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# Warum haben Beamte einen Sonderstatus? Sie sind Polizisten, Lehrer, arbeiten bei Feuerwehr oder Finanzverwaltung: 1,8 Millionen Beamte gibt es in Deutschland. Sie haben einen Sonderstatus, etwa bei Sozialversicherungen oder dem Streikrecht. Warum ist das so? Juliane Fliegenschmidt erklärt es. Der Sonderstatus der Beamten ist durch das Grundgesetz festgeschrieben: Sie verpflichten sich per Schwur der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Im Gegenzug sollen sie und ihre Familien sich nicht um den Lebensunterhalt sorgen müssen: Sie werden vom Staat "alimentiert" - so das Fachwort für die Versorgung durch den Staat. Dadurch sollen sie weniger anfällig für Korruption sein. Auf der anderen Seite haben sie kein Streikrecht und können jederzeit versetzt werden. Beamte stehen außerhalb des Sozialversicherungssystems in Deutschland, in die der größte Teil der 33 Millionen abhängig Beschäftigten einzahlt. So sind Beamte unkündbar - und zahlen deshalb nicht in die Arbeitslosenversicherung ein. Wenn sie in den Ruhestand gehen, werden ihre Pensionen aus Steuergeldern finanziert. Deshalb zahlen sie auch nicht in die Rentenkasse ein. Bei der Krankenversicherung können sich Beamte entscheiden, ob sie privat oder gesetzlich versichert sein wollen. Die meisten entscheiden sich für die private, weil der Staat eine Beihilfe im Krankheitsfall zu den Kosten zahlt - aber nicht den Arbeitgeberanteil für die gesetzliche Krankenversicherung übernimmt.  Größter Unterschied: die Pensionen Besonders auffällig werden die Unterschiede im Ruhestand. Angestellte zahlen in die Rentenversicherung ein. Bei der Berechnung der Rente spielt das Gehalt des ganzen Lebens eine Rolle. So fließen Phasen mit wenig Gehalt mindernd in die Rente ein. Dagegen werden die Pensionen der ehemaligen Beamten aus Steuergeldern bezahlt. Für die Berechnung spielt nur die letzte und damit meist höchste Gehaltsstufe eine Rolle. Abhängig von der Anzahl der Berufsjahre berechnet sich dann die Pension: Wer es schafft, 40 Jahre als Beamter zu arbeiten, bekommt den Höchstsatz von 71 Prozent des letzten Gehalts. Der Alterssicherungsbericht der Bundesregierung zeigt, wie unterschiedlich Rentner und Pensionäre dastehen: Die durchschnittliche Rente liegt bei 960 Euro, die durchschnittliche Beamtenpension bei 2873 Euro. Allerdings sind Beamte im Schnitt auch besser qualifiziert als der durchschnittliche Arbeitnehmer. Außerdem bekommen manche Rentner zusätzlich noch eine Betriebsrente. Das fällt bei Beamten weg. Und Beamte müssen anders als Rentner ihre Pensionen voll versteuern. Die Kluft zwischen Rentnern und Pensionären ist also nicht so groß wie auf den ersten Blick angenommen - aber nicht alle Unterschiede können so erklärt werden. Denn 80 Prozent der männlichen Rentner bekommen nicht mal das, was Beamte als Mindestpension bekommen: 1500 Euro. Allerdings hängt die Pension vom Verdienst ab - und je nach Beruf gibt es große Unterschiede, was Beamte verdienen: So verdienen Feuerwehrleute im mittleren Dienst in Nordrhein-Westfalen zum Beispiel zwischen 2300 und 3000 Euro brutto - das ist im Verhältnis zu ihrer Verantwortung nicht gerade viel. Was kostet das die Steuerzahler? 54,9 Milliarden Euro zahlten Bund und Länder 2014 für Pensionen und Beihilfe. Das sind immerhin 8,5 Prozent des gesamten Steueraufkommens. Tendenz steigend: Denn in den 1970er-Jahren wurden viele zusätzliche Beamte eingestellt, die in den nächsten zehn Jahren pensioniert werden. Davon werden vor allem die westlichen Bundesländer betroffen sein, zum Beispiel Nordrhein-Westfalen: Hier erwartet das Finanzministerium eine Kostenexplosion von 34 Prozent bis 2040. Manche Bundesländer haben dafür Versorgungsrücklagen gebildet - doch viele Verwaltungsexperten warnen, dass das nur ein Tropfen auf den heißen Stein sei. Hohe Kosten - und das obwohl Deutschland im internationalen Vergleich wenig Beschäftigte im öffentlichen Dienst hat: Laut OECD steht Deutschland erst auf Platz 27, wenn man die Anzahl der Beschäftigten im öffentlichen Dienst mit der Anzahl aller Arbeitnehmer vergleicht.  Nur elf Prozent aller Beschäftigten arbeiten in Deutschland im öffentlichen Dienst - und davon ist auch nur rund ein Drittel verbeamtet. Damit steht Deutschland weit hinter Spitzenreiter Norwegen mit fast 30 Prozent im öffentlichen Dienst, aber auch hinter Ländern wie Frankreich, Großbritannien oder den USA. Vorbild Hamburg? Auch Beamte sollen solidarisch mit den anderen Arbeitnehmern in die Gesetzliche Krankenversicherung einzahlen: Diese Forderung wird immer mal wieder diskutiert. In Hamburg soll das nun wahlweise möglich sein. Wer dort verbeamtet wird, kann sich demnächst zwischen privater und gesetzlicher Kasse entscheiden. Der Stadtstaat übernimmt den gesetzlichen Arbeitnehmeranteil. Könnte das Hamburger Modell Vorbild für ganz Deutschland sein? Es würde, zumindest kurzfristig, jedenfalls sehr teuer werden: Je mehr Beamte sich freiwillig gesetzlich versichern lassen, desto höher die Arbeitnehmerkosten, die der Staat tragen muss. Dafür dürfte es langfristig wohl billiger werden. Denn für gesetzlich Versicherte muss der Staat keine kostspieligen Beihilfen zahlen. Die schlagen vor allem bei älteren Versicherten zu Buche. Und das Beamtentum gleich komplett abschaffen? Das verbietet das Grundgesetz: Hoheitliche Aufgaben sollen von Beamten ausgeführt werden.
# Was ist die "Konservative Revolution"? Eine "Konservative Revolution" hat CSU-Politiker Dobrindt gefordert - und dafür viel Kritik geerntet. Denn der Begriff hat eine lange Geschichte und wurde vor allem geprägt durch einen Publizisten, der nach dem Krieg die deutsche Rechte vom Nationalsozialismus reinwaschen wollte. "Auf die linke Revolution der Eliten folgt eine konservative Revolution der Bürger", schrieb der Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt, gerade in einem Gastbeitrag für "Die Welt", und weiter: "Wir unterstützen diese Revolution und sind ihre Stimme in der Politik." Wenn Dobrindt von einer "Konservativen Revolution" spricht, verwendet er - bewusst oder unbewusst - einen Begriff, der einen historischen Hintergrund hat. Schon in der Weimarer Zeit tauchte dieser als politischer Kampfbegriff auf. Nach dem Zweiten Weltkrieg griff der Schweizer Armin Mohler auf die "Konservative Revolution" zurück. Mohler gilt als ein Vordenker der Neuen Rechten, der als Publizist "Zeit seines Lebens zwischen Nationalsozialismus, europäischem Faschismus und Radikalkonservatismus" changierte, wie ihn der Historiker Volker Weiß beschreibt. Mohler verfasste 1949 eine Dissertation mit dem Titel "Die Konservative Revolution in Deutschland 1918 - 1932", die er später zu einem Handbuch erweiterte. Weiß zufolge versuchte Mohler aus verschiedensten Autoren des deutschen Radikalnationalismus eine eigenständige Denkschule zu entwickeln, die nichts mit dem Dritten Reich und den Nazis zu tun haben sollte. Gratwanderung "zwischen Mythos und Wissenschaft" Mohler wollte so den Rechten nach dem Zweiten Weltkrieg eine Orientierungshilfe geben, wie der Historiker Helmut Kellershohn erklärt. Die Konstruktion einer intellektuellen, von den Nazis unbelasteten Rechten sei ihm jedoch nicht gelungen, da eine klare Trennung vom Nationalsozialismus in Fällen wie den "Völkischen", die Mohler zu jenen Intellektuellen zählte, gar nicht möglich sei. Das Werk sei eine Gratwanderung "zwischen Mythos und Wissenschaft", so Kellershohn. Mohler habe "gewagte Konstruktionen, Auslassungen und Legenden" verwendet, schreibt der Historiker Weiß. Er habe "einerseits höchst heterogene Phänomene aufseiten der Rechten" zusammengefasst, "um sie andererseits mit dem gemeinsamen Merkmal zu versehen, nichts mit dem Nationalsozialismus zu tun zu haben", so Weiß. "Mit der Erfindung einer 'Konservativen Revolution' sollte der durch Nationalsozialismus, Shoah und Kriegsniederlage belasteten deutschen Rechten wieder zu einer positiven Tradition verholfen werden", fasst der Historiker zusammen. Von Legenden umrankte Biografie Weiß verweist darauf, dass die Dissertation Mohlers eng mit dessen Biographie verbunden war und zitiert einen Brief von Mohlers Doktorvater, dem deutschen Philosophen Karl Jaspers, an seinen Studenten: Ihre Arbeit ist eine großangelegte Entnazifizierung dieser Autoren, die besticht und heute in Deutschland mit Begierde gelesen werden wird. Wenn ich nicht wüsste, dass Deutschland politisch nichts mehr zu sagen hat, sondern dass alles auf USA und Russland ankommt, könnte ich die Verantwortung für ihre Dissertation nicht übernehmen. Da sie aber bloß begrenzten Unfug stiften wird, nehme ich sie an. Der Schweizer Mohler, der 1920 in Basel zur Welt kam, hat eine schillernde, von Legenden umrankte Biografie. Zu den wichtigsten Aspekten seines Lebens zählt, dass er 1942 versuchte, sich als Freiwilliger bei der Waffen-SS zu melden. Sein Ziel, in deutscher Uniform gegen die Sowjetunion zu kämpfen, habe er aber nie erreicht, schreibt Weiß. Nach seiner Rückkehr in die Schweiz musste Mohler eine Haftstrafe absitzen. Die Dissertation und viele bereits geknüpfte Verbindungen eröffneten Mohler eine Karriere in der Bundesrepublik, zunächst als Privatsekretär des Schriftstellers Ernst Jünger, dann als Korrespondent in Paris, von wo er unter anderem für die "Zeit" schrieb, bis hin zu Beratertätigkeit für den CSU-Politiker Franz Josef Strauß. Er scharte junge Autoren um sich, mit denen er eine "Nationale Opposition" aufbauen wollte. Vordenker der Neuen Rechten Auf seine Jahre in Paris gehen Verbindungen zur französischen Nouvelle Droite (Neue Rechte) um den Publizisten Alain de Benoist und seinen Think Tank Groupement de Recherche et des Étudiants Nationalistes (GRECE) zurück. Er brachte ihnen Jünger, Oswald Spengler, Arthur Moeller van den Bruck und Carl Schmitt nahe. Die Nouvelle Droite wiederum lieferte der Neuen Rechten in Deutschland wichtige Impulse. Mohler selbst isolierte sich politisch jedoch im Laufe der Jahre und geriet sogar mit der Zeitung "Junge Freiheit" in Konflikt, die mit dem Slogan "Jedes Abo eine konservative Revolution" warb. Doch den Neuen Rechten in Deutschland gilt er als Vordenker. Einer ihrer Hauptvertreter, Karlheinz Weißmann, sah sich als Schüler Mohlers und fertigte eine Biografie über ihn an, die im Verlag Antaios von Götz Kubitschek herausgegeben wurde. Weißmann würdigte Mohler nach dessen Tod 2003: Er habe stärker als jeder andere Vertreter der rechten Intelligenz prägend gewirkt. Der Historiker Weiß zweifelt jedoch, ob Mohler eine epochale Wirkung für den Konservatismus hat. Vielmehr sei er ein zentraler Denker der äußersten Rechten gewesen, der den Hauptfeind im Liberalismus gesehen habe. Volker Weiß: Die Autoritäre Revolte. Die Neue Rechte und der Untergang des Abendlandes Thomas Wagner: Die Angstmacher: 1968 und die Neuen Rechten Helmut Kellershohn: Zwischen Wissenschaft und Mythos. Einige Anmerkungen zu Armin Mohlers "Konservativer Revolution"
# Einen schmutzigen Deal darf es nicht geben Außenminister Gabriel hat der Türkei für die Freilassung von "Welt"-Korrespondent Yücel Rüstungsdeals in Aussicht gestellt. Aber eine Geiselhaft beendet man nicht, indem man dem Geiselnehmer zur Belohnung Waffen liefert. Niemand wird bestreiten, dass sich Sigmar Gabriel seit Monaten mit großem Einsatz um die Freilassung von Deniz Yücel und allen anderen deutschen Gefangenen in türkischen Gefängnissen müht. Dass es dabei zuletzt positive Signale gab, ist auch ein Erfolg seiner bisher klugen Balance aus klarer Kante und behutsamer Diplomatie. In dieses Bild passt auch die Einladung an seinen türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu nach Goslar. Umso fataler, dass Gabriel einen Tag vor diesem Besuch nun im "Spiegel" die Genehmigung großer Rüstungsdeal für den Moment der Freilassung von Yücel in Aussicht gestellt hat. Käme es dazu, wäre das wohl der zynischste Deal des Jahres. Waffen gegen Freilassung? Zynisch nicht zuletzt gegenüber dem Korrespondenten der "Welt", der sich in seiner journalistischen Arbeit oft mit dem brutalen Vorgehen der türkischen Sicherheitskräfte beschäftigt hat. Möchte Gabriel ihm wirklich sagen, dass der Preis für seine Freilassung die weitere Aufrüstung der türkischen Armee mit Waffen von Rheinmetall ist? Rüstungsexporte haben nichts mit Yücel zu tun Der überfällige Stopp der Rüstungsexporte an die Türkei hat weder politisch noch juristisch irgendetwas mit Deniz Yücel zu tun. Dieser Stopp war und ist notwendig, weil die Türkei mit ihren massiven Menschenrechtsverletzungen und ihrem militärischen Vorgehen im Kurdengebiet die rechtlichen Kriterien des Kriegswaffenkontrollgesetzes sowie der Richtlinien zu Rüstungsexporten flagrant verletzt - und das schon seit Jahren. Daran würde sich auch nach der Freilassung von Yücel nichts ändern. Stattdessen könnte allenfalls die Aufhebung des seit dem gescheiterten Putsch 2016 geltenden Ausnahmezustands ein Indiz dafür sein, die Lage neu zu bewerten. Gabriel läuft mit seiner Äußerung im "Spiegel" Gefahr, mit dem Hintern einzureißen, was er zuvor mühsam aufgebaut hat. Keine Belohnung für Geiselnehmer Wenn er heute mit seinem türkischen Kollegen zusammen kommt, sollte er deshalb hinter verschlossenen Türen ebenso wie in seinem öffentlichen Statement nicht den geringsten Zweifel lassen, dass die Forderung nach Freilassung von Yücel unverhandelbar ist. Eine Geiselhaft beendet man nicht, indem man dem Geiselnehmer zur Belohnung Waffen liefert.
# Kritik - mit dem Feingefühl der EU EU-Kommissionschef Juncker weist Vorwürfe zurück, die Europäische Union würde sich nicht klar genug auf die Seite der Demonstranten im Iran stellen. Im Interview mit tagesschau.de fällt seine Kritik an Teheran dennoch gemäßigt aus. Auch zu den USA äußert er sich. tagesschau.de: Seit Tagen gibt es im Iran Demonstrationen. Der Sicherheitsrat beschäftigt sich mit dem Thema. Warum stellt sich die EU in diesem Konflikt nicht deutlich auf die Seite derjenigen, die derzeit in Teheran auf die Straße gehen? Juncker: Die Außenbeauftragte der Europäischen Kommission und der Europäischen Union, Federica Mogherini, hat den Standpunkt ganz klar gemacht: Wir sind dafür - wie könnten wir eigentlich dagegen sein -, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung im Iran voll umfänglich respektiert wird. Wir sind der Auffassung, dass es einen Dialog braucht zwischen auseinander strebenden Kräften, die es im Iran zu beobachten gibt. Und wir hoffen, dass die Vernunft obsiegt. tagesschau.de: US-Präsident Trump fordert einen Wechsel im Iran. Halten Sie das, was die USA machen, für falsch? Juncker: Diplomatie ist die Kunst des Feingefühls. tagesschau.de: Fühlen sich die Leute, die da demonstrieren, nicht ein bisschen allein gelassen? Juncker: Das würde ich so nicht sagen. Wenn wir zum Ausdruck bringen, dass wir das Recht auf freie Meinungsäußerung gewährt sehen wollen, dass wir dem Prinzip der Gewaltlosigkeit sehr anhängen, dann ist das doch ein deutlicher Hinweis darauf, dass wir die Art und Weise, wie einige im Iran auf diese Krise reagieren, nicht gutheißen können. tagesschau.de: Haben Sie konkrete Erwartungen, wie sich die Regierung in Teheran verhalten soll? Juncker: Erstmal muss man zu Kenntnis nehmen, dass die Demonstrationen zugelassen werden und dass die führenden Politiker im Iran auch zum Ausdruck gebracht haben, dass jeder das Recht auf Meinungsäußerung hat. Das war vor Jahren nicht so. Es tagt der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Alles Weitere wird von der Beschlusslage abhängen, die danach eingetreten sein wird. tagesschau.de: Was auch mit reinspielt, ist der Atomdeal mit dem Iran. Der wurde unter starker Beteiligung der EU ausgehandelt und wird von den USA infrage gestellt. Muss man darüber neu reden? Juncker: Nein. Wir sind der Auffassung dass dieser Atomdeal - so wird er ja genannt - in Gänze zur Anwendung gebracht werden muss. Wir sehen keine Notwendigkeit nachzuverhandeln. tagesschau.de: Und um das zu sichern, halten Sie sich zurück, die Demonstrationen zu kommentieren, zu kritisieren beziehungsweise denen den Rücken zu stärken? Juncker: Ja, wir kritisieren ja die Demonstranten nicht. Wir sagen nur, dass gewaltlos demonstriert werden muss und dass die staatliche Reaktion auf diese Demonstrationen ebenso gewaltlos sein muss. tagesschau.de: Ist denn die Regierung im Iran eine, die die Menschenrechte respektiert? Juncker: Ich habe nicht den Eindruck, dass die Menschenrechte in Gänze respektiert würden vom Iran. Das Justizsystem ist nicht so geartet, wie wir denken, dass Justizsysteme geartet sein müssten. Pressefreiheit ist ein relativer Begriff. Im Iran - leider nicht nur im Iran -  ist Internet-Zugang nicht so geregelt wie in älteren Demokratie üblich. Über all dies muss man mit unseren iranischen Kollegen reden. tagesschau.de: Macht es Ihnen Sorgen, dass es wieder ein Politikfeld gibt, auf dem die Außenpolitik der EU und der USA auseinander laufen? Juncker: Es hat nie einen Zeitpunkt gegeben, wo die Außenpolitik der USA und der Europäischen Union linear und parallel verlaufen. Es hat immer außenpolitische Konflikte und Reibungspunkte gegeben. Die Zahl derer hat sich in den vergangenen Jahren, im vergangenen Jahr vermehrt. Darüber befinden wir uns regelmäßig im Gespräch mit unseren amerikanischen Freunden. tagesschau.de: Ist das ein Problem? Juncker: Es ist ein Problem, wenn die Zahl der Punkte sich weiter nach oben bewegen würde, in denen wir nicht zu einer gemeinsamen Haltung kommen. tagesschau.de: Sind Sie bereit, im Fall Iran auch eine aktivere Rolle einzunehmen? Juncker: Man muss die Ereignisse sehr genau beobachten, ohne den Eindruck zu erwecken, sich von außen in ungebührlicher Art und Weise in die inneren Angelegenheiten des Iran einzumischen. Da wird man sehr genau prüfen müssen, welche Einflussnahme die Europäische Union haben kann.
# Yücel gegen Panzer? Vor dem Treffen der beiden Außenminister Gabriel und Cavusoglu gibt es in Ankara Überlegungen, wie eine Freilassung des "Welt"-Journalisten Yücels aus türkischer Haft stattfinden könnte. Offenbar fordert die Türkei die Unterstützung Berlins bei Rüstungsprojekten. "Freundschaft, Zusammenarbeit, Neustart!" Mit diesen Worten spielt der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu in einem Gastbeitrag für die Funke-Mediengruppe vor seinem Besuch morgen beim deutschen Kollegen Sigmar Gabriel in dessen Heimatstadt Goslar versöhnliche Töne auf der diplomatischen Klaviatur. Die Regierung in Ankara zeigt seit Wochen deutliches Interesse an einer Normalisierung im Verhältnis zu Berlin. Die Freilassung des Menschenrechtsaktivisten Peter Steudtner im Oktober und der deutschen Journalistin Mesale Tolu kurz vor Weihnachten wurden in Berlin als Signale der Versöhnung gewertet. Dennoch betont die Bundesregierung immer wieder, dass auch Deniz Yücel, der seit Anfang 2017 in der Türkei inhaftierte Korrespondent der Tageszeitung "Die Welt" freikommen müsste. Bewegung im Fall Yücel Da die türkische Regierung nach zehn Monaten beim türkischen Verfassungsgericht eine Stellungnahme zu Yücels Beschwerde gegen seine Untersuchungshaft eingereicht hat, kommt nun Bewegung in den Fall. Aufgrund aus deutscher Sicht eher fadenscheiniger Argumente wird Yücel Terrorpropaganda und Volksverhetzung vorgeworfen. Von Agententätigkeit, wie es im Frühjahr 2017 der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan dem deutsch-türkischen Journalisten vorwarf, ist in der Stellungnahme keine Rede. "Die Welt" berichtete, das Verfassungsgericht habe Yücel und dessen Anwälten zwei Wochen Zeit für eine Reaktion gegeben. Nach ARD-Informationen gibt es in Ankara seit Wochen Überlegungen, wie eine zeitnahe Freilassung Yücels stattfinden könnte. Begeisterung dürfte in Ankara ein am Nachmittag veröffentlichtes "Spiegel"-Interview des deutschen Außenministers Gabriel auslösen. Darin verknüpft er eine Wiederaufnahme von deutschen Rüstungsexporten in die Türkei mit der Freilassung Yücels. Kooperation zur Panzer-Entwicklung Anfang Januar hatte Cavusoglu deutlich gemacht, wenn Deutschland sich einen Schritt auf die Türkei zubewege, gehe die Türkei zwei Schritte auf Deutschland zu. Beobachter fragen sich, was er mit diesem Satz gemeint haben könnte. Ein Thema, das Ankara seit Monaten beschäftigt, ist die Kooperation des deutschen Rüstungsunternehmens Rheinmetall mit dem türkischen Lastwagenhersteller BMC. Der NATO-Partner Türkei will Milliarden in den Kampfpanzer "Altay" investieren. So gründeten Rheinmetall und BMC 2016 das Gemeinschaftsunternehmen RBSS mit Firmensitz in Ankara. Damals war man offenbar noch frohen Mutes, dass eine gemeinsame "Altay"-Entwicklung zustande kommen könnte. Verstöße der Türkei gegen Menschenrechte Doch die aus Berliner Sicht gravierenden Verstöße des türkischen Staats gegen Menschenrechte, inklusive Verhaftungen deutscher Staatsbürger aus politischen Gründen, ließen das Projekt einfrieren. Rheinmetall Chef Pappberger sagte im Oktober 2017 der Deutschen Presse-Agentur, dass sein Unternehmen über RBSS an der Entwicklung des "Altay" beteiligt sein könnte. Ohne eine Exportgenehmigung der Bundesregierung dürften jedoch keine Teile aus deutscher Entwicklung, Baupläne oder technisches Know-how aus Deutschland verwendet werden. In einem Zeitraum von fünf bis zehn Jahren müsste eine Neuentwicklung stattfindet. Aber das sah Pappberger damals skeptisch. "Wenn die jetzt die Panzer schnell haben wollen, ist das unrealistisch." Türkische Regierung weiterhin interessiert Yasar Aydin, Türkeiexperte an der evangelischen Hochschule Hamburg, weiß, Ankara sei weiterhin interessiert, "in Zusammenarbeit mit Rhein-Metall türkische Panzer herzustellen und hofft, im Zuge des Tauwetters mit Berlin, dafür grünes Licht von der Bundesregierung zu bekommen". Vieles spricht dafür, dass sich Cavusoglu morgen in Goslar mit Gabriel einig sein wird, dass Panzer gegen Yücels Freilassung ein guter Deal sei. Doch im Bundestag ist der Widerstand deutlich. Kritik aus mehreren Lagern Gabriels Parteifreund Rolf Mützenich, derzeit als SPD-Bundestagsabgeordneter zuständig für verteidigungspolitische Fragen, hält solch eine Verknüpfung für "falsch". Er sagt, er halte es für sehr unglücklich, dass man rechtsstaatliche Fragen und Menschenrechtsfragen mit Rüstungsthemen vermenge. Der Verteidigungsexperte der Grünen im Bundestag, Tobias Lindner, sieht das ähnlich und macht deutlich, dass die Menschenrechtslage in der Türkei nach wie vor unbefriedigend sei. "Rüstungsexporte oder der Bau einer Panzerfabrik in dieser Region sind unverantwortlich." Michael Brand, Menschenrechtsbeauftragter der Union im Bundestag, setzt sich seit langem für die Freilassung Yücels ein und formuliert besonders scharf: "Ein schmutziger Deal, der die eigenen Prinzipien über Bord werfen würde, wäre weder im deutschen Staatsinteresse und ganz sicher auch nicht im Interesse Yücels, im Gegenteil."
