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# Fließt mit der GroKo auch das Geld? Große Erleichterung in der EU-Kommission über die Einigung in den Koalitionsgesprächen. Denn die EU braucht Deutschland - für Reformen und als potenziellen Geldgeber. Die EU-Kommission atmet auf: Eine handlungsfähige Bundesregierung ist in Sicht. Als eine "gute Nachricht für Europa" bezeichnete EU-Wirtschafts-und Währungskommissar Pierre Moscovi die Einigung der Koalitionspartner. Er habe großen Respekt für die konstruktive Haltung seiner Freunde von der SPD, twitterte der französische Sozialist . Einigung der Koalitionspartner in #Deutschland: eine gute Nachricht für #Europa! Ich habe grossen Respekt für die konstruktive Haltung meiner Freunde von der @spdde Vor allem eine Zusage der GroKo sorgt in der EU-Kommission für Freude: Die Bundesrepublik ist bereit mehr Geld in den europäischen Haushalt einzuzahlen. Das wird nach dem Ausstieg des wichtigen Nettozahlers Großbritannien auch bitter nötig sein. Denn wegen des Brexit fehlen der EU ab 2021 jährlich zehn bis zwölf Milliarden Euro. Müsste Deutschland als EU-Ratspräsident mehr zahlen? Noch ist unklar, mit wieviel Euro die Bundesrepublik zusätzlich einspringen will. Die EU-Kommission hofft auf jährlich drei bis vier Milliarden Euro zusätzlich aus Berlin. Komissionschef Jean-Claude Juncker rechnet damit, dass die Bundesrepublik bei den Haushaltsverhandlungen in Brüssel aufs Tempo drückt, denn im zweiten Halbjahr 2020 übernimmt Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft. Und wenn bis dahin der neue mittelfristige Haushaltsplan der EU nicht steht, könnte der Exportmeister Deutschland als größter EU-Profiteur unter Druck geraten, die fehlenden Milliarden beizusteuern. Aus Sicht der EU-Kommission ist es wichtig, dass Deutschland seine Zahlungszusagen mit Reformankündigungen koppelt. Von einem "Investivhaushalt für die Eurozone" ist im Koalitionsvertrag die Rede. Für Aufmerksamkeit in Brüssel und Paris sorgt eine Ankündigung von SPD-Chef Martin Schulz: "Wenn wir mehr Beiträge in den EU-Haushalt zahlen, dann auch um zu schauen, ob aus diesem Mehraufwand dieser Investitionshaushalt finanziert werden kann." Sowohl EU-Kommissionspräsident Juncker wie auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wollen ein spezielles Budget für die Eurozone. In welchem Umfang und für welche Zwecke genau der Investitionshaushalt zur Verfügung stehen soll, muss bis zum Sommer definiert werden. Einspruch bei Milliardenhilfen Ebenso muss entschieden werden, was aus dem Eurorettungsfond ESM wird. Der soll nach dem Willen von Bundeskanzlerin Angela Merkel und SPD-Chef Schulz umgewandelt werden - "in einen Europäischen Währungsfond mit parlamentarischer Kontrolle." Aber welches Parlament kontrolliert die Milliarden des zukünftigen Währungsfonds? Die nationalen Parlamente, also zum Beispiel der Bundestag? Oder das EU-Parlament, wie es der Juncker-Kommission vorschwebt. Hat der Bundestag in Zukunft ein Vetorecht wenn es um die Frage geht, ob ein Krisenland Milliardenhilfe von dem zukünftigen Europäischen Währungsfond bekommt? Der GroKo-Vertrag bejaht das. Der EU stehen intensive Auseinandersetzungen bevor. Denn im August beginnt in Brüssel die Sommerpause und danach der Europawahlkampf. Bis dahin soll das Asylrecht in der EU angeglichen werden, die Leistungen für Asylbewerber ebenfalls. Und es muss die Frage geklärt werden, welche EU-Länder bereit sind, Italien Flüchtlinge abzunehmen.
# Rote Karte für Czarnecki - zu Recht Die Hetze, die polnische Medien und Politiker gegen die Oppositionelle Thun verbreiteten, war beispiellos. Das EU-Parlament hat deshalb zurecht EU-Parlamentsvize Czarnecki die rote Karte gezeigt. Abgewählt. Ryszard Czarnecki, Mitglied der polnischen Regierungspartei und bis heute morgen noch Vizepräsident des Europaparlaments ist von seinem Amt entbunden worden. Die Begründung: Wer eine Oppositionspolitikerin wegen eines regierungskritischen Interviews als Landesverräterin beleidigt, und anschließend eine beispiellose Hetzkampagne gegen sie in Gang setzt, kann als Vizepräsident nicht mehr das Europäische Parlament repräsentieren. Ein bislang einmaliger Vorgang. Ausmaß der Hetze ist beispiellos Der Anlass war eine Reportage, die ich über jene Oppositionspolitikerin, die streitbare Europäerin Roza Thun im Dezember für arte gemacht hatte. Ein Film, in dem sie klar beschreibt, wie die polnische Regierung das Land in Europa isoliert und jeden ihre Kritiker mit aggressiven Methoden einzuschüchtern versucht. Die Reaktionen auf den Film bestätigten, was sie hier so präzise auf den Punkt brachte. Das Ausmaß der Hetze allerdings war beispiellos. Die regierungsnahen Medien bezeichneten die Reportage als "antipolnische Nazipropaganda", und Roza Thun wurde mit Morddrohungen verfolgt. Natürlich wird die Entscheidung des EU-Parlaments kurzfristig der antieuropäischen PiS-Propaganda in die Hände spielen. Czarnecki dürfte als Märtyrer gefeiert werden, einmal mehr wird man die rote Karte, die Brüssel heute gezeigt hat, als Zeichen interpretieren, dass die EU den Polen gegenüber feindselig gesinnt ist und es demütigen will. Methoden eines autoritären Staates Dass das EU-Parlament dies bewusst in Kauf genommen hat, zeigt, wie dramatisch die Lage in Polen längst ist. Weitestgehend unbemerkt von der westeuropäischen Öffentlichkeit hat die PiS in den letzten zwei Jahren damit begonnen, den Rechtsstaat im Land abzubauen. Jede Kritik daran gilt ihr als Landesverrat. Und wer es wagt, sich dagegen zu stellen, ist dieser Regierung zufolge kein wahrer Pole mehr. Das sind Methoden eines autoritären Staates. Genau wie die im Dezember verabschiedete Justizreform, die die Gewaltenteilung im Land weitgehend außer Kraft gesetzt hat. Auch hier wird die EU bald handeln müssen. Bis Ende März hat sie Warschau gegeben, diese Reform zu überdenken. Europa ist an einem Scheideweg angekommen. Wenn die EU die Werte, auf denen sie aufgebaut ist, wirklich ernst nimmt, wird sie auch hier handeln müssen. Die Spielregeln des demokratischen Rechtsstaats müssen für alle Mitglieder der EU gelten.
# Motivieren - nicht garantieren Für die EU ist es eine Gratwanderung: Sie will die Westbalkanstaaten an sich binden. Gleichzeitig gibt es aber starke Vorbehalte gegen eine überhastete Erweiterung. Geht die neue Strategie auf? Wie heftig in der EU über einen möglichen Beitritt gewisser Länder gestritten wird, das haben die Europäer in den letzten Jahren am Beispiel Türkei eindrucksvoll erfahren. Was den Balkan betrifft, so zeichnet sich bereits jetzt eine nicht minder feurige Diskussion ab. In Wahrheit ist die Temperatur dieser Debatte längst so hoch, dass sich EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker nun im Parlament genötigt sah klarzustellen: "Ich möchte, dass die Westbalkanstaaten der Europäischen Union beitreten können, wenn die Bedingungen erfüllt sind." Zur Zeit seien sie es nicht. "Und alle sind noch weit davon entfernt", so Juncker. EU-Beitritt bis 2025? Für Aufregung sorgt, dass die Kommission in ihrem Strategiepapier erstmals ein konkretes Datum nennt - das Jahr 2025 -, bis zu dem sie den Beitritt der zwei Spitzenreiter im Anwärter-Sextett, nämlich der Staaten Montenegro und Serbien, zumindest für möglich hält. Eine feste Zusage, dass sich dann die EU-Beitrittstür öffnet, ist das - wie Juncker unterstreicht - nicht: "Es ist falsch, wenn behauptet wird, ich oder die Kommission hätten gesagt, bis 2025 müsse der Beitritt von Serbien und Montenegro unter Dach und Fach sein - nein!" Dies sei ein indikatives Datum, ein "Ermunterungsdatum". Eine Art neuen "Willkommensgeist" von Seiten der EU sollen die Balkanstaaten durchaus verspüren: Erlahmt ihre Lust auf einen EU-Beitritt, erlahmt auch der wirtschaftliche Reformeifer, und der Ansporn zur Aussöhnung untereinander fällt weg - so die Befürchtung der EU. Der EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini ist also dieses Signal sehr wichtig: "Heute ist klar, und genau das ist unsere Botschaft, dass wir eine gemeinsame Zukunft in der Europäischen Union haben werden." Es geht um Einfluss in der Region Neben der offen geäußerten Befürchtung, der Balkan könne wieder in die 90er-Jahre abgleiten, und kriegerische Konflikte könnten wieder offen ausbrechen, gibt es mindestens zwei weitere Gründe, warum die EU nun den Balkan sozusagen neu entdeckt: Russland und China. Beide sind intensiv damit beschäftigt, ihren Einfluss in der Region auszubauen. Moskau wird dabei immer wieder unterstellt, bewusst Konflikte zu schüren. Diesen geostrategischen Wettlauf will die EU nicht verlieren. Auch wenn sie ungern offen darüber redet. Auch das ist ein Grund, warum die Balkanländer nun an die Hand genommen und an die EU herangeführt werden sollen. Eines stellt Juncker allerdings klar: "Es wird zu keinem weiteren Beitritt der Westbalkanländer kommen, ohne dass die Grenzkonflikte vorher gelöst sind. Vorher!" Genau so ein Grenzkonflikt zwischen zwei Staaten, die bereits in der EU sind - Kroatien und Slowenien -, war zuletzt offen ausgebrochen. Auch was andere Problemfelder angeht, ist das Strategiepapier sehr energisch: Der Kampf gegen Korruption und organisiertes Verbrechen "muss echte Ergebnisse zutage fördern", heißt es da zum Beispiel. Hier zeigt sich deutlich, dass die Kommission zwischen zwei Polen hindurchmanövrieren muss: Sie will Motivationshilfe für einen klaren EU-Kurs der Balkan-Länder leisten - und gleichzeitig die Erweiterungsskeptiker in den eigenen Reihen besänftigen.
# "In dem Fall sind Hürden unvermeidlich" Die Briten wollen beim Austritt aus der EU auch die Zollunion verlassen und ein Handels- und Zollabkommen abschließen. Doch das würde zu Barrieren führen, warnt der Brexit-Unterhändler der EU, Barnier. Der Brexit-Unterhändler der Europäischen Union, Michel Barnier, hat Großbritannien vor den Auswirkungen eines Verlassens der Zollunion mit der EU gewarnt. Dieser Schritt werde zu Handelsbarrieren führen, sagte Barnier nach Gesprächen mit dem britischen Brexit-Minister David Davis in London. Für die Briten sei es an der Zeit, eine Entscheidung zu treffen, ob sie in der Zollunion bleiben wollten oder nicht. Die Zeit vor dem geplanten EU-Austritt am 29. März 2019 werde immer knapper. Großbritannien will Handels- und Zollabkommen Davis sagte hingegen, sein Land werde die Zollunion und den Binnenmarkt verlassen, man wolle aber dafür sorgen, dass der Handel so ungestört wie möglich ablaufen könne. Dafür wolle man ein umfassendes Handelsabkommen mit der Europäischen Union und ein Zollabkommen mit Brüssel abschließen. May kündigte klaren Schnitt in Zollfragen an Zuvor hatte bereits die britische Premierministerin Theresa May bekräftigt, dass ihr Land nach dem Brexit nicht mehr Teil der Zollunion mit der EU bleiben wolle. Medien hatten tagelang darüber spekuliert, dass London eine teilweise Mitgliedschaft in der Zollunion anstreben könnte. Damit solle ein freier Warenverkehr zwischen Großbritannien und der EU nach dem Brexit gewährleistet werden. Gleichzeitig könne das Land in Sachen Dienstleistungen die Freiheit haben, Handelsverträge mit Drittstaaten abzuschließen, hieß es. Damit hätten auch Grenzkontrollen zwischen dem EU-Mitglied Irland und dem britischen Nordirland vermieden werden können - eines der kniffligsten Probleme, die der britische EU-Austritt mit sich bringt. Doch dem erteilte May nun eine Absage. Brexit-Hardliner setzen May unter Druck Die Premierministerin steht derzeit unter heftigem Druck der Befürworter eines klaren Bruchs mit Brüssel in ihrer Partei. Gerüchte über eine Rebellion machten in der vergangenen Woche die Runde. Von einem Brexit-Dream-Team unter der Führung von Außenminister Boris Johnson war die Rede. Der hatte einem Zeitungsbericht zufolge mit "der Kavallerie" gedroht, sollte der Vorschlag einer künftigen Mitgliedschaft in der Zollunion bei Kabinettssitzungen in dieser Woche auf den Tisch kommen.
# Offenbar Kirchen-Millionen veruntreut Die katholische Kirche steht nach Informationen von WDR, NDR und SZ vor einem neuen Finanzskandal: Im Bistum Eichstätt soll ein Ex-Mitarbeiter in den USA bis zu 60 Millionen Dollar Kirchenvermögen veruntreut haben. Es klingt wie ein Wirtschaftskrimi, eine Geschichte von Untreue, Macht und Geld. Der Schauplatz: früher eines der verschwiegensten Milieus der Welt, die katholische Kirche. Das Bistum Eichstätt soll von einem ehemaligen Mitarbeiter und einem mit diesem seit langem bekannten Immobilieninvestor um fast 60 Millionen Dollar geprellt worden sein. Die beiden Beschuldigten scheinen nach derzeitigen Erkenntnissen kirchliches Geld in unbesicherte Immobiliendarlehen in den USA gesteckt haben - in Unternehmen, deren einzige Vermögenswerte offenbar die später zu errichtenden Gebäude sein sollten. Seit vergangener Woche sitzen beide Beschuldigte in Untersuchungshaft wegen des Vorwurfs der Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit. Die Staatsanwaltschaft München II, die seit August in dem Fall ermittelt, geht derzeit von einem Schaden in Höhe von mindestens 56 Millionen US-Dollar aus, bestätigte eine Sprecherin. In die eigene Tasche gewirtschaftet? Dabei sollen die Beschuldigten nicht nur riskant und spekulativ das Kirchenvermögen angelegt haben. Sie sollen mit krimineller Energie auch in die eigene Tasche gewirtschaftet haben, so der Vorwurf. Das Bistum veröffentlichte dazu eine knappe Pressemitteilung, in der es bekundete, eng mit den Behörden zusammenarbeiten zu wollen. Der Sachverhalt mache es zwingend erforderlich, "dass eine umfassende Aufarbeitung und gegebenenfalls auch Ahndung der Vorgänge durch die dazu berufenen staatlichen Stellen erfolgt", sagte der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke. Die Verteidiger der beiden Beschuldigten konnten sich auf Anfrage nicht zu den Vorwürfen äußern, da sie das Beweismaterial bisher selbst noch nicht gesichtet hatten oder sich mit ihren Mandanten beraten mussten. Einer davon, der mutmaßliche Spekulant, ein früherer deutscher Spitzenbanker, hatte mit einem Geschäftspartner seine Firmenzentrale in Dallas, von wo aus er in zahlreiche Projektgesellschaften investiert haben soll. Ohne dass es den zuständigen kirchlichen Vorgesetzten innerhalb des Bistums aufgefallen war, sollen die beiden Beschuldigten von März 2014 bis Mai 2016 mehr als 30 ungesicherte Darlehen aus Bistumsvermögen an Projektgesellschaften in den USA vergeben haben, in Höhe von mehr als 60 Millionen US-Dollar. Alle diese Darlehen liefen über mehrere Jahre, das Geld sollte samt Erträgen erst am Ende zurück in die Bistumskassen fließen. Laut Strafanzeige sieht das Bistum Hinweise darauf, dass der ehemalige Mitarbeiter an einigen dieser Projektgesellschaften selbst beteiligt sei, bis heute. Die mutmaßliche Tat hat für das vergleichsweise kleine Bistum eine enorme Tragweite: Er betrifft nahezu 15 Prozent der gesamten Finanzanlagen der Diözese. "Transparenzoffensive" Aufgeflogen war die mutmaßliche Veruntreuung, nachdem das Bistum umsetzen wollte, was alle deutschen Erzbistümer sich im Zuge immer wieder aufkommender Skandale und Skandälchen um den Umgang mit Kirchenvermögen auferlegt hatten: eine "Transparenzoffensive". Der Eichstätter Bischof wollte mit seiner finanziellen Aufklärungsaktion Ende 2015 "erstmals und umfassend" das Vermögen nach "anerkannten und professionellen Standards erfassen".  Die Wirtschaftsprüfer von Deloitte sowie eine Anwaltskanzlei fanden nicht nur Vermögen, darunter auch Finanzanlagen von 300 bis 350 Millionen Euro. Sie fanden auch das, was nun zu einem der größten Finanzskandale der katholischen Kirche werden könnte. Im Mai 2016 waren den internen Kontrolleuren demnach erstmals Zweifel gekommen, was es mit den auffälligen US-Darlehen ohne jegliche Grundpfandrechte auf sich habe. Inzwischen gehen kirchliche wie weltliche Ermittler davon aus, dass nahezu der gesamte investierte Betrag verloren ist. Mangelnde Kompetenz in Finanzfragen Doch dass es überhaupt gelingen könnte, solch enorme Beträge an den Verantwortlichen vorbei in fragwürdige Geschäfte zu stecken, zeigt auch ein Problem der Kirche: mangelnde Kompetenz in Finanzfragen. Immer wieder kommt es in Diözesen zu Unregelmäßigkeiten, wenn sie über größere Vermögensgüter verfügen, es aber nur sehr wenig finanzwirtschaftlichen Sachverstand gibt. Statt Kontrolle herrschen vielerorts Treu und Glauben. Die deutschen Bistümer verfügen zwar über enorme Reichtümer. In welcher genauen Höhe, versuchen sie aber gerade erst im Zuge ihrer "Transparenzoffensive" zu ermitteln. Das Bistum Eichstätt hat intern bereits auf die Vorgänge reagiert und einen neuen Diözesanvermögensverwaltungsrat bestellt, in dem künftig Kaufleute als Aufseher wirken sollen. Der ehemalige, in Finanzfragen unbefleckte Kirchenmann an der Seite des Bistumsmitarbeiters, der von der mutmaßlichen Untreue in seinem Umfeld nichts mitbekommen hatte, soll freiwillig seinen Posten geräumt haben. Ihn beschreibt das Bistum selbst in seiner Strafanzeige als einen Geistlichen "ohne tiefergehende wirtschaftliche Kenntnisse".
# May schließt Zollunion mit der EU aus Mit Großbritannien wird es keine Zollunion geben, das stellte Premierministerin May unmittelbar vor neuen Gesprächen mit EU-Chefunterhändler Barnier klar. Ein Zugeständnis an die Brexit-Hardliner? Die britische Premierministerin Theresa May schließt jede Art von Zollunion mit der Europäischen Union nach dem Brexit aus. "Es ist nicht unsere Politik, in der Zollunion zu sein. Es ist nicht unsere Politik, in [irgend]einer Zollunion zu sein", hieß es dazu heute im Regierungssitz Downing Street. Keine Zollunion light Zuvor hatten Medien tagelang darüber spekuliert, London könne eine teilweise Mitgliedschaft in der Zollunion anstreben. Damit solle ein freier Warenverkehr zwischen Großbritannien und der EU nach dem Brexit gewährleistet werden. Gleichzeitig könne das Land in Sachen Dienstleistungen die Freiheit haben, Handelsverträge mit Drittstaaten abzuschließen, hieß es. Damit hätten auch Grenzkontrollen zwischen dem EU-Mitglied Irland und dem britischen Nordirland vermieden werden können - eines der kniffligsten Probleme, die der britische EU-Austritt mit sich bringt. Doch dem erteilte May nun eine Absage. Brexit-Hardliner setzen May unter Druck Die Premierministerin steht derzeit unter heftigem Druck der Befürworter eines klaren Bruchs mit Brüssel in ihrer Partei. Gerüchte über eine Rebellion machten in der vergangenen Woche die Runde. Von einem Brexit-Dream-Team unter der Führung von Außenminister Boris Johnson war die Rede. Der hatte einem Zeitungsbericht zufolge mit "der Kavallerie" gedroht, sollte der Vorschlag einer künftigen Mitgliedschaft in der Zollunion bei Kabinettssitzungen in dieser Woche auf den Tisch kommen. EU-Chefunterhändler Michel Barnier wird in London zu Gesprächen mit May und Brexit-Minister David Davis erwartet. Es ist der Auftakt einer neuen Runde der Gespräche in Brüssel in dieser Woche.
# "Wir haben ihn" Rund vier Monate befand sich Salah Abdeslam - einer der Hauptverdächtigen der Pariser Attentate - auf der Flucht. Nun wurde er bei einer Razzia in Brüssel gefasst. Belgiens Ministerpräsident Michel und der französische Präsident Hollande sprachen von einem großen Fahndungserfolg. Seit den Pariser Anschlägen, bei denen im vergangenen November 130 Menschen getötet wurden, wurde fieberhaft nach ihm gesucht. In ganz Europa stand Salah Abdeslam als einer der meistgesuchten Terroristen ganz oben auf den Fahndungslisten. Er gilt als ein Hauptverdächter, der die Attentate in der französischen Hauptstadt mitorganisiert haben soll. Nun ist er gefasst - Einsatzkräfte der Polizei spürten ihn bei einer Razzia im Brüsseler Stadtteil Moolenbeek auf. Gleich mehrere belgische Regierungsmitglieder teilten den Erfolg über den Kurznachrichtendienst Twitter mit. Der Einwanderungsminister Theo Francken verkündete die Festnahme mit den Worten: "Wir haben ihn." Auch Belgiens Vize-Premierminister Didier Reynders und das Büro der Bundesstaatsanwaltschaft bestätigten die Nachricht. Le parquet a confirmé l'arrestation de Salah Abdeslam. Félicitations aux différents services de sécurité. #Molenbeek Bei seiner Festnahme wurde Abdeslam am Bein verletzt und kam ins Krankenhaus. Seit seiner Kindheit war Abdeslam mit dem mutmaßlichen Drahtzieher der Pariser Anschläge, Abdelhamid Abaaoud, befreundet. Der 26-Jährige soll eine Gruppe Bewaffneter während der Anschläge gefahren, Wohnräume angemietet und Käufe getätigt haben. Sein Bruder Brahim gehörte zu den Selbstmordattentätern, die sich in die Luft sprengten. Vier weitere Festnahmen Doch mit der Festnahme von Abdeslam war der Einsatz der Polizei noch nicht beendet. Neben dem 26-Jährigen seien noch vier weitere Verdächtige festgenommen worden, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Darunter befinde sich ein weiterer Verdächtiger, der ebenfalls auf der Fahndungsliste der Polizei gestanden habe. Die drei weiteren Festgenommenen gehörten einer Familie an, die Abdeslam Unterschlupf gewährt hätten. Einer der vier weiteren Verdächtigen sei leicht verletzt worden. "Dieser Abend ist ein Erfolg im Kampf gegen den Terrorismus", sagte Michel. Auch US-Präsident Barack Obama habe bereits zum Fahndungserfolg gratuliert. Der französischen Präsident François Hollande forderte die rasche Auslieferung Abdeslams. Und er fügte hinzu, dass die Ermittlungen zu den Pariser Anschlägen mit der Festnahme noch nicht abgeschlossen seien. Es werde noch mehr Festnahmen geben. Die Terroralarmstufe sei nun überall in Frankreich und Belgien sehr hoch. Die Zahl derjenigen, die sich an der Vorbereitung der Anschläge in irgendeiner Art und Weise beteiligt hätten, sei größer als zunächst angenommen. "Wir sind mit extrem großen Netzwerken konfrontiert", sagte Hollande. Fingerabdrücke in Brüsseler Wohnung entdeckt Bereits am Mittwoch hatte es im Stadtteil Forest eine Großrazzia gegeben. Belgische und französische Einsatzkräfte hatten dabei eine Wohnung durchsucht, in der die Fingerabdrücke des mutmaßlichen Terroristen entdeckt wurden. Als die Sicherheitskräfte versuchten, in die Wohnung zu gelangen, hatte ein Verdächtiger das Feuer auf sie eröffnet. Er wurde erschossen. Bei dem Toten handelt es sich um den Algerier Mohamed Belkaid, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Er habe sich illegal in Belgien aufgehalten. Der 35-Jährige habe unter dem Namen Samir Bouzid an den Vorbereitungen der Pariser Anschläge mitgewirkt. Der belgische Sender VRT berichtete, Belkaid habe als Rekrut auf Listen des IS gestanden und sich auch als Selbstmordattentäter gemeldet. Abdeslam war direkt nach den Pariser Anschlägen mit einem Komplizen nach Belgien geflohen. Er soll die Attentäter, die sich vor dem Stade de France in die Luft sprengten, mit einem Auto zu dem Stadion gefahren haben. Womöglich sollte er sich auch selbst in die Luft sprengen. Noch in der Nacht vom 13. November fiel er an der belgisch-französischen Grenze auf. Die Beamten ließen ihn jedoch ziehen, weil sie noch keine entsprechenden Anweisungen hatten.
# Riesige Maya-Siedlungen entdeckt In Guatemala haben Forscher eine wichtige Entdeckung gemacht: Mithilfe eines speziellen Lasersystems konnten sie die Überreste riesiger Maya-Siedlungen unter dichtem Dschungel orten. Unter dichtem Dschungel haben Forscher in Guatemala Spuren einer riesigen Maya-Siedlung gefunden. Die internationalen Wissenschaftler stießen mithilfe des sogenannten "Lidar"-Lasersystems auf die Ruinen. Es ermöglichte einen Blick unter die dichte Pflanzendecke. "Lidar" verwendet Laser ähnlich wie ein Radarsystem. Die Laserstrahlen können durch kleinste Zwischenräume in der Vegetation dringen. "In einer Umgebung, in der man nicht einmal ein paar Meter weit sieht, ist es sehr schwierig, alles zusammenzusetzen", sagte der an der Entdeckung beteiligte Archäologe Thomas Garrison vom Ithaca College. Die Entdeckung habe die Forschungsdisziplin auf den Kopf gestellt, sagte Garrison in einer Mitteilung seiner Universität. Das Magazin "National Geographic" hatte zuerst über den Fund berichtet. Zehn Millionen Bewohner Die Archäologen gehen davon aus, dass rund zehn Millionen Menschen in der Region lebten. Diese Zahl ist zwei- bis dreimal so hoch wie bisher angenommen. Die Laserbilder deckten auf, dass die Maya das Land in dem Gebiet fast zu 100 Prozent kultivierten. Wasserkanäle leiteten etwa Flüsse von ihren natürlichen Wegen um. Die Forscher entdeckten zudem Verteidigungszäune, Gräben und Schutzwälle. Die Wissenschaftler untersuchten mehrere Gebiete von insgesamt 2100 Quadratkilometern, auf denen sich mehrere wichtige Maya-Stätten wie Tikal befinden. Insgesamt zeigten die Aufnahmen rund 60.000 Bauten, darunter vier große Stätten zu zeremoniellen Anlässen mit Plätzen und Pyramiden. Mapping the Maya: Laser Technology Reveals Secrets of Ancient Civilization to Ithaca Archaeology Professor Thomas Garrison: https://t.co/UPFMbimzae #Archaeology #LiDAR #ithacacollege https://t.co/UeeFLseEI3 Ziel: Erhaltung des kulturellen Erbes Ins Leben gerufen wurde das Projekt von der Pacunam-Stiftung, einer gemeinnützigen Organisation in Guatemala, die sich für die Erhaltung des kulturellen Erbes einsetzt. Die Zivilisation der Maya begann sich vor etwa 3000 Jahren in Zentralamerika zu entwickeln und erreichte ihren Höhepunkt in der Zeit von 250 bis 900 n. Chr.
# Die Zeit, die bleibt Es wurde hitzig debattiert im EU-Parlament, dann stand fest: Die umstrittene Zeitumstellung soll überprüft werden. Was das bedeutet? Die Sommerzeit wird nicht abgeschafft - noch nicht. Es war eine überaus kontroverse, hitzige Debatte. Über alle Fraktionsgrenzen, über alle Sprachgrenzen. Auf der einen Seite: die absoluten Gegner der Zeitumstellung. Sie argumentierten wie beispielsweise die FDP-Abgeordnete Gesine Meißner: "Viele Menschen leiden darunter. Es gibt nach einer Langzeitstudie der Angestelltenkrankenkasse in Deutschland 25 Prozent mehr Herzinfarkte nach einer Zeitumstellung, 15 Prozent mehr Krankschreibungen, zwölf Prozent mehr Depressionen. Und es gibt - weil weniger Schlaf vorliegt - Konzentrationsmängel. Die wiederum führen zu schlechteren Leistungen in der Schule und zu mehr Verkehrsunfällen, bei denen morgens vor allem Kinder und Jugendliche involviert sind." "Wieso diskutieren wir nicht über den Vollmond?" Argumente, die auf der anderen Seite, bei einer Gruppe um den rheinland-pfälzischen CDU-Mann Werner Langen, nur wenig überzeugend wirken. Er könne es nicht mehr hören, diese ganzen vermeintlichen Studien, sagt Langen. Es gebe doch auch genug andere: "Wieso diskutieren wir hier nicht über den Vollmond? Also ich höre in meinem Heimatland immer 25 Prozent litten zwölf Mal im Jahr unter dem Vollmond, weil sie nicht schlafen könnten. Und wenn ich mir ansehe, wo Depressionen entstehen: da, wo Sonnenlicht fehlt!" Deshalb sei die Sommerzeit unbedingt nötig. Wieder andere, wie der Grüne Indrek Tarant aus Estland, bemühen gar die Geschichte, um gegen die Zeitumstellung zu protestieren: "Wir reden über eine Praxis, die von Zar Niklaus dem Zweiten und Kaiser Wilhelm II. eingeführt wurde. Eine Praxis, die auch Hitler und Stalin wieder aufgenommen haben. Worauf warten wir also?" Debatte war keine Glanzstunde Mit anderen Worten - es war nicht immer eine Glanzstunde, diese Debatte. Der Belgier Ivo Belet stand deshalb schließlich auch für einen Vorschlag, der die Gemüter wieder beruhigen sollte: "Wir sind davon überzeugt, dass es in jedem Fall noch einmal eine große Untersuchung geben muss. Wenn deren Ergebnisse dann vorliegen, dann sollten Taten folgen und die EU-Kommission einen entsprechenden Vorschlag machen." Am Ende setzte Belet sich mit klarer Mehrheit durch und die Gegner der Zeitumstellung mussten eine Niederlage einstecken. Es gibt zumindest kein schnelles Ende des Uhrenzeiger Hin- und Herdrehens. Zuvor hatte auch schon die EU-Kommissarin Violeta Bulc nicht viel Hoffnung gemacht. Denn am Ende müssen die Regierungen der Mitgliedsstaaten entscheiden, welche Zeit gilt - und nicht die EU-Kommission oder das EU-Parlament. Sie habe bei der vergangenen Sitzung der zuständigen Minister die Stimmung abgefragt, wer denn überhaupt Handlungsbedarf sieht, wer die Umstellung von Winter- auf Sommerzeit und zurück abschaffen will, sagt die EU-Kommissarin: "Abgesehen von dem Staat, der das Thema auf die Tagesordnung gesetzt hat, hat bislang keiner Handlungsbedarf angemeldet." Eine schnelle Abschaffung der Zeitumstellung wird es also erst einmal nicht geben. Wenn überhaupt, dann in einigen Jahren. Und deshalb: Am 25. März ist es wieder soweit - eine Stunde vor auf Sommerzeit.
# Was will die AfD in der Außenpolitik? AfD-Bundestagsabgeordnete reisen nach Moskau, aber nicht zur Feier des Élysée-Vertrages nach Paris. Was steckt dahinter - und welche außenpolitischen Positionen vertritt die Partei? Von Silvia Stöber, tagesschau.de Als drittstärkste Fraktion hat die AfD zuletzt für Aufsehen gesorgt, als der französische Parlamentspräsident François de Rugy aus Anlass des 55. Jahrestages des Élysée-Vertrages im Bundestag eine Rede hielt und mehrere AfD-Vertreter den Applaus verweigerten. Zudem kündigte die Fraktion an, nicht an den entsprechenden Feierlichkeiten in Paris teilzunehmen. Vor einigen Tagen trafen Alexander Gauland und Beatrix von Storch russische Parlamentarier in Moskau - zu "informellen Gesprächen", wie es hieß. Angesichts dessen stellt sich die Frage, wohin die AfD in der Außenpolitik steuert - zudem sie auch sechs Mitglieder sowie sechs Stellvertreter in den Auswärtigen Ausschuss schickt. "Gute Beziehungen zu allen Staaten" Dem Thema Außen- und Sicherheitspolitik widmete die AfD in ihrem Bundestagswahlprogramm vier Seiten. Leitmotto: Deutsche Interessen durchsetzen. Unterstrichen wird, dass Deutschland als bedeutende Wirtschaftsnation gute Beziehungen zu allen Staaten pflegen und für ein friedliches Zusammenleben der Völker sorgen will. Entsprechend werden internationale Organisationen von UN bis OSZE als wichtig bezeichnet und Reformen angemahnt. Die USA werden als wichtigster Bündnispartner genannt. Russland soll in eine sicherheitspolitische Gesamtstruktur eingebunden werden, ohne dass eigene Interessen und die der Bündnispartner außer Acht gelassen werden. Die Türkei jedoch soll aus der NATO austreten, die EU-Beitrittsgespräche beendet sowie alle Geldleistungen gestoppt werden. Frankreich wird in diesem Kapitel gar nicht erwähnt. Diese Positionen legen nahe, dass sich in der Partei der Kurs von Alexander Gauland durchsetzen konnte. Gauland hatte seine außenpolitischen Positionen 2013 ganz ähnlich formuliert - und er verhinderte maßgeblich, dass 2016 die Forderung nach dem Austritt Deutschlands aus der NATO ins Parteiprogramm aufgenommen wurde. Bezug auf Bismarck und De Gaulle Der Fraktionschef und zweite Parteivorsitzende zitiert gerne den ehemaligen französischen Präsidenten Charles de Gaulle sowie Otto von Bismarck, von 1871 bis 1890 Reichskanzler. Gaulands außenpolitische Darstellung im Jahr 2013 wurde nicht zufällig auch als Bismarck-Papier bezeichnet, da er sich an dessen Bündnispolitik orientiert. Bismarck wollte Konfrontationen mit Großmächten vermeiden und Uneinigkeiten zwischen anderen Mächten ausnutzen. So hielt sich das Deutsche Reich weitgehend aus dem Wettlauf um koloniale Besitztümer oder Spannungen auf dem Balkan heraus. Vereinbarungen mit Österreich, Italien und ein Rückversicherungsvertrag mit Russland stellten sicher, dass Frankreich isoliert blieb. Gauland betonte in seinem Papier, dass "an entscheidenden Wegmarken" Russland "positiv Pate gestanden" habe. Auf die deutsch-französische Achse und EU-Gemeinsamkeiten solle Deutschland künftig nicht mehr gründen, sagte Gauland. "Europa der Vaterländer" Den französischen Präsidenten de Gaulle lobt der AfD-Politiker vor allem wegen dessen Vorstellung vom "Europa der Vaterländer" - einer Partnerschaft souveräner Staaten als Gegenmodell zu Ideen wie jene von SPD-Chef Martin Schulz von den "Vereinigten Staaten von Europa". So wetterte Gauland gegen die Feier und eine Erneuerung des Élysée-Vertrages, der doch von de Gaulle und Konrad Adenauer vor 55 Jahren ausgearbeitet worden war. Er warf anderen Parteien vor, den "Namen eines großen Franzosen" zu missbrauchen "für Ziele, die den seinen konträr waren". Zwar sprach Gauland von der Aussöhnung zweier Völker und deutsch-französischer Freundschaft. Was er aber nicht bot, waren Vorschläge, wie diese Beziehung künftig gestaltet werden soll. Pragmatische Beziehungen zu Russland Mit dem Konzept von einem "Europa der Vaterländer" findet Gauland Zustimmung bei weit rechten und pro-russischen Kreisen, die sich zum Beispiel beim AfD-Russland-Kongress 2017 in Magdeburg versammelten. Unter ihnen der Publizist Algis Klimaitis, der für einen "Europäischen Kontinentalismus" als Alternativmodell zum transatlantischen Bündnis eintritt. Der Historiker Wilfried Jilge von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik sieht bei der AfD zudem weitgehend Übereinstimmung mit russischen Positionen im Hinblick auf den Umsturz 2014 in der Ukraine, die Krim, die Rolle der USA und die Sanktionspolitik gegen die Führung in Moskau. Gaulands Äußerungen lassen darauf schließen, dass er pragmatische Beziehungen zu Russland anstrebt. Offen ist, ob er bei seinem Besuch kürzlich in Moskau auf eine Bemerkung angesprochen wurde, die in Russland auf wenig Verständnis stoßen dürfte: Gauland hatte erklärt, es müsse ein Schlussstrich unter die Nazi-Vergangenheit Deutschlands gezogen werden und ein Recht geben, "stolz zu sein auf Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen". Der Sieg über Hitler-Deutschland im Großen Vaterländischen Krieg ist nach wie vor für die Gesellschaft in Russland ein konstituierendes historisches Ereignis, an das auch Präsident Wladimir Putin immer wieder erinnert. Widersprüchliche Äußerungen Weitere Ungereimtheiten ergeben sich beispielsweise aus dem ersten AfD-Antrag im Bundestag: Demnach soll die Bundesregierung mit Syriens Staatsführer Baschar al-Assad ein Abkommen über die Rückkehr von Flüchtlingen und Hilfe beim Wiederaufbau des Landes schließen, auch wenn dieser kein Demokrat sei. Dagegen erntete Kanzlerin Angela Merkel auch aus der AfD viel Kritik für den Abschluss des EU-Türkei-Abkommens mit dem autoritären Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan. Hinzu kommen Äußerungen anderer AfD-Politiker außerhalb des Bundestages wie Björn Höcke, die den Schwerpunkt auf populistische Forderungen in der Migrationspolitik und den Umgang mit dem Islam legen und kein konsistentes Bild einer Außenpolitik ergeben.
# Czarnecki droht Abwahl wegen Nazivergleichs Die Hetztiraden des polnischen PiS-Politikers Czarnecki auf eine Dokumentation der ARD-Korrespondentin Dittert haben Folgen. Wegen seiner Nazivergleiche könnte er nun den Posten als Vizepräsident des EU-Parlaments verlieren. Dem wegen Nazivergleichen und Beleidigungen umstrittenen polnischen Europapolitiker Ryszard Czarnecki droht die Abwahl von seinem Posten als Vizepräsident des EU-Parlaments. Die Fraktionschefs der größten Europaparteien machten den Weg für eine entsprechende Abstimmung am kommenden Mittwoch im Europaparlament frei. Sie stimmten mit 80 Prozent dafür, diese Abberufung ins Plenum zu bringen. Czarnecki, Politiker der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit PiS, war mit Hetze gegen die liberalkonservative polnische Europaabgeordnete Roza von Thun in die Kritik geraten. Er hatte sie mit einem "Szmalcownik" verglichen. Der Begriff bezeichnet in Polen Nazi-Kollaborateure, die Juden an Nazis verrieten. Auslöser seiner Kritik war der Auftritt von Thuns in der ARTE-Reportage "Polen vor der Zerreißprobe - Eine Frau kämpft um ihr Land", in der sie vor den umstrittenen Reformen der PiS-Regierung und deren Gefahr für Polens Demokratie warnte. "Man wollte ihn nicht mehr akzeptieren als Vizepräsident" Um Czarnecki als Vizepräsident abzuwählen, ist eine Zweidrittelmehrheit der Stimmen im Parlament nötig. Außerdem muss mindestens die Hälfte der Abgeordneten anwesend sein. Nach Angaben von ARD-Korrespondent Michael Grytz wird davon ausgegangen, dass diese Mehrheit zustande kommt. "Man wollte ihn nicht mehr akzeptieren als Vizepräsident", so Grytz, "als denjenigen, der die Sitzungen dort leitet, weil die Entgleisungen so übel waren und er sich davon nicht distanziert hat." Doch auch wenn Czarnecki als Vizepräsident abberufen würde, bliebe er Mitglied des Parlaments. Im Dezember hatte arte die Dokumentation der ARD-Korrespondentin Annette Dittert gezeigt, die dafür Róża von Thun auf einigen ihrer Reisen durch den Wahlkreis Kleinpolen begleitete. Dittert, die von 2000 bis 2004 ARD-Korrespondentin in Polen war, löste mit ihrer Reportage einen Proteststurm aus. Sie und die Protagonistin wurden auf Twitter bedroht und beschimpft - insbesondere von Czarnecki. Thun hatte daraufhin angekündigt, rechtliche gegen dessen Nazivergleiche einzuleiten.
# Leitungswasser im Restaurant? Sie gehen in ein Restaurant oder ein Café und fragen nach einem Glas Leitungswasser. Je nachdem wo in Europa Sie gerade sind, fallen die Antworten höchst unterschiedlich aus: von blanker Selbstverständlichkeit bis zu entrüsteten Blicken. Die EU-Kommission will das ändern - als Teil ihrer neuen Trinkwasser-Richtlinie. Im Ausland Wasser aus dem Hahn zu trinken, dagegen haben 80 Prozent aller Europäer Vorbehalte. Dabei liege das Risiko potenzieller Gesundheitsgefährdung bei gerade mal vier Prozent, rechnet die Europäische Kommission vor. Auf unter ein Prozent soll das Risiko sinken - durch neue Grenzwerte für Schadstoffe und mehr Transparenz aufseiten der Wasserversorger. Erhoffter Nebeneffekt: weniger Plastikmüll Mit mehr Vertrauen in Leitungswasser soll außerdem weniger Plastikmüll entstehen, sagt Kommissionsvizepräsident Frans Timmermanns: Schätzungen gehen davon aus, dass bessere Wasserqualität den Konsum von abgefülltem Wasser um 17 Prozent senken kann. Das reduziert die Menge von Plastikflaschen, die wir austrinken und anschließend wegwerfen. Ich denke, das ist ein guter Vorschlag für unsere Umwelt, für die Gesundheit unserer Bürger und für ihr Portemonnaie. Neue Regeln sind (nur) Empfehlungen Die Kommission lobt die neuen Trinkwasser-Regeln außerdem als Sternstunde europäischer Bürgerbeteiligung: 1,7 Millionen Menschen zwischen Irland und Zypern hatten bei der Europäischen Bürgerinitiative "Wasser ist Menschenrecht" unterschrieben, für eine strengere Regulierung der Wasserwirtschaft in Europa. Auch die Vereinten Nationen und das Europäische Parlament hatten die Kommission aufgefordert, sicheren Zugang zu sauberem Wasser als Menschenrecht festzuschreiben. Hinter dieser Forderung bleibe die neue Richtlinie weit zurück, kritisieren eben jene Initiativen und Gewerkschaften heute. Denn die neuen Regeln haben vor allem empfehlenden Charakter. Zwar müssen die Mitgliedsstaaten die Kommission künftig über ihre Bemühungen informieren, Strafen bei Verstößen drohen aber keine, muss auch Umweltkommissar Karmenu Vella zugeben. Verbraucher sollten Vertrauen haben, guten Gewissens umzusteigen, von Flaschen auf Leitungswasser. Schon heute ist in vielen Mitgliedsstaaten das Wasser aus dem Hahn bisweilen besser als aus der Flasche. Ich sehe keinen Grund, warum diese Standards nicht überall erreicht werden können. Genau das streben wir an. Leitungswasser kostenlos Ein wichtiger Teil des Plans: Restaurants und Kantinen sollen Leitungswasser kostenlos anbieten. Aber auch dazu solle aus Brüssel keine verbindliche Vorschrift kommen, das bleibe Sache der Mitgliedsstaaten, sagt Vizepräsident Timmermanns: Wir sollten dabei bleiben, Restaurants und Kantinen zu empfehlen und zu ermutigen, gratis Wasser anzubieten. Als nette Geste, wir zwingen sie nicht dazu. Aber es wird für die Kunden sicher eine Rolle spielen, bei ihrer Entscheidung, wo sie ihr Bier oder ihr Wasser zu sich nehmen. Gerade weil die Richtlinie kaum verbindlichen Charakter hat, stehen ihre Chancen gut, im Parlament und im Europäischen Rat angenommen zu werden. Die Entscheidung, ob daraus anschließend verbindliche Gesetze werden, liegt bei den Mitgliedsstaaten selbst.
# Belgiens AKW und das Kongo-Uran Seit Jahren gibt es massive Kritik aus Deutschland an der Sicherheit belgischer Atomkraftwerke. In Belgien reagiert man zunehmend genervt auf diese Vorwürfe - und das hat auch historische Gründe. Beinahe allergisch reagieren Belgiens Atomaufsichtsbehörde Fanc und die Leitung des Kernforschungszentrums in Mol mittlerweile auf deutsche Kritik an den Atommeilern in Doel und Tihange. Denn die dort arbeitenden Atomexperten sehen sich selbst als die strengsten Kontrolleure in der EU. Tausende Haarrisse in den belgischen Reaktordruckbehältern von Tihange 2 und Doel 3 seien schließlich durch ihre aufwändigen, jahrelangen Analysen entdeckt worden. Und ebenso die acht sogenannten Precursor-Vorfälle in Tihange 1 zwischen 2013 und 2015 - jene Zwischenfälle, die unter bestimmten Bedingungen zu schweren Schäden am Reaktorkern führen können und über die Belgiens Atomaufsicht das deutsche Bundesumweltministerium informiert hat. Begriff "Schrottreaktor" nicht angemessen? "Wir wissen genau, was Sache ist und können guten Gewissens sagen, die Situation ist unter Kontrolle. Belgiens Reaktoren sind zwar alt, doch es geht keine Gefahr von ihnen aus" - so die Argumentation der belgischen Atomaufsicht. Den Begriff "Schrottreaktoren" betrachtet der Leiter des Kernforschungszentrums Mol, Eric van Walle, deshalb auch als völlig unangemessen. Van Walle hat zunehmend weniger Lust auf Expertendiskussionen in Deutschland, weil er kaum noch eine Chance sieht, dass seine Argumente dort vorurteilsfrei diskutiert und ernst genommen werden. Kaufvertrag über 1200 Tonnen Uran Die belgische Aversion gegen Kritik aus Deutschland hat auch historische Gründe. Diese hängen mit einem großen Atom-Deal zusammen. Der Kaufvertrag über 1200 Tonnen atomwaffentaugliches Uran wurde 1942 zwischen Belgien und den USA in Manhattan abgeschlossen. Beteiligt waren ein Unterhändler von US-Präsident Franklin D. Roosevelt und der belgische Direktor der Katanga-Minen, Edgar Sengier. Ohne das belgische Kongo-Uran hätten die Amerikaner die Atombombe von Hiroshima nicht in so kurzer Zeit bauen und den Zweiten Weltkrieg auch nicht so rasch beenden können. So zumindest die belgische Selbstwahrnehmung. Symbol für belgischen Kampf gegen Nazi-Deutschland Die Dollars aus dem US-Uran-Deal mit dem Königreich Belgien flossen später auch in den Aufbau des Kernforschungszentrums in Mol und in die Reaktoren von Doel und Tihange. Für die Deutschen sind es "Schrottreaktoren". Für viele Belgier hingegen sind die Atomreaktoren auch späte Symbole der Befreiungsgeschichte des Königreichs und des belgischen Kampfes gegen die Deutschen im Zweiten Weltkrieg.
# May rudert bei Bleiberecht zurück Erst hatte Premierministerin May allen EU-Bürgern nach dem Brexit volles Bleiberecht in Aussicht gestellt - jetzt schränkt sie dies ein: Wer in der Übergangsphase nach Großbritannien kommt, muss bangen. Großbritannien will die Aufenthaltsrechte von EU-Bürgern einschränken, die in der Übergangsperiode nach dem Brexit ins Land kommen. "Es gibt einen Unterschied zwischen den Menschen, die vor dem Austritt zu uns kamen und denen, die kommen, wenn sie wissen, dass das Vereinigte Königreich nicht länger EU-Mitglied ist", sagte Premierministerin Theresa May während einer Reise nach China. In welcher Form sich die Rechte unterscheiden sollen, sei Verhandlungssache, erklärte ein Sprecher Mays. Großbritannien werde ein Registrierungsverfahren einführen für die EU-Bürger, die in der Übergangsphase ins Land kämen. EU-Bedingungen für Übergangsphase verletzt Eine solche Unterscheidung stände im Widerspruch zu den Bedingungen, unter denen die EU Großbritannien eine Übergangsperiode bis Ende 2020 zugestehen würde: Zu diesen gehört, dass die Niederlassungsfreiheit für EU-Bürger im Binnenmarkt weiter gelten muss. Großbritannien hat der EU zudem zugesichert, dass die derzeit rund 3,2 Millionen EU-Bürger in Großbritannien nach dem Brexit Ende März 2019 ein dauerhaftes Bleibe- und Arbeitsrecht und Anspruch auf Sozialleistungen haben. EU-Bürger sollten in der Übergangsphase "in der Lage sein, im Vereinigten Königreich Besuche zu machen, zu leben und zu arbeiten, wie sie das jetzt tun", sagte der Unterstaatssekretär des Brexit-Ministeriums, Robin Walker. Allerdings betonte auch er, dass sich die bisherigen Vereinbarungen mit Brüssel zu EU-Bürgern nicht auf die Übergangsphase erstreckten. Widerspruch und Kritik aus Brüssel Der Vizechef der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis, machte daraufhin klar, dass dies für die Europäer nicht infrage komme. EU-Bürgern müssten in der Übergangsphase die gleichen Rechte zugestanden bekommen. Dies sei eine Bedingung dafür, dass Großbritannien in dieser Zeit auch weiterhin Zugang zum EU-Binnenmarkt erhalte. Citizens’ rights during the transition are not negotiable. We will not accept that there are two sets of rights for EU citizens. For the transition to work, it must mean a continuation of the existing acquis with no exceptions https://t.co/Gy9q0d1HdR Der Brexit-Beauftragte des EU-Parlaments, Guy Verhofstadt, schrieb auf Twitter, die Rechte der Bürger während der Übergangsphase seien nicht verhandelbar. "Wir werden nicht akzeptieren, dass es zwei Arten von Rechten für EU-Bürger gibt."
