title
stringlengths
13
306
content
stringlengths
1
874k
type
stringclasses
1 value
author
stringlengths
1
203
datePublished_at
timestamp[ns]
dateCreated_at
timestamp[ns]
dateModified_at
timestamp[ns]
url
stringlengths
33
344
description
stringlengths
0
258
keywords
sequencelengths
1
70
__index_level_0__
int64
0
31.3k
Glossar | Der Mauerfall und ich | bpb.de
Von ADN über SED bis Westfernsehen – kurze Erklärungen zu wichtigen Begriffen, Institutionen und Personen in der Geschichte "Der Mauerfall und ich". Das Glossar wird fortlaufend aktualisiert. Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst (ADN) Das Gebäude Mollstraße Ecke Liebknechtstraße im ostberliner Stadtbezirk Mitte war in der DDR alleiniger Sitz der staatlichen Nachrichtenagentur Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst (ADN). (© picture-alliance/dpa, dpa-Zentralbild) Der Allgemeine Deutsche Nachrichtendienst (ADN) war die einzige zentrale Nachrichten- und Fotoagentur der Interner Link: DDR und war für die Bereitstellung der Nachrichten für Presse, Rundfunk und Fernsehen im Inland und für das Ausland zuständig. Gegründet wurde der ADN 1946. Mehr dazu: Interner Link: Zeitungen in der DDR (bpb.de) Ausreiseantrag So sah ein Teil des Antrags auf Ausreise aus der DDR aus. (© picture-alliance/dpa) Wer nicht mehr in der Interner Link: DDR leben wollte, stellte einen "Antrag auf Ausreise aus der DDR" in die Bundesrepublik. Von Mitte der 1970er Jahre bis Oktober 1989 stellten mehrere hunderttausend Menschen einen solchen Ausreiseantrag. Ausreiseanträge wurden als rechtswidrig angesehen. Mehr dazu: Externer Link: Ausreiseantrag (jugendopposition.de) Bornholmer Brücke Der Berliner Grenzübergang "Bornholmer Brücke" nach Öffnung der DDR-Grenze am 10. November 1989. (© picture-alliance, IMAGNO) Der Grenzübergang Bornholmer Straße, auch "Bornholmer Brücke" genannt, verband während der Teilung Berlins die Stadtteile Interner Link: Prenzlauer Berg und Wedding. Am 9. November 1989 war die Bornholmer Brücke der erste Grenzübergang an der Interner Link: Berliner Mauer, an dem gegen 23.30 Uhr die Grenze halbständig geöffnet wurde. Die DDR-Grenzpolizisten gaben dem Druck der Menschenmassen nach. Interner Link: 9. November, 23 Uhr – Filmaufnahmen von der Bornholmer Straße und dem Brandenburger Tor Mehr dazu: Externer Link: Bornholmer Brücke (jugendopposition.de) Bundesrepublik Deutschland (BRD) Die Bundesrepublik Deutschland (BRD) ging 1949 nach dem Zweiten Weltkrieg aus den drei westlichen Besatzungszonen hervor. Mehr dazu: Teilung Deutschlands (bpb.de) CSSR / Tschechoslowakei Die Tschechoslowakei (Abkürzung CSSR) gehörte zu den sozialistischen Ländern in Osteuropa. Seit dem 1.1.1993 ist sie in die eigenständigen Staaten Tschechien und Slowakei geteilt. Mehr dazu: Externer Link: CSSR / Tschechoslowakei (jugendopposition.de) Demokratischer Aufbruch (DA) Der Demokratische Aufbruch (DA) entstand im Herbst 1989 als Bürgerbewegung der Interner Link: DDR. Hauptziele der Vereinigung waren zunächst die Reformierung und Demokratisierung des Landes. Im Dezember 1989 formierte sich der DA als Partei und gliederte sich im August 1990 der CDU an. Mehr dazu: Externer Link: Demokratischer Aufbruch (jugendopposition.de) Deutsche Demokratische Republik (DDR) Die Deutsche Demokratische Republik (DDR) entstand 1949 aus der sowjetischen Besatzungszone und entwickelte sich zu einer von der Interner Link: Sowjetunion abhängigen Diktatur. Sie umfasste das Gebiet der heutigen Bundesländer Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen und Ost-Berlin. Am 3. Oktober 1990 treten die neuen Länder der BRD bei (Wiedervereinigung). Mehr dazu: DDR (bpb.de) Demokratie Jetzt (DJ) Landesdelegiertentreffen der Bürgerbewegung "Demokratie Jetzt" in Berlin am 21.Januar 1990. (© picture-alliance, akg-images) Demokratie Jetzt (DJ) war eine im Herbst 1989 entstehende Bürgerbewegung, deren erklärtes Ziel die Demokratisierung der DDR war. 1991 löste sich DJ auf, um im September mit der Initiative Frieden und Menschenrechte und Teilen des Interner Link: Neuen Forums die Partei Bündnis 90 zu gründen. Mehr dazu: Externer Link: Demokratie Jetzt (jugendopposition.de) Demonstrieren in der DDR Teilnehmer der größten nichtstaatlichen Demonstration in der DDR am 4. November 1989 tragen Spruchbänder, auf denen "Freie Medien Freie Presse Freie Wahlen Reisepässe" und "Demokratie jetzt oder nie" gefordert werden. (© picture-alliance, dpa-Zentralbild) In der Interner Link: DDR waren Demonstrationen fast immer verboten. 1989 versammelten sich trotzdem immer mehr Unzufriedene und Oppositionelle zu friedlichen Demonstrationen und erhöhten so den Druck auf die DDR-Regierung. Mehr dazu: Externer Link: Demonstrationen in der ganzen DDR (jugendopposition.de) Ebert, Frank Frank Ebert gehörte zur letzten Generation der Jugendopposition in der Interner Link: DDR, bevor der Staat aufhörte zu existieren. Er war unter anderem an den Protesten gegen den Wahlbetrug beteiligt und bei den Interner Link: Demonstrationen in Ost-Berlin im Oktober 1989 dabei. Mehr dazu: Externer Link: Frank Ebert (jugendopposition.de) Friedensgebet in der Nikolaikirche Teilnehmer an Friedensgebeten in der Leipziger Nikolaikirche im Herbst 1989. (© picture-alliance, dpa Zentralbild) Mitglieder der Arbeitsgruppe Friedensdienste und kirchliche Mitarbeiter/-innen luden ab 1982 wöchentlich in die Leipziger Nikolaikirche zu Friedensgebeten ein. Im November 1983 wurde zum ersten Mal nach dem Friedensgebet vor der Interner Link: Kirche gegen die Militarisierung der Gesellschaft demonstriert. Mit der Interner Link: Demonstration im Anschluss an das Gebet am 4. September 1989 begannen die Interner Link: Montagsdemonstrationen, die das Ende der DDR einläuteten. Mehr dazu: Externer Link: Friedensgebet in der Nikolaikirche (jugendopposition.de) Kampfgruppen Angehörige der Kampfgruppen bei einer Parade zum 35. Jahrestag der DDR am 07.10.1988 auf der Karl-Marx-Allee in Berlin. (© picture-alliance, dpa-Zentralbild) Die Kampfgruppen waren paramilitärische Formationen in der Interner Link: DDR, die vor allem zur Niederschlagung innenpolitischer Unruhen vorgesehen waren. Bei einer Großübung der Kampfgruppen in Sachsen Anfang April 1989 wurde der Interner Link: SED-Führung deutlich, dass ihr diese im Ernstfall den Gehorsam verweigern könnten. Dennoch hat die SED ihren Einsatz gegen die friedlichen Interner Link: Demonstranten im Herbst 1989 vorgesehen. Mehr dazu: Externer Link: Kampfgruppen (jugendopposition.de) Kommunistische Partei der Sowjetunion (KPdSU) Die KPdSU war die Kommunistische Partei der Interner Link: Sowjetunion. Die Partei trug diesen Namen zwischen 1952 und 1991, existierte aber bereits seit 1918. Zwischen 1918 und 1991 beherrschte die KPdSU das gesamte gesellschaftliche Leben in der Sowjetunion. Mehr dazu: Externer Link: Kommunistische Partei der Sowjetunion (KPdSU) (jugendopposition.de) Kirche in der DDR DDR-Bürger treffen sich am 05.02.1988 nach den Äußerungen des inhaftierten Musikers Stephan Krawczyk zu einem Fürbitt-Gottesdienst in der überfüllten Ostberliner Gethsemane-Kirche. (© picture-alliance/dpa) Die Evangelische Kirche bildete in vielerlei Hinsicht die Basis der Oppositionsarbeit in der Interner Link: DDR, da sie die einzige vom Staat unabhängige Organisationsstruktur bot, die landesweit präsent war. In der Revolutionszeit 1989 fungierten Kirchen im ganzen Land als Basislager vieler Interner Link: Demonstrationen. Mehr dazu: Externer Link: Kirche in der DDR (jugendopposition.de) Kulturopposition in Ost-Berlin Der Liedermacher Wolf Biermann hatte in der DDR ein Auftritts- und Publikationsverbot aufgrund seiner regierungskritischen Liedtexte. Nach einer Konzertreise durch die BRD wurde ihm 1976 die Wiedereinreise in die DDR verweigert und seine "Ausbürgerung" veranlasst. (© picture-alliance/dpa) Der Kulturopposition in Ost-Berlin werden jene Künstler/-innen zugerechnet, die jenseits der offiziellen Kulturpolitik der Interner Link: SED versuchten, eine eigene Kulturszene zu etablieren. Sie gerieten damit fast automatisch in Konflikt mit dem politischen System der DDR. Dies förderte ihre Bereitschaft, Kontakt mit der politischen Opposition aufzunehmen. Mehr dazu: Externer Link: Kulturopposition in Ost-Berlin (jugendopposition.de) Ministerium für Staatssicherheit (MfS) Die Zentrale des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR in der Normannenstraße in Ost-Berlin. (© picture-alliance, Zentralbild) Das Ministerium für Staatssicherheit (umgangssprachlich Stasi) wurde per Gesetz am 8. Februar 1950 gegründet und war der Geheimdienst der Interner Link: DDR. Die Stasi war zugleich politische Geheimpolizei und für strafrechtliche Untersuchungen gegen von ihr ausgemachte politische Gegnerinnen und Gegner zuständig. Mehr dazu: Externer Link: Ministerium für Staatssicherheit (MfS) (jugendopposition.de) Montagsdemonstration In Leipzig fanden ab Anfang der 1980er Jahre jeweils montags Interner Link: Friedensgebete in der Nikolaikirche statt. Am 4. September 1989 gingen anschließend Bürgerrechtler/-innen mit Plakaten vor die Interner Link: Kirche und forderten Interner Link: Reisefreiheit. In den folgenden Wochen vergrößerte sich der Kreis der Teilnehmenden sehr schnell. Am 9. Oktober 1989 Interner Link: demonstrierten ungefähr 70.000 Personen. Mehr dazu: Externer Link: Montagsdemonstration (jugendopposition.de) Nationale Front Ein Wahlplakat der Nationalen Front zur Wahl der Volkskammer der DDR aus dem Jahr 1953. (© picture-alliance/akg) Die Nationale Front war ein Zusammenschluss der Parteien und Massenorganisationen in der Interner Link: DDR. Sie war eine scheindemokratische Einrichtung, mit der die Interner Link: SED versuchte, ihre Vormachtstellung unter dem Deckmantel der demokratischen Struktur zu festigen. Mehr dazu: Externer Link: Nationale Front (jugendopposition.de) Nationale Volksarmee (NVA) Die offizielle Armee der Interner Link: DDR wurde am 1. März 1956 gegründet. Durch die "Politische Hauptverwaltung" sicherte sich die Interner Link: SED innerhalb der NVA einen bestimmenden Einfluss auf die Armee. Der Grundwehrdienst dauerte 18 Monate, auf Druck der Interner Link: Kirchen gab es ab 1964 die Bausoldaten, die ihren Wehrdienst ohne Waffe in Baueinheiten ableisten konnten. 1990 wurde die NVA aufgelöst, ihre Bestände und Standorte wurden der Bundeswehr übergeben. Mehr dazu: Externer Link: Nationale Volksarmee (jugendopposition.de) Neues Forum Die Delegierten der Oppositionsgruppe "Neues Forum" während der Gründungskonferenz am 28. Januar 1990 in Berlin. (© picture-alliance/dpa) Das Neue Forum war die mit Abstand zulaufstärkste Bürgerbewegung des Herbstes 1989. Sie forderten Meinungsfreiheit, Presse- und Versammlungsfreiheit und freie Wahlen. Die Interner Link: DDR-Behörden stuften das Neue Forum als "verfassungsfeindlich" ein. Mehr dazu: Externer Link: Neues Forum (jugendopposition.de) Notaufnahmeverfahren Viele DDR-Übersiedler, die über Ungarn in die BRD gekommen sind, stehen am 8. August 1989 in eine langen Schlange im Aufnahmelager in Gießen, um sich im Rahmen des Notaufnahmeverfahrens registrieren zu lassen. (© picture-alliance/dpa) Die große Zahl an Flüchtlingen aus der Interner Link: DDR machte es für die Interner Link: BRD erforderlich, ein geregeltes Aufnahmeverfahren zu entwickeln. Jeder Flüchtling, sofern er auf staatliche Hilfen angewiesen war und nicht von Freunden oder Familie unterstützt wurde, musste ein im Notaufnahmegesetz vom 22. August 1950 geregeltes Verfahren zur rechtlichen und sozialen Eingliederung durchlaufen. Mehr dazu: Externer Link: Notaufnahmeverfahren (jugendopposition.de) Paneuropäisches Picknick DDR-Flüchtlinge mit ihren Kindern gehen am 19. August 1989 durch ein geöffnetes Grenztor. Etwa 600 DDR-Bürger nutzten die symbolische Öffnung eines Grenztors im Rahmen des sogenannten Paneuropäischen Picknicks an der ungarisch-österreichischen Grenze zur Flucht in den Westen. (© picture-alliance/dpa) Am 19. August 1989 luden ungarische oppositionelle Gruppen um das Ungarische Demokratische Forum und die Interner Link: Paneuropa-Union zum "Paneuropäischen Picknick" ein – bei Sopron an der ungarisch-österreichischen Grenze. Dabei sollte ein jahrzehntelang geschlossenes Grenztor symbolisch für einige Stunden geöffnet werden. Dabei gelang etwa 700 Interner Link: DDR-Bürger/-innen die Flucht nach Österreich. Das "Paneuropäische Picknick" steht symbolisch für den Riss im Eisernen Vorhang. Mehr dazu: Externer Link: Paneuropäisches Picknick (jugendopposition.de) Paneuropa-Union Die Paneuropa-Union wurde 1925 durch den Österreicher Richard N. Coudenhove-Kalergi gegründet. Ziel war die Vereinigung Europas bis hin zur Gründung der "Vereinigten Staaten von Europa", um den Frieden in Europa dauerhaft zu bewahren sowie Europas Rolle in der Welt zu stärken. Sie ist bis heute eine der größten Europaorganisationen. Mehr dazu: Interner Link: Paneuropa-Union (bpb.de) Politbüro Offizielles Gruppenfoto der Mitglieder des Politbüros des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), der führenden Staatspartei der DDR, aufgenommen etwa 1980 in Berlin. (© picture-alliance, dpa-Zentralbild) Das Politbüro bezeichnete das Führungsgremium und Herrschaftszentrum der Interner Link: SED und der Interner Link: DDR. An der Spitze stand der Erste Sekretär des Zentralkommitees (ZK) der SED. Die Aufgabe des Politbüros bestand laut Parteistatut darin, die Arbeit der Partei zwischen den Plenartagungen des ZK zu leiten. Mehr dazu: Externer Link: Politbüro (jugendopposition.de) Prager Botschaft / Botschaft der BRD in Prag Ausreisewillige DDR-Bürger finden in der Prager Botschaft der Bundesrepublik Deutschland beziehungsweise in Zelten davor eine Unterkunft. (© picture-alliance, ZB) Viele Interner Link: DDR-Bürger/-innen suchten im Sommer 1989 Zuflucht in der Botschaft der Interner Link: BRD in Prag und hofften, auf diesem Weg in den Westen ausreisen zu können. Der damalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher verkündete am 30. September 1989 die Zustimmung zur Ausreise von Tausenden Flüchtlingen, die in Sonderzügen durch die DDR in die BRD gebracht wurden. Mehr dazu: Externer Link: Prager Botschaft / Botschaft der BRD in Prag (hdg.de) Reisefreiheit In der Interner Link: DDR gab es keine Reisefreiheit. Die Reise in Länder außerhalb des sogenannten Ostblocks gestatteten die Behörden im Regelfall nicht. Das Recht auf Reisefreiheit war eine der zentralen Forderungen während der Friedlichen Revolution im Herbst 1989. Mehr dazu: Externer Link: Reisefreiheit (jugendopposition.de) RIAS Ein Reklameschild des Rundfunksenders RIAS (RIAS = Rundfunk im amerikanischen Sektor). (© picture-alliance/dpa) Der in West-Berlin beheimatete Sender RIAS unterstand der United States Information Agency und strahlte ab 1946 sein Programm aus. Die Mischung aus Unterhaltung, Musik und Information richtete sich vornehmlich an Interner Link: DDR-Bürger/-innen, die das Programm in der gesamten DDR verfolgen konnten – trotz vielfacher Störaktionen gegen den "Feindsender" (wie die Parteiführung ihn nannte). Mehr dazu: Externer Link: RIAS (jugendopposition.de) Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) Das Parteiemblem der DDR-Staatspartei "Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED)" – ein Händedruck als Symbol der Vereinigung von SPD und KPD vor einer roten Fahne. (© picture-alliance, akg-images) Die Sozialistische Einheitspartei (SED) entstand 1946 unter dem Druck der sowjetischen Besatzungsmacht durch die Zwangsvereinigung der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) und der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD). Ihr Wirkungsbereich beschränkte sich auf das Gebiet der Sowjetischen Besatzungszone. Sie war seit der Gründung der Interner Link: DDR am 7. Oktober 1949 bis zur Revolution von 1989 die herrschende Partei. Mehr dazu: Externer Link: Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) (jugendopposition.de) Sowjetunion Die Sowjetunion wurde nach dem Ende des russischen Reichs (1917) im Dezember 1922 (Unionsvertrag, erste Verfassung 1924) gegründet und war bis zu ihrem endgültigen Zerfall 1991 das politische Zentrum des sogenannten Ostblocks. Mehr dazu: Externer Link: Sowjetunion (jugendopposition.de) Staatsrat In der DDR (und anderen sozialistischen Staaten) hatte der Staatsrat die Funktion eines kollektiven Staatsoberhaupts. Er wurde im September 1960 nach dem Tod des ersten und letzten Präsidenten der Interner Link: DDR, Wilhelm Pieck, gebildet. Erster Staatsratsvorsitzende wurde Walter Ulbricht; 1976 übernahm Erich Honecker dieses höchste staatliche Amt. Mehr dazu: Externer Link: Staatsrat (jugendopposition.de) Ständige Vertretungen der BRD und der DDR Ein Volkspolizist der DDR steht am 28.6.1984 vor dem mit Rollgittern verschlossenen Eingang der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in Ostberlin. (© picture-alliance/dpa) Mit dem Grundlagenvertrag von 1972 vereinbarten die Interner Link: BRD und die Interner Link: DDR, "normale gutnachbarliche Beziehungen zueinander" zu entwickeln. In diesem Vertrag wurde auch die Einrichtung der Ständigen Vertretungen in der DDR und der BRD beschlossen. Sie befanden sich in Ost-Berlin und in Bonn. Mehr dazu: Externer Link: Ständige Vertretungen der BRD und der DDR (hdg.de) Studieren in der DDR In der Interner Link: DDR durfte nicht jede/-r studieren. Bei der Auswahl spielte die soziale Herkunft und die politische Einstellung eine große Rolle. Die Hochschulpolitik des SED-Regimes verfolgte das Ziel, parteiloyale Bürger/-innen auszubilden und die junge Generation zu disziplinieren. Mehr dazu: Interner Link: Studieren in der DDR (bpb.de) Ungarn DDR-Flüchtlinge überqueren am 19. August 1989 im Rahmen des Paneuropäischen Picknicks die Grenze von Ungarn nach Österreich in St. Margarethen. (© picture-alliance, IMAGNO) Viele Ostdeutsche sind von der Interner Link: DDR nach Ungarn gereist, um von dort aus in den Westen zu fliehen. Im Mai 1989 begann Ungarn, die Grenzanlage zu Österreich abzubauen. Am 10. September 1989 wurde die Grenze zum Westen für die DDR-Flüchtlinge halbständig geöffnet. Mehr dazu: Externer Link: Ungarn (jugendopposition.de) Vogel, Wolfgang Dr. Wolfgang Vogel war ein ostdeutscher Rechtsanwalt und DDR-Unterhändler. (© picture-alliance, Ulrich Baumgarten) Wolfgang Vogel war ein Rechtsanwalt in der Interner Link: DDR, der auf das Freikaufen von Häftlingen und den Austausch von Agenten spezialisiert war. Er soll an der Freilassung von 150 Agenten aus dem DDR-Gewahrsam, der Ausreise von ca. 250.000 DDR-Bürger/-innen und dem Freikaufen von mehr als 30.000 Häftlingen beteiligt gewesen sein. Mehr dazu: Externer Link: Wolfgang Vogel (jugendopposition.de) Volkskammer Die Volkskammer der DDR tagt im Palast der Republik in Berlin. (© picture alliance/Ulrich Baumgarten) Die Volkskammer war das Parlament der Interner Link: DDR. Faktisch hatte die Volkskammer bis zur Friedlichen Revolution kein politisches Gewicht. Auf administrativer Ebene standen ihr die politisch wichtigeren Gremien (Ministerrat, Interner Link: Staatsrat und Nationaler Verteidigungsrat) gegenüber. Mehr dazu: Externer Link: Volkskammer (jugendopposition.de) Volkspolizei (VP) Die Volkspolizei (Vopo) wurde im Juni 1945 in der Sowjetischen Besatzungszone gebildet. Sie bestand bis zum Ende der Interner Link: DDR. Mehr dazu: Externer Link: Volkspolizei (jugendopposition.de) Wahlbetrug Am 7. Mai 1989 fanden in der Interner Link: DDR die Kommunalwahlen statt. Bei dieser Wahl stand nur die Interner Link: Nationale Front zur Auswahl – also der Zusammenschluss aller Parteien und Massenorganisationen. Unabhängige Wahlbeobachter/-innen aus der Bevölkerung konnten bei der Stimmenauswertung deutlich mehr Nein-Stimmen zählen, als am späten Abend des 7. Mai 1989 öffentlich bekannt gegeben wurden. Mehr dazu: Interner Link: Wahlbetrug (bpb.de) Westfernsehen Eine typische Antennen in der DDR. Diese Stabantennen ermöglichten mit der richtigen Ausrichtung den Empfang von Westfernsehen. (© picture alliance/dpa-Zentralbild) Das Schauen von Sendungen des Westfernsehens war in der Interner Link: DDR nicht gesetzlich verboten und wurde geduldet. Durch das Errichten von Antennen- und Kabelgemeinschaften wurde der Empfang von Westprogrammen in den 1980er Jahren verbessert. Mehr dazu: Interner Link: Westfernsehen (bpb.de) Einkaufen in der DDR Einkaufen ging man in der Interner Link: DDR z.B. in der "HO" (Handelsorganisation) oder im "Konsum". Waren des täglichen Grundbedarfs gab es dort besonders günstig zu kaufen, weil sie staatlich subventioniert wurden. Allerdings kam es immer wieder zu Versorgungsengpässen, vor allem bei technischen Geräten oder Importwaren wie Orangen oder Kaffee. Die Versorgungslage war regional stark unterschiedlich. Wer über D-Mark verfügte, konnte in sogenannten Intershops einkaufen, die ein breites Angebot an westlichen Waren anboten. Mehr Informationen dazu: Konsum (Dossier Lange Wege der Deutschen Einheit) (bpb.de) Datsche Als Datsche bezeichnet man kleine Gartenhäuser, die oft in Kleingartenanlagen zu finden sind. In der Interner Link: DDR dienten sie vielen als Rückzugsort vom Leben im Wohnblock. Viele bauten in den Gärten ihrer Datschen Obst und Gemüse an, das zum Eigenbedarf verbraucht oder an staatliche Annahmestellen verkauft wurde. Biermann, Wolf Wolf Biermann (*1936 in Hamburg) ist ein Liedermacher und Schriftsteller. 1953 siedelte er in die Interner Link: DDR über. Er geriet wegen seiner Werke immer mehr mit der DDR-Führung in Konflikt, die ihm ab 1965 ein Auftrittsverbot und Berufsverbot erteilte. Während einer Konzertreise 1976 in der Bundesrepublik Deutschland entzog die DDR-Führung Biermann die Staatsbürgerschaft. Biermann musste daraufhin in Westdeutschland bleiben. Mehr dazu: Externer Link: Wolf Biermann (jugendopposition.de) Subbotnik Vom russischen Wort "Subbota" (Samstag) abgeleitetes Wort für einen unbezahlten Arbeitseinsatz am Samstag. Die Nichtteilnahme galt als unkollegiale und negative Einstellung zum sozialistischen Staat. Wohnungspolitik Die Wohnungsvergabe wurde in der Interner Link: DDR vom Staat geregelt. Um den Wohnraummangel zu bekämpfen, wurde 1973 ein Wohnungsbauprogramm beschlossen. Es wurden große Plattenbausiedlungen errichtet, die für viele Menschen Platz boten. Wollte man in eine der begehrten Neubauwohnungen umziehen, musste man einen Antrag stellen und oft mehrere Jahre warten. Pankow (Rockband) Die Rockband Pankow wurde 1981 gegründet. Aufgrund ihrer provokanten Texte und Auftritte geriet sie immer wieder mit der Interner Link: DDR-Führung in Konflikt. Die Musiker von Pankow gehörten im September 1989 zu den Unterzeichnern der "Resolution von Rockmusikern und Liedermachern", die Reformen in der DDR forderten. Wahlen Am 15. Oktober 1950 fanden in der DDR erstmals Wahlen zur Volkskammer sowie zu den Landtagen und Kommunalvertretungen statt. Zur Abstimmung stand eine Einheitsliste der Kandidaten der Nationalen Front. Entweder stimmte der Wähler / die Wählerin der gesamten Liste zu, oder er/sie lehnte sie ab. Es war nicht möglich, einzelne Abgeordnete zu wählen. Mehr dazu: Externer Link: Keine Wahl (jugendopposition.de) Meinungsfreiheit Meinungsfreiheit ist ein Menschenrecht. Demnach hat jeder Mensch das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild öffentlich zu äußern. Niemand darf – sofern er nicht gegen geltendes Recht verstößt – aufgrund seiner Meinung verfolgt werden. Die Verfassungen der DDR von 1949 und 1968 garantierten dieses Grundrecht formal ebenfalls. In der Praxis wurden aber nicht nur kritische öffentliche Äußerungen, sondern auch private strafrechtlich verfolgt. Mehr dazu: Externer Link: Recht auf freie Meinungsäußerung (jugendopposition.de) Braunkohle Braunkohle war der wichtigste Energieträger in der Interner Link: DDR. Für die intensive Nutzung wurden seit 1949 mehr als 80.000 Menschen umgesiedelt und zahlreiche Dörfer abgebaggert. 1985 stammten rund 30 Prozent der weltweiten Braunkohle-Produktion aus der DDR. Der Tagebau schaffte viele Arbeitsplätze, führte aber gleichzeitig zu einer hohen Luftverschmutzung, besonders in industriellen Zentren wie Leipzig. Autos in der DDR In der DDR waren viele Konsumgüter, etwa Kleidung oder technische Waren, sehr teuer und knapp. Für den Kauf eines Autos musste man beim IFA-Autohandel den Kauf eines PKW beantragen – und dann oft zehn, manchmal auch über 15 Jahre warten. Neben den DDR-Fabrikaten "Trabant" und "Wartburg" wurden auch Importwagen vertrieben, zum Beispiel von Skoda oder Lada. Bildung in der DDR Das Bildungssystem der DDR hatte neben der Wissensvermittlung auch zum Ziel, junge Menschen zu "sozialistischen Persönlichkeiten" zu erziehen. Der Zugang zu höherer Bildung sollte nicht von bürgerlichen Privilegien abhängen, sondern auch Menschen aus Arbeiter- und Bauernfamilien offen stehen. Eine neue Elite entstand dennoch: Kinder hochrangiger Funktionäre oder Interner Link: SED-naher Eltern wurden z.B. im Bildungssystem bevorzugt. Mehr dazu: Interner Link: Bildung in der DDR (Dossier Bildung) (bpb.de) Schwarzwohnen In der DDR standen viele Wohnungen und Häuser – vor allem Altbauten – leer, weil notwendige Renovierungsarbeiten aufgrund zu niedriger Mieteinnahmen, fehlender Fachkräfte oder Materialen nicht durchgeführt werden konnten. Einige Menschen umgingen die staatliche Wohnungszuweisung und nutzten diesen Wohnraum illegal, indem sie dort heimlich einzogen. Mehr dazu: Interner Link: Schwarzwohnen als subversive und zugleich systemstabilisierende Praxis (bpb.de) Umweltbewegung Während die SED-Führung die existierenden Umweltprobleme leugnete, formierte sich innerhalb der Kirche eine eigenständige Umweltbewegung. Sie organisierte u.a. Demonstrationen und Baumpflanzaktionen, um die Bürger/-innen für den Umweltschutz zu mobilisieren. Auch der Kampf gegen die Atomkraft war ein zentrales Anliegen der Naturschützer/-innen. Mehr dazu: Externer Link: Aktionen der DDR-Umwelt-Bewegung (jugendopposition.de) Gefängnis Rummelsburg Zu Zeiten der DDR diente das ehemalige Arbeitshaus Rummelsburg als Haftanstalt der Volkspolizei in Ost-Berlin. Es handelte sich um ein Gefängnis für Männer, in dem auch politische Häftlinge einsaßen. Auch Demonstranten wurden immer wieder in Rummelsburg festgehalten. Umweltbibliothek Die Umweltbibliothek wurde im September 1986 im Keller der Ost-Berliner Zionsgemeinde gegründet. Die Mitglieder befassten sich nicht nur mit dem Thema Umwelt , sondern auch mit weltanschaulichen und politischen Fragestellungen. Sie druckten und verbreiteten eine Reihe von oppositionellen Publikationen und systemkritischen Informationsblättern. Mehr dazu: Externer Link: Verbotene Bücher – Die Gründung und Arbeit der Umwelt-Bibliothek (jugendopposition.de) Alexanderplatz Der Alexanderplatz in Ost-Berlin war ein wichtiger Schauplatz für Demonstrationen gegen das SED-Regime. Ab Sommer 1989 wurde er zu einem regelmäßigen Treffpunkt der Demonstrationen gegen den Wahlbetrug. Am 4. November 1989 fand auf dem Alexanderplatz die größte Demonstration gegen das politische System der DDR statt. Arnold, Michael Michael Arnold (*1964 in Meißen) wurde 1987 als Medizinstudent Mitglied der "Initiativgruppe Leben". Er war Mitbegründer und Sprecher des Neuen Forums und organisierte 1988/89 mehrere öffentliche Protestaktionen in Leipzig, weshalb er kurzzeitig inhaftiert und exmatrikuliert wurde. Von 1990 bis 1994 war er Mitglied des Sächsischen Landtags. Mehr dazu: Externer Link: Michael Arnold (jugendopposition.de) Genscher, Hans-Dietrich Hans-Dietrich Genscher (*1927 in Reideburg bei Halle) war ein deutscher Politiker (FDP) und insgesamt 23 Jahre lang Bundesminister sowie Vizekanzler der BRD. Am 30. September 1989 verkündigte er vom Balkon der Botschaft in Prag die Ausreiseerlaubnis für die Botschaftsbesetzer/-innen. Als Außenminister setzte sich Genscher für die Wiedervereinigung Deutschlands ein. Junge Welt (Zeitung) Die Zeitung "Junge Welt" (JW) wurde erstmals am 12. Februar 1947 in der Sowjetischen Besatzungszone herausgegeben, zunächst wöchentlich, ab März 1950 täglich. Ab dem 12. November 1947 fungierte sie als Organ des Zentralrats der SED-Jugendorganisation FDJ . Mit 1,4 Millionen Exemplaren war sie die Tageszeitung mit der höchsten Auflage in der DDR. Mehr dazu: Externer Link: Junge Welt (JW) (jugendopposition.de) Neues Deutschland (Zeitung) Das "Neue Deutschland" (ND) war eine Tageszeitung und das Zentralorgan der SED. Die Zeitung erschien erstmals am 23. April 1946. Viele Artikel wurden bis Dezember 1989 von sämtlichen anderen Tageszeitungen der DDR aus dem ND übernommen. Mehr dazu: Externer Link: Neues Deutschland (ND) (jugendopposition.de) Freie Deutsche Jugend (FDJ) Die FDJ war die Jugendorganisation der SED. Fast alle Schüler/-innen folgten dem parallel zum Schulsystem angelegten Modell der Mitgliedschaft: erst Jungpionier, dann Thälmannpionier, mit 14 folgte der Beitritt zur FDJ. Wer nicht Mitglied war, musste mit Nachteilen rechnen – etwa bei der Vergabe von Studienplätzen. Mehr dazu: Externer Link: Freie Deutsche Jugend (FDJ) (jugendopposition.de) Proteste gegen den Wahlbetrug am 7.9.1989 Nach dem Bekanntwerden des Wahlbetrugs bei den Kommunalwahlen am 7. Mai 1989 fanden monatliche Proteste auf dem Ost-Berliner Alexanderplatz statt. Am 7. September 1989 brachten die Demonstranten ihre Verärgerung über das SED-Regime mit Trillerpfeifen zum Ausdruck, gemäß dem Motto "Wir pfeifen auf den Wahlbetrug". Mehr dazu: Externer Link: Proteste gegen den Wahlbetrug (jugendopposition.de) Umweltpolitik in der DDR Der Schutz der Natur stand bereits seit 1968 in der Verfassung der DDR. Die fortschreitende Industrialisierung führte jedoch zu massiven ökologischen Problemen, insbesondere in den großen Industriezentren – zum Beispiel durch die Gewinnung von Braunkohle und die Chemie-Industrie. Innerhalb der Kirche formierte sich eine Umweltbewegung, die die Umweltzerstörung in der DDR anprangerte. Mehr dazu: Externer Link: Umweltzerstörung (hdg.de/lemo) Arbeitsgruppe Umweltschutz Die Arbeitsgruppe Umweltschutz wurde 1981 in Leipzig gegründet. Sie gab die Zeitschrift "Streiflichter" heraus, in der neben ökologischen auch gesellschaftspolitische Themen behandelt wurden. Zudem organisierten die Mitglieder zahlreiche Veranstaltungen zum Thema Umwelt. Mehr dazu: Externer Link: Arbeitsgruppe Umweltschutz (jugendopposition.de) Westpaket Als "Westpakete" bezeichnete man Postsendungen, die Leute aus der BRD an Freunde und Verwandte in der DDR schickten. Sie enthielten Geschenke wie Kleidung, Süßigkeiten oder Kaffee. Handelsware oder Geld durfte nicht verschickt werden. Auch Tonträger, Bücher oder Zeitschriften zu verschicken war verboten. Die "Westpakete“ sind zwar bekannter, aber Geschenke wurden auch in die andere Richtung – von Ost nach West – verschickt. Und auch die BRD kontrollierte die Post teilweise. Mehr dazu: Externer Link: https://www.mdr.de/zeitreise/interview-brd-kontrolliert-westpakete100.html Schundliteratur Als "Schmutz- und Schundliteratur" galten in der DDR pornografische Inhalte, vermeintliche Kriegsverherrlichung oder Texte, die die DDR oder den Sozialismus verunglimpften. Das heimliche Lesen oder der Schmuggel der verbotenen Literatur wurde teilweise mit Gefängnisstrafen geahndet. Auch in der BRD gab es seit 1953 ein Gesetz gegen die Verbreitung jugendgefährdender Schriften. Sozialismus Der Sozialismus ist eine politische Weltanschauung, die darauf abzielt, eine solidarische Gesellschaft zu schaffen, in der die Grundwerte Freiheit und Gleichheit verwirklicht sind. Der Sozialismus gilt als eine Vorstufe zum Interner Link: Kommunismus. Mehr dazu: Externer Link: https://www.jugendopposition.de/148315 Kommunismus Der Kommunismus ist eine politische Weltanschauung, die eine klassenlose Gesellschaft anstrebt. Grundlegend dafür ist die Abschaffung des privaten Eigentums. Auf dem Weg zu einer kommunistischen Gesellschaft sollte als Vorstufe der Interner Link: Sozialismus verwirklicht werden. Mehr dazu: https://www.bpb.de/161319 Artikel 28 (1) Alle Bürger haben das Recht, sich im Rahmen der Grundsätze und Ziele der Verfassung friedlich zu versammeln. (2) Die Nutzung der materiellen Voraussetzungen zur ungehinderten Ausübung dieses Rechts, der Versammlungsgebäude, Straßen und Kundgebungsplätze, Druckereien und Nachrichtenmittel wird gewährleistet. (Aus der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 7. Oktober 1974) Mehr dazu: Externer Link: http://kurz.bpb.de/verfassungddr Artikel 29 "Die Bürger der Deutschen Demokratischen Republik haben das Recht auf Vereinigung, um durch gemeinsames Handeln in politischen Parteien, gesellschaftlichen Organisationen, Vereinigungen und Kollektiven ihre Interessen in Übereinstimmung mit den Grundsätzen und Zielen der Verfassung zu verwirklichen." (Aus der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 7. Oktober 1974) Mehr dazu: Externer Link: http://kurz.bpb.de/verfassungddr Verfassung der DDR Die Interner Link: DDR hatte während ihres Bestehens drei Verfassungen (1949, 1968, 1974). Die erste Verfassung von 1949 lehnte sich eng an die der Weimarer Reichsverfassung an und enthielt umfangreiche Grundrechte. Die Verfassung von 1968 verankerte den Sozialismus als Grundsatz und garantierte weiterhin viele Grundrechte. Im Gegensatz zur Verfassung von 1949 fehlten aber das Widerstandsrecht und das Verbot einer Pressezensur. Mit den Änderungen von 1974 wurde die Freundschaft zur Sowjetunion betont. Mehr dazu: Externer Link: http://kurz.bpb.de/verfassungddr ML-Ausbildung Unabhängig vom Interner Link: Studienfach mussten alle Studierenden in der Interner Link: DDR ein "Gesellschaftswissenschaftliches Grundstudium" in Interner Link: Marxismus-Leninismus absolvieren. Politische Propaganda und wissenschaftliche Pflichtlektüre wurden miteinander verbunden. Zu Beginn jedes Semesters gab es die sogenannte "Rote Woche", in der Studierende mit Veranstaltungen zum Marxismus-Leninismus politisch indoktriniert werden sollten. Marxismus-Leninismus Der "Marxismus-Leninismus" war die Staatsideologie der Sowjetunion und weiterer sozialistischer Staaten wie der Interner Link: DDR. Im Zentrum stand die Annahme, dass auf den Kapitalismus notwendig der Interner Link: Sozialismus und Interner Link: Kommunismus folgen müssen, um die Arbeiterklasse zu befreien. In der DDR war Interner Link: ML ein verbindliches Interner Link: Studienfach. Mehr dazu: Externer Link: https://www.jugendopposition.de/148578 Junge Pioniere (JP) Die JP, eigentlich "Pionierorganisation Ernst Thälmann" war in der Interner Link: DDR die staatliche Massenorganisation für Kinder. Sie diente als ideologische Kaderschmiede, in der Kinder im Sinne der Interner Link: SED erzogen wurden. Fast alle Schüler/-innen gehörten ihr an. Die Pioniere waren unterteilt in die Jungpioniere und Thälmannpioniere. Ab dem 14. Lebensjahr folgte der Beitritt zur Interner Link: FDJ. Mehr dazu: Externer Link: https://www.jugendopposition.de/ Kapitalismus Der Kapitalismus ist eine Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, in der der Faktor Kapital (Maschinen, Anlagen, Fabriken, Geld) überproportionale Bedeutung hat. Grundlegend dafür sind der Schutz von Privateigentum sowie ein von staatlichen Eingriffen weitgehend freies Wirtschaftssystem. Der Markt wird demnach durch Angebot und Nachfrage gesteuert. Mehr dazu: Interner Link: http://m.bpb.de Neues Forum: Ablehnung des Antrags auf Zulassung Am 19. September 1989 beantragte das Neue Forum die Zulassung als Vereinigung. Das Interner Link: DDR-Innenministerium lehnte den Antrag zwei Tage später ab und bezeichnete die Bewegung als "staatsfeindliche Plattform". Mit einem Handzettel forderten die Initiatoren (darunter Michael Interner Link: Arnold) die Bevölkerung zur Solidarität auf. Mehr dazu: Externer Link: http://kurz.bpb.de/kathrin2209 AG Umweltschutz Die Arbeitsgruppe Umweltschutz wurde 1981 in Leipzig gegründet. Sie gab die Zeitschrift "Streiflichter" heraus, in der neben ökologischen auch gesellschaftspolitische Themen behandelt wurden. Zudem organisierten die Mitglieder zahlreiche Veranstaltungen zum Thema Interner Link: Umwelt. Mehr dazu: https://www.jugendopposition.de/148350 Führer, Christian Christian Führer (1943-2014) war ein evangelischer Pfarrer und Mitbegründer der Interner Link: Friedensgebete in der Nikolaikirche in Leipzig. Mehr dazu: Externer Link: https://www.jugendopposition.de/148050 Moritzbastei Die Moritzbastei ist eine historische Befestigungsanlage in Interner Link: Leipzig. Zwischen 1974 und 1982 wurde sie in über 150.000 Arbeitsstunden von Studierenden zu einem Studentenklub ausgebaut. In den 1980er Jahren wurde sie von der Interner Link: FDJ betrieben. Auch heute ist sie ein Kulturzentrum. Mehr dazu: Externer Link: http://kurz.bpb.de/m6b Merkel, Angela Angela Dorothea Kasner heißt heute Angela Merkel und ist seit 2005 Bundeskanzlerin. Zwischen 1973 und 1978 studierte sie Physik in Leipzig, bevor sie für ihre Promotion nach Ost-Berlin zog. Sie war aktives Mitglied der Interner Link: FDJ. 1989 trat sie der Partei Interner Link: Demokratischer Aufbruch bei, deren Pressesprecherin sie 1990 wurde. Mehr zu Angela Merkels Biografie: Externer Link: https://www.hdg.de/lemo/biografie/angela-merkel.html Leipzig 1989 Leipzig wurde im Herbst 1989 zu einer der wichtigsten Städte für die friedliche Revolution. Hier begannen die Interner Link: Friedensgebete und die Interner Link: Montagsdemonstrationen. Außerdem formierten sich hier Bürgerrechtsbewegungen wie das Interner Link: Neue Forum. Mehr über wichtige Orte der DDR-Opposition erfährst du hier: Externer Link: www.jugendopposition.de/Orte/ Honecker, Erich Erich Honecker (1912-1994) war von 1971 bis 1989 Generalsekretär des Zentralkomitees der Interner Link: SED und ab 1976 Vorsitzender des Staatsrats. Honecker war ab 1930 Mitglied der KPD und leistete Widerstand im Nationalsozialismus. Nach dem Zweiten Weltkrieg baute er die Jugendorganisation Interner Link: FDJ auf. Nach der Wiedervereinigung wurden Ermittlungen gegen Honecker aufgenommen, die 1993 eingestellt wurden. Mehr dazu: Externer Link: https://www.jugendopposition.de/148080 Zuführung Bei den sogenannten Zuführungen wurden Personen ohne weitere Begründung (und ohne Rechtsgrundlage) festgenommen. Nach einigen Stunden Verhören oder kurzen Belehrungen endeten sie in der Regel mit der Freilassung. Sie konnten aber auch in einer formellen Interner Link: Verhaftung münden. Mehr dazu: Externer Link: http://www.jugendopposition.de Politische Haft Das SED-Regime verfolgte politische Oppositionelle wegen vermeintlicher Widerstandshandlungen, Fluchtversuchen oder Fluchthilfe. Für die DDR-Regierung waren diese Personen Kriminelle, die sich gegen die "antifaschistisch-demokratische" Ordnung richteten. Schätzungen nach waren etwa 200.000 bis 250.000 Personen in der DDR aus politischen Gründen inhaftiert. Tausende Häftlinge wurden zwischen 1963 und 1989 von der Bundesrepublik freigekauft – die Gefangenen durften ausreisen, im Gegenzug erhielt die Interner Link: DDR Warenlieferungen im Wert von mehr als drei Milliarden DM. Nationalhymne der DDR Für die Interner Link: DDR wurde 1949 mit "Auferstanden aus Ruinen" eine Nationalhymne geschaffen. Ein Auszug aus der Nationalhymne: "Auferstanden aus Ruinen Und der Zukunft zugewandt, Lass uns dir zum Guten dienen, Deutschland, einig Vaterland. Alte Not gilt es zu zwingen, Und wir zwingen sie vereint, Denn es muss uns doch gelingen, Dass die Sonne schön wie nie Über Deutschland scheint, Über Deutschland scheint." Wegen der Textzeile "Deutschland, einig Vaterland" wurde bei offiziellen Anlässen seit Anfang der 1970er Jahre nur noch deren Melodie gespielt. Mehr Infos dazu: Externer Link: https://www.hdg.de/lemo/bestand/objekt/druckgut-nationalhymne-der-ddr.html Internationale (Arbeiterlied) "Die Internationale" ist eines der bekanntesten Lieder der Arbeiterbewegung und nahm in der DDR und anderen sozialistischen Staaten einen wichtigen Platz neben der Interner Link: Nationalhymne ein. Im Refrain heißt es: "Völker, hört die Signale! Auf zum letzten Gefecht! Die Internationale erkämpft das Menschenrecht." Tag der Republik Am 7. Oktober 1989 wurde mit großen Festumzügen, Aufmärschen und Volksfesten das 40-jährige Bestehen der Interner Link: DDR gefeiert. Staatsgäste aus aller Welt, u.a. Michail Interner Link: Gorbatschow, nahmen an den Feierlichkeiten teil. Die politische Krise im Land wurde ausgeblendet. Mehr dazu: Externer Link: https://www.jugendopposition.de/145459 Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) Die Kommunistische Partei Deutschlands wurde am 1. Januar 1919 als Zusammenschluss mehrerer linksrevolutionärer Gruppierungen unter der Führung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht gegründet. 1946 erfolgte in der Sowjetischen Besatzungszone (Interner Link: SBZ) die Zwangsvereinigung der SPD und KPD zur Interner Link: SED. In der Bundesrepublik wurde die KPD 1956 verboten. Mehr dazu: Externer Link: https://www.jugendopposition.de/148456 Gorbatschow, Michail Michail Sergejewitsch Gorbatschow war Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Interner Link: Sowjetunion (KPdSU) und stieß 1985 umfassende politische und wirtschaftliche Interner Link: Reformen an. Gorbatschows Außenpolitik war geprägt von einer Taktik der Abrüstung und Annäherung an den Westen. 1990 stimmte er der Wiedervereinigung Deutschlands zu. Quelle/Link: Externer Link: https://www.jugendopposition.de/148055/ Glasnost und Perestroika Unter den Schlagworten "Glasnost" (Öffentlichkeit/Transparenz) und "Perestroika" (Umbau) leitete Michail Interner Link: Gorbatschow 1985 politische und wirtschaftliche Reformen in der Interner Link: Sowjetunion ein. Die Gesellschaft sollte unter Beibehaltung der sozialistischen Gesellschaftsordnung und unter Führung der Kommunistischen Partei der Sowjetunion modernisiert werden. Mehr dazu: Externer Link: https://www.jugendopposition.de/148407 Zentralkomitee der SED (ZK) Das Zentralkomitee war das oberste Gremium der Interner Link: SED. Es wurde auf den SED-Parteitagen gewählt. Die Sekretäre des ZK betreuten etwa 40 verschiedene Abteilungen und konnten auch den Mitgliedern des Ministerrats Befehle erteilen – sie kontrollierten also sowohl die Partei als auch die Regierung. Das ZK wählte auch die oberste Führungsriege der DDR, das Interner Link: Politbüro. Der Erste Sekretär war bis zum Oktober 1989 Interner Link: Erich Honecker. Auf ihn folgte Egon Krenz. Mehr dazu: Interner Link: http://www.bpb.de/18500/zentralkomitee-zk Tian’anmen-Massaker In der Nacht zum 4. Juni 1989 wurden politische und soziale Proteste rund um den Platz des Himmlischen Friedens (Tian An Men) in Peking von der chinesischen Volksbefreiungsarmee gewaltsam niedergeschlagen. In der Folge protestierten Menschen weltweit gegen das Massaker. Bis heute ist nicht geklärt, ob mehrere Hundert oder einige Tausend Menschen getötet wurden. Mehr dazu: Interner Link: bpb.de/185616 Ministerrat Der Ministerrat war formal laut DDR-Verfassung die Regierung der Interner Link: DDR und bestand 1989 aus 39 Mitgliedern (Ministern), die alle der Interner Link: SED angehörten.Die eigentliche Macht hatte in der DDR aber das Interner Link: Politbüro des Interner Link: Zentralkomitees der SED inne, denn die Sekretäre konnten den Ministern Befehle erteilen. Mehr dazu: Externer Link: https://www.jugendopposition.de/148601 Schefke, Siegbert Siegbert Schefke war aktiver DDR-Bürgerrechtler. Als Journalist und Kameramann dokumentierte er Ende der 1980er Jahre die Umweltzerstörung in der Interner Link: DDR. Im Herbst 1989 lieferte er gemeinsam mit Aram Radomski die ersten Fernsehbilder der Montagsdemonstrationen in Interner Link: Leipzig, die im Anschluss in der Interner Link: Tagesschau übertragen wurden. Mehr dazu: Externer Link: https://www.jugendopposition.de/148159/ Dietrich, Mike Mike Dietrich ist ein DJ, Produzent und Musiker aus Leipzig. Ende der 1980er Jahre gründete er in Leipzig das Hiphop-Projekt B-Side the Norm. Hip-Hop in der DDR Inspiriert vom amerikanischen HipHop entwickelte sich in der DDR in den 1980er Jahren eine kleine Szene aus Breakdancern, Rappern, Graffitikünstlern und DJs. HipHop war nicht verboten, zum Teil wurde die Jugendkultur aber vom Staat kontrolliert. Mehr dazu: Externer Link: https://www.jugendopposition.de/145417 Beat Street Der Film "Beat Street" läuft 1985 in den Kinos der DDR. Für viele Jugendliche in der DDR ist es der Startschuss, sich mit Grafitti und Breakdance zu beschäftigen. Mehr dazu: Externer Link: https://www.mdr.de/zeitreise/hip-hop-in-der-ddr100.html Silly (Band) Die Rockband "Silly" wurde 1978 in Ost-Berlin gegründet. Ihre Frontfrau, Tamara Danz, war eine der berühmtesten Sängerinnen der DDR. 1985 verboten die DDR-Zensoren das Album "Zwischen unbefahrenen Gleisen", welches später in bereinigter Version erschien. Trotz Zensur versuchte die Band immer wieder, politische Andeutungen in ihren Texten unterzubringen. Karat (Band) 1975 in Ost-Berlin gegründet, gehörte "Karat" zu den erfolgreichsten Rockbands in der DDR. Ihre Musik bewegte sich zwischen Progressive-Rock, Pop und Schlager. Ihr bekanntestes Lied ist "Über sieben Brücken musst du gehen". Zuerst waren die Texte noch komödiantisch, später wandte sich die Band ernsteren Texten zu. Trotz Vorwürfen, politisch konform zu sein, enthielten einige Songs auch kritische Passagen, z.B. der Song "Albatros" (1979). Komitee für Unterhaltungskunst Das 1973 gegründete kulturpolitische Kontrollgremium der DDR-Regierung überwachte die Einhaltung von politischen Richtlinien in der Unterhaltungskunst. Kritische Stimmen wurden unterdrückt, politisch konforme Künstlerinnen und Künstler bevorzugt. Das von der SED eingesetzte Komitee entschied unter anderem, wer zu Veranstaltungen und Tourneen ins westliche Ausland fahren durfte. Krenz, Egon Egon Krenz (*1937 in Kolberg/Pommern), ehemaliger SED-Politiker, löste am 18.10.1989 Erich Honecker als Generalsekretär des Zentralkomitees (ZK) der SED und als Vorsitzender des Staatsrates ab. Am 3.12.1989 trat schließlich das gesamte ZK mit Krenz als Generalsekretär zurück. 1995 wurde er wegen der Mitverantwortung für das Grenzregime der DDR zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt. 7./8. Oktober Zum 40. Jahrestag der Interner Link: DDR demonstrierten Tausende Berliner/innen gegen das Interner Link: SED-Regime. Die Interner Link: Volkspolizei und Spezialeinheiten der Interner Link: Stasi gingen brutal gegen die friedlichen Interner Link: Demonstranten vor. Männer und Frauen wurden verprügelt, LKW transportierten Interner Link: Verhaftete ab, die Volkspolizei setzte Wasserwerfer und Räumfahrzeuge ein. Das Vorgehen der Sicherheitskräfte zog weitere Demonstrationen und Mahnwachen für die Verhafteten in der ganzen DDR nach sich. Mehr dazu: Externer Link: https://www.jugendopposition.de/145462 Schabowski, Günter Günter Schabowski war Interner Link: SED-Funktionär und Mitglied im Interner Link: Politbüro des Zentralkomitees (ZK) der Interner Link: DDR. Am Abend des 9. November 1989 verkündete er im Rahmen einer Pressekonferenz (nicht ganz halbständig) eine neue Ausreise-Regelung für DDR-Bürger/-innen. Daraufhin strömten tausende Ost-Berliner/-innen an die Grenze. Noch in derselben Nacht wurden alle Grenzübergänge geöffnet. Mehr dazu: Externer Link: https://www.jugendopposition.de/148156 Masur, Kurt Kurt Masur (1927-2015) war Dirigent und Kapellmeister beim Gewandhausorchester in Interner Link: Leipzig. Als einer der Interner Link: Leipziger Sechs veröffentlichte er am 9. Oktober 1989 einen Aufruf zu beiderseitiger Gewaltlosigkeit bei den Interner Link: Montagsdemonstrationen. Stadtfunk Leipzig Der Leipziger Stadtfunk war ein Netz von Lautsprecheranlagen, die zwischen 1945 und 1998 an öffentlichen Gebäuden und Plätzen in Leipzig installiert waren. Genutzt wurde er vor allem für Propaganda und Information. Am 9. Oktober 1989 wurde der Aufruf der Interner Link: Leipziger Sechs über den Stadtfunk verbreitet. Nach der Wiedervereinigung übernahm Radio Leipzig das Programm. Leipziger Sechs Die Leipziger Sechs waren eine Gruppe von sechs Männern, die am 9. Oktober gemeinsam einen Aufruf zur Gewaltlosigkeit bei den Interner Link: Montagsdemonstrationen in Leipzig über den Interner Link: Stadtfunk verbreiteten. Darunter waren Kulturschaffende sowie Mitglieder der SED-Bezirksleitung. Sie forderten beide Seiten – Interner Link: Demonstranten und Interner Link: Volkspolizei - zur Besonnenheit auf. Der Aufruf soll maßgeblich dazu beigetragen haben, dass die Demonstrationen friedlich verliefen. Reformbestrebungen Im Sommer und Herbst 1989 formierten sich in der DDR zahlreiche Bürgerrechtsbewegungen, die das Ziel hatten, demokratische Reformen in der DDR anzustoßen. Sie forderten die Verwirklichung von Grundrechten wie Meinungs- und Pressefreiheit und freie Wahlen. Im Rahmen z.B. der Montagsdemonstration versammelten sich die verschiedenen Oppositionsgruppen und verliehen ihren Forderungen Nachdruck. Mehr dazu: Interner Link: bpb.de/295940 Nationaler Verteidigungsrat Der Nationale Verteidigungsrat (NVR) der Interner Link: DDR wurde im Jahr 1960 gegründet und war das wichtigste Organ für sicherheitspolitische Fragen. Die Personalunion an der Spitze von Interner Link: Politbüro, Interner Link: Staatsrat und Verteidigungsrat hob die theoretische Trennung der Entscheidungsgremien in der Praxis weitgehend auf. Mehr Infos: Externer Link: https://www.bstu.de/mfs-lexikon Telefonieren in der DDR Das Telefonnetz der Interner Link: DDR war schlecht ausgebaut. Nicht einmal 15 Prozent der privaten Haushalte hatten einen Telefonanschluss. Viele nutzten deshalb Telefonzellen oder öffentliche Telefone in den Postämtern. In der Stadt – insbesondere in Ost-Berlin – war es leichter, einen Telefonanschluss zu bekommen. Telefongespräche aus der DDR in die Interner Link: BRD mussten angemeldet werden. Der Morgen (Zeitung) "Der Morgen" war eine Tageszeitung in der Interner Link: DDR und das Zentralorgan der Liberal-Demokratischen Partei Deutschlands (Interner Link: LDPD). Als erste Zeitung der DDR druckte "Der Morgen" 1989 Beiträge und Leserbriefe, die sich kritisch mit dem Interner Link: SED-Regime auseinandersetzten. Liberal-Demokratische Partei Deutschlands Die Liberal-Demokratische Partei Deutschlands (LDPD) wurde 1945 gegründet. Ab 1949 war sie in die Nationale Interner Link: Front eingebunden. Zentralorgan der LDPD war die Tageszeitung "Der Interner Link: Morgen". Mehr dazu: https://www.jugendopposition.de/148413 Henrich, Rolf Rolf Henrich ist Jurist und Schriftsteller. Ab 1964 war er Mitglied der Interner Link: SED, setzte sich später aber zunehmend kritisch mit der Partei und dem Interner Link: Sozialismus auseinander. 1989 veröffentlichte er das Buch "Der vormundschaftliche Staat", weshalb er aus dem Anwaltskollegium und der SED ausgeschlossen wurde. Er war Mitbegründer des Interner Link: Neuen Forums und trat 1990 in die SPD ein. Mehr dazu: Externer Link: https://www.hdg.de/lemo/ Rausch, Friedhelm Friedhelm Rausch war von 1986 bis 1989 Präsident der Interner Link: Volkspolizei Berlin und damit unter anderem verantwortlich für die Polizeigewalt am 7. und 8. Oktober gegen Demonstranten. Beim ersten sogenannten "Sonntagsgespräch" vor dem Roten Rathaus in Ost-Berlin, am 29.10.1989, entschuldigte er sich dafür. Eppelmann, Rainer Rainer Eppelmann ist ein evangelischer Pfarrer und Bürgerrechtler. Von 1979 bis 1987 organisierte er Interner Link: Bluesmessen in Berlin. Er stand unter permanentem Druck der Interner Link: Stasi. Er war Mitbegründer und später Vorsitzender des Interner Link: DA, Abgeordneter der Interner Link: Volkskammer und später des Deutschen Bundestages. Mehr dazu: Externer Link: https://www.jugendopposition.de/ Bluesmessen Die Bluesmessen in Berlin wurden von Interner Link: Rainer Eppelmann initiiert und von 1979 bis 1987 in Interner Link: Kirchen veranstaltet. Als Gottesdienste unterlagen sie nicht der staatlichen Anmeldepflicht. Sie entwickelten sich zu wichtigen Orten für oppositionelle Jugendliche in der DDR. Mehr dazu: Externer Link: https://www.jugendopposition.de/ Aktuelle Kamera Die abendliche DDR-TV-Nachrichtensendung ist das Sprachrohr der Interner Link: SED. Über was wie berichtet wird, bestimmt die Partei. Mitte Oktober 1989 beginnt die Aktuelle Kamera aber unabhängig und kritisch zu berichten und lässt auch Bürgerrechtler und Demonstrierende zu Wort kommen. Mehr dazu: Externer Link: www.mdr.de/zeitreise/aktuelle-kamera-nachrichten-im-ddr-fernsehen-100.html Freier Deutscher Gewerkschaftsbund (FDGB) Der FDGB war der Dachverband der Gewerkschaften in der Interner Link: DDR. Wie alle Massenorganisationen in der DDR war auch der FDGB zentralistisch von der Interner Link: Partei aus organisiert. 1989 hatte der FDGB ungefähr 9,5 Millionen Mitglieder. Mehr dazu: Externer Link: https://www.jugendopposition.de/ National-Demokratische Partei Deutschland (NDPD) Die NDPD war eine der Interner Link: Blockparteien in der Interner Link: DDR. Sie wurde 1948 mit dem Ziel gegründet, ehemalige Soldaten und Mitglieder der NSDAP in das staatssozialistische System der DDR zu integrieren Nach 1990 ging die NDPD in die FDP über. Mehr dazu: Externer Link: www.bpb.de/ Tisch, Harry Harry Tisch war ein SED-Funktionär mit hohen Rang. Bereits 1963 wurde er Mitglied des Interner Link: ZK und 1975 Mitglied des Interner Link: Politbüros der Interner Link: SED. Von 1975 bis 1989 war er Vorsitzender des Interner Link: FDGB. Im November 1989 trat er als Vorsitzender des FDGB zurück und schied aus dem Politbüro und dem Zentralkomitee aus. Ende des Jahres 1989 wurde er aus der SED und dem FDGB ausgeschlossen. CDU in der DDR Die Christlich-Demokratische Union (CDU) wurde 1945 als gesamtdeutsche Partei gegründet. In der Interner Link: DDR wurde die Ost-CDU zu einer Blockpartei innerhalb der SED-dominierten Interner Link: Nationalen Front. Mehr dazu: Externer Link: https://www.jugendopposition.de/148367 Transitstrecke Transitstrecken waren die Straßen, die durch das Gebiet der Interner Link: DDR führten. Neben der Verbindung zwischen der BRD und West-Berlin durfte auch der Transitverkehr nach Polen und Tschechoslowakei nur über diese wenigen Strecken erfolgen. Berliner Mauer Die Berliner Mauer war die Sperranlage, die zwischen 1961 und 1989 West- und Ostberlin trennte. Sie war 156,40 km lang und bestand aus mehreren Teilen: zwischen zwei Mauern befanden sich u. a. ein 15 bis 150 Meter breiter "Todesstreifen" und ein Sperrgraben. Zur Bewachung waren Beobachtungstürme und eine Lichttrasse installiert. Mindestens 140 Menschen kamen an der Berliner Mauer oder im Zusammenhang mit dem DDR-Grenzregime ums Leben. Die Mauer wurde zum Symbol für die deutsche Teilung. Eine Karte und Fotos des Grenzverlaufs: Externer Link: http://www.chronik-der-mauer.de/166398 Einreise nach Ost-Berlin Seit 1972 benötigten BRD-Bürger mit Wohnsitz in Westberlin einen "Berechtigungsschein zum Empfang eines Visums der DDR", um als Tagesbesucher in den Ostteil der Stadt einzureisen. BRD-Bürger, die nicht in West-Berlin lebten, konnten direkt an den Grenzübergangsstellen ein Tagesvisum beantragen. Mehrtagesaufenthalte waren nur in besonderen Fällen möglich. Für DDR-Bürger (und damit auch Ost-Berliner) gab es kaum eine Möglichkeit, in den Westen zu reisen. Prenzlauer Berg Der Prenzlauer Berg in Ostberlin entwickelte sich in den 1970 und 1980er Jahren zu einem Zentrum der oppositionellen Szene, die sich zum Beispiel in Wohnungen oder Kirchengemeinden traf. Als Ort der DDR-Opposition und wegen seiner Nähe zur Interner Link: Mauer zu Westberlin war die Überwachungsdichte der Stasi im Prenzlauer Berg besonders hoch. Karte mit Stasi- und Oppositionsobjekten im Prenzlauer Berg: Externer Link: https://www.jugendopposition.de/stasiopposition/ Umweltblätter / Telegraph Die Informationszeitschrift der Umweltbibliothek erschien seit 1987 alle ein bis zwei Monate und behandelte Themen wie Umweltschutz, Menschen- und Bürgerrechte, die Friedensbewegung und andere systemkritische Positionen, die in den staatlichen Medien nicht oder nur unzureichend behandelt wurden. 1989 wurde aus den Umweltblättern der telegraph, in dem über Friedliche Revolution berichtet wurde. Mehr Infos: Externer Link: https://www.jugendopposition.de/145467 Kühn, Fritz 