# "Verhöhnung der Beschlüsse der EU" Erneut hat die CSU den umstrittenen ungarischen Regierungschef Orban eingeladen. Im tagesschau.de-Interview bewertet der ungarische Autor Paul Lendvai seinen Besuch im Kloster Seeon als "Verhöhnung der Beschlüsse der EU" und "Wahlkampf für Orban". tagesschau.de: Welches Zeichen setzt die CSU aus Ihrer Sicht damit, dass sie Viktor Orban ins Kloster Seeon einlädt? Lendvai: Die öffentlich zur Schau gestellte Einladung von Orban von einer wichtigen deutschen Partei ist eine Verhöhnung der Beschlüsse der EU. Schließlich hat sie Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn eingeleitet. Der Mann steht für Abschottung und Nationalisierung in der EU. Und für ihn sind Wladimir Putin und Recep Tayyip Erdogan vorbildhafte Staatschefs. Die Einladung hilft ihm sicherlich. Es ist eine freundliche Wahlempfehlung aus dem europäischen Ausland, denn im April sind Wahlen in Ungarn. "Orban ist Autokrat" tagesschau.de: Was ist das politische Ziel von Orban? Lendvai: Sein politisches Ziel ist die Absicherung seiner uneingeschränkten, persönlichen Herrschaft durch eine sehr scharfe Kampagne gegen zwei Feindbilder: die Europäische Union und gegen den einstigen Gönner seiner Partei, dem aus Ungarn stammenden US-Milliardär George Soros - mit der Begründung, dass dieser die Europäische Kommission und das Europäische Parlament manipuliert, um Flüchtlinge nach Europa einzuschleusen. Orban führt ein autokratisches System vor dem Hintergrund des Feigenblatts der parlamentarischen Demokratie. Es ist aber eine konsolidierte Kleptokratie. Zudem reiht sich Orban ein in die Reihe der Solidaritätsverweigerer innerhalb der EU, das sind diejenigen Länder, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen und dennoch Gelder aus Brüssel aufnehmen. tagesschau.de: Welche von Orbans Reformen halten sie für besonders kritisch? Lendvai: Die schrittweise Entmachtung des Verfassungsgerichts, die Kontrolle der staatlichen Medien und die Übernahme durch seine Familie, Freunde und befreunde Oligarchen sämtlicher wichtiger Zeitungen und Medien in Ungarn. Die Medienfreiheit und die Justiz sind zunehmend unter Kontrolle im Grunde durch eine Gruppe der Orban-nahen Unterstützer. Die EU hat etliche Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn eingeleitet, darunter auch schwerwiegende wie etwa wegen eines NGO-Gesetzes nach russischem Vorbild. "Klare Haltung statt Wahlkampf-taugliche Einladung" tagesschau.de: Reagieren die EU und ihre Vertreter, darunter Kanzlerin Angela Merkel, ausreichend auf das ungarische Verhalten? Lendvai: Nein, das tun sie nicht. Die Kritik, die ja da ist, muss viel klarer geäußert werden. Es kann nicht sein, dass Ungarn Milliarden aus EU-Töpfen bekommt und gleichzeitig die Europäische Union fortlaufend kritisiert und gegen sie mobilisiert. Nun stellt sich Orban auch noch wie ein Schutzschild vor Polen, nachdem ein EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen das Land eingeleitet wurde. In so einer Situation braucht es klare Haltung und nicht Wahlkampf-taugliche Einladungen. Das Interview führte Marie von Mallinckrodt, ARD-Hauptstadtstudio
# Die Deutschen sind GroKo-müde Die Mehrheit der Deutschen lehnt laut DeutschlandTrend eine Neuauflage der GroKo ab. Nach zuletzt 61 Prozent Zustimmung wollen nun nur noch 45 Prozent das Bündnis. Kritisch wird die CSU gesehen. Am Sonntag starten die Sondierungsverhandlungen für eine Koalition aus CDU, CSU und SPD. Eine Neuauflage der Großen Koalition wird in der Bevölkerung mehrheitlich kritisch gesehen. 52 Prozent der Befragten fänden diese weniger gut bzw. schlecht. Das hat eine Umfrage von Infratest dimap für den ARD-DeutschlandTrend ergeben. Kurz nach dem SPD-Parteitag im Dezember, bei dem sich die Delegierten für Sondierungen mit der Union ausgesprochen hatten, lag die Zustimmung für eine Große Koalition noch bei 61 Prozent. 45 Prozent fänden aktuell eine Große Koalition sehr gut bzw. gut. Die Anhänger von CDU und CSU befürworten eine Große Koalition deutlich. Von ihnen fänden 68 Prozent eine Koalition aus Union und SPD sehr gut oder gut, 30 Prozent weniger gut oder schlecht. Die SPD-Anhänger sind in der Frage gespalten: 50 Prozent fänden eine Koalition aus Union und SPD sehr gut oder gut, 49 Prozent weniger gut oder schlecht. Seit der Bundestagswahl hatte es bis Dezember einen kontinuierlichen Anstieg bei der Zustimmung zur Großen Koalition gegeben. Im DeutschlandTrend Anfang Oktober fand eine Große Koalition 33 Prozent Zustimmung, im DeutschlandTrend Anfang November 37 Prozent, nach dem Scheitern der Jamaika-Verhandlungen lag die Zustimmung in der Extra-Befragung am 20. November bei 39 Prozent. Kurz nach dem SPD-Parteitag im Dezember, bei dem sich die Delegierten für Sondierungen mit der Union ausgesprochen hatten, lag die Zustimmung für eine Große Koalition beim DeutschlandTrend im Auftrag des ARD-Morgenmagazins bei 61 Prozent. Der aktuelle Zustimmungswert von 45 Prozent liegt auf einem vergleichbaren Niveau wie im Vorfeld der Bundestagswahl. Sollte es nicht zu einer Koalition aus Union und SPD kommen, werden Neuwahlen wieder populärer. 54 Prozent der Befragten sprächen sich in diesem Fall für Neuwahlen aus, das sind 9 Punkte mehr als im Vormonat. Eine Minderheitsregierung der Union befürworteten dagegen 42 Prozent (minus 9 Punkte). Mehrheit hält die CSU für zu mächtig Die Rolle der CSU bei den anstehenden Sondierungsverhandlungen wird in der Bevölkerung kritisch gesehen. 56 Prozent der Befragten finden, dass die CSU unverhältnismäßig viel Macht in der Union hat. Das bejahen auch 40 Prozent der Unionsanhänger. 69 Prozent der Bürger sind zudem der Meinung, dass der CSU der Wahlkampf in Bayern wichtiger ist, als eine stabile Regierung für Deutschland zu bilden. Von den Anhängern der Union stimmen dieser Aussage 64 Prozent zu. 41 Prozent fänden es gut, wenn man die CSU auch außerhalb Bayerns wählen könnte. 44 Prozent der Unionsanhänger stimmen dieser Aussage zu. Ein Knackpunkt bei den bevorstehenden Verhandlungen könnte auch der Umgang mit dem aktuell ausgesetzten Familiennachzug für Bürgerkriegsflüchtlinge werden. 48 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass der Familiennachzug weiterhin ausgesetzt bleiben soll (plus 6 Punkte im Vergleich zum Vormonat). 41 Prozent finden, dass Familiennachzug für diese Gruppe von Flüchtlingen wieder erlaubt werden sollte (minus 7 Punkte im Vergleich zum Vormonat). Merkel als Kanzlerin? Die Mehrheit findet das gut Zwölf Jahre ist Angela Merkel jetzt Kanzlerin und aktuell wird verstärkt über ihre Zukunft diskutiert. Gut die Hälfte der Befragten, 53 Prozent, fände es gut oder sehr gut, wenn Merkel auch weiterhin als Kanzlerin regieren würde. Dieser Wert ist seit der Bundestagswahl in der Tendenz leicht sinkend. Im Oktober 2017 fanden eine erneute Kanzlerschaft von Merkel noch 61 Prozent der Befragten sehr gut oder gut. Aktuell fänden es 45 Prozent dagegen weniger gut bzw. schlecht, wenn Merkel weiterhin Kanzlerin wäre. In der Frage, ob Merkel die ganze Amtszeit regieren sollte, sind die Bürger eher gespalten. 49 Prozent der Befragten sind der Ansicht, dass Merkel dann die volle Amtszeit absolvieren solle. 45 Prozent finden, sie sollte vorzeitig für einen Nachfolger beziehungsweise eine Nachfolgerin Platz machen. Hier zeigt sich in der Bevölkerung also ein Wunsch nach personeller Veränderung. 65 Prozent der Befragten halten Merkel zwar für eine gute Bundeskanzlerin und 70 Prozent finden, dass sie für politische Stabilität steht. Fast ebenso viele Befragte, 67 Prozent, finden allerdings, dass Merkel ihre besten Zeiten als Bundeskanzlerin hinter sich hat. Eine personelle Erneuerung in der CDU befürworten 75 Prozent der Befragten. Bei den Unionsanhängern befürworten 60 Prozent diese Aussage. Wichtigstes politisches Thema in diesem Jahr weiterhin Flüchtlinge Am Jahresanfang werden im DeutschlandTrend in einer offenen Frage regelmäßig die wichtigsten politischen Themen abgefragt. Weiterhin wichtigstes Thema, um das sich die kommende Bundesregierung in diesem Jahr kümmern sollte, ist das Themengebiet Flüchtlinge, Asylpolitik und Integration. 27 Prozent haben dieses Themengebiet als wichtigstes genannt. Das Thema hat an Bedeutung allerdings im Vergleich zum Vorjahr nachgelassen. Im vergangenen Januar nannten dies noch 40 Prozent der Befragten als das wichtigste Thema. Am zweithäufigsten, aber mit deutlichem Abstand, wird Anfang 2018 das Thema Soziales, soziale Gerechtigkeit, sozialer Frieden genannt. 10 Prozent halten dies für das wichtigste Themenfeld (plus 3 Punkte im Vergleich zum vorigen Januar). Bildung wird als wichtigstes Thema von 7 Prozent der Befragten genannt (plus 3 Punkte im Vergleich zum vorigen Januar). Schulz erreicht bei Zufriedenheit Tiefstwert In der Liste der beliebten Politiker muss Martin Schulz die stärksten Verluste hinnehmen. Der SPD-Parteivorsitzende verliert im Vergleich zum Vormonat 9 Punkte und kommt auf 30 Prozent Zustimmung. Das ist der niedrigste Wert, der im ARD-DeutschlandTrend bisher für ihn gemessen wurde. Außenminister Sigmar Gabriel erreicht 62 Prozent Zustimmung (-3). Mit der Arbeit des Parteivorsitzenden der Grünen, Cem Özdemir, sind 53 Prozent der Befragten zufrieden bzw. sehr zufrieden (-4). Bundeskanzlerin Angela Merkel verliert im Vergleich zum Vormonat 2 Punkte und kommt auf 52 Prozent Zustimmung. Der Chef des Bundeskanzleramtes und Interims-Finanzminister Peter Altmaier (CDU) erreicht 41 Prozent Zustimmung (+ 1). Mit der Arbeit der Fraktionsvorsitzenden der Linken, Sahra Wagenknecht, sind 35 Prozent zufrieden (minus 4 im Vergleich zum November 2017). Der CSU-Vorsitzende und bayrische Noch-Ministerpräsident Horst Seehofer gewinnt im Vergleich zum Vormonat 3 Punkte und kommt auf 34 Prozent Zustimmung. Die SPD-Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles büßt mit 33 Prozent Zustimmung 7 Punkte im Vergleich zum Vormonat ein. Christian Lindner, FDP-Partei- und Fraktionsvorsitzender, erhält 27 Prozent Zustimmung (-1). Mit der Arbeit der AfD-Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel sind 9 Prozent der Befragten sehr zufrieden oder zufrieden (-3 im Vergleich zu Ende September). Bei der Sonntagsfrage gibt es kaum Veränderungen: Wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre, dann bliebe die Union stärkste Kraft mit 33 Prozent - ein Punkt mehr als im Vormonat. Die SPD käme auf 21 Prozent, keine Veränderung. Die AfD bliebe stabil bei 13 Prozent, die FDP ebenfalls stabil bei 9 Prozent. Die Linke käme auf 9 Prozent und verliert damit einen Punkt im Vergleich zum Vormonat. Die Grünen bleiben unverändert bei 11 Prozent.
# Was Nutzer jetzt wissen sollten Eine neue Computer-Sicherheitslücke sorgt weltweit für Schlagzeilen. Das liegt vor allem daran, dass sich die Lücke nicht auf bestimmte Geräte oder Betriebssysteme beschränkt, sondern möglicherweise in Milliarden Geräten weltweit zu finden ist. Vom klassischen PC und dem Notebook über Server bis hin zu Smartphones. Was Nutzer jetzt wissen sollen - wir beantworten die wichtigsten Fragen in unserem FAQ. Bin ich auch betroffen? Fragt man Sicherheitsforscher, ist die Antwort klar: "Höchstwahrscheinlich ja". Das liegt zum einen daran, dass diese Sicherheitslücke sich in einer Technik befindet, die seit über 20 Jahren in viele Prozessoren eingebaut wird. Zum anderen hängt es damit zusammen, dass wir immer mehr Geräte nutzen, in denen Prozessoren eingesetzt werden. Von der aktuellen Lücke können vor allem klassische PCs und Notebooks, Smartphones und Tablets betroffen sein. Wie funktioniert diese Sicherheitslücke überhaupt? Das Problem steckt im Prozessor der Geräte, genauer gesagt in einer bestimmten Funktion. Um die Prozessoren möglichst gut auszulasten, übernehmen sie in ruhigeren Zeiten Aufgaben, die möglicherweise erst später gebraucht werden. In dieser Technik haben Sicherheitsforscher eine Lücke entdeckt, die es möglich macht, auf alle Daten der Geräte zuzugreifen - auch auf persönliche Daten wie Passwörter. Welche Prozessoren haben das Problem? Der Prozessorhersteller Intel hat das Problem für einen Großteil seiner Prozessoren eingeräumt. Daneben gibt es zwei weitere, große Prozessorhersteller: AMD und ARM. Bei AMD-Prozessoren ist die Lage noch unübersichtlich; das Unternehmen selbst hat am Mittwoch dementiert, dass es von den Problemen betroffen ist, Sicherheitsforscher dagegen haben auch AMD-Prozessoren auf ihrer Liste. ARM-Prozessoren, die vor allem in Smartphones und anderen mobilen Geräten eingesetzt werden, sind teilweise betroffen. Der Hersteller hat eine entsprechende Übersicht ins Netz gestellt. Ist mein Smartphone auch betroffen? Das lässt sich noch nicht zuverlässig sagen - die Wahrscheinlichkeit ist aber hoch. In Smartphones werden bevorzugt ARM-Prozessoren eingesetzt, von denen viele Modelle anfällig für die Sicherheitslücke sind. Gerade für Android-Smartphones könnte das ein großes Problem sein, denn viele ältere Geräte werden von den Herstellern nicht mehr mit Updates versorgt, die Sicherheitslücke wird also bestehen bleiben. Wie lässt sich das Problem beseitigen? Per Software-Update lässt sich die Lücke nur zum Teil beseitigen. Die Sicherheitsforscher sehen zwei verschiedene Sicherheits-Szenarien für einen Angriff: "Meltdown" und "Spectre". Das "Meltdown"-Problem lässt sich per Software-Update lösen, die "Spectre"-Sicherheitslücke dagegen nicht direkt. Dort kann ein Update erst dann helfen, wenn entsprechende Schadprogramme, die diese Lücke nutzen, im PC erkannt wurden. Gibt es schon Updates? Ja, Microsoft hat bereits ein Not-Update für Windows 10 bereitgestellt, dieses trägt die Kennummer KB4056890 und kann über die Update-Funktion des Betriebssystems installiert werden. Auch für Apple-Computern gibt es schon ein Update; die Lücke wurde Anfang September mit der Aktualisierung auf die Version 10.13.2 geschlossen. Wer alle aktuellen Updates eingespielt hat, ist damit erst einmal sicher vor Angriffen. Ähnlich sieht es bei Linux aus, auch hier gibt es erste Updates, die das System sicher machen sollen. Werden PCs durch das Update langsamer? Wahrscheinlich ja: Sicherheitsforscher sind in einer ersten Schätzung davon ausgegangen, dass ein Update PCs um bis zu 30 Prozent ausbremsen wird. Der Prozessor-Hersteller Intel widerspricht und geht von maximal zwei Prozent Geschwindigkeitsverlust aus. Wie sich die Updates in der Praxis bemerkbar machen, muss sich erst noch zeigen - Forscher gehen aber davon aus, dass die Updates im Laufe der Zeit besser werden und PCs kaum noch ausbremsen werden. Muss ich Angst um meine persönlichen Daten haben? Jein. Die Sicherheitslücke ist massiv und bietet Hackern bisher ungeahnte Möglichkeiten. Die Profis werden sich aber vor allem auf Rechenzentren mit Cloud-Daten stürzen. Die sind auch von der Sicherheitslücke betroffen. Dort werden teilweise Daten von Millionen Nutzern gespeichert, was sie als Angriffsziele viel interessanter macht als die PCs einzelner Nutzer.
# Zu wenig Wohnungen, zu wenig Hilfe Schätzungsweise 860.000 Menschen in Deutschland haben keine Wohnung. Schuld ist nach Auffassung von Wohnungshilfeorganisationen vor allem der angespannte Mietmarkt. Und Abhilfe ist nicht in Sicht. Der Weg in die Obdachlosigkeit beginnt bei vielen ähnlich: Prekäre Arbeitsverhältnisse oder Jobverlust, bald türmen sich Mietschulden und bis zur Räumungsklage ist es oft nur eine Frage der Zeit. Hinzu kommen oft auch noch private Probleme, die Trennung vom Partner, meist auch Alkohol. Schicksalsschläge und individuelle Probleme seien oft ein Auslöser für den Verlust der Wohnung, sagt Thomas Specht, stellvertretender Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W). Doch die gesellschaftlichen Ursachen liegen seiner Ansicht nach tiefer: in zunehmender Verarmung und einem extremen Wohnungsmangel. 860.000 Menschen wohnungslos Nach Schätzungen der BAG W lebten 2016 52.000 Menschen in Deutschland auf der Straße. Ein Anstieg von 33 Prozent im Vergleich zu 2014 (39.000). Gemeint sind hier all die Menschen, die tatsächlich unter freiem Himmel schlafen. Betrachtet man das Problem der Wohnungslosigkeit insgesamt, sind die Zahlen noch deutlich höher: Demnach waren 2016 422.000 Menschen wohnungslos, ein Anstieg von 15 Prozent gegenüber 2014. Dazu zählen auch all diejenigen, die in öffentlichen Einrichtungen unterkommen oder bei Freunden und Bekannten Unterschlupf finden. Bei dieser aktuellsten verfügbaren Schätzung hat die BAG W erstmals auch anerkannte wohnungslose Flüchtlinge in die Statistik mit aufgenommen. Also Flüchtlinge mit Schutzstatus, die eigentlich Anspruch auf eine Wohnung hätten, aber keine finden und deshalb in der Regel weiterhin in Gemeinschaftseinrichtungen leben. Rechnet man sie zur Zahl der Wohnungslosen hinzu, kommt man auf eine Gesamtzahl von 860.000 Menschen, die in Deutschland ohne Wohnung sind. Zuwanderung eine der Ursachen "Die Zuwanderung ist sicher eine der Ursachen für den starken Anstieg der Wohnungslosigkeit", sagt Specht im Gespräch mit tagesschau.de. "Auf einen ohnehin angespannten Wohnungsmarkt kommen die Flüchtlinge noch einmal obendrauf." Doch die Zahlen sind auch vor dem starken Zuzug von Asylbewerbern im Jahr 2015 bereits gestiegen. Die größere Ursache sieht Specht in einer seit Jahrzehnten verfehlten Wohnungspolitik. Seit 1990 sei der Bestand an Sozialwohnungen um 60 Prozent gesunken. "Jedes Jahr fallen bundesweit etwa 60.000 bis 80.000 Sozialwohnungen weg, es kommen aber nur 20.000 bis 25.000 hinzu", so Specht. Da keine ausreichenden Maßnahmen zur Verbesserung der Situation eingeleitet worden seien, werde die Zahl der Wohnungslosen bis zum Jahr 2018 auf 1,2 Millionen steigen. Zu hohe Mieten Besonders schwierig ist die Situation wegen der steigenden Mieten. Wer seine Wohnung verliert, weil er sich die Miete nicht mehr leisten konnte, wird kaum eine neue finden, die bezahlbar ist. "Der Mietmarkt ist in allen deutschen Ballungszentren derart leer gefegt, dass er für eine bestimmte Einkommengruppe gar nicht mehr zugänglich ist", sagt auch Robert Veltmann von der Berliner Kältehilfe und Geschäftsführer der Wohnungslosenorganisation GEBEWO - Soziale Dienste. Und wer einmal aus dem Raster rausfalle, habe es umso schwerer, wieder rein zu kommen. Vor allem, wenn Menschen bereits länger ohne Wohnung sind. Zwar gibt es zahlreiche Anlaufstellen für Menschen ohne Bleibe, doch auch dieses Hilfessystem ist vielerorts überlastet. Laut Veltmann gibt es auf allen Ebenen des Hilfesystems zu wenig Bewegung. Das fange schon ganz unten bei den Notübernachtungen an, wie sie beispielsweise die Berliner Kältehilfe, ein Netzwerk aus zahlreichen Initiativen für Obdachlose in Berlin, organisiert. Die Schlafplätze für diesen Winter wurden in Berlin auf 1100 aufgestockt. Aktuell sind noch Kapazitäten frei. Doch, wenn es richtig kalt wird, so Veltmann, werde es eng. Mindestens drei Obdachlose sind in diesem Winter in Deutschland bereits erfroren. Zu wenige Plätze - auf allen Ebenen Bei diesen Notübernachtungsplätzen geht es lediglich darum, die Menschen vor dem Kältetod zu retten, ihnen eine warme Mahlzeit und einen sicheren Schlafplatz zu geben. Ein Beratungsangebot, um den Menschen aus ihrer Situation herauszuhelfen, könne schon kaum mehr stattfinden, sagt Veltmann. "Dafür gibt viel zu wenige qualifizierte Mitarbeiter. Und selbst wenn es Beratung gibt, ist es schwer die Menschen weiterzuvermitteln: Denn auch an Plätzen in Wohngemeinschaften oder Wohnheimen für Obdachlose fehlt es." Eigentlich sind die Städte und Kommunen in der Pflicht, Wohnungslose unterzubringen. Doch die sind häufig überfordert, weil ihnen die Mittel fehlen, um für ausreichend Unterkünfte zu sorgen. Hier müssten auch baurechtliche Vorschriften geändert werden, meint Veltmann von der GEBEWO im Gespräch mit tagesschau.de. "In Berlin gibt es beispielsweise leer stehende Häuser, die sich in einem Gewerbegebiet befinden. Die Bauordnung sagt aber, dass da keine Menschen wohnen dürfen. Man kann Obdachlose dort also nicht unterbringen." Zu wenig Neubau 400.000 Neubauwohnungen bräuchte es nach Auffassung des Deutschen Mieterbunds und zahlreicher Experten der Branche jährlich, um den Bedarf zu decken. Doch 2017 wurden gerade einmal etwa 320.000 Wohnungen gebaut. Noch problematischer wird die Situation, wenn sich der Bund aus der Förderung des Sozialen Wohnungsbaus zurückzieht. Im Zuge der Neuregelung der Finanzen hatten sich Bund und Ländern auf weitere Zahlungen bis 2019 geeinigt, ab dann sind die Länder auf sich gestellt. Die BAG W fordert nicht zuletzt angesichts der sich verschärfenden Situation bei der Wohnungslosigkeit, dass der Bund deutlich mehr Verantwortung in der Wohnungspolitik übernehmen müsse. Die Beschaffung bezahlbaren Wohnraums allein werde aber auch nicht ausreichen. Es brauche weitere gezielte Maßnahmen: Beispielsweise Quoten für die Vermietung von geförderten Wohnungen an Menschen, die wohnungslos sind.
# Schwere Vorwürfe gegen Dieter Wedel Mehrere Schauspielerinnen haben dem Star-Regisseur Dieter Wedel in einem Magazin sexuelle Übergriffe vorgeworfen. Der Filmemacher wies die Vorwürfe zurück und kündigte an, juristisch gegen die Veröffentlichung vorzugehen. Der Regisseur Dieter Wedel hat Aussagen von Frauen widersprochen, die ihm gewalttätige und sexuelle Übergriffe in den 1990er-Jahren vorwerfen. In einem Bericht des "Zeit-Magazins" kommen mehrere, teils namentlich genannte Schauspielerinnen zu Wort, die schwere Anschuldigungen erheben - bis hin zum erzwungenen Sex. Wedel habe vor Erscheinen des Berichts "eine umfassende eidesstattliche Erklärung zu den schweren Anschuldigungen abgegeben", teilte sein Anwalt Michael Philippi mit. "Darin versichert er, dass die offenbar von mehreren Schauspielerinnen gegen ihn erhobenen Vorwürfe unzutreffend und nicht gerechtfertigt sind. Er habe zu keinem Zeitpunkt diesen oder anderen Frauen in irgendeiner Form Gewalt angetan", heißt es in der Mitteilung des Anwalts, die die Bad Hersfelder Festspiele auf ihrer Webseite veröffentlichten. Wedel ist derzeit Intendant der Festspiele. Im "Zeit-Magazin" äußern sich sowohl Schauspielerinnen, die zu Vorstellungsterminen geladen wurden, als auch ehemalige Mitarbeiter des Regisseurs. Eine der Schauspielerinnen schildert, Wedel habe sie 1996 in einem Hotel zum Sex gezwungen, als sie 27 Jahre alt war. Eine weitere namentlich genannte Schauspielerin beschreibt, wie Wedel sie 1991 gewaltsam in einem Hotelzimmer angegangen habe. Die Schauspielerin Corinna Harfouch wird als nicht selbst Betroffene mit den Worten zitiert: "Viele haben gewusst, dass Wedel Schauspielerinnen schlecht behandelt und demütigt. Das war ein von allen gestütztes System." "Auch Männer sind Übergriffen ausgesetzt" Wedel selbst hatte sich im November in einem Radiointerview geäußert und von eigenen Erfahrungen berichtet. "Auch Männer sind Übergriffen ausgesetzt", sagte der 75-Jährige dem Radiosender FFH. Das habe er in seinen jungen Jahren als Theater-Schauspieler selbst erfahren. "Ich wurde immer für schwul gehalten." Einige Regisseure und Schauspieler hätten ihn "schon mächtig unter Druck gesetzt". Wedel geht gegen die mehrere Seiten lange Veröffentlichung im "Zeit-Magazin" und die Online-Version vor. "Mein Mandant wird sich gegen diese Veröffentlichung mit allen juristisch zur Verfügung stehenden Mitteln zur Wehr setzen", sagte Rechtsanwalt Philippi. Wedel sei mit den "Verdächtigungen" einem "massiven öffentlichen Pranger ausgesetzt". Im "Zeit-Magazin" wird Wedel selbst mit den Worten zitiert, dass er "ein überbordendes, manchmal auch grenzüberschreitendes Temperament" habe und dabei "vermutlich auch oft Schauspieler und Schauspielerinnen in ihrem Stolz und Selbstwertgefühl verletzt" habe. In der Stellungnahme seines Anwaltes wird dazu betont, einen Zusammenhang mit den Wedel unterstellten Übergriffen habe es dabei nie gegeben. #MeToo als Auslöser Die Vorwürfe gegen Wedel erinnern an die Diskussion über sexuelle Übergriffe in den USA, die Hollywood-Schauspielerinnen Ende 2017 angestoßen hatten. Erstmals seit der sogenannten #MeToo-Debatte erheben nun auch Frauen in Deutschland konkrete Vorwürfe gegen einen prominenten Mann aus der Filmbranche. Eine Schauspielerin sagte dem "Zeit-Magazin", erst nach den #MeToo-Enthüllungen und der Beratung eines Anwalts traue sie sich nun, ihre eigenen Erfahrungen öffentlich zu machen. Wedel gilt als einer der erfolgreichsten deutschen Regisseure. Er machte sich vor allem in den 1990er Jahren mit Fernseh-Mehrteilern einen Namen. Dazu zählen unter anderem "Der große Bellheim" (1993), "Der Schattenmann" (1996) und "Der König von St. Pauli" (1998).