# Familiennachzug - wie machen es die anderen? Ganz großzügig in Italien, sehr streng in Schweden: In Sachen Familiennachzug für Flüchtlinge herrscht in der EU keine Einheitlichkeit. Wie handhaben es die einzelnen Länder? In Italien etwa wird der Familiennachzug großzügig gehandhabt. Egal, ob jemand als Asylberechtigter anerkannt ist, oder nur vorläufigen Schutz hat, beim Familiennachzug haben beide die gleichen Rechte. Das liegt daran, dass in Italien "la famiglia" traditionell eine große Rolle spielt, sagt Christopher Hein, Direktor des italienischen Flüchtlingsrates: "Es wird lässiger angesehen - fast als ein Naturrecht - dass Menschen, die auf die eine oder andere Weise Rechtschutz bekommen haben, dann auch im Asylland mit der Familie zusammenleben können." Wenn die Aufenthaltsgenehmigung eines Flüchtlings mit vorläufigen Schutz mindestens noch ein Jahr gültig ist, kann er einen Antrag stellen, dass seine Familie nach Italien geholt wird. Als Familie gelten Ehepartner und minderjährige Kinder. In Ausnahmefällen dürfen sogar ältere Kinder über 18 und die eigenen Eltern nachgeholt werden, wenn sie älter als 65 Jahre sind und sich im Heimatland nachweislich niemand um sie kümmern kann. Großzügig: Spanien, Frankreich und Belgien Ähnlich behandeln Belgier, Franzosen und Spanier den Familiennachzug. Den Spaniern ist lediglich wichtig, dass die aufzunehmenden Personen keine schweren Straftaten begangen haben oder kein Sicherheitsrisiko für Spanien darstellen. Die Franzosen legen Wert darauf, dass der Antragsteller sich an die Prinzipien des Familienlebens in Frankreich hält, also zum Beispiel an die Monogamie und die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Restriktiv: Schweden Ganz anders funktioniert der Familiennachzug in Schweden: Hier ist er viel strenger geregelt. Flüchtlinge, die nach dem 24. November 2015 nach Schweden gekommen sind, und einen vorläufigen Schutzstatus genießen, haben nur wenig Chancen auf Familiennachzug. Dieses Recht bekommen sie erst dann, wenn sie eine befristete Aufenthaltsgenehmigung in Schweden haben und nachweisen können, dass sie für ihre Ehepartner und minderjährigen Kinder finanziell aufkommen können. Ältere Kinder und andere Verwandte dürfen grundsätzlich nicht nach Schweden nachziehen. "Wir wahren das Recht auf Asyl nach den internationalen Konventionen, aber wir passen es dem Minimalstandard in der Europäischen Union an", sagte der schwedische Regierungschef Stefan Löfven. Im Sommer 2016 hatte die schwedische Regierung ihr Asylrecht rückwirkend verschärft - und damit auch den Familiennachzug. Anlass war die Flüchtlingswelle im Jahr 2015, mit der mehr als 160.000 Menschen ins Land gekommen waren. Irgendwo dazwischen: Dänemark und Österreich Dänemark und Österreich liegen beim Familiennachzug im europäischen Mittelfeld. Flüchtlinge, die einen vorläufigen Schutz haben, dürfen ihre Ehepartner und minderjährigen Kinder nachholen. Den Antrag dafür können sie allerdings erst nach drei Jahren stellen. In Österreich müssen die Antragsteller nachweisen, dass sie eine geeignete Unterkunft, eine Krankenversicherung und ein ausreichendes Einkommen haben. Ganz ähnlich ist es übrigens auch in der Schweiz. Dort dürfen vorläufig aufgenommene Flüchtlinge nicht von der Sozialhilfe leben. Das Problem ist: Rund 80 Prozent der Betroffenen haben keine Arbeit. Hier scheitert der Familiennachzug also häufig. Die Menschen, die es ins Asylland geschafft haben, können dort zwar in Frieden leben, haben aber nicht genug Geld, um ihre Familien aus der Heimat nachzuholen.
# Zeitgeschichte in der Tagesschau tagesschau.de dokumentiert das Jahr 1998 Tag für Tag mit den 20-Uhr-Ausgaben der Tagesschau. Hier die Ausgaben vom Januar.
# Freiheit für Deniz Yücel Ein Jahr lang saß Deniz Yücel in türkischer Untersuchungshaft, nun ist er frei. Die Staatsanwaltschaft legte zugleich ihre Anklageschrift vor: Bis zu 18 Jahre Haft fordert sie für den Journalisten. Der deutsch-türkische Journalist Deniz Yücel ist aus türkischer Haft entlassen worden. Sein Anwalt twitterte ein Bild des Korrespondenten, auf dem er seine Ehefrau umarmt. Wie die "Welt" unter Berufung auf Yücels Anwalt meldet, wurde keine Ausreisesperre verhängt. Die Freilassung wurde von einem Gericht angeordnet, nachdem die türkische Staatsanwaltschaft die Anklageschrift vorgelegt hatte. Sie fordert 18 Jahre Haft für den Reporter. Das meldet die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu. Ähnlich war es im Fall des deutschen Menschenrechtlers Peter Steudtner. Da gab es kurz nach der Anklageschrift den Prozessauftakt. Am ersten Verhandlungstag kam er aus der Untersuchungshaft frei und durfte ausreisen. Gabriel: "Es gab keinen Deal" Mittlerweile sei Yücel auf dem Weg zum Flughafen in Istanbul, sagte Außenminister Sigmar Gabriel am Nachmittag. Er stehe kurz vor der Ausreise aus der Türkei. Es habe keine Deals mit der türkischen Führung gegeben: "Ich kann Ihnen versichern, es gibt keine Verabredungen, Gegenleistungen oder, wie manche das nennen, Deals in dem Zusammenhang". Große Freude Bundeskanzlerin Merkel lobte die Entscheidung und sagte, sie freue sich, "wie viele, viele andere". Zudem hoffe sie, dass nun auch in weniger prominente Fälle Bewegung komme und weitere Deutsche aus türkischer Haft freikommen. Dies habe sie auch dem türkischen Ministerpräsidenten Binali Yildirim bei dessen Besuch gesagt. "Das ist eine gute Nachricht", sagte auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Er hoffe, die Freilassung Yücels führe zu einer Verbesserung der deutsch-türkischen Beziehungen. beste nachricht wo gibt. der newsroom jubelt. danke an alle unterstützer und vor allem den fantastischen anwalt veysel ok. und den außenminister. WELT-Korrespondent: Deniz Yücel kommt frei https://t.co/A7TbcfnYsh via @welt Zuvor sagte Gabriel: "Es ist ein guter Tag für uns alle." Er danke ausdrücklich der türkischen Regierung für ihre Unterstützung bei der Verfahrensbeschleunigung. Dazu habe er selbst viele direkte Gespräche mit türkischen Regierungsvertretern geführt, in zwei Fällen auch mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Er hob hervor, in den Gesprächen habe "die türkische Regierung immer Wert darauf gelegt, dass sie keinen politischen Einfluss auf die Gerichtsentscheidung nehmen werde". Erfreut zeigte sich auch Justizminister Heiko Maas: "Das ist eine großartige und überfällige Nachricht. Jeder Tag, den Deniz Yücel im Gefängnis verbracht hat, war einer zu viel. Wir freuen uns sehr für Deniz Yücel, seine Familie und seine Freunde. Wir werden weiter alles dafür tun, dass alle in der Türkei zu Unrecht inhaftierten Deutschen so schnell wie möglich freigelassen werden", schrieb er in einer Mitteilung. "Sieg der Pressefreiheit" Der Deutsche Journalistenverband (DJV) feierte die Freilassung als "Sieg für die Pressefreiheit". Der Korrespondent habe sich in der Haft nicht unterkriegen lassen. Als "absurd" bezeichnete er die Forderung der Anklage nach 18 Jahren Haft. Amnesty International mahnte an, die verbliebenen inhaftierten Reporter in der Türkei nicht zu vergessen. Bei "aller Freude und Erleichterung" über die Freilassung des Journalisten aus der Untersuchungshaft "bleibt die Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei massiv eingeschränkt". Mehr als 100 Jounalistinnen und Journalisten blieben in Haft. Straßburger Verfahren geht weiter Ungeachtet dessen geht das Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte weiter. Yücel hatte am 6. April 2017 vor dem Gericht in Straßburg wegen der Inhaftierung eine Klage in Ankara eingereicht. Er machte vor allem eine Verletzung seiner Rechte auf Freiheit und Sicherheit sowie auf Meinungsfreiheit geltend. Der Fall war zuletzt der größte Streitpunkt im Verhältnis zur Türkei. Yücel saß wegen Terrorvorwürfen ein Jahr ohne Anklage in der Türkei im Gefängnis, die meiste Zeit davon im Hochsicherheitsgefängnis Silivri.
# Mord oder fahrlässige Tötung? Ein Mensch war Anfang 2016 bei einem illegalen Autorennen in Berlin ums Leben gekommen. Ein Gericht verurteilte zwei Raser anschließend wegen Mordes. Jetzt überprüft der Bundesgerichtshof das Urteil. Was wurde den Angeklagten vorgeworfen? Sie sollen sich spontan zu einem Wettrennen verabredet haben. In der Nacht vom 31. Januar auf den 1. Februar 2016 mitten in Berlin. Einige rote Ampeln sollen die damals 24 und 26 Jahre alten Fahrer bei ihrer Tour überfahren haben - mit bis zu 170 Kilometer pro Stunde. An der letzten Ampel rammte einer der Fahrer mit seinem Wagen den jeep eines Rentners, der bei Grün die Kreuzung überfahren hatte. Der Geländewagen wurde über 70 Meter weit über die Straße geschleudert. Der 69-jährige Fahrer starb noch am Unfallort. Eine Beifahrerin der Raser wurde verletzt. Wie hat das Landgericht Berlin die Angeklagten verurteilt? Schon die Anklage in diesem Fall war spektakulär. Die Staatsanwaltschaft forderte nicht - wie sonst üblich - eine Bestrafung wegen fahrlässiger Tötung (Höchststrafe fünf Jahre). Sie sah das Handeln als Mord an. Zwingende Folge des Gesetzes ist eine lebenslange Freiheitsstrafe. Und die Richter in Berlin folgten dieser Argumentation. Beide Raser wurden wegen Mordes in Mittäterschaft, gefährlicher Körperverletzung und einer vorsätzlichen Gefährdung im Straßenverkehr verurteilt. Lebenslange Freiheitsstrafen waren die Folge. Außerdem wurde ihnen der Führerschein entzogen und eine lebenslange Sperrfrist für eine Neuerteilung erstellt. Doch das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, weil die Angeklagten Revision zum Bundesgerichtshof einlegten. Was muss der BGH jetzt entscheiden? Der Bundesgerichtshof überprüft das Berliner Urteil auf Rechtsfehler. Die hochumstrittene Frage ist, ob man das Verhalten der Raser in diesem konkreten Fall tatsächlich als Mord werten kann. Oder geht es rechtlich betrachtet um eine fahrlässige Tötung? Warum soll es sich nicht um Mord handeln, wenn ein Mensch totgefahren wird? Für den Mord ist genauso wie für den Totschlag vor allem eines entscheidend. Die Täter müssen zum Tatzeitpunkt sogenannten Tötungsvorsatz gehabt haben. Vorsatz bedeutet zwar keineswegs, dass die Angeklagten den Tod des Rentners gewollt haben müssen, also absichtlich töteten. Sie müssen den Tod aber zumindest "billigend in Kauf genommen" haben. Von diesem "bedingten Vorsatz" geht das Landgericht Berlin in seinem Urteil aus. Wann nimmt man etwas "billigend in Kauf"? Immer wieder hörte man bei der Begründung zum Berliner Urteil: "Wer mit 170 km/h durch eine Innenstadt fährt, dem muss doch klar sein, dass dabei jemand zu Tode kommen kann." Das stimmt sicher. Genau dieser Satz wäre aber die Begründung für die fahrlässige Tötung und nicht für den Vorsatz. Die Abgrenzung zwischen fahrlässiger und vorsätzlicher Tötung ist auch juristisch nicht einfach. Überspitzt kann man es so erklären: Denkt ein Raser vor der Fahrt: "Wenn ich einen Unfall baue und dabei mein Auto kaputt geht, ich mein eigenes Leben gefährde und eventuell auch noch unbeteiligte Personen über den Haufen fahre, dann ist mir das egal", dann nimmt er den Tod anderer billigend in Kauf. Dann handelt er also vorsätzlich und es liegt Totschlag oder Mord vor. Denkt er aber: "Klar, es könnte ein schrecklicher Unfall passieren, aber ich bin ein guter Fahrer, ich habe mein Auto unter Kontrolle, und die Sache wird schon irgendwie gut gehen. Mir ist noch nie was passiert", dann mag das grobe Selbstüberschätzung sein. Aber dann fehlt der Vorsatz, jemanden zu töten. Dann würde eine fahrlässige Tötung vorliegen, weil man sagt: Die Raser durften so nicht denken, ihnen hätte klar sein müssen, dass jemand zu Tode kommen kann, wenn sie mit 170 km/h über rote Ampeln rasen. Die Kurzformel zur Abgrenzung lautet also: Haben die Täter gedacht, "es ist mir egal", was für einen Vorsatz steht. Oder dachten sie, "es wird schon gut gehen", was für eine Fahrlässigkeit spricht. Wie soll ein Richter herausfinden, was die Täter gedacht haben? Das ist ein großes Problem, weil die Richter natürlich nicht in die Köpfe der Angeklagten hineinschauen können. Und weil die Angeklagten selten den Vorsatz zugeben würden. Deshalb müssen die Gerichte diese Gedanken der Täter oft aus dem herleiten, was geschehen ist. Das Landgericht Berlin ist davon ausgegangen, dass die Täter den Tod billigend in Kauf nahmen. Kritiker argumentieren anders. Es gehe zu weit, anzunehmen, dass Raser in Kauf nehmen, ihre geliebten Autos könnten kaputt gehen. Auch würden Raser nicht in Kauf nehmen, sich selbst und andere womöglich schwer zu verletzten oder zu töten. Vielmehr würden sie sich dumm und naiv selbst überschätzen. Führt der Vorsatz automatisch zum Mord? Nein, damit die vorsätzliche Tötung als Mord bewertet wird, muss ein sogenanntes Mordmerkmal hinzukommen. Das Landgericht Berlin ging im Berliner Fall von einer Tötung mit einem gemeingefährlichen Mittel aus. Denn das Auto sei in der konkreten Situation nicht beherrschbar und damit eine Gefahr für eine Vielzahl von Personen gewesen. Wurden nicht inzwischen die Gesetze für Raser verschärft? Doch. Illegale Autorennen haben sich in letzter Zeit gehäuft. Und viele kritisierten, dass die Teilnahme oft nur als Ordnungswidrigkeit geahndet wird. Außerdem sei die Höchststrafe von fünf Jahren für die fahrlässige Tötung für Autorennen mit tödlichem Ausgang nicht ausreichend. Deshalb wurde 2017 das Gesetz verschärft. Nach der Neuregelung stehen "verbotene Kraftfahrzeugrennen" unter Strafe, auch wenn nichts passiert. Für die Teilnahme an solchen Rennen kann es bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe geben. Kommt eine Person zu Tode, kann eine Strafe von bis zu zehn Jahren Haft verhängt werde. Das ist doppelt so viel, wie bisher bei "fahrlässiger Tötung" möglich war. Für zurückliegende Raser-Fälle, also auch für die Angeklagten in dem Berliner Fall, gilt das neue Gesetz allerdings nicht.
# SPD rutscht auf 18 Prozent ab Auf ein Rekordtief von nur noch 18 Prozent fällt die SPD im ARD-DeutschlandTrend. Dass es mehr als vier Monate nach der Wahl noch keine Regierung gibt, kann kaum jemand nachvollziehen. Es sind keine guten Nachrichten für die SPD: In der aktuellen Sonntagsfrage von Infratest dimap für den ARD-DeutschlandTrend landet die Partei mit 18 Prozent auf Rekordtief. Das sind drei Punkte weniger als im letzten Deutschlandtrend für die tagesthemen Anfang Januar. Die Union kommt unverändert auf 33 Prozent. AfD und FDP verbessern sich jeweils um einen Punkt und landen bei 14 bzw. 10 Prozent. Die Linke steigt um zwei Punkte auf 11 Prozent; die Grünen sind stabil bei 11 Prozent. Schulz so schlecht bewertet wie nie Auch der SPD-Parteivorsitzende Martin Schulz wird so schlecht bewertet wie noch nie im ARD-DeutschlandTrend: 25 Prozent der Bürger sind mit seiner Arbeit zufrieden, fünf Punkte weniger als im Vormonat. Genauso viele Punkte büßt auch sein Parteikollege Sigmar Gabriel ein, aber der geschäftsführende Außenminister erreicht insgesamt 57 Prozent Zustimmung. Mit der politischen Arbeit von Bundeskanzlerin Angela Merkel sind 53 Prozent sehr zufrieden bzw. zufrieden (+1). Der geschäftsführende Innenminister Thomas de Maizière erreicht 47 Prozent (-2 im Vergleich zu September 2017). Der Chef des Bundeskanzleramtes und Interims-Finanzminister Peter Altmaier (CDU) erreicht 40 Prozent Zustimmung (-1 im Vergleich zum Vormonat). Die SPD-Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles legt um 5 Punkte zu und erreicht 38 Prozent. Der CSU-Vorsitzende und bayrische Noch-Ministerpräsident Horst Seehofer kommt auf 34 Prozent (+/-0). Christian Lindner, FDP-Partei- und Fraktionsvorsitzender, erhält 31 Prozent Zustimmung (+4). Der neue Grünen-Parteivorsitzende Robert Habeck erreicht 17 Prozent Zustimmung (bisher kein Vergleichswert). Der Linken-Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch erreicht 16 Prozent (-3 im Vergleich zu Dezember 2017). Mit der Arbeit des AfD-Partei- und Fraktionsvorsitzenden Alexander Gauland sind 10 Prozent der Befragten sehr zufrieden oder zufrieden (+/-0 im Vergleich zu Dezember 2017). Deutsche werden wegen langer Regierungsbildung ungeduldig Dass Deutschland mehr als vier Monate nach der Bundestagswahl noch keine neue Regierung hat, können die Deutschen kaum nachvollziehen: 71 Prozent haben kein Verständnis dafür, dass die Regierungsbildung so lange dauert. Dadurch befürchten die Bürger mehrheitlich negative Folgen: 64 Prozent machen sich Sorgen, dass aufgrund der langen Regierungsbildung wichtige innenpolitische Fragen nicht angegangen werden. 63 Prozent sind der Meinung, dass Deutschland durch die lange Regierungsbildung an Einfluss in der Europäischen Union einbüßt. "Union in der stärkeren Verhandlungsposition" Zwei Drittel der Befragten sehen die Union bei den Koalitionsverhandlungen in einer stärkeren Verhandlungsposition als die SPD: 57 Prozent sagen, die CDU habe die stärkste Verhandlungsposition bei den Koalitionsverhandlungen, 9 Prozent die CSU. 21 Prozent sind der Auffassung, dass die SPD die stärkste Verhandlungsposition hat. 51 Prozent der Befragten fänden es sehr gut bzw. gut, wenn Angela Merkel weiterhin als Kanzlerin regieren würde (- 2 im Vgl. zum Vormonat). 46 Prozent fänden eine erneute Kanzlerschaft Merkels weniger gut bzw. schlecht (+1). Mehrheit befürwortet Mitgliederentscheid der SPD Wenn die Koalitionsverhandlungen wie geplant am 4. Februar zu Ende gebracht werden, muss danach noch die SPD-Basis dem Koalitionsvertag zustimmen. Dass die SPD in dieser Form ihre Mitglieder befragt, finden 58 Prozent der Bürger richtig; 38 Prozent finden das nicht richtig. Bei den SPD-Anhängern finden 71 Prozent richtig, dass die SPD ihre Mitglieder über den Koalitionsvertrag abstimmen lassen will, 29 Prozent finden das nicht richtig. Die Zustimmung befindet sich auf ähnlich hohem Niveau wie nach der Bundestagswahl 2013. Damals (Dezember 2013) fanden 55 Prozent der Befragten eine solche Abstimmung richtig, 41 Prozent fanden sie nicht richtig. Sollte es nicht zu einer Neuauflage der Großen Koalition kommen, sprechen sich 40 Prozent der Befragten (-2 im Vergleich zum Vormonat) für eine Minderheitsregierung von CDU/CSU aus, 56 Prozent (+2) für Neuwahlen. Mehrheit begrüßt Einigung beim Familiennachzug Die Einigung von Union und SPD beim Thema Familiennachzug wird von einer Mehrheit der Deutschen begrüßt. Wie jetzt vom Bundestag beschlossen, sollen in Deutschland lebende Bürgerkriegsflüchtlinge ihre engsten Familienangehörigen bis Juli 2018 weiterhin nicht nachholen dürfen. Von August an soll der Familiennachzug auf 1000 Menschen pro Monat begrenzt werden; eine Härtefallregelung soll weiter gelten. 54 Prozent der Befragten im ARD-DeutschlandTrend finden, dass diese Regelung in die richtige Richtung geht. 38 Prozent finden, dass sie in die falsche Richtung geht. Doch was heißt "falsche Richtung" in diesem Zusammenhang? Hinweise finden sich, wenn man auf die Anhänger nach parteipolitischer Präferenz schaut: 66 Prozent der AfD-Anhänger bzw. 59 Prozent der Anhänger der Linkspartei finden, dass die Einigung beim Familiennachzug in die falsche Richtung geht. Aus unseren Erhebungen wissen wir, dass die Anhänger der AfD mehrheitlich gegen den Familiennachzug sind und die Anhänger der Linkspartei mehrheitlich dafür. Für die Ablehnung der neuen Regelung gibt es also offenbar sehr gegensätzliche Gründe: Den einen ist der jetzt gefundene Kompromiss womöglich zu lax, den anderen zu streng. Hier liegt die Vermutung nahe, dass jeder die Einigung in seinem Sinne interpretiert hat.
# Gewerkschaften wollen sechs Prozent mehr Vor der Tarifrunde Ende Februar in Potsdam haben ver.di und ihre Partnergewerkschaften erste Zahlen veröffentlicht. Sie fordern sechs Prozent mehr Lohn für die Angestellten von Bund und Kommunen. Sechs Prozent mehr Lohn - mindestens aber 200 Euro pro Monat: Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und ihre Partnergewerkschaften haben ihre Forderungen für die kommende Tarifrunde für den öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen vorgelegt. "Die Wirtschaft brummt, die Steuereinnahmen sprudeln", begründete ver.di-Chef Frank Bsirske die Forderung. Tarifrunde beginnt am 26. Februar Bei den Verhandlungen geht es um das Gehalt von insgesamt etwa 2,44 Millionen Beschäftigten. Die Verhandlungen mit der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) und dem scheidenden Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) beginnen am 26. Februar in Potsdam. Die Schlussrunde ist für Mitte April vorgesehen. Die Gewerkschaften, neben ver.di der dbb-Beamtenbund, die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft sowie die Gewerkschaft der Polizei, streben eine Laufzeit von zwölf Monaten für den neuen Vertrag an. Das Ergebnis solle auch auf die Beamten des Bundes übertragen werden.
# Welche Rolle spielte Abdeslam bei Attentaten? Der festgenommene Salah Abdeslam wollte sich nach eigener Aussage bei der Pariser-Attentatsserie ursprünglich in die Luft sprengen. Von Brüssel aus habe er später neue Anschläge vorbereitet - auch das habe der 26-Jährige zugegeben, teilte die belgische Regierung mit. Seine Aussagen werfen noch viele Fragen auf - auch nach einem möglichen Anschlag im 18. Pariser Arrondissement. War er einer der Hauptlogistiker der Anschläge vom 13. November? Sollte er sich an diesem Abend in die Luft sprengen? Noch ist nicht genau geklärt, welche Rolle der 26-jährige Salah Abdeslam bei der Attentatsserie von Paris spielte. Der Franzose mit marokkanischen Wurzeln hat zugegeben, dass er am Abend der Anschläge in Paris gewesen sei. Das bestätigte gestern Abend der Pariser Staatsanwalt François Molins auf einer Pressekonferenz. "Salah Abdeslam hat vor den belgischen Ermittlern behauptet, dass er sich, ich zitiere, am Stade de France in die Luft sprengen wollte. Und dass er, ich zitiere noch einmal, einen Rückzieher gemacht habe", sagte Molins. Möglicher weiterer Anschlagsort im 18. Arrondissement Er fügte hinzu: "Diese ersten Aussagen muss man mit Vorsicht behandeln." Denn das, was der bis Freitag meistgesuchte Mann Europas einen Tag nach seiner Festnahme ausgesagt habe, lasse noch viele Fragen offen. Zum Beispiel die, was es mit dem möglichen weiteren vorgesehenen Anschlagsort im 18. Arrondissement von Paris auf sich gehabt habe. Der Bezirk im Norden der Hauptstadt war nämlich in einem Bekennerschreiben aufgeführt, das die Terrororganisation "Islamischer Staat" kurz nach den Attentaten veröffentlicht hatte. Dort, im 18. Pariser Arrondissement, hatte Abdeslam am Abend der Anschläge einen schwarzen Renault Clio abgestellt. Besonders müsse geklärt werden, was er am Abend des 13. Novembers um 22 Uhr herum im 18. Arrondissement gemacht habe, sagte Molins. Das ist die Zeitspanne, nachdem er das Terrorkommando vom Stade de France mit dem Renault Clio abgesetzt hatte. Genauso müsse die Frage geklärt werden, warum Abdeslam seinen Sprengstoffgürtel im Pariser Vorort Montrouge weggeworfen hat - dort war er zehn Tage später gefunden worden. Abdeslam hatte laut Staatsanwalt zentrale Rolle bei Attentaten Die Ermittlungen müssen sich nun also auch darauf konzentrieren, ob ein Selbstmordanschlag im 18. Arrondissement von Paris durch Salah Abdeslam geplant war. Was nach Aussage des Pariser Staatsanwalts aber bereits fest steht, ist: Salah Abdeslam hatte eine zentrale Rolle bei der Vorbereitung und der Durchführung der Anschläge. Der 26-Jährige hatte Wohnungen und Autos für seine Komplizen angemietet, Material für Sprengstoffgürtel besorgt und war in den Monaten vor den Anschlägen bei Autofahrten immer wieder in verschiedenen Ländern Europas mit verdächtigen Männern kontrolliert worden. Was genau hat Salah Abdeslam aber am Abend des 13. Novembers in Paris gemacht? Frankreich hofft, dass der wahrscheinlich einzige noch lebende Paris-Attentäter darüber so schnell wie möglich vor französischen Gerichten aussagen wird.
# Chinas Traumwelt aus Eis Beim Eisfestival im chinesischen Harbin entstehen Tempel und Kathedralen aus Eis. Der Themenpark ist ein Touristenmagnet - und mancher kommt nicht trotz, sondern wegen der eisigen Kälte. In der Hand hält er eine kleine Axt, auf dem Boden liegt eine Motorsäge, im Hintergrund läuft klassische Musik. Sun Hongyan schlägt und schnitzt ein Klavier aus Eis. Die Tasten sind blau, gelb und rot. Von innen ist das Klavier bunt beleuchtet. "Wir haben dieses Jahr mehr als 150.000 Kubikmeter Eis benutzt", sagt er. "Besonders schön sieht es aus, wenn es dunkel wird und alles ist erleuchtet." Seit acht Jahren arbeitet Sun Hongyan als Eis-Schnitzer und -Bildhauer beim Schnee- und Eis-Festival in Harbin. Es ist der weltweit größte Themenpark aus Schnee und Eis. Noch bis Anfang März findet das Festival in Chinas nördlichster Provinz Heilongjiang statt. Künstler bauen ganze Tempel und Kathedralen aus Eis nach und erschaffen eine Stadt, die vollständig aus beleuchteten Eisgebäuden besteht. Touristen kommen trotz eisiger Kälte, um das größte Eis-Festival der Welt zu bestaunen. Ein Abendhimmel in pink Dieses Jahr entsteht der Himmelstempel aus Peking und im Zentrum des Areals der große Eispalast - eine Mischung aus Märchenschloss und Kathedrale. Aus dem Inneren der riesigen Skulpturen werfen Scheinwerfer bunte Farbstrahlen durch die dicken Eisblöcke in den Abendhimmel: pink, rosa, blau und rot. Dafür muss das Eis möglichst lichtdurchlässig sein. Eiskünstler Sun zeigt auf rund zwanzig Skulpturen. Es sind Werke aus dem jährlichen Wettbewerb internationaler Eiskünstler. "Dieses Werk hier hat den Wettbewerb gewonnen: ein schwebender Astronaut im Weltall", sagt er. "All diese Skulpturen hier in diesem Bereich repräsentieren das Beste, was es in der Eiskunst weltweit gibt." Minus 35 Grad Es ist den ganzen Winter über bitterkalt in Harbin, an diesem Abend sinkt die Temperatur auf minus 35 Grad Celsius. Die Besucher sind dick eingepackt, fast alle tragen Fellmützen. Bei zwei jungen Frauen aus der südchinesischen Provinz Guangxi gucken nur noch die Augen aus den Gesichtsmasken. "Wir haben noch nie Schnee gesehen. Wir fühlen uns großartig, alles ist weiß. Wir sind richtig aufgeregt", sagt eine der Frauen. Die Eis-Rutschen seien lustig. aber sie wollen nur für zwei, drei Tage in Harbin bleiben. "Es ist einfach zu kalt." Die beiden 20-jährigen Zwillingsschwestern bleiben beim Eis-Turmspringen stehen. Vor allem ältere Chinesen trotzen hier der Kälte und springen im Badeanzug in einen Swimmingpool. Der Pool muss aufwendig beheizt werden, damit er nicht sofort wieder zufriert. Staunende Besucher Der achtjährige Besucher Yang Yuetian guckt staunend zu. "Zu kalt. Ich gehe lieber auf die Eisrutsche und mache Fotos", sagt er. Auch die Eisvorführungen findert er toll. "Es gibt sogar ein Eistheater, mit Figuren aus dem Film Frozen." Für das Eis-Festival in Harbin beginnen Anfang Dezember die Vorbereitungen. Dicke Eisquader werden dann aus dem Songhua-Fluss gebrochen und zum Festivalgelände auf der Sonneninsel gebracht. Das Märchenland aus Eis und Schnee entsteht hier im Norden Chinas jedes Jahr wieder neu. Rund 7000 Arbeiter sind daran beteiligt. Wang Zengyu ist Vize-Direktor des Eis-Festivals: "Das ist alles unser Werk hier! Wir setzen uns die Regeln und machen alles selbst." Das sei jedes Mal eine große Herausforderung. Für Disneyland gebe es klare Vorgaben. "Dort wird gebaut - und dann bleibt das einfach stehen", sagt er. "Bei uns ist das anders, wir müssen jedes Jahr alles wieder neu aufbauen." Besucher-Rekord angepeilt Diesen Winter peilen die Veranstalter einen neuen Besucher-Rekord an: anderthalb Millionen Besucher bis Anfang März. Harbin hat rund fünf Millionen Einwohner - und ist in China vor allem für das Eis-Festival bekannt. "Mit unserer Eis-Welt hat sich der Winter-Tourismus in den vergangenen Jahren enorm entwickelt", sagt Wang Zengyu. "Es ist heute der zweitgrößte Wirtschaftszweig in Harbin, hinter der Lebensmittelindustrie. Unser Eis-Festival ist der Hauptgrund für den wachsenden Tourismus in der Stadt." Werbung mit den eisigen Temperaturen Die Stadt Harbin hat aus dem harschen Klima und den eisigen Temperaturen eine Tugend gemacht. Eis, Schnee und die klirrende, monatelange Kälte werden vermarktet wie nirgendwo anders in China. Und Harbin hat noch Größeres vor. 2016 wurden umgerechnet sieben Millionen Euro in einen Indoor-Eispark investiert. Die Eis-Skulpturen sollen hier für Besucher zu einem ganzjährigen Erlebnis werden. Bis Anfang März kommen noch Wintertouristen, so lange hat das Eis-Festival in Harbin geöffnet. Dann kommt irgendwann im April auch hier im hohen Norden Chinas der Frühling. Eiskunst ist vergänglich: Chinas Märchenwelt aus Eis wird dann einfach schmelzen und im Boden versickern.
# Welche Staaten auf- und welche abrüsten 2018 wird ein Rekordjahr für Militärausgaben: Die Staaten werden soviel Geld in Rüstung investieren, wie seit dem Kalten Krieg nicht mehr. Wer rüstet auf - und wer rüstet ab?
# Warum ist Korea geteilt? Bei den Olympischen Winterspielen kämpfen Nord- und Südkoreanerinnen gemeinsam um eine Medaille im Eishockey. Im Alltag aber trennt die Spieler eine unüberwindbare Grenze. Warum eigentlich? Die koreanische Halbinsel zwischen Japan und China hat eine lange gemeinsame Geschichte und Kultur. 1905 wird Korea japanisches Protektorat, im Jahr 1910 annektiert Japan schließlich die Halbinsel und macht Korea so zur japanischen Kolonie. Mit der Kapitulation der Kolonialmacht Japan im Zweiten Weltkrieg übernehmen die Alliierten die Kontrolle über die koreanische Halbinsel. Die Sowjetunion besetzt den Norden Koreas, die USA den Süden. Als Grenze wird der 38. Breitengrad bestimmt, der Korea ziemlich willkürlich in zwei etwa gleichgroße Besatzungszonen teilt. Im Süden entsteht wenig später die Republik Korea - Südkorea. Im Norden die Demokratische Volksrepublik Korea - Nordkorea. Es ist eine ähnliche Lage wie zu jener Zeit im geteilten Deutschland. Der Koreakrieg Am 25. Juni 1950 überschreiten nordkoreanische Truppen die Demarkationslinie am 38. Breitengrad und greifen den Süden an. Es folgt der Koreakrieg (1950-1953), in dem die Sowjetunion und China an der Seite des Nordens, die USA und weitere UN-Truppen an der Seite des Südens kämpfen. Fast alle größeren Städte Koreas werden zerstört und beide Konfliktparteien verüben Massaker. Es sterben schätzungsweise etwa vier Millionen Menschen. Trotz temporärer und massiver Landgewinne verändert der Krieg die Grenze auf der Halbinsel aber kaum. Bis heute verläuft sie nahe des 38. Breitengrades. Demokratie und Diktatur Inzwischen hat sich Südkorea zu einer funktionierenden Demokratie mit einer stabilen Wirtschaft entwickelt. Nordkorea dagegen ist nach wie vor eine Diktatur, geführt von dem Famlienclan der Kims. Die wirtschaftliche Lage des Landes hat sich mit dem Niedergang der Sowjetunion zusehends verschlechtert und es gibt massive Versorgungsengpässe. Während in Deutschland das Ende des Kalten Krieges zur Wiedervereinigung führte, gibt es zwischen Nord- und Südkorea bis heute keinen Friedensvertrag. Ziel ist die Wiedervereinigung Durch den Zusammenbruch der Sowjetunion und die Zurückhaltung der Schutzmacht China sieht sich Nordkorea wohl immer mehr in seiner Existenz bedroht. Eine Konsequenz, sagen Experten, sei das Atomwaffenprogramm, in dem viele eine Bedrohung für den Weltfrieden sehen. Das erklärte Ziel beider Koreas ist aber nach wie vor die Wiedervereinigung. Allerdings wollen beide Staaten einen Zusammenschluss jeweils unter ihrer eigenen Führung.
# 16 Prozent - SPD fällt auf Rekordtief Im ARD-DeutschlandTrend kommt die SPD bei der Sonntagsfrage nur noch auf 16 Prozent - ein neuer Negativrekord. Dass Martin Schulz auf alle Ämter verzichtet, finden acht von zehn Deutschen richtig. Das Führungschaos bei der SPD hinterlässt Spuren: In der Sonntagsfrage von Infratest dimap für den ARD-DeutschlandTrend Extra landet die Partei mit 16 Prozent auf einem Rekordtief. Das sind zwei Punkte weniger als im Tagesthemen-DeutschlandTrend Anfang Februar. Die Union kommt unverändert auf 33 Prozent. Die AfD verbessert sich um einen Punkt und kommt auf 15 Prozent; die FDP verliert einen Punkt und landet bei neun Prozent. Die Linke bleibt stabil bei elf Prozent; die Grünen verbessern sich um zwei Punkte und kommen auf 13 Prozent. Zu der Entscheidung von Martin Schulz haben die Deutschen eine klare Meinung: 78 Prozent der Befragten finden es richtig, dass Schulz vom SPD-Parteivorsitz zurückgetreten ist und auch nicht Außenminister wird. 14 Prozent finden es nicht richtig. Nach dem Rücktritt von Schulz führt jetzt kommissarisch Olaf Scholz die SPD. Auf einem Parteitag im April soll dann der bzw. die Parteivorsitzende neu gewählt werden. Die SPD-Führung sprach sich für Andrea Nahles als neue Parteivorsitzende aus. 33 Prozent sind der Meinung, dass Nahles dazu in der Lage wäre, die SPD wieder zu einen und nach vorne zu bringen; 47 Prozent sind der Ansicht, dass sie nicht dazu in der Lage wäre. Die SPD-Anhänger sind bei der Frage etwas optimistischer: 48 Prozent meinen, Nahles wäre dazu in der Lage, die SPD zu einen und nach vorne zu bringen; 41 Prozent sagen: Nein, das wäre sie nicht. Mehrheit sieht SPD als Verhandlungsgewinner bei Ressorts Wenn man die Deutschen danach fragt, welche Partei sich ihrer Meinung nach im Rahmen der GroKo-Verhandlungen bei der Verteilung der Ministerien am stärksten durchgesetzt hat, ergibt sich ein eindeutiges Bild: 55 Prozent sind der Ansicht, dass sich die SPD dabei am stärksten durchgesetzt hat; 16 Prozent sagen das von der CDU und sechs Prozent von der CSU. Bei der Frage, wer sich bei den politischen Inhalten am stärksten durchgesetzt hat, sieht die Situation etwas anders aus. 31 Prozent der Befragten sind der Ansicht, dass sich die SPD am stärksten durchgesetzt hat. 29 finden, dass sich die CDU am stärksten durchgesetzt hat und zehn Prozent sind der Meinung, dass sich die CSU am stärksten durchgesetzt hat.  Im DeutschlandTrend Anfang Februar waren die Erwartungen andere: Damals sahen zwei Drittel der Befragten die Union bei den Koalitionsverhandlungen in einer stärkeren Verhandlungsposition als die SPD: 57 Prozent sagten vor zwei Wochen, die CDU habe die stärkste Verhandlungsposition bei den Koalitionsverhandlungen, 9 Prozent die CSU. 21 Prozent waren der Auffassung, dass die SPD die stärkste Verhandlungsposition hat. Zwei Drittel meinen, es ging mehr um Posten als um Inhalte Aktuell sind 55 Prozent der Ansicht, dass der ausgehandelte Koalitionsvertrag ein vernünftiger Kompromiss unterschiedlicher Interessen ist; 38 Prozent finden das nicht. Allerdings meinen auch 66 Prozent der Deutschen, dass es den Verhandlungsführern mehr um die Posten ging als um politische Inhalte; 27 Prozent stimmen dieser Aussage nicht zu. 72 Prozent der Befragten vermissen im Koalitionsvertrag grundsätzlich neue politische Ansätze; 20 Prozent finden das nicht. Zustimmung zur Großen Koalition geht zurück Der Rückhalt in der Bevölkerung für eine Große Koalition aus Union und SPD sinkt weiter: 42 Prozent fänden eine Koalition aus CDU, CSU und SPD sehr gut oder gut - das sind vier Punkte weniger als Anfang Februar; 52 Prozent fänden eine Fortsetzung der GroKo weniger gut oder schlecht. Aktuell fänden es 50 Prozent der Befragten sehr gut bzw. gut, wenn Angela Merkel weiterhin als Kanzlerin regieren würde; 47 Prozent fänden es weniger gut bzw. schlecht. Seit Oktober des vergangenen Jahres kann man in dieser Frage einen kontinuierlichen Abwärtstrend feststellen: Anfang Oktober sagten noch 61 Prozent, dass sie eine erneute Kanzlerschaft Merkels sehr gut bzw. gut fänden; 38 Prozent sagten damals, dass sie das weniger gut bzw. schlecht finden würden.
# Einsicht gleich null Die US-Regierung trägt eine Mitschuld am Attentat in Florida. Denn jeden Tag sterben 90 US-Bürger durch Waffengewalt und statt Gesetze zu verschärfen, werden sie gelockert. Diese Bilder habe ich in den vergangenen Jahren zu oft gesehen: schreiende Schüler, weinende Eltern, schockierte Bürgermeister, die nicht glauben können, dass solch ein Massaker in ihrer Gemeinde passieren konnte. Doch - es kann überall in den USA passieren. Am Tag danach die immer gleichen Rituale: Präsident Trump und die Republikaner rufen zu Gebeten für die Opfer und ihre Angehörigen auf: Jetzt sei nicht die Zeit, über Waffengesetze zu sprechen. Wann denn, wenn nicht jetzt? Nach dem Massaker von Las Vegas vor einigen Monaten räumten selbst Trump und republikanische Abgeordnete ein, man müsse über ein Verbot der Schnellfeuervorrichtungen nachdenken. Diese Kolben halfen dem Attentäter, in kurzer Zeit so viele Menschen wie möglich zu töten, ohne selbst abdrücken zu müssen. Mehr statt weniger Waffenfreiheit Und was ist seither im US-Kongress passiert? Gar nichts! Dafür hat die Mund-zu-Mund-Beatmung der mächtigen Waffenlobby NRA gesorgt. Stattdessen soll demnächst im Kongress ein Gesetz verabschiedet werden, das den Erwerb von Schalldämpfern für Waffen erleichtert. Der von der NRA vorbereitete und von den Republikanern befürwortete Entwurf nennt sich "Gesetz für besseren Gehörschutz für Waffenbesitzer". Hätte der 19-jährige Täter von Parkland Schalldämpfer gehabt, wären Dutzende Schüler mehr getötet worden, bevor es irgendjemand bemerkt hätte. In demokratisch regierten Bundesstaaten an den Küsten Amerikas gibt es mutige Politiker, die strengere Waffengesetze verabschiedet haben. Allerdings hilft das wenig, wenn sich Täter schon im Nachbarstaat problemlos mit Waffen eindecken können. Das Problem muss landesweit angepackt werden. Mit ihrer Tatenlosigkeit machen sich der Präsident und die Republikaner mitschuldig an einem der schlimmsten Missstände in den USA. Jeden Tag sterben 90 US-Bürger durch Waffengewalt. Trump-Regierung versucht Attentat kleinzureden Man stelle sich nur einmal vor, das Attentat von Parkland wäre von einem islamistischen Einwanderer verübt worden. Die Trump-Regierung hätte Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt. So aber war es ja "nur" die schlimme Tat eines psychisch gestörten Ex-Schülers - kein Fall also für die US-Regierung oder das Heimatschutz-Ministerium. Obwohl die Seuche der Waffengewalt die Heimat der Amerikaner täglich bedroht. Immer mehr US-Bürger fühlen sich nur sicher, wenn sie eine Waffe haben - ein Teufelskreis. Im Jahr 2000 waren noch zwei Drittel der US-Bürger für strengere Waffengesetze. Heute sind es nur noch 51 Prozent. Es gibt heute mehr Waffen als Menschen in den USA. Vor größeren Schulen und Universitäten stehen permanent Polizeiwagen. Immer mehr Bundesstaaten empfehlen den Lehrern eine Waffe zu tragen. Das Training hierfür bieten Mitarbeiter der Waffenlobby NRA übrigens kostenlos an.
# Hilfe für Missbrauchsopfer Der Fall Dieter Wedel hat die Film- und Fernsehbranche in Deutschland erschüttert. Sie steht unter Verdacht, anfällig für sexuelle Gewalt zu sein. Nun wird eine Beschwerdestelle für Opfer eingerichtet. Zum Auftakt der Berlinale hat die deutsche Film- und Fernsehbranche die Gründung einer Beschwerdestelle gegen Machtmissbrauch und sexuelle Übergriffe angekündigt. Sie soll nach Angaben des Bundesverbands Schauspiel (BFFS) nicht nur erste Anlaufstelle für Betroffene von sexualisierter Belästigung, Gewalt und Diskriminierung sein, sondern sich auch mit der Aufarbeitung und Prävention befassen. Ziel sei es, mittel- bis langfristig einen Kulturwandel und eine Bewusstseinsbildung für eine gewaltfreie Arbeitskultur zu schaffen. Unterstützung vom Staat Kulturstaatsministerin Monika Grütters will den Aufbau des Projekts mit 100.000 Euro unterstützen. Hinter der Beschwerdestelle stehen mehr als zwölf Berufs- und Branchenverbände der Film- und Fernsehbranche, darunter die Deutsche Filmakademie, die Deutsche Fernsehakademie und der Bundesverband Regie. Die Verbände appellierten an die Fernsehsender, sich an der Anlaufstelle finanziell zu beteiligen. Die Anlaufstelle soll möglichst schon im März die Arbeit aufnehmen. Auch die ARD will nach den Vorwürfen gegen Regisseur Dieter Wedel den Kampf gegen sexuelle Übergriffe vorantreiben. Der Senderverbund prüft die Einrichtung einer überbetrieblichen, unabhängigen Beschwerdestelle. Zudem durchforsten die ARD-Anstalten derzeit ihre Archive nach Hinweisen auf sexuelle Übergriffe bei früheren Produktionen mit Wedel. "Bisher ist uns jenseits des Saarländischen Rundfunks (SR) in den Akten nichts Verhaltensauffälliges untergekommen", sagte der ARD-Programmdirektor Volker Herres. Nach Angaben Wilhelms ist die Archivsuche voraussichtlich in einigen Wochen abgeschlossen. ZDF findet keine Hinweise auf Übergriffe Das ZDF hat nach eigenen Angaben keine neuen Hinweise zu möglichen sexuellen Übergriffen von Wedel. Eine interne Untersuchung der Auftragsproduktionen, an denen Wedel als Autor und Regisseur beteiligt war, sei vorläufig abgeschlossen worden, erklärte der Sender.
# Parkland unter Schock Es ist die Frage nach dem Warum, die die US-Medien nach dem Blutbad an einer Schule in Florida beschäftigt. Der Schütze - ein ehemaliger Schüler - scheint seine Tat vorbereitet zu haben. Im Internet machen Videos die Runde, aufgenommen in einem Klassenzimmer. Die verstörenden Szenen sollen den Moment zeigen, als der 19-jährige Täter im US-Bundesstaat Florida durch die Highschool in Parkland zieht. Schüler und Lehrer zwängen sich unter ihre Tische - mehr als 120 Lehrer unterrichten an der Schule mit mehr als 3000 Schülern. Mehrere Fernsehsender berichten, dass der festgenommene mutmaßliche Schütze die ganze Nacht lang von den Ermittlern befragt worden sei. Die Polizei habe den Mann erst am frühen Morgen ins städtische Gefängnis gebracht. Gegen ihn wird nun wegen Mordes ermittelt. Gasmaske und Rauchbomben Das Motiv bleibt unklar. Vieles deutet darauf hin, dass der Schütze seine Tat vorbereitet hatte. Mit einer Gasmaske geschützt sei er ins Schulgebäude gezogen, zündete Rauchbomben, um so den Feueralarm auszulösen und dann mit einem Sturmgewehr auf die fliehenden Schüler zu zielen. Das berichtete der demokratische Senator Bill Nelson nach einem Briefing mit FBI-Vertretern. Zurückhaltender äußerte sich dagegen der zuständige Sheriff, Scott Israel. Der Täter sei kürzlich der Schule verwiesen worden, so der Sheriff. Man werte jetzt seine Websiten und seine Social-Media-Konten aus. Dort seien zum Teil verstörende Dinge zu sehen. Auf mehreren Fotos posiert der 19-jährige Nikolas C. mit Waffen. So many signs that the Florida shooter was mentally disturbed, even expelled from school for bad and erratic behavior. Neighbors and classmates knew he was a big problem. Must always report such instances to authorities, again and again! US-Präsident Trump meldet sich via Twitter zu Wort: Er legt eine psychische Störung des Täters als Grund für das Massaker nahe. Es gebe dafür sehr viele Anzeichen, schrieb er, der Schütze sei wegen schlechten Benehmens von der Schule geflogen. Nachbarn und Mitschüler hätten gewusst, dass der junge Mann "ein große Problem" sei. Auch die "New York Times" berichtet, Nachbarn und Mitschüler hätten nicht überrascht darauf reagiert, dass er der Schütze sein soll. Der junge Mann wird als Einzeltäter beschrieben. Die Polizei will sich erst wieder am Vormittag Ortszeit äußern. "Ruhig und unauffällig" Es ist vor allem die Frage nach dem Warum, die die US-Medien am Tag nach dem Blutbad in Florida beschäftigt, ohne bisher wirklich Antworten liefern zu können. Ein Mathematiklehrer der Schule berichtet dem Sender Fox News, er habe den mutmaßlichen Täter im vergangenen Schuljahr das letzte Mal unterrichtet. Soweit er sich erinnern könne, habe dieser ruhig und in keiner Weise auffällig gewirkt. Das Blutbad von Florida lässt Erinnerungen an zurückliegende Schießereien wach werden. Vor über fünf Jahren starben bei einem ähnlichen Fall an der Sandy Hook Elementary School in Newton/Connecticut 20 Erstklässler und sechs Erwachsene. Seitdem zählte das unabhängige Gun Violance Archive 273 Schießereien an US-Schulen mit über 120 Toten. Die meist reflexartig einsetzende Debatte über schärfere Waffengesetze, wie die Demokraten sie fordern, haben in den USA bisher zu nichts geführt. Entsprechend wütend reagierte ein früherer FBI- und CIA-Mitarbeiter im Fernsehsender CNN. "Können wir nicht endlich anerkennen, dass wir das nicht akzeptieren können?", sagt er. Dann muss er unter Tränen abbrechen.
