer erfasst wird und nach § 45 Abs. 2 nicht zum steuerbaren Ertrag gehört. Die Grundstückgewinnsteuer belastet demnach denjenigen Teil des Liegenschaftsgewinns, der zum Ertrag gerechnet wird, überhaupt nicht. BGE 97 I 784 S. 790 Es ist anerkannt, dass eine steuerrechtlich beachtliche Vorbelastung der Ertragsquelle bloss dann anzunehmen ist, wenn ein Bestandteil des steuerbaren Gesamtertrages einer Spezialsteuer unterliegt, d.h. wenn ein der Aktiengesellschaft zufliessender Ertrag um den Steuerbetrag der Spezialsteuer vermindert wird (vgl. E. BLUMENSTEIN, System, 3. Aufl., S. 226). Auch die in § 45 Abs. 1 lit. b StG enthaltene Ordnung geht vom Grundsatz aus, dass - unter Vorbehalt der Steuern für Ertrag und Kapital - nur jene von der Aktiengesellschaft entrichteten Abgaben zum Abzug zuzulassen sind, die zum Steuerobjekt in der soeben umschriebenen steuerrechtlich relevanten Beziehung stehen. Die Grundstückgewinnsteuer zählt als Spezialsteuer weder zu den Gewinnungskosten noch belastet sie die Quelle des Ertrages im soeben dargestellten Sinne, denn der Grundstückgewinn als Unterschiedsbetrag zwischen Anlagekosten und Veräusserungserlös gehört nach dem Gesagten nicht zum steuerbaren Ertrag (§ 45 Abs. 2 in Verbindung mit § 164 Abs. 1 StG ). Es widerspräche deshalb der Systematik des Gesetzes und den für die Abzugsfähigkeit von Steuern massgeblichen Grundsätzen, die Ertragssteuer dem steuerbaren Ertrag hinzuzurechnen, die Grundstückgewinnsteuer dagegen nicht. Eine rein formallogische Auslegung des Wortlauts von § 45 Abs. 1 lit. b StG (Bejahung der Abzugsfähigkeit aller von der Gesellschaft bezahlten Steuern mit Ausnahme der im Gesetz ausdrücklich genannten) würde dem zürcherischen Steuersystem offensichtlich nicht gerecht und ist daher zu verwerfen. Sie hätte nämlich zur Folge, dass ein der Aktiengesellschaft zufliessender Gewinn zwar nicht zum steuerbaren Ertrag gerechnet würde, dass aber die von diesem Gewinn erhobene Spezialsteuer vom steuerbaren Ertrag in Abzug gebracht werden könnte. Das ist ein Ergebnis, das systemwidrig ist und von dem mit gutem Grund angenommen werden kann, dass es der Gesetzgeber nicht gewollt hat. Der Wortlaut von § 45 Abs. 1 lit. b StG schliesst demnach eine Verweigerung des von der Beschwerdeführerin verlangten Steuerabzugs nicht aus (vgl. BGE 95 I 326 ). Indem der Gesetzgeber den Grundstückgewinn (Unterschiedsbetrag zwischen Anlagekosten und Veräusserungserlös) von der Ertragssteuer ausnimmt und allein der Grundstückgewinnsteuer unterwirft, bei dieser aber den Abzug der Steuer unbestrittenermassen ausschliesst (vgl. REIMANN/ZUPPINGER/SCHÄRRER, N. 46 zu § 166 StG ), bringt er mit genügender Deutlichkeit zum Ausdruck, dass der Abzug der Steuer BGE 97 I 784 S. 791 allgemein ausgeschlossen ist. Wenn von einer doppelten steuerlichen Belastung im Umfang der Grundstückgewinnsteuer gesprochen wird, so wird damit angesichts der gesetzlichen Ordnung im Grunde genommen bloss beanstandet, dass diese Steuer nicht vom Grundstückgewinn abgerechnet werden kann. Das ist aber vom Gesetzgeber, wie in Rechtsprechung und Praxis anerkannt ist, gewollt. Eine Gesetzesauslegung, wie sie von der Beschwerdeführerin gefordert wird, würde überdies zu einer sachlich unbegründeten unterschiedlichen Behandlung von natürlichen und juristischen Personen führen. Freilich gelten, wie die Beschwerdeführerin mit Recht ausführt, für die Besteuerung dieser beiden Gruppen von Steuerpflichtigen verschiedene Regeln. Wenn aber der Grundstückgewinn (Unterschiedsbetrag zwischen Anlagekosten und Veräusserungserlös) den steuerbaren Ertrag einer Aktiengesellschaft nicht beeinflusst, so erscheint es sachlich nicht gerechtfertigt, eine juristische Person zum Abzug der Grundstückgewinnsteuer zu ermächtigen und einer natürlichen Person eine entsprechende Schmälerung ihres Einkommens zu versagen (vgl. REIMANN/ZUPPINGER/SCHÄRRER, N. 142 zu § 45 StG ; RB VG 1960 Nr. 28 S. 47 ff.). Aus der Gesetzessystematik und dem steuerrechtlichen Prinzip, das der in § 45 Abs. 1 lit. b enthaltenen Ordnung über die Abzugsfähigkeit der Steuern zugrunde liegt, folgt demnach ohne weiteres, dass die von einer Aktiengesellschaft geschuldete Grundstückgewinnsteuer vom steuerbaren Ertrag nicht abgesetzt werden darf. Ob die zürcherische Grundstückgewinnsteuer als Objektsteuer oder als ergänzende Ertragssteuer zu gelten hat, braucht mithin nicht entschieden zu werden. Wäre sie - wie das Verwaltungsgericht annimmt - eine Ertragssteuer, so fiele ein Abzug bereits aufgrund des Wortlauts von § 45 Abs. 1 lit. b StG ausser Betracht; wäre sie eine Objektsteuer, so widerspräche ihr Abzug nach dem Gesagten in klarer Weise dem zürcherischen Steuersystem, dem bei der Auslegung der fraglichen Bestimmung entscheidende Bedeutung zukommt. Da der angefochtene Entscheid somit im Ergebnis nicht willkürlich ist, muss die Beschwerde abgewiesen werden ( BGE 96 I 549 Erw. 3). Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird abgewiesen.
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Urteilskopf 119 II 478 96. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 7. Dezember 1993 i.S. X. gegen Y. (Berufung)
Regeste Art. 51 Abs. 1 lit. c OG ; Anforderungen an den Entscheid der kantonalen Behörde. Der Verweis eines kantonalen Appellationsgerichts auf den Entscheid der ersten Instanz ohne eigene Motive verstösst gegen Art. 51 Abs. 1 lit. c OG , wenn sich die Sachverhaltsfeststellung als falsch oder ungenügend erwiesen und das Berufungsgericht deshalb neue Beweismittel zugelassen hat. Dieses muss sich in einem solchen Fall mit dem Beweisergebnis auseinandersetzen und seine tatsächlichen Annahmen begründen.
Sachverhalt ab Seite 478 BGE 119 II 478 S. 478 A.- Am 16. März 1993 kündigte Y. das im Juli 1982 mit X. zu Wohnzwecken auf zehn Jahre fest abgeschlossene Mietverhältnis über ein Einfamilienhaus in Z. auf den 30. Juni 1993. Der Mieter BGE 119 II 478 S. 479 ersuchte daraufhin die zuständige Schlichtungsstelle für Mietangelegenheiten um Bewilligung eines Aufschubes bis 31. März 1994. Er machte geltend, das Einfamilienhaus diene ihm nicht nur als Wohnung, sondern auch als Maleratelier sowie als Werkstatt und Lager für sein Montageunternehmen. Demgegenüber berief sich die Vermieterin auf Eigenbedarf für ihre schwangere Tochter und kritisierte die weitergehende Nutzung des Mietobjekts durch X. B.- Die Schlichtungsbehörde gewährte dem Mieter am 29. April 1993 eine einmalige Fristerstreckung bis 31. Dezember 1993. Mit Urteil vom 24. Juni 1993 hob der Bezirksgerichtspräsident diesen Entscheid auf und wies das Begehren um Mieterstreckung ab. Auf Appellation von X. hin bestätigte das Obergericht des Kantons Basel-Landschaft am 14. September 1993 das erstinstanzliche Urteil. C.- X. führt Berufung an das Bundesgericht mit dem Rechtsbegehren, der Entscheid des Obergerichts aufzuheben und das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis bis 31. März 1994 zu erstrecken; eventuell sei die Sache an das Obergericht zurückzuweisen. Y. schliesst auf Abweisung der Berufung, soweit darauf einzutreten sei; eventuell sei festzustellen, dass das Mietverhältnis per 31. Dezember 1993 endgültig ende. Das Bundesgericht weist die Streitsache gemäss Art. 52 OG zu neuer Beurteilung an das Obergericht zurück. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Der Bezirksgerichtspräsident erwog, die vom Mieter geltend gemachten Interessen vermöchten schwerlich einen Härtefall zu begründen. Deshalb müsse das Erstreckungsgesuch abgewiesen werden. Würde auch eine gewisse Härte angenommen, könnte die Mieterstreckung trotzdem nicht gewährt werden, weil der Eigenbedarf der Vermieterin bzw. ihrer schwangeren Tochter vorgehe. a) In Anwendung von Art. 274d Abs. 3 OR nahm das Obergericht mehrere vom Beklagten erst im Appellationsverfahren angerufene Beweismittel entgegen und befragte den Mieter nochmals eingehend. Anschliessend bestätigte es das Urteil seiner Vorinstanz mit der Begründung, auch bei Berücksichtigung der vorgelegten Beweise falle die Interessenabwägung zugunsten der Vermieterin aus. Auf eine schriftliche Motivierung könne verzichtet werden, da das Obergericht gemäss neuerer Praxis bei vollumfänglicher Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils ohne neue Motive generell auf die schriftliche BGE 119 II 478 S. 480 Begründung des bezirksgerichtlichen Entscheids sowie auf die mündliche Begründung des Obergerichts verweise. b) Der Beklagte rügt vorab eine Verletzung von Art. 51 Abs. 1 lit. c OG . Er habe in seiner Eingabe an das Obergericht dargetan, dass die Sachverhaltsdarstellung des Bezirksgerichtspräsidenten unter Verletzung von wesentlichen Verfahrensvorschriften zustande gekommen sei. Das Obergericht habe seine Rüge anerkannt und befunden, der Mangel werde durch das obergerichtliche Verfahren geheilt, weil die Beweise des Mieters nachträglich entgegengenommen würden. Das Obergericht habe es jedoch unterlassen, sich zum Ergebnis des Beweisverfahrens zu äussern. Es lasse sich nicht nachvollziehen, wie das Obergericht zum Schluss gelangt sei, die Interessenabwägung falle zugunsten der Klägerin aus, und welche Umstände es dabei als massgeblich angesehen habe. c) Gemäss Art. 51 Abs. 1 lit. c OG hat die kantonale Behörde das Ergebnis der Beweisführung im Entscheid festzustellen. Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, prüft das Bundesgericht von Amtes wegen, und zwar vor der Eintretensfrage (POUDRET, COJ II, N. 1 zu Art. 51 OG , S. 361). Wird in der Berufung selbst ein Vorgehen nach Art. 51 f. OG beantragt, so muss dargetan werden, dass der Mangel den Sachentscheid beeinflusst hat (MESSMER/IMBODEN, Ziff. 125 Fn. 29 in Verbindung mit Ziff. 114 Fn. 25). Diese Bedingung erfüllt der Beklagte, indem er gleichzeitig eine Verletzung von Art. 274d Abs. 3 OR geltend macht und im übrigen ausführlich dartut, inwiefern die Interessenabwägung gemäss Art. 272 OR bei Berücksichtigung sämtlicher Tatsachen zu seinen Gunsten auszufallen habe. Die Bestimmung von Art. 51 Abs. 1 lit. c OG rechtfertigt sich in zweifacher Hinsicht. Einerseits haben die Parteien im Hinblick auf den Entscheid über die Einlegung einer Berufung Anspruch darauf, alle tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen des kantonalen Richters zur Kenntnis nehmen zu können. Anderseits ergibt sich die Notwendigkeit einer vollständigen Sachverhaltsfeststellung aus der Vorschrift von Art. 63 Abs. 2 OG , welche das Bundesgericht an die tatsächlichen Feststellungen bindet. Letztere müssen ausreichend vollständig und detailliert sein, damit die Überprüfung der Rechtsanwendung möglich ist (POUDRET, COJ II, N. 4 zu Art. 51 OG , S. 365). d) Das Obergericht verweist ohne neue Motive auf die schriftliche Begründung des vorinstanzlichen Präsidialentscheides. Dieses Vorgehen ist grundsätzlich zulässig. Es bedingt lediglich, dass das erstinstanzliche Urteil den Anforderungen von Art. 51 OG genügt (POUDRET, COJ II, N. 1 zu Art. 51, S. 361). Der Beklagte wirft dem BGE 119 II 478 S. 481 Bezirksgerichtspräsidenten zu Recht keine Verletzung von bundesrechtlichen Verfahrensvorschriften vor. Hingegen macht er geltend, das Obergericht habe seinen Einwand, die erstinstanzliche Sachverhaltsfeststellung sei unrichtig und unvollständig, geschützt. Es habe die im Appellationsverfahren ins Recht gelegten Beweismittel entgegengenommen. Es habe sich dazu aber nicht geäussert. Die unvollständigen Erwägungen des angefochtenen Urteils liessen keinen Schluss darüber zu, ob das Obergericht den vom Beklagten behaupteten Sachverhalt als erstellt erachtete, der Mieter habe sich bisher um Ersatzobjekte bemüht, er habe auf Frühjahr 1994 zwei Objekte angeboten erhalten, und das Objekt der Tochter der Vermieterin sei eine Dreizimmerwohnung mit mehr als 80 m2 Grundfläche an ruhiger Wohnlage. Der Einwand des Beklagten trifft zu. Der Bezirksgerichtspräsident hatte mehrere Einwände des Mieters mangels Beweisen abgewiesen und festgehalten, für gewichtige persönliche oder familiäre Interessen des Beklagten an einer Mieterstreckung seien keine Anhaltspunkte gegeben. Das Obergericht hatte aufgrund der von ihm abgenommenen Beweise von einem erheblich geänderten Sachverhalt auszugehen. Seinem Entscheid kann aber nicht entnommen werden, inwieweit es diesen Neuerungen Rechnung getragen hat. Es führt zwar aus, auch bei Berücksichtigung der vorgelegten Beweismittel falle die Interessenabwägung zugunsten der Vermieterin aus. Aus dem angefochtenen Urteil geht aber nicht hervor, inwieweit die rechtliche Interessenabwägung den ergänzten Sachverhalt berücksichtigt. Wenn ein kantonales Berufungsgericht schon Beweise abnimmt, dann muss es sich zu diesen auch äussern. Der kantonale Richter hat sich mit dem Beweisergebnis auseinanderzusetzen und seine tatsächlichen Annahmen zu begründen (vgl. dazu MESSMER/IMBODEN, Ziff. 125 Fn. 37). e) Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der blosse Verweis eines kantonalen Appellationsgerichts auf den erstinstanzlichen Entscheid, und damit der Verzicht auf eigene Motive, gegen Art. 51 Abs. 1 lit. c OG verstösst, wenn sich die erstinstanzliche Sachverhaltsdarstellung als falsch oder ungenügend erweist und das Berufungsgericht deshalb neue Beweismittel zulässt.
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Urteilskopf 110 V 263 42. Urteil vom 27. November 1984 i.S. Bürgin gegen Ausgleichskasse des Kantons Basel-Landschaft und Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft
Regeste Art. 16 und 17 IVG : Begriff der ökonomisch relevanten Erwerbstätigkeit als Abgrenzungskriterium der erstmaligen beruflichen Ausbildung von der Umschulung. - Ein ökonomisch relevantes Erwerbseinkommen als Voraussetzung für den Umschulungsanspruch liegt vor, wenn der Versicherte bereits drei Viertel der minimalen vollen einfachen ordentlichen Invalidenrente erzielte und dieses Einkommen invaliditätsbedingt verlor (Präzisierung der Rechtsprechung; Erw. 1a-c). - Gleichzustellen sind jene Fälle, wo der Versicherte zwar weniger als sechs Monate oder überhaupt noch nicht erwerbstätig war, wo aber aufgrund der gesamten Verhältnisse ebenfalls mit überwiegender Wahrscheinlichkeit feststeht, dass er ohne invaliditätsbedingte Eingliederung ein Einkommen der erwähnten Höhe verdienen würde (Präzisierung der Rechtsprechung; Erw. 1d und e).
Sachverhalt ab Seite 264 BGE 110 V 263 S. 264 A.- Marcel Bürgin hatte am 14. April 1980 eine Lehre als Metallbauschlosser begonnen. Sein Lehrlingslohn betrug im ersten Jahr monatlich Fr. 300.--, im dritten Jahr knapp Fr. 550.--. Im Herbst 1982 musste er die Lehre krankheitshalber abbrechen, worauf er beschloss, eine Ausbildung kaufmännischer Richtung zu absolvieren. Mit rechtskräftiger Verfügung vom 20. Oktober 1982 gewährte ihm die Ausgleichskasse des Kantons Basel-Landschaft gestützt auf Art. 16 IVG Beiträge an den Besuch eines halbjährigen Vorkurses an der Neuen Sprach- und Handelsschule (NSH) in Basel. Da sich im Frühjahr 1983 keine kaufmännische Lehrstelle fand, verfügte die Ausgleichskasse am 11. Februar 1983, wiederum gestützt auf Art. 16 IVG , die "Kostenübernahme für die Ausbildung im Hotelhandelskurs an der NSH, Basel, ab Frühjahr 1983 bis Frühjahr 1984". B.- Die Fürsorgebehörde der Wohnsitzgemeinde führte gegen die Verfügung vom 11. Februar 1983 namens des Versicherten Beschwerde mit dem Antrag, es seien Eingliederungsmassnahmen nach Art. 17 IVG zuzusprechen. Zur Begründung brachte die Behörde u.a. vor, der Versicherte habe während der zweieinhalbjährigen Lehre bereits ein wirtschaftlich bedeutsames Erwerbseinkommen erzielt; er wäre auch in der Lage, einen ökonomisch relevanten Lohn zu verdienen, wenn er die Lehre aus invaliditätsfremden Gründen abgebrochen hätte (z.B. als Schlossereihilfsarbeiter); die wirtschaftliche Bedeutung sei auch daraus ersichtlich, dass der Versicherte mit seinem Lohn im dritten Lehrjahr knapp den Lebensunterhalt habe bestreiten können, was nun invaliditätsbedingt nicht mehr der Fall sei. In der Vernehmlassung hielt die Ausgleichskasse dem entgegen, einem während der erstmaligen beruflichen Ausbildung invalid gewordenen Versicherten stehe in bezug auf den zweiten Lehrgang der Umschulungsanspruch nur zu, wenn er vorher ein existenzsicherndes Einkommen erzielt habe; als existenzsichernd gälten BGE 110 V 263 S. 265 nach der Weisung des Bundesamtes für Sozialversicherung (BSV) vom 22. März 1983 (publiziert in ZAK 1983 S. 142) Einkünfte, die im Durchschnitt der letzten sechs Monate mindestens dem Mittelwert zwischen Minimum und Maximum der vollen einfachen ordentlichen Invalidenrente entsprächen (bis 31. Dezember 1983 Fr. 930.--); diese Voraussetzung sei vorliegend eindeutig nicht erfüllt. Das Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft schloss sich im wesentlichen dieser Auffassung an und wies die Beschwerde mit Entscheid vom 21. September 1983 ab. C.- Die Fürsorgebehörde führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, es seien dem Versicherten, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und der Kassenverfügung vom 11. Februar 1983, "Massnahmen beruflicher Art gemäss Art. 17 IVG zuzusprechen, verbunden mit einem Taggeld während der Dauer der Massnahmen". Die Behörde macht sinngemäss geltend, die Absicht des BSV, durch die Weisung vom 22. März 1983 eine einheitliche Rechtsanwendung zu gewährleisten, sei an sich nicht zu beanstanden; doch widerspreche der darin verwendete Begriff der existenzsichernden Einkünfte dem Urteil B. vom 19. November 1982, in welchem das Eidg. Versicherungsgericht nicht ein existenzsicherndes, sondern nur ein ökonomisch relevantes Einkommen für den Anspruch auf Umschulung als massgeblich erklärt habe. Während die Ausgleichskasse auf eine Vernehmlassung verzichtet, beantragt das BSV Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das BSV rechtfertigt die Höhe des in der Weisung vom 22. März 1983 als massgeblich erklärten Einkommens im wesentlichen damit, aus Art. 5 Abs. 3 IVV , welcher im Rahmen der Mehrkostenberechnung bei erstmaliger beruflicher Ausbildung auch den Fall des Invaliditätseintritts während der Ausbildung erwähne, müsse geschlossen werden, dass in solchen Fällen nur ausnahmsweise eine Umschulung angenommen werden könne. Im weiteren seien nach der bisherigen Rechtsprechung Einkommen von Fr. 1'100.-- bis Fr. 1'200.-- als beachtlich beurteilt worden, monatliche Einkünfte in der Grössenordnung von - wie vorliegend - Fr. 500.-- hingegen nicht. Schliesslich würden die Lehrlingslöhne erhebliche branchenmässige, regionale und individuelle Streuungen aufweisen, weshalb ein "Schnitt quer durch diese Skalen" nicht vertretbar gewesen sei. Bei dieser Sachlage habe sich ermessensweise angeboten, das ökonomisch relevante mit dem BGE 110 V 263 S. 266 existenzsichernden Einkommen gleichzusetzen, welches seinerseits eher unter dem betreibungsrechtlichen Existenzminimum liege. Auf Anfrage des Gerichts teilte das BSV am 30. April 1984 u.a. mit, im Rahmen der zweiten IV-Revision sei geplant, auch den in erstmaliger beruflicher Ausbildung befindlichen Versicherten einen Taggeldanspruch einzuräumen, eine Neuerung, die aller Voraussicht nach auf den 1. Januar 1986 in Kraft treten werde. Für die Übergangszeit sei die Grenze zwischen Umschulung und erstmaliger beruflicher Ausbildung nicht zu sehr zu verschieben. Deshalb sei es wünschbar, die ökonomisch relevante Einkommenshöhe nicht allzu tief anzusetzen; in diesem Sinne erscheine ein Betrag in der Höhe von drei Vierteln der als Grenzwert für das existenzsichernde Einkommen geltenden Summe (derzeit Fr. 777.--) als angemessen. Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. a) Versicherte, die noch nicht erwerbstätig waren und denen infolge Invalidität bei der erstmaligen beruflichen Ausbildung in wesentlichem Umfange zusätzliche Kosten entstehen, haben Anspruch auf Ersatz dieser Kosten, sofern die Ausbildung den Fähigkeiten des Versicherten entspricht ( Art. 16 Abs. 1 IVG ). Nach Art. 17 Abs. 1 IVG hat der Versicherte Anspruch auf Umschulung auf eine neue Erwerbstätigkeit, wenn die Umschulung infolge Invalidität notwendig ist und dadurch die Erwerbsfähigkeit voraussichtlich erhalten oder wesentlich verbessert werden kann. Für die Umschulung als Naturalleistung ( Art. 17 IVG ) hat die Invalidenversicherung grundsätzlich voll aufzukommen ( Art. 6 IVV ), wogegen sich ihre Aufgabe im Rahmen von Art. 16 IVG darauf beschränkt, an die erstmalige berufliche Ausbildung Beiträge zu leisten, und zwar in dem Masse, als invaliditätsbedingt zusätzliche Kosten von wesentlichem Umfang ( Art. 5 Abs. 2 IVV ) entstehen. Wer sich in Umschulung befindet, hat sodann nach Massgabe der Art. 22 ff. IVG und Art. 17 ff. IVV Anspruch auf Taggeld, während diese Leistung bei der erstmaligen beruflichen Ausbildung entfällt ( Art. 22 Abs. 1 Satz 2 IVG ). Im Hinblick auf diese und weitere Unterschiede ist es unerlässlich, die Leistungsansprüche nach Art. 16 und Art. 17 IVG voneinander abzugrenzen. Diesbezüglich kommt es nach dem Gesetzeswortlaut und der bisherigen Rechtsprechung entscheidend darauf an, ob der Versicherte BGE 110 V 263 S. 267 vor Beginn der Eingliederungsmassnahme bereits effektiv erwerbstätig war oder nicht (EVGE 1969 S. 110 Erw. 2a mit Hinweisen). Dabei fällt nach der Praxis nur eine ökonomisch relevante Erwerbstätigkeit in Betracht (ZAK 1983 S. 249 Erw. 1c mit Hinweis). In dem vom Beschwerdeführer erwähnten Urteil B. vom 19. November 1982 (veröffentlicht in ZAK 1983 S. 248) hat das Eidg. Versicherungsgericht die vom BSV in jener Sache vertretene Auffassung abgelehnt, dass Lehrlingslöhne kein Erwerbseinkommen seien und daher - trotz allfälliger ökonomischer Relevanz - nicht zur Qualifizierung des nachfolgenden zweiten Lehrganges als Umschulung im Sinne von Art. 17 IVG führen könnten; in jenem Fall bezeichnete das Gericht das von einer Psychiatrielehrschwester während knapp zwei Jahren erzielte monatliche Einkommen zwischen Fr. 954.-- (erstes Lehrjahr) und Fr. 1'348.-- (drittes Lehrjahr) als wirtschaftlich bedeutsam. Ebenso hat das Gericht den Umschulungsanspruch bei einem Versicherten anerkannt, der in einer Zusatzlehre als Dachdecker monatlich Fr. 1'100.-- im ersten und Fr. 1'200.-- im zweiten Lehrjahr verdient hatte (unveröffentlichtes Urteil Bernhard vom 14. Februar 1983). Anscheinend als Reaktion auf das Urteil B. vom 19. November 1982 erliess das BSV in den IV-Mitteilungen Nr. 237 vom 22. März 1983 unter Rz. 1602 folgende Weisung (veröffentlicht in ZAK 1983 S. 142, bestätigt in ZAK 1983 S. 228 f.): "Abgrenzung der Umschulung gegenüber der erstmaligen beruflichen Ausbildung Eine für den Anspruch auf Umschulung entscheidende Bedingung besteht darin, dass die vor Eintritt der Invalidität ausgeübte Erwerbstätigkeit ökonomisch relevant sein muss... Diese Voraussetzung kann in Ausnahmefällen auch während einer beruflichen Ausbildung erfüllt sein. Im Interesse einer rechtsgleichen Beurteilung der Ansprüche ist in solchen Fällen... folgende Regel zu beachten: Tritt die Invalidität im Verlaufe einer beruflichen Ausbildung ein und muss wegen dieser Invalidität eine andere Ausbildung begonnen werden, so gilt die zweite Ausbildung als Umschulung, wenn ein existenzsichernder (Lehrlings-)Lohn ausgerichtet wurde. Als existenzsichernd in diesem Sinne gilt ein Erwerbseinkommen, das im Durchschnitt der letzten sechs Monate mindestens dem Mittelwert zwischen Minimum und Maximum der vollen einfachen ordentlichen Invalidenrente (derzeit Fr. 930.--) entspricht." Diese von der Aufsichtsbehörde gestützt auf Art. 92 Abs. 1 IVV in Verbindung mit Art. 64 Abs. 1 IVG und Art. 72 Abs. 1 AHVG erlassene Weisung ist keine Rechtsnorm. Sie ist wohl für die Durchführungsorgane, nicht aber für den Richter verbindlich. Die BGE 110 V 263 S. 268 Weisung ist eine im Interesse der gleichmässigen Gesetzesanwendung abgegebene Meinungsäusserung der sachlich zuständigen Aufsichtsbehörde. Der Richter soll sie bei seiner Entscheidung mitberücksichtigen, sofern sie eine dem Einzelfall angepasste und gerecht werdende Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulässt ( BGE 109 Ib 207 Erw. 2 mit Hinweis, BGE 109 V 4 Erw. 3a, 34 Erw. 3c, 126 Erw. 4a, 212 und 255, BGE 107 V 154 Erw. 2b mit Hinweisen). Somit ist vorliegend zu prüfen, ob die erwähnte Weisung vom 22. März 1983 gesetzeskonform ist, was der Beschwerdeführer sinngemäss bestreitet. b) Art. 16 Abs. 1 IVG knüpft für die Umschreibung der erstmaligen beruflichen Ausbildung daran an, dass der Versicherte "noch nicht erwerbstätig" war. Wie erwähnt, hat das Eidg. Versicherungsgericht diese Voraussetzung in dem Sinne relativiert, dass nicht jede einmal ausgeübte Erwerbstätigkeit, sondern nur eine solche von ökonomischer Relevanz dazu führen soll, den Anspruch auf Umschulungsmassnahmen zu begründen. Von der normalen Berufsausübung abgesehen, welche die Praxis seit je als wirtschaftlich bedeutsam betrachtet hat (vgl. z.B. EVGE 1965 S. 44 Erw. 1; ZAK 1970 S. 550 f. Erw. 1 und 2), zeichnet die Rechtsprechung zum Erfordernis der ökonomischen Relevanz kein einheitliches Bild. Das Eidg. Versicherungsgericht verneinte anfänglich die wirtschaftliche Bedeutsamkeit, wenn die Arbeit nicht auf die Erzielung eines Einkommens gerichtet war, sondern vorwiegend Beschäftigungscharakter hatte und dem Versicherten dementsprechend nur minimale Einkünfte verschaffte, wie dies etwa in bezug auf gelegentliche Strickarbeiten und die Mithilfe im elterlichen Haushalt (EVGE 1962 S. 121 Erw. 2), die Aushilfe in der väterlichen Druckerei und das Volontariat als Kindergärtnerin (EVGE 1962 S. 221 Erw. 3) sowie kurze Arbeitsversuche (EVGE 1966 S. 228 oben) festgehalten wurde. Später mass das Gericht der Kurzfristigkeit höhere Bedeutung bei, indem es die ökonomische Relevanz verneinte, wenn die Erwerbstätigkeit - obwohl vielleicht verhältnismässig gut bezahlt - lediglich während relativ kurzer Zeit ausgeübt wurde (ZAK 1979 S. 120 Erw. 1a, b), etwa zur Überbrückung der Zeit zwischen Schulentlassung und Beginn der beruflichen Ausbildung (ZAK 1971 S. 284 Erw. 4 in fine). In anderen Urteilen stellte das Gericht auf den Zeitpunkt des Ausbildungsabschlusses (unveröffentlichtes Urteil Badertscher vom 29. November 1982) oder darauf ab, dass die Erwerbstätigkeit BGE 110 V 263 S. 269 zeitlich zwischen zwei verschiedenen Stufen der beruflichen Ausbildung lag (unveröffentlichtes Urteil Siebenmann vom 17. Dezember 1982) oder nur vorübergehend bis zum Finden einer dem erlernten Beruf entsprechenden Stelle ausgeübt wurde (unveröffentlichtes Urteil Probst vom 23. November 1982), was jeweils der Annahme einer wirtschaftlich bedeutsamen Erwerbstätigkeit - ungeachtet der Höhe und Dauer der effektiv erzielten Einkünfte - entgegenstand. An dieser Rechtsprechung kann insoweit nicht festgehalten werden, als im Einzelfall die für die ökonomische Relevanz einer Erwerbstätigkeit massgeblichen Faktoren (primär die Höhe der erzielten Einkünfte, verbunden allenfalls mit der Dauer des Verdienstes) schrittweise durch andere nichtwirtschaftliche Gesichtspunkte ergänzt oder ersetzt wurden. Vielmehr hat sich die Beurteilung der Frage, ob eine Erwerbstätigkeit ökonomisch relevant ist, nach wirtschaftlichen Gegebenheiten, die objektiv feststellbar sind, zu richten. Dieser - auch zum Zwecke einer einheitlichen Rechtsanwendung - gebotenen Beschränkung auf ökonomische Faktoren hat das BSV mit dem Erlass der Weisung vom 22. März 1983 grundsätzlich zutreffend Rechnung getragen. Der Beizug geläufiger und leicht zu ermittelnder Bemessungskriterien aus dem AHV/IV-Rentenrecht ist ebenfalls an sich nicht zu beanstanden. Zu prüfen bleibt, ob die Anforderungen, welche das BSV in der Weisung an die Höhe der Einkünfte und die Dauer der Einkommenserzielung stellt, gesetzmässig sind. c) Was die Höhe anbelangt, umschreibt das BSV den Begriff des wirtschaftlich bedeutsamen Erwerbseinkommens in seiner Weisung dadurch, dass als ökonomisch relevant ein existenzsicherndes Einkommen bezeichnet wird. Im Anschluss daran setzt das BSV - anscheinend gestützt auf die Rechtsprechung zu Ziff. 10 HVI-Anhang ( BGE 105 V 63 ) - das Kriterium der Existenzsicherung mit dem Mittel zwischen Minimum und Maximum der vollen einfachen ordentlichen Invalidenrente gleich. Dieser Wert beträgt für die Zeit bis 31. Dezember 1983 Fr. 930.-- und seither Fr. 1'035.-- (Rententabellen des BSV 1982 und 1984, je Bd. 2, S. 7). Hiegegen wendet der Beschwerdeführer, wie bereits im vorinstanzlichen Verfahren, ein, ein Verdienst könne gegebenenfalls auch wirtschaftlich bedeutsam sein, wenn er nicht existenzsichernd sei. Diese Auffassung trifft zu. In der Tat wäre es unverständlich, wenn eine minimale einfache volle ordentliche Invalidenrente von gegenwärtig monatlich Fr. 690.-- als wirtschaftlich nicht bedeutsam BGE 110 V 263 S. 270 bezeichnet würde, weil sie das Existenzminimum des Bezügers nicht deckt. Dass für die ökonomische Relevanz eines Erwerbseinkommens im Rahmen der Abgrenzung zwischen erstmaliger beruflicher Ausbildung und Umschulung etwas anderes gelten müsste, ist nicht einzusehen. Schon unter diesem Gesichtspunkt ist der vom BSV festgelegte Betrag eindeutig zu hoch und nicht gesetzeskonform. Auszugehen ist vom Gesetzeswortlaut ( Art. 16 Abs. 1 IVG ), der auch nicht andeutungsweise Erwerbstätigkeiten mit Einkommen in einer Grössenordnung ausschliesst, wie das BSV dies u.a. gestützt auf die bisherige Praxis annimmt. Diese Auffassung wird durch die Materialien bestätigt. In der Botschaft vom 24. Oktober 1958 zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung führte der Bundesrat aus, nur eine "kurzfristige Erwerbstätigkeit (z.B. Ferienbeschäftigung eines Studenten) oder eine eigentliche Übergangstätigkeit zwischen Schulaustritt und Beginn der Berufslehre" sei unbeachtlich (BBl 1958 II 1258). Die Gesetzesberatung in den eidgenössischen Räten gab diesbezüglich zu keinen Diskussionen Anlass. Somit bestand bei der Schaffung des Gesetzes offenbar die Meinung, die üblichen Lehrlingslöhne seien als wirtschaftlich bedeutsam zu betrachten. Andernfalls hätte die Feststellung des Bundesrates keinen Sinn, dass "eine eigentliche Übergangstätigkeit zwischen Schulaustritt und Beginn der Berufslehre" unter dem Gesichtswinkel von Art. 16 IVG nicht beachtlich sei. Die vom BSV vorgenommene betragsmässige Fixierung der wirtschaftlich bedeutsamen Tätigkeit führt jedoch dazu, dass Lehrlingslöhne in aller Regel als nicht beachtlich gelten würden, erreichen diese doch erfahrungsgemäss nur ausnahmsweise Beträge in der Höhe von Fr. 930.-- bzw. Fr. 1'035.-- monatlich. Sodann ist, entgegen der Auffassung des BSV, dem Umstand Rechnung zu tragen, dass, wie erwähnt, de lege lata bei der erstmaligen beruflichen Ausbildung - im Gegensatz zur Umschulung - ein Taggeldanspruch entfällt ( Art. 22 Abs. 1 Satz 2 IVG ). Dieser Ausschluss der erstmaligen beruflichen Ausbildung bei der Taggeldberechtigung steht in engem Zusammenhang mit dem Erfordernis der fehlenden vorausgegangenen Erwerbstätigkeit gemäss Art. 16 Abs. 1 IVG ; denn das Taggeld bezweckt vorab, den durch die Eingliederung bewirkten Verdienstausfall zu ersetzen ( Art. 22 Abs. 1 Satz 1 IVG ), wobei als Bemessungsgrundlage das vom Versicherten durch die zuletzt voll ausgeübte Tätigkeit erzielte Einkommen dient ( Art. 24 Abs. 2 IVG ). Die gesetzliche Regelung BGE 110 V 263 S. 271 trägt somit dem Umstand, dass ein Versicherter gegebenenfalls vor Invaliditätseintritt nur ein relativ bescheidenes Einkommen verdiente, bei der Taggeldfestsetzung in masslicher Hinsicht Rechnung, ohne in solchen Fällen den Taggeldanspruch auszuschliessen. Aus diesen Gründen ist das wirtschaftlich bedeutsame Erwerbseinkommen wesentlich niedriger anzusetzen, als das BSV dies in der Weisung getan hat oder in der Eingabe vom 30. April 1984 vorschlägt. Im Hinblick auf das eben Gesagte, wonach die üblichen Lehrlingslöhne als ökonomisch relevant zu betrachten sind, rechtfertigt es sich, den Grenzbetrag auf drei Viertel der minimalen vollen einfachen ordentlichen Invalidenrente - was der Hälfte der als Grenzwert für das existenzsichernde Einkommen geltenden Summe entspricht - festzulegen, d.h. auf Fr. 465.-- (bis Ende 1983) und Fr. 517.50 (ab Anfang 1984). Der Hinweis des BSV auf Art. 5 Abs. 3 IVV vermag zu keinem andern Ergebnis zu führen, weil für die Konkretisierung und Abgrenzung der Anspruchstatbestände primär die Auslegung des Gesetzes und nicht die Formulierung der Vollzugsverordnung massgeblich ist. d) Was die Dauer der Erwerbstätigkeit anbelangt, ist laut der Weisung vom 22. März 1983 der Durchschnitt "der letzten sechs Monate" massgeblich. Dem kann nicht uneingeschränkt beigepflichtet werden. Zwar ist es nicht zu beanstanden, wenn das Durchführungsorgan bei länger dauernden Erwerbstätigkeiten im Sinne einer Bemessungsgrundlage (etwa um allfälligen Schwankungen Rechnung zu tragen) eine Periode von sechs Monaten heranziehen soll. Jedoch müssen jene Fälle vorbehalten bleiben, wo der Versicherte zwar weniger als sechs Monate effektiv arbeitete, wo aber ebenfalls mit überwiegender Wahrscheinlichkeit feststeht, dass er ohne invaliditätsbedingte Eingliederung mindestens drei Viertel der minimalen vollen einfachen ordentlichen Invalidenrente verdienen würde. Dies kann z.B. dann der Fall sein, wenn der Versicherte in einem Arbeitsverhältnis (das ihm ein solches wirtschaftlich bedeutsames Einkommen sichert) steht oder über die feste Zusicherung einer solchen Anstellung verfügt und an der Fortsetzung bzw. Aufnahme dieser Erwerbstätigkeit gehindert wird, weil in der Zeit nach dem Vertragsabschluss ein Gesundheitsschaden eintrat, der die weitere Ausübung bzw. die Aufnahme der erwerblichen Beschäftigung verunmöglichte oder unzumutbar machte und die Durchführung einer Eingliederungsmassnahme erforderte. BGE 110 V 263 S. 272 Für diese Auffassung spricht nicht nur der dargelegte systematische Zusammenhang zwischen der Taggeldregelung gemäss Art. 22 ff. IVG einerseits und der erstmaligen beruflichen Ausbildung anderseits; sie ergibt sich auch unmittelbar aus Sinn und Zweck von Art. 17 IVG . Diese Norm räumt dem Versicherten, welcher nach seinen persönlichen, ausbildungsmässigen und wirtschaftlichen Verhältnissen ohne Invalidität ein ökonomisch relevantes Erwerbseinkommen erzielen würde, den Anspruch ein, sich auf eine neue Erwerbstätigkeit umzuschulen. Es liesse sich nicht rechtfertigen, Versicherten, die während sechs Monaten das massgebliche Einkommen erreichten, Umschulungsmassnahmen zu gewähren, jenen Versicherten aber vorzuenthalten, welche zufälligerweise weniger lang oder überhaupt noch nicht beschäftigt waren, die aber ebenfalls einer ökonomisch relevanten Erwerbsarbeit nachgingen, wenn sie hieran nicht durch die invaliditätsbedingte Eingliederung gehindert würden. Die bisherige Praxis (vgl. Erw. 1a hievor) ist auch diesbezüglich zu präzisieren. e) Zusammenfassend ergibt sich, dass ein für die Abgrenzung von Art. 16 und Art. 17 IVG massgebliches ökonomisch relevantes Erwerbseinkommen vorliegt, wenn der Versicherte bereits während sechs Monaten drei Viertel der minimalen vollen einfachen ordentlichen Invalidenrente erzielte und dieses Einkommen invaliditätsbedingt verlor. Gleichzustellen sind jene Fälle, in denen der Versicherte zwar weniger als sechs Monate erwerbstätig war, in denen aber aufgrund der gesamten Verhältnisse ebenfalls mit überwiegender Wahrscheinlichkeit feststeht, dass er ohne invaliditätsbedingte Eingliederung ein Einkommen in der Höhe von drei Vierteln der minimalen vollen einfachen ordentlichen Invalidenrente verdienen würde. 2. Im vorliegenden Fall hatte der Beschwerdeführer unbestrittenerweise im Zeitpunkt des Lehrabbruches (Herbst 1982) während mehr als sechs Monaten bereits einen Lohn von knapp Fr. 550.-- verdient. Auch würde er seither ohne invaliditätsbedingte Eingliederung mindestens Einkünfte dieser Grössenordnung erzielen. Daher hat er nach dem in Erwägung 1 hievor Gesagten Anspruch darauf, dass die Invalidenversicherung die beabsichtigte kaufmännische Ausbildung (einjähriger Hotelhandelskurs an der NSH) als Umschulung im Sinne von Art. 17 IVG übernimmt. Die Sache ist an die Verwaltung zurückzuweisen, damit sie die einzelnen Leistungen nach Massgabe von Art. 6 IVV BGE 110 V 263 S. 273 und unter Berücksichtigung eines Taggeldanspruches nach Art. 22 ff. IVG und Art. 17 ff. IVV verfügungsweise festlege. Dispositiv Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Basel-Landschaft vom 21. September 1983 und die Kassenverfügung vom 11. Februar 1983 aufgehoben werden und die Sache an die Ausgleichskasse des Kantons Basel-Landschaft zurückgewiesen wird, damit diese im Sinne der Erwägungen über den Leistungsanspruch neu verfüge.
null
nan
de
1,984
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
08fd935f-725e-4775-b52b-ecec118eee00
Urteilskopf 118 IV 192 34. Extrait de l'arrêt de la Cour de cassation pénale du 27 mai 1992 dans la cause S. c. Procureur général du canton de Genève (pourvoi en nullité).
Regeste Art. 3b Abs. 3 VRV ; Helmtragpflicht der Führer von Motorfahrrädern. Diese Vorschrift beruht auf einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage, hält sich im Rahmen der Delegationsnorm und begründet keine Ungleichbehandlung. Sie ist somit gesetzmässig und verfassungskonform.
Sachverhalt ab Seite 192 BGE 118 IV 192 S. 192 A.- Le 14 février 1991, S. a circulé en cyclomoteur à Genève sans porter de casque. B.- Par jugement du 15 octobre 1991, le Tribunal de police de Genève l'a condamné, pour infraction aux art. 90 ch. 1 LCR et 3b OCR, à une amende de 10 francs et aux frais de la procédure. Statuant sur appel du condamné le 16 mars 1992, la Chambre pénale de la Cour de justice a confirmé ce jugement. C.- Contre cet arrêt, S. s'est pourvu en nullité à la Cour de cassation du Tribunal fédéral. Soutenant que l'obligation faite aux cyclomotoristes de porter un casque, figurant à l' art. 3b OCR , était dépourvue de base légale, violait le principe de l'égalité de traitement et l'interdiction de l'arbitraire, il conclut, sous suite de frais et dépens, à l'annulation de l'arrêt attaqué. Erwägungen Extrait des considérants: 1. Le pourvoi en nullité à la Cour de cassation du Tribunal fédéral, qui a un caractère cassatoire ( art. 277ter al. 1 PPF ), ne peut être formé que pour violation du droit fédéral, à l'exception de la violation directe des droits constitutionnels ( art. 269 PPF ). BGE 118 IV 192 S. 193 Comme le recourant invoque des moyens d'ordre constitutionnel, on peut se demander s'il n'aurait pas dû agir par la voie du recours de droit public ( art. 269 al. 2 PPF ). Il soutient cependant en définitive que l' art. 3b OCR n'était pas applicable - et cela pour des raisons constitutionnelles -, de sorte qu'il pose une question portant sur l'application de l'OCR et n'invoque qu'indirectement une violation du droit constitutionnel; la jurisprudence a déjà admis qu'il fallait agir par la voie du pourvoi en nullité pour contester la constitutionnalité ou la légalité d'une ordonnance du Conseil fédéral appliquée à l'appui d'une condamnation pénale (arrêt non publié du 19 juin 1981 cité par CORBOZ, Le pourvoi en nullité, SJ 1991 p. 80 note 156; cf. également: ATF 103 IV 194 s.). La Cour de cassation n'est pas liée par les motifs invoqués, mais elle ne peut aller au-delà des conclusions du recourant; en revanche, elle est liée par les constatations de fait de l'autorité cantonale, sous réserve de la rectification d'une inadvertance manifeste ( art. 277bis PPF ). La cour cantonale a retenu que le recourant pilotait un cyclomoteur, ce qui est d'ailleurs conforme au rapport de police; on ne voit donc pas d'inadvertance manifeste sur ce point (cf. art. 277bis al. 1 PPF ). La Cour de cassation est liée par cette constatation de fait et le recourant ne peut pas être suivi lorsqu'il parle, dans son mémoire, de la conduite d'un motocycle léger (voir ATF 115 IV 41 consid. 3a; sur la notion de motocycle léger: art. 2 al. 2 2 e phrase OCE; sur la notion de cyclomoteur: art. 5 al. 2 OCE ). Il doit être enfin rappelé que le mémoire produit à l'appui du pourvoi doit contenir la motivation du recourant et qu'il n'y a pas lieu d'entrer en matière sur des arguments qui résultent seulement d'un renvoi à des pièces du dossier ou à des écritures antérieures ( ATF 106 IV 284 consid. 2, 340 consid. 1, 100 IV 187 consid. 1a). 2. a) Selon l' art. 90 ch. 1 LCR , celui qui aura violé les règles de la circulation fixées par la loi ou par les prescriptions d'exécution émanant du Conseil fédéral sera puni des arrêts ou de l'amende. Dans sa partie consacrée à l'énoncé des règles de circulation, l'OCR prévoit, à l'art. 3b al. 3 que "les conducteurs de cyclomoteurs doivent porter un casque homologué pendant le trajet". Cette règle s'applique sous réserve d'exceptions contenues à l' art. 3b al. 4 OCR , dont aucune n'est réalisée en l'espèce. Il n'est donc pas douteux, sur la base des faits établis par l'autorité cantonale d'une manière qui lie la Cour de cassation, que la condamnation du recourant à une amende de 10 francs procède d'une application correcte des dispositions visées. BGE 118 IV 192 S. 194 Le litige porte exclusivement sur la légalité et la constitutionnalité de l'obligation prescrite par l' art. 3b al. 3 OCR . b) Le Tribunal fédéral peut contrôler la constitutionnalité et la légalité des ordonnances du Conseil fédéral; lorsqu'une ordonnance est fondée sur une délégation législative, il s'assure que les dispositions adoptées restent dans le cadre de la norme de délégation; il vérifie également qu'elles ne violent pas le droit constitutionnel, sauf si une dérogation découle directement de la norme de délégation elle-même ( ATF 114 Ib 19 consid. 2, ATF 112 Ib 368 consid. c, ATF 105 IV 254 consid. 2a). Si la délégation de compétence donne au Conseil fédéral un large pouvoir d'appréciation pour fixer des dispositions d'exécution, cette décision lie le Tribunal fédéral, qui ne doit pas substituer sa propre appréciation à celle de l'autorité compétente; il ne pourrait intervenir que si l'ordonnance sortait manifestement du cadre de la délégation ou pour d'autres motifs violait la loi ou la constitution ( ATF 114 Ib 19 consid. 2, ATF 112 Ib 368 consid. c et les arrêts cités). c) Selon l' art. 57 al. 5 let. b LCR , le Conseil fédéral peut prescrire que les conducteurs et passagers de véhicules à deux roues équipés d'un moteur portent un casque protecteur. On observera que le législateur a choisi la formule très générale de "véhicules à deux roues équipés d'un moteur", et non pas celle, plus restrictive, de motocycles. On ne saurait dire qu'un cyclomoteur ( art. 5 al. 2 OCE ) n'est pas un véhicule à deux roues équipé d'un moteur. Quant aux raisons pour lesquelles la loi n'a pas institué elle-même l'obligation de porter le casque, elles ont été expliquées lors des travaux préparatoires. Ayant considéré que le casque, pour les usagers des véhicules à deux roues motorisés, constituait un moyen efficace d'atténuer les risques de blessures en cas d'accident, le législateur a laissé le soin au Conseil fédéral d'introduire l'obligation de le porter, si l'usage volontaire n'augmentait pas suffisamment; il a été précisé que "le gouvernement fédéral pourrait en déclarer le port obligatoire pour ceux qui utilisent de tels véhicules ou certaines catégories de ces véhicules" (BO 1979 CN 917, déclaration Wilhelm). L'article 3b al. 3 OCR qui oblige les cyclomotoristes à porter le casque - hormis les exceptions prévues à l'al. 4 - repose donc manifestement sur une base légale suffisante et le Conseil fédéral n'est pas sorti du cadre de la délégation de compétence. d) Le recourant soutient que le Conseil fédéral a fait un usage arbitraire de la faculté qui lui était ouverte par la loi, en créant une inégalité de traitement entre, d'une part, les cyclomotoristes astreints à BGE 118 IV 192 S. 195 porter le casque et, d'autre part, les cyclistes et les cyclomotoristes qui en sont dispensés par l' art. 3b al. 4 OCR . Le grief d'arbitraire, tel qu'il est invoqué, ne se distingue pas de celui tiré d'une violation du droit à l'égalité de traitement. On doit tout d'abord se demander si l'inégalité alléguée ne résulte pas du texte légal déjà, de sorte qu'elle échapperait au contrôle du Tribunal fédéral ( art. 113 al. 3 Cst. ; ATF 114 Ib 19 consid. 2). Il résulte clairement de l' art. 57 al. 5 let. b LCR que seuls les occupants de véhicules à deux roues équipés d'un moteur peuvent être astreints à porter un casque; ainsi, le législateur a d'emblée distingué le cas des véhicules à deux roues sans moteur, à savoir les cycles. Il n'a cependant pas prescrit que le Conseil fédéral, s'il entendait faire usage de la faculté qui lui était ouverte, devait nécessairement astreindre au port du casque tous les occupants d'un véhicule à deux roues équipé d'un moteur. Il ressort au contraire clairement des travaux préparatoires qu'il lui appartient de déterminer si des distinctions doivent être faites (BO 1979 CN 917). Le Tribunal fédéral peut donc examiner si l'ordonnance, par les distinctions qu'elle a choisi de faire ou de ne pas faire, a créé des inégalités insoutenables. e) Le droit à l'égalité de traitement, garanti par l' art. 4 Cst. , est violé lorsqu'une disposition établit des distinctions qui ne trouvent aucune justification raisonnable dans la situation à réglementer ou omet les distinctions qui s'imposent; le principe de l'égalité exige que ce qui est semblable soit traité de la même fa on dans la mesure de la similitude et que ce qui est dissemblable soit traité différemment dans la mesure de la dissemblance; seuls des éléments pertinents et importants peuvent justifier un traitement semblable ou un traitement différent; la question de savoir s'il existe un motif raisonnable pour une distinction peut recevoir des réponses différentes suivant les époques et les idées dominantes; il convient également de respecter en cette matière le pouvoir d'appréciation qui appartient à l'autorité compétente ( ATF 117 Ia 101 consid. 3a, 259 consid. 3b et les arrêts cités). f) S'il est vrai, comme l'observe le recourant, que le droit de la circulation routière a parfois assimilé les cyclomoteurs à des cycles ( art. 43 al. 1 OCR , 90 al. 1 OAC, art. 75 al. 1 OCE ), cette assimilation n'est jamais totale; il arrive même que la législation assimile les motocyclistes et les cyclistes ( art. 42 al. 1 et 2 OCR ). Le recourant ne conteste pas que le port du casque puisse constituer une protection efficace en cas de chute, le Tribunal fédéral étant BGE 118 IV 192 S. 196 d'ailleurs lié sur ce point par la volonté du législateur ( art. 57 al. 5 let. b LCR ). Il n'est pas déraisonnable de penser que la violence d'une chute est généralement influencée par la vitesse du véhicule. S'il est vrai qu'un cycliste peut théoriquement atteindre ou dépasser la vitesse d'un cyclomotoriste ( art. 5 al. 2 OCE ), l'expérience enseigne cependant que les cyclomotoristes roulent souvent à une vitesse proche du maximum autorisé (30 km/h), alors que les cyclistes, en raison de l'effort à fournir, roulent généralement et en moyenne moins vite. Compte tenu du large pouvoir d'appréciation laissé au Conseil fédéral, on ne saurait dire qu'il a créé une inégalité de traitement insoutenable en n'assimilant pas les cyclomotoristes aux cyclistes et en faisant usage à leur égard de la faculté ouverte par l' art. 57 al. 5 let. b LCR . g) Le recourant soutient enfin que dans trois cas les exceptions prévues par l' art. 3b OCR créent une inégalité de traitement. Il évoque tout d'abord le cas des livreurs allant de maison en maison ( art. 3b al. 4 let. b OCR ). Exiger de ces livreurs qu'ils mettent et enlèvent constamment leur casque peut raisonnablement apparaître comme excessif; il existe donc sur ce point une différence de situation qui justifie la différence de traitement. Le recourant évoque ensuite les conducteurs circulant sur des chemins ruraux et des chemins forestiers ( art. 3b al. 4 let . d OCR). Il est cependant raisonnable de penser que la circulation est moins dense sur ces voies de communication et qu'en conséquence le risque d'accident est moindre; ici également, il existe une différence de situation qui justifie la différence de traitement. Le recourant évoque enfin le cas des enfants de moins de 7 ans. Il perd cependant de vue qu'il n'y a sur ce point aucune exception pour les cyclomoteurs ( art. 3b al. 4 OCR ) puisqu'ils ne peuvent transporter de passagers ( art. 5 al. 2 OCE et 42 al. 1 OCR) et que l'âge de 14 ans est requis pour les piloter ( art. 28 al. 1 OAC ). Quant aux enfants passagers d'un motocycle ( art. 3b al. 2 let . e et art. 63 OCR ), leur situation est nettement distincte de celle du recourant, de sorte que celui-ci ne saurait invoquer ce cas particulier et rare pour prétendre à un traitement semblable. Le pourvoi doit par conséquent être rejeté.
null
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1,992
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09057af1-f917-497a-874f-24c998f79c33
Urteilskopf 104 Ia 401 59. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 8. November 1978 i.S. X. gegen X. und Kassationsgericht des Kantons Zürich
Regeste Art. 4 BV ; § 285 der zürcherischen Zivilprozessordnung vom 13. Juni 1976. Es ist nicht willkürlich, die Nichtigkeitsbeschwerde im Sinne der §§ 281 ff. der zürcherischen Zivilprozessordnung nicht zuzulassen, wenn die behaupteten Mängel mit Berufung an das Bundesgericht gerügt werden können.