# "Perspektiven sind entscheidend" Eine neue Studie von Kriminologen um den Experten Pfeiffer legt nahe, dass der Anstieg von Gewaltstraftaten in Deutschland vor allem auf die zunehmende Zahl von Flüchtlingen zurückzuführen ist. Pfeiffers Team untersuchte Zahlen für Niedersachsen, die seinen Angaben zufolge aber bundesweit repräsentativ sind. Pfeiffer mahnt jedoch zur Differenzierung - und schlägt Lösungen vor. NDR Info: Herr Pfeiffer, belegen diese Zahlen dass Flüchtlinge krimineller sind als Menschen, die hier schon lange leben? Christian Pfeiffer: Auf den ersten Blick ist das so. Wir haben, seit die große Flüchtlingswelle kam, nach sieben Jahren des Rückgangs plötzlich einen Anstieg der Gewalt in Niedersachsen um zehn Prozent. 92 Prozent der ermittelten Tatverdächtigen, die zusätzlich gekommen sind, sind Flüchtlinge. Auf den ersten Blick sind also die Flüchtlinge daran schuld, dass die Gewalt steigt. Aber man muss genauer hinschauen. Erste Differenzierung: Die Anzeigewahrscheinlichkeit ist bei Fremden etwa doppelt so hoch wie bei Einheimischen. Wer von einem, den er aus dem Dorf kennt, gewalttätig misshandelt oder beraubt wird, der zeigt zu 13 bis 15 Prozent an. Aber wenn es ein Fremder ist, steigt es gleich auf das Doppelte. Wenn der Fremde dann nicht einmal die Sprache spricht, und man den Schadenersatz mit ihm gar nicht direkt erörtern kann, nimmt man sowieso eher die Hilfe der Polizei in Anspruch. Also ist die Flüchtlingsgewalt sichtbarer. Das erhöht die Zahlen, aber trotzdem bleibt es ein Problem. Da hilft uns bei der Interpretation der Daten weiter, dass es riesige Unterschiede innerhalb der Flüchtlingsgruppen gibt. NDR Info: Inwiefern? Pfeiffer: Es gibt sehr gut integrierte, relativ vorsichtige Kriegsflüchtlinge. Die Hälfte aller Flüchtlinge, 54 Prozent, kommen aus Syrien, Irak und Afghanistan und haben in Niedersachsen nur 16 Prozent aller den Flüchtlingen zugeschriebenen Raubdelikte begangen. Aber völlig anders sind die aus Nordafrika kommenden Flüchtlinge: 0,9 Prozent ist ihr Anteil unter allen Neuankömmlingen, aber 31 Prozent unter denen, die wegen Raubes von der Polizei ermittelt wurden. Sie sind um das 35-fache überrepräsentiert. Dämpfender weiblicher Einfluss fehlt NDR Info: Kann man sagen, die Menschen die Kriegsflüchtlinge sind und deswegen eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, dass ihr Asylantrag bewilligt wird, die begehen weniger Straftaten als Menschen, die wahrscheinlicher abgeschoben werden? Pfeiffer: Ganz klar. Die Perspektiven sind der entscheidende Faktor. Wer glaubt, ich kann hier bleiben, wenn ich mich brav aufführe und keinen Unsinn anstelle, weil ich mir sonst alles kaputt mache, der hält sich an unsere Regeln, so weit es irgendwie geht. Natürlich gibt es unter uns einheimischen Deutschen und auch bei den Syrern ebenfalls Gewalttäter. Aber nicht im Übermaß. Die Gegengruppe, denen wir gleich nach der Ankunft gesagt haben: Euch Armuts- und Wirtschaftsflüchtlinge wollen wir gar nicht, wir kümmern uns am liebsten um die Kriegsflüchtlinge - die haben gleich in der Silvesternacht in Köln gezeigt, wie wütend, frustriert und enttäuscht sie sind und sich da schrecklich aufgeführt. Und das ist leider so geblieben. Das ist eine Problemgruppe. Aber die sind nicht die böseren Menschen, sondern schlicht die chancenlosen, die viel investiert haben, ihr Leben riskiert haben auf dem Weg übers Mittelmeer. Und dann landen sie hier. Und nichts ist geworden aus allen Träumen. Und dann kommt ein Faktor hinzu: Das Gefährlichste ist in jedem Volk immer die männliche Altersgruppe der 14- bis 30-Jährigen. Bevor die Flüchtlingswelle kam, waren sie neun Prozent unserer Bevölkerung. Aber sie waren zuständig für die Hälfte aller Gewalttaten. Und jetzt kriegen wir auf einmal bei den Nordafrikanern jeden zweiten, der zu dieser gefährlichen Gruppe gehört. Bei den Kriegsflüchtlingen ist es nur jeder Vierte. Auch das spielt eine Rolle. Die frustrierten jungen Männer sind ein echtes Problem. NDR Info: Ist das Verhalten dieser jungen Männer in Deutschland anders, als wenn sie in ihrer Heimat wären? Pfeiffer: Gar kein Zweifel. Wenn sie im Kontext der Familie leben, dann gibt es den dämpfenden Einfluss der Großmutter, der Mutter, der Schwestern, der Freundin. Die Abwesenheit der Frauen ist ja gerade ein Problem bei den Flüchtlingen. Je höher der Frauenanteil, umso ziviler, braver verhalten sich die Männer. Dieses Defizit an familiärer Begleitung, das wir bei den jungen Männern aus nordafrikanischen Ländern erleben, das ist ein fördernder Faktor, was die Gewalt angeht. Das können wir auch nicht ändern, denn Familiennachzug für die, die hier keine Bleibechancen kriegen, ist völlig unsinnig und den fordert auch niemand. Deswegen meine ich. Da müssen wir mehr tun als bisher. Denn letztes Jahr haben wir in Deutschland 327.000 Leuten gewissermaßen die rote Karte gezeigt und gesagt: Kein Asyl. Ihr habt den Antrag gestellt, aber erfüllt die Voraussetzungen nicht. 200.000 sind dann zum Verwaltungsgericht gelaufen und haben geklagt, aber auch die werden mehrheitlich deswegen keinen Aufenthalt erzwingen können. Das heißt, wir haben ein Problem mit den Verlierern unseres Flüchtlingsprozesses. Da muss was geschehen, mehr als bisher. Ein großes Rückkehrprogramm NDR Info: Was denn zum Beispiel? Pfeiffer: Ausweisung ist schon weiterhin richtig - wenn man Länder hat, die die Menschen auch wieder zurücknehmen. Aber wir sehen doch, dass es mit der Ausweisung nicht so richtig läuft. 21.000 sind ausgewiesen worden - gegenüber dieser Riesenzahl von Leuten, denen wir kein Asyl gewähren wollen. Also meine ich, es ist Zeit, ein großes Rückkehrpogramm zu finanzieren, das zum Teil über die Entwicklungshilfe laufen muss. Wir müssen wesentlich mehr Geld in der Entwicklungshilfe für die Flüchtlinge ausgeben. Dafür, dass keine kommen, indem wir zu Hause Strukturen fördern, die sie am Bleiben halten, und für die, die bei uns fälschlich gelandet sind, Rückkehrprogramme freiwilliger Art. Das ist bisher noch nicht voll versucht worden. Innenminister de Maizière hat die Länder besucht und sein Bestes gegeben, um sie zur Kooperation zu motivieren. Aber Reden reicht da nicht. Da hätte Herr Müller dabei sein müssen mit einer Milliarde Euro, dann hätte es klappen können. Aber der Herr Müller hat als Entwicklungshilfeminister auch nicht das große Geld gekriegt, was er brauchte. Also meine ich angesichts von 35 Milliarden Euro zu viel gezahlter Steuern, die der Staat gar nicht ausgeben konnte, ist wirklich die Situation da, wo wir für uns etwas Gutes tun und für diese Länder, indem wir Entwicklungshilfe einsetzen zur Fluchtvermeidung und zu einem Rückkehrpogramm. Das Interview führte Regina Methler, NDR Info
# "Wer im Iran ist, muss ein Kopftuch tragen" Natalie Amiri berichtet für die ARD aus Teheran. Wenn sie von dort zugeschaltet ist, trägt sie stets ein Kopftuch. Warum sie das macht und wie die Arbeitsbedingungen in dem islamischen Land sind, das verrät sie im Interview. tagesschau.de: Viele Zuschauer möchten gerne wissen, warum Sie bei der Berichterstattung für die ARD ein Kopftuch tragen? Natalie Amiri: Es ist keine Frage der eigenen Entscheidung. Im Iran gilt das Gesetz für alle Frauen, Iranerinnen und Ausländerinnen: Wer auf iranischem Boden ist, muss ein Kopftuch tragen. Als ARD-Korrespondentin muss ich mich an diese Schleierpflicht halten. Es gab schon öfter Vorschläge von Zuschauern, einen Mann als Korrespondenten zu schicken. Ich finde diesen Vorschlag weniger emanzipiert als dass ich mich hier im Iran an das Gesetz halte und als Frau berichte. Auch in Deutschland verlangen wir, das sich alle an unsere Gesetze halten. tagesschau.de: Wann und wo müssen Frauen im Iran Kopftuch tragen? Amiri: Überall im öffentlichen Raum. Ab der ersten Schulklasse. tagesschau.de: Ist es vorgeschrieben, das Kopftuch auch bei Schalten aus dem Studio zu tragen? Amiri: Ja, ich arbeite mit iranischen Kollegen zusammen, deshalb trage ich Kopftuch. Es ist einfach konsequent, das Kopftuch zu tragen, anstatt es einmal nicht und einmal schon zu tragen. Denn sonst müsste man sich jedes Mal erneut erklären. Und das nimmt Zeit in Anspruch, die ich lieber für Geschichten aus diesem Land verwende. tagesschau.de: Sind Sie derzeit die einzige ausländische Berichterstatterin im Iran? Warum dürfen Sie von dort berichten und andere nicht? Amiri: Die ARD hat seit 30 Jahren ein ständiges Büro in Teheran. Wir bekommen monatlich unsere Drehgenehmigungen und müssen nicht aus Deutschland ein Visum beantragen. So ist es natürlich einfacher, schnell in eine aktuelle Berichterstattung einzusteigen. Aus dem Westen gibt es hier noch das ZDF, den ORF und Nachrichtenagenturen soweit ich weiß. BBC, CNN und andere haben seit 2009 keine ständigen Büros mehr, nach den letzten großen Protesten, die hier im Iran stattgefunden haben. Damals waren auch nur so viele internationale Journalisten im Land, weil sie für die Präsidentschaftswahl eingeladen waren und so einfach ins Land kamen. Die Proteste begannen damals in der Nacht nach der Wahl, und alle waren hier. tagesschau.de: Wie sieht der Alltag als Berichterstatterin für Sie aus? Amiri: Es gibt herrliche Geschichten aus dem Land. Ich sehe meine Aufgabe darin, nicht nur die Klischees zu bedienen, die man im Westen über die Jahre im Kopf über den Iran gesammelt hat, sondern auch die vielen großartigen Menschen zu zeigen. Ich möchte denen eine Stimme geben, die ich hier treffe.
# Kann die EU vermitteln? Die EU hat als Vermittler 2015 den Atomvertrag mit dem Iran ermöglicht. Die Verhandlungsführer von einst sind heute auf beiden Seiten in Schlüsselpositionen. Können sie auf die aktuelle Situation im Iran Einfluss nehmen? Die Europäische Union ist für die Regierung in Teheran der wichtigste Verbündete. Denn die EU hat entscheidend dafür gesorgt, dass nach jahrelangen Verhandlungen und heftigem Streit im Juli 2015 der Atomvertrag mit dem Iran zustande kam. Jener Vertrag zwischen Teheran auf der einen Seite und den ständigen Mitgliedern des Weltsicherheitsrates plus Deutschland auf der anderen - also den Regierungen in Washington, Moskau, Peking, London, Paris und Berlin. Nur die EU als Vermittler habe die Herkulesaufgabe stemmen können, zwischen den in der Iran-Frage zerstrittenen ständigen Mitgliedern des UN- Sicherheitsrates und Teheran zu vermitteln, sagt jene Frau, die einen großen Teil des Vertrages geschrieben hat. Jenen Atom-Deal, der zunächst für viel Hoffnung gerade unter jungen Iranern sorgte. Rouhani war ein Glücksfall für den Atomdeal Helga Maria Schmid, deutsche Top-Diplomatin und Generalsekretärin des Europäischen Auswärtigen Dienstes, EAD, hat jahrelang mit den Machthabern in Teheran um jeden Buchstaben des Iran-Nuklear-Vertrages gerungen. Sie war zuständig für "die konkrete Textarbeit, die konkreten Textverhandlungen. Wir haben ja über 100 Seiten Text produziert". Schmid gilt in der EU als besonders kundige Iran-Expertin mit den besten Kontakten zum Machtapparat in Teheran. Vor allem zu dem Mann, der während der jetzigen Unruhen vergleichsweise moderate Töne anschlägt: zu Irans wiedergewähltem Präsidenten Hassan Rouhani. Denn die EU-Diplomatin Schmid hat Rouhani zwei Jahre lang gegenüber gesessen: Rouhani war ihr Verhandlungspartner und Gegenspieler beim Ringen um den Atomvertrag, bevor er Präsident des Iran wurde. Rouhanis Karrieresprung sei ein Glücksfall für den Atomdeal gewesen, betonte Schmidt nach der Unterzeichnung des Vertrages im Juli 2015 gegenüber dem ARD-Europamagazin: "Wir haben richtig seriös erst verhandelt, als Rouhani Präsident wurde." Hoffnungen wurden nicht erfüllt Ohne Rouhani kein Atomvertrag und ohne Rouhani keine Versprechungen für eine bessere iranische Zukunft ohne UN- und EU-Sanktionen. Versprechungen, die vor allem bei jungen Iranern Hoffnungen weckten. "Er ist ja mit dem Versprechen angetreten, die Sanktionen loszuwerden", sagte Schmid. Nicht nur die USA haben mit ihren Sanktionen gegen Teheran Rouhani einen Strich durch diese Rechnung gemacht. Der Abbau der EU- und der UN-Sanktionen kann laut Atomvertrag bis Oktober 2023 dauern. EU-Unternehmen haben Angst vor US-Reaktion Hinzu kommt, dass der Iran vom internationalen Bankensystem abgekoppelt ist. Wer versucht, per IBAN-Code Geld nach Teheran zu überweise, der scheitert. Auch Anbieter für weltweite Bargeldüberweisungen wie Western Union, MoneyTransfer oder MoneyGram lehnen jeden Geldtransfer in den Iran ab. Und zahlreiche Unternehmen in der EU, die eigentlich gerne Geschäfte im Iran machen würden, hätten Angst, betont der Iran-Experte Ervant Abrahamian von der New York University gegenüber dem TV-Sender Bloomberg: "Es gibt Bedenken, wie die Trump-Regierung reagieren würde, falls man im Iran investiert." Zwar fördert der Iran dank des von der EU vermittelten Atomdeals und des darin festgelegten Abbaus der nuklearbezogenen EU- und UN-Sanktionen wieder deutlich mehr Öl als vor der Einführung der Strafmaßnahmen 2011 - auch das Bruttoinlandsprodukt ist laut einer Studie des Internationalen Währungsfonds gestiegen. Dennoch liegt die Durchschnittsarbeitslosigkeit im Iran bei über zwölf Prozent. Und sie betrifft vor allem Jugendliche. Iran war kurz vor Atombombe Die Hoffnung der EU, ihrer Außenbeauftragten Federica Mogherini und vor allem ihrer Top-Diplomatin Schmid, der Atomvertrag werde dem Iran eine ganz neue Zukunftsperspektive eröffnen, konnte sich bisher nicht erfüllen. Dennoch war der Atomvertrag nach Auffassung von Mogherinis wichtigster Iran-Expertin existentiell notwendig. "Wie nahe war der Iran eigentlich an der Atombombe?" Auf diese Frage des damaligen Brüsseler ARD-Korrespondenten Rolf-Dieter Krause antworte EU-Diplomatin Schmid vor gut zwei Jahren: "Viel zu nahe." Rouhani in Teheran und Schmid in Brüssel - dieses ungleiche Duo hat während der Atomkrise die Situation entschärft. Inwieweit die EU in der jetzigen Situation auf Teheran einwirken kann, bleibt abzuwarten.
# Auf den Spuren von "Cool Runnings" In Nigeria gehört Wintersport noch nicht einmal zu den Randsportarten. Trotzdem wird wohl das halbe Land im Februar an den Bildschirmen kleben und nach Südkorea schauen. Denn mit drei mutigen Frauen ist ihr Land zum ersten Mal bei Olympischen Winterspielen dabei. Seun Adigun ist eine versierte Hürdensprinterin. 2012 nahm sie an den Olympischen Spielen in London teil. Als sie ihre Laufschuhe an den Nagel hängte, so erzählt sie in Interviews, brachten Kolleginnen sie auf die Idee, auf den Bobsport umzusatteln. Ihr erstes Trainingsgerät baute sie sich selbst aus Holz, sie nannte es Mayflower. Mit dem Holzschlitten machte Adigun sich fit für das US-Bobteam. Sie lebt in Houston, Texas, ist 1987 in den USA geboren, doch ihre Eltern stammen aus Nigeria. Gemeinsam mit zwei weiteren nigerianischen Leichtathletinnen hob sie dann eine eigene Nationalmannschaft aus der Taufe. Adigun ist die Pilotin, dazu kommen eine Bremserin und eine Ersatzfrau. Skeptische Töne in der Heimat Die drei durchtrainierten, temperamentvollen und energiegeladenen Frauen sind gern gesehene Gäste in so mancher Talkshow. Ihr Ziel: eine Medaille in Südkorea. Nicht nur sportlich, auch mental sei die Qualifikation ein weiter Weg gewesen, sagt Adigun. "Wir kommen von einem Kontinent, wo niemand auf die Idee käme, mit 80 oder 90 Meilen pro Stunde einen Eiskanal runterzurasen." Tatsächlich trafen Nigerias Bobfrauen in Nigeria selbst anfänglich auf ein gewisses Unverständnis - auch bei versierten Sportmoderatoren. "Was haben wir in diesem Teil der Welt mit Winter zu tun?", fragten etwa die Experten von Channel TV. Adigun und ihrem Team ist bewusst, dass sie die ersten Nigerianerinnen bei Olympischen Winterspielen sind - und die ersten Vertreter Afrikas im Olympischen Eiskanal. Wobei Adigun einmal gegenüber der BBC andeutete, dass sie noch immer kaum fassen könne, was sie sich da zumute: "Jeden Morgen wache ich auf und denke mir: 'Gott hilf mir, was mache ich da eigentlich gerade?'" "Es geht um mehr als den Sport" Als Sprinterinnen, sagt Adigun, hätten sie gute Voraussetzungen: Geballte Schubkraft beim Start, Konzentration auf die wichtigen Sekunden und Nervenstärke, wenn der mehr als 300 Kilogramm schwere Schlitten mit 130 Kilometern pro Stunde durch die Röhre saust. Dabei gehe es um mehr als den Sport, sagt Bremserin Ngozi Omwumere. Es gehe auch darum, Menschen in Nigeria Mut zu machen: "Wir sind starke Leute, wir können alles erreichen, was wir uns vornehmen. Es geht immer um das größere Bild und darum, Nigeria gut dastehen zu lassen." - "Putting Nigeria on the map", sagt Omwumere wörtlich. Den Film "Cool Runnings" kennen Afrikas Bobpionierinnen natürlich: die unglaubliche, aber wahre Geschichte von vier Jamaikanern, die es vor 30 Jahren in Kanada zum ersten Mal bis zum Start bei Olympischen Winterspielen in Calgary brachten. Es sei ihr eine Ehre, sagt Pilotin Adigun, mit etwas so Großem verglichen zu werden. Am Drehbuch ihres eigenen Lebens schreibt sie im Februar weiter: im Eiskanal von Pyeongchang.
# "Es ist unfassbar" Die Angriffe auf Rettungskräfte und Polizisten an Silvester und Neujahr haben eine politische Debatte ausgelöst. Justizminister Maas und andere Politiker fordern härtere Strafen für die Täter. Die Attacken hätten lebensbedrohliche Ausmaße angenommen, sagte die Polizei. Nach den Angriffen auf Polizisten und Rettungskräfte wird über eine neuerliche Strafverschärfung diskutiert. "Es ist höchste Zeit, Rettungskräfte wirkungsvoller zu schützen", sagte Justizminister Heiko Maas. #Polizei und Einsatzkräfte riskieren Gesundheit und Leben, um den Rechtsstaat zu verteidigen und anderen zu helfen. Dafür haben sie unsere Unterstützung verdient. Tätliche Angriffe müssen härter bestraft werden - die entsprechenden Gesetze haben wir im vergangenen Jahr verschärft https://t.co/c2HOd4okXY Der SPD-Politiker nannte die Attacken "absolut inakzeptabel". Die Angriffe aus der Silvesternacht seien leider keine Ausnahmen. "Polizisten und Rettungskräfte werden alltäglich brutal attackiert." Die Taten müssten konsequent geahndet werden, schrieb der geschäftsführende Justizminister auf Twitter: "Tätliche Angriffe müssen härter bestraft werden." Er verwies darauf, dass der Bundestag 2017 die Strafen für Angriffe auf Rettungskräfte verschärft habe. Unter anderem wurde ein neuer Straftatbestand des "Tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte" geschaffen. Dafür wurde ein Strafrahmen von drei Monaten bis fünf Jahren festgelegt. Gefängnis- statt Geldstrafen Hessens Innenminister Peter Beuth fordert, die Mindeststrafe zu erhöhen. Der CDU-Politiker hält eine Anhebung auf sechs Monate für notwendig, weil Gefängnisstrafen dann nicht mehr in Geldstrafen umgewandelt werden können. "Es bleibt eine wichtige Aufgabe für die künftige Bundesregierung, den Schutz für unsere Einsatzkräfte weiter zu verbessern", erklärte Beuth. Auch der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Sachsens Minister Roland Wöller, sieht Handlungsbedarf. "Wer Rettungskräfte attackiert, greift unseren Rechtsstaat und die Demokratie an", sagte der CDU-Politiker der "Welt". Straftäter müssten daher die ganze Härte des Gesetzes erfahren. Berliner Polizei "zweifelt am Verstand" der Täter Der Präsident der Berliner Polizei, Klaus Kandt, verurteilte die Übergriffe auf Polizisten, Feuerwehrleute und Sanitäter scharf. Es sei unfassbar, dass Helfer derartig angegriffen würden, zitierte die Polizei Kandt auf Twitter. "Ich zweifle am Verstand derer, die mit Böllern und Raketen auf Menschen schießen". "Ich zweifle am Verstand derer, die mit Böllern & Raketen auf Menschen schießen. Weder Feiern noch Alkohol entschuldigt das. Es ist unfassbar, dass Helfer derartig angegriffen werden. Ich wünsche mir für 2018 mehr Respekt gegenüber meinen Kolleginnen & Kollegen."(Klaus Kandt)^tn https://t.co/ajD1bQqAhx An Silvester und Neujahr wurden Sanitäter in Berlin mit einer Schusswaffe bedroht, Polizisten und Feuerwehrmänner mit Böllern attackiert. Drei Jugendliche schossen am Abend des Neujahrstags im Stadtteil Neukölln mit einer Schreckschusswaffe auf zwei Fahrzeuge der Polizei. Sie seien dabei von einer Gruppe von etwa 20 jungen Menschen angefeuert worden, teilte die Polizei mit. Ein geparktes Auto ging in Flammen auf. Übergriffe auch in anderen Städten Auch in anderen deutschen Städten kam es zu Angriffen. In Leipzig bewarfen 40 bis 50 Menschen Polizisten mit Böllern, Flaschen und Steinen. In Nordrhein-Westfalen wurden insgesamt 25 Polizisten verletzt. Die Deutsche Polizeigewerkschaft erklärte, die Attacken hätten lebensbedrohliche Ausmaße angenommen. Ähnliche Zustände in Frankreich Auch in Frankreich wurden drei Polizisten an Silvester angegriffen, was große Empörung auslöste. Präsident Emmanuel Macron nannte die Attacken auf Twitter "feige und kriminelle Lynchjustiz". Handybilder zeigen, wie zwei Polizisten von einer Menschenmenge attackiert werden. Mehrere Männer traten demnach auf die am Boden liegende Polizistin ein. Innenminister Gérard Collomb sprach von "untragbarer" Gewalt.
# Das große Löschen? Das NetzDG soll Online-Netzwerke wie Facebook zwingen, strafbare Inhalte schneller zu entfernen - doch es ist umstritten. Kritiker sprechen von Zensur, weil die Portale aus Angst vor Bußgeldern zu viel löschen könnten. Die Höchststrafe: 50 Millionen Euro. Seit Neujahr, null Uhr, steht es online: das "Formular zur Anzeige an das Bundesamt für Justiz". Anzeige erstatten kann jeder Internet-Nutzer, der in einem großen Online-Netzwerk wie Facebook, Youtube oder Twitter einen rechtswidrigen Inhalt entdeckt hat. Voraussetzung ist allerdings, dass sich der Nutzer vorher erfolglos bei dem Internetportal selbst beschwert hat. Das heißt, der Nutzer muss vorher von Facebook verlangt haben, dass ein Post oder ein Foto gelöscht wird, und dies ist nicht passiert. Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, kurz NetzDG, macht den Online-Netzwerken zwingende Vorgaben, wie sie mit Anzeigen von Nutzern umzugehen haben: Schnell und einfach muss man melden können und das Netzwerk muss die Beschwerde unverzüglich zur Kenntnis nehmen. Ist der gerügte Inhalt offensichtlich rechtswidrig, etwa eine Volksverhetzung, dann muss er innerhalb 24 Stunden entfernt oder gesperrt werden. Liegt die Sache schwieriger - also ist nicht eindeutig, ob es noch eine zulässige Meinungsäußerung oder schon eine Beleidigung ist -, hat der Betreiber sieben Tage Zeit, über eine Löschung zu entscheiden. Löscht er nicht, gibt es die Anzeige beim Bundesjustizamt. Das löscht dann aber nicht eigenhändig, sondern prüft, ob das Nicht-Löschen einen Verstoß gegen das NetzDG darstellt. Wenn ja, leitet das Bonner Amt ein Bußgeldverfahren ein. Die Höchststrafe: 50 Millionen Euro - aber nicht bei Einzelfällen, sondern erst bei systematischen Verstößen. Damit die Bußgeldbescheide nicht auf dem Weg nach Kalifornien versanden, müssen die Internetgiganten rechtswirksame Ansprechpartner in Deutschland benennen. Gibt der Staat hoheitliche Aufgaben ab? Das NetzDG ist umstritten. Die einen sprechen von Zensur, weil Facebook und Co. aus Angst vor Bußgeldern zu viel löschen könnten. Die anderen beklagen, dass die Online-Portale bei den Prüfungen hoheitliche Aufgaben übernähmen, die Sache des Staates seien. Die Bundesregierung, die das Gesetz im Sommer beschlossen hat, erklärt: Maßstab für das Löschen sei das deutsche Recht. Die Prüfer beim Beschwerdemanagement von Facebook oder Google, dem auch Youtube gehört, müssten die Inhalte nur mit dem deutschen Recht abgleichen. Liege eine Straftat vor, ermittelten Polizei und Staatsanwaltschaft, wie schon bisher. Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz solle nur das Recht im Internet durchsetzen und eine saubere Kommunikationskultur ohne Hass und Gewalt sichern.