# Irreführende Zahl zu Schießereien In verschiedenen Medien wird berichtet, es habe in diesem Jahr in den USA bereits 18 Schießereien an Schulen gegeben - so wie nun in Florida. Doch diese Behauptung ist irreführend. "Das Jahr 2018 ist noch nicht einmal sieben Wochen alt, doch seine Bilanz ist in Hinsicht auf Schulschießereien in den USA bereits grauenvoll." Das schreibt die österreichische Zeitung "Kurier". Und weiter: Im Land der fast unbegrenzten Waffengesetze sind heuer nach der neuesten Tragödie mit 17 Toten an einer High School in Florida bereits 18 bekannt gewordene Massenschießerein an Schulen gemeldet worden. Ein Schweizer Blog berechnete, es gebe "alle 60 Stunden eine Schießerei an einer Schule" in den USA. Mehrere andere Medien zitierten ebenfalls die Zahl von jetzt 18 Schießereien in diesem Jahr. In den USA war es unter anderem Hollywood-Star Reese Witherspoon, die diese Zahl anführte: https://twitter.com/RWitherspoon/status/963941266894409729 Und Chris Murphy, demokratischer Senator aus Connecticut, sagte im US-Kongress: "It looks to be the 19th school-shooting in this country - and we don`t have even march." Übersetzt: Es handele sich offenkundig um die 19. Schießerei an einer Schule in diesem Land - und es sei noch nicht einmal März. https://twitter.com/Channel4News/status/964105728792416256 Wie Murphy auf 19 Schießereien kommt, ist unklar; vermutlich basiert die Aussage des Senators auf Zahlen von der Nichtregierungsorganisation "Everytown". Diese war von zahlreichen Bürgermeistern in den USA gegründet worden und setzt sich für schärfere Waffengesetze ein. "Everytown" führt für dieses Jahr bislang 17 "School Shootings" auf, einige Medien berichteten von 18 dort aufgelisteten Fällen. Allerdings handelt es sich nicht in jedem der Fälle um Massaker wie nun in Florida: Bei acht der 17 aufgelisteten Vorfälle wurde den Angaben zufolge niemand verletzt. Bei einigen Fällen seien die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen. Bei einem Vorfall hatte sich ein Schuss versehentlich gelöst - warum eine 12-jährige Schülerin die Waffe mit in die Schule gebracht hatte, wird noch untersucht. Bei anderen aufgeführten Vorfällen ging dem Gebrauch einer Schusswaffe ein Streit zwischen einzelnen Personen voraus. In einem Fall erschoss sich ein 31-jähriger Mann auf einem Parkplatz einer zu diesem Zeitpunkt geschlossenen Schule. Der folgenschwerste Vorfall ereignete sich in Benton in Kentucky, wo ein 15-Jähriger im Januar zwei Mitschüler tötete. Verschiedene Definitionen Die NGO "Everytown" zählt als Schulschießerei jeden Vorfall, bei dem eine Waffe in oder auf dem Gelände einer Schule oder eines Colleges abgefeuert wird: any time a firearm discharges a live round inside a school building or on a school campus or grounds, as documented by the press and, when necessary, confirmed through further inquiries with law enforcement or school officials.  Dazu gehören auch Selbsttötungen oder Streitigkeiten zwischen einzelnen Personen außerhalb der Schulzeit. Diese Definition ist verglichen mit anderen sehr weit gefasst. Die "New York Times" untersuchte Vorfälle an Schulen und nutzte dabei eine Definition, nach der es entscheidend sei, dass ein Vorfall nicht nur an einer Schule, sondern auch während der Unterrichtszeit bzw. während schulischen Veranstaltungen stattfinde. Die Encyklopaedia Britannica definiert den Begriff "school shooting" als einen Vorfall, bei dem ein Schüler mindestens einen Mitschüler oder Schul-Mitarbeiter durch eine Schusswaffe verletzt oder tötet: School shooting, an event in which a student at an educational facility—namely, elementary, middle, junior, and high schools as well as colleges and universities—shoots and injures or kills at least one other student or faculty member at school. Such events are typically characterized by multiple deaths.  Die Freie Universität Berlin betont in einer Definition hingegen, dass es sich um gezielte Angriffe handele, nämlich um zielgerichtete, bewaffnete Angriffe mit Tötungsabsicht auf Lehrer oder Mitschüler, bei denen entgegen dem etwas irreführenden Begriff nicht nur Schusswaffen zum Einsatz kommen können, sondern z.B. auch Klingenwaffen, stumpfe Gegenstände oder Bomben. School Shootings stellen die schwerste Art zielgerichteter Schulgewalt dar. Ausgenommen von der Definition sind Taten, die sich aus der Auseinandersetzung von Gruppen ergeben oder die unmittelbar aus einem Konflikt zwischen Einzelpersonen entstehen. Im laufenden Jahr hat es in den USA bislang also nicht 18 "Massen-Schießereien" gegeben, so wie es in einigen Medien heißt. Die Definition von "Everytown" ist weit gefasst und dokumentiert daher Beispiele als "school-shooting, die andere Organisationen oder Forscher nicht als solche einstufen. Doch auch wenn die Definitionen enger gefasst werden, kommen die meisten Experten zu dem Schluss, dass es in den USA ein massives Problem mit Schusswaffen an Schulen gibt. Senator Murphy sagte, dies geschehe "nirgendwo sonst, außer in den Vereinigten Staaten". Und solche Vorfälle passierten "nicht durch Zufall, nicht durch Unglück, sondern als Konsequenz aus unserer Untätigkeit".
# "Der ORF wird sich verändern" In Österreich eskalierte der Streit zwischen FPÖ und ORF zuletzt wegen eines Lügenvorwurfs, den FPÖ-Chef Strache als Satire abtut. ARD-Korrespondent Mandlik meint, dass die Angriffe der Regierungspartei den ORF verändern werden. tagesschau24: Der ORF wird ja schon seit längerem von der FPÖ für seine Berichterstattung kritisiert. Haben diese Angriffe seit dem Regierungsantritt von Heinz-Christian Strache eine neue Qualität bekommen? Michael Mandlik: Das hat tatsächlich eine neue Qualität: Ganz einfach dadurch, dass die FPÖ nun als Regierungspartei wesentlich mehr Einfluss auf den Sender nehmen kann - über den Stiftungsrat oder den Publikumsrat, wie die Gremien beim ORF heißen. Man versucht da durchaus klarzumachen: Wir wollen auf den ORF politischen Einfluss nehmen. tagesschau24: Ist das auch das Motiv der FPÖ für die Attacken auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Österreich? Mandlik: Es geht zum Einen natürlich um politische Einflussnahme, es geht aber auch knallhart um marktwirtschaftliche Interessen. Denn der ORF als Marktführer ist natürlich Zielscheibe von Verlagen oder Privatsendern, deren Interesse es auch ist, möglichst große Marktanteile zu erwirtschaften. Sie wollen die marktbeherrschende Stellung des ORF brechen oder zumindest beeinflussen. Daher gibt es durchaus Einflussnahme auch von wirtschaftlicher Seite. Hintergrund - Volksabstimmung in der Schweiz tagesschau24: Was hat denn die neue rechtskonservative Regierung gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ORF? Mandlik: Es gibt da scheinbar traditionelle Vorbehalte, das sagt auch der Generaldirektor des ORF. Man fühlt sich vom Sender generell benachteiligt. Der ORF wird gerne als "Rotfunk" beziehungsweise als "parteipolitisch" beeinflusst bezeichnet. Mit solchen Vorwürfen wird allerdings in vielen Ländern gespielt. Der eigentliche Hintergrund ist, dass in der Schweiz Anfang März eine Volksabstimmung über die Abschaffung von Rundfunkgebühren des dortigen öffentlich-rechtlichen Senders SRG stattfinden wird. Das würde faktisch zum Ende dieses Systems in der Schweiz führen. Die rechtspopulistischen Parteien in Europa sind so gut vernetzt, dass sie jetzt gegen öffentlich-rechtliche Systeme insgesamt Stimmung machen möchten. Da baut man auch in Österreich jetzt schon vor und versucht, den ORF als öffentlich-rechtliche Institution madig zu machen. "Der ORF wird sich verändern" tagesschau24: Wie verhält sich der ORF nun? Mandlik: Der ORF tut, was er am besten kann: Er sendet seine Programme weiterhin bis zu einer Entscheidung, die natürlich auf politischer Ebene früher oder später stattfinden wird - spätestens nach einer sogenannten Medienenquete, die hier im Mai angesetzt ist. Dort wird der ORF sicherlich in struktureller wie personeller Hinsicht verändert werden. Dort wird die jetzige Regierungspartei - wie es zuvor allerdings auch geschehen ist - versuchen, über die Gremien oder auch auf anderem Wege parteipolitischen Einfluss zu gewinnen. Der ORF wird sich verändern. Aber bis dahin baut man auf das Publikum und auf den Rückhalt als öffentlich-rechtliche Medienanstalt, man möchte entsprechend als objektiver Sender wahrgenommen werden. In diesem Sinne wird man sich bemühen, weiterhin gutes qualitatives Programm zu senden. tagesschau24: Was könnten das für Veränderungen sein, die den ORF vermutlich betreffen werden? Mandlik: Man wird versuchen, in den Gremien - die in vielen Ländern parteipolitisch besetzt sind - Personen auszutauschen und entsprechend zu positionieren, um Einfluss auf die Arbeit in einem solchen Sender zu gewinnen. Sicherlich könnte es auch passieren, dass versucht wird, aus der Sicht der FPÖ möglicherweise missliebige Sparten abzuschaffen oder zumindest zu verändern. Es gibt etwa den Sender FM4 Radio, der sehr gutes und engagiertes Kulturprogramm macht, manchen Rechtspopulisten aber ein Dorn im Auge ist. Was genau passieren wird, wird man spätestens Mitte oder Ende Mai sehen, wenn die ersten Ergebnisse der Medienenquette vorliegen. Das Interview führte tagesschau24-Moderatorin Kirsten Gerhard
# Zuma beugt sich dem Druck Südafrikas Präsident gibt sein Amt auf. Freiwillig geht er nicht, doch zuletzt hatte ihm auch seine eigene Partei das Vertrauen entzogen. Nachfolger soll ANC-Chef Ramaphosa werden. Es war nur noch eine Stunde bis zum Ablauf eines Ultimatums seiner eigenen Partei, des ANC: Präsident Zuma müsse vor Mitternacht zurücktreten, sonst werde man heute im Parlament ein Misstrauensvotum gegen ihn durchführen. Gegen 23 Uhr dann die Worte, die viele Südafrikaner ersehnt hatten: "Der ANC sollte niemals meinetwegen gespalten sein. Ich habe deswegen beschlossen, mit sofortiger Wirkung von meinem Amt als Präsident Südafrikas zurückzutreten", so Zuma. Mit einer kurzen Verbeugung verabschiedete sich der 75-Jährige dann. Zuma haderte mit Rücktritt Zuvor hatte Südafrika nochmal einen typischen Zuma-Auftritt erlebt: Jovial betrat er mit einer halben Stunde Verspätung die Bühne im Regierungssitz in der Hauptstadt Pretoria, machte ein paar Witze über die späte Stunde und das Arbeitspensum der Journalisten und ließ sein charakteristisches Lachen vernehmen. Es folgte eine abgelesene Rede, in der Zuma sich umfangreich rechtfertigte: "Ich habe keine Angst davor, mein politisches Amt aufzugeben. Ich habe lediglich meine Partei gebeten zu erklären, was meine Regelverstöße waren. Und welches ihre Gründe waren, mich von meinem Präsidentenamt abzuberufen", so der Noch-Präsident. ANC stellte sich gegen Zuma Am Dienstag hatte die Parteiführung des Afrikanischen Nationalkongresses Zuma zum Rücktritt aufgefordert. Gestern hatte die ANC-Parlamentsfraktion den Druck erhöht und gedroht, man werde ihn mit der Opposition durch ein Misstrauensvotum abwählen. Zunächst hatte sich Zuma unbeirrt gezeigt. Er sei mit dieser Entscheidung nicht einverstanden. Selbst am Abend hat er noch den Eindruck vermittelt, krampfhaft an seiner Macht festhalten zu wollen. "Ich fürchte kein Misstrauensvotum, kein Amtsenthebungsverfahren", sagte er. "Denn das sind die rechtmäßigen Mechanismen für die Menschen dieses schönen Landes, ihren Präsidenten abzuberufen." Letztlich hat er sich dann aber doch dem Druck aus seiner Partei gebeugt und ist mit seinem Rücktritt einem Misstrauensvotum zuvorgekommen. In großen Teilen der südafrikanischen Bevölkerung wurde dieser Schritt mit Erleichterung aufgenommen. "Der Albtraum ist vorbei", kommentierte das Nachrichtenradio 702 Zumas Rücktritt. Und das Online-Nachrichtenportal "Daily Maverick" rief Zuma ein hämisches "hasta la vista!" hinterher. Ramaphosa soll Präsident werden Schon heute soll Vize-Präsident Ramaphosa zu Zumas Nachfolger gewählt werden. Der 65-Jährige soll auch baldmöglichst die Rede zur Lage der Nation halten, die vergangene Woche wegen des Machtkampfs verschoben worden war. In einer ersten Reaktion hat der ANC Jacob Zuma als prinzipientreues Mitglied der Partei gepriesen. Während seiner Präsidentschaft habe er dazu beigetragen, die Lebensumstände vieler Südafrikaner zu verbessern. Die größte Oppositionspartei "Demokratische Allianz", DA hat den Rücktritt begrüßt. Zuma hinterlasse ein beschämendes Erbe und müsse nun wegen Korruption vor Gericht gestellt werden.
# "Mindestens drei Milliarden mehr" Union und SPD sind bereit, Deutschlands Zahlungen an die EU zu erhöhen, um die Brexit-Lücke teilweise zu schließen. EU-Haushaltskommissar Oettinger erwartet mindestens drei Milliarden mehr aus Berlin. Nach dem bevorstehenden Ausscheiden Großbritanniens aus der EU erwartet Haushaltskommissar Günther Oettinger von Deutschland höhere Beitragszahlungen an den EU-Haushalt. "Mit einem Zuschlag von mindestens 3 oder 3,5 Milliarden Euro aus Deutschland könnten wir die Lücke schließen, die der Brexit hinterlässt und zusätzliche Aufgaben finanzieren", sagte der CDU-Politiker der "Bild"-Zeitung. "Pro Kopf der Bevölkerung wären das etwa zehn Cent pro Tag mehr als jetzt", rechnete er vor. "Es gibt neue Aufgaben für Europa, zum Beispiel den Schutz der Außengrenzen oder den Kampf gegen den Terror. Dafür braucht die EU auch mehr Geld", fügte er hinzu. Deutschland ist größter Nettozahler der EU Auf höhere Zahlungen an die EU hatten sich Union und SPD bereits bei den Verhandlungen über eine Neuauflage der Großen Koalition geeinigt. "Wir sind zu höheren Beiträgen Deutschlands zum EU-Haushalt bereit", heißt es im Koalitionsvertrag, über den die SPD-Mitglieder aber noch abstimmen werden. Deutschland ist derzeit der größte Nettozahler der EU. 2016 zahlte es 12,9 Milliarden mehr in den EU-Haushalt ein, als aus EU-Töpfen ins Land zurückflossen. Einem "Ende des Spardiktats", von dem der frühere SPD-Chef Martin Schulz kürzlich gesprochen hatte, erteilte Oettinger eine Absage: "Nein, im Gegenteil. Die Brexit-Lücke von 12 bis 14 Milliarden Euro pro Jahr müssen wir etwa zur Hälfte durch Kürzungen im bestehenden Haushalt ausgleichen. Dass es im EU-Haushalt keine Schulden gibt, daran wird ebenfalls nicht gerüttelt."
# Reinere Luft durch kostenlosen Nahverkehr? Die Luft in deutschen Großstädten muss sauberer werden, sonst droht eine EU-Klage. Berlin schlägt nun vor, den öffentlichen Nahverkehr kostenlos anzubieten - zunächst in fünf Städten. Die deutsche Großstadt-Luft muss sauberer werden, und zwar schnell: Das hatte die EU-Kommission verlangt. Mit einer Reihe neuer Vorschläge versucht die Bundesregierung nun zu liefern: Was so manchen Bürger durchaus aufhorchen lassen dürfte, ist die Idee, einen kostenlosen öffentlichen Nahverkehr anzubieten. Klar ist, dass dies ohne die dafür zuständigen Bundesländer und die Kommunen nicht gehen wird, weshalb die auch ausdrücklich in dem Schreiben aus Berlin an den EU-Umwelt-Kommissar erwähnt sind. Ziel sei es, so heißt es in dem Brief, der dem ARD-Studio Brüssel vorliegt, "die Zahl der privaten Autos zu verringern". Test in fünf deutschen Pilotstädten angedacht Getestet werden sollen die aufgeführten Maßnahmen zunächst in fünf "Pilotstädten": In Bonn, Essen, Herrenberg, Reutlingen und Mannheim. Was erfolgreich ist, soll dann bundesweit auf den Weg gebracht werden. Auch in Aussicht gestellt werden in dem Brief, über den als erstes das Magazin "Politico" berichtet hatte, neue gesetzliche Maßnahmen zum Ausstoß von Schadstoffen bei Bussen und Taxis: "Dies wird eine Initiative für Mietwagen, Car-Sharing-Autos sowie die ganze Bandbreite von Lieferwagen und Kleintransportern einschließen", erklären gemeinsam die Unterzeichner Umweltministerin Hendricks, Verkehrsminister Schmidt und Kanzleramtschef Altmeier. Von Fahrverboten ist in dem Brief zwar nicht die Rede, aber durchaus von sogenannten "Niedrig-Emissions-Zonen" für den Schwerlastverkehr. Außerdem will Berlin mit steuerlichen Vorteilen für Elektro-Fahrzeuge locken. Das neue Paket, so lautet das Versprechen aus Berlin an Brüssel, werde "spätestens bis Ende des Jahres" in Kraft treten. Der Brief soll Brüssel von einer Klage abhalten Die EU-Kommission droht damit, die Bundesregierung zu verklagen, weil Deutschland seit vielen Jahren die gesamteuropäisch vereinbarten Luftreinhaltungs-Werte nicht einhält. Dieser Brief ist der Versuch, Brüssel doch noch umzustimmen. Wie EU-Offizielle bestätigen, traf das Schreiben am Montag in Brüssel ein. Die Kommission will nun die neuen Vorschläge prüfen und bis Mitte März entscheiden, wie sie mit der angedrohten Klage weiter verfahren will - die sie ja nicht nur Deutschland, sondern noch acht weiteren Emissions-Sündern angedroht hatte: "Wir können nun bestätigen, dass alle betroffenen EU-Staaten zusätzliche Informationen geliefert haben. Die werten wir jetzt aus und kommen Mitte März darauf zurück", erklärte Kommissionssprecherin Mina Andreeva. Wir hoffen, dass der vorliegende Plan sowie das ‚Sofortprogramm Luft‘ Beweis sind für unseren Ehrgeiz, Luftverschmutzung wirksam und schnell zu verringern. So schreiben es die drei Unterzeichner. Sollten Deutschland und andere EU-Staaten aber wirklich verklagt und schließlich verurteilt werden, könnte es teuer werden: Die EU-Richter könnten die Bundesrepublik zu täglichen Strafzahlungen verdonnern. Ende Januar war Ministerin Hendricks nach Brüssel einbestellt worden, weil Deutschland wie zahlreiche andere EU-Staaten seit vielen Jahren die Luftreinhaltungs-Ziele nicht einhält: Insgesamt 70 deutsche Städte, musste Hendricks eingestehen, hätten im vergangenen Jahr gegen die - übrigens selbstgesteckten - Stickoxid-Maximalwerte verstoßen. Zu dem Termin war die Ministerin symbolträchtig in Brüssel mit dem Elektroauto vorgefahren. Ob das neue Engagement aus Berlin reicht, um die EU-Kommission zu erweichen, ist offen.
# Junckers Vision für die EU Mehr Bürgernähe, mehr Mitbestimmung - Kommissionschef Juncker hat seine Reformpläne für die EU vorgestellt. Wenn es nach ihm ginge, gäbe es künftig nur noch einen Präsidenten. Europa ist vielen Leuten wichtig. Aber wie die EU-Institutionen arbeiten, verstehen die meisten nicht. Denn es sind viele Behörden mit zum Teil undurchsichtigen Zuständigkeiten, die sich mit komplizierten Themen beschäftigen. Für viele ist Brüssel ein Bürokratiemonster. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker will die EU einfacher machen, sagt er, und damit den Europäern näher bringen: "Ich hätte gerne, dass in einer irgendwie absehbaren Zeit dafür gesorgt wird, dass wir ein Zwei-Kammer-System in Europa haben." Mehr Macht für einen Dieses Zwei-Kammer-System soll aus dem Europaparlament bestehen und einem einzigen Präsidenten, der in Zukunft zugleich die Interessen der Brüsseler Kommission und der EU-Länder vertritt. Derzeit gibt es ja zwei Präsidenten: Donald Tusk für die EU-Länder und Juncker für die Brüsseler Kommission. Diese zwei Posten sollen künftig zu einem einzigen verschmolzen werden. Dieser neue Präsident könnte dann in einer direkten Wahl vom Bürger bestimmt werden, meint Juncker. Dafür spricht: Ein einziger Präsident wäre einfacher zu vermitteln als die derzeitige Doppelspitze. Mehr Macht für die einen, bedeutet aber auch weniger Macht für die anderen. Kritiker sind der Meinung, dass Juncker damit den Kommissionspräsident stärken will, der es oft nicht leicht hat, sich gegen die 28 Staats- und Regierungschefs durchzusetzen. Spitzenkandidaten stärken Und dann gibt es da noch eine Idee, wie die EU dem Bürger näher kommen soll: durch Gesichter, die alle kennen. Bei der nächsten Europawahl im Frühjahr kommenden Jahres sollen die Spitzenkandidaten beibehalten werden. 2014 wurde das zum ersten Mal ausprobiert. Damals stellten die Parteien ihre Topleute ins Rampenlicht - mit der Aussicht, dass ihr Kandidat nach vielen Stimmen bei der Europawahl den Posten des mächtigen Kommissionschefs bekommt. Durch die Spitzenkandidaten sollte die Europawahl persönlicher werden. "Die Menschen sollen wissen, wer Kommissionspräsident wird, wenn sie eine bestimmte Partei zur stärksten Kraft im EU-Parlament machen", sagte Juncker. Sorge um Machtverlust Für die kommende Europawahl im Frühjahr 2019 müssten die Parteien seiner Ansicht nach ihre Kandidaten aber früher aufstellen, als bei der vergangenen Wahl - auf jeden Fall vor Jahresende. Über all diese Vorschläge werden die Staats- und Regierungschefs nächste Woche Freitag in Brüssel beraten. Von den Spitzenkandidaten bei der Europawahl sind nicht alle begeistert. Sie fürchten einen Machtverlust, wenn der Topkandidat der stärksten Partei im Parlament als Kommissionschef gesetzt ist. Außerdem habe das Konzept die Europawahl 2014 nicht belebt. Damals lag die Wahlbeteiligung im europäischen Durchschnitt nur bei rund 43 Prozent. Es sind also wegen der Spitzenkandidaten nicht mehr Leute wählen gegangen. Vielleicht geht es vielen am Ende doch mehr um Inhalte, als um Köpfe.
# "Meine Ambitionen müssen zurückstehen" Der scheidende SPD-Chef Martin Schulz verzichtet auf den Eintritt in eine neue schwarz-rote Bundesregierung und auf den Posten des Außenministers. Seine Erklärung im Wortlaut. "Der von mir gemeinsam mit der SPD-Parteispitze ausverhandelte Koalitionsvertrag sticht dadurch hervor, dass er in sehr vielen Bereichen das Leben der Menschen verbessern kann. Ich habe immer betont, dass - sollten wir in eine Koalition eintreten - wir das nur tun, wenn unsere sozialdemokratischen Forderungen nach Verbesserungen bei Bildung, Pflege, Rente, Arbeit und Steuer Einzug in diesen Vertrag finden. Ich bin stolz sagen zu können, dass das der Fall ist. Insbesondere ist die Neuausrichtung der Europapolitik ein großer Erfolg. Umso mehr ist es für mich von höchster Bedeutung, dass die Mitglieder der SPD beim Mitgliedervotum für diesen Vertrag stimmen, weil sie von dessen Inhalten genauso überzeugt sind, wie ich es bin. Durch die Diskussion um meine Person sehe ich ein erfolgreiches Votum allerdings gefährdet. Daher erkläre ich hiermit meinen Verzicht auf den Eintritt in die Bundesregierung und hoffe gleichzeitig inständig, dass damit die Personaldebatten innerhalb der SPD beendet sind. Wir alle machen Politik für die Menschen in diesem Land. Dazu gehört, dass meine persönlichen Ambitionen hinter den Interessen der Partei zurückstehen müssen."
# "Unsere Antwort wird hart sein" Israels Botschafter Issacharoff wirft dem Iran eine Destabilisierung des Nahen Ostens vor. Israel werde seine Sicherheitsinteressen mit harten Antworten schützen, sagt er im tagesschau.de-Interview. tagesschau.de: Was ist aus Ihrer Sicht der Hauptgrund für die momentane Instabilität im Nahen Osten? Jeremy Issacharoff: Ich denke, eine der wesentlichen Herausforderungen für Sicherheit und Stabilität ist die Fähigkeit der Länder zu regieren und die Kontrolle über ihr eigenes Staatsgebiet aufrecht zu erhalten. Das konnte man in den vergangenen Jahren im Irak, in Syrien und in Libyen beobachten. Und dann gibt es noch Probleme, wie etwa im Libanon, wo es zwar eine souveräne Zentralregierung gibt, aber auch eine sehr massive Präsenz der Hisbollah, die sich auch in Syrien, im Irak oder im Jemen zeigt. Oder schauen Sie auf den Gazastreifen, wo im Grunde eine Terrororganisation herrscht. Ein Hauptproblem für Sicherheit und Stabilität ist also die Tatsache, dass Regierungen die Kontrolle über größere Landesteile verloren haben und vielfach wesentliche nichtstaatliche Akteure die Kontrolle übernehmen, etwa die Hisbollah, der IS und auch ein sehr aggressiver Iran. tagesschau.de: Warum sind die Aktivitäten des Iran in der Region für Israel so ein problematisches Element? Issacharoff: Die Iraner haben sich in Regionen eingemischt, die instabil sind. Ich denke nicht, dass das iranische Engagement in Syrien je darauf abzielte, die Stabilität zu verbessern. Das gleiche gilt für die Einmischung durch Entsendung von schiitischen Milizen und deren Aktivitäten im Irak oder durch die Unterstützung der Houthis im Jemen. Dies alles sind Faktoren, die zur Destabilisierung und nicht zu politischen Lösungen beigetragen haben. Wir beobachten außerdem, dass der Iran Anlagen zur Produktion von Raketen in diese Länder liefert, und das beunruhigt uns sehr. "Kriegsschauplatz ist unwahrscheinlich kompliziert" tagesschau.de: Zu den Akteuren gehören neben dem Iran auch Russland, die Türkei, die Kurden und die USA. Was kann man in einem so komplexen Umfeld tun, um Frieden zu erreichen? Issacharoff: Wir sprechen hier von vielen verschiedenen Konflikten auf sehr kleinem Gebiet. Der syrische Kriegsschauplatz ist heute unwahrscheinlich kompliziert. Ich habe jedenfalls keine Zauberformel, die die Situation zum Besseren verwandeln kann. Aber von einem Punkt sind wir fest überzeugt: Wenn es eine Chance gibt, irgendeine Form von Stabilität in Syrien wiederherzustellen, dann müssen dafür die iranischen Truppen, die schiitischen Milizen und die Hisbollah-Kräfte abgezogen werden. Sollte man ihnen erlauben, ihre Präsenz in der Nähe Israels oder in Gegenden, die für Israels Sicherheitsinteressen wichtig sind, auch noch zu erhöhen, dann überschreitet das unsere roten Linien und unsere Antwort darauf wird sehr hart sein. Anmerkung der Redaktion: zu den jüngsten Luftangriffen auf Ziele in Syrien wollte sich der Botschafter nicht äußern tagesschau.de: Was ist Israels Rolle bei der Lösung der Krise? Issacharoff: Ich denke, es ist wichtig daran zu erinnern, dass sich die Rolle Israels als verlässlicher Partner in der Region in den vergangenen Jahren dramatisch verändert hat. Über die vergangenen Jahre haben Israel und Ägypten ihre Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Bedrohungen für die nationale Sicherheit verbessert - etwa mit Blick auf den Sinai und die Gefahren, die von dort durch den IS drohen. Aber unsere Sicherheitskooperation reicht noch weiter. Etwa in der Frage, wie beide Länder die Lage im Gazastreifen wahrnehmen. Unsere Beziehungen zu Jordanien haben sich ebenfalls weiterentwickelt - vor allem hinsichtlich der Situation in Syrien und der Herausforderungen für unsere jeweiligen Sicherheitsinteressen. Israel engagiert sich grenzüberschreitend für die Zivilisten in Syrien. Wir haben substanzielle medizinische Hilfe für mehrere Tausend Syrer geleistet und stellen humanitäre Hilfe bereit, etwa Stromgeneratoren, Medikamente, Nahrungsmittel, Ausstattung für Kinder und medizinische Behandlung für sie. Wenn man sich also die Gesamtsituation heute vor Augen führt und Regierungsvertreter von Israel, den Golfstaaten oder anderen moderaten arabischen Ländern fragt, wie sie den Iran sehen, dann gibt es deutlich mehr Übereinstimmung als Unstimmigkeit. Meiner Meinung nach wird Israel nicht mehr als Bedrohung für die arabische Welt gesehen, sondern als Partner beim Kampf gegen eine ganze Reihe von Bedrohungen, auf die wir alle reagieren müssen. "Israels Rolle hat sich verändert" tagesschau.de: Wie steht es mit dem Engagement der EU und einer neuen deutschen Regierung? Was sind da ihre Erwartungen? Issacharoff: Wie ich schon sagte: Es ist einfach wichtig zu verstehen, dass sich Israels Rolle in der Region verändert und es nicht mehr nur um die Palästinenser-Frage oder die Siedlungspolitik geht. Ich verharmlose die Bedeutung einer politischen Übereinkunft zwischen uns und den Palästinensern nicht, aber ich denke es ist wesentlich zu verstehen, dass unsere Rolle deutlich wichtiger für die regionale Sicherheit geworden ist. Wenn man zuweilen zu großen Wert auch Fragen legt, die für die Länder in der Region nicht dringlich sind, dann legt man vielleicht weniger Wert auf Faktoren, die gestärkt und unterstützt werden sollten - wie etwa die arabisch-israelische Aussöhnung. Es wird eine Zeit kommen, in der wir hoffentlich auch das Palästinenser-Problem angehen und das werden wir dann auch hinbekommen. Aber der Nahe Osten ist bei weitem zu kompliziert, um ihn auf eine Frage zu reduzieren und diese Frage die Tagesordnung dominieren zu lassen. "Dialog auf beiden Seiten" tagesschau.de: Dennoch ist Europa anscheinend sehr beunruhigt über Israels Palästina-Politik. Kritiker argumentieren, dass die Regierung ihres Landes den Konflikt eher noch anheizt - sie haben die Siedlungspolitik selbst erwähnt. Wie sehen sie das? Issacharoff: Fortschritte bei der Lage der Palästinenser kann man nur durch politischen Dialog zwischen beiden Seiten erreichen - ohne Vorbedingungen. Die Position der EU war ja stets, dass das ein Frage ist, die die beiden Parteien selbst entscheiden müssen. Wenn das so ist, dann würde ich es vorziehen, wenn es keine Vorfestlegungen gäbe. In der deutschen Koalitionsvereinbarung ist beispielsweise davon die Rede, dass die Siedlungen dem Völkerrecht widersprechen. Aus meiner Sicht sind die Siedlungen kein Hindernis für den Frieden. Ein Hindernis für den Frieden ist der Mangel an Gesprächsbereitschaft - vor allem der Palästinenser. Ich war in Israel lange Chef der Strategieabteilung des Außenministeriums und die Europäer kamen immer zu mir und sagten: Wir müssen ihnen die Botschaft übermitteln, wie wichtig die Lösung der Palästinenser-Frage ist. Ich habe dann gesagt, dass ich diese Botschaft schon lange erhalten habe. Aber meine Frage ist: Was ist die Botschaft, die man der palästinensischen Seite sendet, um an den Verhandlungstisch zu kommen? Alle konzentrieren sich immer auf Israel und die Siedlungspolitik - niemand macht Druck auf die Palästinenser, an den Verhandlungstisch zu kommen. Es gab auch Siedlungen im Sinai - die waren kein Hindernis für einen Friedensvertrag mit Ägypten. Meiner Meinung nach ist das mit den Siedlungen eine Ausrede. Wenn man Frieden will, dann muss man zu dem Volk gehen, mit dem man diesen Frieden schließen will. Man schafft keinen Frieden mit Israel bei den Vereinten Nationen in New York oder indem man bei der UNESCO Israels Verbindung zu Jerusalem in Frage stellt oder beim Menschrenrechtsrat im Genf. Die Antwort für die Palästinenser liegt viel näher an Ramallah. "Das Zusammenleben klappt" tagesschau.de: Dabei wäre sicher auch Jerusalem eine Frage. Der US-Präsident hat kürzlich entschieden, die Botschaft seines Landes dorthin zu verlagern und die Stadt auch als israelische Hauptstadt offiziell anzuerkennen. Das hat ihm viel internationale Kritik eingebracht. Können Sie Ihre Gedanken zu Trumps Entscheidung und den Konsequenzen umreißen? Issacharoff: Da kommt mir zuerst in den Sinn, dass er in der Erklärung nur anerkannt hat, was ohnehin Realität ist, nämlich, dass Jerusalem der Sitz der israelischen Regierung seit 1948 ist. Zweitens: Der Präsident hat auch gesagt, dass dies keine Vorfestlegung darstellt für mögliche Verhandlungen beider Seiten über alle Fragen des Palästinenser-Konfliktes, vermutlich einschließlich Jerusalem. Nun, der Premierminister von Israel hat klar gemacht, dass in jedwedem Abkommen mit den Palästinensern Jerusalem Israels Hauptstadt bleiben wird. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendein Israeli etwas anderes akzeptieren würde. Aber am Ende kommt es auf die Menschen an, die ihr Leben dort leben und das weiter tun wollen. In Jerusalem kann man jedenfalls jeden Tag erleben, wie reibungslos Zusammenleben klappt. tagesschau.de: Ich würde gerne noch ein anderes Thema ansprechen: Die deutsch-israelischen Beziehungen. Sollte die militärische Kooperation zwischen der israelischen Armee und der Bundeswehr weiterentwickelt werden? Ich ziele da auf Waffenexporte und die geplante Beschaffung von israelischen Kampfdrohnen durch Deutschland. Issacharoff: Erst vor ein paar Tagen hatte ich das Vergnügen, mit Generalinspekteur Wieker zu sprechen. Ich denke, es gibt einen enormes Potenzial für Zusammenarbeit. Beispielsweise gehörte zu meinen ersten Amtshandlungen die Unterzeichnung eines Abkommens über die Lieferung von drei weiteren deutschen U-Booten. Wir dagegen können Drohnen bieten. Für mich ist es spannend, dass es hier zwei Länder gibt, die zusammenarbeiten, um sich mit Fähigkeiten zu ergänzen, die jeder einzelne entwickelt hat. In der Koalitionsvereinbarung ist die Heron TP-Drohne erwähnt und damit verbinde ich eine große Bedeutung, nicht nur bezüglich der Verbesserung unserer Kooperation, sondern auch bei der Entwicklung einer Partnerschaft auf Augenhöhe. Wir haben bereits gemeinsame Luftwaffen-Manöver, und die Arbeit mit den U-Booten beinhaltet einen intensiven Austausch zwischen der deutschen und der israelischen Marine. Außerdem gibt es eine enge Zusammenarbeit der Geheimdienste, die zur Sicherheit der Menschen in unser beider Länder beigetragen hat. Das Interview führte Christian Thiels für tagesschau.de.
# Ruhestand im Dienst der Kirche Es war ein historischer Paukenschlag: Vor fünf Jahren kündigte Benedikt XVI. seinen Rücktritt als Papst an - und eröffnete damit seiner Kirche neue Möglichkeiten. Der 11. Februar 2013 war Rosenmontag - doch nach Karneval war im Vatikan niemandem zumute. Dabei hatte der Tag für die Kardinäle an der Kurie halbwegs normal begonnen: Papst Benedikt XVI. hatte sie zur Versammlung, zum so genannten Konsistorium, eingeladen, um ein paar Heiligsprechungen anzukündigen. Doch dann wechselte er die Sprache und sagte in sehr förmlichem Latein, dass es da noch eine Sache gebe: Dass seine Kräfte nicht mehr ausreichten, um das Papstamt so auszuüben, wie es nötig sei, er folglich sein Amt am 28. Februar um 20.00 Uhr niederlegen werde und die Kardinäle dann seinen Nachfolger zu wählen hätten. "Völlige Überraschung" "Also man war schon so ein bisschen irritiert natürlich", erinnert sich der Schweizer Kardinal Kurt Koch. "Der Papst hat ja dann seine Erklärung lateinisch gesprochen. Meine Überlegung war dann einfach: Hoffentlich ist mein Latein so schlecht, dass ich das falsch verstanden habe. Es war eine völlige Überraschung." Er habe zwar immer damit gerechnet, dass, sollte ein Papst den Rücktritt erklären, es Papst Benedikt sein werde - "aber ganz sicher nicht zu diesem Zeitpunkt". Koch, der an der römischen Kurie den Rat zur Förderung der Einheit der Christen leitet, also so eine Art Ökumene-Minister ist, war damals dabei. Und wie so viele im Konsistorium, wie auch viele Journalisten dauerte es bei ihm eine Weile, bis der Groschen fiel. Erst als Kardinaldekan Angelo Sodano das Wort ergriff, wurde allen klar: Papst Benedikt hatte seinen Rücktritt angekündigt! Entscheidung nach schweren Monaten Erst im Nachhinein sahen viele die Anzeichen, so auch Kardinal Walter Kasper, der Benedikt im Konklave 2005 noch mitgewählt hatte. "Ich weiß auch, dass er das lange mit sich herumgetragen, lange überlegt hat", sagt Kasper. "Ich habe dennoch von vornherein gesagt, dass es erstens eine mutige Entscheidung ist - und zweitens aber auch eine demütige Entscheidung." Es zeige menschliche Größe, in der Einsicht auf sein Amt zu verzichten in der Einsicht, nicht mehr in der Lage zu sein, dieses sehr stressige Amt auszuüben. Seitdem wurde immer wieder über die Gründe für den Rücktritt spekuliert. Benedikt XVI. hatte schwere Monate hinter sich. Sein Kammerdiener hatte Dokumente gestohlen, an die Öffentlichkeit gebracht und damit den so genannten Vatileaks-Skandal ausgelöst. Die Skandale um die Vatikanbank IOR erschütterten die Katholische Kirche und an der Kurie machten Gerüchte von ominösen Seilschaften die Runde. Natürlich habe Benedikt auch erfahren, dass er sich in diesem Zustand in vieler Hinsicht nicht mehr voll habe durchsetzen können, glaubt Kardinal Kasper. "Wenn man physisch nicht mehr die Kraft hat, hat man sie auch sozusagen moralisch nicht mehr. Das weiß jeder von uns, wenn man mal eine Grippe hat, dass man nicht mehr voll handlungsfähig ist." Neue Option für künftige Päpste Der Rücktritt von Benedikt XVI. habe eine Tür aufgestoßen, sagte sein Nachfolger Franziskus einmal. Und so könnte es sein, dass dieser Tag, an dem Geschichte geschrieben wurde, kein Einzelfall bleibt, glaubt auch Kardinal Koch. "Er ist insofern sehr historisch, weil er gezeigt hat, was möglich ist", sagt Koch. Natürlich hat man gewusst, es hat mal einen Papst gegeben, der auch den Rücktritt erklärt hat, aber man ist eigentlich davon ausgegangen, ein Papst bleibt im Amt bis er stirbt." Papst Benedikt habe nun einen neuen Schritt gezeigt, und damit werde es für künftige Päpste leichter sein, einen solchen Schritt auch zu vollziehen - "was aber nicht auch heißt, dass jetzt in logischer Konsequenz jeder Papst zurücktreten soll". Mit einem Rücktritt von Papst Franziskus ist deshalb auch so bald nicht zu rechnen, denn zwei emeritierte Päpste gleichzeitig mag sich an der römischen Kurie niemand vorstellen. Zurückgezogen, aber nicht allein Der Papst emeritus, Benedikt XVI. lebt seit 2013 in einem Kloster hinter den vatikanischen Mauern. "Auch wenn ich mich nun ins Gebet zurückziehe, bin ich Euch allen immer nahe, so wie ich mir sicher bin, dass Ihr mir nahe seid. Auch wenn ich für die Welt verborgen bin", kündigte er damals an. Aber so ganz verborgen lebt Benedikt nicht, bestätigt auch Kardinal Koch. Es sei ein zurückgezogenes Leben im Kloster, Benedikt widme dem Gebet viel Zeit. "Er hat aber auch immer wieder Besuche und eine große Korrespondenz. Ich glaube der größte Teil seiner Arbeit, die er heute vollzieht, ist, dass er Briefe schreibt und viel liest." Man könne ihm keine größere Freude machen, als wenn man ihm ein neues Buch bringt. Gutes Verhältnis zu Franziskus Immer wieder hat Papst Franziskus ihn eingeladen, immer wieder sind beide gemeinsam öffentlich aufgetreten. Und hin und wieder äußert er sich auch. Gerade erst hat er der Zeitung Corriere della Sera einen kurzen Brief geschrieben über die Zeit, die ihm noch bleibt. "Ich bin auf der Pilgerreise nach Hause", heißt es da. Am Rosenmontag 2013 jedenfalls hat Papst Benedikt den Weg frei gemacht. Auch für die überraschenden neuen Töne seines Nachfolgers. Darüber welchen Dienst Papst Benedikt XVI. seiner Kirche damit getan hat, wird die Geschichte urteilen.
# Syrien schießt israelischen Kampfjet ab Bei Luftangriffen auf Militärstellungen in Syrien ist ein Kampfjet Israels abgeschossen worden. Zuvor war eine iranische Drohne, die von Syrien gesteuert wurde, offenbar in den israelischen Luftraum eingedrungen. Ein israelisches Kampfflugzeug ist bei einem Einsatz in Syrien unter Beschuss geraten und anschließend in Israel abgestürzt. Der F16-Kampfjet habe "iranische Ziele" in Syrien angegriffen, teilte das israelische Militär mit. Das Flugzeug sei dann unter "massiven Beschuss" der syrischen Flugabwehr geraten. Nach Angaben der Polizei stützte der Kampfjet danach in der Jesreel-Ebene im Norden Israels ab. Die beiden Piloten konnten sich mit dem Schleudersitz retten. Einer von ihnen wurde schwer verletzt, der andere leicht. Drohnenangriff aus Syrien Grund für den Einsatz war laut Militär eine iranische Drohne, die zuvor versucht haben soll, in israelischen Luftraum einzudringen. Ein israelischer Hubschrauber hatte den Angaben zufolge das Fluggerät abgeschossen. Die israelische Luftwaffe flog daraufhin einen Vergeltungsangriff auf das iranische Kontrollzentrum in Syrien, von dem aus die Drohne gestartet und gesteuert worden sei. Bei dem Angriff seien Angehörige der syrischen Armee getötet oder verletzt worden, hieß es aus regierungsnahen syrischen Kreisen. Weitere Angriffswelle Später kam es syrischen Staatsmedien zufolge zu weiteren israelischen Luftangriffen auf das Umland der Hauptstadt Damaskus. Das israelische Militär erklärte, Kampfflugzeuge hätten insgesamt zwölf Ziele getroffen, darunter drei Flugabwehrbatterien und vier iranische Ziele, die zur iranischen Präsenz in Syrien zählten. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in Großbritannien erklärte, Israel habe Ziele in der Mitte Syriens und in den südwestlichen Vororten der Hauptstadt Damaskus angegriffen. Syrien erklärte, seine Flugabwehr habe auf eine "neue Aggression" reagiert. Das staatliche Fernsehen zitierte einen Militärsprecher mit den Worten, die Flugabwehr habe mehr als ein israelisches Flugzeug getroffen. Das dementierte Israel jedoch umgehend. Häufige Angriffe Immer wieder greift Israel Stellungen in Syrien an, zuletzt vor wenigen Tagen. Dabei wurde eine Militäreinrichtung in der Nähe von Damaskus attackiert. Bei dem Ziel des Angriffs soll es sich um ein Forschungszentrum handeln. Berichten zufolge sollen hier Chemiewaffen hergestellt worden sein - zuvor hatte es Berichte über einen Giftgasangriff von Assad-Truppen gegeben. Zudem sind dort offenbar Eliteeinheiten der syrischen Armee stationiert. Die israelischen Angriffe gelten aber oft auch Waffenlieferungen an die Hisbollah-Miliz aus dem Libanon, die mit Israel verfeindet ist und auch im Syrien-Krieg agiert. Auch der Iran unterstützt die Truppen von Machthaber Assad.
# "Die SPD implodiert" Trotz guter GroKo-Verhandlungen kommt die SPD nicht zur Ruhe. Personalquerelen und falsche programmatische Akzente führten zu einer Implosion der Partei, meint der niederländische Politologe René Cuperus. tagesschau.de: Die SPD befindet sich seit Monaten im Tief. Nicht nur die Umfragewerte liegen im Keller. Jetzt zerfleischen sie sich auch noch mit Personaldebatten. Was ist da los? René Cuperus: Die SPD scheint im Moment mehr Wert auf innerparteiliche Kämpfe zu legen als darauf, dass die Partei sich stabilisiert. Sie kann sich diese Personaldebatten aber überhaupt nicht leisten. Die Partei ist jetzt führungslos und das in einer Situation, in der sie eigentlich eine starke Führung braucht, die bei der Basis für den Koalitionsvertrag und für ein Ja im Mitgliedervotum wirbt. Ich halte das für sehr gefährlich und das Verhalten für unseriös, wenn man bedenkt, wie wichtig diese Regierungsbildung für Deutschland und auch für Europa ist. Dieser innerparteiliche Kampf befördert die Implosion der SPD, die gerade stattfindet. tagesschau.de: Ist es nicht gerade in der jetzigen Situation sinnvoll, dass Andrea Nahles sofort - zumindest kommissarisch - das Amt der Parteivorsitzenden übernimmt? Cuperus: Ich glaube schon, dass es Andrea Nahles jetzt braucht, um dieses Führungsvakuum zu überbrücken. Die Frage ist, ob es gelingt, denn sie ist durch die Personalquerelen ebenfalls angeschlagen. Ich verstehe aber auch die SPD-Basis und finde die Forderung nach einer Urwahl richtig. In der jetzigen Situation halte ich dieses Verhalten aber für sehr naiv. Sie verstehen nicht die gefährliche Lage der SPD - und des Landes vor dem Mitgliedervotum. Denn die Implosion der SPD bedeutet ein Erstarken der AfD. Europäischer Niedergang der Sozialdemokratie tagesschau.de: Seit Jahren verharrt die SPD um die 20 Prozent - mit kurzer Ausnahme nach der Schulz-Ernennung. Inzwischen ist sie sogar auf 18 Prozent gesunken. Was läuft da schief? Cuperus: Was der SPD gerade passiert, ist bereits in ganz Europa passiert, Deutschland ist einfach nur etwas später dran. Zu beobachten ist ein starkes Auseinandertreiben und eine Fragmentarisierung der Gesellschaft. Zudem geht es um den Verlust von Kontrolle, Vertrauen in die Politik und Identität in einer globalisierten Welt. Und die Welle des Populismus, die zuvor schon Holland, Österreich, Frankreich, Belgien, Dänemark und Schweden erfasst hat, ist jetzt auch nach Deutschland gekommen. Man dachte lange Zeit, die deutsche Gesellschaft sei immun dagegen wegen der deutschen Vergangenheit - aber das ist nicht der Fall. Und bei dieser Entwicklung verlieren die Sozialdemokratie und die Nachkriegs-Volksparteien im Allgemeinen in ganz Europa an Boden. tagesschau.de: Welche Fehler hat die SPD dabei gemacht? Cuperus: Die SPD macht vor allem zwei Dinge falsch: Sie hat einen Mangel an Selbstvertrauen und sie ist komplett gespalten. Und beides mögen die Wähler nicht. Zu beobachten ist eine zerrissene Partei, die sich weder zutraut in die Regierung noch in die Opposition zu gehen. Hinzu kommt noch immer das riesige programmatische Glaubwürdigkeitsproblem seit Gerhard Schröder und der Agenda 2010. Da ist eine offene Wunde geblieben: die soziale Gerechtigkeitslücke. "Macron-Moment der deutschen Politik" tagesschau.de: Während der Regierungsbildung hatte man das Gefühl, die SPD kann es gar nicht richtig machen. Geht sie wieder in eine Große Koalition, verliert sie. Stiehlt sie sich aus der Verantwortung, verliert sie auch. Was hätten Sie geraten? Cuperus: Es gibt derzeit keine Alternative zum Regieren. Deutschland braucht eine stabile Regierung, vor allem wegen seiner internationalen und europäischen Verantwortung. Diese Große Koalition von Union und SPD - die fast letzten noch mächtigen Volksparteien Europas - könnte die letzte Chance sein, um den Mainstream offensiv gegen das Gespenst des Rechtspopulismus zu verteidigen. Die deutschen Politiker sollten diese Verantwortung ernst nehmen, und nicht diesen 'Macron-Moment der deutschen Politik' verpassen. Die Gefahr der SPD ist allerdings, dass sie durch eine erneute GroKo zwar das Land rettet, aber die Partei zerstört. Wobei sie während der GroKo-Verhandlungen auch große Fehler gemacht hat: Warum haben sie als zwei ihrer Hauptthemen die Vereinten Nationen von Europa und den Familiennachzug gewählt? Das sind nicht die Themen, mit denen man das Vertrauen der Stammwähler zurückgewinnt. tagesschau.de: Welche Themen hätte die SPD nach vorne stellen sollen? Cuperus: Die Einkommens- und Bildungs-Spaltung der Gesellschaft zum Beispiel. Das Thema Soziale Gerechtigkeit war zwar gut gewählt, aber die Partei hat es nicht gut rübergebracht: Man hat eine etwas technokratische Liste von 60 Punkten zusammengestellt, anstatt einige Symbolprojekte herauszugreifen. Die Bürgerversicherung wäre zwar ein solches Projekt gewesen, aber das hat man nicht durchgesetzt. Stattdessen hat man sich internationale Themen ausgesucht. Da geht es zwar auch um soziale Gerechtigkeit, aber nicht für die Stammwähler, sondern für Flüchtlinge oder für andere europäische Länder. Das ist eine sehr riskante Wahl in einer Situation, in der es einen populistischen Zeitgeist gibt. "Anwalt der kleinen Leute bleiben" tagesschau.de: Die Rechtspopulisten sind für den Niedergang der Sozialdemokratie verantwortlich? Cuperus: Wo man hinschaut, wird Europa überfallen von Rechtspopulisten. Da muss die Sozialdemokratie der Anwalt der kleinen Leute sein und bleiben. Das ist bereits in Frankreich und den  Niederlanden schief gelaufen. Und das steht jetzt auch in Deutschland auf dem Spiel: Die AfD ist dabei, der SPD diesen Rang abzulaufen. So wie es eine historische Pflicht der Union ist, keine Kraft rechts von sich zuzulassen, ist es ebenso die historische Pflicht der SPD, keine Partei zuzulassen, die die Interessen der kleinen Leute scheinbar besser vertritt als sie selbst. tagesschau.de: Wie könnte das gelingen? Cuperus: Was die Menschen wirklich wollen, ist gar nicht unbedingt soziale Gerechtigkeit, sondern soziale Sicherheit. So wie die Union traditionell der Garant für innere Sicherheit war, muss die SPD der Garant für soziale Sicherheit sein. Wir sehen, dass auch die Union an Zustimmung verliert, weil sie genau diesen Markenkern mit ihrer Flüchtlingspolitik aufs Spiel gesetzt hat. Und die SPD hat analog dazu das Problem, der unteren Mittelschicht eine soziale Sicherheit zu garantieren in einer globalisierten und digitalisierten Welt, in der alles immer unübersichtlicher wird. tagesschau.de: Ihre eigene Partei, die niederländische Arbeiterpartei ist 2017 nach einer Regierungsbeteiligung als Juniorpartner einer Großen Koalition von 26 auf sechs Prozent abgestürzt. Sehen Sie Parallelen zu Deutschland? Cuperus: Meine Partei wurde bei der letzten Wahl fast zerstört. Das war zwar ebenfalls die Konsequenz einer Großen Koalition, die den Unterschied zwischen rechts und links in der Politik verblassen lässt und damit Populismus an den Flanken produziert. Aber hinzu kam auch noch eine harte Austeritätspolitik. Es war quasi eine GroKo kombiniert mit Hartz IV. Wir haben in den Augen der Wähler also nicht nur mit dem politischen Gegner kollaboriert, sondern auch noch eine Politik gemacht, die sie nicht als sozialdemokratisch wahrnahmen. Das wurde brutal abgestraft. In Deutschland haben wir die gegenteilige Situation: Deutschland geht es wirtschaftlich so gut wie nie zuvor, die Steuereinnahmen sprudeln, die neue GroKo plant Geldgeschenke und Steuererleichterungen und dennoch ist sie so unpopulär. Es ist erstaunlich, dass man mit so viel Geld nicht mehr Vertrauen und Unterstützung und politische Glaubwürdigkeit erkaufen kann. "Aufstand im Paradies" tagesschau.de: Wie erklären Sie sich das? Cuperus: Ich sehe das analog zum Erstarken der Rechtspopulisten. Die sind nicht nur in Osteuropa, sondern ausgerechnet auch in den reichsten, glücklichsten, egalitärsten Gesellschaften der Welt besonders groß: in der Schweiz, in Schweden, in Dänemark, in Österreich, in Finnland, in Holland, in Flandern. Ich nenne das "Aufstand im Paradies". Es ist weniger ein sozio-ökonomisches, sondern ein kulturelles und psychologisches Phänomen. Man lebt gerade im Paradies und sieht dieses Paradies bedroht von der Globalisierung, der Migration, der Digitalisierung, der Flexibilisierung des Arbeitsmarktes. Die Eliten, so die Annahme, schützen dieses Paradies nicht genügend und am meisten fühlt man sich verraten von den Sozialdemokraten, die keine soziale Sicherheit und kulturelle Kontinuität mehr gewährleisten. tagesschau.de: Und nun? Cuperus: Die SPD muss Experimente wagen, nicht nur programmatisch, sondern auch personell. Sie muss zeigen, dass sie eine moderne, dynamische Volkspartei sein will, indem sie mehr neue Leute nach vorne stellt, vor allem junge Leute, Ostdeutsche und Migranten. Die Botschaft muss sein: Wir sind und bleiben die Partei alter Arbeiter und Gewerkschaftsleute, aber wir sind auch die Partei der Zukunft. Nur so kann man selbst in einer neuen Großen Koalition einen symbolischen Neustart  machen. Man spürt den Ruf in Deutschland nach einem Generationswechsel, nach einem neuen Politikstil. Sehen Sie nach Frankreich zu Macron oder nach Österreich zu Sebastian Kurz. Das sind junge, charismatische Politiker. Die braucht man in diesen Zeiten von Verunsicherung. Deutschland hat altmodische Politiker in der ersten Reihe. Die SPD hätte versuchen sollen, das zu ändern. Ministerposten zur Machtsicherung ohne ein identitätsstiftendes Programm und Überzeugungskraft sind nicht genug. Das Interview führte Sandra Stalinski, tagesschau.de.