Fritz Kühn war Mitglied der Interner Link: Umweltbibliothek (UB) und betreute dort die Druckmaschinen. In den Kellerräumen der UB druckte er die Dokumentation "Wahlfall", in der erstmals die Fälschung der Interner Link: Kommunalwahlen in der Interner Link: DDR dokumentiert und nachgewiesen werden konnte. Ihlow, Uta Die Bibliotheksfacharbeiterin war am Aufbau und der Betreuung der Interner Link: Umweltbibliothek beteiligt, in der unter anderem in der Interner Link: DDR verbotene Literatur gesammelt wurde. Mehr zur Person: Externer Link: https://www.jugendopposition.de/145511 Pressekonferenz Die Pressekonferenz im Internationalen Pressezentrum in Berlin am 09.11.1989. (© picture-alliance) Am 9. November 1989 verlas Günter Interner Link: Schabowski, Mitglied des Interner Link: Politbüros, um 18 Uhr im Rahmen einer Pressekonferenz die neuen Ausreisebestimmungen für DDR-Bürger. Auf die Nachfrage eines Journalisten, ab wann DDR-Bürger ohne Visum in die Bundesrepublik reisen könnten, antwortete Schabowski vorschnell "Sofort, unverzüglich". Die Regelung sollte eigentlich erst am 10. November in Kraft treten. Die Pressekonferenz wurde live im DDR-Fernsehen übertragen. Im Laufe des Abends stürmten tausende DDR-Bürger zu den Grenzübergängen und forderten die sofortige Öffnung. Die Pressekonferenz zum Nachschauen: Externer Link: http://kurz.bpb.de/schabowski Wolf, Christa Christa Wolf (1929-2011) war eine deutsche Schriftstellerin. Sie trat 1949 in die Interner Link: SED ein und studierte Germanistik in Jena und Leipzig. Von 1963-1967 war sie Kandidatin des Zentralkomitees der SED, schied aber nach einer kritischen Rede aus dem Gremium aus. 1989 trat sie aus der Partei aus und forderte demokratische Reformen. Mehr dazu: Externer Link: https://www.jugendopposition.de/148211 Ventillösung Nach der Pressekonferenz von Günter Interner Link: Schabowski versammelten sich am 9. November 1989 tausende DDR-Bürger am Grenzübergang Interner Link: Bornholmer Straße, um nach West-Berlin auszureisen. Ab 21:30 Uhr wurden einigen besonders auffälligen DDR-Bürgern die Ausreise gewährt. Ihre Ausweise wurden dabei unbemerkt ungültig gestempelt, um ihnen eine spätere Wiedereinreise zu verwehren. Brandenburger Tor Die drei Meter hohe und breite Mauer am Brandenburger Tor sollte die Endgültigkeit der deutschen Teilung symbolisieren. Am Abend des 9. November 1989 wurde sie dagegen zum Symbol für die Überwindung dieser Teilung. In der Nacht und in den folgenden Tagen feierten Tausende Berliner/-innen den Fall der Berliner Mauer. Grenzposten Die Berliner Interner Link: Mauer (Gesamtlänge 156, 4 km) bestand im Jahr 1989 aus einem zwischen 15 und mehr als 150 Meter breiten Todesstreifen mit einer zwei bis drei Meter hohen "Hinterlandmauer" oder einem "Hinterlandsperrzaun". An mehreren Kontrollposten waren Grenztruppen stationiert, um die Anlage zu überwachen und Fluchtversuche von DDR-Bürgern zu verhindern. Mehr dazu: Externer Link: https://www.hdg.de/lemo/ Mauerspechte Schon kurz nach Bekanntgabe der Öffnung der Grenzen am Abend des 9. November 1989 begannen Menschen, Teile aus der Berliner Interner Link: Mauer herausklopfen und einzelne Stücke mitzunehmen. Man bezeichnet sie als "Mauerspechte". Dickel, Friedrich Friedrich Dickel (1913-1993) war von 1963 bis 1989 Innenminister der Interner Link: DDR und damit auch Chef der Interner Link: Volkspolizei. Kohl, Helmut Helmut Kohl (1930-2017) war ein deutscher Politiker (CDU) und von 1982 bis 1998 Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Weil die Wiedervereinigung der Interner Link: BRD und Interner Link: DDR in seine Amtszeit fiel, wird er häufig als "Kanzler der Einheit" bezeichnet. Brandt, Willy Willy Brandt (1913-1992) war ein deutscher Politiker (SPD) und von 1969-1974 Bundeskanzler der Interner Link: Bundesrepublik Deutschland. Mit einer "neuen Ostpolitik" setzte er sich für den Dialog mit den Staaten des sogenannten Ostblocks ein und erhielt dafür den Friedensnobelpreis. Momper, Walter Walter Momper (geboren 1945) ist ein deutscher Politiker (SPD). Er war von 1989 bis 1991 Regierender Bürgermeister in Berlin (West) und von 2001 bis 2011 Präsident des Abgeordnetenhauses in Berlin. Sperrgebiet Das Sperrgebiet war von 1954 bis 1989 ein etwa 500 Meter breiter Streifen entlang der innerdeutschen Grenze. Die etwa 200.000 Menschen, die in dieser Sperrzone lebten, brauchten Sonderausweise und waren im Alltag enorm eingeschränkt. Andere DDR-Bürger hatten keinen Zutritt. Direkt an der Grenze befand sich der sogenannte "Todesstreifen", der mit Schussanlagen gesichert und vermint war. Offiziell aufgehoben wurden alle Sperrgebiete an der Grenze am 12. November 1989. Begrüßungsgeld Schon ab 1970 zahlte die Bundesrepublik Besuchern aus der Interner Link: DDR ein sogenanntes Begrüßungsgeld. Noch in der Nacht zum 10. November 1989 ordnete der West-Berliner Bürgermeister Walter Interner Link: Momper die Auszahlung von 100 D-Mark Begrüßungsgeld an einreisende DDR-Bürger durch Banken und Sparkassen an. Die Regelung wurde in den darauffolgenden Tagen in der gesamten Interner Link: Bundesrepublik übernommen. Oberbaumbrücke Die Oberbaumbrücke führt über die Spree und verbindet die Berliner Stadtteile Kreuzberg (bis 1990 West-Berlin) und Friedrichshain (bis 1990 Ost-Berlin). Heute beginnt dort die East-Side-Gallery. Kurfürstendamm Der Kurfürstendamm, umgangssprachlich auch Ku’damm genannt, gehört zu den Haupteinkaufsstraßen in Berlin. Am 9. und 10. November trafen sich Zehntausende Ost- und West-Berliner auf dem Ku’damm. Das Gebäude Mollstraße Ecke Liebknechtstraße im ostberliner Stadtbezirk Mitte war in der DDR alleiniger Sitz der staatlichen Nachrichtenagentur Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst (ADN). (© picture-alliance/dpa, dpa-Zentralbild) Der Allgemeine Deutsche Nachrichtendienst (ADN) war die einzige zentrale Nachrichten- und Fotoagentur der Interner Link: DDR und war für die Bereitstellung der Nachrichten für Presse, Rundfunk und Fernsehen im Inland und für das Ausland zuständig. Gegründet wurde der ADN 1946. Mehr dazu: Interner Link: Zeitungen in der DDR (bpb.de) Das Gebäude Mollstraße Ecke Liebknechtstraße im ostberliner Stadtbezirk Mitte war in der DDR alleiniger Sitz der staatlichen Nachrichtenagentur Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst (ADN). (© picture-alliance/dpa, dpa-Zentralbild) So sah ein Teil des Antrags auf Ausreise aus der DDR aus. (© picture-alliance/dpa) Wer nicht mehr in der Interner Link: DDR leben wollte, stellte einen "Antrag auf Ausreise aus der DDR" in die Bundesrepublik. Von Mitte der 1970er Jahre bis Oktober 1989 stellten mehrere hunderttausend Menschen einen solchen Ausreiseantrag. Ausreiseanträge wurden als rechtswidrig angesehen. Mehr dazu: Externer Link: Ausreiseantrag (jugendopposition.de) So sah ein Teil des Antrags auf Ausreise aus der DDR aus. (© picture-alliance/dpa) Der Berliner Grenzübergang "Bornholmer Brücke" nach Öffnung der DDR-Grenze am 10. November 1989. (© picture-alliance, IMAGNO) Der Grenzübergang Bornholmer Straße, auch "Bornholmer Brücke" genannt, verband während der Teilung Berlins die Stadtteile Interner Link: Prenzlauer Berg und Wedding. Am 9. November 1989 war die Bornholmer Brücke der erste Grenzübergang an der Interner Link: Berliner Mauer, an dem gegen 23.30 Uhr die Grenze halbständig geöffnet wurde. Die DDR-Grenzpolizisten gaben dem Druck der Menschenmassen nach. Interner Link: 9. November, 23 Uhr – Filmaufnahmen von der Bornholmer Straße und dem Brandenburger Tor Mehr dazu: Externer Link: Bornholmer Brücke (jugendopposition.de) Der Berliner Grenzübergang "Bornholmer Brücke" nach Öffnung der DDR-Grenze am 10. November 1989. (© picture-alliance, IMAGNO) Die Bundesrepublik Deutschland (BRD) ging 1949 nach dem Zweiten Weltkrieg aus den drei westlichen Besatzungszonen hervor. Mehr dazu: Teilung Deutschlands (bpb.de) Die Tschechoslowakei (Abkürzung CSSR) gehörte zu den sozialistischen Ländern in Osteuropa. Seit dem 1.1.1993 ist sie in die eigenständigen Staaten Tschechien und Slowakei geteilt. Mehr dazu: Externer Link: CSSR / Tschechoslowakei (jugendopposition.de) Der Demokratische Aufbruch (DA) entstand im Herbst 1989 als Bürgerbewegung der Interner Link: DDR. Hauptziele der Vereinigung waren zunächst die Reformierung und Demokratisierung des Landes. Im Dezember 1989 formierte sich der DA als Partei und gliederte sich im August 1990 der CDU an. Mehr dazu: Externer Link: Demokratischer Aufbruch (jugendopposition.de) Die Deutsche Demokratische Republik (DDR) entstand 1949 aus der sowjetischen Besatzungszone und entwickelte sich zu einer von der Interner Link: Sowjetunion abhängigen Diktatur. Sie umfasste das Gebiet der heutigen Bundesländer Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen und Ost-Berlin. Am 3. Oktober 1990 treten die neuen Länder der BRD bei (Wiedervereinigung). Mehr dazu: DDR (bpb.de) Landesdelegiertentreffen der Bürgerbewegung "Demokratie Jetzt" in Berlin am 21.Januar 1990. (© picture-alliance, akg-images) Demokratie Jetzt (DJ) war eine im Herbst 1989 entstehende Bürgerbewegung, deren erklärtes Ziel die Demokratisierung der DDR war. 1991 löste sich DJ auf, um im September mit der Initiative Frieden und Menschenrechte und Teilen des Interner Link: Neuen Forums die Partei Bündnis 90 zu gründen. Mehr dazu: Externer Link: Demokratie Jetzt (jugendopposition.de) Landesdelegiertentreffen der Bürgerbewegung "Demokratie Jetzt" in Berlin am 21.Januar 1990. (© picture-alliance, akg-images) Teilnehmer der größten nichtstaatlichen Demonstration in der DDR am 4. November 1989 tragen Spruchbänder, auf denen "Freie Medien Freie Presse Freie Wahlen Reisepässe" und "Demokratie jetzt oder nie" gefordert werden. (© picture-alliance, dpa-Zentralbild) In der Interner Link: DDR waren Demonstrationen fast immer verboten. 1989 versammelten sich trotzdem immer mehr Unzufriedene und Oppositionelle zu friedlichen Demonstrationen und erhöhten so den Druck auf die DDR-Regierung. Mehr dazu: Externer Link: Demonstrationen in der ganzen DDR (jugendopposition.de) Teilnehmer der größten nichtstaatlichen Demonstration in der DDR am 4. November 1989 tragen Spruchbänder, auf denen "Freie Medien Freie Presse Freie Wahlen Reisepässe" und "Demokratie jetzt oder nie" gefordert werden. (© picture-alliance, dpa-Zentralbild) Frank Ebert gehörte zur letzten Generation der Jugendopposition in der Interner Link: DDR, bevor der Staat aufhörte zu existieren. Er war unter anderem an den Protesten gegen den Wahlbetrug beteiligt und bei den Interner Link: Demonstrationen in Ost-Berlin im Oktober 1989 dabei. Mehr dazu: Externer Link: Frank Ebert (jugendopposition.de) Teilnehmer an Friedensgebeten in der Leipziger Nikolaikirche im Herbst 1989. (© picture-alliance, dpa Zentralbild) Mitglieder der Arbeitsgruppe Friedensdienste und kirchliche Mitarbeiter/-innen luden ab 1982 wöchentlich in die Leipziger Nikolaikirche zu Friedensgebeten ein. Im November 1983 wurde zum ersten Mal nach dem Friedensgebet vor der Interner Link: Kirche gegen die Militarisierung der Gesellschaft demonstriert. Mit der Interner Link: Demonstration im Anschluss an das Gebet am 4. September 1989 begannen die Interner Link: Montagsdemonstrationen, die das Ende der DDR einläuteten. Mehr dazu: Externer Link: Friedensgebet in der Nikolaikirche (jugendopposition.de) Teilnehmer an Friedensgebeten in der Leipziger Nikolaikirche im Herbst 1989. (© picture-alliance, dpa Zentralbild) Angehörige der Kampfgruppen bei einer Parade zum 35. Jahrestag der DDR am 07.10.1988 auf der Karl-Marx-Allee in Berlin. (© picture-alliance, dpa-Zentralbild) Die Kampfgruppen waren paramilitärische Formationen in der Interner Link: DDR, die vor allem zur Niederschlagung innenpolitischer Unruhen vorgesehen waren. Bei einer Großübung der Kampfgruppen in Sachsen Anfang April 1989 wurde der Interner Link: SED-Führung deutlich, dass ihr diese im Ernstfall den Gehorsam verweigern könnten. Dennoch hat die SED ihren Einsatz gegen die friedlichen Interner Link: Demonstranten im Herbst 1989 vorgesehen. Mehr dazu: Externer Link: Kampfgruppen (jugendopposition.de) Angehörige der Kampfgruppen bei einer Parade zum 35. Jahrestag der DDR am 07.10.1988 auf der Karl-Marx-Allee in Berlin. (© picture-alliance, dpa-Zentralbild) Die KPdSU war die Kommunistische Partei der Interner Link: Sowjetunion. Die Partei trug diesen Namen zwischen 1952 und 1991, existierte aber bereits seit 1918. Zwischen 1918 und 1991 beherrschte die KPdSU das gesamte gesellschaftliche Leben in der Sowjetunion. Mehr dazu: Externer Link: Kommunistische Partei der Sowjetunion (KPdSU) (jugendopposition.de) DDR-Bürger treffen sich am 05.02.1988 nach den Äußerungen des inhaftierten Musikers Stephan Krawczyk zu einem Fürbitt-Gottesdienst in der überfüllten Ostberliner Gethsemane-Kirche. (© picture-alliance/dpa) Die Evangelische Kirche bildete in vielerlei Hinsicht die Basis der Oppositionsarbeit in der Interner Link: DDR, da sie die einzige vom Staat unabhängige Organisationsstruktur bot, die landesweit präsent war. In der Revolutionszeit 1989 fungierten Kirchen im ganzen Land als Basislager vieler Interner Link: Demonstrationen. Mehr dazu: Externer Link: Kirche in der DDR (jugendopposition.de) DDR-Bürger treffen sich am 05.02.1988 nach den Äußerungen des inhaftierten Musikers Stephan Krawczyk zu einem Fürbitt-Gottesdienst in der überfüllten Ostberliner Gethsemane-Kirche. (© picture-alliance/dpa) Der Liedermacher Wolf Biermann hatte in der DDR ein Auftritts- und Publikationsverbot aufgrund seiner regierungskritischen Liedtexte. Nach einer Konzertreise durch die BRD wurde ihm 1976 die Wiedereinreise in die DDR verweigert und seine "Ausbürgerung" veranlasst. (© picture-alliance/dpa) Der Kulturopposition in Ost-Berlin werden jene Künstler/-innen zugerechnet, die jenseits der offiziellen Kulturpolitik der Interner Link: SED versuchten, eine eigene Kulturszene zu etablieren. Sie gerieten damit fast automatisch in Konflikt mit dem politischen System der DDR. Dies förderte ihre Bereitschaft, Kontakt mit der politischen Opposition aufzunehmen. Mehr dazu: Externer Link: Kulturopposition in Ost-Berlin (jugendopposition.de) Der Liedermacher Wolf Biermann hatte in der DDR ein Auftritts- und Publikationsverbot aufgrund seiner regierungskritischen Liedtexte. Nach einer Konzertreise durch die BRD wurde ihm 1976 die Wiedereinreise in die DDR verweigert und seine "Ausbürgerung" veranlasst. (© picture-alliance/dpa) Die Zentrale des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR in der Normannenstraße in Ost-Berlin. (© picture-alliance, Zentralbild) Das Ministerium für Staatssicherheit (umgangssprachlich Stasi) wurde per Gesetz am 8. Februar 1950 gegründet und war der Geheimdienst der Interner Link: DDR. Die Stasi war zugleich politische Geheimpolizei und für strafrechtliche Untersuchungen gegen von ihr ausgemachte politische Gegnerinnen und Gegner zuständig. Mehr dazu: Externer Link: Ministerium für Staatssicherheit (MfS) (jugendopposition.de) Die Zentrale des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR in der Normannenstraße in Ost-Berlin. (© picture-alliance, Zentralbild) In Leipzig fanden ab Anfang der 1980er Jahre jeweils montags Interner Link: Friedensgebete in der Nikolaikirche statt. Am 4. September 1989 gingen anschließend Bürgerrechtler/-innen mit Plakaten vor die Interner Link: Kirche und forderten Interner Link: Reisefreiheit. In den folgenden Wochen vergrößerte sich der Kreis der Teilnehmenden sehr schnell. Am 9. Oktober 1989 Interner Link: demonstrierten ungefähr 70.000 Personen. Mehr dazu: Externer Link: Montagsdemonstration (jugendopposition.de) Ein Wahlplakat der Nationalen Front zur Wahl der Volkskammer der DDR aus dem Jahr 1953. (© picture-alliance/akg) Die Nationale Front war ein Zusammenschluss der Parteien und Massenorganisationen in der Interner Link: DDR. Sie war eine scheindemokratische Einrichtung, mit der die Interner Link: SED versuchte, ihre Vormachtstellung unter dem Deckmantel der demokratischen Struktur zu festigen. Mehr dazu: Externer Link: Nationale Front (jugendopposition.de) Ein Wahlplakat der Nationalen Front zur Wahl der Volkskammer der DDR aus dem Jahr 1953. (© picture-alliance/akg) Die offizielle Armee der Interner Link: DDR wurde am 1. März 1956 gegründet. Durch die "Politische Hauptverwaltung" sicherte sich die Interner Link: SED innerhalb der NVA einen bestimmenden Einfluss auf die Armee. Der Grundwehrdienst dauerte 18 Monate, auf Druck der Interner Link: Kirchen gab es ab 1964 die Bausoldaten, die ihren Wehrdienst ohne Waffe in Baueinheiten ableisten konnten. 1990 wurde die NVA aufgelöst, ihre Bestände und Standorte wurden der Bundeswehr übergeben. Mehr dazu: Externer Link: Nationale Volksarmee (jugendopposition.de) Die Delegierten der Oppositionsgruppe "Neues Forum" während der Gründungskonferenz am 28. Januar 1990 in Berlin. (© picture-alliance/dpa) Das Neue Forum war die mit Abstand zulaufstärkste Bürgerbewegung des Herbstes 1989. Sie forderten Meinungsfreiheit, Presse- und Versammlungsfreiheit und freie Wahlen. Die Interner Link: DDR-Behörden stuften das Neue Forum als "verfassungsfeindlich" ein. Mehr dazu: Externer Link: Neues Forum (jugendopposition.de) Die Delegierten der Oppositionsgruppe "Neues Forum" während der Gründungskonferenz am 28. Januar 1990 in Berlin. (© picture-alliance/dpa) Viele DDR-Übersiedler, die über Ungarn in die BRD gekommen sind, stehen am 8. August 1989 in eine langen Schlange im Aufnahmelager in Gießen, um sich im Rahmen des Notaufnahmeverfahrens registrieren zu lassen. (© picture-alliance/dpa) Die große Zahl an Flüchtlingen aus der Interner Link: DDR machte es für die Interner Link: BRD erforderlich, ein geregeltes Aufnahmeverfahren zu entwickeln. Jeder Flüchtling, sofern er auf staatliche Hilfen angewiesen war und nicht von Freunden oder Familie unterstützt wurde, musste ein im Notaufnahmegesetz vom 22. August 1950 geregeltes Verfahren zur rechtlichen und sozialen Eingliederung durchlaufen. Mehr dazu: Externer Link: Notaufnahmeverfahren (jugendopposition.de) Viele DDR-Übersiedler, die über Ungarn in die BRD gekommen sind, stehen am 8. August 1989 in eine langen Schlange im Aufnahmelager in Gießen, um sich im Rahmen des Notaufnahmeverfahrens registrieren zu lassen. (© picture-alliance/dpa) DDR-Flüchtlinge mit ihren Kindern gehen am 19. August 1989 durch ein geöffnetes Grenztor. Etwa 600 DDR-Bürger nutzten die symbolische Öffnung eines Grenztors im Rahmen des sogenannten Paneuropäischen Picknicks an der ungarisch-österreichischen Grenze zur Flucht in den Westen. (© picture-alliance/dpa) Am 19. August 1989 luden ungarische oppositionelle Gruppen um das Ungarische Demokratische Forum und die Interner Link: Paneuropa-Union zum "Paneuropäischen Picknick" ein – bei Sopron an der ungarisch-österreichischen Grenze. Dabei sollte ein jahrzehntelang geschlossenes Grenztor symbolisch für einige Stunden geöffnet werden. Dabei gelang etwa 700 Interner Link: DDR-Bürger/-innen die Flucht nach Österreich. Das "Paneuropäische Picknick" steht symbolisch für den Riss im Eisernen Vorhang. Mehr dazu: Externer Link: Paneuropäisches Picknick (jugendopposition.de) DDR-Flüchtlinge mit ihren Kindern gehen am 19. August 1989 durch ein geöffnetes Grenztor. Etwa 600 DDR-Bürger nutzten die symbolische Öffnung eines Grenztors im Rahmen des sogenannten Paneuropäischen Picknicks an der ungarisch-österreichischen Grenze zur Flucht in den Westen. (© picture-alliance/dpa) Die Paneuropa-Union wurde 1925 durch den Österreicher Richard N. Coudenhove-Kalergi gegründet. Ziel war die Vereinigung Europas bis hin zur Gründung der "Vereinigten Staaten von Europa", um den Frieden in Europa dauerhaft zu bewahren sowie Europas Rolle in der Welt zu stärken. Sie ist bis heute eine der größten Europaorganisationen. Mehr dazu: Interner Link: Paneuropa-Union (bpb.de) Offizielles Gruppenfoto der Mitglieder des Politbüros des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), der führenden Staatspartei der DDR, aufgenommen etwa 1980 in Berlin. (© picture-alliance, dpa-Zentralbild) Das Politbüro bezeichnete das Führungsgremium und Herrschaftszentrum der Interner Link: SED und der Interner Link: DDR. An der Spitze stand der Erste Sekretär des Zentralkommitees (ZK) der SED. Die Aufgabe des Politbüros bestand laut Parteistatut darin, die Arbeit der Partei zwischen den Plenartagungen des ZK zu leiten. Mehr dazu: Externer Link: Politbüro (jugendopposition.de) Offizielles Gruppenfoto der Mitglieder des Politbüros des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), der führenden Staatspartei der DDR, aufgenommen etwa 1980 in Berlin. (© picture-alliance, dpa-Zentralbild) Ausreisewillige DDR-Bürger finden in der Prager Botschaft der Bundesrepublik Deutschland beziehungsweise in Zelten davor eine Unterkunft. (© picture-alliance, ZB) Viele Interner Link: DDR-Bürger/-innen suchten im Sommer 1989 Zuflucht in der Botschaft der Interner Link: BRD in Prag und hofften, auf diesem Weg in den Westen ausreisen zu können. Der damalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher verkündete am 30. September 1989 die Zustimmung zur Ausreise von Tausenden Flüchtlingen, die in Sonderzügen durch die DDR in die BRD gebracht wurden. Mehr dazu: Externer Link: Prager Botschaft / Botschaft der BRD in Prag (hdg.de) Ausreisewillige DDR-Bürger finden in der Prager Botschaft der Bundesrepublik Deutschland beziehungsweise in Zelten davor eine Unterkunft. (© picture-alliance, ZB) In der Interner Link: DDR gab es keine Reisefreiheit. Die Reise in Länder außerhalb des sogenannten Ostblocks gestatteten die Behörden im Regelfall nicht. Das Recht auf Reisefreiheit war eine der zentralen Forderungen während der Friedlichen Revolution im Herbst 1989. Mehr dazu: Externer Link: Reisefreiheit (jugendopposition.de) Ein Reklameschild des Rundfunksenders RIAS (RIAS = Rundfunk im amerikanischen Sektor). (© picture-alliance/dpa) Der in West-Berlin beheimatete Sender RIAS unterstand der United States Information Agency und strahlte ab 1946 sein Programm aus. Die Mischung aus Unterhaltung, Musik und Information richtete sich vornehmlich an Interner Link: DDR-Bürger/-innen, die das Programm in der gesamten DDR verfolgen konnten – trotz vielfacher Störaktionen gegen den "Feindsender" (wie die Parteiführung ihn nannte). Mehr dazu: Externer Link: RIAS (jugendopposition.de) Ein Reklameschild des Rundfunksenders RIAS (RIAS = Rundfunk im amerikanischen Sektor). (© picture-alliance/dpa) Das Parteiemblem der DDR-Staatspartei "Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED)" – ein Händedruck als Symbol der Vereinigung von SPD und KPD vor einer roten Fahne. (© picture-alliance, akg-images) Die Sozialistische Einheitspartei (SED) entstand 1946 unter dem Druck der sowjetischen Besatzungsmacht durch die Zwangsvereinigung der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) und der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD). Ihr Wirkungsbereich beschränkte sich auf das Gebiet der Sowjetischen Besatzungszone. Sie war seit der Gründung der Interner Link: DDR am 7. Oktober 1949 bis zur Revolution von 1989 die herrschende Partei. Mehr dazu: Externer Link: Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) (jugendopposition.de) Das Parteiemblem der DDR-Staatspartei "Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED)" – ein Händedruck als Symbol der Vereinigung von SPD und KPD vor einer roten Fahne. (© picture-alliance, akg-images) Die Sowjetunion wurde nach dem Ende des russischen Reichs (1917) im Dezember 1922 (Unionsvertrag, erste Verfassung 1924) gegründet und war bis zu ihrem endgültigen Zerfall 1991 das politische Zentrum des sogenannten Ostblocks. Mehr dazu: Externer Link: Sowjetunion (jugendopposition.de) In der DDR (und anderen sozialistischen Staaten) hatte der Staatsrat die Funktion eines kollektiven Staatsoberhaupts. Er wurde im September 1960 nach dem Tod des ersten und letzten Präsidenten der Interner Link: DDR, Wilhelm Pieck, gebildet. Erster Staatsratsvorsitzende wurde Walter Ulbricht; 1976 übernahm Erich Honecker dieses höchste staatliche Amt. Mehr dazu: Externer Link: Staatsrat (jugendopposition.de) Ein Volkspolizist der DDR steht am 28.6.1984 vor dem mit Rollgittern verschlossenen Eingang der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in Ostberlin. (© picture-alliance/dpa) Mit dem Grundlagenvertrag von 1972 vereinbarten die Interner Link: BRD und die Interner Link: DDR, "normale gutnachbarliche Beziehungen zueinander" zu entwickeln. In diesem Vertrag wurde auch die Einrichtung der Ständigen Vertretungen in der DDR und der BRD beschlossen. Sie befanden sich in Ost-Berlin und in Bonn. Mehr dazu: Externer Link: Ständige Vertretungen der BRD und der DDR (hdg.de) Ein Volkspolizist der DDR steht am 28.6.1984 vor dem mit Rollgittern verschlossenen Eingang der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in Ostberlin. (© picture-alliance/dpa) In der Interner Link: DDR durfte nicht jede/-r studieren. Bei der Auswahl spielte die soziale Herkunft und die politische Einstellung eine große Rolle. Die Hochschulpolitik des SED-Regimes verfolgte das Ziel, parteiloyale Bürger/-innen auszubilden und die junge Generation zu disziplinieren. Mehr dazu: Interner Link: Studieren in der DDR (bpb.de) DDR-Flüchtlinge überqueren am 19. August 1989 im Rahmen des Paneuropäischen Picknicks die Grenze von Ungarn nach Österreich in St. Margarethen. (© picture-alliance, IMAGNO) Viele Ostdeutsche sind von der Interner Link: DDR nach Ungarn gereist, um von dort aus in den Westen zu fliehen. Im Mai 1989 begann Ungarn, die Grenzanlage zu Österreich abzubauen. Am 10. September 1989 wurde die Grenze zum Westen für die DDR-Flüchtlinge halbständig geöffnet. Mehr dazu: Externer Link: Ungarn (jugendopposition.de) DDR-Flüchtlinge überqueren am 19. August 1989 im Rahmen des Paneuropäischen Picknicks die Grenze von Ungarn nach Österreich in St. Margarethen. (© picture-alliance, IMAGNO) Dr. Wolfgang Vogel war ein ostdeutscher Rechtsanwalt und DDR-Unterhändler. (© picture-alliance, Ulrich Baumgarten) Wolfgang Vogel war ein Rechtsanwalt in der Interner Link: DDR, der auf das Freikaufen von Häftlingen und den Austausch von Agenten spezialisiert war. Er soll an der Freilassung von 150 Agenten aus dem DDR-Gewahrsam, der Ausreise von ca. 250.000 DDR-Bürger/-innen und dem Freikaufen von mehr als 30.000 Häftlingen beteiligt gewesen sein. Mehr dazu: Externer Link: Wolfgang Vogel (jugendopposition.de) Dr. Wolfgang Vogel war ein ostdeutscher Rechtsanwalt und DDR-Unterhändler. (© picture-alliance, Ulrich Baumgarten) Die Volkskammer der DDR tagt im Palast der Republik in Berlin. (© picture alliance/Ulrich Baumgarten) Die Volkskammer war das Parlament der Interner Link: DDR. Faktisch hatte die Volkskammer bis zur Friedlichen Revolution kein politisches Gewicht. Auf administrativer Ebene standen ihr die politisch wichtigeren Gremien (Ministerrat, Interner Link: Staatsrat und Nationaler Verteidigungsrat) gegenüber. Mehr dazu: Externer Link: Volkskammer (jugendopposition.de) Die Volkskammer der DDR tagt im Palast der Republik in Berlin. (© picture alliance/Ulrich Baumgarten) Die Volkspolizei (Vopo) wurde im Juni 1945 in der Sowjetischen Besatzungszone gebildet. Sie bestand bis zum Ende der Interner Link: DDR. Mehr dazu: Externer Link: Volkspolizei (jugendopposition.de) Am 7. Mai 1989 fanden in der Interner Link: DDR die Kommunalwahlen statt. Bei dieser Wahl stand nur die Interner Link: Nationale Front zur Auswahl – also der Zusammenschluss aller Parteien und Massenorganisationen. Unabhängige Wahlbeobachter/-innen aus der Bevölkerung konnten bei der Stimmenauswertung deutlich mehr Nein-Stimmen zählen, als am späten Abend des 7. Mai 1989 öffentlich bekannt gegeben wurden. Mehr dazu: Interner Link: Wahlbetrug (bpb.de) Eine typische Antennen in der DDR. Diese Stabantennen ermöglichten mit der richtigen Ausrichtung den Empfang von Westfernsehen. (© picture alliance/dpa-Zentralbild) Das Schauen von Sendungen des Westfernsehens war in der Interner Link: DDR nicht gesetzlich verboten und wurde geduldet. Durch das Errichten von Antennen- und Kabelgemeinschaften wurde der Empfang von Westprogrammen in den 1980er Jahren verbessert. Mehr dazu: Interner Link: Westfernsehen (bpb.de) Eine typische Antennen in der DDR. Diese Stabantennen ermöglichten mit der richtigen Ausrichtung den Empfang von Westfernsehen. (© picture alliance/dpa-Zentralbild) Einkaufen ging man in der Interner Link: DDR z.B. in der "HO" (Handelsorganisation) oder im "Konsum". Waren des täglichen Grundbedarfs gab es dort besonders günstig zu kaufen, weil sie staatlich subventioniert wurden. Allerdings kam es immer wieder zu Versorgungsengpässen, vor allem bei technischen Geräten oder Importwaren wie Orangen oder Kaffee. Die Versorgungslage war regional stark unterschiedlich. Wer über D-Mark verfügte, konnte in sogenannten Intershops einkaufen, die ein breites Angebot an westlichen Waren anboten. Mehr Informationen dazu: Konsum (Dossier Lange Wege der Deutschen Einheit) (bpb.de) Als Datsche bezeichnet man kleine Gartenhäuser, die oft in Kleingartenanlagen zu finden sind. In der Interner Link: DDR dienten sie vielen als Rückzugsort vom Leben im Wohnblock. Viele bauten in den Gärten ihrer Datschen Obst und Gemüse an, das zum Eigenbedarf verbraucht oder an staatliche Annahmestellen verkauft wurde. Wolf Biermann (*1936 in Hamburg) ist ein Liedermacher und Schriftsteller. 1953 siedelte er in die Interner Link: DDR über. Er geriet wegen seiner Werke immer mehr mit der DDR-Führung in Konflikt, die ihm ab 1965 ein Auftrittsverbot und Berufsverbot erteilte. Während einer Konzertreise 1976 in der Bundesrepublik Deutschland entzog die DDR-Führung Biermann die Staatsbürgerschaft. Biermann musste daraufhin in Westdeutschland bleiben. Mehr dazu: Externer Link: Wolf Biermann (jugendopposition.de) Vom russischen Wort "Subbota" (Samstag) abgeleitetes Wort für einen unbezahlten Arbeitseinsatz am Samstag. Die Nichtteilnahme galt als unkollegiale und negative Einstellung zum sozialistischen Staat. Die Wohnungsvergabe wurde in der Interner Link: DDR vom Staat geregelt. Um den Wohnraummangel zu bekämpfen, wurde 1973 ein Wohnungsbauprogramm beschlossen. Es wurden große Plattenbausiedlungen errichtet, die für viele Menschen Platz boten. Wollte man in eine der begehrten Neubauwohnungen umziehen, musste man einen Antrag stellen und oft mehrere Jahre warten. Die Rockband Pankow wurde 1981 gegründet. Aufgrund ihrer provokanten Texte und Auftritte geriet sie immer wieder mit der Interner Link: DDR-Führung in Konflikt. Die Musiker von Pankow gehörten im September 1989 zu den Unterzeichnern der "Resolution von Rockmusikern und Liedermachern", die Reformen in der DDR forderten. Am 15. Oktober 1950 fanden in der DDR erstmals Wahlen zur Volkskammer sowie zu den Landtagen und Kommunalvertretungen statt. Zur Abstimmung stand eine Einheitsliste der Kandidaten der Nationalen Front. Entweder stimmte der Wähler / die Wählerin der gesamten Liste zu, oder er/sie lehnte sie ab. Es war nicht möglich, einzelne Abgeordnete zu wählen. Mehr dazu: Externer Link: Keine Wahl (jugendopposition.de) Meinungsfreiheit ist ein Menschenrecht. Demnach hat jeder Mensch das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild öffentlich zu äußern. Niemand darf – sofern er nicht gegen geltendes Recht verstößt – aufgrund seiner Meinung verfolgt werden. Die Verfassungen der DDR von 1949 und 1968 garantierten dieses Grundrecht formal ebenfalls. In der Praxis wurden aber nicht nur kritische öffentliche Äußerungen, sondern auch private strafrechtlich verfolgt. Mehr dazu: Externer Link: Recht auf freie Meinungsäußerung (jugendopposition.de) Braunkohle war der wichtigste Energieträger in der Interner Link: DDR. Für die intensive Nutzung wurden seit 1949 mehr als 80.000 Menschen umgesiedelt und zahlreiche Dörfer abgebaggert. 1985 stammten rund 30 Prozent der weltweiten Braunkohle-Produktion aus der DDR. Der Tagebau schaffte viele Arbeitsplätze, führte aber gleichzeitig zu einer hohen Luftverschmutzung, besonders in industriellen Zentren wie Leipzig. In der DDR waren viele Konsumgüter, etwa Kleidung oder technische Waren, sehr teuer und knapp. Für den Kauf eines Autos musste man beim IFA-Autohandel den Kauf eines PKW beantragen – und dann oft zehn, manchmal auch über 15 Jahre warten. Neben den DDR-Fabrikaten "Trabant" und "Wartburg" wurden auch Importwagen vertrieben, zum Beispiel von Skoda oder Lada. Das Bildungssystem der DDR hatte neben der Wissensvermittlung auch zum Ziel, junge Menschen zu "sozialistischen Persönlichkeiten" zu erziehen. Der Zugang zu höherer Bildung sollte nicht von bürgerlichen Privilegien abhängen, sondern auch Menschen aus Arbeiter- und Bauernfamilien offen stehen. Eine neue Elite entstand dennoch: Kinder hochrangiger Funktionäre oder Interner Link: SED-naher Eltern wurden z.B. im Bildungssystem bevorzugt. Mehr dazu: Interner Link: Bildung in der DDR (Dossier Bildung) (bpb.de) In der DDR standen viele Wohnungen und Häuser – vor allem Altbauten – leer, weil notwendige Renovierungsarbeiten aufgrund zu niedriger Mieteinnahmen, fehlender Fachkräfte oder Materialen nicht durchgeführt werden konnten. Einige Menschen umgingen die staatliche Wohnungszuweisung und nutzten diesen Wohnraum illegal, indem sie dort heimlich einzogen. Mehr dazu: Interner Link: Schwarzwohnen als subversive und zugleich systemstabilisierende Praxis (bpb.de) Während die SED-Führung die existierenden Umweltprobleme leugnete, formierte sich innerhalb der Kirche eine eigenständige Umweltbewegung. Sie organisierte u.a. Demonstrationen und Baumpflanzaktionen, um die Bürger/-innen für den Umweltschutz zu mobilisieren. Auch der Kampf gegen die Atomkraft war ein zentrales Anliegen der Naturschützer/-innen. Mehr dazu: Externer Link: Aktionen der DDR-Umwelt-Bewegung (jugendopposition.de) Zu Zeiten der DDR diente das ehemalige Arbeitshaus Rummelsburg als Haftanstalt der Volkspolizei in Ost-Berlin. Es handelte sich um ein Gefängnis für Männer, in dem auch politische Häftlinge einsaßen. Auch Demonstranten wurden immer wieder in Rummelsburg festgehalten. Die Umweltbibliothek wurde im September 1986 im Keller der Ost-Berliner Zionsgemeinde gegründet. Die Mitglieder befassten sich nicht nur mit dem Thema Umwelt , sondern auch mit weltanschaulichen und politischen Fragestellungen. Sie druckten und verbreiteten eine Reihe von oppositionellen Publikationen und systemkritischen Informationsblättern. Mehr dazu: Externer Link: Verbotene Bücher – Die Gründung und Arbeit der Umwelt-Bibliothek (jugendopposition.de) Der Alexanderplatz in Ost-Berlin war ein wichtiger Schauplatz für Demonstrationen gegen das SED-Regime. Ab Sommer 1989 wurde er zu einem regelmäßigen Treffpunkt der Demonstrationen gegen den Wahlbetrug. Am 4. November 1989 fand auf dem Alexanderplatz die größte Demonstration gegen das politische System der DDR statt. Michael Arnold (*1964 in Meißen) wurde 1987 als Medizinstudent Mitglied der "Initiativgruppe Leben". Er war Mitbegründer und Sprecher des Neuen Forums und organisierte 1988/89 mehrere öffentliche Protestaktionen in Leipzig, weshalb er kurzzeitig inhaftiert und exmatrikuliert wurde. Von 1990 bis 1994 war er Mitglied des Sächsischen Landtags. Mehr dazu: Externer Link: Michael Arnold (jugendopposition.de) Hans-Dietrich Genscher (*1927 in Reideburg bei Halle) war ein deutscher Politiker (FDP) und insgesamt 23 Jahre lang Bundesminister sowie Vizekanzler der BRD. Am 30. September 1989 verkündigte er vom Balkon der Botschaft in Prag die Ausreiseerlaubnis für die Botschaftsbesetzer/-innen. Als Außenminister setzte sich Genscher für die Wiedervereinigung Deutschlands ein. Die Zeitung "Junge Welt" (JW) wurde erstmals am 12. Februar 1947 in der Sowjetischen Besatzungszone herausgegeben, zunächst wöchentlich, ab März 1950 täglich. Ab dem 12. November 1947 fungierte sie als Organ des Zentralrats der SED-Jugendorganisation FDJ . Mit 1,4 Millionen Exemplaren war sie die Tageszeitung mit der höchsten Auflage in der DDR. Mehr dazu: Externer Link: Junge Welt (JW) (jugendopposition.de) Das "Neue Deutschland" (ND) war eine Tageszeitung und das Zentralorgan der SED. Die Zeitung erschien erstmals am 23. April 1946. Viele Artikel wurden bis Dezember 1989 von sämtlichen anderen Tageszeitungen der DDR aus dem ND übernommen. Mehr dazu: Externer Link: Neues Deutschland (ND) (jugendopposition.de) Die FDJ war die Jugendorganisation der SED. Fast alle Schüler/-innen folgten dem parallel zum Schulsystem angelegten Modell der Mitgliedschaft: erst Jungpionier, dann Thälmannpionier, mit 14 folgte der Beitritt zur FDJ. Wer nicht Mitglied war, musste mit Nachteilen rechnen – etwa bei der Vergabe von Studienplätzen. Mehr dazu: Externer Link: Freie Deutsche Jugend (FDJ) (jugendopposition.de) Nach dem Bekanntwerden des Wahlbetrugs bei den Kommunalwahlen am 7. Mai 1989 fanden monatliche Proteste auf dem Ost-Berliner Alexanderplatz statt. Am 7. September 1989 brachten die Demonstranten ihre Verärgerung über das SED-Regime mit Trillerpfeifen zum Ausdruck, gemäß dem Motto "Wir pfeifen auf den Wahlbetrug". Mehr dazu: Externer Link: Proteste gegen den Wahlbetrug (jugendopposition.de) Der Schutz der Natur stand bereits seit 1968 in der Verfassung der DDR. Die fortschreitende Industrialisierung führte jedoch zu massiven ökologischen Problemen, insbesondere in den großen Industriezentren – zum Beispiel durch die Gewinnung von Braunkohle und die Chemie-Industrie. Innerhalb der Kirche formierte sich eine Umweltbewegung, die die Umweltzerstörung in der DDR anprangerte. Mehr dazu: Externer Link: Umweltzerstörung (hdg.de/lemo) Die Arbeitsgruppe Umweltschutz wurde 1981 in Leipzig gegründet. Sie gab die Zeitschrift "Streiflichter" heraus, in der neben ökologischen auch gesellschaftspolitische Themen behandelt wurden. Zudem organisierten die Mitglieder zahlreiche Veranstaltungen zum Thema Umwelt. Mehr dazu: Externer Link: Arbeitsgruppe Umweltschutz (jugendopposition.de) Als "Westpakete" bezeichnete man Postsendungen, die Leute aus der BRD an Freunde und Verwandte in der DDR schickten. Sie enthielten Geschenke wie Kleidung, Süßigkeiten oder Kaffee. Handelsware oder Geld durfte nicht verschickt werden. Auch Tonträger, Bücher oder Zeitschriften zu verschicken war verboten. Die "Westpakete“ sind zwar bekannter, aber Geschenke wurden auch in die andere Richtung – von Ost nach West – verschickt. Und auch die BRD kontrollierte die Post teilweise. Mehr dazu: Externer Link: https://www.mdr.de/zeitreise/interview-brd-kontrolliert-westpakete100.html Als "Schmutz- und Schundliteratur" galten in der DDR pornografische Inhalte, vermeintliche Kriegsverherrlichung oder Texte, die die DDR oder den Sozialismus verunglimpften. Das heimliche Lesen oder der Schmuggel der verbotenen Literatur wurde teilweise mit Gefängnisstrafen geahndet. Auch in der BRD gab es seit 1953 ein Gesetz gegen die Verbreitung jugendgefährdender Schriften. Der Sozialismus ist eine politische Weltanschauung, die darauf abzielt, eine solidarische Gesellschaft zu schaffen, in der die Grundwerte Freiheit und Gleichheit verwirklicht sind. Der Sozialismus gilt als eine Vorstufe zum Interner Link: Kommunismus. Mehr dazu: Externer Link: https://www.jugendopposition.de/148315 Der Kommunismus ist eine politische Weltanschauung, die eine klassenlose Gesellschaft anstrebt. Grundlegend dafür ist die Abschaffung des privaten Eigentums. Auf dem Weg zu einer kommunistischen Gesellschaft sollte als Vorstufe der Interner Link: Sozialismus verwirklicht werden. Mehr dazu: https://www.bpb.de/161319 (1) Alle Bürger haben das Recht, sich im Rahmen der Grundsätze und Ziele der Verfassung friedlich zu versammeln. (2) Die Nutzung der materiellen Voraussetzungen zur ungehinderten Ausübung dieses Rechts, der Versammlungsgebäude, Straßen und Kundgebungsplätze, Druckereien und Nachrichtenmittel wird gewährleistet. (Aus der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 7. Oktober 1974) Mehr dazu: Externer Link: http://kurz.bpb.de/verfassungddr "Die Bürger der Deutschen Demokratischen Republik haben das Recht auf Vereinigung, um durch gemeinsames Handeln in politischen Parteien, gesellschaftlichen Organisationen, Vereinigungen und Kollektiven ihre Interessen in Übereinstimmung mit den Grundsätzen und Zielen der Verfassung zu verwirklichen." (Aus der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 7. Oktober 1974) Mehr dazu: Externer Link: http://kurz.bpb.de/verfassungddr Die Interner Link: DDR hatte während ihres Bestehens drei Verfassungen (1949, 1968, 1974). Die erste Verfassung von 1949 lehnte sich eng an die der Weimarer Reichsverfassung an und enthielt umfangreiche Grundrechte. Die Verfassung von 1968 verankerte den Sozialismus als Grundsatz und garantierte weiterhin viele Grundrechte. Im Gegensatz zur Verfassung von 1949 fehlten aber das Widerstandsrecht und das Verbot einer Pressezensur. Mit den Änderungen von 1974 wurde die Freundschaft zur Sowjetunion betont. Mehr dazu: Externer Link: http://kurz.bpb.de/verfassungddr Unabhängig vom Interner Link: Studienfach mussten alle Studierenden in der Interner Link: DDR ein "Gesellschaftswissenschaftliches Grundstudium" in Interner Link: Marxismus-Leninismus absolvieren. Politische Propaganda und wissenschaftliche Pflichtlektüre wurden miteinander verbunden. Zu Beginn jedes Semesters gab es die sogenannte "Rote Woche", in der Studierende mit Veranstaltungen zum Marxismus-Leninismus politisch indoktriniert werden sollten. Der "Marxismus-Leninismus" war die Staatsideologie der Sowjetunion und weiterer sozialistischer Staaten wie der Interner Link: DDR. Im Zentrum stand die Annahme, dass auf den Kapitalismus notwendig der Interner Link: Sozialismus und Interner Link: Kommunismus folgen müssen, um die Arbeiterklasse zu befreien. In der DDR war Interner Link: ML ein verbindliches Interner Link: Studienfach. Mehr dazu: Externer Link: https://www.jugendopposition.de/148578 Die JP, eigentlich "Pionierorganisation Ernst Thälmann" war in der Interner Link: DDR die staatliche Massenorganisation für Kinder. Sie diente als ideologische Kaderschmiede, in der Kinder im Sinne der Interner Link: SED erzogen wurden. Fast alle Schüler/-innen gehörten ihr an. Die Pioniere waren unterteilt in die Jungpioniere und Thälmannpioniere. Ab dem 14. Lebensjahr folgte der Beitritt zur Interner Link: FDJ. Mehr dazu: Externer Link: https://www.jugendopposition.de/ Der Kapitalismus ist eine Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, in der der Faktor Kapital (Maschinen, Anlagen, Fabriken, Geld) überproportionale Bedeutung hat. Grundlegend dafür sind der Schutz von Privateigentum sowie ein von staatlichen Eingriffen weitgehend freies Wirtschaftssystem. Der Markt wird demnach durch Angebot und Nachfrage gesteuert. Mehr dazu: Interner Link: http://m.bpb.de Am 19. September 1989 beantragte das Neue Forum die Zulassung als Vereinigung. Das Interner Link: DDR-Innenministerium lehnte den Antrag zwei Tage später ab und bezeichnete die Bewegung als "staatsfeindliche Plattform". Mit einem Handzettel forderten die Initiatoren (darunter Michael Interner Link: Arnold) die Bevölkerung zur Solidarität auf. Mehr dazu: Externer Link: http://kurz.bpb.de/kathrin2209 Die Arbeitsgruppe Umweltschutz wurde 1981 in Leipzig gegründet. Sie gab die Zeitschrift "Streiflichter" heraus, in der neben ökologischen auch gesellschaftspolitische Themen behandelt wurden. Zudem organisierten die Mitglieder zahlreiche Veranstaltungen zum Thema Interner Link: Umwelt. Mehr dazu: https://www.jugendopposition.de/148350 Christian Führer (1943-2014) war ein evangelischer Pfarrer und Mitbegründer der Interner Link: Friedensgebete in der Nikolaikirche in Leipzig. Mehr dazu: Externer Link: https://www.jugendopposition.de/148050 Die Moritzbastei ist eine historische Befestigungsanlage in Interner Link: Leipzig. Zwischen 1974 und 1982 wurde sie in über 150.000 Arbeitsstunden von Studierenden zu einem Studentenklub ausgebaut. In den 1980er Jahren wurde sie von der Interner Link: FDJ betrieben. Auch heute ist sie ein Kulturzentrum. Mehr dazu: Externer Link: http://kurz.bpb.de/m6b Angela Dorothea Kasner heißt heute Angela Merkel und ist seit 2005 Bundeskanzlerin. Zwischen 1973 und 1978 studierte sie Physik in Leipzig, bevor sie für ihre Promotion nach Ost-Berlin zog. Sie war aktives Mitglied der Interner Link: FDJ. 1989 trat sie der Partei Interner Link: Demokratischer Aufbruch bei, deren Pressesprecherin sie 1990 wurde. Mehr zu Angela Merkels Biografie: Externer Link: https://www.hdg.de/lemo/biografie/angela-merkel.html Leipzig wurde im Herbst 1989 zu einer der wichtigsten Städte für die friedliche Revolution. Hier begannen die Interner Link: Friedensgebete und die Interner Link: Montagsdemonstrationen. Außerdem formierten sich hier Bürgerrechtsbewegungen wie das Interner Link: Neue Forum. Mehr über wichtige Orte der DDR-Opposition erfährst du hier: Externer Link: www.jugendopposition.de/Orte/ Erich Honecker (1912-1994) war von 1971 bis 1989 Generalsekretär des Zentralkomitees der Interner Link: SED und ab 1976 Vorsitzender des Staatsrats. Honecker war ab 1930 Mitglied der KPD und leistete Widerstand im Nationalsozialismus. Nach dem Zweiten Weltkrieg baute er die Jugendorganisation Interner Link: FDJ auf. Nach der Wiedervereinigung wurden Ermittlungen gegen Honecker aufgenommen, die 1993 eingestellt wurden. Mehr dazu: Externer Link: https://www.jugendopposition.de/148080 Bei den sogenannten Zuführungen wurden Personen ohne weitere Begründung (und ohne Rechtsgrundlage) festgenommen. Nach einigen Stunden Verhören oder kurzen Belehrungen endeten sie in der Regel mit der Freilassung. Sie konnten aber auch in einer formellen Interner Link: Verhaftung münden. Mehr dazu: Externer Link: http://www.jugendopposition.de Das SED-Regime verfolgte politische Oppositionelle wegen vermeintlicher Widerstandshandlungen, Fluchtversuchen oder Fluchthilfe. Für die DDR-Regierung waren diese Personen Kriminelle, die sich gegen die "antifaschistisch-demokratische" Ordnung richteten. Schätzungen nach waren etwa 200.000 bis 250.000 Personen in der DDR aus politischen Gründen inhaftiert. Tausende Häftlinge wurden zwischen 1963 und 1989 von der Bundesrepublik freigekauft – die Gefangenen durften ausreisen, im Gegenzug erhielt die Interner Link: DDR Warenlieferungen im Wert von mehr als drei Milliarden DM. Für die Interner Link: DDR wurde 1949 mit "Auferstanden aus Ruinen" eine Nationalhymne geschaffen. Ein Auszug aus der Nationalhymne: "Auferstanden aus Ruinen Und der Zukunft zugewandt, Lass uns dir zum Guten dienen, Deutschland, einig Vaterland. Alte Not gilt es zu zwingen, Und wir zwingen sie vereint, Denn es muss uns doch gelingen, Dass die Sonne schön wie nie Über Deutschland scheint, Über Deutschland scheint." Wegen der Textzeile "Deutschland, einig Vaterland" wurde bei offiziellen Anlässen seit Anfang der 1970er Jahre nur noch deren Melodie gespielt. Mehr Infos dazu: Externer Link: https://www.hdg.de/lemo/bestand/objekt/druckgut-nationalhymne-der-ddr.html "Die Internationale" ist eines der bekanntesten Lieder der Arbeiterbewegung und nahm in der DDR und anderen sozialistischen Staaten einen wichtigen Platz neben der Interner Link: Nationalhymne ein. Im Refrain heißt es: "Völker, hört die Signale! Auf zum letzten Gefecht! Die Internationale erkämpft das Menschenrecht." Am 7. Oktober 1989 wurde mit großen Festumzügen, Aufmärschen und Volksfesten das 40-jährige Bestehen der Interner Link: DDR gefeiert. Staatsgäste aus aller Welt, u.a. Michail Interner Link: Gorbatschow, nahmen an den Feierlichkeiten teil. Die politische Krise im Land wurde ausgeblendet. Mehr dazu: Externer Link: https://www.jugendopposition.de/145459 Die Kommunistische Partei Deutschlands wurde am 1. Januar 1919 als Zusammenschluss mehrerer linksrevolutionärer Gruppierungen unter der Führung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht gegründet. 1946 erfolgte in der Sowjetischen Besatzungszone (Interner Link: SBZ) die Zwangsvereinigung der SPD und KPD zur Interner Link: SED. In der Bundesrepublik wurde die KPD 1956 verboten. Mehr dazu: Externer Link: https://www.jugendopposition.de/148456 Michail Sergejewitsch Gorbatschow war Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Interner Link: Sowjetunion (KPdSU) und stieß 1985 umfassende politische und wirtschaftliche Interner Link: Reformen an. Gorbatschows Außenpolitik war geprägt von einer Taktik der Abrüstung und Annäherung an den Westen. 1990 stimmte er der Wiedervereinigung Deutschlands zu. Quelle/Link: Externer Link: https://www.jugendopposition.de/148055/ Unter den Schlagworten "Glasnost" (Öffentlichkeit/Transparenz) und "Perestroika" (Umbau) leitete Michail Interner Link: Gorbatschow 1985 politische und wirtschaftliche Reformen in der Interner Link: Sowjetunion ein. Die Gesellschaft sollte unter Beibehaltung der sozialistischen Gesellschaftsordnung und unter Führung der Kommunistischen Partei der Sowjetunion modernisiert werden. Mehr dazu: Externer Link: https://www.jugendopposition.de/148407 Das Zentralkomitee war das oberste Gremium der Interner Link: SED. Es wurde auf den SED-Parteitagen gewählt. Die Sekretäre des ZK betreuten etwa 40 verschiedene Abteilungen und konnten auch den Mitgliedern des Ministerrats Befehle erteilen – sie kontrollierten also sowohl die Partei als auch die Regierung. Das ZK wählte auch die oberste Führungsriege der DDR, das Interner Link: Politbüro. Der Erste Sekretär war bis zum Oktober 1989 Interner Link: Erich Honecker. Auf ihn folgte Egon Krenz. Mehr dazu: Interner Link: http://www.bpb.de/18500/zentralkomitee-zk In der Nacht zum 4. Juni 1989 wurden politische und soziale Proteste rund um den Platz des Himmlischen Friedens (Tian An Men) in Peking von der chinesischen Volksbefreiungsarmee gewaltsam niedergeschlagen. In der Folge protestierten Menschen weltweit gegen das Massaker. Bis heute ist nicht geklärt, ob mehrere Hundert oder einige Tausend Menschen getötet wurden. Mehr dazu: Interner Link: bpb.de/185616 Der Ministerrat war formal laut DDR-Verfassung die Regierung der Interner Link: DDR und bestand 1989 aus 39 Mitgliedern (Ministern), die alle der Interner Link: SED angehörten.Die eigentliche Macht hatte in der DDR aber das Interner Link: Politbüro des Interner Link: Zentralkomitees der SED inne, denn die Sekretäre konnten den Ministern Befehle erteilen. Mehr dazu: Externer Link: https://www.jugendopposition.de/148601 Siegbert Schefke war aktiver DDR-Bürgerrechtler. Als Journalist und Kameramann dokumentierte er Ende der 1980er Jahre die Umweltzerstörung in der Interner Link: DDR. Im Herbst 1989 lieferte er gemeinsam mit Aram Radomski die ersten Fernsehbilder der Montagsdemonstrationen in Interner Link: Leipzig, die im Anschluss in der Interner Link: Tagesschau übertragen wurden. Mehr dazu: Externer Link: https://www.jugendopposition.de/148159/ Mike Dietrich ist ein DJ, Produzent und Musiker aus Leipzig. Ende der 1980er Jahre gründete er in Leipzig das Hiphop-Projekt B-Side the Norm. Inspiriert vom amerikanischen HipHop entwickelte sich in der DDR in den 1980er Jahren eine kleine Szene aus Breakdancern, Rappern, Graffitikünstlern und DJs. HipHop war nicht verboten, zum Teil wurde die Jugendkultur aber vom Staat kontrolliert. Mehr dazu: Externer Link: https://www.jugendopposition.de/145417 Der Film "Beat Street" läuft 1985 in den Kinos der DDR. Für viele Jugendliche in der DDR ist es der Startschuss, sich mit Grafitti und Breakdance zu beschäftigen. Mehr dazu: Externer Link: https://www.mdr.de/zeitreise/hip-hop-in-der-ddr100.html Die Rockband "Silly" wurde 1978 in Ost-Berlin gegründet. Ihre Frontfrau, Tamara Danz, war eine der berühmtesten Sängerinnen der DDR. 1985 verboten die DDR-Zensoren das Album "Zwischen unbefahrenen Gleisen", welches später in bereinigter Version erschien. Trotz Zensur versuchte die Band immer wieder, politische Andeutungen in ihren Texten unterzubringen. 1975 in Ost-Berlin gegründet, gehörte "Karat" zu den erfolgreichsten Rockbands in der DDR. Ihre Musik bewegte sich zwischen Progressive-Rock, Pop und Schlager. Ihr bekanntestes Lied ist "Über sieben Brücken musst du gehen". Zuerst waren die Texte noch komödiantisch, später wandte sich die Band ernsteren Texten zu. Trotz Vorwürfen, politisch konform zu sein, enthielten einige Songs auch kritische Passagen, z.B. der Song "Albatros" (1979). Das 1973 gegründete kulturpolitische Kontrollgremium der DDR-Regierung überwachte die Einhaltung von politischen Richtlinien in der Unterhaltungskunst. Kritische Stimmen wurden unterdrückt, politisch konforme Künstlerinnen und Künstler bevorzugt. Das von der SED eingesetzte Komitee entschied unter anderem, wer zu Veranstaltungen und Tourneen ins westliche Ausland fahren durfte. Egon Krenz (*1937 in Kolberg/Pommern), ehemaliger SED-Politiker, löste am 18.10.1989 Erich Honecker als Generalsekretär des Zentralkomitees (ZK) der SED und als Vorsitzender des Staatsrates ab. Am 3.12.1989 trat schließlich das gesamte ZK mit Krenz als Generalsekretär zurück. 1995 wurde er wegen der Mitverantwortung für das Grenzregime der DDR zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt. Zum 40. Jahrestag der Interner Link: DDR demonstrierten Tausende Berliner/innen gegen das Interner Link: SED-Regime. Die Interner Link: Volkspolizei und Spezialeinheiten der Interner Link: Stasi gingen brutal gegen die friedlichen Interner Link: Demonstranten vor. Männer und Frauen wurden verprügelt, LKW transportierten Interner Link: Verhaftete ab, die Volkspolizei setzte Wasserwerfer und Räumfahrzeuge ein. Das Vorgehen der Sicherheitskräfte zog weitere Demonstrationen und Mahnwachen für die Verhafteten in der ganzen DDR nach sich. Mehr dazu: Externer Link: https://www.jugendopposition.de/145462 Günter Schabowski war Interner Link: SED-Funktionär und Mitglied im Interner Link: Politbüro des Zentralkomitees (ZK) der Interner Link: DDR. Am Abend des 9. November 1989 verkündete er im Rahmen einer Pressekonferenz (nicht ganz halbständig) eine neue Ausreise-Regelung für DDR-Bürger/-innen. Daraufhin strömten tausende Ost-Berliner/-innen an die Grenze. Noch in derselben Nacht wurden alle Grenzübergänge geöffnet. Mehr dazu: Externer Link: https://www.jugendopposition.de/148156 Kurt Masur (1927-2015) war Dirigent und Kapellmeister beim Gewandhausorchester in Interner Link: Leipzig. Als einer der Interner Link: Leipziger Sechs veröffentlichte er am 9. Oktober 1989 einen Aufruf zu beiderseitiger Gewaltlosigkeit bei den Interner Link: Montagsdemonstrationen. Der Leipziger Stadtfunk war ein Netz von Lautsprecheranlagen, die zwischen 1945 und 1998 an öffentlichen Gebäuden und Plätzen in Leipzig installiert waren. Genutzt wurde er vor allem für Propaganda und Information. Am 9. Oktober 1989 wurde der Aufruf der Interner Link: Leipziger Sechs über den Stadtfunk verbreitet. Nach der Wiedervereinigung übernahm Radio Leipzig das Programm. Die Leipziger Sechs waren eine Gruppe von sechs Männern, die am 9. Oktober gemeinsam einen Aufruf zur Gewaltlosigkeit bei den Interner Link: Montagsdemonstrationen in Leipzig über den Interner Link: Stadtfunk verbreiteten. Darunter waren Kulturschaffende sowie Mitglieder der SED-Bezirksleitung. Sie forderten beide Seiten – Interner Link: Demonstranten und Interner Link: Volkspolizei - zur Besonnenheit auf. Der Aufruf soll maßgeblich dazu beigetragen haben, dass die Demonstrationen friedlich verliefen. Im Sommer und Herbst 1989 formierten sich in der DDR zahlreiche Bürgerrechtsbewegungen, die das Ziel hatten, demokratische Reformen in der DDR anzustoßen. Sie forderten die Verwirklichung von Grundrechten wie Meinungs- und Pressefreiheit und freie Wahlen. Im Rahmen z.B. der Montagsdemonstration versammelten sich die verschiedenen Oppositionsgruppen und verliehen ihren Forderungen Nachdruck. Mehr dazu: Interner Link: bpb.de/295940 Der Nationale Verteidigungsrat (NVR) der Interner Link: DDR wurde im Jahr 1960 gegründet und war das wichtigste Organ für sicherheitspolitische Fragen. Die Personalunion an der Spitze von Interner Link: Politbüro, Interner Link: Staatsrat und Verteidigungsrat hob die theoretische Trennung der Entscheidungsgremien in der Praxis weitgehend auf. Mehr Infos: Externer Link: https://www.bstu.de/mfs-lexikon Das Telefonnetz der Interner Link: DDR war schlecht ausgebaut. Nicht einmal 15 Prozent der privaten Haushalte hatten einen Telefonanschluss. Viele nutzten deshalb Telefonzellen oder öffentliche Telefone in den Postämtern. In der Stadt – insbesondere in Ost-Berlin – war es leichter, einen Telefonanschluss zu bekommen. Telefongespräche aus der DDR in die Interner Link: BRD mussten angemeldet werden. "Der Morgen" war eine Tageszeitung in der Interner Link: DDR und das Zentralorgan der Liberal-Demokratischen Partei Deutschlands (Interner Link: LDPD). Als erste Zeitung der DDR druckte "Der Morgen" 1989 Beiträge und Leserbriefe, die sich kritisch mit dem Interner Link: SED-Regime auseinandersetzten. Die Liberal-Demokratische Partei Deutschlands (LDPD) wurde 1945 gegründet. Ab 1949 war sie in die Nationale Interner Link: Front eingebunden. Zentralorgan der LDPD war die Tageszeitung "Der Interner Link: Morgen". Mehr dazu: https://www.jugendopposition.de/148413 Rolf Henrich ist Jurist und Schriftsteller. Ab 1964 war er Mitglied der Interner Link: SED, setzte sich später aber zunehmend kritisch mit der Partei und dem Interner Link: Sozialismus auseinander. 1989 veröffentlichte er das Buch "Der vormundschaftliche Staat", weshalb er aus dem Anwaltskollegium und der SED ausgeschlossen wurde. Er war Mitbegründer des Interner Link: Neuen Forums und trat 1990 in die SPD ein. Mehr dazu: Externer Link: https://www.hdg.de/lemo/ Friedhelm Rausch war von 1986 bis 1989 Präsident der Interner Link: Volkspolizei Berlin und damit unter anderem verantwortlich für die Polizeigewalt am 7. und 8. Oktober gegen Demonstranten. Beim ersten sogenannten "Sonntagsgespräch" vor dem Roten Rathaus in Ost-Berlin, am 29.10.1989, entschuldigte er sich dafür. Rainer Eppelmann ist ein evangelischer Pfarrer und Bürgerrechtler. Von 1979 bis 1987 organisierte er Interner Link: Bluesmessen in Berlin. Er stand unter permanentem Druck der Interner Link: Stasi. Er war Mitbegründer und später Vorsitzender des Interner Link: DA, Abgeordneter der Interner Link: Volkskammer und später des Deutschen Bundestages. Mehr dazu: Externer Link: https://www.jugendopposition.de/ Die Bluesmessen in Berlin wurden von Interner Link: Rainer Eppelmann initiiert und von 1979 bis 1987 in Interner Link: Kirchen veranstaltet. Als Gottesdienste unterlagen sie nicht der staatlichen Anmeldepflicht. Sie entwickelten sich zu wichtigen Orten für oppositionelle Jugendliche in der DDR. Mehr dazu: Externer Link: https://www.jugendopposition.de/ Die abendliche DDR-TV-Nachrichtensendung ist das Sprachrohr der Interner Link: SED. Über was wie berichtet wird, bestimmt die Partei. Mitte Oktober 1989 beginnt die Aktuelle Kamera aber unabhängig und kritisch zu berichten und lässt auch Bürgerrechtler und Demonstrierende zu Wort kommen. Mehr dazu: Externer Link: www.mdr.de/zeitreise/aktuelle-kamera-nachrichten-im-ddr-fernsehen-100.html Der FDGB war der Dachverband der Gewerkschaften in der Interner Link: DDR. Wie alle Massenorganisationen in der DDR war auch der FDGB zentralistisch von der Interner Link: Partei aus organisiert. 1989 hatte der FDGB ungefähr 9,5 Millionen Mitglieder. Mehr dazu: Externer Link: https://www.jugendopposition.de/ Die NDPD war eine der Interner Link: Blockparteien in der Interner Link: DDR. Sie wurde 1948 mit dem Ziel gegründet, ehemalige Soldaten und Mitglieder der NSDAP in das staatssozialistische System der DDR zu integrieren Nach 1990 ging die NDPD in die FDP über. Mehr dazu: Externer Link: www.bpb.de/ Harry Tisch war ein SED-Funktionär mit hohen Rang. Bereits 1963 wurde er Mitglied des Interner Link: ZK und 1975 Mitglied des Interner Link: Politbüros der Interner Link: SED. Von 1975 bis 1989 war er Vorsitzender des Interner Link: FDGB. Im November 1989 trat er als Vorsitzender des FDGB zurück und schied aus dem Politbüro und dem Zentralkomitee aus. Ende des Jahres 1989 wurde er aus der SED und dem FDGB ausgeschlossen. Die Christlich-Demokratische Union (CDU) wurde 1945 als gesamtdeutsche Partei gegründet. In der Interner Link: DDR wurde die Ost-CDU zu einer Blockpartei innerhalb der SED-dominierten Interner Link: Nationalen Front. Mehr dazu: Externer Link: https://www.jugendopposition.de/148367 Transitstrecken waren die Straßen, die durch das Gebiet der Interner Link: DDR führten. Neben der Verbindung zwischen der BRD und West-Berlin durfte auch der Transitverkehr nach Polen und Tschechoslowakei nur über diese wenigen Strecken erfolgen. Die Berliner Mauer war die Sperranlage, die zwischen 1961 und 1989 West- und Ostberlin trennte. Sie war 156,40 km lang und bestand aus mehreren Teilen: zwischen zwei Mauern befanden sich u. a. ein 15 bis 150 Meter breiter "Todesstreifen" und ein Sperrgraben. Zur Bewachung waren Beobachtungstürme und eine Lichttrasse installiert. Mindestens 140 Menschen kamen an der Berliner Mauer oder im Zusammenhang mit dem DDR-Grenzregime ums Leben. Die Mauer wurde zum Symbol für die deutsche Teilung. Eine Karte und Fotos des Grenzverlaufs: Externer Link: http://www.chronik-der-mauer.de/166398 Seit 1972 benötigten BRD-Bürger mit Wohnsitz in Westberlin einen "Berechtigungsschein zum Empfang eines Visums der DDR", um als Tagesbesucher in den Ostteil der Stadt einzureisen. BRD-Bürger, die nicht in West-Berlin lebten, konnten direkt an den Grenzübergangsstellen ein Tagesvisum beantragen. Mehrtagesaufenthalte waren nur in besonderen Fällen möglich. Für DDR-Bürger (und damit auch Ost-Berliner) gab es kaum eine Möglichkeit, in den Westen zu reisen. Der Prenzlauer Berg in Ostberlin entwickelte sich in den 1970 und 1980er Jahren zu einem Zentrum der oppositionellen Szene, die sich zum Beispiel in Wohnungen oder Kirchengemeinden traf. Als Ort der DDR-Opposition und wegen seiner Nähe zur Interner Link: Mauer zu Westberlin war die Überwachungsdichte der Stasi im Prenzlauer Berg besonders hoch. Karte mit Stasi- und Oppositionsobjekten im Prenzlauer Berg: Externer Link: https://www.jugendopposition.de/stasiopposition/ Die Informationszeitschrift der Umweltbibliothek erschien seit 1987 alle ein bis zwei Monate und behandelte Themen wie Umweltschutz, Menschen- und Bürgerrechte, die Friedensbewegung und andere systemkritische Positionen, die in den staatlichen Medien nicht oder nur unzureichend behandelt wurden. 1989 wurde aus den Umweltblättern der telegraph, in dem über Friedliche Revolution berichtet wurde. Mehr Infos: Externer Link: https://www.jugendopposition.de/145467 
Fritz Kühn war Mitglied der Interner Link: Umweltbibliothek (UB) und betreute dort die Druckmaschinen. In den Kellerräumen der UB druckte er die Dokumentation "Wahlfall", in der erstmals die Fälschung der Interner Link: Kommunalwahlen in der Interner Link: DDR dokumentiert und nachgewiesen werden konnte. Die Bibliotheksfacharbeiterin war am Aufbau und der Betreuung der Interner Link: Umweltbibliothek beteiligt, in der unter anderem in der Interner Link: DDR verbotene Literatur gesammelt wurde. Mehr zur Person: Externer Link: https://www.jugendopposition.de/145511 Die Pressekonferenz im Internationalen Pressezentrum in Berlin am 09.11.1989. (© picture-alliance) Am 9. November 1989 verlas Günter Interner Link: Schabowski, Mitglied des Interner Link: Politbüros, um 18 Uhr im Rahmen einer Pressekonferenz die neuen Ausreisebestimmungen für DDR-Bürger. Auf die Nachfrage eines Journalisten, ab wann DDR-Bürger ohne Visum in die Bundesrepublik reisen könnten, antwortete Schabowski vorschnell "Sofort, unverzüglich". Die Regelung sollte eigentlich erst am 10. November in Kraft treten. Die Pressekonferenz wurde live im DDR-Fernsehen übertragen. Im Laufe des Abends stürmten tausende DDR-Bürger zu den Grenzübergängen und forderten die sofortige Öffnung. Die Pressekonferenz zum Nachschauen: Externer Link: http://kurz.bpb.de/schabowski Die Pressekonferenz im Internationalen Pressezentrum in Berlin am 09.11.1989. (© picture-alliance) Christa Wolf (1929-2011) war eine deutsche Schriftstellerin. Sie trat 1949 in die Interner Link: SED ein und studierte Germanistik in Jena und Leipzig. Von 1963-1967 war sie Kandidatin des Zentralkomitees der SED, schied aber nach einer kritischen Rede aus dem Gremium aus. 1989 trat sie aus der Partei aus und forderte demokratische Reformen. Mehr dazu: Externer Link: https://www.jugendopposition.de/148211 Nach der Pressekonferenz von Günter Interner Link: Schabowski versammelten sich am 9. November 1989 tausende DDR-Bürger am Grenzübergang Interner Link: Bornholmer Straße, um nach West-Berlin auszureisen. Ab 21:30 Uhr wurden einigen besonders auffälligen DDR-Bürgern die Ausreise gewährt. Ihre Ausweise wurden dabei unbemerkt ungültig gestempelt, um ihnen eine spätere Wiedereinreise zu verwehren. Die drei Meter hohe und breite Mauer am Brandenburger Tor sollte die Endgültigkeit der deutschen Teilung symbolisieren. Am Abend des 9. November 1989 wurde sie dagegen zum Symbol für die Überwindung dieser Teilung. In der Nacht und in den folgenden Tagen feierten Tausende Berliner/-innen den Fall der Berliner Mauer. Die Berliner Interner Link: Mauer (Gesamtlänge 156, 4 km) bestand im Jahr 1989 aus einem zwischen 15 und mehr als 150 Meter breiten Todesstreifen mit einer zwei bis drei Meter hohen "Hinterlandmauer" oder einem "Hinterlandsperrzaun". An mehreren Kontrollposten waren Grenztruppen stationiert, um die Anlage zu überwachen und Fluchtversuche von DDR-Bürgern zu verhindern. Mehr dazu: Externer Link: https://www.hdg.de/lemo/ Schon kurz nach Bekanntgabe der Öffnung der Grenzen am Abend des 9. November 1989 begannen Menschen, Teile aus der Berliner Interner Link: Mauer herausklopfen und einzelne Stücke mitzunehmen. Man bezeichnet sie als "Mauerspechte". Friedrich Dickel (1913-1993) war von 1963 bis 1989 Innenminister der Interner Link: DDR und damit auch Chef der Interner Link: Volkspolizei. Helmut Kohl (1930-2017) war ein deutscher Politiker (CDU) und von 1982 bis 1998 Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Weil die Wiedervereinigung der Interner Link: BRD und Interner Link: DDR in seine Amtszeit fiel, wird er häufig als "Kanzler der Einheit" bezeichnet. Willy Brandt (1913-1992) war ein deutscher Politiker (SPD) und von 1969-1974 Bundeskanzler der Interner Link: Bundesrepublik Deutschland. Mit einer "neuen Ostpolitik" setzte er sich für den Dialog mit den Staaten des sogenannten Ostblocks ein und erhielt dafür den Friedensnobelpreis. Walter Momper (geboren 1945) ist ein deutscher Politiker (SPD). Er war von 1989 bis 1991 Regierender Bürgermeister in Berlin (West) und von 2001 bis 2011 Präsident des Abgeordnetenhauses in Berlin. Das Sperrgebiet war von 1954 bis 1989 ein etwa 500 Meter breiter Streifen entlang der innerdeutschen Grenze. Die etwa 200.000 Menschen, die in dieser Sperrzone lebten, brauchten Sonderausweise und waren im Alltag enorm eingeschränkt. Andere DDR-Bürger hatten keinen Zutritt. Direkt an der Grenze befand sich der sogenannte "Todesstreifen", der mit Schussanlagen gesichert und vermint war. Offiziell aufgehoben wurden alle Sperrgebiete an der Grenze am 12. November 1989. Schon ab 1970 zahlte die Bundesrepublik Besuchern aus der Interner Link: DDR ein sogenanntes Begrüßungsgeld. Noch in der Nacht zum 10. November 1989 ordnete der West-Berliner Bürgermeister Walter Interner Link: Momper die Auszahlung von 100 D-Mark Begrüßungsgeld an einreisende DDR-Bürger durch Banken und Sparkassen an. Die Regelung wurde in den darauffolgenden Tagen in der gesamten Interner Link: Bundesrepublik übernommen. Die Oberbaumbrücke führt über die Spree und verbindet die Berliner Stadtteile Kreuzberg (bis 1990 West-Berlin) und Friedrichshain (bis 1990 Ost-Berlin). Heute beginnt dort die East-Side-Gallery. Der Kurfürstendamm, umgangssprachlich auch Ku’damm genannt, gehört zu den Haupteinkaufsstraßen in Berlin. Am 9. und 10. November trafen sich Zehntausende Ost- und West-Berliner auf dem Ku’damm.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2022-01-25T00:00:00
2019-08-12T00:00:00
2022-01-25T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/deutsche-einheit/mauerfall-und-ich/295115/glossar/
Von ADN über SED bis Westfernsehen – kurze Erklärungen zu wichtigen Begriffen, Institutionen und Personen in der Geschichte "Der Mauerfall und ich".