# "Langsamer, sprich langsamer" Wenn die tagesthemen auf Sendung gehen, liegt hinter dem Team schon ein ganzer Arbeitstag. Und die Nachrichten beschäftigen die Moderatoren oft noch nach Sendeschluss. Caren Miosga und Ingo Zamperoni erzählen zum 40. Jubiläum der Sendung im Gespräch mit Judith Rakers von bewegenden Momenten, speziellen Arbeitstechniken - und einem kleinen Skandal. Judith Rakers: Caren Miosga und Ingo Zamperoni zusammen im Studio von ARD-aktuell - das ist ein ungewöhnliches Bild. Ingo Zamperoni: Das ist die ganz seltene Ausnahme. Caren Misoga: Es kommt praktisch nie dazu, weil entweder Ingo oder ich eine Woche arbeiten. Wir können uns höchstens mal zum Frühstück verabreden, aber in diesem Studio haben wir uns noch nie getroffen - bis auf ein einziges Mal, als wir hier Fotos für die Medien gemacht haben. Zamperoni: Am Vorabend der ersten Sendung nach meiner Rückkehr aus den USA bin ich als Gag während der Abmoderation durchs Studio geschlendert, um mir das "Wohnzimmer" mal anzugucken. Arbeitsbeginn elf Stunden vor Sendungsbeginn Rakers: Wie sieht denn so ein Arbeitsalltag aus? Ihr geht abends um 22.15 Uhr auf Sendung - aber wann fangt ihr an, in der Redaktion zu arbeiten? Ehrlich sein! Miosga: Unsere erste Konferenz beginnt um 11.30 Uhr. Da kommen wir dann ins Haus "getrabt" mit in der Woche tiefer werdenden Augenrändern und beginnen, den Tag zu planen. Das Redaktionsteam hat dann schon entworfen, wie die Sendung am Abend aussehen könnte. Dann telefonieren die Redakteure mit den einzelnen ARD-Sendern, den Autoren und den Auslandsstudios und geben Filme in Auftrag. Wir Moderatoren beginnen zu lesen, uns in den Tag hinein zu denken, und überlegen, mit wem man Gespräche führen könnte. Zamperoni: Wir machen auch noch eine Bilderkonferenz, auf der wir darüber sprechen, welche Hintergrundbilder zur Moderation passen könnten. Da wir ja nicht auf Illustrationen zurückgreifen, sondern auf Bilder, die ein Fotograf schon geschossen hat, können wir uns da nichts wünschen. Wir können höchstens eine Richtung vorgeben, und dann versucht das Bildarchiv, das umzusetzen. Das frisst auch noch mal viel Zeit. Miosga: Aber das macht auch richtig Spaß, die Grafikabteilung ist daran sehr beteiligt, Redaktion und Grafik sind ständig im Austausch. Wir suchen selbst mit aus, was wir in der Moderation zeigen wollen, und das kostet Zeit. Ernste Angelegenheiten - und der Umgang mit ihnen Rakers: Sind Nachrichten eine ernste Angelegenheit, immer und grundsätzlich? Zamperoni: Grundsätzlich ist etwas eine Nachricht, was nicht normal, was eine Ausnahme ist. Das sind eben oft ernste, traurige oder außergewöhnliche Anlässe. Aber wir versuchen immer, so damit umzugehen, dass man merkt, wir gehen nicht zum Lachen in den Keller. Es kommt immer auf den Anlass an. Aber wenn es sich anbietet, dann kann das auch mal ein bisschen lustiger angehen. Es liegt in der Natur der Sache, dass Nachrichten ernster sind. Miosga: Es sind ja auch Menschen, die hier stehen. Das ist ja auch der Vorteil dieses neuen Studios, dass wir nicht mehr die abgeschnittene Puppe sind, die jahrzehntelang da stand und sagte: "Bonn". Wir können uns hier bewegen. Natürlich sehen die Zuschauer, welche Haltung die oder der hat, der da steht, wie es dem dabei geht. Es gibt Dinge, die uns amüsieren, es gibt Dinge, die uns aufregen, und dafür sind auch Nachrichtenmoderatoren eben Menschen. Es ist falsch zu sagen, es muss immer ernst sein, bierernst schon gar nicht. Aber natürlich angemessen. Wenn etwas an sich traurig ist, müssen wir nicht das nicht noch extra verstärken,  indem wir besonders traurig gucken oder gar anfangen zu heulen. Ist dir das schon mal passiert, Ingo, dass du das Gefühl hattest ... Zamperoni: Du meinst, dass man schlucken muss? Miosga: Ja Zamperoni: In der Anmoderation nie. Aber wenn dann der Beitrag läuft, den wir ja während der Sendung auf den Studiomonitoren mitsehen, dann gibt es schon manchmal Situationen, in denen man denkt: Oh - heftig. Rakers: Wie ist das mit Dir, Caren? Welche Nachrichten nimmst Du mit nach Hause? Miosga: Grundsätzlich sehe ich es so wie Ingo. Wenn wir uns von jeder Nachricht emotional mitnehmen lassen würde, könnten wir diesen Job gar nicht machen. Aber es gibt natürlich Themen, die auch mich länger beschäftigen. Ich erinnere mich zum Beispiel an einen jungen Palästinenser, den zehnjährigen Thaer. Ihn haben wir begleitet, er war bei einem  Bombenangriff in Gaza schwer verletzt worden, hatte ein Bein verloren und starke Verbrennungen. Er wurde von einer Hilfsorganisation nach Deutschland ausgeflogen. Ich erinnere mich bis heute an eine Szene in dem Beitrag, die mir noch jetzt nahegeht, als der Vater den Jungen zum Flugzeug brachte und sich nicht traute, ihm zu sagen, dass Mutter und Schwester bei dem Angriff ums Leben gekommen waren. Als der Junge im Flugzeug war, ist der Vater dann selbst zusammengebrochen.  Wir haben den Jungen dann auch hier begleitet, als er operiert wurde und auch, als er wieder zurückkam. Das hat mich fertig gemacht. Ich habe wirklich ein paar Tage gebraucht, um das zu verarbeiten. Ich habe auch zuhause darüber geredet, das ist ganz normal. Das geht ja den Zuschauern auch so. Das Klein- und das Großgedruckte Rakers: Ihr schreibt die Moderationen ja vorher, und dann kommen die Texte auf den Teleprompter, von dem ihr ablest. Du, Caren, hast eine Schriftgröße, für die ich ein Opernglas bräuchte, und Ingo hat riesengroße Buchstaben. Miosga: Wirklich? Das wusste ich gar nicht. Rakers: Wenn ihr gemeinsam im Studio stehen würdet, dann hättet ihr ein Problem. Einer von euch könnte nichts lesen. Miosga: Für mich ist es einfach besser, den ganzen Satz zu sehen. Ich brauche den Satzzusammenhang. Wir arbeiten mit dem Prompter, um in der Zeit zu bleiben und nicht zu schwadronieren. Zamperoni: Mein Vater sagt immer: Langsamer, sprich langsamer. Er ist Italiener, vielleicht deshalb. Meine Theorie ist: Wenn ich nicht den ganzen Satz sehe, dann bremst mich das automatisch, weil ich ja warten muss, bis der Text kommt. Sonst würde ich, wenn ich alle Zeilen sehen würde, zu viel Gas geben. Die Sache mit dem Halbfinale Rakers: Wo wir über Deinen Vater sprechen: Bei der Fußball-Europameisterschaft 2012 kam es im Halbfinale zur Begegnung Deutschland - Italien. In der Halbzeitpause gab es die tagesthemen, und es stand 2:0 für Italien. Du hast dann gesagt, möge der Bessere gewinnen - mit einem süffisanten Lächeln. Zamperoni: Das wurde mir unterstellt. Rakers: Am nächsten Tag war es Thema in allen Zeitungen. Mit einer Welle der Kritik, aber auch der Sympathie. Ist euch bewusst, dass alles, was man hier macht, beäugt wird? Miosga: Das war Dir in dem Moment nicht bewusst, oder? Zamperoni: Nein, mir war die Tragweite nicht bewusst. Ich hatte mir überlegt, was könnte man sagen, das möglichst neutral ist. Das Problem war der Halbzeitstand von 2:0. Alle haben gesagt, das Spiel ist gelaufen, obwohl noch eine ganze Halbzeit zu spielen war. Solche Reaktionen sind auch durch die sozialen Netzwerke häufiger geworden. Uli Wickert hat mir immer gesagt: Früher hat es gedauert, bis sich jemand hingesetzt, einen Brief geschrieben und an die tagesthemen geschickt hat. Klar, auch früher gab es wütende Reaktionen und Protestbriefe, aber es kam weniger an. Miosga: Heute kannst du es einfach in die Tasten hacken und zack - ist es hier. Zamperoni: Uns erreicht viel mehr. Und in 40 Jahren? Rakers: Da Ihr Social Media ansprecht: Die Nachrichten, das Nachrichtengewerbe hat sich verändert. Wird es die tagesthemen in 40 Jahren noch geben? Miosga: Ja! Zamperoni: Ich bin überzeugt davon, dass es die tagesthemen dann noch geben wird. Ob auf diesem Ausspielweg, das weiß ich nicht. Vielleicht gibt es kein Fernsehen mehr, sondern nur noch online. Miosga: Das kann natürlich sein. Aber in Zeiten, in denen sich alles immer weiter verschnellert, wird es um so mehr das Bedürfnis geben nach Schwerpunkten, nach Erklärungen, nach Vertiefungen, was hinter den Themen ist. Wir bilden ja jetzt schon in den tagesthemen nicht nur ab, sondern versuchen immer, den Zuschauern zu erklären, warum etwas passiert. Ich glaube, dass dieses Bedürfnis bleibt oder sogar stärker wird. Deshalb werden auch solche Formate wichtig bleiben. Wir wissen nur nicht, wo die Zuschauer uns sehen werden. Hat man dann auf dem Computer zehn Seiten auf, und in einer ist eben auch das, was man im Fernsehen hätte sehen können oder früher gesehen hat? Zamperoni: Ich glaube, dass die Informationsflut ironischerweise nicht dafür sorgt, dass wir mehr wissen, sondern dass wir immer weniger verstehen, weil es oft zu schwer ist, die Dinge auseinanderzuhalten. Unser Ziel ist es, eine Art Leuchtturm oder Fels in dieser Nachrichtenbrandung zu sein, an dem sich die Leute orientieren können. Es gibt einen Satz von Wolf von Lojewski, einem unserer Vorgänger: "Die tagesschau sagt: Minister wirft Handtuch. Die tagesthemen sagen, wohin." Dieser Gedanke ist das, was uns antreibt. Und ich glaube, dass das auch immer ein Publikum finden wird. Rakers: Ich hoffe, dass noch viele gemeinsame Sendungen folgen. In dieser Konstellation sehen wir uns vielleicht erst zum 50. Jubiläum wieder ...
# Mit "Time's Up" gegen sexuelle Belästigung Als Konsequenz aus der "metoo"-Debatte haben mehr als 300 Hollywood-Künstlerinnen "Time's Up" ins Leben gerufen: Die Aktion richtet sich gegen sexuelle Belästigung. Unterstützt wird sie unter anderem von Meryl Streep und Reese Witherspoon. Mehr als 300 Hollywood-Künstlerinnen haben eine Initiative gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz gestartet. Reese Witherspoon, Alyssa Milano, Maggie Gyllenhaal und viele weitere riefen dazu auf, sich der Initiative "Time's Up" (Die Zeit ist um) anzuschließen. Sie versprachen, künftig auch weniger privilegierten Frauen wie Arbeiterinnen, Kellnerinnen und Zimmermädchen Schutz vor und Rechtshilfe nach sexuellen Angriffen zu bieten. "Time's Up" beinhaltet neben einem Fonds zur Verteidigung vor Gericht auch den Einsatz für eine Gesetzgebung gegen Belästigung am Arbeitsplatz. Spenden unter anderem von Witherspoon, Steven Spielberg und Kate Capshaw hätten ermöglicht, dass dem Fonds bereits 13 Millionen Dollar (knapp 11 Millionen Euro) zur Verfügung stehen, berichtete die "New York Times". Gleiche Entlohnung gefordert Die Unterzeichnerinnen fordern zudem mehr Frauen in Führungspositionen und gleiche Entlohnung von Männern und Frauen. Die Initiatorinnen rufen weibliche Teilnehmerinnen an der Verleihung der Golden-Globes-Filmpreise am kommenden Sonntag auf, bei der Gala schwarz zu tragen - als Statement für Geschlechtergerechtigkeit und gegen Rassismus. Zu "Time's Up" gehören unter anderen Schauspielerinnen wie Cate Blanchett, Natalie Portman und Meryl Streep, die Universal-Pictures-Vorstandsvorsitzende Donna Langley und die feministische Autorin Gloria Steinem. In den vergangenen Monaten wurden zahlreiche Männer aus Medien und Filmgeschäft der Belästigung und sexueller Übergriffe beschuldigt. Dazu gehören der Produzent Harvey Weinstein, der Fernsehmoderator Charlie Rose und Schauspieler Kevin Spacey.
# "Dran bleiben" lautet die Devise Von "freundschaftlicher Atmosphäre" und "konstruktiven Diskussionen" war nach dem Abendessen von EU-Kommissionspräsident Juncker und Polens neuem Regierungschef Morawiecki die Rede. Kein Wort über Fortschritte im Streit um Polens Justizreform. Der Streit ist nicht vorbei. Der Streit über die Rechtsstaatlichkeit in Polen. Und über die fehlende Bereitschaft des osteuropäischen Landes, Flüchtlinge bei sich aufzunehmen. Es gibt keine Ergebnisse. Nicht einmal eindeutige Hinweise auf eine klare Annäherung. Was man festhalten kann ist: Sie haben miteinander gesprochen und sie haben über die Probleme gesprochen, die auf dem Tisch liegen. Möglicherweise war das gestrige Abendessen zwischen Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und dem neuen polnischen Premierminister Matheusz Morawiecki ein erster Tautropfen in den frostigen Beziehungen zwischen der EU und Polen. Weitere Gespräche vereinbart Man habe sich in freundlicher Atmosphäre intensiv ausgetauscht, heißt es standardmäßig in einer gemeinsamen schriftlichen Erklärung. Interessanter dagegen ist, dass Juncker und Morawiecki offenbar dran bleiben wollen. Sie vereinbarten weitere Gesprächstermine und wollen bis Ende Februar Fortschritte erzielen. Wie diese Fortschritte konkret aussehen sollen, sagen sie allerdings nicht.   Die EU-Kommission hatte im Dezember wegen der umstrittenen Justizreform in Polen ein historisch beispielloses Strafverfahren gegen das Land gestartet. Denn die Brüsseler Behörde sieht die europäischen Grundwerte, die Rechtsstaatlichkeit und die Gewaltenteilung in Polen in Gefahr. Mithilfe der Gesetze kann der polnische Justizminister Richter ohne Angabe von Gründen entlassen. Kritiker sind der Meinung, dass sich die rechtsnationale Regierungspartei damit den Einfluss auf die Gerichte sichern will. Die polnische Regierung weist die Vorwürfe zurück. Sie hält es für ihr gutes Recht, das Justizsystem umzubauen. Kabinettsumbildung als Zugeständnis an EU gewertet Auffallend ist, dass Morawiecki wenige Stunden vor seiner Ankunft in Brüssel gleich mehrere Minister entließ, die auf EU-Ebene für Kontroversen gesorgt hatten. Darunter Außenminister Witold Waszczykowski, der Vize-Kommissionschef Frans Timmermans im Justizstreit scharf attackiert hatte. Beobachter bewerteten die Kabinettsumbildung in Polen als Entgegenkommen an die EU. Andere Mitgliedsländer sollen überzeugt werden, sich auf die Seite Polens zu stellen und gegen Strafen für das Land zu stimmen. In dem Strafverfahren nach Artikel 7 entscheiden die 27 anderen EU-Länder, ob sie gegen Polen vorgehen oder nicht. Die EU-Kommission hat der polnischen Regierung drei Monate Zeit gegeben, um ihren Kurs zu korrigieren. Also bis Mitte März. Es wird spannend, ob die Polen nachbessern und wenn ja, wo sie es tun, ohne zuhause ihr Gesicht zu verlieren.
# Elterngeld Plus immer beliebter Mitten in den Sondierungsgesprächen kommt die geschäftsführende Bundesregierung zu einer Kabinettssitzung zusammen. Einziger Tagesordnungspunkt: Der Bericht des Familienministeriums zum Elterngeld Plus. Wie vorab bekannt wurde, hat sich die Zahl der Bezieher seit Einführung verdoppelt. Das Elterngeld Plus, das Väter und Mütter in Teilzeit-Arbeit beziehen können, wird immer beliebter: Zuletzt hätten sich 28 Prozent der Elterngeld-Antragsteller für das Elterngeld Plus entschieden, berichtetet das ARD-Hauptstadtstudio unter Berufung auf einen Bericht des Bundesfamilienministeriums, den das Bundeskabinett heute beschließen will. Im dritten Quartal 2015, als die Leistung erstmals zur Verfügung stand, wurde sie demnach von 13,8 Prozent genutzt. Mit dem Elterngeld Plus können Eltern, die in Teilzeit erwerbstätig sind, das Elterngeld länger beziehen. Spitzenreiter nach Bundesländern ist demnach Thüringen. Dort bezogen zuletzt 38,5 Prozent der antragstellenden Väter und Mütter das Elterngeld Plus. Es soll helfen, Teilzeitarbeit und Elterngeldbezug zu kombinieren. Früherer Wiedereinstieg für Mütter - mehr Zeit für Väter Das Elterngeld Plus beträgt mindestens 150 Euro monatlich, höchstens 900 Euro und wird grundsätzlich für bis zu 28 Monate gezahlt. Wenn beide Elternteile für 25 bis 30 Wochenstunden Teilzeit arbeiten und sich die Betreuung des Kindes teilen, kann die Leistung für vier zusätzliche Monate in Anspruch genommen werden. Dieser Partnerschaftsbonus wird ebenfalls zunehmend in Anspruch genommen - im bundesweiten Schnitt von 5,6 Prozent der Elterngeld-Plus-Bezieher. Mehr als drei Viertel der Nutzer bewerten das Elterngeld Plus als "gute Sache", hieß es weiter. Bundesfamilienministerin Katarina Barley von der SPD sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, das Elterngeld Plus sei "ein voller Erfolg". Die Leistung habe "dazu geführt, dass Frauen wieder stärker in den Beruf einsteigen können und dass sich Väter mehr Zeit für ihre Kinder nehmen".
# Erlaubt die EU das Elektrofischen? Brutal und umweltschädlich, sagen die Kritiker. Effizient und umweltschonend, sagen die Befürworter. Das Europaparlament entscheidet heute, ob das Elektrofischen EU-weit freigegeben wird. Fischer werfen große, schwere Netze ins Meer und fangen damit Fische. Bei der Elektrofischerei dagegen befinden sich an den Schleppnetzen Elektroden, die Stromstöße abgeben. Dadurch werden Krabben und Plattfische, die sich im Meeresboden eingegraben haben, aufgescheucht und in die Netze getrieben. Bislang ist das Elektrofischen in der Europäischen Union verboten. Zu Forschungszwecken ist die Technik allerdings erlaubt und wird vor allem in den Niederlanden angewendet. Auch einige deutsche Fischer haben Ausnahmegenehmigungen, um auf diese Weise Seezungen in der Nordsee zu fangen. Entscheidung im Europaparlament Die EU-Länder wollen die Elektrofischerei auf dem Meer unter Auflagen in ganz Europa erlauben. Am Mittag wird das Europaparlament darüber abstimmen. Eine schwierige Entscheidung, denn die Fangmethode ist höchst umstritten. "Wir befürchten eine noch stärkere Überfischung der Meere durch die Elektrofischerei", sagt Stella Nemecky von der Umweltschutzorganisation WWF. "Diese Methode ist effizienter als die konventionelle Fangmethode. Das bedeutet, dass in gleicher Zeit mehr Fisch gefangen werden kann." Darüber hinaus können zu starke Stromschläge die Tiere verletzen. Bei größeren Rundfischen wie Kabeljau komme es in einigen Fällen zu so starken Muskelkrämpfen, dass dadurch das Rückenmark durchtrennt werde, kritisieren Umweltschützer. Befürworter halten die Elektrofischerei dagegen für umweltschonender als die konventionelle Fischerei, bei der schwere Schleppnetze mit Eisenketten über den Meeresboden gezogen werden, um die Fische aufzuscheuchen. Dabei wird gleichzeitig der Grund mehrere Zentimeter tief umgepflügt. Das sei ebenfalls eine brutale Methode, kritisiert Nemecky. "Man rodet den Wald, um die Wildschweine zu fangen. Das ist natürlich beim Wattenmeer nicht ganz das Gleiche, aber auch hier leben Organismen auf und im Meeresboden, die davon stark betroffen sind." Gleicher Fang mit weniger Treibstoff Ein Vorteil der Elektrofischerei: Die Schiffe brauchten nur halb so viel Treibstoff, weil die Netze leichter seien und den Grund nicht berührten, sagt Claus Ubl von Deutschen Fischereiverband in Hamburg. "Bei der Elektrofischerei schweben die Netze über dem Boden", sagt er. Die Elektroden scheuchten die Fische mit einem elektrischen Impuls aus dem Sediment. "Das heißt, die Fische fange ich nicht schneller, aber mit leichteren Netzen. Und ich brauche deutlich weniger Treibstoff, weil ich natürlich nicht sieben Tonnen hinten dran hängen habe, sondern nur eine Tonne Netz", sagt Ubl.Das Problem ist: Noch gibt es keine wissenschaftlichen Langzeitstudien über Elektrofischerei. Es ist daher unklar, ob sie Meerestieren und Umwelt eher nutzt oder schadet. Seit 2016 untersucht eine Forschungsgruppe aus niederländischen, belgischen und deutschen Wissenschaftlern im Auftrag des niederländischen Wirtschaftsministeriums die großflächigen Auswirkungen der Elektrofischerei auf Meerestiere und Ökosysteme. Die Studie läuft bis 2019. Vorher mache eine Entscheidung darüber, ob das Elektrofischen EU-weit erlaubt werden soll, keinen Sinn, meint Ubl. "Wer seriös über die Elektrofischerei beraten will, und das will Brüssel ja, muss die Ergebnisse dieses Projekts abwarten."
# Worum geht es beim Familiennachzug? Ein Streitthema bei den Sondierungsgesprächen: der Familiennachzug für Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz. Die SPD will ihn wieder erlauben, die Union ist dagegen. Doch um wie viele Menschen geht es überhaupt? Und was unterscheidet sie von Asylberechtigten? Weder das Innenministerium noch das Auswärtige Amt oder das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wollen und können sagen, wie viele Menschen durch den Familiennachzug zusätzlich nach Deutschland kommen könnten. Es kursieren viele Zahlen, manche sprechen von mehreren Zehntausend, andere gar von Millionen. Sie warnen vor einer "massiven Zuwanderung", wie CSU-Chef Seehofer. Die Angaben variieren je nach politischer Überzeugung. Tatsächlich fehlen belastbare Zahlen. Ein Grundrecht In Artikel 6 des Grundgesetzes der Bundesrepublik heißt es: "Ehe und Familie stehen unter besonderem Schutze der staatlichen Ordnung." Grundsätzlich gilt dieses Grundrecht auf Schutz von Ehe und Familie auch für Ausländer. Egal, ob Asylberechtigter oder anerkannter Flüchtling. Deshalb dürfen sie ihre engste Familie nachholen. Das sind laut Gesetz ihre Ehepartner und die minderjährigen Kinder. Flüchtlinge unter 18 Jahren dürfen ihre Eltern und unter bestimmten Voraussetzungen auch ihre minderjährigen Geschwister nachholen. Subsidiär Geschützte Eine Gruppe darf ihre Familie aber derzeit nicht mehr nach Deutschland holen. Und zwar Flüchtlinge, die den sogenannten subsidiären Schutz, also behelfsmäßigen Schutz erhalten. Den bekommen Menschen, denen in ihrem Heimatland Gefahr für Leib und Leben droht. Etwa durch einen Bürgerkrieg wie in Syrien, durch Folter oder die Todesstrafe. Subsidiär Geschützte erhalten eine Aufenthaltsgenehmigung für ein Jahr, die allerdings jeweils um zwei weitere Jahre verlängert werden kann. Diese Menschen bekommen allerdings in der Regel kein Asyl. Um dieses zu erhalten, muss ein Flüchtling nachweisen, dass er in seinem Heimatland wegen seiner Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe bedroht oder verfolgt wird. Kein grundrechtlicher Anspruch Den Anspruch der subsidiär Geschützten auf Familiennachzug hat die Große Koalition in der vergangenen Legislaturperiode für zwei Jahre bis März 2018 ausgesetzt. Denn grundsätzlich darf der Staat darüber bestimmen, wie viele Ausländer Deutschland aufnehmen kann - es ist also staatliches Ermessen. Bundestag und Bundesregierung können den Familiennachzug per Gesetz einschränken. Denn Artikel 6 des Grundgesetzes begründet keinen grundrechtlichen Anspruch auf Familiennachzug. Das entschied das Bundesverfassungsgericht vor 30 Jahren. Allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass Karlsruhe sich bald erneut mit dem Thema beschäftigt und überprüft, ob das Aussetzen des Familiennachzugs tatsächlich mit dem Grundgesetz vereinbar ist. 150.000 Menschen mit subsidiärem Schutz Doch von wie vielen Personen ist überhaupt die Rede? In Deutschland leben gut 150.000 Menschen mit subsidiärem Schutz. Wie viele von ihnen ihre Familie nachholen würden, wenn sie könnten, lässt sich allerdings nicht seriös beantworten. Denn zum einen sei unklar, wie viele nachzugsberechtigte Angehörige jeder Schutzberechtigte hat und wie viele von ihnen er tatsächlich nachholen wird, heißt es seitens des Auswärtigen Amts. Zum anderen wisse man nicht, wer schon mit Familie geflohen ist oder sie schon nachgeholt hat - sofern der Antrag auf Familienzusammenführung vor der Aussetzung im März 2016 gestellt worden ist. Darüber hinaus sind viele der volljährigen Schutzsuchenden jung und ledig. Sie haben also keine Angehörigen, die sie nachholen könnten. "Die Entwicklung des Familiennachzugs ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig, nicht zuletzt von der Entwicklung der Situation in Syrien. Eine Prognose des Zugangs 2018 sei daher nicht möglich", heißt es auch seitens des Innenministeriums. Keine Statistik zum Schutzstatus Klar ist nur: Das Auswärtige Amt bewilligte von Januar 2015 bis Ende September 2017 rund 260.000 Visa für den Familiennachzug, rund 115.000 davon an Syrer und Iraker. Derzeit liegen dem Amt noch rund 50.000 Terminanfragen zur Beantragung eines Visums für den Nachzug zu syrischen und irakischen Schutzberechtigten vor. Allerdings führt das Amt keine Statistik darüber, welchen Schutzstatus die Antragsteller haben. Also ob Asylberechtigter, anerkannter Flüchtling oder subsidiär Geschützter. Dementsprechend ist vollkommen unklar, wie viele Menschen wirklich nach Deutschland kommen könnten, wenn der Familiennachzug für subsidiär Geschützte wieder möglich wäre. Ein Thema, das in den vergangenen Wochen und Monaten jedoch immer wieder für Streit gesorgt hat - obwohl niemand genau weiß, um wie viele Menschen es überhaupt geht.