# Präsident Zuma abberufen Der ANC hat Präsident Jacob Zuma abberufen. Das hat die südafrikanische Regierungspartei in Johannesburg bestätigt. Allerdings weiß niemand, wie es nun weitergeht. Zuma bleibt vorerst im Amt. Kurz und knapp hat ANC-Generalsekretär Ace Magashule bestätigt, was seit Tagen erwartet wurde: Präsident Jacob Zuma wird von seinem Amt abberufen. Das habe das nationale Exekutivkomitee, das höchste Gremium der Partei, beschlossen. Nun erwartet die Partei seinen Rücktritt. Das Amt des Präsidenten soll der bisherige Vize-Präsident Cyril Ramaphosa übernehmen. Diese Entscheidung sei Zuma am Vormittag persönlich mitgeteilt worden. Allerdings weiß niemand, wie es nun weitergeht. Der ANC setzte Zuma keine Frist. Misstrauensvotum vorbereitet Bislang verweigerte Zuma seinen Rücktritt. Sollte er das weiterhin tun, müsste sein politisches Ende bei einem Misstrauensvotum im Parlament besiegelt werden. Dieses Prozedere ist in der Partei dem Generalsekretär zufolge aber nicht diskutiert worden. "Ich weiß nicht, was jetzt passieren wird", sagte Magashule. "Aber wir sollten es dem Präsidenten überlassen." Die Opposition beraumte ein Misstrauensvotum gegen Zuma für den 22. Februar an, möchte diesen Termin jetzt aber vorziehen. Das Nationale Exekutivkomitee hatte 13 Stunden lang getagt - bis heute Morgen um drei Uhr. Währenddessen waren Vize-Präsident Ramaphosa und Generalsekretär Magashule zu Zuma gefahren, um ihn von einem freiwilligen Rücktritt zu überzeugen. "Im Prinzip zum Rücktritt bereit" Zuma sei im Prinzip zum Rücktritt bereit, habe sich aber eine Übergangsfrist von drei bis sechs Monaten ausbedungen, erklärte Magashule. Aus ANC-Kreisen hieß es außerdem, er habe Straffreiheit für einen Rücktritt gefordert. Das wiederum hat die Partei abgelehnt. Zuma ist wegen Korruptionsvorwürfen und Amtsmissbrauchs sowohl bei seiner Partei als auch in der Bevölkerung unpopulär geworden. Der 75-Jährige ist seit 2009 im Amt. Zuma hat bereits mehrere Misstrauensvoten im Parlament überstanden. Im Frühjahr 2019 stehen in Südafrika Wahlen an. Mit Informationen von Jan-Philippe Schlüter
# Infokrieg mit allen Mitteln Die Online-Attacken organisieren sie mit militärischer Sprache und Präzision: Rechte Aktivisten, die im Netz Politiker und Medien angreifen. Ein Ziel ist derzeit ein Film der ARD. "Mittwoch - 20 Uhr in der Haupthalle erscheinen!!" - so lautet der virtuelle Befehl von "Lui Tagel". Adressiert hat der "Offizier der Heeresgruppe Ost" diese Anweisung im Internet über die Chat-Plattform Discord an die Mitglieder der Gruppe Reconquista Germanica. Hier sind Hunderte Netzaktivisten unterwegs - streng sortiert nach Hierarchien: Oberbefehlshaber, Generäle, Offiziere, Gefreite und Rekruten. In einem Organigramm werden zudem die rechtsextremen Identitären und die AfD-Organisation "Junge Alternative" als Teil von Reconquista Germanica aufgeführt. Bekannte Identitäre treten in dem Netzwerk auf und verlinken von ihren Seiten darauf. Reconquista Germanica ist eine virtuelle Trollfabrik, die bereits im Wahlkampf die AfD unterstützte. Sich selbst bezeichnet RG als satirisches Projekt von Gamern. Tatsächlich koordinieren Rechtsradikale hier gezielte Online-Attacken. Im "Nachrichtenzentrum" sammeln sie Presseberichte. In einer anderen Untergruppe produzieren sie täglich Dutzende von sogenannten Memes; manipulierte Fotos oder kurze Bildsequenzen, die über die sozialen Netzwerke ausgespielt werden, um Stimmung zu machen. Zumeist richten sich die Memes gegen Angela Merkel, Flüchtlinge oder etablierte Medien. Über die Gruppe "Tagesbefehl" geben die Rangoberen Order, wann und wo die Mitglieder mit ihren möglichst vielen Fake-Profilen aktiv werden sollen. Dabei werden nicht nur Gegner attackiert, sondern auch gezielt Bewertungen manipuliert: So sollte in dieser Woche beispielsweise der neue Videoblog eines "Identitären" auf YouTube mit möglichst vielen positiven Rückmeldungen bewertet werden, um Relevanz und Zustimmung zu simulieren. Im "Unterstützungszentrum" wird zudem dazu aufgerufen, ein neues Video von Donald Trump zu verbreiten, um damit "Linke zu triggern". Attacke auf Böhmermann geplant Anfang Februar lautete der Tagesbefehl in dem Netzwerk, auf Twitter Jan Böhmermann zu attackieren. Doch der Satiriker wurde gewarnt, so dass er der organisierten Online-Attacke mit einem eigenen Tweet zuvorkommen konnte. https://twitter.com/janboehm/status/959046015457398792 Handbuch für "Medienguerillas" Böhmermann wurde auch in einem "Handbuch für Medienguerillas" erwähnt. Darin beschreiben rechte Aktivisten detailliert, wie man im Netz vorgehen sollte: Folge/ Like die Accounts (bzw infiltriere Foren) von allen Parteien, insbesondere den Grünen, bekannten Feministinnen, Regierungslakaien wie Till Schweiger oder Böhmermann und sämtlicher Propaganda-Regierungspresse, wie ARD, ZDF, Spiegel und dem Rest der Fake-News-Mischpoke. Und selbstverständlich den Zensur-Schreibtischtätern Correctiv und Amadeu-Antonio-Stiftung. Und sobald Du siehst, dass Sie wieder ihre Lügen und ihr Gift in die Welt verspritzen, sag ihnen die Meinung, verwickel sie in Diskussionen, markiere ihre Lügen als #fakenews und trolle den Fick aus ihnen heraus. Durch Fake-Accounts sollen die Gegner der Rechtsradikalen gedemütigt werden. Vor allem "junge Frauen, die direkt von der Uni kommen" seien "klassische Opfer", heißt es in dem Handbuch. Um inhaltliche Diskussion geht es den "Medienguerillas" nicht, sondern ausschließlich um die Wirkung: Du willst bei Diskussionen im Internet nicht Deinen Gegner überzeugen, das sind eh meist verbohrte Idioten. Es geht um das Publikum. Und es geht hier nicht darum wer Recht hat, sondern wer vom Publikum Recht erhält. Sollte man an jemand geraten, der diskutieren könne und sich durch bestimmte Strategien nicht vorführen lasse, gebe es nur noch eins, schreiben die rechten Netzaktivisten: Beleidigen. Und da ziehe jedes Register. Lass nichts aus. Schwacher Punkt ist oftmals die Familie. Habe immer ein Repertoire an Beleidigungen, die Du auf den jeweiligen Gegner anpassen kannst. Die Mitglieder von Reconquista Germanica setzen exakt das um, was in dem Handbuch als "memetische Kriegsführung" beschrieben wird: Fotos von politischen Gegner stehlen und manipulieren; möglichst viele gefälschte Profile pflegen - und Kampagnen mit Gleichgesinnten koordinieren. Rechte sollen sich als Syrer ausgeben Doch die Strategie der rechten Medienaktivisten ist riskant: Sie wollen eine schlagkräftige Troll-Armee aufbauen - und müssen daher möglichst viele Mitstreiter rekrutieren, die auch untereinander oft anonym bleiben. Und so fließen Informationen aus dem Führungskreis der Recoquista Germanica regelmäßig nach außen. Auf Twitter berichtete beispielsweise Alt-Right-Leaks über Interna und veröffentliche Mitschnitte von RG-Chats. In diesen Chats wurde beispielsweise empfohlen, in sozialen Netzwerken falsche Profile von angeblichen Flüchtlingen anzulegen, die behaupten sollten, in Syrien herrsche kein Krieg. https://twitter.com/AltRightLeak/status/960628367690272770 Zu dieser Strategie passen auch Twitter-Profile von angeblichen Deutsch-Juden, die im November 2017 zeitgleich auftauchten und zahlreiche Tweets von "Identitären" und AfD-Politikern teilten. Weitere mutmaßliche Fake-Profile, genannt Sockenpuppen, lassen sich auf Twitter im Umfeld der Aktivisten von Reconquista Germanica Dutzendfach finden. Attacke auf ARD-Film geplant Zuletzt riefen die rechten Medienaktivisten dazu auf, die Diskussion über den ARD-Film "Aufbruch ins Ungewisse" in den sozialen Netzwerken massenhaft und gezielt zu beeinflussen. In dem fiktiven Spielfilm wird das Szenario eines von rechtsextremen Diktaturen dominierten Europas entworfen, aus dem Dissidenten nach Afrika flüchten müssen. Und bereits vor der Ausstrahlung am Mittwochabend kursieren auf Twitter Memes zu dem Film, die von Profilen aus dem Netzwerk von Reconquista Germanica geteilt werden. Server mehrfach gelöscht Doch die organisierte Attacke ist ins Stocken geraten. Denn der Anbieter Discord, auf dem Reconquista Germanica sein Netzwerk aufgebaut hat, will offenkundig keine Nutzer, die eine Trollfabrik betreiben. Und so wurde der RG-Server in den vergangenen Tagen mehrfach gelöscht. Die rechten Medienaktivisten riefen daher zunächst den "Fall Grün, dann den "Fall Blau" und nun den "Fall Gelb" aus - alles Begriffe, die die Wehrmacht für Invasionen im Zweiten Weltkrieg verwendet hatte. Bei Reconquista Germanica werden diese nun als Codewörter für den Umzug auf einen neuen Server benutzt - genannt "Ausweichlager". Solche Umzüge kosten aber Zeit und Ressourcen, außerdem gehen Mitglieder verloren. Daher diskutieren die rechten Medienaktivisten nun über andere Anbieter in Rumänien oder Russland. Und sie wollen das Netzwerk von Reconquista Germanica möglicherweise komplett abschotten. Die Strategien ändern sich also, doch der Infokrieg im Netz geht weiter - mit allen Mitteln.
# Sicherheit ohne Garantie? Die gesetzliche Rente wird in Zukunft nicht mehr reichen, um den Lebensstandard im Alter zu halten - das ist die klare Ansage der Politik. Betriebsrenten sollen Abhilfe schaffen. Heute ist eine Reform in Kraft getreten, die auch kleinen Firmen erleichtert, diese anzubieten. In der Reform steckt etwas komplett Neues: die sogenannte Zielrente, bei der keine feste Rentenzahlung im Alter mehr garantiert wird. Solche Betriebsrentenmodelle sind in Zukunft möglich, wenn sich Arbeitgeber und Gewerkschaften darauf einigen und es per Tarifvertrag regeln. Anderswo in Europa hat man schon Erfahrung damit. Und: Es funktioniere, sagt Klaus Stiefermann, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung: "Ein Blick in die Niederlande, die schon länger mit solchen kollektiven Beitragszusagen arbeiten, zeigen eben, welche Erfolge damit erzielt werden können." Die Masse gibt Sicherheit - hoffentlich Die Idee hinter der Zielrente: Ohne Garantien kann das Geld risikoreicher angelegt werden - in Zeiten von Nullzinsen wohl die einzige Chance, überhaupt etwas Nennenswertes zu erwirtschaften. Sicherheit soll die Masse bringen. Wenn möglichst viele Beschäftigte bei der Zielrente mitmachen, sinkt das Risiko, so hofft die Politik. Zielrenten sollen deshalb gleich für ganze Branchen vereinbart werden.  "Das führt dazu, dass Sie Risiken dann eben auch teilen können - zwischen jungen Arbeitnehmern und älteren Arbeitnehmern, bis hin auch zu den Rentnern", erklärt Stiefermann. "Und Sie können die Kapitalanlagen dann eben so gestalten, dass Sie tatsächlich eine sehr, sehr hohe Sicherheit haben, weil der Gesetzgeber auch vorsieht: Es müssen Puffer eingebaut werden." Noch viel Überzeugungsarbeit notwendig Trotz allem: In Deutschland ist man verliebt in Sicherheit und Garantien. Eine Betriebsrente ohne feste Zusage fürs Alter werde man den Deutschen erst noch schmackhaft machen müssen, räumt auch Stiefermann ein: "Es bedarf eines gewissen Überzeugungsprozesses. Und deshalb ist eben auch nicht zu erwarten, dass wir mit dem Jahreswechsel gleich erste solcher Modelle haben werden." Der Staat will mit der Reform auch erreichen, dass Geringverdiener öfter Betriebsrentenverträge abschließen. Dafür werden unter anderem steuerliche Anreize für die Arbeitgeber eingeführt. Die Reform gilt nicht nur für neue Verträge. Sie kann auch interessant sein für Arbeitnehmer, die schon heute auf eine Betriebsrente hin sparen. So können Arbeitnehmer mehr Geld als bisher steuerfrei einzahlen. "Das ist eine interessante Möglichkeit, auch jetzt schon aufzustocken und mehr zu tun - staatlich gefördert", meint Stiefermann. Einige Verbraucherschützer sehen die Reform nicht als den großen Wurf an. Linke und Grüne kritisieren sie sogar heftig. Klaus Stiefermann ist nicht so skeptisch. Er erwartet durchaus, dass es mehr Betriebsrentenangebote geben wird. Schnelle Veränderungen seien allerdings nicht zu erwarten, so Stiefermann: "Man muss sehen: In der betrieblichen Altersversorgung denken wir ja immer in sehr langen Zeiträumen. Wir haben es zu tun mit Ansparphasen über 30, 40, 50 Jahren, Auszahlphasen von zehn, 20, 30 Jahren. Insofern kann man eben nicht davon ausgehen, dass sich hier bei diesem System ad hoc etwas ändert."
# Milliardenstrafe wegen Apple-Deal Qualcomm hat Apple Milliarden gezahlt, damit die Firma nicht bei der Konkurrenz kauft. Deshalb brummte die EU-Kommission Qualcomm nun eine Milliardenstrafe auf. Der weltgrößte Chipbauer kündigte Berufung an. Die EU-Kommission hat den Chiphersteller Qualcomm zu einer Strafe von rund einer Milliarde Euro verdonnert. Das US-Unternehmen habe illegalerweise Konkurrenten aus dem Markt ausgeschlossen, sagte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. Eine Untersuchung habe ergeben, dass Qualcomm "Milliarden von US-Dollar an Apple zahlte, damit Apple nicht bei der Konkurrenz kauft". Konkurrenten seien dadurch in rechtswidriger Weise mehr als fünf Jahre lang vom Markt für sogenannte LTE-Basisband-Chipsätze ausgeschlossen worden. Unerlaubte Vereinbarung mit Apple Bei den Zahlungen habe es sich nicht nur um Preisnachlässe gehandelt, sie hätten auch zur Bedingung gehabt, dass Apple in seinen iPhones und iPads ausschließlich Qualcomm-Chips verbaue, sagte Vestager. Eine entsprechende Vereinbarung mit Apple aus dem Jahr 2011 sei zwei Jahre später bis Ende 2016 verlängert worden. Sowohl die Verbraucher als auch der Wettbewerb seien durch das Verhalten des Unternehmens beeinträchtigt worden. Qualcomm will in Berufung gehen Qualcomm kündigte an, die EU-Strafe anzufechten. "Wir sind überzeugt, dass diese Vereinbarung nicht gegen die EU-Wettbewerbsregeln verstieß und keine negativen Folgen für den Wettbewerb auf dem Markt oder europäische Verbraucher hatte", erklärte der Chefjurist des Unternehmens, Don Rosenberg. Es werde umgehend ein Berufungsverfahren in Gang gesetzt. Der Chipkonzern ist auf dem Weltmarkt mit Abstand der größte Anbieter von Prozessorchips für Smartphones und Tablets. Die Geldbuße entspricht 4,9 Prozent des Umsatzes von Qualcomm im Jahr 2017.
# USA kündigen Einfuhrzölle an Die US-Regierung hat Einfuhrzölle gegen Billigimporte angekündigt, um amerikanische Hersteller zu schützen. China und Mexiko äußern deutliche Kritik. Die Bundesregierung fordert weniger Protektionismus. US-Präsident Donald Trump hat im Sinne seiner "Amerika zuerst"-Agenda neue Handelsschranken gegen angebliche Billigimporte aus dem Ausland angekündigt. Die US-Regierung werde erhebliche Einfuhrzölle auf Waschmaschinen und Solarmodule erheben, teilte Trumps Handelsbeauftragter Robert Lighthizer mit. Die Maßnahme verdeutliche, dass die Regierung immer die Interessen amerikanischer Arbeiter verteidigen werde. Auf Waschmaschinen werden laut Lighthizer künftig Zölle zwischen 20 und 50 Prozent erhoben. In den kommenden Jahren sollen die Tarife schrittweise reduziert werden. Bei Solarmodulen sollen die Zölle bei 30 Prozent starten und innerhalb von vier Jahren auf 15 Prozent sinken. Dumping-Vorwürfe gegen deutsche Firmen Mit der Entscheidung gehen die USA vor allem auf Konfrontationskurs mit China, Südkorea und Mexiko, von wo viele der zu Zöllen belegten Produkte stammen. Doch Washingtons erste große handelspolitische Entscheidung des neuen Jahres verheißt auch nichts Gutes für deutsche Unternehmen: Sie hat Auswirkungen unter anderem auf die hiesige Stahlindustrie. Dumping-Vorwürfe erhob die US-Regierung bereits im Vorjahr gegen Salzgitter AG und Dillinger Hütte. Die Bundesregierung kündigte Gespräche mit Washington an. "Je weniger Zölle wir haben, je weniger Protektionismus wir haben, desto besser es ist für die Bürgerinnen und Bürger", sagte der geschäftsführende Bundesfinanzminister Peter Altmaier. Er hoffe, "dass wir in Deutschland bald eine neue und starke Regierung haben". Dies sei Voraussetzung dafür, dass unsere Stimme in Washington auch gehört wird". Deutliche Kritik aus China und Mexiko Mit deutlicher Kritik reagierte China. Der einseitige Schritt Trumps bedrohe das internationale Handelssystem, erklärte das chinesische Handelsministerium. Die USA missbrauchten erneut Handelsinstrumente. "China drückt seine starke Unzufriedenheit damit aus." Das Handelsministerium kritisierte darüber hinaus, dass Trump auf US-Recht zurückgreife und nicht den dafür vorgesehen Weg über eine Klage bei der Welthandelsorganisation beschreite. Damit setze er internationale Handelsregeln aufs Spiel. Peking werde "seine legitimen Interessen entschlossen verteidigen", hieß es in der Stellungnahme. Auch Mexiko kündigte Gegenwehr an. Dafür würden alle rechtlich verfügbaren Mittel genutzt. Die Entscheidung der USA, Mexiko bei den Strafzöllen miteinzuschließen, sei bedauerlich. Dies gelte insbesondere, da die Außenhandelskommission der USA keinen wirtschaftlichen Schaden durch den Import von mexikanischen Waschmaschinen feststellen habe können. US-Konzerne klagen über unfaire Preise In den USA hatten sich zuvor mehrere Konzerne über unfaire Preise von Rivalen insbesondere aus Asien beschwert. Die für gewerbliche Rechtskonflikte zuständige amerikanische Schiedsstelle "US International Trade Commission" hatte sogar teilweise zu noch höheren Zöllen geraten. Trump ist generell der Ansicht, die USA würden beim internationalen Handel von ihren Geschäftspartnern benachteiligt. Er macht billige Produktion im Ausland und Importe für den Verlust zahlreicher Arbeitsplätze in den USA verantwortlich. Seine Maßnahmen sind jedoch höchst umstritten. Die Einfuhrhürden wurden unter einem schon seit Jahren nicht mehr angewendeten US-Gesetz quasi im Alleingang verhängt. Sie könnten gegen die Regeln der Welthandelsorganisation WTO verstoßen. Experten warnen zudem vor Vergeltungsmaßnahmen und schweren Handelskonflikten.
# Was wurde aus den Fahnen auf dem Mond? Jede bemannte Mission hat auf dem Mond eine Fahne aufgestellt. Die Astronauten flogen heim - die Fahnen blieben. Was wurde aus ihnen? Die US-Fahnen auf dem Mond: Völkerrechtlich haben sie zwar keine Bedeutung. Aber für die Amerikaner sind sie doch ein wichtiges Symbol. Neil Armstrong und Buzz Aldrin stellten die erste Fahne auf, mit Apollo 11, der ersten Mondmission. Fünf weitere bemannte Missionen folgten - und jede stellte ihre eigene Fahne auf. Was aus den Fahnen geworden ist, war lange unklar. Erst die Mondsonde "Lunar Reconnaissance Orbiter" brachte die Antwort. Chefwissenschaftler Marc Robinson berichtet, sie hätten alle Fahnen gesehen - bis auf eine: "Die Fahne von Apollo 11 kann man nicht finden. Wir meinen, weil sie nicht richtig aufgestellt wurde. Astronaut Aldrin berichtete, er glaube, die Fahne sei von der Abgaswolke umgeweht worden." Am Schatten erkennbar Die Fahnen waren nicht extra für den Mond konstruiert worden. Die NASA kaufte sie bei einem Unternehmen, das die US-Regierung belieferte. Damals kosteten sie gut fünf Dollar. Er sei "völlig überrascht" gewesen, sie nun vorzufinden, sagte Robinson. "Ich dachte, sie seien durch die extremen Temperaturen und die extreme UV-Strahlung verfallen. Ich dachte, oh, sie sind noch da, das ist fantastisch!" Die Mondsonde "Lunar Reconnaissance Orbiter" war 2009 gestartet worden, um auf dem Mond nach einer möglichen Landestelle für neue Missionen zu suchen. Seitdem schießt sie hochauflösende Bilder der Oberfläche. Man sieht die früheren Landestellen, verlassene Mondfahrzeuge - und die Fahnen. Zumindest ihre Schatten. Auf einem Video wandern die Schatten um die Fahnen herum. Chefwissenschaftler Robinson erklärt: "Wir fliegen einmal im Monat über jede Landestelle hinweg. Das Licht ist jedes Mal anders. Darum konnten wir dieses Video machen, wo man sieht, wie die Schatten um die Fahnen wandern. Darum wissen wir, dass sie noch da und nicht zerfallen sind - sie werfen den richtigen Schatten." Mond wird für Raumfahrer wieder interessanter Weil die Bilder nur die Schatten zeigen, ist unklar, wie die Fahnen aussehen. Wissenschaftler gehen davon aus, dass der Stoff verblichen ist. Außerdem könnten sie komplett mit Mondstaub bedeckt sein. Robinson würde die Frage gerne beantworten: "Wenn sie mir eine Fahrt organisieren, schaue ich gerne nach und berichte." Der Mond ist für die Raumfahrer wieder interessant geworden: Staaten und private Unternehmen planen neue Robotermissionen, die USA, Indien oder China könnten im kommenden Jahrzehnt auch Astronauten schicken. Vielleicht schauen die dann ja mal nach, was aus den alten Fahnen geworden ist.
# Wer mischt mit in Nordsyrien - und warum? Seit Jahren ist der Norden Syriens umkämpft. An dem Krieg beteiligen sich verschiedene Akteure mit völlig unterschiedlichen Interessen. Wer sind sie, und welche Motive verfolgen sie? Ein Überblick. Die Freie Syrische Armee Die Freie Syrische Armee (FSA), die sich jetzt "Syrische Nationale Armee" nennt, ist der bewaffnete Arm von Teilen der syrischen Opposition. Sie gründete sich im Jahr 2011 unter anderen aus Deserteuren der Assad-Armee. Ihr Ziel ist der Sturz der Assad-Regierung. Im Laufe des Syrienkriegs gewannen dschihadistische Gruppierungen auf Seiten der Aufständischen immer mehr an Stärke und drängten die FSA zurück. Hilfe bekommt die FSA aus der Türkei, denn diese unterstützt die syrische Opposition. Immer häufiger tritt die FSA als militärischer Akteur gegen die Kurden auf. Beobachter bezeichneten sie nur noch als Markennamen, unter dem verschiedenste Gruppierungen gegen die Kurdenmiliz YPG kämpfen. Viele sind seit langem verfeindet mit der YPG - auch weil den Kurden im Syrienkrieg oft vorgeworfen wurde, aus eigenen Autonomieinteressen heraus Assad stillschweigend zu dulden und dadurch seine Handlanger zu sein. Die YPG Die YPG ist der bewaffnete Arm der syrisch-kurdischen Partei PYD. Sie strebt nach Selbstverwaltung in einem föderal strukturierten Syrien. In ihrer Region im Norden und Osten des Landes, die sie Rojava nennen, versprechen die Kurden den Angehörigen anderer Volksgruppen und Konfessionen volle Gleichberechtigung. Rojava macht mittlerweile ein Drittel des Gebietes Syriens aus. In und um Afrin wohnen vor allem Kurden. Die YPG ist dort die stärkste militärische Kraft. Afrin ist aber territorial nicht mit Rojava verbunden, sondern isoliert und damit verwundbar. Ob die PYD und die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK in der Türkei als dieselbe Organisation gelten können, ist umstritten. Die PYD betont ihre Eigenständigkeit, und Experten bezweifeln, dass sie täglich Befehle von der PKK erhält. Vielmehr habe sie ihre eigene Agenda und Prioritäten. Personell und ideologisch gibt es aber unbestreitbar weiterhin enge Verbindungen. Im Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) war die YPG sehr erfolgreich. Von den USA wurde sie dabei aus der Luft unterstützt. Die Regierung von Präsident Assad Die syrische Regierung von Präsident Baschar al-Assad hat die Operation der Türkei im syrischen Afrin als "groben Überfall" bezeichnet. Die staatliche Nachrichtenagentur Sana zitierte Assad mit den Worten, dieses Vorgehen sei nicht von der Politik des "türkischen Regimes" zu trennen, das seit dem ersten Tag der Syrien-Krise auf der Unterstützung von Terrorismus beruhe. Die syrische Regierung und die Türkei sind klare Gegner im Syrienkrieg. Die Türkei unterstützt verschiedene oppositionelle Gruppen, deren Ziel der Sturz des syrischen Präsidenten Assad ist. Dieser bezeichnet alle Aufständischen - unabhängig davon, ob sie einen dschihadistischen Hintergrund haben oder nicht - als Terroristen. Die kurdischen Autonomiebestrebungen wurden von Assad bislang aus kriegstaktischen Gründen geduldet - so durften die Kurden bereits vor der Autonomieerklärung von "Rojava" zum Beispiel ihren eigenen Checkpoints und Schulen unterhalten. Fraglich ist, ob Assad auch in Zukunft die Kurden duldet. Sein Ziel dürfte sein, langfristig auch die kurdischen Gebiete auf syrischem Boden wieder zu seinem Territorium zu machen. Er hat nur momentan zu viele andere Kriegsschauplätze. Die Türkei Die Türkei ist ein langjähriger Unterstützer verschiedener syrischer Oppositionsgruppen. Die Interessen der Türkei in Syrien sind die Absetzung von Präsident Assad und die Unterdrückung jeglicher Autonomie der Kurden - letzteres vor allem, um den Unabhängigkeitsbestrebungen der Kurden im eigenen Land keinen Auftrieb zu geben. Denn die syrisch-kurdische PYD (deren bewaffneter Arm die YPG ist) wird in der Türkei als Ableger der PKK gesehen - und deshalb als Terrororganisation bezeichnet. Zunehmend misstrauisch beobachtete die Türkei, wie die Kurden im Norden Syriens - genauso wie im Irak - ihre autonomen Zonen ausweiteten. Deshalb geht sie nun militärisch in Afrin vor. Die Offensive bringt für die Türkei jedoch große Herausforderungen mit sich. So dürfte unter anderem das Verhältnis der Türkei zu den USA stark beschädigt werden. Denn die USA kooperieren mit der YPG im Kampf gegen den IS. Somit stehen sich jetzt zwei Verbündete der USA - der NATO-Partner Türkei und die YPG - direkt gegenüber. Die USA Im Kampf gegen den IS in Syrien setzen die USA vor allem auf das Bündnis SDF - die Syrischen Demokratischen Streitkräfte (Syrian Democratic Forces). Das Bündnis wird von der kurdischen YPG geführt. Beim Kampfeinsatz am Boden erwiesen sich gerade die syrischen Kurden als äußerst fähige Kraft. Die Amerikaner unterstützen die SDF mit etwa 2000 Mann - vor allem Spezialkräfte und Ausbilder. Aus der Luft hilft die von den USA geführte internationale Anti-IS-Koalition. Kürzlich teilte ein US-Offizier mit, dass man auf Basis der SDF eine 30.000 Mann starke Einheit aufbauen werde, die die Grenzen des von den syrischen Kurden gehaltenen Gebiets ("Rojava") schützen werde. Zwar zog US-Außenminister Rex Tillerson diese Äußerung schnell wieder zurück und stellte sie als "Missverständnis" dar. Doch auf die Türkei wirkte der Plan wie ein rotes Tuch. Präsident Erdogan setzte seine Armee in Gang. Trotzdem werden die USA ihre Soldaten nicht aus Syrien abziehen. Denn sie wollen Russland und dem Iran nicht das Feld überlassen. Die fortdauernde US-Präsenz in Syrien bedeutet, dass die USA bei allen Verhandlungen über eine Friedenslösung nicht übergangen werden können. Russland Russland ist ein enger Bündnispartner der syrischen Regierung und hat Präsident Assad seit September 2015 unter anderem durch zahlreiche Luftschläge in von Aufständischen gehaltenen Gebieten unterstützt. Im jüngsten Konflikt zwischen der Türkei und den Kurden hält sich Russland bedeckt. Man sei besorgt über die türkische Militäroperation, hieß es aus Moskau. Wegen der Offensive in Afrin hat Russland seine Soldaten aus der nordsyrischen Region abgezogen - um ihre Sicherheit zu gewährleisten, so das russische Verteidigungsministerium. Russland sitzt ein wenig zwischen den Stühlen. Auf der einen Seite sehen die Kurden in Russland einen potenziellen Freund und appellierten an den Kreml, zu intervenieren und die Türkei zu stoppen. Russland hatte eine Konferenz für kurdische Vertreter aus der Türkei, Syrien, dem Irak und Iran abgehalten. Auch erstellte Moskau gemeinem mit der syrisch-kurdischen PYD einen Entwurf für eine neue syrische Verfassung. Andererseits: In den vergangenen Monaten näherten sich Russland und die Türkei an. Bei einem Treffen bezeichneten sich Putin und Erdogan gegenseitig als "Freunde". Das türkische Außenministerium hatte vor Beginn der Offensive den russischen Botschafter einberufen, um ihn über die Militäroperation zu informieren. Berichten zufolge soll Russland der Türkei grünes Licht für den Afrin-Einsatz gegeben haben - sehr zum Ärger der Kurden. Doch Russland hat ein anderes Interesse: Das Verhältnis der Türkei zu den USA dürfte durch die jüngste Offensive deutlich leiden - auch wenn die Türkei ebenfalls die USA über den Einsatz in Nordsyrien informiert hatte, bevor sie die Offensive startete. Iran Für die Volksaufstände im Zuge des "Arabischen Frühlings" im Jahr 2011 hatte die iranische Regierung viel Verständnis - doch für den Aufstand in Syrien nicht. Die Basis der engen Partnerschaft zwischen Damaskus und Teheran wurde bereits vor der iranischen Revolution 1979 gelegt. Bis heute liegt es im Interesse der Iraner, dass Baschar al-Assad an der Macht bleibt. Über Damaskus erhält die pro-iranische Hisbollah im Libanon Waffen und Geld aus dem Iran. Nicht nur Russland, sondern auch dem Iran hat es Assad zu verdanken, dass er nicht gestürzt wurde. Teheran gibt Kredite, schickt Elitesoldaten, rekrutiert und bezahlt schiitische Söldner aus Pakistan und Afghanistan. An den Fronten in Syrien wird häufig der iranische General Soleimani gesichtet. Er ist ein mächtiger Kommandeur der Quds-Einheit, die Spezialeinsätze im Ausland durchführt. Sowohl in Syrien als auch im Irak kämpfen die Iraner gegen den IS und andere sunnitische Dschihadisten. Ein durchaus vom Iran gewünschter Effekt ist, dass nun zwischen dem Land am Golf und dem Mittelmeer eine Landbrücke entsteht, die sich nicht nur für Waffenlieferungen, sondern auch für den Handel nutzen lässt - und zur Projektion der wachsenden Macht der Iraner in der Region.
# USA rufen zur Zurückhaltung auf Die USA sind über die Offensive des türkischen Militärs gegen die kurdische YPG im Norden Syriens besorgt. Außenminister Tillerson vermied direkte Kritik - genauso wie die Bundesregierung. Die USA haben ihre Sorge über den türkischen Einsatz gegen die Kurden im Norden Syriens zum Ausdruck gebracht. "Wir sind besorgt", sagte Außenminister Rex Tillerson laut einer Mitteilung, die der Nachrichtenagentur Reuters vorlag. Die USA würden das legitime Anliegen der Türkei anerkennen, "seine Bürger vor terroristischen Elementen zu schützen". Sie riefen beide Seiten jedoch zur Zurückhaltung auf. Offene Kritik bleibt aus Direkte Kritik an der Türkei vermied Tillerson jedoch - genauso wie Deutschland. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel drückte in einem Telefongespräch mit seinem türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu ebenfalls Sorge über die Eskalation der Lage und den möglichen Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung aus. Das Auswärtige Amt teilte mit, beide Politiker seien sich einig gewesen, den politischen Prozess für Syrien intensiv weiterzuführen. Zuvor hatte Außenamtssprecherin Maria Adebah erklärt, die Bundesregierung habe kein vollständiges Lagebild und könne das türkische Vorgehen völkerrechtlich daher nicht einordnen. Die Türkei selbst berufe sich gegenüber den UN auf ihr Selbstverteidigungsrecht. Man müsse einerseits die Sicherheitsinteressen der Regierung in Ankara berücksichtigen, sagte Adebahr. Andererseits bedeute weitere Gewalt für die Menschen in Syrien keine Verbesserung, sondern eine Verschlimmerung ihrer Lage. Über all diese Fakten werde der UN-Sicherheitsrat mit den Beteiligten sprechen. "Das ist eine Debatte, die wir ganz sicher unterstützen", so die Sprecherin. Mehr Kampfpanzer als die Bundeswehr Berichte über den Einsatz von Deutschland an die Türkei gelieferter Leopard-2-Panzer in Syrien bestätigte die Bundesregierung nicht. "Außer den Bildern aus den Medien, die Sie alle kennen, haben wir keine eigenen Erkenntnisse über den Einsatz von Leopard-Panzern", sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Holger Neumann. Der NATO-Partner Türkei hatte Neumann zufolge in den 80er- und 90er-Jahren 397 Leopard-1-Panzer bekommen. Von 2006 bis 2011 habe die Türkei dann noch 354 Leopard-2-Panzer erhalten. Die Türkei verfügt damit über mehr Kampfpanzer als die Bundeswehr. Unterschiedliche Interessen Die Regierung in Ankara hatte Washington nach Angaben von US-Verteidigungsminister Jim Mattis vorab über die Offensive gegen die Kurdenmiliz YPG in Nordsyrien informiert. "Die Türkei war ehrlich", sagte Mattis. "Sie haben uns gewarnt, bevor sie die Luftangriffe starteten, und sie haben gesagt, dass sie es in Absprache mit uns tun." Die USA unterstützen die syrische Kurden-Miliz YPG, die sich als eine der erfolgreichsten Gruppen im Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) erwiesen hat. Die Türkei hingegen stuft sie als verlängerten Arm der als Terrororganisation verbotenen Kurdenorganisation PKK ein. Für Verärgerung in Ankara sorgte deshalb die Entscheidung der USA, eine 30.000 Mann starke Grenzschutztruppe in Nordsyrien aufzubauen, an der die YPG maßgeblich beteiligt sein würde. Gegenoffensive der Kurden Am Samstag hatte das türkische Militär eine Offensive gegen Stellungen der YPG in Afrin im Norden Syriens unweit der türkischen Grenze begonnen. Nun drängte die kurdische Miliz türkische Soldaten und syrische Verbündete offenbar in heftigen Gefechten aus zwei von ihnen eingenommenen Dörfern zurück. Die YPG meldete, die türkischen Kräfte aus den beiden Dörfern Schinkal und Adah Manli verdrängt zu haben, die sie am Vortag in Afrin eingenommen hätten. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte bestätigte kurdische Angaben, nach denen die YPG eine heftige Gegenoffensive geführt habe. Die Kämpfer seien an mehreren Fronten im Nordwesten und Osten der kurdisch kontrollierten Enklave vorgerückt, hieß es. Dort werde weiter heftig gekämpft. Sechs pro-türkische Rebellen, die an der "Operation Olivenzweig" beteiligt waren, wurden einem kurdischen Sprecher zufolge getötet. Zwei Stellungen der YPG zerstört Die amtliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu berichtete hingegen unter Berufung auf die Armee, dass in der Nacht zu Montag zwei Stellungen der YPG zerstört worden seien, von denen Raketen auf die türkische Grenzstadt Reyhanli abgeschossen worden seien. Bei dem Raketenbeschuss waren ein Mensch getötet und 46 weitere verletzt worden. Laut Anadolu besetzten die türkischen Truppen elf Stellungen, die zuvor von YPG-Kämpfern geräumt worden waren. Bei der türkischen Offensive mit Panzern und protürkische Rebellenkämpfern der Freien Syrischen Armee (FSA) wurden offenbar 18 Zivilisten getötet, darunter Frauen und Kinder. Das sagte ein Sprecher der Syrischen Demokratischen Streitkräfte (SDF), berichtete Reuters. UN-Sicherheitsrat befasst sich mit Lage Der UN-Sicherheitsrat wird sich in einer Dringlichkeitssitzung mit der Lage in Syrien beschäftigen. Der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian hatte auf Twitter mitgeteilt, dass sein Land nach dem Beginn der Militäroperation ein Treffen des Gremiums gefordert habe. Le Conseil de Sécurité des Nations Unies tiendra demain des consultations sur la situation en #Syrie. La France soulignera notamment l’urgence d’assurer l’accès humanitaire. Auch andere Länder haben sich beim Treffen der EU-Außenminister beunruhigt über die Militäroffensive gezeigt. "Wir sehen das mit großer Sorge", sagte der deutsche Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth. "Wir können hier keine Eskalation gebrauchen." Auch er rief alle Beteiligten zur Mäßigung auf. Vorwürfe aus Moskau Der russische Außenminister Sergej Lawrow warf den USA vor, durch einseitiges Vorgehen in Syrien und im Iran die Türkei wütend gemacht zu haben. US-Außenminister Tillerson hatte gesagt, dass vor allem die Situation unschuldiger Zivilisten Anlass zur Sorge gebe. Die Sicherheitsbedenken der Türkei seien ernst zu nehmen. In der Türkei wurden unterdessen mindestens 24 Menschen wegen "Terrorpropaganda" zugunsten kurdischer Gruppen festgenommen. Die Verdächtigen sollen in den sozialen Medien die YPG unterstützt haben, teilte die die amtliche Nachrichtenagentur Anadolu mit.
# Kein Haftbefehl gegen Puigdemont Kataloniens Ex-Regierungschef Puigdemont kann unbehelligt durch Europa reisen. Spaniens Oberstes Gericht lehnte einen neuen Haftbefehl ab. Puigdemont flog heute nach Dänemark. In Spanien muss Kataloniens Ex-Regierungschef Carles Puigdemont mit seiner Verhaftung rechnen - im übrigen Europa aber nicht. Der Oberste Gerichtshof Spaniens verwarf heute einen Antrag des Generalstaatsanwalts, den europäischen Haftbefehl gegen Puigdemont zu reaktivieren, um Puigdemont in Kopenhagen festnehmen zu lassen. Richter Pablo Llarena erklärte zur Begründung, mit seiner Reise habe Puigdemont "eine Festnahme im Ausland provozieren" wollen. Puigdemont, der in Belgien im Exil lebt, war nach Dänemark gereist, um an einer Podiumsdiskussion der Universität Kopenhagen teilzunehmen. Die spanische Anklagebehörde hatte angekündigt, einen neuen Haftbefehl zu beantragen, sollte sich der 55-Jährige nach Dänemark begeben. Am Flughafen blieb Puigdemont jedoch unbehelligt. Puigdemont soll Regierung bilden Zugleich wurde der Politiker gegen den Widerstand der Zentralregierung in Madrid erneut zum Kandidaten für die Regionalpräsidentschaft ernannt. Dies teilte der Präsident des Parlaments in Barcelona, Roger Torrent, nach Konsultationen mit den Chefs der im Parlament vertretenen Parteien mit. Puigdemont hatte mehrmals gesagt, Katalonien auch aus seinem Exil in Belgien regieren zu können. Die Zentralregierung will auch in diesem Fall rechtliche Schritte einleiten. Vorwurf der Rebellion, Aufruhr und Veruntreuung Die Debatte über den vorgeschlagenen Kandidaten muss nun laut Statuten bis spätestens zum 31. Januar beginnen. Der Bewerber muss dabei sein Regierungsprogramm präsentieren, anschließend wird gewählt. Derzeit steht die Region unter Zwangsverwaltung der spanischen Zentralregierung. Diese erklärte, Puigdemont könne nicht erneut zum Regierungschef gewählt werden, da er nach seiner Flucht ins Exil bei der Abstimmung physisch nicht anwesend sein werde. Puigdemont droht langjährige Haftstrafe Der ehemalige Präsident war nach seiner Amtsenthebung Ende Oktober nach Belgien geflohen, um einer Festnahme zu entgehen. Vorausgegangen waren ein von der Justiz verbotenes Unabhängigkeitsreferendum sowie ein Beschluss zur Abspaltung Kataloniens von Spanien. Dem 55-Jährigen werden Rebellion, Aufruhr und Veruntreuung öffentlicher Mittel vorgeworfen. Bei einer Rückkehr nach Spanien droht ihm die sofortige Festnahme. Rebellion kann in Spanien mit bis zu 30 Jahren Gefängnis bestraft werden, Aufruhr mit bis zu 15 Jahren. Ein zusätzlicher europäischer Haftbefehl, der ausgestellt worden war, wurde später wieder zurückgenommen.
# Erfolgsmeldungen von beiden Seiten Nach dem Beginn der türkischen Bodenoffensive in Nordsyrien haben die angegriffenen kurdischen Gruppen einen Gegenangriff gestartet. Die Türkei hingegen spricht davon, kurdische Stellungen zerstört zu haben. Die kurdische Miliz in Syrien hat nach Angaben einer Aktivistengruppe türkische Soldaten und syrische Verbündete aus zwei von ihnen eingenommenen Dörfern zurückgeschlagen. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte bestätigte kurdische Angaben, nach denen die von den USA unterstützte und unter dem Namen YPG bekannte Miliz eine heftige Gegenoffensive zu dem von der Türkei gegen die Enklave Afrin im Nordwesten Syriens eingeleiteten Angriff geführt habe. Die Kämpfer seien an mehreren Fronten im Nordwesten und Osten der kurdisch kontrollierten Enklave vorgerückt. Dort werde weiter heftig gekämpft. Sechs pro-türkische Rebellen, die an der "Operation Olivenzweig" beteiligt waren, wurden einem kurdischen Sprecher zufolge getötet. Zwei Stellungen der YPG zerstört Die amtliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu berichtete hingegen unter Berufung auf die Armee, dass in der Nacht zu Montag zwei Stellungen der YPG zerstört worden seien, von denen Raketen auf die türkische Grenzstadt Reyhanli abgeschossen worden seien. Bei dem Raketenbeschuss waren ein Mensch getötet und 46 weitere verletzt worden. Laut Anadolu besetzten die türkischen Truppen elf Stellungen, die zuvor von YPG-Kämpfern geräumt worden waren. Türkische Panzer waren am Sonntag in Begleitung von Infanterie nach Afrin vorgerückt. Zuvor waren bereits protürkische Rebellenkämpfer der Freien Syrischen Armee (FSA) in die Region eingedrungen. UN-Sicherheitsrat befasst sich mit Lage Der UN-Sicherheitsrat wird sich in einer Dringlichkeitssitzung mit der Lage in Syrien beschäftigen. Der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian hatte auf Twitter mitgeteilt, dass sein Land nach dem Beginn der Militäroperation ein Treffen des Gremiums gefordert habe. Le Conseil de Sécurité des Nations Unies tiendra demain des consultations sur la situation en #Syrie. La France soulignera notamment l’urgence d’assurer l’accès humanitaire. Auch andere Länder haben sich beim Treffen der EU-Außenminister beunruhigt über die Militäroffensive gezeigt. "Wir sehen das mit großer Sorge", sagte der deutsche Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth. "Wir können hier keine Eskalation gebrauchen." Er rief alle Beteiligten zur Mäßigung auf. Vorwürfe aus Moskau Der russische Außenminister Sergej Lavrov warf den USA vor, durch einseitiges Vorgehen in Syrien und im Iran die Türkei wütend gemacht zu haben. US-Außenminister Rex Tillerson hatte gesagt, dass vor allem die Situation unschuldiger Zivilisten Anlass zur Sorge gebe. Die Sicherheitsbedenken der Türkei seien ernst zu nehmen. Dennoch rufe man die Türkei dazu auf, ihre Militäroperationen zurückhaltend auszuüben und zivile Opfer zu vermeiden. Festnahmen in der Türkei In der Türkei wurden unterdessen mindestens 24 Menschen wegen "Terrorpropaganda" zugunsten kurdischer Gruppen festgenommen. Die Verdächtigen sollen in den sozialen Medien die YPG unterstützt haben, teilte die die amtliche Nachrichtenagentur Anadolu mit. Offensive am Samstag gestartet Die Türkei hatte am Samstag die Boden- und Luftoffensive "Operation Olivenzweig" gegen die YPG in der Region Afrin gestartet. Ankara betrachtet die YPG als Terrororganisation. Die Kurdenkämpfer sind aber wichtige Verbündete des Westens im Kampf gegen die Dschihadistenmiliz "Islamischer Staat".