[ "Die Mauer und ich", "Glossar" ]
500
Resettlement in Deutschland | Legale Zugänge zum Flüchtlingsschutz: Resettlement und andere Aufnahmeprogramme für Flüchtlinge | bpb.de
Entwicklung des Resettlements in Deutschland Die Geschichte des Flüchtlingsschutzes in Deutschland ist in weiten Teilen eine des Resettlements. Viele der großen und bekannten Flüchtlingsgruppen (s. unten) beantragten nicht individuell Asyl in Deutschland, sondern wurden direkt aus anderen Staaten aufgenommen. Man sprach hier ursprünglich von sogenannten Kontingentflüchtlingen, weil sie in Kontingenten auf die Bundesländer verteilt wurden. Der Begriff wurde später für alle Flüchtlinge benutzt, die durch Aufnahmeprogramme nach Deutschland kamen, ist heute aber nicht mehr üblich. Auch hat sich die gesetzliche Grundlage seitdem geändert. Zu den Kontingentflüchtlingen gehörten ungarische Flüchtlinge, die 1956 aus Österreich aufgenommen wurden, chilenische Flüchtlinge Anfang der 1970er Jahre und vietnamesische Flüchtlinge in den 1980er Jahren. Auch Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien, die in den 1990er Jahren aus Bosnien und Kosovo kamen, wurden so bezeichnet, obwohl sie nur humanitäre Visa erhielten. Es bestand in all diesen Fällen keine besondere rechtliche Regelung für die Aufnahme. Bis 2005 erhielten Flüchtlinge, für die eine Übernahme ausgesprochen wurde, für die Ausreise nach Deutschland im Aufenthaltsland eine Aufenthaltserlaubnis beziehungsweise eine Aufenthaltsbefugnis. Eine Ausnahme waren zum Beispiel jugoslawische Bürgerkriegsflüchtlinge der 1990er Jahre, da sie keine individuelle Verfolgung nachweisen konnten. Sie erhielten kein Asyl, sondern eine Duldung, was zu nachhaltigen Problemen bei ihrem teils langjährigen Aufenthalt in Deutschland führte. Erst mit dem Zuwanderungsgesetz von 2005 wurden Regelungen in das Aufenthaltsrecht aufgenommen, die eine humanitäre Aufnahme zuließen. Auf dieser Grundlage beteiligte sich die Bundesrepublik auch erstmals an einem Resettlementprogramm und nahm 2005 14 usbekische Flüchtlinge auf und dann 2008 rund 2.500 irakische Flüchtlinge. Nach jahrelangem Lobbying durch Kirchen und andere zivilgesellschaftliche Akteure führte Deutschland schließlich 2012 eine jährliche Resettlementquote von 300 Flüchtlingen ein, die ab 2015 auf 500 Flüchtlinge pro Jahr erhöht und verstetigt wurde. Seit 2015 sind Resettlementflüchtlinge mit anerkannten Flüchtlingen nahezu gleichgestellt, um damit auch den Erfordernissen von UNHCR gerecht zu werden. Zusätzlich zum regulären Resettlementprogramm beschloss die Bundesregierung ab 2013 ein Interner Link: humanitäres Aufnahmeprogramm (siehe Kapitel Interner Link: Resettlement im Vergleich zu anderen Aufnahmeprogrammen), durch das sie zusammen mit den Bundesländern fast 30.000 Syrern temporären Schutz gewährte. Rechtsgrundlagen der Neuansiedlung Es besteht kein Rechtsanspruch auf Resettlement. Anders als beim Asyl ist Deutschlands Teilnahme am Resettlement eine freiwillige politische Entscheidung. Hierbei wurde früher bei Flüchtlingen im Herkunfts- oder Erstzufluchtsland als Sichtvermerk im Reisepass eine Aufenthaltserlaubnis verliehen, die Einreise und Aufenthalt in Deutschland ermöglichte. Seit 1965 konnte der Bundesinnenminister mit einer Übernahmeerklärung nach § 22, später § 33 des Ausländergesetzes aus völkerrechtlichen, politischen oder menschlichen Gründen Ausländern im Ausland eine Aufenthaltsbefugnis zusprechen. Mit dem Gesetz über Maßnahmen für im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommene Flüchtlinge (HumHAG) von 1980 wurden so aufgenommene Flüchtlinge anerkannten Asylbewerbern in der Bundesrepublik gleichgestellt. Hierbei mussten Bundesländer einer Aufnahme zustimmen, was häufig politischen Abwägungen unterlag. Seit 2005 ersetzt das Zuwanderungsgesetz das HumHAG. Die §§ 22, 23 und 24 des Aufenthaltsgesetzes regeln Aufnahme und Aufenthaltsstatus von Ausländern aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen. Die Entscheidungen darüber liegen nach wie vor beim Bundesministerium des Innern und den obersten Landesbehörden. Die Erteilung einer Aufenthalts- oder Niederlassungserlaubnis nach § 23 I oder II, wie bei den HAPs für syrische Flüchtlinge, bieten dabei nur einen temporären und beschränkten Status; sie erlauben beispielsweise keine Familienzusammenführung. Auch die Aufenthaltsbestimmungen für Resettlementflüchtlinge blieben hinter den Rechten anerkannter Flüchtlinge der Asylverfahren zurück. 2015 ist mit § 23 IV für das Resettlement von Flüchtlingen eine explizite Gesetzesgrundlage eingeführt worden, die das Quotenverfahren vereinfacht, in die Hände von Bundesministerium des Innern und Interner Link: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) legt und Resettlementflüchtlinge anerkannten Flüchtlingen wieder weitgehend gleichstellt*. Ihr Schutzstatus ist damit dauerhaft angelegt und gibt ein Anrecht auf Unterkunft, auf Sozialleistungen ("Hartz IV") und die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit. Resettlementflüchtlinge können an Integrationskursen teilnehmen und erhalten Unterstützung bei Behördengängen, Arbeits- und Wohnungssuche. Zudem ist ein Familiennachzug möglich und es kann ein Flüchtlingspass zum Reisen ausgestellt werden. * Ibid. Verfahren und Integration Jedes Jahr im Frühsommer nehmen Vertreter des Auswärtigen Amtes (AA), des Bundesministeriums des Innern (BMI) sowie des BAMF an den Annual Tripartite Consultations on Resettlement (ATCR) in Genf teil (siehe Kapitel Interner Link: Wie funktioniert Resettlement durch UNHCR?). Hier wird der weltweite Resettlementbedarf diskutiert und festgelegt, für welche Flüchtlingsgruppen eine Neuansiedlung besonders sinnvoll oder dringlich ist. Auf dieser Grundlage und in Zusammenspiel mit Empfehlungen der EU-Kommission und zivilgesellschaftlicher Akteure legt das BMI fest, wie viele Flüchtlinge einer jeweiligen Gruppe aus welchem Land im kommenden Jahr aufgenommen werden sollen. In der Regel geht es um die Erfüllung der jährlichen Aufnahmequote, die aber manchmal um zusätzliche Resettlementplätze ergänzt wird. UNHCR übermittelt dann Dossiers mit Informationen über mögliche Resettlementkandidaten an das BAMF. Die Anzahl der in den Dossiers erfassten Personen liegt um ein bis zwei Drittel höher als die zur Verfügung stehende Zahl an Plätzen. Mitarbeiter des BAMF führen dann vor Ort, oder unter Umständen per Skype, Interviews mit den Kandidaten, auf deren Grundlage eine Auswahl getroffen wird. Kriterien für die Auswahl mögen sowohl Schutzbedarf als auch Integrationspotenzial sein. Nachdem die Flüchtlinge über ihre Aufnahme informiert worden sind, werden sie einem Gesundheitstest unterzogen und sie erhalten ein Visum zur Einreise. Die Interner Link: Internationale Organisation für Migration (IOM) organisiert im Auftrag der Bundesregierung erste Vorbereitungs- und Sprachkurse, bevor sie die Flüchtlinge nach Deutschland ausfliegt. Die Neuankömmlinge leben zunächst für einige Wochen oder auch Monate im Erstaufnahmelager Friedland in Niedersachsen, wo weitere Registrierungen und Kurse stattfinden. Aus Friedland werden Flüchtlinge auf die Bundesländer und Gemeinden verteilt. Dort haben in der Regel Wohlfahrtsverbände, im Auftrag des Bundeslandes, zusammen mit Ehrenamtlichen die Ankunft vorbereitet, eine Wohnung angemietet und Möbel besorgt. In vielen Städten gibt es "Save Me"-Kampagnen, die ihre Gemeinden dazu aufrufen, Resettlementflüchtlinge aufzunehmen und sich ehrenamtlich für ankommende Flüchtlinge zu engagieren und sie zum Beispiel bei der Wohnungssuche, der ersten Orientierung, bei Übersetzungen und auch bei der längerfristigen Integration zu unterstützen. Dieser Text ist Teil des Kurzdossiers Interner Link: Legale Zugänge zum Flüchtlingsschutz: Resettlement und andere Aufnahmeprogramme für Flüchtlinge. Es besteht kein Rechtsanspruch auf Resettlement. Anders als beim Asyl ist Deutschlands Teilnahme am Resettlement eine freiwillige politische Entscheidung. Hierbei wurde früher bei Flüchtlingen im Herkunfts- oder Erstzufluchtsland als Sichtvermerk im Reisepass eine Aufenthaltserlaubnis verliehen, die Einreise und Aufenthalt in Deutschland ermöglichte. Seit 1965 konnte der Bundesinnenminister mit einer Übernahmeerklärung nach § 22, später § 33 des Ausländergesetzes aus völkerrechtlichen, politischen oder menschlichen Gründen Ausländern im Ausland eine Aufenthaltsbefugnis zusprechen. Mit dem Gesetz über Maßnahmen für im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommene Flüchtlinge (HumHAG) von 1980 wurden so aufgenommene Flüchtlinge anerkannten Asylbewerbern in der Bundesrepublik gleichgestellt. Hierbei mussten Bundesländer einer Aufnahme zustimmen, was häufig politischen Abwägungen unterlag. Seit 2005 ersetzt das Zuwanderungsgesetz das HumHAG. Die §§ 22, 23 und 24 des Aufenthaltsgesetzes regeln Aufnahme und Aufenthaltsstatus von Ausländern aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen. Die Entscheidungen darüber liegen nach wie vor beim Bundesministerium des Innern und den obersten Landesbehörden. Die Erteilung einer Aufenthalts- oder Niederlassungserlaubnis nach § 23 I oder II, wie bei den HAPs für syrische Flüchtlinge, bieten dabei nur einen temporären und beschränkten Status; sie erlauben beispielsweise keine Familienzusammenführung. Auch die Aufenthaltsbestimmungen für Resettlementflüchtlinge blieben hinter den Rechten anerkannter Flüchtlinge der Asylverfahren zurück. 2015 ist mit § 23 IV für das Resettlement von Flüchtlingen eine explizite Gesetzesgrundlage eingeführt worden, die das Quotenverfahren vereinfacht, in die Hände von Bundesministerium des Innern und Interner Link: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) legt und Resettlementflüchtlinge anerkannten Flüchtlingen wieder weitgehend gleichstellt*. Ihr Schutzstatus ist damit dauerhaft angelegt und gibt ein Anrecht auf Unterkunft, auf Sozialleistungen ("Hartz IV") und die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit. Resettlementflüchtlinge können an Integrationskursen teilnehmen und erhalten Unterstützung bei Behördengängen, Arbeits- und Wohnungssuche. Zudem ist ein Familiennachzug möglich und es kann ein Flüchtlingspass zum Reisen ausgestellt werden. * Ibid. Tometten, Christoph (2015): Resettlement-Flüchtlinge: Die teilweise Gleichstellung nach der Reform des Aufenthaltsgesetzes und ihre Konformität mit dem internationalen Flüchtlingsrecht. ZAR –Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik, Heft 9, S. 299-303. Externer Link: http://www.save-me-kampagne.de/ (Zugriff: 20.5.2016).
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2021-11-18T00:00:00
2016-07-04T00:00:00
2021-11-18T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/migration-integration/kurzdossiers/230519/resettlement-in-deutschland/
Die Geschichte des Asylrechts reicht bis in das Altertum zurück. Demgegenüber wurden Programme zur Neuansiedlung von Flüchtlingen in Drittstaaten (Resettlement) erst Anfang des 20. Jahrhunderts ins Leben gerufen und in den 1990er Jahren formalisiert.
[ "Resettlement", "UN", "UNHCR", "Vereinte Nationen", "Flüchtling", "Drittstaat", "Zufluchtsland", "Neuansiedlung", "Flüchtlingshilfswerk", "ATCR" ]
501
Deutsche Kolonialgeschichte postkolonial schreiben: Was heißt das? | Deutsche Kolonialgeschichte | bpb.de
Ab 1884 war das Deutsche Reich mit dem Erwerb von Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia, offiziell eine Kolonialmacht. Zum deutschen Kolonialreich gehörten in Afrika weiterhin Kamerun, das in etwa das heutige Kamerun und ab 1911 Teile der heute angrenzenden Staaten im Westen und Süden umfasste, Togoland – das heutige Togo mit Teilen von Ghana – und Deutsch-Ostafrika, das im Wesentlichen den heutigen Ländern Tansania, Ruanda und Burundi entspricht. Hinzu kamen in Nordostchina die Bucht Kiautschou und im Pazifik Deutsch-Samoa, das heutige Samoa, sowie Deutsch-Neuguinea, das heutige Papua-Neuguinea mit weiteren Inselstaaten. Anfangs sollten die Territorien nach dem Vorbild der britischen Kolonie Indien durch Handelsgesellschaften verwaltet werden. Das Deutsche Reich übernahm allerdings im Laufe der Zeit in all diesen Gebieten die Regierung, baute Kolonialverwaltungen auf und entsandte Kolonialbeamte und Soldaten. Völkerrechtlich galten die Kolonien als Teil des Deutschen Reichs. Staatsrechtlich wurden sie allerdings nicht in das Staatsgebiet aufgenommen und blieben so "Ausland" – mit weitreichenden Folgen. So erhielt die Bevölkerung der Kolonien nicht die deutsche Staatsangehörigkeit, und auch das deutsche Recht galt nicht automatisch in den Kolonien. Der Erste Weltkrieg beendete die Zeit formaler deutscher Kolonialherrschaft. Zunächst eroberten im Verlauf der Kriegshandlungen andere europäische Mächte die Kolonien. Mit dem Versailler Vertrag trat das Deutsche Reich dann seine kolonialen Besitzungen ab. Formell wurden sie dem Völkerbund unterstellt. Damit endete die deutsche Kolonialgeschichte in engerem Sinne. Eine postkoloniale deutsche Kolonialgeschichte geht allerdings räumlich, zeitlich und thematisch über die historischen Entwicklungen in diesen überseeischen Gebieten unter deutscher Herrschaft hinaus. Ansätze postkolonialer Theorie entwickelten in den 1980er Jahren vor allem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den Literatur- und Kulturwissenschaften, die aus dem Globalen Süden stammten und an westlichen Universitäten lehrten. Als theoretisches und (wissenschafts-)politisches Projekt sind sie angetreten, um die westliche Dominanz in der wissenschaftlichen Theoriebildung herauszufordern. Indem sie eigene Perspektiven auf den Prozess der Kolonialisierung formulieren, kritisieren sie auch das Wissenschaftssystem und seine Machtasymmetrien. Seit Ende der 1980er Jahre sind diese Ansätze breit rezipiert, kritisiert und in anderen Disziplinen aufgegriffen und weiterentwickelt worden. Im Folgenden werden anhand von fünf zentralen Erweiterungen einer Kolonialgeschichte im engeren Sinne die Grundzüge postkolonialer Ansätze in der Geschichtswissenschaft dargestellt und an Beispielen gezeigt, wie sich diese auf die deutsche Kolonialgeschichte übertragen lassen. Jenseits der Kolonien Postkoloniale Ansätze machen auf die fundamentale und anhaltende Bedeutung des Kolonialismus für alle beteiligten Bevölkerungsgruppen aufmerksam. Die Erfahrung des Kolonialismus – so die Grundthese – prägte nicht nur die kolonisierten Gesellschaften. Kolonialgeschichte kann somit nicht als eine Geschichte geschrieben werden, in der Europa einseitig den Rest der Welt beeinflusste. Kolonialismus prägte auch die Kolonialmächte, ihr Selbstverständnis, ihre Kultur und ist Teil ihrer nationalen Geschichten. Kolonialgeschichte muss als verflochtene Geschichte zwischen diesen nationalen Geschichten und der Geschichte in den jeweiligen Kolonien geschrieben werden und ebenso als Teil eines wechselseitig verflochtenen Prozesses zwischen den Kolonialmächten. Indem der Kolonialismusbegriff erweitert wird, geraten ganz unterschiedliche Verhältnisse der Einflussnahme und der Eroberungen des Deutschen Reichs in den Blick. Hierbei ist eine Perspektive wichtig, die das deutsche koloniale Projekt als Teil des europäischen Imperialismus reflektiert. In postkolonialer Perspektive ist Kolonialisierung Teil eines globalen Prozesses, der nicht allein von Europa auf die Kolonien gerichtet war. Wenn man zum Beispiel die deutsche Kolonie Deutsch-Südwestafrika zusammen mit anderen Peripherien des Deutschen Reichs, wie den östlichen Provinzen Preußens, untersucht, treten neben einigen Unterschieden auch frappierende Ähnlichkeiten hervor. In diesen voneinander entfernten Räumen entwickelten sich etwa ähnliche Maßnahmen, um Arbeitsmigration zu kontrollieren. In beiden Räumen versuchte die Regierung, die Wanderungsbewegungen von Arbeitskräften zu überwachen, und setzte Passmarken oder -karten ein, um sie zu registrieren und als fremd zu markieren. Diese Maßnahmen entwickelten sich im Zusammenhang derselben Diskurse zu Arbeit, Migration und einer Kontrolle von Mobilität. Diese Diskurse verbanden nicht nur die beiden Peripherien des Deutschen Reichs, sondern gingen zugleich über dessen Grenzen hinaus. Schließlich waren Passmarken bereits in anderen imperialen Kontexten eingesetzt worden und verweisen somit auch auf den Zusammenhang europäischer imperialer Kontrolle. Verbindungen zwischen überseeischer und kontinentaler Expansion nachzuweisen, kann dazu beitragen, Kolonialgeschichte stärker an die allgemeine deutsche Geschichte anzubinden und gängige geografische Trennungen innerhalb der Disziplin aufzubrechen. Diese Zusammenschau wirft auch die Frage auf, inwieweit spätere Entwicklungen wie die nationalsozialistische Bevölkerungspolitik im Osten auch im Lichte dieser kolonialen Vorläufer gesehen werden müssen, und trägt damit zur Debatte über die Verbindungen von Kolonialismus und Nationalsozialismus bei. Eine postkoloniale Perspektive erweitert die engen Grenzen einer an den Kolonien orientierten Kolonialgeschichte nicht nur räumlich. Wie an diesem Beispiel deutlich wird, sprengen postkoloniale Perspektiven auch die an der formalen Kolonialherrschaft orientierte zeitliche Begrenzung der Kolonialgeschichte. Jenseits der Kolonialzeit Diese Erweiterung hängt mit der zeitlichen Bestimmung des Postkolonialen zusammen. Zwar folgt es auf die Kolonisierung, das heißt aber nicht, dass die Kolonisierung und ihre Auswirkung abgeschlossen sind. Postkoloniale Ansätze gehen im Gegenteil davon aus, dass wesentliche koloniale Machtbeziehungen, Kategorien, Diskurse und Vorstellungen nicht an die Zeiten formaler Kolonialherrschaft gebunden sind. Aus postkolonialer Perspektive ist es also notwendig, den deutschen Kolonialismus in seinen Wirkungen während, aber auch vor und nach den Zeiten formaler Kolonialherrschaft von 1884 bis 1919 zu untersuchen und seine Spuren und Nachwirkungen bis in die Gegenwart zu verfolgen. Dies umfasst erinnerungspolitisch auch eine Auseinandersetzung mit den Fragen von deutscher Schuld und Wiedergutmachung, insbesondere hinsichtlich des genozidalen Krieges gegen die Herero und Nama ab 1904 im heutigen Namibia. Eine postkoloniale Perspektive auf das Erbe des deutschen Kolonialismus und seine Nachwirkungen fragt, wie zivilisationsmissionarische Denkfiguren und gewaltvolle Praktiken fortwirken, die den kolonialen Eingriffen in politische und gesellschaftliche Zusammenhänge zugrunde lagen. Inwieweit prägten sie beispielsweise spätere entwicklungspolitische Zusammenhänge? Die Leitlinie einer "Hilfe zur Selbsthilfe" dominierte in den 1960er Jahren die deutsche Entwicklungspolitik und läutete einen Bruch mit vorherigen Praktiken ein. Weg von westlicher Bevormundung sollten im ständigen, wohlwollenden Austausch Projekte entwickelt werden, die aus den lokalen Gegebenheiten selbst erwuchsen. Die nachhaltigen Effekte dieser Arbeit sollten zu größerer Selbstständigkeit und Selbstverantwortung führen. Interessanterweise lässt sich nun zeigen, dass diese Politik entgegen ihrer vordergründigen Rhetorik durchaus in einer kolonialen Traditionslinie stand und etwa koloniale Vorgänger in der Erziehung zu Arbeit und einem produktiven Leben hatte. Zudem blieb die Hilfe zur Selbsthilfe konzeptionell in kolonialen Annahmen verhaftet. Die Umsetzung, die oft Gewalt und Unfreiheit einschloss, ähnelte kolonialen Praktiken. Materiell fassbar wird diese Kontinuität in einer Episode aus den späten 1960er Jahren, als ein tansanischer Entwicklungsexperte Frauen für ihr angebliches Fehlverhalten innerhalb eines Projekts zur Selbsthilfe bestrafte, indem er sie mit einer Nilpferdpeitsche schlug, die von einem deutschen Kolonialbeamten stammte und in dem Dorf aufbewahrt worden war. Der Nachhall kolonialer Gewaltpraktiken in der Entwicklungszusammenarbeit gehört zu einer postkolonialen deutschen Kolonialgeschichte, die auch die Perioden jenseits formaler Fremdherrschaft in Übersee in den Blick nimmt. Jenseits politischer Herrschaft Postkoloniale Ansätze betonen darüber hinaus, dass Kolonialismus nicht nur ein politisches oder ökonomisches Herrschafts- und Ausbeutungssystem war. Hingegen ist für das Verständnis des Kolonialismus zentral, wie er sich kulturell manifestierte, welche Stereotype und Narrative koloniale Herrschaft stabilisierten und welche psychischen und affektiven Bedingungen die kolonialen Beziehungen strukturierten. Im Zentrum steht dabei der Vorgang des othering, also die oft abwertende und bisweilen romantisierende Konstruktion der Kolonien und ihrer Bevölkerungen als "Anderes" Europas, die konstitutive Bedeutung für die koloniale Identitätsbildung hatte. Edward Said führte am Beispiel des "Orients" als Gegenbild Europas Repräsentationen als wichtiges Thema in postkoloniale Analysen ein. Er wies zugleich darauf hin, dass solche Repräsentationen instrumentalisiert wurden, um koloniale Herrschaft zu rechtfertigen. Homi Bhabha, einer der zentralen Denker des Postkolonialismus, differenzierte in der Folge die Funktion von Selbst- und Fremdbildern weiter aus. Stereotype des mächtigen Kolonisators und machtloser Kolonisierter dürfen nach Bhabha nicht als einfach abzugrenzende Gegenbilder begriffen werden. Stattdessen müssen wir aufmerksam sein für die Ambivalenzen und Widersprüche des kolonialen Diskurses, der die Autorität und Identität der Kolonisatoren zugleich begründet und destabilisiert. Insbesondere hat Bhabha die Ambivalenz von Zivilisierungsmissionen herausgestellt, die integraler Bestandteil kolonialer Projekte und deren Rechtfertigung waren. Die Nachahmung der Kolonisatoren durch die Kolonisierten erschien immer als eine unvollkommene Repräsentation. Sie hatte das Potenzial, den kolonialen Diskurs als brüchig und koloniale Kategorien als instabil auszustellen und so koloniale Autorität zu unterwandern. Zugleich, so Bhabha, war es aus Sicht der Kolonialmacht unerwünscht und unmöglich, dass die Kolonisierten ihnen wirklich gleich würden. Dies spiegelt sich auch in Vorwürfen und Angstfantasien, die Kolonisierten spielten ihre Aneignung europäischer Kultur und ihre Unterwürfigkeit bloß vor. Dass koloniale Kategorien vom Selbst und Anderen zentral für die koloniale Ordnung und zugleich doch instabil waren, lässt sich für die deutsche Kolonialgeschichte zum Beispiel anhand zweier diskursiver Figuren verdeutlichen: dem "verkafferten Deutschen" und dem "Hosenneger". Als "Verkafferung" wurde in den afrikanischen Kolonien ein Prozess bezeichnet, in dem sich weiße Deutsche während ihres Aufenthalts in den Kolonien vermeintlich an die afrikanische Kultur anglichen. Angeblich ausgelöst durch die tropische Umgebung und den intensiven (oft sexuellen) Kontakt mit der afrikanischen Bevölkerung sanken die Deutschen in dieser Vorstellung auf deren Kultur herab. Rassistische Kategorien, die eigentlich eine unüberwindbare Differenz zwischen weißen Deutschen und der schwarzen afrikanischen Bevölkerung konstruierten, wurden im Begriff der "Verkafferung" fluide. Der "verkafferte" Deutsche verlor in seiner Annäherung an die afrikanische Bevölkerung symbolisch sein Weißsein und damit seinen Machtanspruch. Die Figur des "verkafferten" Deutschen ist damit auch ein Beispiel, wie bedroht die deutsche Überlegenheit über den kolonialen Anderen war. Komplementär dazu wurden Schwarze, die eine europäische Lebensweise annahmen, entgegen aller Zivilisationsrhetorik als "Hosenneger" diffamiert. Der Begriff implizierte, dass sie sich oberflächlich etwa durch ihre Kleidung anglichen, insgesamt aber scheiterten, europäisch zu werden. Die Figur des "Hosennegers" verkörperte in ihrem Anspruch auf Gleichheit und Teilhabe eine Bedrohung. Sie stellte die angeblich unüberbrückbare kulturell oder biologisch begründete Differenz zwischen Kolonisator und kolonisierter Bevölkerung infrage, die das Fundament der rassisch segregierten kolonialen Ordnung darstellte. Beide Figuren sind ein Ausdruck dafür, wie instabil zentrale koloniale Kategorien waren, zuallererst die angebliche fixe Kategorie der "Rasse". Die sozialen Sanktionen, die auf diese Formen der sozialen und symbolischen Grenzüberschreitungen folgten, waren zugleich der Versuch, die koloniale Ordnung wiederherzustellen. Jenseits der Kolonialmacht Postkoloniale Ansätze fordern zudem, die Handlungsmacht (agency) und Perspektiven der Angehörigen der kolonisierten Bevölkerungen einzubeziehen. Postkoloniale Ansätze fassen Herrschaft als Aushandlungsprozess. Sie vernachlässigen dadurch nicht die Gewalt und Machtasymmetrien der kolonialen Situation. Aber sie machen gängige, dualistische Erzählungen von Herrschaft und Widerstand komplexer. Es geraten vielfältige Formen der Aneignung, der Kooperation, der Weigerung und des Protests in den Blick. Jenseits einer starren Trennung in Kolonisator und Kolonisierte geht es also darum, wie Personen, die nicht zur Kolonialmacht gehörten, mit ihren Handlungen und Widerständen koloniale Herrschaftsausübung beeinflusst haben. Diese Frage lässt sich für die deutsche Kolonialgeschichte zum Beispiel anhand der Dolmetscher der Kolonialverwaltung stellen. Die Dolmetscher, die Kenntnisse europäischer Sprachen oft an den Missionsschulen erworben hatten, übernahmen weitreichende Aufgaben innerhalb der Verwaltung und Gerichtsbarkeit. Sie vermittelten zwischen Kolonialverwaltung und kolonisierter Bevölkerung und kontrollierten so den Informationsfluss. Die Kolonialbeamten, die selten die in den Kolonien gesprochenen Sprachen verstanden, waren bei ihrer Arbeit von den Dolmetschern abhängig. Die Kolonialbeamten sahen die Dolmetscher als Beauftragte der kolonialen Verwaltung. In der Tat ermöglichten die Dolmetscher in vielen Fällen erst die koloniale Herrschaftsausübung. Dennoch arbeiteten die Dolmetscher auch für ihre eigenen Interessen beziehungsweise die Interessen ihrer Familien oder der Bevölkerungsgruppen, denen sie sich verpflichtet fühlten. Handlungen, die den Vorgaben der Kolonialverwaltung zuwiderliefen, nahmen die Kolonialbeamten allerdings als Amtsmissbrauch wahr, mit allen disziplinarischen und rechtlichen Konsequenzen. Exemplarisch für die ambivalente Position der Dolmetscher im Verhältnis zur Kolonialverwaltung und zur kolonisierten Bevölkerung ist das Leben des Regierungsdolmetschers David Meetom in Kamerun. Dieser erreichte vor allem zu Beginn der deutschen Kolonialherrschaft als Dolmetscher und Unterhändler großen Einfluss, den er auch unabhängig von den Vorgaben der Kolonialverwaltung nutzte. Letztlich wurde er wegen dieser Tätigkeiten angeklagt, verurteilt und auf der Flucht vor der Strafverfolgung erschossen. Die Dolmetscher erlauben also eine postkoloniale Perspektive auf die deutsche Kolonialvergangenheit, wenn man sie als handelnde Subjekte mit ihren Interessen und Perspektiven ernst nimmt und versucht, ihre Handlungen vor dem Hintergrund dieser unterschiedlichen Wahrnehmungen einzuordnen. Die Dolmetscher illustrieren zudem beispielhaft das oft uneindeutige Geflecht aus Herrschaft und Widerstand, innerhalb dessen auch die Frage, wer zur Kolonialmacht gehört und wer zur beherrschten Bevölkerung, differenzierter beantwortet werden muss. Zugleich sind in der Abhängigkeit der Kolonialbeamten von den Dolmetschern situativ koloniale Machthierarchien infrage gestellt. Gayatri Chakravorty Spivak, eine der zentralen Impulsgeberinnen postkolonialer Theorie, hat darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, die Bedingungen von Handlungsmacht zu reflektieren. Wer konnte das Wort erheben und für eigene Belange kämpfen? Welche Ausdrucksweisen hatten die jeweiligen Subjekte überhaupt zur Verfügung, und wurden diese wahrgenommen? Wie werden sie erinnert? Die Frage nach der Zugänglichkeit der Perspektiven verschiedener Akteure und Akteurinnen berührt auch die empirische Grundlage der Kolonialgeschichtsschreibung. Diese ist mit einer asymmetrischen Quellenüberlieferung konfrontiert. Eine relative, wenn auch lückenhafte Masse an schriftlichen Dokumenten der Kolonialverwaltungen steht einer Leerstelle entsprechender schriftlicher Überlieferung der kolonisierten Bevölkerung gegenüber. Eine postkoloniale Perspektive umfasst daher die kontinuierliche kritische Reflexion dieser Asymmetrien und Voreingenommenheiten der Quellen ebenso wie Versuche, alternative Quellen aufzuspüren oder vorhandene Quellen gegen den Strich zu lesen. Jenseits des Maßstabs Europa Die Forderung, die methodischen Voraussetzungen postkolonialer Geschichtsschreibung zu reflektieren, bezieht sich auch auf die verwendeten Begriffe und Narrative. Postkoloniale Ansätze als wissenschaftspolitisches Projekt zielen darauf, die Dominanz europäischer Erklärungsmodelle und Begriffe herauszufordern und Eurozentrismus, das heißt die Beurteilung der Welt nach europäischen Normen und Maßstäben, zu überwinden. Sie wollen die erkenntnistheoretischen Voraussetzungen unserer heutigen Wissensproduktion kritisch reflektieren und dadurch Prozesse anstoßen, die die geistige Kolonisierung überwinden, die die politische Kolonisierung begleitete. Insofern hat das "post" in postkolonial neben der zeitlichen auch eine epistemische Dimension. Es verweist auf den Versuch, die Prämissen, Erzählungen und Kategorien des Kolonialismus kritisch zu hinterfragen und über sie hinauszugehen. In diesem Sinne kritisiert der Historiker Dipesh Chakrabarty eine auf Europa bezogene Geschichtsschreibung, die aus der Entwicklung Europas abgeleitete Konzepte als vermeintlich universale Kategorien auf außereuropäische Zusammenhänge überträgt. Die europäische Entwicklung werde zum Maßstab erhoben und die Geschichte außereuropäischer Gesellschaften lediglich in ihrer Abweichung von dieser Entwicklung betrachtet. Folglich werden diese Erzählungen durch die Vorstellungen eines Mangels strukturiert. Die spezifischen außereuropäischen Kontexte werden in ihrer Ambivalenz und Widersprüchlichkeit eingeebnet, sie sind allenfalls empirisch präsent, nicht aber in der Theoriebildung. Chakrabarty fordert, die zum allgemeinen Maßstab erhobene europäische Entwicklung und aus dieser Entwicklung abgeleitete Konzepte zu "provinzialisieren". Die Partikularität der europäischen Entwicklung soll so wieder sichtbar gemacht werden. Schließlich ist die Dominanz dieser Erzählungen und Begriffe selbst eine Folge des Kolonialismus, der die Entwicklung in Europa zum analytischen Maßstab erhob und anderes Wissen oder andere Erzählungen abwertete oder vereinnahmte. Die oft gewalttätigen Bedingungen, unter denen diese Konzepte universalisiert wurden, müssen – so Chakrabarty – mitbedacht werden. Eine postkoloniale Kolonialgeschichtsschreibung nimmt daher die Funktionsweisen des Kolonialismus nicht nur als politisches Herrschaftssystem, sondern auch als Wissenssystem in den Blick. Sie fragt nach den Wechselwirkungen zwischen der kolonialen Eroberung und der Entwicklung von Wissensfeldern, wissenschaftlichen Disziplinen und ihren Forschungsmethoden. Illustrieren lässt sich dies an der Erforschung außereuropäischen Rechts in Deutschland, das infolge der kolonialen Eroberungen des Deutschen Reichs verstärkte Aufmerksamkeit erhielt. Schließlich schien es nützlich, die Rechtspraktiken der beherrschten Bevölkerung zu kennen. Zum Teil mit Unterstützung der Kolonialverwaltung beschäftigten sich verschiedene Forschungsprojekte um 1900 mit dem Recht der Bevölkerungen in den Kolonien. Dazu wurden vor allem Fragebögen in die Kolonien gesandt, die von Kolonialbeamten, Missionaren und anderen geeigneten Personen ausgefüllt und anschließend von Juristen in Deutschland ausgewertet werden sollten. Die koloniale ökonomische Ausbeutungsstruktur wurde so im wissenschaftlichen Bereich repliziert, indem Kolonien und ihre Bevölkerungen als Quellen von Rohdaten behandelt wurden, die deutsche Experten, meist außerhalb der Kolonien, verwerteten. Die Fragebögen verwendeten zahlreiche Rechtsbegriffe, die aus der deutschen Rechtssystematik abgeleitet waren, wie etwa die Trennung in Zivilrecht und Strafrecht. Diese Begriffe wurden undifferenziert als universale Kategorien für die Erhebung des Rechts in verschiedensten Gesellschaften verwendet. Eine methodische Diskussion über indigene Informanten, die angeblich unzuverlässig und nicht zu abstraktem Denken fähig seien, kulminierte zudem in der Forderung, diese aus dem Forschungsprozess auszuschließen und nur auf die Beobachtung zu setzen. Dies ist nur ein Beispiel, wie sich rassistische Stereotype über die kolonisierte Bevölkerung in die europäische Wissensproduktion über diese Bevölkerung einlagerten. Zudem verwies die methodische Diskussion die kolonisierte Bevölkerung auf die Rolle des Untersuchungsgegenstands und trug so dazu bei, ihre Beteiligung an der Wissensproduktion zu verschleiern. Dadurch wurden symbolisch auch koloniale Hierarchien von Wissen und Unwissenheit wiederhergestellt, die im Forschungsprozess sowie bei der Ausübung der kolonialen Herrschaft faktisch immer wieder zusammenbrachen. Jenseits der Kolonialgeschichte Nicht zuletzt impliziert eine postkoloniale Perspektive, dass auch Historiker und Historikerinnen, die sich nicht mit deutscher Kolonialgeschichte an sich beschäftigen, sensibilisiert sein sollten für die potenziellen kolonialen Dimensionen ihrer Untersuchungsgegenstände. Deutsche Kolonialgeschichte aus einer postkolonialen Perspektive zu schreiben, heißt, die Kolonien und das Deutsche Reich zusammen zu betrachten und deren verflochtene Geschichte zu begreifen. Das umfasst die Frage, wie Kolonialismus im Deutschen Reich vermittelt, legitimiert, instrumentalisiert und erlebt wurde, kurz gesagt, wie sich das "Empire at home" manifestierte. Wer sich mit der Geschichte von Unterhaltungs- und Vergnügungskultur beschäftigt, kommt zum Beispiel nicht umhin, die kolonialen Aspekte beliebter Unterhaltungsveranstaltungen zu reflektieren. Sogenannte Völkerschauen inszenierten bis weit in die 1940er Jahre Menschen anderer Kulturen als rückständig und fremdartig. Als eigenständige Veranstaltungen oder Attraktionen in Vergnügungsparks und Gewerbeausstellungen übten sie koloniale Sichtweisen und Vorstellungen ein. Zugleich war die Anwerbung und Behandlung von Darstellern und Darstellerinnen solcher Shows während der Zeit des formalen Kolonialbesitzes aufs Engste mit den politischen Entwicklungen in den Kolonien verbunden. In postkolonialer Perspektive geht es nicht nur darum, Völkerschauen als Unterhaltungsveranstaltungen zu untersuchen, sondern systematisch nach den Verbindungen zwischen Unterhaltungs- und Vergnügungskultur und Kolonialismus zu fragen. Die Geschichte der deutschen kolonialen Ansprüche, Fantasien und Eroberungen, die Entwicklungen in den deutschen Kolonien und deren Rückwirkungen auf das Deutsche Reich sind unverzichtbarer Teil der "allgemeinen" deutschen Geschichte. Deutsche Kolonialgeschichte kann daher nicht als abgeschlossene Subdisziplin geschrieben werden. Im Sinne postkolonialer Ansätze müsste die Frage also vielmehr lauten: "Deutsche Geschichte postkolonial schreiben: Was heißt das?" Vgl. Dörte Lerp, Imperiale Grenzräume. Bevölkerungspolitiken in Deutsch-Südwestafrika und den östlichen Provinzen Preußens 1884–1914, Frankfurt/M.–New York 2016. Vgl. Birthe Kundrus, Colonialism, Imperialism, National Socialism. How Imperial Was the Third Reich?, in: Bradley Naranch/Geoff Eley (Hrsg.), German Colonialism in a Global Age, Durham–London 2014, S. 330–346. Vgl. Stuart Hall, Wann gab es "das Postkoloniale"? Denken an der Grenze, in: Sebastian Conrad/Shalini Randeria (Hrsg.), Jenseits des Eurozentrismus. Postkoloniale Perspektiven in den Geschichts- und Kulturwissenschaften, Frankfurt/M.–New York 2002, S. 219–246. Beispielsweise widmen sich in verschiedenen Städten Vereine einer postkolonialen Spurensuche im Stadtbild. Siehe Externer Link: http://www.freiburg-postkolonial.de/Seiten/Links.htm. Siehe auch den Beitrag von Jürgen Zimmerer in dieser Ausgabe (Anm. d. Red.). Vgl. Hubertus Büschel, Hilfe zur Selbsthilfe. Deutsche Entwicklungsarbeit in Afrika 1960–1975, Frankfurt/M.–New York 2014. Vgl. ebd., S. 530. Vgl. Bill Ashcroft/Gareth Griffiths/Helen Tiffin, Othering, in: dies. (Hrsg.), Postcolonial Studies: The Key Concepts, London–New York 20133, S. 188ff. Vgl. Edward W. Said, Orientalismus, Frankfurt/M.–Berlin–Wien 1981. Vgl. Homi K. Bhabha, Of Mimicry and Man: The Ambivalence of Colonial Discourse, in: ders., The Location of Culture, London–New York 1994, S. 85–92. Vgl. ders., Sly Civility, in: October 34/1985, S. 71–80. Vgl. Felix Axster, Die Angst vor dem Verkaffern – Politiken der Reinigung im deutschen Kolonialismus, in: WerkstattGeschichte 39/2005, S. 39–53. Vgl. Andreas Eckert, "Der beleidigte Negerprinz". Mpundu Akwa und die Deutschen, in: Etudes Germano-Africaines 9/1991, S. 32–38. Vgl. Ulrike Schaper, David Meetom. Interpreting, Power and the Risks of Intermediation in the Initial Phase of German Colonial Rule in Cameroon, in: The Journal of Imperial and Commonwealth History 5/2016, S. 752–776. Vgl. Gayatri C. Spivak, Can the Subaltern Speak?, in: Cary Nelson/Lawrence Grossberg (Hrsg.), Marxism and the Interpretation of Culture, Urbana–Chicago 1988, S. 271–313. Vgl. Hall (Anm. 3), S. 236–239. Vgl. Dipesh Chakrabarty, Provincializing Europe. Postcolonial Thought and Historical Difference, Princeton 2000. Vgl. Ulrike Schaper, Koloniale Verhandlungen. Gerichtsbarkeit, Verwaltung und Herrschaft in Kamerun 1884–1916, Frankfurt/M.–New York 2012, Kapitel 4. Vgl. Shalini Randeria, Geteilte Geschichte und verwobene Moderne, in: Jörn Rüsen/Hanna Leitgeb/Norbert Jegelka (Hrsg.), Zukunftsentwürfe. Ideen für eine Kultur der Veränderung, Frankfurt/M.–New York 2000, S. 87–96. Vgl.Susann Lewerenz, Geteilte Welten. Exotisierte Unterhaltung und Artist*innen of Color in Deutschland 1920–1960, Köln–Weimar–Wien 2017.
Article
, Ulrike Schaper
2022-02-16T00:00:00
2019-09-25T00:00:00
2022-02-16T00:00:00
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/297593/deutsche-kolonialgeschichte-postkolonial-schreiben-was-heisst-das/
Postkoloniale Ansätze fordern eine räumliche, zeitliche und thematische Erweiterung der Kolonialgeschichte im engeren Sinn. In dem Beitrag wird an fünf Beispielen gezeigt, wie sich das auf die deutsche Kolonialgeschichte übertragen lässt.