# Einflüsterer, Manipulator, Stratege Er war Berater von Präsident Trump und Chef der rechtspopulistischen Webseite "Breitbart News". Jetzt ist Steve Bannon beide Jobs los. Die wohl schillerndste Figur der US-amerikanischen Rechten ist zunächst auf dem Abstellgleis gelandet - zumindest vorerst. Von Martina Buttler, ARD-Studio Washington Als Donald Trump in seiner düsteren Antrittsrede den Zustand des Landes in apokalyptischen Worten beschrieb ("Dieses amerikanische Gemetzel hat ein Ende. Jetzt und hier") und eine Stunde Null versprach, steckte wohl Steve Bannon dahinter. Bannon, der die Aura des Dunklen pflegt und schätzt, galt als Einflüsterer, großer Manipulator, Chefstratege an der Seite Trumps. Bis er seinen Berater-Job im Weißen Haus im August letzten Jahres aufgeben musste, hatte er das Ohr des Präsidenten. Der bekennende Nationalist, Einwanderungskritiker und Gegner von Freihandelsabkommen gilt auch als einer der Väter des Einreiseverbots für Menschen aus sechs vornehmlich muslimischen Ländern. Und, was für Trump wahrscheinlich am wichtigsten war: Er war der direkte Draht zu seiner Basis. Bannon hat den US-Präsidenten am rechten gesellschaftlichen Rand populär gemacht, seinen Wahlkampf 2016 gerettet. Bannon entschuldigte sich Nun verlässt Bannon auch die rechte Nachrichtenseite "Breitbart News". Nach der Veröffentlichung des Buchs "Fire and Fury" hatte er mit einem seiner ehernen Grundsätze gebrochen. Er war zurückgerudert, hatte sich entschuldigt. Das alles, um irgendwie noch zu retten, was zu retten ist. Denn wichtige Geldgeber haben ihm die Freundschaft gekündigt. Nach seinen kritischen Äußerungen über Donald Trumps Präsidentschaft und dessen Sohn Donald Jr. hatte Bannon mehr Gegner als je zuvor. Dabei gab es davon schon im Weißen Haus nicht wenige, allen voran Trumps Schwiegersohn Jared Kushner. In seiner Zeit im Weißen Haus hatte Steve Bannon in seinem Büro ein Whiteboard angebracht. Eine weiße Wand, auf der die Versprechen von Trump im Wahlkampf standen. Er hat abgehakt, was erledigt ist. Vieles war bei seinem Abgang offen. Bannon war selbst bei der Navy. Er hat eine Vorliebe für militärische Strategien. Ein Harvard-Absolvent, der strategisch wie ein Feldherr vorgeht. Für ihn zu arbeiten, war hart, erzählt einer seiner ehemaligen Mitarbeiter: "Alles ist Konfrontation. Provokation. Niemals zurückweichen, niemals entschuldigen, niemals Schwäche zeigen." Ein Unruhestifter auf dem Abstellgleis America First, das ist Bannon. Er wollte den Staat, wie es ihn gibt, zerstören. Das hat er offiziell erklärt. Mit Bannons Rücktritt bei "Breitbart News" fehlt ihm dafür nun ein wichtiges Forum. Die moderaten, etablierten Republikaner dürften aufatmen. Schließlich hatte Bannon vor, die Parteien, auch die Republikaner, in ihre Einzelteile zu zerlegen. Ein Unruhestifter, Aufwiegler mit zerstörerischen Tendenzen, der nun erstmal auf dem Abstellgleis gelandet ist. Die Warnung von Chris Buskirk, einem Vertrauten von Bannon, in einem Interview mit NPR klingt heute wohl weniger bedrohlich für Trump: "Wenn Bannon von den gegnerischen Kräften aus dem Weißen Haus gedrängt wird, ist das für die Präsidentschaft gefährlicher als die Untersuchungen von Sonderermittler Mueller in der Russlandaffäre." "Schmuddel-Steve" mit Millionenvermögen Aus dem engen Trump-Vertrauten, der für den Präsidenten sogar im Anzug zur Arbeit kam, ist im Trump-Twitter-Jargon nun "Sloppy Steve" geworden. Übersetzt heißt das soviel wie "Schmuddel-Steve". Sorgen muss man sich nicht um den Mann machen, der meist etwas ungepflegt rumläuft, in kurzer Cargohose, ungekämmt und unrasiert. Als Investmentbanker für Goldman Sachs und Hollywoodproduzent hat Bannon Millionen gemacht.
# Wie gerecht ist die Grundsteuer? Das Verfassungsgericht berät darüber, ob die Grundsteuer für Grundstücke und Gebäude noch mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Warum ist eine Reform überfällig? Und was passiert, wenn die Grundsteuer für verfassungswidrig erklärt wird? Hier finden Sie die Antworten auf die wichtigsten Fragen. Was ist die Grundsteuer überhaupt? Die Grundsteuer ist eine der wichtigsten Einnahmequellen der Kommunen. Etwa 13 Milliarden Euro spült sie den Städten und Gemeinden jährlich in die Kassen. Die Steuer betrifft so gut wie alle Bürgerinnen und Bürger, denn zahlen muss sie jeder Grundstückseigentümer. Vermieter legen die Steuer meist über die Nebenkosten-Abrechnung auf die Mieter um. Warum befasst sich jetzt das Verfassungsgericht damit? Mehrere Grundstückseigentümer halten die Berechnung der Grundsteuer für ungerecht und damit verfassungswidrig. Hintergrund ist folgender Sachverhalt: Die Grundsteuer basiert auf dem Wert eines Grundstücks. Auf wertvolle Grundstücke sollte eine höhere Steuer gezahlt werden als auf billige. Allerdings wurde der Wert der Grundstücke seit Jahrzehnten nicht mehr festgestellt. In Westdeutschland basiert die Grundsteuer damit auf Werten von 1964, in Ostdeutschland sogar auf Werten von 1935. Da sich auf dem Immobilienmarkt seit dem einiges getan hat, kommt es teils zu erheblichen Wertverzerrungen. Zwei Grundstücke können 1964 gleich viel wert gewesen sein, sich heute im Wert aber ganz deutlich unterscheiden. Was damals unbegehrte Stadtrandlage oder in Berlin ein unattraktiver Mauerrandbezirk war, kann sich zum beliebten Wohnviertel entwickelt haben. Außerdem müssen Neubauten nach einem Maßstab von 1964 bewertet werden – eine etwas abstruse Lage. Ist das nicht ganz offensichtlich ungerecht? Dass an diesem veralteten Zustand etwas geändert werden muss, darüber besteht in der Politik weitgehend Einigkeit. Eine Mehrheit der Bundesländer hatte deshalb 2016 ein neues Berechnungsverfahren vorgeschlagen. Demnach sollte es nicht mehr auf den Marktwert eines Grundstücks ankommen. Stattdessen sollte sich die Höhe der Grundsteuer unter anderem nach folgenden Kriterien richten: Größe, Lage und Verkehrsanbindung des Grundstücks sowie Grundfläche und Herstellungskosten des Gebäudes. An den alten Regeln wollte man nicht festhalten, weil eine Neubewertung der Grundstücke auf dieser Grundlage zu aufwändig gewesen wäre. Warum ist aus dem Vorschlag zur Neuberechnung nichts geworden? Hamburg und Bayern wollten nicht mitmachen. Beide Bundesländer befürchteten, dass die vorgeschlagene Neubewertung für ihre Bürger zu Steuererhöhungen führen könnte. Der Bund, der die Gesetzgebungskompetenz hat, wartete deshalb weiter ab. Erst sollten sich die Länder untereinander einig sein. Schließlich geht es um das Geld ihrer Gemeinden. Es blieb damit bei der Berechnung aufgrund der veralteten Werte. Was passiert, wenn Karlsruhe den aktuellen Zustand für verfassungswidrig hält? Im für die Städte und Gemeinden schlimmsten Fall kann erst mal keine Grundsteuer mehr erhoben werden. Für die Kommunen wäre das finanziell eine Katastrophe. Das Bundesverfassungsgericht könnte dem Gesetzgeber aber auch eine Frist einräumen, damit er den verfassungswidrigen Zustand beheben kann. Das passiert häufig. Allerdings gewähren die Richter in der Regel eine Frist um die zwei Jahre. Und eine Neubewertung der Grundstücke, wie sie die Bundesländer 2016 vorgeschlagen hatten, könnte bis zu zehn Jahre dauern. Es geht nämlich um 35 Millionen Grundstücke sowie land- und forstwirtschaftliche Betriebe. Gibt es eine Alternative zu diesem aufwändigen Bewertungsverfahren? Einfacher wäre es, lediglich die Größe und den Wert des unbebauten Grundstücks zugrunde zu legen.  Eine solche reine Bodensteuer fordert etwa eine Initiative unter Beteiligung des Deutschen Mieterbundes. Das würde Eigentümer von unbebauten Grundstücken verhältnismäßig stärker in die Pflicht nehmen. Wie ein mögliches neues Gesetz aussehen könnte, ist eine politische Frage. Das Bundesverfassungsgericht urteilt nur über Rechtsfragen zum aktuellen Gesetz. Droht wirklich eine Steuererhöhung? Die kommunalen Spitzenverbände betonen, es solle insgesamt nicht zu einer höheren Belastung von Immobilienbesitzern kommen. Es könnte allerdings Verschiebungen geben. Das heißt: Wer heute wenig Grundsteuer zahlt, könnte künftig stärker zur Kasse gebeten werden - und umgekehrt. Wer am Ende wie viel zahlen wird, lässt sich im Detail aber kaum vorhersagen. Aktenzeichen 1 BvL 11/14, BvL 12/14, 1 BvL 1/15, 1 BvR 639/11, 1 BvR 889/12
# Millionenstrafe für zu teure Wurst Jahrelang sollen mehrere Wursthersteller illegal Preise abgesprochen haben. Das Bundeskartellamt hatte deshalb Geldstrafen von insgesamt 338 Millionen Euro verhängt. Dagegen legten einige Firmen Einspruch ein. Nun muss Rügenwalder 5,5 Millionen Euro zahlen. In einem Verfahren um das sogenannte Wurstkartell hat das Oberlandesgericht Düsseldorf gegen den Hersteller Rügenwalder und zwei Verantwortliche des Unternehmens Geldbußen von mehr als 5,5 Millionen Euro verhängt. Laut Kartellsenat hatte das Unternehmen zwischen 2006 und 2009 mit anderen Firmen verbotene Preisabsprachen getroffen. Das Urteil wurde bereits am Freitag gefällt, jedoch erst heute veröffentlicht. Wegen verbotener Preisabsprachen hatte das Bundeskartellamt zwischen November 2013 und Juli 2014 insgesamt Geldbußen in Höhe von 338 Millionen Euro gegen 22 Wursthersteller und 33 Verantwortliche verhängt. Es handelte sich damit um einen der größten Kartellskandale der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Dagegen hatten mehrere Hersteller Einspruch eingelegt. Deal mit der Staatsanwaltschaft Rügenwalder hatte zuletzt eine Verständigung mit der Generalsstaatsanwaltschaft gesucht. Das Urteil verändert die Höhe der ursprünglich verhängten Geldbuße nur wenig. Jedoch wurde der Tatzeitraum auf die Zeit ab 2006 beschränkt. Dies könnte Rügenwalder bei möglichen Schadenersatzforderungen des Lebensmittelhandels zugute kommen. Neben Rügenwalder hatten ursprünglich auch noch Wiesenhof, Wiltmann und Heidemark gegen die Millionenbußen Einspruch eingelegt. Wiesenhof zog seine Klage jedoch bereits kurz vor Prozessbeginn zurück. Auch Heidemark sucht mit der Staatsanwaltschaft eine Einigung. Lediglich Wiltmann zeigt sich bislang fest entschlossen, das Verfahren bis zum Ende durchzuziehen. Ein weiterer Verhandlungstag ist für Mittwoch anberaumt.
# Arbeitsgruppe gegen Fake News gestartet In Brüssel hat eine von der EU eingerichtete Expertengruppe gegen Fake News im Internet ihre Arbeit aufgenommen. Falschinformationen gefährdeten das Wohl der Demokratie, sagte Digital-Kommissarin Gabriel am Rande der ersten Sitzung. In 19 europäischen Ländern hat Russland in den vergangenen zwei Jahren versucht, die Politik und das Wählerverhalten zu beeinflussen: Zu diesem Ergebnis kommt ein Bericht der Demokraten im US-Kongress. Seit zwei Jahren ist auch die EU-Kommission alarmiert. Denn sie selber beobachtet in der EU die Mit-Finanzierung von EU-feindlichen Gruppierungen wie Marine Le Pens Front National durch Russland. Eine bereits im vergangenen Jahr ins Leben gerufene zehnköpfige Task-Force, angesiedelt bei der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini, versucht sämtliche Formen antieuropäischer Propaganda zu erfassen. Angefangen von Cyber-Attacken, die im November 2016 stundenlang den Server der EU-Kommission lahmlegten - über verdeckte Social-Media-Operationen - bis hin zu gezielten Falschinformationen. Ziel: Umlauf von Fake News begrenzen Die modernen Informationstechnologien habe die Art und Weise in welcher die Bürger an Informationen herankommen völlig verändert, betonte heute in Brüssel EU-Digitalkommissarin Mariya Gabriel. Der EU-Kommission geht es deshalb darum, einen Mechanismus zu entwickeln, um Falschinformationen zu identifizieren und deren Umlauf zu begrenzen. Um das zu erreichen, begnügt sich das Juncker-Team nicht mit der zehnköpfigen Task-Force, angesiedelt Europäischen Auswärtigen Dienst. Sondern die Kommission rief zusätzlich 39 Informationsexperten aus der gesamten EU zu einer Beratergruppe zusammen. Sie soll die Regierungen in Europa beraten, wie die heikle Balance gewahrt werden kann: Zwischen Meinungsfreiheit und Medienpluralismus einerseits - und andererseits dem Recht auf verlässliche Information und dem Schutz vor Falschmeldungen, die ein ganzes politisches System destabilisieren können. Transparenz und Glaubwürdigkeit Es geht um Transparenz, um ein breites Informationsspektrum und gleichzeitig um Glaubwürdigkeit der Informationen, unterstreicht EU-Digitalkommissarin Gabriel nach der ersten Sitzung des Expertenteams. Und eines wollen die 39 Experten auf keinen Fall sein: die europäische Weiterentwicklung des "Wahrheitsministeriums" aus Orwells Roman 1984. Niemand hat laut EU -Digitalkommissarin Gabriel die Absicht, die EU-Bürger dazu anzuhalten eine bestimmte Information für glaubwürdig oder unglaubwürdig zu halten. Sorge über neue Facebook-Strategie Aber einfach gar nichts zu tun, nur um dem Vorwurf der Zensur zu entgehen, ist aus Sicht der Juncker-Kommission auch kein Weg. Ihr machen nicht nur Putins Propagandasender wie RT oder Sputnik Sorgen - sondern auch die neuen Informationsstrategien der US-Giganten wie Facebook: Denn Facebook legt mittlerweile mehr Wert darauf, vielfach gelikte Mitteilungen von Privatpersonen zu verbreiten, als die Inhalte professioneller Nachrichtenseiten oder die Informationen wichtiger Institutionen. Die slowakische Polizei scheiterte zum Beispiel im vergangenen Dezember bei dem Versuch, via Facebook-Newsfeed eine Warnung vor einem angeblich geplanten islamistischen Anschlag als Falschmeldung zu enttarnen. Während Facebook über den Newsfeed die Falschmeldung verbreitet hatte - weil sie von einer Privatperson kam - hatte die slowakische Polizei keine Chance auf demselben Kanal diese Fake News richtig zu stellen. Denn ihre Nachricht stammte von einem offiziellen Account. "Wir stehen vor einem vertrackten Informationsproblem, das die europäischen Gesellschaften zerstören kann", warnt Prof. Madelaine Cock-Buning, die Vorsitzende der neuen Fake-News-Bekämpfungsgruppe der EU-Kommission. Bereits im Frühjahr will die neue Expertengruppe der EU- Kommission, zu der auch IT-Experten von High-Tech-Firmen aus dem Silicon Valley und Journalisten aus der EU gehören ein Konzept zur Bekämpfung von Fake News erarbeiten. Die Experten arbeiten ohne Honorar. Ihre Ergebnisse will EU-Digitalkommissarin Gabriel noch vor der Sommerpause präsentieren.
# "Integration wird erschwert" Beim umstrittenen Thema Familiennachzug für subsidiär Geschützte haben sich Union und SPD auf höchstens 1.000 Menschen pro Monat geeinigt. Fachleute sagen: Das ist zu wenig. Die Integration der Flüchtlinge werde dadurch erschwert. Tausend pro Monat – diese Formel soll es sein. So viele Menschen könnten im Zuge des Familiennachzugs für subsidiär Geschützte demnächst kommen. Pro Jahr also 12.000. Nach Schätzungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) ist mit insgesamt etwa 60.000 Angehörigen von subsidiär Geschützten zu rechnen, die nach Deutschland kommen wollen. Für viele Flüchtlinge in Deutschland heißt das: Sie müssen noch Jahre auf ihre Familie warten. Kritik von Flüchtlingsverbänden Doch diese Regelung gilt laut Einigungspapier ohnehin erst, wenn ein entsprechendes Gesetz verabschiedet ist – spätestens Ende Juli soll das geschehen sein. Bis dahin soll der Familiennachzug weiter ausgesetzt bleiben. Das Recht, die Familie nachzuholen, war subsidiär Geschützen zwar zugestanden worden, doch wurde es vor knapp zwei Jahren zunächst bis März 2018 ausgesetzt. Nun will man diese Frist  noch einmal verlängern. Flüchtlingsverbände kritisieren das scharf. Einen "Schlag ins Gesicht für alle, die seit Jahren auf den Nachzug ihrer Kinder und Ehepartner warten", nennt Claus-Ulrich Prölß vom Kölner Flüchtlingsrat das Sondierungsergebnis. "Es bleibt, wie es ist: Der Familiennachzug bleibt erstmal ausgesetzt. Das macht mir große Sorgen – und es wird die Integration vieler weiterhin erschweren." "Ich warte seit zwei Jahren auf meine Kinder" Viele Flüchtlinge hatten die Sondierungen tagelang genauestens verfolgt - und sind nun enttäuscht. Auf der Facebook-Seite von WDRforyou, eines Onlineportals für Geflüchtete, Helfer und Interessierte, schreibt die Syrerin Rana Yassin: "Mein Mann wurde vom IS getötet. Dann kam ich nach Deutschland. Meine Kinder habe ich bei geflüchteten Verwandten in der Türkei gelassen. Seit mehr als zwei Jahren warte ich schon auf sie. Jetzt gibt es wieder eine Aussetzung für den Familiennachzug". Mohammed Shaman, der aus Damaskus kommt und jetzt in Berlin lebt, schreibt: "Ich arbeite und zahle hier Steuern, möchte meine Familie auf eigene Kosten zu mir holen. Warum darf ich das nicht? Weil ich subsidiären Schutz bekam. Das ist ungerecht". Ehe muss bereits im Heimatland geschlossen worden sein Der Familiennachzug soll nur für diejenigen gelten, die keine schwerwiegenden Straftaten begangen haben und nicht als Gefährder eingestuft werden. Eheleute dürfen nur geholt werden, wenn die Ehe bereits vor der Flucht geschlossen wurde. Der Großteil der Betroffenen erfülle diese Kriterien, sagt Claus-Ulrich Prölß, eine Begrenzung auf 12.000 nachziehende Familienmitglieder pro Jahr sei deshalb viel zu niedrig angesetzt. Außerdem sei völlig unklar, nach welchen Gesichtspunkten zukünftig ausgewählt werden soll. Forscher: "Sehr deutsche Perspektive" Nach Ansicht des Osnabrücker Migrationsforschers Prof. Jochen Oltmer zeigt die Einigung deutlich die Linie der Union. Er erkennt eine "sehr deutsche Perspektive": "Der Maßstab war offenbar nicht die Not der Anderen, sondern das Bestreben, keine eigene Überforderung zuzulassen." Nicht die Auseinandersetzung mit dem Thema Flucht weltweit stehe im Mittelpunkt, sondern allein, wie Zuwanderung nach Deutschland reduziert werden könne. Und tatsächlich soll die neue Regelung nach dem Willen der Sondierer kein Mehr an Flüchtlingen bedeuten: Für die monatlich 1000 Angehörigen von subsidiär geschützten Flüchtlingen wird anderen in Zukunft die Aufnahme verwehrt: das Umverteilungsprogramm für Flüchtlinge, die über Griechenland und Italien kommen, soll im Gegenzug auslaufen. Auch hier gab es eine Begrenzung von 1000 pro Monat. Im Papier heißt es, man wolle Fluchtursachen bekämpfen und einen fairen Verteilmechanismus in Europa. Wie das konkret gehen solle, bleibe jedoch außen vor, so Jochen Oltmer. Obergrenze ohne Obergrenze Auch bei einem weiteren migrationspolitischen heißen Eisen, der von der CSU geforderten Obergrenze, konnten die Parteien sich einigen. Zwar vermeiden sie in ihrem Papier den heiklen Begriff "Obergrenze" - legen sich jedoch auf eine "Spanne von jährlich 180.000 bis 220.000" Zuwanderern fest. Die zukünftige Opposition - sollte die Große Koalition zustande kommen - kritisiert die Einigung zu Familiennachzug und Begrenzung. Und zwar von links wie rechts. Während die Grünen-Politikerin Claudia Roth den Sondierern  "unmenschliche Beschlüsse" vorwirft und Ulla Jelpke von der Linkspartei "Missachtung von Menschenrechten" beklagt, nennt die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel die Begrenzung auf 220.000 Flüchtlinge eine "Farce": Nach der "unkontrollierten Massenmigration der vergangenen Jahre" brauche das Land eine "konsequente Rückführungspolitik von Ausreisepflichtigen und eine effektive Grenzsicherung." Einheitliches Migrationsrecht Der Migrationsforscher Oltmer sieht bei einem anderen Aspekt im Einigungspapier der Sondierer Fortschritte: Dort sei explizit die Rede von einem einheitlichen Migrationsrecht. Als erstes soll ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz erarbeitet werden. Experten fordern seit langem eine verbindliche Regelung der Einwanderung.
# "Ich bin nicht eingeschüchtert" Vor drei Wochen wurde die Journalistin Mesale Tolu aus türkischer Untersuchungshaft entlassen. Im Interview mit der ARD spricht sie über ihre Festnahme, die Zeit im Gefängnis und über ihre Sicht auf die türkische Justiz. ARD: Ihre Entlassung aus der Untersuchungshaft ist gut drei Wochen her. Wie geht es Ihnen? Mesale Tolu: Mir geht es gut, ich verbringe sehr viel Zeit mit meiner Familie und mit meinem Sohn. Er braucht jetzt meine ganze Aufmerksamkeit, und ich glaube er braucht jetzt auch wieder neues Vertrauen und Geborgenheit, deswegen verbringe ich sehr viel Zeit mit meinem Sohn. Im eigenen Bett aufzuwachen ist ein ganz anderes Gefühl. Denn im Gefängnis schläft man auf 90 cm Breite, es ist sehr eng, und sehr kalt von der Räumlichkeit. Wieder zu Hause aufzuwachen ist natürlich ein sehr schönes Gefühl, aber auch ungewohnt nach acht Monaten. ARD: Sie wurden im April 2017 festgenommen - drei Wochen nach ihrem Ehemann. Wie lief die Festnahme ab? Tolu: Ich war alleine mit meinem Sohn. Nachts um halb fünf haben sie an die Tür gehämmert. Eine Spezialeinheit von der Anti-Terroreinheit. Sie sind gewalttätig in die Wohnung einmarschiert. Obwohl ich die Tür selbst aufmachen wollte, haben sie sie kaputtgeschlagen. Dreieinhalb Stunden wurde die Wohnung komplett durchsucht. Mein Sohn war neben mir, zeitweise hat er geweint. Es war sehr schockierend, gerade für ein kleines Kind. ARD: War Ihnen direkt klar, dass es um Sie geht? Tolu: Am Anfang dachte ich, es geht um meinen Mann, weil er ja zuvor schon festgenommen worden war. Ich dachte erst, es sei nur eine Routinedurchsuchung. Es wurde mir an dem Tag nur wenig mitgeteilt. Es hieß nur: Sie werden beschuldigt, Propaganda für eine Terrororganisation gemacht zu haben und deswegen werden sie festgenommen. Das war das einzige, was ich mitbekommen habe an diesem Tag.   "Presse soll eingeschüchtert werden" ARD: Ihr Vater hat Sie in Interviews immer wieder als Geisel, als Faustpfand bezeichnet. Es ginge nicht wirklich um Sie, sondern um Ihren deutschen Pass. Sehen Sie das auch so? Tolu: Als ich festgenommen wurde, wusste ich anfangs nicht, was in der Außenwelt passiert. Als mein Name dann oft in der Presse fiel, dachte ich: Irgendwie rutscht mir jetzt alles aus den Händen, ich glaube, ich habe selber nicht mehr die Kontrolle darüber. Mir wurde klar, dass das nicht mehr nur mein Fall ist. Als direkte Geisel habe ich mich nicht gefühlt, aber die Türkei hat die Situation ausgenutzt. Wenn sie ein Rechtsstaat wäre, dann wäre ich nie festgenommen worden. ARD: Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe für Ihre Festnahme? Tolu: Die Presse soll eingeschüchtert werden, sie ist seit Sommer 2015 im Visier des Staates. Seitdem wurden viele Fernseh- und Radiosender geschlossen, auch Nachrichtenagenturen. Die Presse soll vereinheitlicht und auf eine Linie gebracht werden. Alle, die sich dagegen wehren, sind der Repression des Staates ausgesetzt. Und ich denke, meine Verhaftung und die Vorwürfe haben auch damit zu tun. ARD: Sind Sie eingeschüchtert? Tolu: Nein, ich bin nicht eingeschüchtert. Aber ich denke, sehr viele Menschen im Land sind es. Untersuchungshaft ist eine Ausnahme in Rechtsstaaten. Aber in der Türkei ist es zum Regelfall geworden, dass jeder, der eingeschüchtert werden soll oder der nicht auf Linie ist, festgenommen und in U-Haft gebracht wird. ARD: Sie meinen, dass U-Haft eine Taktik ist? Tolu: Ich denke, für diejenigen, die inhaftiert sind, ist es vielleicht sogar leichter. Weil sie ja die Situation direkt erleben und sich nicht einschüchtern lassen. Sie wehren sich. Aber diejenigen, die nicht inhaftiert sind, haben viel mehr Angst, denke ich. Denn sie werden durch die Gefahr eingeschüchtert, dass sie festgenommen werden könnten. Also ich denke, das ist eine Taktik, die schon seit längerem praktiziert wird. "Unabhängig und sozialistisch ausgerichtet" ARD: In Deutschland ist relativ wenig über ihre Arbeit bekannt. Sie haben für eine türkische Nachrichtenagentur gearbeitet, die als links gilt. Tolu: Die Etha-Agentur ist eine sich selbst finanzierende Nachrichtenagentur, die sich durch Spenden und durch ehrenamtliche Mitarbeiter finanziert. Sie ist eine sozialistische Nachrichtenagentur. Unabhängig, aber vom Gedankengut eher sozialistisch ausgerichtet. ARD: Das heißt? Tolu: Sie ist politisch gesehen nicht neutral. Die Mitarbeiter finden in anderen Agenturen keinen Platz, weil sie eben eine politische Meinung haben und nicht neutral sind. Aber in der Berichterstattung sind sie sehr objektiv. Sie versuchen, alles an die Menschen zu übermitteln. Meine Arbeit in der Nachrichtenagentur war eher die einer Übersetzerin: Ich habe Nachrichten aus aller Welt ins Türkische übersetzt. Sehr viel über Deniz Yücel, aber auch Themen aus Brasilien, dem Irak, dem Iran. Bei mir ging es um die ganze Welt. ARD: Haben Sie auch eigene Stücke geschrieben? Tolu: Ja, ich habe über die Armenier geschrieben, über die Frauenfrage. Und ich habe auch Interviews mit Abgeordneten geführt. Das letzte Interview war mit der deutschen Politikerin Frau Martina Michels von der Linkspartei. Sie war damals zu Besuch in der Türkei. "Dafür darf man nicht bestraft werden" ARD: Am 26. April geht der Prozess gegen Sie weiter. Es geht um den Vorwurf der Terrorpropaganda und die Mitgliedschaft in der linksextremen MLKP. Wie sehen Sie dem Prozess entgegen? Tolu: Ich werde mich natürlich weiterhin vor Gericht verteidigen. Ich werde weiter für meinen Freispruch arbeiten. Denn die Inhalte, die in meiner Akte sind, mit denen will ich nicht bestraft werden. Das sind Inhalte, die mir nur vorgeworfen wurden, um mich festzunehmen. Es geht um Gedenkveranstaltungen, die ich besucht habe. (Anmerkung der Redaktion: Gedenkveranstaltungen der kurdischen YPG, die in der Türkei als Terrororganisation gilt). Die Veranstaltungen habe ich als Mensch, als Journalistin besucht, und dafür darf man nicht bestraft werden. ARD: Vertrauen Sie dem türkischen Rechtssystem? Tolu: Ich denke, dass alle Menschen das Vertrauen in dieses Rechtssystem verloren haben, weil man mit sehr willkürlichen Gründen festgenommen und bestraft wird. Und nicht nur die Person, die festgenommen wird, wird bestraft, sondern die ganze Familie. Wie Sie wissen, herrscht in der Türkei  das Notstandsgesetz und alles wird per Dekret beschlossen. Das führt dazu, dass die Menschen keine Demokratie mehr erleben. ARD: Bis zum Prozess gilt für Sie eine Ausreisesperre. Was machen Sie in der Zeit? Können Sie wieder arbeiten? Tolu: Ja, ich kann arbeiten, und ich will arbeiten, nur brauche ich jetzt ein bisschen Zeit, um mich mit meiner Familie wiederzufinden. Die Zeit auch mit meinem Sohn zusammen zu verarbeiten. Aber wie gesagt, meine Agentur und auch andere Agenturen haben mir angeboten, dass ich für sie arbeiten kann, dass ich schreiben oder auch übersetzen kann. Und ich will auch wieder arbeiten. Aber wie gesagt, erst muss ich mit meiner Familie alles klären. ARD: Wo sehen Sie sich in fünf Jahren? Tolu: Hoffentlich in Deutschland.