Erwägungen ab Seite 401 BGE 104 Ia 401 S. 401 Aus den Erwägungen: 1. Das Kassationsgericht ist auf die Nichtigkeitsbeschwerde des Beschwerdeführers nicht eingetreten, weil das Bundesgericht auf Berufung hin frei prüfen könne, ob das obergerichtliche Urteil an den gerügten Mängeln leide; nach § 285 der zürcherischen Zivilprozessordnung (ZPO) sei die kantonale Nichtigkeitsbeschwerde in einem solchen Fall unzulässig. In der staatsrechtlichen Beschwerde wird diese Begründung als willkürlich angefochten, indem vorgebracht wird, das Kassationsgericht habe ausser acht gelassen, dass die Nichtigkeitsbeschwerde gemäss ausdrücklicher Regelung in § 285 Abs. 2 zweiter Satz ZPO stets zulässig sei, wenn unter anderem eine BGE 104 Ia 401 S. 402 Verletzung von Art. 4 BV geltend gemacht werde; eine solche Rüge sei jedoch mit der Nichtigkeitsbeschwerde erhoben worden. § 285 ZPO hat folgenden Wortlaut: "Gegen Entscheide, die der Berufung, dem Rekurs, der Einsprache an das erkennende Gericht oder dem Weiterzug an das Bundesgericht unterliegen, ist die Nichtigkeitsbeschwerde nur zulässig, wenn der Beschwerdeführer nachweist, dass er ohne Verschulden vom Nichtigkeitsgrund erst Kenntnis erhalten hat, als die genannten Rechtsmittel nicht mehr ergriffen werden konnten. Der Weiterzug an das Bundesgericht im Sinne von Abs. 1 gilt als gegeben, wenn das Bundesgericht frei überprüfen kann, ob der geltend gemachte Mangel vorliege. Die Nichtigkeitsbeschwerde ist stets zulässig, wenn eine Verletzung von Art. 4 oder 58 der Bundesverfassung geltend gemacht wird. Ist das Kassationsgericht auf eine Nichtigkeitsbeschwerde nicht eingetreten, weil es das Bundesgericht für die geltend gemachte Rüge als zuständig erachtete, und hat sich nachher das Bundesgericht als unzuständig erklärt, so kann der Beschwerdeführer innert zehn Tagen seit der Mitteilung des bundesgerichtlichen Entscheids mit schriftlicher Eingabe beim Kassationsgericht verlangen, dass es die Beschwerde behandle." Nach dieser Bestimmung hat die zürcherische Nichtigkeitsbeschwerde bloss subsidiären Charakter: Sie ist nur zulässig wenn der behauptete Mangel nicht mit einem ordentlichen Rechtsmittel gerügt werden kann. Was den Weiterzug eines Entscheids an das Bundesgericht betrifft, ist die kantonale Nichtigkeitsbeschwerde somit ausgeschlossen, soweit die Berufung oder die Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht zur Verfügung steht (STRÄULI/MESSMER, N. 1 und 6 zu § 285 ZPO ). Dieser Grundsatz wollte offensichtlich auch durch den vom Beschwerdeführer angerufenen zweiten Satz von § 285 Abs. 2 ZPO nicht durchbrochen werden. Die dort vorbehaltene Geltendmachung einer Verletzung von Art. 4 oder 58 BV betrifft lediglich das Verhältnis zwischen der kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde und der staatsrechtlichen Beschwerde. Der Grund für die Aufnahme dieser Sonderregelung besteht darin, dass es im Anwendungsbereich der beiden erwähnten Verfassungsbestimmungen mitunter nicht einfach ist festzustellen, ob das Bundesgericht die in Frage stehende Verletzung auf staatsrechtliche Beschwerde hin frei oder nur mit beschränkter Kognition prüfen werde. Wegen der damit verbundenen Unsicherheit sollte die Zulässigkeit der kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde nicht davon abhängig gemacht werden, ob dem Bundesgericht BGE 104 Ia 401 S. 403 bei der Beurteilung einer staatsrechtlichen Beschwerde hinsichtlich des geltend gemachten Mangels eine umfassende Prüfungsbefugnis zusteht (vgl. STRÄULI/MESSMER, N. 21/22 zu § 285 ZPO ). Dieser Grund für die erleichterte Zulassung der kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde entfällt jedoch, wenn der behauptete Mangel durch Berufung an das Bundesgericht gerügt werden kann. In diesem Fall ist kein Zweifel daran möglich, dass dem Bundesgericht die Befugnis zu freier Prüfung zusteht. Wenn das Kassationsgericht im angefochtenen Entscheid voraussetzte, dass § 285 Abs. 2 ZPO im soeben dargelegten Sinne zu verstehen sei, verfiel es keinesfalls in Willkür. Der Vorwurf des Beschwerdeführers ist daher unbegründet. Es kann sich einzig fragen, ob das Kassationsgericht ohne Willkür habe davon ausgehen dürfen, dass das Bundesgericht als Berufungsinstanz frei werde prüfen können, ob die vom Beschwerdeführer gerügten Mängel vorliegen.
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Urteilskopf 97 I 893 129. Extrait de l'arrêt du 1er décembre 1971 dans la cause Küpfer contre Conseil d'Etat du canton de Genève
Regeste Initiativrecht. Unterschriftensammlung auf öffentlicher Strasse. Art. 85 lit. a OG 1. Die Sammlung von Unterschriften für eine Volksinitiative geniesst den Schutz von Art. 85 lit. a OG (Erw. 2). 2. Meinungsäusserungsfreiheit, Initiativrecht; Umfang dieser Rechte (Erw. 4). 3. Es ist mit der Meinungsäusserungsfreiheit und mit dem Initiativrecht vereinbar, die Sammlung von Unterschriften auf öffentlicher Strasse von einer behördlichen Bewilligung abhängig zu machen (Erw. 5). 4. Voraussetzungen, von denen die Bewilligung abhängig gemacht werden darf (Erw. 6 und 7).
Sachverhalt ab Seite 894 BGE 97 I 893 S. 894 Résumé des faits: A.- Les 10 août et 14 septembre 1971, le Département de justice et police du canton de Genève a été saisi de deux requêtes tendant à obtenir l'autorisation de récolter des signatures sur la voie publique à l'appui de l'initiative populaire fédérale concernant la "décriminalisation de l'avortement". Ces requêtes émanaient toutes deux de membres du Comité d'initiative fédéral ou genevois. La seconde relevait notamment que la récolte de signatures pour la même initiative s'était faite sur la voie publique à Bâle, Berne, Thoune, Berthoud, Soleure, Aarau, Zurich, Winterthur, Schaffhouse, Saint-Gall, Bellinzone, Lausanne, Yverdon et Neuchâtel, sans qu'il en soit résulté aucun trouble quelconque pour l'ordre public. Dans les deux cas, le département a refusé l'autorisation demandée, dans le second après en avoir référé au Conseil d'Etat. Il déclarait que, de façon constante et depuis longtemps, il s'était toujours opposé à la récolte de signatures sur la voie publique, un tel mode de faire étant de nature à gêner la circulation et à provoquer des attroupements, voire des affrontements et des incidents, suivant l'objet de l'initiative, du référendum ou de la pétition. Comme il est exclu, disait-il, d'accorder ou de refuser l'autorisation en fonction de cet objet, la seule solution possible est de refuser dans tous les cas la récolte de signatures sur la voie publique, le droit d'initiative pouvant facilement s'exercer par d'autres moyens. Ces deux premières décisions n'ont pas fait l'objet d'un recours au Tribunal fédéral. B.- Déclarant agir au nom du "Comité onésien de soutien à l'initiative fédérale pour la décriminalisation de l'avortement", Anne-Marie Küpfer a demandé à son tour au Département cantonal de justice et police et au Conseil d'Etat, par lettres du 20 septembre 1971, l'autorisation de récolter des signatures sur la voie publique à Onex, "notamment dans l'agglomération et dans le centre commercial". A la différence des deux précédentes, cette requête ne précisait pas que des stands ou des tables seraient installés sur la voie publique; elle ne disait rien de la façon dont on procéderait à la récolte des signatures. Par lettres des 23 et 24 septembre 1971, le département et le Conseil d'Etat ont refusé tous deux l'autorisation, en reprenant en substance les motifs qu'ils avaient déjà donnés aux précédents BGE 97 I 893 S. 895 requérants et en confirmant qu'ils entendaient s'en tenir à leur ligne de conduite antérieure. C.- Contre la décision du Conseil d'Etat, Anne-Marie Küpfer a formé en temps utile un recours de droit public. Elle conclut à l'annulation de la décision attaquée, tout en demandant au Tribunal fédéral de dire qu'aucune autorisation préalable n'était nécessaire en l'espèce et que, par conséquent, la recourante pourra collecter librement sur la voie publique, aux emplacements indiqués dans sa requête initiale, des signatures à l'appui de l'initiative en cause. A la forme, le recours se fonde sur les art. 84 al. 1 lettre a et 85 lettre a OJ. Quant au fond, la recourante allègue la violation de la liberté d'expression, de ses droits politiques et du principe d'égalité. Le Conseil d'Etat conclut au rejet du recours. Les motifs du recours et de la réponse seront repris ci-dessous, dans la mesure utile. Erwägungen Extrait des motifs: 2. La recourante fonde son recours non seulement sur l'art. 84 al. 1 lettre a OJ, mais également sur l'art. 85 lettre a (recours concernant le droit de vote des citoyens). Ainsi que le Tribunal fédéral l'admet depuis longtemps, le droit d'initiative et le droit de référendum font partie des droits politiques des citoyens, sont considérés comme des droits constitutionnels garantis par la constitution fédérale et bénéficient de la protection de l'art. 85 lettre a OJ (RO 59 I 121, 94 I 124 consid. 1a et les arrêts cités). Sans doute cette opinion a-t-elle généralement été émise à l'occasion de cas où l'autorité compétente refusait de soumettre au vote populaire une demande d'initiative qu'elle considérait comme irrecevable, ou de cas dans lesquels un acte législatif sujet au référendum facultatif ou obligatoire y était soustrait. Le citoyen actif se trouvait alors privé de la faculté d'exercer son droit de vote dans une affaire à propos de laquelle la constitution ou la loi lui donnait le droit de s'exprimer. Mais il n'y a pas de raison de ne pas mettre déjà la récolte des signatures - en faveur d'une initiative ou d'une demande de référendum - au bénéfice de la protection de l'art. 85 lettre a OJ. Le droit d'initiative populaire comprend en effet la double faculté de lancer une initiative et de tout mettre en oeuvre pour recueillir les signatures nécessaires à son aboutissement, BGE 97 I 893 S. 896 sans être entravé de façon injustifiée de la part des pouvoirs publics. La recourante pouvait donc fonder son recours sur l'art. 85 lettre a OJ pour se plaindre de la violation de ses droits politiques, comme sur l'art. 84 al. 1 lettre a OJ en alléguant la violation du principe de l'égalité et de la liberté d'expression. 4. La recourante invoque avant tout la liberté d'expression, que la jurisprudence récente reconnaît comme un droit constitutionnel non écrit de la Confédération (RO 96 I 592 consid. 6 et les arrêts cités). Bien que le contenu n'en ait guère été défini jusqu'ici, il faut admettre que cette liberté comprend la faculté de faire connaître librement ses opinions et de les répandre en usant de moyens légaux, sans plus. Elle n'implique pas la faculté de faire pression sur autrui pour le convaincre de certaines idées, ni en particulier celle d'arrêter des personnes dans la rue ou de pénétrer chez elles contre leur gré pour chercher à les convaincre et à obtenir leur adhésion. Une telle liberté ne peut en effet s'exercer que dans le respect de celle d'autrui. Lorsque la recourante demande de pouvoir organiser sur la voie publique une collecte de signatures en vue d'une initiative populaire, sa prétention sort donc du cadre de la simple liberté d'expression. En revanche, le droit d'initiative populaire en tant que droit politique dont se prévaut aussi la recourante va plus loin que la simple liberté d'expression, en ce qu'il comprend la faculté pour chaque citoyen non seulement de lancer une initiative populaire, mais encore d'agir de façon efficace pour la faire aboutir, dans le respect de l'ordre public et de la liberté d'autrui. Mais, en principe, un droit constitutionnel du citoyen ne va pas jusqu'à comprendre la faculté d'exiger une prestation quelconque de la part des pouvoirs publics, en dehors de facultés qui peuvent découler de la nature même d'un certain droit (cf. RO 97 I 230, consid. 4 d; AUBERT, Traité de droit constitutionnel suisse, p. 630, no 1751), ou qui sont prévues par une disposition expresse (à Genève, faculté de faire tenir des listes à la disposition des électeurs dans les mairies et au département, prévue par l'art. 125 de la loi du 25 juin 1961 sur les votations et élections). En l'absence de disposition applicable en l'espèce, il s'agit donc d'examiner si la recourante peut se fonder sur le droit d'initiative pour exercer la faculté qui lui a été refusée. 5. La recourante soutient qu'une autorisation n'était pas nécessaire pour recueillir sur le domaine public des signatures BGE 97 I 893 S. 897 à l'appui de l'initiative. Elle se fonde en particulier sur l'arrêt Aleinick (RO 96 I 586). Quant à l'exigence d'une base légale pour imposer le régime de l'autorisation préalable, elle prétend que le règlement concernant la tranquillité publique ne pouvait être invoqué comme base légale par le Conseil d'Etat, car il ne soumet à autorisation préalable que l'exercice de la liberté de réunion et de manifestation, et non l'exercice de la liberté d'expression. Le Conseil d'Etat, dans sa réponse, invoque encore comme base légale la loi sur le domaine public du 24 juin 1961. Selon la jurisprudence, les pouvoirs publics peuvent subordonner à une autorisation préalable l'usage privatif du domaine public par un particulier même lorsque aucune disposition légale ne le prévoit (RO 95 I 249 consid. 3 et les arrêts cités). Dans l'arrêt Aleinick (RO 96 I 591 consid. 5) le Tribunal fédéral a laissé ouverte la question de savoir si la distribution de tracts sur le domaine public constituait un usage accru de ce domaine. Il s'est demandé en revanche si les règles relatives à l'utilisation du domaine public (notamment l'exigence de l'autorisation préalable même sans base légale) s'appliquaient aussi lorsque était en jeu l'exercice des libertés fondamentales du citoyen. Il n'a pas résolu la question pour la généralité des cas, mais seulement pour le cas d'espèce, où il a estimé qu'une autorisation préalable n'était pas nécessaire, s'agissant de la distribution de tracts par une seule personne sur un trottoir à la sortie d'une usine. Pour les raisons indiquées ci-dessous, on peut également se dispenser de trancher ici ce point. Il ne saurait être question, en effet, de laisser recueillir des signatures sur la voie publique n'importe où et n'importe quand. Si une telle récolte se fait par exemple sur des trottoirs étroits ou très passants, l'attroupement qu'elle provoque - même sans installation de tables ou de stands - ne manque pas de gêner la circulation des piétons et peut aller jusqu'à créer un danger pour le trafic des véhicules à moteur sur la chausése elle-même, les piétons devant emprunter cette chaussée pour pouvoir passer. D'autre part, la cueillette simultanée de signatures pour des initiatives ou pétitions portant sur des objets opposés peut provoquer des incidents, voire des affrontements violents. Il est dès lors indispensable, dans la plupart des cas, de régler l'organisation de telles collectes et de fixer des conditions de lieux et de temps qui permettent d'éviter les inconvénients signalés ci-dessus. BGE 97 I 893 S. 898 Même si une réglementation n'était pas indispensable dans certains cas, le simple fait qu'elle soit le plus souvent nécessaire suffit à justifier le principe général de l'autorisation préalable, à défaut de quoi la situation juridique serait incertaine - le départ entre les deux catégories de cas étant difficile à faire dans la pratique - et créerait facilement l'impression d'une inégalité de traitement. Sans doute peut-on se demander si la mesure un peu moins restrictive consistant simplement à annoncer à l'autorité la collecte envisagée ne suffirait pas; elle permettrait à l'autorité d'intervenir à temps en imposant les conditions requises par la sauvegarde de l'ordre et de la tranquillité publics, voire en prononçant une interdiction totale ou partielle lorsque des circonstances spéciales le justifieraient. Mais cela reviendrait pratiquement au même, car le régime de l'autorisation préalable ne signifie pas que l'autorité peut accorder ou refuser selon son bon plaisir l'autorisation sollicitée (RO 96 I 232). D'autre part, lorsqu'il s'agit de récolter des signatures sur la voie publique, les initiateurs disposent en général du temps nécessaire pour entreprendre les démarches préalables, contrairement à ce qui peut se passer pour des manifestations spontanées, question que le Tribunal fédéral a évoquée dans l'arrêt Nöthiger(RO 96 I 233), sans qu'il ait eu besoin de la trancher. Il faut admettre en conclusion que le régime de l'autorisation préalable pour la collecte de signatures sur la voie publique ne viole pas la liberté d'expression, ni le droit d'initiative qui appartient à chaque citoyen. 6. Si la recourante soutient qu'en principe une autorisation préalable n'était pas nécessaire, elle prétend aussi que le refus opposé à la demande qu'elle avait néanmoins présentée est incompatible avec les droits constitutionnels invoqués. a) Comme on l'a déjà relevé plus haut, l'autorité n'est pas libre d'accorder ou de refuser l'autorisation d'utiliser le domaine public, surtout pas lorsqu'il s'agit de l'exercice des libertés fondamentales. Elle doit apprécier objectivement les intérêts qui s'affrontent. Elle doit en outre respecter le principe de la proportionnalité et ne pas opposer un refus là où une autorisation assortie de certaines conditions et charges restrictives peut suffire. Alors même qu'il faut laisser à l'autorité cantonale une certaine marge d'appréciation, le Tribunal fédéral jouit d'un pouvoir de libre BGE 97 I 893 S. 899 examen, s'agissant de l'exercice d'un droit constitutionnel; tout au plus s'impose-t-il une certaine retenue en raison des circonstances locales, que les autorités cantonales, plus proches, sont mieux à même de saisir et d'apprécier. b) En l'espèce, l'autorité cantonale a refusé l'autorisation pour des raisons de principe, conformément à sa pratique constante dès 1952 en matière d'initiative populaire et de référendum: la récolte des signatures sur la voie publique est de nature à gêner la circulation et à provoquer des attroupements, voire des incidents, alors que d'autres moyens sont à disposition, qui ne présentent pas les mêmes inconvénients. Le Conseil d'Etat n'a donc pas statué in casu, selon son bon plaisir. Le grief d'inégalité de traitement, d'ailleurs non motivé, est en tout cas mal fondé. Aux motifs invoqués jusqu'à maintenant, le Conseil d'Etat en ajoute un autre dans sa réponse au recours: la collecte de signatures sur la voie publique porte atteinte à la liberté du citoyen de signer ou de ne pas signer une initiative ou un référendum, les passants pouvant être entraînés, contre leur gré, à donner leur accord sous la pression de la rue. c) Il y a lieu d'examiner ces différents motifs et leur compatibilité avec les droits constitutionnels invoqués. aa) Le Conseil d'Etat mentionne tout d'abord l'entrave à la circulation sur la voie publique. Il est vrai que la récolte de signatures est plus gênante que la vente d'insignes ou d'autres objets, elle-même sujette à autorisation et très souvent autorisée; elle peut également provoquer des attroupements et aller parfois jusqu'à créer des dangers pour la circulation des véhicules sur la chaussée elle-même, ainsi qu'on l'a relevé plus haut (consid. 5). Mais ces inconvénients peuvent être écartés par une autorisation assortie de conditions restrictives: exclusion de certains endroits resserrés ou à trafic particulièrement dense, limitation de la récolte à des endroits ou en des moments déterminés. Le refus d'autorisation ne pourrait donc se fonder sur ce seul motif. bb) Le Conseil d'Etat insiste surtout sur le risque d'attroupements, d'incidents et de contre-manifestations que peut engendrer la récolte de signatures sur la voie publique. Il fait état du climat d'agitation entretenu par des groupements extrémistes qui ont organisé ces derniers temps des manifestations et contre-manifestations violentes, au cours desquelles il y eut BGE 97 I 893 S. 900 des blessures, parfois graves, notamment parmi les forces de police. Ces manifestations étaient cependant étrangères à l'exercice du droit d'initiative ou de pétition. La liste des demandes d'autorisations présentées depuis 1952 en vue de récolter des signatures sur la voie publique montre que, d'une façon générale, les objets pour lesquels le public était sollicité d'apporter son appui par une signature n'étaient pas de nature à provoquer des incidents graves et des affrontements violents. Au surplus, des collectes semblables, organisées dans d'autres villes, n'ont pas causé de difficultés spéciales aux organes de la police. On ne peut donc pas se fonder sur les incidents éventuels que pourrait provoquer l'une ou l'autre initiative ou pétition pour interdire de façon générale la cueillette de signatures sur le domaine public. Il est vrai qu'en l'espèce, le gouvernement genevois fait encore état d'une demande d'autorisation présentée par les adversaires de l'initiative, en vue de récolter sur la voie publique des signatures à l'appui d'une pétition intitulée "oui à la vie, non à l'avortement et à l'immoralité". Mais il est possible d'éviter les incidents et heurts que pourrait provoquer la collecte simultanée de signatures pour deux objets opposés en fixant des conditions de lieux et de temps bien précises, propres à éliminer les risques de tels incidents. Et si une telle autorisation devait malgré tout engendrer des troubles, les pouvoirs publics garderaient la faculté de la révoquer, même dans le cas où les perturbateurs directs ne seraient pas les organisateurs de la collecte; car on ne saurait admettre que l'autorisation d'utiliser le domaine public à des fins spéciales soit l'occasion de troubles pour l'ordre public. Il n'est d'ailleurs pas exclu qu'en raison de risques sérieux et imminents pour l'ordre public, engendrés par des circonstances spéciales de temps, de lieux et même d'objet (par exemple le fait qu'une initiative s'en prendrait à une catégorie déterminée de personnes), l'autorisation de récolter des signatures sur la voie publique puisse être refusée d'emblée. cc) Le Conseil d'Etat estime enfin que la récolte de signatures sur la voie publique n'est pas souhaitable, parce qu'elle ne respecte pas suffisamment la liberté de l'électeur. Il est vrai que, sous la pression de la rue, certaines personnes pourraient être entraînées à donner une signature qu'elles refuseraient dans BGE 97 I 893 S. 901 d'autres conditions. Mais ce n'est pas là une raison suffisante pour interdire une telle collecte: d'une part, il est dans l'ordre normal des choses que chacun s'efforce, sur le plan politique, de gagner d'autres personnes à ses idées; d'autre part, la pression exercée n'est en réalité pas très forte, et l'on peut attendre des citoyens et citoyennes qu'ils sachent résister à des opinions qu'ils ne partagent pas. d) Si l'on examine l'intérêt qu'ont les partisans d'une initiative à pouvoir récolter des signatures sur la voie publique, on doit admettre que cet intérêt est important: ce mode de faire compte certainement parmi les moyens les plus efficaces et les plus faciles d'arriver au but visé. C'est sur la voie publique, surtout dans les villes, que l'on peut atteindre en moins de temps le maximum de personnes. Il est vrai que d'autres moyens existent: récolte lors d'assemblées politiques, signature au secrétariat communal ou au département cantonal (à Genève), voire dans les magasins et établissements publics, collecte de porte à porte, distribution de cartes postales munies d'une partie à détacher et renvoyer, annonce dans la presse avec formule à découper et renvoyer. Cependant, la plupart de ces autres moyens sont en général moins efficaces, soit qu'ils ne permettent d'atteindre qu'un petit nombre de citoyens et citoyennes, soit qu'ils demandent beaucoup de temps et qu'ils nécessitent le concours d'un très grand nombre de collaborateurs; mais surtout, la plupart d'entre eux sont beaucoup plus coûteux, ce qui peut constituer un obstacle majeur pour les citoyens et groupements de citoyens qui ne disposent pas de moyens financiers importants. Sans doute l'interdiction d'utiliser la voie publique à Genève n'a-t-elle pas empêché plusieurs initiatives et demandes de référendums d'aboutir au cours de ces dernières années. Mais ce n'est pas là une raison suffisante pour refuser de mettre à disposition le domaine public en vue de faciliter l'exercice d'un droit populaire. e) En mettant finalement en opposition, d'une part l'intérêt de l'Etat à éviter les causes de désordre, d'autre part l'intérêt des citoyens à ce que soit facilité l'exercice d'un droit constitutionnel important pour le bon fonctionnement de la démocratie, on doit constater qu'en l'espèce le second doit l'emporter: en effet, les risques de troubles pour la libre circulation des piétons, pour l'ordre et la tranquillité publics et pour la liberté du citoyen peuvent être atténués, voire évités, par des mesures BGE 97 I 893 S. 902 moins incisives qu'une interdiction pure et simple. Ils ne sont pas assez importants pour justifier la décision attaquée. Le recours doit dès lors être admis. 7. Dans la mesure où la requête présentée par dame Küpfer n'aurait pas perdu toute portée pratique du fait que l'initiative aurait déjà abouti, le Conseil d'Etat devrait accorder l'autorisation sollicitée, tout en l'assortissant des conditions et charges propres à assurer l'ordre et la tranquillité publics. Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral: Admet le recours dans le sens des considérants et annule la décision attaquée.
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Urteilskopf 136 II 241 22. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit public dans la cause X. contre Administration fiscale cantonale et Commission cantonale de recours en matière administrative du canton de Genève (recours en matière de droit public) 2C_319/2009 / 2C_321/2009 du 26 janvier 2010
Regeste Art. 2 FZA ; Art. 9 Abs. 2 Anhang I FZA ; Art. 83 ff. und 91 ff. DBG ; Art. 32 ff. und 35 ff. StHG ; Nichtdiskriminierung; Quellensteuer; Abzug von den steuerbaren Einkünften. Ein Steuerpflichtiger mit schweizerischer Nationalität kann sich gegenüber seinem Heimatstaat, d.h. gegenüber der Schweiz auf Art. 2 FZA und Art. 9 Abs. 2 Anhang I FZA berufen, wenn er sich ihr gegenüber in einer mit anderen Rechtssubjekten vergleichbaren Situation befindet, die sich auf die durch das FZA garantierten Rechte und Freiheiten berufen können (E. 11). Der Pauschalabzug, der im Steuertarif der Quellensteuer des kantonalen und des Bundesrechts enthalten ist, verletzt das in Art. 2 FZA und Art. 9 Abs. 2 Anhang I FZA statuierte Verbot der Diskriminierung (E. 12-15). Das Diskriminierungsverbot von Art. 2 FZA und Art. 9 Abs. 2 Anhang I FZA ist direkt anwendbar und geht den entgegenstehenden Bundesvorschriften der direkten Bundessteuer und der Steuerharmonisierung vor. Für einen Quellensteuerpflichtigen gilt somit das gleiche Regime der steuerlichen Abzüge wie für solche Steuerpflichtige, die der ordentlichen Steuer unterliegen (E. 16).
Sachverhalt ab Seite 242 BGE 136 II 241 S. 242 X., de nationalité suisse, était domicilié à Genève jusqu'en 2000. Début 2001, il a pris domicile et habite à Y. en Haute-Savoie (France). Jusqu'en 2006, X. a travaillé en Suisse en qualité de comptable. Il a été licencié avec effet au 31 octobre 2006. Parallèlement, il a exercé quelques activités en France, mais son revenu a été constitué pour environ 95 % de ses salaires suisses. Son épouse, avec laquelle il fait ménage commun, n'a pas exercé d'activité lucrative entre 2001 et 2007. Pendant cette période, les époux n'avaient pas d'enfant à charge. L'Administration fiscale cantonale puis la Commission de recours du canton de Genève ont soumis X. à l'imposition à la source et n'ont admis la déduction supplémentaire par rapport aux déductions comprises dans le barème applicable pour les années 2004, 2005 et 2006 que des primes de prévoyance du 3 e pilier A respectivement des montants destinés au rachat d'années d'assurance du 2 e pilier, à l'exclusion des primes ordinaires de prévoyance professionnelle du deuxième pilier, des primes d'assurances-vie, des cotisations d'assurances-maladie et accident ainsi que des frais effectifs d'acquisition du revenu, notamment les frais de déplacement entre le lieu de séjour en France et le lieu de travail à Genève, dont X. avait dûment demandé la déduction. Par arrêt du 24 mars 2009, le Tribunal administratif a rejeté les recours interjetés par X. qui réclamait, en application de l'Accord du BGE 136 II 241 S. 243 21 juin 1999 entre la Confédération suisse, d'une part, et la Communauté européenne et ses Etats membres, d'autre part, sur la libre circulation des personnes, les mêmes déductions sur le revenu imposable à la source que celles auxquelles a droit un contribuable soumis au régime d'imposition ordinaire. Le Tribunal fédéral a admis le recours en matière de droit public déposé par X. et renvoyé la cause pour nouvelle décision. (résumé) Extrait des considérants: Erwägungen III. De la validité de l'imposition à la source des périodes fiscales 2004 à 2006 9. 9.1 En vertu de l'art. 17 de la Convention du 9 septembre 1966 entre la Confédération suisse et la République française en vue d'éviter les doubles impositions en matière d'impôts sur le revenu et sur la fortune (RS 0.672.934.91; ci-après: CDI-F), sous réserve d'exceptions qui ne trouvent pas application en l'espèce, les salaires, traitements et autres rémunérations similaires qu'un résident d'un Etat contractant reçoit au titre d'un emploi salarié ne sont imposables que dans cet Etat, à moins que l'emploi ne soit exercé dans l'autre Etat contractant. Si l'emploi y est exercé, les rémunérations reçues à ce titre sont imposables dans cet autre Etat. 9.2 En l'espèce, le recourant réside en France, mais il a exercé durant les années fiscales en cause un emploi salarié en Suisse. C'est par conséquent à bon droit que les rémunérations qu'il a reçues en Suisse à ce titre sont imposables en Suisse. Les dispositions de l'Accord du 11 avril 1983 entre le Conseil fédéral suisse (au nom des cantons de Berne, Soleure, Bâle-Ville, Bâle-Campagne, Vaud, Valais, Neuchâtel et Jura) et le Gouvernement de la République française relatif à l'imposition des rémunérations des travailleurs frontaliers (FF 1983 II 559 s.) ne trouvent en effet pas d'application dans le canton de Genève. 10. 10.1 Le droit fiscal suisse distingue le régime ordinaire d'imposition du revenu de celui de l'imposition à la source. Ce dernier n'est applicable que dans les cas prévus par les art. 83 ainsi que 91 à 97 la loi fédérale du 14 décembre 1990 sur l'impôt fédéral direct (LIFD; RS 642.11 ainsi que les art. 32 et 35 de la loi fédérale du 14 décembre BGE 136 II 241 S. 244 1990 sur l'harmonisation des impôts directs des cantons et des communes [LHID; RS 642.14]). L' art. 83 LIFD ( art. 32 LHID ) concerne les travailleurs étrangers domiciliés ou en séjour en Suisse qui ne sont pas au bénéfice d'un permis d'établissement. Ces derniers sont soumis à un assujettissement illimité au sens de l' art. 3 LIFD ( art. 32 al. 3 LHID ). Les art. 91 à 97 LIFD ( art. 35 LHID ) concernent en particulier les travailleurs qui ne sont ni domiciliés ni en séjour en Suisse. Ceux-ci sont soumis à un assujettissement limité au sens de l' art. 5 al. 1 let. a LIFD (art. 35 al. 1 let. a in fine LHID). Tel est le cas du recourant en l'espèce. 10.2 Dans le régime d'imposition ordinaire, l'impôt sur le revenu a pour objet tous les revenus du contribuable, qu'ils soient uniques ou périodiques y compris les prestations en nature ( art. 16 LIFD ; art. 7 LHID ). L'imposition ordinaire ne frappe toutefois que le revenu net qui se calcule en défalquant du total des revenus imposables les déductions générales et les frais mentionnés aux art. 26 à 33a LIFD (cf. art. 25 LIFD , art. 9 al. 1 1 re phrase LHID, art. 1 de la loi du 22 septembre 2000 sur l'imposition des personnes physiques: Détermination du revenu net - Calcul de l'impôt et rabais d'impôt - Compensation des effets de la progression à froid [LIPP-V; RSG D 3 16]). Lorsqu'il exerce une activité lucrative dépendante, le contribuable peut déduire notamment les frais de transport ( art. 26 al. 1 let. a LIFD ; art. 9 al. 1 LHID ; art. 3 al. 1 LIPP-V), les frais supplémentaires de repas pris hors du domicile et du travail par équipes ( art. 26 al. 1 let. b LIFD ; art. 9 LHID ; art. 3a al. 1 LIPP-V) ainsi que les autres frais indispensables à l'exercice de la profession ( art. 26 al. 1 let . c LIFD; art. 9 LHID ; art. 3 al. 1 LIPP-V). Ces frais sont estimés forfaitairement ( art. 26 al. 2 LIFD ; art. 3 al. 1 LIPP-V). D'après l' art. 26 al. 2 LIFD , le contribuable peut justifier de montants plus élevés en matière de frais de transport et de frais indispensables à l'exercice de la profession. Cela vaut également en droit cantonal malgré la lettre de l'art. 3 al. 1 LIPP-V, qui semble exclure la justification de frais plus élevés (cf. sur ce point ATF 128 II 66 consid. 4b p. 71 in fine). L'ordonnance du Département fédéral des finances du 10 février 1993 sur la déduction des frais professionnels des personnes exerçant une activité lucrative dépendante en matière d'impôt fédéral direct règle les détails (RS 642.118.1). Ce même contribuable peut aussi déduire les intérêts passifs ( art. 33 al. 1 let. a et b LIFD ; 9 al. 2 let. a LHID ; 6 al. 1 LIPP-V), les charges durables et les rentes viagères ( art. 33 al. 1 let. b LIFD ; 9 al. 2 let. b BGE 136 II 241 S. 245 LHID ; 6 al. 2 LIPP-V), les pensions alimentaires ( art. 33 al. 1 let . c LIFD ; 9 al. 2 let . c LHID; 5 LIPP-V), les cotisations au 1 er et 2 e pilier ( art. 33 al. 1 let . d LIFD ; 9 al. 2 let . d LHID; 2 let. a et b LIPP-V), les cotisations au 3 e pilier A ( art. 33 al. 1 let . e LIFD ; 9 al. 2 let . e LHID ; 2 let . c LIPP-V), les primes de certaines assurances et les intérêts de capitaux d'épargne ( art. 33 let . f et g ainsi que 212 LIFD, 9 al. 2 let. f et g LHID et 2 let. a et d ainsi que 4 al. 1 LIPP-V), les frais de maladie, accident et handicap ( art. 33 let . h et h bis LIFD, 9 al. 2 let. h et h bis LHID et 4 al. 2 LIPP-V) ainsi que les déductions sociales telles que prévues par les art. 213 et 214 LIFD (cf. ATF 133 II 305 ), ATF 133 II 9 al. 4 LHID et 14 LIPP-V. 10.3 Les travailleurs qui, sans être domiciliés ni en séjour en Suisse, y exercent une activité lucrative dépendante pendant de courtes périodes, durant la semaine ou comme frontaliers, sont soumis à l'impôt à la source sur le revenu de leur activité, conformément aux art. 83 à 86 LIFD. L'impôt est calculé sur le revenu brut, qui comprend tous les revenus provenant d'une activité pour le compte d'autrui, y compris les revenus accessoires ( art. 84 LIFD ). L'Administration fédérale des contributions établit le barème des retenues d'après les taux de l'impôt sur le revenu des personnes physiques et fixe, en accord avec l'autorité cantonale, les taux qui doivent être incorporés dans le barème cantonal au titre de l'impôt fédéral direct ( art. 85 al. 1 et 2 LIFD ). La retenue comprend par conséquent les impôts fédéral, cantonal et communal, les mêmes modalités de retenue à la source étant imposées aux cantons par les art. 2 al. 1 let . c, 32 à 34 LHID (art. 2 ss de la loi du 23 septembre 1994 sur l'imposition à la source des personnes physiques et morales [LISP; RSG D 3 20]). L'impôt à la source se substitue à l'impôt fédéral direct perçu selon la procédure ordinaire ( art. 99 LIFD ) et par conséquent aussi à l'impôt cantonal et communal perçu selon la procédure ordinaire. D'après l' art 86 LIFD , le barème tient compte des frais professionnels ( art. 26 LIFD ) et des primes et cotisations d'assurances ( art. 33 al. 1 let . d, f et g LIFD) sous forme de forfait, ainsi que des charges de famille du contribuable ( art. 35 et 36 LIFD ). D'entente avec les cantons, l'Administration fédérale des contributions règle le détail du calcul et de l'application des barèmes ainsi que du prélèvement de l'impôt à la source dans les cas spéciaux. Elle règle en particulier l'octroi individuel de déductions qui ne sont pas déjà contenues forfaitairement dans le barème, mais prévues à l' art. 33 LIFD (cf. consid. 10.2 ci-dessus) pour les cas sans procédure de taxation ordinaire BGE 136 II 241 S. 246 ultérieure ( art. 2 let . e de l'ordonnance du 19 octobre 1993 sur l'imposition à la source dans le cadre de l'impôt fédéral direct [ordonnance sur l'imposition à la source, OIS; RS 642.118.2]). Il convient par conséquent d'examiner le droit cantonal pour connaître l'ampleur des déductions individuelles qui ne sont pas déjà contenues forfaitairement dans le barème (cf. pour le canton de Fribourg: arrêt du Tribunal administratif du 12 mars 1999, in RF 1999 769 ss). Dans le canton de Genève, d'après l'art. 4 du règlement d'application du 12 décembre 1994 de la loi sur l'imposition à la source des personnes physiques et morales [RISP; RSG D 3 20.01]), sur demande du contribuable, l'Administration fiscale cantonale admet, comme déductions supplémentaires au forfait, a) les versements à une institution de prévoyance professionnelle pour le rachat d'années d'assurance et la finance d'entrée, ainsi qu'à une institution reconnue de prévoyance individuelle liée au sens et dans les limites admises par le droit fédéral et cantonal en matière de prévoyance, b) les pensions alimentaires et les contributions d'entretien et c) les frais de garde au sens et dans les limites admises par le droit cantonal. 10.4 Il résulte des considérants qui précèdent que le contribuable imposé à la source dans le canton de Genève au titre de travailleur qui n'est ni domicilié ni en séjour en Suisse, ne peut pas, contrairement au contribuable soumis au régime d'imposition ordinaire, obtenir la déduction de ses dépenses effectives en matière de frais professionnels ( art. 26 LIFD ) ni la déduction des primes et cotisations d'assurances effectives - dans les limites du droit fédéral ( art. 33 al. 1 let . d, f et g LIFD) -, puisque ces dépenses sont déjà comprises forfaitairement dans le barème. Il ne peut en outre obtenir des déductions supplémentaires que pour des postes limitativement énumérés par l'art. 4 RISP, qui ne correspondent pas aux déductions prévues par les art. 33 LIFD et 9 LHID. 10.5 Dans le cas du recourant, l'Administration fiscale cantonale puis la Commission de recours n'ont admis la déduction supplémentaire, pour les années 2004, 2005 et 2006, que des primes de prévoyance du 3 e pilier A respectivement des montants destinés au rachat d'années d'assurance du 2 e pilier, à l'exclusion des primes ordinaires de prévoyance professionnelle du deuxième pilier, des primes d'assurances-vie, des cotisations d'assurances-maladie et accident ainsi que des frais effectifs d'acquisition du revenu, notamment les frais de déplacement entre le lieu de séjour en France et le lieu de travail à Genève, dont le recourant avait dûment demandé la déduction. BGE 136 II 241 S. 247 11. Le recourant ne se plaint pas de la violation de la loi sur l'impôt fédéral direct ni de la loi sur l'harmonisation fiscale ni du droit cantonal. Il considère en revanche que le système d'imposition à la source pratiqué dans le canton de Genève constitue une violation de l'art. 2 de l'Accord du 21 juin 1999 entre la Confédération suisse, d'une part, et la Communauté européenne et ses Etats membres, d'autre part, sur la libre circulation des personnes (ALCP; RS 0.142.112.681), de l' art. 9 al. 2 annexe I ALCP et de l' art. 8 al. 1 Cst. , parce qu'il ne prend pas en compte les déductions qu'il pourrait obtenir dans un régime d'imposition ordinaire. 11.1 L'Accord du 21 juin 1999 entre la Confédération suisse, d'une part, et la Communauté européenne et ses Etats membres, d'autre part, sur la libre circulation des personnes est entré en vigueur le 1 er juin 2002. Le but de l'Accord étant de "réaliser la libre circulation des personnes entre les Etats membres" (cf. Préambule), il convient d'examiner si le recourant de nationalité suisse résidant en France peut se prévaloir contre les autorités fiscales suisses de l'interdiction de discrimination de l' art. 2 ALCP et du droit à l'égalité de traitement prévu par l' art. 9 al. 2 annexe I ALCP . 11.2 Conformément à la jurisprudence de la Cour de justice des Communautés européennes rendue jusqu'au 21 juin 1999 ( art. 16 al. 2, 1 re phrase ALCP; en application de l'art. 12 du Traité instituant les Communautés européennes [TCE], depuis le 1 er décembre 2009: art. 18 du Traité sur le fonctionnement de l'Union européenne [JO C115 du 9 mai 2008 p. 1]; cf. PINGEL-LENUZZA, Commentaire article par article des Traités UE et CE, Bâle, Genève, Munich, Paris, Bruxelles 2000, n° 9 ad art. 12 TCE et les références citées), les dispositions de l'Accord ne trouvent application qu'en présence d'un élément d'extranéité. 11.3 Selon la jurisprudence constante de la Cour de justice des communautés sur la question, les dispositions du Traité en matière de libertés ne peuvent être interprétées de manière à exclure du bénéfice du droit communautaire les propres ressortissants d'un Etat membre déterminé lorsque ceux-ci, par leur comportement, se trouvent, à l'égard de leur Etat d'origine, dans une situation assimilable à celle de tout autre sujet bénéficiant des droits et libertés garantis par le traité (arrêt de la CJCE du 27 juin 1996 C-107/94 Asscher , Rec. 1996 I-3089 point 32 et les nombreuses références). Cela signifie qu'un ressortissant d'un Etat membre doit avoir fait usage des droits et libertés reconnus par l'Accord pour être fondé à se prévaloir des BGE 136 II 241 S. 248 dispositions correspondantes dudit Accord, ce que l' art. 2 ALCP énonce expressément en interdisant toute discrimination "dans l'application et conformément aux dispositions des annexes I, II et III de l'Accord". Un ressortissant d'un Etat membre peut par conséquent invoquer l' art. 2 ALCP et l' art. 9 al. 2 annexe I ALCP pour se plaindre de discrimination contre son propre Etat national, pour autant qu'il ait fait usage des droits et libertés reconnus par l'Accord et ses annexes, comme le Tribunal fédéral a déjà eu l'occasion de préciser (cf. arrêt 2A.768/2006 du 23 avril 2007 consid. 3.3; ATF 130 II 137 consid. 4 p. 145 ss, qui confirme l' ATF 129 II 249 ; YVO HANGARTNER, Der Grundsatz der Nichtdiskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit im Freizügigkeitsabkommen der Schweiz mit der Europäischen Gemeinschaft, AJP 3/2003 p. 257 ss, p. 262 s.; ASTRID EPINEY, Das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit im Personenfreizügigkeitsabkommen, SJZ 105/2009, p. 25 ss, p. 28 et 30 et les nombreuses références citées; cf. pour les questions fiscales: arrêt Asscher , point 33). Cela résulte également des principaux arrêts de la Cour de justice des communautés européennes en matière de fiscalité directe (arrêts de la CJCE du 8 mai 1990 C-175/88 Biehl , Rec. 1990 I-1779 point 14; du 14 février 1995 C- 279/93 Schumacker , Rec. 1995 I-225 point 28; du 11 août 1995 C-80/94 Wielockx , Rec. 1995 I-2493 points 2 et 12; du 27 juin 1996 C-107/94 Asscher , Rec. 1996 I-3089 point 33; du 14 septembre 1999 C-391/97 Gschwind , Rec. 1999 I-5451 points 9 et 12; du 16 mai 2000 C-87/99 Zurstrassen , Rec. 2000 I-3337 point 8). 11.4 En l'espèce, en résidant depuis 2000 avec son épouse en France au moins au titre de personne n'exerçant pas d'activité économique au sens de l' art. 24 annexe I ALCP (cf. aussi art. 1 let . c ALCP), le recourant se trouve à l'égard de la Suisse, dans une situation assimilable à celle de tout autre sujet invoquant le bénéfice des droits et libertés garantis par l'Accord et ses annexes. Le recourant, de nationalité suisse, peut par conséquent se prévaloir des art. 2 ALCP et 9 al. 2 annexe I ALCP contre son Etat d'origine. 12. L'Accord contient un certain nombre de dispositions qui concernent les questions de fiscalité directe: il s'agit des art. 2 et 21 ALCP ainsi que 5 et 9 al. 2 annexe I ALCP. D'après l' art. 2 ALCP , les ressortissants d'une partie contractante qui séjournent légalement sur le territoire d'une autre partie contractante ne sont pas, dans l'application et conformément aux dispositions des annexes I, II et III de cet accord, discriminés en raison de leur BGE 136 II 241 S. 249 nationalité. Cette disposition pose le principe de l'égalité de traitement sous la forme négative d'une interdiction de discrimination directe ou indirecte. L' art. 9 al. 2 annexe I ALCP formule ce même principe en faveur des travailleurs salariés tandis que l' art. 15 al. 2 annexe I ALCP l'énonce en faveur des indépendants. Ces dispositions prévoient que le travailleur salarié respectivement l'indépendant et les membres de leur famille visés à l'art. 3 de cette annexe bénéficient sur le territoire d'une autre partie contractante des mêmes avantages fiscaux et sociaux que les travailleurs salariés nationaux et les membres de leur famille. Le principe de non-discrimination de l' art. 2 ALCP correspondant à l'art. 12 TCE (depuis le 1 er décembre 2009: art. 18 du Traité sur le fonctionnement de l'Union européenne) et celui de l' art. 9 al. 2 annexe I ALCP à l'art. 7 du Règlement (CEE) n° 1612/68 du Conseil, du 15 octobre 1968, relatif à la libre circulation des travailleurs à l'intérieur de la Communauté (JO L 257 du 19 octobre 1968 p. 2), il convient de tenir compte de la jurisprudence pertinente de la Cour de justice des communautés européennes antérieure au 21 juin 1999 ( art. 16 al. 2 ALCP ), sous réserve des cautèles prévues par l' art. 21 ALCP . 