# Spanien fordert Festnahme von Puigdemont Trotz Drohung des spanischen Generalstaatsanwalts ist der frühere katalanische Regionalpräsident Puigdemont nach Dänemark gereist. Die Behörde will nun den internationalen Haftbefehl gegen ihn erneuern. Spaniens Staatsanwaltschaft hat erneut die Festnahme des ehemaligen katalanischen Regionalpräsidenten Carles Puigdemont gefordert. Der Generalstaatsanwalt beantragte bei dem mit dem Fall befassten Richter am Obersten Gerichtshof einen neuen europäischen Haftbefehl. Der von Madrid abgesetzte Ex-Präsident Kataloniens war zuvor trotz drohenden Haftbefehls nach Dänemark gereist. Die spanische Anklagebehörde hatte ihren Schritt für den Fall angekündigt, dass sich der 55-Jährige nach Dänemark begeben sollte. Puigdemont, der in Belgien im Exil lebt, landete am Morgen in Kopenhagen, wie der dänische Fernsehsender TV2 berichtete. Er will am Nachmittag an der Universität Kopenhagen an einer Podiumsdiskussion teilnehmen. Am Flughafen blieb er Reuters-Reportern zufolge unbehelligt. Er verließ den Airport mit unbekanntem Ziel. Vorwurf der Rebellion Die spanische Zentralregierung hatte Katalonien im vergangenen Oktober unter Zwangsverwaltung gestellt und die von Puigdemont geführte Regionalregierung ihres Amtes enthoben. Zuvor hatte das Parlament in Barcelona nach einem von Madrid verbotenen Unabhängigkeitsreferendum Kataloniens Loslösung von Spanien erklärt. Puigdemont und vier seiner Minister waren nach ihrer Absetzung ins belgische Exil geflohen, um einer Festnahme zu entgegen. Ihnen wird in Spanien wegen "Rebellion, Aufruhr und Unterschlagung öffentlicher Mittel" mit Haftbefehl vorgeworfen. Rebellion kann in Spanien mit bis zu 30 Jahren Gefängnis bestraft werden, Aufruhr mit bis zu 15 Jahren. Die von der Zentralregierung angeordnete Parlamentswahl am 21. Dezember hatten die Verfechter einer Unabhängigkeit Kataloniens eine Mehrheit erhalten. Möglicher Kandidat für neue Regionalregierung Der neue Präsident des katalanischen Parlaments, Roger Torrent, will heute den Kandidaten für das Amt des Chefs der Regionalregierung ernennen. Ganz Spanien erwartet mit Spannung, ob tatsächlich Puigdemont erneut als Kandidat aufgestellt wird.  Puigdemont sagte mehrmals, Katalonien auch aus seinem Exil in Belgien regieren zu können. Die Zentralregierung kündigte rechtliche Schritte an, sollte er dies versuchen.  Die Debatte über den vorgeschlagenen Präsidentschaftskandidaten muss spätestens bis zum 31. Januar beginnen. Der Bewerber muss dabei sein Regierungsprogramm präsentieren, anschließend wird gewählt.
# Einzelfälle oder klarer Trend? Die Gewalttaten von Freiburg und Kandel haben eine Debatte über die Kriminalität von jungen Flüchtlingen ausgelöst. Sind diese besonders gewalttätig? Statistiken geben nur bedingt Auskunft. Von Nick Schader, SWR In Freiburg steht der Flüchtling Hussein K. wegen eines Sexual-Mordes vor Gericht. Im südpfälzischen Kandel wurde Abdul D. verhaftet, weil er seine Ex-Freundin erstochen haben soll. Die beiden Fälle verbindet, dass die mutmaßlichen Täter junge Flüchtlinge sind - und dass sie für bundesweite Schlagzeilen gesorgt haben. Der Tatverdächtige Afghane im Kandeler Fall war nach offiziellen Angaben erst 15 Jahre alt - genau wie sein Opfer. Die Gewalttaten lösten eine Debatte über die Kriminalität von jungen Flüchtlingen aus. Handelt es sich um Einzelfälle oder steigt die Gewaltkriminalität generell? Vorliegende Statistiken geben darüber bislang nur bedingt Auskunft. Das Bundeskriminalamt (BKA) verzeichnete in dem Phänomenbereich Mord und Totschlag - ungeachtet der Herkunft - im Jahr 2014 genau 117 Tatverdächtige, die zwischen 14 und 18 Jahren alt waren. 2015 waren es 129 Tatverdächtige, ein Jahr später 132. Die meisten der Tatverdächtigen in den Jahren 2014 (80) und 2015 (73) waren Deutsche. 2016 waren allerdings 78 Tatverdächtige Ausländer. Allerdings unterscheidet das BKA in diesen Statistiken nicht zwischen Ausländern und Flüchtlingen. Für die Jahre 2015 und 2016 liegen beim BKA allerdings Zahlen auch speziell zu Flüchtlingen vor. Hier zeigt sich ein Trend: 2015 waren es 14 Personen zwischen 14 und 18 Jahren, die wegen Mord oder Totschlag unter Verdacht standen. 2016 waren es 38. Hier ist also ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen. Allerdings handelt es sich um Verdächtige - also mutmaßliche Täter. Die meisten Opfer sind selbst Ausländer Anders als bei der Tat in Kandel sind die meisten Opfer der ausländischen Täter laut Statistik selbst Ausländer. In einer Zusammenfassung des BKA für 2016 heißt es, dass bei zwei Dritteln aller Mord- und Totschlagsdelikte ausschließlich Zuwanderer - also als Opfer und Täter - beteiligt waren. Ein Drittel dieser Taten passierte in Erstaufnahmeeinrichtungen oder Sammelunterkünften. Für Aufsehen sorgte eine Untersuchung des Kriminologen Christian Pfeiffer. Er hatte festgestellt, dass es eine steigende Zahl an Straftaten durch Ausländer bzw. Zuwanderer gebe. Er hatte bei der Veröffentlichung der Studie aber unter anderem betont, dass ausländische Täter eher angezeigt würden als Deutsche. Zudem hätten viele Flüchtlinge zum Beispiel aus Afghanistan traumatische Dinge in ihrer Heimat oder während der Flucht erlebt. Das könne die Gewaltbereitschaft erhöhen. Für Pfeiffer sind das mögliche Erklärungsansätze - keine Entschuldigungen. Hinweise auf die Entwicklung der Kriminalität könnte die Zahl der Verurteilten geben. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts hatte es zwischen 2014 und 2016 nur sehr wenige Flüchtlinge gegeben, die wegen Mord oder Totschlag verurteilt wurden. Das kann verschiedene Gründe haben: Möglicherweise werden Urteile erst längere Zeit nach der Tat rechtskräftig und sind noch nicht statistisch erfasst worden, oder die Ermittlungen haben ergeben, dass ein Tatverdächtiger nicht schuldig ist. In Zahlen heißt das: 2014 gab es neun Ausländer (inklusive Zuwanderer) zwischen 14 und 18 Jahren, die wegen Mord oder Totschlag verurteilt wurden. 2015 war es einer, 2016 waren es zwei. Zahlen für das vergangene Jahr liegen noch nicht vor. Das BKA veröffentlicht die Kriminalitätsstatistik für 2017 im Mai.
# EU-Pensionsfonds ist bis 2026 pleite Mehr als 700 frühere EU-Abgeordnete haben im Ruhestand Anspruch auf Geld aus einem für sie geschaffenen Pensionsfonds. Doch diesem fehlen mehr als 326 Millionen Euro. Bis 2026 wird der Fonds pleite sein. Ein früherer Pensionsfonds für Abgeordnete des Europaparlaments steuert auf die Pleite zu. Eine interne Stellungnahme des Generalsekretärs des EU-Parlaments, Klaus Welle, beziffere die Finanzierungslücke auf mehr als 326 Millionen Euro, berichtete die "Bild"-Zeitung. Spätestens im Jahr 2026 wird demnach dem Fonds das Geld ausgehen. Für die Ansprüche der früheren Abgeordneten haftet dann das Europaparlament. Letztlich müssten die EU-Steuerzahler die Kosten tragen. Vermögen reicht nicht für alle Ansprüche Der Pensionsfonds wurde 1990 gegründet, weil es damals noch keine Pensionsregelung für EU-Abgeordnete gab. Mit der Einführung des EU-Abgeordnetenstatuts wurde der Fonds dem Bericht zufolge im Jahr 2009 geschlossen. Im Jahr 2016 verfügte der Fonds zwar über ein Vermögen von 146,4 Millionen Euro. Die Pensions-Anwartschaften der Ex-Abgeordneten summieren sich aber auf 472,6 Millionen Euro. "Das geschätzte Datum der Insolvenz des Freiwilligen Pensionsfonds ist grob geschätzt zwischen 2024 und 2026", zitiert die Zeitung aus dem Papier des EU-Parlaments. Selbst wenn das Vermögen des Fonds zwei Prozent Rendite pro Jahr erwirtschafte, werde er nur bis 2024 die notwendigen Zahlungen finanzieren können. Bis 2026 reichten die Mittel demnach nur bei einer jährlichen Rendite von mindestens fünf Prozent. Dem Bericht zufolge haben mehr als 700 Abgeordnete Ansprüche auf Zahlungen aus dem Pensionsfonds. Bis Ende 2022 werden voraussichtlich 145 von ihnen in den Ruhestand gehen.
# Zwei-Staaten-Lösung als EU-Minimalkonsens Palästinenserpräsident Abbas trifft sich heute mit den EU-Außenministern. Viel kann er dabei nicht erwarten. Die EU kämpft in der Nahostpolitik mit Uneinigkeit und mehreren Baustellen. Es war eine empfindliche Niederlage für US-Präsident Donald Trump - aber gleichzeitig auch für die Einigkeit der EU: Mit deutlichen 128 zu neun Stimmen erklärte die Vollversammlung der Vereinten Nationen die US-Entscheidung, Jerusalem als Israels Hauptstadt anzuerkennen, am 21. Dezember für "null und nichtig". Doch gleich sechs EU-Staaten hatten sich bei der Abstimmung enthalten: Ungarn, Polen, Rumänien, Tschechien, Kroatien, Lettland. Es ist nur der jüngste Beweis dafür, welch zerklüftetes Bild die Europäische Union in der Nahostpolitik abgibt. Kein EU-Staat will Trumps Beispiel folgen Eins wiederum ist aber klar: Kein EU-Land plant, Trump zu kopieren und seine Botschaft nach Jerusalem zu verlegen. So wie der israelische Premier Benjamin Netanyahu dies noch bei seinem Brüssel-Besuch im Dezember prophezeit hatte. "Er kann seine Erwartungen an andere richten. Von Seiten der EU-Staaten wird das nicht passieren", unterstrich die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini nach dem damaligen Treffen. Einigkeit besteht innerhalb der Europäischen Union immerhin insofern, als man die "Zwei-Staaten-Lösung" - das friedliche Nebeneinander des israelischen Staates neben einem noch zu schaffenden palästinensischen - retten möchte, so unrealistisch diese Lösung derzeit auch erscheinen mag. "Weder in den vorigen Wochen noch in den vergangenen Jahrzehnten habe ich von irgendjemandem eine bessere Idee dazu gehört, wie sich die Sicherheit Israels garantieren lässt", bekräftigt Mogherini. Partnerschaftsabkommen ist eine Möglichkeit Als eine Möglichkeit, die Zwei-Staaten-Lösung am Leben zu erhalten, wird ganz offensichtlich die Idee eines neuen Partnerschaftsabkommens mit den Palästinensern gesehen. EU-Diplomaten bestätigen, dass darüber nachgedacht wird. Wobei sich sofort die Frage aufdrängt, wann man mit wem genau ein solches Assoziierungsabkommen unterzeichnen würde: Einen "Staat Palästina" hat die EU nie anerkannt. Und das steht auch für sie gar nicht auf der Tagesordnung. Selbst wenn einzelne Staaten wie Luxemburg oder Belgien öffentlich zuletzt durchblicken ließen, dass sie sich das vorstellen könnten. Das ist noch so eine Baustelle für die EU-Außenbeauftragte, bei der es den Eindruck zu vermeiden gilt, die EU spreche gerade jetzt nicht mit einer Stimme, wo die USA als glaubwürdiger Friedensstifter zwischen Israel und Palästinensern auszufallen drohen. "Wir werden die USA als Schlichter nicht akzeptieren", erklärte vergangene Woche Palästinenser-Präsident Mahmut Abbas in einer regelrechten Wutrede. Dieser war unter anderem die Trump-Drohung vorausgegangen, Hilfsgelder für die Palästinensergebiete zurückzuhalten. EU kann USA als Schlichter nicht ersetzen Bei der EU macht man sich wenig Illusionen darüber, ob man die Amerikaner in der Schlichterfrage ersetzen könnte. "Dazu sind wir nicht in der Lage - wir haben weder die Machtposition noch die politischen Mittel", gesteht unumwunden ein EU-Diplomat zu. So geht es den Europäern derzeit vor allem um zwei Dinge: Einerseits wollen die Europäer Mahmut Abbas davon abhalten, mit radikalen Schritten der Zwei-Staaten-Lösung den endgültigen Todesstoß zu versetzen - die Anerkennung Israels auszusetzen, wäre so ein Schritt. Der würde wohl das Ende des Friedensprozesses bedeuten. Andererseits will die EU der Trump-Regierung klarmachen, dass es keine Alternative zur Zwei-Staaten-Lösung gibt und sie die Alleingänge lieber unterlassen sollte. Bislang ist von Europa aus noch nicht so richtig zu erkennen, wo genau Washington in Sachen Israel und Palästina hinsteuert: Denn auf den Entwurf einer großangelegten Nahoststrategie, den die USA parallel zur Anerkennung Jerusalems als Israels Hauptstadt angekündigt hatten, wartet man in Europa bislang ebenso gespannt wie vergeblich.
# Mit aller Härte gegen die Kurden Die Türkei geht aus der Luft und mit Bodentruppen gegen Kurden im Norden Syriens vor. Protest dagegen duldet die Regierung nicht. Nun tagt der Weltsicherheitsrat. Seit Sonntagvormittag läuft offiziell die türkische Bodenoffensive gegen die kurdischen Volksverteidigungseinheiten im Gebiet um die Stadt Afrin in Nordsyrien. Bereits einen Tag zuvor griffen Flieger aus der Luft an. Mehr als 100 Mal flogen türkische Jets Angriffe gegen Stellungen der kurdischen YPG. Die meisten Ziele seien zerstört worden, meldete der Generalstab in Ankara - darunter auch ein Munitionslager. Neun Dörfer brachte das türkische Militär bis zum Abend unter türkische Kontrolle. In die andere Richtung flogen Raketen von syrischen Stellungen auf grenznahe türkische Städte. Sie verletzten mehrere Dutzend Menschen. Jubel für die "befreundete türkische Armee" Unterstützt werden die türkischen Soldaten von der Freien Syrischen Armee - und von Bewohnern der benachbarten Region Azaz, die den Panzern bei der Fahrt durch ihr Dorf zujubelten. "Wir sind auf den Straßen, um die Freie Syrische Armee und die befreundete türkische Armee zu unterstützen in ihrem Vorhaben, die von der Terrorgruppe PKK besetzten arabischen Gebiete zurückzuerobern", sagt Mohammed Malek aus Azaz. "Und um Afrin von diesen Separatisten und der syrischen SDF zu befreien." Es seien die kurdischen Kräfte gewesen, die Hundertausende arabische Bewohner in die Flüchtlingslager getrieben hätten, sagt ein anderer Mann, der jubelnd am Straßenrand steht. Die Türkei wolle den Einsatz so schnell wie möglich abschließen, sagte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan vor Anhängern in Bursa in der Westtürkei. "Nun geht es darum, Afrin seinen wahren Bewohnern zurückzugeben", so der Staatschef. Die "syrischen Brüder und Schwestern", die sich zurzeit als Flüchtlinge in der Türkei befänden, sollten "sobald wie möglich wieder in ihr eigenes Land zurückkehren können". Frankreich beantragte Dringlichkeitssitzung Die Weltgemeinschaft zeigte sich besorgt. Frankreich beantragte eine Dringlichkeitssitzung des Weltsicherheitsrats. Davon konnte auch der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu seinen französischen Kollegen Jean-Yves Le Drian bei einem Telefongespräch nicht abbringen. Cavusoglu sagte: "Ich habe dem französischen Außenminister erklärt, was wir in Afrin tun, und ihm versichert, dass wir nur die Terroristen im Visier haben und starke Rücksicht auf die Zivilbevölkerung nehmen." Drian sei ebenfalls sehr besorgt über die Angriffe des syrischen Regimes in der Region Idlib, so Cavusoglu. "Deshalb wollen sie den Weltsicherheitsrat einschalten." Von Polizei in Kampfmontur weggeschleift Die Reaktionen der türkischen Bevölkerung auf die sogenannte "Operation Olivenzweig" sind unterschiedlich. Menschen, die einem Aufruf der prokurdischen Partei HDP gefolgt waren, in Istanbul gegen den Einmarsch zu demonstrieren, wurden von einem großen Polizeiaufgebot daran gehindert. "Nein zum Krieg", riefen einige Demonstranten. Viele wurden von Polizeibeamten in Kampfmontur weggeschleift. Die rüde Behandlung kam nicht überraschend. Wer Erdogan in Bursa gehört hatte, musste vorgewarnt gewesen sein. Der Präsident sagte: "Wir leiten gerade im Geiste der nationalen Einheit eine Operation gegen jene, die aus dem Ausland unsere Landesgrenzen bedrohen. Und ihr? Ihr versucht, uns von innen zu schlagen. So, wo wir die einen aus ihren Höhlen in den Bergen herausgeholt haben, so werden wir auch euch niemals die Plätze und Straßen überlassen." Kritik vor allem von Kurden Es sind vor allem Kurden, die den Einsatz in Afrin kritisieren. Ein Mann in der Kurdenmetropole Diyarbakir im Osten des Landes sagte: "Die Weltgemeinschaft steht in der Schuld der Kurden. Denn sie waren es, die ihren Kopf im Kampf gegen die Terrormiliz 'Islamischer Staat' hingehalten haben." Die großen Mächte sollten dem Mann zufolge nun Druck auf die Türkei ausüben. "Zum Beispiel in Form einer Resolution der Vereinten Nationen", sagte er. "Ich will, dass die türkischen Angriffe aufhören." Mit dem militärischen Eingreifen der Türkei ist nicht nur die Lage in Syrien noch komplizierter geworden. Auch die innere Stabilität der Türkei steht damit erneut auf dem Prüfstand.
# Auf Luftangriffe folgen Bodentruppen Die Türkei setzt ihre angekündigte Militäroffensive gegen die Kurdenmiliz YPG fort: Nach Angriffen aus der Luft, rücken nun Bodentruppen in das syrische Grenzgebiet Afrin vor. Weithin waren die Einschläge türkischer Geschütze im Nachbarland Syrien zu hören. Die Angriffe erfolgten von türkischem Boden oder aus der Luft. Die meisten der anvisierten Ziele seien getroffen worden, meldete der türkische Generalstab. Mindestens zehn Menschen seien getötet worden, teilten die syrischen Kurden mit, darunter sieben Zivilisten. Umgekehrt trafen mindestens vier Raketen türkische Wohngebiete in der Grenzregion Kilis. Dabei wurde nach offiziellen türkischen Angaben eine Frau leicht verletzt.   Panzer rollen über Grenze nach Syrien Bereits in der Nacht waren Panzer über die syrische Grenze gefahren. Am Vormittag begann dann die Bodenoffensive, wie sie Ministerpräsident Binali Yildirm angekündigt hatte. Yildirim sprach gestern von einer 30 Kilometer breiten Sicherheitszone, die die Türkei in Syrien erobern wolle. Neben türkischen Soldaten würden auch Einheiten der Freien Syrischen Armee - Rebellen, die von der Türkei unterstützt werden - Teil dieser Operation sein. Kämpfer der Freien Syrischen Armee wurden in Bussen und ihre Pick-Up-Fahrzeugen von der Türkei aus nach Syrien gebracht. Bei vielen von ihnen soll es sich um syrische Turkmenen handeln, die seit jeher eine enge Verbindung zur Türkei unterhalten und sich vom Assad-Regime unterdrückt fühlten. Keine Kontrolle durch "Terrorgruppen" Die "Operation Olivenzweig" gegen die kurdischen Volksverteidigungseinheiten YPG ist eine Reaktion auf die Pläne der USA, entlang der syrischen Nordgrenze eine 30.000 Mann starke, kurdisch dominierte Truppe aufzustellen. Doch die Türkei sieht in den kurdischen Bündnispartnern der Amerikaner eine Gefahr für die eigene Sicherheit, erklärt Huseyin Bagci, Professor für Internationale Beziehungen an der Technische Universität des Nahen Ostens in Ankara: "Die YPG, beziehungsweise die kurdischen Gruppen dort, haben Verbindungen zur PKK. Die türkische Regierung verbreitet seit einigen Tagen den Standpunkt, die türkische Grenze darf nicht von Terrorgruppen kontrolliert werden. Von einem nationalen Standpunkt aus betrachtet, kann man das verstehen." Absprachen mit Moskau? Von der gut 900 Kilometer langen türkisch-syrischen Grenze befinden sich rund 700 Kilometer fast durchgehend im Einflussgebiet der Kurden. Lediglich die Region um Afrin im Nordwesten ist von dem kurdischen Riegel abgespalten. Deshalb sei ein Erfolg der türkischen Offensive hier nicht unwahrscheinlich, meint Oytun Orhan, vom Zentrum für strategische Studien im Mittleren Osten in Ankara: "In der Gegend um Afrin sieht die Türkei realistische Chancen. Sie ist isoliert und verletzlicher als andere Gebiete. Dank der Kooperationsbereitschaft der Russen, kann die Offensive hier mit den Russen und Iranern abgestimmt werden." Tatsächlich gab es offenbar Absprachen zwischen dem türkischen Generalstab und Moskau. Kurz vor Beginn der Offensive zogen sich russische Soldaten aus Afrin zurück.
# Soziale Medien löschen mehr Der Kampf gegen Hass im Internet kommt nach einer EU-Untersuchung auch ohne gesetzliche Regelungen zügig voran. Soziale Medien nahmen zuletzt rund 70 Prozent aller beanstandeten Inhalte freiwillig aus dem Netz. Facebook, Twitter und YouTube haben Hass- und Hetzkommentare zuletzt vermehrt gelöscht. Das geht aus einer Untersuchung der EU-Kommission hervor. Zahlen der Brüsseler Behörde zufolge nahmen die Unternehmen zuletzt rund 70 Prozent aller beanstandeten Inhalte auf Grundlage ihrer freiwilligen Selbstverpflichtung aus dem Netz. Dies war deutlich mehr als bei der Überprüfung im Mai vergangenen Jahres. Damals konstatierte die Kommission eine Löschquote von 59 Prozent. Ende 2016 lag sie noch bei nur 28 Prozent. "Die neuesten Ergebnisse zeigen uns deutlich, dass die freiwillige Selbstverpflichtung derzeit sehr gut funktioniert, wenn es um Hass im Netz geht", sagte EU-Justizkommissarin Vera Jourová. Jourová warnte die Branche allerdings davor, sich auf den Erfolgen auszuruhen. Facebook muss die meisten Beschwerden bearbeiten Die neuen Zahlen zeigen, dass sich die meisten Beschwerden auf Hetzpropaganda gegen bestimmte Volksgruppen, Muslime, Fremde oder Homosexuelle beziehen. Am stärksten betroffen ist den Zahlen zufolge Facebook, das rund die Hälfte aller Beschwerden bearbeiten musste. Zuletzt hatte in diesem Zusammenhang das neue deutsche Gesetz zum härteren Vorgehen gegen Hass im Netz Ärger in der EU-Kommission ausgelöst. Das sogenannte Netzwerkdurchsetzungsgesetz soll dazu führen, dass Online-Netzwerke strafbare Inhalte schneller löschen. Bei systematischen Verstößen gegen die Vorgaben sind Bußgelder von bis zu 50 Millionen Euro vorgesehen. Die EU-Kommission hatte den deutschen Alleingang kritisiert und vor einem Flickwerk an Regeln in Europa gewarnt.
# "Deutschland soll Teamplayer sein" Deutschlands Handelsüberschuss hält sie für zu hoch, die Investitionen für zu niedrig: Im ARD-Interview begründet IWF-Chefin Lagarde ihre Position - unter Verweis auf Ex-Minister Schäuble und den FC Bayern. ARD: US-Präsident Trump kritisierte mehrfach den deutschen Handelsüberschuss, auch Sie halten ihn für zu hoch. Warum? Christine Lagarde: Ich glaube nicht, dass wir die Einzigen sind, die den Leistungsbilanzüberschuss Deutschlands als zu hoch betrachten. Wir sind nicht der Auffassung, dass es keinerlei Überschuss geben darf: Einen Teil des Überschusses halten wir durchaus für gerechtfertigt, wenn man sich die Fundamentaldaten Deutschlands anschaut - dazu zählt auch die Alterung der Gesellschaft. Das momentane Überschussniveau ist aber nicht gerechtfertigt. Insofern sind wir der Meinung, dass das eines der Instrumente ist, die Deutschland künftig nutzen kann, um seine Wirtschaft voranzubringen, um ein guter globaler Teamplayer zu sein und um Ungleichgewichte zu reduzieren. Um es mit einer Fußball-Analogie zu sagen: Ich erinnere mich an eine Diskussion mit meinem guten Freund Wolfgang Schäuble. Wolfgang sagte zu mir: "Verlangst du von mir etwa, Bayern München zu sagen, sie sollten nicht gut spielen, so dass Olympique Lyon das Spiel gewinnen kann?" Ich sagte: "Nein. Es geht nicht darum, die Wettbewerbsfähigkeit zu reduzieren. Es geht darum, den Fiskalüberschuss, der vorhanden ist, zu nutzen, um Politik zu machen, die Anreize für Investitionen schafft." Es geht darum, dass Bayern München starke junge Spieler hat, die besser ausgebildet sind, in deren Ausbildung investiert wurde - und die die neueste Ausrüstung haben, um ihre etwas älteren Spieler trainieren zu können. Mit anderen Worten: Investition in Innovation. Risiken ins Auge schauen ARD: Bundesbank-Präsident Weidmann sieht das anders, Kritik an der deutschen Handelsbilanz lässt er nicht gelten. Liegt er falsch? Lagarde: Ich glaube nicht, dass er mir in der Einschätzung widersprechen würde, dass der Leistungsbilanzüberschuss zu hoch ist. Das Argument einiger Leute, die mir da widersprechen, ist vielmehr: Ja, der Überschuss ist zu hoch. Aber das ist nur vorübergehend so. Die Marktkräfte werden es regeln. Und der Überschuss wird automatisch auf ein vernünftigeres Niveau sinken. In einer globalen Marktwirtschaft, in der Deutschland ein wichtiger großer Spieler ist, wäre es klug, sich darüber im Klaren zu sein, dass es potenzielle protektionistische Risiken gibt - und man deswegen anstreben sollte, ein guter Teamplayer auf weltwirtschaftlicher Ebene zu sein und diese massiven Überschüsse vermeiden sollte. ARD: Weidmann ist nicht der einzige deutsche Kritiker der Nullzinspolitik und der Anleihenkäufe der EZB. Können Sie das nachvollziehen? Lagarde: Wir beim IWF sind der Meinung, dass die EZB, dass jede Zentralbank unterstützend wirken sollte, solange das Inflationsziel nicht erreicht ist. So lange sollte sie ihre lockere Geldpolitik beibehalten. Nicht für immer. Wenn das Inflationsziel erst einmal in Reichweite ist, wenn die Wirtschaft besser läuft - dann spricht natürlich nichts dagegen, zu einer traditionelleren Geldpolitik zurückzukehren, so wie es zum Beispiel die US-Notenbank gerade macht, weil sich in den USA zeigt, dass die zwei Ziele - Inflation und Beschäftigung - in Reichweite oder sogar schon erreicht sind. ARD: Der Brexit ist für März 2019 vorgesehen. Was meinen sie, wie gefährlich er wird? Lagarde: Er wird auf jeden Fall die Landkarte Europas verändern. Er wird eine Phase einläuten, die hoffentlich nicht von allzu viel Unsicherheit geprägt sein wird, weil sich die verschiedenen Parteien auf eine großzügige Übergangsphase geeinigt haben werden, so dass sich der Industrie-Sektor mit seinen Lieferketten vergleichsweise gut auf die Veränderungen einstellen kann, so dass sich auch die Finanzindustrie entsprechend anpassen kann. Ein großer Teil dieser Industrie sitzt momentan ja noch in der Londoner City. Ich hoffe eben einfach, dass es in allen Wirtschaftsbereichen so wenig Erschütterung wie möglich gibt. Das Interview führte Markus Gürne, ARD-Börsenredaktion.
# Apple schockt Brüssel Die Entscheidung von Apple, seine Konzern-Milliarden wieder verstärkt in den USA anzulegen, schlägt hohe Wellen in Europa. Dort hatte man dem Konzern jahrelang großzügige Steuernachlässe gewährt. Von Ralph Sina, ARD-Studio Brüssel EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager kann nur ohnmächtig staunen: Der Plan von Apple ist aufgegangen. Auf seine EU-Gewinne hat Apple jahrelang dank irischer Steuerschlupflöcher einen kaum noch messbaren Körperschaftssteuersatz gezahlt. Die Auslandsgewinne wurden in Steueroasen geparkt. Nun werden sie dank Trumps Steuerreform zu Spezialkonditionen in die USA zurückgeschleust. Zum neuen Steuersatz von 15 statt der bisher in den USA geltenden 35 Prozent. "Ein Ergebnis von Trumps Steuerreform" 20.000 neue Jobs kündigt Apple an. Und ein neues Datencenter. 30 Milliarden Dollar will Apple in den nächsten fünf Jahren in den USA investieren. "Ein Ergebnis von Trumps Steuerreform", betont Apple-Chef Tim Cook gegenüber ABC News. Die 38 Milliarden US-Dollar Steuern, die Apple für die Gewinnverlagerung in die USA bezahlen muss, kann der Apple-Chef verschmerzen. Angesichts des Gewinns von 250 Milliarden. Ein Gewinn, welchen das Steuerparadies Irland mit möglich machte. Denn die Regierung in Dublin ermöglichte systematisch, dass - wie EU-Wettbewerbskommissarin Vestager es formulierte - ein großer Teil der EU-Einkünfte überhaupt nicht versteuert wurde. Weil Irland lange Zeit die Einkünfte von Hauptquartieren für steuerfrei erklärte. Also buchte die Tochterfirma Apple Sales International einen Großteil ihrer Gewinne auf das Hauptquartier, obwohl es praktisch nur virtuell existierte. Irland als Steuerparadies Illegale Staatsbeihilfe durch Irland, so die Diagnose der EU-Kommission. Sie ordnete eine Steuernachzahlung von 13 Milliarden Euro an. Doch die irische Regierung stellte sich auf Apples Seite. Irland sei keine Steueroase. Und wolle auch keine sein, erklärte Irlands Premier Leo Varadkar im EU-Parlament. Und lehnte die Entgegennahme der von der EU-Kommission angeordneten Strafe kategorisch ab. Mittlerweile hat die Regierung in Dublin zwar nachgegeben. Weil sie Brüssel im Brexit-Poker mit dem Vereinigten Königreich braucht. Aber die 13 Milliarden Euro Steuernachzahlung wurden immer noch nicht auf das dafür eingerichtete Treuhandkonto überwiesen. Erst im zweiten Quartal dieses Jahres werde man mit dem Einsammeln beginnen, betonte jetzt der irische Premier im Straßburger EU-Parlament. Obwohl die Frist für die Steuernachzahlung bereits seit Januar 2017 abgelaufen ist. Doch Irland sucht bisher vergeblich Investmentmanager, welche die Milliardennachzahlung geschickt anlegen sollen. Auch bei deren Auswahl hat Apple die Hände im Spiel. Das Juncker-Team guckt nur ohnmächtig zu: Ob Apple jetzt überhaupt noch einen Cent nach Irland überweist, weiß niemand.
# Entspannungssignale nach der Eiszeit Die Europäische Union erwägt nach monatelanger diplomatischer Eiszeit ein neues Spitzentreffen mit der Türkei. Die Rolle Bulgariens bei diesem Signal der Entspannung ist nicht zu unterschätzen. Es wäre vermutlich verfrüht, von einem echten "Tauwetter-Trend" zu sprechen. Doch dass sich das Verhältnis Ankara-Berlin und damit auch die Beziehung Ankara-Brüssel zuletzt vorsichtig entkrampft haben, ist unübersehbar. Besser reden als anschweigen Eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt dabei, dass mit Bulgarien gerade ein unmittelbarer Nachbar der Türkei den EU-Vorsitz übernahm und bereits damit begonnen hat, auf ein besseres Verhältnis zu drängen: "Dass die Türkei sich an das Flüchtlingsabkommen hält, ist extrem wichtig für Europa", mahnte Bulgariens Regierungschef Boiko Borissow. "Vergessen wir nicht, dass nach Unterzeichnung des Deals der Flüchtlingsstrom stark nachgelassen hat." Wie EU-Offizielle dem ARD-Studio Brüssel bestätigten, gibt es nun auch wieder Überlegungen für ein neues Spitzentreffen mit dem türkischen Präsidenten Erdogan. Auch wenn Einzelheiten noch unklar seien. Die "Welt" hatte von einem für Ende März geplanten Treffen berichtet. Der EU-Abgeordnete Daniel Caspary jedenfalls würde eine solche Spitzenbegegnung begrüßen: "Wir haben viele gemeinsame Herausforderungen: Wir müssen Stabilität und Sicherheit in der ganzen Region Mittelmeer, Türkei, Nahost schaffen. Diese Sprachlosigkeit, die wir in letzter Zeit hatten, muss aufhören. Man kann Probleme viel besser lösen, wenn man - auch strittig - im Gespräch ist, als wenn man sich anschweigt und nebeneinander herwurstelt." Kein roter Teppich für Erdogan Aus EU-Sicht macht es durchaus Sinn, die jüngsten Entspannungssignale aus Ankara und die Haftentlassung von Menschenrechtlern nicht völlig unbeantwortet zu lassen. Nur will man in Brüssel und anderen europäischen Hauptstädten ganz sicher auch nicht ins andere Extrem verfallen und so tun, als sei nun auf einmal wieder alles in bester Ordnung. So ist denn derzeit überhaupt nicht absehbar, dass die EU als Belohnung zum Beispiel die Ausweitung der Zollunion wieder ins Gespräch bringt – nichts sähe der türkische Präsident Erdogan aber lieber als das Schleifen von Handelshemmnissen: Der CDU-Europa-Abgeordnete Caspary sagt dazu: "Man sollte den zweiten Schritt nicht vor dem ersten tun. Jetzt geht es erstmal darum, dass man wieder miteinander spricht." Sollte es denn tatsächlich bald zu einem EU-Türkei-Treffen kommen, was die Kommission auf Nachfrage zunächst nicht bestätigen wollte, würden an dieser Begegnung wohl eher nicht Merkel, Macron und Co, also sämtliche Staats- und Regierungschefs der EU teilnehmen. Den leuchtend-roten Teppich, den man Erdogan noch vor zwei Jahren auszurollen bereit war, dürfte die EU vorerst in der Requisitenkammer lassen. Beitrittspläne bleiben auf Eis Dafür ist im Jahr 2017 zu viel passiert, was die Beziehungen hat erkalten lassen: "Wir werden sehen, welche Fortschritte die Türkei in den kommenden Monaten macht. Aber es wird keinen Fortschritt geben, solange Journalisten in türkischen Gefängnissen sitzen", bekräftigte Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Die Türkei und die EU bemühen sich zwar unübersehbar um eine behutsame Wiederannäherung. Was aber nichts daran ändert, dass die Beitrittsgespräche faktisch weiter auf Eis liegen. Überlegungen, dieses Eis zu schmelzen und den Prozess wiederzubeleben, gibt derzeit niemand wirklich eine Chance.
# Schweizer Grundschullehrer dürfen aufklären Sexuelle Aufklärung in der Grundschule? Eine Schweizer Mutter hielt das für viel zu früh und klagte. Doch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hält die Sexualkunde für gerechtfertigt. Sexuelle Aufklärung ist in der Schweiz bereits Thema in Grundschulen. Doch sind die Kinder dafür nicht noch zu jung? Nein, entschied nun der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) - zumindest nicht für die Form der Sexualkunde, wie sie in den Schweizer Grundschulklassen angeboten wird. Privatsphäre oder Religionsfreiheit verletzt? Grundlage für den Fall war eine Klage einer Schweizerin aus Basel, deren damals sieben Jahre alte Tochter 2011 in die zweite Klasse gekommen war. Von dem in dieser Stufe vorgesehenen Sexualkundeunterricht wollte die Mutter ihr Kind befreien lassen. Sie sah das Recht ihrer Tochter auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt. Zudem führte die Mutter auch an, in einigen Fällen könne die Religionsfreiheit der Kinder eingeschränkt werden. Beide Punkte wiesen die Straßburger Richter zurück. Ein Grund liegt in der Art und Weise der Aufklärung für die Grundschulkinder. Deren Lehrer sind angewiesen, mögliche Fragen ihrer Schüler zu beantworten, aber keinen "systematischen" Sexualkundeunterricht zu erteilen, hieß es in der Urteilsbegründung. Dadurch bleibe den Eltern nach wie vor das Recht, ihre Kinder selbst aufzuklären. Und die Kinder könnten vor möglichem sexuellen Missbrauch geschützt werden. Auch die Religionsfreiheit der Schulkinder sah der EGMR nicht verletzt. Denn die Religionsfreiheit schütze die Kinder nicht davor, in der Schule mit anderen Ideen oder Anschauungen in Kontakt zu kommen, sondern nur vor einer vehementen Indoktrination mit anderen Auffassungen.
# Wer Flüchtlingen hilft, muss zahlen Mit einer Strafsteuer für NGOs verschärft Ungarn seine Flüchtlingspolitik erneut. Für Aufregung sorgt zugleich ein Bericht, das Land habe heimlich Migranten aufgenommen. Die ungarische Regierung beabsichtigt, knapp drei Monate vor den Parlamentswahlen am 8. April ihre restriktive Flüchtlingspolitik nochmals zu verschärfen. Innenminister Sandor Pinter kündigte in Budapest ein dreiteiliges Gesetzespaket an, das unter anderem vorsieht, Flüchtlingsorganisationen zu besteuern, die den überwiegenden Teil ihrer Einnahmen aus dem Ausland beziehen. Darunter fallen nahezu alle ungarischen Menschenrechts- und Asylhilfe-Organisationen, die sich um Flüchtlinge kümmern. Regierungssprecher Zoltan Kovacs nannte den legislativen Vorstoß mit Blick auf den ungarischstämmigen US-Milliardär George Soros ein "Stop-Soros-Gesetzespaket". Gegen den 87-Jährigen führt die Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban seit Monaten eine massive Kampagne. Sie wirft Soros vor, er unterstütze Zivilorganisationen, um Europa mit Flüchtlingen zu "überschwemmen". Das Gesetzespaket umfasse drei Gesetzentwürfe, so Kovacs. Das werde die Öffentlichkeit in den kommenden Tagen erkennen. "Die Regierung hat im Zuge der nationalen Konsultation Meinungen eingeholt und gemacht, was sie machen konnte." Details bisher noch unklar Am Donnerstag will die Regierung den eigentlichen Gesetzestext vorlegen, daher bleiben die Details bislang unklar. Aus dem schriftlich verteilten Positionspapier geht unter anderem hervor, dass sich Nichtregierungsorganisationen registrieren lassen müssten, sofern diese "illegale Migration" unterstützten. Zum zweiten Gesetz des Pakets sagte Innenminister Pinter: "Mit einem anderen Gesetz möchten wir erreichen, dass NGOs, die aus dem Ausland größere finanzielle Unterstützung bekommen als aus Ungarn - egal, ob sie von Privatpersonen oder Organisationen kommt - eine Gebühr bezahlen sollen. Diese Gebühr wird 25 Prozent der Auslandsförderung sein." Ferner beabsichtigt die Orban-Regierung, dass Aktivisten der Zugang zum Grenzgebiet untersagt werden kann, sofern sie sich bis auf acht Kilometer der EU-Außengrenze Ungarns nähern sollten. Kovacs fügte in diesem Zusammenhang hinzu, dass Ausländern unter Umständen der Zutritt ins Land insgesamt verwehrt werden könne. Seit Tagen spekulierten regierungstreue Medien in Ungarn darüber, ob Ministerpräsident Orban seinem Intimfeind Soros die Einreise in dessen Heimatland verweigern wolle. Soros, der vor dem Aufstand von 1956 zunächst nach Großbritannien und anschließend in die USA emigriert war, hat neben der amerikanischen auch die ungarische Staatsbürgerschaft. "Wir möchten Personen, an erster Stelle die Ausländer, daran hindern, dass sie an der illegalen Migrationsförderung teilnehmen", sagte Innenminister Pinter. "Deswegen werden wir eine neue Institution einführen: das fremdenpolizeiliche Fernhalten." Das werde dafür sorgen, dass man ausländische Staatsbürger fernhalten könne. "Ungarische Staatsbürger können wir nur von der Schengener Grenze in einem acht Kilometer breiten Gürtel fernhalten." 1300 Flüchtlinge heimlich aufgenommen? Für zusätzliches innenpolitisches Aufsehen sorgt zudem nach Angaben der österreichischen Nachrichtenagentur APA das Eingeständnis eines hohen Beamten des ungarischen Außenministeriums, wonach Ungarn im vergangenen Jahr "heimlich" 1300 Flüchtlinge aufgenommen habe. Dies sei damals nicht veröffentlicht worden, um "die Begünstigten nicht in Gefahr" zu bringen. 90 Prozent dieser Flüchtlinge hätten das Land bereits wieder verlassen, erklärte die Regierung in einer Stellungnahme. Der Vorsitzende des Parlamentsausschusses für Nationale Sicherheit, der sozialistische Abgeordnete Zsolt Molnar, verlangte umgehend Aufklärung von Orban. Es sei "inakzeptabel", dass die Regierung heimlich und ohne Wissen der ungarischen Bürger Flüchtlinge ins Land hole, während sie gleichzeitig einen blindwütigen Kampf gegen die Flüchtlingsverteilung in Europa führe.
# Der Streik als Menschenrecht? Ein verbeamteter Lehrer streikt nicht - ein altbewährter Grundsatz in Deutschland. Doch ist er auch rechtens? Das Bundesverfassungsgericht soll den Streit um den Streik klären. Monika Dahl gehört zu den Lehrern, die mit ihrem Dienstherrn Probleme bekommen haben, weil sie sich an einem Streik beteiligt haben. Geht nicht, sagte die Schulbehörde: Ihr seid Beamte und dürft nicht streiken. Aber das will Dahl nicht einleuchten: "Im Kollegium steht man zusammen und arbeitet zusammen. Da kann es nicht sein, dass sich am Streiktag nur ein paar Angestellte beteiligen, die gewerkschaftlich organisiert sind. Und die Beamten bleiben im Warmen und lassen die anderen auf die Straße gehen und erkämpfen, was dann auf die Verbeamteten übertragen wird", sagt sie. Streiken als Menschenrecht Die nordrhein-westfälische Lehrerin ist mit drei anderen Kollegen aus Niedersachsen und Schleswig-Holstein vor das Bundesverfassungsgericht gezogen. Sie berufen sich alle auf Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg, der 2008 und 2009 entschieden hatte: Streiken ist ein Menschenrecht. Ein Streikverbot sei deshalb nur für die Beamten zulässig, die hoheitliche Aufgaben wahrnehmen und damit für das Funktionieren des Staates unerlässlich sind, etwa Polizisten. Aus Sicht von Monika Dahl ist das Streikrecht ein "elementares Recht". Das sei in den Köpfen in Deutschland aber noch nicht so verankert, hier sei man schon "obrigkeitshörig". "Aber es ist ein Grundrecht, da sind andere Länder anders unterwegs. Das muss hier in Deutschland genauso möglich sein", fordert Dahl. Keine Beamten erster und zweiter Klasse In der Verhandlung bekamen die Kläger aber viel Gegenwind. Bundesinnenminister Thomas de Maizière war extra gekommen, um das Berufsbeamtentum in der bisherigen Form zu verteidigen. Der Staat müsse für seine Bürger da sein, betonte de Maizière, vor allem, "wenn es ernst wird". "Stellen Sie sich mal vor, in der Flüchtlingskrise, wenn alle gefordert sind, sagen Beamte plötzlich: 'Och, wir möchten mal streiken.' Das kann so nicht funktionieren." Alle Beamten müssten flexibel einsetzbar sein, damit die öffentliche Verwaltung krisenfest bleibt. Deswegen sei die Unterscheidung je nach Aufgabe, ob sie hoheitlich ist oder nicht, nur schlecht handhabbar. Als Beispiel nennt der Innenminister etwa Polizisten, die in Polizeischulen als Lehrer fungieren - oder Lehrer, die im Kultusministerium und damit hoheitlich arbeiten würden. "Die Trennung zwischen Beamten erster und zweiter Klasse funktioniert nicht", so de Maizière. Beamtenbund: Krisen durch Streikverbot gemeistert Auch Ulrich Silberbach, Vorsitzender des Beamtenbundes, plädiert vehement dafür, Beamten weiterhin das Streiken generell zu verbieten: "Deutschland ist in den letzten Jahren in all den Krisen, die wir hatten, so gut gefahren, weil es eben einen streikfreien Raum in den markanten Bereichen des öffentlichen Dienstes hatte." Das Streikverbot für Beamte war bislang in Deutschland ein ehernes Gesetz. Die zentrale Frage für die Verfassungsrichter: Muss dieses eherne Gesetz wegen der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aufgeweicht werden? Den ganzen Nachmittag über hat das Gericht Experten befragt, wie die Urteile aus Straßburg zu verstehen sind. Immer wieder klang an, die seien teilweise vage und würden deswegen die deutsche Rechtslage nicht unbedingt infrage stellen. Ob die Verfassungsrichter dem folgen, ist allerdings nicht sicher. Eine Karlsruher Entscheidung fällt voraussichtlich erst in einigen Monaten.
# Ein bisschen Einigkeit Die EU-Außengrenzen stärken, illegale Migration reduzieren - darin haben sich Bundeskanzlerin Merkel und der österreichische Kanzler Kurz nach ihrem Treffen einig gezeigt. Bei der Frage der Umverteilung von Flüchtlingen in Europa wurden jedoch erneut Gegensätze deutlich. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat nach dem Antrittsbesuch des österreichischen Kanzlers Sebastian Kurz erklärt, die EU-Außengrenzen stärken und die illegale Migration in der Union reduzieren zu wollen. Über diese Ziele sei sie sich mit Kurz einig, sagte sie nach dem Treffen im Kanzleramt. Merkel erklärte, aus ihrer Sicht sei es notwendig, die Partnerschaften mit den Herkunftsländern zu stärken. Bei der Frage der Aufnahme von Flüchtlingen müsse es mit den Herkunftsländern "Formen einer neuen Zusammenarbeit" geben, Schlepper und Schleuser dürften hingegen nicht unterstützt werden. "Zu viel Raum" für Diskussion über Quoten? Im Streit um die Umverteilung von Flüchtlingen gab es jedoch erneut keine Annäherung. Merkel sagte, es könne nicht sein, dass Länder sich nicht an einer europäischen Solidarität beteiligen wollten. Kurz hatte sich dagegen in der Flüchtlingsdebatte hinter Länder wie Polen oder Ungarn gestellt, die eine Umverteilung von Migranten in der EU nach festgelegten Quoten ablehnen. Auch nach dem Treffen mit Merkel bekräftigte er seine Haltung, dass in der EU "die Diskussion über die Quoten etwas zu viel Raum" einnehme. "Ich bin überzeugt davon, dass die Lösung der Migrationsfrage in einem ordentlichen Außengrenzschutz und einer stärkeren Hilfe vor Ort liegt", sagte er. Seiner Ansicht dürfe Österreich nicht der Vorwurf gemacht werden, unsolidarisch zu sein, da es überproportional viele Flüchtlinge aufgenommen habe. Enge Absprachen mit anderen Nettozahlern Breitere Übereinstimmungen gab es in der Europapolitik. Was sie bei diesem Thema von Kurz gehört habe, stimme sie "zuversichtlich, dass wir eine gute Zusammenarbeit hinbekommen", sagte Merkel. Mit Blick auf die Verhandlungen des EU-Budgets vereinbarten beide enge Absprachen mit allen anderen Nettozahlern. In der Debatte, wer die britischen Beiträge nach einem Brexit übernehmen solle, plädierte Kurz auch für Einsparungen und mehr Effizienz im EU-Haushalt. Er habe mit der Kanzlerin "vor allem über die Europäische Union gesprochen und wie wir sie zum Positiven verändern können", sagte er. Sein Ziel sei es, eine EU zu schaffen, "in der die Spannungen zwischen den Mitgliedstaaten wieder weniger werden und nicht mehr." Auch gegenüber der Visegradgruppe - Polen, Ungarn, Tschechien und die Slowakei - könne Österreich gut als Brückenbauer dienen. Kurz war am Mittag zu seinem Antrittsbesuch im Kanzleramt eingetroffen. Im Oktober hatte er mit seiner konservativen ÖVP die Parlamentswahl in Österreich gewonnen und dann mit der rechtspopulistischen FPÖ eine Regierungskoalition gebildet. Mit Blick auf das umstrittene Bündnis sagte Merkel, sie werde die neue österreichische Regierung "an ihren Taten messen". Da wo es unterschiedliche Sichtweisen gebe, "werden wir alles tun, um gemeinsame Positionen zu finden".
# Eine Frist für Hendricks Schon lange macht die EU-Kommission wegen der hohen Feinstaubbelastung in Deutschland Druck - nun scheint der Geduldsfaden zu reißen. Umweltministerin Hendricks soll Ende Januar in Brüssel Stellung beziehen - wohl die letzte Chance, um eine Klage zu verhindern. Um der Umweltverschmutzung in deutschen Städten den Kampf anzusagen, setzt die EU-Kommission der Bundesregierung jetzt ein knappes Ultimatum: Das Team unter Kommissionschef Jean-Claude Juncker räumt Deutschland eine Frist bis Ende des Monats ein, um die Luftqualität zu verbessern. Umweltministerin Hendricks zum Gespräch zitiert Zwar ist die EU-Kommission keine Regierung, welche Botschafter oder Minister von EU-Mitgliedsstaaten nach Brüssel einbestellen kann. Aber Minister nach Brüssel bitten kann sie durchaus: Für Dienstag, den 30. Januar, hat EU-Umweltkommissar Karmenu Wella die geschäftsführende Umweltministerin Barbara Hendricks zu einem zweistündigen Gespräch eingeladen. Das Gespräch ist auf zwei Stunden - von neun bis elf Uhr - begrenzt, weil acht weitere Umweltminister nach Brüssel zitiert wurden. Auch in deren Ländern werden die EU-Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxide überschritten. Bis zum 23. Januar solle Hendricks ihr Kommen bestätigen, heißt im Brief von Junckers Umweltkommissar. Aus dem Bundesumweltministerium hieß es bereits, dass die Ministerin den Termin natürlich wahrnehmen werde. Was einem Einbestellen sehr nahe kommt. Wella spricht in seinem Schreiben von einer ernsten und dringenden Lage, wegen des unzureichenden Fortschritts bei der Einhaltung der in der EU vorgeschriebenen Luft-Qualitätsstandards. Dieses Treffen in Brüssel solle als letzte Chance dafür angesehen werden, Schritte vorzuweisen, um die Lage zu bereinigen. EU will Deutschland verklagen Wegen der zu hohen Belastung durch Feinstaub und Stickoxide aus Diesel-Pkw in 28 deutschen Ballungszentren hatte die EU-Kommission bereits im Juni 2015 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik eingeleitet. Weil bisher nichts Entscheidendes von deutscher Seite geschah, droht die EU-Kommission Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof zu verklagen. Noch ist unklar, ob die Kommission nun zunächst das Gespräch mit Hendricks Ende Januar abwartet oder die Klage schon vorher beim EuGH einreicht, um zusätzlichen Druck aufzubauen. Die EU-Kommission äußert sich grundsätzlich nicht öffentlich zu Vertragsverletzungsverfahren. Bei einer Verurteilung durch den EuGH drohen der Bundesrepublik hohe Strafzahlungen. Bundesumweltministerin Hendricks und Verkehrsminister Christian Schmidt hatten in einem Schreiben vom 9. Januar die EU-Kommission eindringlich gebeten, das Vertragsverletzungsverfahren nicht voranzutreiben. Denn man erwarte, dass es in absehbarer Zeit zu einer spürbaren Reduzierung der Stickstoffoxidbelastung kommen werde, hieß es in dem Brief der beiden geschäftsführenden deutschen Minister.