# Was im Abkommen steht Es ist amtlich: Der Atomstreit mit dem Iran ist beendet, ein verbindlicher Vertrag unterschrieben. Doch was steht drin in dem rund 100-seitigen Papier? tagesschau.de zeigt, wer welche Zugeständnisse gemacht hat. Zentrifugen: Die zur Uran-Anreicherung nötigen Zentrifugen werden für die nächsten zehn Jahre von 19.000 auf 6000 verringert. Es dürfen auch nur ältere, weniger leistungsstarke Zentrifugen eingesetzt werden. Die Höchstgrenze der Anreicherung beträgt 3,67 Prozent. Für eine Atombombe ist eine Uran-Anreicherung auf 90 Prozent nötig. Uran-Bestände: Die Bestände von bereits angereichertem Uran werden für 15 Jahre drastisch reduziert, von aktuell fast 12.000 Kilogramm auf 300 Kilogramm. Atom-Anlagen: Der Schwerwasserrektor Arak wird zu einem Forschungsreaktor umgebaut. Damit kann er kein zum Bau von Atomwaffen nutzbares Plutonium mehr produzieren. Die lange geheim gehaltene Anreicherungsanlage Fordo wird ein Atom-Forschungszentrum. Die einzige Anlage zur Uran-Anreicherung ist nun Natans.  Waffenembargo: Das UN-Verbot zur Ein- und Ausfuhr von Waffen wird um bis zu fünf Jahre verlängert. Auch Lieferungen, die dem ballistischen Raketenprogramm des Irans dienen könnten, bleiben für acht Jahre verboten.  Verifikation: Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) erhält einen besonders intensiven Zugang zu allen Atomanlagen des Irans. Das gilt auch für die gesamte Atom-Infrastruktur, die zur Versorgung eines Kraftwerks nötig ist. Teheran muss bei begründetem Verdacht auch seine Militäranlagen öffnen. In Streitfällen soll eine Kommission entscheiden. Wirtschaftssanktionen: Die Wirtschaftssanktionen werden erst dann schrittweise aufgehoben, wenn die IAEA bestätigt, dass der Iran seinen Pflichten zur Reduzierung des Atomprogramms nachgekommen ist. Snapback: So nennt sich ein Verfahren, mit dem die internationale Gemeinschaft die Sanktionen wieder aktiviert, sollte der Iran gegen die Auflagen verstoßen. Es gilt als "Damoklesschwert", das die Vertragstreue Teherans garantieren soll.
# Wie die AfD die Wut schürt Die AfD hat der ARD auf Facebook vorgeworfen, sie habe sich "zunächst geweigert", über den gewaltsamen Tod einer 15-Jährigen in Kandel zu berichten. Eine falsche Behauptung, die sich auf Facebook tausendfach verbreitet. Von Patrick Gensing, tagesschau.de Mit einem Trauergottesdienst haben am Donnerstag in Kandel mehrere Hundert Menschen Abschied von der getöteten 15-jährigen Mia genommen. Sie war am 27. Dezember in einem Drogeriemarkt des Ortes erstochen worden. Tatverdächtig ist der Ex-Freund der Schülerin, ein Flüchtling aus Afghanistan. In der ARD berichtete dem Regionalprinzip folgend zunächst der SWR über das Gewaltverbrechen - beispielsweise die Fernsehsendung SWR aktuell am 28. Dezember. Die tagesschau beobachtete das Thema zunächst. Marcus Bornheim, zweiter Chefredakteur von ARD-aktuell, schrieb am gleichen Tag zu dem journalistischen Umgang mit solchen Verbrechen im tagesschau-blog: Warum waren wir so zögerlich? Das hat einen guten Grund. Nach allem, was wir bisher wissen, handelt es sich um eine Beziehungstat. So schrecklich sie gewesen ist, vor allem für die Eltern, Angehörigen und Bekannten - aber tagesschau und tagesschau.de berichten in der Regel nicht über Beziehungstaten. Zumal es hier um Jugendliche geht, die einen besonderen Schutz genießen. [...] Wir werden diesen Fall weiter beobachten. Angesichts der bundesweiten Aufmerksamkeit vermeldete die tagesschau dann am Abend in der Ausgabe um 20 Uhr das Verbrechen. Danach berichteten tagesschau, tagesthemen sowie tagesschau.de mehrfach über Kandel und die anschließenden Diskussionen. Falsche Behauptungen der AfD Die AfD behauptet nun, die ARD habe sich zunächst geweigert, "überhaupt über Kandel zu berichten". Die Partei verwies auf Facebook auf einen "fünfminütigen Beitrag in den Tagesthemen", der tatsächlich etwa 3:30 Minuten lang war. Darin, so die AfD, habe die ARD jeden, der "sich gegen die fatale Asylpolitik auflehnt", zum Nazi gemacht. Wörtlich hieß es: Wer sich gegen die fatale Asylpolitik auflehnt, die mit zum Kandeler Mord beigetragen hat, der ist ein Nazi. Das stellt die ARD, die sich zunächst weigerte, überhaupt über Kandel zu berichten, in einem fünfminütigen Beitrag in den Tagesthemen fest. Der Autor des tagesthemen-Beitrags, SWR-Reporter Peter Sonnenberg, zeigte sich im Gespräch mit dem ARD-faktenfinder überrascht von den massiven Vorwürfen. Er betonte, dass in dem Beitrag gerade möglichst viele unterschiedliche Meinungen abgebildet werden sollten, daher seien Passanten und Politiker mit verschiedenen politischen Ansichten zu Wort gekommen. Der Begriff "Nazi" sei in dem Beitrag aber "selbstverständlich nie gefallen", sagte er. Dennoch werde "aber ständig behauptet, wir würden Kritiker zu Nazis machen". "Nie geweigert" Sonnenberg sagte, die tagesschau habe sich nie geweigert, über Kandel zu berichten. Er selbst habe die Tat bereits am Morgen des 28. Dezember mit der Planung der tagesschau diskutiert und seine Bedenken geäußert, ob es ein überregionales Thema sei. "Zunächst war nicht erkennbar, ob die Tat eine politische Relevanz hat", so Sonnenberg. So hätten noch keine gesicherten Informationen zu dem mutmaßlichen Täter vorgelegen. Daher habe man zunächst die Pressekonferenz der Ermittler und Staatsanwaltschaft abwarten wollen, die für den frühen Nachmittag des Tages angekündigt worden war. Dort wurde bekanntgegeben, dass der Verdächtige ein mutmaßlich minderjähriger Flüchtling sei, was eine politische Debatte nach sich zog. Der SWR-Reporter betonte, dass der Verdächtige bis zu einem rechtskräftigen Urteil auch weiterhin als "mutmaßlicher Täter" zu bezeichnen sei. Es könne "auch noch nicht von Mord gesprochen werden, weil ein Gericht dies erst noch feststellen muss". Die AfD schrieb in ihrem Facebook-Posting außerdem von einer "staatlichen Indoktrination". SWR-Reporter Sonnenberg wies dies zurück und dazu, dies setze voraus, "dass wir nicht frei in der Berichterstattung sind und wider eigenen Recherchen berichten. Doch genau das ist nicht der Fall." Tausendfach geteilt und kommentiert Der AfD-Eintrag auf Facebook wurde bislang mehr als 7000 mal geteilt und über 1600 mal kommentiert. Viele Nutzerinnen und Nutzer fühlen sich von der ARD diffamiert, offenbar haben viele den tagesthemen-Beitrag gar nicht angeschaut. Eine Kommentatorin schreibt unter dem AfD-Posting: Es ist eine Frechheit uns jedes mal als Nazi zu beschimpfen nur weil wir sagen das es uns reicht mit dieser Politik. Eine andere meint: "Wir dürfen nur niemals vergessen , wer uns Nazi genannt hat!" Viele Kommentatoren schimpfen über das "Scheiss Staatsfernsehen" oder rufen gleich zur Selbstverteidigung auf. Warnung vor Instrumentalisierung Birgitta Weber, stellvertretende SWR-Chefredakteurin, hatte in einem Kommentar davor gewarnt, dass die Tat von Kandel instrumentalisiert werde: "Kühl kalkuliert von NPD, von AfD-Politikern und von Rechten. Sie versuchen, die Wut in Hass umzuwandeln, das Entsetzen in Angst." Das AfD-Posting auf Facebook zeigt ganz konkret, wie mit Unterstellungen die Stimmung gezielt angeheizt und Feindbilder verstärkt werden.
# Das steht im Abschlusspapier "Wir wollen eine stabile und handlungsfähige Regierung bilden, die das Richtige tut" - so steht es in der Präambel des Abschlusspapiers. Und sonst: keine Steuererhöhungen, enge Grenzen beim Familiennachzug, paritätisch finanzierte Krankenkassenbeiträge. Ein Überblick. 28 Seiten umfasst das Abschlusspapier der Sondierer von CDU, CSU und SPD. Von einem "Papier des Gebens und Nehmens" sprach CDU-Chefin Angela Merkel - also klassischen Kompromissen. Alle drei Parteien setzten einige ihrer Herzensthemen durch, doch mussten sie auch Kröten schlucken. Ein Überblick: Steuern Die von der SPD geforderte Anhebung des Spitzensteuersatzes soll nicht kommen. Es wird keine Steuererhöhungen geben. Geeinigt haben sich beide Seiten auf den Abbau des Soli-Zuschlages. Er soll bis 2021, also dem Ende der Legislaturperiode, um zehn Milliarden Euro sinken. Konkret heißt es: "Wir wollen den Soli schrittweise abschaffen und in dieser Wahlperiode mit einem deutlichen ersten Schritt beginnen." Rund 90 Prozent aller Soli-Zahler sollen so vollständig vom Soli entlastet werden. Zusätzlich wollen die Parteien Geringverdiener bei Sozialbeiträgen entlasten. Ein klares Bekenntnis gibt es zur "Schwarzen Null". Union und SPD veranschlagen insgesamt Mehrausgaben in Höhe von etwa 45 Milliarden Euro von 2018 bis 2021. Flüchtlingspolitik Beim Streit um den Familiennachzug für Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz einigten sich Union und SPD auf einen Kompromiss. So soll monatlich 1000 Menschen der Nachzug nach Deutschland gewährt werden. Geplant sei eine gesetzliche Neuregelung, mit der ein "geordneter und gestaffelter Familiennachzug nur aus humanitären Gründen" möglich sei. Der Familiennachzug für subsidiär Geschützte, der noch bis Mitte März ausgesetzt ist, war einer der Knackpunkte bei den Sondierungsverhandlungen. Im Gegensatz zur Union wollte die SPD die zweijährige Aussetzung nicht verlängern. Laut dem Entwurf soll noch in diesem Monat ein Gesetz im Bundestag eingebracht werden, das die Aussetzung so lange verlängert, bis die geplante Neuregelung in Kraft sei. Diese solle bis zum 31. Juli verabschiedet werden. Das Papier sieht auch eine Art Obergrenze vor, allerdings ohne das Reizwort zu nennen. Bezogen auf die durchschnittlichen Zuwanderungszahlen, die Erfahrungen der vergangenen 20 Jahre sowie mit Blick auf die vereinbarten Maßnahmen stelle man fest, dass die Zuwanderungszahlen "die Spanne von jährlich 180.000 bis 220.000 nicht übersteigen werden" - ein Zugeständnis an die CSU. Asylverfahren sollen künftig in zentralen Aufnahme-, Entscheidungs- und Rückführungseinrichtungen durchgeführt werden. In ihnen soll für die Migranten Residenzpflicht herrschen und es sollen lediglich Sach- statt Geldleistungen gewährt werden. Krankenversicherung Die Sondierer einigten sich auf eine Rückkehr zur paritätischen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung. Demnach sollen die Beiträge wieder zu gleichen Teilen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern bezahlt werden. Das hatte die SPD gefordert. Zur Zeit werden 14,6 Prozent je zur Hälfte gezahlt, den Rest, der im Schnitt bei einem Prozentpunkt liegt, bezahlen die Arbeitnehmer alleine. Die Bürgerversicherung setzte die SPD nicht durch. Rente Das Rentenniveau soll bis 2025 auf dem derzeitigem Stand von 48 Prozent gehalten werden. Dafür soll die Rentenformel geändert werden. Die Stabilisierung des Rentenniveaus war eine wichtige Forderung der SPD. Neben der für das laufende Jahr vorgesehenen Änderung der Rentenformel wollen Union und SPD eine Kommission einrichten, die sich mit der Zukunft der gesetzlichen Rente befassen soll. Eine solche Institution hatte die Union in ihrem Wahlprogramm gefordert. Entsprechend einer SPD-Forderung heißt es in dem Papier weiter: "Dabei streben wir eine doppelte Haltelinie an, die Beiträge und Niveau langfristig absichert." Zudem einigten sich CDU, CSU und SPD dem Papier zufolge auf eine besondere Rente für Geringverdiener. Wer jahrzehntelang gearbeitet, Kinder erzogen und Angehörige gepflegt hat, soll ein regelmäßiges Alterseinkommen von zehn Prozent oberhalb des regionalen Grundsicherungsbedarfs zugesichert bekommen. Berechtigt sollen Versicherte sein, die 35 Jahre an Beitragszeiten oder Zeiten der Kindererziehung beziehungsweise Pflegezeiten aufweisen. Es solle bei der "Grundrente" eine Bedürftigkeitsprüfung geben. Die CSU setzte die Erweiterung der Mütterrente durch. Mütter, die ihre Kinder vor 1992 auf die Welt gebracht haben, sollen künftig auch das dritte Jahr Erziehungszeit in der Rente angerechnet bekommen. Die CSU hatte auf diese "Mütterrente II" gedrungen. Pflege Die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung in der Alten- und Krankenpflege sollen "sofort und spürbar" verbessert werden. Konkret wollen CDU/CSU und SPD die Bezahlung in der Altenpflege nach Tarif stärken. Gemeinsam mit den Tarifpartnern solle dafür gesorgt werden, dass Tarifverträge in der Altenpflege flächendeckend zur Anwendung kämen. Zudem sollen 8000 neue Fachkraftstellen im Zusammenhang mit der medizinischen Behandlungspflege in Pflegeeinrichtungen geschaffen werden. Arbeitsmarkt Union und SPD bekennen sich zum Ziel der Vollbeschäftigung. Langzeitarbeitslose sollen besser gefördert und qualifiziert werden, um ihnen den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt zu erleichtern. Die von der SPD geforderte Verlängerung des Bezugs von Arbeitslosengeld wurde jedoch nicht vereinbart. Der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung soll um 0,3 Prozentpunkte gesenkt werden. Die Sozialabgaben - das war eine zentrale Forderung der Union - sollen unter 40 Prozent stabilisiert werden. Das im Sommer 2017 gescheiterte Recht auf befristete Teilzeit wollen Union und SPD nun einführen. Dieser Teilzeitanspruch soll nur für Unternehmen ab 45 Mitarbeitern gelten. Bei Firmengrößen zwischen 45 und 200 Mitarbeitern soll lediglich einem pro 15 Mitarbeitern der Anspruch gewährt werden müssen. Union und SPD einigten sich zudem auf ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das den Zuzug qualifizierter Arbeitskräfte nach Deutschland "ordnen und steuern" soll. Bildung Geplant sind gebührenfreie Kitas und ein Rechtsanspruch auf Ganztagesbetreuung. Die Schulen in Deutschland sollen mit einer Investitionsoffensive gestärkt werden. Mit einem nationalen Bildungsrat sollen die Bildungschancen im gemeinsamen Schulterschluss von Bund und Ländern verbessert werden, ferner soll das Bafög deutlich erhöht werden. Klar steht aber auch in dem Papier: "Die Kultushoheit bleibt Kompetenz der Länder." Europapolitik Union und SPD einigten sich auf umfassende Reformen in der EU und der Euro-Zone. "Wir wollen die EU finanziell stärken, damit sie ihre Aufgaben besser wahrnehmen kann", heißt es wörtlich. Die Euro-Zone soll besser abgesichert werden. "Dabei befürworten wir auch spezifische Haushaltsmittel für wirtschaftliche Stabilisierung und soziale Konvergenz und für die Unterstützung von Strukturreformen in der Euro-Zone", heißt es. Dies könnte Ausgangspunkt für einen künftigen Investivhaushalt für die Euro-Zone sein. Union und SPD bekennen sich ausdrücklich dazu, sehr eng mit Frankreich zusammenzuarbeiten. Landwirtschaft Union und SPD wollen den Einsatz des umstrittenen Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat drastisch reduzieren. Ziel sei es, die Verwendung von Glyphosat grundsätzlich zu beenden. Wann, wird nicht gesagt. Zudem verständigten sich Union und SPD auf ein Verbot von Genmais oder anderen gentechisch veränderten Pflanzen. Verbraucher sollen außerdem, welche Hersteller tierischer Lebensmittel über die gesetzlichen Vorgaben der Haltung hinausgehen. Dazu wollen Union und SPD ein Tierwohllabel einführen - angekündigt hatte das bereits das Bundeslandwirtschaftsministerium in der zu Ende gehenden Legislatur. Arbeitsweise der Koalition Wechselnde Mehrheiten werden ausdrücklich ausgeschlossen - eine klare Absage an neue Formen der Zusammenarbeit jenseits bisheriger Koalitionsregeln, wie sie die SPD ins Gespräch gebracht hatte. Zur Mitte der Wahlperiode soll bei einer "Bestandsaufnahme" des Koalitionsvertrags geklärt werden, ob wegen aktueller Entwicklungen neue Vorhaben vereinbart werden müssen.
# Fertig-Nudelsuppe in der Krise In China gehört die Fertig-Nudelsuppe zum Alltag. Doch immer mehr Menschen verlieren den Appetit auf das unkomplizierte Gericht. Die Fertig-Nudelsuppe ist quasi das belegte Brötchen Chinas: klassischer Snack und überall zu bekommen. Hungrige kaufen die Instant-Nudelsuppe meist gefriergetrocknet in einem großen Pappbecher und gießen sie mit heißem Trinkwasser auf. Die Chinesen essen die Suppe einfach überall - bislang. Jetzt schlägt die "World Instant Noodle Association" Alarm: Die Verkäufe seien seit 2013 um fast 20 Prozent eingebrochen. Um rund acht Milliarden Verkaufs-Pakete ist der Konsum von Instant-Nudelsuppen zurückgegangen. In China werden zwar immer noch rund 38 Milliarden Packungen jährlich verkauft, aber echte Fans wie die 30-jährige Guo Yan werden weniger. Sie sitzt zum Mittagessen in einem Schnellrestaurant in Peking. "Ich habe regelmäßig das Verlangen danach, Fertig-Nudelsuppen zu essen. Gerade am vergangenen Freitag. Da wollte ich einfach nichts anderes essen", sagt sie. "Aber zugegeben: als ich jünger war, war mein Verbrauch an Fertig-Suppen noch deutlich höher." Absatz sinkt Für Schüler, Studenten, Bahnreisende und vor allem Wanderarbeiter gehört die Fertig-Nudelsuppe in China zum Alltag. Kochendes Trinkwasser ist leicht zu bekommen. Und jeder kleine Laden, ob am Bahnhof oder am Flughafen, verkauft die günstigen Nudel-Pakete. Aber der Absatz geht stetig zurück, sagt Zhao Ping, Direktorin an der Akademie für Handel in Peking. "Der wichtigste Grund ist das sich ändernde Konsumverhalten. Viele Chinesen wollten heute frische Sachen essen, nahrhaft und gesund. Aber Instant-Nudeln sind einfach Fastfood", sagt sie. Die Konsumenten in China aber wollten frisches Fleisch und frisches Gemüse. "Die Fertigsuppe ist den Leuten nicht mehr nahrhaft genug." Chinesen essen bewusster Die Chinesen sind gesundheitsbewusster geworden. Auch, weil viele es sich heute leisten können. Bis zu 400 Millionen Menschen zählen in China mittlerweile zur Mittelschicht. Die wirtschaftliche Entwicklung ist auch in der Küche angekommen, sagt Expertin Zhao Ping. "Wenn die Leute mehr Geld haben und reicher werden, essen sie auch gesundheitsbewusster. Viele Kunden verabschieden sich deshalb von den Instant Nudeln." Gut essen wird einfacher Es geht nicht mehr nur darum satt zu werden, sondern gut zu essen. Und gut essen ist in China so einfach und bequem wie noch nie. Alles kann per Smartphone-App bestellt werden und kommt in wenigen Minuten. Zur Mittagszeit muss man in Peking aufpassen, nicht von einem der vielen Essensauslieferer auf ihren lautlosen Elektrorollern umgefahren zu werden. Auch Guo Yan bestellt mittlerweile mehr per Handy als dass sie fertige Nudelsuppen schlürft. "Essen per Lieferservice – das ist heute in China die beliebteste Art, an Essen zu kommen." Man müsse nicht mehr raus, alles werde einem gebracht. "Das ist bequem und spart Zeit.“ Beides Faktoren, die auch für Fertig-Nudelsuppen gelten. Aber wenn gesundes Essen für wenige Yuan in 15 Minuten gebracht wird – dann hat es die Tütensuppe schwer. Ein Ende der Krise ist nicht in Sicht. Denn in China sinkt auch die Zahl der Wanderarbeiter, das waren bislang die treuesten Kunden.
# EU-Migrationskommissar drängt auf Asylreform Die Flüchtlingskrise wird noch viele Jahre andauern, glaubt der EU-Migrationskommissar Avramopoulos. Für ihn ist klar: Das neue europäische Asylsystem muss kommen - zur Not auch gegen den Willen von Ländern wie Polen oder Ungarn. Es sind vergleichsweise wenige Flüchtlinge, die derzeit nach Europa kommen. Doch das muss nicht so bleiben - es könnte neue Migrationswellen geben. Dimitris Avramopoulos, in der EU-Kommission für Migration zuständig, fordert im Gespräch mit dem ARD-Studio Brüssel: Es brauche dringend ein europäisches Asylsystem, um künftige Herausforderungen in den Griff zu bekommen. Weltweit gebe es rund 75 Millionen Menschen, die vor Krieg, Konflikten und Verfolgung fliehen, sagt er. Hinzu kämen etwa 250 Millionen Migranten, die aus anderen Gründen ihre Heimat verlassen, wie Armut und Perspektivlosigkeit. "Diese beispiellose Situation wird noch viele Jahre fortbestehen", prognostiziert Avramopoulos. "Deshalb muss Europa besser vorbereitet sein." Vor allem osteuropäische Staaten wehren sich Die Reform des europäischen Asylsystems wurde bereits mehrfach verschoben, weil sich die EU-Länder nicht einigen konnten. Nun soll es bis Ende Juni klappen. Bislang basiert das System auf den sogenannten Dublin-Regeln. Demnach müssen Flüchtlinge ihren Asylantrag in dem Land stellen, in dem sie zuerst europäischen Boden betreten haben. Das betraf bislang vor allem Italien und Griechenland. In Zukunft sollen Flüchtlinge bei steigenden Ankunftszahlen automatisch in andere EU-Länder verteilt werden. Doch dagegen wehren sich vor allem osteuropäische Staaten. Es wäre wichtig, dass alle EU-Länder mit einer Stimme sprechen, sagt Avramopoulos. Wenn das aber nicht der Fall sei, könne man mit qualifizierter Mehrheit abstimmen. Das könnte bedeuten, dass die Mehrheit der EU-Länder die Minderheit überstimmt. Der Graben zwischen Ost- und Westeuropa in der Flüchtlingspolitik bliebe damit bestehen. Die Haltung der polnischen Regierung und anderer osteuropäischer Regierungen hätten ihn in der Vergangenheit nicht erfreut, erzählt der griechische Migrationskommissar. "Wir haben schwierige Momente durchlebt. Aber ich habe den Eindruck, dass sich die Situation ganz langsam etwas verbessert." Bis Sommer 2018 soll das neue System kommen Ungemach droht auch aus Österreich. Der neue österreichische Kanzler Sebastian Kurz hält die Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU mithilfe von Quoten für gescheitert. Und Bulgarien, das derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat, ist ebenfalls kein Vorzeigemodell für die Flüchtlingsaufnahme. In den vergangenen gut zwei Jahren hat das südosteuropäische Land gerade einmal 60 Flüchtlinge aus Griechenland und Italien bei sich aufgenommen. Ist die bulgarische Ratspräsidentschaft ein Problemfall? Dimitris Avramopoulos sieht das nicht so. "Bulgarien steht selbst unter Druck", sagt er. Hunderte von Flüchtlingen kämen über die bulgarisch-türkische Grenze in das Land. Deshalb gehe es hier nicht nur um die Umverteilung von Flüchtlingen nach Bulgarien, sondern auch um die Drucksituation im Land selbst. Bis Sommer 2018 soll es kommen: das neue europäische Asylsystem. Migrationskommissar Avramopoulos glaubt daran, dass es diesmal gelingen kann. Trotz aller Schwierigkeiten und trotz aller Widerstände.