13. 13.1 La jurisprudence communautaire en matière de fiscalité directe constitue un des cas d'application des règles générales d'égalité de traitement qui prohibent non seulement les discriminations ostensibles fondées sur la nationalité (discriminations directes), mais encore toutes formes dissimulées de discrimination qui, par application d'autres critères de distinction, aboutissent en fait au même résultat (discriminations indirectes): à moins qu'elle ne soit objectivement justifiée et proportionnée à l'objectif poursuivi, une disposition de droit national doit, selon cette jurisprudence, être considérée comme indirectement discriminatoire dès lors qu'elle est susceptible, par sa nature même, d'affecter davantage les ressortissants d'autres Etats membres que les ressortissants nationaux et qu'elle risque, par conséquent, de défavoriser plus particulièrement les premiers (arrêt de la CJCE du 12 février 1974 152/73 Sotgiu , Rec. 1974 p. 153 point 11). En effet, la Cour de justice des communautés européennes a jugé que, si la fiscalité directe relève de la compétence des États membres, il n'en demeure pas moins que ces derniers doivent l'exercer dans le respect du droit communautaire. Ils doivent, par conséquent, s'abstenir de toute discrimination ostensible ou déguisée fondée sur BGE 136 II 241 S. 250 la nationalité (arrêts Schumacker , points 21 et 26; Wielockx , point 16; Asscher , point 36; Zurstrassen , point 18). 13.2 Selon la Cour, en règle générale, la situation des résidents et celle des non-résidents dans un Etat n'est pas comparable. En effet, le revenu perçu sur le territoire d'un Etat par un non-résident ne constitue le plus souvent qu'une partie de son revenu global, centralisé au lieu de sa résidence, et sa capacité contributive personnelle tenant compte de l'ensemble de ses revenus et de sa situation personnelle et familiale peut s'apprécier le plus aisément à l'endroit où il a le centre de ses intérêts personnels et patrimoniaux, qui correspond en général à sa résidence habituelle (arrêts Schumacker , points 31 et 32; Gschwind , point 22; Zurstrassen , point 21). Par conséquent, le fait pour un État membre de ne pas faire bénéficier un non-résident de certains avantages fiscaux qu'il accorde au résident n'est, en règle générale, pas discriminatoire, compte tenu des différences objectives entre la situation des résidents et celle des non-résidents, tant du point de vue de la source des revenus que de la capacité contributive personnelle ou de la situation personnelle et familiale. 13.3 La Cour a toutefois précisé qu'il peut y avoir discrimination au sens du traité entre résidents et non-résidents si, nonobstant leur résidence dans des États membres différents, il est établi que, au regard de l'objet et du contenu des dispositions nationales en cause, les deux catégories de contribuables se trouvent dans une situation comparable. Tel est le cas lorsque le non-résident ne perçoit pas de revenu significatif dans l'Etat de sa résidence et tire l'essentiel de ses ressources imposables d'une activité exercée dans l'Etat d'emploi. En effet, dans ces conditions, l'Etat de résidence n'est pas en mesure de lui accorder les avantages résultant de la prise en compte de sa situation personnelle et familiale, de telle sorte qu'il n'existe entre un tel non-résident et un résident exerçant une activité salariée comparable aucune différence de situation objective de nature à fonder une différence de traitement en ce qui concerne la prise en considération, aux fins de l'imposition, de la situation personnelle et familiale du contribuable (arrêts Schumacker , points 36 et 37 et Gschwind , points 26 et 27). La Cour a notamment jugé en ce sens que le contribuable non-résident, qui perçoit la totalité ou la quasi-totalité de ses revenus dans l'Etat où il exerce ses activités professionnelles mais n'a pas le droit de constituer une réserve-vieillesse déductible dans les mêmes BGE 136 II 241 S. 251 conditions fiscales que le contribuable résident, subit une discrimination (arrêt Wielockx , point 22). 13.4 Le principe de non-discrimination n'a toutefois pas une portée absolue en droit communautaire. L'art. 39 al. 3 TCE réserve en effet l'ordre public, la sécurité publique et la santé publique. En matière fiscale, en revanche, cette réserve ne joue pratiquement pas de rôle. D'emblée, par conséquent, on peut considérer que l' art. 5 annexe I ALCP , qui prévoit une réserve générale similaire, ne joue en pratique pas non plus de rôle dans la présente cause (PASCAL HINNY, Vom Saisonnier zum EG-Kurzaufenthalter, Unzulänglichkeiten der Schweizer Quellensteuerordnung, in Festschrift für Peter Gauch, Tercier et al. [éd.], 2004, p. 801 ss, p. 811). Dans un arrêt isolé (arrêt de la CJCE du 28 janvier 1990 C-204/90 Bachmann , Rec. 1990 I-2161), la Cour a admis qu'une législation belge puisse légitimement subordonner la déduction des primes d'assurances-vieillesse, décès, maladie et invalidité à la condition qu'elles soient versées en Belgique et non pas dans l'Etat membre d'origine du contribuable dans le but de sauvegarder la cohérence du système fiscal, dont la conception appartient à chaque Etat membre. Cette réserve de nature purement jurisprudentielle, bien qu'invoquée par la suite par d'autres Etats membres, n'a pas été reconduite dans les arrêts ultérieurs (arrêt Wielockx et arrêt du 28 avril 1998 C-118/96 Safir , Rec. 1998 I-1897 cf. à ce sujet: PASCAL HINNY, Tendenzen der (Grundfreiheiten-)Rechtsprechung des EuGH auf dem Gebiet des Steuerrechts, IFF Forum für Steuerrecht 2009 p. 77 ss, p. 82). La Cour n'a pas non plus admis de réserves à l'interdiction de discrimination qui seraient fondées sur la volonté d'un Etat membre d'éviter une progressivité de l'impôt moindre due à l'assujettissement limité (arrêt Biehl , point 15, cf. PASCAL HINNY, Tendenzen, loc. cit.). En l'état de la jurisprudence de la Cour rendue jusqu'au 21 juin 1999, il n'y a par conséquent guère de motifs qui permettent à une législation nationale de discriminer les travailleurs salariés communautaires en matière de fiscalité directe. 13.5 La doctrine suisse a résumé la jurisprudence relative aux contribuables non résidents assujettis à l'impôt à la source en raison d'un rattachement économique en ces termes: les contribuables résidant à l'étranger qui réalisent l'essentiel de leur revenu (plus de 90 %) en Suisse doivent être qualifiés de quasi-résidents et être traités comme BGE 136 II 241 S. 252 des contribuables résidents, de manière à ce que leur situation personnelle et familiale soit dûment prise en considération. L'Etat de résidence ne pouvant pas prendre ces éléments en considération, c'est en effet l'Etat où ils sont assujettis de manière limitée qui est seul en mesure de le faire (ANDREA PEDROLI, Commentaire romand de l'impôt fédéral direct, n° 28 ad Introduction aux art. 83-101 LIFD et les références citées; YVES NOËL, "Biehl, Schumacker ..." et la Suisse: l'impôt à la source au scanner de la jurisprudence communautaire, in Mélanges Walter Ryser, Locher et al. [éd.], 2005, p. 155 s.). 14. En matière fiscale toutefois, l'acquis communautaire relatif aux art. 2 ALCP et 9 al. 2 annexe I ALCP, dont il est tenu compte en application de l' art. 16 al. 2 ALCP , est soumis aux dispositions de l' art. 21 ALCP . 14.1 L' art. 21 al. 1 ALCP prévoit que les dispositions des accords bilatéraux entre la Suisse et les Etats membres de la Communauté européenne en matière de double imposition ne sont pas affectées par les dispositions de l'Accord. En particulier les dispositions de l'Accord ne doivent pas porter atteinte à la définition du travailleur frontalier selon les accords de double imposition. Cette disposition reprend le contenu de l'arrêt Gilly , selon lequel les Etats membres sont libres de définir, notamment au moyen du critère de la nationalité, les facteurs de rattachement aux fins de la répartition de la compétence fiscale en vue d'éliminer les doubles impositions, sans que ces différenciations ne soient considérées comme constitutives de discriminations prohibées (arrêt du 12 mai 1998 C-336/96 Gilly , Rec. 1998 p. I-2793 points 24 et 30; cf. sur la question: JEAN-MARC RIVIER, L'égalité devant l'impôt des travailleurs suisses et étrangers, Archives 71 p. 97, p. 117 ss; PASCAL HINNY, Das Diskriminierungsverbot des Personenverkehrsabkommens im Schweizer Steuerrecht, IFF Forum für Steuerrecht 2004 p. 165 ss, p. 174 s.). En l'espèce, l'attribution à la Suisse du droit d'imposer la rémunération du recourant provenant de son emploi salarié en Suisse en application de l'art. 17 CDI-F n'est, à bon droit, pas mise en cause par les parties, notamment sous l'angle de la définition du travailleur frontalier. 14.2 D'après l' art. 21 al. 2 ALCP , aucune disposition de l'Accord ne peut être interprétée de manière à empêcher les parties contractantes d'établir une distinction, dans l'application des dispositions pertinentes de leur législation fiscale, entre les contribuables qui ne se BGE 136 II 241 S. 253 trouvent pas dans des situations comparables, en particulier en ce qui concerne leur lieu de résidence. Dans son Message du 23 juin 1999 relatif à l'approbation des accords sectoriels entre la Suisse et la CE (FF 1999 5440), le Conseil fédéral explicite la portée de l' art. 21 al. 2 ALCP . Selon lui, dès que la situation de deux contribuables est comparable du point de vue de leur résidence (il n'est pas nécessaire qu'elle soit effectivement identique), la clause de non-discrimination prévue dans l'Accord doit être observée (FF 1999 5657). Il précise en outre que "pour déterminer si la perception d'impôt à la source sur des revenus d'activités lucratives en Suisse de citoyens de l'UE, mais ne possédant pas de titre de séjour, n'est pas contraire à la clause de non-discrimination de l'Accord et des dispositions correspondantes de l'annexe, il convient d'examiner la jurisprudence de la Cour européenne de justice. En relation avec l'art. 48 du traité de la CEE, la Cour a également été saisie de la question de l'égalité de traitement, lors de l'imposition de personnes non domiciliées dans un Etat" et fait expressément référence à l'arrêt Schumacker (FF 1999 5658). Comme la Cour de justice des communautés européennes a fait usage de la même terminologie que celle de l'art. 21 al. 2 ALPC dans cet arrêt ("dans une situation comparable", arrêt Schumacker , point 34), force est d'admettre que l' art. 21 al. 2 ALCP constitue un renvoi à la jurisprudence de la Cour de justice des communautés européennes telle qu'elle a été développée jusqu'au 21 juin 1999 sans réserve aucune. La doctrine partage cette constatation (JEAN-MARC RIVIER, op. cit., p. 120 ss; PASCAL HINNY, Das Diskriminierungsverbot, op. cit., p. 165 ss, p. 179 ss, 186 et les références à la doctrine suisse). 14.3 D'après l' art. 21 al. 3 ALCP , aucune disposition de l'Accord ne fait obstacle à l'adoption ou l'application par les parties contractantes d'une mesure destinée à assurer l'imposition, le paiement et le recouvrement effectif des impôts ou à éviter l'évasion fiscale conformément aux dispositions de la législation fiscale nationale d'une partie contractante ou aux accords visant à éviter la double imposition liant la Suisse, d'une part, et un ou plusieurs Etats membres de la Communauté européenne, d'autre part, ou d'autres arrangements fiscaux. L' art. 21 al. 3 ALCP réserve l'application par les parties contractantes de mesures destinées à assurer l'imposition, le paiement et le recouvrement effectif des impôts ou à éviter l'évasion fiscale conformément aux dispositions de la législation fiscale nationale d'une partie contractante. Selon la doctrine, la perception à la BGE 136 II 241 S. 254 source aux fins de garantie est autorisée par cette disposition (PASCAL HINNY, Das Diskriminierungsverbot, op. cit., p. 165 ss, p. 185). 15. 15.1 Durant les années 2004 à 2006, le recourant, qui résidait en France, a perçu en Suisse la quasi-totalité - plus de 90 % - des revenus du couple. Il s'est trouvé donc objectivement dans la même situation, en ce qui concerne l'impôt sur le revenu, qu'un travailleur résident de Suisse qui exerce la même activité lucrative. En l'espèce, par conséquent, la discrimination, contraire aux règles posées par les art. 2 ALCP et 9 al. 2 annexe I ALCP, consiste en ce que le recourant n'a pas pu faire valoir toutes les déductions accordées aux travailleurs résidents de Suisse, en particulier, il n'a pas eu la possibilité de faire valoir les dépenses effectives pour les frais de transport entre son lieu de résidence et son lieu de travail (cf. consid. 11 ci-dessus) en raison des limites posées par la législation fédérale et cantonale en matière d'imposition à la source. Cette constatation rejoint celle de la doctrine majoritaire (YVES NOËL, op. cit., p. 141 ss, p. 155 s., p. 162 s. et 166; PASCAL HINNY, Personenverkehrsabkommen und Schweizer Quellensteuerordnung, IFF Forum für Steuerrecht 2004 p. 251 ss, p. 265 s.; le même , Das Diskriminierungsverbot, op. cit., p. 165 ss, p. 184 s.; ANDREA PEDROLI, op. cit., n° 26 ss ad Introduction aux art. 83-101 LIFD ; JEAN-MARC RIVIER, op. cit., p. 122). 15.2 Il est vrai que le Message du Conseil fédéral arrive à une conclusion différente. Constatant, en ce qui concerne les travailleurs domiciliés à l'étranger, que les lois fiscales en vigueur en Suisse prévoient une imposition à la source sur le revenu, non seulement pour les étrangers mais aussi pour les citoyens suisses, lorsqu'ils exercent une activité lucrative dépendante seulement pendant de courtes périodes, durant la semaine ou comme frontalier, le Conseil fédéral en déduit que, pour cette catégorie de personnes, le principe de l'égalité de traitement ne se pose pas (FF 1999 5657 s.). Ce raisonnement est erroné, du moment que l' art. 2 ALCP ne prohibe pas uniquement les discriminations ostensibles fondées sur la nationalité (discriminations directes), mais encore toutes formes dissimulées de discriminations qui, par application d'autres critères de distinction, aboutissent en fait au même résultat (discriminations indirectes). Il a en outre été démontré ci-dessus que ce sont non seulement les ressortissants des pays de l'Union européenne, mais également les ressortissants suisses, qui ont fait usage d'un des droits et libertés garantis par l'Accord, BGE 136 II 241 S. 255 qui peuvent se prévaloir de l' art. 2 ALCP (ainsi que 9 al. 2 annexe I ALCP) à l'encontre de la Suisse (cf. consid. 11 ci-dessus). 16. 16.1 Aux termes de l' art. 190 Cst. , ni le Tribunal fédéral ni aucune autre autorité ne peuvent refuser d'appliquer une loi fédérale ou le droit international. Ni l' art. 190 Cst. ni l' art. 5 al. 3 Cst. n'instaurent de rang hiérarchique entre les normes de droit international et celles de droit interne. Lorsqu'une contradiction insurmontable entre les deux ordres juridiques est constatée, le Tribunal fédéral s'en tient à sa jurisprudence ( ATF 125 II 417 consid. 4d p. 424), selon laquelle le droit international public l'emporte en principe sur le droit interne, spécialement lorsque la norme internationale a pour objet la protection des droits de l'homme ( ATF 122 II 485 consid. 3a p. 487), mais également en dehors de toute question de protection des droits de l'homme ( ATF 122 II 234 consid. 4e p. 239), de sorte qu'une disposition légale de droit interne contraire ne peut trouver d'application. Le Tribunal fédéral a constaté dans cette même ligne que l' art. 9 al. 2 annexe I ALCP et l'interdiction de discrimination l'emportait sur le droit interne contraire et avait un effet direct (en matière de droit des étrangers: ATF 131 II 352 consid. 1.3.1 p. 355; arrêt 2A.7/2004 du 2 août 2004 consid. 4.1; en matière d'assurances sociales: ATF 133 V 367 consid. 11 p. 386 ss et les références citées). 16.2 Il s'ensuit que l'interdiction de discrimination ancrée aux art. 2 ALCP et 9 al. 2 annexe I ALCP est directement applicable et l'emporte sur les dispositions contraires des lois fédérales sur l'impôt fédéral direct et sur l'harmonisation fiscale. Cette même interdiction l'emporte aussi sur le droit cantonal contraire. Il en résulte que le recourant doit se voir appliquer, lors de son imposition à la source admise par l' art. 21 al. 3 ALCP , le même régime de déductions fiscales que les contribuables résidents en Suisse soumis au régime d'imposition ordinaire pour les périodes fiscales 2004, 2005 et 2006. 16.3 Au vu de l'issue de la procédure il n'est pas nécessaire d'examiner les autres griefs du recourant, notamment celui de violation de l' art. 8 Cst. , qui deviennent sans objet. Le recours 2C_319/2009 est admis sur ce point et la cause renvoyée au Tribunal administratif pour nouvelle décision dans le sens des considérants.
public_law
nan
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CH_BGE
CH_BGE_004
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Federation
090eb207-02f0-4a26-94ee-36a5511f7a66
Urteilskopf 115 Ib 68 9. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 4. April 1989 i.S. Bundesamt für Polizeiwesen gegen Staatsanwaltschaft und Überweisungsbehörde des Kantons Basel-Stadt, Internationale Genossenschaftsbank AG sowie Fritz Naphtali-Stiftung (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste Internationale Rechtshilfe in Strafsachen. Begriff des Abgabebetruges; Verhältnismässigkeitsgebot; Bankgeheimnis; Begriff des unbeteiligten Dritten; Verfahrensmängel im Sinne von Art. 2 IRSG , politisches Delikt. 1. Bestätigung der Rechtsprechung, wonach für die Auslegung des Begriffs des Abgabebetruges gemäss Art. 3 Abs. 3 Satz 2 IRSG auf die Bestimmung des Art. 14 Abs. 2 VStrR und damit auf die Umschreibung des Betrugsbegriffs in Art. 148 StGB und die hiezu bestehende bundesgerichtliche Rechtsprechung abzustellen ist (E. 3). 2. Die in casu verlangte Auskunftserteilung über zwei Bankkonten stellt keine Verletzung des auch im Rechtshilfeverkehr zu beachtenden Verhältnismässigkeitsgebotes dar (E. 4a) und führt auch nicht zu einer Verwässerung des Bankgeheimnisses (E. 4b). 3. Beim Inhaber von Bankkonten, die in den untersuchten Sachverhalt verwickelt sind, und bei der Bank selber, bei der sich die betreffenden Konten befinden, handelt es sich nicht um unbeteiligte Dritte im Sinne von Art. 10 Abs. 1 IRSG (E. 4c). 4. Der Gegenstand des Rechtshilfeersuchens bildende Sachverhalt wird im ersuchenden Staat durch Gerichtspersonen untersucht, die von den politischen Instanzen unabhängig sind. Der Umstand allein, dass dieser Sachverhalt einen Bezug zur "Parteispendenaffäre" hat, erlaubt es der Schweiz nicht, die Rechtshilfe gestützt auf Art. 2 lit. a EÜR bzw. Art. 2 lit. b/c und Art. 3 Abs. 1 IRSG zu verweigern (E. 5). Auch besteht kein Anlass zur Annahme, dass das die Beschuldigten betreffende Strafverfahren im ersuchenden Staat sonstwie einen schweren Mangel ( Art. 2 lit. d IRSG ) aufweisen könnte (E. 6).
Sachverhalt ab Seite 69 BGE 115 Ib 68 S. 69 Die Staatsanwaltschaft in Bonn, Bundesrepublik Deutschland (BRD), führt gegen X. und Y. als Verantwortliche der Friedrich Ebert-Stiftung (eingetragener Verein in Bonn) ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit Spenden, welche über die genannte Stiftung und die israelische Fritz Naphtali-Stiftung via deren Nummernkonten bei der Internationalen Genossenschaftsbank AG Basel (Ingeba AG) der Sozialdemokratischen BGE 115 Ib 68 S. 70 Partei Deutschlands (SPD) zugeleitet worden sein sollen. X. wird vorgeworfen, er habe als Geschäftsführer der Friedrich Ebert-Stiftung von 1974 bis 1980 durch unwahre Angaben über den Verwendungszweck von Spenden gegenüber dem zuständigen Finanzamt Bonn-Innerstadt fortgesetzt Körperschafts- und Vermögenssteuern zu Gunsten des Vereins im Gesamtbetrag von 11 Millionen DM hinterzogen sowie von 1976 bis 1980 fortgesetzt zahlreichen Steuerpflichtigen Beihilfe zur Verkürzung von Ertragssteuern (Einkommens- und Körperschaftssteuern) im Gesamtbetrag von 1,3 Millionen DM geleistet, indem er diesen Steuerpflichtigen unrichtige Spendenbescheinigungen ausgestellt habe bzw. habe ausstellen lassen. Y. wird beschuldigt, als Vorsitzender des Kuratoriums der Friedrich Ebert-Stiftung fortgesetzt Beihilfe zur Hinterziehung von Körperschafts- und Vermögenssteuern zu Gunsten des Vereins geleistet zu haben. Im Rahmen dieser Strafuntersuchung richtete der Leitende Oberstaatsanwalt in Bonn am 13. März 1986 über den Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen gestützt auf Art. VIII Abs. 2 des deutsch-schweizerischen Zusatzvertrages zum EÜR und die von der BRD am 5. Dezember 1983 abgegebene Gegenseitigkeitserklärung ein Rechtshilfeersuchen an das Bundesamt für Polizeiwesen (BAP) mit dem Begehren, die Nummernkonten 13 365 113 und 14 169 113 (Konteninhaber: Fritz Naphtali-Stiftung) bei der Ingeba AG in Basel seien zu beschlagnahmen. Auf Aufforderung des BAP hin ergänzte die Staatsanwaltschaft Bonn das Ersuchen mit Schreiben vom 13. August 1986. Das BAP überprüfte das Ersuchen im Sinne von Art. 78 IRSG und stellte fest, dass dieses den formellen Erfordernissen gemäss Art. 14 EÜR und Art. 28 IRSG entspreche. Insbesondere erachtete es die Rechtshilfe im Lichte von Art. 3 Abs. 3 IRSG als "grundsätzlich" zulässig. Diesbezüglich stützte es sich auf die Stellungnahme der Eidgenössischen Steuerverwaltung (EStV). Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, an die das BAP das Ersuchen zum Vollzug gesandt hatte, prüfte dieses ihrerseits gestützt auf Art. 79 IRSG und überzeugte sich "unabhängig von den Bundesbehörden von der Zulässigkeit der Rechtshilfe", wie der Erste Staatsanwalt in seiner Verfügung vom 12. August 1986 festhielt. Entsprechend ordnete er in Anwendung von § § 68 ff. StPO /BS die Beschlagnahme der Unterlagen der beiden Bankkonten Nrn. 13 365 113 und 14 169 113 bei der Ingeba AG in Basel an. Die Beschlagnahme wurde am 13. August 1986 in Anwesenheit der BGE 115 Ib 68 S. 71 beiden Generaldirektoren sowie des Rechtsvertreters der Ingeba AG in den Räumlichkeiten der Bank in Basel vollzogen. Am 14. August bzw. 1. September 1986 erhoben die Ingeba AG und die Fritz Naphtali-Stiftung Rekurs an die Überweisungsbehörde des Kantons Basel-Stadt mit dem Antrag, der Entscheid betreffend Rechtshilfegewährung sowie die Beschlagnahmeverfügung und die Beschlagnahme selber seien aufzuheben. Mit Beschluss vom 27. Oktober 1987 hiess die Überweisungsbehörde die beiden Rekurse gut, hob die Beschlagnahmeverfügung der Staatsanwaltschaft auf und wies das Rechtshilfebegehren der Bonner Staatsanwaltschaft ab. Hiergegen erhob das Bundesamt für Polizeiwesen Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht mit folgenden Anträgen: "1. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei gutzuheissen. 2. Der angefochtene Beschluss der Überweisungsbehörde des Kantons Basel-Stadt sei aufzuheben. 3. Die vom Leitenden Oberstaatsanwalt in Bonn am 13. März 1986 in dieser Sache verlangte Rechtshilfe sei zu bewilligen." Das Bundesgericht hat die Beschwerde im Sinne der Erwägungen gutgeheissen und den Entscheid der Überweisungsbehörde des Kantons Basel-Stadt vom 27. Oktober 1987 aufgehoben. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. a) aa) Die Überweisungsbehörde des Kantons Basel- Stadt hält im wesentlichen dafür, dass sich der Begriff des Abgabebetruges gemäss Art. 3 Abs. 3 Satz 2 IRSG entgegen der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ( BGE 111 Ib 242 ff.) nicht mit demjenigen des Art. 14 VStrR decke, auch wenn Art. 24 Abs. 1 IRSV für die Legaldefinition des Abgabebetruges auf Art. 14 Abs. 2 VStrR verweise. Mit MAX WIDMER (Die internationale Rechtshilfe bei Abgabebetrug, in: ASA 51/1983, S. 513 ff.) und BEATRICE WAGNER (Die Voraussetzungen für die Gewährung internationaler Rechtshilfe in Strafsachen, in: BJM 1985, S. 113 ff.) sei festzustellen, dass sich die Heranziehung von Art. 14 VStrR zur Beurteilung der "objektiven Merkmale" für die Strafbarkeit nur vertreten liesse, soweit die ausländischen Abgaben mit denen des Verwaltungsstrafrechts des Bundes (z.B. Warenumsatzsteuer, Stempelabgaben, Verrechnungssteuer) vergleichbar seien. Für die der direkten Bundessteuer vergleichbaren direkten ausländischen Steuern sei aber die strengere Bestimmung des Art. 130bis des BGE 115 Ib 68 S. 72 Bundesratsbeschlusses über die Erhebung einer direkten Bundessteuer (BdBSt, SR 642.11) massgebend, derzufolge eine Bestrafung für Abgabebetrug nur bei Vorliegen einer Urkundenfälschung möglich sei (WIDMER, a.a.O., insb. S. 521 ff., und WAGNER, a.a.O., insb. S. 123/ 125). Mit WIDMER (a.a.O., S. 521-523) sei festzustellen, dass Art. 24 Abs. 1 IRSV für die Steuern des Bundes und der Kantone vom Einkommen und Vermögen und für andere kantonale Abgaben gegen Art. 64 Abs. 1 IRSG verstosse. Denn bei der Umschreibung des Steuerbetrugs für die direkten Bundessteuern ( Art. 130bis BdBSt ) habe seinerzeit der Gesetzgeber bewusst und in voller Kenntnis der abweichenden Regelung im Verwaltungsstrafrecht ( Art. 14 VStrR ) die engere, auf die Urkundenfälschung abstellende Fassung gewählt. Trotz des Hinweises in Art. 24 Abs. 1 IRSV sei im Bereich der Einkommens- und Vermögenssteuern somit nicht Art. 14 VStrR anzuwenden, sondern bei diesen Steuerarten dürfe Rechtshilfe nur unter den Voraussetzungen des Art. 130bis BdBSt geleistet werden. Die im Rechtshilfegesuch umschriebenen Abgaben (Körperschafts-, Einkommens- und Vermögenssteuern bzw. Ertragssteuern) entsprächen durchwegs den schweizerischen direkten Bundes- und Kantonssteuern, deren Hinterziehung nur dann strafbar sei, wenn ein Betrug mittels Urkundenfälschung im Sinne von Art. 130bis BdBSt objektiv erfüllt sei. Im vorliegenden Fall seien aber die erforderlichen qualifizierenden Momente jedenfalls der Urkundenfälschung im engern Sinn nicht gegeben, so dass nach dem restriktiven Auslegungserfordernis in bezug auf die Ausnahmefälle des Art. 3 Abs. 3 IRSG dem Rechtshilfegesuch schon -aus diesem Grund nicht stattgegeben werden könne. Die privaten Beschwerdegegnerinnen sind im wesentlichen derselben Auffassung wie die Überweisungsbehörde. Das BAP erachtet die Ausführungen der Überweisungsbehörde, wonach bei Rechtshilfebegehren zur Abklärung von Hinterziehungen bei direkten Steuern immer das Element der Urkundenfälschung gegeben sein müsse, als unzutreffend. Es macht geltend, die von der Überweisungsbehörde vorgenommene Auslegung des Begriffs des Abgabebetruges im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Satz 2 IRSG stehe im Widerspruch zu den Gesetzesmaterialien und den vom Bundesgericht in BGE 111 Ib 242 ff. entwickelten Grundsätzen und verletze daher Bundesrecht ( Art. 104 lit. a OG ). Der Entscheid über die Zulässigkeit der Rechtshilfe gemäss Art. 3 Abs. 3 IRSG müsse allein nach schweizerischem Recht gefällt werden; das BGE 115 Ib 68 S. 73 deutsche Recht sei in diesem Zusammenhang unbeachtlich. Des weitern sei hier zu berücksichtigen, dass die Unterscheidung des schweizerischen Rechts zwischen Steuerbetrug als mit strafrechtlichen Mitteln zu untersuchende Tat und Steuerhinterziehung im Ausland unbekannt sei; die in der Schweiz geltende Verfahrensordnung für Steuerwiderhandlungen sei einmalig. Würde man so argumentieren wie die Überweisungsbehörde, so hätte die Mehrzahl der bisher erhaltenen und vollzogenen Rechtshilfeersuchen in Fällen von Abgabebetrug a priori abgelehnt werden müssen (so auch in dem in BGE 111 Ib 242 ff. geschilderten Fall). Gegen die Überlegungen der Überweisungsbehörde spreche ferner auch die Tatsache, dass bei der Beurteilung der beidseitigen Strafbarkeit nicht auf das Prinzip der identischen Norm abgestellt werde, d.h. dass gerade nicht zu verlangen sei, dass der untersuchte Sachverhalt in beiden Staaten strafrechtlich gleich qualifiziert werden müsse ( BGE 110 Ib 180 ff. E. 5 mit Hinweisen). Auch damit, dass die Überweisungsbehörde die Beurteilung der Gegenstand des Ersuchens bildenden Straftaten nach § 370 Abs. 3 Ziff. 4 der Abgabenordnung 1977 anstatt nach schweizerischem Recht vorgenommen habe, habe sie Bundesrecht verletzt ( Art. 104 lit. a OG ). Im übrigen gehe die Überweisungsbehörde fehl, wenn sie die von X. ausgestellten Bescheinigungen als blosse Erklärungen der Steuerpflichtigen und nicht als Urkunden qualifiziere. Da es sich um Dokumente handle, die von Dritten ausgestellt worden seien, könnten sie nicht einer Steuererklärung gleichgestellt werden. Diese Tatsache hätte an sich auch die Überweisungsbehörde zum Schluss führen müssen, dass ein Steuerbetrug vorliege, auch wenn sie die Prüfung zu Unrecht auf Art. 130bis BdBSt eingeengt habe. Diese Bestimmung spreche nämlich ausdrücklich von "Bescheinigungen Dritter". Aus dem Rechtshilfeersuchen gingen ausserdem die Umstände und der Inhalt der Bescheinigungen mit aller Deutlichkeit hervor, so dass an ihrer Qualifikation als Urkunde im Sinne von Art. 110 Ziff. 5 StGB nicht gezweifelt werden könne. Die Bescheinigungen seien bestimmt und geeignet gewesen, den Beweis gegenüber den Steuerbehörden zu erbringen, dass die Zuwendungen steuerlich begünstigt behandelt werden müssten. Damit liege eine Verwendung einer falschen Urkunde vor, weshalb die Hinterziehung der Steuern als arglistig erfolgt und damit als rechtshilfefähige Tat erscheine. Des weitern sei festzustellen, dass sich die Überweisungsbehörde nicht geäussert habe, wie der Bericht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in der Angelegenheit qualifiziert BGE 115 Ib 68 S. 74 werden müsse. Die Sachverhaltsdarstellung im Ersuchen lasse keinen Zweifel daran, dass auch hier eine Verwendung einer falschen Urkunde zur Täuschung der Steuerbehörden vorgelegen habe, womit ebenfalls ein Abgabebetrug im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Satz 2 IRSG verwirklicht worden sei. Die Feststellung der Überweisungsbehörde schliesslich, der Sachverhalt gemäss Ersuchen sei zu unvollständig, um einen Entscheid zu erlauben, erstaune sehr. Tatsächlich sei es der EStV als Fachinstanz und auch der ersten Instanz im Kanton Basel-Stadt ohne weiteres möglich gewesen, die Qualifikation der Rechtshilfefähigkeit vorzunehmen. Wollte man von der ersuchenden Behörde weitere Angaben verlangen, so liefe dies auf eine Vorwegnahme des Strafprozesses in der Schweiz hinaus. Dies würde jedoch Sinn und Zweck des Rechtshilfeverfahrens widersprechen und sei deshalb abzulehnen. Das BAP sei der Auffassung, der Leitende Oberstaatsanwalt in Bonn habe genügende Verdachtsmomente für einen Abgabebetrug dargelegt, so dass die Voraussetzungen zur Rechtshilfeerteilung erfüllt seien. bb) Was unter Abgabebetrug im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Satz 2 IRSG zu verstehen ist, hat das Bundesgericht im Entscheid BGE 111 Ib 242 ff. eingehend erörtert. Die seitherige, wiederholt bestätigte bundesgerichtliche Rechtsprechung (s. BGE 114 Ib 56 ff.; ferner teilweise zur Veröffentlichung bestimmtes Urteil vom 6. Dezember 1988 i.S. C. AG und nicht veröffentlichte Urteile vom 6. Mai 1988 i.S. Bank S. sowie vom 4. Januar 1988 i.S. A.) stützt sich auf die Gesetzesmaterialien und auch auf die mehrheitliche Literatur (s. die Hinweise in BGE 111 Ib 245 ff. E. 4). Ebenfalls CURT MARKEES (Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, SJK Nrn. 423a S. 26 ff. und 423b S. 19 ff.), dessen Ausführungen im Zeitpunkt des Entscheids BGE 111 Ib 242 ff. noch nicht vorlagen, unterstützt die darin entwickelten Grundsätze einlässlich. Die von WIDMER (a.a.O., S. 513 ff.) und gestützt auf diesen auch von WAGNER (a.a.O., S. 113 ff.) vertretene Argumentationsweise, wie sie von der Überweisungsbehörde des Kantons Basel-Stadt übernommen worden ist, ist demgegenüber vereinzelt. Der Begriff des Abgabebetruges wird vom IRSG nicht umschrieben, während sich Art. 24 Abs. 1 IRSV darauf beschränkt, auf Art. 14 Abs. 2 VStrR zu verweisen. Aus den Protokollen der Kommissionen der eidgenössischen Räte und aus den Ratsprotokollen selber geht indes klar hervor, dass mit Abgabebetrug im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Satz 2 IRSG das in Art. 14 Abs. 2 VStrR in Anlehnung an Art. 148 StGB umschriebene und mit Freiheitsstrafe BGE 115 Ib 68 S. 75 bedrohte Verhalten angesprochen ist (s. die Hinweise in BGE 111 Ib 246 f. E. 4a; ferner die einlässliche Darstellung der Entstehungsgeschichte des zweiten Satzes des Art. 3 Abs. 3 IRSG bei LIONEL FREI, Die Rechtshilfe bei Abgabebetrug, in: ASA 50/1982, S. 339 f.; ferner MARKEES, a.a.O., SJK Nrn. 423a, S. 26 ff., und 423b, S. 19 ff.). Als Abgabebetrug zu bestrafen ist danach das Vorenthalten einer (direkten oder indirekten) Steuer (s. Sten.Bull. NR vom 12. Juni 1979, S. 678, und Sten.Bull. StR vom 4. Juni 1980, S. 209), einer andern Abgabe (s. hiezu ROBERT PFUND, Das neue Verwaltungsstrafrecht des Bundes, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerstrafrechts, in: ASA 42/1973, S. 162), eines Beitrags oder einer andern - dem Gemeinwesen zu erbringenden - Leistung in erheblichem Betrag mit den in Art. 14 Abs. 1 VStrR umschriebenen Mitteln. Rechtshilfe sollte für alle schwerwiegenden Fiskaldelikte gewährt werden, wie sich den Protokollen der Kommissionen der Räte klar entnehmen lässt (vgl. NR-Kommissionssitzung vom 29./30. Mai 1978, Protokoll- Nummern 221, 239, 243 und 263). Ebenso zweifelsfrei ergibt sich aus den Diskussionen der eidgenössischen Räte und ihrer Kommissionen, dass auch und gerade in Verfahren wegen betrügerischer Hinterziehung der allgemeinen Steuern vom Einkommen und vom Vermögen die Rechtshilfe nicht ausgeschlossen werden sollte (vgl. Protokolle der Sitzungen der NR-Kommission vom 29./30. Mai 1978, 30./31. Oktober 1978 und 12./13. Februar 1979 sowie der StR-Kommission vom 8. Mai 1980, ferner Sten.Bull. NR vom 12. Juni 1979, S. 660 ff., und StR vom 4. Juni 1980, S. 209 ff.). Wegen der Uneinheitlichkeit der Objekte der Abgabenerhebung können sich natürlich für die in einem Verfahren wie dem vorliegenden zu beachtende beidseitige Strafbarkeit ( Art. 5 Ziff. 1 lit. a EÜR , Erklärung der Schweiz zu Art. 5 Ziff. 1 EÜR ) besondere Probleme ergeben. Dabei stellt sich insbesondere die Frage, nach welchem Recht sich die objektiven Merkmale des Abgabebetruges zu richten haben. Nach WIDMER (a.a.O., S. 521) dürfen diese Merkmale nur dem Gesetz entnommen werden, "das in der Schweiz für die gleiche oder vergleichbare Steuer gilt". Diese Auffassung verkennt, dass Rechtshilfe nicht wegen eines in der Schweiz allgemein gesetzlich als Steuerbetrug qualifizierten und bezeichneten Delikts geleistet wird, sondern wegen eines tatsächlichen Vorkommnisses, eines Lebensgeschehnisses (vgl. dazu für die Auslieferung: HANS SCHULTZ, Das schweizerische Auslieferungsrecht, BGE 115 Ib 68 S. 76 S. 258 und 324, ferner MARKEES, a.a.O., SJK Nr. 422, S. 32 f.), das diejenigen Merkmale aufweist, die es nach Auffassung der eidgenössischen Räte als betrügerisches Verhalten qualifizieren, wie es nach eidgenössischem Recht als Abgabebetrug verfolgt und bestraft werden kann (s. MARKEES, a.a.O., SJK Nr. 423a, S. 26, und Nr. 423b, S. 19). Dabei ist betrügerisch nicht bloss ein Verhalten, das von einem die strafrechtlichen Aspekte der Tat nur unvollständig berücksichtigenden Gesetz als Betrug qualifiziert und bezeichnet wird. Denn weder die Bezeichnung noch die fehlende rechtliche Qualifikation ändern etwas daran, dass das in Frage stehende Vorkommnis keine einfache, sondern eine mit betrügerischen Mitteln begangene und damit qualifizierte Hinterziehung darstellt, gleichgültig, ob auch das Gesetz, das am Orte der Leistung der Rechtshilfe für eine allfällige Beurteilung der Tat anwendbar wäre, ihre Verübung mit diesen Mitteln als Steuerbetrug qualifiziert oder nicht (s. MARKEES, a.a.O., SJK Nr. 423b, S. 20). Der Einwand WIDMERS geht somit von einer unrichtigen Auffassung der beidseitigen Strafbarkeit aus (s. hiezu im übrigen nachf. lit. c). Inwiefern Art. 24 Abs. 1 IRSV gegen die Bestimmung des Art. 64 Abs. 1 IRSG verstossen soll, wie dies von WIDMER (a.a.O., S. 521-523) behauptet wird, ist nach dem Gesagten nicht ersichtlich (s. in diesem Zusammenhang auch PAOLO BERNASCONI, Strafrechtshilfe bei Abgabebetrug, in: Finanzunterwelt - Gegen Wirtschaftskriminalität und organisiertes Verbrechen, Zürich und Wiesbaden 1988, S. 132 f.). In Berücksichtigung der erwähnten Materialien sowie der in BGE 111 Ib 242 ff. und vorstehend zusätzlich zitierten Literatur sieht das Bundesgericht keine Veranlassung, von der seiner bisherigen Rechtsprechung zugrundeliegenden Auslegung des Begriffs des Abgabebetruges im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Satz 2 IRSG abzuweichen. Die einzig von WIDMER und gestützt auf diesen auch von WAGNER vertretene Auffassung, für die der direkten Bundessteuer vergleichbaren direkten ausländischen Steuern sei im Rahmen der Beurteilung eines Rechtshilfeersuchens wegen betrügerischer Steuerverkürzung Art. 130bis BdBSt massgebend, vermag nach dem Gesagten nicht zu überzeugen. Für die Auslegung des Begriffs des Abgabebetruges im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Satz 2 IRSG ist also - im Sinne von Art. 24 Abs. 1 IRSV - Art. 14 Abs. 2 VStrR und damit, wie für diese Bestimmung selber, die Umschreibung des Betrugsbegriffs in Art. 148 StGB und die dazu bestehende bundesgerichtliche BGE 115 Ib 68 S. 77 Rechtsprechung massgebend. Der Kassationshof des Bundesgerichts hat als Steuerbetrug entsprechend der steuerrechtlichen Lehre ein Verhalten des Steuerpflichtigen bezeichnet, der die Steuerbehörden aufgrund von falschen, gefälschten oder inhaltlich unwahren Urkunden über die für die Quantifizierung des Steueranspruchs erheblichen Tatsachen täuscht, um auf diese Weise eine unrichtige, für ihn zu günstige Einschätzung zu erreichen ( BGE 110 IV 28 ). Dieser Entscheid, der sich nicht auf ein Rechtshilfeverfahren bezog, ist in Übereinstimmung mit der herrschenden Lehre dahingehend zu ergänzen, dass der Steuerbetrug nicht notwendigerweise die Verwendung falscher oder gefälschter Urkunden voraussetzt, sondern dass auch andere Fälle arglistiger Täuschung der Steuerbehörden denkbar sind, z.B. durch ein für diese Behörden nicht durchschaubares Zusammenwirken des Steuerpflichtigen mit Dritten (vgl. PAOLO BERNASCONI, Das Schweizer Bankgeheimnis und das neue Rechtshilfegesetz in Strafsachen, in: Der Schweizer Treuhänder 1983, S. 13/14; PAOLO BERNASCONI, Strafrechtshilfe bei Abgabebetrug, a.a.O., insb. S. 134 f.; HANS SCHULTZ, Bankgeheimnis und internationale Rechtshilfe in Strafsachen, Bankverein-Heft Nr. 22, S. 26; FERDINAND ZUPPINGER, Internationale Amts- und Rechtshilfe in Strafsachen, in: ASA 50/1981, S. 27). Jedenfalls aber sind besondere Machenschaften, Kniffe oder ein ganzes Lügengebäude Voraussetzung dafür, dass arglistige Täuschung anzunehmen ist. Unter bestimmten Umständen kann allerdings auch blosses Schweigen arglistig sein, dann nämlich, wenn der Täuschende den Getäuschten von einer möglichen Überprüfung abhält oder voraussieht, dass dieser mit Rücksicht auf ein besonderes Vertrauensverhältnis von einer Überprüfung absehen wird ( BGE 111 Ib 248 E. 4b mit Hinweisen). b) aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts werden, dem Zweck des EÜR entsprechend, an die Begründung eines Rechtshilfeersuchens keine strengen Anforderungen gestellt; es genügt, wenn die darin gemäss Art. 14 EÜR enthaltenen Angaben es den schweizerischen Behörden ermöglichen, zu prüfen, ob kein Sachverhalt vorliege, für den die Rechtshilfe nicht zulässig wäre (s. BGE BGE 111 Ib 131 , BGE 106 Ib 264 , BGE 103 Ia 210 , ferner nicht veröffentlichtes Urteil vom 11. Januar 1984 i.S. Bank G., E. 3; BGE 110 Ib 179 E. 4d und Urteil vom 1. Juli 1987 i.S. M., E. 5b, nicht publiziert, zu Art. 28 IRSG ). Diesen Anforderungen genügt das vorliegende Ersuchen vom 13. März 1986 mit Ergänzung BGE 115 Ib 68 S. 78 vom 13. August 1986 klarerweise, ermöglicht es doch die genannte Prüfung ohne weiteres. bb) Die schweizerische Behörde hat sich beim Entscheid über ein Rechtshilfebegehren nicht dazu auszusprechen, ob die darin angeführten Tatsachen zutreffen oder nicht. Sie ist vielmehr an die Darstellung des Sachverhalts im Begehren des ersuchenden Staates gebunden, soweit diese nicht offensichtliche Fehler, Lücken oder Widersprüche enthält ( BGE 110 Ib 180 E. 4; BGE 107 Ib 254 E. 2b/aa, 267 E. 3a; BGE 105 Ib 425 f. E. 4b). Was speziell die Rechtshilfe im Zusammenhang mit dem Tatbestand des Abgabebetruges betrifft, so verlangt das Bundesgericht von der ersuchenden Behörde nicht einen strikten Beweis dieses Tatbestandes, doch muss sie hinreichende Verdachtsmomente für dessen Vorliegen darlegen, damit ihrem Gesuch entsprochen werden kann ( BGE 114 Ib 59 f. E. 3b, BGE 111 Ib 250 f. E. 5c). Damit soll verhindert werden, dass die ersuchende Behörde sich unter dem Deckmantel eines von ihr ohne Vorhandensein von Verdachtsmomenten lediglich behaupteten Abgabebetruges Beweise verschafft, die zur Ahndung anderer Fiskaldelikte dienen sollen, für welche die Schweiz keine Rechtshilfe gewährt ( Art. 3 Abs. 3 IRSG ; BGE 114 Ib 60 E. 3c). Hinzu kommt, dass eine blosse Beweisausforschung verboten ist ( BGE 103 Ia 211 f. E. 6). cc) Nach dem Ersuchen und dessen Ergänzung ist davon auszugehen, dass X. und Y. als Verantwortliche der Friedrich Ebert- Stiftung in den beim zuständigen Finanzamt für die Zeit von 1974 bis 1980 abgegebenen Erklärungen über die Geschäftstätigkeit der Stiftung wahrheitswidrig versicherten, sämtliche Einnahmen seien satzungsgemäss verwendet worden, obwohl in Wirklichkeit von den eingegangenen Zahlungen insgesamt fast 24 Millionen DM als "Parteispenden" für die SPD Verwendung gefunden hätten. Der Transfer soll sich über die zwei bereits genannten Konten der Fritz Naphtali-Stiftung bei der Ingeba AG in Basel abgewickelt haben. In den dem Finanzamt jeweils mit den - ausser 1975 von X. unterzeichneten - Steuererklärungen vorgelegten, von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft erstellten Prüfungsberichten über die Jahresabschlüsse seien die Überweisungen an die Fritz Naphtali- Stiftung unzutreffend als "Ausgaben zur Ausbildung von Führungskräften aus Entwicklungsländern gemäss § 2 Abs. 2 der Satzung" (der Stiftung) deklariert worden, womit dem zuständigen Finanzamt vorgetäuscht worden sei, die Einnahmen seien satzungsgemäss verwendet worden. Ferner seien den einzelnen BGE 115 Ib 68 S. 79 "Parteigeldspendern" in der Zeit von 1976 bis 1980 von seiten der Friedrich Ebert-Stiftung inhaltlich unrichtige Bescheinigungen für die Vorlage an das Finanzamt, zwecks Umgehung der den Steuerabzug von Parteispenden einschränkenden Bestimmungen, ausgestellt worden, indem ihnen schriftlich bescheinigt worden sei: "... Wir bestätigen ... dass wir den uns zugewendeten Betrag nur zu satzungsgemässen gemeinnützigen Zwecken verwenden werden." In neun von zwölf Fällen habe X. die Bescheinigungen selbst unterschrieben, während in den übrigen Fällen der offenbar gutgläubige stellvertretende Geschäftsführer durch ihn zur Unterzeichnung veranlasst worden sei. Aus den bereits sichergestellten Unterlagen gehe hervor, dass die Zahlungen auf die Konten der Fritz Naphtali-Stiftung durchwegs von X. veranlasst worden seien; seinen Anweisungen sei aber jeweils eine Absprache mit Y. der auch Vorstandsmitglied der Fritz Naphtali-Stiftung und über deren Basler Bankkonten mit Einzelunterschrift verfügungsberechtigt sei, vorangegangen. Die so als gemeinnützige und damit steuerlich abzugsfähige Vereinsspenden kaschierten Zahlungen zur Unterstützung der SPD seien via Friedrich Ebert-Stiftung über die beiden Nummernkonten der Fritz Naphtali-Stiftung bei der Ingeba AG in Basel abgewickelt worden. Die Beschlagnahme dieser beiden Konten sei erforderlich, weil keine der beiden Stiftungen über die Verwendung der etwa 22 Millionen DM, welche zwischen 1974 und 1980 von der Friedrich Ebert-Stiftung an die Fritz Naphtali-Stiftung überwiesen worden sein sollen, Belege beibringen oder sonst einen Nachweis führen könne. Aus sichergestellten Jahresberichten der Fritz Naphtali-Stiftung gehe hervor, dass die Zahlungen der Friedrich Ebert-Stiftung buchhalterisch nicht erfasst worden seien. Im Hinblick darauf, dass dem zuständigen Finanzamt auf die genannte Weise eine satzungsgemässe Verwendung der Einnahmen der Friedrich Ebert-Stiftung vorgetäuscht worden sei, dürfte es sich - wie der Leitende Oberstaatsanwalt in Bonn zusammenfassend feststellt - beim untersuchten Sachverhalt um Abgabebetrug handeln. Dem Ersuchen sei daher zu entsprechen. Durch die Beschlagnahme von Unterlagen der beiden in Frage stehenden Bankkonten könne nähere Aufklärung über die Verwendung der zwischen 1974 und 1980 dorthin überwiesenen Geldbeträge erlangt werden. Anhand dieser Bankunterlagen sei der für das Steuerstrafverfahren erforderliche Aufschluss möglich, an wen, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Höhe Abflüsse von den genannten Konten erfolgt seien. BGE 115 Ib 68 S. 80 Der Tatvorwurf gemäss diesen Angaben im Ersuchen und in dessen Ergänzung stellt einen Steuer- bzw. Abgabebetrug im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Satz 2 IRSG und der bundesgerichtlichen Rechtsprechung dar. Was die genannten, die Jahresabschlüsse der Friedrich Ebert-Stiftung betreffenden Prüfungsberichte einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft anbelangt, die von den Stiftungsverantwortlichen zum Zwecke der Steuerumgehung veranlasst und den Steuererklärungen beigelegt worden sein sollen, ist