[ "Kolonialismus", "Postkolonialismus", "deutsche Geschichte", "Erinnerungskultur", "Geschichtsschreibung", "Historiografie" ]
502
Dokumentation: Das Minsker Memorandum vom 19. September | Ukraine-Analysen | bpb.de
Memorandum über die Erfüllung des Protokolls der Ergebnisse der Beratungen der Trilateralen Kontaktgruppe über gemeinsame Schritte zur Umsetzung des Friedensplans des Präsidenten der Ukraine, Petro Poroschenko, und der Initiativen des Präsidenten Russlands, Wladimir Putin. Da der Text nur im russischen Original verfügbar ist, folgt eine inoffizielle Übersetzung für die Ukraine-Analysen. Zur Umsetzung von Punkt 1 des Protokolls der Ergebnisse der Konsultationen der Trilateralen Kontaktgruppe über gemeinsame Schritte zur Umsetzung des Friedensplans des Präsidenten der Ukraine, Petro Poroschenko, und der Initiativen des Präsidenten Russlands, Wladimir Putin (unterschrieben in Minsk, Belarus, am 5. September 2014), hat die Trilaterale Kontaktgruppe, die aus Vertretern der Ukraine, der Russischen Föderation und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sowie aus Vertretern einzelner Distrikte der Regionen Donezk und Luhansk besteht, Einverständnis über folgende Maßnahmen erzielt, die die Vereinbarung über eine beidseitige Beendigung des Waffeneinsatzes bestätigen sollen. Die Beendigung des Waffeneinsatzes gilt für alle Parteien. Alle Parteien müssen Truppenteile und Untereinheiten in der Position vom 19. September 2014 halten. Der Einsatz jeglicher Art von Waffen und die Durchführung offensiver Operationen sind verboten. Innerhalb von 24 Stunden nach Beschluss dieses Memorandums müssen beide Seiten alle Waffen mit Kalibern von über 100 mm (mit Ausnahme der unten genannten) bis auf mindestens 15 Kilometer Abstand zur Kontaktlinie zurückziehen, unter anderem auch aus besiedelten Orten. Das wird die Schaffung einer Waffenstillstandszone von mindestens 30 Kilometern erlauben (Sicherheitszone). Gleichzeitig müssen Artilleriesysteme mit Kalibern von über 100 mm auf den Abstand ihrer maximalen Schussweite zurückgezogen werden. Insbesondere gilt das für diese Systeme: 100-mm-Kanone MT-12 – 9 km; 120-mm-Granatwerfer – 8 km; 122-mm-Haubitze D-30 (2S1 "Gwosdika") – 16 km; 152-mm-2S5 "Giazint-S" (2S3 "Akazia", 2S19 "Msta-S", 2A65 "Msta-B") – 33 km; RSZO 9K51 "Grad" – 21 km; 9K57 "Uragan" – 36 km; 9K58 "Smertsch" – 70 km; RSZO "Tornado-G" – 40 km, RSZO "Tornado-U" – 70 km, RSZO "Tornado-S" – 120 km; taktische Lenkflugkörpersysteme – 120 km. Die Stationierung von schweren Waffen und Kampftechnik in dem Gebiet zwischen den Orten Komsomolskoe, Kumatschewo, Nowoasowsk und Sachanka ist verboten, die OSZE überwacht dieses Verbot. Innerhalb der Sicherheitszone ist die Errichtung neuer Minen- und Sprengstoffbarrieren verboten. Bereits errichtete Minen- und Sprengstoffbarrieren sind abzubauen. Ab dem Beschluss dieses Memorandums gilt ein Flugverbot für Kampfflugzeuge und ausländische unbemannte Luftfahrzeuge (Drohnen) – mit Ausnahme von Drohnen, die die OSZE-Beobachtermission einsetzt – entlang der gesamten Kontaktlinie in der mindestens 30 Kilometer breiten Waffenstillstandszone. Innerhalb von 24 Stunden nach Beschluss des Memorandums muss eine OSZE-Beobachtermission eingesetzt werden, bestehend aus den Beobachtergruppen der Organisation in der Waffenstillstandszone. Es ist ratsam, das oben genannte Gebiet in Sektoren zu unterteilen, deren Anzahl und Grenzen im Laufe der Vorbereitung der Arbeit der OSZE-Beobachtermission vereinbart werden. Alle ausländischen Militärkräfte, alle Kampftechnik sowie alle Kämpfer und Söldner werden aus der Ukraine unter OSZE-Überwachung abgezogen. Teilnehmer der Trilateralen Kontaktgruppe: Botschafterin Heidi Tagliavini [Unterschrift] Zweiter Präsident der Ukraine L. D. Kutschma [Unterschrift] Botschafter der Russischen Föderation in der Ukraine M. Ju. Surabow [Unterschrift] A. W. Sachartschenko [Unterschrift] I. W. Plotnizki [Unterschrift] Minsk, 19. September 2014 Quelle: Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), Externer Link: http://www.osce.org/home/123806
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2021-06-23T00:00:00
2014-10-02T00:00:00
2021-06-23T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/europa/ukraine-analysen/192488/dokumentation-das-minsker-memorandum-vom-19-september/
Am 19. September 2014 trafen sich Petro Poroschenko, Wladimir Putin und weitere Protagonisten der aktuellen Krise in Minsk, um Lösungsmöglichkeiten zu erörtern: das "Minsker Memorandum" fixiert eine Beendigung des Waffeneinsatzes.
[ "" ]
503
Alles unter Kontrolle? - Video-Überwachung der Staatsfeinde | Kontraste - Auf den Spuren einer Diktatur | bpb.de
Alles unter Kontrolle, Kameras in Aktion. Die Staatssicherheit ist zwar abgeschafft. Doch die Überwachung geht weiter. Hier und heute. Berlin Alexander in diesen Tagen. Vertreter der SPD stellen den DDR-Innenminister am Runden Tisch zur Rede. Markus Meckel, SPD „Gestern hatten wir eine Kundgebung auf dem Alexanderplatz. Es wurde beobachtet, dass die Kameras, die oben auf dem Haus für Elektronik sind, und auch gestern benutzt wurden. Ich möchte nachfragen: ‚Wer saß dahinter? Wo kam dieses Material hin?‘ Innenminister Lothar Ahrendt, Generalleutnant „Ich darf Ihnen hier wirklich versichern, die dienen nicht der Überwachung und haben nie gedient von irgendwelchen Leuten, sondern die dienen ausschließlich der Beurteilung der Lage in bezug auf die Lösung von polizeilichen Aufgaben.“ Sein Vorgänger, schon unter Ulbricht, danach unter Honecker im Amt, wird konkreter: Ehemaliger Innenminister Friedrich Dickel, Armeegeneral a. D. „Das war im wesentlichen Verkehrsüberwachung. Auch die wichtigsten Verkehrsknotenpunkte der Stadt waren dort auch, um, wie sagt man, verkehrslenkende Maßnahmen durchzuführen.“ Frage: „Gab es auch andere Nutzungen dieser Anlagen?“ „Nein, also, das kann, soviel ich die Dinge kenne, nicht.“ Kontrolle des Straßenverkehrs und sonst gar nichts. Das ist die Unwahrheit. Denn die Kameras sind beweglich, einsetzbar auch für andere Zwecke. Kontraste liegt der Beweis vor: Ein Videoband, gefunden im Ministerium für Staatssicherheit in der Ostberliner Normannenstraße, dokumentiert die Überwachung des Alexanderplatzes am 7. September. Hier im Zentrum von Ostberlin fanden schon vor der Wende spontane Demonstrationen statt. Die Aufnahmen liefen zusammen im Präsidium der Volkspolizei. Und von hieraus gingen sie über direkte Leitung zur Staatssicherheit. Karl-Heinz Wagner, ehemaliger stellvertretender Innenminister, Generaloberst a. D. Frage: „Das ging aber auch problemlos, dass die Volkspolizei da mit der MfS zusammengearbeitet hat?“ „Das ging problemlos. Warum nicht? Es war eine gemeinsame staatliche Aufgabe, die zu lösen war. Da wurde nicht zusammengearbeitet, das war einfach, die Leitungen waren geschaltet und da konnten sie die Bilder übernehmen.“ In der Zentrale der Stasi wurden die Bilder empfangen und bei Bedarf den einzelnen Mitarbeitern in die Arbeitszimmer geschaltet. So auch dem Stasi-Chef Mielke und seinem Stellvertreter, Generaloberst Mittig. Rudi Mittig, Generaloberst a. D. Frage: „Wurden auch Demonstrationen auf dem Alexanderplatz, zum Beispiel gegen die Wahlfälschung beobachtet?“ „Nein. Ist mit, ist mir nicht bekannt.“ Doch das Videoband belegt: Der Stasi-Mann sagt die Unwahrheit. Am Nachmittag des 7. September 1989 wurde eine Demonstration gegen Wahlfälschung in der DDR unter die Lupe genommen. Rudi Mittag Frage: „Wurden Kamerateams, z. B. das ZDF, beobachtet, bei ihren ganz normalen Aktivitäten zu filmen?“ „Nein.“ Frage: „Das können Sie hier ganz genau sagen?“ „Das kann ich sagen, jawohl.“ Auch diesmal lügt der stellvertretende Minister. Gezielt wird das Fernsehteam des ZDF observiert. Und als sich Korrespondenz Michael Schmitts und sein Kameramann an die Arbeit machen wollen, ist über Funk schnell eine Polizeistreife herbeigerufen. Die Öffentlichkeit soll nichts erfahren vom Protest gegen die Wahlfälschung. Dem Fernsehteam wird verboten, den Alexanderplatz zu betreten. Die Journalisten sollen nicht Zeugen werden von dem, was auf dem Alexanderplatz geschieht. In den Kommandozentralen von Stasi und Polizei ist man genau im Bilde. Und so gibt es den Befehl, die unerwünschten Fernsehleute endlich aus dem Verkehr zu ziehen. Stasi-Mitarbeiter agieren als aufgebrachte Bürger und verhindern die Dreharbeiten. Polizei und Stasi arbeiten Hand in Hand. Die Technik im Polizeipräsidium erleichtert ihnen die Koordination der Einsätze. Günther Singer, Leiter Abteilung Nachrichten der VP, Oberleutnant Frage: „Dann hat hier ein Volkspolizist gesessen und die Bilder auch für die Staatssicherheit gesteuert?“ „Die hat nicht für die Staatssicherheit gesteuert, sondern die Staatssicherheit war zeitweiliger Mitbenutzer.“ Frage: „Und hat sie dann Wünsche geäußert, was gefilmt werden soll?“ „Bei bestimmten Anlässen gab es auch Wünsche, dass mal dieser, dieses Bild oder jenes Bild gebracht wird.“ Frage: „Wie war das denn bei Demonstrationen auf dem Alex, z. B. am 7. September, bei der Demonstration gegen Wahlfälschung. Wer hat denn da hier die Kameras bedient?“ „Na, selbstverständlich meine Mitarbeiter haben die Kamera bedient.“ Frage: „Und was haben Sie da z. B. dann für Zwecke verfolgt?“ „Na, zu kontrollieren und zu beobachten, wie sich die Personenbewegungen vollziehen, welche Einschränkungen das auf den Straßenverkehr und auf andere Bewegung hat.“ Frage: „Haben Sie da gezielt einzelne Personen auch verfolgt?“ „Das können wir mit diesen Mitteln überhaupt nicht. Sie können mit dieser Anlage einzelne Personen nicht verfolgen.“ Wieder eine Lüge. Das Videoband vom 7. September zeigt auch die Überwachung einzelner Personen. Was sie tun, wohin sie gehen. Jeder, der ein Plakat tragen könnte, ist verdächtig und wird verfolgt. Genau wird beobachtet, wo Ansammlungen entstehen. Und über Funk gibt es die Einsatzbefehle zum Zugriff. Die sogenannten Störer werden festgenommen. Ruhe als erste Bürgerpflicht – das war der Grundsatz der SED über Jahrzehnte. Auch heute noch wird die Überwachungstechnik im Polizeipräsidium angewendet. Die Mitarbeiter sind die alten. Für KONTRASTE eine Sondervorführung des ‚Operativen Fernsehens‘ – so der offizielle Name. „Können Sie nochmal näher auf den Brunnen?“ „Weiter geht nicht.“ ‚Weiter ‚ran geht nicht‘, erklärt der Mann am Steuerhebel, obwohl er es besser weiß und, wie an den Videobildern vorher bewiesen, oft praktiziert hat. Nach wie vor ist es möglich, die Kamera so zu steuern, dass Personen genau observiert werden können. Die technischen Anlagen wurden nicht verändert. Günther Singer, Leiter Abt. Nachrichten der VP (Oberstleutnant) Frage: „Machen Sie denn jetzt noch Aufzeichnungen?“ „Selbstverständlich machen wir auch jetzt Aufzeichnungen über bestimmte Ereignisse.“ Jörg Bachmann, Leiter ‚Operatives Fernsehen‘ der VP (Oberleutnant) Frage: „Machen Sie noch bei Demonstrationen Aufzeichnungen?“ „Ja, zum Teil auch. Das ist auch eine Frage, wie der Herr Singer das schon sagte, der Größenordnung der Demonstration, welche Auswirkungen hat das auf den Straßenverkehr, die übrige polizeiliche Lage, insbesondere auch kann es möglicherweise zu Personenbewegung kommen, die polizeilich unter Kontrolle gehalten werden muss.“ Frage: „Die neu gegründete Sozialdemokratie hatte ja hier kürzlich eine Demonstration. Haben Sei sowas zum Beispiel aufgezeichnet?“ „Da werden zum Teil auch Aufzeichnungen gemacht, um einen Überblick zu haben, was passiert wann. Also einen zeitlichen Überblick, wenn etwas vorfällt, dass man für Ermittlungen bzw. für Maßnahmen auch sagen kann, dann ist das und das passiert. Das hat aber keinerlei Bedeutung für kriminalistische Arbeit. Diese Aufzeichnungen gehen auch nicht aus diesem Bereich raus. Es sei denn, es gibt eine Anforderung über Staatsanwalt oder ähnliches.“ Ähnliches, das war bis vor kurzem die Staatssicherheit. Ihre direkten Anschlüsse wurden Ende Dezember gekappt. Doch es gab und gibt noch andere Kunden. Eine direkte Leitung nebst Fernsprecheinrichtung geht bis heute in das Dienstzimmer des Innenministeriums. Jörg Bachmann Frage: „Kann man denn jetzt noch die Fernsehbilder auch im Ministerium des Innern sehen?“ „Ja, der Teilnehmer existiert noch.“ Frage: „Warum?“ „Das ist eine Anforderung durch den, durch unseren Minister und wird weiterhin praktiziert.“ Wird hier nun die Arbeit der Stasi gemacht? KONTRASTE wollte nachfragen und bemühte sich seit 14 Tagen vergeblich um ein Interview mit dem Innenminister. ‚Er habe keinen Termin frei‘, teilte uns die Pressestelle mit. Der Minister hüllt sich in Schweigen. Die Fernsehtechnik funktioniert weiter. Die Kameras sind in Betrieb. Lothar Ahrend, DDR-Innenminister „Die dienen nicht der Überwachung und haben nie gedient von irgendwelchen Personen.“ Mit freundlicher Genehmigung des Rundfunk Berlin-Brandenburg
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2022-01-24T00:00:00
2012-03-16T00:00:00
2022-01-24T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/deutsche-teilung/kontraste/77586/alles-unter-kontrolle-video-ueberwachung-der-staatsfeinde/
Hier finden Sie das Sendungsmanuskript zum "Kontraste"-Beitrag vom 6. Februar 1990.
[ "Sendemanuskript", "Kontraste" ]
504
NECE – Networking European Citizenship Education | Presse | bpb.de
Dear guests, I am delighted that so many of you have accepted our invitation and made their way to Santiago de Compostela. In a world in which the factor of time has shrunk to a relative dimension and distances no longer represent a hindrance, there is still less and less room to retreat nowadays for to be able to contemplate and reflect: This so important city of Santiago de Compostela, steeped in history and culture, is surely one of the most beautiful places where it is still possible to do this, and I have the wish that a part of these myths and visions that the city possesses will shine down on our conference. Let me briefly go into some of the points on the programme associated with this conference. The change in global framework conditions and the increasing Europeanisation of politics has already for some years been stirring my institution – a public institution affiliated to the Federal Ministry of the Interior and primarily committed to a national educational mandate – to expose the concept of civic education to a European comparison and an exchange of experience, in order thereby to learn for its future structure and to develop new methods at a national level. Since 1996, the Federal Agency for Civic Education has been holding events in Europe annually in association with alternating European partners on topical issues on the EU socio-political agenda, and indeed with the following goal options: Identification of further European partner organisations and players at the European decision-making level as well as the development of a corresponding network association;Formulation of a qualified benchmark for to further develop a subject-related didactics of extra-curricula civic education that is Europe-related;And finally the processing of discourses in politics, education, and culture, in order to enable European thinking in the national context become a stronger component in the process of forming public opinion. In doing so, we are again and again confronted with the question of which concept of political/civic education we are going to use here as the basis in a European context: Political education is – directly translated – a cumbersome term which causes a great deal of irritation, and which we – for these reasons – have not used for the English translation of the name of our organisation and also not for the titles of the previous conferences. Currently, the concept of a European civic education is being subjected in Germany to a debate on subject-related didactics. Within this context, so far it still has not happened that a binding term has been stipulated, either "political" or "civic education" or "citizenship education". I see the outcome as still open. Impulses on this from this conference will surely be taken up. But in this case it must nowadays be a crucial factor that we work on the basis of a widely-held concept of education; for in a Europe of 25 countries, which will be soon characterised by the reality of a common constitution and whose multiple cultural identities make this complex entity of states into an exceptional union, it can no longer be sufficient to convey only knowledge on political associations and structures. The growing demands on a European civic society, the influence of the media, the significance of intercultural dialogue and the pursuit of a sustainable political concept require new forms of a democratic citizenship education that is necessary for the transformation process away from a consuming democracy towards an active, participatory democracy. Also in our understanding, civic/political education must be more than just a cognitive process; it embraces a continual process of education and thereby at the same time it also shapes life and moulds personality. I would like to outline only 3 core points that reflect this comprehension on the contents and the work of a modern civic education. Civic education conveys the necessary knowledge on systems, mechanisms, and the interdependences of human society. This knowledge is not isolated but concerns everyone in his or her relationships in life. Civic education helps to ascertain, to analyse, and to query both local processes and worldwide complexities. The training of the ability to criticise – i.e. the abilities to differentiate, to discuss, and to solve problems – is the goal of this transfer of knowledge.Civic education on the basis of social sciences and as democratic education lives from the insight into the multi-dimensional nature of problem situations. Different interests, situations of power, dilemmata and complexities count among the challenges of civic education to present the ways and means, to make non-violent and just decisions.Civic education is capable of promoting the individual competences needed to shape the things around us and it wants to put everyone in the position to participate both in shaping the future and in political and societal decisions. Its aim is the enablement and capability to participate. These models find expression in our work, e.g. in a varied pallet of services, these include a variety of printed products and formats of events, congresses, festivals, fairs, exhibitions, study trips, competitions, film seminars and cultural presentations as well as events and retraining of journalists. A particular highlight is the online offer of the Federal Agency for Civic Education. You can access us under bpb.de and inform yourself about our entire offer as well as about current controversial topics and their relationships via our background reports and dossiers. In the coming four days we would like to discuss with you about topics, agendas and field of practice, subject-related didactics as well as country-specific problem areas and a European civic education. Best-practice examples will be presented in order for you to achieve a better understanding of the already existing concepts of a European civic education. Moreover, we promise you not only an intensification of the contacts, an active networking; but also the working out of the first parameters for a basic canon on the norms and standards of quality for a European civic education. And we have chosen a good time for this educational discourse: The European Commission passed in the spring of this year a new "Community Action Programme to promote active European citizenship"; the Council of Europe has nominated 2005 as the "European Year of Citizenship through Education". We shall correspondingly process the results of this conference and make them available to both levels. And we shall continue to accompany these processes and to monitor them intensively. I would like to warmly express my gratitude to the University of Santiago for their engagement in preparing this conference; to Professor Ramon Suarez, the Rector of the Faculty of Political Science and his colleagues; to Professor Fernando Vallespin, our partner and friend of many years´ standing, on whose suggestion we have come to Santiago; to the Galician regional government, which has invited us this evening to a reception in the parliament; and of course to our cooperation partners, who have supported us with this conference, particularly Manfred Wirtitsch and Siegrid Steininger from the Austrian Ministry of Education; Hannelore Chiout of the European Network Dare and Teodor Celakoski from the Multimedia Institute, Croatia. I am very pleased that we are all here in person and I am looking forward to us all working well together. Finally I have to unfortunately inform you of a sad change in the programme. I know that most of you have been looking forward to seeing Adam Michnik here and I of course as well. However he has suddenly become ill and cannot travel. Many thanks goes out once again to Professor Bodei, who is giving a lecture on "Europe and Democracy" on Saturday.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2021-06-23T00:00:00
2011-12-23T00:00:00
2021-06-23T00:00:00
https://www.bpb.de/die-bpb/presse/51178/nece-networking-european-citizenship-education/
Europa wird größer und die Herausforderungen an eine transnationale politische Bildungsarbeit nehmen zu. In seiner Eröffnungsrede skizzierte bpb-Präsident Thomas Krüger die Rahmenbedingungen für die Zukunft der politischen Bildung. Originaltext der R
[ "Unbekannt (5273)" ]
505
Aus dem Weichseldelta | Geschichte im Fluss. Flüsse als europäische Erinnerungsorte | bpb.de
Warten auf die Eisenbahnbrücke Dirschau! - Welcher Bewohner des westlichem Deutschlands hätte vor vielleicht nur noch wenigen Jahren etwas von Dirschau gewußt? Höchstens würde einer oder der andere Reisende sich voll Schrecken jener einsam verlebten Tage erinnert haben, da er bei einer Reise in die östlichste Provinz des preußischen Staates Tage lang auf den günstigen Moment über die Weichsel zu gelangen warten mußte. Einem dritten wäre es vielleicht beigefallen, daß Dirschau den Knotenpunkt der Berlin-Königsberger und Danzig-Bromberger Chaussee bilde, zur Hälfte von einer polnisch redenden Bevölkerung bewohnt werde und nichts von "Merkwürdigkeiten" besitze. Ein Gelehrter hätte sich wohl gar dahin geäußert, daß der ursprüngliche Name Dersowe, Trsow gelautet, daß die Stadt durch den Pommerellensehen Fürsten Sambor schon 1207 eine Burg erhalten und etwa ein Jahrhundert später unter die Herrschaft des Deutschen Ordens gekommen; alle würden sich aber in dem Urtheile vereinigt haben, daß es ein ganz abscheulicher Ort sei, den man so schnell als möglich verlassen müsse, um entweder der "Stadt der reinen Vernunft" oder dem "Venedig des Nordens" zuzueilen. So war es früher, und jetzt? – Wir nennen Dirschau, wenn wir von der Göltzschthalbrücke, der Sömmeringbahn, den Ueberbrückungen des Conway und der Menaistraße reden. Es ist diesem Orte gegangen wie manchen Völkern, von denen Niemand etwas weiß, die mit einem Male in der Geschichte auftreten und die Welt mit dem Rufe ihrer Thaten erfüllen. Auch mancher Mensch lebt so still für sich hin, in geräuschlosem Wirken Andere meidend, sein eigenes Selbst entwickelnd; Niemand kennt ihn; vielleicht ahnt er selber nichts von seiner Bestimmung; und plötzlich ist die Samenkapsel aufgesprungen und streut ihren Inhalt in alle Winde. Wie manchen sonst weltverlassenen Ort hat nicht die Eisenbahn berühmt gemacht, wie manches traumverlorne Thal durchirrt nicht der schrille Pfiff der Lokomotive! Ihr Bewohner schaute die neuen sonderbaren Erscheinungen erst mit demselben stupiden Erstaunen an, wie der Eingeborne Amerikas die ersten Schiffe der Spanier oder der alte Preuße die stahlgepanzerten Ordensritter, um bald an dem allgemeinen Treiben und Jagen Theil zu nehmen und dem Gewinne nachzugehen. Ein eigentlich unmögliches Vorhaben Den ungeheuren Bauten und Zurüstungen gegenüber, welche die Errichtung der Weichselbrücke bei Dirschau und der Nogatbrücke bei Marienburg ins Leben rief, vermag beim ersten Anschauen selber der Gebildete kaum etwas Anderes als ein begriffsloses Verwundern entgegensetzen. Das Horazische nil admirari mag da seine Anwendung finden, wo sich uns Vergleichungen, Analogieen darbieten, wo uns zwar etwas Neues aber nichts Unerhörtes entgegentritt. Bei jedem Bewohner des Weichselthales, jedem Kenner der Natur dieses Stromes war aber die Vorstellung von einer Unmöglichkeit seiner Ueberbrückung eine so unumstößliche geworden, daß das wirkliche und sichere Gelingen des verspotteten Projektes meist nur ungläubig vernommen und das leibliche Schauen die vorgefaßte Meinung zu überwinden kaum im Stande gewesen ist. Ein bloßes Staunen über die Ausführung dieses Riesenwerkes mag wohl bei den meisten der Weichselbewohner der Bewunderung und dem Verständniß der genialen Schöpfung vorhergegangen sein. Woher die Vorstellung von dem Mißlingen dieses Werkes? Die alte Bahnbrücke über die Weichsel von 1857 ist heute noch als Straßen- und Fußgängerbrücke in Betrieb. (Topory; Externer Link: Wikimedia Commons) Lizenz: cc by-sa/3.0/de Der Mensch im Kampfe mit der Natur und ihren vernichtenden Kräften ist von jeher der Gegenstand einer staunenden Bewunderung gewesen; aber nur, wenn er siegreich diesen Kampf besteht. Das Unterliegen macht ihn lächerlich; es ist wie ein Kampf mit dem Schicksal. Keinem Elemente gegenüber kann der Mensch eher auf einen Triumph rechnen, als beim Wasser. Wir verweilen in der Geschichte daher gerne bei solchen Nachrichten, welche von einer Bändigung, einem Jochauflegen reißender Ströme, bewegter Fluthen reden, von der scythischen Isterbrücke des Darius, dem ruthengepeitschten Hellespont, der Rheinbrücke Cäsars bis zu dem "Brucken" des Prinz Eugenius. Aber die meisten dieser Ueberbrückungen dienten nur provisorischen Zwecken, sie bedeuteten nicht viel mehr, als unsere heutigen Pontonbrücken. Von festen und bleibenden Brücken großer und mächtiger Ströme weiß die Geschichte selten zu erzählen, und wo es geschehn, da zeigen die unter dem Wasser hervorragenden Trümmer, daß der Strom sein Joch bald unwillig abgeschüttelt hat. Erst die neueste Zeit hat den Versuch gemacht, auch die unbändigsten Ströme zu bändigen, die störrigsten zu zäh- men, dem unwilligsten Nacken das Joch aufzulegen. Haben sie doch den Niagara überbrückt, den Menai-Hellespont überbaut, und – was mehr sagen will – wird doch in Kurzem die Lokomotive über die Weichselbrücke brausen. Kennt ihr die Tücken der Weichsel? Kennt ihr die Weichsel? Wißt ihr etwas mehr, als daß sie auf den Karpathen entspringt, Krakau, Warschau und Danzig vorüberfließt in der Ostsee mündet? Kennt ihr die Tücke dieses Stromes? Vielleicht fuhrt ihr einmal über seine Eisdecke, die so still und fest daliegt; es ist das bleiche Gesicht, die eisige Ruhe jenes Beleidigten, der sogleich ein Wuthausbruch folgen wird. Oder ihr saht den versandeten seichten Strom im Sommer; es ist die Magerkeit des gefangenen, kärglich genährten Raubthiers. Die Weichsel ist sie selbst nur in ihrer Wuth, in ihrer Zerstörung; kein Lied besingt ihre Lieblichkeit, kein Dichter preist sie wie denInterner Link: "grünen" Rhein, die Interner Link: "blaue" Donau, den "liederreichen" Don; sie hat ihren wahren Ausdruck nur bei der Katastrophe, während des Eisgangess; sie ist furchtbar, als hätte sie ihre Quelle in dem ewigen Eise des tiefsten Kreises der Danteschen Hölle. Auch der Bewohner südlicherer Gegenden, selbst des westlichen Deutschlands kann eine Vorstellung von der dämonischen Gewalt der Flüsse haben; plötzliche Ueberschwemmungen, Versandungen und Verheerungen bezeichnen die ebenso nützliche als zerstörende Lebensthätigkeit überall, wo eine solche Flußader pulsirt. Der Reisende wundert sich über die vielbogigen Brücken der subalpinen Ströme, welche als winzige Wasserfäden durch ein mit fußtiefem Geröll angefülltes, breites Bett rieseln; er braucht nur einen Gewittersturm abzuwarten, um sich dieses Flußbett mit ungeheuren Wasserrnassen füllen und die Ufer überschwemmen zu sehen. Auch der Bewohner des Rheins weiß von Ueberfluthungen zu erzählen und der Mangel an festen Brücken spricht mehr als Alles für seine Unbändigkeit. Dennoch würde es vollkommen falsch sein, nach der Natur der westlichen und südlichen Ströme Deutschlands auf die der Weichsel zu schließen. Die Gefährlichkeit des Rheins oder der Donau verhält sich zu der der Weichsel etwa wie die Gefahren einer Fahrt im atlantischen Meere zu denen einer Polar-Expedition. Denn wenn bei jenen Strömen vorzugsweise das Wasser als verheerender und vernichtender Faktor auftritt, so ist es bei der Weichsel das Eis. Während dort das Hochwasser normal verläuft und nur ausnahmsweise Katastrophen hervorruft, verursacht der Eisgang der Weichsel alljährlich eine Gefahr, welche, wie die Felswände des Galanda über den Hütten von Felsberg, die Bewohner der Weichselniederungen, namentlich des Delta's, bedroht, und nur deshalb weniger unerträglich erscheint, weil die Gewohnheit und die regelmäßige Wiederkehr der Gefahr die Empfindung und die Furcht davor abgestumpft haben. Das alles zerstörende Eis Das Eis gehört zu denjenigen Faktoren der Vernichtung, welche am sichersten wirken; das sehen wir an den schwimmenden Eisbergen der Polarmeere und den Gletschern. Es übertrifft in seinen Wirkungen selbst die der Asche und Lava, welche wenigstens nach ihrer Erkaltung eine Kultur zulassen, und steht in Betreff der Schädlichkeit und Nachhaltigkeit der Verwüstung nur hinter dem Sande zurück. Die neue Brücke wurde 1945 stark zerstört. (Andros64; Externer Link: Wikimedia Commons) Lizenz: cc publicdomain/zero/1.0/deed.de Furchtbarer noch als da, wo das Eis massenhaft und kompakt auftritt – wie in den Gletschern der Alpen oder den Eisfeldern des Nordens – sind seine Wirkungen aber in Verbindung mit dem strömenden Wasser, indem es hier die Gewalt des Stromes nicht bloß verstärkt, sondern zugleich durch Ansammlungen, Stopfungen einen Damm gegen den Strom selber errichtet und dadurch eine Ueberfluthung der Flußufer verursacht. Dieses geschieht namentlich dann, wenn der Lauf eines Stromes in nördlichern Breitengraden von Süden nach Norden geht. Fließt ein Strom von Norden nach Süden, wie beispielsweise die schwedischen Flüsse, dann rollt sich im Frühling die Eisdecke wie von selber auf; die Wärme verzehrt Scholle nach Scholle, die Wasser fließen mählig ab und der Uebergang zum ruhigen Stromlaufe des Sommers geschieht langsam, ohne Zerstörung, ohne Gefahr für die Uferbewohner. Wenn aber der Strom von Süden nach Norden fließt; wenn, wie in dem polnischen Hügellande und den dortigen Ebenen, der Frühling plötzlich und mit all seiner Zerstörungslust über den eisbedeckten Strom hereinbricht, dann geschieht auch das Schmelzen der Eisdecke plötzlich; die herbeiströmenden Wasser heben, zerbrechen, walzen die zerberstenden Eismassen und treiben sie mit ungeheurem Krachen nicht einem offenen Wasser, sondern den Niederungen zu, welche von einem Frühlinge noch nichts wissen. Nun zerreißet in Folge des schwellenden Stromes die noch nicht mürbe gewordene Eisdecke; die Schollen, hart wie Glas und nicht zu zertrümmern, wälzen sich auf-, durch einander, thürmen sich zu Bergen und zerstören was ihnen hemmend in den Weg tritt, die vor ihnen sich noch hindehnende Eisdecke, die Dämme, sie bald überfluthend, bald "abschälend" und unterminirend. Es öffnet sich ein Theil des Deiches und heraus bricht die entfesselte Fluth über die tief unter dem Niveau des Strombettes liegenden Ebenen, die Saaten, die Wohnplätze der rathlosen Menschen. Mit dieser Art der Vernichtung, mit dieser Zerstörungslust, welche in den entfesselten Fluthen und Eismassen liegt, kann die dämonische Gewalt des Feuers gar nicht verglichen werden. Schon räumlich will eine Feuersbrunst gegen einen solchen Durchbruch eines Stromes nichts bedeuten; aber auch in Betreff des verloren gegangenen Lebens, des vernichteten Besitzes, der nachhaltigen Wirkungen, wie bei Versandungen ganzer Landstriche, läßt sich zwischen beiden Elementen keine Parallele ziehen. Wir werden später noch speziell auf die Erscheinungen, welche bei solchen Dammbrüchen vorkommen, zurückgehen; hier mag die Andeutung der Wirkungen solcher Katastrophen genügen. Damit dergleichen entstehen, ist aber erforderlich, daß der Strom – wenigstens in seinem untern Laufe – mit einer starken Eisdecke belegt werde. Der Rhein fließt gleichfalls von Süden nach Norden, auch kommt es wohl vor, daß er gefriert. Dieses geschieht aber in einem so geringen Grade, daß die Eismassen als solche selten eine schädliche Wirkung ausüben, daß sie sich wegen ihrer geringern Dicke niemals zu solchen Bergen zusammenthürmen können wie bei der Weichsel. Außerdem tritt der Frühling und die Schneeschmelze im Westen ziemlich gleichmäßig ein; in Folge des Einflusses des Meeres ist zwischen den nördlichen Gegenden des Rheins und den südlichen keine große Differenz. Differenz zwischen Süden und Norden Ansicht von Dirschau, heute Tczew, um 1900. (Urheber unbekannt; Externer Link: Wikimedia Commons) Lizenz: cc publicdomain/zero/1.0/deed.de Die in seinem obern Laufe anschwellenden Wasser treffen daher selten auf Eis, höchstens wieder auf Wasserrnassen, mit denen sie sich zu einem normalen Stromlaufe vereinigen. Bei der Weichsel ist die Differenz zwischen Süden und Norden aber außerordentlich groß. In Polen ist mitunter schon die volle Schneeschmelze eingetreten, während in der Provinz Preußen noch der Winter herrscht; oft pflanzt sich das Schmelzen und Aufbrechen der Eisdecke so langsam fort, daß man sich durch bloße Fußboten von dem Beginne des Eisganges in Kenntniß setzt und in Thorn dem von Warschau aus gemeldeten Eisgange wie einem erst in einigen Tagen herannahenden Ereignisse entgegensieht. Dieses ist aber stets die gefährlichste Art des Eisganges. Denn die Gefahr liegt nicht sowohl in der Bewegtheit, dem Anschwellen, dem Eistreiben des Stromes, sie liegt ganz besonders darin, daß sich die Eismassen vor der noch nicht geschmolzenen und zerkleinerten Eisdecke stopfen, zu Bergen ansammeln, das ganze Strombett erfüllen und den Abfluß des Wassers hemmen. Gewöhnlich bewirkt der fast in quadratischer Progression wachsende Wasserdruck ein Weichen, einen Durchbruch durch den Eiswall. Geschieht es nicht, dann ist eben ein Deichbruch – ein sogenannter Grundbruch – die nothwendige Folge. Eine solche Stopfung findet aber ganz besonders da statt, wo die herankommenden Eisschollen durch das sogenannte Grundeis aufgehalten werden. Wenn sich nämlich im Winter das Wasser an der Oberfläche erkältet, sinkt das spezifisch schwerer gewordene zu Boden und krystallisirt an den hervorragenden Theilen des Bodens zu Eis. Durch fortwährendes Ansetzen wächst dieses Grundeis zu ungeheuren Massen an. Kommt nun die Schmelze, dann löst es sich massenweise, oft in weitester Ausdehnung, vom Boden los, zerberstet, wird weiter gerissen und füllt das Strombett mit seiner Masse aus. Es ist klar, daß da, wo dieses schwimmende Grundeis auf das noch am Boden festliegende trifft, eine Stopfung leichter stattfinden wird als da, wo das tiefere Flußbett keinen Widerstand leistet. Bei solchen Stopfungen hat man wohl auch durch Pulverminen, Kanonenschüsse eine Oeffnung künstlich hervorzurufen versucht, aber fast immer ohne einen wesentlichen Erfolg. Der Mensch vermag in solchen Fällen nicht mehr als der Arzt einer Fieberkrankheit gegenüber; er kann nichts als abwarten, "ob die Natur sich nicht selber helfen werde"; und wenn es nicht geschieht, da mag er müßig der Götterstärke weichen, und wohl ihm, wenn er "ruhig und bewundernd" seine Werke untergehen sieht. Wie schwierig, gefährlich und oft unmöglich bei solchen Verhältnissen das Ueberschreiten des Stromes ist, liegt auf der Hand. Warten auf den Fährmann Im Sommer wird der Verkehr leicht durch eine Schiffbrücke unterhalten, im Frühjahre und Herbste durch Fähren, sogenannte Prahme. So lange nun offenes Wasser ist, geschieht dieses leicht und mit Sicherheit; wenn aber das Eis zu treiben beginnt, dann wird jede Verbindung bis zu der Zeit, daß dasselbe zum Stehen gekommen, aufgehoben, und es geschieht nicht selten, daß die Reisenden Tage lang auf der einen Seite des Stromes verweilen und mit sehnsüchtigen Blicken nach dem so nahen und doch so unerreichbaren "andern Ufer" schauen. Für die von Marienburg her Kommenden entwickelt sich in einer solchen Zeit oft ein lustiges Leben in dem auf dem rechten Weichselufer gelegenen "Fährkruge“, das einander menschlich nahe zu rücken zwingt und an die Regentage auf dem Rigi oder der Schneekoppe erinnert. In solcher Zeit wird in den Bahnhöfen zu Danzig und Königsberg die Art des Trajektes auf einer Tafel angeschreiben; und wie in Berlin nach der Uhr der Akademie, so sieht jeder Reisende nach der verhängnißvollen Tafel; während der Fahrt bildet aber der Trajekt den Inhalt aller Gespräche. Ist das Eis nun zum Stehen gekommen und wäre es auch nur so, daß es "nicht hält und nicht bricht", dann wird quer über den Strom eine Eisbahn gegossen. Das Wasser gefriert sofort und bildet bald einen sichern Weg, den erst Fußgänger auf Brettern und dann selbst die schwersten Fuhrwerke passieren können. So geht es nun meist bis zu dem allgemeinen Eisgange im Frühling; denn nur selten kommt es vor, daß die Eisdecke schon im Winter aufthaut. Sobald aber die von Station zu Station aufgestellten "Eiswachen" die nahende Gefahr verkünden, wird jede Kommunikation unterbrochen; selbst die kühnsten Schiffer und Beamten wagen sich dann nicht hinüber; aller Personenverkehr von Ufer zu Ufer hört auf und nur der Postbriefbeutel wird zuweilen auf schwankendem Faden von einer Seite zur andern gezogen. Der Güterverkehr stockt in solchen Zeiten aber oft wochenlang. Denn selbst wenn endlich der Verkehr durch Spitzprahme und Schiffbrücken möglich geworden, reichen die vorhandenen Kräfte nicht aus, um die ungeheuren Waarenmassen zu befördern; und es ist namentlich während des russischen Krieges nicht selten vorgekommen, daß Kaufleute die lange vor Weihnachten eingekauften Spielzeugwaaren erst im Spätwinter erhielten, daß bei dem Mangel an Räumlichkeiten in Dirschau die kostbarsten Waaren vom Regen durchnäßt wurden und verdarben. Als es aber von Berlin nach Königsberg noch keinen Telegraphen gab, da mußte man oft tagelang selbst auf jede briefliche Nachricht verzichten und ich erinnere mich noch, daß im Jahre 1848 und 1849 zuweilen in zwei bis drei Tagen keine einzige politische Mittheilung aus dem Westen die Weichsel passieren konnte, in einer Zeit, das den Zeitungsblattern nothwendig noch die Feuchtigkeit aus der Offizin anhaften mußte. Lob der Brücke In solchen Momenten bildet die Weichsel ein ergötzliches Tagesgespräch: Man verlangt nach einem bereits vor sechs Wochen in Leipzig angekündigten, interessanten Buche, der Buchhändler erwiedert achselzuckend: die Weichsel; man bestellte vor vier Wochen in Berlin einen neuen Rock, der dortige Schneider schreibt, er läge schon längst – an der Weichsel. Eine Reise wird aufgehoben wegen – der Weichsel. Noch im vergangenen Jahre bei der großen Ueberschwemmung kam ein Offizier aus Berlin zur Verlobung mit seiner Braut genau acht Tage nach dem festgesetzten Termin über – die Weichsel. Kurz "man drehe sich rechts, man drehe sich links", der "Weichselzopf" ist nicht los zu werden und hängt Allen hinten. Wer zweifelt nun noch, daß sich trotz aller Bedenken und Hindernisse die dauernde Ueberbrückung der Weichsel als eine unabweisliche Nothwendigkeit herausstellte? Die alte Bahnbrücke über die Weichsel von 1857 ist heute noch als Straßen- und Fußgängerbrücke in Betrieb. (Topory; Externer Link: Wikimedia Commons) Lizenz: cc by-sa/3.0/de Die neue Brücke wurde 1945 stark zerstört. (Andros64; Externer Link: Wikimedia Commons) Lizenz: cc publicdomain/zero/1.0/deed.de Ansicht von Dirschau, heute Tczew, um 1900. (Urheber unbekannt; Externer Link: Wikimedia Commons) Lizenz: cc publicdomain/zero/1.0/deed.de
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2021-12-07T00:00:00
2013-05-16T00:00:00
2021-12-07T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/europaeische-geschichte/geschichte-im-fluss/160445/aus-dem-weichseldelta/
1857, im selben Jahr, in dem die Eisenbahnbrücken über die Weichsel und die Nogat fertiggestellt wurden, veröffentlichte Ludwig Passarge seinen Erstling "Aus dem Weichseldelta". In diesen Reiseerzählungen verneigt sich der Schrifsteller und Jurist vo
[ "Ludwig Passarge", "Literatur", "Weichsel", "Fluss", "Ingenieur", "Technik", "Ingenieurswesen", "Brücke", "Eisenbahn", "Reise", "Polen" ]
506
Sonnenschein über Pyöngyang | Asien | bpb.de
Einleitung Vom 13. bis 15. Juni 2000 besuchte Kim Dae-jung als erster Präsident der Republik (Süd-)Korea die Demokratische Volksrepublik (Nord-)Korea (DVRK). Am 15. Juni unterzeichneten Kim und sein nordkoreanischer Partner Kim Chung-il ein Abkommen, in dem sich beide Seiten verpflichteten, in der Frage der Wiedervereinigung an neuere Vorschläge anzuknüpfen (DVRK: lockere Föderation, Südkorea: Konföderation) und Dritte nicht an diesem Prozess zu beteiligen, Gefangene auszutauschen, Familien zusammenzuführen und ihre sonstige Zusammenarbeit zu intensivieren. Kim Chung-il kündigte einen Gegenbesuch "zu gegebener Zeit" an. Das Gipfeltreffen war der bisherige Höhepunkt von Kim Dae-jungs 1998 proklamierter "Sonnenscheindiplomatie" gegenüber Nordkorea und löste weltweit fast euphorische Erwartungen hinsichtlich einer Einbindbarkeit der DVRK aus. Noch 1998 hätte kaum jemand mit einer solchen Entwicklung gerechnet: Die innerkoreanischen Beziehungen waren durch anhaltenden kalten Krieg auf der koreanischen Halbinsel schwer belastet, das Regime in Pyöngyang versuchte, Südkorea, die USA und Japan durch Ausspielen des eigenen Chaospotentials zu wirtschaftlichen und diplomatischen Zugeständnissen zu erpressen, und der marode Zustand der nordkoreanischen Volkswirtschaft hatte wiederholt Spekulationen über einen Kollaps der DVRK und daraus resultierende dramatische Verschiebungen in der regionalen Kräftebalance inspiriert. Im Folgenden soll die Entwicklung von der Konfrontation zur Entspannung nachgezeichnet und bewertet werden. I. Nordpolitik, 1988-1992 Der Gipfel vom Juni 2000 war nicht der erste anscheinende Durchbruch der südkoreanischen "Nordpolitik" nach dem Ende des Ost-West-Konflikts. Im Dezember 1991 hatten beide Seiten einen Nichtangriffs- und Versöhnungspakt und eine Erklärung über die Entnuklearisierung der nordkoreanischen Halbinsel unterzeichnet, deren Implementierung jedoch über die anschließende Kontroverse um Pyöngyangs Atomrüstung verschleppt worden war. Dass sich die DVRK unter ihrem damaligen Präsidenten Kim Il-sung, dem Vater Chung-ils, überhaupt zu solchen Abmachungen bereit fand, hatte viel mit ihrer zunehmend desolaten Wirtschaftslage zu tun. Nach eindrucksvollen Wachstumsraten des Bruttosozialprodukts (BSP) von 16 bis 17 Prozent in den sechziger Jahren und immerhin noch etwa 10 Prozent in den siebziger Jahren hatte das nordkoreanische Pro-Kopf-Einkommen seit etwa 1985 stagniert und war seither rückläufig gewesen (es liegt heute bei ca. 700 US-Dollar). Schon in den siebziger Jahren war Pyöngyang nicht mehr in der Lage, westliche Kredite zurückzuzahlen. Was blieb, war ein institutionalisierter Tauschhandel mit dem sozialistischen Lager, an dem die Tauschpartner angesichts ihrer eigenen wirtschaftlichen Öffnung immer weniger Interesse zeigten. In Südkorea betrug das jährliche Wachstum des BSP im Durchschnitt der siebziger und achtziger Jahre regelmäßig mehr als 10 Prozent. Das Prokopf-Einkommen stieg von 83 US-Dollar 1961 auf 2 826 US-Dollar 1987. Die Entwicklung der verarbeitenden Industrie und eine exportorientierte Entwicklungsstrategie hatten aus der Republik Korea eine Newly Industrialised Economy gemacht. Dieser ökonomische Erfolg und der Beginn der Ost-West-Entspannung unter Michail Gorbatschow ermöglichten ab 1987 einen schrittweisen Prozess der "Demokratisierung von oben", der im Februar 1981 in der Person des pensionierten Generals Roh Tae-woo den ersten frei gewählten Präsidenten seit 1961 an die Macht brachte. Roh leitete Südkoreas "Nordpolitik" noch vor dem Untergang der Sowjetunion ein, konnte aber erste Ergebnisse nicht vor der offiziellen Beilegung des sino-sowjetischen Konflikts 1989 vorlegen. Dieser hatte es Pyöngyang in den Jahren zuvor ermöglicht, Peking und Moskau zur Maximierung des eigenen Nutzens gegeneinander auszuspielen und beide von größerer Flexibilität in der Koreafrage abzuhalten. Im selben Jahr fiel die Berliner Mauer. Seither war Wiedervereinigung in Nord und Süd nicht viel mehr als eine rhetorische Konzession an Erwartungen der jeweiligen Basis. Die DVRK wollte ihre Einparteiendiktatur in die neue Zeit hinüberretten, Seoul scheute vor den zu erwartenden Kosten der Einheit zurück. Der beginnende Entspannungsprozess nahm allerdings schnell eine Eigendynamik an, die zumindest im Norden zunehmend als Bedrohung empfunden wurde. Im Januar 1992 unterzeichnete Pyöngyang ein Inspektionsabkommen mit der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO), ein Schritt, der mit Beitritt der DVRK zum Atomwaffensperrvertrag 1985 zwingend notwendig geworden war. Aber schon wenig später begann eine nordkoreanische Verzögerungspolitik, die am 12. März 1993 in der Kündigung des Atomwaffensperrvertrages gipfelte und den innerkoreanischen Dialog vorläufig beendete. Die "Nordpolitik" war gescheitert, und eine neue Administration unter Präsident Kim Young-sam (1993-1998) erhöhte fortan wieder den Druck auf die DVRK. II. Das Gleichgewicht der Kräfte und das Waffenstillstandsregime Auf der koreanischen Halbinsel stehen sich südlich und nördlich der Entmilitarisierten Zone (Demilitarised Zone, DMZ) am 38. Breitengrad 670 000 südkoreanische Soldaten sowie 36 000 amerikanische GIs und 1,1 Millionen nordkoreanische Soldaten gegenüber. Letztere verfügen über ein gewaltiges, aber weitgehend veraltetes Waffenarsenal, das hinter dem technologischen Stand der südkoreanischen Streitkräfte zurückbleibt. Pyöngyangs einzige Chance läge in einem Überraschungsangriff auf städtische Ziele im Süden, insbesondere das nur 40 Kilometer von der DMZ entfernte Seoul. Nordkorea könnte dabei versuchen, seinen Mangel an konventioneller Schlagkraft durch den Einsatz von Massenvernichtungswaffen auszugleichen. Die DVRK wäre vermutlich in der Lage, bis zu fünf nukleare Sprengköpfe und bis zu 250 Tonnen Munition für chemische Waffen zum Einsatz zu bringen. Die Existenz biologischer Waffen wird vermutet. Aufrechterhaltung und Einsatzbereitschaft der Armee zehren allerdings an Nordkoreas ohnehin schwindender Wirtschaftskraft. Pyöngyang ist mit mehr als sechs Milliarden US-Dollar im Ausland verschuldet. Das Pro-Kopf-Einkommen ging zwischen 1991 und 1999 um mehr als 50 Prozent zurück. Die Landwirtschaft konnte den Mindestbedarf aufgrund von Misswirtschaft und Flutkatastrophen seit 1995 nicht mehr decken, und trotz einsetzender internationaler Hilfen fehlten 1997 immer noch drei Millionen Tonnen Getreide. Die verarbeitende Industrie produzierte mangels Energie nur noch zu einem Viertel ihrer Kapazität. Von den jährlich benötigten 2 Millionen Tonnen Rohöl kamen bis Ende 1992 noch 1,2 Millionen Tonnen aus China und 800 000 Tonnen aus Staaten des Mittleren Ostens im Tausch gegen Produkte der nordkoreanischen Rüstungsindustrie. Im Februar 1992 verlangte China Bezahlung in Devisen und schränkte seine Lieferungen deutlich ein, als diese nicht erfolgte. Moskau hatte seine militärischen und zivilen Hilfsleistungen bereits seit 1989 abgebaut und verlangte seinerseits eine Abwicklung des bilateralen Handels auf Devisenbasis. Die DVRK sah sich nunmehr gezwungen, eine bestimmte Menge des importierten Öls weiterzuverkaufen, wodurch sich ihre Energiekrise zusätzlich verschärfte. Militärausgaben verzehrten weiterhin ein Viertel aller verfügbaren Mittel. Kim Il-sung starb unerwartet im Juli 1994, kurz nachdem er seine Bereitschaft zu einem innerkoreanischen Gipfeltreffen signalisiert hatte. Sein Sohn übernahm die Führung, wenngleich nicht als Staatspräsident (das Amt blieb vakant) und zunächst auch nicht als Vorsitzender der Koreanischen Arbeiterpartei (KAP). Kim Il-sung hatte kurz vor seinem Tode versucht, den Status quo auf der koreanischen Halbinsel durch Wiederbelebung des Kalten Krieges zu stabilisieren, und sein Sohn schien diese Strategie zunächst beibehalten zu wollen. Im April 1994 hatte Pyöngyang nach dreijährigem Boykott seinen Austritt aus der Militärischen Waffenstillstandskommission erklärt. Anfang 1995 beging Pyöngyang wiederholt Übergriffe im Bereich der DMZ. Noch im April 1999 kam es vor der Westküste der koreanischen Halbinsel zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen den Seestreitkräften beider Seiten. Wenig später proklamierte die DVRK eine Seegrenze, die deutlich weiter südlich verlief als die 1953 von den USA und ihren Verbündeten festgelegte Linie. Die weitaus schwerwiegendste Provokation in dieser Serie war 1993 der Austritt Nordkoreas aus dem Atomwaffensperrvertrag. III. Nukleares Roulette Amerikanische Nachrichtendienste hatten bereits 1984 vom Bau eines atomaren Forschungsreaktors in Yongbyun, 80 Kilometer nördlich von Pyöngyang, berichtet und daraufhin die sowjetische Regierung in Kenntnis gesetzt. Unter sowjetischem Druck war Nordkorea im folgenden Jahr dem Atomwaffensperrvertrag beigetreten, hatte aber den Abschluss eines Inspektionsabkommens mit der IAEO verschleppt. Dieser erfolgte erst 1992, nachdem die USA ihre in Südkorea stationierten taktischen Atomwaffen abgezogen und ihre Stützpunkte grundsätzlich für nordkoreanische Inspekteure geöffnet hatten. Schon die ersten Ad-hoc-Inspektionen der IAEO in Nordkorea erbrachten 1992/93 Anhaltspunkte dafür, dass die DVRK in den Jahren zuvor mehr Plutonium gewonnen hatte, als in ihrer Ausgangsbilanz ausgewiesen war; nach Berechnungen amerikanischer Geheimdienste hätten damit zwei Atombomben gebaut werden können . Zur Klärung der Diskrepanz verlangten die Inspektoren Zugang zu zwei von der DVRK nicht deklarierten Lagerstätten für Rückstände aus der Wiederaufbereitung. Pyöngyang verweigerte den Zugang unter Hinweis auf den militärischen Charakter der Anlagen. Am 12. März 1993 erklärte Nordkorea seinen Austritt aus dem Atomwaffensperrvertrag und beschuldigte die IAEO der "Einmischung in unsere inneren Angelegenheiten. . . mit dem Ziel, unseren Sozialismus zu strangulieren" . Die USA boten daraufhin bilaterale Verhandlungen an, worauf die DVRK ihren Austritt kurz vor Ablauf der dreimonatigen Kündigungsfrist "vorläufig" zurücknahm. Am 19. Juli begannen trotz anhaltender Spannungen amerikanisch-nordkoreanische Verhandlungen in Genf. Diese endeten nach mehrmaliger Unterbrechung am 21. Oktober 1994 mit der Unterzeichnung eines so genannten Rahmenabkommens (Agreed Framework), dessen öffentlicher Teil folgende Bestimmungen enthielt: Erstens: Die USA organisieren ein internationales Konsortium, das bis ca. 2003 zwei Leichtwasserreaktoren mit einer Gesamtkapazität von 2000 Megawatt an Nordkorea liefert und betriebsfertig aufbaut (in Leichtwasserreaktoren fällt deutlich weniger waffenfähiges Plutonium an als in dem graphitmoderierten Reaktor in Yongbyun). Die DVRK "friert" ihr Plutoniumprogramm bis ca. 2000 "ein" und gestattet IAEO-Inspektoren zwischenzeitlich den Zugang zu den betreffenden Anlagen. 8 000 abgebrannte Brennstäbe werden außer Landes verbracht. Zweitens: Zwischen 2000 und 2003 lässt Pyöngyang die vollständige Inspektion aller Standorte zu, inklusive solcher, die verdächtigt werden, als Versteck von Beweismaterial für zusätzlich erfolgte Plutoniumproduktion zu dienen (es sei denn, Nordkorea liefert eine überzeugende Erklärung für Diskrepanzen zwischen seinen bisherigen Angaben und den vorliegenden Inspektionsergebnissen). Danach baut die DVRK ihre gesamte Plutonium-Infrastruktur ab, und die USA übergeben die "Schlüsselelemente" der beiden Leichtwasserreaktoren. Bis die Reaktoren ca. 2009 ans Netz gehen, liefern die USA jährlich 500 000 Tonnen schweres Heizöl. Drittens: Washington und Pyöngyang bauen existierende Hemmnisse für Handel und Investitionen ab und eröffnen Verbindungsbüros. Die Büros werden in dem Maße zu vollen diplomatischen Vertretungen ausgebaut, in dem es zu Fortschritten bei der Verständigung über "Themen von beidseitigem Interesse" kommt. Viertens: Die USA geben eine förmliche Erklärung ab, der zufolge sie keine Atomwaffen gegen Nordkorea zum Einsatz bringen und die DVRK nicht mit solchen bedrohen. Pyöngyang implementiert die Gemeinsame Erklärung mit Südkorea vom Dezember 1991 über die Entnuklearisierung der koreanischen Halbinsel und nimmt den Nord-Süd-Dialog wieder auf. Fünftens: Nordkorea verbleibt im Atomwaffensperrvertrag . In einem vertraulichen Zusatzprotokoll wurden die verdächtigen Standorte aufgelistet, die im Verlauf der Implementierung inspiziert werden sollten. Der Bau entsprechender Anlagen an anderen Standorten wurde untersagt. Es gab allerdings keine Vorkehrungen für eine Inspektion möglicherweise abkommenswidrig errichteter Anlagen . Kritik an diesem Programm war bereits zum Zeitpunkt der Unterzeichnung laut geworden. Theoretisch konnten auch mit zwei Leichtwasserreaktoren jährlich bis zu 70 Atombomben gebaut werden; angesichts der langen Fristen würde die IAEO kaum noch in der Lage sein, die Geschichte des nordkoreanischen Plutoniumprogramms zu rekonstruieren; bis zur Anwendung von "full scope safeguards" könnte die DVRK mit dem abgezweigten Plutonium weitere Bomben bauen. Nordkorea konnte das Rahmenabkommen jederzeit kündigen; der Vertrag ließ das nordkoreanische Raketenprogramm außer Acht; er beschädigte den Atomwaffensperrvertrag durch Einräumung von Sonderfristen und belohnte Pyöngyang faktisch für seine Verweigerung . Das Genfer Abkommen war Ergebnis des Versuchs der Clinton-Administration, den unterstellten bevorstehenden Zusammenbruch Nordkoreas hinauszuzögern und einen daraus möglicherweise resultierenden zweiten Koreakrieg ("hard landing") zu verhindern. 