# Trump wettert gegen "Drecksloch-Länder" Dass Äußerungen des US-Präsidenten für Empörung und Kopfschütteln sorgen, daran hat man sich fast schon gewöhnt. Doch was Trump bei einem Treffen mit Senatoren über Einwanderer aus Afrika und Haiti von sich gab, wurde in den USA als neuer Tiefpunkt gewertet. Die umstrittene Äußerung des US-Präsidenten war der Aufmacher in den Abendnachrichten aller großen Fernsehsender in den USA: "Explosive Kommentare des Präsidenten", hieß es bei CBS. Und NBC sprach von "schockierenden Kommentaren im Oval Office". Und auch das geschieht nicht alle Tage: In der Anmoderation zum Beitrag über die Äußerungen des Präsidenten warnte NBC-Moderator Lester Holt: "Das, was Sie gleich hören, könnte für einige unserer jüngeren Zuschauer nicht geeignet sein." Was war passiert? Donald Trump hatte Senatoren beider Parteien zu Gast im Oval Office. Eine Gruppe von sechs Senatoren hatte einen überparteilichen Kompromiss erarbeitet: Damit sollten Hunderttausende junge Einwanderer, die sogenannten "Dreamer", vor Abschiebung geschützt werden. Die von Trump heftig kritisierte Einwanderungslotterie sollte halbiert werden, dafür aber dürften Einwanderer aus Mittelamerika bleiben, die aufgrund von Naturkatastrophen in die USA kamen. "Warum brauchen wir mehr Haitianer?" Offenbar gefiel Trump dieser überparteiliche Kompromiss überhaupt nicht. Die Senatoren jedenfalls trauten ihren Ohren nicht, als sie die Reaktion des Präsidenten hörten, berichtete CNN-Korrespondent Jim Acosta und zitierte dann Trumps umstrittene Äußerung. "Warum lassen wir all diese Leute aus Drecksloch-Ländern hierher kommen?", habe Trump wörtlich gesagt und sich dann vor allem über Einwanderer aus Afrika und Haiti beklagt. "Warum brauchen wir mehr Haitianer?", habe Trump protestiert: "Schmeißt sie raus!" Stattdessen schlug er vor, mehr Menschen aus Ländern wie Norwegen aufzunehmen. Oder aus asiatischen Ländern, weil die Amerikas Wirtschaft voranbringen würden. Aus dem Weißen Haus kam kein Dementi. Im Gegenteil: Ein Sprecher verteidigte Trumps Aussagen: Während sich manche Politiker in Washington lieber für Ausländer einsetzen, werde Trump "immer für die Amerikaner kämpfen". Der Präsident heiße jene Einwanderer willkommen, die zum Wirtschaftswachstum beitragen und sich gut assimilieren. Schlag ins Gesicht Heftige Kritik kam anschließend sowohl von Demokraten als auch von einigen Republikanern. Die republikanische Kongressabgeordnete Mia Love, deren Familie aus Haiti stammt, bezeichnete Trumps Verhalten als "inakzeptabel für den Anführer unserer Nation". Trumps Worte seien "ein Schlag ins Gesicht der Werte unserer Nation". Der demokratische Senator Ben Cardin sagte: "Ich hätte nie geglaubt, dass so etwas aus dem Mund des Präsidenten der Vereinigten Staaten kommt. Das ist extrem schädlich." Mehrere Politiker wiesen darauf hin, dass Trumps abfällige Bemerkungen unmittelbar vor dem achten Jahrestag des verheerenden Erdbebens in Haiti fielen. Der Sprecher der afroamerikanischen Kongressabgeordneten, Cedric Richmond, twitterte: Trumps Äußerungen seien ein weiterer Beleg dafür, dass seine Agenda "Mach Amerika wieder großartig" in Wirklichkeit das Ziel habe: "Mach Amerika wieder weiß". CBC Chairman @RepRichmond: "@realDonaldTrump's 'shithole' comments are further proof that his Make America Great Again agenda is really a Make America White Again agenda." Äußerung zu Kim wird zur Nebensache Dass Trump am gleichen Abend sein Verhältnis zum nordkoreanischen Diktator Kim Jong Un als "gut" bezeichnete, ging in den US-Medien fast unter. In einem Interview mit dem "Wall Street Journal" sagte er dem überraschten Reporter, der ihn mit früheren "Rocket-Man"-Äußerungen konfrontierte: "Sie werden das bei mir häufiger erleben. Auf einmal ist jemand mein bester Freund. Ich bin ein sehr flexibler Mensch." Heute hat Donald Trump weniger Zeit für umstrittene Äußerungen. Er muss ins Krankenhaus, um seinen jährlichen Gesundheits-Check zu absolvieren.
# Auf dem Weg zur Mehrschichten-Union Wer mehr Geld gibt, soll auch mehr Einfluss haben: Die Pläne von Union und SPD könnten die EU verändern. Einige Mitgliedstaaten müssen sich auf harte Verteilungskämpfe einstellen. Das war eine schwere Geburt: 24 Stunden Tauziehen - herausgekommen ist ein Papier, auf dem das Thema Europa ganz oben steht. Falls nach den zähen Sondierungen die Koalitionsverhandlungen sauber über die Bühne gehen, falls die neue GroKo tatsächlich kommt, falls die Pläne niemand vergessen hat - was in solchen Fällen leider oft passiert - dann könnte die EU bald anders aussehen als heute. Schwere Zeiten für Ungarn und Polen Die neue GroKo will den Brüsseler Apparat neu aufstellen. Kein weiter so wie bisher. Das Ganze unterfüttert mit mehr Geld aus Berlin. Brüssel soll finanziell gestärkt werden. Das Ziel: mehr Einfluss der EU-Hauptgeldgeber. Weniger Einfluss für diejenigen, die aus Brüssel nur Geld sehen wollen, aber nur wenig Solidarität zeigen, wenn es um teilbare Belastungen geht. Zum Beispiel bei der Versorgung von Flüchtlingen. Für Länder wie Polen oder Ungarn könnten schwere Zeiten anbrechen - falls sie sich nicht auf die neue Lage einstellen. Ihnen wird ein kräftiger Wind aus Berlin entgegen wehen. Premium-EU oder Holzklasse? Vor allem Frankreichs Präsident Emmanuel Macron dürfte jetzt aufatmen. Er will Deutschland und Frankreich enger zusammenwachsen lassen - und aus diesem neuen Kraftzentrum heraus die EU verändern. Im Euroraum wird wohl bald enger kooperiert. Hier hat sich der ehemalige EU-Parlamentspräsident Schulz wohl klar gegen die eher zurückhaltende Kanzlerin durchgesetzt. Am Ende könnte eine Mehrschichten-EU stehen: Auf der einen Seite die Premium-EU, auf der anderen Seite die EU-Holzklasse. Wer upgraden will, muss sich an die Spielregeln halten. Mehr Geld aus Berlin nur für die richtigen Gegenleistungen Die neue GroKo will Brüssel verändern. Aber es gibt Fragezeichen. Wenn mehr Geld aus Berlin nach Brüssel fließen soll, dann muss es dafür auch mehr messbare Gegenleistungen geben. Und zwar die richtigen. Mehr zahlen und dann sparen an der falschen Stelle - das geht nicht mehr. So könnte es aber kommen. Nach dem Brexit fehlt mit Großbritannien einer der wichtigsten EU-Nettozahler. Verteilungskämpfe um EU-Förderungen Die Aussage im GroKo-Papier "Wir wollen die EU finanziell stärken, damit sie Aufgaben besser wahrnehmen kann", reicht nicht aus. Das ganze EU-Fördersystem gehört auf den Kopf gestellt, damit es mehr Luft gibt für neue Aufgaben. Die Landwirtschaft und der Kohäsionsfonds sind Riesen-Batzen. Beides verschlingt einen Großteil des EU-Haushalts. Das wird wohl so nicht mehr bleiben können. Es wird harte Verteilungskämpfe geben. Dann kommt es auch auf Berlin an.
# Gericht verlangt Whistleblower-Würdigung In der "LuxLeaks"-Affäre um Steuerdeals für Großkonzerne hat Luxemburgs höchstes Gericht die Haftstrafe gegen einen Informanten aufgehoben. Die Richter sind der Ansicht, dass der Whistleblower zu wenig gewürdigt wurde. Das Urteil ist ein Erfolg für den französischen Whistleblower Antoine Deltour. Das höchste Gericht von Luxemburg kippte seine Haftstrafe von sechs Monaten auf Bewährung, die das Berufungsgericht ihm zuvor aufgelegt hatte. Auch die Geldbuße in Höhe von 1500 Euro wurde aufgehoben. Denn die Richter sind der Ansicht, dass Deltour bislang nicht richtig als wichtiger Informant gewürdigt wurde. Der ehemalige Mitarbeiter der Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers habe in der Absicht gehandelt, die fragwürdigen Steuerdeals zwischen luxemburgischen Finanzbehörden und internationalen Konzernen aufzudecken, durch die die Unternehmen Steuern in Milliardenhöhe einsparten. Aus diesem Grund habe Deltour die vertraulichen Dokumente aus der Datenbank seines Arbeitgebers gestohlen und an einen Journalisten weiter gegeben. Sein Motiv sei also die Wahrheitsfindung gewesen - das müsse vom Gesetz geschützt werden. "Endlich ein Erfolg für Whistleblower" Ein gutes Urteil, findet der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold: "Endlich ein Erfolg für Whistleblower Antoine Deltour. Das begrüßen wir außerordentlich. Seit Jahren fordern wir, dass Menschen, die im Interesse des Gemeinwohls, Missstände und Rechtsbrüche aufklären, nicht als Geheimnisverräter bestraft werden können."Anders bewerteten die Richter des höchsten Luxemburger Gerichts dagegen den Fall des zweiten Informanten in der "LuxLeaks"-Affäre. Für Raphael Halet bleibt die Geldstrafe von 1000 Euro bestehen. Denn er habe erst gehandelt, als die Affäre bereits hochkochte. Zudem hätten die Dokumente, die er beisteuerte, keine neuen Erkenntnisse in der "LuxLeaks"-Affäre gebracht. Das heutige Urteil geht nun zurück zum Berufungsgericht. Eine mit anderen Richtern besetzte Kammer wird erneut darüber beraten. Sicherheit vor Strafverfolgung Der "LuxLeaks"-Prozess wirft die spannende Frage auf, wann Geheimnisverrat strafbar ist und wann nicht - und inwieweit Informanten gesetzlich geschützt werden sollen. Sven Giegold von den Grünen ist der Ansicht, dass die EU hier dringend nachbessern muss: "Wir brauchen daher jetzt gesetzlichen Schutz, der europaweit garantiert, dass Menschen, die etwa Milliardenschäden fürs Gemeinwohl abwenden, dadurch, dass sie geheime Informationen öffentlich machen, dass die sicher geschützt sind vor Strafverfolgung und Schadensersatzansprüchen."
# EU verteidigt Atomabkommen Bei dem Besuch des iranischen Außenministers Sarif in Brüssel haben sich EU-Spitzen sowie Bundesaußenminister Gabriel hinter das Atomabkommen mit dem Iran gestellt. Weiteres Thema waren die Proteste im Iran. Die EU hat sich klar hinter das von US-Präsident Donald Trump kritisierte Atomabkommen mit dem Iran gestellt. "Die Einigkeit der internationalen Gemeinschaft ist entscheidend dafür, einen Deal zu erhalten, der funktioniert, der die Welt sicherer macht und der einen atomaren Rüstungswettlauf in der Region verhindert", sagte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini nach einem Treffen mit dem iranischen Außenminister Mohammed Dschawad Sarif in Brüssel. Es sei ein wichtiges Signal an die Welt, dass es auf diplomatischem Wege möglich sei, die Entwicklung von Nuklearwaffen zu verhindern, betonte auch Bundesaußenminister Sigmar Gabriel. Dies insbesondere in einer Zeit, in der andere Länder versuchen, Atombomben zu entwickeln. "Wir werden das Atomabkommen deshalb vor eventuellen Versuchen, es zu untergraben, beschützen." Appell an die USA Zudem appellierte Gabriel an die USA, sich an die Vereinbarungen aus dem Atomabkommen mit Teheran von 2015 zu halten. Das Scheitern des Abkommens wäre demnach "ein sehr gefährliches Signal" an andere Länder wie Nordkorea, die Atomprogramme verfolgten. Hintergrund ist die Aussage Trumps, der Deal von 2015 sei der "schlechteste Vertrag aller Zeiten". US-Präsident Trump muss in den kommenden Tagen entscheiden, ob er die durch das Atomabkommen vereinbarte Aussetzung der Sanktionen gegen den Iran aufrechterhält oder die Strafmaßnahmen wieder in Kraft setzt. Nach Angaben aus der US-Regierung wird Trump seine Entscheidung voraussichtlich am Freitag bekanntgeben. Proteste im Iran als Thema Weiteres Thema der Gespräche war der Umgang Teherans mit regimekritischen Protesten der vergangenen Wochen. Die USA hatten den europäischen Staaten vorgeworfen, das Regime in Teheran mit Samthandschuhen anzufassen, um den Atomdeal nicht zu gefährden - daher habe die EU die Todesopfer bei den jüngsten Protesten nur halbherzig verurteilt. Man habe über die Situation der Menschenrechte im Iran geredet, sagte Gabriel nun. Bereits vor dem Treffen hatte er auf die Proteste im Iran reagiert. Es sei wichtig gewesen, dass Präsident Hassan Rouhani erklärt habe, "dass das iranische Volk ein Recht hat, in seiner Unzufriedenheit ernst genommen und mit seinen legitimen Forderungen gehört zu werden, und dass Missstände behoben werden müssen", erklärte der Außenminister. "Wir können dies nur begrüßen und die iranische Regierung ermutigen, diesen Dialog zu führen." Dialog über Konfliktthemen Ihre Wortwahl zum Vorgehen der Führung in Teheran gegen die Proteste verschärfte die EU nicht. Sie stellt aber klar, dass sie all jene Themen, die auch den USA am Herzen liegen, mit dem Iran durchaus diskutiert: immer neue Provokationen in Form von Raketentests oder die Unterstützung für Syriens Machthaber Assad etwa. Gabriel verkündete, dass man nun mit dem Iran verabredet habe, über alle Konfliktthemen - beginnend mit seiner Rolle in Konflikten in der Nahost-Region - in einen Dialog einzutreten. Diese sollten "sehr schnell" beginnen und sich zunächst auf die Lage im Jemen beziehen. Teheran wird von der EU, aber auch von den USA regelmäßig kritisiert, weil es auch in Syrien und im Irak Konfliktparteien unterstützt und im Libanon politischen Einfluss auf Verbündete ausübt. An dem Treffen in Brüssel nahmen auch die Außenminister Frankreichs und Großbritanniens teil.
# EU auf der Jagd nach dem Supercomputer Die EU darf - was die Rechenleistung von Computern angeht - nicht abgehängt werden, meint die EU-Kommission. Deswegen nimmt sie jetzt eine Milliarde Euro für Supercomputer in die Hand. Eine Milliarde Euro - so viel will die EU in die neue Höchstleistungsrechner-Infrastruktur investieren. Bereits in fünf Jahren sollen die neuen Supercomputer mindestens eine Trillion Rechenvorgänge pro Sekunde bewältigen können. Damit sollen sie 100 Mal schneller sein als die Computer, die es bislang in der EU gibt. Entsprechende Pläne präsentierte die EU-Kommission in Brüssel. Das aktuelle Problem ist, dass europäische Wissenschaftler und Unternehmen für schnelle und hochkomplexe Rechenvorgänge momentan auf Supercomputer im Ausland zugreifen müssen. Rechner mit der nötigen Leistung fehlen einfach in der EU. Damit ist die EU abhängig vom Ausland. Datenschutz oder die Wahrung von Geschäftsgeheimnissen bleiben oft auf der Strecke. Gemeinsam wettbewerbsfähig EU-Forschungskommissar Carlos Moedas sagte: "Wir wollen die nationalen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Interessen in einem gemeinsamen Projekt bündeln." Ihm zufolge hätte "einer allein" das gar nicht hinbekommen. "Kein Land, keine Universität oder Firma kann das leisten, was die EU hier heute auf den Weg bringt." Brüssel geht es aber nicht nur um die Unabhängigkeit vom Ausland. Die EU solle mit den Supercomputern wettbewerbsfähig bleiben, um nicht den Anschluss an die Weltspitze zu verlieren, sagte die EU-Kommissarin für digitale Wirtschaft und Gesellschaft, Marija Gabriel. "Diese Supercomputer bieten ganz neue industrielle und wissenschaftliche Möglichkeiten: Beispielsweise die Entwicklung aber auch die Simulation der Wirkung neuer Medikamente oder Kosmetika." Einsatz gegen Naturkatastrophen und Cyberangriffe Supercomputer sind heute aber auch bei der Verhütung und Bewältigung von Naturkatastrophen und beim Schutz vor Cyberangriffen unverzichtbar. Bereits vor einem Jahr hatten sich unter anderem Frankreich und Deutschland auf die Gründung des Unternehmens EuroHPC geeinigt. EuroHPC soll nun rasch, mittels der Geldspritze aus Brüssel, den Aufbau einer Höchstleistungsrechner-Infrastruktur innerhalb der EU vorantreiben.
# Urteil gegen Informanten aufgehoben In der "LuxLeaks"-Affäre hat ein Gericht in Luxemburg das Urteil gegen einen Informanten aufgehoben. Bei den "LuxLeaks" geht es um Steuerdeals internationaler Konzerne mit den luxemburgischen Finanzbehörden. In der "LuxLeaks"-Affäre um Enthüllungen über Steuervorteile für internationale Großkonzerne hat ein Gericht in Luxemburg das Urteil gegen den Informanten Antoine Deltour gekippt. Die Bewährungsstrafe gegen Deltour werde aufgehoben, urteilte das Gericht. Eine geringere Strafe für den Mitangeklagten Raphaël Halet wurde dagegen aufrechterhalten. Deltour war im Berufungsprozess im vergangenen März zu sechs Monaten Haft auf Bewährung und 1500 Euro Strafe verurteilt worden. Der Mitangeklagte Halet erhielt eine Geldstrafe von 1000 Euro. Beide legten Berufung ein. Europaweiter Wirbel Die beiden Franzosen hatten fast 30.000 Dokumente entwendet, die enthüllen, wie der Staat Luxemburg diversen Großkonzernen bei der Vermeidung von Steuerzahlungen in Milliardenhöhe half. Sie gaben die Dokumente 2012 an den Journalisten Edouard Perrin weiter. Doch erst die "LuxLeaks"-Enthüllungen des internationalen Recherchenetzwerks ICIJ zwei Jahre später sorgten europaweit für Wirbel.
# Tötungsvorsatz - Was bedeutet das? Ein Bombenanschlag ohne "Tötungsabsicht" - geht das?  Juristisch ist das ein komplexes Thema. Wie die Einlassung des Angeklagten im Prozess um den Anschlag auf den BVB-Mannschaftsbus juristisch einzuordnen ist. Sergej W. muss sich vor dem Dortmunder Landgericht wegen des Anschlags auf den Mannschaftsbus von Borussia Dortmund verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm versuchten Mord in 28 Fällen vor. Der Knackpunkt in diesem Strafverfahren ist der sogenannte Tötungsvorsatz. Heute hat der Angeklagte die Tat weitgehend eingeräumt, allerdings habe er die Sprengsätze "extra so konzipiert, dass keine Personenschäden zu erwarten waren". Zum Glück ist ja tatsächlich niemand gestorben, darum geht es insoweit auch "nur" um den Versuch des Mordes - auch das ist natürlich ein schweres Verbrechen. Aber auch eine Verurteilung wegen versuchten Mordes kann nur dann erfolgen, wenn das Gericht überzeugt ist, dass der Angeklagte den Vorsatz hatte, einen oder mehrere Menschen zu töten. Vorsatz ist nicht nur "Absicht" Vorsatz, das muss man wissen, bedeutet juristisch keinesfalls ausschließlich, dass Täter "absichtlich" im engeren Sinne handelte, den Tod anderer also "wollte". Es reicht auch aus, dass er zum Tatzeitpunkt entweder von der Folge - also hier dem möglichen Eintreten des Todes - sicher wusste oder dass er den sogenannten "Eventualvorsatz" hatte. Eventualvorsatz bei Mord oder Totschlag heißt, dass der Täter den Tod einer anderen Person zumindest billigend in Kauf nimmt. Anders gesagt: Es würde also für eine Verurteilung wegen versuchten Mordes ausreichen, wenn der Täter gedacht hat: "Vielleicht stirbt jemand bei dem Bombenanschlag, aber das ist mir egal". Umgekehrt müssten die Richter den Angeklagten vom Vorwurf des versuchten Mordes freisprechen, wenn sie zu der Überzeugung kämen, dass dieser wirklich fest darauf vertraut hat, dass kein Mensch sterben werde. Dabei kommt es aber nicht alleine auf die Aussage des Angeklagten an. Auch äußere Umstände der Tat relevant Denn: Das Gericht muss sich damit auseinandersetzen, was der Angeklagte im konkreten Fall gedacht hat. Weil die Richter nicht in den Kopf des Angeklagten hineinschauen können, müssen sie diese Gedanken des Täters auch aus dem, was geschehen ist, herleiten. Das bedeutet, sie werden sich genau anschauen, wie die Sprengsätze tatsächlich konstruiert wurden und wo sie platziert waren. Das Gericht wird sein Urteil jedenfalls erst dann sprechen, wenn die Beweisaufnahme abgeschlossen ist und es sich selbst ein Bild von allen Umständen gemacht hat.
# Staat zahlt Millionen für Schwarzfahrer im Knast Haft für Bagatelldelikte wie Schwarzfahren - das gibt es häufiger, als man denkt. Denn wer eine Geldstrafe nicht bezahlen kann, muss oft eine "Ersatzfreiheitsstrafe" absitzen. Das kostet den Staat laut Monitor-Recherchen mehr als 200 Millionen Euro pro Jahr. Wer Geldstrafen nicht bezahlen kann, landet hierzulande schnell im Gefängnis - Tür an Tür mit Kriminellen und Schwerkriminellen. Experten halten das für unverhältnismäßig und schädlich. Für die Gesellschaft ist diese Bestrafung zudem extrem teuer. Nach Berechnungen des ARD-Magazins Monitor kosten vollstreckte Ersatzfreiheitsstrafen den Steuerzahler einen dreistelligen Millionenbetrag pro Jahr. Acht Monate Haft für Schwarzfahren Dass er mal im Gefängnis landen könnte, hat Markus Hallberg (Name geändert) bis zuletzt nicht gedacht. Doch nun muss er acht Monate in einem Dortmunder Gefängnis absitzen. Und das nur, weil er schwarz gefahren ist. Hallberg verbüßt eine sogenannte Ersatzfreiheitsstrafe. Immer wieder war er ohne Fahrschein unterwegs - und immer wieder wurde er erwischt. "Ich war total abgestumpft. Wenn ich kontrolliert wurde, habe ich nur meinen Ausweis hingehalten und gesagt, ich habe kein Ticket", erzählt der 27-Jährige. Irgendwann gab es zwei heftige Geldstrafen: Insgesamt 260 Tagessätze à 10 Euro. Geld, das er als Hartz-IV-Empfänger nicht bezahlen konnte. Für solche Fälle sieht das deutsche Recht eine klare Folge vor: "An die Stelle einer uneinbringlichen Geldstrafe tritt Freiheitsstrafe." Theoretisch hätte Hallberg die noch abwenden können, wenn er sich um eine gemeinnützige Arbeit gekümmert hätte. Aber das hat er nicht geschafft: Er war alkoholabhängig und in Behandlung in einer psychiatrischen Klinik. Wer nicht zahlt, sitzt ein "Ein typischer Fall", sagt Nicole Bögelein vom Institut für Kriminologie an der Universität Köln. Wer von Ersatzfreiheitsstrafen bedroht sei, habe meist verschiedene Schwierigkeiten wie Suchtkrankheiten und psychische Probleme. "Betroffen sind ausschließlich Personen, die nicht zahlen können. Und denen begegnen wir mit Strafe, anstatt verstärkt zu helfen", so Bögelein, die seit Jahren zu Ersatzfreiheitsstrafen forscht. Bögelein und andere Experten fordern eine Ausweitung der Hilfsangebote und einen Verzicht auf Ersatzfreiheitsstrafen. Eine Abschaffung lehnt aber sowohl die Bundesregierung wie auch die Mehrheit der Bundesländer ab: "Die Ersatzfreiheitsstrafe stellt ein unerlässliches Mittel zur Durchsetzung der Geldstrafe dar", argumentiert das Bundesjustizministerium. Dabei gibt es auch in der Politik kaum Zweifel daran, dass die Zahl der Ersatzfreiheitsstrafen gesenkt werden sollte. Schon um Polizei und Justiz zu entlasten. Jährliche Kosten von 200 Millionen Euro Viele Gefängnisse sind am Limit, dazu gibt es zu wenig Personal. Die Belegung der deutschen Gefängnisse wird nur an drei Stichtagen im Jahr untersucht, genauere Daten gibt es nicht. Doch danach ist die Zahl der vollzogenen Ersatzfreiheitsstrafen in den vergangenen zehn Jahren um 25 Prozent gestiegen. Aus einer Umfrage unter den Bundesländern und einer Auswertung der offiziellen Statistik hat Monitor errechnet, dass sich die Kosten dafür pro Jahr auf über 200 Millionen Euro summieren. Der Berliner Kriminologe Heinz Cornel hält das noch für eine zurückhaltende Berechnung. "Es ist skandalös, eine solche Summe zu verwenden, um Menschen aufgrund von Armut und einem Mangel an sozialen Kompetenzen wegen kleinerer Delikte wegzusperren", sagt Cornel. Selbst der Leiter der JVA Dortmund, Ralf Bothge, hält es für sinnlos, diese Menschen einzusperren: "Ich glaube, dass ein Mensch wie Herr Hallberg in Haft nichts zu suchen hat." Trotzdem sitzen 60 der 400 Häftlinge in Bothges Gefängnis eine Ersatzfreiheitsstrafe ab. "Ohne die hätten wir eine Normalbelegung, vielleicht sogar ein wenig darunter. Das würden wir alle begrüßen", so der Anstaltsleiter. Arbeit statt Strafe Dass es anders geht, zeigt zum Beispiel das Projekt "Arbeit statt Strafe" von der Freien Hilfe Berlin e.V. Menschen, denen eine Ersatzfreiheitsstrafe droht, können hier eine gemeinnützige Arbeit aufnehmen, um der Haft zu entgehen. "Diese Menschen sind stark hilfebedürftig", sagt die Projektleiterin Ruth Warkentin. "Das fängt schon dabei an, einen entsprechenden Antrag bei der Staatsanwaltschaft zu stellen." In dem Projekt bekommen sie schon Hilfe im schriftlichen Verfahren und werden auch danach eng betreut und beaufsichtigt, damit sie die Zeit des Arbeitseinsatzes auch durchhalten. Die Erfolgsquote sei hoch: "90 Prozent der Menschen, die wir beraten und unterstützen, schaffen es, die drohende Ersatzfreiheitstrafe abzuwenden." Doch von solchen Hilfsangeboten gebe es viel zu wenig, kritisiert Kriminologe Cornel. Dabei würde das weniger kosten als Ersatzfreiheitsstrafen, schätzt der Experte. "Und im Unterschied dazu wäre das für die Gesellschaft auch noch sinnvoll."