# Einsamkeit wird Regierungssache Einsamkeit gilt als Phänomen der älteren Generation. Doch das Gefühl der Isolation zieht sich durch alle Gesellschaftsschichten. Großbritannien will das Problem angehen - und hat dafür sogar einen eigenen Ministerposten geschaffen. Die Britin Tracey Crouch war bisher Staatssekretärin für Sport und Ziviles. Nun hat sie eine weitere Aufgabe: den Kampf gegen die Einsamkeit. Großbritanniens Regierung hat für dieses Ziel extra einen neuen Ministerposten geschaffen. Nicht nur ein Problem der Älteren "Einsamkeit ist die traurige Realität des modernen Lebens", begründete Premierministerin Theresa May die Entscheidung für das neue Amt. In Großbritannien leben rund 65,6 Millionen Menschen - neun Millionen Einwohner fühlen sich nach Angaben des Roten Kreuzes häufig oder immer einsam. Dabei könne das Phänomen jede Altersgruppe und jede Schicht treffen, etwa nach dem Verlust des Jobs, eines geliebten Menschen oder durch die Trennung vom Lebenspartner. Both proud & humbled to be appointed #loneliness minister in order to continue Jo Cox's great work & deliver recommendations of the @JoCoxFoundation working in partnership across gov, business & so many brilliant orgs/charities to combat social isolation & loneliness https://t.co/6vhBcPzoFm Nur ein Gespräch pro Monat May bezog sich auf die am stärksten betroffene Gruppe: Senioren oder Pflegebedürftige seien "Menschen, die niemanden haben, mit dem sie reden oder ihre Gedanken und Erfahrungen teilen können". Studien des Roten Kreuzes haben ergeben, dass etwa 200.000 Senioren in Großbritannien nur einmal pro Monat mit einem Freund oder einem Verwandten ein Gespräch führen. Diese "Epidemie im Verborgenen", wie die Organisation die zunehmende Einsamkeit in der Bevölkerung bezeichnet, könne die Lebenserwartung senken. Für den neuen Ministerposten hatte sich vor allem ein Komitee eingesetzt, das an das politische Wirken der Labour-Abgeordneten Jo Cox erinnert. Cox war 2016 von einem rechtsradikalen Extremisten ermordet worden. Cox hatte sich auch für den Kampf gegen die Einsamkeit in der Gesellschaft eingesetzt.
# Mit dem Löwen in den Euro-Raum? Das Drama um die Eurokrise ist weiterhin nicht verdaut. Immer noch muss die EZB mit ihrer lockeren Geldpolitik Feuerwehr spielen. Dennoch ist die Attraktivität der Gemeinschaftswährung ungebremst hoch: Jetzt will Bulgarien den Euro, stößt aber auf Widerstand. Von Klaus-Rainer Jackisch, HR Das Unternehmen ist eines der modernsten der Welt. Seine Maschinen gehören zur Creme de la Creme der Branche. Und auch die Sicherheitsstandards werden penibel eingehalten: Eine bulgarische Druckerei darf künftig die neuesten Euro-Banknoten drucken. Die Lizenz dafür hat sie von der EZB seit Kurzem in der Tasche. Auf den Geldscheinen der neuen Serie steht der Begriff Euro jetzt neben lateinischen und griechischen Buchstaben auch in kyrillischer Schrift. Bulgarien ist das einzige EU-Land, das diese Schrift in der EU verwendet. Nur eines fehlt noch: der Euro als offizielles Zahlungsmittel in dem Balkanstaat. Das soll sich jetzt ändern, am besten möglichst schnell - ginge es nach dem Willen der bulgarischen Regierung. Das Land zwischen Rumänien im Norden und Griechenland und der Türkei im Süden, zwischen Serbien und Mazedonien im Westen und dem Schwarzen Meer im Osten hat mit großem Enthusiasmus und viel Pomp Anfang Januar für ein halbes Jahr den Vorsitz des EU-Rates übernommen. Jetzt möchte es auch in den Euro-Club eintreten. Der Antrag soll in Kürze gestellt werden. Ganz gute Karten - auf den ersten Blick Für das Armenhaus Osteuropas wäre dies ein Riesenschritt nach vorne. Auf den ersten Blick hat Bulgarien auch ganz gute Karten - offiziell erfüllt es nämlich die Einstiegskriterien mit Bravour. Bulgarien hat kein Haushaltsdefizit. Es dürfte aber bis zu drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes betragen. Der Schuldenstand liegt bei knapp 26 Prozent des BIP - weniger als die Hälfte des Erlaubten (60 Prozent). Inflationsrate und Zinsen liegen bei jeweils einem Prozent, ebenfalls deutlich unter den erlaubten Höchstwerten (2,1 bzw. 4,16 Prozent). Wirklich ernst nimmt diese sogenannten Maastricht-Kriterien ohnehin niemand mehr. Neue Mitglieder müssen sie dennoch einhalten, und sie müssen auch mindestens zwei Jahre lang einen stabilen Wechselkurs gewährleisten. Auch das dürfte für Bulgarien kein großes Problem sein. Das Land hatte seine Nationalwährung Lew jahrelang an die D-Mark und jetzt an den Euro gekoppelt. Der Begriff Lew übrigens eine veraltete Form des Wortes Löwe. Diesen Namen bekam die Währung, weil auf ihren Münzen das bulgarische Wappen geprägt ist - auf dem sind gleich drei Löwen. In kaum einem Land der EU wird so viel geschmiert Doch der wehende Einzug in den Euro-Club dürfte den Euro-freundlichen Bulgaren vermutlich verwehrt bleiben, denn es gibt auch vieles, was dagegen spricht - vor allem die Korruption. In kaum einem Land der EU wird so viel geschmiert wie in Bulgarien. Auf dem Korruptionsindex von Transparency International liegt der Balkanstaat auf dem letzten Platz. Ein Grund, weshalb Bulgarien einem Verfahren der EU-Kommission unterliegt, mit dem Brüssel die Einhaltung der EU-Vorgaben überwacht. Das Land trat erst 2007 im zweiten Teil der Ost-Erweiterung in die Union ein. Auch in Sachen Justiz und Verwaltung hapert es an allen Ecken und Enden. Bei einem von der Weltbank ermittelten Indikator, der die Funktionsfähigkeit des Staatsapparates beurteilt, schneidet nur Griechenland noch schlechter ab. Aus diesem Grund steht die EZB dem Ansinnen Sofias auch sehr skeptisch gegenüber. Formal hat sie zwar Interesse an der Aufnahme weiterer Mitglieder. Denn sie ist verpflichtet, den Auftrag des Maastrichter Vertrages zu erfüllen. Der sieht die Aufnahme aller EU-Staaten in die Eurozone vor - außer derjenigen, die wie Großbritannien und Dänemark von Anfang an ihre Teilnahme ausgeschlossen haben. Aber die EZB muss auch sicherstellen, dass der Neuling fit ist für den Euro. Im letzten Konvergenzbericht der EZB bekam Bulgarien keine guten Noten. Es gebe "übermäßige makroökonomische Ungleichgewichte" hieß es dort diplomatisch. Kein Wunder: Wenn das Schmiergeld fließt, die staatlichen Institutionen unzuverlässig sind und man auch auf die Justiz nicht bauen kann, fehlt die Grundlage für wirtschaftliche Stabilität. Ohne die aber wäre die Euro-Einführung ein Himmelfahrtskommando. Verschärfte Überprüfungen nach der Griechenland-Krise Hinzu kommt: Nach der Griechenland-Krise wird die EZB alles tun, besonders scharf zu prüfen. Noch einmal werden sich die Verantwortlichen nicht nachsagen lassen wollen, ein Land in den Euroraum zu nehmen, das eigentlich unfit ist. Bei Griechenland wurden damals alle Augen zugedrückt, obwohl bekannt war, dass Athen bei der Erhebung von Daten sehr großzügig war und im Kern die Kriterien nicht erfüllte. Doch auf den Zugang des Landes, in dem die Wiege Europas steht, wollten die Währungshüter aus symbolischen Gründen nicht verzichten - mit allen bekannten fatalen Folgen. In den vergangen Jahren ist die Eurozone trotz Krise immer weiter gewachsen. Zuletzt wurde Litauen aufgenommen, nachdem Lettland und zuvor Estland beigetreten waren. Die Aufnahme des Baltikums hat der Gemeinschaftswährung gut getan - und den Ländern noch viel mehr. Bis man das auch für Bulgarien sagen kann, wird es wohl noch dauern. Zu diesem Schluss dürfte auch der EZB-Rat in dieser Woche kommen. Für den steht allerdings ein ganz anderes Thema im Vordergrund: Schon wieder ist die Inflation im Euroraum gesunken, gleichzeitig setzte der Euro zum Höhenflug an. All das bedeutet noch weniger Spielraum, die lockere Geldpolitik zu straffen. So wird sich der EZB-Rat erneut vor allem mit seinen außerordentlichen Maßnahmen beschäftigen - da kann der "Löwe" in Sofia so laut brüllen, wie er will.
# Deutsche werden immer reicher Die privaten Haushalte in Deutschland sind so vermögend wie nie zuvor. In der Summe horteten sie zuletzt fast 5,8 Billionen Euro. Das meiste Geld liegt auf Giro- oder Tagesgeldkonten. Wer Aktien besaß, konnte sich über kräftige Kursgewinne freuen. Die Deutschen werden immer reicher. Trotz des Zinstiefs stieg das Geldvermögen der privaten Haushalte im dritten Quartal 2017 auf den Rekordwert von 5,779 Billionen Euro an - das waren 1,2 Prozent mehr als im zweiten Vierteljahr. Hauptgrund waren steigende Aktienkurse, wie die Deutsche Bundesbank mitteilte. Wie das Vermögen verteilt ist, geht aus den Daten nicht hervor. Berücksichtigt werden Bargeld, Bankeinlagen, Wertpapiere und Ansprüche an Versicherungen - nicht jedoch Immobilien. Bis Ende 2017 könnte das Geldvermögen gar auf etwa sechs Billionen (das sind 6000 Milliarden) Euro gestiegen sein, schätzen die Finanzexperten. Dank des Booms am Arbeitsmarkt und steigender Reallöhne konnten viele Menschen mehr auf die hohe Kante legen. Am liebsten Bargeld und Girokonto Offenbar wollen die Deutschen im Zweifelsfall schnell an ihre Geld kommen. So stieg der Anteil an Bargeld und Sichteinlagen bei Banken - also auf Giro- oder Tagesgeldkonten, deren Bestände man rasch umschichten kann. 23 Milliarden Euro kamen hier im dritten Quartal hinzu. Aus Spareinlagen und -briefen sowie Termingeld zogen die Bundesbürger dagegen Geld ab. Insgesamt belief sich das Volumen an Bargeld und Einlagen Ende September auf 2270 Milliarden Euro. Das entspricht rund 39 Prozent des gesamten Geldvermögens. Beliebt sind weiterhin auch Versicherungen und Pensionseinrichtungen, in die Privathaushalte im dritten Quartal 15 Milliarden Euro steckten. Die Bestände summierten sich so auf rund 2156 Milliarden Euro. Auch steigende Aktienkurse trugen zu dem Wachstum bei. Sie schlugen mit 19 Milliarden Euro positiv zu Buche. Sparer verlieren Geld durch Inflation Weil die Inflation zuletzt wieder anzog, verloren Sparer mit Bargeld und Bankeinlagen unter dem Strich Geld. Experten schätzen den Wertverlust auf 35 bis 38 Milliarden Euro. Umgekehrt nutzen aber viele Bundesbürger die niedrigen Zinsen, um sich günstig Kredite zu verschaffen - vor allem für den Wohnungsbau. Dadurch stiegen nach Angaben der Bundesbank die gesamten Verbindlichkeiten der privaten Haushalte um 1,1 Prozent auf 1715 Milliarden Euro.
# Neue Vorwürfe gegen Wedel Dieter Wedel soll in den 1980er-Jahren versucht haben, eine Schauspielerin bei einer Produktion des Saarländischen Rundfunks zu vergewaltigen. Der Sender wusste davon - setzte die Dreharbeiten dennoch fort. Gegen den Regisseur Dieter Wedel sind neue Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs erhoben worden. Mehrere Frauen werfen ihm vor, sie genötigt, sexuell missbraucht und gewalttätig verletzt zu haben. Darüber berichtet "Die Zeit" in ihrer aktuellen Ausgabe. Die Fälle ereigneten sich demnach im Zusammenhang mit Dreharbeiten für mehrere Produktionen, bei denen Wedel Regie führte, darunter auch Arbeiten für die ARD. Die Zeitung hatte Anfang Januar die ersten Vorwürfe gegen Wedel publik gemacht. Nach eigener Aussage sind der Redaktion mittlerweile 18 Fälle bekannt, in denen Wedel beleidigendes und sexuell übergriffiges Verhalten vorgeworfen wird. Von besonderer Brutalität ist der Fall, den die Schauspielerin Esther Gemsch der Zeitung schildert. Sie lebt heute in der Schweiz, ist dort eine bekannte Seriendarstellerin. Gemsch beschreibt, wie Wedel sie Anfang der 1980er-Jahre bei Dreharbeiten für die Serie "Bretter, die die Welt bedeuten" zunächst tagelang belästigt habe. Gemsch, damals 24 Jahre alt, spielte die Hauptrolle in dem Achtteiler, den der Saarländische Rundfunk (SR) produzieren ließ. Im Dezember 1980, so die heute 61-Jährige, habe Wedel sie schließlich in einem Hotelzimmer zunächst begrapscht und dann mit einem Schal gewürgt und mehrfach mit dem Kopf gegen das Bett und die Wand geschlagen. Als sie sich nicht mehr wehren konnte, habe Wedel versucht, sie zu vergewaltigen. Er habe aber nicht in sie eindringen können. Angst vor Repressalien und finanziellen Schwierigkeiten Ein Arztbericht, datiert auf den 12. Januar 1981, bescheinigt Gemsch eine "erhebliche Bewegungseinschränkung" im Hals sowie einen "empfindlichen Druckschmerz auch über den Nervenwurzeln der gesamten Halswirbelsäule, ein Nacken-Schulter-Arm-Syndrom mit Kopfschmerzen und in einem sehr schlechten Allgemeinzustand". Die Symptome seien "eindeutig als Folge der Gewalttätigkeiten vom 12.12.80" zu betrachten. So zitiert die "Zeit" aus dem Schriftstück. Gemschs Anwalt schickte den Arztbrief zusammen mit einer Beschreibung der Vorwürfe wenige Tage später an die Produktionsfirma. Der Sender will den Vorgang aufklären, "Zeit"-Reporter konnten auch Unterlagen aus dem Archiv des SR im Zuge der Recherche auswerteten. Aus den Briefen geht auch hervor, dass Wedel die Tat über einen Anwalt abstritt - und behauptete, im Gegenteil, Gemsch habe versucht, sich ihm anzunähern, wogegen er sich gewehrt habe. Wedel anzuzeigen, das habe Gemsch sich nicht getraut, erklärte sie den Reportern. Zu groß sei die Angst vor Repressalien und finanziellen Schwierigkeiten gewesen. Die Schauspielerin kehrte offenbar zunächst nach Ende ihrer Krankschreibung sogar ans Set zurück, mit einer Halskrause. Schließlich brach sie den Dreh aber ab. Dokumente aus dem Archiv des SR belegen das. Die Rolle wurde mit der Schauspielerin Ute Christensen neu besetzt. Auch Christensen berichtet in der "Zeit" von sexuellen Übergriffen durch Wedel. Die beiden Frauen haben sich nach eigener Aussage nie getroffen. Wedel habe Christensen gegen ihren Willen auf den Mund geküsst und gedrängt, mit ihm auf das Hotelzimmer zu gehen. Die Schauspielerin verweigerte sich und wurde nach eigener Aussage in der Folge von Wedel beleidigt und vor der Produktionsmannschaft schikaniert. Christensen war damals schwanger, sie verlor kurz darauf in der Folge eines Nervenzusammenbruchs ihr Kind. Das belegen die Archiv-Dokumente ebenfalls. Weitere interne Schriftwechsel zeigen, wie Sender und Produktionsfirma auf die Vorwürfe reagierten: Zwischen Gemsch und Wedel habe man erfolglos versucht zu vermitteln und die Auseinandersetzung mit Christensen sei "zunächst eine persönliche Angelegenheit zwischen Herrn Wedel und Frau Christensen und für die Redaktion erst dann wichtig, wenn die Arbeit (...) ernsthaft gefährdet ist." Die Produktionsfirma erinnerte den SR daran, dass Christensen überhaupt erst zu der Produktion hinzugestoßen war, weil "es infolge versuchter sexueller Kontakte zu Handgreiflichkeiten" zwischen Gemsch und dem Regisseur gekommen sei - mit der Folge, dass die Rolle neu besetzt werden musste. Warum reagierte niemand auf die Vergewaltigungsvorwürfe? Die Vorwürfe wurden damals offenbar nur deshalb so detailliert dokumentiert, weil der Saarländische Rundfunk wegen der angestiegenen Produktionskosten einen Revisionsbericht zu den Dreharbeiten anfertigen ließ. Diese seien "aufgrund von Krankheitsausfällen mehrfach unterbrochen" worden, zitiert die "Zeit" aus dem Bericht. Auch die Anschuldigungen gegen Wedel sind demnach in dem Bericht aufgelistet, der Regisseur wird namentlich benannt. Warum beim SR und innerhalb der ARD damals niemand energisch auf die Vergewaltigungsvorwürfe reagiert hat, ist unklar. Von den Verantwortlichen arbeitet keiner mehr beim SR, viele sind bereits verstorben. Die damalige Produktionsfirma Telefilm Saar, eine Tochterfirma des SR, gibt es seit mehr als zehn Jahre nicht mehr. Thomas Kleist, Intendant des SR, sagte dem NDR: "Ich habe daraus für mich die Konsequenz gezogen und das Thema für die nächste Intendantensitzung angemeldet." Es sei ihm wichtig, dass "wir uns innerhalb der ARD über solche Vorfälle informieren". Kleist kündigte an, er wolle "alles offenlegen, damit wir schonungslos die Dinge untersuchen können". Wedel, soviel steht fest, konnte nach den verheerenden Dreharbeiten zu "Die Bretter, die die Welt bedeuten" zu einem gefeierten Star der deutsche Filmszene aufsteigen. Und das, obwohl zumindest im SR der Verdacht der versuchten Vergewaltigung bekannt und dokumentiert gewesen ist. Nach Aussage von Schauspielerinnen und Produktionsmitarbeitern war Wedels Verhalten in der Filmszene ohnehin ein offenes Geheimnis. Man habe sich in Schauspielerkreisen untereinander seine "Wedel-Geschichten" erzählt, zitiert die "Zeit" eine namentlich nicht genannte deutsche Darstellerin. "Wedel ist vielleicht der Schlimmste, aber er ist nicht der Einzige", heißt es in dem Zitat weiter. Wedels Anwalt: "Grob unzulässige Verdachtsberichterstattung" Die Schauspielerinnen Gemsch und Christensen treten in der "Zeit" offen mit ihren Berichten auf. Weitere Frauen haben die Reporter anonym interviewt. Eine Darstellerin, die mit Wedel für die NDR-Produktion "Pariser Geschichten" zusammenarbeitete, berichtete laut "Zeit", wie Wedel sie im Zuge einer Probe im Jahr 1975 in einem Waldstück bei Hamburg in seinem Auto vergewaltigt habe. Eine andere Frau berichtet laut des Berichts, wie Wedel sie in den 1990er-Jahren bei einer Produktion für das Privatfernsehen eines Morgens mit einem Bademantel bekleidet im Hotelzimmer überraschte und anging. Als plötzlich ein Zimmermädchen auftauchte, ließ er demnach von ihr ab. Der Anwalt von Dieter Wedel, Michael Philippi, sagte dem NDR auf Aufrage, dass sein Mandant sich aus gesundheitlichen Gründen zu den Vorwürfen nicht einlassen könne. Wedel liegt laut Medienberichten wegen eines Herzleidens im Krankenhaus. Die Berichterstattung der "Zeit" sei "eine grob unzulässige Verdachtsberichterstattung, für die jedes Maß verloren gegangen ist", sagte der Anwalt weiter. Bereits Anfang Januar hatte das "Zeit"-Magazin über mehrere Frauen berichtet, die Wedel sexuelle Übergriffe und Nötigung vorwerfen. Er bestritt die Vorwürfe damals. Die Staatsanwaltschaft München hat in der Zwischenzeit ein Ermittlungsverfahren gegen Wedel wegen des Anfangsverdachts eingeleitet.
# Homosexualitätstests sind verboten Asylbewerber dürfen laut EuGH keinem Test ihrer sexuellen Orientierung unterzogen werden: Das sei ein unverhältnismäßiger Eingriff in das Privatleben. Es ging um einen Fall aus Ungarn. Homosexuelle haben in Europa ein Recht auf Asyl, wenn ihnen in ihrer Heimat die Verhaftung droht. So viel steht fest. Die Klärung der Frage allerdings, ob ein Antragsteller tatsächlich homosexuell - und damit im Herkunftsland Verfolgung ausgesetzt ist -, kann für die prüfenden Behörden im Einzelfall zur Gratwanderung werden. Psychologische Tests jedenfalls, um die sexuelle Orientierung festzustellen, untersagt der Europäische Gerichtshof eindeutig: Mit deren Durchführung würde zu sehr in das Privatleben eines Asylbewerbers eingegriffen. Im konkreten Fall ging es um einen Nigerianer, der in Ungarn Asyl beantragt hatte. Ein Psychologe stufte ihn als nicht glaubwürdig ein. Dagegen ging der Mann gerichtlich vor. Das warf die Frage auf, ob psychologische Gutachten zur Feststellung der sexuellen Orientierung überhaupt zulässig sind. Nein, sagen die Richter in Luxemburg: Persönliche Anhörungen des Betroffenen seien zwar durchaus erlaubt, aber eben nicht irgendeine Art von Test, der Einblick in intime Lebensbereiche des Bewerbers gibt. Lediglich Gutachten, die das Privatleben des Betroffenen achten, hält der Europäische Gerichtshof für zulässig. Als Beispiel führen die Juristen die Prüfung der Lage Homosexueller im Herkunftsland an. Ähnliche Urteile in der Vergangenheit Bereits im Dezember 2014 hatte das Gericht die rechtlichen Grenzen für Asylgrundprüfungen abgesteckt: Befragen dürften die Behörden zwar durchaus, so das Urteil damals - Tests oder Homosexualitätsbeweise erklärte es aber schon damals für Tabu. Ein Antragsteller hatte damals ein Video als Beleg für seine sexuelle Orientierung eingereicht. Das dürften prüfende Behörden nicht akzeptieren, weil es zur Nachahmung anrege, erklärte der EuGH. Das heutige Urteil steht also im Einklang mit der Rechtsprechung von vor etwas mehr als drei Jahren, präzisiert sie aber noch etwas. EuGH-Urteile gelten grundsätzlich als Richtschnur für Entscheidungen der nationalen Gerichte. Rechtssache C-473/16
# Daimler schmeißt EUGT-Mitarbeiter raus Nach Volkswagen hat auch Daimler personelle Konsequenzen aus den Abgastests an Affen gezogen. Ein Mitarbeiter sei freigestellt worden, teilte der Konzern mit. BMW hingegen stellt sich hinter seinen EUGT-Mitarbeiter. Im Zusammenhang mit den Abgasversuchen an Affen hat nach Volkswagen nun auch Daimler personelle Konsequenzen gezogen. Der Mitarbeiter, der den Stuttgarter Autokonzern im Vorstand der Lobbyorganisation EUGT vertreten hatte, werde freigestellt, teilte Daimler mit, ohnen einen Namen zu nennen. Das habe der Vorstand entschieden. "Die Freistellung erfolgt mit sofortiger Wirkung." Im Tätigkeitsbericht der Vereinigung von 2012 bis 2015 ist Udo Hartmann als Daimler-Vertreter in EUGT-Vorstand aufgeführt, der Konzernbeauftrage für Umweltschutz bei Daimler. Die eingeleiteten umfassenden Untersuchungen zu dem Fall sollten von einer externen Kanzlei unterstützt werden. Man werde den Sachverhalt lückenlos aufklären. Das Unternehmen bekräftigte, die Versuche der EUGT aufs Schärfste zu verurteilen und sich davon zu distanzieren. Das Vorgehen der EUGT widerspreche "unseren Werten und ethischen Prinzipien". VW reagierte früher VW hatte seinen Cheflobbyisten, den früheren Regierungssprecher Thomas Steg, bis zur vollständigen Aufklärung der Vorgänge gestern freigestellt. BMW hat sich bislang nicht zu möglichen Folgen geäußert. BMW: "Kritisch hinterfragt" BMW entschied sich anders. Die BMW Group stehe zu ihrer Fürsorgepflicht gegenüber ihren Mitarbeitern, sagte ein Sprecher. Der Mitarbeiter, der den Münchner Autokonzern von 2011 bis 2015 als Referent bei der EUGT vertreten hatte, bleibe bei der BMW Group. Er werde nur vorerst auf eigenen Wunsch von seinen aktuellen Aufgaben im Bereich von urbaner Mobilität und Kommunen befreit, teilte das Unternehmen mit. Der Mitarbeiter habe glaubhaft versichert, dass er EUGT-Tierversuche kritisch hinterfragt habe. BMW habe an den Studien nicht mitgewirkt. Für den Mitarbeiter gelte die Unschuldsvermutung. EUGT sollte für Diesel werben Daimler hatte zusammen mit Volkswagen, BMW und dem Zulieferer Bosch die Forschungsgruppe "European Group on Environment and Health in the Transport Sector" (EUGT) 2007 gegründet. Ziel war es, die Gesundheitsfolgen von Schadstoffen wie das von Dieselmotoren ausgestoßene Stickoxid zu erforschen. Der Lobbyverein wollte 2014 mit Versuchen an Affen offenbar nachweisen, dass Dieselabgase weit weniger gefährlich sind als von der Weltgesundheitsorganisation WHO festgestellt. Er förderte auch ein Experiment, bei dem sich in Deutschland 25 Probanden an einem Institut der Uniklinik RWTH Aachen dem Reizgas Stickstoffoxid aussetzten. Konzerne versprechen Besserung Nach Angaben des Verkehrsministerium sicherten die drei Autohersteller inzwischen zu, eigene Studien mit Forschungen an Lebewesen zukünftig auszuschließen. Die Unternehmen wollten sich direkt oder indirekt nur noch an Studien beteiligen, bei denen die Einhaltung geltenden deutschen Rechts und deutscher Ethikgrundsätze gewährleistet sei, teilte das Ministerium nach einer Sondersitzung seiner Abgas-Untersuchungskommission mit. Die Hersteller wollten zudem prüfen, ob es noch andere Vereine wie die EUGT gibt.
# Deutsche shoppen sich zu neuem Rekord Die Deutschen sind weiter in Shopping-Laune: Zum achten Mal in Folge konnten die Einzelhändler ein Umsatzplus vermelden. Wenig überraschend: Wieder waren Internet- und Versandhandel die großen Gewinner. Dank Beschäftigungsboom und blühenden Online-Geschäften hat der deutsche Einzelhandel zum achten Mal in Folge ein Umsatzplus verzeichnen können. Laut Statistischem Bundesamt kletterte der Umsatz 2017 im Vergleich zum Vorjahr nominal um 4,2 Prozent. Um Preissteigerungen bereinigt, hatten die Händler 2,3 Prozent mehr in ihren Kassen. Damit war 2017 auch gleichzeitig ein Rekordjahr: Das Plus sei der höchste Anstieg seit Beginn der Daten-Erhebung 1994, hieß es aus Berlin. Rekord trotz schwachem Dezember Daran konnte auch ein verhältnismäßig schwacher Dezember nichts ändern - dort mussten die Händler Umsatzrückgänge verschmerzen - allerdings auch wohl deshalb, weil der Monat zwei Verkaufstage weniger hatte als im Jahr zuvor. Insgesamt profitierten die Unternehmen von der guten Arbeitsmarktlage, den niedrigen Zinsen und der guten Kauflaune der Deutschen. Den größten Zuwachs hatte erneut der Internet- und Versandhandel: Hier gab es einen realen Anstieg von 7,7 Prozent - dies ist branchenweit das mit Abstand größte Plus. Überdurchschnittlich entwickelte sich auch das Geschäft mit Textilien, Schuhen und Lederwaren (plus 4,2 Prozent).
# Keine Prämien für "Jagd auf Flüchtlinge" Mehrere Medien berichten, Israels Regierung suche "Freiwillige", die "Jagd" auf Flüchtlinge machten. Als Belohnung winke ein Bonus. Doch die Berichte sind irreführend bis falsch. "Israel: Jagd auf Flüchtlinge nun erlaubt?", fragt die russische Seite Sputniknews. Und das Magazin "Bento" meldet in der Rubrik "Gerechtigkeit", Israel suche "Freiwillige, die Jagd auf Flüchtlinge machen". Weiter heißt es: Interessenten können umgerechnet einen Bonus von bis zu 7000 Euro (30.000 Schekel) verdienen, wenn sie Jagd auf Flüchtlinge machen und auf alle, die sie als Arbeitskräfte anstellen. Das steht in einer Anzeige, die die israelische Migrationsbehörde veröffentlicht hat. "Bento" schließt den Artikel mit dem Satz: "Bleibt also die Hoffnung, dass sich nur wenige bei der geplanten Bürgerwehr melden." Auch der Schweizer Rundfunk SRF berichtete über das Inserat der israelischen Behörde und schrieb zunächst ebenfalls, Israel suche "Freiwillige" für die "Jagd" auf Flüchtlinge; mittlerweile ist diese Überschrift entschärft worden. Auf verschwörungstheoretischen Seiten tauchen mittlerweile entsprechende Meldungen auf. Rechte Blogs erklären Israel zu einem vermeintlichen Vorbild, weil Bürger dort eine "Belohnung für Hinweise auf illegale Flüchtlinge" erhielten. Auf einer AfD-nahen Seite wird ein Vergleich bemüht, wonach man früher in Norddeutschland Prämien bekam, "wenn man tote Bisamratten abgeliefert hat". Da sei es doch eine "tolle Idee", Geld für "das Melden von Illegalen" zu zahlen. Vollzeitstellen bei entsprechender Qualifikation Doch was hat es mit der in Medien zitierten Job-Anzeige der Migrationsbehörde, die zum israelischen Innenministerium gehört, eigentlich auf sich? Das ARD-Studio Tel Aviv schaute sich das Inserat an und übersetzte dieses für den ARD-faktenfinder: Für ein Projekt von nationaler Bedeutung, unter der Leitung der Behörde für Einwohner und Migration, werden gesucht: Migrations-Inspektoren/innen zur Ausführung von Einsätzen/Aufgaben gegen illegale Flüchtlinge/ illegale Einwanderer. Tätigkeitsbeschreibung: Aufgaben wie ausfindig machen, verhören und verhaften von illegalen Flüchtlingen und deren Arbeitgebern. Die Arbeit findet im Außendienst sowie im Büro stattErfahrung und geforderte Kenntnisse: - Zwei Jahre Erfahrung im Bereich der Tätigkeitsbeschreibung und 12 Jahre Schulbildung - Bachelor-Absolventen brauchen für eine Anfangsposition keine Erfahrung - gültiger Führerschein - weitere Anforderungen stehen auf der Website Vollzeit 100 Prozent, zeitlich auf 24 Monate begrenzt. Arbeitsbeginn: März 2018 Arbeitsort: Gush Dan (Großraum Tel Aviv) Individuelle Verträge und gute Bezahlung für passende Bewerber. Bewerbungen können inklusive der relevanten Dokumente über die Website bis zum 21. Januar 2018 eingereicht werden. Zudem wird noch ein "bedeutender Extrabonus" von bis 30.000 Schekel (etwa 7100 Euro) am Ende der Arbeitszeit an Berechtigte in Aussicht gestellt. Die Anzeige ist also gar nicht mehr aktuell, die Bewerbungsfrist bereits seit mehr als einer Woche abgelaufen. Zudem handelt es sich um ein Inserat des Ministeriums von mehreren, die in den deutschsprachigen Medienberichten aber nicht erwähnt werden. So sucht das Ministerium insgesamt 140 Mitarbeiter; 30 davon sollen jene Migranten unterstützen, die freiwillig ausreisen. Zudem werden Mitarbeiter gesucht, die Asylanträge bearbeiten - in Deutschland "Entscheider" genannt. Von "Freiwilligen" und "Jagd" keine Rede Von einer "Jagd" oder einer Belohnung für Bürger oder Freiwillige, die Hinweise auf illegale Flüchtlinge geben, ist in den Stellenausschreibungen hingegen keine Rede. Die Inspektoren werden zudem für einen Zeitraum von zwei Jahren gesucht - und nicht zwei Monaten, wie "Bento" zunächst berichtet hatte, was wiederum in anderen Medien ebenfalls falsch auftauchte. Auf diesen Fehler hatte zuerst der Journalist Filipp Piatov hingewiesen. https://twitter.com/fpiatov/status/957924662398332929 Flüchtlinge schon länger Thema Die Situation der afrikanischen Flüchtlinge in Israel ist seit Langem ein umstrittenes Thema. Der Chefjurist der israelischen Einwohner- und Migrationsbehörde, Daniel Solomon, betonte heute im israelischen Radio, man hoffe, dass die Migranten Israel freiwillig verließen. Die rechtsgerichtete Regierung setzt auf einen harten Kurs in dieser Frage. "Jedes Land muss seine Grenzen schützen", sagte Anfang des Monats Premierminister Benjamin Netanyahu. "Die Eindringlinge haben eine klare Wahl: Sie können mit uns kooperieren und freiwillig gehen. Respektvoll, menschlich und legal. Oder wir müssen andere Schritte unternehmen, auch diese natürlich nach unseren Gesetzen." Abschiebung in dritte Länder? Für Netanyahu sind die Migranten aus Eritrea und dem Sudan Eindringlinge, die aus wirtschaftlichen Gründen nach Israel gekommen sind, und keine Flüchtlinge. Doch auch die rechtsnationale Regierung wolle die Migranten nicht in ihre von Krisen geprägten Heimatländer abschieben, berichtet ARD-Korrespondent Benjamin Hammer im Deutschlandfunk. Stattdessen sollten andere Staaten die Menschen aufnehmen. Laut israelischen Medienberichten handelt es sich um Ruanda und Uganda. Diese sollen angeblich 5000 US-Dollar für jeden Migranten bekommen, den sie aufnehmen. Doch die afrikanischen Länder erklärten laut ARD-Studio Tel Aviv vor Kurzem, dass es noch gar kein Abkommen mit Israel über eine Aufnahme von Migranten gibt. Scharfe Kritik Menschenrechtler kritisieren die Pläne scharf. "Das wäre ein abscheulicher Schritt", sagte Tamar Newman von der Hilfs- und Beratungsorganisation "Hotline für Flüchtlinge und Migranten". "Diese Menschen leben hier seit fünf bis zehn Jahren. Wir reden von 38.000 Menschen. Israel hätte kein Problem, sie zu versorgen und aufzunehmen." Doch die Regierung will sie möglichst schnell loswerden, das ist Fakt. Von einer Jagd durch Freiwillige, Prämien für Bürger oder sogar einer "geplanten Bürgerwehr" kann allerdings keine Rede sein. Anmerkung der Redaktion, 31.01.2018: Mittlerweile hat Bento den Artikel überarbeitet, die Überschrift lautet nun "Israel will stärker gegen Flüchtlinge vorgehen". Auch von einer Bürgerwehr ist in dem Beitrag nun nicht mehr die Rede, in der URL des Artikels heißt es aber weiterhin: "israel-startet-buergerwehr-die-jagd-auf-fluechtlinge-machen-soll".
# Trumps Tabubruch empört China China betrachtet Taiwan als abtrünnige Provinz. Dass der künftige US-Präsident Trump mit Taiwans Präsidentin telefonierte, löste erwartungsgemäß heftigen Protest in Peking aus. Aber auch das Weiße Haus distanzierte sich von Trumps Vorgehen. Kurzes Telefonat, große Wirkung: Für China ist der direkte Kontakt des künftigen US-Präsidenten Donald Trump mit der taiwanesischen Präsidentin Tsai Ing-Wen ein Tabubruch. Die Beschwerde aus Peking kam deshalb auch prompt und in aller Schärfe. Die Volksrepublik habe die USA dazu aufgefordert, das Ein-China-Prinzip nicht in Frage zu stellen, schrieb der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Guang Shuang, auf der Internetseite des Ministeriums. Es gebe nur ein China und Taiwan sei ein untrennbarer Teil davon. Das Ein-China-Prinzip sei die politische Basis für die chinesisch-amerikanischen Beziehungen. Die USA müssten deshalb die Taiwan-Frage vorsichtig und sorgfältig behandeln. China reichte zugleich offiziell Protest in Washington ein. Das Parteiblatt "Volkszeitung" zitiert außerdem eine Reaktion des chinesischen Außenministers Wang Yi. Demnach sei das Telefonat ein klarer Verstoß von taiwanesischer Seite. Der internationale Konsens, den es zur Ein-China-Politik gebe, werde dadurch aber nicht in Frage gestellt. Chinas Reaktion als Warnung Die Reaktionen der chinesischen Regierung sind als Warnung gedacht und sie machen eins klar: Jeder, der offizielle Beziehungen zu Taiwan pflegt, riskiert den diplomatischen Bruch mit China. Für die Regierung Peking geht es dabei um das wichtigste Prinzip: die Einheit der Volksrepublik. China betrachtet Taiwan als abtrünnige Provinz und nicht als souveränen Staat. Chinas Führung wird von nun an mit deutlich mehr Misstrauen auf den künftigen US-Präsidenten Donald Trump blicken. Zumal dieser so tat, als sei der Anruf keine große Sache gewesen. Er twitterte, die taiwanesische Präsidentin habe ihn angerufen, um ihm zum Wahlsieg zu gratulieren. Die USA verkauften Taiwan Waffen im Wert von mehreren Milliarden Dollar, und er dürfe keinen Glückwunsch-Anruf entgegennehmen? Die beiden Gesprächspartner hätten "die engen Beziehungen zwischen den USA und Taiwan im Bereich von Wirtschaft, Politik und Sicherheit" unterstrichen, erklärte das Team des künftigen US-Präsidenten anschließend. The President of Taiwan CALLED ME today to wish me congratulations on winning the Presidency. Thank you! Weißes Haus geht auf Distanz Mit dem Anruf verstieß Trump gegen die Jahrzehnte alte Ein-China-Politik, die die US-Regierungen seit langem einhalten. Offiziell erkennen die USA nur die Volksrepublik China an, sie haben nur mit ihr diplomatische Beziehungen. Gleichzeitig unterstützen sie die abtrünnige Provinz Taiwan, um ihre Unabhängigkeit zu bewahren und unterhielten inoffiziell stets freundschaftliche Kontakte zur Regierung in Taipeh. Es ist allerdings nicht bekannt, dass seit 1979 ein US-Präsident mit einem taiwanesischen Präsidenten telefoniert hat. Folgerichtig distanzierte sich das Weiße Haus umgehend vom Vorgehen Trumps. "Es gibt keine Änderung an unserer seit langem geltenden Politik", sagte die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrates, Emily Horne. "Wir sind streng unserer Ein-China-Politik verpflichtet."
# Trump riskiert den Zorn Pekings Der designierte US-Präsident Trump hat mit Taiwans Präsidentin telefoniert - und damit den Zorn Pekings riskiert. Das Weiße Haus distanzierte sich umgehend. Die Beschwerde aus Peking kam dennoch. Washington hatte die diplomatischen Beziehungen zu Taiwan 1979 gekappt. Donald Trump tut so, als sei der Anruf keine große Sache. Er twitterte, die taiwanesische Präsidentin habe ihn angerufen, um ihm zum Wahlsieg zu gratulieren. Die USA verkauften Taiwan Waffen im Wert von mehreren Milliarden Dollar, und er dürfe keinen Glückwunsch-Anruf entgegennehmen? The President of Taiwan CALLED ME today to wish me congratulations on winning the Presidency. Thank you! Mit dem Anruf hat Trump allerdings gegen die Jahrzehnte alte Ein-China-Politik verstoßen, die von den Vorgängerregierungen eingehalten wurde. Offiziell erkennen die USA nur die Volksrepublik China an, haben nur mit ihr diplomatische Beziehungen. Gleichzeitig unterstützen sie die abtrünnige Provinz Taiwan, um ihre Unabhängigkeit zu bewahren. Es ist nicht bekannt, dass seit 1979 ein US-Präsident mit einem taiwanesischen Präsidenten telefoniert hat. "Die Geschichte nicht durchdrungen" Die Reaktionen fielen unterschiedlich aus. China rief aus Protest im Weißen Haus an. Außenminister Wang Yi sagte laut Agenturangaben: "Das ist ein kleiner Verstoß der taiwanesischen Seite." Er glaube nicht, dass sich an der Ein-China-Politik der USA etwas ändere. Wang warnte: "Die Ein-China-Politik ist der Grundstein der US-chinesischen Beziehungen. Und wir wollen keine Erschütterung oder Rücknahme dieses politischen Grundsatzes." Das Weiße Haus distanzierte sich denn auch umgehend: "Es gibt keine Änderung an unserer seit langem geltenden Politik", sagte die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrates, Emily Horne. "Wir sind streng unserer Ein-China-Politik verpflichtet." Der demokratische Senator Chris Murphy warnte vor ernsthaften Konsequenzen. Trumps Anruf sei ein erheblicher außenpolitischer Wandel ohne Plan - so entstünden Kriege. Der frühere Asien-Berater von Präsident Bush sagte, man dürfe das Telefongespräch nicht überinterpretieren: Trump habe die diplomatische Geschichte von USA und China nicht durchdrungen. Donald Trump hatte schon mit mehreren Telefongesprächen mit ausländischen Führern bei Experten für Kopfschütteln gesorgt. Offensichtlich lässt er sich bei den Anrufen nicht vom Außenministerium beraten, das eigentlich auch dem gewählten Präsidenten dafür zur Verfügung stellt.
# "Viele Details sind noch ungeklärt" Union und SPD atmen auf: Die Einigung zum Familiennachzug schafft ein heikles Thema vorerst aus der Welt. Der Asylrechtsexperte Daniel Thym sagt im Interview aber: Entscheidende Details sind noch ungeklärt. tagesschau.de: Ist der von Union und SPD beschlossene Kompromiss zum Familiennachzug vernünftig und praktikabel? Daniel Thym: Es ist zunächst ein politischer Kompromiss. Die Parteien haben sich in einer komplizierten Situation geeinigt, und das ist für Deutschland eine gute Nachricht, weil es bedeutet, dass wir vermutlich eine stabile Regierung bekommen werden. Über die rechtlichen Details muss man noch reden - da ist noch manches offen. Humanitäre Kriterien noch offen tagesschau.de: Wie wird denn bestimmt, wer für den Familiennachzug und die Härtefälle in Frage kommt? Welche Kriterien könnten da greifen? Thym: Wir haben es hier ja mit einer doppelten Nachzugsregelung zu tun. Zum einen soll es ein Kontingent für 1000 Personen pro Monat geben, die nach humanitären Gründen ausgewählt werden. Zum anderen gibt es eine zusätzliche Härtefallregelung. Völlig offen ist, nach welchen humanitären Gründen man die 1000 Plätze vergibt und wer nicht die Möglichkeit bekommt, nachzuziehen. Unklar ist auch, wie man auswählt, wer zuerst nach Deutschland kommt. tagesschau.de: Könnte ein Kriterium der letzte Aufenthaltsort des Flüchtlings und seiner Angehörigen sein? Die Frage, ob ein Betroffener unmittelbar aus einem Kriegsgebiet nach Deutschland geflohen oder über ein Flüchtlingslager gekommen ist? Thym: Die Gerichte wenden verschiedene Kriterien an. Dazu gehört unter anderem der aktuelle Aufenthaltsort der Familie. Wenn sie in einer umkämpften Stadt wie Aleppo ist, ist das humanitäre Anliegen, nach Deutschland zu kommen, stärker zu bewerten, als wenn die Familie schon in einem Flüchtlingslager in der Türkei ist. Eine Regelung nicht nur für Flüchtlinge tagesschau.de: Wird auch die Lage und das Verhalten der Betroffenen in Deutschland berücksichtigt? Thym: Das wird im Ausländerrecht immer berücksichtigt. Auch Deutsche können nicht immer die Familie nachholen, sondern müssen bestimmte Kriterien erfüllen - etwa, dass sie den Lebensunterhalt sichern können. Man kann auch auf die Sprachkenntnisse und die Integrationsbereitschaft achten. Das wird sicher auch ein Kriterium bei der Auswahl für den humanitären Nachzug sein. tagesschau.de: Welche Rolle spielt das Alter der Betroffenen? Thym: Wenn ein 16-jähriges Kind noch in der Türkei ist, hat der Wunsch nach Familienzusammenführung ein geringeres Gewicht, als wenn das Kind erst fünf Jahre alt ist. Da stehen der Gesetzgeber und die Behörden vor harten Entscheidungen. tagesschau.de: Könnte es Kriterien geben, die nur für Härtefälle außerhalb des Kontingents der 1000 gelten? Thym: Hier wird es um die besonders schweren Fälle gehen. Das Verwaltungsgericht Berlin hat zum Beispiel im vergangenen November einem stark Suizid-gefährdeten Jugendlichen das Recht auf den Nachzug seiner Eltern zugesprochen. Für solche gravierenden Fälle ist die zusätzliche Härtefall-Regelung gedacht. Aber hier geht es immer um den einzelnen Fall. Wer kommt zuerst? tagesschau.de: Es ist umstritten, wie viele Menschen auf einen Familiennachzug warten. Aber da ihre Zahl in die Tausende geht, muss man da nicht auch aus praktischen Gründen den Zeitpunkt der Antragsstellung berücksichtigen? Thym: Das ist ein wichtiger Aspekt. Es ist noch völlig offen, wie man entscheidet, wer innerhalb des Kontingents zuerst kommen darf. Welche Kriterien schaffen eine Reihenfolge? Das soll nun bis zum 1. August ein weiteres Gesetz regeln, und das ist auch sinnvoll, denn diese Festlegung will wohlüberlegt sein. tagesschau.de: Kann dabei eine Rolle spielen, wer seinen Antrag zuerst oder früher als andere gestellt hat? Thym: In einem Rechtsstaat darf das Prinzip "Wer zuerst kommt, mahlt zuerst" nicht das ausschlaggebende Kriterium sein. Es kann nicht sein, dass eine solche Entscheidung davon abhängt, ob man sich schon um fünf Uhr morgens vor dem Konsulat angestellt hat und andere erst um sechs Uhr. Hier wird man inhaltliche Kriterien entwickeln müssen. Die braucht man auch, damit die Behörden und insbesondere die Konsulate nicht alles alleine entscheiden müssen. Auch das wäre eines Rechtsstaats nicht würdig. Nur wenige Härtefälle im Jahr 2017 tagesschau.de: Im vergangenen Jahr gab es ja nur rund 100 Härtefälle. Kann das bedeuten, dass es auch künftig nur wenige Familienangehörige geben wird, die über diesen Weg außerhalb des Kontigents nach Deutschland kommen? Thym: Die bisherige Härtefallregelung, die mit dem heutigen Kompromiss fortgesetzt wird, hat bisher Wenige betroffen. Wie viele in Zukunft von ihr profitieren können, lässt sich nicht vorhersagen. Bislang haben die Gerichte die Klausel relativ strikt ausgelegt. Möglicherweise sind sie aber bereit, die Kriterien herabzusetzen, je länger die Klausel angewandt wird. Dann könnte es sein, dass über die Härtefallklausel außerhalb des Kontingents mehr Menschen nach Deutschland kommen. Aber sie werden sicher nicht jedem das Recht auf Familiennachzug zusprechen - das geben die Grundrechte nicht her. tagesschau.de: Kritiker der bisherigen Regelung und des neuen Kompromisses verweisen auf den besonderen Schutz der Familie, den das Grundgesetz garantiert. Steht diese Garantie im Widerspruch zu diesen Beschränkungen beim Familiennachzug? Thym: Das ist keine verfassungswidrige Regelung - weil es die Härtefallklausel gibt. Der besondere Schutz, den Ehe und Familie nach dem Grundgesetz und den europäischen Menschenrechten genießen, ist kein Recht, in einem ganz bestimmten Land zusammen zu leben und hierfür ein Visum zu erhalten. Das ergibt sich eindeutig aus der Rechtsprechung diverser Höchst-Gerichte. Deshalb ist auch die neue Regelung verfassungskonform. tagesschau.de: Ist der heutige Kompromiss die Abschaffung des Anspruchs auf Familiennachzug bei subsidiär Schutzbedürftigen, wie es die CSU für sich reklamiert? Thym: Juristisch bedeutet der Begriff "Anspruch", dass er eingeklagt werden kann. Einen Platz im Kontingent kann man in der Tat nicht einklagen, weil es sich hier um eine sogenannte Ermessensbestimmung handelt. Allerdings wird man die Härtefallklausel außerhalb des Kontingents unter Umständen einklagen können. Das gilt aber nur für besonders gelagerte Einzelfälle. Ein generelles Klagerecht auf Familiennachzug besteht nicht. Insofern sprechen wir nur noch von einem teilweisen Anspruch. Das Gespräch führte Eckart Aretz, tagesschau.de
# Mitmachen oder sterben Mexiko erlebt eine beispiellose Gewaltwelle: Mehr als 25.000 Tote gab es 2017. Die meisten der Opfer gehen auf das Konto der organisierten Kriminalität. Die Situation ist gefährlicher denn je. Von Anne-Katrin Mellmann, ARD-Studio Mexiko Pablo ist Anfang 20, hat große braune Augen und trägt eine Zahnspange. Er will seinen Nachnamen aus Sicherheitsgründen lieber nicht sagen. Auch wenn er in Mexiko-Stadt weit entfernt von seinem Heimatdorf im Bundesstaat Guerrero lebt, könnte es für seine dort gebliebenen Verwandten gefährlich werden, wenn er über die Mafia berichtet. Wegen ihr ist Pablo vor einigen Jahren über Nacht weggelaufen: "Ich lief weg, damit sie mich nicht töteten". Zwei seiner Freunde wurden erschossen. Seit einigen Jahren habe die Mafia die Region fest im Griff, erzählt Pablo. Sie stelle eigene Gesetze auf, wer die nicht befolgt, muss zahlen oder wird getötet. Sie erpresst die arme Landbevölkerung, entführt sogar ihr Vieh, verlangt von den Bauern, dass sie Marihuana und Mohn anbauen statt Mais. Staatliche Sicherheitskräfte sehen dabei zu oder kassieren mit. "Die nehmen dich einfach mit" Seit der mexikanische Staat den Kartellen im Jahr 2006 den Krieg erklärte und die Armee auf die Straßen schickte, eskaliert die Gewalt. 200.000 Menschen kamen ums Leben, Zehntausende verschwanden spurlos. Wird ein Drogenkartell zerschlagen, entstehen viele neue Banden. 400 sollen es bereits sein. Sie rekrutieren junge Männer oder zwingen sie zur Mitarbeit, auch deshalb könne er nicht mehr in seinem Dorf leben, klagt Pablo. "Die nehmen dich einfach mit, wenn sie Leute brauchen. Sie entführen aus den Dörfern, und wenn jemand versucht abzuhauen, bringen sie seine Familie um. Die werden gezwungen – Jungs - gerade 15 oder 17 Jahre alt", erzählt Pablo. Kaum ein Weg zurück Selten gibt es einen Weg zurück, weil sie die schlimmsten Verbrechen begehen müssen. Auch die Armut treibt Jugendliche in das "vida loca" der Banden - schnelles Geld, verrücktes, aber kurzes Leben. Eine halbe Million Mexikaner sind nach Angaben des Verteidigungsministeriums in der Organisierten Kriminalität. Sie durchdringt das Land wie ein Krebsgeschwür. 2017 war mit mehr als 25.000 Toten das gewalttätigste Jahr bislang. 19.000 der Opfer gingen auf das Konto der Mafias. Das hat die Nichtregierungsorganisation Semaforo Delictivo ermittelt, für die Santiago Roel arbeitet. "Knete oder Kugel" "Einen Markt wie den der Drogen kann man nicht mit Waffen bekämpfen, sondern mit wirtschaftlichen Mechanismen. Es gibt drei Möglichkeiten: einen frontalen Krieg, sich dumm stellen und wegschauen - wie es die USA machen - oder Drogenanbau- und Verkauf regulieren und den Händlern und Drogenpolitikern das Geschäft entziehen. Unsere Regierung setzt auf Tod und Zerstörung, statt auf Leben, Geschäft und Wohlstand. Würden wir die Drogen heute regulieren, wäre morgen die Gewalt zu Ende", sagt Roel. Korruption würde es zwar immer noch geben. Die sei aber dann auf geringerem Niveau als jetzt, fügt er hinzu. "Im Moment erleben wir die größtmögliche Gewalt und Korruption. Es geht nach dem Prinzip: Knete oder Kugel", fügt er hinzu. Besserung nicht in Sicht Entweder mitmachen und in dem Milliardengeschäft Dollar verdienen oder: Sterben. In diesem Jahr könnte die Gewalt weiter eskalieren, meint Roel, weil im Sommer ein neuer Präsident gewählt wird und die Kräfteverhältnisse der Organisierten Kriminalität deshalb durcheinander geraten. Die Präsidentschaftskandidaten meiden das Thema innere Sicherheit bislang. Der aussichtsreiche Linke Andrés Manuel López Obrador erntete massive Kritik für seine Idee einer Amnestie für Kartellbosse. Einen echten Strategiewechsel schlägt niemand vor - trotz der vielen Toten, Verschwundenen und Flüchtlingen wie Pablo.