1996 korrigierten die amerikanischen Nachrichtendienste ihre Lagebeurteilung. Das Regime Kim Chung-il hatte nicht nur politisch überlebt, sondern seine Position anscheinend nach innen und außen konsolidiert. Seit 1995 periodisch auftretende Überschwemmungskatastrophen und Hungersnöte waren nicht auf Kosten der Regimestabilität gegangen und hatten stattdessen weltweite Hilfsanstrengungen ausgelöst. Washington lieferte 500 000 Tonnen Getreide, und Pyöngyang erklärte sich zur Teilnahme an so genannten Vierergesprächen mit den USA, Südkorea und China bereit, die bis heute ergebnislos geblieben sind. Was in den USA als Verlegenheitslösung begonnen hatte, wurde nunmehr als Strategie verkauft: Mit der Einbindung der DVRK in unterschiedliche Dialoge sollte Zeit für eine langsame wirtschaftliche Öffnung gewonnen werden, die wiederum die Voraussetzungen für eine spätere friedliche Wiedervereinigung der Halbinsel schaffen sollte ("soft landing"). IV. Erpressung Problematisch war vor allem, dass Nordkorea die Agenda ständig erweiterte und sich mit möglicherweise neuen nuklearen Aktivitäten, dem Test einer Langstreckenrakete und wiederholten Provokationen innerhalb und jenseits der DMZ neue Unterpfänder für die Verhandlungen mit Washington beschaffte. Hinzu kamen als Dauerthemen die militärische Präsenz der USA in Südkorea, die in Pyöngyang weiterhin als Haupthindernis für eine Normalisierung der Beziehungen dargestellt wurde, und die Mobilisierung der internationalen öffentlichen Meinung durch Publikation einzelner, aber dramatischer Daten über die nordkoreanische Hungerkatastrophe. Wann immer die USA Fortschritte auf einem Feld einklagten, erhöhte Nordkorea auf einem anderen den Druck und damit den Preis für Vertragstreue. Unter anderem deshalb kam es bei der Umsetzung des Rahmenabkommens zu Verzögerungen. Der im September 1997 begonnene Bau der Leichtwasserreaktoren liegt aufgrund von Meinungsverschiedenheiten zwischen dem mit der Durchführung betrauen Konsortium (Korean Peninsula Energy Development Organisation, KEDO ) und der nordkoreanischen Seite über Einzelpläne und aufgrund von politischen Irritationen (z. B. das Eindringen eines nordkoreanischen U-Bootes in südkoreanische Gewässer im September 1996) etwa 18 Monate hinter dem vereinbarten Zeitplan zurück. Ungeklärt bleibt die Frage, wer die zum Reaktorkraftwerk zugehörigen Stromleitungen liefern und installieren soll. Die Projektkosten werden auf 4,6 Milliarden US-Dollar veranschlagt. Davon sollten Südkorea ca. 70 Prozent und Japan 20 bis 25 Prozent übernehmen. Die Clinton-Administration hatte gehofft, die fehlenden 200 Millionen US-Dollar aufbringen zu können, war aber auf Widerstand im Kongress gestoßen. Die Europäische Union (EU) stellte 1997 86 Millionen US-Dollar zur Verfügung, verteilt auf fünf Jahre. Von Anfang an herrschten zwischen Japan, Südkorea und den USA Unstimmigkeiten über die Aufteilung der Kosten für die Schweröllieferungen (60 bis 65 Millionen US-Dollar im Jahr). Tokio und Seoul sahen sich mit ihren Beiträgen zum Reaktorprojekt hinreichend belastet. Washington blieb nichts übrig, als selbst in die Bresche zu springen, woraufhin wiederum der Kongress Bedenken geltend machte. Angesichts der eingetretenen Verzögerungen setzte Pyöngyang 1998 das "canning" (Umhüllen mit Metallzylindern) der abgebrannten Brennstäbe aus und beschuldigte die USA des Vertragsbruchs. Als Drohung wurden an einer Plutonium-Trennungsanlage Wartungsarbeiten durchgeführt. Kurz zuvor hatten amerikanische Medien Geheimdienstberichte kolportiert, denen zufolge die DVRK in Kumchangri, 30 Kilometer nordöstlich von Yongbyun, einen unterirdischen Reaktor oder eine Wiederaufbereitungsanlage baute. Angeblich waren auf der Baustelle 15 000 Arbeiter beschäftigt. Als Washington unter Verweis auf "Buchstaben und Geist" des Genfer Abkommens Zugang verlangte, forderte Pyöngyang für den Fall, dass sich der Verdacht als unbegründet erweisen sollte, eine "Kompensationszahlung" in Höhe von 300 Millionen US-Dollar. Die Politik der Einbindung wurde zusätzlich auf die Probe gestellt, als Nordkorea am 1. September 1998 eine dreistufige Rakete über japanisches Territorium hinweg abschoss. Dennoch wollte keine Seite die Verantwortung für ein Scheitern übernehmen. Die USA verpflichteten sich, die fehlenden 280 000 Tonnen Heizöl bis Jahresende zu liefern. Präsident Clinton stellte zu diesem Zweck aus einem Sonderfonds für nationale Sicherheit 15 Millionen US-Dollar zur Verfügung. Nordkorea nahm das "canning" der Brennstäbe wieder auf. Weitere Gespräche zu den Komplexen nordkoreanisches Raketenprogramm und amerikanische Wirtschaftssanktionen wurden vereinbart. V. Konditionierung In Reaktion auf die Geheimdienstberichte und den Raketentest versah der US-Senat das Gesetz über Auslandshilfen für 1999 mit einem Vorbehalt. Das Repräsentantenhaus ging noch weiter und strich sämtliche Mittel für KEDO aus dem Gesetz. 35 Millionen US-Dollar wurden in den regulären Haushalt übernommen. Der Präsident sollte allerdings vor Auszahlung zunächst eine Unbedenklichkeitserklärung abgeben, der zufolge Nordkorea sein Nuklearprogramm vertragsgemäß "einfriert", mit dem Süden Gespräche über eine Entnuklearisierung der Halbinsel aufgenommen und damit begonnen hat, amerikanische Forderungen hinsichtlich der unterirdischen Anlage, des Raketenprogramms und von Raketenexporten hinlänglich zu berücksichtigen . Präsident Clinton beauftragte nunmehr seinen ehemaligen Verteidigungsminister William Perry wegen dessen guter Kontakte zur republikanischen Kongressmehrheit mit einer Überprüfung der bisherigen Politik. Im März 1999 vereinbarten Amerikaner und Nordkoreaner "Zusammenarbeit mit dem Ziel einer Ausräumung amerikanischer Bedenken" gegen die unterirdische Anlage durch einen Besuch (in amerikanischer Terminologie: eine Inspektion) im Mai 2000. Washington verpflichtete sich selbst, "einen Schritt zur Verbesserung der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen" zu machen , der von Radio Pyöngyang als Bezahlung der verlangten "Besuchsgebühr" interpretiert wurde . Man vereinbarte Gespräche über das nordkoreanische Raketenprogramm. Die amerikanische Gegenleistung bestand in der Zusage einer Fortsetzung der Lebensmittelhilfen (die Rede war von insgesamt 600 000 Tonnen Getreide) . Die Inspektion der unterirdischen Anlage im Mai 1999 und eine Anschlussinspektion im folgenden Jahr erbrachten erwartungsgemäß keine Anhaltspunkte für Verstöße gegen das Rahmenabkommen. Damit war allerdings weder auszuschließen, dass Nordkorea eventuell vorhandene Nukleartechnologie zuvor an einen anderen Ort verbracht hatte, noch dass die unterirdische Anlage eine Attrappe war, noch dass die DVRK künftig gegen das Rahmenabkommen verstoßen würde. So berichtete Anfang 1999 das amerikanische Energieministerium von nordkoreanischen Bemühungen, in Pakistan Technologien zur Anreicherung von Uran zu erwerben . Kurz nach der Inspektion reiste William Perry nach Pyöngyang, wo er Nordkorea Wirtschaftshilfe inklusive einer Aufhebung des (in Teilen seit dem Koreakrieg bestehenden) amerikanischen Embargos unter der Voraussetzung anbot, dass die DVRK Entwicklung, Dislozierung und Export von ballistischen Raketen beendete . Am 12. Oktober 1999 legte Perry seinen Bericht vor, der die Empfehlung enthielt, Nordkorea im Rahmen eines Gesamtpakets für jeden positiven Schritt beim Abbau seines Atomwaffen- und Raketenprogramms zu belohnen und für Rückschritte zu bestrafen. Dabei sollten Sanktionen nur im Falle eindeutiger Verstöße gegen das Genfer Rahmenabkommen verhängt werden . Vorausgegangen waren amerikanisch-nordkoreanische Verhandlungen über das Raketenprogramm der DVRK in Berlin, wo die DVRK in der Botschaft der Volksrepublik China über eine Interessenvertretung verfügt. Beide Seiten hatten seit 1998 viermal Gespräche zu diesem Thema geführt, in deren Verlauf Nordkorea für die Einschränkung von Raketentests und -exporten "Kompensationszahlungen" in einem Gesamtwert von 1,5 Milliarden US-Dollar verlangt hatte. Nunmehr boten die USA an, im Gegenzug zu einem - wenigstens vorübergehenden - Testverzicht das Embargo auf den Handel mit "nichtsensitiven" Gütern, den Transport solcher Güter, bestimmte Investitionen und bestimmte finanzielle Transaktionen zu lockern - gemeint waren Überweisungen von Exilkoreanern in den USA . Nicht gemeint war die Streichung der DVRK von der zusätzliche Sanktionen begründenden Liste jener Staaten, die terroristische Aktivitäten förderten. Clintons Sicherheitsberater Samuel Berger sprach von einem handelspolitischen Gleichziehen Nordkoreas mit Syrien und machte weitere Zugeständnisse von einem langfristigen Testmoratorium abhängig . Am 10. September 1999 kamen die Verhandlungspartner überein, dass Pyöngyang während der laufenden Verhandlungen über eine Verbesserung der bilateralen Beziehungen vom Test ballistischer Langstreckenraketen Abstand nehmen würde. Im Gegenzug hob Clinton die erwähnten Restriktionen im Nordkoreageschäft auf. Aus amerikanischer Sicht bestand das große Defizit der Vereinbarung darin, dass sie mündlich und formlos erfolgt war. Um ihre künftige Einhaltung sicherzustellen, bedurfte es einer Einbringung in Perrys Paketlösung, an der sich die nordkoreanische Seite wenig interessiert zeigte . Diesbezügliche Kontakte sind seither an der Forderung der DVRK gescheitert, von der Liste der "terroristischen Staaten" gestrichen zu werden. Angesichts der eingetretenen Verzögerungen ist an eine termingerechte Übergabe der beiden Leichtwasserreaktoren nicht mehr zu denken. Vermutlich wird sich diese um mindestens sieben Jahre verschieben, was es Pyöngyang erlaubt, die USA auch künftig des Vertragsbruchs zu beschuldigen und eine Wiederaufnahme der IAEO-Inspektionen auf eine ferne Zukunft zu vertagen. VI. Das Einmannregime Nordkorea überlebt seit den neunziger Jahren nur dank der Zuwendungen der Staatengemeinschaft. Nach Angaben der südkoreanischen Regierung hat die DVRK zwischen 1995 und 1998 internationale Hilfen in einem Gesamtwert von einer Milliarde US-Dollar erhalten, davon 316 Millionen US-Dollar aus der Republik Korea. Im selben Zeitraum könnten dessen ungeachtet 2,4 Millionen Nordkoreaner - ca. 20 Prozent der Bevölkerung - an Unterernährung gestorben sein. Während diese Staatsbürger in Pyöngyang bisher allenfalls als "Hungergeiseln" mit Blick auf das Ausland interessieren, die angesichts der alltäglichen Repression zu organisiertem Widerstand nicht in der Lage sind , entscheidet die Haltung der (weitgehend) hauptstädtischen Eliten über den Fortbestand des Regimes. Bis zum Tod von Kim Il-sung waren diese in zwei nahezu unabhängige Hierarchien gegliedert, eine ältere Generation ursprünglich antijapanischer Partisanen unter dem Präsidenten und eine jüngere unter seinem Sohn Chung-il . Beide Hierarchien erstreckten sich auf die zivile und militärische Führung, auf Ideologen und Technokraten, obwohl es im Lager von Kim Junior vergleichsweise mehr Technokraten gab . Die Veteranen waren Verfechter des Status quo und vermutlich deshalb häufig auch Kritiker Chung-ils, der über wirtschaftliche Reformen zumindest nachdachte. Als Kim Il-sung im Juli 1994 starb, beließ sein Sohn die meisten Vertreter der alten Garde auf ihren Posten. Erst im September 1998 wurden einige von ihnen durch jüngere Kader ersetzt. Die tatsächlichen Machtverhältnisse hatten sich schon zuvor zugunsten der Jüngeren verschoben, die in der Regel auf die Stelle verstorbener Veteranen nachgerückt waren . Formal leitete Kim Chung-il seine Autorität bis 1997 nur aus den Ämtern des Oberbefehlshabers der Streitkräfte und des Vorsitzenden der Nationalen Verteidigungskommission her, die er 1992 übernommen hatte. Zwischen 1992 und 1997 beförderte er mehr als 900 Offiziere zu Generälen und verhalf ihnen so zu besonderen Privilegien. Seit dem Tod Kim Il-sungs hat sich der Einfluss des Militärs auf Kosten der zivilen Führung und der KAP verstärkt . Das bedeutet zwar erweiterte Möglichkeiten einer sektoralen Einflussnahme auf die Politik , aber wohl noch nicht die Herausbildung einer eigenständigen politischen Kraft . Privilegien und Einfluss werden von Kim Chung-il gewährt und gegebenenfalls wieder entzogen; Armee und Partei waren wiederholt von Säuberungen und Hinrichtungen betroffen. In der Summe vermitteln die wenigen Indizien das Bild eines Einmannregimes, das nach dem Motto "divide et impera" verfährt und sich dabei auf einen sehr kleinen Zirkel engster Vertrauter stützt. Das System wurde mittlerweile auch auf der zivilen und konstitutionellen Ebene formal unterfüttert. 1997 ließ sich Kim zum Generalsekretär der KAP wählen; 1998 veranlasste er eine Verfassungsänderung, derzufolge sein verstorbener Vater in den Rang des "ewigen" Staatsoberhauptes erhoben wurde. Die NVK wurde zum höchsten Staatsorgan proklamiert. Kim Chung-il hat folglich die Streitkräfte zur wichtigsten Grundlage seiner Macht aufgebaut, sich damit aber auch tendenziell in deren Abhängigkeit begeben. Aus dem Einmannregime könnte ein Prätorianerregime werden, wenn die Generäle ihre Interessen durch Kims Politik beeinträchtigt sehen. Aufrechterhaltung der Privilegien führender Offiziere bedeutet die direkte oder indirekte Alimentierung dieser Personengruppe, aber auch der Streitkräfte insgesamt, durch die verfügbaren Geldquellen (im Wesentlichen Raketenexporte und internationale Hilfen). Damit steht automatisch weniger Geld für zivilwirtschaftliche Investitionen zur Verfügung. Solche Investitionen werden aber auch deshalb nicht präferiert, weil der darin implizierte Übergang zu einem offeneren Technokratenregime die Privilegien des Militärs und damit Kim Chung-ils derzeitige Machtbasis bedrohen würde. Folglich sind auch die Ergebnisse des Gipfels vom Juni 2000 zurückhaltend zu bewerten. VII. Gipfeltaumel Der provisorische amerikanisch-nordkoreanisch Raketenkompromiss vom September 1999 und der Gipfel vom Juni 2000 haben weltweit eine Art Nordkorea-Euphorie ausgelöst. Italien, Australien und die Philippinen nahmen diplomatische Beziehungen auf. Kanada verhandelte über die Aufnahme von Beziehungen, und Japan erklärte sich zu neuen Normalisierungsgesprächen bereit. Die EU prüfte eine Intensivierung der Beziehungen. Das (sicherheitspolitische) ASEAN Regional Forum (ARF) begrüßte die DVRK als neues Mitglied. Die Weltbank bot Finanzhilfen an. Dieser Wettlauf nach Pyöngyang scheint weder durch die Raketenvereinbarung vom September 1999 noch durch die Ergebnisse des Gipfels vom Juni 2000 gerechtfertigt. Auf dem Gipfel war es neben den eingangs erwähnten Beschlüssen nur zu einem folgenlosen sicherheitspolitischen Austausch und ergebnislosen Gesprächen über die Wiederbelebung der Abkommen von 1991 gekommen; aus Südkorea war zu hören, man plane die Einrichtung eines "heißen Drahtes" und zweier Bahnverbindungen durch die DMZ sowie die Einrichtung von Verbindungsbüros . Drei Monate später fand zwar eine erste Familienzusammenführung für 200 Personen statt, auch hatte die gegenseitige Propagandatätigkeit nachgelassen und es waren Verbindungsbüros (allerdings nicht in den Hauptstädten, sondern in Panmunjom in der DMZ) (wieder-)eröffnet worden. Ferner hatten Verhandlungen zu den Themen Eisenbahnverbindungen und Repatriierung nordkoreanischer Gefangener begonnen. Aber auf den entscheidenden Gebieten Abrüstung und Vertrauens- und Sicherheitsbildung kam es zu keinerlei Fortschritt , und Seoul hatte allen Dementis zum Trotz für den Gipfel bezahlt: Neben der beschleunigten Lieferung von 200 000 Tonnen Kunstdünger wurden der DVRK 450 Millionen US-Dollar Wirtschaftshilfe in Aussicht gestellt . Nordkoreas Hauptmotiv für die Akzeptanz des Gipfels war seine unverändert prekäre wirtschaftliche Lage. Die Wirtschaft der DVRK verzeichnete zwar 1999 erstmals nach acht Jahren wieder 6,2 Prozent Wachstum, lag damit aber weiterhin um 25 Prozent unter dem Niveau von 1989. Das BSP für das Jahr 1999 wird auf 15,8 Milliarden US-Dollar geschätzt, das Pro-Kopf-Einkommen auf 714 Dollar und das Handelsvolumen auf 1,48 Milliarden Dollar . Nach Angaben internationaler Hilfsorganisationen starben auch nach massiven weltweiten Hifsleistungen weiterhin 25 von 1000 Nordkoreanern an Unterernährung . Zum Zeitpunkt des Gipfels war die DVRK von einer Dürrekatastrophe betroffen. Dass Kim Chung-il sich auf den Gipfel einließ, ist ein Anzeichen dafür, dass er seine innenpolitische Position gefestigt hat, selbstbewusster agiert, größeres Vertrauen in Kim Dae-jungs "Sonnenscheindiplomatie" gewonnen hat (die er in den Jahren zuvor als Versuch der Unterwanderung abgeblockt hatte) und den Wunsch hat, sein internationales Image als isolierter und gefährlicher Diktator zu verbessern. Kim hat sich, soweit bekannt ist, im Mai 2000 erstmals seit 17 Jahren außer Landes begeben, die Volksrepublik China besucht und deren Führung zu ihrem erfolgreichen Experiment mit einem "Sozialismus chinesischer Prägung" gratuliert . Damit hat sich an den beschriebenen Machtverhältnissen in Nordkorea grundsätzlich nichts geändert, und es darf angezweifelt werden, ob jüngste Entwicklungen für eine wirtschaftliche Öffnung "à la chinoise" sprechen. Kim Dae-jung war von den Vorständen der vier größten Mischkonzerne des Südens zum Gipfeltreffen begleitet worden, die der DVRK für die nächsten fünf bis zehn Jahre Investitionen von je bis zu einer Milliarde US-Dollar zusagten. Das wären nach bisher gemachten Erfahrungen Verlustgeschäfte, und es ist zweifelhaft, ob Nordkorea mangels Rechtssicherheit und Infrastruktur derartige Kapitalzuflüsse absorbieren kann und will. Wahrscheinlicher bleibt eine südkoreanische Beteiligung an Infrastrukturmaßnahmen, mit der Pyöngyang tendenziell unabhängiger von anderen Gebern wird. Kurz: Nach dem Gipfel wiederholte der nordkoreanische Rundfunk eine Rede Kim Chung-ils aus dem Vorjahr, in der er dazu aufgerufen hatte, eine "autarke und starke Nation zu schaffen und uns nicht auf wirtschaftliche Reformen und eine Marktöffnung einzulassen, was mit Gewissheit zu unserem Untergang führen würde" . Unter den wichtigsten Nachbarn Nordkoreas führte unterschiedliche Betroffenheit zu durchaus voneinander abweichenden Reaktionen. Japan, das erwiesenermaßen innerhalb der Reichweite der nordkoreanischen Raketenwaffe liegt, entwickelte seit 1998 gemeinsam mit den USA ein Raketenabwehrsystem für den Kriegsschauplatz (Theatre Missile Defence, TMD) und äußerte sich auch nach dem amerikanisch-nordkoreanischen Raketenkompromiss skeptisch über dessen Haltbarkeit. Dennoch konnte sich auch Tokyo dem allgemeinen Trend zur Entspannung nicht entziehen. Japan und Nordkorea nahmen im April 2000 Regierungsverhandlungen über eine Normalisierung ihrer Beziehungen auf, die wenig später wieder abgebrochen wurden, weil die nordkoreanische Seite unfähig oder unwillens war, den Verbleib von zehn japanischen Staatsbürgern aufzuklären, die in den siebziger und achtziger Jahren vermutlich in die DVRK entführt worden waren. Gleichzeitig hatte Pyöngyang Reparationen gefordert, die Japan nicht zahlen wollte (eine zweite Runde geriet im August über dieselben Themen in die Sackgasse). Nordkorea liegt aus wirtschaftlichen Gründen an regulären Beziehungen, es kann sich aber nach der erfolgten Verbesserung des Nord-Süd-Verhältnisses in dieser Hinsicht Zeit lassen. Für die USA bleibt Nordkorea in erster Linie ein Proliferationsproblem, was gewisse Divergenzen zwischen den amerikanischen und südkoreanischen Nordkoreapolitiken erklärt. "Sonnenscheindiplomatie" berührt allerdings mit dem subregionalen Kräftegleichgewicht das nächstwichtige amerikanische Interesse in Korea. In den USA besteht die Sorge, Forderungen nach dem Abzug amerikanischer Truppen aus Südkorea und nach einem Verzicht auf den (angeblich durch Pyöngyangs Rüstung motivierten) Aufbau von Systemen zur regionalen und nationalen Raketenabwehr könnten lauter werden, ohne dass es in dieser Hinsicht vor Ort zu Fortschritt gekommen wäre. Die Nordkoreapolitik der Volksrepublik China bleibt zwiespältig. Peking möchte sowohl einen atomaren Rüstungswettlauf in Nordostasien als auch einen neuen Koreakrieg und die kurzfristige Wiedervereinigung der koreanischen Halbinsel verhindern, hält die Wiedervereinigung jedoch letztlich für unvermeidbar . Um den eigenen Einfluss auf diesen Prozess zu maximieren, hat China gelegentlich versucht, hinter den Kulissen sowohl zwischen Washington und Pyöngyang als auch zwischen Seoul und Pyöngyang zu vermitteln, sich aber in den offiziellen Vierergesprächen eher passiv verhalten. Peking hat von den jüngsten Entwicklungen am deutlichsten profitiert. Während das Schreckensszenario einer kollabierenden DVRK und an die eigene Grenze vorrückender amerikanischer Truppen abgewehrt zu sein scheint, sind die neuen Probleme der USA für China auch insofern Anlass zur Genugtuung, als man dort sowohl eine nationale als auch regionale Raketenabwehr als gegen sich selbst gerichtet versteht. Im Übrigen hat der Gipfel in Teilen der südkoreanischen Bevölkerung jenen antijapanischen (und potentiell antiamerikanischen) Nationalismus wiederbelebt, dessen sich Peking im Rahmen seiner längerfristigen Großmachtambitionen zu bedienen gedenkt. Bis es soweit ist, werben nahezu alle Beteiligten um die Gunst der Volksrepublik. Russland versucht, sich aus Anlass des Gipfels wieder in die nordostasiatische Kräftegleichung einzubringen und China die dominierende Rolle in Nordkorea (und damit potentiell in der Gesamtregion) streitig zu machen. Präsident Wladimir Putin besuchte die DVRK im Juli 2000 als erstes Staatsoberhaupt aus Moskau und hat dabei wohl versucht, zusätzlich zwischen Nord und Süd zu vermitteln. Einziges konkretes Ergebnis war das nordkoreanische Angebot, das ballistische Raketenprogramm der DVRK im Tausch gegen westliche Raumfahrttechnologie auf Eis zu legen, eine Offerte, die Kim Chung-il einen Monat später persönlich als Scherz bezeichnete, womit er Putin öffentlich desavouierte. Momentan zeigt keine der beteiligten Parteien ein dringendes Interesse, Russland offiziell in den koreanischen Entspannungsprozess einzubinden. In Südkorea erfuhr Präsident Kim Dae-jung und damit die junge Demokratie eine weitere Stärkung. Wenn Pyöngyang die erweckten Hoffnungen annähernd erfüllt, braucht die DVRK aus dieser Richtung nicht nur nicht mehr mit einer Bedrohung zu rechnen, sondern kann möglicherweise gesamtkoreanischen Nationalismus im eigenen Sinne manipulieren. Zwischenzeitlich ist Kim Dae-jung Realist genug, an der Beibehaltung der Allianz mit den USA und der Stationierung amerikanischer Truppen in Südkorea keinen Zweifel aufkommen zu lassen. Auch die "Sonnenscheindiplomatie" dient grundsätzlich der Stabilisierung des Status quo. Da sie aber keine Garantien gegen eine weitere Verschlechterung der politischen und wirtschaftlichen Lage in Nordkorea bietet, kann sie auch eine "harte" oder "weiche", schnelle oder schleichende Wiedervereinigung der koreanischen Halbinsel in den nächsten Jahren nicht ausschließen, die dann in der Tat zu einschneidenden Veränderungen im regionalen Kräftegleichgewicht führen würde.   Internetquellen zum Thema:   NAPSNet@nautilus.org www.lrz-muenschen.de/~swp/ Vgl. Matthias Dembinski/Kay Möller/Markus Tidten, Die koreanische Nuklearkrise und das Nichtverbreitungsregime, Ebenhausen (Stiftung Wissenschaft und Politik, unveröffentlichtes Manuskript), Juni 1995, S. 12. Radio Pyöngyang, kor., 12. März 1993, zit. in: Monitordienst Asien der Deutschen Welle vom 15. März 1993, S. 4. Im März 1994 drohten nordkoreanische Delegierte bei erfolglosen Nord-Süd-Kontakten damit, Seoul in ein "Flam-menmeer" zu verwandeln. Zur selben Zeit berieten hohe Beamte des Pentagon über einen Präventivschlag gegen die verdächtigten nordkoreanischen Anlagen. Das bedeutet in der Interpretation des Generaldirektors der IAEO so genannte "full-scope-safeguards" inklusive Sonderinspektionen und Erschließung zusätzlicher (z. B. nachrichtendienstlicher) Informationsquellen. Der Gouverneursrat der Organisation hat diese Forderung zwar anerkannt, sich aber nicht zur Frage der Umsetzung geäußert. Vgl. Korean Central News Agency (KCNA, Pyöngyang), engl., 22. Oktober 1994, zit. in: SWB, FE/2134/D71-6 vom 24. Oktober 1994. (SWB = Summary of World Broadcasts). Vgl. Joel S. Wit, Dealing with North Korea's Nuclear Weapons Program, in: Global Beat Policy Forum Online vom 17. November 1998. D. h. u. a. Sonderinspektionen und Erschließung zusätzlicher (z. B. nachrichtendienstlicher) Informationsquellen. Vgl. Mark Danser Hibbs, North Korea's Ticking Time Bomb: How Long?, in: Bernhard Rabert/Frank Sales (Hrsg.), Proliferation von Nuklearwaffen - eine tickende Zeitbombe?, Strausberg 1995, S. 97-102, hier: S. 101. An KEDO sind elf Staaten und die Europäische Union beteiligt. Die wichtigsten Geldgeber sind Südkorea, Japan und die USA. Nach einem CIA-Bericht vom Februar 1999 war die DVRK der wichtigste Exporteur ballistischer Raketen sowie von Raketenbauteilen und -technologie nach Iran, Syrien, Ägypten und Pakistan. Neben der Herstellung von Falschgeld sei der Raketenexport eine der wenigen bedeutsamen Devisenquellen des Landes. Vgl. Buying Time, in: Far Eastern Economic Review, Nr. 13, vom 1. April 1999, S. 18-20. Vgl. Omnibus Appropriations Bill, Sec. 582, Washington, 19. Oktober 1998 (House-Senate Conference Report for HR 4328). Gemeinsame Presseerklärung vom 16. März 1999, Washington (United States Information Agency), 16. März 1999. Vgl. Buying Time (Anm. 10). Vgl. The New York Times vom 17. 3. 1999, S. 1. Vgl. The Washington Times vom 11. März 1999, zitiert in: Napsnet Daily Report vom 11. März 1999. Vgl. Perry's Progress, in: Far Eastern Economic Review, Nr. 23 vom 10. Juni 1999, S. 22. Vgl. William J. Perry, Review of United States Policy toward North Korea: Findings and Recommendations, Washington, D.C. 12. Oktober 1999. Vgl. Associated Press vom 13. September 1999, zitiert in: Napsnet Daily Report vom 13. September 1999. Vgl. Napsnet Daily Report vom 14. September 1999. Diesbezügliche Verhandlungen seit Juli 2000 sind ergebnislos geblieben. Die westliche Presse berichtete Anfang 1999 von deutlicher Zunahme öffentlicher Hinrichtungen im Zusammenhang mit einer durch die Lebensmittelkrise ausgelösten Kriminalitätswelle, darunter auch Fälle von Kannibalismus. Vgl. International Herald Tribune vom 23. Februar 1999, S. 1. Vgl. Jei Guk Jeon, North Korean Leadership, Kim Jong Il's International Balancing Act, Washington (Strategic Forum), Dezember 1998. Die militärische Führung war darüber hinaus in Angehörige der Garnison Pyöngyang und solche der Feldarmee gespalten. Vgl. ebd. Vgl. ebd. Vgl. Vantage Point (Seoul), (Oktober 1998) 10, S. 1-7. Allerdings waren viele Offiziere auch Parteimitglieder. Militärs kontrollieren unter anderem die Rüstungswirtschaft und sollen auf die Verhandlungen mit den USA Einfluss genommen haben. Taming the Tiger, in: Far Eastern Economic Review, (1998) 35, S. 19-23. Vgl. ebd. Vgl. Napsnet Daily Report vom 16. Juni 2000. Kim Dae-jung erklärte allerdings nach dem Gipfel, die DVRK habe Seouls Motiv für eine Beibehaltung der amerikanischen Truppenpräsenz auf der koreanischen Halbinsel "verstanden". Vgl. Reuters, 24. Juni 2000, zitiert in: Napsnet Daily Report vom 27. Juni 2000. Vgl. Victor Cha, Let's Not Get Summit Slap-Happy in Korea, in: Napsnet Daily Report vom 28. Juni 2000. Daten der südkoreanischen Zentralbank nach Associated Press vom 20. Juni 2000, zit. in: Napsnet Daily Report vom 22. Juni 2000. Vgl. The New York Times vom 10. Juni 2000, zit. in: Napsnet Daily Report vom 14. Juni 2000. Vgl. Shim Jae Hoon, No Turning Back, in: Far Eastern Economic Review, (2000) 25, S. 16-19. The New York Times vom 21. Juni 2000, zit. in: Napsnet Daily Report vom 23. Juni 2000. China hat schon heute ein massives nordkoreanisches Flüchtlingsproblem.
Article
Möller, Kay
2021-12-07T00:00:00
2011-10-04T00:00:00
2021-12-07T00:00:00
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/25282/sonnenschein-ueber-pyoengyang/
Im Juni 2000 besuchte Kim Dae-jung als erster Präsident der Republik (Süd-)Korea die Demokratische Volksrepublik (Nord-)Korea. Am 15. Juni unterzeichneten Kim und sein nordkoreanischer Partner Kim Chung-il ein spezielles Abkommen für die Annäherung b
[ "Korea", "Kim Chung-il", "Sonnenscheindiplomatie", "Nordkorea", "Asien", "Ostasien", "Pyongyang" ]
507
Neonazis haben im demokratischen Staat keinen Platz | Rechtsextremismus | bpb.de
Neonazis haben im demokratischen Staat keinen Platz. Wir erwarten von allen Institutionen der Zivilgesellschaft und von engagierten Bürgerinnen und Bürgern, dass sie entschieden gegen Rechtextreme auftreten und ihrer Propaganda keinen Raum geben. Eine solche Haltung erfordert Mut. Diesen Mut können wir nur dann einfordern, wenn die Verfassungsorgane mit ihren eigenen Möglichkeiten gegen rechts voran gehen. Im März 2003 stellte das Bundesverfassungsgericht das von Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung gemeinsam angestrengte Verbotsverfahren gegen die NPD ein, weil eine qualifizierte Minderheit der Richter in der Tatsache, dass eine Reihe von NPD-Vorstandsmitgliedern verschiedener Ebenen als V-Leute des Staates fungiert hatten, ein nicht behebbares Verfahrenshindernis sah. Seit dieser Entscheidung sind eine Reihe neuer Tatsachen aufgetreten: – Im September 2004 zog die NPD mit 9,2 Prozent in den Landtag von Sachsen, im September 2006 mit 7,3 Prozent in den von Mecklenburg-Vorpommern ein. In Sachsen konnte sich die Partei regional nicht nur in den Kommunalparlamenten verankern, sondern auch gesellschaftliche Wurzeln schlagen. Ähnliche Tendenzen sind auch in anderen – nicht nur, aber schwerpunktmäßig ostdeutschen – Regionen zu beobachten, auch bei den Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen in Berlin. – Durch den zeitweiligen Zusammenschluss von NPD und DVU im Deutschland-Pakt konnte die wahlpolitische Zersplitterung der Rechtsextremen zu einem großen Teil überwunden werden. Das Bündnis wurde zwar zwischenzeitlich brüchig, aber möglicherweise kommt es bald zu einer Fusion der beiden Parteien. Die NPD kann davon sicherlich stärker profitieren als die verbal weniger radikale, vor allem aber organisatorisch schwächere DVU. – Die (anti-)parlamentarische Praxis der NPD im sächsischen Landtag zeigt unmissverständlich, wes Geistes Kind diese Partei ist: Verachtung für die Demokratie, Verspottung der Opfer des NS-Terrors, antisemitische Provokationen und Hass gegen Ausländer und Andersdenkende kennzeichnen ihre politischen Aktivitäten. – Ihre Basis hat die NPD unter dem heutigen Bundesvorsitzenden Udo Voigt gestärkt durch die systematische Integration neonazistischer Kameradschaften. Nach jahrzehntelangem Schwanken zwischen offener Sympathie und taktischer Abgrenzung gegenüber den ''freien Nationalisten'' hat sich die NPD für den schamlosen Weg der Einbeziehung dieser Kräfte entschieden. Kriminelle Einschüchterungsmethoden solcher Kameradschaften gegenüber politischen Gegnern, Ausländern und Behinderten waren dafür ebenso wenig ein Hinderungsgrund wie Vorstrafen ihrer Führungspersonen, die jetzt oft als NPD-Kandidaten zu Wahlen antreten. – Gleichzeitig baut die NPD ein Netz von Vorfeldaktivitäten auf, die teilweise auf den ersten Blick unpolitisch erscheinen: Sportturniere und Kinderfeste, Ferienzeltlager und Heimatpflege werden von der NPD und ihrer Jugendorganisation, den ''Jungen Nationaldemokraten" (JN), angeboten. Die NPD hält zwar mit ihren rechtsextremen Inhalten nicht hinterm Berg, aber mit solchen niedrigschwelligen, vorpolitischen Aktivitäten versucht sie weitere gesellschaftliche Akzeptanz zu gewinnen und Teil einer regionalen ''Normalität" zu werden. Das bedeutet: (siehe nächste Seite) Folgerungen Seit das Bundesverfassungsgericht das Verfahren eingestellt hat, ist die Gefahr, die von der NPD für die Demokratie ausgeht, erheblich gewachsen. Eine Zivilgesellschaft, die rechtsextremen und neonazistischen Auffassungen und Aktivitäten mutig entgegentritt und breite demokratische Gegenaktivitäten entfaltet, ist dagegen nicht flächendeckend vorhanden, auch wenn die Bereitschaft zum demokratischen Widerspruch gegen rechts und zum Anzeigen von Propagandadelikten auch in Ostdeutschland wächst. Jahrelange Ausgrenzung eines Teils der Gesellschaft vom Zugang zur Erwerbsarbeit, vor allem aber Abstiegsängste von noch in den Arbeitsmarkt Integrierten stärken jedoch die Neigung zur Abgrenzung, zur Suche nach Sündenböcken und zum Treten nach unten. Das ist der Nährboden für eine Verbreiterung und Verfestigung der Wählerbasis der Rechtsextremen. Sachsen-Anhalt war eines der ersten Länder, die den Anstoß für eine neue Verbotsdiskussion gaben. Damit wollten wir auch auf die Entwicklungen in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern reagieren, wo die NPD mühelos in die Landtage einzog. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Befreiung von der NS-Diktatur gilt die Forderung: Wehret den Anfängen! Ein Verbotsverfahren kann nur greifen, wenn sich eine verfassungswidrige Partei noch nicht dauerhaft fest parlamentarisch etabliert hat. Parteienprivileg verhindert wirksame Maßnahmen Auch der dauerhafte Verzicht auf ein Verbot kann nicht in Betracht kommen. Der legale Status der NPD als Partei bietet den Rechtsextremen nicht nur die Möglichkeit, ihr Gedankengut ungehindert zu verbreiten, er verschafft ihnen durch die Wahlkampfkostenerstattung und die Finanzierung ihrer Fraktionen auch noch staatliche Fördermittel, die ausgezahlt werden müssen, auch wenn ihr Missbrauch absehbar ist. Das Parteienprivileg verhindert wirksame Maßnahmen gerade auf der kommunalen Ebene gegen Volksverhetzung und andere Propagandadelikte. Die Stärkung demokratischen Bewusstseins etwa in den Schulen wird erheblich erschwert, wenn vor dem Schulhof eine ''legale'' Partei gegen Toleranz und Völkerverständigung hetzen kann. Natürlich wird ein Verbot das rechtsextreme Gedankengut nicht beseitigen, aber es verschafft uns unvergleichlich bessere Möglichkeiten, es zu ächten. Auch der Polizei ist die Situation immer weniger zuzumuten: Ständig müssen wir Polizistinnen und Polizisten in Einsätze zum Schutz von NPD-Demonstrationen schicken, obwohl wir wissen, dass die Partei diese Kundgebungen zu Propaganda gegen die Demokratie nutzt. Der Schaden für das internationale Ansehen Deutschlands durch das Erstarken der Rechtsextremen ist erheblich, wie zum Beispiel die Reaktionen israelischer Besucher auf NPD-Aktionen in Sachsen-Anhalt oder die Debatten über ''No-go-Areas'' zur Fußballweltmeisterschaft zeigen. ''Damit muss jetzt Schluss sein'' In jedem Fall setzt ein Verbotsantrag eine sorgfältige rechtliche Prüfung der rechtlichen Voraussetzungen voraus. Geboten ist auch eine Berücksichtigung der verfahrensrechtlichen Konsequenzen aus dem Minderheitenvotum, an dem das Verfahren beim Bundesverfassungsgericht 2003 scheiterte. Zu diesem Weg haben sich die SPD-Innenminister entschlossen. Nach jahrzehntelangem Schwanken zwischen offener Sympathie und taktischer Abgrenzung gegenüber den neonazistischen Kameradschaften hat sich die NPD für den schamlosen Weg der Einbeziehung dieser Kräfte entschieden. Die (anti-)parlamentarische Praxis der NPD im sächsischen Landtag und anderswo zeigt unmissverständlich, wes Geistes Kind diese Partei ist: Verachtung für die Demokratie, Verspottung der Opfer des NS-Terrors, antisemitische Provokationen und Hass gegen Ausländer und Andersdenkende kennzeichnen ihre politischen Aktivitäten. Ich meine: Damit muss jetzt Schluss sein. 27. November 2007 Holger Hövelmann
Article
Von Holger Hövelmann
2021-06-23T00:00:00
2011-11-17T00:00:00
2021-06-23T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/rechtsextremismus/dossier-rechtsextremismus/41475/neonazis-haben-im-demokratischen-staat-keinen-platz/
Ein NPD-Verbotsverfahren macht klar: Neonazis haben keinen Platz im demokratischen Staat, fordert Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Hövelmann (SPD).
[ "Rechtsextremismus", "NPD", "NPD-Verbot", "Demokratie", "Bundesverfassungsgericht" ]
508
Jugend und Politik – Bundestagswahl 2009 | Presse | bpb.de
Erste Zwischenergebnisse einer nicht-repräsentativen Onlinebefragung von 3428 Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Rahmen des Projektes "GrafStat kompakt: Jugend und Politik" sind jetzt auf den Seiten der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb einsehbar: Interner Link: www.bpb.de/grafstat/unterricht. Ziel des Umfrageprojektes für den Schulunterricht ist es, Aussagen über die Einstellungen und Meinungen der Jugendlichen in Hinblick auf ihr Politikinteresse, aktuelle politische Fragen und zur Demokratie zu gewinnen. Bisher haben 78 Schulen aus ganz Deutschland teilgenommen. Aufgrund der anhaltend hohen Nachfrage wurde der Befragungszeitraum noch bis zum 1. Oktober 2009 verlängert. Die Schülerinnen und Schüler können sich durch die Analyse der klassen- oder schulinternen Datensätze mit den eigenen Einstellungen und denen anderer Jugendlicher zur Politik auseinandersetzen. Im Rahmen des Befragungsprojektes erwerben sie zudem im Unterricht Wissen zum politischen System und zur Funktion und Bedeutung von Wahlen. Erste Ergebnisse von GrafStat kompakt zeigen ein gemischtes Stimmungsbild. Positiv zu vermerken: 81,6 % der befragten Jugendlichen geben an, ganz sicher oder wahrscheinlich zur Wahl gehen zu wollen. Keine überragende Mehrheit gab es unter den Jugendlichen jedoch dafür, das Wahlalter bei Bundestagswahlen von 18 auf 16 Jahre herabzusetzen (49,8 %). Zweigeteilt sind auch die Einschätzungen des eigenen Politikinteresses: Etwa die Hälfte der Befragten betrachtet sich als interessiert bis stark interessiert, die andere Hälfte ist weniger bis gar nicht interessiert an politischen Fragen. In der Bewertung, welche gesellschaftlichen Bereiche von den Befragten als wichtige Politikbereiche angesehen werden, gehören die Themen "Arbeitsmarkt", "Bildung, Wissenschaft und Forschung" und "Kinder und Familie" zu den Top Drei der genannten Aufgabenfelder. Zu den Verlierern in der empfundenen Vertrauenswürdigkeit gehören die Kirchen; bei den Banken zeigen sich zudem die Effekte der Finanzkrise auch bei den Schülerinnen und Schülern recht deutlich: viel bis sehr viel Vertrauen den Banken gegenüber verspüren nur 27,2 Prozent der Befragten. Ebenfalls keine hohen Vertrauenswerte erhalten die Parteien. Obwohl die meisten Jugendlichen typische Strukturmerkmale der Demokratie (Meinungsfreiheit, Demonstrationsfreiheit, Konsensfähigkeit, Gewaltlosigkeit etc.) als wichtig einschätzen, stimmen immerhin 52,2 % mehr oder weniger stark der Aussage zu, dass eine starke Hand mal wieder Ordnung in unseren Staat bringen müsste. Dennoch ist für eine große Mehrheit der Befragten die Demokratie eine gute Staatsform. Weitere Informationen: Interner Link: www.bpb.de/grafstat/unterricht. Pressemitteilung als Interner Link: PDF-Version (167 KB) Projektleitung Universität Münster FB Erziehungs- und Sozialwissenschaften Prof. Dr. Wolfgang Sander Georgskommende 33 48143 Münster Tel +49 (0)251 8322-222 Fax +49 (0)251 8321-187 E-Mail Link: sander@uni-muenster.de Interner Link: www.bpb.de/grafstat Pressekontakt Bundeszentrale für politische Bildung Daniel Kraft Adenauerallee 86 53113 Bonn Tel +49 (0)228 99515-200 Fax +49 (0)228 99515-293 E-Mail Link: presse@bpb.de
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2021-06-23T00:00:00
2011-12-23T00:00:00
2021-06-23T00:00:00
https://www.bpb.de/die-bpb/presse/pressemitteilungen/50099/jugend-und-politik-bundestagswahl-2009/
Erste Zwischenergebnisse einer nicht-repräsentativen Onlinebefragung von 3428 Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Rahmen des Projektes "GrafStat kompakt: Jugend und Politik" sind jetzt auf den Seiten der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb e
[ "Unbekannt (5273)" ]
509
Grundgesetz | Deutsche Demokratie | bpb.de
Am 3. Oktober 1990 trat die DDR der Bundesrepublik Deutschland und damit dem "Geltungsbereich des Grundgesetzes" bei. Damit wurde der Auftrag der Präambel des Grundgesetzes an das deutsche Volk erfüllt, "in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden". Alle Deutschen leben in einem Staat mit völkerrechtlich gesicherten Grenzen und mit einer Verfassung, die sich in 60 Jahren bewährt hat und von der überwiegenden Mehrheit der Deutschen als die beste Verfassung seiner Geschichte angesehen wird. Paulskirchenverfassung Einzug der Parlamentarier in die Paulskirche. (© AP) Die erste freiheitliche Verfassung der Deutschen war 1849 von der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche verabschiedet worden. Die Hoffnungen der liberalen und demokratischen Bewegung, die nationale Einheit als souveräne Entscheidung des deutschen Volkes auf parlamentarischem Wege zu erreichen, gingen nicht in Erfüllung. Der deutsche Nationalstaat sollte erst 1871 von Bismarck als Bund deutscher Fürsten gegründet werden. Das Deutsche Reich war eine konstitutionelle Monarchie mit obrigkeitsstaatlichen Zügen, die als Folge der Niederlage im Ersten Weltkrieg ihr Ende fand. Weimarer Verfassung Am 31. Juli 1919 verabschiedete die in Weimar tagende Nationalversammlung die "Verfassung des Deutschen Reichs", die Weimarer Verfassung. Das Reich wurde eine demokratische parlamentarische Republik. Dieser zweite Versuch, in Deutschland eine parlamentarische Demokratie westlicher Prägung zu schaffen, stieß von Beginn an auf erhebliche Vorbehalte. Die demokratischen Kräfte in Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Gesellschaft blieben schwach. Die Republik scheiterte an den Lasten des verlorenen Krieges und an wirtschaftlichen Krisen, die zur politischen Radikalisierung und zur Abwendung vieler Bürger von der Demokratie führten. Demokratiegründung Der dritte Anlauf zur deutschen Demokratie begann unter noch weit schwierigeren Bedingungen. Das Grundgesetz entstand in einer Zeit, die geprägt war von beispielloser Not im Gefolge eines verheerenden Krieges, unter der moralischen Belastung durch die Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes, in einem geteilten Land, das unter der Herrschaft der Siegermächte stand. Als die Spannungen zwischen den Westmächten und der Sowjetunion sich immer mehr verschärften und eine Einigung über die Wiederherstellung eines gesamtdeutschen Staates immer unwahrscheinlicher wurde, kamen die Westmächte überein, einen westdeutschen Teilstaat zu errichten. Die Militärgouverneure der drei Westzonen forderten die Ministerpräsidenten der westdeutschen Länder auf, eine Nationalversammlung einzuberufen, um eine Verfassung auszuarbeiten. Sie sollte durch eine Volksabstimmung in Kraft gesetzt werden. Die Ministerpräsidenten befürchteten, dass damit die Teilung Deutschlands auch staatsrechtlich besiegelt würde. Sie bestanden darauf, dass kein vollgültiger Staat entstehen sollte, sondern ein Provisorium. Daher arbeitete eine von den Landtagen in den drei Westzonen gewählte Versammlung aus 65 Mitgliedern ein Grundgesetz für die einheitliche Verwaltung der Westzonen aus, das von den Parlamenten der Länder angenommen werden sollte. Der Parlamentarische Rat Erste Tagung des parlamentarischen Rates in Bonn. Am Nachmittag des 1. September 1948 hielt der parlamentarische Rat in Bonn seine erste Sitzung ab. Neben den 65 stimmberechtigten Mitgliedern aus westdeutschen Ländern nahmen Vertreter Berlins mit beratender Stimme an der Sitzung teil. (© AP) Der Parlamentarische Rat trat am 1. September 1948 zusammen. Über die Grundprinzipien der Verfassungsordnung gab es trotz unterschiedlicher Auffassungen im Einzelnen keine Meinungsverschiedenheiten. Das Grundgesetz konnte am 23. Mai 1949 verkündet werden. Die Mitglieder des Parlamentarischen Rates hatten die Zerstörung der Weimarer Republik und die Erfahrungen mit der nationalsozialistischen Diktatur vor Augen. Sie waren entschlossen, Schwächen der Weimarer Verfassung, in denen sie einen wesentlichen Grund für das Scheitern der ersten deutschen Demokratie erblickten, zu vermeiden. Demokratie und Rechtsstaat sollten nicht noch einmal durch verfassungsändernde Gesetze beseitigt werden können. Die grundlegenden Prinzipien, der Kernbereich der Verfassung, sollten unantastbar sein und auch durch verfassungsändernde Mehrheiten nicht aufgehoben werden können. Artikel 79 (3) Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig. Dieser Artikel legt die unveränderbaren Kernelemente der Verfassung fest. Art. 1 leitet den Katalog der Grundrechte ein und erklärt sie für unmittelbar geltendes Recht. Artikel 20 (1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden. Auch als "Verfassung in Kurzform" bezeichnet, enthält dieser Artikel die tragenden Strukturprinzipien des Grundgesetzes: DemokratieBundesstaatRechtsstaatSozialstaat Freiheitliche demokratische Grundordnung Das Grundgesetz bezeichnet die Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland als freiheitliche demokratische Grundordnung. Sie basiert auf den genannten Strukturprinzipien. Das Bundesverfassungsgericht hat ihre Elemente bereits 1952 im Einzelnen definiert: "So lässt sich die freiheitliche demokratische Grundordnung als eine Ordnung bestimmen, die unter Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu rechnen:" Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie EntfaltungVolkssouveränitätGewaltenteilungVerantwortlichkeit der RegierungGesetzmäßigkeit der VerwaltungUnabhängigkeit der GerichteMehrparteienprinzipChancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition Verfassungsreform Das Grundgesetz erfährt mehr Zustimmung als alle bisherigen deutschen Verfassungen. Wo Kritik geübt wird, zielt sie nicht auf die verfassungsmäßig festgelegte Ordnung, sondern auf die politische Praxis, die an den hohen Ansprüchen des Grundgesetzes gemessen wird und ihnen nicht immer genügen kann. Damit die Verfassung nicht ständig von wechselnden politischen Mehrheiten geändert werden kann, sind hohe Hürden errichtet worden. Eine Änderung des Grundgesetzes bedarf der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages und zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates (Art. 79 Abs. 2). Bis 2008 ist das Grundgesetz 52-mal geändert worden, mehr als 165 Artikel wurden abgeändert, neu eingefügt oder aufgehoben. Zu den wichtigen Änderungen zählen die "Wehrverfassung" von 1956 und die Notstandsgesetzgebung von 1968, die der gewandelten Stellung der Bundesrepublik Deutschland im internationalen Staatensystem Rechnung trugen, sowie die zahlreichen Veränderungen der Zuständigkeiten von Bund und Ländern, zuletzt 2006 die Föderalismusreform. Bedeutsam waren auch die Senkung des aktiven Wahlalters auf 18 Jahre, die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Verfassungsbeschwerde und die Einsetzung des Wehrbeauftragten. Durch die fortschreitende Auflösung der DDR und die sich abzeichnende Wiedervereinigung entstand eine neue Lage. Nach dem Grundgesetz gab es zwei Wege, die deutsche Einheit herzustellen. Nach Art. 146 konnte eine neue Verfassung für das wiedervereinigte Deutschland ausgearbeitet werden, die das Grundgesetz abgelöst hätte. Den anderen Weg eröffnete der frühere Art. 23. Danach konnten "andere Teile Deutschlands" dem Geltungsbereich des Grundgesetzes beitreten. Die schnelle Vereinigung entsprach dem Willen der überwältigenden Mehrheit der Menschen in der DDR und war auch durch die außenpolitische Lage geboten. Die am 18. März 1990 neu gewählte Volkskammer der DDR beschloss am 23. August 1990 mit großer Mehrheit den Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland nach dem damaligen Art. 23. Nach der Wiederherstellung der deutschen Einheit wurde das Grundgesetz geändert, um der neuen Situation Rechnung zu tragen. In der Präambel heißt es jetzt, das Grundgesetz gelte für "das gesamte Deutsche Volk". Der bisherige Art. 23, der den Geltungsbereich des Grundgesetzes für "andere Teile Deutschlands" offenhielt, ist entfallen. Durch den Beitritt der neuen Länder hat sich die Zusammensetzung des Bundesrates geändert, das Stimmenverhältnis wurde neu festgelegt (Art. 51). Ein neuer Art. 23 schuf die verfassungsmäßige Grundlage für die Mitgliedschaft Deutschlands in der Europäischen Union (EU). Der Bundestag kann, heißt es dort, Hoheitsrechte auf die EU übertragen. Die Einführung des Euro machte es notwendig, den Artikel über die Bundesbank zu ergänzen. Aufgaben und Befugnisse der Bundesbank können der Europäischen Zentralbank übertragen werden (Art. 88). Zu den wichtigen Änderungen des Grundgesetzes in den folgenden Jahren gehört die Änderung des Asylrechts (1993). Asyl kann danach nicht mehr beanspruchen, wer aus einem sicheren Drittland einreist oder aus einem Land stammt, in dem es keine politische Verfolgung gibt (Art. 16a). Ergänzt wurde (1998) auch der Artikel über die Unverletzlichkeit der Wohnung. Auf richterliche Anordnung können Wohnungen abgehört werden (Art. 13). Weitere wichtige Änderungen und Ergänzungen betreffen die Förderung der Gleichberechtigung von Männern und Frauen (Art. 3) aus dem Jahr 1994 und die Einführung des Staatsziels, die "natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere" zu schützen (Art. 20a) aus dem Jahr 2002. Aus: Pötzsch, Horst: Die Deutsche Demokratie. 5. überarbeitete und aktualisierte Auflage, Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung 2009, S. 13-17. Einzug der Parlamentarier in die Paulskirche. (© AP) Erste Tagung des parlamentarischen Rates in Bonn. Am Nachmittag des 1. September 1948 hielt der parlamentarische Rat in Bonn seine erste Sitzung ab. Neben den 65 stimmberechtigten Mitgliedern aus westdeutschen Ländern nahmen Vertreter Berlins mit beratender Stimme an der Sitzung teil. (© AP)
Article
Horst Pötzsch
2021-06-23T00:00:00
2011-11-06T00:00:00
2021-06-23T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/politisches-system/deutsche-demokratie/39291/grundgesetz/
Volkssouveränität, Gewaltenteilung, Achtung der Menschenrechte: Die deutsche Verfassung definiert grundlegende Prinzipien der Ordnung in Deutschland. Dabei war das Grundgesetz zunächst nur als Provisorium gedacht.
[ "Deutschland", "Demokratie", "Grundgesetz", "Verfassung", "Parlamentarischer Rat", "Verfassungsreform" ]
510
Im Dienst der Macht | AV-Medienkatalog | bpb.de
Buch: Karl-Wilhelm Fricke Produktion: Allcom, Bundesrepublik Deutschland 1989 Format: 43 Min. - VHS-Video - farbig Stichworte: DDR - Menschenrechte - Kommunismus - Marxismus - Politische Systeme FSK: 12 Jahre Kategorie: Dokumentarfilm Inhalt: Darstellung der Kompetenzen, Arbeitsmethoden, Einflußmöglichkeiten und Organisation des bis 1989 existierenden Ministeriums für Staatssicherheit in der DDR. Der Film bietet eine Fülle von Informationen, die durch Schaubilder und Interviews ehemaliger Stasi-Opfer und übergelaufener Mitarbeiter ergänzt wird. Da die Aussage des Films hauptsächlich durch den Ton übermittelt wird, stellt der Film Anforderungen an die Konzentrationsfähigkeit des Zuschauers. Angesichts seiner klaren Struktur ist es möglich, den Film in einzelnen Sequenzen vorzuführen.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2021-06-23T00:00:00
2012-10-17T00:00:00
2021-06-23T00:00:00
https://www.bpb.de/lernen/filmbildung/146418/im-dienst-der-macht/
Sie gehörte zu den erfolgreichsten Nachrichtendiensten der Welt: die DDR-Staatssicherheit. Mit welchen Mitteln sie im Laufe der Jahrzehnte ihren zweifelhaften Ruhm begründet hat, darüber informiert die Filmdokumentation: Organisation, Kompetenzen und
[ "Kommunismus", "Marxismus", "Menschenrechte", "politische Systeme", "DDR" ]
511
Download | Bundestagswahl 2021 | bpb.de
Download-Version des Wahl-O-Mat Nicht immer steht die notwendige Internetverbindung zur Verfügung, um den Wahl-O-Mat unter Externer Link: www.wahl-o-mat.de zu spielen. Um den Wahl-O-Mat auch ohne eine Internetverbindung nutzen zu können, müssen Sie die nachfolgende Datei herunterladen und entpacken. Anschließend können Sie den Wahl-O-Mat offline starten. Externer Link: Download des Wahl-O-Mat Wahl-O-Mat-Datensatz Die Bundeszentrale für politische Bildung ist Urheber des nachfolgend veröffentlichten "Wahl-O-Mat-Datensatzes". Die Veröffentlichung des Datensatzes dient lediglich dem Zugang zu den in ihm enthaltenen Informationen. Jede Nutzung des Datensatzes, egal welcher Art, wird untersagt. Die Schranken des Urheberrechts durch gesetzlich erlaubte Nutzung bleiben hiervon unberührt. Eine Ausnahme gilt nur für die Analyse des Datensatzes zu wissenschaftlichen oder journalistischen Zwecken sowie für die Veröffentlichung der Ergebnisse dieser Analyse. Dabei muss jederzeit klar erkennbar sein, dass die Bundeszentrale für politische Bildung nicht Urheber dieser Analyse ist. Explizit untersagt ist in diesem Rahmen die Nutzung des Datensatzes für die Erstellung von Angeboten, in deren Rahmen– ähnlich dem Wahl-O-Mat – Nutzerinnen und Nutzer sich auf Basis der eigenen Positionen ihre Nähe zu den Parteien anzeigen oder errechnen lassen können. Interner Link: Download des Datensatzes
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2021-09-03T00:00:00
2021-08-03T00:00:00
2021-09-03T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/wahl-o-mat/bundestagswahl-2021/337541/download/
Sie wollen den Wahl-O-Mat offline verwenden oder den Datensatz des Wahl-O-Mat analysieren? Hier finden Sie die notwendigen Downloads.