# Was ist die Scharia? Immer wieder gibt es in Deutschland Diskussionen über das islamische Recht. Die Scharia wird von radikalen Islamisten benutzt, um sich als Polizisten aufzuspielen. Doch was ist die Scharia überhaupt? Das Thema Scharia ist komplex und teilweise widersprüchlich. Daher können hier nur einige zentrale Fragen rund um die Scharia thematisiert werden, die zumindest ein Grundverständnis vermitteln sollen. Ist die Scharia ein Gesetzbuch? So einfach ist es nicht. Muslime können nicht in die Bibliothek oder ans heimische Bücherregal gehen und das Buch mit der Aufschrift "Scharia" herausholen. Unter dem Begriff Scharia werden alle Gesetze und Normen gefasst, die aus dem Koran und der Sunna des Propheten hervorgehen. Die Sunna ist eine große Sammlung von Überlieferungen über das Verhalten und Aussprüche von Prophet Mohammed. Daraus ergibt sich ein Problem: Der Koran ist in einer sehr poetischen Sprache verfasst, die nicht leicht zu verstehen ist. Zudem gibt es Verse (Suren), die sich inhaltlich widersprechen. Und nicht zuletzt ist der Koran im 7. Jahrhundert offenbart worden, so dass viele Wissenschaftler der Frage nachgehen, wie diese Texte heute sinnvoll verstanden werden können. Weil die Grundlagentexte auf so vielfältige Weise interpretiert werden können, haben sich im sunnitischen Islam vier Rechtsschulen entwickelt: die hanbalitische, die hanafitische, die malikitische und die schafiitische Rechtsschule. Zwischen ihnen bestehen teilweise große Unterschiede, was Verständnis und Interpretation der Quellen angeht. Wie kann ich mich als Muslim über rechtliche Fragen informieren? Jeder Muslim kann selbst im Koran oder in der Sunna nachlesen. Das kann aber kompliziert sein, weil die Schriften oft nicht eindeutig sind. Deshalb gibt es Rechtsgelehrte, die die Fragen von Gläubigen beantworten. Einen solchen Gelehrten nennen sunnitische Muslime Mufti, das Gutachten heißt Fatwa. Da es verschiedene Rechtsschulen gibt, können auch die Gutachten einzelner Muftis unterschiedlich ausfallen. Zumeist wird ein Gläubiger jedoch einen Mufti der Rechtsschule aufsuchen, der er selbst angehört und dann auch seine Empfehlungen befolgen. Das Wort Fatwa hat bei uns traurige Berühmtheit im Zusammenhang mit dem Schriftsteller Salman Rushdie und seinem Roman "Die satanischen Verse" erlangt. Weil sein Roman vom damaligen iranischen Staatsoberhaupt Ruhollah Khomeini als "gegen den Islam, den Koran und den Propheten" beurteilt worden war, verurteilte dieser Rushdie in einer Fatwa zum Tode. Dies war auch unter muslimischen Gelehrten hoch umstritten: Es sei nicht gestattet, Menschen ohne ein Gerichtsverfahren zum Tode zu verurteilen. Die Organisation für islamische Zusammenarbeit, der 56 Staaten angehören, erklärte die Fatwa für ungültig. Dennoch musste Rushdie jahrelang - auch im Westen - unter Polizeischutz leben. Heute sind viele Muftis von der staatlichen Gewalt in ihrem jeweiligen Land abhängig. Was das bedeutet, kann man in Saudi-Arabien sehr gut beobachten: Noch bis vor kurzem hieß es dort von einigen Gelehrten, dass Autofahren für Frauen schädlich sei. Jetzt, da das Königshaus das Fahrverbot für Frauen aufhebt, verändern sich auch die Ansichten der Rechtsgelehrten dazu. Gehören auch Steinigungen und abgeschlagene Gliedmaßen zur Scharia? Ja. Die Scharia sieht schwere Strafen vor für "Vergehen gegen die göttliche Ordnung": - Unzucht, also Sex außerhalb der Ehe: Verheiratete (Mann und Frau) werden hierfür mit dem Tod durch Steinigung bestraft, nicht Verheiratete mit 100 Peitschenhieben. Allerdings gibt es relativ hohe Hürden, um diese Strafen zu verhängen, unter anderem vier männliche Augenzeugen. Sie zu finden, dürfte die größte Hürde für eine Verurteilung sein. Einige Rechtsgelehrte gehen deshalb davon aus, dass diese Strafe praktisch überhaupt nicht verhängt werden kann. - Verleumdung wegen Unzucht, also jemand anderen der Unzucht beschuldigen: Dieser Punkt ist sehr wichtig, da diese Strafe der üblen Nachrede vorbeugen soll. Das ist nach islamischem Recht fast ebenso verwerflich wie die Tat selbst und wird mit 80 Peitschenhieben bestraft. - Genuss berauschender Getränke: Die Strafe hierfür liegt bei 40 bis 80 Hieben, je nach Rechtsschule. Wichtig hierbei ist, dass man den Täter nur verurteilen kann, wenn man ihn entweder auf frischer Tat ertappt hat oder ihn betrunken vorfindet. - Diebstahl wertvoller und gut verwahrter Gegenstände: Wichtig ist hier, dass es sich tatsächlich um gut verwahrte Gegenstände handelt. Taschendiebstahl gehört nicht dazu. Der Täter muss den gestohlenen Gegenstand zurückgeben oder Schadenersatz leisten. Als Strafe droht im beim ersten Diebstahl das Abtrennen der rechten Hand, beim zweiten Diebstahl das Abtrennen des linken Fußes. - Straßenraub und Wegelagerei: Hier kommt es darauf an, was genau passiert ist: Nur eine Wegelagerei im Sinne von Bettelei oder ein Raub bzw. Mord oder beides? Danach richtet sich dann auch die Schwere der Strafe. Was abgesehen von diesen brutalen Strafen oftmals irritiert, ist die Idee der Vergeltungsstrafen. Das bedeutet, dass der Geschädigte oder seine Familie Anspruch auf Vergeltung haben. Sie kann entweder dadurch erreicht werden, dass dem Täter ebenfalls Schaden zugefügt wird oder dass ein so genanntes Blutgeld bezahlt wird. Wenn man anstatt Blutgeld allerdings den Begriff Schadenersatz verwendet, klingt die Idee nicht mehr ganz so martialisch. Wichtig bei all diesen Strafen ist, dass das islamische Recht keine Selbstjustiz vorsieht. Bilder von einem Mob, der eine Frau auf der Straße zu Tode prügelt, weil sie den Koran verbrannt haben soll, passen nicht zum Verbot der Selbstjustiz. Das Gleiche gilt für so genannte Ehrenmorde, die auch in Deutschland bereits verübt wurden. Die oben genannten Strafen können alle nur von einem Richter verhängt werden. Doch auch hier stellt sich wieder die Frage, wie unabhängig Richter heute in muslimischen Ländern agieren können. Und natürlich werden diese drakonischen Strafen nur in wenigen Ländern angewandt. Wie sieht es aus mit der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau? In Sure 4,34 wird dem Mann die "Vollmacht und Verantwortung" über und für seine Frau zugeschrieben. Sie muss gehorchen. Tut sie das nicht, hat der Mann das Recht seine Frau zu bestrafen. Doch gerade in den vergangenen Jahren versuchen muslimische Frauen die Texte des Koran und der Sunna von einem feministischen Standpunt aus zu interpretieren. Sie gehen davon aus, dass der Prophet Mohammed an einer Gleichstellung von Mann und Frau interessiert war. Zu seinen Lebzeiten hat er mit vielen neuartigen Ideen die Stellung der Frau tatsächlich verbessert - beispielsweise im Erbrecht oder auch im Familienrecht. Dennoch sind viele dieser Ideen für unsere Vorstellungen völlig antiquiert: Beispielsweise, dass eine Frau nur die Hälfte von dem erben dürfen soll, was ein Mann erhält. Ebenso, dass ihr Zeugnis vor Gericht weniger wert sein soll. Oder etwas die Vorstellung, dass ein Mann zwar vier Frauen heiraten dürfen soll, eine Frau jedoch nicht vier Männer. Ein weiterer Punkt, der für viele Menschen eine Misogynie des Islam zeigen soll, ist die in vielen muslimischen Ländern praktizierte Genitalverstümmelung von Frauen. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine muslimische Tradition. Die Genitalverstümmelung wird in vielen afrikanischen Ländern auch von Christen praktiziert und hat ihren Ursprung wahrscheinlich in uralten Stammestraditionen. Sie wird in vielen Ländern von Nichtregierungsorganisationen bekämpft. In manchen Ländern wie Ägypten kann man einen Bewusstseinswandel erkennen. Immer wieder heißt es, dass Muslime Ungläubige bekämpfen sollen. Sagt die Scharia das? Der Koran sagt in Sure 2, Vers 256: Es sei kein Zwang im Glauben! Klar ist nunmehr das Rechte vom Irrtum unterschieden. Wer die falschen Götter verwirft und an Allah glaubt, der hat den festesten Halt erfasst, der nicht reißen wird. Und Allah ist hörend und wissend. Ganz so einfach, wie es hier klingt, ist es allerdings nicht. In der Frühzeit des Islam war es tatsächlich so, dass Christen und Juden in muslimischen Ländern ihre Religion behalten durften, wenn sie eine so genannte Schutzsteuer bezahlten. Man nennt diese Religionen auch heute noch "Buchreligionen" oder auch "Schriftbesitzer". Auf Arabisch nennt man sich "Ahl al-Kitab". Als die iberische Halbinsel zwischen dem 8. und dem 15. Jahrhundert unter muslimischer Herrschaft stand (sie hieß damals al-Andalus), hat die Zusammenarbeit zwischen muslimischen und jüdischen Gelehrten intellektuell große Früchte hervorgebracht. Viele Werke aus dem Altertum wurden hier vom Arabischen ins Lateinische übertragen. Von dieser Toleranz ist allerdings heute in vielen muslimischen Ländern nicht mehr viel zu spüren. Orientalische Christen sehen sich vielerorts großem Druck der muslimischen Mehrheitsgesellschaft ausgesetzt. Oft bilden ihre Gemeinden nur kleine Inseln in größtenteils muslimischen Ländern. Dennoch gibt es in muslimischen Ländern Kirchen: In Ägypten, Jordanien, Syrien, dem Libanon, dem Oman, den Vereinigten Arabischen Emiraten, aber auch in Marokko, Tunesien, der Türkei und sogar im Iran gibt es christliche Gotteshäuser und Gemeinden - wenn auch oft nur sehr kleine. Im Irak hat im Jahr 2015 der Völkermord an der Minderheit der Jesiden weltweit für Entsetzen gesorgt. Für die Extremisten des "Islamischen Staates" sind Jesiden Ungläubige. Häufig haben die Konflikte aber auch mit der Sozialstruktur in den einzelnen Ländern zu tun. Einerseits sind beispielsweise Christen häufig gut ausgebildet und bekleiden dementsprechend hohe Posten. Andererseits sehen sie bspw. in Syrien momentan keine Alternative dazu, als sich mit der Herrschaft von Baschar al-Assad zu arrangieren. Sollte Assad verschwinden, fürchten viele Christen, dass es für sie unter verstärktem islamistischen Einfluss ebenfalls keine Zukunft im Land geben würde. Kann man aus dem Islam austreten? Was der Islam ablehnt, ist Atheismus. Für viele Muslime ist es nicht vorstellbar, dass Menschen "nicht glauben". Auch kann man aus dem Islam nicht austreten wie aus der katholischen oder evangelischen Kirche. Als Muslim wird man geboren - und bleibt es somit sein Leben lang. Eine Abwendung vom Glauben ist für viele also ein privater Schritt und kein öffentlicher. Der Religionswissenschaftler Michael Blume hat in seinem vor kurzem veröffentlichten Buch "Der Islam in der Krise" darauf hingewiesen, dass es unter Muslimen keineswegs nur die verstärkte Hinwendung zum Glauben gibt, sondern eben auch starke Säkularisierungstendenzen - ebenso wie in den christlichen Religionen. Da die Abwendung von der Religion aber in vielen muslimischen Ländern auch gesellschaftlich stark geächtet ist, behalten viele diese Entfremdung lieber für sich.
# Memoiren eines zum Tode Verurteilten Das Telefon läutete und danach war im Leben von Salman Rushdie alles anders. "Wie fühlt es sich an, zum Tode verurteilt worden zu sein?", fragte eine Reporterin. So erfuhr der Autor, dass ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt worden war, da er mit den "Satanischen Versen" den Islam beleidigt habe. 23 Jahre lebte Rushdie im Untergrund. Nun erscheint seine Autobiographie. Von Sebastian Hesse, MDR-Hörfunkstudio London In den 23 Jahren, die Salman Rushdie inzwischen im Untergrund verbracht hat, verborgen vor seinen gesichtslosen Häschern, hat er sich nie direkt zu dem Todesurteil durch den damaligen iranischen Revolutionsführer Ayatollah Khomeini geäußert. Und nun ein ganzes Buch zum Thema: Folgerichtig beginnt es mit dem Moment, als der Autor der "Satanischen Verse" erfuhr, dass ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt war. "Ich bin ein toter Mann" Eine BBC-Reporterin hatte ihn angerufen und informiert - während der Beerdigung seines langjährigen Freundes und Reisegefährten Bruce Chatwin, am Valentinstag 1989. "Wie fühlt sich das an, soeben zum Tode verurteilt worden zu sein?", habe sie damals gefragt. Er hatte geantwortet: "Fühlt sich nicht gut an." Und gedacht: "Ich bin ein toter Mann." Salman Rushdie hat sein Schweigen zum Thema gebrochen, mit dem Buch und einem Interview, das nun als Aufzeichnung in der BBC lief. Lange Zeit habe er sich nicht in der Lage gefühlt, darüber zu reden und vor allem zu schreiben, wie sich das Leben im Verborgenen angefühlt hat, so Rushdie. Außerdem habe er jetzt die Tür zu seiner Vergangenheit zuschlagen wollen und wieder ein normales Leben aufnehmen wollen, jetzt, wo er ausreichend Distanz zu den Geschehnissen verspürt. Die Jahre im Untergrund seien vor allem von Angst geprägt gewesen, um ihn selbst und um seine Familie. Er sei orientierungslos gewesen, kaum in der Lage, richtig zu handeln. Salman Rushdie lebt inzwischen in New York, in einem Apartment nahe des Union Square in Manhattan. Er hat eine Gastprofessur an der Uni von Atlanta. Und er hat sich das Trauma seines Lebens von der Seele geschrieben. 656 Seiten umfasst "Joseph Anton" in der englischen Originalausgabe, ein Ziegelstein von einem Buch. Und das ist schon die kondensierte Fassung. 200 Seiten hatte Salman Rushdie zum Schluss noch heraus redigiert. Es sei ein unverändert aktuelles Buch, meint der Autor, denn die beispiellose Fatwa könne man rückblickend als Auftakt einer Entwicklung sehen, die bis heute andauert. Die "Satanischen Verse" würden wohl keinen Verleger mehr finden Es war der erste Akkord einer dunklen Sinfonie, die von der Fatwa bis zum 11. September reicht. Attacken auf die Meinungsfreiheit hat es in Teilen der islamischen Welt immer wieder gegeben, mit den immer gleichen Argumenten. Immer wird der Vorwurf der Gotteslästerung, des Ketzertums, der Abkehr vom Glauben, der Beleidigung erhoben: all dieses mittelalterliche Vokabular. Als die BBC Rushdie zu seinem Buch befragte, vor knapp zwei Wochen, konnte niemand die momentane Eskalation wegen des Mohammed-Schmähvideos vorausahnen. Rushdie kommt jedenfalls zu dem ernüchternden Fazit, dass die "Satanischen Verse" heute keinen Verleger mehr fänden. Es gebe diesen unerfreulichen Effekt. Islamkritische Bücher seien heute nur noch schwer zu veröffentlichen. Seiner Autobiographie hat Rushdie den Titel "Joseph Anton" gegeben, nach dem Pseudonym, unter dem Rushdie länger als zwei Jahrzehnte gelebt hat. Den Tarnnamen hatte er konstruiert aus den Vornamen seiner beiden Lieblingsautoren, Conrad und Cechov. Durchaus bitter erzählt er darin Anekdoten wie die, dass sein damaliger Verleger Penguin sich geweigert hatte, eine Taschenbuchausgabe der "Satanischen Verse" herauszugeben. Das Todesurteil wurde nie zurückgenommen Rushdies Rat an Autoren, Journalisten, Medien und Verlage lautet: mutiger sein, sich etwas trauen. Das Bewusstsein, dass man das Recht hat, seine Ansichten zu äußern, ist für Rushdie die einzige Weise, in einer freien Gesellschaft zu leben. "Ich habe immer die Ansicht vertreten, dass nichts unantastbar sein darf. Vor allem wenn man über die zentralen Erlebnisse im eigenen Leben schreibt, dann muss man alles veröffentlichen dürfen!" Die fraglos zentralste Erfahrung seines Werdegangs, der in Indien als Kind einer muslimischen Familie begann, findet sich in seinen Lebenserinnerungen verarbeitet, die heute zeitgleich in 27 Ländern erscheinen. Das Todesurteil gegen Salman Rushdie hat der Iran übrigens nie zurückgenommen.
# Neues Urteil zur "Scharia-Polizei" Der Bundesgerichtshof verkündet heute sein Urteil im Verfahren um die Wuppertaler "Scharia-Polizei". Alle sieben Angeklagten waren vom Landgericht Wuppertal von den Vorwürfen freigesprochen worden. Dagegen hatte die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt. 2014 waren die sieben Angeklagten abends in Wuppertal unterwegs. Sie wollten junge Muslime ansprechen, um sie von Glückspiel, Alkoholkonsum und Bordellbesuchen abzuhalten. Dabei trugen sie orangene Warnwesten. Auf fünf Westen waren die Worte "Shariah-Police" aufgedruckt. Nach dem Versammlungsgesetz ist es verboten, in der Öffentlichkeit Uniformen oder uniformähnliche Kleidung zu tragen, wenn durch das Tragen eine gemeinsame politische Gesinnung ausgedrückt werden soll. Doch das Landgericht Wuppertal sprach die jungen Männer frei. Begründung unter anderem: Sie wären nicht aggressiv aufgetreten, niemand hätte sich bedroht gefühlt. Uniformverbot falsch ausgelegt? Die Staatsanwaltschaft legte daraufhin Revision beim Bundesgerichtshof ein. Laut Julia Stunz, der Vertreterin der Bundesanwaltschaft, hat das Landgericht Wuppertal das Uniformverbot falsch ausgelegt. "Nach Auffassung der Bundesanwaltschaft hat das Landgericht einen zu engen, zu strengen Maßstab zugrunde gelegt", erklärt sie. "Außerdem hat es bestimmte Aspekte nicht hinreichend in den Blick genommen, insbesondere, dass sich die Teilnehmer des Rundgangs mit dem Aufdruck ganz bewusst in den Zusammenhang mit der Religionspolizei, wie es sie in strengen muslimischen Staaten gibt, in Bezug gesetzt haben." Für eine Strafbarkeit reiche es schon aus, wenn solche Westen geeignet seien, andere einzuschüchtern. Dies sei bei Westen mit dem Aufdruck "Shariah-Police" der Fall. "Warnwesten keine Einschüchterung" Die Verteidiger der Angeklagten argumentierten, dass es ihren Mandanten nur darum gegangen sei, Aufmerksamkeit zu erregen. Mit Warnwesten könne man andere gar nicht einschüchtern, so Rechtsanwalt Ali Aydin. "Weil es ganz normale Westen sind, die schon optisch nicht den Anschein erwecken, dass es ein militantes Auftreten ist", begründet er seine Meinung. "Diese Westen hat jeder, oder sollte sie in seinem Auto haben. Hinzu kommt, dass einige Angeklagte noch nicht mal eine Aufschrift auf der Weste hatten. Und diejenigen, die eine Weste hatten, haben diese auf Englisch beschriftet. Kein normal denkender Mensch kann der Auffassung sein, dass es in Deutschland eine Scharia-Polizei gibt, von der irgendeine Gefahr ausgeht." Polizeikontrolle während des Streifzugs Nun muss der Bundesgerichtshof höchstrichterlich klären, ob das Tragen solcher Westen strafbar ist oder nicht. Doch selbst wenn die Richter zum Schluss kommen, dass solche Warnwesten gegen das Uniformverbot verstoßen, könnte es sein, dass die Angeklagten freigesprochen werden. Während ihres Streifzuges durch Wuppertal wurden sie von Polizisten kontrolliert. Diese sahen keine Anhaltspunkte für eine Straftat. Das könnte den Angeklagten zugutekommen. Denn wer nicht wissen kann, dass er etwas Strafbares tut, darf nicht verurteilt werden.
# Das ärmste EU-Land übernimmt - und hofft Mit Bulgarien hat der ärmste EU-Mitgliedsstaat die Ratspräsidentschaft übernommen - ein Land, in dem Korruption und mafiöse Strukturen den Alltag bestimmen. Viele Bulgaren hoffen, dass der Ratsvorsitz endlich europäische Standards bringt.
# Die Schmerzen des Sohnes Es war ein emotionaler Auftritt im NSU-Prozess: Abdulkerim Simsek, der Sohn des ersten Mordopfers, schilderte, was seine Familie nach dem Tod des Vaters durchleiden musste. Er forderte eine hohe Strafe für Beate Zschäpe und weitere Aufklärung. "Wie krank ist es, einen Menschen wegen seiner Herkunft oder seiner Hautfarbe mit acht Schüssen zu töten?" Diese Frage stellt Abdulkerim Simsek, der Sohn des ersten Mordopfers des NSU in den Raum. Er war 13, als sein Vater Enver Simsek am 9. September 2000 durch acht Kugeln an seinem Blumenstand in Nürnberg niedergestreckt wurde. Zwei Tage später starb er. Abdulkerim Simsek wollte die letzte Gelegenheit im NSU-Prozess nutzen, sein Wort zu erheben. "Ich wollte meine Gefühle dem Senat weitergeben, wie ich da gelitten habe, meine Schmerzen weitergeben, und ich hoffe, dass ich es durch meine Worte geschafft habe", sagt er im Anschluss gegenüber dem BR. Simseks Worte lassen kaum jemanden unberührt Simsek schilderte, wie er aus dem Internat ins Krankenhaus gerufen wurde und drei blutige Löcher im Gesicht seines sterbenden Vaters zählte, drei weitere in der Brust. Wie er bis heute mit seinen Gefühlen der Trauer und der Wut zu kämpfen hat. Wie er als Kind versuchte, der Mutter nicht zur Last zu fallen, weil die finanziellen Mittel nach dem Tod des Vaters knapp waren. Wie die Mutter sich nicht mehr um die Kinder kümmern konnte, weil sie an einer schweren Depression litt. Wie er niemandem erzählte, dass sein Vater ermordet worden war, obwohl er wusste, dass der Vater nicht kriminell gewesen war, wie die Polizei es vermutete. Wie er nie seine Gefühle zeigen konnte, außer einmal als Kind bei der Beerdigung des Vaters, als er begriff, dass er ihn niemals wiedersehen werde. Forderung nach harter Strafe Doch es ging Simsek in seinem Schlussvortrag nicht nur um den Ausdruck seiner Gefühle. Er forderte die härteste Strafen für die Schuldigen und hundertprozentige Aufklärung. "Da müssen Helfer sein, da müssen noch andere Leute sein, die nicht auf der Anklagebank sitzen. Dass sie ihre Strafe nicht bekommen, schmerzt uns halt sehr, sagte Simsek. "Wir wollen Aufklärung und dass jeder seine Strafe bekommt." "Es muss weiter ermittelt werden" Die Anwältin der Familie Simsek, Seda Basay, forderte weitere Ermittlungen zu lokalen Unterstützern der Rechtsterroristen. In Nürnberg gab es Neonazis, die den Blumenstand von Enver Simsek kannten. Im Fall des 2005 ebenfalls in Nürnberg ermordeten Ismail Yasar fand sogar unmittelbar vor dessen Ermordung eine Auseinandersetzung an seinem Imbissstand statt, die zu der Verurteilung eines Neonazis führte. Dieser Jürgen F. hatte Kontakt zu zwei der Angeklagten sowie zu Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. "Weil für die Familie immer noch die Frage offen ist, wer den Hinweis auf den Blumenstand von Enver Simsek gegeben hat, dürfen die Ermittlungen dazu nicht in diesem Verfahren beendet werden. Es muss weiter ermittelt werden", erklärte Basay in ihrem Plädoyer. Unterbrechung wegen gesundheitlicher Probleme Wegen Rückenproblemen des Angeklagten Ralf Wohlleben wurde die Hauptverhandlung bereits am Mittag unterbrochen. Morgen sollen die Plädoyers der Nebenkläger fortgesetzt werden.
# Telefonbuch zieht in die Wolke um Die Niederlande schaffen das Telefonbuch ab. Der Grund: Nur noch zwei Prozent aller Niederländer würden die Papier-Ausgabe zu Rate ziehen. Damit verschwindet das Telefonbuch in die digitale Cloud. Nach knapp 140 Jahren schaffen die Niederlande das Telefonbuch auf Papier ab. Der Herausgeber kündigte im niederländischen Radio das Ende einer Ära an. Das Internet mache das Buch überflüssig. "Es ist das einzige Buch in den Niederlanden, in dem praktisch jeder einmal gestanden hat", sagte Herausgeber Erik Wiechers dem Sender. Die übergroße Mehrheit der Niederländer suche Telefonnummern in der Online-Ausgabe des "Telefoongids", teilte der Verlag mit. Die niederländische Zeitung "Algemeen Dagblad" berichtete, dass nur noch zwei Prozent aller Niederländer ins Buch sehen. Man wolle älteren Menschen Schulungen anbieten, damit sie Nummern künftig online finden. In der ersten Ausgabe 1881 standen 49 Adressen. In den 1980er Jahren waren fast sieben Millionen Exemplare gedruckt worden. Das Telefonbuch wird ab Februar zum letzten Mal in den Haushalten verteilt.