# Nur Versprechen reichen nicht mehr Nach dem Krisengespräch über Luftreinheit hat die EU-Kommission die von Deutschland versprochenen Maßnahmen als nicht ausreichend bezeichnet. Falls Berlin keine besseren Vorschläge einbringt, droht eine Klage. Es war die Stunde der Wahrheit für Bundesumweltministerin Barbara Hendricks und acht ihrer EU-Kollegen. In Brüssel mussten sie der EU-Kommission zu den regelmäßig überschrittenen Schadstoffgrenzwerten in Europas Innenstädten Rede und Antwort stehen. Dies sei in 23 von 28 EU-Mitgliedsstaaten seit Jahren ein Problem, beklagte die Kommission. Die von Deutschland und den anderen Regierungen versprochenen Maßnahmen bezeichnete Umweltkommissar Karmenu Vella weiterhin als unzureichend. Hendricks' Kernbotschaft lautete: "Wir sind ja auf dem Weg, lasst uns noch Zeit." Vella zufolge hat es zwar einige positive Vorschläge gegeben. Diese genügten aber nicht. "Die Standards zur Luftreinhaltung werden weiterhin überschritten werden." Neben Deutschland sind Frankreich, Spanien, Italien, Großbritannien, Rumänien, Ungarn, Tschechien und die Slowakei betroffen. Vella bekräftigte erneut, Klage vor dem Europäischen Gerichtshof einzureichen, wenn die Maßnahmen nicht ausreichten. Bis Ende der kommenden Woche haben die Mitgliedsstaaten Zeit, ihre Zusagen zu vervollständigen. Problem vor allem durch Dieselmotoren verursacht Schuld an der Misere sind vor allem Dieselmotoren, die laut Experten 40 Prozent der Emissionen verursachen. Schuld seien aber auch die Regierungen der Mitgliedsstaaten, die es bisher nicht geschafft hätten, durch strengere Kontrollen oder im Notfall auch Fahrverbote das Problem in den Griff zu kriegen, rügte Vella. Der EU-Kommissar erinnerte daran, dass die Länder bereits seit 2008 per EU-Recht dazu verpflichtet seien, ihre Bürger vor gesundheitsschädlichen Abgasen zu schützen. Bis zu 400.000 vorzeitige Todesfälle, etwa durch Asthma oder Lungenkrebs, seien darauf zurückzuführen. Deutschland hat ein Verkehrs-Problem Hendricks räumte ein, dass Deutschland eindeutig ein Verkehrs-Problem habe. Die Bundesregierung versuche dennoch weiterhin, Dieselfahrverbote zu vermeiden. Grenzwertüberschreitungen bei Feinstaub seien in deutschen Städten mit Ausnahme von Stuttgart hingegen kein Problem mehr. Sie versuchte, eine juristische Klage gegen Deutschland vor allem dadurch abzuwenden, indem sie auf jüngste Erfolge beim Kampf gegen gefährliche Stickoxide verwies. "Während 2016 noch 90 Städte über dem Grenzwert lagen, waren es 2017 nur noch 70, also immerhin 20 Städte weniger", sagte sie. Allerdings sieht es derzeit nicht danach aus, als würde sich die EU-Kommission erweichen lassen und von einer Klage absehen. Hendricks sieht die Autohersteller weiterhin in der Pflicht. Wenn Nachrüstungen an Fahrzeugen den Ausstoß von Stickoxid mindern könnten und technisch möglich seien, sollten sie erfolgen und aus ihrer Sicht "von den Herstellern bezahlt werden", sagte sie. Das sei bislang jedoch noch nicht die Meinung der gesamten Bundesregierung. "Autobauer schaden sich selbst am meisten" Die Umweltministerin äußerte sich auch zu den Abgasversuchen von VW an Affen und Menschen. Offenbar seien sich Einzelne oder auch Mehrere in der Autoindustrie ihrer Verantwortung nicht bewusst, sagte Hendricks. Sie schadeten damit der ganzen Branche. "Das, was VW wohl führend und zusammen mit anderen Automobilherstellern gemacht hat an Versuchen mit Affen in New Mexico und mit Menschen in der Bundesrepublik Deutschland, halte ich für verantwortungslos", sagte sie. Man habe inzwischen einiges erlebt - von betrügerischer Software über mehrere Kartellabsprachen bis zu diesen unethischen Versuchen", so die SPD-Politikerin. "Niemand, der der Autoindustrie bewusst schaden will, könnte so viel Schaden anrichten, wie die es selbst machen."
# Kreml spricht von "Verleumdung" "Verleumdung" nennt sie Putins Sprecher - die Vorwürfe einer direkten Verstrickung des Präsidenten ins Staatsdoping. Mit scharfen Worten kritisiert der Kreml einen entsprechenden ARD-Bericht und seine Quelle. Der Kreml hat Vorwürfe eines ARD-Berichts, Russlands Präsident Wladimir Putin sei direkt in die Staatsdoping-Affäre verwickelt gewesen, scharf zurückgewiesen. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sprach von "Verleumdung". Es gebe nicht einen einzigen Beweis für die Beschuldigungen. In der ARD-Dokumentation "Geheimsache Doping - Das Olympia-Komplott" hatte der russische Whistleblower Grigori Rodschenkow Putin eine Mitwisserschaft im Doping-Skandal während der Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi vorgeworfen. "Natürlich kam es von ganz oben, vom Präsidenten. Weil nur er den Inlandsgeheimdienst FSB für eine so spezielle Aufgabe einsetzen kann", sagt Rodschenkow darin. Rodtschenkow war früher Leiter des Moskauer Doping-Analyselabors und floh 2016 in die Vereinigten Staaten - nach dem plötzlichen Tod von zwei ranghohen Mitarbeitern der russischen Anti-Dopingagentur. Nachdem er zunächst eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit dem russischen Staatsdoping hatte, kooperiert er inzwischen mit den Ermittlern. In den USA lebt er an unbekanntem Ort. Von den russischen Behörden wird er gesucht. Rodschenkow - "ein Idiot" und unglaubwürdig Peskow nannte Rodschenkow unglaubwürdig. Er warf ihm "moralische Labilität" vor. In Russland wird gegen ihn ermittelt. Zugleich kritisierte Peskow, Rodschenkow sei die einzige Quelle der Berichterstattung. "Eine derart übersteigerte Treue dazu, Rodschenkow als einen bestellten Verleumder einzusetzen, sowie die fehlende Bereitschaft und der fehlende Wunsch, andere Quellen zu nutzen, um diese Informationen zu überprüfen, rufen bei uns Unverständnis hervor", so der Sprecher. Auch Putin selbst meldete sich zu Wort. Wie die Nachrichtenagentur Interfax berichtet, soll er Rodschenkow bei einem Treffen mit Vertrauten als "Idiot" bezeichnet haben. "Der Mensch hat ganz offensichtlich Probleme mit dem Gesetz, und hat rechtswidrig gehandelt. Er gehört ins Gefängnis, stattdessen wurde er zum Leiter des Anti-Dopinglabors ernannt", zitierte Interfax den Staatschef weiter.
# Barley fordert Aufklärung im Fall Wedel Zahlreiche Schauspielerinnen werfen dem Regisseur Missbrauch vor. Nun fordert Bundesfrauenministerin Barley Konsequenzen: Dass so wenige seiner Weggefährten Stellung bezögen, wirke wie ein "Schweigekartell". Katarina Barley, die geschäftsführende Bundesfrauen- und arbeitsministerin, fordert Konsequenzen nach den Missbrauchsvorwürfen gegen den Regisseur Dieter Wedel. "Wenn sich die Anschuldigungen bestätigen, dann ist das ein Skandal, von dem sehr viele Menschen gewusst haben müssen", sagte Barley dem Redaktionsnetzwerk RND. Sie erwarte gerade von den beteiligten öffentlich-rechtlichen Institutionen rückhaltlose Aufklärung. Der 75-jährige Fernsehregisseur Wedel hat viele erfolgreiche Filme für die Rundfunkanstalten ARD und ZDF produziert. Zu Jahresbeginn waren mehrere Schauspielerinnen an die Öffentlichkeit getreten und hatten ihm Belästigungen und Übergriffe sowie versuchte Vergewaltigung vorgeworfen. Die geschilderten Vorfälle liegen meist mehrere Jahrzehnte zurück. Barley spricht von "Schweigekartell" Wedel wies die Anschuldigungen in einer eidesstattlichen Erklärung von sich und trat als Intendant der Bad Hersfelder Festspiele zurück. Bundesministerin Barley betonte zwar, es gelte die Unschuldsvermutung. "Aber es ist eigenartig, dass hier so wenige von den vielen Weggefährten und aus der Branche Stellung beziehen. Das erweckt den Eindruck eines Schweigekartells", sagte sie. Sie hoffe, dass noch weitere Frauen den Mut finden, über erlebte Übergriffe zu sprechen: "Wir brauchen endlich eine öffentliche Debatte über Sexismus und Gewalt gegenüber Frauen - unabhängig von dem einen prominenten Fall." In diesem Belang fehle es laut Barley an gesellschaftlicher Courage, wer sich einmische, mache sich als Denunziant unbeliebt. Doch das sei der falsche Weg, betonte Barley: "Sexismus und sexuelle Übergriffe haben mit einem strukturellen Machtungleichgewicht zu tun. Darüber müssen wir sprechen." #MeToo unter deutschen Schauspielerinnen Weltweit treten seit vergangenem Herbst Frauen aus allen Bereichen des öffentlichen und beruflichen Lebens an die Öffentlichkeit, um sexuelle Übergriffe, Belästigungen und Vergewaltigungen zu schildern. Auch in Deutschland haben zahlreiche Schauspielerinen in der "Süddeutschen Zeitung" oder der "Zeit" von solchen Vorfällen berichtet. Unter dem namensgebenden Hashtag #MeToo, das die US-Menschenrechtlerin Tarana Burke geprägt hatte, verbreiteten sich entsprechende Erfahrungen im Netz. Besondere Aufmerksamkeit erhielt die Debatte durch die Schilderungen der Schauspielerin Alyssa Milano, die ihre Schilderung mit #MeToo markierte.
# Einigung beim Familiennachzug Union und SPD haben ein zentrales Streitthema aus dem Weg geräumt und sich auf eine Neuregelung des Familiennachzugs geeinigt. Im Zentrum steht eine Härtefallregelung, die die SPD gefordert hatte. Union und SPD haben bei ihren Koalitionsverhandlungen eine Einigung beim Familiennachzug von Flüchtlingen erzielt. So soll der Nachzug noch bis zum 31. Juli ausgesetzt bleiben und anschließend auf 1000 Menschen pro Monat begrenzt werden, ergänzt um eine bereits bestehende Härtefallregelung. Das Weiterbestehen der Härtefallregelung war im Sondierungspapier bisher nicht fixiert. Die genauen Details für diese dauerhafte Neuregelung sollen in den kommenden Monaten noch erarbeitet werden. Mit diesem Kompromiss, der zuletzt unter anderem zwischen den Fraktionsspitzen vereinbart worden war, haben Union und SPD ein zentrales Streitthema ihrer Koalitionsverhandlungen abgeräumt. Dies geschah unter Zeitdruck, weil die aktuelle Regelung für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus - sogenannte subsidiär Schutzberechtigte - Mitte März ausläuft. Dass der Familiennachzug nun bis Ende Juli weiter ausgesetzt bleibt, soll noch in dieser Woche im Bundestag beschlossen werden. Streitpunkt Härtefallregelung SPD-Chef Martin Schulz begrüßte die Einigung. Die SPD habe sich durchgesetzt. "Wir haben jetzt eine Regelung 1000+", teilt er mit. "Denn die SPD hat über die im Sondierungsergebnis hinaus vereinbarten 1000 Angehörigen pro Monat eine deutlich weitergehende Härtefallregelung - wie vom SPD-Bundesparteitag gefordert - durchgesetzt." Erfreut zeigte sich auch die Vize-Fraktionschefin Eva Högl. "Familiennachzug ist für alle Familien wichtig und richtig - unabhängig von dem in Deutschland erhaltenen Schutzstatus", erklärte sie. CDU und CSU begrüßten die Einigung ebenfalls. Der Familiennachzug für subsidiär Schutzbedürftige bleibe weiter ausgesetzt und werde abgeschafft, sagte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer. "Ab 1. August gibt es keinen generellen Anspruch mehr auf Familiennachzug bei Flüchtlingen mit subsidiärem Schutzstatus." Eine Härtefallregelung für einige wenige Fälle im Jahr gebe es bereits heute. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt erklärte: "Mit der Neuregelung wird der Anspruch auf Familiennachzug für subsidiär Geschützte endgültig abgeschafft." Das sei ein zentraler Baustein zur weiteren Begrenzung der Zuwanderung. "Neue Härtefallregelungen, die ein Mehr an Zuwanderung bedeutet hätten, gibt es nicht", betonte er. Unions-Fraktionsvize Stephan Harbarth (CDU) betonte, es sei "die entscheidende Einigung gelungen". "Wir können damit das laufende Gesetzgebungsverfahren fristgerecht abschließen, so dass es auch nach dem 16. März zu keinem unkontrollierten Familiennachzug kommen wird." Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl zeigte sich hingegen enttäuscht und sprach von einer "Pseudolösung". Wegen der extrem hohen Anforderungen der Härtefallregelung habe sie schon in der Vergangenheit nur wenigen Menschen geholfen. SPD setzte Frist bis Dienstag Bereits in ihren Sondierungsgesprächen hatten Union und SPD vereinbart, den Familiennachzug künftig auf 1000 Menschen pro Monat zu begrenzen. Die SPD hatte angekündigt, bei den Koalitionsverhandlungen eine weitergehende Härtefallregelung erreichen zu wollen. Mit der Einigung haben CDU, CSU und SPD einen Streit noch vor Ablauf einer von der SPD gesetzten Frist gelöst. Die Sozialdemokraten hatten bis zum Dienstagabend Klarheit über eine dauerhafte Regelung verlangt - und zwar ausdrücklich, bevor sie der Übergangslösung im Bundestag zustimmen wollten.
# Zu Recht ans Bett gefesselt? Der Umgang mit psychisch kranken Menschen ist nicht einfach. Den Patienten ans Bett zu fesseln, klingt drastisch, ist in psychiatrischen Kliniken aber Praxis. Zu Recht? Das prüft nun das Bundesverfassungsgericht. Was ist eine Fixierung? Patienten werden dabei ans Krankenbett geschnallt - mit Fesseln an Armen, Beinen und Bauch sowie teilweise zusätzlich noch an Brust und Stirn. Gemacht wird das etwa in psychiatrischen Kliniken, aber auch in Altersheimen. Vor dem Bundesverfassungsgericht klagten zwei Männer, die in der Psychiatrie fixiert worden waren. Die Richter überprüfen deshalb nur die Regeln für Fixierungen in der Psychiatrie, nicht für solche in Altersheimen. Wer kann gegen seinen Willen in die Psychiatrie eingewiesen werden? Psychisch kranke Menschen, wenn sie "unterbringungsbedürftig" sind. Das ist etwa dann der Fall, wenn jemand zur Gefahr für andere Menschen wird oder sich das Leben nehmen will. Eine weitere wichtige Voraussetzung ist, dass es keine andere Möglichkeit gibt, die Gefahr abzuwenden. Die Einzelheiten sind in den Bundesländern unterschiedlich geregelt. Wie war das bei den beiden Klägern? Der Kläger aus Bayern wurde im Juni 2009 von der Polizei Spätabends aus seiner Wohnung in die Psychiatrie gebracht. Der Grund für seine vorläufige Unterbringung: Suizidgefahr. Der Mann hatte an dem Abend 2,68 Promille im Blut. Nach Angaben von Freunden war er von seinem Partner verlassen worden, hatte seine Mutter verloren und Suizidgedanken geäußert. Gut zwölf Stunden später war er wieder raus, acht Stunden lang verbrachte er allerdings ans Bett gefesselt. Der Mann aus Baden-Württemberg wurde 2015 aufgrund eines gerichtlichen Beschlusses in einer geschlossenen psychiatrischen Einrichtung untergebracht, weil er an einer schizo-affektiven Störung leidet. In der Klinik wurde er immer wieder ans Bett gefesselt. Der Grund: Er soll Geschirr und Möbel zertrümmert und Mitarbeiter beschimpft haben. Außerdem soll er mehrfach die Polizei mit Bomben bedroht haben. Was muss das Bundesverfassungsgericht jetzt klären? Im Zentrum der mündlichen Verhandlung, die zwei Tage dauern soll, stehen zwei rechtliche Fragen. Erstens: Wer darf eine Fixierung anordnen - ein Krankenpfleger, ein Arzt oder nur ein Richter? Zweitens: Legen die Gesetze in Bayern und Baden-Württemberg genau genug fest, unter welchen Voraussetzungen überhaupt gefesselt werden darf? Im Fall der beiden Männer hatten jeweils Ärzte die Fixierung angeordnet. So sieht es das Gesetz in Baden-Württemberg vor. In Bayern gibt es bisher kein spezielles Gesetz für die Fixierung. Damit ist auch nicht festgelegt, wer das Fesseln wann anordnen darf. Das bayerische Sozialministerium hat allerdings eine Reform angekündigt, mit der ein Richtervorbehalt eingeführt werden soll. Zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen ist das seit 2017 bei länger andauernden oder regelmäßigen Fixierungen bereits der Fall. Warum sollte ein Gericht die Fixierung anordnen müssen? Das Fesseln ans Krankenbett könnte ein kompletter Entzug der Freiheit sein, nicht nur eine bloße Beschränkung der Freiheit. Über die Zulässigkeit und Fortdauer eines Freiheitsentzugs dürfen nach dem Grundgesetz aber nur Richter entscheiden, weil damit ein sehr schwerer Eingriff in die Grundrechte einer Person verbunden ist. Ob die Fixierung darunter fällt oder ob sie allein eine Freiheitsbeschränkung ist, muss nun Karlsruhe klären. Dabei muss sich das Bundesverfassungsgericht auch überlegen: Ist ein Freiheitsentzug im Freiheitsentzug überhaupt denkbar? Denn schon die Unterbringung in der Psychiatrie als solche ist ja ein Freiheitsentzug.
# Bezahlen ja, mitbestimmen nein Die EU hat harte Bedingungen für die von London gewünschte Brexit-Übergangsfrist beschlossen. 21 Monate lang soll Großbritannien weiter zahlen, darf aber kaum noch mitbestimmen. Die Vertreter der 27 verbleibenden EU-Staaten halten den Druck auf London aufrecht: Bei ihrem ersten Brexit-Treffen im neuen Jahr machten sie deutlich, dass sich das Vereinigte Königreich vermutlich sehr viel länger an das gemeinsame Regelwerk wird halten müssen als anfangs gedacht. Gemäß dem neuen Mandat für Phase zwei, das der Ministerrat einstimmig und ohne größere Aussprache verabschiedete, soll EU-Chefunterhändler Michel Barnier mit seinem Gegenüber David Davis zunächst über eine Interimsphase sprechen, die ein allzu abruptes Kappen aller Verbindungen verhindern soll. Zwischenstatus soll Übergang vereinfachen Geplant ist eine am 30. März 2019 beginnende Schonfrist von nicht ganz zwei Jahren, in der Großbritannien weiter im Binnenmarkt bleibt und sich für Bürger und Unternehmen so gut wie nichts ändert. Ein solcher Zwischenstatus - vergleichbar mit dem Norwegens - soll beiden Seiten mehr Zeit geben, die künftigen Beziehungen in Ruhe zu regeln. Dies sei insbesondere für Firmen beiderseits des Kanals nützlich und notwendig, um sich auf das neue Verhältnis einzustellen. Mit ihrem Beschluss kommt die EU Premierministerin Theresa May entgegen: Sie hatte in ihrer Grundsatzrede im vergangenen September in Florenz die Idee einer solche Übergangsperiode erstmals aufgegriffen. Wohl wissend, dass die Zeit, die laut Artikel 50 zur Verfügung steht, für das Aushandeln eines umfassenden Partnerschaftsabkommens viel zu knapp bemessen ist. 31. Dezember 2020 ist endgültig Schluss Auf EU-Seite hat man den Wunsch akzeptiert, ihn aber an strenge Bedingungen geknüpft, die in London noch für Kontroversen sorgen dürften. So soll die Übergangsphase nicht, wie von May vorgeschlagen, volle zwei Jahre dauern, sondern höchstens 21 Monate. Quasi als finale Brexit-Deadline wird Unterhändler Barnier den Briten den 31. Dezember 2020 vorschlagen, den Tag, an dem auch der mehrjährige Haushaltsrahmen der Union ausläuft. Bezahlen ja, mitbestimmen nein Großbritannien wird in dieser Zeit weiter in die Brüsseler Gemeinschaftskasse einzahlen und sämtliche EU-Regeln befolgen müssen - selbst solche, die erst nach dem Austritt beschlossen werden. Auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs bleibt verbindlich. Und für überzeugte Brexiteers besonders schwer zu schlucken: EU-Bürgern wird es auch nach März 2019 noch eine Zeitlang gestattet sein, sich auf der Insel niederzulassen. Die bulgarische Außenministerin Ekatarina Zaharieva, Sprecherin der aktuellen Ratspräsidentschaft, betont: In den europäischen Entscheider-Gremien, also vor allem in Rat, Kommission und Parlament, wird das Vereinigte Königreich während des Übergangs nicht mehr vertreten sein. Höchstens anhören wolle man sich die Position Londons von Fall zu Fall.
# Holzklasse statt Luxus Für Großbritannien wird es sich nach dem Brexit also noch eine ganze Weile so anfühlen, als wäre man weiterhin EU-Mitglied - ohne jedoch noch irgendwie mitreden zu dürfen. Das ist konsequent. Jetzt wird so mancher Brexit-Befürworter auf der Insel ganz tapfer sein müssen. Denn wie hieß doch gleich das Motto der Abnabelungs-Hardliner? "Wir holen uns unser Land zurück!" Doch mit dieser groß angelegten Rückholaktion werden sie noch etwas warten müssen: Zwar verlassen die Briten - daran führt kein Weg vorbei - am 30. März 2019 die EU. Doch es wird sich noch eine ganze Weile so anfühlen, als wären sie weiterhin Mitglied - ohne jedoch noch irgendwie mitbestimmen zu dürfen. So jedenfalls stellt sich die EU die Übergangsphase vor, die zunächst bis Ende 2020 geplant ist: London zahlt wie bisher, London hält sich an das komplette EU-Regelwerk wie bisher, ja London soll sogar alle neuen Gesetze, die in dieser Zeit in Brüssel erlassen werden, befolgen. Ohne noch bei irgendeinem Ministerrat oder EU-Gipfel mit am Tisch sitzen und die Hand heben zu dürfen. Wobei die Kontinental-Europäer laut Richtlinien-Papier nicht ausschließen, dass man ja Gnade vor Recht ergehen lassen und britische Vertreter von Fall zu Fall zu bestimmten Treffen einladen könnte. Ohne Einigung droht Handelsstopp Statt eines "Brexits de Luxe" dürften die Briten also vorerst eine Art Mitgliedschaft Zweiter Klasse bekommen. So haben sich die nun tobenden Hardliner das alles nicht vorgestellt. Womit sich andeutet, dass die EU und die Briten selbst bei diesem bislang nicht sonderlich umstrittenen Thema aneinandergeraten könnten. Doch am Ende wird das Königreich keine Wahl haben. Es braucht diese Schonfrist, es braucht diese nicht ganz zwei Jahre währende Übergangszeit, um nicht völlig ungeordnet aus der EU zu purzeln. Einigt man sich nämlich nicht, gingen bereits in etwas mehr als einem Jahr die Zollschranken wieder hoch. Der dann deutlich verteuerte Warenverkehr könnte den Handel zum Erliegen bringen, britische Flieger liefen Gefahr, nicht mehr auf dem Festland landen zu dürfen. Mit anderen Worten: Die Folgen wären für die EU zwar ebenfalls verheerend, für die Briten jedoch schlicht nicht zu verkraften. Schuld ist der Brexit selbst Auch in Phase zwei der Scheidungsverhandlungen zeigt sich somit, dass die Europäische Union in jeder Hinsicht am längeren Hebel sitzt. Da kann US-Präsident Trump, wie jetzt am Wochenende, noch so viele böse gemeinte Ratschläge geben, dass er im Gegensatz zur britischen Premierministerin selbstverständlich viel härter verhandelt hätte. Doch dass sich die EU und die Insel bei den Austritts-Gesprächen nicht auf Augenhöhe begegnen würden, war von Anfang an klar. Nur haben die Brexit-Befürworter ihrer Bevölkerung nie ehrlich gesagt, dass der EU-Ausstieg eher eine Verzwergung denn eine Vergrößerung globalen Einflusses bedeuten würde. Sollte sich also im Vereinigten Königreich nun irgendjemand gedemütigt fühlen, so sollte er die Schuld beim Brexit selbst suchen - und nicht bei der vermeintlich zu weichen Verhandlungsführung. Letztlich aber scheint Scheidungsphase zwei genauso paradox zu beginnen wie Phase eins: Die EU handelt und wartet, die austrittswilligen Briten hadern und zaudern. Weil die zerstrittene May-Mannschaft offenbar noch nicht weiß, wie genau sie sich die Zukunft nach 2020 und einen künftigen Handelsvertrag vorstellt. Doch es wird nun dringend Zeit, dass die britische Regierung die Verhandlungen mit sich selbst abschließt, um rechtzeitig in Verhandlungen mit der EU einzusteigen. Denn sonst bliebe am Ende ja nur eine Verlängerung der so ungeliebten Übergangsphase als Ausweg - und diese Schmach werden sich die stolzen Brexiteers wohl kaum antun wollen.
# Von "Dreamern" und politischen Flüchtlingen Ein "Dreamer", der nicht mehr in die USA darf, oder US-Amerikaner, die nach Mexiko ziehen: Die Einwanderungspolitik von US-Präsident Trump bestimmt ihr Leben.
# Experimente im Namen der Autolobby Die "Forschungsvereinigung" der Autolobby hatte Inhalations-Experimente an Menschen und Affen durchgeführt. Ein Bericht der EUGT gibt Einblick in die Arbeit. "Es ist schwieriger, eine vorgefasste Meinung zu zertrümmern als ein Atom." Mit diesem Zitat, das angeblich von Albert Einstein stammt, leitet die "Europäische Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportsektor" (EUGT) eine Präsentation über ihre Aktivitäten in den Jahren 2012 bis 2015 ein. Als Ziele gab die EUGT an, sie wolle den aktuellen Wissensstand zu "umweltmedizinisch relevanten Auswirkungen des Verkehrs" dokumentieren, Studien und Daten "insbesondere im Bereich der Komplexität von Luftgemischen" bewerten, Veranstaltungen organisieren, Netzwerke aufbauen und "Folgenabschätzungen von Maßnahmen zur Verkehrsbeeinflussung" vornehmen. Klassische Lobbyarbeit also. Manager der Autoindustrie und ein bekannter Gutachter Als Gesichter dieser "Forschungsvereinigung" traten Vertreter von der Fraport AG, Daimler, BMW und Volkswagen auf. Einzige Frau unter den sieben EUGT-"Köpfen": eine Assistentin der Geschäftsführung. Zudem verfügte die EUGT über einen Forschungsbeirat mit Vertretern von Universitäten aus München, Frankfurt, Münster und dem Ruhrgebiet. Darunter findet sich beispielsweise Prof. Dr. Helmut Greim von der TU München - als Vorsitzender des EUGT-Forschungsbeirats. Über Greim hatte das ARD-Magazin Monitor im Oktober 2016 ausführlich berichtet - als "industrienaher Gutachter", der seit Jahrzehnten die Politik beeinflusst habe. Zwei Inhalationsstudien Konkret versuchte die EUGT beispielsweise in einer Studie nachzuweisen, dass die Einführung von Umweltzonen in Städten keine nennenswerte Reduktion von Schadstoffen gebracht habe. Gleich zwei mal führt die EUGT in ihrem Überblick "Kurzzeit-Inhalationsstudien" auf. Zu einer entsprechenden Studie zur "biologischen Wirkung von Stickstoffdioxid" heißt es in dem Bericht: EUGT hat auf Empfehlung des Forschungsbeirates eine Kurzzeit-Inhalationsstudie mit NO2 bei gesunden Menschen gefördert, in der NO2-Konzentrationen genutzt wurden, die für arbeits- und umweltmedizinische Belange von Bedeutung sind. Diese Untersuchung soll aber nichts mit dem Dieselskandal zu tun gehabt haben. Das betont der zuständige Institutsleiter Thomas Kraus von der Universität Aachen. Die Studie von 2013 habe sich mit dem Stickstoffdioxidgrenzwert am Arbeitsplatz befasst, erklärte Kraus der Deutschen Presse-Agentur. Die Ethikkommission habe die Studie als vertretbar bewertet. 25 gesunde Menschen seien dabei Belastungen ausgesetzt worden, die unterhalb der Belastungen am Arbeitsplatz lägen. In dem EUGT-Bericht hieß es hingegen zu dem Experiment: "Als höchste experimentelle Konzentration sei der dreifache Arbeitsplatzgrenzwert eingesetzt" worden. Zudem wird in dem EUGT-Bericht eine Verbindung zu Dieselmotoren gezogen. So schrieb die EUGT zum Hintergrund der Untersuchung: Stickstoffoxide (NOX) entstehen als unerwünschte Nebenreaktionen bei Verbrennungsprozessen. Die Hauptquellen sind Verbrennungsmotoren und Feuerungsanlagen für Kohle, Öl, Gas, Holz und Abfälle. In Ballungsgebieten ist der Straßenverkehr die bedeutendste NOX-Quelle. Stickstoffdioxid (NO2) gilt dabei als wesentliche Messgröße für den Einfluß des Verkehrs auf die Luftqualität. NO2 kann aber auch an bestimmten Arbeitsplätzen relevant sein. Im Bundestagswahlkampf 2017 versuchten AfD, CSU und FDP mit dem Thema Stickstoffdioxid-Grenzwerte am Arbeitsplatz und im Verkehr Stimmung zu machen. So wurde immer wieder behauptet, in Büros gelten viel höhere Grenzwerte für Stickstoffdioxid als auf der Straße - was nicht richtig ist. "Keine relevanten gesundheitlichen Wirkungen" Die Autolobby-Organisation EUGT zog auch in der Vorbereitung zu dem Experiment mit Affen eine Verbindung zwischen Dieselmotoren und Arbeitsplatzgrenzwerten: In den Diskussionen zu Dieselmotor-Emissionen (DME) hinsichtlich der Festlegung eines neuen Arbeitsplatzgrenzwerts in Deutschland wird immer wieder darauf hingewiesen, dass sich die bisher vorliegenden Daten zu gesundheitlichen Wirkungen von DME nur auf den technischen Stand bis zum Jahr 2000 beziehen. Der wissenschaftliche EUGT-Forschungsbeirat gehe davon aus, dass "bei 'modernem' Dieselabgas aufgrund der technischen Maßnahmen wie zum Beispiel Einsatz eines Dieselpartikelfilters keine relevanten gesundheitlichen Wirkungen nachweisbar" seien. Um diese Annahme zu belegen, wollte man die experimentelle Studie an Affen fördern: Mit einer Exposition gegenüber DME eines Pkw aus dem Jahr 1999 und eines neuen Pkw mit dem zeitgemäßen Emissionsstandard EURO 6 (Modelljahr 2015) sollen in mehrstündigen Inhalationsversuchen mit Affen die Unterschiede in den biologischen Reaktionen untersucht werden. Die EUGT wurde im Sommer 2017 aufgelöst. Die Autobauer verurteilen nun deren Arbeit: Daimler distanzierte sich deutlich von der "Forschungsvereinigung" und den Experimenten. VW entschuldigte sich für die Versuche mit Affen.
# Alle Pflichten, keine Stimmrechte Großbritannien wünscht sich nach dem Brexit eine zweijährige Übergangsfrist. Sinnvoll - findet auch die EU. Damit diese Phase geordnet abläuft, legt sie dafür Richtlinien fest. Und die haben es in sich. Es wird ein in jeder Hinsicht besonderes Erwachen: Wenn die Briten am 30. März 2019 aufstehen, werden sie sich nicht mehr in der Europäischen Union befinden. Dabei dürfte es sich zunächst aber noch so anfühlen, als wären sie weiter Teil der EU. Denn wenn alles gut geht, einigen sich beide Seiten, wie geplant, auf eine Übergangsphase bis zum 31. Dezember 2020. "Die Übergangsphase, um die Großbritannien gebeten hat, ist hilfreich, weil sie einen geordneten Austritt ermöglicht", findet EU-Chefverhandler Michel Barnier. Geht es nach der Europäischen Union, dann werden den Briten in dieser fast zweijährigen Zwischenphase sämtliche Pflichten auferlegt bleiben, ohne dass sie noch in irgendeiner Form mitbestimmen können. Das Königreich wird sich weiter an das komplette EU-Regelwerk halten müssen. Es wird sogar auch all das übernehmen müssen, was die EU in der Übergangsphase an neuen Gesetzen beschließt, wie es in dem Entwurf für die Verhandlungsrichtlinien heißt, der dem ARD-Studio Brüssel vorliegt. Bei all dem gilt: "Natürlich ist das Vereinigte Königreich, weil es am 30. März 2019 ein Drittstaat wird, dann nicht mehr in den EU-Institutionen vertreten", stellt Barnier klar. Harte Richtlinien - aber mit Vorteilen In Absatz 19 der heute von der EU noch offiziell zu verabschiedenden Richtlinien heißt es dazu gnädig, dass Großbritannien "ohne Stimmrechte" zu einzelnen Treffen eingeladen werden könnte. Auch wenn so mancher Brexit-Hardliner all dies als Demütigung empfinden mag - die Vorteile liegen für beide Seiten auf der Hand: Die Briten bleiben vorerst Teil des EU-Binnenmarkts und der Zollunion, Unternehmen bekommen Zeit, noch einmal durchzuatmen. "Unser unmittelbares Ziel ist es, mit der EU Einigkeit zur Übergangsphase zu erzielen. Weil unsere Ziele weitgehend dieselben sind, bin ich zuversichtlich, dass wir beim EU-Gipfel im März eine politische Einigung erzielen", erklärte der britische Brexit-Minister David Davis. Laut EU-Diplomaten planen beide Seiten, ihre Verhandlungsfrequenz zu erhöhen und sich, anders als in Scheidungsphase eins, künftig im Zwei-Wochen-Rhythmus zu treffen. Langes Warten auf Details Natürlich wollen die Briten - was ihnen auch erlaubt sein dürfte - in der Übergangsphase bereits beginnen, mit anderen Staaten über eigene Handelsabkommen zu sprechen. Viel entscheidender aber dürfte letztlich die Frage sein, auf welches Abkommen sie sich mit der EU einigen - und wann: "Es war das Vereinigte Königreich, das uns gesagt hat, es wolle nicht mehr Teil des Binnenmarkts sein. Auch nicht der Zollunion. Das waren nicht wir, sie waren das. Auch wollen sie nicht die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs akzeptieren", fasste kürzlich EU-Verhandler Barnier zusammen. Sein Pendant auf der anderen Seite der Ärmelkanals, Davis, hatte einst erklärt, er könne sich einen "CETA-Plus-Plus-Plus-Deal" vorstellen. Also eine Art aufgepepptes EU-Kanada-Freihandelsabkommen. Doch auf EU-Seite wartet man bislang einigermaßen verzweifelt darauf, dass die Briten ihre Vorstellungen endlich präzisieren. Weder die Rede von Premierministerin Theresa May in Davos noch die von Brexit-Minister Davis förderten neue Erkenntnisse zutage. Es gibt nicht wenige in Brüssel, die mutmaßen, dass die Regierung in London wohl erst noch mit sich selbst verhandeln müsse, bevor an Verhandlungen mit der EU zu denken sei. Wahnsinnig viel Zeit bleibt nicht: Die Übergangsphase soll ja - so ist es zunächst geplant - am 31. Dezember 2020 enden.
# Stolperfalle Familiennachzug An diesem Streit könnte die GroKo noch scheitern: Der Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus. Zwar gibt es einen Kompromiss zwischen Union und SPD. Doch der wirft Fragen auf. Bislang können nur jene Flüchtlinge ihre Kernfamilie nachholen (Eltern, minderjährige Geschwister, minderjährige Kinder), die den vollen Schutz genießen - nach der Genfer Flüchtlingskonvention oder dem deutschen Asylrecht. Für Flüchtlinge mit eingeschränktem (subsidiärem) Schutz ist dieser Familiennachzug derzeit ausgesetzt. Diese Regelung gilt aber nur noch bis Mitte März. Daher ringen CDU, CSU und SPD um einen Kompromiss. Der Kompromiss Im Sondierungspapier der drei Parteien heißt es dazu: Auch für die subsidiär Geschützten soll es einen Familiennachzug geben - "nur aus humanitären Gründen". Allerdings nicht für alle und nicht auf einmal, sondern "geordnet und gestaffelt". Pro Monat soll 1000 Menschen ermöglicht werden, nach Deutschland zu kommen. Bisherige Härtefall-Regelung Schon jetzt ist es für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutz in seltenen Fällen möglich, Familienmitglieder nach Deutschland holen, und zwar wenn ein Härtefall vorliegt. Allerdings ist die derzeitige Regelung im Aufenthaltsgesetz so eng gefasst, dass es nur ein paar Dutzend Familienangehörige pro Jahr gibt, die auf diesem Weg nach Deutschland kommen können. Ausweitung der Härtefall-Regelung SPD-Chef Martin Schulz forderte auf dem SPD-Parteitag am vergangenen Wochenende, es müsse eine "weitergehende Härtefall-Regelung" geben. Zwar zeigte sich Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer von der CDU offen. Darüber werde man reden können, sagte er im Deutschlandfunk. Allerdings zeigt sich immer mehr, dass SPD und Union von zwei verschiedenen Dingen sprechen. 1000 Familienangehörige pro Monat - oder doch mehr? Der Unterschied der beiden Parteien: Für die SPD sind die Härtefälle und die Kontingent-Flüchtlinge zwei verschiedene Gruppen. Zusätzlich zu den 1000 Familienangehörigen pro Monat sollen Härtefälle nach Deutschland kommen können, und zwar mehr Härtefälle als etwa 100 pro Jahr wie bislang. "Die SPD wird in den Koalitionsverhandlungen konkret über das Kontingent sowie eine großzügige Härtefall-Regelung reden" so SPD-Vize Ralf Stegner. Das sei auch der Auftrag des SPD-Bundesparteitags. Für die Union wiederum können maximal 1000 Familienangehörige von subsidiär Geschützten pro Monat nach Deutschland kommen - inklusive der Härtefälle. "Mit dem Kompromiss, monatlich 1000 subsidiär Geschützten den Familiennachzug zu gewähren, sind wir der SPD schon sehr weit entgegengekommen", sagt Innenexperte Armin Schuster. Mit der Formulierung "Familiennachzug nur aus humanitären Gründen" sei im Sondierungspapier auch ganz klar festgehalten, dass damit in erster Linie die Härtefälle gemeint seien. Und weiter: "Wir sind da schon sehr großzügig." Streit über die Formulierungen im Sondierungspapier Darüber, wie bestimmte Formulierungen im Sondierungspapier zustande gekommen sind, tobt seit Tagen ein öffentlicher Streit. Auf der einen Seite fühlt sich die SPD von der CSU über den Tisch gezogen. Die Bayern hätten bei der Formulierung des Sondierungspapiers Änderungen vorgenommen. Auf der anderen Seite versteht die Union nicht, warum die SPD dem Sondierungspapier abschließend zugestimmt habe, wenn sie mit den Formulierungen nicht einverstanden gewesen sei.  Rechtliche Fragen Wie auch immer die Formulierung "Familiennachzug nur aus humanitären Gründen" zustande gekommen ist, sie wirft zahlreiche rechtliche Fragen auf: Nach welchen Kriterien können jeden Monat 1000 Familienangehörige nach humanitären Gesichtspunkten ausgewählt werden? Zählt die Bedrohung am Aufenthaltsort der Familienangehörigen? Spielen Krankheiten oder die Anzahl der Kinder eine Rolle? Und selbst wenn die GroKo-Verhandler so einen Kriterienkatalog erstellen könnten: Wer sollte diese höchst brisanten Entscheidungen treffen? Kann dies den Mitarbeitern in deutschen Auslandsvertretungen wie in Beirut zugemutet werden? Wie gerichtsfest wären sie? Und wie viele Klagen mag es dann vor deutschen Gerichten geben - von Flüchtlingen, deren Kernfamilien nicht berücksichtigt wurden? First come, first serve Juristisch einfacher zu handhaben wäre das Kriterium "first come, first serve": Wer beispielsweise 2015 kam, kann den Familiennachzug vor all denjenigen beantragen, die 2016 oder 2017 kamen. Allerdings: Dann spielten die humanitären Gründe keine Rolle. Darauf wird sich die Union wohl kaum einlassen. Gesetzesvorhaben im Bundestag Parallel zu den Koalitionsverhandlungen hat die Unionsfraktion ein Gesetzesvorhaben in den Bundestag eingebracht. Der Familiennachzug soll demnach weiterhin ausgesetzt werden. Die SPD will nur zustimmen, wenn zwei Kriterien in den Text aufgenommen werden, die auch bei den Koalitionsverhandlungen beschlossen worden seien. Erstens: Ab dem 31. Juli 2018 soll die Neuregelung gelten, wonach monatlich 1000 Familienangehörige von subsidiär Geschützten nach  Deutschland kommen dürfen. Zweitens: Schon ab Mitte März soll die Möglichkeit eröffnet werden, dafür Anträge zu stellen. Ist die Groko ohne Zustimmung der SPD "tot"? Bislang konnten sich die beiden Fraktionen noch nicht darauf einigen, ob diese beiden Punkte tatsächlich in den Text aufgenommen werden oder nicht. Die Entscheidung soll nach oben gereicht worden sein, heißt es bei Union und SPD - auf den Schreibtisch der Fraktionsvorsitzenden. Allerdings ist zu erwarten, dass die Union nachgeben muss. Sollte die SPD die Zustimmung verweigern, wäre die Union auch auf die Stimmen der AfD angewiesen. Das will die Union aus unterschiedlichen Gründen vermeiden. Zum einen wäre es für Kanzlerin Angela Merkel ein völlig falsches Signal, zum anderen wären die Koalitionsverhandlungen dann wohl "tot", heißt es aus der SPD. Dazu mehr im "Bericht aus Berlin" um 18:30 Uhr im Ersten. Gäste: Martin Schulz, SPD-Vorsitzender und Markus Söder, designierter bayerischer Ministerpräsident, CSU.
# EU kritisiert Fake News aus Russland "Ausgeklügelt", "sorgfältig orchestriert" - und "regierungsgestützt" - EU-Sicherheitskommissar King hat Russland eine massive Fake-News-Kampagne vorgeworfen. Dagegen müsse sich Europa wehren. Die EU-Kommission hat der russischen Regierung erneut vorgeworfen, gezielt Falschmeldungen in Europa zu verbreiten. "Es besteht kaum ein Zweifel daran, dass wir es gegenwärtig mit einer ausgeklügelten, sorgfältig orchestrierten regierungsgestützten pro-russischen Desinformationskampagne zu tun haben", schreibt Sicherheitskommissar Julian King in einem Meinungsbeitrag für die "Welt". Das russische Militär sehe das Internet offenbar "als ein neues Einsatzgebiet", in dem Falschinformationen als Waffe eingesetzt würden. Als ein Beispiel nannte King jüngste Berichte, dass die Europäische Union in Georgien Inzest verharmlose. Die Bedrohungen im Cyberspace umfassten etwa Hackerangriffe und Schadstoffsoftware, terroristische Online-Propaganda bis hin zum Versuch, mit "Fake News" das Verhalten einer großen Zahl von Menschen zu manipulieren "und unsere offenen demokratischen Systeme zu einer Waffe zu machen, die sich gegen uns selbst richtet", sagte King weiter. King: Entlarven ist beste Gegenstrategie Europa müsse gegen diese Desinformationen vorgehen, sagte der Brite. Die beste Verteidigung gegen Desinformation sei es, sie zu entlarven und dafür zu sorgen, dass die Menschen mit einem kritischen Verstand gerüstet seien, um Glaubwürdiges von Erlogenem zu unterscheiden. Die Kommission starte deshalb eine Reihe von Projekten, um die Medienkompetenz der Bürger zu verbessern. Zudem arbeite man mit Online-Plattformen zusammen, um gegen illegale Online-Inhalte wie Hetze und Anstiftung zum Terrorismus vorzugehen. Vor der Bundestagswahl hatte die deutsche Spionageabwehr monatelang gewarnt, russische Stellen könnten wie in den USA oder Frankreich versuchen, die Abstimmung zu beeinflussen. Hinweise darauf fanden sich anschließend aber nicht.
# Aus Drei mach Zwei Annalena Baerbock, Anja Piel, Robert Habeck - sie bewerben sich um den Platz an der Parteispitze der Grünen. Doch wer sind diese drei Kandidaten? Ein kurzer Blick auf ihren bisherigen Werdegang. Der Poetische aus Schleswig-Holstein Zum Parteinachwuchs gehört er schon lange nicht mehr. Trotzdem wirkt Robert Habeck mit seinen 48 Jahren immer noch wie ein großer Junge. Naturbursche - dieses Image kultiviert er. Strubbelhaare, Denkerfalten auf der Stirn, barfuß in der Ostsee, mit Outdoorjacke in den Viehställen. "Draußenminister" nennt er seinen Job in Schleswig-Holstein. Das Umweltministerium gibt er nicht gerne auf: "Weil ich das Ministerium, dass ich jetzt ja im sechsten Jahr führe, geradezu liebe." Gerade mal 16 Jahre ist Habeck Mitglied der Grünen. Davor hat er Philosophie und Germanistik studiert, vier Söhne großgezogen und geschrieben, gemeinsam mit seiner Frau. Und wenn Habeck über Politik redet, dann klingt es immer noch ein wenig poetisch, selbst nach dem Scheitern von Jamaika auf Bundesebene: "Wir stehen hier, ich stehe hier - mit gutem Papier und leeren Händen. Und diese Ohnmacht ist jetzt das, was sich breit macht bei mir." Habeck will aus den Grünen eine gesellschaftliche Gesamtbewegung machen: linksliberal verortet, aber bereit zu pragmatischen Kompromissen. Die Lebhafte aus Brandenburg Dunkle, kinnlange Haare, 37 Jahre alt: Annalena Baerbocks blauen Augen blitzen, wenn sie über ihre bisher stärkste Rolle redet: als Mitsondiererin von Jamaika: "Wir waren so tief in diesen Diskussionen, im Ringen drin, dass ich persönlich mal zwischendrin in Tränen ausgebrochen bin, weil ich gedacht habe: Oh Gott, das ist so hart, dieses Ringen." Baerbock ist Grünen-Bundestagsabgeordnete, aufgewachsen in einem Dorf bei Hannover. Jetzt lebt sie in Potsdam in Brandenburg - Grüne Diaspora. Umso mehr hängt sie sich rein, wirbt ausgerechnet in der Lausitz für den Kohleausstieg. Ihre Zeit als Leistungssportlerin auf dem Trampolin war da eine gute Schule. "Man springt beim Trampolin bis zu fünf Meter hoch. Und da braucht's ein bisschen Mut und auch keine Angst, dass man mal fällt." Baerbock zählt zu den Realos bei den Grünen. Sie verspricht, die Partei zusammenzuhalten. Das alte Flügeldenken ist überholt, sagt sie, viel wichtiger sei, um die richtigen Konzepte zu ringen. Die Ruhige aus Niedersachsen Einen Generationenwechsel bekommen die Grünen mit Anja Piel nicht. Sie ist 52 Jahre alt - genauso alt wie die scheidende Parteivorsitzende Simone Peter. In Niedersachsen kennt man die Frau mit den kurzen, dunklen Haaren. Woanders muss sie sich noch vorstellen, auch bei den Grünen. "Anja Piel, zwei Kinder, zwei Hunde und einen Mann. Mein Mann ärgert sich immer, dass er am Ende genannt wird. Aber den habe ich schon am längsten - vielleicht deshalb." Seit 20 Jahren ist Anja Piel bei den Grünen. Die Anti-Atom-Bewegung hat sie schon als Schülerin politisiert. Die Frauenpolitik überzeugte sie schließlich von der Partei. Die gelernte Industriekauffrau macht eine klassische Karriere bei den Grünen: Aus der Kommunalpolitik in den Landtag. Sie war Landesvorsitzende in Niedersachsen, jetzt ist sie Fraktionschefin. Sie ist kann tough verhandeln, bescheinigen ihr SPD-Politiker aus rot-grünen Regierungszeiten in Hannover. Auf den ersten Blick aber strahlt Anja Piel vor allem eins aus: Ruhe und Gelassenheit. "Ich kann auch sehr angriffslustig sein, wenn es um die Verteidigung harter Positionen geht. Das haben wir in der Koalition natürlich meistens hinter verschlossenen Türen gemacht. Ich werde jetzt lernen müssen, solche konfrontativen Dinge auch auf der offenen Bühne zu machen. Und das wird mir auch Spaß machen, glaube ich." Anja Piel sagt, die Grünen können mehr als Umwelt und Klimaschutz. Ihr geht es vor allem um Antworten auf soziale Fragen. Die haben wir, sagt Piel, wir müssen nur raus damit an die Öffentlichkeit.