[ "bpb Wahl-O-Mat" ]
512
Preisverleihung Wettbewerb Aktiv für Demokratie und Toleranz 2014 | Presse | bpb.de
Wettbewerb Aktiv für Demokratie und Toleranz 2014 im Historischen Rathaussaal der Stadt Nürnberg Rathausplatz 2, 90403 Nürnberg am Montag, 27. April 2015, von 17.00 bis 18.30 Uhr Neun Projekte aus Bayern werden als Preisträger im bundesweiten Wettbewerb „Aktiv für Demokratie und Toleranz“ 2014 geehrt. Das „Bündnis für Demokratie und Toleranz – gegen Extremismus und Gewalt (BfDT)“ hat 2014 im Wettbewerb insgesamt 66 Initiativen und Projekte für ihr vorbildliches und nachahmenswertes zivilgesellschaftliches Engagement für Demokratie und Toleranz als Preisträger ausgewählt. Die Preise sind mit 1.000 € bis 5.000 € dotiert. In der öffentlichen Preisverleihung werden der Bürgermeister der Stadt Nürnberg, Dr. Klemens Gsell, sowie Frau Bundestagsabgeordnete Gabriele Fograscher und Herr Prof. Wolfgang Benz, Mitglieder im Beirat des BfDT, die Preisträger/-innen auszeichnen und zusammen mit Herrn Dr. Gregor Rosenthal, Leiter der Geschäftsstelle des BfDT, das vorbildliche Engagement würdigen. Im Anschluss an die Preisverleihung besteht die Möglichkeit, mit Preisträgern und Veranstaltern bei einem Empfang ins Gespräch zu kommen. Am 23. Mai 2000 gründeten die Bundesministerien des Innern und der Justiz das „Bündnis für Demokratie und Toleranz - gegen Extremismus und Gewalt“. Seit dem Jahr 2011 ist die Geschäftsstelle des Bündnisses für Demokratie und Toleranz Teil der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb. Wir laden Sie zur Berichterstattung über den Wettbewerb und seine Preisträger ein und würden uns über Ihr Kommen sehr freuen. Folgende Projekte werden ausgezeichnet: Bayern Preisträger: Asylothek, Nürnberg Projektname: Asylothek Die Asylothek (Asylbewerberheimbibliothek) in Nürnberg ist ein rein ehrenamtlich initiiertes und betriebenes Projekt für Asylsuchende. Die Asylothek setzt sich dafür ein, ein Mindestbildungsangebot und eine sozial-gesellschaftliche Betreuung zur Verfügung zu stellen. Seit zwei Jahren hat die Asylothek fünf Tage die Woche zu festen Zeiten geöffnet. Sie will den Asylbewerber/-innen den Zugang zu Wissen sowie kulturelles und gesellschaftliches Verständnis für das Gastland vermitteln. Durch die Einbindung in verschiedene gesellschaftliche und kulturelle Bereiche und dem Angebot der ,,Bürgerpatenschaft-Asyl“ soll die räumlich-soziale Isolation überwunden werden und eine sozial-gesellschaftliche Einbindung erfolgen. Bildung, Toleranz und Hilfe zur Selbsthilfe sind erklärte Ziele der Asylothek. Außerdem gibt es das Teilprojekt Kinder-helfen-Eltern, weil Kinder sich häufig schneller in der neuen Umgebung zurecht finden als ihre Eltern. Auch ein Deutschkurs findet regelmäßig statt. Dieser wird von zwei ehemaligen Asylbewerbern durchgeführt. Das Projekt wurde 2012, als ein Asylbewerberheim ohne Betreuung vor Ort (bis auf einen Hausmeister, der zwei Mal die Woche kurz kam) eröffnete, ins Leben gerufen. 5000 € Preisgeld Preisträger: Mittelschule Hummelsteiner Weg, Nürnberg Projektname: die Roadies Zwölf Jugendliche einer sog. Brennpunktschule, der Mittelschule Hummelsteiner Weg, arbeiten seit zwei Jahren mit Menschen des Sozialmagazins „der Straßenkreuzer“ zusammen. Es wurde der Film „Höhen und Tiefen“ über die Biographien der Straßenkreuzer-Verkäufer/-innen gedreht. Zum Jubiläum des Magazins erfüllten die Jugendlichen die Lebensträume der Verkäufer/-innen in fotografischen Darstellungen, die in einer Ausstellung im Nürnberger Rathaus gezeigt wurden und als Wanderausstellung zur Verfügung gestellt werden. So konnten die meist obdachlosen Verkäufer/-innen für einen Tag Astronaut, Gärtner oder Fußballprofi sein. Die Jugendlichen besorgten die jeweiligen Requisiten und halfen den Darsteller/-innen bei der Garderobe. Immer eine/r der Jugendlichen unterstützte die Verkäufer/-innen auch auf dem Foto und wurde somit z.B. zur Kopilotin. Außerdem kümmerten sich die Jugendlichen um die Genehmigungen und Drehorte. Die Schüler/-innen, die größtenteils einen Migrationshintergrund haben und/oder in schwierigen sozialen Verhältnissen leben, lernten durch die Arbeit die Lebenswelt der Verkäufer/-innen kennen. Sie haben durch das Projekt gelernt, dass man sein Leben aktiv in die Hand nehmen muss und niemals aufgeben darf. Sowohl die Verkäufer/-innen wie auch die Jugendlichen haben in den zwei Jahren ein enges Verhältnis aufgebaut. 4000 € Preisgeld Preisträger: buntkicktgut – interkulturelle straßenfußball-ligen/Initiativgruppe e.V., München Projektname: buntkicktgut – interkulturelle straßenfußball-ligen „buntkicktgut“ ist ein kostenloses Straßenfußballprojekt für sozial benachteiligte Kinder. Gespielt wird dort, wo gerade Platz ist: auf dem Bolzplatz, im Park oder auf der Wiese. Dieses niederschwellige Angebot existiert in München seit 1997 und wurde schon auf Berlin, Dortmund, Würzburg und Niederbayern ausgeweitet; ein übertragbares Konzept ist damit vorhanden. Die Kinder und Jugendlichen bringen sich selbst ein, organisieren das Training, den Spielbetrieb und den Ligarat eigenständig und übernehmen so Verantwortung. Seit 1997 haben über 35.000 Kinder und Jugendliche aus über 100 Herkunftsländern zusammen Fußball gespielt. Das Projekt möchte jungen Menschen, die in schwierigen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen aufwachsen, eine sinnvolle und kostengünstige Freizeitgestaltung bieten. Sogenannte „Street Football Worker“ trainieren die Kinder und Jugendlichen ca. 4 Mal im Monat in ihrem Stadtteil. Damit ist gewährleistet, dass sie in ihrer gewohnten Umgebung mit den Kindern und Jugendlichen spielen können, die sie sonst auch auf der Straße treffen. Durch Spiele in verschiedenen Ligen treffen die in den Stadtteilen entstandenen Fußballmannschaften dann auch stadtteilübergreifend aufeinander. 4000 € Preisgeld Preisträger: Münchner Schülerbüro e.V., München Projektname: Zeitzeugengespräche – „Erzähl mal“ Das Münchner Schülerbüro e.V. ist ein Verband von Jugendlichen, Schülersprecher/-innen und Tutor/-innen. Mit dem Projekt „Erzähl mal“ soll Geschichte lebendig gemacht werden. Es wurde ein Pool von Zeitzeug/-innen aus der Nazizeit und der DDR zusammengetragen. Schulklassen können diese über das Schülerbüro anfragen, das die Zeitzeugengespräche daraufhin organisiert und kostenlos durchführt. Ziel ist ein aktiver Dialog zwischen Schüler/-innen und Zeitzeug/-innen und die Erkenntnis, dass Demokratie, wie wir sie kennen und leben, vor gar nicht all zu langer Zeit nicht selbstverständlich war und das Extremismus keine Chance in unserer Gesellschaft haben darf. Zielgruppen sind Schulklassen aller Schularten. Die Gespräche wurden auch schon bei unterschiedlichen Veranstaltungen durchgeführt. Als Moderatoren für solche Gespräche ausgebildete Jugendliche fahren mit jeweils zwei Zeitzeug/-innen entweder aus der NS-Zeit oder DDR-Zeit in die Klassen und treten mit den Schüler/-innen in den aktiven Dialog. Das Projekt startete im September 2013. 3000 € Preisgeld Preisträger: DJK SV Furth Abteilung Ju-Jutsu, Furth Projektname: Respekt und 8samkeit im Sport Der DJK SV Furth (Abteilung Ju-Jutsu) aus Bayern will mit seinem Projekt „Respekt und 8samkeit im Sport“ Grundsteine für soziale Kompetenz bei Kindern und Jugendlichen legen, sowie Problemlösungskompetenzen fördern und Nachhaltigkeit gewährleisten. Vernetzung erfolgt mit dieser Problematik betrauten und von langjähriger Erfahrung geprägten Institutionen und Fachstellen. Weitere Partner sind Eltern, Kindergärten und Schulen. Ein Schwerpunkt soll dabei die Förderung risikohemmender Faktoren sein. Maßnahmen müssen auf das Alter, den Entwicklungsstand und weitere zielgruppenspezifische Bedürfnisse wie Geschlecht oder kulturelle/ethnische Hintergründe ausgerichtet sein. Um dies zu erreichen führen sie Szenarientrainings, Diskussionen, Fallbesprechungen und Deeskalationsmaßnahmen in Schulen und anderen Einrichtungen durch. Seit 2014 wird auch Antirassismusarbeit durch dsj Demokratietrainer (ZdT) angeboten. Eine räumliche Beschränkung für das Projekt gibt es nicht. Allerdings finden die überwiegende Anzahl der Seminare in Niederbayern statt. Es gibt jedoch auch einzelne Projekte bayernweit bzw. in anderen Bundesländern. 3000 € Preisgeld Preisträger: Gräfenberger Sportbündnis, Weißenohe Projektname: Agenda 2015: Jugend für Demokratie und Toleranz Das regionale „Gräfenberger Sportbündnis“ hat 9 Mitgliedsvereine (ca. 6000 Mitglieder). Das Bündnis gründete sich Ende 2009 und ist stark regional und überregional vernetzt. So können sich die Vereine gemeinsam gegen Diskriminierung und für mehr Toleranz einsetzen. Dies wird nicht nur in den Vereinen umgesetzt, sondern auch in Schulen. So werden auch Kinder und Jugendliche erreicht, die nicht im Verein sind. Kinder und Jugendliche sind seit 2012 (nach dem Gewinn des Aktivwettbewerbs 2011) die neue Ausrichtung des Vereins. Es wurden Turniere und andere Veranstaltungen wie Diskussionsrunden und Vorträge in Sportvereinen und Schulen zum Thema Rechtsextremismus organisiert. Der Verein organisiert beispielsweise einen Kabarett-Abend und die Ausstellung „Kicker, Kämpfer, Legenden – Juden im deutschen Fußball“, die sich mit der Geschichte des eigenen Orts und dem, durch das NS-Regime aufgelösten, Verein beschäftigt. Zur Eröffnung fand auch ein Zeitzeugengespräche statt. Die Ausstellung ermutigte Schüler/-innen, selbst zu recherchieren und eine eigene Ausstellung zu entwickeln. Der Verein arbeitet mit „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“ zusammen. 3000 € Preisgeld Preisträger: Dietrich-Bonhoeffer-Realschule, Neustadt Projektname: Filmprojekt „Stolpersteine“ Im April 2013 wurden am Schulzentrum in Neustadt fünf Stolpersteine verlegt. Damit wird fünf ehemaligen Schüler/-innen gedacht, die aufgrund der Rassenpolitik der Nationalsozialisten die damalige Realschule verlassen mussten, weil sie Juden waren. Die Schüler/-innen recherchierten, sprachen mit Zeitzeug/-innen und schufen einen Film, welcher teils in der Schule, hauptsächlich aber in der Freizeit, entstand. Der Film erklärt mit Hilfe von Grafiken sehr kindgerecht wie es zu der Herrschaft des NS-Regimes kommen konnte, wie die Schüler/-innen vorgegangen sind und was genau damals in Neustadt passierte. Der Film war ursprünglich für die Schüler/-innen der Schule konzipiert, hat aber weit darüber hinaus "für Aufsehen" gesorgt. Zusätzlich kommt der Film in den 9. Klassen im Geschichtsunterricht bei der Behandlung des Themengebietes "Nationalsozialismus" zum Einsatz. Die umliegenden Schulen haben ihn ebenfalls erhalten und wollen ihn im Unterricht einsetzen. Der Film wurde im Rahmen einer Lehrerfortbildung der mittelfränkischen Fachschaftsleiter/-innen für Geschichte an Realschulen vorgestellt und anhand seines Beispiels die Möglichkeiten von Filmprojekten mit Schüler/-innen dargestellt. Des Weiteren wurde der Film bei Veranstaltungen von umliegenden Geschichts- und Heimatvereinen präsentiert und zu seiner Entstehung referiert. 3000 € Preisgeld Preisträger: Buntes Miteinander Geisenhausen e.V., Geisenhausen Projektname: Interkulturelle Arbeit für die GU Geisenhausen Der Zweck des Vereins „Buntes Miteinander Geisenhausen“ ist die Hilfe für Asylsuchende und andere hilfsbedürftige Menschen, die im Gemeindegebiet Geisenhausen wohnen. Zweck des Vereins ist auch die Förderung internationaler Gesinnung, der Toleranz auf allen Gebieten der Kultur und des Völkerverständigungsgedankens. Der Verein unterhält eine Kleiderkammer, bietet Sprachkurse, Kinderbetreuung, Unterstützung bei Behördengängen und Arztbesuchen an und veranstaltet gemeinsame Feste. Vor Einrichtung der Gemeinschaftsunterkunft für die 150 Asylsuchenden bestand eine durchweg ablehnende Haltung in der Gemeinde. Parallel dazu wurde bekannt, dass der extreme Rechtsradikale Martin Wiese in der Gemeinde wohnt. Es gründete sich eine Initiative als Gegenwehr zu der rechten Szene. Diese nannte sich "Geisenhausen ist bunt" und betrieb lautstark Aufklärung mit Unterstützung von namhaften Firmen. Zwei Gründerinnen von „Buntes Miteinander Geisenhausen e.V.“ sind zu Migrationsbeauftragten von Geisenhausen ernannt worden. 2000 € Preisgeld Preisträger: Mittelschule Mühldorf, Mühldorf a. Inn Projektname: Sinti und Roma im 3. Reich – Die wahre Geschichte des Hermann Höllenreiner Schüler/-innen der 10. Klasse der Mittelschule Mühldorf haben im Schulunterricht anhand des Buches „Mano, der Junge der nicht wusste, wo er war“ das Thema Verfolgung von Sinti und Roma im Nationalsozialismus behandelt. Danach nahmen sie Kontakt zu dem Sinto Hermann „Mano“ Höllenreiner auf, dessen Lebensgeschichte in dem Buch behandelt wird. Die Schüler/-innen interviewten ihn und produzierten mit diesem Material einen kurzen Film. Zudem stellten sie die Ergebnisse der 6. Klasse ihrer Schule vor. Die 6. Klasse schrieb ebenfalls an Herrn Höllenreiner und lud ihn in die Schule ein. So wurde ein Zeitzeugengespräch in der Schule organisiert und der Film vorgestellt. Auch nach der Fertigstellung des Films blieben die Schüler/-innen in Kontakt zu der Familie Höllenreiner. Ziel war die Sensibilisierung und Aufklärung der Schüler/-innen über die Verbrechen an Sinti und Roma im Dritten Reich am Beispiel des Zeitzeugen Hermann Höllenreiner. 2000 € Preisgeld Presseeinladung als Interner Link: PDF. Pressekontakt: Geschäftsstelle Bündnis für Demokratie und Toleranz Johanna Suwelack Friedrichstraße 50 10117 Berlin Tel +49 (0)30 254504-464 Fax +49 (0)30 254504-478 E-Mail Link: johanna.suwelack@bpb.bund.de Externer Link: www.buendnis-toleranz.de Pressekontakt: Bundeszentrale für politische Bildung Miriam Vogel Adenauerallee 86 53113 Bonn Tel +49 (0)228 99515-200 Fax +49 (0)228 99515293 E-Mail Link: presse@bpb.de Externer Link: www.bpb.de/presse
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2021-06-23T00:00:00
2015-04-20T00:00:00
2021-06-23T00:00:00
https://www.bpb.de/die-bpb/presse/pressemitteilungen/205202/preisverleihung-wettbewerb-aktiv-fuer-demokratie-und-toleranz-2014/
Neun Projekte aus Bayern werden als Preisträger im bundesweiten Wettbewerb „Aktiv für Demokratie und Toleranz“ 2014 geehrt.
[ "" ]
513
Editorial | Demokratie und Beteiligung | bpb.de
Das repräsentativ-demokratische System steckt in einer Vertrauenskrise. Nicht erst seit den Protesten um "Stuttgart 21" sind "Wutbürger" omnipräsent. Sie beklagen laut die Abgehobenheit und Bürgerferne der etablierten Parteien und der Politik überhaupt. Die Wahlbeteiligung sinkt mancherorts unter die Fünfzigprozentmarke. Besonders bei Menschen aus einkommensschwachen und "bildungsfernen" Schichten vergrößert sich die Partizipationslücke. In der Sozialwissenschaft wird längst der Befund einer "Postdemokratie" erhoben: Politik sei zum Medienspektakel verkommen und werde einer immer heterogeneren und mobileren, ja transnationalen Gesellschaft nicht mehr gerecht. Zudem begreifen sich Politiker immer weniger als gestaltende Generalisten für "das große Ganze", sondern eher als Experten. Wer behält den Überblick in Zeiten fundamentaler Verunsicherung? Sind die Gewählten - und die Wählerschaft - tatsächlich bloß Getriebene anonymer Märkte und globaler Verwerfungen? Von Instrumenten direkter Demokratie sollten keine Wunder erwartet werden. Viele politische Gestaltungsfragen eignen sich nicht zum Entweder-oder. Überdies wirken Volksentscheide, an denen noch deutlich weniger Stimmberechtigte teilnehmen als an Parlamentswahlen, kaum legitimitätsstiftend. Selbstverständlich gibt es auch ein gutes Recht auf Nicht-Partizipation. Aber ist in der "Spaßgesellschaft" Max Webers "Bohren dicker Bretter" wirklich altmodisch und uncool? Demokratie neu denken meint: Partizipationsmöglichkeiten zu nutzen und (insbesondere digital) auszubauen, Anhörungsverfahren endlich ernster zu nehmen und innerparteiliche Demokratie intelligenter zu gestalten.
Article
Golz, Hans-Georg
2021-12-07T00:00:00
2012-01-25T00:00:00
2021-12-07T00:00:00
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/59701/editorial/
Das repräsentativ-demokratische System steckt in einer Vertrauenskrise. Demokratie neu denken meint: Partizipationsmöglichkeiten zu nutzen und (insbesondere digital) auszubauen und innerparteiliche Demokratie intelligenter zu gestalten.
[ "" ]
514
Das Tagebuch der Diana Budisavljević | bpb.de
Filmausschnitt aus "Das Tagebuch der Diana Budisavljević". (© HULAHOP) Mitmenschlichkeit und Mut in Zeiten der Barbarei: Während des Zweiten Weltkriegs nutzte Diana Budisavljević, eine in Zagreb lebende, mit einem serbisch-orthodoxen Arzt verheiratete Frau, ihre Privilegien als wohlhabende Österreicherin. Mit nur wenigen Mitstreiter:innen befreite sie mehrere tausend serbisch-orthodoxe Kinder aus faschistischen Lagern und rettete sie vor dem sicheren Tod. Behutsam inszeniert die Regisseurin Dana Budisavljević die Geschichte dieser unerschrockenen, stillen Heldin, mit der sie entfernt verwandt ist. Sie lässt die Kinder von damals zu Wort kommen und ruft eine grausame, weitgehend vergessene Geschichte in Erinnerung. Regie: Dana Budisavljević Kroatien, Slowenien, Serbien 2019 Dokufiktion, 88 Minuten, kroatisch mit deutschen Untertiteln Über die Filmreihe Die unter dem Titel "De-Archivierung der Macht" gezeigten Filme der international gefeierten Filmemacherinnen Dana Budisavljević (Kroatien), Mila Turajlić (Serbien) und Jasmila Žbanić (Bosnien und Herzegowina) haben zumeist private und öffentliche Archive zum Ausgangspunkt. Mit Dokumentarfilmen, Dokufiktionen oder historischen Spielfilmen bemüht sich die neue Generation von Regisseurinnen, verdrängte oder vergessene Themen neu im öffentlichen Bewusstsein zu verankern. Sei es die Auseinandersetzung mit Kriegserfahrungen, die Entlarvung von Mythos und Wirklichkeit in ihren Herkunftsländern oder die Aufarbeitung der eigenen Lebensgeschichte – stets sind die Filme Zeugnisse unterschiedlichster Machtverhältnisse in der postjugoslawischen Gesellschaft. Weitere Filme der Reihe: Film 1: Interner Link: Esmas Geheimnis – Grbavica (Regie: Jasmila Žbanić) Film 2: Interner Link: Family Meals (Regie: Dana Budisavljević) Film 3: Interner Link: Die andere Seite von allem – Eine politische Geistergeschichte (Regie: Mila Turajlić) Film 5: Interner Link: Cinema Komunisto (Regie: Mila Turajlić) Film 6: Interner Link: Quo vadis, Aida? (Regie: Jasmila Žbanić) Filmausschnitt aus "Das Tagebuch der Diana Budisavljević". (© HULAHOP) Die unter dem Titel "De-Archivierung der Macht" gezeigten Filme der international gefeierten Filmemacherinnen Dana Budisavljević (Kroatien), Mila Turajlić (Serbien) und Jasmila Žbanić (Bosnien und Herzegowina) haben zumeist private und öffentliche Archive zum Ausgangspunkt. Mit Dokumentarfilmen, Dokufiktionen oder historischen Spielfilmen bemüht sich die neue Generation von Regisseurinnen, verdrängte oder vergessene Themen neu im öffentlichen Bewusstsein zu verankern. Sei es die Auseinandersetzung mit Kriegserfahrungen, die Entlarvung von Mythos und Wirklichkeit in ihren Herkunftsländern oder die Aufarbeitung der eigenen Lebensgeschichte – stets sind die Filme Zeugnisse unterschiedlichster Machtverhältnisse in der postjugoslawischen Gesellschaft.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2022-08-18T00:00:00
2022-07-04T00:00:00
2022-08-18T00:00:00
https://www.bpb.de/pift2022/rahmenprogramm/510156/das-tagebuch-der-diana-budisavljevic/
Mitmenschlichkeit und Mut in Zeiten der Barbarei: Während des Zweiten Weltkriegs nutzte Diana Budisavljević, eine in Zagreb lebende, mit einem serbisch-orthodoxen Arzt verheiratete Frau, ihre Privilegien als wohlhabende Österreicherin.
[ "Macht des Widerstands", "macht Mut" ]
515
Das Land in Daten | Iran | bpb.de
Das Land in Daten Fläche 1.648.000 km2 (Weltrang: 17) Einwohner 81.163.000 = 49 je km2 (Stand 2017, Weltrang: 18) Hauptstadt Tehran (Teheran) Amtssprachen Persisch (Farsi) Bruttoinlandsprodukt 439,5 Mrd. US-$; realer Zuwachs: 4,3% Bruttosozialprodukt (BSP, pro Einwohner und Jahr) 5400 US-$ Währung 1 Rial (Rl.) = 100 Dinars Botschaft Podbielskiallee 6567, 14195 Berlin Telefon (030) 843530, Fax (030) 84353133 germany.mfa.ir Regierung Staatsoberhaupt: Sayed Ali Khamenei, Staats- u. Regierungschef: Hassan RohaniEschagh Dschahangiri, Äußeres: Mohammad Dschawad Zarif Nationalfeiertag 11.2. (Tag der Revolution von 1979) Verwaltungsgliederung 31 Provinzen Staats- und Regierungsform Verfassung von 1979Islamische RepublikStaatsreligion: IslamParlament: Versammlung des Islamischen Rates (Madschlis) mit 290 Mitgl. (5 für religiöse Minderh. reserviert), Wahl alle 4 J.; Expertenrat mit 86 gewählten Geistlichen; Wahl alle 8 J.; dieser ernennt das Staatsoberhaupt und den Revolutionsführer auf LebenszeitSchlichtungsrat mit 20-30 Mitgl. (vom Revolutionsführer ernannt)Wächterrat als Kontrollorgan für die Konformität von Gesetzen mit dem islamischen Recht (Scharia) mit 12 Mitgl. (je 6 von Parlament und Staatsoberhaupt ernannt)Direktwahl des Staats- und Regierungschefs alle 4 J. (einmalige Wiederwahl)Wahlrecht ab 18 J. Bevölkerung Iranerletzte Zählung 2016 (vorl.): 79.926.270 Einw.51% Perser, 24% Aserbaidschaner, 8% Gilaki und Mazandarani, 7% Kurden, 3% Araber, 2% Turkmenen, 2% Luren, 2% Balutschen, Armenier u.a. Städte (mit Einwohnerzahl) (Stand 2016) Tehran (Teheran) 8.693.706 Einw., Mashhad 3.001.184, Esfahan (Isfahan) 1.961.260, Karaj 1.592.492, Shiraz 1.565.572, Tabriz (Täbris) 1.558.693, Qom 1.201.158, Ahvaz 1.184.788, Bakhtaran (Kermanshah) 946.651, Orumiyeh 736.224, Rasht 679.995, Zahedan 587.730, Hamadan 554.406, Kerman 537.718, Yazd 529.673, Ardabil 529.374 Religionen 99% Muslime (90% Schiiten: v.a. Perser, Aserbaidschaner, Luren, z.T. Kurden, Araber; 9% Sunniten: z.T. Kurden, Turkmenen, Balutschen); Minderheiten von Christen, Juden, Zoroastriern, Mandäern und Anh. der Bahai-Religion (Stand: 2006) Sprachen 50% Persisch; weitere Sprachen: Luri (mit Bachtiari), Kurdisch, Balutschi; Turksprachen: Aserbaidschanisch, Turkmenisch; Arabisch, Armenisch Erwerbstätige nach Wirtschaftssektor Landwirtsch. 17%, Industrie 31%, Dienstl. 51% (2017) Arbeitslosigkeit (in % aller Erwerbspersonen) Ø 2017: 12.5% (offiziell) Inflationsrate (in %) Ø 2017: 9.9% Außenhandel Import: 63.1 Mrd. US-$ (2017); Export: 84.0 Mrd. US-$ (2017) Quelle: Der neue Fischer Weltalmanach 2019 © Fischer Taschenbuch Verlag in der S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2018.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2022-10-20T00:00:00
2011-11-12T00:00:00
2022-10-20T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/naher-mittlerer-osten/iran/40219/das-land-in-daten/
Bevölkerung, Regierung, Wirtschaft: Die wichtigsten Daten und Zahlen über Iran auf einen Blick.
[ "Iran", "Das Land in Daten", "Iran", "Iran" ]
516
Corona-Krise: Welche Folgen hat die Pandemie für Länder des Globalen Südens? | Coronavirus | bpb.de
bpb.de: Im Zentrum der Berichterstattung über die Corona-Krise stehen in Deutschland oft die Entwicklungen in Europa, den USA und Ostasien. Wie trifft die Pandemie andere Regionen der Welt? Irene Weipert-Fenner: Die Regionen, die immer mehr in unsere Aufmerksamkeit rücken, sind die des sogenannten Globalen Südens. Wir sehen dramatische Entwicklungen der Fallzahlen von Corona-Infizierten in Lateinamerika, beispielsweise in Brasilien, Peru und Mexiko. In Subsahara-Afrika ist ein Anstieg der Fallzahlen zu erwarten, ebenso in Westasien und Nordafrika (WANA). Die offiziellen Zahlen sind dort noch gar nicht so hoch, was aber wohl daran liegt, dass wenig getestet wird. Einen wirklichen Eindruck über das Ausmaß der Krise wird man wahrscheinlich erst bekommen, wenn – so dramatisch das ist – die Todeszahlen steigen. Kurz erklärtWestasien und Nordafrika Die Region Westasien und Nordafrika (WANA) erstreckt sich von Afghanistan, Iran über Irak, Syrien, und Libanon bis ans Mittelmeer. Zu ihr gehören auch die Golfstaaten sowie die Länder im Norden Afrikas einschließlich Sudan und Mauretanien. Anders als die Bezeichnung "Naher und Mittlerer Osten" ist der Begriff "WANA" der Versuch, sich von einem eurozentristischen Blick auf die Region loszulösen ("nah" in Bezug auf Europa) und eine geographisch neutralere Betrachtungsweise zu verwenden. Gibt es Regionen oder Länder, die besonders gefährdet sind? Besonders gefährdet sind Länder, in denen Krieg oder bewaffnete Konflikte herrschen. Ein fragiler oder bereits zusammengebrochener Staat kann nicht die nötige Infrastruktur liefern, um das Virus einzudämmen. Dies trifft beispielsweise auf Länder in der sogenannten WANA-Region zu. Hier sind vor allem Externer Link: Syrien, Interner Link: Jemen oder Interner Link: Libyen betroffen. Eine Gesundheitsversorgung ist dort kaum vorhanden. Viele Menschen können die Hygienestandards nicht einhalten, weil sie beispielsweise keinen Zugang zu Wasser, Seife oder Desinfektionsmitteln haben und ein Mindestabstand nicht möglich ist. Daher ist die Ansteckungsgefahr und Ausbreitungsgeschwindigkeit des Virus besonders hoch. Dies gilt auch für umliegende Länder, in denen viele Geflüchtete aus den benachbarten Kriegsgebieten oft auf engem Raum in Lagern leben. Zusätzlich gibt es besonders in Nordafrika informelle Bereiche, die vom Staat weder registriert noch kontrolliert werden, beispielsweise informelle Siedlungen, sogenannte Slums. Oft sind diese nicht an öffentliche Infrastruktur, wie Wasserversorgung oder Verkehr, angeschlossen. Stattdessen gibt es informelle Transportmöglichkeiten, etwa Sammeltaxis oder Mikrobusse. Hier ist ein Mindestabstand oder die Einhaltung von Hygieneregeln so gut wie unmöglich. Darüber hinaus arbeiten in der WANA-Region Externer Link: bis zu 70 Prozent der Menschen im sogenannten informellen Sektor, beispielsweise im Straßenhandel oder als Tagelöhner. Der Zugang zum Gesundheitssystem und den Rentenkassen ist aber in vielen Ländern der Region an formale Beschäftigung gebunden. Viele Menschen des informellen Sektors leben daher sprichwörtlich von der Hand in den Mund. Die meisten Länder der Region haben relativ schnell auf die Krise reagiert, indem sie Ausgangsbeschränkungen drastischer Art verhängten. Wenn aber beispielsweise ein Straßenhändler das Haus nicht verlassen darf, verdient er kein Geld mehr. Da ihm meist soziale Sicherungssysteme fehlen, bedeutet das, dass er sich keine Nahrungsmittel leisten kann – zumal aktuell in der WANA-Region die Lebensmittelpreise ansteigen. Wenn er aber weiterhin arbeiten geht, um sich und seine Familie zu ernähren, riskiert er, sich oder andere anzustecken. Welche Maßnahmen gibt es auf nationaler Ebene, um soziale und wirtschaftliche Sicherheit zu gewährleisten? Es werden vor allem Kredite gestundet – also deren Rückzahlung aufgeschoben – und insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmen neue Kredite gewährt, um die Geschäfte weiterlaufen zu lassen und die Menschen in Arbeit zu halten. Eine weitere Maßnahme ist, Steuern später zahlen zu lassen, um das Geld im Wirtschaftssystem zu halten. Kurz erklärtGlobaler Süden Mit dem Begriff "Globaler Süden" wird umschrieben, dass bestimmte Länder und Regionen eine politisch und wirtschaftlich benachteiligte Position in einer globalisierten Welt einnehmen. Das sind beispielswiese viele Regionen oder Länder mit Kolonialerfahrung. Dabei ist Süden hier keine rein geografische Zuordnung, da Länder des "Globalen Südens" auch auf der Nordhalbkugel liegen können und bspw. Australien auf der Südhalbkugel als Industriestaat nicht zu diesen Ländern gezählt wird. Anders als mit dem Begriff "Entwicklungsländer" soll betont werden, dass Ungleichheiten kein Merkmal einzelner Länder sind, sondern sich weltweit in unterschiedlichen Konstellationen wiederfinden. In den vergangenen Jahren gab es zudem Reformansätze hin zu direkten Auszahlungen an Bedürftige, die im Zuge der Corona-Krise in vielen Ländern nun ausgeweitet werden – auch auf informelle Arbeiterinnen und Arbeiter, um diese direkt in ihrer Überlebenssicherung zu unterstützen und auf diese Weise auch Proteste zu vermeiden. In Ägypten wird beispielsweise der Versuch unternommen, Gelder an informell Arbeitende über Poststellen auszuteilen. Zur Finanzierung dieser Maßnahmen werden in einigen Ländern, wie etwa Marokko, Corona-Fonds gegründet, wobei dabei auf die Solidarität der eigenen Bevölkerung gebaut wird. Privatpersonen sowie Unternehmen zahlen beispielsweise Spenden, um dem Staat noch zusätzliches Geld zur Verfügung zu stellen. Das große Problem ist aber, dass die statistische Datenlage je nach Land sehr unterschiedlich und der Zugang zu den Bedürftigen meist mangelhaft ist. Zudem werden die finanziellen Mittel schnell erschöpft sein. Letztlich bleibt es bei der Frage, wie lange es sich Menschen leisten können, zu Hause zu bleiben. Welche Rolle spielen regionale Akteure bei der Bewältigung der Krise? Potenziell gäbe es für regionale Organisationen eine Menge zu tun. Die Interner Link: Arabische Liga wäre ein Kandidat, der für die WANA-Region – mit Ausnahme von Iran und der Türkei – zuständig sein könnte. Die Covid-19-Pandemie zeigt jedoch erneut, dass die Arabische Liga, deren Hauptthema einst der Israel-Palästina-Konflikt war, als Regionalorganisation keine Rolle spielt. Die Interner Link: Afrikanische Union dagegen Externer Link: hat in Subsahara-Afrika eine sehr positive und aktive Rolle eingenommen, indem sie zwischen Ländern koordiniert, Standards gesetzt sowie technische Unterstützung und Ressourcen mobilisiert hat. Potenziell könnte sie dies auch in Nordafrika tun. Die meisten nordafrikanischen Länder schauen allerdings in Richtung Europa, wenn es um Standards und politischen Anschluss geht. Das ist vor allem für Marokko und Tunesien immer wichtig gewesen. Ägypten wiederum sieht sich als arabische Führungsmacht und identifiziert sich wenig mit der Afrikanischen Union. Der Interner Link: Golf-Kooperationsrat wäre auch eine Regionalorganisation, an die man denken könnte. Die Golfländer sind aber aufgrund des historisch niedrigen Ölpreises derzeit damit beschäftigt, ihre eigene Wirtschaft finanziell zu stützen. Schaut man also auf die WANA-Region insgesamt, sind es vor allem internationale Organisationen, die eine Rolle spielen. Welche internationalen Initiativen gibt es? Eine zentrale Rolle kommt dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zu. Hierbei geht es um finanzielle Nothilfen und darum, Gelder schnell aufzutreiben, um die genannten nationalen Maßnahmen finanzieren zu können. Dabei gibt es leider erneut einen Trend hin zu Krediten, dauerhafter Verschuldung und somit internationaler Abhängigkeit der Länder. Der Rückzug des Staates aus der Gesundheitsversorgung oder der Bereitstellung von öffentlicher Infrastruktur war auch ein Produkt der Interner Link: Strukturanpassungsprogramme des IWF, die dieser seit den 1970er Jahren in der WANA-Region zusammen mit der Weltbank hat durchführen lassen. Diese Politik hat mit dazu geführt, dass die Staaten nun vor allem im Gesundheitsbereich ihren Aufgaben nicht mehr nachkommen können – und wieder Kredite des IWF benötigen. In Ländern, wo sowohl die Möglichkeiten für die Eindämmung des Virus als auch die Gesundheitsversorgung desolat sind, wird zudem versucht, mit finanzieller und logistischer Unterstützung humanitäre Katastrophen zu verhindern. Das gilt insbesondere für die besonders gefährdeten Bürgerkriegsgebiete. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) versucht beispielsweise in Syrien zu helfen, die Weltbank im Jemen-Konflikt. Damit sind ebenfalls Dilemmata verbunden. In Syrien gibt es etwa Rebellengebiete im Nordwesten sowie die kurdische Selbstverwaltung im Nordosten, die dem syrischen Regime Baschar al-Assads ein Dorn im Auge sind. Die WHO kooperiert in Syrien jedoch vornehmlich mit den offiziellen Machthabenden, also dem Assad-Regime. Wer unterstützt dann aber medizinisch die Menschen im Nordosten und Nordwesten des Landes? Internationale Hilfe wird so schnell ein Druckmittel der autoritären Regime selbst, indem Rebellengebiete konsequent von dieser Versorgung abgeschnitten werden, um damit den Druck auf die Rebellen zu erhöhen. Welche politischen Auswirkungen der Corona-Pandemie zeichnen sich ab? Es gibt kurz-, mittel- und langfristige Auswirkungen. Kurzfristige Auswirkungen hängen vom Krisenmanagement ab. Wenn die Regierungen beziehungsweise die Staatsoberhäupter der autoritären Regime es schaffen, als Manager der Krise gut dazustehen, und es schaffen, die Pandemie einzudämmen, kann dies zunächst regimestabilisierend wirken. Mittel- bis langfristig habe ich diesbezüglich allerdings große Bedenken. Denn die Krise hat sehr verschiedene Facetten der wirtschaftlichen Verwundbarkeit dieser Regime aufgezeigt. Neben dem großen informellen Sektor zählen dazu die starke Abhängigkeit von Nahrungsmittelimporten und globalen Lieferketten, der Verfall der nationalen Währungen sowie insbesondere in Ländern der Golfregion die große Abhängigkeit von Erdölexporten, wie sie sich momentan im Kontext des Ölpreisverfalls zeigt. Diese Abhängigkeiten sowie die Notwendigkeit, vor dem Hintergrund der Corona-Krise schnell an zumeist kreditfinanziertes Geld zu kommen, wird ziemlich sicher zu weiteren Verschlechterungen der Wirtschaftslage führen. So werden sich mittel- bis langfristig die sozialen und soziökonomischen Konflikte verschärfen und damit auch stärkeren Druck auf die Regime ausüben. Die Frage stellt sich daher, inwiefern die sich anbahnende Wirtschaftskrise Auswirkungen hat – zum einen auf die verschiedenen Elitegruppen und ihren Zugang zu immer knapper werdenden Ressourcen des Staates und zum anderen auf die Protestbewegungen, die sich in den letzten Jahren von Marokko bis Iran entwickelt haben. Man sollte sich nicht täuschen lassen, wenn Proteste kurzfristig zurückgehen. Mittel- bis langfristig werden sie wiederkommen. Das heißt nicht automatisch, dass es zu einem Zusammenbruch der Regime kommt. Die autoritären Staaten der WANA-Region versuchen schon jetzt, sich stärker abzusichern, indem sie ihre Repressionsmöglichkeiten erweitern. Im Zweifel werden sie die vor dem Hintergrund der Corona-Krise durchgeführte Beschneidung der Grundrechte und Ausweitung der Überwachungsmaßnahmen nicht wieder zurücknehmen. Können sich durch die Pandemie Ungleichheiten innerhalb der WANA-Region und zu anderen Regionen der Welt verschärfen? Die Ungleichheit tritt durch die Corona-Krise nicht nur deutlich hervor, sie nimmt auch zu. Dies hängt von den Startbedingungen ab. Wer die finanziellen Möglichkeiten hat, seine Wirtschaft über die Krise hinweg zu retten, wird – wenn wieder normal Handel betrieben, produziert und konsumiert werden kann – einen klaren Startvorteil haben, wenn der globale Wettbewerb wieder an Fahrt aufnimmt. Innerhalb der Region werden vor allem die ressourcenreichen Golfstaaten ihren Weg durch die Krise finden. Wie gut sie durchkommen, hängt aber auch ein wenig davon ab, wie sich der Ölpreis entwickelt. Die Länder, die ohnehin schon finanziell abhängig sind, werden dagegen noch abhängiger werden: Sie werden Schulden tilgen müssen und somit noch weniger Geld haben, um in die Wirtschaft zu investieren. Die große soziale Frage, die sich seit Jahrzehnten in der WANA-Region herausgebildet hat, wird sich so Externer Link: verschärfen und zur weiteren Destabilisierung beitragen. Das Interview führte Eva Hochreuther. Redaktion: Lisa Santos, Frederik Schetter, Thomas Fettien. Interner Link: Wie verändert die Corona-Pandemie unsere Gesellschaft? Hier finden Sie alle Beiträge unserer Interview-Reihe zu den gesellschaftspolitischen Folgen der Corona-Krise. Die Region Westasien und Nordafrika (WANA) erstreckt sich von Afghanistan, Iran über Irak, Syrien, und Libanon bis ans Mittelmeer. Zu ihr gehören auch die Golfstaaten sowie die Länder im Norden Afrikas einschließlich Sudan und Mauretanien. Anders als die Bezeichnung "Naher und Mittlerer Osten" ist der Begriff "WANA" der Versuch, sich von einem eurozentristischen Blick auf die Region loszulösen ("nah" in Bezug auf Europa) und eine geographisch neutralere Betrachtungsweise zu verwenden. Mit dem Begriff "Globaler Süden" wird umschrieben, dass bestimmte Länder und Regionen eine politisch und wirtschaftlich benachteiligte Position in einer globalisierten Welt einnehmen. Das sind beispielswiese viele Regionen oder Länder mit Kolonialerfahrung. Dabei ist Süden hier keine rein geografische Zuordnung, da Länder des "Globalen Südens" auch auf der Nordhalbkugel liegen können und bspw. Australien auf der Südhalbkugel als Industriestaat nicht zu diesen Ländern gezählt wird. Anders als mit dem Begriff "Entwicklungsländer" soll betont werden, dass Ungleichheiten kein Merkmal einzelner Länder sind, sondern sich weltweit in unterschiedlichen Konstellationen wiederfinden.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2021-06-23T00:00:00
2020-06-09T00:00:00
2021-06-23T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/gesundheit/coronavirus/311256/corona-krise-welche-folgen-hat-die-pandemie-fuer-laender-des-globalen-suedens/
Die Corona-Pandemie stellt die Länder des Globalen Südens vor zusätzliche Herausforderungen. Ein Interview mit der Politikwissenschaftlerin Irene Weipert-Fenner über besonders gefährdete Regionen und Sektoren, regionale und internationale Initiativen
[ "Interview", "Corona", "Corona-Krise", "Corona-Pandemie", "Pandemie", "Globaler Süden", "MENA", "Wana", "Entwicklungsländer", "Nordafrika", "naher Osten", "mittlerer Osten", "Ägypten", "Libyen", "Jemen", "Syrien" ]
517
Chronik: 1. Dezember 2015 – 18. Januar 2016 | bpb.de
01.12.2015 Ministerpräsidentin Beata Szydło kündigt eine Gesetzesnovelle zum Haushaltsgesetz 2015 an. Aufgrund von Fehlplanungen habe sich eine Finanzierungslücke von zirka 13 Mrd. Zloty ergeben, so Finanzminister Paweł Szalamach. Das Haushaltsgesetz war von der Vorgängerregierung verabschiedet worden. 02.12.2015 Der Sejm wählt mit der Mehrheit von Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS) fünf neue Verfassungsrichter. Das entsprechende Gesetz wird umgehend veröffentlicht. In diesem Zusammenhang kommt es zu Protesten der Opposition. Die Kontroverse besteht darin, dass die Regierung aus Bürgerplattform (Platforma Obywatelska – PO) und Polnischer Bauernpartei (Polskie Stronnictwo Ludowe – PSL) im Oktober bereits fünf Verfassungsrichter gewählt hatte und die Regierung von PiS die Rechtmäßigkeit anzweifelt. 03.12.2015 Noch in der Nacht vom 2. auf den 3. Dezember vereidigt Präsident Andrzej Duda vier der fünf neu gewählten Verfassungsrichter: Henryk Cioch, Lech Morwaski, Mariusz Muszyński und Piotr Pszczółkowski. 03.12.2015 Das Verfassungsgericht gibt das Urteil im Falle der fünf Verfassungsrichter bekannt, die in der letzten Legislaturperiode noch im Oktober vom Sejm unter der PO/PSL-Regierung gewählt worden waren, von Präsident Andrzej Duda jedoch nicht vereidigt wurden. Die Wahl von drei der fünf Richter sei verfassungskonform, zwei seien nicht verfassungsgemäßgewählt worden. Das aktuelle Parlament mit der Mehrheit von Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS) hatte die Wahlen aller fünf Richter für ungültig erklärt und am Vortag fünf neue Verfassungsrichter bestimmt, vier von ihnen wurden noch in der Nacht vereidigt. 04.12.2015 Ministerpräsidentin Beata Szydło kündigt eine Rücknahme der Kohlepolitik der Vorgängerregierung an. Ihre Regierung sei entschlossen, die Förderung von Kohle in Polen weiterzuentwickeln. Das neu eingerichtete Energieministerium sei mit der Konzeptionierung beauftragt worden. 05.12.2015 Das mit den Stimmen von Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS) und Kukiz ‘15 verabschiedete Gesetz zum Verfassungsgericht tritt in Kraft. Es bestimmt, dass die Amtszeit der Verfassungsrichter mit dem Tag ihrer Vereidigung beginnt; diese muss in einem Zeitraum von 30 Tagen nach der Präsidentenwahl stattfinden. Außerdem verfügt es das Ende derAmtszeit des gegenwärtigen Präsidenten des Verfassungsgerichts, Andrzej Rzepliński, und seines Stellvertreters Stanisław Biernat drei Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes. 08.12.2015 Die Präsidialkanzlei bestätigt, dass Präsident Andrzej Duda am Folgetag Julia Przyłebska als Verfassungsrichterin vereidigen wird. Die Einsetzung fünf neuer Verfassungsrichter in der neuen Legislaturperiode wird damit abgeschlossen. 09.12.2015 Der Fraktionsvorsitzende der Bürgerplattform (Platforma Obywatelska – PO), Sławomir Neumann, fordert Präsident Andrzej Duda auf, gemäß dem Urteil des Verfassungsgerichts vom 3. Dezember drei der im Oktober noch unter der Vorgängerregierung gewählten Verfassungsrichter zu vereidigen. Es gehe darum, den Polen zu vermitteln, dass sich alle gleichermaßen an die Rechtssprechung halten müssten. 10.12.2015 Ministerpräsidentin Beata Szydło empfängt in Warschau ihren britischen Amtskollegen David Cameron. Thematisiert werden die Überlegungen Großbritanniens zur Reformierung der Europäischen Union. Szydło unterstreicht, dass beide Länder die Rolle der nationalen Parlamente in der EU stärken wollen. BeideRegierungschefs sprechen sich für einen Verbleib Großbritanniens in einer reformierten EU aus. 11.12.2015 Regierungssprecherin Elżbieta Witek dementiert Medienberichte, nach denen die Kanzlei der Ministerpräsidentin das Urteil des Verfassungsgerichts vom 3. Dezember nicht veröffentlichen werde. Für die Veröffentlichung gebe es eine Frist von 14 Tagen, die noch nicht überschritten sei, so Witek. 12.12.2015 In Warschau und anderen polnischen Städten demonstrieren mehrere zehntausend Menschen gegen die Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS), darunter auch Politiker der Opposition. 12.12.2015 Auf dem Parteitag der Demokratischen Linksallianz (Sojsuz Lewicy Demokratycznej – SLD) in Warschau stellen sich die Kandidaten für das Amt des Parteivorsitzenden vor. Parteichef Leszek Miller stellt sich nicht mehr zur Wahl, die Mitte Januar stattfinden wird. 13.12.2015 Am Jahrestag der Verhängung des Kriegsrechts (1981) findet in Warschau der von Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS) durchgeführte V. Marsch der Freiheit und Solidarität statt. Die Veranstalter sprechen von über 80.000 Teilnehmern. 14.12.2015 Ministerpräsidentin Beata Szydło wertet den am Wochenende beendeten Weltklimagipfel in Paris als Erfolg für Polen, da wichtige Forderungen Polens erfüllt worden seien, u. a. die Verabschiedung der Vereinbarungen von allen anwesenden Staaten und die Anpassung der Maßnahmen zum Klimaschutz an die wirtschaftliche Situation des betreffenden Staates. Zuvor sei zu befürchten gewesen, dass zu radikale und restriktive Maßnahmen einen Nachteil für die polnische Wirtschaft hätten bedeuten können, so Szydło. 15.12.2015 Bei seinem Staatsbesuch in Kiew spricht sich Präsident Andrzej Duda für die Teilnahme der Ukraine am NATO-Gipfel 2016 in Warschau aus. Dies sei wesentlich sowohl für die polnisch-ukrainischen Beziehungen als auch für die Position der Ukraine auf globaler Ebene und die Sicherheit in der Region. Mit seinem Amtskollegen Petro Poroschenko habe er sich des Weiteren über die Fortsetzung des Dialogs über die gemeinsame Geschichte im Rahmen eines beim Präsidenten angesiedelten Komitees verständigt. Gute bilaterale Beziehungen müssen auf der historischen Wahrheit gründen, selbst wenn diese schmerzhaft sei, so Duda. 16.12.2015 Der Sejm verabschiedet die Haushaltsnovelle, die eine Erhöhung des öffentlichen Defizits um 3,9 Mrd. Zloty auf 49, 98 Mrd. Zloty vorsieht. Die Regierung begründet dies mit geringeren Steuereinnahmen. Für das neue Haushaltsgesetz stimmen 230 Abgeordnete, dagegen sind 209 Abgeordnete, drei enthalten sich. 16.12.2015 Im Sejm wird auf Initiative von Robert Winnicki (Kukiz‘15) die überparteiliche National-Demokratische Parlamentariergruppe gegründet. Ihr gehören Fraktionsmitglieder von Kukiz ‘15, Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS) sowie Parteilose an. Das Anliegen der Parlamentariergruppe ist es, der Jahrestage und Persönlichkeiten der nationalen Tradition zu gedenken, die Frage der nationalen Identität im 21. Jahrhundert zu thematisieren sowie auch das Wirtschaftsverständnis der Nationaldemokratie (Narodowa Demokracja) der Zwischenkriegszeit. 18.12.2015 In der Nacht vom 17. auf den 18. Dezember dringen der Chef der Militärischen Spionageabwehr (Służba Kontrwywiadu Wojskowego – SKW), Piotr Bączek, der Direktor des Ministerkabinetts von Verteidigungsminister Antoni Macierewicz, Bartłomiej Misiewicz, und Angehörige der neuen Führung des SKW in das Expertenzentrum der Gegenspionage der NATO in Warschau ein. Der Grund dafür soll die Neubesetzung des polnischen Personals im Expertenzentrum sein. Anwesend ist auch die Militärpolizei. Der ehemalige Außenminister Tomasz Siemoniak übt scharfe Kritik an der Aktion und warnt vor dem Verlust der Glaubwürdigkeit Polens gegenüber der NATO. Medienberichten zufolge handelt es sich um ein Schulungszentrum, das von der NATO noch nicht akkreditiert ist. 19.12.2015 In Polen protestieren in mehr als 20 Städten, darunter in Warschau, zehntausende Menschen gegen die Regierung von Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS). Dazu aufgerufen hatte das Komitee zur Verteidigung der Demokratie (Komitet Obrony Demokracji – KOD). Es war bereits das zweite Protestwochenende. 22.12.2015 Der Sejm verabschiedet die Gesetzesnovelle zum Verfassungsgericht. Künftig sollen Verhandlungen des Verfassungsgerichts in Anwesenheit von mindestens 13 der insgesamt 15 Richter geführt werden, die Entscheidungen müssen mit einer 2/3-Mehrheit gefällt werden, statt wie bisher mit einer einfachen Mehrheit. Des Weiteren sollen die Fälle chronologisch abgearbeitetwerden, ohne dass wichtige Fälle vorgezogen werden können, und muss zwischen der Anrufung des Gerichts und der Urteilsverkündung eine drei- bis sechsmonatige Frist liegen. 23.12.2015 EU-Vize-Kommissionspräsident Frans Timmermans fordert den polnischen Außenminister Witold Waszczykowski und Justizminister Zbigniew Ziobro auf, die am Vortag verabschiedete Gesetzesänderung zum Verfassungsgericht hinsichtlich der Unabhängigkeit und des ordnungsgemäßen Funktionierens des Verfassungsgerichts zu überprüfen. 24.12.2015 Der Senat verabschiedet mit 58 Ja-Stimmen bei 28 Nein-Stimmen die vom Sejm beschlossene Gesetzesänderung zum Verfassungsgericht. 29.12.2015 Entwicklungsminister Mateusz Morawiecki teilt auf einer Pressekonferenz mit, dass von den Polen zustehenden Mitteln des EU-Kohäsionsfonds 2007–2013 zirka 40 Mrd. Zloty (zirka 9 Mrd. Euro) noch nicht abgerufen worden sind. Daher habe das Entwicklungsministerium einen Plan für den Einsatz der Mittel aufgestellt, der Anfang Dezember beschlossen worden sei. Eingesetzt würden die Gelder beispielsweise für den Fuhrpark derEisenbahn oder die Entwicklung neuer Materialien und Technologien. 30.12.2015 Der Sejm verabschiedet mit 232 Ja-Stimmen bei 152 Nein-Stimmen und 34 Enthaltungen das neue Mediengesetz für die öffentlich-rechtlichen Anstalten. Die Novelle sieht vor, dass die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrates von TVP Polnisches Fernsehen und Polskie Radio nicht mehr vom Landesrundfunk- und Fernsehrat (Krajowa Rada Radiofonii i Telewizji – KRRiTV), sondern von der Regierung durch den Schatzminister bestimmt werden. Mit Inkrafttreten des Gesetzes verfallen die bisherigen Vorstands- und Aufsichtsratsmandate. Opposition und Journalistenverbände werfen der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS) vor, damit die Unabhängigkeit der Medien zu beschneiden und die Desinformation der Gesellschaft zu betreiben. Die EU-Kommission fordert die Regierung in einem Brief dazu auf, Stellung zur Vereinbarkeit des neuen Mediengesetzes mit dem EU-Recht zu nehmen. 31.12.2015 Der Senat bestätigt mit 57 Stimmen bei 23 Gegenstimmen und zwei Enthaltungen das am Vortag vom Sejm verabschiedete neue Mediengesetz. Die Opposition kritisiert, dass Polen nach über 20 Jahren öffentlich-rechtlicher Medien wieder Regierungsmedien erhalte. 02.01.2016 Die Tageszeitung"Gazeta Wyborcza" berichtet, dass die Direktoren von vier Programmen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens TVP ihren Rücktritt erklärt haben. Hintergrund ist das umstrittene Mediengesetz, das Ende Dezember 2015 verabschiedet wurde. 03.01.2016 In der"Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" plädiert Günther Oettinger, EU-Kommissar für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft, vor dem Hintergrund des neuen Mediengesetzes in Polen dafür, zwischen der EU und Polen den Rechtsstaatsmechanismus zu aktivieren, und plädiert für "Sanktionen" gegenPolen. 04.01.2016 In einem Interview mit der Polnischen Presseagentur (Polska Agencja Prasowa – PAP) kritisiert Außenminister Witold Waszczykowski, dass die in Polen unlängst vorgenommenen Gesetzesänderungen zum Verfassungsgericht und zu Hörfunk und Fernsehen in der Europäischen Union ohne sachliche Kenntnis, allein auf "medialer Faktendarstellung" beruhend kommentiert und angegriffen würden. Des Weiteren würde die Prozedur der Kritik von Seiten der EU formal nicht eingehalten werden. Waszczykowski bezieht sich auf kritische Äußerungen von Günther Oettinger, EU-Kommissar für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft, und EU-Parlamentspräsident Martin Schulz über die Gesetzesnovellen, die er als persönliche Meinungen der EU-Amtsinhaber wertet. 05.01.2016 In einem Radiointerview kündigt Außenminister Witold Waszczykowski an, dass Polen von der EU-Vertreterin in Polen Erklärungen zu den kritischen Äußerungen des stellvertretenden Präsidenten der Europäischen Kommission, Frans Timmermans, und des EU-Kommissars Günther Oettinger erwarte. Im Zusammenhang mit der Gesetzesänderung zum Verfassungsgericht und dem neuen Mediengesetz in Polen würden sich diese nur auf der Grundlage von Medienberichten und nicht der betreffenden Dokumente äußern und von Gefahren für Polen sprechen. 07.01.2016 EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ruft dazu auf, die Kritik von Seiten der EU an der Lage in Polen nicht zu übertreiben. Freundliche und gute Beziehungen zu Polen seien wichtig, deshalb stehe ein konstruktiver Umgang mit dem Konflikt für ihn im Vordergrund. 08.01.2016 Das polnische Außenministerium bestellt die Vertreterin der Europäischen Union in Polen, Marzenna Guz-Vetter, ein. Hintergrund ist die massive Kritik von Seiten der EU an der Gesetzesänderung zum Verfassungsgericht und dem neuen Mediengesetz in Polen. Nach dem Treffen lobt Marzenna Guz-Vetter das konstruktive Gespräch, das zur Klärung der Argumente beider Seiten beigetragen habe, und betont die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsstaatlichkeit und der Achtung der Medienvielfalt für die EU. Vize-Außenminister Konrad Szymański bezeichnet das Gespräch als einen Fortschritt in den aktuellen Beziehungen zwischen Polen und der EU. Langfristig sei es das Ziel Polens, dass die Europäische Kommission nicht als eine Konfliktpartei im politischen Streit in Polen wahrgenommen werde und weiter als neutrale Institution agiere, die auf die Einhaltung von Standards achtet und alle Staaten gleich behandelt. 10.01.2016 Die"Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" zitiert in einem Artikel EU-Parlamentspräsident Martin Schulz und die frühere EU-Justizkommissarin Viviane Reding, die die aktuelle Entwicklung in der polnischen Innenpolitik mit der Politik des russischen Präsidenten Wladimir Putin vergleichen. Man habees mit einem Angriff auf den polnischen Rechtsstaat zu tun, auf den die EU mit der Stärkung der Zivilgesellschaft reagieren müsse. Hintergrund sind die kürzlich verabschiedeten Gesetzesänderungen zum Verfassungsgericht und zu den öffentlich-rechtlichen Medien in Polen. 11.01.2016 Nach einem Gespräch auf eine kurzfristig ausgesprochene Einladung von Außenminister Witold Waszczykowski an den deutschen Botschafter Rolf Nikel betont Waszczykowski, dass es keine Spannungen in den deutsch-polnischen Beziehungen gebe. Er unterstreicht, dass wichtige Themen im deutsch-polnischen Verhältnis direkt zwischen den politisch Verantwortlichen angesprochen werden müssten und nicht über die Medien kommuniziert werden dürften. Das 25-jährige Bestehen des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrags sei ein Anlass, Bilanz zu ziehen und die Bereiche der bilateralen Beziehungen zu betrachten, die verbesserungswürdig seien. Hintergrund des Gesprächs waren kritische Äußerungen in den Medien zur aktuellen Innenpolitik Polens von Martin Schulz und Günther Oettinger, die sie in ihrer Funktion als Präsident des Europäischen Parlaments bzw. als EU-Kommissar für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft getätigt haben. 12.01.2016 In der Tageszeitung"Die Welt" spricht sich der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament, Elmar Brok, für Zurückhaltung bei der Kritik an der aktuellen Innenpolitik der polnischen Regierung von Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS) aus, insbesondere von deutschen Politikern. Esdürfe keine Vorverurteilung geben, diese könnte zu einer Solidarisierung mit der Regierungspartei führen, die zurzeit an Zustimmung in der polnischen Bevölkerung verliere. Europa brauche Polen, umgekehrt müsse der polnischen Regierung bewusst sein, dass sie sich an die Regeln der EU halten müsse, wenn sie Schutz und Solidarität erhalten wolle. 13.01.2016 Der stellvertretende EU-Kommissionspräsident Frans Timmermans teilt in Brüssel mit, dass die EU-Kommission gegen Polen ein Verfahren zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit einleiten wird. Es soll überprüft werden, ob eine systembedingte Gefahr für die Rechtsstaatlichkeit besteht und die Regierung Polens offiziell zu Änderungen aufgefordert werden müsste. 14.01.2016 Auf einer Pressekonferenz in Brüssel unterstreicht EU-Parlamentspräsident Martin Schulz, angesprochen auf seine Kritik an der Politik der polnischen Regierung, dass jeder unabhängig von seiner Nationalität das Recht habe, politische Entscheidungen zu kommentieren und zu kritisieren. Die Kritik an einer Partei gelte nicht pauschal der betreffenden Nation. 15.01.2016 Der stellvertretende Außenminister Konrad Szymański stellt vor dem EU-Ausschuss des Sejm den aktuellen Stand des Dialogs zwischen Polen und der Europäischen Union dar. Hintergrund ist, dass die Europäische Kommission Mitte der Woche ein Verfahren gegen Polen zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit eingeleitet hat. Die Europäische Kommission lege eine weitreichende Überempfindlichkeit gegenüber Polen nach der Regierungsübernahme durch Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS) an den Tag, so Szymański. Die Reaktionen auf die Gesetzesnovelle zum Verfassungsgericht ließen fragen, warum die EU nunaktiv werde, während sie in einem ähnlichen Fall in der Regierungszeit der Bürgerplattform (Platforma Obywatelska – PO) keinen Anstoß genommen habe. 17.01.2016 In Breslau wird das Programm der Kulturhauptstadt Europas eröffnet. Die zweite europäische Kulturhauptstadt 2016 ist San Sebastián in Spanien. 18.01.2016 Präsident Andrzej Duda macht seinen Antrittsbesuch in Brüssel bei den EU-Institutionen und der NATO. EU-Ratspräsident Donald Tusk sagt, das Gespräch mit Duda habe gezeigt, dass die Interessen Polens und der EU gleich seien. Er warnte vor "Hysterie" in der Reaktion von Seiten der EU, wo Polen keine Feinde habe. Sie können die gesamte Chronik seit 2007 auch auf http://www.laender-analysen.de/polen/ unter dem Link "Chronik" lesen.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2016-11-28T00:00:00
2016-01-21T00:00:00
2016-11-28T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/europa/polen-analysen/219166/chronik-1-dezember-2015-18-januar-2016/
Die Ereignisse vom 01. Dezember 2015 bis zum 18. Januar 2016 in der Chronik.
[ "Polen-Analyse" ]
518
Baustein 1: Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl stärken | VorBild – Politische Bildung für Förderschulen und inklusive Schulen | bpb.de
Einführung: Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl stärken Der hier zusammengestellte Methodenpool knüpft an die im ersten Modul von VorBild Interner Link: "Die Basiskompetenzen des sozialen Lernens" geschaffenen Voraussetzungen an. Er kann aber auch eigenständig in den Klassen eingesetzt werden. In den vorgegebenen Zusammenhängen wird den Schüler/innen vermittelt, wie sich die Anerkennung durch Mitschüler/innen oder andere Personen günstig auf die Entwicklung des eigenen Selbstwertgefühls auswirken kann. Die Schüler/innen werden sich in diesem Prozess ihrer Stärken bewusst, erleben sie und lernen dies mit Worten auszudrücken. Neben der Stärkung des Selbstwertgefühls durch andere Personen ist es ebenso wichtig, durch selbstständige „innere Arbeit“ aus sich selbst heraus den Blick auf eigene Stärken und Möglichkeiten zu richten. Die Schüler/innen sollen Ereignisse und Erlebnisse auch einmal anders sehen und bewerten können. Dabei konzentrieren sich die VorBild-Module bewusst auf die vorhandenen Kompetenzen und das Stärken des Selbstvertrauens. Der vorliegende Methodenpool enthält Materialien und Aktivitäten, die bezogen auf die Möglichkeiten der jeweiligen Lerngruppe auf mehrere Unterrichtsstunden verteilt werden können. Ziele sich der eigenen Stärken bewusst werden, die eigenen Stärken ausdrücken können, Mitschüler/innen Anerkennung geben und selbst annehmen lernen, Situationen anders sehen lernen, sich der eigenen Schwächen bewusst werden, Entwicklungsmöglichkeiten sehen. Benötigtes Material Bilder mit geometrischen Grundformen, Bilder aus Zeitschriften oder Büchern, in denen Maschinen, größere Gebäude oder Fabriken abgebildet sind (Übung 2) Vervielfältigte Kreisräder oder DIN A3-Blätter, auf die die Kreisräder gezeichnet werden können Interner Link: PDF UE 1.3 AB 1 Kreisrad, Pappe (Übung 3) Gegenstände oder Bilder aus verschiedenen Lebensphasen der Schüler/innen, in denen sie etwas Schönes erlebt haben bzw. Erfolg hatten vorher angefertigte Freundschaftstelegramme und Pappteller (nach Anzahl der Schüler/innen plus Lehrkraft), Klebeband (Übung 5) Voraussetzungen Die Schüler/innen haben im VorBild-Modul "Die Basiskompetenzen des sozialen Lernens" folgende Bausteine bearbeitet: Interner Link: "Ich bin ich, und wer bist du?" Interner Link: "Ich stelle mich vor – du stellst mich vor" Interner Link: Mein Ich-Buch Diese Inhalte werden nun aufgegriffen und vertieft. Eine gute Beziehung der Schüler/innen untereinander, das Einhalten von Regeln und ein vertrauensvolles Miteinander stellen wichtige Voraussetzungen dar, um die angestrebten Vertiefungen und das darauf aufbauende gestärkte Selbstvertrauen und Vertrauen in Andere umsetzen zu können.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2022-07-20T00:00:00
2022-03-23T00:00:00
2022-07-20T00:00:00
https://www.bpb.de/lernen/angebote/vorbild/506500/baustein-1-selbstvertrauen-und-selbstwertgefuehl-staerken/
Wie werde ich mir meiner Stärken bewusst, wie kann ich Anerkennung durch Andere erlangen? Der Methodenpool enthält Materialien und Aktivitäten, die sich auf diese Fragen fokussieren.