festzustellen, dass insoweit selbst der Tatbestand gemäss Art. 130bis BdBSt als erfüllt erachtet werden kann (danach wird bestraft, "wer bei einer Hinterziehung ... gefälschte, verfälschte oder inhaltlich unwahre Urkunden wie Geschäftsbücher, Bilanzen, Erfolgsrechnungen oder Lohnausweise und andere Bescheinigungen Dritter zur Täuschung gebraucht"); denn bei diesen Erklärungen handelt es sich um von "Dritten" im Sinne der betreffenden Bestimmung ausgestellte inhaltlich unwahre und zur Täuschung der Steuerbehörden gebrauchte Bescheinigungen. Dasselbe gilt - von seiten der spendenden Unternehmungen her betrachtet - hinsichtlich der diesen durch das Stiftungsorgan X. zum Zwecke der Steuerumgehung ausgestellten inhaltlich unrichtigen Bescheinigungen zur Vorlage an das Finanzamt, denn aus der Sicht dieser Unternehmungen in ihrer Eigenschaft als Steuersubjekte ist X. seinerseits als "Dritter" im Sinne von Art. 130 BdBSt zu erachten. Nicht "Dritte" im Sinne dieser Bestimmung sind X. und Y., der das Vorgehen von X. mit diesem abgesprochen hatte, soweit sie als Organe der Stiftung für diese selber in den Steuererklärungen inhaltlich unwahre Angaben machten, doch ist dies hier nicht entscheidend, Die zuhanden der einzelnen Spender ausgestellten Bescheinigungen und auch die den fast immer von X. unterzeichneten Steuererklärungen beigelegten Prüfungsberichte waren nach den Angaben im Ersuchen bestimmt und auch ohne weiteres geeignet, den Beweis gegenüber den Steuerbehörden zu erbringen, dass die genannten Zuwendungen steuerlich begünstigt behandelt werden müssten. Bereits diese inhaltlich unwahren Bescheinigungen insgesamt stellen ein für die Steuerbehörden nicht durchschaubares Zusammenwirken verschiedener Steuerpflichtiger mit Dritten dar, was auf eine arglistige Täuschung im Sinne der genannten bundesgerichtlichen Rechtsprechung schliessen lässt. Dabei kann offenbleiben, um welche Art von Urkundenfälschungen es sich in den einzelnen Fällen handelt. Wird weiter berücksichtigt, dass gemäss Ersuchen keine der beiden Stiftungen über die Verwendung der etwa BGE 115 Ib 68 S. 81 22 Millionen DM, welche zwischen 1974 und 1980 von der Friedrich Ebert-Stiftung an die Fritz Naphtali-Stiftung überwiesen worden sein sollen, Belege beibringen oder sonst einen Nachweis führen kann, dass die Zahlungen der Friedrich Ebert-Stiftung buchhalterisch nicht erfasst wurden und dass der wahre Zweck der erfolgten Spenden offenbar über den erfolgten Transfer von der Friedrich Ebert-Stiftung auf die Konten der Fritz Naphtali-Stiftung verschleiert werden sollte, so lässt auch dies - bei der sich aufdrängenden gesamtheitlichen Betrachtungsweise hinsichtlich der in Frage stehenden Vorgänge - auf besondere Machenschaften oder auf ein ganzes Lügengebäude und damit auf Arglist im Sinne der aufgezeigten bundesgerichtlichen Rechtsprechung schliessen. Indem die deutschen Steuerbehörden auf diese Weise getäuscht und dadurch Steuern hinterzogen wurden, liegt in objektiver Hinsicht Abgabebetrug im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Satz 2 IRSG vor (s. vorstehende lit. a/bb). Dabei kann offenbleiben, wie die Teilnahmehandlungen der Beschuldigten X. und Y. im einzelnen rechtlich zu würdigen sind. Was die Beschwerdegegnerinnen gegen die Ausführungen der deutschen Behörden vorbringen, vermag keine offensichtlichen Irrtümer, Lücken oder Widersprüche im Ersuchen darzulegen, die den von der Staatsanwaltschaft in Bonn schlüssig aufgezeigten Verdacht des Abgabebetruges sofort zu entkräften vermöchten ( BGE 110 Ib 180 E. 4 mit Hinweisen). Vielmehr werfen sie im wesentlichen Tat- und Schuldfragen auf, die indes vom deutschen Sachrichter zu beurteilen sein werden. c) Demnach sind die Gegenstand des Ersuchens bildenden Straftaten als Abgabebetrug bzw. Teilnahmehandlungen daran zu qualifizieren. Als Abgabebetrug ist - wie ausgeführt (vorstehende lit. b) - nur zu verstehen, was nach schweizerischer Auffassung als solcher gilt. Ob die Tat auch nach dem Recht des ersuchenden Staates so bezeichnet wird oder anders, ist gleichgültig, wenn nur der verfolgte Sachverhalt die für den Abgabebetrug erforderlichen Merkmale erkennen lässt (MARKEES, a.a.O., SJK Nr. 423a, S. 26), was hier nach dem Gesagten zutrifft. Im Lichte des in einem Fall wie dem vorliegenden zu beachtenden Grundsatzes der beidseitigen Strafbarkeit ( Art. 5 Ziff. 1 lit. a EÜR , Erklärung der Schweiz zu Art. 5 Ziff. 1 EÜR ) ist also unerheblich, ob auch die Gesetzgebung, die am Orte der Leistung der Rechtshilfe für eine allfällige Beurteilung der Tat anwendbar wäre, ihre Verübung mit denselben Mitteln wie die schweizerische Rechtsordnung als Steuerbetrug qualifiziert BGE 115 Ib 68 S. 82 oder nicht. Gilt die Tat dort nur als einfache Hinterziehung, so bedeutet dies keineswegs, dass dann quasi auf Umwegen Rechtshilfe auch wegen einfacher Steuerhinterziehung geleistet wird, weil eben die Merkmale erfüllt sein müssen, die sie als betrügerisches Verhalten qualifizieren. Der Grundsatz der beidseitigen Strafbarkeit erfordert nicht, dass der ersuchende und der ersuchte Staat die fraglichen Handlungen in ihren Gesetzgebungen unter demselben rechtlichen Gesichtswinkel erfassen. Die Normen brauchen nicht identisch zu sein; es genügt, dass die im Rechtshilfegesuch umschriebenen Tatsachen in der Rechtsordnung sowohl des ersuchenden als auch des ersuchten Staates einen Straftatbestand erfüllen (s. BGE 113 Ib 76 E. 4b, BGE 112 Ib 233 ff. E. 5). Beidseitige Strafbarkeit ist nach dem Gesagten als gegeben zu erachten, wenn der dem Ersuchen zugrundeliegende Sachverhalt einer in der Rechtsordnung des ersuchten Staates vorgesehenen Rechtsverletzung gleicher Art entspricht (s. MARKEES, a.a.O., SJK Nr. 423b, S. 20), was für die Steuerstraftatbestände gemäss deutscher Rechtsordnung zutrifft. Dabei ist festzustellen, dass die Tat- und Schuldfragen nicht bereits im vorliegenden Verfahren im Lichte der betreffenden Tatbestände zu würdigen sind; vielmehr wird diese Würdigung erst durch den deutschen Sachrichter vorzunehmen sein. Mit der Bewilligung der Rechtshilfe ist allerdings der Spezialitätsvorbehalt anzubringen, dass die in der Schweiz gewonnenen Erkenntnisse tatsächlich nur zur Ahndung von eigentlichem Abgabebetrug im aufgezeigten Sinne bzw. Teilnahmehandlungen daran, jedoch insbesondere nicht für Verfahren wegen einfacher Steuerhinterziehung oder für nach schweizerischer Auffassung rein administrative Steuerveranlagungsverfahren benützt werden dürfen. Sind somit die Gegenstand des Ersuchens bildenden Straftaten als Abgabebetrug bzw. Teilnahmehandlungen daran zu qualifizieren, so muss Rechtshilfe geleistet werden (s. BGE 111 Ib 248 E. 4c), wenn auch - was nachfolgend zu prüfen ist - die übrigen Voraussetzungen der Rechtshilfe erfüllt sind. 4. a) Die Überweisungsbehörde des Kantons Basel-Stadt gelangte zu Recht zur Auffassung, dass die grosse Bedeutung der dem Ersuchen zugrundeliegenden Abgabenverkürzung in Millionenhöhe die Rechtshilfeleistung an sich rechtfertigte, dieser also jedenfalls das auch im Rechtshilfeverkehr zum Tragen kommende Verhältnismässigkeitsgebot nicht entgegenstehe (s. in diesem Zusammenhang Art. 4 und 63 IRSG ; BGE 110 Ib 184 E. 7, BGE 109 Ib 230 /231 E. 2f, BGE 106 Ib 264 E. 3a, 351 E. 3a, ferner E. 8 des teilweise BGE 115 Ib 68 S. 83 zur Veröffentlichung bestimmten Urteils vom 6. Dezember 1988 i.S. C. AG, mit weiteren Hinweisen). Für einen komplexen Sachverhalt, wie er hier zur Diskussion steht, ist nach der bundesgerichtlichen Praxis einzig die mit der Untersuchung selbst befasste Behörde in der Lage, abschliessend zu beurteilen, ob und welche Urkunden sich als belastende und entlastende Beweismittel eignen. Daraus folgt, dass jedenfalls die bei der Ingeba AG beschlagnahmten Kontenunterlagen der zuständigen deutschen Strafverfolgungsbehörde zur Verfügung zu stehen haben, kann doch nach allgemeiner Erfahrung keineswegs ausgeschlossen werden, dass sie weitere Indizien für den Gegenstand des Ersuchens bildenden Abgabebetrug hergeben werden. b) Entsprechend hält die Ingeba AG zu Unrecht dafür, die Rechtshilfegewährung führe zu einer weiteren Verwässerung des durch Art. 47 des Bundesgesetzes über die Banken und Sparkassen vom 8. November 1934 (BankG, SR 952.0) geschützten Bankgeheimnisses. Dem Bankgeheimnis kommt nicht der Rang eines geschriebenen oder ungeschriebenen verfassungsmässigen Rechtes zu, so dass es bei Kollision mit anderen Interessen stets den Vorrang beanspruchen könnte. Vielmehr handelt es sich um eine gesetzliche Norm, die gegebenenfalls gegenüber staatsvertraglichen Verpflichtungen der Schweiz zurückzutreten hat ( BGE 104 Ia 53 E. 4a mit Hinweisen). Art. 1 Abs. 2 IRSG gebietet den Behörden, welche das Gesetz anzuwenden haben, "den Hoheitsrechten, der Sicherheit, der öffentlichen Ordnung oder anderen wesentlichen Interessen der Schweiz Rechnung zu tragen" (ähnlich lautet Art. 2 lit. b EÜR ). Zu diesen wesentlichen Interessen der Schweiz kann der Schutz des Bankgeheimnisses nur unter bestimmten Voraussetzungen zählen. Es muss sich bei der von einem um Rechtshilfe ersuchenden Staat verlangten Auskunft um eine solche handeln, deren Preisgabe das Bankgeheimnis geradezu aushöhlen oder die der ganzen schweizerischen Wirtschaft Schaden zufügen würde. Hingegen wird es sich nie um wesentliche Interessen der Schweiz handeln, wenn die Rechtshilfe nur dazu führt, eine Auskunft nur über die Bankbeziehungen einiger weniger in- oder ausländischer Kunden zu erteilen (s. BGE 113 Ib 164 ff. E. 5 und nicht veröffentlichtes Urteil vom 4. Januar 1988 i.S. A., E. 3a, mit weiteren Hinweisen; SCHULTZ, a.a.O., Bankverein-Heft Nr. 22, S. 12 ff. und 20; MARKEES, a.a.O., SJK Nr. 423a, S. 10 ff. und 18 ff.). So verhält es sich hier, wird doch von den deutschen Behörden nur die Auskunftserteilung über zwei Konten bei der BGE 115 Ib 68 S. 84 Ingeba AG verlangt. Dass bzw. inwiefern durch diese Auskunftserteilung wesentliche Interessen der Schweiz beeinträchtigt würden, wird von der Bank nicht dargelegt und ist denn auch nicht ersichtlich. c) Bei den privaten Beschwerdegegnerinnen handelt es sich - entgegen der Auffassung der Ingeba AG - nicht um unbeteiligte Dritte im Sinne von Art. 10 Abs. 1 IRSG . Aus dem Ersuchen ergibt sich schlüssig, dass die beiden von den deutschen Behörden genannten, der Fritz Naphtali-Stiftung gehörenden Konten bei der Ingeba AG und damit diese selber in den von den deutschen Behörden untersuchten Sachverhalt verwickelt sind. In einem solchen Fall kann gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung Art. 10 Abs. 1 IRSG nicht zur Anwendung gelangen (vgl. in diesem Zusammenhang BGE 113 Ib 164 ff. E. 5 und BGE 112 Ib 462 ff., ferner nicht veröffentlichte Urteile vom 6. Mai 1988 i.S. Bank S., E. 7b, und vom 4. Januar 1988 i.S. A., E. 3b, mit weiteren Hinweisen). Der Erteilung der Rechtshilfe steht somit auch insoweit nichts entgegen. 5. Das BAP macht geltend, bei den Gegenstand des Ersuchens bildenden Straftaten - also Abgabebetrug bzw. Teilnahmehandlungen daran - handle es sich entgegen der Auffassung der Basler Behörden nicht um vorwiegend (bzw. laut Vernehmlassung der Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt vom 25. Juni 1987 sogar "eminent") politische Delikte im Sinne der Rechtshilfebestimmungen. Nach Art. 2 lit. a EÜR kann die Rechtshilfe u.a. dann verweigert werden, wenn sich das Ersuchen auf strafbare Handlungen bezieht, die vom ersuchten Staat als politische oder als mit solchen zusammenhängende strafbare Handlungen angesehen werden. Diese Bestimmung definiert den Begriff des politischen Deliktes nicht. Sie lässt in dieser Beziehung den im ersuchten Staat herrschenden Anschauungen Raum, die für die Schweiz in Art. 2 lit. b und c sowie in Art. 3 Abs. 1 IRSG zum Ausdruck kommen. Darnach - wie auch gemäss Art. 3 Ziff. 2 EAÜ - wird dem Verfolgten wegen der besonderen Situation, in der er sich befindet, ein erweiterter Schutz zugesichert, was heute allgemein als eine Norm des internationalen Ordre public betrachtet wird (s. BGE 113 Ib 178 E. 6 mit weiteren Hinweisen; ferner CLAUDE ROUILLER, L'évolution du concept de délit politique en droit de l'entraide internationale en matière pénale, in: ZStrR 1986, S. 23 ff., insb. S. 40-42). BGE 115 Ib 68 S. 85 a) Durch die sogenannte Parteispendenaffäre war die Öffentlichkeit in der BRD während langer Zeit aufgewühlt, und die dortigen politischen Behörden machen sich in dieser Angelegenheit Sorgen. Das alleine ist aber kein Grund, die im Ersuchen aufgeführten Straftaten - Abgabebetrug bzw. Teilnahmehandlungen daran - als Delikte zu betrachten, die ausschliesslich gegen die politische und soziale Ordnung des Staates gerichtet sind ( BGE 113 Ib 179 E. 6a, BGE 106 Ib 308 E. 3b). Die allgemeinen Umstände, unter denen die Untersuchung der Affäre sich abspielt, setzen die Beschuldigten nicht der Gefahr einer diskriminierenden Behandlung aus, die es rechtfertigen würde, ihnen den in Art. 2 lit. b und c IRSG vorgesehenen erweiterten Schutz zu gewähren. Eine solche Gefahr würde namentlich dann bestehen, wenn Zweifel am Funktionieren der Institutionen und an der Unabhängigkeit der Gerichte des ersuchenden Staates bestehen würden (BGE BGE 113 Ib 179 E. 6a, BGE 111 Ib 142 E. 4; ROUILLER, a.a.O., S. 24 ff., insb. S. 26-34). Solche Zweifel an der Unabhängigkeit des Justizapparates der BRD fehlen indes. Insbesondere besteht auch kein Grund zur Befürchtung, dass die deutschen Untersuchungsbehörden in ihrer Unabhängigkeit beeinträchtigt werden könnten (vgl. BGE 110 Ib 183 ). b) Das relativ politische Delikt ist an sich nach dem gemeinen Recht strafbar, aber wegen seines vorwiegend politischen Charakters von der internationalen Rechtshilfe ausgeschlossen. Art. 3 Abs. 1 IRSG hat in dieser Beziehung die Formulierung des Art. 10 des alten Bundesgesetzes über die Auslieferung vom 22. Januar 1892 übernommen. Der vorwiegend politische Charakter ergibt sich aus der politischen Natur der Umstände, Beweggründe und Ziele, die den Täter zum Handeln bestimmt haben und die in den Augen des Rechtshilferichters vorherrschend erscheinen. Das Delikt muss stets im Rahmen eines Kampfes um die Macht im Staat begangen worden sein und in einem engen Zusammenhang mit dem Gegenstand dieses Kampfes stehen ( BGE 113 Ib 179 f. E. 6b mit Hinweisen). Die mit einem politischen Delikt zusammenhängende Straftat als solche des gemeinen Rechts kann von der internationalen Rechtshilfe ausgeschlossen sein, wenn sie verübt worden ist, um die Begehung eines politischen Deliktes vorzubereiten, zu erleichtern, zu sichern oder zu verdecken, oder um ihm später Straflosigkeit zu verschaffen ( BGE 113 Ib 180 ). Die Einrede des politischen Deliktes kann nur eingeschränkt zugelassen werden, wenn die Schweiz aufgrund eines multilateralen BGE 115 Ib 68 S. 86 oder bilateralen Abkommens um Rechtshilfe angegangen wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn die andere Vertragspartei - wie hier - ein demokratischer Staat ist, in welchem die Gerichte gegenüber der politischen Gewalt eine wirkliche Unabhängigkeit geniessen, die mit der Stellung der schweizerischen Gerichte vergleichbar ist ( BGE 113 Ib 180 ). Es ist unerheblich, dass die Gegenstand des Ersuchens bildenden Straftaten einen politischen Hintergrund haben. Bei einem Abgabebetrug an sich, wie er hier einzig zur Diskussion steht, handelt es sich nicht um ein politisches Delikt, sondern um ein Fiskaldelikt, das (als einziges dieser Deliktsart) rechtshilfefähig ist und für das Rechtshilfe geleistet werden muss, wenn die Voraussetzungen dazu erfüllt sind ( BGE 111 Ib 248 E. 4c, BGE 114 Ib 56 ff.). Es kann nicht behauptet werden, die Gegenstand des Ersuchens bildenden Straftaten seien im Rahmen eines eigentlichen Kampfes um die Macht in der BRD Mittel zur Erreichung der absoluten Staatsmacht gewesen. Zweck der durch verschiedene Unternehmen geleisteten Zahlungen war, für die SPD im Rahmen des Wahlkampfes in einem demokratischen Staat mit möglichst vielen Mitteln eine möglichst gute Ausgangslage zu verschaffen. Der im Zusammenhang mit diesen Zahlungen erfolgte Abgabebetrug konnte nur bewirken, diese Mittel noch zu vergrössern. Der Entscheid darüber, welche Partei wie viele Stimmen erzielen würde, blieb aber dennoch den Wählern vorbehalten. Im übrigen handelt es sich bei der BRD nicht um einen Staat, der eine Opposition ausschliesst (vgl. in diesem Zusammenhang BGE 110 Ib 182 E. 6a und 285 f. E. 6d mit Hinweisen). Auch lässt sich nicht sagen, dass die Strafuntersuchung in der BRD durchgeführt wird, um die Beschuldigten X. und Y. wegen ihrer politischen Anschauungen zu bestrafen; denn Gegenstand der Strafuntersuchung bildet einzig der Abgabebetrug an sich, dessen Beurteilung - wie erwähnt - der unabhängigen Strafjustiz vorbehalten ist. Dass das Aufsehen, das die hier zur Diskussion stehenden Straftaten in der BRD erregt haben, Auswirkungen auf die dortige politische Situation haben könnten, ist nach dem Gesagten jedenfalls kein Grund, die Rechtshilfeleistung zu verweigern (vgl. BGE 110 Ib 183 f.). Demnach steht der Gewährung der von den deutschen Behörden verlangten Rechtshilfe auch insoweit nichts entgegen. 6. In ihrer im bundesgerichtlichen Verfahren eingereichten Vernehmlassung macht die Ingeba AG erstmals geltend, dass das Verfahren des ersuchenden Staates schwere Mängel im Sinne BGE 115 Ib 68 S. 87 von Art. 2 lit. d IRSG aufweise. Diese erblickt sie darin, dass die deutschen Behörden die Presse während noch hängigem Verfahren über die Beschlagnahme bei der Bank und über das Rechtshilfeverfahren an sich orientiert hätten. Nach Art. 2 lit. d IRSG wird einem Ersuchen um Zusammenarbeit in Strafsachen nicht entsprochen, wenn Gründe für die Annahme bestehen, dass das Verfahren im Ausland "andere (als solche gemäss lit. a-c der genannten Bestimmung) schwere Mängel aufweist". Mit Art. 2 IRSG soll vermieden werden, dass die Schweiz durch Leistung von Rechtshilfe im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit die Durchführung solcher Strafverfahren unterstützt, in welchen den verfolgten Personen die ihnen in einem demokratischen Rechtsstaat zustehenden und insbesondere durch die EMRK umschriebenen Minimalgarantien nicht gewährt werden oder welche den internationalen Ordre public verletzen (vgl. BGE 111 Ib 138 ff., BGE 109 Ib 64 ff., BGE 108 Ib 408 ff., ferner nicht veröffentlichtes Urteil i.S. M. vom 1. Juli 1987, E. 7a; ROUILLER, a.a.O., insb. S. 40-42). Bei Art. 2 lit. d IRSG handelt es sich also (wie bei lit. a-c) um eine Bestimmung zum Schutze der im ausländischen Strafverfahren Beschuldigten selber. Dazu, sich im vorliegenden Verfahren ausschliesslich im Interesse der Beschuldigten zu wehren, sind die privaten Beschwerdegegnerinnen somit nicht befugt. Abgesehen davon sind ihre Einwände aber auch nicht geeignet, einen schweren Mangel im Sinne von Art. 2 IRSG darzulegen. Was sie in diesem Zusammenhang bloss auf das Rechtshilfeverfahren bezogen behaupten (s. oben), reicht nicht aus, um darzutun, dass objektiv und ernsthaft zu befürchten wäre, das die Beschuldigten selber betreffende Strafverfahren im ersuchenden Staat könnte einen schwerwiegenden Mangel im Sinne von Art. 2 IRSG aufweisen (s. im übrigen vorstehende E. 5). Demnach steht der Rechtshilfeleistung auch insoweit nichts entgegen.
public_law
nan
de
1,989
CH_BGE
CH_BGE_003
CH
Federation
09173f23-0262-4511-9eb3-910a6b1b91c5
Urteilskopf 111 Ia 336 58. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 23 octobre 1985 dans la cause société S. contre société K. et Cour de justice du canton de Genève (recours de droit public)
Regeste Art. 31 Abs. 1 Konkordat über die Schiedsgerichtsbarkeit, Beratungen der Schiedsrichter. Art. 31 Abs. 1 Konkordat steht der Fällung eines Schiedsgerichtsurteils auf dem Zirkulationsweg nicht entgegen. Ein Entscheid der Schiedsrichter für dieses Vorgehen unterliegt keiner besondern Form, darf jedoch keine Zweifel hinsichtlich seines Gegenstands offenlassen. Ein Schiedsspruch kann mit Nichtigkeitsbeschwerde wegen Verletzung von Art. 31 Abs. 1 Konkordat angefochten werden (entsprechend Art. 36 lit. d).
Sachverhalt ab Seite 336 BGE 111 Ia 336 S. 336 A.- Un tribunal composé de trois membres a été constitué, conformément au Règlement d'arbitrage de la Chambre internationale de commerce à Paris (CCI), pour trancher un litige opposant les sociétés S. et K. Après clôture de l'instruction, un premier avant-projet de sentence fut soumis par le président à ses collègues. Les trois arbitres délibérèrent le 17 juin 1982, mais la délibération dut être interrompue à la suite d'un malaise de l'arbitre B. Celui-ci adressa par la suite des observations écrites au président. BGE 111 Ia 336 S. 337 Une nouvelle séance de délibération, fixée au 1er février 1983, ne put avoir lieu, B. ayant fait savoir le 24 janvier 1983 qu'il ne pourrait s'y rendre. En vue de cette séance, le président avait adressé le 20 janvier 1983 aux arbitres un nouvel avant-projet amendé, destiné à être discuté et approuvé à la séance du 1er février 1983. Le 15 février 1983, B. communiqua au président la suite de ses observations sur le premier avant-projet. Il disait vouloir étudier le second avant-projet "avec plus de précision", annonçant des "observations supplémentaires dans un bref délai" et signalant différents points qui à son avis méritaient un réexamen. Il proposait en post-scriptum "notre prochaine réunion ... à la date du 4 ou 11 mai 1983". Le 8 mars 1983, l'arbitre G. avait fait savoir au président qu'il approuvait le second projet et qu'il était prêt à le signer. Le 19 avril 1983, B. annonça à la CCI sa démission de la fonction d'arbitre, pour raisons de santé. Le 20 mai 1983, le président adressa à ses coarbitres un nouveau projet, aux motifs légèrement modifiés par rapport à celui du 20 janvier 1983, annonçant en même temps la clôture du délibéré et la soumission du projet de sentence à la Cour d'arbitrage de la CCI pour approbation. Celle-ci approuva le projet de sentence le 23 novembre 1983, sous réserve que la date de clôture du délibéré fût mentionnée dans la sentence elle-même. B. ayant informé la CCI qu'il n'était pas en état de signer la décision arbitrale qui lui avait été remise, la sentence finale fut signée par les autres arbitres le 28 décembre 1983. B.- Saisie d'un recours en nullité de la société K., la Cour de justice du canton de Genève a annulé cette sentence par jugement du 3 mai 1985. Elle considère que les arbitres majoritaires ont violé l'art. 31 al. 1 CIA en rendant une décision sans la participation de B., alors que la phase de la délibération n'était pas terminée. C.- Le Tribunal fédéral rejette un recours de droit public formé par la société S. contre ce jugement. Erwägungen Extrait des considérants: 3. a) L'art. 31 al. 1 CIA exige que tous les arbitres participent à chaque délibération et décision; l'art. 31 al. 2 CIA dispose que la sentence est rendue à la majorité des voix. En outre, l'art. 33 al. 2 CIA exige que la sentence arbitrale soit consignée dans un écrit signé de tous les arbitres ou, à défaut, de la majorité d'entre eux BGE 111 Ia 336 S. 338 avec la constatation que la minorité refuse de signer. Pour le surplus, le texte du concordat ne règle pas expressément la procédure à suivre par un collège d'arbitres lors des délibérations. Cette question relève néanmoins de l'application du concordat qui, sous réserve de l'art. 45 CIA, régit tout le droit de l'arbitrage (art. 1er et 46 CIA). La seule exigence impérative qui résulte de l'art. 31 al. 1 CIA (art. 1er al. 3 CIA) est que tous les arbitres doivent participer de manière effective à chaque délibération et décision. Cela suppose qu'ils aient la faculté d'y participer chacun dans la même mesure, en sachant quel est l'objet de leur participation. En particulier, tous les arbitres doivent savoir s'ils interviennent au stade de la délibération préalable ou du vote sur les questions à trancher. En effet, le concordat exige clairement une participation séparée à l'un et l'autre. Aussi une opinion exprimée par un arbitre lors de la délibération ne saurait-elle être interprétée comme un vote de sa part. Pour le surplus, il résulte a contrario de l'art. 31 al. 1 CIA en relation avec l'art. 1er CIA que le concordat n'impose pas impérativement une procédure particulière quant aux délibérations des arbitres et à leur prise de décision; il autorise aussi bien des décisions prises en la présence de tous les arbitres - généralement oralement - que des décisions prises "entre absents" - généralement par écrit (JOLIDON, Commentaire du Concordat suisse sur l'arbitrage, ad art. 31 p. 441 s.; RÜEDE/HADENFELDT, Schweizerisches Schiedsgerichtsrecht, p. 292 s.; LANZ, Das Konkordat über die Schiedsgerichtsbarkeit, thèse Zurich 1971, p. 36; POUDRET, L'application du Concordat de 1969 à l'arbitrage international en Suisse, in Les étrangers en Suisse, Recueil de travaux publiés par la Faculté de droit de Lausanne, 1982, p. 273; BRATSCHI ET BRINER, Bemerkungen zum Konkordat über die Schiedsgerichtsbarkeit, in RSJ 1976, p. 105; cf. aussi STRÄULI/MESSMER/WIGET, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung, 2e éd., § 252 n. 2; ROBERT, L'arbitrage, 5e éd. 1983, p. 170 n. 199). Aussi le contrat d'arbitrage peut-il contenir une clause à ce sujet (art. 1er al. 2 CIA). En l'absence d'une telle clause et dans le silence du concordat, la procédure à suivre doit s'inspirer de l'art. 24 CIA: faute d'accord entre parties, le Tribunal arbitral pourra décider que les délibérations et le vote interviennent "entre absents" selon un mode à déterminer; sinon, à défaut d'unanimité, la décision doit être adoptée en présence de BGE 111 Ia 336 S. 339 tous les juges (art. 70 PCF; cf. par analogie art. 60 al. 2, 92 al. 2 et 109 al. 2 OJ). Une décision de procédure des arbitres, selon laquelle la sentence sera rendue par voie de circulation, ne doit pas laisser de doute quant à son objet, même si cette décision n'est pas soumise à une forme particulière. b) Au cas particulier, ni la clause compromissoire, ni le règlement d'arbitrage de la CCI auquel elle se réfère ne contiennent de règle à ce sujet; les parties n'ont rien convenu non plus en cours de procédure, à ce propos. Il reste donc à examiner si le Tribunal arbitral a décidé d'adopter une règle de procédure selon laquelle la délibération finale et le vote des arbitres auraient lieu par écrit, sans nouvelle réunion des arbitres. Un accord exprès à ce sujet fait manifestement défaut. On ne saurait non plus admettre que les arbitres en seraient convenus par actes concluants. Ils avaient au contraire décidé de se réunir à nouveau. Même s'ils ne purent se rencontrer à la date prévue, aucune offre ne fut présentée aux arbitres de renoncer à cette réunion, en faveur d'une concertation et d'une prise de décision par écrit. De toute façon, une proposition dans ce sens n'aurait respecté l'exigence de l'art. 31 al. 1 CIA que si elle avait permis aux arbitres de soumettre à leurs collègues les propositions et arguments qu'ils auraient, sinon, pu présenter lors d'une réunion commune. Dès lors, en considérant que l'envoi de l'avant-projet le 20 janvier 1983 valait vote du président, que l'approbation du projet par G. le 8 mars 1983 valait vote de cet arbitre et qu'en conséquence le Tribunal arbitral avait régulièrement adopté la sentence, la majorité des arbitres a manifestement violé l'art. 31 al. 1 CIA. C'est donc à juste titre que la Cour de justice a admis le recours en nullité selon l'art. 36 lettre d CIA, appliqué par analogie à la violation de l'art. 31 al. 1 CIA. Le caractère impératif de cette disposition justifie que sa violation puisse être sanctionnée. Il y a dès lors lieu d'admettre, par une interprétation large de l'art. 36 lettre a ou d CIA, qu'une telle sentence, qui a en tout cas une apparence de réalité, peut faire l'objet d'un recours en nullité (contra: JOLIDON, op.cit., p. 444, qui considère néanmoins qu'"une décision prise ... sans que tous les arbitres y participent n'a aucune existence juridique" et qu'"en tout état de cause, chacune des parties pourra se prévaloir du fait qu'aucune sentence n'a été rendue"). BGE 111 Ia 336 S. 340 Contrairement à ce qu'affirme la recourante, le respect des règles de forme régissant la formation de la volonté du Tribunal arbitral n'est pas de nature à rendre l'arbitrage impraticable, mais il en garantit au contraire la sécurité.
public_law
nan
fr
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Federation
0919d678-80a3-4f0b-b597-9bd30fb70657
Urteilskopf 111 II 209 44. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 2. Mai 1985 i.S. Frischknecht und Mitbeteiligte gegen Eibel (Berufung)
Regeste Pressefreiheit ( Art. 55 BV ); Verletzung in den persönlichen Verhältnissen ( Art. 28 ZGB ). Durch das Mittel der Druckerpresse verbreitete Äusserungen über die frühere politische Haltung von Personen der Zeitgeschichte sind nicht widerrechtlich, sofern sie der Wahrheit entsprechen. Insoweit gibt es kein "Recht auf Vergessen". Der nicht der Wahrheit entsprechende Vorwurf des Landesverrats stellt eine unbefugte Verletzung in den persönlichen Verhältnissen dar. Sie lässt sich weder mit der Erklärung, dass historische Forschung betrieben werde, noch mit dem Argument, es handle sich um eine pointiert politisch ausgerichtete Publikation, rechtfertigen.
Sachverhalt ab Seite 209 BGE 111 II 209 S. 209 Jürg Frischknecht, Peter Haffner, Ueli Haldimann und Peter Niggli zeichnen als die Autoren des 1979 in Zürich in erster BGE 111 II 209 S. 210 Auflage erschienenen Buches "Die unheimlichen Patrioten", mit dem Untertitel "Politische Reaktion in der Schweiz. Ein aktuelles Handbuch". Das Buch ist seither in weiteren Auflagen erschienen, die nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bilden. Robert Eibel, der sich durch verschiedene Stellen des Buches unbefugterweise in seinen persönlichen Verhältnissen verletzt fühlte, reichte Klage beim Bezirksgericht Zürich ein. Dieses hiess die Klage teilweise gut. In unterschiedlichem Umfang und mit abweichender Begründung schützte in der Folge auch das Obergericht des Kantons Zürich die Klage teilweise. Die beklagten Autoren setzten sich gegen das Urteil des Obergerichts mit Berufung an das Bundesgericht zur Wehr. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Streitig ist vor Bundesgericht noch die unbefugte Verletzung in den persönlichen Verhältnissen durch die nachstehenden Behauptungen in der ersten Auflage des Buches "Die unheimlichen Patrioten": c) 8./9./10. Zeile von Seite 189: "Eibel war schon bei der RN-Gründung 1936 dabei gewesen und wurde nun Nachfolger des ersten RN-Sekretärs Wilhelm Meier." Diese in Verbindung mit dem (fettgedruckten) Titel auf Seite 139: "1936: Das Redressement tritt das Erbe des frontistischen Bunds für Volk und Heimat an". d) Titel (fettgedruckt) auf Seite 192: "Eibel im Zweiten Weltkrieg: Weitergehende Forderungen als die Eingabe der Zweihundert". e) Letzte zwei Absätze von Seite 192 und oberste Zeile von Seite 193: "Nur: Auch Eibels Zweitweltkriegs-Vergangenheit weist dunkle Stellen auf. Als einer der Initianten des Gotthard-Bunds ist Eibel Mitautor eines 'Entwurfs Allgöwer-Eibel', in dem er zusammen mit dem späteren Landesring-Politiker Walter Allgöwer Grundsätze der neuen Aktion entwirft. Das Papier, unter dem Eindruck der wenige Tage zurückliegenden Niederlage Frankreichs entstanden, datiert vom 9. Juli 1940. Es nahm die Gedankengänge auf, die später wieder in der berüchtigten, mit dem Etikett des Landesverrats behafteten Eingabe der Zweihundert von Eibels Freunden aus dem Redressement auftauchten." 2. Wer in seinen persönlichen Verhältnissen unbefugterweise verletzt wird, kann auf Beseitigung der Störung klagen ( Art. 28 Abs. 1 ZGB ). Unbefugterweise geschieht eine Verletzung, wenn sie auf ein widerrechtliches Verhalten zurückzuführen ist, das heisst, auf ein Verhalten, welches gegen die Gebote der Rechtsordnung verstösst, die dem Schutz des verletzten Rechtsgutes dienen. Art. 28 ZGB BGE 111 II 209 S. 211 schützt die Ehre weitergehend als das Strafrecht und umfasst insbesondere auch das berufliche und gesellschaftliche Ansehen einer Person. Ob dieses durch eine Presseäusserung geschmälert worden ist, beurteilt sich nach einem objektiven Massstab. Dabei ist zu prüfen, ob das Ansehen vom Durchschnittsleser aus gesehen als beeinträchtigt erscheint, wobei auch der Rahmen der Presseäusserung ins Gewicht fällt ( BGE 107 II 4 E. 2; BGE 105 II 163 E. 2 mit Hinweisen). 3. In der Verbindung der Aussage von Seite 189 des Buches "Die unheimlichen Patrioten", dass Eibel schon bei der Gründung des Redressement National im Jahr 1936 dabei gewesen und zum Nachfolger des ersten Sekretärs dieser Organisation bestimmt worden sei, mit dem fettgedruckten Titel auf Seite 139 ("1936: Das Redressement tritt das Erbe des frontistischen Bunds für Volk und Heimat an") sieht der Kläger den einen Tatbestand der unbefugten Verletzung in den persönlichen Verhältnissen verwirklicht, der vom Bundesgericht zu beurteilen ist. a) Das Bezirksgericht Zürich hat eine solche Verletzung bejaht. In der Öffentlichkeit und gerade bei der jüngeren Generation, welche die Dreissigerjahre nicht aus eigener Erfahrung kenne, werde das persönliche Ansehen durch die Tatsache, dass jemand bei einer frontistischen Organisation an massgebender Stelle mitgewirkt habe, herabgesetzt. Die Behauptung, das Redressement National habe das Erbe des frontistischen Bunds für Volk und Heimat angetreten, enthalte den Vorwurf gegenüber jener Organisation, ebenfalls frontistisches Gedankengut vertreten zu haben. Dieser Vorwurf treffe auch die Mitglieder der ersten Tage, welche sich nicht darauf berufen könnten, der Charakter der Organisation habe sich seit der Gründung verändert, und damit insbesondere den Kläger. An der verletzenden Natur der Aussage ändere der Umstand nichts, führt das Bezirksgericht weiter aus, dass sich die beiden beanstandeten Stellen in verschiedenen Kapiteln und in einem Abstand von fünfzig Seiten finden. So schnell vergesse der Leser einen fettgedruckten Zwischentitel nicht. Zudem werde das Redressement National unmittelbar vor der zweiten Stelle (Seite 189 oben) erneut als Nachfolgeorganisation des Bunds für Volk und Heimat bezeichnet. Der Einwand der Beklagten, es liege keine Persönlichkeitsverletzung vor, weil durch die erwähnten Behauptungen das in der Öffentlichkeit bereits bestehende Bild des Klägers nicht verändert werde, verfange nicht; denn ein im "Volksrecht" vom 9. Oktober 1943 erschienener Artikel sowie die Tatsache, BGE 111 II 209 S. 212 dass Robert Eibel ein einziges Mal an einer Veranstaltung des Bunds für Volk und Heimat teilgenommen habe, hätten ihn keineswegs zu einem Anhänger frontistischen Gedankenguts gestempelt. Weder die (teilweise) personelle Verflechtung des Redressement National mit dem Bund für Volk und Heimat, noch die zeitliche Abfolge, in welcher beide Organisationen wirkten, noch das politische Programm und die politischen Ziele des Redressement National rechtfertigen es nach der Darstellung der ersten Instanz, dieses als Nachfolgeorganisation der frontistischen Bewegung zu bezeichnen. Insgesamt erweise sich, "dass die tatsächlichen Grundlagen der beklagtischen Wertung zwar im wesentlichen zutreffen, dass aber der daraus gezogene Schluss nicht Stich hält". Die eingeklagte Stelle erscheine "als reisserischer Zwischentitel, der im Text selbst keine Stütze findet und durch die Rechtsschriften der Beklagten nicht als genügend motiviert erscheint". Aus all diesen Gründen hat das Bezirksgericht Zürich die beanstandeten Textstellen als widerrechtlich beurteilt. b) Auch das Obergericht des Kantons Zürich sieht den Kläger in seinen persönlichen Verhältnissen verletzt. Die "an sich harmlose" Textstelle, wonach Robert Eibel schon bei der Gründung des Redressement National im Jahr 1936 dabei gewesen und Nachfolger des ersten Sekretärs Wilhelm Meier geworden sei, erhalte ihre wahre Bedeutung erst mit der Schilderung des Wesens des Redressement National, dem auf den Seiten 139 ff. des Buches "Die unheimlichen Patrioten" ein ganzes Kapitel gewidmet sei und das auch in der Inhaltsübersicht Erwähnung finde. Damit bekomme "die Mitteilung auf Seite 189 den für die Frage einer Persönlichkeitsverletzung massgeblichen Sinn, der Kläger sei schon 1936 bei der Gründung des RN, welches das Erbe des frontistischen Bunds für Volk und Heimat angetreten habe, dabei gewesen und sei nun dessen Sekretär geworden". Aus dem Textzusammenhang ergibt sich nach der Meinung des Obergerichts, dass dem Kläger "in verschiedener Form frontistische Neigungen bzw. eine nur angeblich antifrontistische Haltung vorgeworfen werden, für welche er sich allerdings nur von 1936 bis 1942 vollamtlich eingesetzt habe". Frontismus sei (nach dem Schweizer Lexikon Band III, Zürich 1946) "der Sammelname für die antidemokratischen, in ideologischer Anlehnung an Faschismus und Nationalsozialismus gebildeten politischen Strömungen (Fronten) der Schweiz". BGE 111 II 209 S. 213 Das Ergebnis sei nicht anders, führt das Obergericht weiter aus, wenn angenommen werden müsste, das Buch vermittle den Eindruck, der Kläger habe nur vorübergehend - nämlich längstens bis 1940 - frontistisches Gedankengut vertreten. Auch so vermöchte die historische Wahrheit den Anspruch des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit nicht ohne weiteres aufzuheben. Es sei in dem Buch "Die unheimlichen Patrioten" nicht um eine zur Zeit des Erscheinens aktuelle politische Auseinandersetzung zum Thema, ob sich der Kläger frontistisch betätigt habe, gegangen. Werde das Ansehen einer Person beeinträchtigt durch die öffentliche Erwähnung von Umständen aus früheren Lebensabschnitten, die in der Öffentlichkeit bereits in Vergessenheit geraten sind, so sei dieses Verhalten unbekümmert um den Wahrheitsgehalt der Äusserung widerrechtlich. Im vorliegenden Fall handle es sich insbesondere nicht um eine aus der Aufgabe der Presse und im Interesse des Gemeinwesens sich aufdrängende Kritik, wie sie zum Beispiel gegenüber der Tätigkeit eines Amtsinhabers oder gegenüber einer Persönlichkeit der Zeitgeschichte geübt werde. Vielmehr würden die früheren Aktivitäten des Klägers "pointiert, insoweit zu lückenhaft und geeignet für Vermutungen, welche das über den Kläger in der Öffentlichkeit bestehende Bild in unzumutbarer Weise zu verfälschen vermögen", geschildert. c) Die Veröffentlichung "Die unheimlichen Patrioten" will sich als Beitrag zur Zeitgeschichte verstanden wissen. Ob sie auch Wissenschaftlichkeit für sich beanspruchen kann, welcher der Fachhistoriker verpflichtet ist, mag freilich dahingestellt bleiben. Bezüglich der Stoffauswahl, der Art der Darstellung durch Text und Bild sowie vor allem auch der Überprüfbarkeit der darin gemachten Aussagen - das Buch enthält weder ein Quellen- noch ein Literaturverzeichnis - genügt es jedenfalls nicht dem allgemein anerkannten Massstab für wissenschaftliche Arbeit. Ja es lässt sich sogar darüber streiten, ob es sich bei dem Buch um ein unentbehrliches Nachschlagewerk handle, als welches es der Verlag auf der letzten Umschlagseite anpreist. Doch selbst wenn man das Buch eher als Pamphlet der politischen Auseinandersetzung zurechnen müsste, würde das nichts daran ändern, dass die Veröffentlichung grundsätzlich den Schutz der in Art. 55 BV gewährleisteten Pressefreiheit geniesst. Im Licht der Pressefreiheit ist es wünschenswert, dass über öffentliche Angelegenheiten berichtet wird; zu diesen Angelegenheiten gehören auch die persönlichen Verhältnisse der im staatlichen Leben hervortretenden Personen, BGE 111 II 209 S. 214 soweit sie für die staatliche Stellung der Betroffenen von Bedeutung sind ( BGE 71 II 192 f.; MANFRED REHBINDER, Schweizerisches Presserecht, Bern 1975, S. 84), vor allem aber auch die frühere politische Haltung einer Person der Zeitgeschichte. Ein unbekümmert um die Pressefreiheit - deren selbstverständlich auch der Historiker teilhaftig ist - geltendes "Recht auf Vergessen" gibt es in diesem Zusammenhang nicht. Indessen wird die Pressefreiheit eingeschränkt durch Art. 28 ZGB , also das Verbot, jemanden unbefugterweise in seinen persönlichen Verhältnissen zu verletzen ( BGE 107 Ia 280 f.). Bei der Beurteilung der Widerrechtlichkeit sind die oben (E. 2) genannten Kriterien zu beachten. Insbesondere ist eine die Persönlichkeit verletzende Äusserung widerrechtlich, wenn ihr Inhalt nicht der Wahrheit entspricht ( BGE 106 II 99 E. 2d, BGE 103 II 165 E. 1c, BGE 91 II 406 f. E. 3c-e, BGE 71 II 193 ). d) Nicht angezweifelt wird im vorliegenden Fall der Wahrheitsgehalt der Aussage, dass der Bund für Volk und Heimat eine frontistische Organisation gewesen sei. Doch wendet sich der Kläger dagegen, dass das Redressement National als Nachfolgeorganisation - mit ebenfalls frontistischem Charakter - des Bunds für Volk und Heimat bezeichnet und er, als seinerzeitiger Sekretär des Redressement National, damit zu einem Anhänger der Frontistenbewegung gestempelt werde. Die Beklagten erklären demgegenüber in ihrer Berufungsschrift an das Bundesgericht, "dass das RN gerade keine frontistische Organisation war - auch wenn es gewisse Gedankengänge einer solchen übernommen hatte". Sie geben damit zu erkennen, dass sie das Redressement National an sich nicht als eine frontistische Bewegung betrachten, aber doch meinen, frontistisches Gedankengut sei mindestens teilweise auch in die Reihen des Redressement National gesickert. Diese Auffassung entnimmt man unschwer auch der (vom Kläger nicht eingeklagten) Stelle auf Seite 141 des Buches "Die unheimlichen Patrioten", wo gesagt wird: "Die Wortwahl der ersten RN-Statuten aus dem Jahr 1936 erinnert stark an das völkische Vokabular und zeigt den geistigen Hintergrund der RN-Gründer." Das nach diesem Satz folgende Zitat ("Zweck des Vereins ist, beizutragen...") enthält dann allerdings höchstens zwei oder drei Wörter, die auf einen bestimmten Zeitgeist schliessen lassen. Ob damit "völkisches Vokabular" zu belegen sei oder gar eine eigentliche frontistische Gesinnung, lässt sich bezweifeln. BGE 111 II 209 S. 215 Immerhin haben die beklagten Autoren nicht ohne jeden Anlass eine Verbindung zwischen dem frontistischen Bund für Volk und Heimat und dem zeitlich mit diesem überlappenden Redressement National gezogen. Wenigstens teilweise bestand eine personelle Verflechtung zwischen (führenden) Mitgliedern beider Organisationen. Die Beklagten haben dies im Text, der dem beanstandeten Titel "1936: Das Redressement tritt das Erbe des frontistischen Bunds für Volk und Heimat an" folgt (S. 139 ff.), aufgezeigt. Es wird auch vom Kläger nicht bestritten, dass diese Ausführungen der historischen Wahrheit entsprechen. Der Name des Klägers Robert Eibel erscheint erst gegen den Schluss dieser Ausführungen, zwei Seiten nach den Namen jener Personen, welchen die Autoren eine unmittelbare Verbindung zu den Frontisten unterstellen. Mag auch die Darstellung gerade daran mangeln, dass sie nicht klar abgrenzt zwischen jenen Mitgliedern des Redressement National, welche vordem auch dem Bund für Volk und Heimat angehörten oder auf andere Weise Partei für die nationalsozialistische Ideologie nahmen, und solchen Mitgliedern des Redressement National, welche nie eine solche Gesinnung zeigten, so wird der Durchschnittsleser doch nicht eine direkte Brücke vom Frontismus zu Robert Eibel schlagen. Daran vermag auch die Aussage der Autoren nichts zu ändern, dass Robert Eibel Nachfolger des ersten Sekretärs des Redressement National gewesen sei, die vom Kläger selber nicht als unwahr bestritten wird. Diese Tatsache ist so wenig geeignet, den Ruf herabzumindern, wie die blosse Mitgliedschaft im Redressement National. Die Darstellung der beklagten Autoren - das heisst: die Aussage, das Redressement National habe das Erbe des frontistischen Bunds für Volk und Heimat angetreten, in Verbindung mit der Feststellung, Robert Eibel sei schon bei der Gründung des Redressement National im Jahr 1936 dabei und Nachfolger dessen ersten Sekretärs gewesen - ist daher, im Rahmen einer pointiert politisch ausgerichteten Publikation wie "Die unheimlichen Patrioten", nicht geeignet, das Ansehen des Klägers zu beeinträchtigen. Die beanstandeten Stellen entbehren der Widerrechtlichkeit. 