# SPD sackt auf 19 Prozent ab Schlechte Nachrichten für die SPD: Im ARD-DeutschlandTrend rutscht die Partei auf magere 19 Prozent. Auch was die Koalitionsgespräche mit der Union angeht, gibt es miese Werte für die Genossen. Die SPD ist in der Gunst der Wähler unter die 20-Prozent-Marke gerutscht. Im ARD-DeutschlandTrend für das Morgenmagazin erreichen die Sozialdemokraten nur noch 19 Prozent, zwei Punkte weniger als bei der Erhebung vor drei Wochen. Das ist der niedrigste Wert, den infratest dimap seit Beginn des DeutschlandTrends im November 1997 gemessen hat. Die CDU/CSU bleibt unverändert bei 33 Prozent. Die AfD liegt in der Sonntagsfrage bei zwölf Prozent (minus eins). Die Grünen bleiben stabil bei elf Prozent. Linkspartei und FDP legen jeweils einen Punkt zu auf zehn Prozent. Wenig Chancen auf Erfolge bei Koalitionsverhandlungen In den anstehenden Koalitionsverhandlungen mit der Union sehen die Bundesbürger wenig Chancen, dass die SPD die Nachforderungen durchsetzen kann. 58 Prozent erwarten demnach nur wenig Veränderungen der Sondierungsergebnisse, 14 Prozent gar keine. Dagegen erwarten 18 Prozent, dass die SPD viele ihrer Forderungen durchsetzen kann. Die SPD-Anhänger sind dabei kaum optimistischer als die der anderen Parteien. Nur rund ein Viertel erwartet, dass alle (ein Prozent) oder zumindest viele (25 Prozent) der Forderungen der SPD durchgesetzt werden können. Sieben von zehn SPD-Anhängern rechnen mit wenig (65 Prozent) oder keinen Veränderungen (6 Prozent). Bei den Forderungen geht es um ein Aus für sachgrundlose Befristungen von Arbeitsverträgen, ein Eindämmen der Zwei-Klassen-Medizin sowie eine zusätzliche Härtefallregelung für den Familiennachzug von Flüchtlingen. SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles sprach sich im ARD-Morgenmagazin zudem erneut für eine Bürgerversicherung aus - ein Thema, das die Union strikt ablehnt. Nahles will sich dafür einsetzen, zumindest einen Einstieg zu bekommen. So sei es für gering verdienende Beamte oft günstiger, gesetzlich versichert zu sein. Beamte sollten frei entscheiden können, sagte sie. Wenig Impulse mit neuer Grünen-Spitze Thema im ARD-DeutschlandTrend sind auch die Grünen, die auf ihrem Parteitag neue Vorsitzende wählen wollen. Im Rennen sind Robert Habeck, Anja Piel und Annalena Baerbock. Die neue Doppelspitze löst das Duo Cem Özdemir und Simone Peter ab. Die Mehrheit der Deutschen geht davon aus, dass den Grünen der Wechsel an ihrer Spitze nicht viel neue Impulse für künftige Wahlen bringen wird. So sagen 67 Prozent laut ARD-DeutschlandTrend, dass die Grünen mit einer neuen Parteispitze nicht besser aufgestellt sein werden. Nur knapp ein Viertel der Befragten (23 Prozent) sieht die Grünen dagegen mit neuen Vorsitzenden für künftige Abstimmungen besser positioniert. Die Grünen-Anhänger sind in der Frage gespalten, was der Wechsel der Partei bringen wird. Weniger als die Hälfte (44 Prozent) erwartet von der künftigen Führung laut Umfrage neue Impulse für kommende Wahlen, 52 Prozent rechnen nicht mit wesentlichen Veränderungen.
# Die Seidenstraße endet in Duisburg Es sind bereits 25 Züge pro Woche: Zwischen China und Deutschland gibt es eine Bahnverbindung, die den Handel ankurbeln soll. Für Duisburg bedeutet sie Hoffnung im Strukturwandel. Zehntausende Container stapeln sich auf dem Duisburger Hafengelände. Duisburg ist der größte Binnenhafen Europas. 130 Millionen Tonnen Güter werden hier jedes Jahr umgeschlagen. Unter die Container mischen sich inzwischen immer mehr mit chinesischen Schriftzeichen. Duisburg ist der Endpunkt einer gut 10.000 Kilometer langen Bahnstrecke, die in Chongqing in China beginnt. Etwa zwölf Tage braucht der Zug für die Strecke; zum Vergleich: Ein Schiff ist etwa 40 Tage unterwegs. Die Bahn soll ein Kompromissangebot zwischen Schiff und Flugzeug sein, sagt der Vorstandsvorsitzende der Duisport AG, Erich Staake. "Natürlich ist der Zug teurer als der Transport per Wasser, aber ist eben sehr viel günstiger als die Luftfracht. Und das ordnet ihn genau zwischen Luft- und Seefracht ein." Noch nicht profitabel Inzwischen kommen wöchentlich 25 Züge aus China in Duisburg an. Das hört sich nach viel an, ist aber im Vergleich zum gesamten Transportvolumen zwischen Asien und Europa wenig. Denn ein Zug kann nur maximal 60 Container pro Fahrt transportieren. Ein Containerschiff trägt etwa 10.000 Container. Der Zug müsste also fast 170 Mal fahren, um das gleiche an Waren zu transportieren. Der große Vorteil ist: Für den Zug endet die Strecke nicht im Hafen an der Küste. Duisburg liegt im Herzen Europas. Von hier aus können die Waren leicht in die Regionen, aber auch in die europäischen Nachbarstaaten transportiert werden. Große Hoffnungen in der Region Duisburg Duisburg selbst soll die Eisenbahnstrecke einen zweiten Frühling verschaffen. Seit dem Niedergang des Bergbaus kämpft die Region mit dem Strukturwandel. Die Kassen sind leer, die Arbeitslosigkeit hoch. Die Region schreie nach wirtschaftlichem Wachstum, sagt Burkhard Landers, Präsident der Niederrheinischen Industrie- und Handelskammer zu Duisburg. "Wir erhoffen uns durch die Seidenstraße den Ausbau der Logistik, aber auch den Ausbau von Handel, von Vertrieb, von produzierenden Unternehmen, die aus dem Ausland hier ihre Heimat finden." China macht das Projekt zur ‚Chefsache’ In der Seidenstraße steckt also eine große Portion Hoffnung. Und auch in China ist die Bahnstrecke ein Prestigeobjekt. "Es ist kein Geheimnis, dass die chinesische Regierung die Seidenstraßen-Initiative finanziell fördert", sagt Unternehmer Staake. Dass die Züge nicht wirtschaftlich sind, liegt vor allem daran, dass viel mehr Güter nach Europa geschickt werden als nach China. Doch die Situation verbessert sich. Kamen anfangs viermal so viele Container aus China nach Deutschland wie umgekehrt, so ist das Verhältnis heute bei zwei zu eins. "Wenn wir es schaffen, die Zeitstrecke zwischen China und Europa Duisburg hier von beispielsweise von zwölf Tagen auf acht Tage zu reduzieren, dann sind wir sehr nahe an der Luftfracht; und dann wird dieses Angebot per Schiene noch stärker nachgefragt werden", so Staake. Aufbruchsstimmung in der Region Die neue Seidenstraße weckt den Pioniergeist in Duisburg. Die chinesische Projektentwicklerin Yaomin Wang will mit ihrer Firma 250 Millionen Euro investieren, um auf einer Brachfläche in der Nähe des Hafens ein deutsch-chinesisches Handelszentrum zu errichten. Ihre Augen leuchten als sie die Dimensionen erklärt: "Grundstücksfläche von 60.000 Quadratmetern, Gesamtfläche von 120.000 Quadratmetern. Und angesiedelt werden 300 chinesische Unternehmen, die von hier aus ihren Vertrieb in Mitteleuropa organisieren. Und es werden circa 2000 Arbeitsplätze entstehen." Der Seidenstraßen Zug - er bringt also nicht nur Waren, sondern auch Jobs nach Deutschland. Die Region um Duisburg lässt er von einem Aufschwung träumen.
# Fliegen fürs Weltklima Kann Biosprit Fliegen weniger klimaschädlich machen? Dieser Frage gehen derzeit NASA- und DLR-Wissenschaftler in Ramstein nach - indem sie in Kondensstreifen schnüffeln. Von Ute Spangenberger, SWR Es ist eng im Bauch der DC 8, sehr eng. Der Innenraum des NASA-Forschungsflugzeugs ist vollgestopft mit Technik. "Flying laboratory" - fliegendes Labor nennen die amerikanischen Forscher ihr Flugzeug stolz. Inmitten von Bildschirmen, Kabeln und Rechnern steht Bruce Anderson. Er ist leitender NASA-Projektwissenschaftler und mit seinem Team für drei Wochen nach Deutschland gekommen, um hier zu forschen, gemeinsam mit Experten des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Die Kernfrage ihrer Mission: Wird der Luftverkehr klimaverträglicher, wenn die Flugzeuge statt Kerosin Biosprit tanken? Anderson spricht davon. dass ein Grundstein gelegt worden sei für eine "sehr bedeutsame Forschung zu Flugzeug-Emissionen"; es gehe darum, besser zu verstehen, wie sich der Schadstoffausstoß verändert, abhängig davon, welche Treibstoffe verbrannt werden. Deutlich weniger Rußpartikel Seit Jahren forschen NASA und DLR gemeinsam, ob Flugzeuge mit Biosprit umweltfreundlicher fliegen. Erste handfeste Ergebnisse gibt es bereits. Wenn Kerosin 50 Prozent Biokraftstoff beigemischt wird, reduzieren sich die Rußpartikel im Abgasstrahl um 50 bis 70 Prozent gegenüber der Verbrennung von reinem Kerosin. Zur Zeit starten die Forscher von der US-Air Base im pfälzischen Ramstein zu neuen Testflügen, um die bisherigen Ergebnisse zu konkretisieren. DLR-Luftfahrtvorstand Rolf Henke beschreibt die Mission so: Vorneweg fliegt ein DLR Airbus A 320, betankt mit verschiedenen Biokraftstoff-Kerosin-Mischungen. Das NASA-Forschungsflugzeug DC-8 "schnüffelt sozusagen dahinter im Abgas und den Kondensstreifen" - diese bilden sich im feuchten Klima Mitteleuropas besonders gut und sollen deshalb hier untersucht werden. Ruß führt zu Eiskristallen Anderson zeigt Journalisten die Messgeräte, die außen am NASA-Forschungsflugzeug angebracht sind. Goldfarbene Instrumente, die aussehen wie kleine Raketenwerfer und über dem Cockpit und an den Tragflächen festgemacht sind. Sie messen während der Testflüge, wieviel Rußpartikel freigesetzt werden und in welcher Dichte sich anschließend Kondensstreifen bilden. Wichtige Daten für die Forscher, denn sie wissen inzwischen, dass diese Rußpartikel letztendlich für die klimaschädigende Wirkung des Luftverkehrs verantwortlich sind: An den ausgestoßenen Rußpartikeln kondensiert nämlich Wasserdampf, daraus bilden sich Eiskristalle. Viele dieser Eiskristalle lassen dann einen sogenannten Kondensstreifen entstehen, und der bleibt je nach Wetterlage über viele Stunden als Eiswolke am Himmel. Diese sogenannten Zirrus-Wolken wirken entweder wie ein Sonnenschirm, der die Sonnenstrahlen von oben nicht durchlässt oder als eine Art Topfdeckel, der verhindert, dass warme Luft von der Erde abziehen kann. Bisherige Forschungsarbeiten, so das DLR, legen nahe, dass global die wärmende Wirkung überwiegt. Einer älteren Studie zufolge liegen zeitweise bis zu zehn Prozent Zentraleuropas unter diesen Eiswolken. Die Forscher vermuten: Das erwärme die Erdatmosphäre mehr als der gesamte CO2-Ausstoß im Luftverkehr. Präsidenten wechseln, Forschung bleibt Wenn man Anderson fragt, wie es sein kann, das die NASA - also eine US-Bundesbehörde - zu Klimaerwärmung forscht, während der eigene Präsident Donald Trump den Klimawandel leugnet, sucht er nach einer diplomatischen Antwort. Als Wissenschaftler sei er in großer Sorge um das Weltklima. Andererseits: "Natürlich haben wir politische Zyklen und Machtwechsel, aber die NASA geht hier sehr strukturiert vor." Das Experiment sei zwei Jahre lang geplant worden, nun würden wissenschaftliche Daten erhoben, um die Klimaprobleme besser verstehen zu können. Überspitzt formuliert: Politiker kommen und gehen, Fakten überdauern. Langfristig können die Erkenntnisse aus den Testflügen eingesetzt werden, um umweltverträglichere Treibstoffe zu entwickeln. Beim DLR schätzt man, dass schon in naher Zukunft Flugzeuge mit 30 Prozent Biokraftstoff-Beimischung fliegen könnten. Das sei vom Preis her wirtschaftlich, und so viel Biosprit könne realistischerweise produziert werden. Hilft die Leindotter-Pflanze weiter? Derzeit wird erforscht, aus welchen Pflanzen der Treibstoff hergestellt werden kann. Bei den jetzigen Flügen wird Biotreibstoff verwendet, der zu großen Teilen aus dem Öl der Leindotter-Pflanze gewonnen wird. Anderson geht davon aus, dass die Forscher nach Auswertung der Gigabytes an Daten in rund zwei Monaten erste Ergebnissen präsentieren. Dann macht er sich fertig für seinen Forschungsflug, an Bord des "fliegenden Labors" der NASA. Im Abstand von wenigen Minuten heben die beiden Flugzeuge von der Startbahn der Airbase in Ramstein ab - sie fliegen im Dienste des Klimas.
# Mehr Gewalt gegen Einsatzkräfte? Nach der Silvesternacht ist eine Debatte über Gewalt gegen Feuerwehrleute und Polizisten entbrannt. Anlass waren Meldungen aus Berlin und Leipzig. Aber kam es tatsächlich zu überdurchschnittlich vielen Übergriffen auf Einsatzkräfte? Die Berliner Feuerwehr hatte in der Silvesternacht einiges zu tun: In der Zeit von 19 Uhr bis 6 Uhr am Neujahrsmorgen rückte sie zu 1580 Einsätzen aus. In ihrer Bilanz erwähnt sie auch "massive" Angriffe auf Einsatzkräfte und Fahrzeuge. Eine Rettungswagenbesatzung habe sich "in einer sehr bedrohlichen Situation" befunden, in der die Polizei Schusswaffen sichergestellt habe. Ein Mitglied einer freiwilligen Feuerwehr sei durch körperliche Gewalt, ein anderes durch Feuerwerk verletzt worden. Zudem twitterte die Berliner Feuerwehr: https://twitter.com/Berliner_Fw/status/947759619983724545 Großes mediales Echo Diese und andere Meldungen, etwa aus Leipzig,  wurden vom Neujahrstag an in verschiedenen Medienberichten aufgegriffen. Auch die tagesthemen berichteten darüber. Neben Polizeigewerkschaftern reagierten auch Innenminister Thomas de Maizière und Justizminister Heiko Maas. Sie verurteilten Gewalt gegen Einsatzkräfte. Gewerkschaftschef sieht "Tötungsversuche" Maas erklärte, die Angriffe seien keine Ausnahme, und es sei "höchste Zeit", Rettungskräfte wirkungsvoller zu schützen. Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, sagte der "Rhein-Neckar-Zeitung", solche Angriffe seien keine Silvester-Böllerei, sondern "Tötungsversuche". Es sei purer Zufall, dass den Polizeikräften nicht mehr passiert sei. Behörden sprechen von eher ruhigen Silvesternacht Der Aussage von Wendt stehen Angaben der Landesinnenministerien und der Innenbehörden entgegen. Eine Abfrage zeigt, dass zwar knapp 100 Polizisten im Einsatz während der Silvesternacht leicht verletzt wurden, allerdings nicht mehr als in Vorjahren. Auch gab es demnach keine Schwerverletzten. Das Bundespolizeipräsidium spricht von einem "eher ruhigen" Einsatzverlauf. In Berlin erlitten insgesamt elf Beamte Gehör- und Ohrenschmerzen, da in ihrer Nähe Böller explodierten. Sie konnten alle weiterarbeiten. In Hamburg wurden fünf Beamte leicht verletzt, davon zwei durch Böller an der Hand. Auch sie konnten alle ihren Dienst fortsetzen. Angesichts von insgesamt 1624 Einsätzen in der Nacht ist das laut Innenbehörde "unauffällig". 25 Polizisten in Nordrhein-Westfalen verletzt Die höchste Zahl, 25 verletzte Polizisten, meldet Nordrhein-Westfalen. In Bayern wurden zwölf, in Niedersachsen elf, in Hessen und im Saarland sieben, in Bremen drei, in Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein je zwei und in Mecklenburg-Vorpommern ein Beamter verletzt. Baden-Württemberg spricht von einer einstelligen Zahl. Dies sei "im Rahmen des an Silvester vorkommenden Bereichs" gewesen. Aus den anderen Ländern wurden keine Verletzten gemeldet. "Eine besondere Verschärfung über die letzten Jahre hinweg konnte nicht festgestellt werden", teilte etwa das niedersächsische Innenministerium mit. Bayern spricht beim Vergleich der Zahlen mit den Vorjahren von Schwankungen im nicht relevanten statistischen Bereich. Zahl der Übergriffe hängt von vielen Faktoren ab Einen Vergleich über mehrere Jahre hinweg hält Schleswig-Holstein allerdings für wenig zielführend: "Die Aussagekraft wäre aus hiesiger Sicht auch relativ gering, da sich punktuell äußere Einflüsse auf das Einsatzgeschehen auswirken können (wie zum Beispiel die Witterung) und dementsprechend bei einer extrem verkürzten Betrachtung auf nur eine Dienstschicht eine sehr verzerrte Datenlage ergeben würde." Das schleswig-holsteinische Innenministerium bestätigt aber, dass die Zahl der Übergriffe auf Beamte insgesamt erschreckend hoch sei. Seit 2011 schwankten sie in dem Bundesland zwischen 354 und 443. Auch das hessische Innenministerium erklärt, die Silvesterzahlen seien zwar nicht auffällig, aber doch symptomatisch dafür, dass Einsatzkräfte immer wieder angegriffen würden. Die Zahlen der Innenministerien decken allerdings nicht alle Fälle ab, die von Einsatzkräften möglicherweise als gefährlich oder bedrohlich wahrgenommen werden. Sie zeigen, dass jedes Jahr zu Silvester Dutzende Polizisten in Deutschland verletzt werden, dieser Jahreswechsel aber offenbar nicht gewalttätiger war als in früheren Jahren. Anstieg über die letzten Jahre erkennbar Insgesamt ist laut der Polizeilichen Kriminalstatistik die Gewalt gegen Einsatzkräfte in den vergangenen fünf Jahren jedoch angestiegen. Einen Einblick über das generelle Ausmaß der Gewalt gegen Einsatzkräfte gibt zudem eine Studie, die unter der Leitung des Bochumer Kriminologen Thomas Feltes entstanden ist. Mehrere Medien, wie "Der Spiegel" und die "Süddeutsche Zeitung" haben die Studie aktuell aufgegriffen. Ende Januar soll sie offiziell vorgestellt werden. Vorläufige Ergebnisse hat die Ruhr Universität Bochum bereits im Oktober veröffentlicht. Sie beruht demnach auf den Antworten von etwa 810 Einsatzkräften von Feuerwehren und Rettungssanitätern. Demnach wurden 13 Prozent von ihnen in den vergangenen zwölf Monaten Opfer körperlicher Gewalt im Einsatz. 60 Prozent berichten von Beschimpfungen oder aggressiven Gesten.
# Wer protestiert im Iran - und warum? Sie sind enttäuscht über ihre wirtschaftliche Lage - ihre Kritik richtet sich aber auch grundsätzlich gegen den herrschenden Klerus: Was ist über die Demonstranten im Iran bekannt? Und inwiefern lassen sich die Proteste mit denen von 2009 vergleichen? Sind die aktuellen Proteste im Iran mit jenen von 2009 vergleichbar? 2009 richteten sich Demonstrationen vor allem gegen die Wiederwahl des damaligen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad. Oppositionsführer und ihre Anhänger warfen der Regierung Wahlbetrug vor. Sicherheitskräfte schlugen die Proteste brutal nieder. Mehr als 30 Menschen kamen ums Leben, die Opposition sprach gar von mehr als 80 Toten. Bei den aktuellen Protesten ist die Lage vielschichtiger. Ursprünglich standen wirtschaftliche Themen im Mittelpunkt. Der Unmut richtete sich gegen die vergleichsweise hohe Arbeitslosigkeit, Preiserhöhungen bei Grundnahrungsmitteln wie Eier und einen Vorschlag der Regierung, die Treibstoffpreise zu erhöhen. Später kamen politische Themen hinzu, etwa die Kritik am seit 1979 herrschenden Klerus. Einige Demonstranten zeigten sich erzürnt wegen der finanziellen Hilfen für die Palästinenser und die Hisbollah-Miliz im Libanon. Sie fordern von der Regierung, sich stattdessen auf innenpolitische Themen zu konzentrieren. Auch Rücktrittsforderungen an den religiösen und politischen Führer Ayatollah Ali Khamenei wurden laut. Eine viel größere Rolle als 2009 spielen soziale Netzwerke, über die sich die Aktionen der Demonstranten und nicht verifizierbare Nachrichten rasant verbreiten. Online-Dienste wie Instagram und der Messengerdienst Telegram wurden aktuell gesperrt. Wer sind die Demonstranten? Bislang scheint es sich um spontane Proteste ohne klare Anführer zu handeln. Darauf deutet auch die Vielzahl ihrer Forderungen hin. Viele Menschen hatten gehofft, dass sich mit dem Atomdeal und dem einhergehenden Ende der Sanktionen ihre Situation verbessern würde: "Der Atomdeal wird von der breiten iranischen Öffentlichkeit zwar unterstützt - aber es gab die Erwartung, dass sich daraus viel mehr wirtschaftliche Entwicklung ergeben würde", sagt Trita Parsi, Präsident des Nationalen Iranisch-Amerikanischen Rates (NIAC) dem Sender CNN. Die jetzigen Proteste sind also auch Teil dieser Enttäuschung. Der Regierung wird zudem Missmanagement und Korruption vorgeworfen. Die Arbeitslosigkeit lag zuletzt bei 12,4 Prozent, ein Anstieg von 1,4 Punkten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Die Jugendarbeitslosigkeit beträgt 28,8 Prozent. Wer hat das Sagen im Iran? Der oberste Führer hat das letzte Wort in allen politischen, juristischen und militärischen Belangen. Seit 1989 bekleidet Ajatollah Ali Chamenei dieses Amt. Ernannt wurde er auf Lebenszeit vom sogenannten Expertenrat aus 86 hochrangigen Klerikern. Der Expertenrat selbst wird vom Volk alle acht Jahre gewählt und überwacht die Arbeit des obersten Führers. Der ebenfalls vom Volk gewählte Präsident - derzeit amtiert Hassan Rouhani - ist deshalb nur Regierungschef, aber nicht das Staatsoberhaupt. Ihm obliegt es, die vom obersten Führer vorgegebene Politik umzusetzen. Auch das Parlament wird vom Volk gewählt und ist für die Gesetzgebung zuständig. Weit wichtiger ist jedoch der Wächterrat, ein Kontrollgremium aus sechs zivilen Juristen und sechs islamischen Rechtsgelehrten. Der Wächterrat muss jedem Gesetz und jedem Präsidentschaftskandidaten zustimmen. Wie reagiert die Regierung auf die Proteste? Die Behörden senden unterschiedliche Signale: Einerseits kündigten sie harte Maßnahmen an. Der Vize-Sicherheitschef der Revolutionären Garden in Teheran, Esmail Kowsari, hatte angekündigt, die Demonstranten würden "die eiserne Faust der Nation" zu spüren bekommen, sollte es zu weiteren Unruhen kommen. Einen anderen Ton schlug Präsident Rouhani an. "Die Menschen sind absolut frei, ihre Kritik zu äußern und sogar zu protestieren", hob der als moderat geltende Präsident hervor. Aber "Kritik ist etwas anderes als Gewalt und die Zerstörung von öffentlichen Gütern". Später räumte er ein, die iranische Wirtschaft benötige "eine große chirurgische Operation". Im Gegensatz zu 2009 wurden aber bislang weder die Revolutionären Garden noch die Basidsch-Milizen eingesetzt. Quellen: Reuters, dpa, AFP
# Die Last der DDR-Renten 27 Zusatzversorgungssysteme gab es in der DDR. Jahr für Jahr müssen die ostdeutschen Bundesländer die Ansprüche in Milliardenhöhe aus ihrem Haushalt bedienen. Sollte es eine neue GroKo geben, will der Bund helfen. Es sind lediglich drei Zeilen im Sondierungspapier. Der Bund wird schrittweise einen höheren Anteil bei den Erstattungen an die Rentenversicherung für die Ansprüche aus den Sonder- und Zusatzversorgungssystemen der ehemaligen DDR übernehmen. Das klinge nicht sehr spektakulär, doch das sei es, meint nicht nur Carsten Schneider, SPD-Finanzexperte und parlamentarischer Geschäftsführer. "Der Bund wird stärker ostdeutsche Sonderforderungssysteme mitfinanzieren, die bisher aus dem Landeshaushalt finanziert wurden", erklärt Schneider. "Das bedeutet eine direkte Entlastung der Haushalte und damit mehr frei werdendes Geld für Polizisten, für Lehrer und Hochschulen. Aus diesem Grund ist das eine deutliche Stärkung der ostdeutschen Position und eine Verbesserung der Leistungsfähigkeit der ostdeutschen Haushalte."    Als DDR-Hinterlassenschaft dramatisch unterschätzt Denn die müssen insgesamt jährlich über drei Milliarden Euro in ein Rentensystem einzahlen, für das sie eigentlich gar nicht zuständig sind. Dieses Rentensystem wurde als DDR-Hinterlassenschaft dramatisch unterschätzt und belastet Ostdeutschland noch heute enorm, wie Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Rainer Haseloff erklärt. Dahinter verberge sich allein für Sachsen-Anhalt mit seinen 2,2 Millionen Einwohnern eine jährliche Summe von 430 Millionen Euro, führt Haseloff aus. "Das sind vier Prozent unseres Haushaltes." Grund ist, dass man nach der Wiedervereinigung alle nicht geklärten rentenrechtlichen Ansprüche von DDR-Bürgern in einen Topf packte. Damals ging man von 300.000 Fällen aus, die sich in kurzer Zeit erledigen würden. Bis dahin sollte der Bund 40 Prozent der anfallenden Kosten zahlen und das jeweilige Land 60 Prozent. "Historische Unwucht" Nur ließ die Rechnung außer Acht, dass es in der DDR 27 Zusatzversorgungssysteme gab, die von Apothekern über Lehrer, Künstler oder die sogenannte technische Intelligenz bis hin zu Zirkusmitarbeitern rund eineinhalb Millionen Menschen umfassten, von denen die letzten um 2030 in Rente gehen werden. Eine historische Unwucht, wie es Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Rainer Haseloff nennt. "Dadurch ist entstanden, aufwachsend, diese gerade jetzt aktuelle jährliche Summe, die wir reinpacken müssen, von 430 Millionen Euro", sagt Haseloff. "Wenn ich das über die letzten 25 Jahre hochsaldiere, nur für Sachsen-Anhalt, dann komme ich auf knapp zehn Milliarden Euro. Das ist ein gesamter Jahreshaushalt, den wir in die Rentensysteme DDR reingepackt haben."    Insgesamt liegt die Summe bei rund 60 Milliarden Euro für die Neuen Länder. Eine Last, gegen die sich Ostdeutschland seit Jahren wehrt. Zuletzt versuchte man vergeblich das Thema bei der Neuordnung des Bund-Länder-Finanzausgleichs unterzubringen. Jetzt allerdings könnte das Problem tatsächlich gelöst und die Belastung für die Neuen Bundesländer schrittweise abgebaut werden. Die Details, etwa wie die jährlichen Entlastungsschritte tatsächlich aussehen könnten, wären Sache der Koalitionsverhandlungen, wenn die dann tatsächlich auch mal zustande kommen sollten.
# Gibt es einen schmutzigen Deal? Außenminister Gabriel hat mit widersprüchlichen Äußerungen verwirrt, eine Freilassung des "Welt"-Journalisten Yücel sei an Rüstungsexporte in die Türkei gebunden. Was hat er tatsächlich gesagt? Wie ist es interpretiert worden? Wie überzeugend sind seine späteren Dementis und Erklärungen? Gibt es einen Deal? Ein schroffes "Nein" war alles, was der Minister am Sonntag im "Bericht aus Berlin" auf diese Frage geantwortet hat. Auch nach seinem Treffen mit dem türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu in Goslar hatte er schon am vergangenen Samstag kategorisch bestritten, eine Verbindung zwischen dem Fall Yücel und Rüstungslieferungen hergestellt zu haben. Dabei ist seine - vom Auswärtigen Amt autorisierte - Aussage in einem "Spiegel"-Interview zu einer solchen Verbindung ziemlich eindeutig: Die Türkei ist NATO-Partner und Partner im Kampf gegen den IS. Eigentlich sind beides Gründe, um gegenüber der Türkei keine derartigen Restriktionen im Rüstungsexport zu haben, wie wir das zum Beispiel gegenüber Staaten im Nahen Osten haben. Trotzdem hat die Bundesregierung eine sehr große Anzahl von Rüstungsexporten nicht genehmigt. Dabei wird es auch bleiben, solange der Fall Yücel nicht gelöst ist. Gabriel nennt in seiner ursprünglichen Äußerung die Freilassung von Yücel also explizit als Kriterium, um den Genehmigungsstopp für "eine sehr große Anzahl von Rüstungsexporten" zu beenden und die Türkei in dieser Frage wieder als NATO-Partner zu behandeln. Entsprechend meldete es auch die Presseagentur Reuters bereits am Freitag um 10.22 Uhr unter der Überschrift: "Gabriel knüpft Rüstungsexporte an Türkei an Lösung im Fall Yücel." Hätte das Auswärtige Amt ein Interesse daran gehabt, einer solchen Verknüpfung zu widersprechen, hätte es das bereits eine Stunde später in der Regierungspressekonferenz richtig stellen können. Selbst auf ausdrückliche Nachfrage zum "Spiegel"-Interview erklärte dessen Sprecherin aber, sie könne den Fall nicht kommentieren, weil er ihr nicht bekannt sei. Erst mehr als 24 Stunden später kam dann die Rolle rückwärts des Ministers - verbunden mit heftiger Medienschelte. Gibt es einen sachlichen Zusammenhang zwischen dem Fall Yücel und dem Rüstungsstopp? Die Genehmigung von Rüstungsexporten unterliegt nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz und den Richtlinien für Rüstungsexporte klaren rechtlichen Kriterien und kann nicht Verhandlungsmasse in Einzelfragen sein. Das weiß man auch im Auswärtigen Amt und verweist inzwischen bei entsprechenden Fragen nur noch auf die Verfahrenswege dieser Bestimmungen. Viele Rüstungsprojekte wurden auch nicht erst nach den Verhaftungen von Yücel und anderen Deutschen angehalten, sondern als Reaktion auf die Menschenrechtsverletzungen im Rahmen des Ausnahmezustands seit dem gescheiterten Putsch 2016. Hätte Gabriel ein Signal an die Türkei senden wollen, hätte er also die Aufhebung dieses Ausnahmezustands ausdrücklich als ein sachgemäßes Indiz für eine schrittweise Normalisierung benennen können. Die türkische Regierung hat im übrigen an diesem Montag die Verlängerung des Ausnahmezustands um weitere drei Monate beschlossen. Will Gabriel eine Panzerfabrik für die Türkei? Unter den vielen Rüstungsprojekten, die der Türkei wichtig sind, steht der Bau einer Panzerfabrik unter Beteiligung des deutschen Rüstungskonzerns Rheinmetall ganz oben. Das Unternehmen hat dazu 2016 mit dem türkischen Lastwagenhersteller BMC das Gemeinschaftsunternehmen RBSS mit Sitz in Ankara gegründet. Mit dem Know-how und bereits vorhandenen Bauteilen von Rheinmetall könnte die Entwicklung des Panzers "Altay" deutlich beschleunigt werden. Doch das wäre nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Bundesregierung möglich. Nach dem Wortlaut des "Spiegel"-Interviews gehört deshalb auch dieses Projekt zu der "sehr großen Anzahl" von Rüstungsexporten, deren Freigabe Gabriel an die Freilassung von Yücel gebunden hat. Entsprechend hat sich die öffentliche Debatte auch schnell auf dieses Milliardenprojekt konzentriert. Trotzdem hat es Gabriel selbst bei der Pressekonferenz am vergangenen Samstag in Goslar noch vermieden, die Panzerfabrik und andere Großprojekte ausdrücklich aus seinem Angebot an die Türkei auszunehmen. Stattdessen spricht er betont vage davon, zu den "alten Formen, wie wir sie in der Vergangenheit hatten" zurückkehren zu wollen, "wenn die Probleme gelöst sind". Entsprechend scharf fielen noch am Samstagabend die Reaktionen der Opposition aus. Auch aus der eigenen SPD-Fraktion kamen deutlich kritische Töne. Erst im "Bericht aus Berlin" am Sonntag - also rund 60 Stunden nach Veröffentlichung des "Spiegel"-Interviews - sprach Gabriel von einer "irren Vorstellung, wir wollten eine Panzerfabrik bauen" und fügte hinzu: "Ich weiß nicht, wer auf solche Ideen kommt!" Mit Blick auf die Person Gabriel ist das nun eine späte, aber unzweideutige Festlegung, deren Glaubwürdigkeit auch aus seinem Umfeld bestätigt wird. Das ändert freilich nichts daran, dass die Türkei weiter großes Interesse an diesem Projekt hat und es auch in Deutschland erheblichen Lobbydruck gibt, die Panzerfabrik zu genehmigen. Es könnte deshalb schon sehr bald ein Streitthema in einer neuen Bundesregierung werden - mit oder ohne Gabriel. Mit Minenschutz gegen den IS? Nach der Darstellung  des Außenministers geht es nun lediglich um eine Bitte der Türkei, ihre gepanzerten Fahrzeuge für den "gemeinsamen Kampf" gegen den sogenannten "Islamischen Staat" (IS) mit einer Schutzkomponente gegen Minen auszustatten. Darüber werde es schon in den kommenden Tagen Gespräche geben. Das sei eine "moralische Verpflichtung": In der Vergangenheit seien immer wieder türkische Panzer auf Minen des IS gefahren. Er wolle nicht erleben, "dass türkische Soldaten im Kampf gegen die Terrororganisation IS sterben, weil wir nicht bereit waren, Panzerschutzinstrumente gegen Minen zu liefern". Kenner der Region schütteln über diese Darstellung freilich nur den Kopf. Die Türkei sei überhaupt nur einmal mit Bodentruppen gegen den IS vorgegangen, erläutert Guido Steinberg, Terrorismusexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Das war im Frühjahr 2017, als türkische Truppen in die Kämpfe um die strategisch wichtige Stadt Al-Bab eingegriffen hatten: "Der Türkei ging es dabei aber weniger um den IS, als um die Konkurrenz mit der kurdischen PYD." Mit dem Versuch der Einnahme von Manbij sollte ein weiteres Vordringen der kurdischen Kämpfer verhindert werden. Das hätte der PYD ein großes zusammenhängendes Gebiet im Norden Syriens verschafft, was die Türkei um jeden Preis verhindern wollte. Die hohen Verluste der türkischen Truppen führt Steinberg nicht auf fehlenden Minenschutz zurück, sondern auf unzureichenden Nachschub und eine chaotische Kriegsführung. Noch deutlicher wird sein Urteil mit Blick auf die Zukunft: "Dass die Türkei in Zukunft noch den IS bekämpfen könnte, ist einfach falsch." Die letzten Gebiete der Terrormilizen lägen östlich der Stadt Deir ez-Zor, fernab der türkischen Grenze und außerhalb der Reichweite türkischer Bodentruppen. Sehr realistisch sind dagegen mögliche offensive Einsätze von Panzern in den kurdischen Gebieten Syriens und des Iraks. Und tatsächlich hat der türkische Präsident Erdogan nun eine Großoffensive in den von der PYD kontrollierten Regionen Afrin und Manbij angekündigt. Da würde eine Nachrüstung mit Minenschutz die Kampffähigkeit natürlich deutlich erhöhen. Als Teil einer Offensivwaffe wäre das dann aber weder eine "defensive Schutzausstattung", wie es Gabriel nennt, noch ginge es um einen "gemeinsamen Kampf mit der Bundeswehr". Und es wäre bestimmt keine "absurde Debatte" zu hinterfragen, ob es bei einem solchem Rüstungsdeal wirklich um eine "moralische Verpflichtung" geht.
# Juncker will Polen nicht die Gelder kürzen Spätestens seit der Einleitung eines Strafverfahrens gegen Polen ist das Verhältnis zwischen der EU und dem Land auf dem Tiefpunkt. Vor einem Treffen mit dem polnischen Ministerpräsidenten Morawiecki erklärt Kommissionschef Juncker im ARD-Interview, wie er die Wogen glätten will. Im Streit um die Rechtsstaatlichkeit und die Aufnahme von Flüchtlingen hat sich EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker dagegen ausgesprochen, Polen die milliardenschweren Fördergelder zu kürzen. "Ich bin nicht in der Stimmung, wilde Drohungen auszustoßen. Ich hätte gern, dass wir uns vernünftig miteinander unterhalten", sagte Juncker im Interview mit dem ARD-Europamagazin. Heute reist der neue polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki zu einem Gespräch mit Juncker nach Brüssel. Die EU-Kommission hatte kürzlich ein historisch einmaliges Verfahren gegen Polen eingeleitet, an dessen Ende dem Land die Stimmrechte in der EU entzogen werden könnten. Grund ist unter anderem ein Gesetz, mit dem der polnische Justizminister ohne Angaben von Gründen Richter absetzen kann. Für die EU-Kommission besteht damit in Polen keine unabhängige Justiz mehr. "Nicht in kriegerischer Stimmung" Juncker erklärte, er werde sich bei dem Treffen um ein Klima bemühen, in dem Polen und die EU wieder aufeinander zugehen. "Ich bin nicht in kriegerischer Stimmung", so Juncker. Um Druck auf Polen aufzubauen, sei die Kürzung von Fördergeldern der falsche Weg: "Das ist schwierig, weil man darf den Mitteleuropäern nicht den Eindruck geben, dass Westeuropa allein in der Europäischen Union führen würde." Und weiter: "Es ist nicht so, dass ich nicht sehen würde, dass die Visegrad-Staaten - vor allem Polen - einen Anspruch darauf haben, eine führende Rolle in der EU zu spielen. Aber wer das tun möchte, muss sich auch an die Spielregeln halten." Polen ist mit rund zehn Milliarden Euro jährlich der größte Netto-Empfänger von EU-Geldern. Streit über Flüchtlinge Kompromisslos zeigte sich Juncker bei der Verteilung von Flüchtlingen in der EU. Er erwarte,  dass Polen und auch Ungarn sich an getroffene Vereinbarungen halten und entsprechend Flüchtlinge aus Italien und Griechenland aufnehmen. Auf die Frage, in welcher Größenordnung das passieren müsse, sagte Juncker gegenüber dem ARD-Europamagazin: "Das wären mehr als mehrere Hundert." Aus Sicht der Kommission ist es nicht zulässig, dass sich Länder die Flüchtlinge aussuchen: "Ich akzeptiere nicht, dass man sagt: Wir nehmen auf unserem Staatsgebiet keine farbigen Menschen auf, keine Islam-Gläubigen, keine Schwulen. Dass verstößt massiv gegen die europäischen Grundwerte." Notfalls wieder Flüchtlingsverteilung per Mehrheitsbeschluss Im Rahmen der geplanten Reform des europäischen Asylsystems soll eine feste Flüchtlingsverteilung für Krisenfälle verabredet werden. Juncker warnte Polen und Ungarn, dass dies erneut auch gegen ihren Willen geschehen könnte: "Wenn es um die zukünftige Ausrichtung des Asylsystems und um eine feste Festlegung der Quoten, dann müssen wir in einem edlen Wettbewerb der Ideen miteinander streiten. Und wenn es nicht anders geht, dann muss eben wieder mit Mehrheit beschlossen werden." Seine Wunschlösung sei das aber nicht. "Ich wünsche mir, dass wir eine Lösung im Konsens finden. Aber wenn das nicht geht, müssen wir das per Mehrheitsbeschluss durchführen." Das Interview mit Jean-Claude Juncker wird am Sonntag, den 14.1. im Ersten im ARD-Europamagazin um 12.45 ausgestrahlt.
# Was will Mateusz Morawiecki? Polens neuer Ministerpräsident Morawiecki will sich bei seinem Antrittsbesuch in Brüssel um eine Verbesserung der angespannten Beziehungen zur EU bemühen. Der politische Spielraum für den ausgewiesenen Europa-Experten ist eng. Bislang ist nicht erkennbar, wie Bewegung in den festgefahrenen Grundsatzstreit zwischen Polen und der EU-Spitze kommen soll. Zwar ist mit dem bisherigen Wirtschafts- und Finanzminister Mateusz Morawiecki vor Weihnachten  ein neues Gesicht an die Spitze der polnischen Regierung getreten, und im Kontrast zu seiner Vorgängerin tritt der 1968 geborene Dissidentenspross Morawiecki geschmeidiger auf. Aber in der Sache unterscheidet ihn nichts erkennbar von seiner Vorgängerin Beata Szydlo - weder bei der Flüchtlingsfrage - "kein Jota" werde seine Regierung hier die Linie ändern, twitterte er, -  noch in der Frage der Rechtsstaatlichkeit in Polen. Im Gegenteil hat Morawieki auch hier sich selbst bereits jeden Verhandlungsspielraum genommen, als er erklärte, die sogenannte Justizreform sei "endgültig". Justizreform gegen "Altlasten"? Im staatlichen Fernsehen sagte er zu Jahresbeginn: "Als wir die Volksrepublik Polen hinter uns ließen, haben wir keine Überprüfung der Richter durchgeführt. In der DDR haben nach der Wende etwa ein Drittel der Richter ihre Posten behalten. Und bei uns sollen alle Richter in Ordnung sein?" Die EU aber wolle diese Reformen verhindern, wohl, weil den Brüsseler Eliten die nationalbewusste Führung Polens nicht gefalle, so nach wie vor die Rhetorik der regierenden PiS-Partei und ihrer Medien, und kaum anders auch Premier Morawiecki, der ebenfalls suggerierte, niemand dürfte Polen an der Reform seiner Justiz hindern. EU-Recht verschieden ausgelegt Der Politiker, der Experte für Europarecht ist und ein Handbuch darüber geschrieben hat, geht dabei darüber hinweg, dass die Brüsseler Haltung keineswegs so pauschal ist, wie unterstellt. Die Analyse der für Rechtsstaatsfragen zuständigen Venedig-Kommission des Europarats zufolge gibt es nämlich durchaus Wege, das Justizwesen zu reformieren, ohne damit zugleich die Unabhängigkeit der Rechtsprechung generell in Frage zu stellen - durch geregelte, überprüfbare Verfahren nach Recht und Gesetz, statt durch den willkürlichen Austausch des rechtsprechenden Personal. Die Art des Umbaus in Polen aber unterwerfe die Justiz so umfassend dem Willen der Politik, dass teilweise sogar noch die Zustände der kommunistischen Willkürjustiz unterboten würden, stellte die Venedig-Kommission fest. Insofern stellt sich das erklärte Ansinnen Morawieckis, Sinn und Notwendigkeit der Reform noch einmal neu zu erklären, als nicht sehr aussichtsreiches Unterfangen dar. Opposition sieht Morawieckis als Marionette Der Oppositionspolitiker und frühere EU-Kommissar Janusz Lewandowski ätzte im privaten Fernsehen: "Der Einsatz Premier Morawieckis gleicht einer Schönheits-OP: Puder für eine Mannschaft, die nicht viel erreichen wird. Ich gebe ihm nicht die geringste Chance, dass er jemanden überzeugen wird. Auch mit vornehmen Englisch kann man nicht weiß machen, was schwarz ist wie das Attentat auf unsere Justiz. Und seine Rolle ist noch schwieriger, wenn man bedenkt, dass er gar kein selbständiger Politiker ist, sondern nur ein Bote von Kaczynski, der in Europa keine guten Assoziationen weckt." Was also soll die ganze Diskussion? Zum einen wohl ein Signal fürs eigene Land, denn die Polen schätzen mehrheitlich trotz aller Differenzen die EU: Seht her, wir tun unser bestes. Zudem ist die Sackgasse, in die sich die polnische Regierung gesteuert hat, zugleich auch eine für die EU - denn Sanktionen kann es wegen Ungarns Haltung wohl nicht geben. EU-Mehrheit gegen Polen bröckelt Mehr noch: Auch die für die erste Stufe des Artikel-7-Verfahrens nötige Vier-Fünftel-Mehrheit scheint keineswegs sicher. Als Wackelkandidaten werden in Warschau allesamt Länder aus der Region genannt: Kroaten und Rumänen, aber auch Litauer und Letten und vielleicht die Slowaken. Man darf vermuten, dass die polnische Führung in diesen Ländern derzeit hinter den Kulissen eifrig für die eigene Sache trommelt.
# NGOs wollen Elektrofischen verhindern Die einen loben es als besonders umweltverträglich - andere nennen das Elektrofischen brutal. Kommende Woche befasst sich das EU-Parlament mit der Frage, ob die Praxis ausgeweitet werden darf. 17 NGOs wollen das verhindern und warnen in einem Brandbrief vor den Folgen. In der durchaus komplizierten Fangnetz-Diskussion kann man sich als Laie nur allzu leicht verheddern: Preisen die einen doch elektrische Netze als das künftige Allheilmittel für Europas Fischer. Die anderen hingegen sprechen von katastrophalen Folgen für Menschen, Tiere und Meeresboden gleichermaßen. Jetzt, wo die Zeit der EU-Entscheidung naht, ob diese Methode in europäischen Gewässern bald zur Regel werden soll, erhöht sich auch die Nervosität. "Elektrisches Fischen ist weithin als zerstörerisch bekannt und ist in den meisten Fischerei-Nationen auf der Welt verboten, auch in China", mahnt jetzt eine Gruppe vor allem französischer und britischer Nichtregierungsorganisationen (NGO) und Fischereiverbände in einem eindringlichen Brief an den zuständigen EU-Kommissar Karmenu Vella. Und fordern diesen unmissverständlich dazu auf, die Brüsseler Vorschläge zur Elektrofischerei schnellstmöglich zurückzuziehen: "Wir rufen Sie dazu auf, Kommissar Vella, die Umwelt und die soziale Gerechtigkeit in dieser Angelegenheit zu bedenken." "Besser als Bodenschleppnetze" Bei der neuartigen Fangmethode ziehen Fischerboote Netze hinter sich her, die mit Elektroden gespickt sind. Tiere, die sich am Meeresboden verstecken, wie insbesondere Schollen oder Krabben, werden auf diese Weise aufgescheucht und in die Netze getrieben. Und so, freuen sich die Fischer, in viel größerer Zahl als zuvor aus dem Wasser gezogen. Während Kritiker die Stromschlag-Praxis als brutal brandmarken, halten Befürworter diese für viel umweltverträglicher als den herkömmlichen Fischfang: Werde doch der Meeresgrund nicht so brachial aufgerissen und umgepflügt wie von den bekannten Bodenschleppnetzen. Und die Fischerboote würden zudem jede Menge Treibstoff sparen. Die Skeptiker überzeugt das nicht. "Die Befürworter des Elektrofischens kommen nur deshalb zu der Behauptung, diese Methode sei nachhaltig, weil sie einen Vergleich mit der verheerendsten Praxis überhaupt anstellen", heißt es in dem Brief der NGOs. Seit 2006 zu Forschungszwecken erlaubt Dessen Unterzeichner der EU-Kommission auch vorwerfen, Ratschläge ihrer eigenen Experten unterschlagen zu haben, als Brüssel und die Mitgliedsstaaten das Elektrofischen 2006 zu Forschungszwecken und in geringem Umfang erlaubten. Vor allem niederländische Fischer machen von dieser Ausnahmeregelung seitdem intensiv Gebrauch. Während Franzosen und Briten diese vehement ablehnen. Mittlerweile ist daraus eine Debatte geworden, die insbesondere die Nordsee-Anrainer in der Europäischen Union geradezu elektrisiert. Kommende Woche befasst sich das EU-Parlament mit der Streitfrage. Anschließend entscheiden Kommission und EU-Einzelstaaten, ob sie eine Ausweitung der Elektrofischerei-Praxis zulassen oder nicht.
# Der Verlust der Nacht Auch in wolkenlosen Nächten sind mit bloßem Auge kaum noch Sterne am Himmel zu sehen, weil die Umgebung zu hell ist. Die Lichtverschmutzung bringt die Tierwelt durcheinander und ist auch für die professionellen Sternengucker zunehmend ein Problem.