[ "VorBild", "Selbstvertrauen", "Vertrauen" ]
519
Chronik: 13. April – 01. Mai 2021 | Russland-Analysen | bpb.de
13.04.2021 Der russische Verteidigungsminister Sergej Schojgu gibt bekannt, dass zu Übungszwecken erfolgreich zwei Armeen sowie drei Verbände der russischen Luftlandetruppen an die Grenze zur Ukraine verlegt worden seien. Er wies dabei auf die volle Kampfbereitschaft der Verbände hin. Russland hatte am 6. April 2021 begonnen, Truppen an die ukrainische Grenze zu verlegen. Gleichzeitig entsendet die russische Marine 16 Kriegsschiffe für ein Manöver ins Schwarze Meer. 13.04.2021 Irina Fatjanowa, Leiterin des Regionalbüros des von Oppositionspolitiker Aleksej Nawalnyj gegründeten "Fonds für Korruptionsbekämpfung" in Sankt Petersburg, wird festgenommen. Gegen sie wird wegen der Organisation einer nicht genehmigten Protestveranstaltung am 31. Januar 2021 ermittelt. Ende Januar hatten in mehreren russischen Städten Protestkundgebungen zur Unterstützung des inhaftierten Nawalnyj stattgefunden. 13.04.2021 Der russische Präsident Wladimir Putin und sein US-amerikanischer Amtskollege Joe Biden führen ein Telefongespräch. Es ist das erste Gespräch der beiden Staatsoberhäupter, seit Biden im März 2021 in einem Fernsehinterview die Frage, ob er Putin für einen Mörder halte, bejaht hatte. Biden äußerte unter anderem Besorgnis über die Lage in der Ostukraine und forderte Putin auf, die Spannungen zu verringern. Er schlägt in diesem Zusammenhang ein Treffen der beiden Staatsoberhäupter auf neutralem Boden vor. 14.04.2021 Vorläufigen Daten der russischen Statistikbehörde "Rosstat" zufolge lag die Zahl der Menschen mit einem Einkommen unter dem Existenzminimum im Jahr 2020 bei 17,8 Millionen. Im Jahr 2019 waren es noch 18,1 Millionen. Damit lag die Armutsquote mit 12,1 Prozent um 0,2 Prozentpunkte niedriger als im Vergleich zum Vorjahr. Im Juli 2020 hatte der russische Präsident Wladimir Putin per Dekret das im Jahr 2018 gesetzte Ziel, die Armutsquote bis 2024 im Vergleich zu 2017 auf 6,5 Prozent zu halbieren, bereits bis 2030 verlängert. 14.04.2021 Das Oktjabrskij-Bezirksgericht in Sankt Petersburg verurteilt Irina Fatjanowa, Leiterin des Regionalbüros des von Oppositionspolitiker Aleksej Nawalnyj gegründeten "Fonds für Korruptionsbekämpfung" zu einer Verwaltungshaftstrafe von zehn Tagen. Das Gericht befindet sie der Organisation einer nicht genehmigten Protestveranstaltung am 31. Januar 2021 für schuldig. Im Januar hatte es russlandweit Massenproteste zur Unterstützung des inhaftierten Nawalnyj gegeben. 14.04.2021 Das Basmannyj-Bezirksgericht in Moskau verurteilt vier an der Herausgabe der Studentenzeitschrift "DOXA" beteiligte Studenten zu Hausarrest. Es ist ihnen verboten, das Haus zu verlassen, technische Kommunikationsmittel oder das Internet zu nutzen. Außerdem dürfen sie vorerst nur mit ihrem Anwalt kommunizieren. Die Studenten sollen im Januar Videobotschaften veröffentlicht haben, in denen sie Minderjährige auffordern, an den Protestaktionen zur Unterstützung des inhaftierten Oppositionspolitikers Aleksej Nawalnyj teilzunehmen. Nach Aufforderung der Medienaufsichtsbehörde hatten sie die fraglichen Videos aus dem Internet entfernt. Sie bestreiten jedoch die Vorwürfe. 15.04.2021 Die NATO-Mitgliedsstaaten äußern in einer gemeinsamen Erklärung ihre Besorgnis über den Aufmarsch russischer Truppen an der Grenze zur Ukraine. US-Außenminister Blinken nannte die Truppenbewegungen in einer gemeinsamen Erklärung mit dem NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg "die größte Militärpräsenz Russlands in der Region seit 2014". Die Verbündeten fordern Russland auf, Schritte zur Deeskalation zu unternehmen. 15.04.2021 Die USA verhängen Sanktionen gegen 32 russische Unternehmen und Privatpersonen. Begründet werden diese neuen Sanktionen unter anderem mit der Einmischung Russlands in die US-Präsidentschaftswahl 2020. Auf der Sanktionsliste steht unter anderem Aleksej Gromow, erster stellvertretender Leiter der russischen Präsidialverwaltung. Er soll nach Ansicht Washingtons Medienaktivitäten beaufsichtigt haben, die darauf abzielten, innenpolitische Spannungen in den USA zu erzeugen. Außerdem kündigten die USA an, zehn Mitarbeiter der diplomatischen Vertretung Russlands in Washington auszuweisen. US-Banken wird außerdem der Handel mit neuen russischen Staatsschulden verboten. 15.04.2021 Der russische Botschafter in London, Andrej Kelin, wird ins britische Außenministerium einbestellt. Großbritannien zeigt sich besorgt über den Truppenaufmarsch Russlands an der ukrainischen Grenze. Der stellvertretende britische Außenminister Philip Barton wies darauf hin, dass Großbritannien die von den USA verhängten Sanktionen unterstütze. 15.04.2021 Der russische Botschafter in Polen wird ins polnische Außenministerium einbestellt. In einer diplomatischen Note erklärt Polen drei Mitarbeiter der Botschaft in Polen zur Persona non grata und drückt seine volle Solidarität mit der Entscheidung der USA zur Verhängung von Sanktionen gegen Russland aus. Als Reaktion auf die Ausweisung der Botschaftsmitarbeiter kündigte Russland seinerseits die Ausweisung dreier polnischer Diplomaten an. 16.04.2021 Der russische Ministerpräsident Michail Mischustin trifft sich in der belarussischen Hauptstadt Minsk mit Präsident Aleksandr Lukaschenko. Er kündigt an, in Kürze den Flug- und Bahnverkehr mit Belarus wieder aufnehmen zu wollen. Dieser war aufgrund der Covid-19-Pandemie eingeschränkt worden. Außerdem wird ab dem 30. April 2021 eine Hochgeschwindigkeitszug zwischen Moskau und Minsk verkehren. 16.04.2021 Das Moskauer Tuschinskij-Bezirksgericht verurteilt Pawel Selenskij, Videoproduzent für den von Oppositionspolitiker Aleksej Nawalnyj gegründeten "Fonds für Korruptionsbekämpfung", wegen der Anstiftung zu Extremismus zu zwei Jahren Haft. Selenskij hatte im Oktober 2020 zwei Beiträge auf "Twitter" veröffentlicht, in dem er Bezug nahm auf den Selbstmord der Journalistin Irina Slawina. Darin soll er sich feindselig gegen Regierungsvertreter geäußert haben. 16.04.2021 Das Einkommen des russischen Präsidenten Wladimir Putin lag im Jahr 2020 bei 9.994.692 Rubel (etwa 110.000 Euro). Im Jahr 2019 hatte es 9,7 Millionen Rubel (damals etwa 139.000 Euro) betragen. Regierungsmitglieder sind verpflichtet, einmal jährlich ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse offenzulegen. Auch der russische Ministerpräsident Michail Mischustin legt sein Einkommen aus dem Jahr 2020 offen. Dieses lag bei 19,9 Millionen Rubel (etwa 219.000 Euro). 16.04.2021 Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, der französische Präsident Emmanuel Macron sowie sein ukrainischer Amtskollege Wolodymyr Selenskij fordern die russische Regierung in einer gemeinsamen Erklärung auf, die an der russischen Grenze zur Ukraine stationierten Truppen abzuziehen. Russland hatte in den vergangenen zwei Wochen seine militärische Präsenz in der Region massiv verstärkt. Beobachter sprechen von der größten Truppenkonzentration seit Beginn der Krise im Jahr 2014. 17.04.2021 Das russische Außenministerium empfiehlt dem ukrainischen Konsul in Sankt Petersburg, Aleksandr Sossonjuk, Russland innerhalb von 72 Stunden zu verlassen. Laut Angaben des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB war Sossonjuk auf frischer Tat ertappt worden, als er geheime Informationen aus Datenbanken der russischen Strafverfolgungsbehörde entgegennahm. In einer spiegelbildlichen Reaktion verweist die Ukraine ebenfalls einen Diplomaten aus der russischen Botschaft in Kiew des Landes. 17.04.2021 Tschechien weist 18 russische Diplomaten aus. Außerdem wurde der russische Botschafter in Tschechien ins tschechische Außenministerium einbestellt. Der tschechische Ministerpräsident Andrzej Babisch erklärte, tschechische Behörden hätten Hinweise darauf, dass die Diplomaten an der Explosion eines Munitionslagers im Jahr 2014 beteiligt gewesen sein sollen. 18.04.2021 Der deutsche Außenminister Heiko Maas fordert Russland auf, dem inhaftierten russischen Oppositionspolitiker Aleksej Nawalnyj angemessene medizinische Versorgung zukommen zu lassen. Nawalnyj sitzt seit Ende Januar 2021 in Haft und trat am 31. März 2021 aus Protest gegen fehlende medizinische Versorgung in einen Hungerstreik. Beobachter stufen seinen Gesundheitszustand als sehr besorgniserregend ein. 18.04.2021 Aus Protest gegen die Ausweisung von 18 russischen Diplomaten aus Tschechien bestellt Russland den tschechischen Botschafter in Moskau ins Außenministerium ein. Die tschechische Regierung hatte die Ausweisung mit Hinweisen auf die Beteiligung der Diplomaten an der Explosion eines Munitionslagers im Jahr 2014 begründet. Als Reaktion auf die Ausweisung verweist Russland 20 tschechische Diplomaten des Landes. 19.04.2021 Der seit Ende Januar 2021 inhaftierte russische Oppositionspolitiker Aleksej Nawalnyj wird in ein Gefängniskrankenhaus verlegt. Nawalnyj hatte seit Mitte März über starke Rückenschmerzen geklagt und war am 31. März 2021 in einen Hungerstreik getreten aus Protest über die mangelhafte medizinische Versorgung. Unabhängige Beobachter stufen seinen Gesundheitszustand als besorgniserregend ein. 19.04.2021 Der Anfang April zurückgetretene Gouverneur der Oblast Uljanowsk, Sergej Morosow, wird Assistent des bevollmächtigten Vertreters des russischen Präsidenten im Föderationskreis Wolga. Er hatte seinen Rücktritt mit dem Wunsch begründet, bei der Parlamentswahl im September für die russische Staatsduma zu kandidieren. 19.04.2021 Der Gouverneur der Oblast Kemerowo, Sergej Ziwiljew, gibt für das Jahr 2020 ein Einkommen in Höhe von 7,8 Millionen Rubel (etwa 85.000 Euro an). Das Einkommen seiner Ehefrau lag nach seinen Angaben im Jahr 2020 bei 42,5 Millionen Rubel (etwa 464.000 Euro). Russische Regierungsangehörige sind verpflichtet, jährlich ihre Einkünfte des Vorjahres offenzulegen. 19.04.2021 Das Oktjabrskij-Bezirksgericht in Sankt Petersburg verurteilt Denis Michailow, ehemaliger Leiter des Regionalbüros des von Oppositionspolitiker Aleksej Nawalnyj gegründeten "Fonds für Korruptionsbekämpfung", zu sieben Tagen Verwaltungshaft. Er soll am 31. Januar 2021 an einer nicht genehmigten Protestveranstaltung teilgenommen haben. Ende Januar fanden in ganz Russland Massenproteste zur Unterstützung Aleksej Nawalnyjs statt. 20.04.2021 Russland richtet Flugverbotszonen für den zivilen Luftverkehr über dem Schwarzen Meer und Teilen der Krim ein. Diese sollen bis zum 24. April 2021 bestehen bleiben. Begründet wird diese Maßnahme mit einem Übungsmanöver, das zurzeit im Schwarzen Meer abgehalten wird. 20.04.2021 Das Stadtgericht in Sytywkar erklärt den ehemaligen Gouverneur der Republik Komi, Wjatscheslaw Gajser des Machtmissbrauchs für schuldig. Gajser war von 2010 bis 2015 Gouverneur der Republik. Er soll während seiner Amtszeit den Auftrag zum Bau mehrerer Mehrfamilienhäuser in der Hauptstadt der Republik, Syktywkar, ohne Ausschreibung an einen mit ihm befreundeten Unternehmer vergeben haben. Der Schaden für den städtischen Haushalt beläuft sich nach offiziellen Angaben auf 8,7 Millionen Rubel (etwa 96.000 Euro). Das Gericht verurteilt ihn zu eineinhalb Jahren Haft, stellt ihn jedoch gleichzeitig wegen Verjährung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von der Strafe frei. 21.04.2021 In Moskau wird die Anwältin des von Oppositionspolitiker Aleksej Nawalnyj gegründeten "Fonds für Korruptionsbekämpfung" (FBK), Ljubow Sobol, festgenommen. Nawalnyjs Mitarbeiter hatten für heute zu Protestkundgebungen zu seiner Unterstützung aufgerufen. Nawalnyj befindet sich seit seiner Rückkehr nach Russland am 17. Januar 2021 in Haft und trat Ende März in einen Hungerstreik. Damit protestiert er gegen die unzureichende medizinische Behandlung im Gefängnis. Er befindet sich zurzeit im Gefängniskrankenhaus. Beobachter stufen seinen Gesundheitszustand als besorgniserregend ein. Auch Kira Jarmysch, Pressesprecherin des FBK wird festgenommen. 21.04.2021 In mehreren russischen Städten finden im Vorfeld nicht genehmigte Kundgebungen zur Unterstützung des inhaftierten Oppositionspolitikers Aleksej Nawalnyj statt. Allein in Moskau beteiligen sich nach offiziellen Angaben rund 6.000 Menschen an der Protestaktion. Nach Angaben der Nichtregierungsorganisation "OWD Info" werden dabei russlandweit rund 2.000 Menschen in 103 Städten festgenommen. 21.04.2021 In Jekaterinburg durchsuchen Sicherheitskräfte die Wohnung des Leiters des Regionalbüros des von Aleksej Nawalnyj gegründeten "Fonds für Korruptionsbekämpfung" (FBK), Aleksej Gresko. Bereits am Vortag war ein Mitarbeiter des Regionalbüros unter dem Vorwurf des Verstoßes gegen festgelegte Verfahren bei der Durchführung einer Kundgebung festgenommen worden. Nawalnyjs Mitarbeiter hatten zu landesweiten Protesten zu dessen Unterstützung aufgerufen. 21.04.2021 In seiner Rede zur Lage der Nation vor der Föderalversammlung appelliert der russische Präsident Wladimir Putin an die Einwohner, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen. Außerdem kündigt er verschiedene Sozialmaßnahmen an. Mit Blick auf die Spannungen mit dem westlichen Ausland warnte er vor dem Überschreiten von roten Linien. 21.04.2021 Das Leninskij-Bezirksgericht in Astrachan befindet die ehemalige Vorsitzende des Dsershinskij-Bezirksgerichts in Wolgograd, Julija Dobrynina, des Betrugs für schuldig. Sie soll im Rahmen eines Verfahrens der Stadt gegen einen Bauunternehmer Bestechungsgelder in Höhe von 2,5 Millionen Rubel (etwa 27.000 Euro) angenommen haben. Dobrynina wird zu zwei Jahren Haft verurteilt. 21.04.2021 Der Politiker und ehemalige Duma-Abgeordnete Wladimir Ryschkow ("Partei der Volksfreiheit") wird festgenommen. Ihm wird die Organisation einer nicht genehmigten Kundgebung vorgeworfen. Ryschkow hatte gemeinsam mit Unterstützern des inhaftierten Oppositionspolitikers Aleksej Nawalnyj zu landesweiten Protesten aufgerufen. 21.04.2021 In Nishnij Nowgorod wird Jefim Chasanow, Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften, festgenommen. Ihm wird vorgeworfen, auf "Facebook" einen Post geteilt zu haben, der auf die geplanten Protestaktionen von Unterstützern des inhaftierten Oppositionspolitikers Aleksej Nawalnyj Bezug nahm. 21.04.2021 Das Meschtschanskij-Bezirksgericht in Moskau verurteilt die Pressesprecherin des von Oppositionspolitiker Aleksej Nawalnyj gegründeten "Fonds für Korruptionsbekämpfung" (FBK), Kira Jarmysch, zu zehn Tagen Verwaltungshaft. Ihr wird die Organisation einer nicht genehmigten Kundgebung vorgeworfen. Jarmyschs Anwältin Veronika Poljakowa betonte dagegen, dass Jarmysch aufgrund des im Februar angeordneten Hausarrests keinen Zugang zu Internet oder anderen Kommunikationsmitteln gehabt habe und deshalb gar nicht zur Teilnahme an den Protesten hätte aufrufen können. Nawalnyjs Team hatte zu landesweiten Protesten aufgerufen. 22.04.2021 Der russische Präsident Wladimir Putin und sein belarussischer Amtskollege Aleksandr Lukaschenko treffen sich zu Gesprächen in Moskau. Thema der Gespräche wird unter anderem der Kampf gegen Covid-19 sein sowie aktuelle Fragen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit. 22.04.2021 Der Leiter des Regionalbüros des von Oppositionspolitiker Aleksej Nawalnyj gegründeten "Fonds für Korruptionsbekämpfung" (FBK) in Belgorod, Maksim Klimow, wird zu 25 Tagen Verwaltungshaft verurteilt. Das Oktjabrskij-Bezirksgericht in Belgorod befindet ihn der Organisation einer nicht genehmigten Kundgebung für schuldig. Am Vortag fanden landesweit Protestkundgebungen zur Unterstützung Nawalnyjs statt, zu deren Teilnahme der FBK aufgerufen hatte. 22.04.2021 Der Leiter des Regionalbüros des von Oppositionspolitiker Aleksej Nawalnyj gegründeten "Fonds für Korruptionsbekämpfung" (FBK) in Ishewsk, Iwan Jelissejew, wird zu 25 Tagen Verwaltungshaft verurteilt. Das Oktjabrskij-Bezirksgericht in Ishewsk befindet ihn der Organisation einer nicht genehmigten Kundgebung für schuldig. Am Vortag fanden landesweit Protestkundgebungen zur Unterstützung Nawalnyjs statt, zu deren Teilnahme der FBK aufgerufen hatte. 22.04.2021 Der am Vortag festgenommene Politiker und ehemalige Duma-Abgeordnete Wladimir Ryshkow wird vom Chamownitscheskij-Bezirksgericht in Moskau zur Zahlung einer Geldstrafe in Höhe von 20.000 Rubel (etwa 220 Euro) verurteilt. Ihm wird die Organisation einer nicht genehmigten Kundgebung vorgeworfen. Er hatte am 18. April 2021 einen Tweet des Radiosenders "Echo Moskwy" retweetet, der sich auf die für den 21. April 2021 geplanten Protestkundgebungen zur Unterstützung des inhaftierten Oppositionspolitikers Aleksej Nawalnyj bezog. 22.04.2021 Der tschechische Außenminister Jakub Kulhánek fordert Russland auf, bis Mai die Anzahl seiner Mitarbeiter in der russischen Botschaft in Prag zu reduzieren. Die tschechische Regierung hatte zuvor beschlossen, die Anzahl der Mitarbeiter der russischen Botschaft sei auf das Maß der Mitarbeiter der tschechischen Botschaft in Moskau zu reduzieren. Am 17. April hatte Tschechien 18 russische Diplomaten des Landes verwiesen. Sie sollen an der Explosion eines Munitionslagers im Jahr 2014 beteiligt gewesen sein. 22.04.2021 Die Slowakei weist drei russische Diplomaten aus. Die slowakische Regierung begründet diesen Schritt mit der Verschlechterung der Beziehungen Russlands zu Tschechien. Tschechien hatte am 17. April 2021 18 russische Botschaftsmitarbeiter ausgewiesen. Sie sollen an der Explosion eines Munitionslagers im Jahr 2014 beteiligt gewesen sein. 23.04.2021 In der Region Primorje brennt eine Waldfläche von insgesamt 514 Hektar. Die Behörden melden acht Brandherde, von denen zurzeit sieben aktiv gelöscht werden. Die Zahl der Brandherde hat sich innerhalb eines Tages verdoppelt. Bereits am Vortag meldete Wladiwostok dichte Rauchentwicklung aufgrund der Brände. 23.04.2021 Der am 21. April 2021 festgenommene Jefim Chasanow, Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften, wird vom Kanawinskij-Bezirksgericht in Nishnij Nowgorod zur Zahlung einer Geldstrafe in Höhe von 20.000 Rubel (etwa 220 Euro) verurteilt. Das Gericht befand ihn des Verstoßes gegen das festgelegte Verfahren bei der Durchführung einer Kundgebung für schuldig. Chasanow hatte einen "Facebook"-Post geteilt, der Bezug nahm auf die von Unterstützern des inhaftierten Oppositionspolitikers Aleksej Nawalnyj organisierten und im Vorfeld nicht genehmigten Protestkundgebungen am 21. April 2021. 23.04.2021 Russland weist fünf polnische Diplomaten aus. Damit reagiert die russische Regierung auf die Ausweisung dreier russischer Diplomaten aus Polen am 15. April 2021. Polen hatte mit der Ausweisung seine Solidarität mit der Entscheidung der USA zur Verhängung von Sanktionen gegen Russland ausgedrückt. 23.04.2021 Das Ismailowskij-Bezirksgericht in Moskau verurteilt Tatjana Usmanowa, Leiterin der in Russland als unerwünschte Organisation registrierten Bewegung "Otkrytaja Rossija" (dt. "Offenes Russland") zu einer Geldstrafe von 150.000 Rubel (etwa 1.600 Euro). Ihr wird der Verstoß gegen Hygienevorschriften vor dem Hintergrund der Coronavirus-Pandemie vorgeworfen. Usmanowa hatte Anfang März 2021 den sogenannten "Kongress der städtischen Abgeordneten" veranstaltet. Rund 200 Teilnehmer waren festgenommen worden. 23.04.2021 Das russische Justizministerium setzt das russische Exilmedium "Meduza" auf die Liste der sogenannten "ausländischen Agenten". Die Redaktion von "Meduza" sitzt aufgrund von Repressionen in Lettland. 23.04.2021 Der seit Januar 2021 inhaftierte russische Oppositionspolitiker Aleksej Nawalnyj verkündet das Ende seines Hungerstreiks. Nawalnyj war am 31. März 2021 aus Protest gegen ausbleibende medizinische Behandlung in den Hungerstreik getreten. Seine Forderung bleibe bestehen, betonte er, jedoch nehme er den Rat seiner Vertrauten ernst und beende seinen Hungerstreik. Nawalnyj war am 19. April 2021 in ein Gefängniskrankenhaus verlegt worden. 23.04.2021 Litauen weist zwei russische Diplomaten aus. Die litauische Regierung begründet diesen Schritt mit der Solidarität zu Tschechien. Tschechien hatte am 17. April 2021 18 russische Diplomaten des Landes verwiesen. Es gebe Hinweise darauf, dass diese an der Explosion eines Munitionslagers im Jahr 2014 beteiligt gewesen sind. 23.04.2021 Der russische Präsident Wladimir Putin beauftragt die Regierung mit der Erstellung einer "Liste unfreundlicher Staaten". Geplant seien Einschränkungen für deren diplomatische Vertretungen, die Einstellung von Mitarbeitern soll begrenzt werden. Dies geht aus einer vom Kreml veröffentlichten Mitteilung hervor. Begründet wird dieser Schritt mit der möglichen Anwerbung russischer Bürger durch westliche Geheimdienste. 24.04.2021 In der Oblast Tscheljabinsk wird die Alarmbereitschaft aufgrund der Waldbrände erhöht. Bisher wurden insgesamt 2.805 aktive Brände registriert. Das Betreten von Wäldern ist nur noch mit Einschränkungen erlaubt, das Abbrennen von Reisig und anderen brennbaren Materialien ist ab sofort verboten. 26.04.2021 Das rumänische Außenministerium weist einen russischen Diplomaten aus. Begründet wurde dieser Schritt mit "Aktivitäten, die dem Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen zuwiderlaufen". Russland kündigte eine spiegelbildliche Reaktion an. 26.04.2021 Russland weist einen italienischen Diplomaten aus. Begründet wird dieser Schritt mit der Festnahme eines russischen Staatsbürgers in Italien wegen des Verdachts auf Spionage am 30. März 2021. Der italienische Außenminister hatte daraufhin die Ausweisung zweier russischer Diplomaten angekündigt. 26.04.2021 Die Moskauer Staatsanwaltschaft reicht Klage beim Moskauer Stadtgericht auf Einstufung des von Oppositionspolitiker Aleksej Nawalnyj gegründeten "Fonds für Korruptionsbekämpfung" (FBK) und seiner "Stiftung zum Schutz der Bürgerrechte" als extremistisch ein. Bis zur Entscheidung des Gerichts müssen die NGOs ihre Tätigkeit aussetzen. 26.04.2021 Das Simonowskij-Bezirksgericht in Moskau verurteilt die Anwältin des von Oppositionspolitiker Aleksej Nawalnyj gegründeten "Fonds für Korruptionsbekämpfung" (FBK), Ljubow Sobol, zur Zahlung einer Geldstrafe in Höhe von 300.000 Rubel (etwa 3.300 Euro). Ihr wird die wiederholte Verletzung des festgelegten Verfahrens zur Organisation einer nicht genehmigten Veranstaltung vorgeworfen. Sobol hatte in einer Sendung des Radiosenders "Echo Moskwy" zur Teilnahme an einer Protestaktion zur Unterstützung Nawalnyjs am 21. April 2021 aufgerufen. 26.04.2021 Großbritannien verhängt Sanktionen gegen 14 russische Staatsbürger als Teil einer sogenannten "Anti-Korruptions-Initiative". Sie sollen im Jahr 2007 durch gefälschte Steuererleichterungen russisches Staatseigentum im Wert von 230 Millionen Dollar veruntreut haben. Die betroffenen Personen stehen auch auf der sogenannten "Magnitskij-Liste". Sergej Magnitskij hatte hochrangigen russischen Beamten die betreffende Veruntreuung nachgewiesen. Er starb im Jahr 2009 in einem russischen Untersuchungsgefängnis. Die nun erlassenen Sanktionen sehen das Einfrieren der Vermögenswerte in Großbritannien vor, außerdem wird die Einreise ins Land untersagt. 27.04.2021 Das russische Gesundheitsministerium veröffentlicht abschließende Daten zur Sterblichkeitsrate im Jahr 2020. Aus dem Bericht geht hervor, dass die Sterblichkeit im Jahr 2020 um 17,9 Prozent höher lag als im Jahr 2019. Auch die Lebenserwartung sank um rund zwei Jahre auf 71,5 Jahre. Die Bevölkerung schrumpfte um 688.700 Menschen im Vergleich zum Vorjahr. Dies ist der höchste Wert seit 2015. 28.04.2021 Russland weist zwei Mitarbeiter der litauischen Botschaft sowie jeweils einen Mitarbeiter der estnischen und lettischen Botschaft aus. Es reagiert damit auf die Ausweisung russischer Diplomaten aus allen baltischen Staaten aus Solidarität mit Tschechien. Tschechien hatte am 17. April 2017 18 russische Diplomaten des Landes verwiesen, die in die Explosion eines Munitionslagers im Jahr 2014 verwickelt gewesen sein sollen. 28.04.2021 Das russische Außenministerium teilt die Ausweisung dreier slowakischer Diplomaten mit. Es reagiert damit spiegelbildlich auf die Ausweisung russischer Diplomaten aus der Slowakei am 22. April 2021. Die Slowakei hatte aus Solidarität mit Tschechien drei russische Diplomaten des Landes verwiesen. Aus Tschechien waren am 17. April 2021 18 russische Diplomaten ausgewiesen worden, die in die Explosion eines Munitionslagers im Jahr 2014 verwickelt gewesen sein sollen. 28.04.2021 Die bulgarischen Behörden untersuchen die mögliche Beteiligung von sechs Russen an vier Explosionen in bulgarischen Munitionslagern zwischen 2011 und 2020. Die dort gelagerte Munition war für den Export nach Georgien und in die Ukraine bestimmt gewesen, so eine Sprecherin des Generalstaatsanwalts. Außerdem überprüften die Behörden mögliche Zusammenhänge zu der Explosion eines Munitionslagers in Tschechien im Jahr 2014. Tschechien hatte am 17. April 2021 18 russische Diplomaten ausgewiesen, die daran beteiligt gewesen sein sollen. 28.04.2021 Das Oktjabrskij-Bezirksgericht in Murmansk verurteilt die Leiterin des Regionalbüros des von Oppositionspolitiker Aleksej Nawalnyj gegründeten "Fonds für Korruptionsbekämpfung" (FBK), Wioletta Grudina, zu einer Geldstrafe von 75.000 Rubel (etwa 830 Euro). Das Gericht befindet sie der Organisation einer nicht genehmigten Protestveranstaltung für schuldig. Der FBK hatte für den 21. April 2021 zu landesweiten Protesten zur Unterstützung Nawalnyjs aufgerufen. Nach offiziellen Angaben nahmen in Murmansk etwa 100 Menschen an der Protestaktion teil. 29.04.2021 Leonid Wolkow, Mitarbeiter des von Oppositionspolitiker Aleksej Nawalnyj gegründeten "Fonds für Korruptionsbekämpfung" (FBK), kündigt die Auflösung des Netzwerks von Regionalbüros des Fonds an. Das Moskauer Stadtgericht hatte am 26. April 2021 ein Tätigkeitsverbot für den Fonds angeordnet, nachdem die Staatsanwaltschaft Klage im Zusammenhang mit der Durchführung "extremistischer Aktivitäten" eingereicht hatte. Wolkow kündigte an, dass einige Regionalbüros als unabhängige soziale oder politische Bewegungen weiterarbeiten wollten. 29.04.2021 Das russische Ermittlungskomitee eröffnet ein Strafverfahren gegen Oppositionspolitiker Aleksej Nawalynj, den Direktor des von Nawalnyj gegründeten "Fonds für Korruptionsbekämpfung" (FBK), Iwan Shdanow, sowie FBK-Mitarbeiter Leonid Wolkow. Ihnen wird die Gründung einer gemeinnützigen Organisation, die die Rechte der Bürger verletzt, vorgeworfen. Shdanow und Wolkow befinden sich zurzeit im Ausland, Nawalnyj sitzt seit seiner Rückkehr nach Russland im Januar 2021 in Haft. Gegen den FBK läuft ein Gerichtsverfahren wegen des Verdachts auf "extremistische Aktivitäten". 29.04.2021 Bulgarien weist einen russischen Diplomaten aus. Dies teilte das bulgarische Außenministerium mit. Bulgarien hatte am Vortag bekanntgegeben, im Zusammenhang mit vier Explosionen in Munitionslagern in den Jahren 2011 bis 2020 gegen sechs russische Staatsbürger zu ermitteln. 30.04.2021 In Moskau wird der Rechtsanwalt Iwan Pawlow festgenommen. Ihm wird die Veröffentlichung von vorläufigen Ermittlungsergebnissen vorgeworfen. Pawlow ist Anwalt der Menschenrechtsorganisation "Komanda 29" (dt. "Mannschaft 29"). Er vertritt vor Gericht Angeklagte, denen Verbrechen gegen die Staatssicherheit vorgeworfen werden. Zu seinen Mandanten zählen unter anderem der im Juli 2020 festgenommene ehemalige Journalist Iwan Safronow sowie der von Oppositionspolitiker Aleksej Nawalnyj gegründete "Fonds für Korruptionsbekämpfung" (FBK) sowie die "Stiftung zum Schutz der Bürgerrechte". Gegen beide laufen zurzeit Gerichtsverfahren wegen extremistischer Tätigkeiten beziehungsweise Tätigkeiten zum Zwecke des Schadens russischer Bürger. 30.04.2021 Die russische Bundesfinanzaufsicht "Rosfinmonitoring" nimmt den Hauptsitz des von Oppositionspolitiker Aleksej Nawalnyj gegründeten "Fonds für Korruptionsbekämpfung" (FBK) in Moskau in die Liste extremistischer Organisationen auf. Dies hat die Sperrung der Bankkonten des Fonds zur Folge. Die Moskauer Staatsanwaltschaft hatte am 16. April 2021 Klage gegen den Fonds eingereicht, am 26. April 2021 war die Tätigkeit bis zum Abschluss des Verfahrens verboten worden. 30.04.2021 Russland verhängt Einreiseverbote gegen acht EU-Vertreter, unter anderem David Maria Sassoli, Präsident des Europaparlaments. Begründet wird diese Maßnahme mit der Verhängung von Sanktionen der EU gegen sechs russische Staatsfunktionäre im März 2020. Diese hatte die EU wegen der Inhaftierung des russischen Oppositionspolitikers Aleksej Nawalnyj auf den Weg gebracht. 01.05.2021 Der russische Botschafter in Schweden wird ins schwedische Außenministerium einbestellt. Damit protestiert Schweden gegen die am Vortag verhängten Einreiseverbote für EU-Vertreter nach Russland. Die von Russland ergriffenen Maßnahmen seien im Gegensatz zu den EU-Sanktionen aus März 2021 willkürlich, ihre Rechtsgrundlage fragwürdig. Die Chronik wird zeitnah erstellt und basiert ausschließlich auf im Internet frei zugänglichen Quellen. Die Redaktion der Russland-Analysen kann keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben übernehmen. Zusammengestellt von Alena Schwarz Sie können die gesamte Chronik seit 2003 (zusätzlich gibt es eine Kurzchronik für die Sowjetunion ab 1964 bzw. Russland ab 1992) auch auf Externer Link: http://www.laender-analysen.de/russland/ unter dem Link "Chronik" lesen.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2021-06-23T00:00:00
2021-05-20T00:00:00
2021-06-23T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/europa/russland-analysen/nr-402/333444/chronik-13-april-01-mai-2021/
Die Ereignisse vom 13. April bis 1. Mai 2021 in der Chronik.
[ "Russland", "Chronik", "Russland" ]
520
8. März: Weltfrauentag | Hintergrund aktuell | bpb.de
Nach einer am Mittwoch (5. März) vorgestellten Externer Link: Studie der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (European Union Agency for Fundamental Rights, FRA) ist jede dritte Frau in der EU bereits Opfer körperlicher oder sexueller Gewalt geworden. Betroffen sind demnach etwa 62 Millionen Frauen zwischen 15 und 74 Jahren, etwa neun Millionen seien zudem schon einmal Opfer einer Vergewaltigung geworden. Sexuelle Belästigung haben der Studie zufolge insgesamt zwischen 83 und 102 Millionen Frauen erlebt, 12 Prozent der Befragten bereits vor ihrem 15. Lebensjahr. Die Studie beruht auf Interviews mit 42.000 Frauen in allen EU-Mitgliedstaaten. Die meisten Erfahrungen von Gewalt gab es der Studie zufolge bei Frauen in Dänemark (52 Prozent), Finnland (47 Prozent) und Schweden (46 Prozent). Das bedeutet nach Angaben der Autoren nicht unbedingt, dass es in diesen Ländern zu mehr Übergriffen kommt. Sind die Geschlechter stärker gleichberechtigt, sei die Bereitschaft stattdessen größer, offen über Gewalt zu sprechen. In Deutschland haben 35 Prozent der befragten Frauen Gewalterfahrungen gemacht – etwas mehr als im EU-Durchschnitt (33 Prozent). Die EU-Studie deckt sich mit den Ergebnissen einer Externer Link: Untersuchung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aus dem Jahr 2013. Demnach wird weltweit mehr als jede dritte Frau (35 Prozent) Opfer von sexueller und körperlicher Gewalt. Gewalt innerhalb von Beziehungen sei laut WHO die am meisten verbreitete Gewalt gegen Frauen. Nicht zuletzt deshalb kämpfen Frauen seit mehr als 100 Jahren für mehr Frauenrechte und gehen dafür am 8. März auf die Straße. InfoboxGewalt gegen Frauen UN Women, die für Gleichberechtigung zuständige Sektion der Vereinten Nationen, Externer Link: definiert Gewalt gegen Frauen als jegliche geschlechtsbasierte Gewalt, durch die Frauen physisch, sexuell oder psychologisch leiden. Auch Männer und Jungen erfahren Gewalt. Gewalt gegen Frauen wird jedoch spezifisch als "in Geschlecht begründet" ("gender-based") definiert, da Frauen durch ihre strukturell benachteiligte Rolle in der Gesellschaft speziellen Formen von Gewalt besonders stark ausgesetzt sind. Am häufigsten äußert sich Gewalt gegen Frauen in häuslicher und sexueller Gewalt, in sexueller Belästigung sowie emotionaler und psychischer Gewalt. Auch weibliche Genitalverstümmelung, Zwangsheirat, Mord an weiblichen Neugeborenen, Frauenhandel oder sogenannte "Ehrenmorde" zählt die UN zum Feld der Gewalt gegen Frauen. Geschichte des Weltfrauentags in Deutschland Porträtzeichnung von Clara Zetkin (© Bundesarchiv, Plak 102-070-052, Grafiker: Damm-Fiedler, Jutta; Gruppe Plus / Drucker/Verlag: III/6/46; DEWAG Leipzig) "Keine Sonderrechte, sondern Menschenrechte" hatte die deutsche Sozialistin Clara Zetkin 1910 auf dem zweiten Kongress der Sozialistischen Internationale in Kopenhagen gefordert. Ein Jahr später, am 19. März 1911, gingen erstmals Frauen in Deutschland, Österreich, Dänemark und der Schweiz zum Frauentag auf die Straße. Sie forderten das Wahlrecht für Frauen und mehr politische Teilhabe. Außer in Finnland, geregelt durch die Externer Link: Landtagsordnung von 1906, durften zu diesem Zeitpunkt in keinem europäischen Land Frauen wählen oder gewählt werden. In Deutschland wurde Frauen Interner Link: dieses Recht erst 1918 zugestanden. Seit 1921 wird der Internationale Frauentag am 8. März begangen. In Deutschland wurde der Frauentag während der NS-Herrschaft als sozialistischer Feiertag verboten. Stattdessen propagierten die Nationalsozialisten den Muttertag und die Interner Link: "biologische Verpflichtung" der Frau, "arische" Kinder zur Welt zu bringen, für die "Volksgemeinschaft". Bereits zwei Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und dem Zusammenbruch der NS-Herrschaft wurde der 8. März in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) wieder gefeiert. Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) erklärte den Frauentag in den 1950er Jahren zum staatlich angeordneten Feierritual. Fraueninteressen wurden den Interner Link: allgemeinen politischen Zielen der DDR untergeordnet. Im Zuge der Interner Link: neuen Frauenbewegung in der Bundesrepublik Ende der 1960er Jahre gelangte der Frauentag auch zurück in das westdeutsche Bewusstsein. Seit den 1980er Jahren hat er in ganz Westeuropa wieder an Bedeutung gewonnen. InfoboxDiskriminierung per Gesetz In der DDR war die Gleichberechtigung der Geschlechter verfassungsmäßig in Artikel 20 Absatz 2 der Verfassung von 1949 geregelt: "Mann und Frau sind gleichberechtigt und haben die gleiche Rechtsstellung in allen Bereichen des gesellschaftlichen, staatlichen und persönlichen Lebens. Die Förderung der Frau, besonders in der beruflichen Qualifizierung, ist eine gesellschaftliche und staatliche Aufgabe." In der BRD erhielt mit der Verabschiedung des Grundgesetzes 1949 die Gleichbehandlung von Frau und Mann Verfassungsrang (Interner Link: Art. 3 GG). 1958 wurde die Vorgabe des Grundgesetzes mit dem Inkrafttreten des Gleichberechtigungsgesetzes Gesetzeswirklichkeit. Zuvor war es Frauen zum Beispiel nicht erlaubt, ohne Zustimmung ihres Ehemannes ein eigenes Bankkonto zu eröffnen und über ihr Geld zu verfügen. Damit war Diskriminierung per Gesetz jedoch nicht abgeschafft. Erst seit 1977 brauchen Ehefrauen nicht mehr die Einwilligung ihres Mannes, um arbeiten zu dürfen. Zudem ist Vergewaltigung in der Ehe erst seit 1997 strafbar. Gegenwärtiger Stand der Frauenrechte Neben dem weltweiten Kampf gegen Unterdrückung und Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist eine der wichtigsten Forderungen der Frauenbewegung heute die Stärkung der Rolle von Frauen in politischen Entscheidungsprozessen und im Arbeitsleben. Wie steht es um die Rechte der Frauen? Reproduktive Rechte von Frauen Zu den reproduktiven Rechten von Frauen gehört unter anderem das Recht auf ein sicheres und selbstbestimmtes Sexualleben, das Recht auf Familienplanung, der Zugang zu effektiven Verhütungsmitteln und das Recht auf Gesundheitsvorsorge für eine sichere Schwangerschaft und Geburt. In vielen Ländern werden diese Rechte nur unzureichend durchgesetzt: Die Folge sind unter anderem ungewollte Schwangerschaften, hohe Müttersterblichkeit und sexuell übertragbare Infektionen wie HIV. Laut Interner Link: UN-Weltbevölkerungsbericht 2013 wurden 7,3 Millionen Frauen in den Entwicklungsländern vor ihrem 18. Geburtstag schwanger, häufig als Folge sexueller Gewalt. Frauen in der Arbeitswelt Insgesamt hat sich die Situation der Frauen auf dem Arbeitsmarkt etwas verbessert. Nach Externer Link: Angaben der europäischen Statistikbehörde Eurostat lag der Anteil der erwerbstätigen Frauen in Deutschland 2012 mit 71,5 Prozent über dem EU-Durchschnitt von 62,3 Prozent (Männer: 81,8 bzw. 74,5 Prozent). Allerdings werden Frauen nach wie vor schlechter bezahlt als Männer (Gender Pay Gap). Laut Statistischem Bundesamt Externer Link: verdienten 2012 Frauen in Deutschland 22 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Nach Angaben von Eurostat belegt Deutschland damit Externer Link: den drittletzten Platz im Vergleich der EU-Mitgliedstaaten (durchschnittlich rund 16 Prozent Bruttolohnunterschied). Ein Hauptproblem für die Gleichstellung der Frauen im Arbeitsleben ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Fast jede zweite erwerbstätige Frau in Deutschland Externer Link: arbeitet laut Statistischem Bundesamt in Teilzeit (46 Prozent), mehr als die Hälfte von Ihnen aus familiären Gründen wie der Kinderbetreuung oder der Pflege von Familienangehörigen (55 Prozent). Zum Vergleich: In Dänemark und Schweden, beides Länder mit einer ähnlich hohen oder höheren Erwerbstätigenquote von Frauen (über 72 Prozent), arbeitet nur etwas mehr als jede dritte Frau in Teilzeit, davon nur rund 37 Prozent aus familiären Gründen. Frauen in Führungspositionen In deutschen Führungsetagen sind Frauen nach wie vor unterrepräsentiert. Nach Externer Link: Angaben des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) waren 2013 nur vier Prozent aller Vorstands- und knapp 15 Prozent aller Aufsichtsratssitze in den 200 umsatzstärksten Unternehmen in Deutschland von Frauen besetzt. In den DAX-30-Unternehmen war der Frauenanteil 2013 in den Vorständen sogar rückläufig: Gab es 2012 unter den insgesamt 193 Vorstandsmitgliedern dieser Unternehmen 15 Frauen, waren Ende 2013 nur noch zwölf von insgesamt 191 Vorstandsmitgliedern weiblich. Derzeit gelten in vielen deutschen Unternehmen unverbindliche Selbstverpflichtungen, den Anteil an Frauen in Führungspositionen zu erhöhen. CDU, SPD und CSU hatten sich im Koalitionsvertrag auf eine verbindliche Geschlechterquote bei der Neubesetzung von Aufsichtsräten geeinigt. Aufsichtsräte von voll mitbestimmungspflichtigen und börsennotierten Unternehmen, die ab dem Jahr 2016 neu besetzt werden, sollen demnach zu mindestens 30 Prozent mit Frauen besetzt sein. Mehr zum Thema: Interner Link: Vor 95 Jahren: Erste Frauen im Parlament Interner Link: Monica Fioravanzo: Die "neue Frau", Frauenbilder der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) und der Partito Comunista Italiano (PCI) 1944-1950 im Spiegel von Frauenzeitschriften Interner Link: Wolfgang Kruse: Frauenarbeit und Geschlechterverhältnisse UN Women, die für Gleichberechtigung zuständige Sektion der Vereinten Nationen, Externer Link: definiert Gewalt gegen Frauen als jegliche geschlechtsbasierte Gewalt, durch die Frauen physisch, sexuell oder psychologisch leiden. Auch Männer und Jungen erfahren Gewalt. Gewalt gegen Frauen wird jedoch spezifisch als "in Geschlecht begründet" ("gender-based") definiert, da Frauen durch ihre strukturell benachteiligte Rolle in der Gesellschaft speziellen Formen von Gewalt besonders stark ausgesetzt sind. Am häufigsten äußert sich Gewalt gegen Frauen in häuslicher und sexueller Gewalt, in sexueller Belästigung sowie emotionaler und psychischer Gewalt. Auch weibliche Genitalverstümmelung, Zwangsheirat, Mord an weiblichen Neugeborenen, Frauenhandel oder sogenannte "Ehrenmorde" zählt die UN zum Feld der Gewalt gegen Frauen. Porträtzeichnung von Clara Zetkin (© Bundesarchiv, Plak 102-070-052, Grafiker: Damm-Fiedler, Jutta; Gruppe Plus / Drucker/Verlag: III/6/46; DEWAG Leipzig) In der DDR war die Gleichberechtigung der Geschlechter verfassungsmäßig in Artikel 20 Absatz 2 der Verfassung von 1949 geregelt: "Mann und Frau sind gleichberechtigt und haben die gleiche Rechtsstellung in allen Bereichen des gesellschaftlichen, staatlichen und persönlichen Lebens. Die Förderung der Frau, besonders in der beruflichen Qualifizierung, ist eine gesellschaftliche und staatliche Aufgabe." In der BRD erhielt mit der Verabschiedung des Grundgesetzes 1949 die Gleichbehandlung von Frau und Mann Verfassungsrang (Interner Link: Art. 3 GG). 1958 wurde die Vorgabe des Grundgesetzes mit dem Inkrafttreten des Gleichberechtigungsgesetzes Gesetzeswirklichkeit. Zuvor war es Frauen zum Beispiel nicht erlaubt, ohne Zustimmung ihres Ehemannes ein eigenes Bankkonto zu eröffnen und über ihr Geld zu verfügen. Damit war Diskriminierung per Gesetz jedoch nicht abgeschafft. Erst seit 1977 brauchen Ehefrauen nicht mehr die Einwilligung ihres Mannes, um arbeiten zu dürfen. Zudem ist Vergewaltigung in der Ehe erst seit 1997 strafbar.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2021-09-20T00:00:00
2014-03-07T00:00:00
2021-09-20T00:00:00
https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/180227/8-maerz-weltfrauentag/
Am 8. März begehen Frauen weltweit den Internationalen Frauentag. Seit mehr als 100 Jahren fordern sie an diesem Tag Gleichberechtigung und prangern Gewalt gegen Frauen an. Noch immer wird weltweit jede dritte Frau Opfer sexueller oder körperlicher G
[ "Internationaler Frauentag", "Weltfrauentag", "Gleichberechtigung", "Emanzipation", "Frauenrechte", "Gewalt gegen Frauen" ]
521
Dokumentation: Stellungnahmen und Abstimmungsverfahren im Parlament zur Änderung des Antikorruptionsgesetzes (23.–24.03.2017) | Ukraine-Analysen | bpb.de
Ende März 2017 stimmte die Werchowna Rada Änderungen des Antikorruptionsgesetzes zu. Ab 2018 müssen nun nicht mehr nur Beamte Vermögenserklärungen abgeben, sondern auch Vertreter von Nichtregierungsorganisationen. Die neue Regelung löste sofort Kritik aus. Es wird befürchtet, dass durch sie die Antikorruptionsorganisationen in der Ukraine unter Druck geraten könnten und ihre Zusammenarbeit mit internationalen Partnern wesentlich erschwert wird. Wir dokumentieren hier die Stellungnahmen von Freedom House, Transparency International und die Position des Präsidenten Petro Poroschenko. Im Anschluss daran finden Sie die Ergebnisse des Abstimmungsverfahrens im Parlament, die verdeutlichen, welche Kräfte sich für und welche gegen die umstrittene Gesetzesänderung gestellt haben. Die Redaktion der Ukraine-Analysen Freedom House Ukraine: New Restrictions on Anti-Corruption Groups (27.03.2017) Following President Poroshenko signing a measure that will increase government monitoring into civil society groups, Freedom House issued the following statement: "Ukraine’s passage of intrusive reporting requirements targeting anti-corruption activists and NGOs undermines their work, which is essential for restoring public trust in the government," said Marc Behrendt, director of Eurasia programs at Freedom House. "The new requirements protect politicians unhappy with public scrutiny and allow them to retaliate against those involved in anti-corruption investigations. Moreover, the law appears to violate standards established by the Council of Europe, which prohibit arbitrary and discriminatory intrusion into independent civil society activity.” Externer Link: Quelle Transparency International Proposed amendments to a law that targets Ukrainian anti-corruption groups must be abolished (27.03.2017) Transparency International and its chapter in Ukraine call on Ukrainian authorities to abolish controversial amendments to the Law on Prevention of Corruption that appear designed to intimidate and target anti-corruption activists. The amendments would make it mandatory for leaders of anti-corruption groups to submit e-declarations of their assets, similar to those that are now mandatory for civil servants, judges, senior government employees and members of parliament. The e-declaration law was introduced to inhibit corruption and allow for public scrutiny of the wealth of those in power to ensure people did not abuse their official positions to increase their assets beyond their salaries. It has no relevance to anti-corruption activists who are not paid by the state. José Ugaz, Chair of Transparency International, said: "These new provisions must be abolished immediately. Lawmakers are trying to intimidate civil society and in particular anti-corruption activists. If these amendments come into force, it will be clear that Ukrainian top officials are not serious about fighting corruption. It will show that they have chosen to side with those who want to quash the anti-corruption movement. "These amendments are a vindictive retaliation by lawmakers who are angry that they are required to declare their wealth. There is no justification for singling out anti-corruption groups.” Yaroslav Yurchyshyn, the Executive Director of Transparency International Ukraine, said: "Non-governmental organisations are overseen by the public and their donors. The relevant authorities review tax and financial reports. Our annual reports are available online. These new amendments which extend to organisations that work with us, if introduced, will complicate not only anti-corruption activity but the life of individuals indirectly assisting and supporting our work.” Externer Link: Quelle Präsident Petro Poroschenko President met with public activists on amendments to the law on e-declaration (27.03.2017) President Petro Poroshenko had a meeting with public activists on amendments to the law on e-declaration. The Head of State underlined the importance of signing this law due to the necessity of taking into account the interests of hundreds of thousands of servicemen who currently defend Ukraine from the Russian aggression. Given the obligation for NGO representatives to fill in the e-declarations comes into force from the year 2018, pursuant to the proposal of the President, the parties agreed to establish a working group with participation of NGO representatives, people’s deputies and representatives of the Presidential Administration with a view to elaborate the agreed amendments to this law. The Head of State expressed support for the initiatives of NGOs in the sphere of fighting corruption. He drew attention to the inadmissibility of any political pressure or restrictions for the activity of NGOs in Ukraine. Externer Link: Quelle
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2021-06-23T00:00:00
2017-04-27T00:00:00
2021-06-23T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/europa/ukraine-analysen/247351/dokumentation-stellungnahmen-und-abstimmungsverfahren-im-parlament-zur-aenderung-des-antikorruptionsgesetzes-23-24-03-2017/
Eingeführt wurde das Antikorruptionsgesetz, um die Finanzen Staatsbeamter transparenter zu machen. Nun wird das Elektrische Deklarationssystem auf Vetreter von NGOs ausgeweitet. Reaktionen auf diese Gesetzesänderung sowie die Ergebnisse der Abstimmun
[ "Antikorruptionsgesetz", "Werchowna Rada", "Ukraine" ]
522
Demokratisierung durch Entnazifizierung und Erziehung | Deutschland 1945-1949 | bpb.de
Einleitung Etwa 8,5 Millionen Deutsche waren Mitglieder der NSDAP gewesen. Sie bildeten den Kern von Hitlers Parteigängern und mussten, so hatten es die Alliierten noch während des Krieges beschlossen und in Potsdam 1945 bekräftigt, der politischen Säuberung in Gestalt der "Entnazifizierung" unterworfen werden. Damit wurde, noch ehe der Kontrollrat die Ausführungsbestimmungen für ein einheitliches Vorgehen in allen vier Besatzungszonen erließ, überall im Frühjahr 1945 begonnen. Deutsche beteiligten sich dabei. Antifaschistische Komitees entstanden in ganz Deutschland während des Zusammenbruchs der NS-Herrschaft; es waren vor allem Männer der Arbeiterbewegung, die sich zur kollektiven Selbsthilfe und mit dem Ziel, Schuldige der Gerechtigkeit zu überantworten, zusammenfanden. Die Antifa-Leute hinderten führende Nazis am Untertauchen, manchmal mussten sie ehemalige Parteigrößen auch vor der Lynchjustiz der Bevölkerung schützen. Die Alliierten waren an der Mithilfe deutscher Antifaschisten bei der politischen Säuberung freilich nicht interessiert, dazu war ihr Misstrauen gegen alle Deutschen zu groß. Die Antifa-Bewegung wurde im Frühsommer 1945 verboten, in der sowjetischen Zone ebenso wie in der amerikanischen. Maßnahmen gegen Nationalsozialisten Der Alliierte Kontrollrat in Berlin erließ im Januar 1946 eine erste Entnazifizierungsdirektive und im Oktober 1946 wurden Richtlinien veröffentlicht, wie aktive Nationalsozialisten, Helfer und Nutznießer des NS-Regimes behandelt werden sollten. Zur Durchführung der Potsdamer Grundsätze wurden nach dieser Direktive zwecks "gerechter Beurteilung der Verantwortlichkeit" und zur "Heranziehung zu Sühnemaßnahmen" fünf Gruppen gebildet: "1. Hauptschuldige, 2. Belastete (Aktivisten, Militaristen und Nutznießer), 3. Minderbelastete (Bewährungsgruppe), 4. Mitläufer" und "5. Entlastete (Personen der vorstehenden Gruppen, welche vor einer Spruchkammer nachweisen können, dass sie nicht schuldig sind)". Die Entnazifizierungsprozedur, die der Kontrollrat damit in gleichförmige Bahnen lenken wollte, war freilich längst im Gang, und zwar in den einzelnen Besatzungszonen auf unterschiedliche Weise. Durch ihren moralischen und zugleich bürokratischen Rigorismus taten sich die Amerikaner hervor, in der britischen Zone wurde die Säuberung weniger streng gehandhabt, in der französischen Zone gab es regionale Unterschiede und diverse Kurswechsel der Besatzungsmacht. In den beiden letztgenannten Zonen wurde der Säuberungsprozess mehr als pragmatische Angelegenheit betrachtet, bei der das Schwergewicht darauf lag, die Eliten auszuwechseln. In der britischen und der französischen Zone neigte man bei der anzuwendenden Methode mehr politischen und administrativen als justizförmigen Prozeduren zu, passte sich aber dann den amerikanischen Vorstellungen an, die auch in der Kontrollratsdirektive Nr. 38 vom Oktober 1946 dominierten. Politische Säuberung in der SBZ In der sowjetischen Besatzungszone wurde die Entnazifizierung am konsequentesten durchgeführt und am schnellsten abgeschlossen. Die Entnazifizierung erfolgte hier im Zusammenhang mit der "antifaschistisch-demokratischen Umwälzung". Die Entfernung der ehemaligen NSDAP-Mitglieder aus allen wichtigen Stellungen war Bestandteil dieser politischen und sozialen Neustrukturierung, die unter dem Schlagwort "Auseinandersetzung zwischen der Arbeiterklasse und der Monopolbourgeoisie" die SED als bestimmende Kraft durchsetzen sollte. Ende Oktober 1946 standen in der sowjetischen Zone eigene "Richtlinien für die Bestrafung der Naziverbrecher und die Sühnemaßnahmen gegen die aktivistischen Nazis" zur Verfügung. Sie waren von einem gemeinsamen Ausschuss der im "Demokratischen Block" unter Dominanz der SED zusammengefassten Parteien verfasst worden. Der Katalog der Sühnemaßnahmen beinhaltete: "1. Entlassung aus öffentlichen Verwaltungsämtern und Ausschluss von Tätigkeiten, die öffentliches Vertrauen erfordern; 2. zusätzliche Arbeits-, Sach- und Geldleistungen; 3. Kürzung der Versorgungsbezüge und Einschränkung bei der allgemeinen Versorgung, solange Mangel besteht; 4. Nichtgewährung der politischen Rechte einschließlich des Rechts auf Mitgliedschaft in Gewerkschafts- oder anderen Berufsvertretungen und in den antifaschistisch-demokratischen Parteien." Aber wie in den Westzonen wurde auch in der Ostzone bei der Entnazifizierung Rücksicht genommen auf Fachleute wie Techniker, Spezialisten und Experten, die für das Funktionieren bestimmter Einrichtungen oder für den Wiederaufbau unentbehrlich waren. Ende 1946 waren in der sowjetischen Besatzungszone trotzdem insgesamt 390478 ehemalige NSDAP-Mitglieder entlassen bzw. nicht wieder eingestellt worden. Zu diesem Zeitpunkt wurde das Säuberungsverfahren neu organisiert. Speziallager Unter direkter Regie des sowjetischen Geheimdienstes waren in der sowjetischen Besatzungszone Internierungslager eingerichtet worden, in denen - wie in den Westzonen - ehemalige Nazis arretiert waren, um sie zur Rechenschaft ziehen zu können. Die Speziallager unterschieden sich freilich in einem Punkt grundlegend von den Internierungslagern der Westzonen: Sie dienten neben der Inhaftierung von Nationalsozialisten auch dazu, Gegner der gesellschaftlichen Umwälzung (Sozialdemokraten, Liberale und Konservative) aus dem Verkehr zu ziehen und mundtot zu machen. Schlechte Behandlung war ebenso charakteristisch wie die Willkür, mit der man inhaftiert wurde. Das ehemalige KZ Buchenwald war das Speziallager Nr. 2, Sachsenhausen diente ab August 1945 als Speziallager Nr. 7 und war bis 1950 die größte Haftstätte der SBZ/DDR. Etwa 50 000 Menschen waren im Laufe der fünf Jahre in diesen Lagern inhaftiert, etwa 12 000 sind ums Leben gekommen und wurden in Massengräbern beerdigt. Die Vorgänge waren bis zum Ende der DDR tabuisiert. QuellentextVerfolgung Oppositioneller Unter 1565 Verurteilten sowjetischer Instanzen, die 1960 befragt wurden (Fragebogenaktion Karl-Wilhelm Frickes im Zusammenwirken mit der Vereinigung der Opfer des Stalinismus unter ehemaligen politischen Häftlingen, die zwischen 1945 und 1960 in der SBZ/DDR in Haft waren - Anm. d. Red.), befanden sich 187 - 18,3 Prozent, die vor ihrer Inhaftierung in einer der nach 1945 wiedererstandenen und neu gegründeten Parteien organisiert waren. Nach Parteien aufgeschlüsselt, entfielen davon auf die SED = 43,1 Prozent, auf die LDP = 33,7 Prozent, auf die CDU = 22,9 Prozent und auf die NDPD = 1,3 Prozent. Mitglieder der DBD wurden nicht registriert. Der hohe Anteil von Mitgliedern der SED geht auf ehemalige Sozialdemokraten zurück, die infolge der Zwangsfusion von KPD und SPD im Frühjahr 1946 Mitglieder der SED geworden waren und im Ergebnis der Befragung als solche erscheinen. [...] Mit dem Zwang zur Gründung der SED waren sie als erste politische Gruppierung herausgefordert und in die Opposition gedrängt worden. Zum anderen besaßen sie vor der Vereinigung mit den Kommunisten fest gefügte Parteiorganisationen. [...] Selbstverständlich informierten die mitteldeutschen Sozialdemokraten [...] das Ostbüro der SPD (seit April 1946 in Hannover, später in Bonn und West-Berlin - Anm. d. Red.) auch laufend über wichtige Vorgänge aus der SBZ/DDR - was ihnen allzu bald den Vorwurf der Spionage eintrug und ihre Verfolgung provozierte. [...] Die Verfolgung oppositioneller Sozialdemokraten in der SBZ/DDR hatte schon 1946 begonnen, bald nach der Verschmelzung von KPD und SPD, aber sie erreichte ihre größte Intensität erst in den Jahren 1947/49, als die Kommunisten ihren monopolistischen Herrschaftsanspruch in der "geeinten" Partei mit rücksichtsloser Gewalt durchsetzten und die SED zur stalinistischen Kaderpartei umschmolzen. Laut einem Brief des "Freundeskreises ehemaliger politischer Häftlinge aus den Reihen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands" vom 31. März 1971 an das Zentralkomitee der SED, waren es "mehr als fünftausend Mitglieder und Funktionäre der deutschen Arbeiterbewegung", die "lange Jahre in menschenunwürdiger Haft ihrer Freiheit beraubt" wurden. "Über vierhundert von ihnen sind dabei umgekommen." Daßehemalige Sozialdemokraten in ihrer Mehrheit von sowjetischen Militärtribunalen statt von deutschen Gerichten verurteilt wurden, war nicht ohne Überlegung geschehen. Die SED schien so frei vonjeglicher Verantwortung dafür, obwohl ihr Zusammenspiel mit der "sozialistischen Besatzungsmacht" geschichtsnotorisch ist. Karl Wilhelm Fricke, Politik und Justiz in der DDR, Köln 1979, S. 117, 120. Vertreter der Parteien, der Gewerkschaften, der Vereinigung der Verfolgten des NS-Regimes, der Frauen- und Jugendausschüsse sowie der Industrie- und Handelskammern gehörten den Entnazifizierungskommissionen an. Die Arbeit vor Ort wurde von Kreiskommissionen unter dem Vorsitz der Oberbürgermeister bzw. Landräte getan. Die Kommissionen entschieden nur über Entlassung oder Weiterbeschäftigung. Sie arbeiteten sich von oben nach unten durch die Behörden und mussten unter ziemlichem Zeitdruck auch die zunächst erlaubten Fälle von Weiterbeschäftigung wieder aufrollen. Schwierigkeiten bereitete besonders der Austausch der Fachleute. So beschwor eine Entnazifizierungskommission auf Landesebene die nachgeordneten Instanzen: Es sei "heilige Pflicht, alle faschistischen Personen durch antifaschistische Kräfte zu ersetzen und keinerlei Rücksichten auf jene Elemente zu nehmen, die glauben, als unersetzbare ,Fachkraft? im trüben fischen zu können". Rehabilitierung Allmählich wurde aber auch der Gedanke der Rehabilitierung propagiert. Ab Februar 1947 wurde stärker zwischen nominellen NSDAP-Mitgliedern und Aktivisten unterschieden. Die erste Gruppe sollte so schnell wie möglich integriert werden, weil man sie zum Wiederaufbau brauchte. Die letzte Phase der Entnazifizierung wurde im August 1947 durch den Befehl Nr. 201 der Sowjetischen Militäradministration eingeleitet. Er stellte endgültig die Weichen zur Rehabilitierung aller nominellen NSDAP-Mitglieder. Das Ziel war die baldige Beendigung des Säuberungsprozesses. Der SMAD-Befehl gab den Mitläufern das Wahlrecht ganz und die übrigen bürgerlichen Rechte weitgehend zurück. Den deutschen Gerichten wurde gleichzeitig mit der Auflösung der meisten Entnazifizierungskommissionen die Aburteilung der NS- und Kriegsverbrecher übertragen. Bis zum März 1948 waren seit Beginn der Entnazifizierung in der Sowjetzone insgesamt 520 734 Personen aus ihren Ämtern und Funktionen entlassen bzw. nicht wieder eingestellt worden. Das war die rechnerische Schlussbilanz der politischen Säuberung in der sowjetischen Besatzungszone, als sie durch Befehl der Militärregierung im Frühjahr 1948 abgeschlossen wurde. Zur Entnazifizierungspraxis in der amerikanischen Zone gab es Parallelen in Gestalt der gemeinsamen Intentionen bei der Säuberungs- bzw. Rehabilitierungsprozedur. Es gab aber auch einen ganz erheblichen Qualitätsunterschied. In der Ostzone lag nicht nur das Schwergewicht auf der Räumung von Positionen im öffentlichen Dienst (und selbstverständlich bei Schlüsselpositionen in Industrie und Wirtschaft), sondern in zwei Bereichen waren die Entlassungen definitiv und irreversibel, nämlich in der Inneren Verwaltung und in der Justiz. Aus dem Justizapparat mussten auf Befehl der SMAD vom September 1945 sämtliche NSDAP-Mitglieder entfernt werden. Da etwa 90 Prozent des Justizpersonals in der Partei gewesen war, hatte der SMAD-Befehl revolutionären Charakter. Von den 16 300 Bediensteten der Justiz im Gebiet der ganzen Zone waren am Stichtag 8. Mai 1945 13 800 Beamte und Angestellte sowie 2467 Richter und Staatsanwälte in der NSDAP und ihren Gliederungen organisiert gewesen. Um das entstandene Vakuum wieder zu füllen, wurde ab 1946 in jedem der fünf Länder der sowjetischen Besatzungszone eine Volksrichterschule etabliert. In sechs- bis neunmonatigen Lehrgängen genossen jeweils 30 bis 40 Kandidaten, die von den politischen Parteien und Organisationen vorgeschlagen wurden, eine Ausbildung zu Volksrichtern. Die Erfolgsquote war zunächst recht gering, da fast die Hälfte der Kandidaten ungeeignet war und die Abschlussprüfung nicht bestand. Später wurde die Ausbildung um ein Jahr verlängert. Entnazifizierung in der US-Zone Die Amerikaner hatten das Problem der politischen Säuberung in ihrer Zone mit denkbar größtem Elan angepackt, um alle ehemaligen Nazis aus dem öffentlichen Leben und der Wirtschaft zu entfernen. Zur Ermittlung dieses Personenkreises diente der berühmt gewordene Fragebogen. Auf 131 Fragen wurde wahrheitsgetreue Antwort verlangt, Auslassung und Unvollständigkeit waren als Delikt gegen die Militärregierung mit Strafe bedroht. Das Kernstück des sechsseitigen Fragebogens bildeten die Positionen 41 bis 95, bei denen detaillierte Auskunft über die Mitgliedschaft in allen nationalsozialistischen Organisationen gefordert war. Anfang Dezember 1945 waren bei den Dienststellen der amerikanischen Militärregierung ungefähr 90 0000 Fragebogen eingegangen. 