4. Der Kläger sieht sich sodann in seinen persönlichen Verhältnissen verletzt durch Äusserungen auf den Seiten 192 f. des Buches "Die unheimlichen Patrioten", wo gesagt wird, dass Robert Eibel - als einer der Initianten des Gotthardbunds - Mitautor des "Entwurfs Allgöwer-Eibel" gewesen sei. Von diesem BGE 111 II 209 S. 216 Papier behaupten die beklagten Autoren, es habe die Gedankengänge aufgenommen, "die später wieder in der berüchtigten, mit dem Etikett des Landesverrats behafteten Eingabe der Zweihundert von Eibels Freunden aus dem Redressement auftauchten". Unmittelbar davor werfen die Autoren dem Kläger vor, seine "Zweitweltkriegs-Vergangenheit" weise dunkle Stellen auf; und sie setzen über all diese Ausführungen den Titel: "Eibel im Zweiten Weltkrieg: Weitergehende Forderungen als die Eingabe der Zweihundert". a) Im Gegensatz zum Bezirksgericht Zürich hat das Obergericht des Kantons Zürich diese Ausführungen als widerrechtlich beurteilt. Zwar werde der Gotthardbund an verschiedenen Stellen des Buches bezüglich seiner Bereitschaft zum Widerstand gegen Hitler-Deutschland in durchaus positivem Sinn erwähnt und beschrieben. Doch mit der anschliessenden Einschränkung und Charakterisierung - das heisst, damit, dass der Kläger in Zusammenhang mit der "Eingabe der Zweihundert" gebracht und von dieser gesagt wird, sie sei "mit dem Etikett des Landesverrats" behaftet - brächten die Autoren zum Ausdruck, "dass der Kläger seine extreme, frontistische Haltung selbst in der Zeit seiner Beschäftigung mit dem Gotthardbund nicht entscheidend geändert habe". Ja die Beklagten liessen die Frage offen, ob Robert Eibel seine Gesinnung überhaupt je geändert habe, zumal sie ihm über die Zeit der Gründung des Gotthardbunds hinaus aktive Tätigkeit in einer angeblich frontistisch geprägten Organisation (dem Redressement National) zum Vorwurf machten. Das laufe auf die das Ansehen des Klägers herabsetzende Feststellung hinaus, er habe ab 1936 über Jahre frontistisches Gedankengut vertreten, ohne dass deutlich gesagt werde, dass er sich davon später distanziert habe. Weiter hat das Obergericht festgestellt, aus dem Textzusammenhang ergebe sich ohne weiteres, dass sich die dem Kläger vorgeworfenen "dunklen Stellen" konkret auf seine Miturheberschaft am "Entwurf Allgöwer-Eibel" bezögen. Wenn dann an jener Stelle des Buches - unter Einbezug des Zwischentitels - gesagt werde, der "Entwurf Allgöwer-Eibel" habe weitergehende Gedankengänge und Forderungen enthalten als die "berüchtigte, mit dem Etikett des Landesverrats behaftete Eingabe der Zweihundert von Eibels Freunden aus dem Redressement", so spiegle sich auch darin eindeutig und unüberhörbar die verächtliche Einschätzung der Mitautorschaft des Klägers wider. Die Verachtung werde noch erheblich verstärkt durch die Verbindung mit dem Ausdruck "Landesverrat". BGE 111 II 209 S. 217 Durch diese Bezichtigung einer in Kriegszeiten mit der Todesstrafe bedrohten Handlung werde das Ansehen des Betroffenen noch weit mehr herabgesetzt als durch den Vorwurf einer frontistischen Haltung. Zumindest eine Vermutung des Inhalts, der Kläger sei dem Kreis der Landesverräter zuzurechnen, hätten die beklagten Autoren mit der Behauptung in den Raum gestellt, der Kläger sei mit den Forderungen und Gedankengängen im "Entwurf Allgöwer-Eibel" noch weiter gegangen als die "Eingabe der Zweihundert". b) Der Kläger gehörte zu den Gründern des Gotthardbunds und war Mitautor des "Entwurfs Allgöwer-Eibel", welcher das Datum des 9. Juli 1940 trägt. Seine Unterschrift figuriert dagegen nicht auf der "Eingabe der Zweihundert" vom 15. November 1940 (mit zwei Nachtragslisten von Unterzeichnern späteren Datums; vgl. zum historischen Hintergrund das Kapitel "21. Eingabe der 173 an den Bundesrat" bei EDGAR BONJOUR, Geschichte der schweizerischen Neutralität, Band IV, Basel und Stuttgart 1970, S. 349 ff.). Der "Entwurf Allgöwer-Eibel" hält eingangs "Die Situation" fest. Er spricht von "einer europäischen Revolution, deren Ausgang niemand kennt". Schon in der Zeit der Französischen Revolution und Napoleons habe das Abendland Ähnliches erlebt; auch damals sei "aus den Trümmern des Alten eine neue Epoche geboren". Als "Unsere ewige Aufgabe" sehen die Verfasser die Mittlerrolle der Eidgenossenschaft "zwischen den geistigen und materiellen Gütern der Deutschen, Franzosen und Italiener ...". Die Zentralisierung der Verwaltung wird abgelehnt und demgegenüber der Schutz der kantonalen Unabhängigkeit als Hauptaufgabe bezeichnet. Die Eidgenossenschaft könne ihre europäische Aufgabe nur als souveräner Staat erfüllen, sagen die Autoren und erklären dann, sie seien "bereit, unser Land derzeit mit allen Mitteln zu verteidigen, um seine, im Interesse Europas liegende Unabhängigkeit zu wahren". Als "Die Aufgabe der Gegenwart" betrachten sie sodann "die Überwindung aller innen- und aussenpolitischen Vorurteile", insbesondere die Überwindung der Gegensätze von "rechts" und "links" und der sozialen Gegensätze. Unter diesem Titel wird auch eine Stärkung der Autorität des Bundesrats gefordert wie auch die "Heranziehung aller schöpferischen und initiativen Kräfte" und ein "neues wirtschaftliches Denken" postuliert. Ferner wünschen sich die Autoren den "Gedankenaustausch mit allen lebendigen europäischen Geistesströmungen" sowie die BGE 111 II 209 S. 218 "Wiederaufnahme der alten kulturellen Beziehungen mit den drei umliegenden Ländern". Der "Entwurf Allgöwer-Eibel" enthält sodann einen "Aktionsplan", welcher die "Auffrischung der Kräfte im Bundesrat" und die "Ausschaltung ungeeigneter Kräfte aus der Leitung wichtiger Bundesämter" vorsieht. Ebenso wird die "Überprüfung der ausländischen Vertretungen der Schweiz nach der personellen und sachlichen Seite" verlangt. Die öffentliche Meinung soll "im Sinne einer energischen Bekämpfung staatsfeindlicher Äusserungen ohne Unterbindung einer gesunden Kritik" gelenkt und die Landesverteidigung "an die neuen militärischen Erfordernisse" angepasst werden. Schliesslich schlägt der "Aktionsplan" Massnahmen auf dem Gebiet der Wirtschaft vor - Arbeitsbeschaffungsprogramm, Exportförderung, Delegierter für Wirtschaftsfragen, Entschuldung notleidender bäuerlicher Betriebe, gewerbliche und bäuerliche Selbsthilfegenossenschaften, Kreditüberwachungsinstitut, Investitionspolitik - und wünscht sich, unter dem Titel "Soziale Fragen", den "Umbau der Lohnausgleichskassen in eine Altersversicherung". Die "Eingabe der Zweihundert" (abgedruckt bei EDGAR BONJOUR, a.a.O., S. 370 f., und GERHART WAEGER, Die Sündenböcke der Schweiz, Olten 1971, S. 254 ff.) betrachtet es als zur Wahrung der Freiheit nötig, "mit allen Nachbarn gute Beziehungen zu pflegen". Diesem Bestreben stand nach der Meinung ihrer Unterzeichner die Presse in der Schweiz hindernd im Wege. "Durch ihre tagtägliche Beeinflussung der im Grunde durchaus unparteiisch eingestellten Masse unserer Bürgerschaft", erklären die Verfasser, "hat sie jene Stimmung geschaffen, die sich in Verunglimpfungen und feindseligen Handlungen gegenüber fremden Staaten oder ihren Angehörigen Luft machte und die unserem Lande immer wieder Schwierigkeiten zugezogen hat." Als Beispiel der nach ihrer Auffassung einseitig eingestellten Berichterstattung durch die Presse über das Ausland zitieren die Autoren namentlich einen Text aus einer Broschüre des damaligen Nationalrats Robert Grimm, der auch Regierungspräsident des Kantons Bern und Chef der Sektion Kraft und Wärme des eidgenössischen Kriegswirtschaftsamtes gewesen war. Die Forderungen, welche die Unterzeichner der "Eingabe der Zweihundert" erheben, richten sich denn auch in erster Linie gegen Presse und Radio, insbesondere die Schweizerische Depeschenagentur. Sie lauten wörtlich: "1. Einsatz von Presse und Rundfunk für eine dem Wesen der Eidgenossenschaft entsprechende und der Schweiz als dem Mutterlande des BGE 111 II 209 S. 219 Roten Kreuzes angemessene, der Versöhnung der Völker dienende Wirksamkeit. 2. Aufforderung zur Ausschaltung jener an verantwortlichen Pressestellen wirkenden Personen, die einen für das Wohl und das Ansehen des Landes verhängnisvollen Kurs gesteuert haben. 3. Ausmerzung jener Presseorgane, die ausgesprochen im Dienste fremder politischer Gedanken standen und ihnen ihre aussenpolitische Stellungnahme unterordneten. 4. Straffe behördliche Überwachung der Schweizerischen Depeschenagentur, deren Einstellung zu schweren Bedenken Anlass gegeben hat und für die das Land nach aussen doch die Verantwortung tragen muss. 6. Entfernung jener Personen aus verantwortlichen Stellen des Staates, deren politische Tätigkeit sich offenkundig für das Land als nachteilig erwiesen hat. 5. Entgiftung unseres politischen Lebens durch die Wiedergutmachung aller jener Übergriffe unserer politischen Polizei, die sich lediglich durch die Verhetzung unserer öffentlichen Meinung erklären lassen. Eine unparteiische gerichtliche Stelle soll die politischen Prozesse und Strafuntersuchungen, die zur Beanstandung Anlass geben können, überprüfen, die Betroffenen in ihre Ehre wiederherstellen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen. 7. Sorgfältige Pflege der kulturellen Beziehungen zu allen unseren Nachbarvölkern, wie sie durch Geschichte und Herkommen gegeben und für alle drei Sprachgebiete unseres Landes lebensnotwendig sind. 8. Bereinigung unserer aussenpolitischen Stellung durch die Lösung der letzten Bindungen an den Völkerbund und die Ausmerzung jeder fremden politischen Stelle auf unserem Boden." c) Gemeinsamkeiten zwischen der "Eingabe der Zweihundert" und dem "Entwurf Allgöwer-Eibel" lassen sich nicht bestreiten. Beide Dokumente sind Zeugnisse des - von späteren Generationen kaum mehr nachvollziehbaren - Druckes, unter welchem die Schweizer Bevölkerung und ganz besonders die an massgebender Stelle für das Schicksal der Eidgenossenschaft Verantwortlichen angesichts der politischen und kriegerischen Ereignisse zu Beginn der Vierzigerjahre dieses Jahrhunderts standen. Nicht nur Regierung und Armeeleitung, sondern jeder einzelne Bürger sah sich vor die Frage gestellt, wie die Zukunft des Landes, ja seine eigene zukünftige Existenz als Mensch aussehen werde. Edgar Bonjour, der im Hinblick auf die "Eingabe der Zweihundert" von der "Unwürdigkeit und Gefährlichkeit der zutiefst undemokratischen Eingabe" gesprochen hat (a.a.O., S. 376), hat denn auch zugleich darauf hingewiesen, dass die Episode aus ihrer Zeit heraus zu verstehen und zu erklären sei. Der Inhalt der "Eingabe der Zweihundert" lässt sich auf die Kurzformel bringen, dass deren Unterzeichner alle Handlungen BGE 111 II 209 S. 220 und Äusserungen von Behörden sowie insbesondere auch von Presse und Radio, welche die Machthaber des Dritten Reiches hätten verärgern können, unterbinden wollten. Die zur Durchsetzung dieses Zieles erhobenen, zum Teil drastischen und dreisten Forderungen sind schon auf dem Höhepunkt des Zweiten Weltkriegs als von deutsch-nationalem Denken geprägt (EDGAR BONJOUR, a.a.O., S. 376) erkannt worden. Bei der Mehrheit der damaligen Schweizer Bevölkerung stiessen sie auf (offene oder stille) Ablehnung; die Nachwelt schüttelt darüber den Kopf. Der "Entwurf Allgöwer-Eibel" seinerseits ist nicht frei von ähnlichen Forderungen, verlangt doch auch er die "Auffrischung der Kräfte im Bundesrat", die "Ausschaltung ungeeigneter Kräfte aus der Leitung wichtiger Bundesämter" und die "Überprüfung der ausländischen Vertretungen der Schweiz nach der personellen und sachlichen Seite". Nach dem Dafürhalten seiner Verfasser sollte die öffentliche Meinung "im Sinne einer energischen Bekämpfung staatsfeindlicher Äusserungen ohne Unterbindung einer gesunden Kritik" gelenkt werden. Gerade die Formulierung dieser Forderung ist ein Beispiel für die sibyllinische Ausdrucksweise des Papiers. Einigen der darin aufgestellten Postulate müsste man aus heutiger Sicht den Vorwurf machen, für den Sowohl-als-auch-Fall formuliert worden zu sein, so zum Beispiel auch der Erklärung der Verfasser, sie seien "bereit, unser Land derzeit mit allen Mitteln zu verteidigen". Weiter jedoch als die "Eingabe der Zweihundert" geht der "Entwurf Allgöwer-Eibel" in dem Sinne, als er der grossenteils pathetischen Umschreibung von Situation und Aufgaben der Schweizerischen Eidgenossenschaft einen "Aktionsplan" beifügt, der sich auf politische, wirtschaftliche und soziale Probleme erstreckt. Vor allem darin, dass er auch wirtschaftliche und soziale Fragen anschneidet, unterscheidet sich der "Entwurf Allgöwer-Eibel" von der "Eingabe der Zweihundert". Einige der darin enthaltenen Postulate sind in der Folge verwirklicht worden - man denke an das Bundesgesetz vom 12. Dezember 1940 über die Entschuldung landwirtschaftlicher Heimwesen und ganz besonders an das Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung. e) Der Titel "Eibel im Zweiten Weltkrieg: Weitergehende Forderungen als die Eingabe der Zweihundert" auf Seite 192 des Buches "Die unheimlichen Patrioten" lässt demgegenüber beim Durchschnittsleser die Meinung aufkommen, der "Entwurf Allgöwer-Eibel" BGE 111 II 209 S. 221 gehe bezüglich der anpasserischen, ja recht eigentlich nationalsozialistischen Forderungen weiter noch als die "Eingabe der Zweihundert". Das trifft jedoch, wie der Vergleich der beiden Dokumente zeigt, nicht zu. Der Hinweis darauf, dass schon GERHART WAEGER (a.a.O., S. 111) gesagt habe, der "Entwurf Allgöwer-Eibel" gehe in den konkreten Forderungen weiter, vermag den beklagten Autoren nicht zu helfen. Ihre gegenüber dem Kläger erhobenen Anschuldigungen werden nämlich dadurch entscheidend verstärkt, dass die Wendung von der "mit dem Etikett des Landesverrats behafteten Eingabe der Zweihundert von Eibels Freunden aus dem Redressement" hinzugefügt wird. Zusammen mit dieser Wendung bekommt der nur um drei kurze Abschnitte von ihr getrennte Titel "Eibel im Zweiten Weltkrieg: Weitergehende Forderungen als die Eingabe der Zweihundert" eine ganz andere Bedeutung als die, dass der "Entwurf Allgöwer-Eibel" bezüglich der darin erhobenen Forderungen auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet weiter ging als die "Eingabe der Zweihundert". Von Landesverrat ist an der zitierten Stelle bei Waeger nicht die Rede. Insofern der "Entwurf Allgöwer-Eibel" offenlässt, für welchen Fall der politischen Entwicklung er geschrieben wurde, mag man von "dunklen Stellen" sprechen und diese Bezeichnung auf die Autoren des Papiers, so den Kläger im vorliegenden Verfahren, anwenden. Der Kläger wird damit in jene breite Schicht der Schweizer Bevölkerung eingereiht, die in der bedrohlichsten Zeit des Zweiten Weltkriegs sich kein klares Bild mehr von der Zukunft machen konnte. Man gab sich betont vaterländisch, zugleich auch europäisch und wusste doch weder vom einen noch vom andern, was es im kommenden Monat, in der folgenden Woche, morgen konkret bedeuten würde. Vor der historischen Wahrheit zu bestehen vermag hingegen in keiner Weise der durch die beanstandeten Stellen im Buch "Die unheimlichen Patrioten" insinuierte Vorwurf des Landesverrats. Indem die beklagten Autoren den "Entwurf Allgöwer-Eibel" in unmittelbare Verbindung mit der "Eingabe der Zweihundert" bringen, von dieser sagen, sie sei "mit dem Etikett des Landesverrats" behaftet gewesen und über diesen Text die Überschrift stellen: "Eibel im Zweiten Weltkrieg: Weitergehende Forderungen als die Eingabe der Zweihundert", erwecken sie beim Durchschnittsleser den Eindruck, der Kläger sei bereit gewesen, die Schweiz an das nationalsozialistische Dritte Reich zu verraten. BGE 111 II 209 S. 222 Landesverrat ist ein Delikt, welches sowohl vom bürgerlichen Strafrecht ( Art. 267 StGB ) als auch vom Militärstrafrecht ( Art. 86 ff. MStG ) mit Gefängnis oder Zuchthaus bestraft wird; in schweren Fällen kann in Kriegszeiten sogar auf Todesstrafe erkannt werden ( Art. 87 Ziff. 3 MStG ). Der Vorwurf des Landesverrats ist deshalb geeignet, den davon Betroffenen im Ansehen der Mitmenschen empfindlich herabzusetzen. Ja diese Beschuldigung wiegt unter Umständen noch schwerer als der Vorhalt eines anderen Delikts, da der Gedanke aufkommen mag, der Landesverrat sei nur deshalb nicht gesühnt worden, weil mit dem für die Schweiz schliesslich glücklichen Ausgang des Zweiten Weltkriegs Gras über die Sache gewachsen sei. Die Beklagten können sich nicht damit entschuldigen, sie hätten auch darauf hingewiesen, dass Robert Eibel von General Guisan zum Chef des Sekretariats in seinem persönlichen Stab gemacht worden war und dass er zu den Gründern des Gotthardbunds gehört hatte. Sie ziehen ja selber die ehrbaren Ziele des in seinem Wirken eher glücklosen Gotthardbunds (vgl. dazu ALICE MEYER, Anpassung oder Widerstand, Zürich 1966, S. 187 ff.) in Zweifel, wenn sie schreiben, Robert Eibel sei als Initiant des Gotthardbunds Mitautor des "Entwurfs Allgöwer-Eibel" gewesen, und von diesem Dokument behaupten, seine Gedankengänge seien "später wieder in der berüchtigten, mit dem Etikett des Landesverrats behafteten Eingabe der Zweihundert von Eibels Freunden aus dem Redressement" aufgetaucht. Der auf General Guisan Bezug nehmende Satz lautet im vollen Wortlaut: "Kritiker pflegt Eibel mit dem Hinweis abzukanzeln, seine Vergangenheit sei über jeden Zweifel erhaben, das zeige schon die Tatsache, dass General Guisan ihn zum Chef des Sekretariats in seinem persönlichen Stab machte." Korrigiert der Satz an sich schon nicht das betont ungünstige Bild, welches die Autoren dem Durchschnittsleser von Robert Eibel vermitteln, so tut er das noch viel weniger im Umfeld der Seiten 192 f. des Buches "Die unheimlichen Patrioten". Die beanstandeten Stellen entsprechen nicht der Wahrheit und lassen den Kläger in einem falschen Licht erscheinen ( BGE 107 II 6 E. 4b, BGE 105 II 165 E. 3b). Er wird dadurch unbefugterweise in den durch Art. 28 ZGB geschützten persönlichen Verhältnissen verletzt.
public_law
nan
de
1,985
CH_BGE
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CH
Federation
09231c49-5d64-419a-bc38-fa4eaabece04
Urteilskopf 120 V 496 69. Auszug aus dem Urteil vom 16. Dezember 1994 i.S. Ausgleichskasse des Kantons Uri gegen A. Z. und Kantonale Rekurskommission Uri für die AHV/IV/EO
Regeste Art. 5 VwVG . Auslegung einer Verwaltungsverfügung. Vorbehältlich der Problematik des Vertrauensschutzes ist eine Verwaltungsverfügung nicht nach ihrem Wortlaut, sondern so zu verstehen, wie es ihrem tatsächlichen rechtlichen Bedeutungsgehalt entspricht. Anwendungsfall (Erw. 1). Art. 4 FLG , Art. 14 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 3 AHVV (Ortsüblichkeit des Lohnes landwirtschaftlicher Arbeitnehmer). - Bei der Beurteilung der gesetzlichen Anspruchsvoraussetzung, ob der einem landwirtschaftlichen Arbeitnehmer ausgerichtete Lohn als ortsüblich eingestuft werden kann, ist es auch in Ermangelung eines kantonalen Richtlohnes nicht zulässig, als Massstab das Globaleinkommen für mitarbeitende Familienmitglieder in der Landwirtschaft gemäss Art. 14 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 3 AHVV heranzuziehen; denn diese berücksichtigen die spezifischen örtlichen Gegebenheiten gerade nicht. - Das vom BSV vorgeschlagene, in Rz. 39 seiner Erläuterungen zum FLG vorgesehene Vorgehen, zum Vergleich Angaben des Schweizerischen Bauernverbandes oder kantonaler landwirtschaftlicher Organisationen über Durchschnittslöhne heranzuziehen, ist grundsätzlich nicht zu beanstanden (Erw. 3a).
Erwägungen ab Seite 497 BGE 120 V 496 S. 497 Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. Zunächst ist zu prüfen, was Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet. a) Ausgangspunkt des Prozesses bildet die Verfügung vom 17. Januar 1994, womit die Ausgleichskasse gegenüber A. Z. den ortsüblichen und der gesetzlichen paritätischen Beitragspflicht an die verschiedenen Sozialversicherungsträger unterliegenden Lohn seines Bruders auf Fr. 39'240.-- festgelegt hat. Wörtlich genommen stellt diese Verfügung eine unzulässige Feststellungsverfügung im Bereich der Sozialversicherungsbeiträge dar (vgl. hiezu: BGE 114 V 203 Erw. 2c in fine mit Hinweisen). Indessen sind Verfügungen nicht nach ihrem (zuweilen nicht sehr treffend verfassten) Wortlaut zu verstehen, sondern es ist nach ihrem tatsächlichen rechtlichen Gehalt zu fragen (unveröffentlichtes Urteil F. vom 1. Juni 1994; in diesem Sinne auch die in BGE 119 V 352 nicht publizierte Erw. 2b des Urteils G. BGE 120 V 496 S. 498 vom 4. August 1993), dies vorbehältlich der Problematik des Vertrauensschutzes (welche vorliegend aber keine Rolle spielt). b) Zu prüfen ist deshalb, welche Rechtsfolge die Ausgleichskasse am 17. Januar 1994 in Wirklichkeit anordnen wollte. aa) Von den eigenen Feststellungen der Verwaltung ausgehend, dass nämlich A. Z. in der Jahresabrechnung 1993 ein an seinen mitarbeitenden Bruder ausgerichtetes Jahresgehalt von lediglich Fr. 31'200.-- deklarierte, hätte die Ausgleichskasse in Anbetracht des von ihr für richtig gehaltenen ortsüblichen Lohnansatzes ab 1. Januar 1993 von Fr. 39'240.-- den Anspruch auf Bezug von Familienzulagen, von dem in der Verfügung einleitend die Rede ist, ablehnen müssen. Das nun hat die Ausgleichskasse nicht angeordnet. Vielmehr wollte sie den Familienzulagenanspruch des H. Z. gleichsam "retten", indem sie seinem Bruder, dem Arbeitgeber A. Z., zumutete, auf einem auf Fr. 39'240.-- erhöhten, effektiv allerdings nie ausbezahlten, dafür aber als ortsüblich betrachteten Lohn die gesetzlichen paritätischen Beiträge zu entrichten. Wäre die Verfügung vom 17. Januar 1994 nicht angefochten und die damit zunächst festgestellten und anschliessend fakturierten Beiträge auf dem Betrag von Fr. 39'240.-- bezahlt worden, wäre wohl H. Z. für 1993, gleichermassen wie zuvor, in den Anspruch von Familienzulagen nach FLG gelangt. bb) Zufolge Beschwerdeerhebung konnte diesem behördlichen Vorgehen kein Erfolg beschieden sein. Nach Schilderung der betriebswirtschaftlichen Situation und der materiellen Lebensverhältnisse der beiden auf dem im Berggebiet liegenden Anwesen arbeitenden Familien tat A. Z. unmissverständlich kund, dass er "jetzt und bei den trüben Aussichten den ortsüblich genannten Lohn nicht bezahlen" könne. Aufgrund der gesamten Umstände, besonders des ununterbrochenen Familienzulagenbezuges bis Ende 1992, liegt nicht nur eine beschwerdeweise Bestreitung der beitragspflichtigen Lohnsumme durch den Arbeitgeber vor, sondern auch ein Streit um die Fortdauer der Anspruchsberechtigung hinsichtlich der Familienzulagen. An dieser Sichtweise vermag die Tatsache nichts zu ändern, dass dies die Ausgleichskasse weder in der Verfügung noch in den Rechtsschriften klar sagt. Auch wenn es sich beim streitigen Anspruch um einen solchen des H. Z. handelt, so ist doch sein Bruder A. Z. als Arbeitgeber legitimiert, die Ablehnungsverfügung beschwerdeweise auf dem Rechtsmittelweg anzufechten (vgl. ARV 1979 Nr. 22 S. 114 Erw. 1a). BGE 120 V 496 S. 499 cc) Damit ergibt sich, dass im vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerdeverfahren die Familienzulagenberechtigung des H. Z. Streitgegenstand ist, ein Anspruch somit, welchen die Ausgleichskasse dem Sinne nach nicht oder allenfalls unter der Bedingung zubilligte, dass der massgebliche und beitragspflichtige Lohn auf Fr. 39'240.-- festgelegt wird. Diesen Anspruch hat die Rekurskommission von ergänzenden Abklärungen im Kanton Uri abhängig gemacht; das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) dagegen bejaht ihn ohne weiteres. 2. H. Z. ist unbestrittenerweise im landwirtschaftlichen Betrieb seines Bruders gegen Entgelt in unselbständiger Stellung seit Jahren erwerbstätig, weshalb ihm grundsätzlich nach Art. 1 Abs. 1 FLG der Anspruch auf Familienzulagen nach Art und Ansätzen der Art. 2 f. FLG zusteht. Allerdings, und diese Anspruchsvoraussetzung ist hier streitig, setzt die Berechtigung die Bezahlung des ortsüblichen Lohnes voraus: die Familienzulagen dürfen nur ausgerichtet werden, wenn der Arbeitgeber einen Lohn zahlt, der mindestens den ortsüblichen Ansätzen für landwirtschaftliche Arbeitnehmer entspricht ( Art. 4 Abs. 1 FLG ). Vorliegend steht fest, dass der Beschwerdegegner seinem Bruder 1993 ein gegenüber den Vorjahren (rund Fr. 30'000.--) leicht erhöhtes Gehalt von Fr. 31'200.-- ausbezahlt hat. Streitig und zu prüfen ist einzig, ob dieses Lohnbetreffnis ortsüblich im Sinne von Art. 4 Abs. 1 FLG ist und H. Z. den Anspruch auf die Zulage eröffnet. a) In der vorinstanzlichen Vernehmlassung hat die Verwaltung ausgeführt, der Kanton Uri kenne nach Auskunft der Land- und Forstwirtschaftsdirektion keine landwirtschaftlichen Richtlöhne. "Deshalb" wende die Ausgleichskasse, wie die meisten Innerschweizer Kantone, in der Praxis seit Jahren die Ansätze gemäss Art. 14 AHVV an. Diese sähen ab 1. Januar 1993 im Umfange von 90% für mitarbeitende Familienmitglieder gemäss Art. 14 rev. Abs. 4 AHVV die in der Verfügung für massgeblich bezeichneten Ansätze von Fr. 2'250.-- (gerundeter Grundansatz für den verheirateten Arbeitnehmer) und Fr. 510.-- (für jedes Kind) vor. b) Die Rekurskommission ging demgegenüber von der Rechtsprechung aus (EVGE 1964 S. 59 f., bestätigt im nicht publizierten Urteil F. vom 30. März 1976), wonach Ortsüblichkeit des Lohnes vorliegt, wenn der Lohn dem Wert und der Art nach demjenigen Entgelt entspricht, das einem familienfremden Arbeitnehmer annähernd gleicher Leistungsfähigkeit in einem ähnlichen und in derselben Gegend liegenden Betriebe üblicherweise gewährt wird. BGE 120 V 496 S. 500 Entsprechend Rz. 39 der BSV-Erläuterungen zum FLG sind die Kassen angewiesen, zur Kontrolle, ob ein ortsüblicher Lohn ausbezahlt wird, auf die Durchschnittslöhne gemäss Schweizerischem Bauernverband oder kantonalen landwirtschaftlichen Organisationen abzustellen. Im vorliegenden Fall, so die Vorinstanz weiter, sei die Ausgleichskasse nicht nach diesen Vorschriften vorgegangen, sondern sie habe direkt Art. 14 AHVV angewendet, was nicht angehe, lägen doch dieser Verordnungsbestimmung gesamtschweizerische Durchschnittslöhne zugrunde, welche gerade auf die nach Art. 4 Abs. 1 FLG massgeblichen regionalen, betrieblichen und agrarwirtschaftlichen "Gegebenheiten vor Ort" keine Rücksicht nähmen. Der Umstand, dass Uri keine landwirtschaftlichen Richtlöhne kenne, enthebe die Ausgleichskasse nicht von den notwendigen Abklärungen, z.B. bei den Steuerbehörden, beim kantonalen Bauernverband oder der Land- und Forstwirtschaftsdirektion Uri. c) In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde hält die Ausgleichskasse an ihrem Vorgehen nach Art. 14 AHVV fest und weist ergänzend darauf hin, dass sich die Durchschnittslöhne gemäss Schweizerischem Bauernverband 1992 für ausgebildete landwirtschaftliche Arbeitnehmer in der Schweiz zwischen Fr. 2'650.-- und Fr. 4'098.-- bewegten, inkl. Wohnung, exkl. Verpflegung. d) In seiner Vernehmlassung legt A. Z. dar, dass der von ihm seinem Bruder ausbezahlte Lohn in Anbetracht der aus vielerlei Gründen ungünstigen Bedingungen für einen landwirtschaftlichen Betrieb dieser Lage durchaus "realistisch" sei. e) Das BSV teilt die Auffassung der Rekurskommission, dass es nicht angängig sei, den Globallohn gemäss Art. 14 Abs. 4 AHVV anzuwenden, stelle doch letzter einen für die ganze Schweiz massgebenden,"den örtlichen Gegebenheiten eben gerade nicht Rechnung tragenden Ansatz dar". Ferner weist das BSV darauf hin, dass die massive Anhebung des Globallohnes nach Art. 14 Abs. 4 AHVV , welchen die Ausgleichskasse als ortsüblich betrachtete, darauf zurückzuführen sei, dass die seit Jahren bestehende Kürzung um 20% im Sinne einer Angleichung preisgegeben worden sei, indem der Ansatz auch für die Landwirtschaft in zwei Schritten auf 100% angehoben werde, in einem ersten, am 1. Januar 1993 vollzogenen, auf 90%. 3. a) Der Rechtsauffassung von Rekurskommission und BSV ist beizupflichten. Der Rückgriff der Ausgleichskassen auf Art. 14 Abs. 4 AHVV ist zwar praktikabel, rechtlich aber in Anbetracht von Art. 4 Abs. 1 FLG klar unzulässig. Denn es wird dadurch der vom Gesetz verlangten BGE 120 V 496 S. 501 Ortsüblichkeit nicht Rechnung getragen. Damit stellt sich die Frage, welches Prozedere die Ausgleichskassen einzuhalten haben. Eine abschliessende Antwort auf diese Frage braucht in casu nicht gegeben zu werden. Die von der Vorinstanz erwähnte Rz. 39 der BSV-Erläuterungen zum FLG, wonach zur Kontrolle auf die Auskünfte von Schweizerischem Bauernverband oder kantonalen Bauernorganisationen abzustellen sei, ist jedenfalls grundsätzlich nicht zu beanstanden. Dass sich aus Rückfragen bei diesen oder - in jedem Kanton zweifellos vorhandenen - ähnlichen Organisationen keine schlüssigen Angaben für die Beurteilung der Ortsüblichkeit ergäben, kann nicht gesagt werden, auch nicht unter Berücksichtigung der Vorbringen der beschwerdeführenden Kasse. b) Damit bleibt zu prüfen, ob die Ortsüblichkeit des H. Z. vom Beschwerdegegner 1993 ausbezahlten Lohnes von Fr. 31'200.-- direkt bejaht werden kann oder ob dazu noch nähere Abklärungen vorzunehmen sind, wie die Rekurskommission entschied. Das BSV hat sich beim Schweizerischen Bauernverband nach den 1993 an landwirtschaftliche Arbeitnehmer ausgerichteten Löhnen erkundigt, welche sich zwischen Fr. 3'058.-- und Fr. 4'620.-- monatlich bewegten; die erhobenen Betriebe befänden sich jedoch zur Hauptsache im Talgebiet; für Bergbetriebe in Randregionen lägen die Löhne 25 bis 30% tiefer. Nach Ansicht des Bauernverbandes erfülle ein Lohn von Fr. 31'000.-- jährlich für einen ausgesprochenen Bergbetrieb in der Innerschweiz ohne Zweifel das Erfordernis der Ortsüblichkeit. Dieser verlässlichen Stellungnahme ist ohne Weiterungen beizupflichten und die Ortsüblichkeit zu bejahen. Damit ist der Anspruch des H. Z. auf Familienzulagen nach FLG auch für das Jahr 1993 ausgewiesen, nachdem sämtliche weiteren Anspruchsvoraussetzungen als erfüllt betrachtet werden können (vgl. oben Erw. 2 am Anfang).
null
nan
de
1,994
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
0926884b-20d4-444b-8fc1-2a64aee51589
Urteilskopf 107 II 375 58. Arrêt de la IIe Cour civile du 24 septembre 1981 dans la cause B. contre Commission cantonale de recours en matière foncière du canton de Vaud (recours de droit administratif)
Regeste Art. 19 und 20 EGG . Verkauf eines landwirtschaftlichen Heimwesens, das sich auf dem Gebiet von zwei verschiedenen Kantonen befindet. 1. Beim Verkauf eines landwirtschaftlichen Heimwesens, das sich auf dem Gebiet mehrerer Kantone befindet, ist nur die Behörde eines dieser Kantone für den Entscheid zuständig, ob Einspruch zu erheben sei: Zu beachten ist dabei die wirtschaftliche Tatsache, dass das Heimwesen als Ganzes verkauft wird, auch wenn rechtlich gesehen verschiedene Verträge abgeschlossen werden (E. 2c). 2. Das EGG enthält keine Bestimmungen betreffend Kompetenzkonflikte zwischen Kantonen (E. 2a und b). Es sind verschiedene Kriterien denkbar. Angesichts der Zusammensetzung des Betriebes braucht im vorliegenden Fall nicht zu Gunsten eines bestimmten Kriteriums entschieden zu werden (E. 2d und e).
Sachverhalt ab Seite 376 BGE 107 II 375 S. 376 A.- a) Par acte authentique du 31 mars 1980, instrumenté par le notaire X., à Domdidier (Fribourg), G. a déclaré vendre à B. des immeubles sis sur le territoire de la commune de Domdidier, pour une surface totale de 81'341 m2 comprenant des champs avec ferme et dépendances. Selon l'acte, "avec les immeubles sur le canton de Fribourg, sont compris comme faisant partie du domaine les immeubles suivants situés sur la commune d'Avenches et qui feront l'objet d'un acte à instrumenter par un notaire vaudois". Suit la désignation de quatre prés-champs, d'une surface totale de 42'050 m2. Le prix de vente, qui a été versé au vendeur, était de 1'000'000 de francs, dont 790'000 fr. pour les immeubles fribourgeois et 210'000 fr. pour les immeubles vaudois. b) Par lettre du 5 mai 1980, l'autorité foncière cantonale de Fribourg a avisé le notaire X. qu'en application de l' art. 218bis CO elle avait ratifié, dans sa séance du 23 avril 1980, le contrat de vente immobilière, en tant que portant sur une exploitation agricole sise partie dans le canton de Fribourg, partie dans le canton de Vaud. L'acte a été inscrit au registre foncier d'Estavayer-le-Lac le 13 mai 1980. B.- Le 24 avril 1980, le notaire Y., à Avenches, agissant comme mandataire des deux parties contractantes, a présenté une requête préalable à la Commission foncière, Section I, du canton de Vaud pour la vente des immeubles sis sur le territoire de la commune d'Avenches. Le 23 mai 1980, la Commission a décidé de faire opposition à cette vente. B. et G. ont recouru à la Commission cantonale de recours en matière foncière, qui les a déboutés par décision du 22 octobre 1980, communiquée le 23 janvier 1981. C.- B. a formé un recours de droit administratif auprès du Tribunal fédéral. Il demande que la décision de la Commission cantonale de recours soit réformée en ce sens qu'il est dit qu'il ne sera pas fait opposition à la vente par G. des parcelles de la commune d'Avenches, la revente de ces immeubles avant l'expiration du délai légal de dix ans étant au surplus autorisée. A titre subsidiaire, il conclut à l'annulation de la décision attaquée. Le Département fédéral de justice et police propose l'admission du recours. Erwägungen Considérant en droit: 1. Selon le Département fédéral de justice et police, dès lors que l'autorité fribourgeoise avait ratifié le contrat, il n'y avait plus BGE 107 II 375 S. 377 de place pour l'intervention de l'autorité vaudoise, qui n'était pas compétente s'agissant de la vente d'un domaine agricole dont la plus grande partie se trouve dans le canton de Fribourg. 2. a) L' art. 20 LPR , relatif à la compétence et à la procédure d'opposition en matière de ventes de biens-fonds, quand les cantons ont fait usage (comme Fribourg et Vaud) de la faculté que leur confère l' art. 18 LPR , se borne à imposer une voie de recours et à inviter les cantons à tenir compte des prescriptions sur le registre foncier. Il ne désigne pas l'autorité cantonale compétente lorsque le domaine agricole à vendre s'étend sur plusieurs cantons. Or, c'est au législateur fédéral qu'il appartenait de prendre une disposition à ce sujet. En effet, chaque canton ne peut régler que le sort des contrats qui portent sur des immeubles relevant de sa souveraineté. Tout au plus un concordat pourrait-il définir la compétence entre cantons lorsqu'un domaine se trouve sur le territoire de plusieurs d'entre eux; mais un tel concordat n'existe pas. b) De manière générale, la doctrine n'aborde pas la question (cf. KAUFMANN, Die Neuordnung des Landwirtschaftsrechtes, Zurich 1952, p. 49 ss; JOST, Handkommentar zum Bundesgesetz über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes vom 12. Juni 1951, Berne 1953, p. 104 ss; COMMENT, Fiche juridique suisse 228 p. 13 ss; CAVIN, La vente, l'échange, la donation, dans: Traité de droit privé suisse, VII, 1, p. 142 ss; PIDOUX, Droit foncier rural, RDS 1979 II p. 448 ss). Seul Jenny (Das Gesetz über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes, RSJ 1953 p. 60) l'évoque, en déplorant l'absence d'une règle de conflit. Selon le Département fédéral de justice et police, le législateur fédéral a implicitement tranché le conflit de compétence en invitant les cantons à tenir compte des prescriptions sur le registre foncier: la disposition de l' art. 20 al. 2 LPR , introduite par le Conseil des Etats, rendrait applicable par analogie la règle de compétence édictée à l' art. 952 al. 2 CC (cf. l'art. 1er al. 1 et l' art. 6 ORF ). Cette interprétation de l' art. 20 al. 2 LPR n'est pas convaincante. Le Département fédéral de justice et police se fonde sur la déclaration du rapporteur au Conseil des Etats (Bulletin sténographique de l'Assemblée fédérale, CE 1949 p. 437): "Cet art. laisse aux cantons le soin de désigner les autorités compétentes en matière d'opposition et de déterminer la procédure. Le département (de justice et police) estime que celle-ci doit être réglée en tenant compte de l'organisation et de la tenue du registre foncier. BGE 107 II 375 S. 378 Comme cette organisation diffère beaucoup d'un canton à l'autre, le législateur fédéral doit nécessairement se borner à édicter certaines règles générales." Mais il apparaît bien plutôt que l'allusion à l'organisation cantonale du registre foncier était dictée par le souci que le conservateur soit tenu au courant des décisions prises par les autorités compétentes pour faire opposition et par les autorités compétentes, en cas de conflit, pour statuer sur le bien-fondé de l'opposition. Il est en effet nécessaire que le conservateur sache s'il peut procéder dans ses registres aux inscriptions entraînant le transfert de propriété; on avait même envisagé de lui attribuer la compétence matérielle de faire opposition, mais, les conservateurs ayant estimé que cette tâche était trop lourde pour eux, on laissa aux cantons le soin d'organiser la procédure (Bulletin sténographique de l'Assemblée fédérale, CE 1949 p. 308). Force est donc de constater que le problème du conflit de compétence locale entre cantons pour appliquer les art. 18 ss LPR à un domaine agricole s'étendant sur plusieurs cantons n'a pas été tranché, ni même évoqué par le législateur. c) On est ainsi amené à se demander si le problème existe réellement. L' art. 19 al. 1 LPR prévoit qu'il peut être formé opposition contre des contrats de vente portant sur des domaines agricoles ou sur des biens-fonds agricoles. aa) Un bien-fonds agricole est un immeuble au sens de l' art. 655 CC (al. 2 ch. 1). Il peut faire l'objet d'une vente immobilière selon les art. 216 ss CO , au moyen d'un acte authentique dont la forme est déterminée par la législation cantonale ( art. 55 Tit. fin. CC ). Si l'immeuble est situé dans plusieurs arrondissements du registre foncier, l' art. 952 al. 2 CC détermine l'arrondissement compétent pour recevoir l'acte authentique et, par conséquent, la forme que l'acte doit revêtir pour être conforme à la législation cantonale en vigueur dans cet arrondissement. Il n'y a donc pas de problème pour les biens-fonds isolés et une règle de conflit intercantonale n'était pas nécessaire, puisqu'elle existe déjà à l' art. 952 al. 2 CC . bb) Le domaine agricole comprend l'ensemble des terres et des bâtiments qui est propre à constituer pour le paysan et sa famille le centre de son existence et la base de l'exploitation d'une entreprise agricole ( ATF 92 I 316 , 89 I 231). Il s'agit donc d'une unité économique (cf. le Message du Conseil fédéral à l'appui du projet de loi sur le maintien de la propriété foncière rurale, du 30 décembre 1947, BGE 107 II 375 S. 379 FF 1948 I p. 54), formée d'un groupe de choses au sens juridique du terme, soit d'immeubles. Juridiquement, la vente d'un domaine agricole revêt la forme de la vente de plusieurs immeubles. Si les biens-fonds constituant l'unité économique relèvent de la souveraineté de plusieurs cantons, il est impossible de procéder à la vente du domaine comme tel par un seul et même acte. En vertu des art. 216 CO et 55 Tit. fin. CC, la vente doit faire l'objet de contrats distincts. Cela étant, on pourrait en déduire qu'il appartient à l'autorité compétente de chacun des cantons sur lesquels s'étend le domaine de décider s'il y a lieu de faire opposition à la vente portant sur l'immeuble qui est de son ressort territorial. On éviterait ainsi le conflit de compétence locale entre les cantons. Mais raisonner ainsi, c'est perdre de vue que la loi fédérale sur le maintien de la propriété foncière rurale vise notamment à affermir le lien qui existe entre la famille et le domaine, et à favoriser le maintien d'entreprises agricoles (art. premier). Or, les diverses dispositions de la loi doivent être interprétées et appliquées d'après ce but ( ATF 100 Ib 264 /265 et les références). On ne peut donc pas ignorer la notion économique de domaine agricole et l'unité qu'elle implique par le motif que le domaine s'étend sur le territoire de plusieurs cantons; il s'agit là d'une circonstance accidentelle qui ne permet pas de s'écarter de la volonté du législateur. La réalité économique de la vente doit seule être prise en considération; peu importe que, pour que soient respectées les prescriptions cantonales sur la forme de l'acte authentique, la vente doive s'exprimer par plusieurs actes distincts. Ainsi, dès lors qu'une seule opération entre en ligne de compte, savoir la vente du domaine comme un tout, c'est à une seule autorité cantonale qu'il appartient de décider s'il y a lieu de former opposition. Le risque de conflit de compétence locale existe donc bien quand le domaine s'étend sur plusieurs cantons; il s'est réalisé en l'espèce. d) Ne contenant pas de règle de conflit, la loi fédérale sur le maintien de la propriété foncière rurale est entachée d'une lacune, qu'il faut combler conformément aux principes exprimés à l' art. 1er al. 2 et 3 CC . Pour déterminer l'autorité compétente, il convient de rechercher avec quel canton l'opération envisagée a les circonstances de rattachement les plus importantes. Le législateur, on l'a vu, entend protéger la propriété foncière rurale, notamment en favorisant la création et le maintien BGE 107 II 375 S. 380 d'entreprises agricoles ( art. 1er LPR ): il faut donc sauvegarder l'unité économique de l'exploitation, de façon à donner une base à la vie d'une famille paysanne. Si l'on adopte le critère de l' art. 952 al. 2 CC , on dira que l'autorité compétente est celle où se trouve la plus grande partie du domaine. On peut songer aussi au critère de l' art. 51 al. 2 LP et prendre en considération la partie qui a la plus grande valeur. Toutefois ces critères ne sont pas toujours adéquats s'agissant d'une entreprise agricole. Ce qui paraît décisif, dans l'optique du programme fixé à l' art. 1er LPR , c'est la partie essentielle pour le rendement de l'entreprise, le facteur principal de l'exploitation, comme, par exemple, la ferme, la zone de culture intensive. La présente espèce n'impose toutefois pas un choix entre ces différents critères. e) En effet, la partie du domaine située sur le territoire du canton de Fribourg est à la fois celle qui est la plus étendue, qui a la plus grande valeur et sur laquelle se trouve la ferme et ses dépendances. Quel que soit le critère qu'on adopte, seule l'autorité fribourgeoise était compétente, à l'exclusion des autorités vaudoises, pour se prononcer en matière d'opposition. Sa décision est correctement prise, puisque, s'attachant à la réalité économique, elle autorise la vente de tout le domaine. 3. Vu ce qui précède, le recours doit être admis et les décisions des autorités vaudoises annulées pour cause d'incompétence. Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral: Admet le recours et annule la décision de la Commission cantonale de recours en matière foncière du canton de Vaud, ainsi que la décision de la commission foncière, section I.
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1,981
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Urteilskopf 107 Ia 214 44. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 23. Dezember 1981 i.S. Erben des X. gegen Einwohnergemeinde Lauterbrunnen, Regierungsrat und Verwaltungsgericht des Kantons Bern (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Art. 4 BV ; Willkür. Baurecht, Ausnahmebewilligung. Die Ausnahmebewilligung dient in erster Linie der Vermeidung von Härten. Keinen Ausnahmegrund in diesem Sinne bilden wirtschaftliche Schwierigkeiten, die der Bauwillige selbst zu vertreten hat.
Sachverhalt ab Seite 215 BGE 107 Ia 214 S. 215 Im Jahre 1975 wurde X. der Bau eines Mehrfamilienhauses unter der Auflage bewilligt, im Erdgeschoss keine Wohnräume zu schaffen. Die Ausführungspläne sahen gleichwohl zwei Wohnungen im Erdgeschoss vor und X. begann diese auch auszubauen. Dies wurde ihm auf Grund einer Baukontrolle verboten. Als das Mehrfamilienhaus schon einige Zeit fertiggestellt und bezogen war, stellte X. das Gesuch für den Einbau von zwei Wohnungen im Erdgeschoss des Hauses. Die zuständigen Behörden sahen darin einen Verstoss gegen die Gemeindebauvorschriften (Überschreitung von Bruttogeschossfläche und Geschosszahl) und wiesen das Gesuch ab; auch wurde die Erteilung einer Ausnahmebewilligung verweigert. Die Erben des inzwischen verstorbenen X. führen staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV . Sie machen unter anderem geltend, die Ausnahmebewilligung sei zu Unrecht verweigert worden. Mangels Nachfrage sei eine gewerbliche Nutzung des Erdgeschosses nicht möglich; es bleibe ihnen daher nur noch der Einbau von Wohnungen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 5. Die Beschwerdeführer rügen sodann, die Vorinstanz habe in willkürlicher Auslegung von Art. 46 Abs. 1 BauG die Ausnahmebewilligung verweigert. Gemäss dieser Bestimmung können aus wichtigen Gründen Ausnahmen von einzelnen Bauvorschriften gewährt werden, sofern dadurch keine öffentlichen Interessen beeinträchtigt werden. Die Beschwerdeführer sehen einen wichtigen Grund im Sinne von Art. 46 Abs. 1 BauG im wirtschaftlichen Interesse, das Erdgeschoss der fraglichen Baute nicht brach liegen lassen zu müssen, sondern zu Wohnungen nutzen zu können. BGE 107 Ia 214 S. 216 Die Ausnahmebewilligung dient grundsätzlich der Vermeidung von Härten (ALDO ZAUGG, Kommentar zum Baugesetz des Kantons Bern, Bern 1971, Art. 46 N. 6, S. 196; ERICH ZIMMERLIN, Baugesetz des Kantons Aargau, Kommentar, Aarau 1977, § 155 N. 6, S. 438). Sie soll es den Baubehörden ermöglichen, den Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung zu tragen. Wirtschaftliche Überlegungen stellen demgegenüber generelle Gründe dar, die sich praktisch immer anführen lassen. Sie schaffen daher nicht ohne weiteres besondere Situationen, die eine Ausnahmebewilligung rechtfertigen (ERICH ZIMMERLIN, a.a.O.; BGE 89 I 522 ). Im vorliegenden Fall haben die Beschwerdeführer die wirtschaftliche Situation zu vertreten, die ihr Rechtsvorgänger geschaffen hat. Dieser hätte sich schon vor der ursprünglichen Baueingabe klarmachen können, ob überhaupt eine konkrete Nachfrage nach Gewerberäumen bestehe. In keinem Fall kann es Sinn der Ausnahmebewilligung sein, nachträglich die Folgen einer unrichtigen Einschätzung des Bedarfs durch einen Bauherrn zu mildern. Zudem ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts bei der ausnahmsweisen Bewilligung von Ausnützungen, die über das sonst zulässige Mass hinausgehen, grösste Zurückhaltung zu üben ( BGE 92 I 106 ). Die Ausnahmebewilligung kann weder dazu dienen, dem Bauherrn eine ideale Lösung zu verschaffen, noch besteht ihr Zweck darin, ein intensives Ausnützungsstreben zu unterstützen (ALDO ZAUGG, a.a.O., Art. 46 N. 7, S. 197). Von einer willkürlichen Verweigerung der Ausnahmebewilligung kann daher keine Rede sein.
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Urteilskopf 117 Ib 414 50. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 15. Oktober 1991 i.S. X. AG gegen Gewässerschutzamt und Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste Umweltschutzrecht; Verordnung des Bundes über den Verkehr mit Sonderabfällen (VVS); Art. 4 und 31 BV . 1. Auf Isolationsrückstände aus der Verwertung von Kabelresten ist die Verordnung des Bundes über den Verkehr mit Sonderabfällen (VVS) anwendbar (E. 2, 4, 5). 2. Zuständigkeit der Kantone zum Erlass von Verfügungen über die Behandlung von Sonderabfall (E. 3). 3. Art. 4 und 31 BV : Die zuständigen Behörden sind verpflichtet, insbesondere auch im Hinblick auf mögliche Wettbewerbsnachteile, für einen rechtsgleichen Vollzug der Bestimmungen über den Verkehr mit Sonderabfällen zu sorgen (E. 8).
Sachverhalt ab Seite 415 BGE 117 Ib 414 S. 415 Die X. AG in Basel ist im Bereich des Recyclings von Buntmetallen tätig. Im Jahre 1982 erstellte sie eine nach modernster Technik funktionierende Kabelzerlegungsanlage, welche isolierte Kupferdrähte in Kupfer und Kunststoff trennt. Die verarbeitete Menge beträgt jährlich ca. 2000 bis 3000 Tonnen isolierte Drahtabfälle, woraus je zur Hälfte Kupfer und Kunststoff anfällt. Das Kupfer wird der Wiederverwertung zugeführt, und das aus dem Kunststoff entstehende Kunststoffgranulat wurde bis anhin an Reitställe als Streugut geliefert. Nach eingehenden Abklärungen kam das Gewässerschutzamt Basel-Stadt zum Schluss, dass dieses Kunststoffgranulat als Sonderabfall gemäss Anhang 3 der Verordnung über den Verkehr mit Sonderabfällen vom 12. November 1986 (VVS, SR 814.014) zu qualifizieren sei. Deshalb wies das Gewässerschutzamt Basel-Stadt die X. AG mit Verfügung vom 13. September 1989 an: "- Die in Ihrer Kabelzerlegungsanlage anfallenden Kunststoffgranulate sind als Sonderabfälle separat zu erfassen, zu sammeln und durch ein zur Entgegennahme berechtigtes Unternehmen zu entsorgen. - Gemäss Anhang 3 der VVS sind die Kunststoffgranulate vor ihrer Entsorgung als "mit PCB verunreinigte Materialien", VVS-Code 3060 zu deklarieren. - Die Kunststoffgranulate sind in Ihrem Betrieb so zwischenzulagern, dass durch Witterungseinflüsse keine Schadstoffe in den Boden gelangen können." Gegen die Verfügung des Gewässerschutzamtes Basel-Stadt vom 13. September 1989 meldete die X. AG am 20. September 1989 den Rekurs beim Baudepartement an. Am 18. Oktober 1989 reichte die Rekurrentin die ausführliche Rekursbegründung ein mit den Rechtsbegehren, es sei die BGE 117 Ib 414 S. 416 Verfügung des Gewässerschutzamtes Basel-Stadt vom 13. September 1989 aufzuheben, eventuell im Sinne der Rekursbegründung zu revidieren, bzw. zur Neubeurteilung an das Gewässerschutzamt zurückzuweisen. Zudem sei dem Rekurs aufschiebende Wirkung beizulegen, respektive bei Nichtgewährung der aufschiebenden Wirkung seien Sofortmassnahmen zu ergreifen, damit die Wettbewerbsfähigkeit in der Entsorgung von Kabelabfällen im Kanton Basel-Stadt gewahrt bleibe und für sämtliche umweltgefährlichen Kabelabfälle die gleichen umweltrechtlichen Massnahmen gelten würden. Überdies habe der Kanton, soweit diesem zur Regelung keine Zuständigkeit zukomme, bei den zuständigen Stellen des Bundes, gegebenenfalls bei jenen der Kantone, darauf hinzuwirken, dass die hierfür nötigen Anordnungen unverzüglich getroffen würden. Zudem sei der Rekurs zu sistieren, bis das Gewässerschutzamt Basel-Stadt über ein gleichzeitig mit dem Rekurs eingereichtes Wiedererwägungsgesuch entschieden habe. Zur Begründung des Rekurses berief sich die Rekurrentin auf die Unzuständigkeit des Kantons sowie eventualiter auf die ungerechtfertigte Qualifikation des Kunststoffgranulats als Sonderabfall. Ausserdem machte die X. AG geltend, die Verfügung des Gewässerschutzamtes verletze das Gleichbehandlungsgebot, das Willkürverbot und greife in die durch die Erteilung der Baubewilligung für die Kabelzerlegungsanlage erworbene Besitzstandsgarantie ein. Mit Entscheid vom 7. Dezember 1989 wies das Baudepartement Basel-Stadt den Rekurs, soweit darauf eingetreten werden konnte, ab. Gegen den Entscheid des Baudepartements Basel-Stadt vom 7. Dezember 1989 meldete die X. AG am 20. Dezember 1989 den Rekurs an den Regierungsrat an und reichte innert erstreckter Frist am 20. Februar 1990 die ausführliche Rekursbegründung ein mit den Rechtsbegehren, es sei der Entscheid des Baudepartements vom 7. Dezember 1989 aufzuheben, allenfalls zur Neubeurteilung im Sinne der Rekursbegründung an das Baudepartement oder das Gewässerschutzamt Basel-Stadt zurückzuweisen. Mit Beschluss vom 3. Juli 1990 hat der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt den Rekurs abgewiesen, soweit darauf einzutreten war. Gegen diesen Entscheid des Regierungsrates führt die X. AG Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht und stellt die folgenden Anträge: BGE 117 Ib 414 S. 417 "1. Der Beschluss des Regierungsrates sei aufzuheben. 2. Eventuell sei der Beschluss wie folgt zu ändern: a) Geben künftig die Lieferanten von Kabelresten den Abnehmern eine vom BUWAL verfasste und allseits verbindliche Unbedenklichkeitserklärung hinsichtlich des PCB-Gehaltes ab, so muss das Granulat nicht als Sonderabfall behandelt werden. b) Das übrige Granulat ist als Sonderabfall zu behandeln, falls es gemäss den Kriterien des Bundes die Voraussetzungen dafür erfüllt. 3. Unter o/e Kostenfolge." Das Bundesgericht weist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab, soweit es auf sie eintreten kann. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. d) Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist gemäss Art. 98 lit. g OG gegen Verfügungen letzter kantonaler Instanzen zulässig. Letzte kantonale Instanz für die angefochtene Verfügung ist nach der kantonalen Rechtsmittelordnung der Regierungsrat. Soweit die Beschwerdeführerin auch die Verfügung des Baudepartements vom 7. Dezember 1989 und jene des Gewässerschutzamtes vom 13. September 1989 beanstandet, ist auf die Beschwerde nicht einzutreten (vgl. BGE 104 Ib 270 E. 1). Mit dem angefochtenen Entscheid hat der Regierungsrat die Verfügung des Gewässerschutzamtes Basel-Stadt vom 13. September 1989 bestätigt, wonach das im Betrieb der Beschwerdeführerin anfallende Kunststoffgranulat als Sonderabfall im Sinne der Verordnung über den Verkehr mit Sonderabfällen vom 12. November 1986 (VVS, SR 814.014) zu betrachten ist. Es wurde angeordnet, diese Sonderabfälle seien separat zu erfassen, zu sammeln und durch ein zur Entgegennahme berechtigtes Unternehmen zu entsorgen. Vor ihrer Entsorgung seien die Kunststoffgranulate als "mit PCB verunreinigte Materialien", VVS-Code 3060, zu deklarieren. Die Kunststoffgranulate seien im Betrieb der Beschwerdeführerin so zwischenzulagern, dass durch Witterungseinflüsse keine Schadstoffe in den Boden gelangen könnten. Im angefochtenen Entscheid werden diese Anordnungen bestätigt. Im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht bildet die Verfügung als Anfechtungsobjekt den Ausgangspunkt des Verfahrens und zugleich den Rahmen und die Begrenzung des Streitgegenstands (vgl. FRITZ GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Auflage, Bern 1983, S. 45). In der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde BGE 117 Ib 414 S. 418 werden zum Teil Fragen aufgeworfen, die ausserhalb des dargelegten Streitgegenstands liegen. Insoweit kann auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht eingetreten werden. 2. Gemäss Art. 32 USG erlässt der Bundesrat Vorschriften über den Verkehr mit gefährlichen Abfällen, einschliesslich der Ein-, Aus- und Durchfuhr. Er schreibt insbesondere vor, dass gefährliche Abfälle nur von Unternehmungen entgegengenommen oder eingeführt werden dürfen, die über eine Bewilligung verfügen. Diese wird Unternehmungen ausgestellt, die Gewähr für die umweltgerechte Behandlung der Abfälle bieten. Sie wird vom Kanton erteilt, in welchem die Unternehmung ortsfeste Entsorgungsanlagen betreibt; für Unternehmungen ohne ortsfeste Entsorgungsanlagen wird die Bewilligung vom Kanton erteilt, in welchem die Unternehmung ihren Sitz hat ( Art. 32 Abs. 2 lit. b USG ). Gefährliche Abfälle dürfen im Inland nur an Unternehmungen weitergegeben werden, die über eine Bewilligung zur Entgegennahme solcher Abfälle nach Art. 32 Abs. 2 lit. b USG verfügen ( Art. 30 Abs. 4 USG ). Gestützt auf diese Vorschriften des Umweltschutzgesetzes hat der Bundesrat den Begriff der Sonderabfälle in der Verordnung über den Verkehr mit Sonderabfällen (VVS) näher geregelt. Diese Verordnung gilt nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 VVS für den Verkehr mit Sonderabfällen, die in Anhang 3 VVS aufgeführt sind. Nach Art. 3 VVS muss der Abgeber von Abfällen vor der Abgabe anhand von Anhang 3 dieser Verordnung abklären, ob sich darunter Sonderabfälle befinden. In Ziff. 11 Abs. 1 Anhang 3 VVS wird vorgeschrieben, der Abgeber müsse zunächst ermitteln, ob auf den zur Abgabe bestimmten Abfall eine oder mehrere Umschreibungen gemäss Ziff. 21 Anhang 3 VVS zutreffen. Ist dies der Fall, so gilt der Abfall als Sonderabfall (Ziff. 11 Abs. 2 Anhang 3 VVS). Das Gewässerschutzamt und der Regierungsrat halten die in der Kabelzerlegungsanlage der Beschwerdeführerin anfallenden Kunststoffgranulate für Sonderabfälle. Sie stützen sich dabei auf den VVS-Code 3060 "mit PCB (Polychlorierte Biphenyle) oder PCT (Polychlorierte Terphenyle) verunreinigte Materialien und Geräte". Das Baudepartement Basel-Stadt qualifiziert diese Abfälle gestützt auf VVS-Code 1821 "Isolationsrückstände aus der Verwertung von Kabelresten" als Sonderabfälle. Das EDI kommt in seiner Vernehmlassung zum Schluss, dass sowohl die Umschreibung von Code 1821 als auch diejenige von Code 3060 auf die zur Diskussion stehenden Abfälle zutreffe. Der Regierungsrat habe diese somit zu Recht als Sonderabfälle BGE 117 Ib 414 S. 419 qualifiziert. Code 1821 stelle gegenüber Code 3060 eine Spezialnorm dar. Daraus folge, dass der richtige Abfallcode, der für die fraglichen Abfälle auf den Begleitscheinen ( Art. 6 VVS ) eingetragen werden müsse, Code 1821 sei. a) Hauptfrage des vorliegenden Verfahrens ist, ob die in der Kabelzerlegungsanlage der Beschwerdeführerin anfallenden Kunststoffgranulate Sonderabfälle darstellen oder nicht. Ob es sich dabei um Sonderabfälle im Sinne von Code 3060 oder im Sinne von Code 1821 handelt, ist nicht entscheidend. Es genügt, dass diese Abfälle die Voraussetzung eines der beiden Codes erfüllen. b) Im Hinblick auf den oben wiedergegebenen Wortlaut des Codes 1821 ist mit dem Eidgenössischen Departement des Innern (EDI) zu folgern, dass die umstrittenen Kunststoffgranulate der Beschwerdeführerin unter diesen Code zu subsumieren sind. Sie erfüllen aber gleichzeitig auch die Voraussetzungen des weitergefassten Codes 3060 ("mit PCB oder PCT verunreinigte Materialien oder Geräte"). Dass der Regierungsrat bei der Feststellung, die umstrittenen Kunststoffgranulate seien Sonderabfälle, lediglich den VVS-Code 3060 erwähnt hat, macht seine Verfügung nicht bundesrechtswidrig. Die umstrittenen Kunststoffgranulate stellen auf jeden Fall Sonderabfälle dar, was zur Folge hat, dass die Beschwerdeführerin als Betriebsinhaberin und Abgeberin die in den Art. 3 ff. VVS enthaltenen Pflichten zu beachten hat. Soweit diese in der angefochtenen Verfügung erwähnt werden, geschieht dies in Übereinstimmung mit dem Bundesrecht. c) Das EDI führt in seiner Vernehmlassung aus, nach dem Sinn und Zweck der VVS würden bestimmte Abfälle dann als Sonderabfälle eingestuft, wenn sie zur vorschriftsgemässen Entsorgung einer besonderen Behandlung bedürften und aus diesem Grund verhindert werden müsse, dass sie mit Siedlungsabfällen vermischt würden, oder wenn die gängige Entsorgungspraxis sonstwie nicht umweltgerecht sei. Kunststoffabfälle aus der Verwertung von Kabelresten enthielten Schadstoffe wie Schwermetalle, Weichmacher, aber auch zum Teil PCB und Flammschutzmittel und bedürften aus diesem Grunde einer besonderen Behandlung. Zudem müsse verhindert werden, dass sie mit Siedlungsabfällen vermischt würden. Aus einer vom Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) finanzierten Studie zur Schadstoffbelastung von Kabelrückständen gehe hervor, dass diese pro Kilo zwischen 5 und 20 g Blei, zwischen 0,5 und 1,7 g Zink, zwischen 0,1 und 20 g Kupfer, bis zu 6 g Zinn, bis zu 10 g Barium, zwischen 1 mg und 70 mg PCB BGE 117 Ib 414 S. 420 sowie Spuren von Cadmium und Antimon enthielten. Bei der Verbrennung dieser Kunststoffabfälle könnten wegen der Inhaltsstoffe Chlor (aus PVC) und Kupfer (aus Drahtlitzen) Dioxine entstehen, wenn kein vollständiger Ausbrand gewährleistet sei. Die erwähnte Studie zur Schadstoffbelastung der Kabelisolationsrückstände diene im übrigen keineswegs dazu, Grenzwerte für Code 3060 festzulegen, sondern vielmehr dazu, die Grundlagen für eine umweltgerechte Behandlung dieser Abfälle zu erarbeiten. Die Untersuchungsergebnisse zeigten mit aller Deutlichkeit, dass es sachlich völlig richtig sei, sicherzustellen, dass solche Isolationsreste getrennt erfasst und entsorgt würden. Daraus folge, dass die fraglichen Isolationsrückstände auch nach dem Sinn und Zweck der VVS als Sonderabfälle zu betrachten seien. Irgendwelche Gründe dafür, dass der wahre Sinn von Code 1821 ein anderer wäre, bestünden nicht. 3. Die Beschwerdeführerin macht geltend, der Kanton sei für den Erlass der angefochtenen Verfügung überhaupt nicht zuständig. Diese Rüge ist angesichts der Vorschriften von Art. 30 Abs. 4 und 32 Abs. 2 lit. b USG i.V.m. den Art. 3 ff. VVS , insbesondere 29 ff. VVS, unbegründet. In der angefochtenen Verfügung werden entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin keine Grenzwerte festgelegt, und es wird auch keine Umweltgefährdung definiert, sondern lediglich Bundesgesetzes- und -verordnungsrecht vollzogen. Der Vollzug des Umweltschutzgesetzes des Bundes obliegt unter Vorbehalt von Art. 41 USG den Kantonen ( Art. 36 USG ). Der Erlass der hier umstrittenen Anordnungen entspricht im Lichte der genannten umweltschutzrechtlichen Vorschriften und insbesondere nach Art. 41 VVS der Pflicht der Kantone und damit auch des Kantons Basel-Stadt. Selbst Art. 41 Abs. 1 USG , wonach der Bund u.a. die Vorschriften gemäss Art. 32 Abs. 1 und 2 USG (Ein- und Ausfuhr gefährlicher Güter) vollzieht, steht der Zuständigkeit des Kantons in der vorliegenden Angelegenheit nicht entgegen. Es steht hier zwar eine Verfügung nach Art. 32 Abs. 2 USG zur Diskussion; allerdings betreffen die umstrittenen Anordnungen nicht direkt die "Ein- und Ausfuhr gefährlicher Güter". Das ist indessen gar nicht entscheidend, denn der Bund kann gemäss Art. 41 Abs. 1 letzter Satz USG auch im Bereich der ihm zustehenden Vollzugskompetenzen für bestimmte Teilaufgaben die Kantone beiziehen. In den Art. 29 ff. VVS sind die Zuständigkeiten des Bundes und der Kantone für den Anwendungsbereich der VVS BGE 117 Ib 414 S. 421 ausführlich geregelt. Nach Art. 41 VVS vollziehen die Kantone diese Verordnung, soweit der Vollzug nicht ausdrücklich einer Bundesbehörde zugewiesen ist. Die Beschwerdeführerin nennt keine Bestimmung, nach welcher eine Bundesbehörde zum Erlass der hier umstrittenen Anordnungen zuständig wäre. Eine solche Bestimmung besteht im übrigen auch nicht, weshalb die Behauptung, der Kanton sei nicht zuständig, unzutreffend ist. Der Bundesrat hat in der Verordnung über den Verkehr mit Sonderabfällen (VVS) von seiner in Art. 41 Abs. 1 letzter Satz USG enthaltenen Kompetenz zur Regelung der dem Bund übertragenen Vollzugsaufgaben Gebrauch gemacht. Dabei hat er in bezug auf die im vorliegenden Verfahren zu beurteilenden Fragen im gesetzlich und verfassungsrechtlich vorgegebenen Rahmen bestimmte Vollzugsaufgaben den Kantonen übertragen. 4. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin umfasst Code 1821 Anhang 3 VVS Kunststoffgranulat nicht, da dieses "organisch" sei und somit nicht in Anhang 3 Kategorie 6 eingereiht werden könne. Der Titel von Anhang 3 Kategorie 6 VVS "feste anorganische Abfälle von mechanischen oder thermischen Bearbeitungen" wurde durch Art. 47 der Technischen Verordnung über Abfälle vom 10. Dezember 1990 (TVA, SR 814.015) geändert und trägt mit Gültigkeit ab 1. Februar 1991 die Bezeichnung "Abfälle von mechanischen oder technischen Bearbeitungen oder Behandlungen". a) Wie das Bundesgericht schon verschiedentlich festgestellt hat, sind das Bundesgesetz über den Umweltschutz sowie die gestützt darauf erlassenen Verordnungen und damit auch die VVS mit Rücksicht auf die öffentlichen Interessen, die mit diesen Normen gewahrt werden, in allen Verfahren, die im Zeitpunkt ihres Inkrafttretens noch nicht abgeschlossen sind, grundsätzlich unmittelbar anwendbar ( BGE 115 Ib 339 E. 3, BGE 114 Ib 220 , je mit Hinweisen). Es ist daher im vorliegenden Verfahren auf den neuen Titel von Anhang 3 Kategorie 6 VVS abzustellen. b) Das EDI legt in seiner Vernehmlassung dar, dass die Änderung des Titels lediglich eine Präzisierung darstellt und keine materielle Rechtsänderung bewirkt. Auch ohne Änderung des Titels wäre Code 1821 so zu verstehen, wie das unter Berücksichtigung des neuen Titels der Fall ist. Mit dem EDI ist davon auszugehen, dass auch nach dem alten Titel die bei einer Kabelzerlegungsanlage anfallenden Kunststoffgranulate unter den Begriff "Isolationsrückstände aus der Verwertung von Kabelresten" zu subsumieren sind. Die Beschwerdeführerin BGE 117 Ib 414 S. 422 hat diesem alten Titel für die Auslegung des Codes 1821 ein zu grosses Gewicht beigelegt. Bei den Isolationsrückständen aus der Verwertung von Kabelresten ist in erster Linie an Kunststoffabfälle zu denken. Es wäre mit dem Sinn von Anhang 3 Kategorie 6 VVS nicht vereinbar, Kunststoffgranulat, da es organisch ist, nicht in diese Kategorie einzureihen. Wie die vom BUWAL finanzierte Studie zeigt, enthalten Kunststoffabfälle aus dem Verwerten von Elektrokabeln regelmässig erhebliche Mengen von Schadstoffen, weshalb sie einer speziellen Behandlung bedürfen. Insbesondere ist eine Vermischung mit Siedlungsabfällen zu verhindern. Auch aus den bei den Akten liegenden Untersuchungsberichten über die im Betrieb der Beschwerdeführerin anfallenden Isolationsreste ergibt sich, dass diese u.a. die Metalle Blei, Zink, Kupfer und Zinn enthalten. Wie das Baudepartement in seiner Vernehmlassung zutreffend darlegt, darf aus der Tatsache, dass die zur Isolation von Kabeln verwendeten Kunststoffe organische Substanzen sind, nicht abgeleitet werden, dass die Isolationsreste keine umweltgefährdenden anorganischen Stoffe enthalten. Der alte Titel vor Code 1821 steht einer Anwendung desselben auf die Isolationsrückstände der Beschwerdeführerin auch mit Rücksicht auf diesen Umstand nicht entgegen. c) Bei dieser Sachlage war der Bundesrat verpflichtet, die im vorliegenden Verfahren umstrittenen Abfälle in Anhang 3 VVS als Sonderabfälle zu qualifizieren. Er hat dies in Code 1821 getan. In Frage kommt auch Code 3060. Wie erwähnt, ist es dafür, ob das umstrittene Kunststoffgranulat als Sonderabfall zu beurteilen ist oder nicht, nicht entscheidend, unter welchen der beiden Codes sie fallen. Das ist lediglich von Bedeutung für die Deklaration auf den Begleitscheinen ( Art. 6 VVS ). Nach den in der Vernehmlassung des EDI enthaltenen zutreffenden Ausführungen ist darin Code 1821 zu erwähnen (vgl. vorne E. 2b). 5. Die Beschwerdeführerin erklärt, Code 3060 sei deshalb nicht anwendbar, weil die Kabelreste wie auch das anfallende Plastikgranulat nicht mit PCB "verunreinigt" seien, die Kabelreste "enthielten" allenfalls PCB. a) Gegen diese Argumentation wendet das Baudepartement ein, bei der Verbrennung von PCB könnten chlorierte Dioxine und Dibenzofurane entstehen. PCB-haltige Abfälle dürften deshalb nur unter kontrollierten Bedingungen verbrannt werden: Es müsse verhindert werden, dass der Schadstoff durch die Kamine von Kehrichtverbrennungsanlagen austrete und über die Luft auf BGE 117 Ib 414 S. 423 Böden und in Gewässer und damit in die Nahrungskette gelange. Ferner müsse verhindert werden, dass sich in den Abgasen chlorierte Dioxine und Dibenzofurane bildeten. Deshalb seien PCB-haltige Abfälle den Sonderabfällen zuzuordnen. Daraus ergebe sich, dass es unsinnig wäre, mit PCB verschmiertes oder verschmutztes Material als Sonderabfall zu behandeln, PCB-haltiges Material aber nicht. Wegen ihrer schlechten Abbaubarkeit hänge die Gefährlichkeit der polychlorierten Biphenyle nicht primär und ausschliesslich von ihrer Konzentration im Abfall ab. Die Menge der PCB-haltigen Abfälle sei nicht zu unterschätzen. Polychlorierte Biphenyle seien in den letzten Jahrzehnten zahlreichen Kunststoffen und Lacken als Weichmacher beigesetzt worden, bevor ihre Verwendung in der Verordnung über umweltgefährdende Stoffe vom 9. Juni 1986 (Stoffverordnung, SR 814.013) verboten worden sei. Diese mit PCB behandelten Stoffe würden in den nächsten Jahren und Jahrzehnten tonnenweise zur Entsorgung anfallen. Es sei offensichtlich, dass dabei grosse Schadstoffmengen freigesetzt werden könnten, auch wenn die beigemischten Mengen im Verhältnis zum Gesamtgewicht als gering erschienen. Die Isolationsrückstände aus der Kabelverwertung seien hierfür ein geradezu klassisches Beispiel. Die heute und in absehbarer Zeit zur Entsorgung anfallenden Kabel seien wohl überwiegend vor 1986 hergestellt worden, als die Beimischung von PCB als Weichmacher allgemein üblich gewesen sei. Würde dieses Material nicht als Sonderabfall behandelt, wäre zu befürchten, dass es zum grössten Teil in den Kehrichtverbrennungsanlagen in der Umgebung der Zerlegungsbetriebe verbrannt würde. Der Schadstoff PCB könnte trotz geringer Konzentration im Kunststoffabfall in gefährlichen Mengen verbreitet werden. Aus diesem Grund sei es keineswegs unvernünftig, dass VVS-Code 3060, wie zahlreiche andere Codes, keinen Grenz-, Schwellen- oder Toleranzwert vorsehe. Wenn ein Schadstoff in einer Abfallart regelmässig vorkomme und nur die Konzentrationen schwankten, seien Grenz-, Schwellen- oder Toleranzwerte auch aus praktischen Gründen fragwürdig. So aber verhalte es sich bei den Isolationsresten aus dem Betrieb der Beschwerdeführerin. Es könne deshalb nicht auf Einzelanalysen abgestellt werden; ein Vorgehen, das auch aus Kostengründen ausser Betracht falle. b) Diese einleuchtenden Ausführungen des Baudepartements zeigen deutlich, dass in VVS-Code 3060 zu Recht kein Grenz-, Schwellen- oder Toleranzwert vorgesehen ist. Was die Beschwerdeführerin BGE 117 Ib 414 S. 424 gegen diese Auslegung von Code 3060 einwendet, vermag nicht zu überzeugen. Da die umstrittenen Kabelreste zudem, wie erwähnt (vgl. vorne E. 2b), bereits die Voraussetzungen von Code 1821 erfüllen, ist nicht weiter auf Code 3060 einzugehen. 8. Was die Beschwerdeführerin unter dem Titel Verletzung des Verursacherprinzips, des Rechtsgleichheitsgebots und des Gebots der Wettbewerbsneutralität anführt, kann ebenfalls nicht zur Gutheissung der Beschwerde führen. Aus den bereits mehrfach erwähnten Bestimmungen des Bundesumweltschutzrechts geht hervor, dass die umstrittenen Kabelrückstände Sonderabfälle darstellen, woraus sich für die Beschwerdeführerin verschiedene, gesetzlich vorgeschriebene Verpflichtungen ergeben. Dass das Kunststoffgranulat bei der X. AG nicht als Abfall einer eigenen Produktion anfällt, sondern durch Aufbereitung der Kabelreste ihrer Kunden aus der ganzen Schweiz entsteht, vermag daran nichts zu ändern. a) Der Gleichbehandlungsgrundsatz wird im angefochtenen Entscheid nicht verletzt. Der Regierungsrat hat die einschlägigen bundesrechtlichen Umweltschutzvorschriften auf den Betrieb der Beschwerdeführerin so angewendet, wie er sie auch auf andere Kabelzerlegungsunternehmungen anwenden würde. Der Vollzug des Bundesumweltschutzrechts in anderen Kantonen liegt nicht in der Zuständigkeit des Regierungsrats des Kantons Basel-Stadt. Vielmehr haben die Behörden der entsprechenden Kantone und des Bundes für den ordnungsgemässen Vollzug der geltenden Bestimmungen zu sorgen. Es bestehen im übrigen keine Anhaltspunkte dafür, dass andere Kantone die Missachtung der Vorschriften über den Verkehr mit Sonderabfällen ausdrücklich oder stillschweigend dulden würden. b) Zum Hinweis der Beschwerdeführerin auf die Handels- und Gewerbefreiheit ( Art. 31 BV ) ist zu beachten, dass bei deren Ausübung das Bundesumweltschutzrecht einzuhalten ist. Auch Lieferanten und Konkurrenten der Beschwerdeführerin haben sich in Übereinstimmung mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nach der VVS zu richten. Diese verpflichtet ausdrücklich und unmittelbar die Abgeber von Abfällen, zu untersuchen, ob sich darunter Sonderabfälle befinden ( Art. 3 VVS ). Sie haben sich dem vorgeschriebenen Verfahren unaufgefordert zu unterziehen. Die Beschwerdeführerin bringt sodann vor, wenn und solange unzerlegte Kabel in einer gewöhnlichen Deponie abgelagert werden dürften, so müsse dies auch für die zerlegten Kabel bzw. die Isolationsreste, BGE 117 Ib 414 S. 425 also für das zur Diskussion stehende Kunststoffgranulat, bewilligt werden. Die angefochtene Verfügung betrifft diese Frage gar nicht. Wie in der Vernehmlassung des Baudepartements dargelegt wird, verfügt der Kanton Basel-Stadt über keine Deponie und wird daher auch nie in die Lage kommen, die Ablagerung von Kabelresten zu bewilligen. Die Gefahr einer rechtsungleichen Behandlung besteht somit auch unter diesem Gesichtspunkt nicht. c) Was die Beschwerdeführerin schliesslich zu den wirtschaftlichen Auswirkungen des angefochtenen Entscheids vorbringt, vermag die Bundesrechtswidrigkeit der angefochtenen Verfügung ebenfalls nicht zu begründen. Dass sich die Entsorgung von Kabelresten verteuert, wenn diese als Sonderabfall behandelt werden, ist offensichtlich. Dieser Umstand trifft jedoch nicht nur die Beschwerdeführerin, sondern auch ihre Konkurrenten. Wie bereits dargelegt, sind die zuständigen Behörden aller Kantone verpflichtet, die VVS anzuwenden, und es ist Aufgabe des Bundes, über den Vollzug zu wachen. Die Befürchtung der Beschwerdeführerin, sie werde im Konkurrenzkampf wegen einer zurückhaltenderen Anwendung des Bundesumweltschutzrechts durch andere Kantone benachteiligt, läuft im übrigen auf die Forderung hinaus, eine vom geltenden Recht abweichende Behandlung zu erhalten, wobei die X. AG anzunehmen scheint, eine entsprechende rechtswidrige Behandlung würde andernorts anderen Betrieben tatsächlich gewährt. Ein solcher Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht kann im vorliegenden Fall angesichts der auf dem Spiel stehenden gewichtigen öffentlichen Interessen an der richtigen Anwendung des Umweltschutzrechts nicht in Frage kommen (vgl. ARTHUR HAEFLIGER, Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich, S. 74; BGE 99 Ib 384 f.).
public_law
nan
de
1,991
CH_BGE
CH_BGE_003
CH
Federation
092ef4d8-ac66-472f-ac7e-85088ec2c9af
Urteilskopf 133 III 584 76. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Y. (Beschwerde in Zivilsachen) 5A_446/2007 vom 12. September 2007
Regeste Letztinstanzlicher kantonaler Entscheid über die Rückführung eines Kindes nach dem Haager Übereinkommen vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung. Zum Rechtsmittel an das Bundesgericht gegen einen solchen Entscheid (E. 1.2).
Erwägungen ab Seite 584 BGE 133 III 584 S. 584 Aus den Erwägungen: 1. 1.2 Entscheide über die Rückführung eines Kindes nach dem Haager Übereinkommen vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen BGE 133 III 584 S. 585 Aspekte internationaler Kindesentführung (HEntfÜ; SR 0.211.230.02) stellen keine Zivilsachen dar. Es geht in einem solchen Verfahren vielmehr um die Regelung der Rechtshilfe zwischen den Vertragsstaaten, mithin um eine Angelegenheit öffentlich-rechtlicher Natur ( BGE 120 II 222 E. 2b S. 224), die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Respektierung und Durchsetzung ausländischen Zivilrechts steht (Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 1 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht [BGG; SR 173.110]; Urteil des Bundesgerichts 5A_285/2007 vom 16. August 2007, E. 2). Angefochten ist ein letztinstanzlicher Entscheid ( Art. 75 Abs. 1 BGG ). Die Beschwerde in Zivilsachen ist daher gegeben.
null
nan
de
2,007
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
09329b4b-8507-436e-8024-2e96c712ee0e
Urteilskopf 95 III 16 4. Entscheid vom 27. Januar 1969 i.S. Gemeinderat von H.
Regeste 1. Verwertungsaufschub nach Art. 123 SchKG . Unpünktliche Leistung einer Abschlagszahlung. Folgen. (Erw. 1). 2. Verzichtet ein Gläubiger auf die Verwertung, wenn er längere Zeit untätig zusieht, wie das Betreibungsamt nach Ablauf der gesetzlichen Dauer des Verwertungsaufschubes, dessen Bedingungen der Schuldner nicht erfüllte, mit der Verwertung weiterhin zuwartet? Frage offen gelassen. - Hat der Gläubiger in der Zwischenzeit das Betreibungsamt mehrmals an das Ausbleiben der Abschlagszahlungen erinnert, so verstösst die Annahme, er habe den Anspruch auf Verwertung verwirkt, gegen Treu und Glauben. (Erw. 2).
Sachverhalt ab Seite 17 BGE 95 III 16 S. 17 Aus dem Tatbestand: A.- Das Steueramt H. führte gegen X. für Steuerschulden folgende Betreibungen, in denen jeweils die Liegenschaft des Schuldners in H. gepfändet und hernach ein Aufschub der Verwertung bewilligt wurde: a) Nr. 3136 Restschuld Fr. 846.10 Zahlungsbefehl: 18. Juli 1964 Pfändung: 27. August 1964 Verwertungsbegehren: 14. Januar 1965 Aufschubsbewilligung: 30. April 1965 b) Nr. 4038 Fr. 2'108.50 Zahlungsbefehl: 21. Januar 1965 Pfändung: 1. April 1965 Verwertungsbegehren: 1. Oktober 1965 Aufschubsbewilligung: 4. Oktober 1965 c) Nr. 7275 Fr. 1'038.50 Zahlungsbefehl: 19. August 1966 Pfändung: 30. September 1966 Verwertungsbegehren: 5. April 1967 Aufschubsbewilligung: 3. Mai 1967 Nachdem das Betreibungsamt H. den Schuldner am 11. September 1968 erfolglos aufgefordert hatte, bis spätestens Ende September 1968 eine Teilzahlung von Fr. 3'000.-- zu leisten, ordnete es am 21. Oktober 1968 in den drei genannten Betreibungen die Versteigerung der gepfändeten Liegenschaft an. Als Versteigerungstermin wurde der 17. Dezember 1968 bestimmt. B.- Darüber beschwerte sich der Schuldner bei der kantonalen Aufsichtsbehörde mit dem Begehren, die Anordnung der Steigerung sei aufzuheben. Die Aufsichtsbehörde hiess die Beschwerde mit Entscheid vom 20. Dezember 1968 gut und hob die Verfügung des Betreibungsamtes H. auf. Sie ging von Art. 123 SchKG aus, wonach die Verwertung auf höchstens sieben Monate aufgeschoben werden kann, der Aufschub aber ohne weiteres dahinfällt, wenn eine Abschlagszahlung nicht pünktlich erfolgt, und hielt dafür, dass der Anspruch auf Versteigerung verwirkt sei, wenn das Betreibungsamt auch nach Ablauf dieser Frist nichts unternehme BGE 95 III 16 S. 18 und der Gläubiger diese Untätigkeit während Jahren dulde. Die Aufsichtsbehörde nahm daher an, die Versteigerung der Liegenschaft könne nicht mehr angeordnet werden. C.- Gegen diesen Entscheid führt der Gemeinderat H. Rekurs an das Bundesgericht. Er beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und das Betreibungsamt H. sei zu ermächtigen, die Versteigerung durchzuführen. Erwägungen Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung: 1. Nach Art. 116 SchKG kann der Gläubiger die Verwertung der gepfändeten Liegenschaften frühestens sechs Monate und spätestens zwei Jahre nach der Pfändung verlangen. Wird das Verwertungsbegehren nicht innerhalb dieser Frist gestellt oder wird es zurückgezogen und nicht erneuert, so erlischt die Betreibung ( Art. 121 SchKG ). Nach der Praxis gilt der dem Schuldner vom Gläubiger bewilligte Aufschub als Rückzug des Verwertungsbegehrens (Archiv für Schuldbetreibung und Konkurs Bd. 8 Nr. 37; BGE 41 III 431 , BGE 42 III 44 Erw. 2 und BGE 85 III 72 ; JAEGER, Kommentar, N. 3 zu Art. 121 SchKG ). Wird der Aufschub jedoch vom Betreibungsamt gestützt auf Art. 123 SchKG gewährt, so kann darin nicht ein Rückzug des Verwertungsbegehrens erblickt werden. Nach dieser Bestimmung kann der Betreibungsbeamte die Verwertung um höchstens sieben Monate hinausschieben, wenn der Schuldner glaubhaft macht, dass er in finanzielle Bedrängnis geraten ist und wenn er sich zu regelmässigen Abschlagszahlungen an das Betreibungsamt verpflichtet und die erste Zahlung bereits geleistet hat. Der Aufschub fällt von Gesetzes wegen dahin, wenn eine Abschlagszahlung nicht pünktlich erfolgt ( Art. 123 Abs. 4 SchKG erster Satz). Das Betreibungsamt hat dann von sich aus, ohne ein Begehren des Gläubigers abzuwarten, die Versteigerung anzuordnen (vgl. JAEGER, Kommentar, N. 7 zu Art. 123 SchKG ; ferner die Fussnote in Formular Nr. 29a betr. die Aufschubsbewilligung: "... Das Betreibungsamt hat von sich aus, ohne neues Begehren des Gläubigers, die Verwertung anzuordnen."). Nach der Rechtsprechung ist das Betreibungsamt nicht einmal befugt, den Schuldner zu mahnen und ihm eine letzte Frist zur Zahlung einzuräumen ( BGE 73 III 93 und BGE 88 III 22 Erw. 3). Da die Erteilung und das Erlöschen der Aufschubsbewilligung gestützt auf Art. 123 BGE 95 III 16 S. 19 SchKG unabhängig vom Willen des Gläubigers erfolgen, findet Art. 121 SchKG darauf keine Anwendung. Daraus folgt, dass bei Wegfall des Aufschubes die Verwertung auch angeordnet werden muss, wenn die in Art. 116 SchKG enthaltenen Fristen bereits abgelaufen sind (JAEGER, Kommentar, N. 4 zu Art. 121 und N. 7 zu Art. 123 SchKG ). 2. Es ist unbestritten, dass der Gläubiger in den drei gegen den Schuldner angestrengten Betreibungen das Pfändungs- und das Verwertungsbegehren jeweilen rechtzeitig gestellt hat. Er hat das Verwertungsbegehren auch nicht etwa zurückgezogen, weder ausdrücklich noch durch Gewährung eines Zahlungsaufschubes. Der dem Schuldner vom Betreibungsamt bewilligte Verwertungsaufschub aber machte das Verwertungsbegehren, wie dargelegt, nicht hinfällig. Vielmehr wurde dieses Begehren, da der Schuldner den Abzahlungsplan nicht einhielt, ohne weiteres vollziehbar. Der Umstand, dass das Betreibungsamt diese Massnahme ungebührlich verzögerte, bildet keinen Grund, die alsdann mehr als zwei Jahre nach der letzten Pfändung getroffene Anordnung nicht mehr gelten zu lassen. Nun erhebt sich allerdings die Frage, ob dann, wenn das Betreibungsamt den dem Schuldner erteilten Aufschub gesetzwidrig über die Frist von sieben (bezw. drei) Monaten hinaus verlängert und der Gläubiger dabei längere Zeit untätig zusieht, dieses Verhalten des Gläubigers, gleich wie wenn er den Aufschub selber bewilligt hätte, als Rückzug des Verwertungsbegehrens zu betrachten sei. Diese Frage muss hier jedoch nicht beantwortet werden. Gewiss darf ein Gläubiger die Untätigkeit des Betreibungsamtes nicht jahrelang dulden, ohne zu riskieren, dass sein Verhalten als Verzicht auf die Verwertung ausgelegt wird. Im vorliegenden Fall würde ein solcher Schluss aber gegen das Prinzip von Treu und Glauben verstossen. Wie die Vorinstanz für das Bundesgericht verbindlich festgestellt hat, ist der Schuldner vom Betreibungsbeamten hin und wieder mündlich gemahnt worden und hat er weitere Zahlungen versprochen. Bereits am 29. April 1965 hat das Betreibungsamt dem Schuldner auch schriftlich mitgeteilt, dass es laufend Reklamationen des Gläubigers wegen der Verzögerung in der Bezahlung der Aufschubsraten erhalte. Den Rekursbeilagen ist zu entnehmen, dass das Gemeindesteueramt H. mehrmals schriftlich beim Betreibungsamt wegen der BGE 95 III 16 S. 20 Nichtleistung der Raten vorstellig geworden ist und am 8. April 1967 sogar ausdrücklich die Durchführung der Versteigerung der gepfändeten Liegenschaft verlangt hat. Diese Unterlagen dürfen gemäss Art. 79 Abs. 1 OG im bundesgerichtlichen Verfahren berücksichtigt werden, weil der Gläubiger im kantonalen Verfahren nicht zu Worte gekommen ist. Eine Verzögerung in der Anordnung der Verwertung ist auch durch den Beamtenwechsel auf dem Betreibungsamt entstanden. Unter diesen Umständen darf aus dem Verhalten des Gemeindesteueramtes nicht auf den Rückzug des Verwertungsbegehrens geschlossen werden. Beim gegebenen Sachverhalt darf aber auch nicht Verwirkung des Anspruchs des Gläubigers auf die Versteigerung der gepfändeten Liegenschaft angenommen werden, wie die Vorinstanz dies getan hat. Die von der kantonalen Aufsichtsbehörde in diesem Zusammenhang angestellten Überlegungen sind unbehelflich. Es geht hier nicht darum, die übermässigen Verzögerungen in den Betreibungsverfahren zu decken und die der Aufsichtsbehörde unterstellten Betreibungsämter zur Fortsetzung einer derart ungesetzlichen Amtsführung zu ermächtigen. Es ist auch nicht von Bedeutung, dass bei Gutheissung des Rekurses die "Verantwortlichkeiten zu einseitig verteilt" werden und der zuständige Betreibungsbeamte von allfälligen Disziplinarmassnahmen verschont werden kann. Entscheidend ist hier allein, dass das Verhalten des Gläubigers nicht als Rückzug des Verwertungsbegehrens ausgelegt werden darf, wenn das Steueramt auch nicht zum letzten Mittel gegriffen und eine Rechtsverzögerungsbeschwerde eingereicht hat. Es ist anderseits zu berücksichtigen, dass der Schuldner, der mit dem Versprechen weiterer Zahlungen neue vom Gesetz verpönte Aufschubsbewilligungen erwirkt hat, aber offenbar wenig zahlungswillig ist, nicht mit dem Erlöschen der Betreibungen belohnt werden soll. Die gegen den Schuldner gerichteten Betreibungen Nr. 3136, 4038 und 7275 des Betreibungsamtes H. sind daher weiterzuführen. Dispositiv Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer: Der Rekurs wird gutgeheissen, der angefochtene Entscheid aufgehoben und das Betreibungsamt H. angewiesen, die Versteigerung der Liegenschaft des Schuldners in den Betreibungen Nr. 3136, 4038 und 7275 anzuordnen.
null
nan
de
1,969
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
09383c48-4366-437b-8e0f-596203ba2e13
Urteilskopf 105 Ib 338 53. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 12. Dezember 1979 i.S. Gemeinde Nufenen gegen Kanton Graubünden und Regierungsrat des Kantons Graubünden (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste Art. 8 EntG , Art. 38 NSG . Art. 8 EntG findet auch dann Anwendung, wenn ein Unternehmen, dem das Enteignungsrecht schon von Gesetzes wegen zusteht, als Enteigner auftritt (E. 2b). Art. 38 NSG geht der Bestimmung von Art. 8 EntG vor (E. 2c). Unter "Kostenanrechnung" im Sinne von Art. 38 Abs. 2 NSG ist auch der Entscheid darüber zu verstehen, wie der strassenbaubedingte Beitrag bei der weiteren Subventionierung der Güterzusammenlegung anzurechnen sei (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 339 BGE 105 Ib 338 S. 339 Nach verschiedenen Lawinenniedergängen auf die Nationalstrasse N 13 auf dem Gebiet der Gemeinde Nufenen wurde beschlossen, die Autobahn vom Casannawald bis Nufenen zu verlegen und den für den Bau der "Winterstrasse" benötigten Boden im Rahmen einer Güterzusammenlegung zu erwerben. Mit Entscheid vom 29. Mai/21. Juni 1978 genehmigte die Regierung des Kantons Graubünden das entsprechende Ausführungsprojekt unter gleichzeitiger Beurteilung der erhobenen Einsprachen, so auch jener der Gemeinde Nufenen. In ihrer Einsprache hatte die Gemeinde Nufenen unter anderem verlangt, dass ihr gestattet werde, den von Seiten des Strassenbaues an die Güterzusammenlegung zu leistenden Betrag teilweise als Beitrag für die Alpmelioration und für Inkonvenienzen mit dem Heimvieh sowie für die Melioration von Weiden zu Wiesen zu verwenden. Zu diesem Begehren führte die Regierung in ihrem Entscheid aus, es spreche nichts dagegen, dass die Gemeinde Nufenen den nationalstrassenbedingten Beitrag für jene zweckgerichteten, kulturtechnischen Massnahmen verwende, die am besten geeignet seien, den durch den Strassenbau entstehenden Schaden einzudämmen. Dies gelte allerdings nur unter der Voraussetzung, dass einerseits sich die Vorkehren im Rahmen der Gesamtmelioration bewegten und andererseits die dafür aufgewendeten Beträge nicht nochmals bei der Subventionierung der Gesamtmelioration in Anschlag gebracht würden. Sollte dagegen mit dem Gesuch eine doppelte Subventionierung erwirkt werden, so könnte dem Begehren nicht entsprochen werden. Gegen diesen Entscheid der Bündner Regierung hat die Gemeinde Nufenen Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht. Sie beantragt in erster Linie, es sei festzustellen, dass die Regierung des Kantons Graubünden im angefochtenen Beschluss nicht hätte über die Verwendung des "Nationalstrassenbeitrages" befinden dürfen. Das Bundesgericht zieht in BGE 105 Ib 338 S. 340 Erwägungen Erwägung: 1. (Formelles). 2. a) Wie die Bündner Regierung in ihrer Beschwerdeantwort zu Recht ausführt, haben die durch den Nationalstrassenbau betroffenen Grundeigentümer ihre Begehren, die unter den Begriff der Einsprache im weiteren Sinne fallen, bereits im Einspracheverfahren anzubringen, das mit der öffentlichen Auflage des Ausführungsprojektes verbunden wird ( Art. 27 Abs. 2 NSG ). Dies ergibt sich aus Art. 39 Abs. 2 NSG , wo klar bestimmt wird, dass sich das Enteignungsverfahren auf die Behandlung der angemeldeten Entschädigungsforderungen ( Art. 30 Abs. 1 lit. c EntG ) beschränkt, Einsprachen gegen die Enteignung sowie Begehren, die eine Planänderung bezwecken ( Art. 30 Abs. 1 lit. a und b EntG ), hingegen in diesem Verfahren ausgeschlossen sind. Unter Einsprachen im weiteren Sinne werden sowohl die Einsprachen im engeren Sinne ( Art. 35 lit. a EntG ) als auch die Begehren nach Art. 7 bis 10 EntG ( Art. 35 lit. b EntG ) verstanden. b) Nach Art. 8 EntG kann dort, wo durch die Ausführung des Werkes grössere Flächen Kulturlandes verloren gehen, die Gewährung des Enteignungsrechtes an die Bedingung geknüpft werden, dass der Enteigner vollen oder teilweisen Ersatz durch Umwandlung von Ödland oder minderwertigem Land in Kulturland beschaffe. Zu diesem Zwecke kann, wie auch in Art. 4 lit. d EntG ausdrücklich vorgesehen wird, das Enteignungsrecht erteilt werden. Obschon die Bestimmung von Art. 8 EntG davon spricht, dass "die Gewährung des Enteignungsrechtes" mit gewissen Bedingungen verbunden werden könne, dem Wortlaut nach also nur dort gilt, wo das Enteignungsrecht fallweise an Dritte verliehen wird ( Art. 3 Abs. 3 EntG ), so besteht doch kein Zweifel daran, dass sie auch dann Anwendung finden kann, wenn der Bund oder ein Unternehmen, dem das Enteignungsrecht schon von Gesetzes wegen zusteht, als Enteigner auftritt. Eine solche Auslegung drängt sich im Hinblick auf die allgemeine, volkswirtschaftliche Bedeutung dieser Vorschrift auf, durch welche die Existenzgrundlage der von einer grossflächigen Enteignung betroffenen Landbevölkerung gesichert werden soll. Die Durchsetzung von Art. 8 EntG gegenüber sämtlichen Enteignern wird es übrigens in vielen Fällen der Schätzungskommission erst ermöglichen, in Anwendung von Art. 18 EntG den einzelnen Enteigneten tatsächlich BGE 105 Ib 338 S. 341 Ersatzgrundstücke zuteilen zu können (vgl. HESS, Das Enteignungsrecht des Bundes, N. 1 und 2 zu Art. 8 EntG ). c) Die Regierung des Kantons Graubünden hat den Antrag der Gemeinde Nufenen, den "Nationalstrassenbeitrag" u.a. zur Verbesserung von Wiesen und Vergrösserung der Alpweiden verwenden zu dürfen, offensichtlich als Begehren im Sinne von Art. 8 EntG verstanden. Wenn auch diese Vorschrift nicht ausdrücklich genannt wird, so weist die Regierung doch sinngemäss darauf hin, wenn sie in ihrer Beschwerdeantwort ausführt, dass zu den expropriationsrechtlichen Einsprachen auch Begehren zu zählen seien, mit welchen Massnahmen zur Erhaltung von Kulturland verlangt würden, und dass solche Begehren, auch wenn sie nicht zu einer Planänderung führten, im Einspracheverfahren anzumelden seien, da sie nach Art. 39 Abs. 2 NSG im Enteignungsverfahren nicht mehr vorgebracht werden könnten. Tatsächlich wäre die Gemeinde Nufenen als Vertreterin öffentlicher Interessen befugt, Begehren nach Art. 7 und 8 EntG vorzubringen (HESS, a.a.O., N. 20 und 35 zu Art. 7 EntG ). Auch spricht grundsätzlich nichts gegen die Argumentation, wenn der Enteigner verpflichtet werden könne, selbst Ersatz durch Urbarmachung oder Verbesserung von Boden zu beschaffen, so könne er auch dazu angehalten werden, die Kosten einer solchen Landumwandlung zu tragen, die ein Dritter für ihn vornehme. Der Antrag der Gemeinde Nufenen könnte daher in der Tat als von der kantonalen Regierung zu beurteilendes Begehren im Sinne von Art. 8 EntG betrachtet werden, wenn nicht im Rahmen der Gesetzgebung für den Nationalstrassenbau spezielle, Art. 8 EntG vorgehende Bestimmungen aufgestellt worden wären. 3. Zum Schutze der durch den Nationalstrassenbau gefährdeten land- und forstwirtschaftlichen Interessen hat der Verfassungsgesetzgeber im Jahre 1958 in Art. 36bis Abs. 3 BV festgehalten, dass der wirtschaftlich nutzbare Boden nach Möglichkeit zu schonen sei; den durch die Anlagen von Nationalstrassen entstehenden Nachteilen in der Verwendung und Bewirtschaftung des Bodens sei durch geeignete Massnahmen auf Kosten des Strassenbaues entgegenzutreten. Dieser Forderung wurde auf der Gesetzesebene unter anderem dadurch Rechnung getragen, dass der Landbeschaffung durch Landumlegung ein gewisser Vorrang gegenüber der Enteignung eingeräumt wurde ( Art. 30 NSG ; vgl. BGE 105 Ib 96 f. E. 5a, BGE 105 Ib 338 S. 342 BGE 104 Ib 82 E. 1a, BGE 99 Ia 496 E. 4a). Ausserdem wurden für die Güter- und Waldzusammenlegungen besondere Bestimmungen geschaffen, die eine sofortige Behebung der durch den Strassenbau entstehenden Nachteile im Zusammenlegungsverfahren selbst ermöglichen sollten (vgl. Botschaft des Bundesrates zum Entwurf des Bundesgesetzes über die Nationalstrassen, BBl 1959 II, S. 121; BGE 105 Ib 109 E. 2a). So schreibt Art. 33 NSG vor, dass gleichzeitig mit den generellen Strassenprojekten auch Vorprojekte für die Landumlegungen auszuarbeiten seien. Im weiteren kann den Grundeigentümern Gelegenheit eingeräumt werden, sich für die Durchführung einer Güter- und Waldzusammenlegung gemäss Art. 703 ZGB zu entschliessen, wobei im voraus bekanntzugeben ist, welche Kosten der Zusammenlegung vom Strassenbau getragen werden ( Art. 34 NSG ). Damit das Unternehmen nicht an der mehrheitlichen Ablehnung durch die Grundeigentümer scheitere, hat der Gesetzgeber zudem die kantonalen Regierungen ermächtigt, die für den Strassenbau notwendigen (sog. beschränkten) Landumlegungen zu verfügen ( Art. 36 NSG ; vgl. BGE 105 Ib 99 E. 6a). Und schliesslich legt das Nationalstrassengesetz fest, dass in zusammenlegungsbedürftigen Gebieten die durch den Strassenbau verursachten Mehrkosten, und in bereits zusammengelegten Gebieten oder in Gegenden mit Hofsiedlung sämtliche Landumlegungskosten zu Lasten des Strassenbaues gehen ( Art. 38 Abs. 1 NSG ). Gemäss Art. 38 Abs. 2 NSG entscheidet das Eidgenössische Departement des Innern im Einvernehmen mit den interessierten Departementen des Bundes im Einzelfall über die Kostenanrechnung. Die Kompetenz des Departementes des Innern beschränkt sich nach dieser Vorschrift nicht nur auf die Festlegung der vom Strassenbau zu übernehmenden Kosten, sondern umfasst auch den Entscheid darüber, wie dieser Beitrag bei der weiteren Subventionierung der Güterzusammenlegung in Rechnung zu setzen sei. Gerade diese Frage hat die Gemeinde Nufenen in ihren Eingabe aufgeworfen. Die Bündner Regierung hat demnach durch ihren Entscheid über die Verwendung und Anrechnung des der Gemeinde Nufenen zugesprochenen "Nationalstrassenbeitrages" bundesrechtliche Zuständigkeitsvorschriften verletzt. Der angefochtene Entscheid ist daher aufzuheben. Die zuständigen Bundesbehörden werden in der Sache neu zu befinden haben.
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nan
de
1,979
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CH_BGE_003
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093b6414-e00f-4d86-b3d7-8e12e12f4953
Urteilskopf 98 Ia 314 50. Urteil vom 13. Juni 1972 i.S. Wehrli gegen Textilwerk Alpirsbach und Rekursrichter für Schuldbetreibung und Konkurs des Kantonsgerichts St. Gallen.
Regeste Schweizerisch-deutsches Vollstreckungsabkommen vom 2. November 1929. Im Anwendungsbereich des Abkommens bietet Art. 59 BV dem Schuldner keinen Schutz (Erw. 1). Begriff der vorbehaltlosen Einlassung auf den Rechtsstreit im Sinne von Art. 2 Ziff. 3 des Abkommens (Erw. 3). Begriff der ausdrücklichen Vereinbarung der Zuständigkeit im Sinne von Art. 2 Ziff. 2 des Abkommens. Massgebendes Recht (Erw. 4). Anwendung auf den Fall, wo eine Vertragspartei in der Offerte oder in der Annahmeerklärung auf Allgemeine Geschäftsbedingungen verweist, die eine Gerichtsstandsklausel enthalten (Erw. 5).
Sachverhalt ab Seite 314 BGE 98 Ia 314 S. 314 A.- Rudolf Wehrli in Goldach handelt mit Bodenbelägen. Er stand seit 1969 in Geschäftsverbindung mit der Firma Textilwerk Alpirsbach Otto Steurer (im folgenden kurz: Textilwerk) in Alpirsbach (Bundesrepublik Deutschland), die solche Beläge herstellt. Im ersten Halbjahr 1970 bestellte Wehrli BGE 98 Ia 314 S. 315 wiederholt grössere Mengen von Belägen und erhielt hierauf vom Textilwerk jeweils Auftragsbestätigungen. Auf deren Vorderseite heisst es unten: "Wir danken für Ihren Auftrag/Ihre Anfrage, den/die wir zu den umseitigen Verkaufs- und Lieferungsbedingungen vorgemerkt haben." Diese (auch auf der Rückseite der Rechnungsformulare befindlichen) Bedingungen bestehen aus einem längeren, kleingedruckten Text mit 11 numerierten Absätzen, von denen Ziff. 1 lautet: "Erfüllungsort für sämtliche aus diesem Vertrag entstehenden Ansprüche ist Alpirsbach. Als Gerichtsstand gilt, unabhängig vom Streitwert, nach unserer Wahl die Zuständigkeit des Amtsgerichtes Freudenstadt oder Landesgerichtes Rottweil als vereinbart. Dies gilt auch für Wechsel-, Scheck- und Wandlungsklagen." Da Wehrli die Bezahlung der ihm gelieferten Waren wegen angeblicher Mängel derselben verweigerte, reichte das Textilwerk am 19. Oktober 1970 beim Amtsgericht Freudenstadt Klage auf Bezahlung des Rechnungsbetrages von DM 43'834.20 ein. Wehrli zog einen deutschen Anwalt bei, der zunächst in einer Eingabe vom 22. Dezember 1970 Abweisung der Klage beantragte, in einer weiteren Eingabe vom 4. Januar 1971 und in der mündlichen Verhandlung vom 22. Januar 1971 die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Freudenstadt bestritt und schliesslich dem Gericht am 4. Februar 1971 mitteilte, er lege sein Mandat nieder und weise darauf hin, dass er sich nicht zur Hauptsache geäussert habe, weil er die Zuständigkeit des Gerichts bestritten habe. Am 5. März 1971 erliess das Amtsgericht Freudenstadt ein Säumnisurteil, durch das es Wehrli zur Bezahlung von DM 43'834.20 nebst 10% Zins seit 1. Juli 1970 verurteilte und ihm die Kosten des Rechtsstreits auferlegte. Ferner erliess es am 24. März 1971 einen Kostenfestsetzungsbeschluss, mit dem es die von Wehrli an das Textilwerk zu erstattenden Kosten (mit Einschluss der Gerichtskosten) auf DM 1715.63 nebst 4% Zins seit 24. März 1971 festsetzte. B.- Gestützt auf diese beiden Entscheide hat das Textilwerk gegen Wehrli in Goldach Betreibung eingeleitet und, als Wehrli Recht vorschlug, unter Berufung auf das schweiz.deutsche Vollstreckungsabkommen vom 2. November 1929 (im folgenden kurz: Abkommen) um definitive Rechtsöffnung BGE 98 Ia 314 S. 316 ersucht. Das Bezirksgerichtspräsidium Rorschach nahm an, Wehrli habe sich dadurch, dass sein Anwalt sich in der Klageantwortschrift vom 22. Dezember 1970 ohne Bestreitung der Zuständigkeit zur Sache äusserte, im Sinne von Art. 2 Ziff. 3 des Abkommens vorbehaltlos auf die Klage eingelassen, weshalb das Amtsgericht Freudenstadt zuständig gewesen sei. Demnach erteilte es definitive Rechtsöffnung für Fr. 51'636.70 nebst 10% Zins seit 1. Juli 1970 und für Fr. 2021.-- nebst 4% Zins seit 24. März 1971. Wehrli erhob hiegegen Rekurs, wurde aber vom Rekursrichter für Schuldbetreibung und Konkurs des Kantonsgerichts St. Gallen mit Entscheid vom 25. Februar 1972 abgewiesen, im wesentlichen aus folgenden Gründen: Die Fragen, ob eine vorbehaltlose Einlassung oder eine Gerichtsstandsvereinbarung (Art. 2 Ziff. 2 und 3 des Abkommens) vorliege, seien nach deutschem Zivilprozessrecht zu entscheiden. Eine vorbehaltlose Einlassung lasse sich mit der Begründung der Vorinstanz nicht annehmen, da der Anwalt Wehrlis die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes zwar nicht in der Klageantwort vom 22. Dezember 1970, wohl aber in der ergänzenden Eingabe vom 4. Januar 1971 sowie in der mündlichen Verhandlung vom 22. Januar 1971 nach deutschem Recht rechtzeitig bestritten habe. Indem Wehrli am weiteren Verfahren nicht mehr teilnahm, habe er jedoch darauf verzichtet, seine Unzuständigkeitseinrede in der von der dZPO vorgeschriebenen Form weiterhin aufrecht zu erhalten. Das daraufhin am 5. März 1971 in Anwendung von §§ 331/332 dZPO gefällte Versäumnisurteil habe sich auf die als zugestanden angenommenen Vorbringen des Klägers gestützt, und dazu habe auch die Behauptung gehört, die Zuständigkeit des Amtsgerichts Freudenstadt sei durch Ziff. 1 der Lieferbedingungen vereinbart worden. Das Amtsgericht habe somit in korrekter Anwendung der dZPO seine Zuständigkeit aufgrund einer Gerichtsstandsvereinbarung, nicht einer vorbehaltlosen Einlassung bejaht. Ob eine solche Vereinbarung auch ausserhalb eines Versäumnisurteils hätte angenommen werden dürfen, sei nicht näher zu prüfen, weil Wehrli selber durch seine Weigerung, an der mündlichen Verhandlung vom 5. März 1971 teilzunehmen, dem Amtsgericht die Bejahung einer Gerichtsstandsvereinbarung ermöglicht habe. Bemerkt sei immerhin, dass "die Annahme einer Gerichtsstandsvereinbarung sich BGE 98 Ia 314 S. 317 wahrscheinlich auch ausserhalb eines Versäumnisverfahrens aufgedrängt hätte". Nicht näher geprüft zu werden brauche ferner, ob die Voraussetzungen der vorbehaltlosen Einlassung ebenfalls erfüllt wären. C.- Mit der staatsrechtlichen Beschwerde stellt Rudolf Wehrli den Antrag, der Entscheid des Rekursrichters vom 15. Februar 1972 sei aufzuheben und die definitive Rechtsöffnung in der Betreibung Nr. 1628 des Betreibungsamtes Goldach über Fr. 51'636.70 und Fr. 2021.-- nebst Zinsen sei zu verweigern. Er beanstandet die Annahme des Rekursrichters, es liege eine gültige Gerichtsstandsvereinbarung vor, und macht Verletzung der Art. 59 und 4 BV sowie, dem Sinne nach, auch eine solche des schweiz.-deutschen Vollstreckungsabkommens geltend. Die Begründung der Beschwerde ergibt sich, soweit wesentlich, aus den nachstehenden Erwägungen. D.- Der Rekursrichter für Schuldbetreibung und Konkurs des Kantonsgerichts St. Gallen hat auf Gegenbemerkungen zur Beschwerde verzichtet. Die Firma Textilwerk Alpirsbach Otto Steurer beantragt Abweisung der Beschwerde. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Beide kantonalen Instanzen haben die vom Beschwerdegegner nachgesuchte definitive Rechtsöffnung aufgrund des schweiz.-deutschen Vollstreckungsabkommens bewilligt. Der Beschwerdeführer beruft sich demgegenüber auf Art. 59 BV . Diese Bestimmung setzt zwar nicht nur der Gerichtshoheit der Kantone, sondern auch derjenigen fremder Staaten Grenzen ( BGE 62 I 87 , BGE 72 I 176 E. 2, BGE 96 III 135 /6; BURCKHARDT, Komm. der BV S. 541; GULDENER, Das internationale und interkantonale Zivilprozessrecht der Schweiz S. 72/73). Doch bietet Art. 59 BV keinen Schutz gegen die Vollstreckung eines ausländischen Urteils, wenn die Voraussetzungen, unter denen das Urteil in der Schweiz anerkannt und vollstreckt wird, in einem Staatsvertrag geregelt sind ( BGE 57 I 22 E. 1, BGE 80 I 203 , BGE 81 I 58 , BGE 93 I 270 E. 2 b, BGE 94 II 62 ). Für die mit der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob das Amtsgericht Freudenstadt örtlich zuständig war und sein Urteil in der Schweiz zu vollstrecken ist, ist das schweiz.-deutsche Vollstreckungsabkommen massgebend. Art. 59 BV kann lediglich insoweit zur Auslegung BGE 98 Ia 314 S. 318 dieses Staatsvertrages herangezogen werden, als bei dessen Abschluss darauf Rücksicht genommen worden ist. In der Berufung des Beschwerdeführers auf Art. 59 BV ist die Rüge der Verletzung des Vollstreckungsabkommens mitenthalten. Ob der angefochtene Entscheid gegen das Abkommen verstosse, ist vom Bundesgericht in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht frei zu prüfen ( BGE 93 I 167 E. 2 und 281 E. 3 je mit Hinweisen auf frühere Urteile). Der Berufung des Beschwerdeführers auf Art. 4 BV kommt daher keine Bedeutung zu. 2. Nach Art. 1 des Abkommens werden die über vermögensrechtliche Ansprüche ergangenen rechtskräftigen Entscheidungen bürgerlicher Gerichte des einen Staates grundsätzlich im Gebiete des andern Staates anerkannt und vollstreckt (Art. 6), wenn für die Gerichte des ersten Staates eine Zuständigkeit nach Massgabe des Art. 2 begründet war. Im vorliegenden Falle kommen die Ziff. 2 und 3 des Art. 2 in Betracht, nach welchen die Zuständigkeit begründet ist, "2. wenn sich der Beklagte durch eine ausdrückliche Vereinbarung der Zuständigkeit des Gerichts, das die Entscheidung gefällt hat, unterworfen hatte; 3. wenn der Beklagte sich vorbehaltlos auf den Rechtsstreit eingelassen hatte." 3. Das Bezirksgerichtspräsidium Rorschach hat die Zuständigkeit des Amtsgerichts Freudenstadt aufgrund von Art. 2 Ziff. 3 des Abkommens bejaht in der Annahme, der Beschwerdeführer habe sich deshalb im Sinne dieser Bestimmung vorbehaltlos auf den Rechtsstreit eingelassen, weil er in der ersten Eingabe, die sein Anwalt am 22. Dezember 1970 beim Gericht einreichte, dessen Zuständigkeit nicht bestritten habe. Der Rekursrichter hat diese Auffassung mit Recht abgelehnt. Davon, dass sich der Beschwerdeführer vor dem deutschen Gericht "vorbehaltlos" auf den Rechtsstreit eingelassen hätte, kann entgegen der vom Beschwerdegegner in der Beschwerdeantwort vertretenen Auffassung nicht die Rede sein. Der Rekursrichter hat festgestellt, dass der Beschwerdeführer die Zuständigkeit des deutschen Gerichts sowohl in der Eingabe vom 4. Januar 1971 als auch anlässlic.h der (ersten) mündlichen Verhandlung vom 22. Januar 1971 ausdrücklich und nach deutschem Zivilprozessrecht rechtzeitig bestritten habe. Da der BGE 98 Ia 314 S. 319 Beschwerdeführer damit den nach Art. 2 Ziff. 3 des Abkommens erforderlichen Vorbehalt angebracht hat, könnte die Zuständigkeit aufgrund dieser Bestimmung nur bejaht werden, wenn er die Unzuständigkeitseinrede später zurückgezogen hätte (vgl. BGE 63 I 18 ). Das ist offensichtlich nicht der Fall; vielmehr hat sich der Beschwerdeführer nach der mündlichen Verhandlung vom 22. Januar 1971 rein passiv verhalten. Eine vorbehaltlose Einlassung kann nicht etwa deshalb angenommen werden, weil der Beschwerdeführer die Unzuständigkeitseinrede nicht bis zur Entscheidung formgerecht aufrecht erhalten habe. Es genügt, dass der Beklagte vor oder gleichzeitig mit der Einlassung die Zuständigkeit des Gerichts bestreitet (vgl. BGE 63 I 17 ); ja er braucht unter Umständen lediglich geltend zu machen, dass er sich der Anerkennung und Vollstreckung des Urteils in der Schweiz widersetzen könne und sich vorbehalte, von diesem Recht Gebrauch zu machen ( BGE 96 I 595 ff., BGE 97 I 155 /6 und dort angeführte frühere Urteile). 4. Liegt demnach der Zuständigkeitsgrund von Art. 2 Ziff. 3 des Abkommens nicht vor, so fragt sich, ob das Amtsgericht Freudenstadt aufgrund von Art. 2 Ziff. 2 als zuständig zu betrachten ist. Der Rekursrichter geht davon aus, dass die Frage, ob eine Gerichtsstandsvereinbarung im Sinne dieser Bestimmung vorliege, nach deutschem Zivilprozessrecht zu entscheiden sei, und er bejaht diese Frage deshalb, weil das Amtsgericht Freudenstadt ein Versäumnisurteil gefällt und in einem solchen aufgrund der als zugestanden betrachteten Vorbringen der Klägerin habe annehmen dürfen, es liege eine Gerichtsstandsvereinbarung vor. Dieser Auffassung des Rekursrichters kann nicht gefolgt werden. Wird die Vollstreckung eines ausländischen Urteils unter Berufung auf einen Staatsvertrag verlangt und die Zuständigkeit des ausländischen Gerichts aus einer Prorogation abgeleitet, so hat der schweizerische Vollstreckungsrichter zu prüfen, ob eine Gerichtsstandsvereinbarung im Sinne des Staatsvertrages vorliegt, und zwar hat er hierüber frei zu entscheiden und ist nicht an die Auffassung des ausländischen Richters gebunden (GULDENER a.a.O. S. 171 Anm. 27; SCHNITZER, Handbuch des schweiz. internationalen Privatrechts II S. 828; vgl. BGE 66 I 270 ). Der Rekursrichter hätte daher selbst dann, wenn das Amtsgericht Freudenstadt sich BGE 98 Ia 314 S. 320 gemäss Art. 2 Ziff. 2 des Abkommens als zuständig bezeichnet hätte, prüfen sollen, ob sich der Beschwerdeführer durch eine "ausdrückliche Vereinbarung" im Sinne dieser Bestimmung der Zuständigkeit jenes Gerichts unterworfen habe. Erst recht war diese Prüfung unerlässlich, nachdem sich das Amtsgericht Freudenstadt damit begnügt hatte, inbezug auf seine Zuständigkeit auf die Vorbringen der Klägerin abzustellen. Dass und weshalb eine ausdrückliche Vereinbarung über die Zuständigkeit vorliegen soll, wird im angefochtenen Entscheid mit keinem Wort auch nur angedeutet. Wie es sich damit verhält, ist daher vom Bundesgericht zu prüfen. Das Erfordernis der "ausdrücklichen Vereinbarung" findet sich erstmals im Vollstreckungsabkommen der Schweiz mit Österreich vom 15. März 1927 (Art. 2 Ziff. 1) und wurde in der Folge auch in die Abkommen mit Deutschland vom 2. November 1929 (Art. 2 Ziff. 2), mit Italien vom 15. Januar 1933 (Art. 2 Ziff. 2) und mit Schweden vom 15. Januar 1936 (Art. 5 Ziff. 2) aufgenommen. Mit diesem und weiteren, in den zitierten Artikeln enthaltenen Zuständigkeitsgründen wollte die Schweiz, wie sich aus den Botschaften des Bundesrates zu diesen Abkommen ergibt, den Grundsätzen Rechnung tragen, welche die bundesgerichtliche Rechtsprechung zu Art. 59 BV entwickelt hatte (BBl 1927 I 372f. und 376, 1929 III 534, 1933 I 236/7, 1936 I 683). Das Bundesgericht und die Rechtslehre haben im Hinblick hierauf angenommen, dass diese Rechtsprechung zur Auslegung der Staatsverträge beigezogen werden könne, soweit deren Bestimmungen auf Art. 59 BV Rücksicht genommen haben ( BGE 57 I 23 , BGE 68 I 162 , BGE 84 I 36 ; STAUFFER, Die neuen Verträge der Schweiz über die Vollstreckung von Zivilurteilen, S. 10/11; PROBST, die Vollstreckung ausländischer Zivilurteile S. 60 und 90). Ob hieran festzuhalten oder ob eine Bestimmung wie Art. 2 Ziff. 2 des Abkommens mit Deutschland aus sich selber auszulegen sei, kann dahingestellt bleiben, da die vorliegende Beschwerde schon im Hinblick auf den sich aus dem Wortlaut ergebenden Sinn der Bestimmung gutzuheissen ist. 5. Bei der Auslegung des Erfordernisses der "ausdrücklichen Vereinbarung" unterscheidet das Bundesgericht zwischen Gerichtsstandsklauseln, die schon im Angebot auf Abschluss des zivilrechtlichen Rechtsgeschäfts enthalten waren, und selbständigen, BGE 98 Ia 314 S. 321 namentlich nachträglichen Abreden über die Zuständigkeit. a) Im ersten Falle stellt sich die Frage, ob eine "ausdrückliche Vereinbarung" vorliege, namentlich dann, wenn die Gerichtsstandsklausel nicht in dem von beiden Parteien unterzeichneten Vertragstext enthalten ist, sondern in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, auf die der Antragsteller in seinem schriftlichen Angebot verwiesen und die er diesem beigelegt hat. Das Bundesgericht hat in zwei älteren Urteilen entschieden, eine "ausdrückliche Vereinbarung" liege nicht nur vor, wenn der Annehmende die Gerichtsstandsklausel in der Annahmeerklärung ausdrücklich erwähne, sondern schon dann, wenn er in dieser Erklärung keinen Einwand gegen die Gerichtsstandsklausel erhebe, sie nicht ablehne ( BGE 58 I 99 E. 2, BGE 62 I 84 /5). Zu einer Überprüfung dieser Rechtsprechung besteht heute kein Anlass, da im vorliegenden Falle die Geschäftsbedingungen mit der Gerichtsstandsklausel nicht einem Angebot beigefügt, sondern auf der Rückseite von Auftragsbestätigungen abgedruckt waren. Bemerkt sei immerhin, dass in der neuern Zivilrechtslehre mit beachtlichen Gründen die Auffassung vertreten wird, dass in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene ungewöhnliche Regeln und insbesondere freiheitsbeschränkende Regeln wie der Verzicht auf den ordentlichen Gerichtsstand durch eine blosse globale Zustimmungserklärung nicht verbindlicher Vertragsinhalt werden, sondern nur dann, wenn der Geschäftspartner diesen Regeln bewusst zugestimmt hat, was derjenige, der dies behauptet, zu beweisen habe (JAEGGI N. 367/68 und 498-504 zu Art. 1 OR ; MERZ, Massenvertrag und Allgemeine Geschäftsbedingungen, in der Festgabe für Schönenberger S. 148 ff.; für das deutsche Recht vgl. HAUSS, Richterliche Kontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen S. 13 ff.; vgl. ferner Art. 1341 des italienischen CC, wonach die Wirkung gewisser, in vorgeformten Verträgen enthaltenen Bestimmungen voraussetzt, dass sie "specificamente approvate per iscritto" sind). Im Hinblick hierauf dürfte es kaum angehen, schon deshalb, weil ein Geschäftsunerfahrener gegen die Gerichtsstandsklausel, die in den einer Offerte beigelegten Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten ist, in der Annahmeerklärung keinen Einwand erhebt, das Vorliegen einer "ausdrücklichen Vereinbarung" anzunehmen. Anders mag es sich BGE 98 Ia 314 S. 322 im kaufmännischen Verkehr verhalten, ist es doch den Kaufleuten einerseits bekannt, dass in zahlreichen Branchen Allgemeine Geschäftsbedingungen mit einer Gerichtsstandsklausel üblich sind, und anderseits ist es ihnen zuzumuten, die ihnen mit einer Offerte übergebenen Geschäftsbedingungen genau durchzusehen und eine ihnen nicht genehme Gerichtsstandsklausel abzulehnen (vgl. BGE 62 I 85 und inbezug auf Art. 59 BV das nicht veröffentlichte Urteil vom 24. Mai 1971 i.S. Kreienbühl c. Katzenstein, E. 4). b) Für den zweiten Fall, dass die Gerichtsstandsklausel erst in einer Auftragsbestätigung oder auf einer Rechnung erscheint, führte das Bundesgericht in zwei neuern Urteilen aus, dass die Klausel auch dann, wenn sie an sich unmissverständlich abgefasst sei, nur beachtlich sei, wenn die Gegenpartei eindeutig deren Annahme ausgesprochen habe; schweige sie oder nehme sie im weiteren Geschäftsverkehr nicht klar auf das Angebot zur Vereinbarung eines Gerichtsstandes Bezug, so liege keine "ausdrückliche Vereinbarung" vor ( BGE 84 I 36 /37, Urteil vom 8. März 1972 i.S. Helm c. Trans-Chemie AG E. 3 und 4). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Wenn eine Vertragspartei der andern erst mit einem Bestätigungsschreiben oder gar erst mit der Rechnung Allgemeine Geschäftsbedingungen mit einer Gerichtsstandsklausel unterbreitet, so liegt jedenfalls hinsichtlich der Gerichtsstandsklausel ein blosses Angebot vor, das einer klaren Annahme durch die Gegenseite bedarf, damit eine "ausdrückliche Vereinbarung" über den Gerichtsstand zustandekommt. Von einer "ausdrücklichen Vereinbarung" lässt sich unmöglich sprechen, wenn die Gegenseite im weiteren Geschäftsverkehr zu der ihr vorgeschlagenen Gerichtsstandsklausel in keiner Weise Stellung genommen hat. Will die Partei, welche die Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit der Gerichtsstandsklausel nicht schon ihrer Offerte beigelegt hat, eine "ausdrückliche Vereinbarung" über den Gerichtsstand herbeiführen, so muss sie die Gegenpartei veranlassen, der Gerichtsstandsklausel durch Unterzeichnung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder durch besondere Erklärung zuzustimmen. Im vorliegenden Falle sind die Angebote, die zum Abschluss von Kaufverträgen führten, in der Form von Warenbestellungen vom Beschwerdeführer ausgegangen. Er erhielt hierauf jeweils BGE 98 Ia 314 S. 323 "Auftragsbestätigungen", auf deren Rückseite (wie auch auf der Rückseite der späteren Rechnungen) "Verkaufs- und Lieferungsbedingungen" abgedruckt waren, die u.a. einen Gerichtsstand bestimmten. Dass der Beschwerdeführer sich je mit dieser Gerichtsstandsklausel ausdrücklich einverstanden erklärt oder sich dazu in einer Weise geäussert hätte, die als Zustimmung aufgefasst werden könnte, ist nicht dargetan. Die Behauptung in der Beschwerdeantwort, der Beschwerdeführer habe sich vor Amtsgericht Freudenstadt (selbst) auf die Verkaufs- und Lieferungsbedingungen des Beschwerdegegners ausdrücklich berufen, findet in den Akten keine Stütze. Richtig ist nur, dass die Einrede der Unzuständigkeit nicht schon in der ersten Rechtsschrift, sondern erst in einer ergänzenden Eingabe sowie in der ersten mündlichen Verhandlung erhoben wurde. Fehlt es somit an einer "ausdrücklichen Vereinbarung" der Zuständigkeit des Amtsgerichts Freudenstadt, so kann dessen gegen den Beschwerdeführer gefälltes Urteil in der Schweiz nicht vollstreckt werden. 6. Da die Rechtslage klar ist, ist nicht nur der angefochtene Entscheid aufzuheben, sondern auch die vom Beschwerdegegner nachgesuchte definitive Rechtsöffnung zu verweigern ( BGE 82 I 250 E. 3). Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird gutheissen, der Entscheid des Rekursrichters für Schuldbetreibung und Konkurs des Kantonsgerichts St. Gallen vom 25. Februar 1972 aufgehoben und die definitive Rechtsöffnung in der Betreibung Nr. 1628 des Betreibungsamtes Goldach über Fr. 51'636.70 und Fr. 2021.-- nebst Zinsen verweigert.
public_law
nan
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1,972
CH_BGE
CH_BGE_002
CH
Federation
093c0066-cbc1-46e1-a200-1facceba7d19
Urteilskopf 83 II 151 24. Extrait de l'arrêt de la Ie Cour civile du 11 juin 1957 dans la cause Moeschler contre Zangger.
Regeste Mäklervertrag, Herabsetzung der vereinbarten Vergütung, Art. 417 1. Begriff des Antrags auf Herabsetzung der Vergütung (Erw. 4 a). 2. Als Grundstückkauf ist auch die Einräumung eines Kaufsrechts an Liegenschaften zu betrachten (Erw. 4 b). 3. Mass der Herabsetzung (Erw. 4 c).
Sachverhalt ab Seite 151 BGE 83 II 151 S. 151 Résumé des faits: Les hoirs Zangger étaient propriétaires, à Schachen, d'un terrain que l'un d'eux, Emil Zangger, avait reçu mandat de vendre. Le 21 octobre 1954, Roland Moeschler adressa à Emil Zangger la lettre suivante: "pto Landkauf Parz. 28 im Schachen O. Gösgen gestatte ich mir, Ihnen folgendes zu bestätigen: Ich übernehme zum Preis von Fr. 180 000.-- ein Kaufsrecht auf obigem Areal, das abtretbar ist. Vorgesehen ist, dass ich dieses Kaufsrecht einer neu zu gründenden AG abtrete. Ich verpflichte mich hiermit, bei einer Abtretung dieses Kaufsrechts dafür zu sorgen, Ihnen dafür eine Provision incl. Gewinnanteil auf dem Erlös aus der Abtretung des Kaufsrechts, ein Betrag von Fr. 20 000.-- in bar sofort bei Abtretung auszubezahlen, in jedem Falle aber spätestens im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses. Es würde mich freuen, wenn Sie die Zustimmung der massgebenden Beteiligten zum Vertragsabschluss recht bald erwirken können. .." Le droit d'emption fut effectivement créé et il fut cédé, le 16 novembre 1954, à Sagitta SA, société dont il était question dans la lettre du 21 octobre 1954. Mais Moeschler refusa de payer à Emil Zangger la commission de 20 000 fr. BGE 83 II 151 S. 152 Il alléguait notamment que ce montant devait être réduit en vertu de l'art. 417 CO. Le Tribunal fédéral lui a donné partiellement raison sur ce point. Erwägungen Extrait des motifs: 4. Invoquant l'art. 417 CO, le recourant soutient que le montant de 20 000 fr. est trop élevé et il demande que la commission due soit calculée sur la base du taux usuel de 2%. a) L'intimé prétend en premier lieu qu'il s'agit là d'un moyen nouveau, irrecevable en vertu de l'art. 55 litt. c OJ. Selon l'art. 417 CO, la réduction du salaire du courtier ne peut être ordonnée qu'à la requête du débiteur. L'art. 55 litt. c OJ exige qu'une telle réquisition soit présentée devant la juridiction cantonale, dans les formes et délais prévus par le droit cantonal. Or la réduction doit être réputée requise au sens de l'art. 417 CO dès le moment où le mandant ne se borne pas à contester le principe de sa dette, mais en critique également le montant en invoquant des faits propres à motiver une réduction. Il n'est pas nécessaire qu'il ait invoqué expressément l'art. 417 CO, ni que cette question fasse l'objet d'un chef de conclusions spécial. Il suffit que ses conclusions soient assez étendues pour comprendre une réduction judiciaire, ce qui est le cas lorsqu'il propose sa libération totale. Il y a d'autant moins lieu de se montrer formaliste en cette matière que la règle à appliquer obéit à des considérations d'intérêt public. En effet, elle tend notamment à tempérer des profits injustifiés qui auraient des répercussions sur le marché immobilier (cf. RO 40 II 476). En l'espèce, Moeschler a, dès son premier mémoire, critiqué non seulement le principe mais aussi le montant de la prétention de Zangger; il relevait que celui-ci pourrait avoir droit tout au plus à une commission de 2%, c'est-à-dire à 3600 fr. Dans son exploit d'appel, le recourant a déclaré reprendre "tous les moyens de fait et de droit développés par lui en première instance". En outre, BGE 83 II 151 S. 153 il a toujours proposé le rejet intégral de l'action; ses conclusions étaient donc assez étendues pour comprendre une réduction judiciaire. Dès lors, le Tribunal fédéral peut examiner si la commission convenue doit être réduite. b) L'application de l'art. 417 CO suppose que le paiement promis par le recourant représente un salaire dû en vertu d'un contrat de courtage. Il faut donc rechercher si l'accord confirmé par la lettre du 21 octobre 1954 constitue un tel contrat. Aux termes de l'arrêt cantonal, Emil Zangger avait reçu mandat de vendre le terrain de Schachen. Mais, bien que ce jugement ne le précise point, le mandat ne comportait pas le pouvoir de conclure. Il n'est pas établi, en effet, qu'avant de s'entendre avec Moeschler, l'intimé ait reçu le pouvoir spécial nécessaire selon l'art. 396 al. 3 CO. Le contraire ressort de la lettre du 21 octobre 1954, où les prestations promises par le recourant apparaissent comme la contre-partie d'une intervention de Zangger auprès de ses cohéritiers pour les amener à traiter sur la base du prix de 180 000 fr. Dès lors, l'activité de l'intimé était celle d'un courtier (cf. art. 412 et 413 CO). D'autre part, l'art. 417 CO vise les cas où le courtage porte sur la conclusion d'un contrat de travail ou d'une vente d'immeubles. Cette dernière expression comprend tout contrat ayant pour objet l'aliénation d'un immeuble, notamment le pacte d'emption. L'art. 417 CO peut donc être invoqué en l'occurrence. c) En matière de courtage immobilier, la commission usuelle est, dans les circonstances semblables au cas d'espèce, d'environ 2% du prix de vente. Or Zangger s'est fait promettre un salaire de plus de 11%. Une telle commission est manifestement excessive. La disproportion est d'autant plus choquante que l'intimé n'est pas courtier de profession. Il ne peut donc prétendre que la réussite de cette affaire compense des échecs dans d'autres cas. En outre, il n'a pas de frais généraux. D'autre part, lorsqu'il s'est fait promettre la commission litigieuse, il était le mandataire de ses cohéritiers, qui l'avaient chargé de BGE 83 II 151 S. 154 vendre. Non seulement il n'avait pas à chercher un partenaire pour Moeschler, mais ses démarches étaient sensiblement facilitées par la confiance dont il jouissait auprès des autres propriétaires du terrain. Il faut considérer cependant que Moeschler s'est obligé à payer un salaire très élevé et que cet engagement a déterminé les démarches de Zangger. On ne saurait donc fixer la commission comme si elle n'avait pas été arrêtée conventionnellement. Dans ces conditions, on tient équitablement compte des circonstances en arbitrant à 6000 fr. le salaire dû à l'intimé.
public_law
nan
fr
1,957
CH_BGE
CH_BGE_004
CH
Federation
093cb98c-a74a-47a4-ab7c-b3b76c529e3d
Urteilskopf 104 Ia 156 26. Auszug aus dem Urteil von 28. Juni 1978 i.S. X. AG und Y. AG gegen Z. und Konsorten, Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden und Beschwerdekammer des Kantonsgerichts Graubünden
Regeste Art. 88 OG . Strafprozess; Legitimation des Geschädigten oder Anzeigers zur staatsrechtlichen Beschwerde (Bestätigung der Rechtsprechung).
Erwägungen ab Seite 156 BGE 104 Ia 156 S. 156 Aus den Erwägungen: 2. Die Beschwerdeführerinnen haben sich am kantonalen Strafverfahren als Geschädigte beteiligt. Es ist zu prüfen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfange sie als solche zur staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert sind. a) Die staatsrechtliche Beschwerde steht den Bürgern (Privaten) hinsichtlich solcher Rechtsverletzungen zu, die sie durch allgemein verbindliche oder sie persönlich treffende Erlasse oder Verfügungen erlitten haben ( Art. 88 OG ). Zur staatsrechtlichen Beschwerde ist demnach nur legitimiert, wer durch den angefochtenen Hoheitsakt in seinen rechtlich geschützten Interessen beeinträchtigt ist. Der Strafanspruch, um den es im Strafverfahren geht, steht nach feststehender Rechtsprechung ausschliesslich dem Staat zu. Der an einem Strafverfahren beteiligte Anzeiger oder Geschädigte ist demnach in der Sache selbst nicht legitimiert, gegen die Nichteröffnung oder Einstellung des Strafverfahrens oder gegen ein freisprechendes Urteil staatsrechtliche Beschwerde zu führen. Unbekümmert um die fehlende Legitimation in der Sache selbst sind aber Anzeiger und Geschädigter befugt, mit staatsrechtlicher Beschwerde die Verletzung solcher Rechte zu rügen, die ihnen das kantonale Recht wegen ihrer Stellung als am Strafverfahren beteiligte Partei einräumt und deren Missachtung eine formelle Rechtsverweigerung darstellt oder auf eine solche hinausläuft ("einer formellen Rechtsverweigerung gleich- oder nahekommt": BGE 99 Ia 108 ). BGE 104 Ia 156 S. 157 Wer beispielsweise nach dem kantonalen Recht befugt ist, als Anzeiger oder Geschädigter in einem Strafprozess Beweisanträge zu stellen, kann daher mit staatsrechtlicher Beschwerde geltend machen, man habe ihm in Missachtung der entsprechenden kantonalen Vorschriften keine Gelegenheit gegeben, solche Anträge zu stellen. Er kann dagegen nicht rügen, sie seien zu Unrecht wegen Unerheblichkeit oder aufgrund vorweggenommener Beweiswürdigung abgewiesen worden oder die kantonale Behörde habe die Beweise willkürlich gewürdigt. Ebensowenig sind Anzeiger und Geschädigter befugt, sich mit staatsrechtlicher Beschwerde über eine willkürliche Anwendung des materiellen Strafrechts zu beklagen ( BGE 94 I 554 ; BGE 99 Ia 107 , mit welchem Entscheid eine in BGE 97 I 109 und 772 vorgenommene Erweiterung der Beschwerdelegitimation rückgängig gemacht wurde; BGE 96 I 599 , BGE 72 I 203 , BGE 70 I 79 ; die geltende Praxis wurde mit BGE 69 I 18 eingeleitet). b) Die Beschwerdeführerinnen stellen die Richtigkeit der dargelegten Rechtsprechung in Frage. Sie sehen ein wesentliches Argument für eine weniger zurückhaltende Praxis in der Aufgabe des Bundesgerichtes, für eine einheitliche Rechtsanwendung auf dem ganzen Gebiet der Schweiz zu sorgen, und sie weisen darauf hin, ein Geschädigter, der rechtsungleiche Behandlung rüge, verfechte damit auch öffentliche Interessen. Konkret falle zusätzlich ins Gewicht, dass die StPO des Kantons Graubünden dem Geschädigten eine relativ starke Parteistellung einräume. Das Ergebnis der Strafuntersuchung solle ausdrücklich auch der Geltendmachung von Zivilansprüchen dienen. Das Nichteintreten des Bundesgerichtes auf Willkürbeschwerden von Geschädigten aus Kantonen mit derart erweiterter Rechtsstellung des Geschädigten erscheine in erhöhtem Masse als fragwürdig. Diese Argumente veranlassen das Bundesgericht nicht, seine Praxis zu ändern. Die staatsrechtliche Beschwerde ist ein Rechtsbehelf eigener Art, der - von den hier nicht in Betracht fallenden Tatbeständen der Art. 84 lit. b-d und 85 lit. a OG abgesehen - ausschliesslich dem Schutze der Bürger vor Verletzung seiner verfassungsmässigen Rechte dient (AUBERT, Droit constitutionnel suisse, Bd. II, S. 590, Nr. 1643; MARTI, Die staatsrechtliche Beschwerde, 3. Auflage, S. 20/21, Nr. 7-10). Demgemäss stösst das aus früheren Arbeiten von MARTI (Staatsrechtliche Beschwerde, 1. Auflage, S. 106, und ZSR 81/II S. 84) BGE 104 Ia 156 S. 158 übernommene Argument der Beschwerdeführerinnen, sie verföchten mit ihren privaten zugleich auch öffentliche Interessen, ins Leere; denn zur Wahrung dieser Interessen ist die staatsrechtliche Beschwerde gerade nicht gegeben. Diese Wahrung obliegt vielmehr ausschliesslich den Organen der kantonalen Strafrechtspflege und in Fällen wie dem vorliegenden zusätzlich der Bundesanwaltschaft, die gemäss Art. 266 BStP ihrerseits gegen die Einstellungsverfügung kantonale Rechtsmittel hätte einlegen können. Das Ziel der einheitlichen Anwendung von Bundesrecht durch die Kantone, das bei den umfassenden bundesrechtlichen Rechtsmitteln wie der Berufung im Zivilprozess und der Nichtigkeitsbeschwerde im Strafprozess im Vordergrund steht, kann demgemäss mit der staatsrechtlichen Beschwerde nur in sehr beschränktem Masse angestrebt werden. Das Bundesgericht erblickt z.B. keinen Verstoss gegen Art. 4 BV in der Tatsache, dass dieselben gesetzlichen Bestimmungen in verschiedenen Kantonen verschieden angewandt werden, sofern keine der Auslegungen geradezu willkürlich ist ( BGE 102 Ia 156 ; BGE 99 Ia 381 E. 6b; BGE 92 I 190 E. 2). Es lässt sich daher nicht sagen, im Hinblick auf die Einheit der Rechtsanwendung dränge sich eine erweiterte Zulassung der staatsrechtlichen Beschwerde auf. Fehl geht auch das Argument, die staatsrechtliche Beschwerde wegen Willkür müsse dem Geschädigten vor allem dann zustehen, wenn ihm das in Betracht fallende kantonale Prozessrecht eine verhältnismässig starke Stellung einräume, wie dies für den Kanton Graubünden zutreffe. Schon die Richtigkeit dieser letzten Behauptung ist mindestens zweifelhaft. Nach der Strafprozessordnung des Kantons Graubünden kann der Geschädigte erst nach Abschluss der Untersuchung in die Akten Einsicht nehmen und Ergänzungsanträge stellen ( Art. 129 Abs. 1 StPO ), und an der Hauptverhandlung hat er sich auf die Begründung seines zivilrechtlichen Anspruchs zu beschränken ( Art. 131 Abs. 4 StPO ). In diesen beiden wesentlichen Punkten gehen - um nur einige der grösseren deutschschweizerischen Kantone zum Vergleich heranzuziehen - z.B. die Strafprozessordnungen der Kantone Zürich (§ 10 StP und § 283 Abs. 2 StPO ), Bern ( Art. 43 und 252 StPO ) und St. Gallen ( Art. 37 und 152 StPO ) weiter als das bündnerische Recht, indem sie dem Geschädigten schon während der Untersuchung Parteirechte zubilligen und ihn entweder uneingeschränkt BGE 104 Ia 156 S. 159 (Bern) oder unter bestimmten Voraussetzungen (Zürich und St. Gallen) auch vor Gericht zu einem Vortrag zur Schuldfrage zulassen. Vor allem aber bestimmt sich die Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde ausschliesslich nach den bundesrechtlichen Regeln des OG; welche Stellung einer Partei im kantonalen Verfahren zukam, ist nicht entscheidend ( BGE 102 Ia 94 E. 1; BGE 101 Ia 544 ; 99 Ia 255 E. 4). Die Frage nach dem Umfang der Parteirechte, die eine bestimmte kantonale Strafprozessordnung dem Geschädigten zuerkennt, ist daher nur insoweit von Bedeutung, als die Beeinträchtigung eben dieser Rechte in formeller Hinsicht unbestrittenermassen mit staatsrechtlicher Beschwerde gerügt werden kann; für eine weitergehende Legitimation der Geschädigten aus bestimmten Kantonen lässt sich daraus nichts herleiten. c) Auch abgesehen von den Argumenten der Beschwerdeführerinnen besteht bei nochmaliger Überprüfung der bisherigen Rechtsprechung kein Anlass, davon abzuweichen. Das Interesse des Geschädigten an der Bestrafung des Angeschuldigten kann doppelter Natur sein: es kann einerseits im Bedürfnis nach Sühne und Vergeltung liegen und anderseits im Bestreben, den zivilrechtlichen Wiedergutmachungsanspruch durchzusetzen. Da nach allgemeiner Ansicht der Strafanspruch allein dem Staat zusteht und Art. 88 OG die Legitimation davon abhängig macht, dass der Beschwerdeführer in eigenen Rechten verletzt wurde, kann nach dem Gesagten die staatsrechtliche Beschwerde nicht zulässig sein, um das Bedürfnis nach Bestrafung zu befriedigen; mit dieser Ordnung steht im Einklang, dass der eidgenössische Gesetzgeber dem Verletzten das Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt nur in sehr beschränktem Umfang zu Verfügung stellt ( Art. 270 BStP ). Was den privatrechtlichen Wiedergutmachungsanspruch angeht, bleibt dem Geschädigten bei Freispruch oder Einstellung des Strafverfahrens in jedem Fall die Möglichkeit gewahrt, seine Forderungen auf dem Weg des Zivilprozesses geltend zu machen. Ihm nur wegen des privatrechtlichen Wiedergutmachungsanspruchs die Legitimation zur Anfechtung eines Entscheids einzuräumen, mit dem über den Strafanspruch befunden wurde, geht nicht an und lässt sich mit dem Gesetz nicht in Einklang bringen.
public_law
nan
de
1,978
CH_BGE
CH_BGE_002
CH
Federation
094653b1-4c52-41f3-9be5-1c0a9540caa8
Urteilskopf 107 II 211 28. Arrêt de la IIe Cour civile du 10 juin 1981 dans la cause F. G. et consorts contre Conseil d'Etat du canton de Vaud (recours de droit administratif).
Regeste Verkauf eines Stockwerkeigentumsanteiles vor Fertigstellung des Gebäudes. 1. Grenzen der Prüfungsbefugnis der Grundbuchbehörden bezüglich der Gültigkeit des einzutragenden Rechtsgeschäftes (Erw. 1). 2. Es ist zulässig, einen Stockwerkeigentumsanteil vor Fertigstellung des Gebäudes zu verkaufen. Der Vertrag kann den Stockwerkeigentumsanteil in dem Zustand zum Gegenstand haben, in dem er sich im Zeitpunkt des Verkaufes befindet; die Verpflichtung, eine fertige Wohnung oder einen fertigen Raum zu liefern, ist nicht notwendiger Bestandteil des Vertrages (Erw. 2 und 3). 3. Der Verbindung eines Kaufvertrages bezüglich eines Stockwerkeigentumsanteiles im Zustand bei Vertragsschluss mit einem auf Fertigstellung des Gebäudes gerichteten Werkvertrag steht nichts entgegen; die beschränkte Prüfungsbefugnis der Grundbuchbehörden erlaubt diesen nicht, darüber zu befinden, ob in einem solchen Fall auch der Werkvertrag der öffentlichen Beurkundung bedürfe (Erw. 4).
Sachverhalt ab Seite 212 BGE 107 II 211 S. 212 A.- Par acte authentique du 30 novembre 1979, F. G., G. R., M. G. et la société A. D. SA ont vendu à A. et M. J. l'immeuble formant l'art. 809, feuille 105, du registre foncier de la commune d'Echandens. Cet immeuble consiste en une part de copropriété représentant deux cent cinquante millièmes du fonds no 781 aménagé en propriété par étages; le droit de jouissance exclusif attaché à la part porte sur une villa et ses dépendances constituant le lot A 22 des plans. Les parties sont convenues d'un prix de 250'000 fr., "fixé en fonction des travaux de construction et frais y relatifs" au jour de l'acte. La villa n'était pas terminée lors de la vente, et le contrat ne précisait pas quand, comment et par qui l'ouvrage serait achevé. Les vendeurs ont demandé l'inscription du transfert de la propriété. Le conservateur du registre foncier de Morges a rejeté leur réquisition le 19 décembre 1979, jugeant que le prix indiqué dans l'acte ne correspondait pas à l'entier des prestations promises. Les vendeurs et le notaire qui avait instrumenté ont formé un recours tendant à l'inscription de la vente. Le chef du Département cantonal des finances les a déboutés le 13 mars 1980. Statuant le 27 août 1980 sur recours des vendeurs, le Conseil d'Etat du canton de Vaud a confirmé la décision du Département cantonal des finances. B.- Les vendeurs ont interjeté un recours de droit administratif contre la décision du Conseil d'Etat du canton de Vaud. Ils demandent, avec suite de frais et dépens, que le conservateur du registre foncier de Morges soit invité à inscrire l'acte de vente passé le 30 novembre 1979. Ils concluent subsidiairement à l'annulation de la décision attaquée. Les recourants ont joint à leur mémoire et versé au dossier une copie du "contrat de construction" conclu le 16 novembre 1979 BGE 107 II 211 S. 213 entre l'un d'eux, F. G., et les acheteurs A. et M. J. F. G. s'y engage à terminer les travaux de construction de la villa et du garage et à exécuter les aménagements extérieurs. Les époux J. lui promettent en échange une rémunération de 58'000 fr., soit 48'000 fr. pour l'achèvement de l'ouvrage et 10'000 fr. en remboursement de taxes et frais divers. Le Conseil d'Etat du canton de Vaud et le Département fédéral de justice et police proposent le rejet du recours. Le Tribunal fédéral a admis le recours et ordonné l'inscription de la vente conclue le 30 novembre 1979. Erwägungen Considérant en droit: 1. Le conservateur du registre foncier, requis de procéder à une opération, doit vérifier l'existence des conditions auxquelles la loi et l'ordonnance la subordonnent. Le requérant est tenu d'établir son droit de disposition et de justifier du titre sur lequel se fonde l'opération ( art. 965, art. 966 al. 1 CC ). Le contrôle du titre porte avant tout sur le respect des formes dont il doit être revêtu ( art. 965 al. 3 CC ). Les autorités du registre foncier n'ont en principe pas à examiner la validité matérielle de l'acte sur lequel se fonde le requérant ( ATF 99 Ib 247 consid. 3, ATF 98 Ib 95 consid. 2). Il ne leur appartient pas de s'enquérir de causes possibles de nullité ni de se substituer aux parties pour relever un vice du consentement. Elles doivent néanmoins, dans tous les cas, s'assurer que le droit ou le rapport juridique créé ou constaté dans la décision ou l'acte produit est, de par sa nature, susceptible d'une transcription dans le registre foncier ( ATF 102 Ib 11 , ATF 84 I 131 ). Elles doivent en outre rejeter la réquisition lorsque l'acte juridique qui lui sert de fondement apparaît manifestement nul ( ATF 99 Ib 247 s. consid. 3). Un rejet s'impose également si le titre de l'inscription consiste en une décision dont il ressort, sans doute possible, que les conditions du droit ou du rapport juridique à transcrire ne sont pas réunies; il en va de même si la mesure ordonnée par le juge est en contradiction évidente avec l'ordre juridique ( ATF 102 Ib 11 ). 2. L'autorité cantonale a jugé que celui qui vend sur plans un lot de propriété par étages s'oblige, par le fait même, à mettre l'acheteur en possession des locaux réservés à son usage exclusif. Il serait dès lors juridiquement impossible de combiner une vente immobilière, qui aurait pour objet une part de copropriété du fonds nu ou non entièrement bâti, avec un BGE 107 II 211 S. 214 un contrat d'entreprise portant sur l'exécution ou l'achèvement des travaux. L'obligation assumée par le vendeur de terminer la construction constituerait un élément nécessaire de la vente et, comme telle, devrait être couverte par la forme authentique prévue aux art. 657 al. 1 CC et 216 al. 1 CO. L'autorité cantonale, en conséquence, a tenu pour nul le contrat conclu le 30 novembre 1979, faute pour les parties d'avoir indiqué dans l'acte le prix réel de l'appartement achevé que les vendeurs s'étaient obligés à transférer et livrer. 3. La propriété par étages est une copropriété organisée sur un mode spécial; elle se distingue de la forme ordinaire en ceci qu'à chaque part est attaché le droit exclusif d'utiliser et d'aménager intérieurement une partie déterminée d'un bâtiment. Le propriétaire d'étage n'est pas propriétaire exclusif de son appartement, mais copropriétaire de l'ensemble du bien-fonds, avec ses parties intégrantes et ses accessoires. Sa part lui confère en outre un droit d'usage privatif sur certains locaux résidentiels ou commerciaux qui forment un tout et disposent d'un accès propre ( ATF 94 II 234 ss consid. 4). L' art. 33c ORF permet l'inscription de la propriété par étages avant la construction du bâtiment. Les requérants doivent produire le plan de répartition (al. 1). Le conservateur porte au feuillet du bien-fonds ou du droit de superficie et aux feuillets ouverts pour chacun des étages la mention "constitution de PPE avant la construction du bâtiment" (al. 2). L'achèvement du bâtiment est communiqué au registre foncier, le cas échéant avec remise du plan de répartition rectifié après l'exécution des travaux. Le conservateur peut exiger alors la production d'une attestation officielle établissant que les locaux objet d'un droit exclusif sont des appartements ou locaux commerciaux formant un tout et disposant d'un accès propre (al. 3). Si cette condition n'est pas remplie ou si l'attestation n'est pas produite, le conservateur fixe un délai à l'expiration duquel l'inscription sera radiée en application de l' art. 976 CC , la propriété par étages étant convertie en copropriété ordinaire (al. 4). Le fonctionnement normal de la propriété par étages suppose un bâtiment construit, car le droit d'usage exclusif ne peut s'exercer que sur des locaux achevés, sous réserve des aménagements intérieurs abandonnés au copropriétaire intéressé. Il n'en demeure pas moins que, dès l'inscription de la propriété par étages au registre foncier, les parts dont elle se compose existent juridiquement et doivent être immatriculées. Les parts BGE 107 II 211 S. 215 d'étages constituent elles-mêmes des immeubles, encore que le droit d'usage privatif qui leur est attaché ne puisse être exercé tant que les travaux ne sont pas terminés. Elles peuvent faire l'objet de transactions avant l'achèvement du bâtiment, être notamment vendues ou grevées de gages immobiliers (FRIEDRICH, Praktische Fragen im Zusammenhang mit der Begründung von Stockwerkeigentum, RNRF 1966, p. 341 ss; M. OTTIKER, Pfandrecht und Zwangsvollstreckung bei Miteigentum und Stockwerkeigentum, p. 42 s.). Tel est d'ailleurs le but de l'inscription anticipée de la propriété par étages. Or rien ne permet d'affirmer que ces transactions ne peuvent porter que sur des parts dans l'état matériel qui sera le leur une fois la construction terminée. Et l'on ne voit pas le motif qui interdirait la vente d'une part de copropriété telle qu'elle est au jour du contrat, les parties fixant alors le prix en fonction de la valeur du terrain et des travaux déjà exécutés. Il incombe à l'acquéreur d'une telle part de trouver avec les autres acheteurs ou les autres copropriétaires une entente pour la construction ou l'achèvement du bâtiment. Les difficultés pratiques auxquelles il peut se heurter, qui peuvent d'ailleurs surgir également entre copropriétaires originaires, en dehors de tout transfert, ne suffisent pas à exclure, en droit, les ventes d'étages dans lesquelles la partie venderesse ne s'oblige pas à livrer un appartement ou un local commercial terminé. La nature de la propriété par étages ne commande pas de subordonner à un tel engagement le transfert ou l'aliénation d'une part. De plus, la solution contraire, bien souvent, rendrait impossible la réalisation forcée de parts d'étages données en gage, saisies ou tombées dans la masse d'une faillite. 4. La loi n'interdisait pas aux recourants de vendre leur part de copropriété sans assumer, en qualité de vendeurs, l'obligation d'achever la construction des locaux réservés à l'usage exclusif des acheteurs. Il n'existe en l'espèce pas de preuves suffisantes de simulation pour affirmer que, dans l'idée des parties, la vente, comme telle, portait en réalité sur une villa terminée. Il suffisait donc que l'acte indiquât le prix que les contractants avaient fixé pour la part de copropriété dans son état au jour de la vente. Lorsqu'un immeuble est aménagé en propriété par étages avant l'achèvement du bâtiment, les copropriétaires exécutent ou font exécuter en commun les travaux de construction nécessaires. Il leur est loisible, à cet effet, de conclure des contrats d'entreprise avec l'un d'eux, avec des tiers ou avec le promoteur-vendeur. Ces contrats peuvent être combinés avec BGE 107 II 211 S. 216 la vente des lots d'étages sur plans. On peut certes se demander si le contrat d'entreprise ne forme pas en ce cas une clause accessoire et essentielle de la vente, qui devrait également figurer dans l'acte authentique. Cette extension des exigences de forme supposerait que la vente n'eût pas été conclue sans le contrat d'entreprise; elle ne serait en outre admissible qu'à la condition que l'obligation d'exécuter ou d'achever l'ouvrage se situât dans le cadre de la vente et pût en être considérée comme un des éléments naturels ( ATF 90 II 34 ss, ATF 78 II 435 ss). La question n'a toutefois pas à être tranchée dans le présent recours, car sa solution dépasse le pouvoir d'examen reconnu aux autorités du registre foncier, qui se limite aux causes évidentes de nullité. On ne peut en effet exclure d'emblée la validité d'une vente immobilière, pour le seul motif que l'acte authentique ne couvre pas le contrat d'entreprise auquel elle est combinée. Le conservateur du registre foncier n'avait donc pas de motif de refuser l'inscription de la vente passée le 30 novembre 1979, et ce même si la voie choisie par les contractants avait pour but principal d'éviter le paiement d'une partie des droits de mutation. Au demeurant, rien n'exclut qu'un juge civil ne puisse être amené, le cas échéant, à tenir le contrat dans son entier pour nul en la forme.
public_law
nan
fr
1,981
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CH_BGE_004
CH
Federation
094b30cb-3cf7-4382-b42c-4bbb92957862
Urteilskopf 122 III 295 52. Extrait de l'arrêt de la Chambre des poursuites et des faillites du 22 août 1996 dans la cause V. (recours LP)
Regeste Rechtsweg, um die vom Gläubiger gewählte Betreibungsart - Betreibung auf Verwertung eines Faustpfandes oder eines Grundpfandes - zu bestreiten. Wenn der Gläubiger die Betreibung auf Verwertung eines Grundpfandes anstelle der Betreibung auf Verwertung eines Faustpfandes gewählt hat, so muss der Schuldner sich dagegen mittels Rechtsvorschlag zur Wehr setzen und kann nicht den Beschwerdeweg gemäss Art. 17 ff. SchKG beschreiten (E. 1).
Sachverhalt ab Seite 295 BGE 122 III 295 S. 295 A.- La Banque X. a accordé un crédit à A., G. et V. Ce crédit a été garanti par le nantissement d'une cédule hypothécaire au porteur, grevant en premier rang un immeuble propriété de A., Y. et C. L'article 4 des conditions générales de l'acte de nantissement, signé par toutes les personnes précitées, prévoyait que la banque créancière pourrait, sitôt la créance échue, réaliser immédiatement les gages de gré à gré ou procéder à la dénonciation et à l'encaissement de la créance nantie sans observer les formalités prévues par la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, les gages lui étant cédés à cette fin. BGE 122 III 295 S. 296 La créancière, après avoir dénoncé le prêt au remboursement, a introduit contre A., G. et V. une poursuite en réalisation de gage immobilier. V. a fait opposition à cette poursuite en contestant l'existence de la créance et du droit de gage, et en déclarant que son opposition valait également plainte dans l'hypothèse où sa contestation du mode de poursuite relèverait de l'autorité de surveillance. B.- Dans un premier temps, le président du tribunal de district a statué uniquement sur la plainte, en sa qualité d'autorité cantonale inférieure de surveillance, renvoyant à plus tard l'examen de la requête de mainlevée. Il a rejeté la plainte en considérant que le mode de poursuite choisi était adéquat au regard de l'article 4 des conditions générales de l'acte de nantissement. Saisie par V. qui lui demandait de prononcer que le mode de poursuite, en réalisation de gage immobilier, n'était pas conforme à la loi, la Cour des poursuites et faillites du Tribunal cantonal vaudois, autorité cantonale supérieure de surveillance, a rejeté le recours et confirmé le prononcé entrepris. C.- V. a recouru au Tribunal fédéral en reprenant le chef de conclusions formulé en instance cantonale. La Chambre des poursuites et des faillites a déclaré le recours irrecevable. Erwägungen Extrait des considérants: 1. Le recours doit être déclaré irrecevable pour le premier motif suivant: le recourant invoque "une violation des dispositions légales concernant le mode de poursuite", mais contrairement à l'exigence posée par l' art. 79 al. 1 OJ , il n'indique pas de quelles dispositions légales fédérales il s'agit. En réalité, sa contestation - devant le Tribunal fédéral comme devant l'autorité cantonale - porte sur le sens et la portée du contrat de nantissement passé en l'occurrence. Or, selon la jurisprudence, une telle controverse relève de la compétence du juge et non de celle des autorités de surveillance ( ATF 73 II 13 et note concernant cet arrêt in JdT 1947 II 106s.). Par ailleurs, si la voie de la plainte à l'autorité de surveillance est bien ouverte contre la détermination par l'office du mode de poursuite, laquelle doit intervenir en conformité des dispositions légales ( art. 38 ss LP ; BRAND, Poursuites pour dettes, FJS 977 ch. II; GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, 3e éd., Lausanne 1993, p. 120 § 10; AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 5e éd., Berne 1993, § 9 n. 11), c'est en revanche par la voie de l'opposition que le BGE 122 III 295 S. 297 poursuivi doit contester la détermination du créancier de poursuivre en réalisation de gage immobilier plutôt qu'en réalisation de gage mobilier ( ATF 78 III 93 ; ATF 105 III 63 consid. 1; ZOBL, Berner Kommentar, n. 629 ad Syst. Teil et les références; STAEHELIN, AJP/PJA 1994, p. 1263 s. et n. 105). On peut considérer en effet que, lorsque le débiteur entend s'opposer au mode de poursuite en réalisation de gage - mobilier ou immobilier - choisi par le créancier, c'est en fait le droit de gage qu'il conteste (DOMINIQUE FAVRE/MIRANDA LINIGER, Cédules hypothécaires et procédure de mainlevée, SJ 1995, p. 103 et les références). La voie de la plainte n'est ouverte dans ce genre de contestation que si le créancier, tout en reconnaissant n'être au bénéfice que d'un gage mobilier, requiert cependant une poursuite en réalisation d'un gage immobilier ( ATF 78 III 93 ). Dans ce cas, il appartient à l'office des poursuites de ne pas donner suite à la réquisition; s'il ouvre néanmoins une poursuite, le débiteur a la faculté de déposer plainte à l'autorité de surveillance dans le délai de 10 jours prescrit par l' art. 17 al. 2 LP (FAVRE/LINIGER, op.cit., p. 104). Dans trois arrêts non publiés du 6 avril 1994 (A., G. et A. contre Société d'assurances X. et Genève, Cour de justice), la IIe Cour civile du Tribunal fédéral a dérogé à ces principes en considérant que c'est par la voie de la plainte aux autorités de surveillance ( art. 17 et 18 LP ), puis - le cas échéant - par celle du recours à la Chambre des poursuites et des faillites du Tribunal fédéral ( art. 19 LP et 78 ss OJ), que doit être contesté le droit pour la créancière d'intenter une poursuite en réalisation de gage immobilier plutôt qu'une poursuite en réalisation de gage mobilier. Cette jurisprudence isolée, qui s'écarte - sans même la discuter voire y faire allusion - de celle publiée, soutenue par la doctrine, ne saurait être confirmée ici. Il résulte de ce qui précède que les autorités cantonales de surveillance auraient dû déclarer la plainte irrecevable et renvoyer le débiteur devant le juge (cf. JdT 1947 II 107 ch. 3), l'exception mentionnée par la jurisprudence ( ATF 78 III 93 ) n'étant manifestement pas réalisée dans le cas particulier. Il appartiendra au président du tribunal de district, dès lors qu'il a été saisi à la fois comme autorité inférieure de surveillance et comme juge de la mainlevée d'opposition et qu'il a expressément renvoyé son examen de la requête de mainlevée à plus tard, "dès droit connu sur la procédure de plainte", de statuer sur le moyen soulevé par le débiteur dans sa décision sur la requête de mainlevée.
null
nan
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1,996
CH_BGE
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CH
Federation
094e7ef2-e364-4a5b-9fbe-2f0d57afb658
Urteilskopf 103 V 49 12. Arrêt du 13 septembre 1977 dans la cause Office fédéral des assurances sociales contre B. et Commission cantonale fribourgeoise de recours en matière d'assurances sociales
Regeste Beiträge der Nichterwerbstätigen ( Art. 10 Abs. 1 AHVG ). Anrechnung des Vermögens der Ehefrau: Der Ehemann kann sich nicht darauf berufen, dass er keinen Nutzen aus dem Vermögen seiner mit ihm in Gütertrennung lebenden Ehefrau zieht.
Sachverhalt ab Seite 49 BGE 103 V 49 S. 49 A.- Marcel B., né en 1911, marié, a pris sa retraite le 1er septembre 1971. Depuis lors, il n'a plus payé de cotisations aux assurances sociales, fait qui a passé inaperçu. En novembre 1975, à l'occasion de son passage dans les bureaux de la Caisse cantonale fribourgeoise de compensation, la chose a été découverte. L'administration a alors procédé à une enquête, qui a révélé que l'intéressé avait touché les pensions suivantes: 23'074 fr. en 1972, 24'516 fr. en 1973, 28'500 fr. en 1974. Il est en outre apparu que la fortune des époux B. s'élevait à 1'507'259 fr. au 31 août 1971 et à 1'498'635 fr. au 1er janvier 1973. Tenant compte de ces données, la caisse précitée a notifié à Marcel B. quatre décisions, datées du 5 janvier 1976, fixant les cotisations arriérées, frais compris, à 2'532 fr. 20 pour 1972 (fortune de 1'507'259 fr. et revenu de 23'074 fr.), à 4'309 fr. 95 pour 1973 et pour 1974 (fortune de 1'498'635 fr. et revenu de 24'516 fr.), et à 4'549 fr. 70 pour 1975 (fortune de 1'498'635 fr. et revenu de 24'516 fr.); soit, au total 15'701 fr. 80. BGE 103 V 49 S. 50 B.- Le prénommé a recouru, en se déclarant disposé à payer le montant des cotisations qu'il devrait si l'on faisait abstraction de la fortune de sa femme qui avait été prise en compte. Par jugement du 3 décembre 1976, la Commission cantonale fribourgeoise de recours en matière d'assurances sociales a admis le recours, dans ce sens qu'elle a réduit à 5'109 fr. 85 les cotisations dues pour les années 1972 à 1975. Elle a retenu en bref que le recourant ne tirait aucun avantage du patrimoine de son épouse, dont il est séparé de biens et avec laquelle il a passé un pacte successoral aux termes duquel les conjoints renoncent réciproquement à hériter l'un de l'autre, et que cette circonstance justifiait qu'on ignorât cette fortune en fixant les cotisations de non-actif du mari. C.- L'Office fédéral des assurances sociales interjette recours de droit administratif, en faisant valoir que le jugement attaqué s'écarte sans raison de la jurisprudence du Tribunal fédéral des assurances. L'intimé conclut au rejet du recours en insistant sur le fait qu'il ne retire aucun avantage financier de son mariage. Tout au plus sa femme lui verse-t-elle une contribution d'environ 3'000 fr. par année, pour son entretien lorsqu'elle vit chez lui. Erwägungen Considérant en droit: Est litigieuse en l'occurrence la base de calcul des cotisations dues par l'intimé, qui a qualité de personne sans activité lucrative. 1. a) En vertu des art. 1er al. 1 lit. a et 10 al. 1 LAVS, les personnes physiques qui ont leur domicile civil en Suisse sont, de ce fait, assurées et, si elles n'exercent aucune activité lucrative, doivent une cotisation dont le montant annuel est fixé, dans le cadre donné par la loi, "selon leurs conditions sociales". Cette dernière expression concerne les ressources et le niveau de vie des intéressés. Sont dispensés de verser des cotisations, notamment, les hommes ayant atteint l'âge de 65 ans et les femmes ayant accompli leur 62e année ( art. 3 al. 1 LAVS ), ainsi que les épouses des assurés, lorsqu'elles n'exercent pas d'activité lucrative (art. 3 al. 2 lit. b LAVS). Conformément au mandat que lui confère la loi, le Conseil fédéral a édicté les prescriptions BGE 103 V 49 S. 51 complémentaires relatives au calcul des cotisations AVS de la catégorie d'assurés en question. A l' art. 28 RAVS , il a institué une échelle de cotisations fondée sur la fortune de l'assuré à laquelle s'ajoutent les revenus annuels sous forme de rente multipliés par 30. b) Le Tribunal fédéral des assurances a déjà eu l'occasion d'examiner la situation d'époux, dans le cadre des dispositions rappelées ci-dessus. Il a déclaré que la fortune déterminante pour le calcul des cotisations d'un assuré sans activité lucrative comprend celle de son épouse, lorsque les conjoints vivent sous le régime de l'union des biens et que le mari retire un avantage de cette fortune, ce qui est censé être le cas. S'agissant même d'époux séparés de biens, la Cour de céans a déclaré conforme à l' art. 10 al. 1 LAVS d'ajouter la fortune de la femme à celle du mari pour arrêter le montant de la cotisation due par ce dernier. La base de calcul comprend aussi en principe la fortune des enfants mineurs ainsi que les revenus de ceux-ci (voir ATF 101 V 177 et ATF 98 V 92 , de même que la jurisprudence et la doctrine citées). 2. Appliqués au cas d'espèce, les principes rappelés ci-dessus - confirmés par la Cour de céans dans un arrêt du 4 mai 1977 en la cause Matthey encore - conduisent à admettre le recours de l'Office fédéral des assurances sociales. En effet, l'époux dont il est établi qu'il n'a tiré aucun avantage de la fortune de son conjoint ne saurait se prévaloir de cette circonstance pour obtenir des organes de l'AVS qu'ils ignorent, dans le calcul de ses cotisations de non-actif, la fortune en question. Dans l'arrêt ATF 98 V 92 , le Tribunal fédéral des assurances a souligné que si, dans le régime de la séparation des biens, chacun des conjoints conserve la propriété, l'administration et la jouissance de ses propres biens, au sens de l' art. 242 al. 1 CC , le mari peut exiger, selon l' art. 246 al. 1 CC , que la femme contribue dans une mesure équitable aux charges du ménage; il n'est tenu à aucune restitution à raison des prestations de l'épouse ( art. 246 al. 3 CC ). Citant LEMP (Commentaire bernois du Code civil suisse, ad art. 246 n. 16-27, pp. 1029 ss), la Cour de céans a dès lors constaté que le mari séparé de biens aussi est censé retirer un avantage économique du patrimoine de son conjoint - comme il a déjà été dit plus haut. C'est cela qui est décisif, et peu importe que l'intéressé ait fait usage ou non des BGE 103 V 49 S. 52 possibilités que lui offre la loi, possibilités auxquelles le pacte successoral conclu en l'espèce ne saurait s'opposer. Il faut donc admettre le recours, la procédure de fixation des cotisations et le calcul de celles-ci - hormis la prise en compte de la fortune du conjoint - n'étant à juste titre pas contestés...
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nan
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Federation
094fd74a-4021-49b2-9230-c14ddd1c915d
Urteilskopf 121 V 311 47. Urteil vom 28. Dezember 1995 i. S. Dr. med. Z. gegen Krankenkasse KPT und Schiedsgericht KVG/UVG des Kantons Bern
Regeste Art. 3 Abs. 5 und 25 Abs. 1 KUVG. Zuständigkeit des Schiedsgerichtes bejaht für die vom Arzt im System des "tiers garant" gegen die subsidiär leistungspflichtige Kasse angehobene Klage auf Feststellung, dass eine Behandlung von Unfallfolgen nicht nach Krankenkassentarif abzurechnen sei. Schützenswertes Interesse an einem Feststellungsentscheid verneint.
Sachverhalt ab Seite 312 BGE 121 V 311 S. 312 A.- Dr. Z. betreibt eine Arztpraxis. Zu seinen Patienten gehört u.a. der bei der Krankenkasse KPT der Pflegeversicherung (Abt. A) angeschlossene B., den er nach dessen Unfall vom 25. Juli 1992 ambulant behandelt hatte. Dafür stellte Dr. Z. der Krankenkasse am 6. November 1992 in Anwendung des UV/MV/IV-Tarifs Rechnung im Betrag von Fr. 617.30. Hierauf entgegnete ihm die Kasse, dass der verwendete Tarif nicht gelte, da sie sich an der Durchführung der obligatorischen Unfallversicherung nicht beteilige und B. insofern auch nicht versichert sei. Im Anschluss sandte Dr. Z. der Kasse am 19. Februar 1993 eine neue Rechnung im Betrag von Fr. 397.10 (250,2 Taxpunkte à Fr. 1.50 plus Medikamente) unter Hinweis darauf, dass der Versicherte keinen Tarifschutz geniesse und folglich der Privattarif anzuwenden sei. Die Kasse wies am 26. Februar 1993 auch diese Rechnung zurück mit der Bitte, sie wie üblich direkt dem Versicherten zuzustellen und die gültigen Taxpunkte anzuwenden (= 194 Taxpunkte à Fr. 1.50). Am 30. April 1993 sandte Dr. Z. die nach wie vor auf denselben Grundlagen beruhende (250,2 Taxpunkte à Fr. 1.50), wegen erhöhter Medikamentenkosten nunmehr auf Fr. 406.85 lautende Rechnung direkt an B. Diese Rechnung blieb in der Folge unbezahlt. B.- Am 24. Juni 1993 erhob Dr. Z. beim Schiedsgericht KVG/UVG des Kantons Bern Klage gegen die Krankenkasse KPT. Nachdem ein Vermittlungsversuch vom 3. August 1993 erfolglos geblieben war, präzisierte der Kläger sein Begehren wie folgt: "Es sei festzustellen, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, für die Unfallbehandlung von B. (...) nach Krankenkassentarif Rechnung zu stellen, bzw. dass er berechtigt ist, nach Aufwand gemäss Art. 394 OR abzurechnen." Die Krankenkasse schloss auf Abweisung der Klage und beantragte ihrerseits: "Es sei festzustellen, dass ein Arzt, der für die Behandlung eines Unfallereignisses Rechnung über ein versichertes Mitglied an eine anerkannte Krankenkasse stellt, die selber nicht UVG-Versicherer ist, jedoch subsidiär Leistungen für Unfall erbringt, an den für Krankenkassen massgeblichen Tarif gebunden ist." BGE 121 V 311 S. 313 Mit Entscheid vom 17. März 1994 wies das Schiedsgericht die Klage ab, soweit es darauf eintrat. Dabei stellte es im wesentlichen fest, dass der Kläger seiner Rechnung für die Unfallbehandlung des B. den Krankenkassentarif zugrundelegen müsse. C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt Dr. Z. sein im vorinstanzlichen Verfahren gestelltes Begehren erneuern. Die Krankenkasse schliesst auf Abweisung der Beschwerde. D.- Auf die Begründung des angefochtenen Gerichtsentscheides und der Anträge wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen eingegangen. Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. Im vorliegenden Fall ist streitig, ob der beschwerdeführende Arzt bei der Rechnungstellung für die ambulante Behandlung der Unfallfolgen eines Versicherten der Beschwerdegegnerin den krankenversicherungsrechtlichen Tarifschutz zu beachten hat (vgl. Art. 22bis Abs. 5 KUVG ). Dabei steht ausser Frage, dass sich die Beschwerdegegnerin nicht an der Durchführung der obligatorischen Unfallversicherung ( Art. 68 UVG ) beteiligt; vielmehr betreibt sie die Unfallversicherung mit subsidiärer Leistungspflicht (Art. 3 Abs. 3 des Leistungsreglements 1992 vom 5. November 1991) im Sinne einer anderen Versicherungsart gestützt auf Art. 3 Abs. 5 KUVG , womit die Anwendung des UV/MV/IV-Tarifs ausser Betracht fällt. Einig sind sich die Parteien ferner darüber, dass sich der vom Beschwerdeführer behandelte Versicherte nicht in sehr guten wirtschaftlichen Verhältnissen im Sinne von Art. 22 Abs. 2 KUVG befindet, weshalb hier die entsprechende Einschränkung des Tarifschutzes nicht zum Tragen kommt. Im folgenden gilt es zunächst, mit der Zuständigkeit des Schiedsgerichtes ( Art. 25 KUVG ) und der Zulässigkeit der gestellten Feststellungsbegehren verschiedene Vorfragen - ausschliesslich formellrechtlicher Art - zu klären. Diese Prüfung hat das Eidg. Versicherungsgericht nach ständiger Rechtsprechung von Amtes wegen vorzunehmen ( BGE 120 V 29 Erw. 1, BGE 119 V 12 Erw. 1b, 149 Erw. 1b, 312 Erw. 1b, 324 Erw. 3, je mit Hinweisen). 2. a) Gemäss Art. 25 KUVG sind Streitigkeiten zwischen Kassen einerseits und Ärzten, Apothekern, Chiropraktoren, Hebammen, medizinischen Hilfspersonen, Laboratorien oder Heilanstalten anderseits durch ein für das ganze Kantonsgebiet zuständiges Schiedsgericht zu entscheiden (Abs. 1). Das BGE 121 V 311 S. 314 Schiedsgericht ist auch zuständig, wenn das Honorar vom Versicherten geschuldet wird; in diesem Fall hat die Kasse den Versicherten auf sein Begehren auf ihre Kosten zu vertreten, sofern das Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint; bei Verletzung dieses Gesetzes oder der gestützt darauf ergangenen Erlasse ist die Kasse zur selbständigen Prozessführung ermächtigt ohne Rücksicht darauf, ob die Rechnung vom Versicherten als Honorarschuldner bereits bezahlt ist ( Art. 25 Abs. 3 KVG ). b) Die Bestimmungen des KUVG über die Zuständigkeit der Schiedsgerichte gehen als lex specialis den Vorschriften über die Zuständigkeit der kantonalen Versicherungsgerichte ( Art. 30bis KUVG ) vor. Das in Art. 25 KUVG vorgesehene schiedsgerichtliche Verfahren ist - ohne Rücksicht darauf, ob es sich beim Arzt um einen Vertragsarzt im Sinne von Art. 16 KUVG handelt - immer dann anwendbar, wenn die Streitigkeit zwischen den Krankenkassen einerseits und den Ärzten oder den andern in Abs. 1 erwähnten Medizinalpersonen oder Institutionen anderseits die besondere Stellung der Medizinalperson oder der Institution im Rahmen des KUVG betrifft, d.h. wenn die Streitigkeit Rechtsbeziehungen zum Gegenstand hat, die sich aus dem KUVG ergeben oder die aufgrund des KUVG eingegangen worden sind. Liegen der Streitigkeit keine solchen Rechtsbeziehungen zugrunde, dann ist sie nicht nach sozialversicherungsrechtlichen Kriterien zu beurteilen, mit der Folge, dass nicht die Schiedsgerichte gemäss Art. 25 KVG , sondern allenfalls die Zivilgerichte zum Entscheid sachlich zuständig sind ( BGE 112 V 310 Erw. 3b mit Hinweisen; vgl. ferner BGE 116 V 126 ff.). c) In Anwendung dieser Grundsätze verneinte das Eidg. Versicherungsgericht die Zuständigkeit des Schiedsgerichtes zur Beurteilung einer ärztlichen Honorarforderung gegen den Versicherten für die Behandlung in einer Privatklinik oder in der privaten (oder halbprivaten) Abteilung einer öffentlichen Heilanstalt. Den Ausschlag gab dabei, dass die das Rechtsverhältnis zwischen dem Arzt und dem Versicherten beschlagende streitige Forderung weder auf einem von der Kantonsregierung aufgestellten Rahmentarif ( Art. 22bis Abs. 1 KUVG ) noch auf einer zwischen Kassen und Ärzten getroffenen Vereinbarung ( Art. 22 Abs. 1 KUVG ) beruht hatte. Denn, nur wo eine dieser Voraussetzungen gegeben ist, hat die Kasse nach den vom Gesetz aufgestellten Bedingungen ihren Versicherten im Prozess gegen eine der in Art. 25 Abs. 1 KUVG erwähnten Personen oder Institutionen zu vertreten. Damit trat das Eidg. Versicherungsgericht der Auffassung der - BGE 121 V 311 S. 315 den betroffenen Versicherten vertretenden - Krankenkasse entgegen, welche die schiedsgerichtliche Zuständigkeit im wesentlichen aus der Zuordnung der betreffenden Zusatzversicherung zum Bundessozialversicherungsrecht ableiten wollte ( BGE 112 V 311 Erw. 4a, bestätigt in BGE 116 V 123 ; RKUV 1991 Nr. K 853 S. 3, betreffend das Verhältnis zwischen Heilanstalt [ Art. 22quater Abs. 3 KUVG ] und Versichertem). d) In einem weiteren Urteil hat das Eidg. Versicherungsgericht klargestellt, dass sich diese Rechtsprechung zur schiedsgerichtlichen Zuständigkeit für die Beurteilung strittiger Arzthonorare ausschliesslich auf den Fall gemäss Art. 25 Abs. 3 KUVG bezieht (Streit zwischen Versichertem und Arzt) und keine Auswirkungen auf die Beurteilung der Zuständigkeitsfrage in Streitigkeiten zwischen Krankenkassen und Ärzten im Sinne von Art. 25 Abs. 1 KUVG zeitigen kann. In jenem - von mehreren Ärzten gegen eine Krankenkasse angestrengten - Verfahren ging es um die Anwendbarkeit eines Rahmentarifs ( Art. 22bis Abs. 1 KUVG ) auf eine bestimmte Kategorie von Versicherten, welche Frage die Kläger mit einem negativen Feststellungsbegehren geklärt haben wollten. In dieser Hinsicht liess es das Eidg. Versicherungsgericht für die Bejahung der Zuständigkeit im Sinne von Art. 25 Abs. 1 KUVG genügen, dass der Rechtsstreit die Anwendung des KUVG, einschliesslich seiner Ausführungserlasse, auf das Verhältnis zwischen den klagenden Ärzten und der beklagten Krankenkasse zum Gegenstand hatte (RKUV 1988 Nr. K 764 S. 171 f.; vgl. ferner BGE 116 V 127 Erw. 2a am Ende). Den für die sachliche Zuständigkeit des Schiedsgerichtes nach Art. 25 Abs. 1 KUVG erforderlichen Zusammenhang mit dem KUVG hat das Eidg. Versicherungsgericht schliesslich auch hinsichtlich des Streitpunktes bejaht, ob eine bestimmte ärztliche Verrichtung tarifvertraglich erfasst ist oder ob sie mangels einer tariflichen Absprache auftragsrechtlich zu vergüten ist (unveröffentlichtes Urteil M.G. vom 31. Januar 1991). 3. Im vorliegenden Fall führte der als Arzt tätige Beschwerdeführer Klage gegen die Krankenkasse mit dem Feststellungsbegehren, dass er nicht verpflichtet sei, für die Behandlung der Unfallfolgen des Versicherten nach Krankenkassentarif abzurechnen. Das so angerufene Schiedsgericht meinte, seine Zuständigkeit hinsichtlich der Klage nicht abschliessend prüfen zu müssen, weil sie sich jedenfalls aufgrund der von der Krankenkasse und nunmehrigen Beschwerdegegnerin erhobenen Widerklage ergebe und es allzu formalistisch wäre, nur auf die letztere, nicht aber auf die denselben BGE 121 V 311 S. 316 Sachverhalt und die gleiche Rechtsfrage beschlagende Vorklage einzutreten. a) Dieser Betrachtungsweise kann nicht beigepflichtet werden. Dabei mag dahingestellt bleiben, ob eine Widerklage nach dem hier massgebenden kantonalen (Zivil-)Prozessrecht (vgl. Art. 25 Abs. 4 KUVG in Verbindung mit Art. 6 des kantonalen Einführungsgesetzes zum KUVG vom 9. April 1967 [BSG 842.01] und Art. 90 Abs. 2 VRPG des Kantons Bern vom 23. Mai 1989 [BSG 155.21]) selbst dann beurteilt werden könnte, wenn zufolge fehlender Prozessvoraussetzungen auf die Vorklage nicht einzutreten wäre (in diesem Sinne immerhin LEUCH/MARBACH/KELLERHALS, Die Zivilprozessordnung für den Kanton Bern, Bern 1995, N 2f zu Art. 170 und N 2 b zu Art. 33 sowie STAEHELIN/SUTTER, Zivilprozessrecht, Zürich 1992, § 13 Rz. 28; vgl. demgegenüber GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl., Zürich 1979, S. 218 Ziff. 6; VOGEL, Grundriss des Zivilprozessrechts 3. Aufl., Bern 1992, 7. Kap. Rz. 61). Entgegen der Vorinstanz liegt hier eine eigentliche Widerklage der Beschwerdegegnerin nämlich gerade nicht vor; denn deren Begehren in der Klageantwort auf Feststellung der Anwendbarkeit des Tarifs zielte nicht auf die Verfolgung eines selbständigen, von der Klage verschiedenen Anspruchs ab, sondern einzig darauf, letztere zu Fall zu bringen (LEUCH/MARBACH/KELLERHALS, a.a.O., N 1b+c zu Art. 170, N 1 c zu Art. 174). b) Nach dem Gesagten kann die Frage der schiedsgerichtlichen Zuständigkeit in bezug auf die Klage des Beschwerdeführers nicht offenbleiben. Geht es dabei ausschliesslich um die Klärung der Anwendbarkeit tarifvertraglicher Regelungen, kann es im Lichte der hievor zuletzt dargelegten Rechtsprechung (Erw. 2d) keinem Zweifel unterliegen, dass das Schiedsgericht zur Prüfung dieser Frage berufen sein muss. Auch in diesem Fall findet die Streitigkeit zwischen den Parteien ihre Grundlage oder ihren Gegenstand in einem Tarifvertrag im Sinne von Art. 22 Abs. 1 KUVG , was zur Begründung der sachlichen Zuständigkeit des Schiedsgerichtes bereits genügt (RKUV 1988 Nr. K 764 S. 171 f.; vgl. ferner BGE 116 V 127 Erw. 2a am Ende; unveröffentlichtes Urteil M.G. vom 31. Januar 1991). Der schiedsgerichtlichen Spruchkompetenz steht vorliegendenfalls im übrigen der Umstand nicht entgegen, dass die vom Beschwerdeführer in Rechnung gestellten Leistungen der Behandlung von Unfallfolgen gedient hatten. Denn die entsprechende (subsidiäre) Leistungspflicht der Beschwerdegegnerin BGE 121 V 311 S. 317 (vgl. Erw. 1 hievor und BGE 112 V 293 Erw. 2b, RKUV 1988 Nr. K 762 S. 100 Erw. 3) mag zwar auf einer anderen Versicherungsart im Sinne von Art. 3 Abs. 5 KUVG (Art. 14 Abs. 2 Vo III KUVG [SR 832.140]) beruhen, doch ist die in diesem Sinne betriebene Unfallpflegeversicherung mit der Krankenversicherung naturgemäss derart eng verbunden, dass ihre Unterstellung unter das KUVG - soweit ersichtlich - nirgends bestritten wird (vgl. BGE 111 V 139 und RKUV 1987 Nr. K 752 S. 424, 1984 Nr. K 568 S. 45, je mit Hinweisen; J. HOPPLER-WYSS, Die von den Krankenkassen betriebenen und angebotenen Versicherungsarten, Freiburger Diss. 1983, S. 106 ff.; vgl. ferner MAURER, Schweizerisches Sozialversicherungsrecht, Bern 1981, Bd. II, S. 314 und M. DOBER, Verfahrensrecht in der sozialen Krankenversicherung des Bundes, Berner Diss. 1986, S. 165). Ebensowenig scheitert die sachliche Zuständigkeit des Schiedsgerichtes daran, dass der letzte zwischen dem Kantonalverband Bernischer Krankenkassen und der Ärztegesellschaft des Kantons Bern bestehende Vertrag und Tarif vom 12. Dezember 1986 auf Ende 1992 ausser Kraft gesetzt wurde. Abgesehen davon, dass die der vorliegenden Streitsache zugrundeliegende ärztliche Behandlung noch vollständig unter der Herrschaft des betreffenden Vertrages stattgefunden hatte, wäre die Vorinstanz auch dann zuständig gewesen, wenn der Beschwerdeführer erst nach Inkraftsetzung des auf der Grundlage des letzten Vertrages festgelegten Rahmentarifs ( Art. 22bis KUVG ; Beschluss des Regierungsrates des Kantons Bern vom 16. September 1987 zum KUVG [BSG 842.011.2]) tätig geworden wäre (vgl. F. SCHÄREN, Die Stellung des Arztes in der sozialen Krankenversicherung, Zürcher Diss. 1973, S. 362). 4. Muss nach dem Gesagten die sachliche Zuständigkeit des Schiedsgerichtes nach Art. 25 KUVG bejaht werden, gilt es im folgenden zu prüfen, ob die Vorinstanz unter dem Gesichtspunkt des schützenswerten Feststellungsinteresses zu Recht auf die Klage eingetreten ist. a) Das Eidg. Versicherungsgericht pflegt dabei auch im Bereich von Art. 25 KUVG die im Zusammenhang mit Art. 5 Abs. 1 lit. b und Art. 25 VwVG entwickelten Kriterien anzuwenden (unveröffentlichtes Urteil M.G. vom 31. Januar 1991; nicht veröffentlichte Erw. 4b des in BGE 119 V 309 publizierten Urteils X und Y vom 2. Juni 1993). Der Erlass einer Feststellungsverfügung im Sinne dieser Bestimmungen ist nach der Rechtsprechung dann zulässig, wenn ein schutzwürdiges, mithin rechtliches oder tatsächliches und aktuelles Interesse an der sofortigen Feststellung BGE 121 V 311 S. 318 des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses nachgewiesen ist, dem keine erheblichen öffentlichen oder privaten Interessen entgegenstehen, und wenn dieses schutzwürdige Interesse nicht durch eine rechtsgestaltende Verfügung gewahrt werden kann ( BGE 114 V 202 Erw. 2c mit Hinweisen; vgl. ferner BGE 120 V 302 Erw. 2a, BGE 119 V 13 Erw. 2a). Das Eidg. Versicherungsgericht verneinte wiederholt das schutzwürdige Interesse an der schiedsgerichtlichen Feststellung, dass die Ärzte zur Einhaltung eines Rahmentarifs verpflichtet sind. So führte es in RSKV 1983 Nr. 544 S. 186 der Sache nach aus, die Krankenkassen hätten die Möglichkeit, ihre Rechte gegenüber den Ärzten mit einem rechtsgestaltenden Entscheid zu wahren. Denn sollten sich die am Recht stehenden Ärzte oder einzelne von ihnen nicht an den einschlägigen Tarif halten, so könne die betroffene Kasse erneut an das Schiedsgericht gelangen und die wegen unrechtmässiger Anwendung des Tarifs zuviel berechneten Beträge zurückfordern. Hieran hielt das Gericht in RKUV 1988 Nr. K 764 S. 168 fest. Nach diesem Urteil besteht kein schutzwürdiges Interesse an der schiedsgerichtlichen Feststellung des - theoretischen - Bestehens einer Bindung der Ärzte an einen Rahmenvertrag, da diese Frage in Verbindung mit einem konkreten Streitfall beurteilt werden kann und muss. Schliesslich hat das Eidg. Versicherungsgericht ein schutzwürdiges Interesse auch an der Feststellung verneint, dass die anlässlich von Eintritten in die Krankenkassen einverlangten ärztlichen Berichte der kollektivvertraglichen Tarifierung unterstehen. Dabei gab den Ausschlag, dass es der betroffenen Krankenkasse ohne weiteres möglich und zumutbar gewesen wäre, gegenüber den betroffenen Ärzten Rechnungen für Leistungen der fraglichen Art nicht zu bezahlen und damit eine entsprechende Leistungsklage zu bewirken (unveröffentlichtes Urteil M.G. vom 31. Januar 1991). b) Die vom Beschwerdeführer angehobene Feststellungsklage ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass eine Leistungsklage gegen die Krankenkasse mangels Passivlegitimation von vornherein ausschied, während der Versicherte seinerseits als eigentlicher Schuldner (Art. 15 des Vertrages vom 12. Dezember 1986; Art. 22bis Abs. 7 KUVG ) der ärztlichen Honorarforderung vor dem Schiedsgericht nicht direkt belangt werden konnte ( BGE 97 V 24 am Ende; DOBER, a.a.O., S. 158 oben; MAURER, a.a.O., S. 417 FN 982a; SCHÄREN, a.a.O., S. 360; R. SCHWEIZER, Die kantonalen Schiedsgerichte für Streitigkeiten zwischen Ärzten oder Apothekern und Krankenkassen, Zürich 1957, S. 34). Dem Beschwerdeführer hätte somit im Falle der Säumnis BGE 121 V 311 S. 319 des Versicherten einzig der Zivilweg offengestanden, wobei im Rahmen des Zivilverfahrens die vorfrageweise Prüfung der Anwendbarkeit des Tarifs grundsätzlich möglich gewesen wäre (LEUCH/MARBACH/KELLERHALS, a.a.O., N 1c zu Art. 1, mit Ausführungen auch zur Bindung des Zivilrichters an bestehende Präjudizien). Der Weg an das Schiedsgericht mittels Leistungsbegehren fiel indes auch im vorliegenden Fall nicht völlig ausser Betracht. Immerhin wäre es wenigstens der Krankenkasse gemäss Art. 25 Abs. 3 KUVG möglich gewesen, den Beschwerdeführer vor Vorinstanz ins Recht fassen, sei es in Vertretung des Versicherten auf dessen Ersuchen hin (vgl. BGE 108 V 33 oben, BGE 97 V 22 Erw. 2; vgl. ferner RSKV 1972 Nr. 147 S. 241 am Ende), sei es in selbständiger Prozessführung, allenfalls selbst gegen den Willen des Versicherten (RSKV 1980 Nr. 393 S. 6 Erw. 2; DOBER, a.a.O., S. 159; MAURER, a.a.O., S. 418 FN 982b). c) Nach diesen Darlegungen ist das Vorliegen eines schützenswerten Interesses an einem Feststellungsentscheid insbesondere mit Blick auf die in diesem Zusammenhang ergangene Rechtsprechung (Erw. 4a am Ende) zu verneinen. Denn wenn es das Eidg. Versicherungsgericht für eine Krankenkasse als zumutbar erachtet hat, anstelle der eigenen Feststellungsklage auf dem Wege entsprechenden Verhaltens eine Leistungsklage seitens des Arztes gleichsam zu provozieren (unveröffentlichtes Urteil M.G. vom 31. Januar 1991), ist nicht einzusehen, inwiefern im vorliegenden Fall für den beschwerdeführenden Arzt etwas anderes gelten sollte. Hier hätte es der Beschwerdeführer gleichermassen in der Hand gehabt, mit seiner Rechnungsstellung nach Aufwand eine Leistungsklage der Krankenkasse zu bewirken ( Art. 25 Abs. 3 KUVG ), abgesehen davon, dass ihm auch ein zivilprozessuales Vorgehen gegen den Versicherten möglich gewesen wäre. Dass er damit die Zuständigkeit des Schiedsgerichtes nicht selbst zu begründen vermochte, dass namentlich die Möglichkeit einer Leistungsklage gegen die Kasse ausschied und er sich mit dem ihm offenstehenden Zivilprozess auf ein möglicherweise aufwendigeres Verfahren einzulassen gehabt hätte, ruft nicht nach einer grundsätzlich anderen Bewertung seines Rechtsschutzinteresses. Unter diesen Umständen kann die Frage dahingestellt bleiben, ob sich gegen die Zulässigkeit der angehobenen Feststellungsklage mit Blick auf die Rechtskraftwirkung des daraufhin ergehenden Urteils allenfalls auch einwenden liesse, dass der betroffene Versicherte als Schuldner des streitigen Honorars am BGE 121 V 311 S. 320 vorinstanzlichen Verfahren gar nicht beteiligt war (vgl. LEUCH/MARBACH/KELLERHALS, a.a.O., N 2b am Ende zu Art. 174; KUMMER, in ZBJV 105/1969 S. 69 ff.; STAEHELIN/SUTTER, a.a.O., § 13 Rz. 20; anders freilich BGE 109 II 53 Erw. 2 sowie GULDENER, a.a.O., S. 141 und SCHWEIZER, a.a.O., S. 103). d) Demnach ergibt sich, dass die Vorinstanz mangels schutzwürdigen Feststellungsinteresses zu Unrecht auf die entsprechende Klage des Beschwerdeführers eingetreten ist. Hat sie folglich übersehen, dass es an einer Prozessvoraussetzung fehlte (vgl. GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2 Aufl., Bern 1983, S. 72 und 144; VOGEL, a.a.O., 7. Kap. Rz. 14), und hat sie materiell entschieden, muss dies im Rechtsmittelverfahren von Amtes wegen berücksichtigt werden mit der Folge, dass der angefochtene Entscheid ohne Ausführungen zur Sache aufzuheben ist (vgl. BGE 120 V 29 Erw. 1, BGE 119 V 12 Erw. 1b, 149 Erw. 1b, 312 Erw. 1b, 324 Erw. 3, je mit Hinweisen). 5. (Kostenpunkt)
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Federation