140 000 Personen wurden sofort aus ihren Positionen entlassen. Fast ebenso viele wurden als minder gefährliche Nazi-Sympathisanten eingestuft. Die Durchführung der Entnazifizierung lag in der US-Zone bis zum Frühjahr 1946 in der Zuständigkeit der Militärregierung. Zunächst beschränkte sich die Säuberung freilich darauf, die Fragebogen zu überprüfen. Die am höchsten belasteten Nationalsozialisten fielen in die Kategorie "Automatischer Arrest", dann kamen die NS-Aktivisten, die aus ihren Stellungen entlassen werden mussten, nach ihnen die harmloseren Fälle, deren "Entlassung empfohlen" wurde, und schließlich die Mitläufer, die ihre Stellungen behalten durften. Die ständige Erweiterung des Säuberungsprogramms über die eigentlichen Führungspositionen hinaus schuf beträchtliche Probleme: Einerseits entstand Personalmangel in der Verwaltung wegen der zahlreichen Entlassungen - im Frühjahr 1946 waren es 300 000 -, auf der anderen Seite bedeutete die Einrichtung von Internierungslagern, in denen rund 120 000 Personen der Kategorie "automatischer Arrest" inhaftiert waren, eine Belastung für den Demokratisierungsanspruch der amerikanischen Besatzungsmacht. Die in den elf Lagern der US-Zone auf ihre Entnazifizierung Wartenden sahen kaum den Zweck ihrer Festsetzung ein, und die ebenso schleppende wie unsystematische Prozedur ihrer Überprüfung ließ für die Betroffenen auch keinen rechten Sinn erkennen. Denn nach der Aussonderung der Inhaber hoher Ränge in der NS-Hierarchie und der mutmaßlichen Straftäter blieben die mittleren Ränge der SS und der SA, die mittleren Funktionäre der NSDAP, die Apparatschiks vom Ortsgruppen-Amtsleiter bis zum Gau-Amtsleiter übrig, und die brauchten sich kaum schuldiger zu fühlen als die meisten anderen, denen bis zu drei Jahre Internierungslager erspart blieben. QuellentextEntnazifizierung Aus einem Brief von Walter Dorn (1894 -1961, US-Historiker und Berater der US-Militärregierung in Deutschland 1945 -1949 - Anm. d. Red.) an General Clay über den Mißerfolg der Entnazifizierung, 11. Mai 1949 1. Wenn die Entnazifizierung in ganz Deutschland wirksam werden sollte, hätte sie in allen vier Zonen einheitlich durchgeführt werden müssen. Als diese Einheitlichkeit unwiederbringlich verloren war, büßte die Entnazifizierung viel von ihrer Bedeutung bei der deutschen Bevölkerung ein. Es genügte ja nicht, ein früheres Parteimitglied in der einen Zone als Belasteten zu verurteilen, wenn es in einer anderen ein hohes öffentliches Amt bekleiden konnte. [...] 2. Zu keiner Zeit hat sich beweisen lassen, daß die Entnazifizierung das Haupt- oder überhaupt ein ernsthaftes Hindernis wirtschaftlichen Wiederaufschwungs war, wie das so viele amerikanische Businessmen und leider auch einige Mitglieder Ihres Stabes glaubten. [...] Als General Patton auf Befehl General Eisenhowers am 29. 9. 1945 die führenden 17 aktiven Nazis im Bayerischen Landwirtschaftsministerium entließ, arbeitete dieses wirksamer als zuvor, was anhand der Erfassung der landwirtschaftlichen Produktion bewiesen werden kann. [...] 3. Das Befreiungsgesetz war, trotz seiner Vorzüge und des erhabenen Idealismus, der auf amerikanischer wie auf deutscher Seite hinter ihm stand, keine ganz befriedigende Regelung. Es führte als neues Konzept den Strafgedanken in das Entnazifizierungsverfahren ein. Deshalb war es ein Fehler, die Kontrollratsdirektive Nr. 24, die der Entlassung und Disqualifizierung [für die Bekleidung öffentlicher Ämter] dienen sollte, zum integrierenden Bestandteil des Gesetzes zu machen. [...] Diese Kritikpunkte, die sich aus der Erfahrung derjenigen ergaben, die das Gesetz durchführen sollten, wurden in der Folge bei den Änderungen des Befreiungsgesetzes berücksichtigt, die im Herbst 1947 und Frühjahr 1948 vorgenommen wurden. Zwar wurde das Gesetz durch die Änderungen für die Deutschen eher annehmbar, zugleich aber auch stumpf. [...] Meines Erachtens gibt es [heute] allgemeine Übereinstimmung darüber, daß wir mehr Erfolg gehabt hätten, wenn die Militärregierung willkürlich die Zahl von 100 000 [der schwersten Fälle] bestimmt, das Beweismaterial gegen diese zusammengetragen und den Deutschen zur Aburteilung vorgelegt hätte. Klaus-Jörg Ruhl (Hg.), Neubeginn und Restauration. Dokumente zur Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutschland 1945 -1949, München 1982, S. 290 ff. Kurswechsel Im Frühjahr 1946 wurde für die Länder der US-Zone ein "Gesetz zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus" verabschiedet. Es bildete fortan die Rechtsgrundlage der Säuberung, die damit in deutsche Hände gelegt war. Das Befreiungsgesetz war formal in den Rahmen der Kontrollratsdirektiven eingepasst und suchte den Kompromiss zwischen dem Diskriminierungs- und Strafgedanken und der als notwendig empfundenen Rehabilitierung; wie in den anderen Zonen setzte sich die Idee der Rehabilitierung dann nachhaltiger durch. Infolge des größeren Rigorismus, mit dem in der US-Zone das Problem anfänglich in Angriff genommen worden war, erschien die zunehmend betriebene Umwidmung von Schuldigen in Unschuldige - die Entlastung ursprünglich schwer Beschuldigter zu "Mitläufern" - als eklatanter Fehlschlag des ganzen Unternehmens. Die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit, die sich in der amerikanischen Zone im Laufe der Entnazifizierung ergab, war allerdings gewaltig. Dreizehn Millionen Menschen vom vollendeten 18. Lebensjahr an hatten ihre Fragebogen ausgefüllt, knapp ein Drittel der Bevölkerung war vom Befreiungsgesetz betroffen. Etwa zehn Prozent wurden dann schließlich verurteilt. Und tatsächliche Strafen oder Nachteile von Dauer erlitt weniger als ein Prozent der zu Entnazifizierenden überhaupt. Die Prozedur der Entnazifizierung in der amerikanischen Zone, die mit einer gewissen Zeitverzögerung auch in den beiden anderen Westzonen angewendet wurde, erfolgte vor Spruchkammern. Die Spruchkammern, deren es insgesamt über 545 in der US-Zone gab, waren Laiengerichte mit öffentlichen Klägern. Oberste deutsche Instanz waren die Befreiungsministerien der Länder Bayern, Württemberg-Baden, Hessen und Bremen, beaufsichtigt wurde die Entnazifizierung von der amerikanischen Militärregierung. Jeder Fall war individuell zu würdigen. Ein bisschen Entlastung brachte die Jugendamnestie vom August 1946, die ab Jahrgang 1919 galt, und die Weihnachtsamnestie von 1946, die Kriegsbeschädigte und sozial Schwache begünstigte. Für die Spruchkammern blieben 930 000 Einzelfälle übrig. Der Elan, die Reste des Nationalsozialismus zu beseitigen, die politische Säuberung zu vollziehen, war spätestens ab Frühjahr 1948 verschwunden. Die Besatzungsmacht lockerte die Kontrollen, und um die Sache abzuschließen, wurden sogar Schnellverfahren eingerichtet. Im Zeichen des Kalten Krieges hatte sich der Straf- und Diskriminierungsgedanke verflüchtigt. Und davon profitierten nicht wenige Belastete, die glimpflicher davonkamen als die minder schweren Fälle, die zu Beginn der Entnazifizierung behandelt worden waren. Ein anderer Vorwurf richtete sich gegen das grassierende Denunziantentum und gegen Korruption, Scheinheiligkeit und die Jagd nach "Persilscheinen" (das waren Bestätigungen von Unbelasteten, mit denen ehemalige NSDAP-Mitglieder ihre Harmlosigkeit dokumentieren wollten). Schließlich war die Spruchkammer als Instanz zur Gesinnungsprüfung - vom rechtsstaatlichen Standpunkt aus gesehen - ein zweifelhaftes Instrument. General Clay, der amerikanische Militärgouverneur, der einer der Protagonisten des Säuberungsgedankens gewesen war, begründete im Rückblick den Abbruch der Unternehmung mit einem Argument, das nicht weniger einleuchtend war als der Gedanke der politischen Säuberung: "Hätten die nominellen Parteimitglieder nicht ihre vollen bürgerlichen Rechte und die Möglichkeit zurückerhalten, wieder ein normales Leben zu führen, dann hätte sich bestimmt früher oder später ein ernsthafter politischer Unruheherd entwickelt." Re-education Die Alliierten hielten die Herstellung eines demokratischen Systems, auch wenn sie diesen Begriff höchst unterschiedlich interpretierten und sehr verschiedene Methoden anwendeten, übereinstimmend für ein grundlegendes Kriegsziel und einen wichtigen Besatzungszweck gegenüber Deutschland. Dazu war es zunächst nötig, die Deutschen mit demokratischen Verhaltensweisen bekanntzumachen, sie zu Demokraten zu erziehen. Der Begriff "Umerziehung", mit dem der englische Ausdruck re-education (man sagte auch re-orientation) umschrieben wurde, war freilich sehr unglücklich und löste auf deutscher Seite heftige Abwehr aus. Nicht nur schien materieller Wiederaufbau vielen dringlicher als die Demokratisierung des Bildungswesens, der Presse, des Rundfunks, des ganzen öffentlichen Lebens, sie wehrten sich auch dagegen, auf kulturellem Gebiet Lehren von Amerikanern und Sowjetoffizieren, Franzosen und Briten anzunehmen. Die militärische und moralische Niederlage war vielen Deutschen schmerzlich genug, sie wollten jetzt nicht auch noch belehrt und erzogen werden. Nach der Besetzung waren alle Schulen in Deutschland geschlossen worden. Vor der Wiederaufnahme des Unterrichts sollten die Lehrer (sowie Lehrpläne und Lehrmittel) entnazifiziert werden. Angesichts der Mitgliedschaft der überwiegenden Mehrheit aller Lehrer in der NSDAP oder deren Gliederungen war dies nicht nur ein organisatorisches Problem, die konsequente Durchführung eines umfassenden Entnazifizierungsprogramms hätte auch auf lange Zeit jeden Schulbetrieb in Deutschland verhindert. Gegen alle Bedenken und trotz mangelhafter Vorbereitung wurden daher in allen Zonen im Laufe des Herbstes 1945 die Schulen wieder eröffnet, hauptsächlich, um die Kinder und Jugendlichen von der Straße zu bringen. Wegen des Lehrermangels holte man Pensionäre in die Schulen zurück und stellte "Schulhelfer" ein (zum Beispiel Studenten), die in den unbeheizten Schulhäusern beim Schichtunterricht mithalfen. An Reformen war zunächst in dieser Situation nicht zu denken. QuellentextWiederaufnahme des Lehrbetriebs in Bayern [...] Auf dem Gebiete des Schulwesens kam zu der Zerstörung und der zweckfremden Belegung der Schulgebäude der äußerst große Ausfall an Lehrkräften, und das in einem Augenblick, wo die durch zwölf Jahre mißleitete Jugend dringendst der hingebenden Betreuung bedurfte. Von 18 000 Volksschullehrkräften mußten 10 000 entlassen werden. Mit großer Mühe ist es gelungen, durch Verwendung von Ersatzlehrkräften aller Art den Stand wieder auf rund 14 000 zu bringen. Von den 1,2 Millionen Volksschülern haben immer noch drei Viertel nur verkürzten Unterricht. Die Ausbildung des Lehrernachwuchses ist in gutem Zuge. Die Lehrerbildungsanstalten wurden neu organisiert, neben ihnen bilden Sonderkurse noch Abiturienten und Schulhelfer aus. Im Unterricht wirkt äußerst hemmend der Mangel an Büchern und Schreibmaterial. Mit dem Lesebuch für die 2. Klasse hat das bayerische Unterrichtsministerium das bisher einzige neue Schulbuch in der US-Zone herausgebracht, weitere werden in Kürze folgen. Der vom nationalsozialistischen Staat verdrängte Religionsunterricht wurde wieder eingeführt, vom Nationalsozialismus verfolgte Lehrkräfte wurden wieder in ihre Ämter eingesetzt. Die höheren Schulen haben unter ähnlichen Schwierigkeiten zu leiden wie die Volksschulen. Es ist jedoch gelungen, bis zum Mai 1946 alle Oberschulen für Knaben und fast alle für Mädchen wieder in Betrieb zu setzen; das von der Naziregierung zurückgedrängte humanistische Gymnasium wurde wieder in seinen Stand eingesetzt. Den aus dem Krieg Heimgekehrten wurde vielfach Gelegenheit zum Abschluß ihrer Schulbildung gegeben. [...] Die Universitäten und sonstigen Hochschulen waren das besondere Sorgenkind der Unterrichtsverwaltung. Hier ist der Maßstab der politischen Säuberung besonders streng, eine sehr hohe Zahl von Professoren und Dozenten mußte daher ausscheiden. Ihr Ersatz ist äußerst schwer, da vielfach der Nachwuchs in den einschlägigen Fächern fehlt und von den Geeigneten nach dem erwähnten Säuberungsmaßstab viele nicht oder nicht sicher in Frage kommen. [...] Stark vermehrt werden die Schwierigkeiten durch den außerordentlich hohen Andrang der Studierenden. Anzuerkennen ist, daß die Studierenden sich allenthalben mit größter Hingabe dem Studium widmen und nichts sehnlicher wünschen, als in Ruhe sich auf ihren künftigen Beruf vorbereiten zu dürfen. [...] Klaus-Jörg Ruhl (Hg.), Neubeginn und Restauration, München 1982, S. 311 ff. Schulreformen Der Alliierte Kontrollrat stellte erst knapp zwei Jahre später Grundsätze zur Demokratisierung des deutschen Erziehungssystems auf. Die Direktive vom Juni 1947 enthielt zur Strukturreform des Bildungswesens aber nur vage Andeutungen und allgemeine Wendungen. So wurde ein "umfassendes Schulsystem" gefordert, in dem die "Begriffe Grundschule und Höhere Schule zwei aufeinanderfolgende Stufen der Ausbildung darstellen" sollten, aber nicht "zwei Grundformen oder Arten der Ausbildung" in Überschneidung. Gemeint war die sechsklassige Grundschule für alle. Tatsächlich waren in allen vier Zonen Reformen in Gang gekommen, die sich freilich in ihren Inhalten beträchtlich unterschieden. In der sowjetischen Besatzungszone war ab Frühjahr 1946 das "Gesetz zur Demokratisierung der Deutschen Schule" in Kraft, das als Einheitsschule die achtklassige Grundschule mit anschließender vierstufiger Oberschule oder dreistufiger Berufsschule einführte. Etwa 40 000 Neulehrer (sie mussten Antifaschisten sein und sollten der Arbeiterklasse angehören) wurden in Schnellkursen von zunächst nur drei Monaten, später acht und ab 1947 zwölf Monaten Dauer ausgebildet. Ziel der Bildungsreform in der SBZ war der Abbau bürgerlicher Privilegien im Bildungswesen: Die Kinder aus der Arbeiter- und Bauernschaft sollten besonders gefördert werden. Ganz anders sah es in der französischen Zone aus. Dort wurde dasbildungspolitisch radikalste und innovativste Besatzungsregime geführt. Die Militärregierung versuchte bis 1949, das französische Schulsystem zu etablieren. Es vereinigte liberalen Geist mit elitärer Zielsetzung, diente der sozialen Auslese und Elitenbildung. Die von der französischen Militärregierung oktroyierte Schulreform war jedoch in der Form einschneidender als im Inhalt. Am 1. Oktober 1946 erging der Befehl zur Vereinigung der verschiedenen Typen höherer Schulen. Neu war vor allem, dass die ersten drei Klassen des Gymnasiums - so hießen von nun an alle höheren Lehranstalten - eine Art Förderstufe darstellten, die auch Volksschülern noch den späteren Eintritt ermöglichen sollten. Französisch erhielt vor allen anderen Fremdsprachen den Vorrang, das humanistische Gymnasium wurde zwar nicht beseitigt, es sollte aber künftig nur noch eine untergeordnete Rolle spielen. Schließlich wurden auch alle Formen besonderer Mädchenbildung abgeschafft. In der britischen und in der amerikanischen Besatzungszone verfuhren die Militärregierungen nach der Maxime, Schulreformen müssten von den Deutschen selbst entwickelt und durchgeführt werden. Während die Engländer diesen Grundsatz bis zum Ende des Besatzungsregimes aufrechterhielten, entschlossen sich die Amerikaner im Herbst 1946 aber doch dazu, stärkeren Einfluss zu nehmen. Die deutschen Bestrebungen zur Reform des Schulwesens waren nämlich bis dahin sehr verhalten geblieben. Die Amerikaner propagierten das Modell einer Einheitsschule, in der alle Kinder ohne Unterschied des Geschlechts, der sozialen Herkunft und der Berufsziele die ersten sechs Jahre gemeinsam verbringen sollten, um Gemeinschaftsgefühl und demokratisches Verhalten zu entwickeln. Die höheren Schulen sollten vereinheitlicht, notwendige Differenzierungen nicht durch getrennte Schularten erzielt werden. Kernstück des amerikanischen Reformkatalogs war die Gesamtschule für alle Schulpflichtigen, außerdem wünschten die Amerikaner Schulgeldfreiheit, Lernmittelfreiheit, die Schulpflicht bis zum 15. Lebensjahr, die volle Integration von Berufsausbildung und Berufsberatung in das allgemeine Schulsystem und die Ausbildung der Lehrer an Universitäten. Diese Ziele sollten von den Bildungsoffizieren auf Länderebene propagiert, aber nicht oktroyiert werden. 1948 war es, wie sich auf vielen anderen Gebieten zeigte, für die Durchsetzung alliierter politischer Vorstellungen schon zu spät, und es wurdezunehmend beschlossene Sache, dass die Militärregierung nicht mehr auf die vollständige Erfüllung ihrer Anordnungen dringen würde. Kulturpolitik Die Bildungspolitik war im Rahmen der Demokratisierungsbemühungen ein Wechsel auf die Zukunft; es bestand aber zugleich die Notwendigkeit, möglichst sofort und unmittelbar auf die Erwachsenen in Deutschland einzuwirken. Das geschah auf vielfältige Weise, durch kulturelle Angebote, durch Unterhaltung und mit Hilfe von Informationen in einer neu gestalteten Medienlandschaft. Spielfilme und Dokumentarfilme aus alliierter Produktion und vor allem Wochenschauen dienten in den Kinos aller vier Besatzungszonen pädagogischen Absichten. Die Wiederbelebung der kulturellen Szene war den Alliierten aus mehreren Gründen wichtig: Propaganda für die eigene Kultur, Erziehung der Deutschen zur Demokratie und, zur Pazifizierung der Bevölkerung, auch ein bisschen Unterhaltung. Kulturbund Im Juli 1945 wurde in Berlin der "Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands" gegründet. Die Gründungsversammlung hatte im Haus des Schriftstellers Johannes R. Becher stattgefunden, der kurz zuvor aus dem Moskauer Exil zurückgekehrt war. Im August konstituierte sich dann der Kulturbund als Organisation mit Becher an der Spitze. Vizepräsidenten wurden der Maler Carl Hofer und der Schriftsteller Bernhard Kellermann, Ehrenpräsident war Gerhart Hauptmann. An vielen Orten, nicht nur in der sowjetisch besetzten Zone, fanden sich im Sommer und Herbst 1945 Intellektuelle unterschiedlichen politischen Standorts zu Ortsgruppen des Kulturbundes zusammen. Obwohl die marxistisch orientierten Mitglieder den Ton angaben und obwohl die SMAD ein wachsames Auge auf den Kulturbund hatte, war er zunächst noch kein Werkzeug kommunistischer Propaganda, sondern der wohl früheste Versuch geistigen Neubeginns in Deutschland. Den Frontbildungen des Kalten Kriegs fiel auch der Kulturbund allmählich zum Opfer, aber die Anfänge waren verheißungsvoll gewesen, und aus heutiger Sicht bot er erstaunlich lange auch Nichtmarxisten eine geistige Heimat. In der Zeitschrift des Kulturbundes mit dem Titel "Aufbau", die unter sowjetischer Lizenz Ende September 1945 erstmals erschien, wurde das Verlangen nach einer demokratischen "Reformation" in Deutschland artikuliert. Die Absicht, die "antifaschistische Reformation" auf überparteilichem Weg zu erreichen, wurde durch den Personenkreis der Herausgeber und ständigen Mitarbeiter der ersten Hefte demonstriert: Neben Heinrich Mann, Theodor Plivier, Georg Lukács, Willi Bredel waren auch Ferdinand Friedensburg und Ernst Wiechert genannt. Aufsätze von Hans Fallada wie von Thomas Mann wurden gedruckt, und der CDU-Politiker Ernst Lemmer firmierte noch im 4. Jahrgang der Zeitschrift als Mitglied des Redaktionskollegiums. Belletristik in der US-Zone Der "Aufbau" war die erste politisch-kulturelle Zeitschrift, die Deutsche für Deutsche herausgaben. Bald folgten in allen Zonen Neugründungen von politisch-kulturellen,schöngeistig-literarischen, philosophischen, religiösen und sonstigen Kulturzeitschriften. In der Demokratisierungspolitik der Alliierten spielte auch die Belletristik eine nicht geringe Rolle. Am meisten ließen sich die Amerikaner den Import von Romanen und Erzählungen, Lyrik und Theaterstücken eigener Provenienz ins literarisch verödete Deutschland kosten. Das galt nicht nur für die Einrichtung der "Amerikahäuser", die ab Juli 1945 weit über die zunächst beabsichtigte Kulturpropaganda hinausreichende Funktionen hatten: Sie waren mancherorts die einzigen benutzbaren öffentlichen Bibliotheken und Lesesäle überhaupt. Die US-Militärregierung förderte amerikanische Literatur dadurch, dass sie die Übersetzungsrechte in Amerika kaufte und sie deutschen Verlagen anbot. Die Titel, die auf den deutschen Markt kommen sollten, wurden im Hinblick auf ihre politische Eignung sorgfältig geprüft. Den deutschen Verlegern, die das Angebot annahmen, war die Militärregierung dann meist auch bei der Papierzuteilung - das war die ärgste Klippe für Veröffentlichungspläne in Nachkriegsdeutschland - behilflich. Presse und Rundfunk Das wichtigste und weiteste Feld für die alliierten Demokratisierungsbemühungen waren die Massenmedien. In drei Schritten (wobei der zweite aber schon nahezu gleichzeitig mit dem dritten getan wurde) sollten Presse und Rundfunk in Deutschland zunächst verboten, durch alliierte Sprachrohre ersetzt und dann in neuen Strukturen - pluralistisch und demokratisch - völlig neu aufgebaut werden. Das Gesetz Nr. 191 vom 24. November 1944, das General Eisenhower als Oberbefehlshaber aller westlichen Armeen für die von den Alliierten besetzten bzw. noch zu besetzenden deutschen Gebiete erließ, untersagte unter anderem das "Drucken, Erzeugen, Veröffentlichen, Vertreiben, Verkaufen und gewerbliche Verleihen von Zeitungen, Magazinen, Zeitschriften, Büchern, Broschüren, Plakaten, Musikalien und sonstigen gedruckten oder (mechanisch) vervielfältigten Veröffentlichungen, von Schallplatten, sonstigen Tonaufnahmen und Lichtspielfilmen jeder Art; ferner die Tätigkeit oder den Betrieb jedes Nachrichtendienstes und Bilddienstes oder von Agenturen, von Rundfunkstationen und Rundfunkeinrichtungen, von Drahtfunksendern und Niederfrequenzübertragungsanlagen; auch die Tätigkeit in oder den Betrieb von Theatern, Lichtspieltheatern, Opernhäusern, Filmateliers, Filmlaboratorien, Filmverleihanstalten, Jahrmärkten, Zirkusunternehmungen und Karnevalsveranstaltungen jeder Art." Beabsichtigt war mit diesem Totalverbot aller öffentlichen Kommunikation eine Art von Quarantäne, in der lediglich alliierte Mitteilungsblätter, die "Heeresgruppenzeitungen" (so genannt, weil sie von bestimmten Einheiten der alliierten Armeen herausgegeben wurden), der deutschen Bevölkerung die notwendigsten Informationen für den Besatzungsalltag vermittelten. Im publizistischen Vakuum der ersten Besatzungszeit nahmen die Alliierten auch die deutschen Rundfunkstationen unter ihre Regie. Fast nahtlos war zum Beispiel der Übergang in Hamburg: 24 Stunden nachdem der Reichssender Hamburg am 3. Mai 1945 sein letztes Programm ausgestrahlt hatte, meldete sich "Radio Hamburg" als Station der Militärregierung, von britischen Radiooffizieren und Technikern bedient, zu Wort. Die Heeresgruppenblätter und die Rundfunksendungen unter alliierter Regie leiteten die zweite Phase alliierter Medienpolitik ein, in der das Informationsmonopol bei den Besatzungsmächten lag. Der dritte Schritt war dann die Lizenzierungsphase: Sorgfältig ausgewählte und überprüfte deutsche Journalisten und Verleger durften unter alliierter Kontrolle, also unter Zensur, deutsche Zeitungen machen und in Funkhäusern tätig werden. Die neuen Zeitungen sollten im Idealfall das vollkommene Gegenteil der gleichgeschalteten NS-Presse sein, nämlich objektive Berichterstattung im Nachrichtenteil und, säuberlich davon getrennt, Meinungsvielfalt auf den Kommentarseiten bieten. Das Prinzip der Trennung von Nachricht und Meinung war vor allem den beiden angelsächsischen Besatzungsmächten heilig. Der deutschen Pressetradition war dieser Grundsatz fremd. Amerikaner und Briten betrachteten ihn jedoch als entscheidend für die Herstellung demokratischer Zustände in der öffentlichen Kommunikation. Erste deutsche Zeitungen Die Amerikaner gaben in den Westzonen bei der Lizenzierungspolitik die Richtung an, und sie machten auch den Anfang. Mitte 1946 existierten bereits 35 neue Zeitungen in der amerikanischen Zone. Ab Herbst 1945 erteilten die Franzosen insgesamt (bis 1949) in 33 Fällen die Erlaubnis zur Gründung einer Zeitung in ihrer Zone. Die Briten begannen am spätesten, Anfang 1946; in ihrer Zone gab es, wie in der amerikanischen, zuletzt 61 Lizenzzeitungen. In der US-Zone, wo sich auch die publizistisch bedeutendsten Blätter befanden - die "Süddeutsche Zeitung" in München errang schnell den Spitzenplatz, die "Stuttgarter Zeitung" und die "Stuttgarter Nachrichten" gewannen ebenso wie die "Nürnberger Nachrichten" und die "Frankfurter Rundschau" Renommee -, wurden Lizenzen am liebsten gemeinsam an drei oder vier Personen mit verschiedenen politischen Standorten vergeben. Ab 1947 begann die Entfernung der Kommunisten aus den Herausgebergremien; so beliebt KPD-Lizenznehmer am Anfang bei den US-Presseoffizieren als Pendant zu bürgerlichen und sozialdemokratischen Lizenziaten waren, so unerwünschtwurden sie im Zeichen des beginnenden Kalten Krieges. QuellentextAuf der Suche nach "Lizenzträgern" Ernst Langendorf, geboren 1908, war Reporter bei der SPD-Zeitung "Hamburger Echo" ... bis zu deren Verbot durch die Nationalsozialisten. Schon im April 1933 emigrierte Ernst Langendorf. [...] 1942 trat er in die US-Armee ein, was ihm den Erwerb der amerikanischen Staatsbürgerschaft ermöglichte. [...] Mit dem Vormarsch der amerikanischen Truppen kam Ernst Langendorf im Frühjahr 1945 nach Bayern. [...] Anfang Juni 1945 kam ich zu meiner neuen Einheit nach München. Aufgrund des Militärregierungsgesetzes Nr.191 war es verboten, irgendwelche Zeitungen, Zeitschriften oder Bücher zu drucken, Filme zu produzieren oder Radiosendungen zu veranstalten, wenn sie von der Militärregierung nicht ausdrücklich genehmigt, das hieß "lizenziert", waren. Die Lizenzierung war Aufgabe der verschiedenen Abteilungen unserer Einheit. [...] Radio Munich, wie es damals hieß, war ein Sender der Militärregierung und wurde von Amerikanern geleitet. Auf unsere Veranlassung brachte der Sender eine Meldung, die besagte, daß alle Personen, die an der Herausgabe von Zeitungen, Zeitschriften oder Büchern interessiert seien, sich an unser Büro in der Renatastraße wenden sollten. Da bildeten sich bald lange Schlangen von Interessenten, [...] Aber nur wenige genügten unseren Anforderungen. Wer Mitglied einer der Gliederungen der NSDAP gewesen war oder in einer Zeitung oder Zeitschrift während der Nazizeit gearbeitet hatte oder sonstwie belastet war, schied von vornherein aus. [...] Natürlich waren uns auch berufliche und praktische Erfahrung im Zeitungswesen wichtig. Der Personenkreis, der für die engere Wahl in Frage kam, war außerordentlich klein, und wir mußten lange suchen. [...] Am Beispiel der "Süddeutschen Zeitung", die die erste Lizenz bekam, will ich erzählen, auf welch verschlungenen Pfaden wir oft die Lizenzträger fanden. [...] Zufällig fiel bei einem Gespräch in Garmisch, bei dem es eigentlich um eine illegale Zeitungsgründung ging, der Name Hausenstein. [...] Hausenstein war Feuilletonmitarbeiter der renommierten "Frankfurter Zeitung", [...] Ich fragte sofort, wo der stecke. In Tutzing am Starnberger See, erfuhr ich. Sogar die Straße wurde uns angegeben. [...] Abends um zehn Uhr kamen wir bei Hausenstein an. Wir fragten ihn, ob er Lust habe, in München Verleger einer neu zu gründenden Zeitung zu werden. Er fühlte sich sehr geehrt, lehnte aber ab, weil er gesundheitlich nicht auf der Höhe sei. [...] Aber er empfahl uns Dr. Franz Josef Schöningh, den ehemaligen Schriftleiter der Kultur-Zeitschrift "Hochland", die 1941 von den Nazis endgültig verboten worden war. Der lebte in einer Jagdhütte am Starnberger See. Eine Woche später trafen wir ihn in Hausensteins Haus zu einer Vorbesprechung und kamen mit ihm ins Geschäft. Eines Tages hörten wir, dass Wilhelm Hoegner aus dem Exil nach München zurückgekehrt sei. [...] Dort haben wir ihn aufgesucht und gefragt, ob er interessiert wäre, Verleger einer neuen Zeitung zu werden. "Ach nein", antwortete er. "[...] Aber ich kann Ihnen jemand empfehlen, den Herrn Goldschagg." Edmund Goldschagg war bis 1933 Politischer Redakteur der sozialdemokratischen "Münchner Post" gewesen. Hoegner hatte während seines Exils mit ihm korrespondiert und konnte uns Goldschaggs letzte Adresse in Freiburg geben. Am nächsten Tag fuhren wir nach Freiburg. Die Straße, die uns Hoegner angegeben hatte, existierte überhaupt nicht mehr. So sind wir also eine Stunde durch Freiburg geirrt. [...] Und wieder ein Zufall! Wir treffen den Chef des Einwohnermeldeamtes auf der Straße. "Ja", sagt der, "der Goldschagg sitzt in der Verteilungsstelle für Lebensmittelmarken beim Landratsamt. Wenn ich darf, führe ich Sie hin." Wir trafen Edmund Goldschagg in einem kleinen, dunklen Nebenzimmer mit einem großen Haufen grüner Lebensmittelkarten vor sich. Wir stellten uns vor. "Wir möchten mal mit Ihnen reden wegen einer Zeitung in München." Er war sehr zögernd. [...] Vier Wochen später war ich wieder bei ihm. Und er sagte zu. [...] Im Juli 1945 gab es die erste Zusammenkunft des zukünftigen Verlags- und Redaktionsstabes. [...] Aber bevor es ans Drucken der Zeitungen gehen konnte, mußten noch ungeheure Schwierigkeiten aus dem Weg geräumt werden. Das vorgesehene Verlagsgebäude [...] war so gut wie vollkommen zerstört. Große Mengen von Schutt mußten beiseite geschafft werden, um die Büros überhaupt wieder verwenden zu können. Nach der Überreichung der Lizenz Nr.1 an die drei Lizenzträger Goldschagg, Schöningh und Schwingenstein und einem Festakt im Hof des Verlagsgebäudes konnte Oberst Mac Mahon, der Chef der Information Control Division bei der amerikanischen Militärregierung, die Rotationsmaschine in Betrieb setzen. Die erste Nummer der "Süddeutschen Zeitung" erschien am 6.Oktober 1945 in einer Auflage von 357000 Stück. Das war für damalige Verhältnisse sehr viel. Wir haben dann sogar noch auf 410000 erhöht. Aber das Papier war knapp. Am Anfang erschien die "Süddeutsche" nur zweimal pro Woche mit ursprünglich vier, später sechs Seiten. [...] Alexander von Plato/Almut Leh (Hg.), "Ein unglaublicher Frühling". Erfahrene Geschichte im Nachkriegsdeutschland 1945-1948, Bonn 1997, S.320ff. In der sowjetischen Besatzungszone hatte auch der Neubeginn im Pressewesen andere Züge als in den Westzonen. Die SMAD vergab im Sommer 1945 die Lizenzen zur Herausgabe von Tageszeitungen an die Parteien und Massenorganisationen. Die KPD, ab April 1946 die SED, wurde bevorzugt; SPD, CDU und LDP erhielten die Erlaubnis, jeweils ein zentrales Organ und außerdem in jedem der fünf Länder der SBZ eine weitere Tageszeitung zu publizieren. Über die Papierzuteilung wurde für die Dominanz der KPD bzw. SED gesorgt. Die Papierknappheit war auch im Westen das größte Problem der neuen Publizistik. Bis zur Währungsreform erschienen die Tageszeitungen in der Regel nur zweimal wöchentlich in dünnen Ausgaben. Die alliierte Zensur, nicht zu vergleichen mit der nationalsozialistischen Uniformierung der öffentlichen Meinung durch Gleichschaltung und Sprachregelung, war milde genug und beschränkte sich im Wesentlichen darauf, militärische und nationalistische Töne sowie Kritik an den Besatzungsmächten zu verhindern. Eine Kontrollratsdirektive bestätigte im Oktober 1946 diese Praxis, wie sie seit Sommer 1945 auf zonaler Ebene gehandhabt wurde. Alliierte Zeitungen in Deutschland Neben der Lizenzpresse, die, von den Presseoffizieren betreut, als Übungsfeld deutscher demokratischer Publizistik betrachtet wurde, gaben die Alliierten auch eigene Blätter heraus. Die SMAD startete Mitte Mai 1945 in Berlin die "Tägliche Rundschau" die Amerikaner publizierten seit Mitte Oktober "Die Neue Zeitung", in der britischen Zone erschien in Hamburg ab Anfang April 1946 "Die Welt" als "überparteiliche Zeitung für die gesamte britische Zone", und auch im französischen Besatzungsgebiet gab es ein Organ der Militärregierung, die zweisprachige Zeitung "Nouvelle de France". Am attraktivsten, auch weit über die Grenzen der US-Zone hinaus, war "Die Neue Zeitung". Bis zum Sommer 1948 konnte sie, trotz einer Auflage von 1,2 Millionen Exemplaren in ihrer Blütezeit, die Nachfrage nicht befriedigen; es gab Wartelisten für potenzielle Abonnenten. Die Massenmedien - Lizenzpresse und Rundfunkstationen ebenso wie die 1946 auf zonaler Ebene gegründeten Nachrichtendienste - sollten in deutsche Verantwortung übergehen, nachdem sie ihre Bewährungsprobe bestanden und nachdem die deutschen Politiker demokratische Presse- und Rundfunkgesetze geschaffen haben würden. Wie schwierig es jedoch mitunter war, dem Geist der Demokratisierungsära zu folgen, bewiesen die Politiker der US-Zone Ende 1946 mit dem Entwurf eines Pressegesetzes, das von der Militärregierung zurückgewiesen wurde. Das Gesetz entsprach nicht den amerikanischen Vorstellungen von Pressefreiheit, weil es unter anderem den Zugang zu amtlichen Informationen vom Wohlverhalten der Presse abhängig machen wollte und polizeiliche Durchsuchungen von Redaktionen für notwendig hielt, wenn Verdacht auf politisch unerwünschte Berichterstattung bestand. General Clay konstatierte später, dass sich das deutsche Unvermögen, "demokratische Freiheit wirklich zu erfassen",vor allem auf zwei Gebieten am deutlichsten gezeigt habe, bei der Schulreform und der Pressegesetzgebung. Öffentlichrechtliches Radiosystem Nach der Intention der Westmächte sollte der künftige Rundfunk in Deutschland weder staatlich betrieben oder dominiert noch den Händen privater Interessenten ausgeliefert sein. Durch alliierten Machtspruch wurden daher die Rechte der Post und die Gelüste der Politiker nach Einfluss auf den Rundfunk beschnitten. Beim Aufbau eines öffentlichrechtlichen Rundfunksystems nahmen die Briten die Vorreiterrolle ein. Nach dem Vorbild der British Broadcasting Cooperation (BBC) und von einem prominenten britischen Rundfunkmann, Hugh Carleton Greene, dirigiert, wurde zum 1. Januar 1948 der "Nordwestdeutsche Rundfunk (NWDR)" in Hamburg und Köln als erste Anstalt des neuen Typs errichtet. In der US-Zone hatte die Militärregierung den Übergang der Funkhäuser in deutsche Hände von demokratischen Rundfunkgesetzen der Länder abhängig gemacht. Darüber wurde bis 1949 gestritten, als längst deutsche Intendanten, von amerikanischen Beratern und Überwachern flankiert, an der Arbeit waren. Immerhin hatten die drei westlichen Alliierten, als sie 1955 zusammen mit den Insignien politischer Souveränität auch die endgültige Rundfunkhoheit an die Bundesrepublik übergaben, eine Reform zustande gebracht und gegen deutsche Interessenten und Politiker durchgesetzt, die bis in die achtziger Jahre Bestand haben sollte: den Alleingeltungsanspruch des öffentlich kontrollierten, pluralistischen und dezentralisierten Rundfunks. Das gehört zu den Erfolgen der Demokratisierungspolitik, die allen damaligen deutschen Befürchtungen zum Trotz ganz überwiegend positiv ausfiel. In der Ostzone begann der Rundfunkbetrieb am 13. Mai 1945 mit den Sendungen "Hier spricht Berlin!" aus dem "Haus des Rundfunks" in der Masurenallee, der ehemaligen nationalsozialistischen Sendezentrale. Daraus entwickelte sich unter Kontrolle der sowjetischen Militärregierung der Berliner Rundfunk, dem im Oktober 1945 in Leipzig der "Mitteldeutsche Rundfunk" folgte. Wenig später waren die Landessender Dresden und Schwerin und ab 1946 auch die Stationen in Weimar, Potsdam und Halle betriebsbereit. Politisch zuständig war - immer unter der Zensurhoheit der SMAD - die Abteilung für kulturelle Aufklärung der "Zentralverwaltung für Volksbildung". Unter dem "Generalintendanten des deutschen demokratischen Rundfunks" Hans Mahle, einem 1945 aus der Moskauer Emigration zurückgekehrten Kommunisten, waren alle Sender der sowjetischen Besatzungszone verwaltungsmäßig und ideologisch zentralisiert. Am 12. Oktober 1949 übergab die sowjetische Militäradministration ihre Kontrollbefugnis über den Hörfunk an die Regierung der neu gegründeten DDR. Unter 1565 Verurteilten sowjetischer Instanzen, die 1960 befragt wurden (Fragebogenaktion Karl-Wilhelm Frickes im Zusammenwirken mit der Vereinigung der Opfer des Stalinismus unter ehemaligen politischen Häftlingen, die zwischen 1945 und 1960 in der SBZ/DDR in Haft waren - Anm. d. Red.), befanden sich 187 - 18,3 Prozent, die vor ihrer Inhaftierung in einer der nach 1945 wiedererstandenen und neu gegründeten Parteien organisiert waren. Nach Parteien aufgeschlüsselt, entfielen davon auf die SED = 43,1 Prozent, auf die LDP = 33,7 Prozent, auf die CDU = 22,9 Prozent und auf die NDPD = 1,3 Prozent. Mitglieder der DBD wurden nicht registriert. Der hohe Anteil von Mitgliedern der SED geht auf ehemalige Sozialdemokraten zurück, die infolge der Zwangsfusion von KPD und SPD im Frühjahr 1946 Mitglieder der SED geworden waren und im Ergebnis der Befragung als solche erscheinen. [...] Mit dem Zwang zur Gründung der SED waren sie als erste politische Gruppierung herausgefordert und in die Opposition gedrängt worden. Zum anderen besaßen sie vor der Vereinigung mit den Kommunisten fest gefügte Parteiorganisationen. [...] Selbstverständlich informierten die mitteldeutschen Sozialdemokraten [...] das Ostbüro der SPD (seit April 1946 in Hannover, später in Bonn und West-Berlin - Anm. d. Red.) auch laufend über wichtige Vorgänge aus der SBZ/DDR - was ihnen allzu bald den Vorwurf der Spionage eintrug und ihre Verfolgung provozierte. [...] Die Verfolgung oppositioneller Sozialdemokraten in der SBZ/DDR hatte schon 1946 begonnen, bald nach der Verschmelzung von KPD und SPD, aber sie erreichte ihre größte Intensität erst in den Jahren 1947/49, als die Kommunisten ihren monopolistischen Herrschaftsanspruch in der "geeinten" Partei mit rücksichtsloser Gewalt durchsetzten und die SED zur stalinistischen Kaderpartei umschmolzen. Laut einem Brief des "Freundeskreises ehemaliger politischer Häftlinge aus den Reihen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands" vom 31. März 1971 an das Zentralkomitee der SED, waren es "mehr als fünftausend Mitglieder und Funktionäre der deutschen Arbeiterbewegung", die "lange Jahre in menschenunwürdiger Haft ihrer Freiheit beraubt" wurden. "Über vierhundert von ihnen sind dabei umgekommen." Daßehemalige Sozialdemokraten in ihrer Mehrheit von sowjetischen Militärtribunalen statt von deutschen Gerichten verurteilt wurden, war nicht ohne Überlegung geschehen. Die SED schien so frei vonjeglicher Verantwortung dafür, obwohl ihr Zusammenspiel mit der "sozialistischen Besatzungsmacht" geschichtsnotorisch ist. Karl Wilhelm Fricke, Politik und Justiz in der DDR, Köln 1979, S. 117, 120. Aus einem Brief von Walter Dorn (1894 -1961, US-Historiker und Berater der US-Militärregierung in Deutschland 1945 -1949 - Anm. d. Red.) an General Clay über den Mißerfolg der Entnazifizierung, 11. Mai 1949 1. Wenn die Entnazifizierung in ganz Deutschland wirksam werden sollte, hätte sie in allen vier Zonen einheitlich durchgeführt werden müssen. Als diese Einheitlichkeit unwiederbringlich verloren war, büßte die Entnazifizierung viel von ihrer Bedeutung bei der deutschen Bevölkerung ein. Es genügte ja nicht, ein früheres Parteimitglied in der einen Zone als Belasteten zu verurteilen, wenn es in einer anderen ein hohes öffentliches Amt bekleiden konnte. [...] 2. Zu keiner Zeit hat sich beweisen lassen, daß die Entnazifizierung das Haupt- oder überhaupt ein ernsthaftes Hindernis wirtschaftlichen Wiederaufschwungs war, wie das so viele amerikanische Businessmen und leider auch einige Mitglieder Ihres Stabes glaubten. [...] Als General Patton auf Befehl General Eisenhowers am 29. 9. 1945 die führenden 17 aktiven Nazis im Bayerischen Landwirtschaftsministerium entließ, arbeitete dieses wirksamer als zuvor, was anhand der Erfassung der landwirtschaftlichen Produktion bewiesen werden kann. [...] 3. Das Befreiungsgesetz war, trotz seiner Vorzüge und des erhabenen Idealismus, der auf amerikanischer wie auf deutscher Seite hinter ihm stand, keine ganz befriedigende Regelung. Es führte als neues Konzept den Strafgedanken in das Entnazifizierungsverfahren ein. Deshalb war es ein Fehler, die Kontrollratsdirektive Nr. 24, die der Entlassung und Disqualifizierung [für die Bekleidung öffentlicher Ämter] dienen sollte, zum integrierenden Bestandteil des Gesetzes zu machen. [...] Diese Kritikpunkte, die sich aus der Erfahrung derjenigen ergaben, die das Gesetz durchführen sollten, wurden in der Folge bei den Änderungen des Befreiungsgesetzes berücksichtigt, die im Herbst 1947 und Frühjahr 1948 vorgenommen wurden. Zwar wurde das Gesetz durch die Änderungen für die Deutschen eher annehmbar, zugleich aber auch stumpf. [...] Meines Erachtens gibt es [heute] allgemeine Übereinstimmung darüber, daß wir mehr Erfolg gehabt hätten, wenn die Militärregierung willkürlich die Zahl von 100 000 [der schwersten Fälle] bestimmt, das Beweismaterial gegen diese zusammengetragen und den Deutschen zur Aburteilung vorgelegt hätte. Klaus-Jörg Ruhl (Hg.), Neubeginn und Restauration. Dokumente zur Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutschland 1945 -1949, München 1982, S. 290 ff. [...] Auf dem Gebiete des Schulwesens kam zu der Zerstörung und der zweckfremden Belegung der Schulgebäude der äußerst große Ausfall an Lehrkräften, und das in einem Augenblick, wo die durch zwölf Jahre mißleitete Jugend dringendst der hingebenden Betreuung bedurfte. Von 18 000 Volksschullehrkräften mußten 10 000 entlassen werden. Mit großer Mühe ist es gelungen, durch Verwendung von Ersatzlehrkräften aller Art den Stand wieder auf rund 14 000 zu bringen. Von den 1,2 Millionen Volksschülern haben immer noch drei Viertel nur verkürzten Unterricht. Die Ausbildung des Lehrernachwuchses ist in gutem Zuge. Die Lehrerbildungsanstalten wurden neu organisiert, neben ihnen bilden Sonderkurse noch Abiturienten und Schulhelfer aus. Im Unterricht wirkt äußerst hemmend der Mangel an Büchern und Schreibmaterial. Mit dem Lesebuch für die 2. Klasse hat das bayerische Unterrichtsministerium das bisher einzige neue Schulbuch in der US-Zone herausgebracht, weitere werden in Kürze folgen. Der vom nationalsozialistischen Staat verdrängte Religionsunterricht wurde wieder eingeführt, vom Nationalsozialismus verfolgte Lehrkräfte wurden wieder in ihre Ämter eingesetzt. Die höheren Schulen haben unter ähnlichen Schwierigkeiten zu leiden wie die Volksschulen. Es ist jedoch gelungen, bis zum Mai 1946 alle Oberschulen für Knaben und fast alle für Mädchen wieder in Betrieb zu setzen; das von der Naziregierung zurückgedrängte humanistische Gymnasium wurde wieder in seinen Stand eingesetzt. Den aus dem Krieg Heimgekehrten wurde vielfach Gelegenheit zum Abschluß ihrer Schulbildung gegeben. [...] Die Universitäten und sonstigen Hochschulen waren das besondere Sorgenkind der Unterrichtsverwaltung. Hier ist der Maßstab der politischen Säuberung besonders streng, eine sehr hohe Zahl von Professoren und Dozenten mußte daher ausscheiden. Ihr Ersatz ist äußerst schwer, da vielfach der Nachwuchs in den einschlägigen Fächern fehlt und von den Geeigneten nach dem erwähnten Säuberungsmaßstab viele nicht oder nicht sicher in Frage kommen. [...] Stark vermehrt werden die Schwierigkeiten durch den außerordentlich hohen Andrang der Studierenden. Anzuerkennen ist, daß die Studierenden sich allenthalben mit größter Hingabe dem Studium widmen und nichts sehnlicher wünschen, als in Ruhe sich auf ihren künftigen Beruf vorbereiten zu dürfen. [...] Klaus-Jörg Ruhl (Hg.), Neubeginn und Restauration, München 1982, S. 311 ff. Ernst Langendorf, geboren 1908, war Reporter bei der SPD-Zeitung "Hamburger Echo" ... bis zu deren Verbot durch die Nationalsozialisten. Schon im April 1933 emigrierte Ernst Langendorf. [...] 1942 trat er in die US-Armee ein, was ihm den Erwerb der amerikanischen Staatsbürgerschaft ermöglichte. [...] Mit dem Vormarsch der amerikanischen Truppen kam Ernst Langendorf im Frühjahr 1945 nach Bayern. [...] Anfang Juni 1945 kam ich zu meiner neuen Einheit nach München. Aufgrund des Militärregierungsgesetzes Nr.191 war es verboten, irgendwelche Zeitungen, Zeitschriften oder Bücher zu drucken, Filme zu produzieren oder Radiosendungen zu veranstalten, wenn sie von der Militärregierung nicht ausdrücklich genehmigt, das hieß "lizenziert", waren. Die Lizenzierung war Aufgabe der verschiedenen Abteilungen unserer Einheit. [...] Radio Munich, wie es damals hieß, war ein Sender der Militärregierung und wurde von Amerikanern geleitet. Auf unsere Veranlassung brachte der Sender eine Meldung, die besagte, daß alle Personen, die an der Herausgabe von Zeitungen, Zeitschriften oder Büchern interessiert seien, sich an unser Büro in der Renatastraße wenden sollten. Da bildeten sich bald lange Schlangen von Interessenten, [...] Aber nur wenige genügten unseren Anforderungen. Wer Mitglied einer der Gliederungen der NSDAP gewesen war oder in einer Zeitung oder Zeitschrift während der Nazizeit gearbeitet hatte oder sonstwie belastet war, schied von vornherein aus. [...] Natürlich waren uns auch berufliche und praktische Erfahrung im Zeitungswesen wichtig. Der Personenkreis, der für die engere Wahl in Frage kam, war außerordentlich klein, und wir mußten lange suchen. [...] Am Beispiel der "Süddeutschen Zeitung", die die erste Lizenz bekam, will ich erzählen, auf welch verschlungenen Pfaden wir oft die Lizenzträger fanden. [...] Zufällig fiel bei einem Gespräch in Garmisch, bei dem es eigentlich um eine illegale Zeitungsgründung ging, der Name Hausenstein. [...] Hausenstein war Feuilletonmitarbeiter der renommierten "Frankfurter Zeitung", [...] Ich fragte sofort, wo der stecke. In Tutzing am Starnberger See, erfuhr ich. Sogar die Straße wurde uns angegeben. [...] Abends um zehn Uhr kamen wir bei Hausenstein an. Wir fragten ihn, ob er Lust habe, in München Verleger einer neu zu gründenden Zeitung zu werden. Er fühlte sich sehr geehrt, lehnte aber ab, weil er gesundheitlich nicht auf der Höhe sei. [...] Aber er empfahl uns Dr. Franz Josef Schöningh, den ehemaligen Schriftleiter der Kultur-Zeitschrift "Hochland", die 1941 von den Nazis endgültig verboten worden war. Der lebte in einer Jagdhütte am Starnberger See. Eine Woche später trafen wir ihn in Hausensteins Haus zu einer Vorbesprechung und kamen mit ihm ins Geschäft. Eines Tages hörten wir, dass Wilhelm Hoegner aus dem Exil nach München zurückgekehrt sei. [...] Dort haben wir ihn aufgesucht und gefragt, ob er interessiert wäre, Verleger einer neuen Zeitung zu werden. "Ach nein", antwortete er. "[...] Aber ich kann Ihnen jemand empfehlen, den Herrn Goldschagg." Edmund Goldschagg war bis 1933 Politischer Redakteur der sozialdemokratischen "Münchner Post" gewesen. Hoegner hatte während seines Exils mit ihm korrespondiert und konnte uns Goldschaggs letzte Adresse in Freiburg geben. Am nächsten Tag fuhren wir nach Freiburg. Die Straße, die uns Hoegner angegeben hatte, existierte überhaupt nicht mehr. So sind wir also eine Stunde durch Freiburg geirrt. [...] Und wieder ein Zufall! Wir treffen den Chef des Einwohnermeldeamtes auf der Straße. "Ja", sagt der, "der Goldschagg sitzt in der Verteilungsstelle für Lebensmittelmarken beim Landratsamt. Wenn ich darf, führe ich Sie hin." Wir trafen Edmund Goldschagg in einem kleinen, dunklen Nebenzimmer mit einem großen Haufen grüner Lebensmittelkarten vor sich. Wir stellten uns vor. "Wir möchten mal mit Ihnen reden wegen einer Zeitung in München." Er war sehr zögernd. [...] Vier Wochen später war ich wieder bei ihm. Und er sagte zu. [...] Im Juli 1945 gab es die erste Zusammenkunft des zukünftigen Verlags- und Redaktionsstabes. [...] Aber bevor es ans Drucken der Zeitungen gehen konnte, mußten noch ungeheure Schwierigkeiten aus dem Weg geräumt werden. Das vorgesehene Verlagsgebäude [...] war so gut wie vollkommen zerstört. Große Mengen von Schutt mußten beiseite geschafft werden, um die Büros überhaupt wieder verwenden zu können. Nach der Überreichung der Lizenz Nr.1 an die drei Lizenzträger Goldschagg, Schöningh und Schwingenstein und einem Festakt im Hof des Verlagsgebäudes konnte Oberst Mac Mahon, der Chef der Information Control Division bei der amerikanischen Militärregierung, die Rotationsmaschine in Betrieb setzen. Die erste Nummer der "Süddeutschen Zeitung" erschien am 6.Oktober 1945 in einer Auflage von 357000 Stück. Das war für damalige Verhältnisse sehr viel. Wir haben dann sogar noch auf 410000 erhöht. Aber das Papier war knapp. Am Anfang erschien die "Süddeutsche" nur zweimal pro Woche mit ursprünglich vier, später sechs Seiten. [...] Alexander von Plato/Almut Leh (Hg.), "Ein unglaublicher Frühling". Erfahrene Geschichte im Nachkriegsdeutschland 1945-1948, Bonn 1997, S.320ff.
Article
Wolfgang Benz
2021-12-07T00:00:00
2011-09-13T00:00:00
2021-12-07T00:00:00
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/izpb/deutschland-1945-1949-259/10067/demokratisierung-durch-entnazifizierung-und-erziehung/
Die Alliierten hielten die Herstellung eines demokratischen Systems übereinstimmend für ein grundlegendes Kriegsziel und einen wichtigen Besatzungszweck gegenüber Deutschland. Hierzu sollten die Entnazifizierung und die "Umerziehung" dienen.
[ "Informationen zur politischen Bildung Nr. 259", "Deutschland 1945-1949", "1945-1949", "Kriegsende", "Nachkriegszeit", "Entnazifizierung", "Rehabilitierung", "Presse im Nachkriegsdeutschland" ]
523
Beratungsstellen bei Verletzungen | Persönlichkeitsrechte | bpb.de
In vielen Fällen wird es sich um eine Beleidigung handeln, die man im Internet über sich liest. Hier sollte man nicht zögern, zur örtlichen Polizei oder Staatsanwaltschaft zu gehen und Anzeige zu erstatten. Mit Hilfe einer gerichtlichen Anordnung können die Behörden den Täter ermitteln und so dafür sorgen, dass die schädliche Aussage verschwindet. Alternativ kann man sich zunächst einmal an den Betreiber der Webseite wenden und ihn bitten, die Beleidigung zu entfernen. Bei Mobbing, Hetze oder wüsten Beschimpfungen sollte man jedoch unbedingt zur Polizei gehen. Geht die Persönlichkeitsrechtsverletzung von einem privaten Unternehmen aus, kann man sich an eine der Externer Link: zahlreichen Verbraucherzentralen wenden. Sinnvoll ist das besonders dann, wenn (wahrscheinlich) mehrere Menschen von der gleichen Verletzungshandlung betroffen sind. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn das Unternehmen von allen Nutzern unberechtigt Daten erhebt beziehungsweise miteinander verbindet oder persönliche Informationen veröffentlicht. Die Verbraucherzentralen verlangen meist eine geringe Beratungsgebühr, erteilen manche Auskünfte aber auch kostenlos. Über die reine Beratungsleistung hinaus können sie im Namen der Verbraucher außerdem Abmahnungen verschicken und die Unternehmen verklagen. Eine weitere Anlaufstelle sind die staatlichen Externer Link: Datenschutzbeauftragten. Sie können mittels ordnungsbehördlicher Verfügungen vorgehen, wenn ein privates Unternehmen den Datenschutz missachtet hat. Darüber hinaus kontrollieren sie, ob die öffentlichen Stellen des Bundes oder der Länder keine Datenschutzverstöße begehen (zum Beispiel Behörden). Möchte man erreichen, dass Suchmaschinen bestimmte Links nicht mehr anzeigen, wenn man den eigenen Namen eingibt, sollte man sich zuerst an deren Anbieter wenden. Externer Link: Google und Externer Link: Microsoft bieten dazu ein eigenes Online-Formular für ihre Suchmaschinen an, um einen entsprechenden Antrag abzuschicken. Sollte dieser abgelehnt werden, kann man sich im nächsten Schritt an den Externer Link: Datenschutzbeauftragen Hamburgs wenden. Er kann eine Anordnung erlassen und wird notfalls auch versuchen, diese gerichtlich durchzusetzen. Für die Suchmaschinen Bing und Yahoo ist das Externer Link: Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht zuständig. Abgesehen davon ist es immer empfehlenswert, einen Rechtsanwalt aufzusuchen. Er kennt nicht nur das Gesetz, sondern weiß auch, wie Gerichte in der Vergangenheit entschieden haben. Das ist gerade im Bereich des Persönlichkeitsrechts relevant, da hier wenig gesetzlich geregelt ist und gleichzeitig viele Entscheidungen ergehen. Um die beste Beratung zu erhalten, sollte man deshalb stets zu einem Spezialisten gehen. Fühlt man sich von seinem Arbeitgeber in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt, bietet sich ein Rechtsanwalt für Arbeitsrecht oder Datenschutzrecht an. Geht es um eine Veröffentlichung in der Presse, dem Fernsehen oder im Internet, ist ein Anwalt für Urheber-, Presse- oder Medienrecht in der Regel die bessere Wahl. Hierbei sollte darauf geachtet werden, dass die Spezialisierung nicht nur auf der Website steht, sondern dass auch entsprechende Fachanwaltstitel vorliegen, die zumindest schon einmal nachweisen, dass der Anwalt in dem Bereich in einer gewissen Anzahl von Fälle tätig wurde, also gewisse Erfahrungswerte hat. Kostengünstige Rechtsberatung bieten auch die Law Clinics, die an manchen Universitäten für das Medienrecht unterhalten werden, und im Rahmen derer Betroffene durch Schwerpunkstudierende, die mit erfahrenen Praktikern zusammenarbeiten, kostenlos beraten werden. Beispielsweise in Hamburg: Externer Link: Cyber Law Clinic der Universität Hamburg
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2022-02-01T00:00:00
2017-04-10T00:00:00
2022-02-01T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/recht-justiz/persoenlichkeitsrechte/246306/beratungsstellen-bei-verletzungen/
Fühlt man sich in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt, gibt es verschiedene Stellen, an die man sich mit seinem Problem wenden kann. Wohin man gehen sollte hängt nicht nur von der Art oder Schwere der Verletzung ab, sondern auch von wem sie begangen
[ "Netzpolitik", "Internet", "Recht", "Ratgeber", "Persönlichkeitsrecht", "Persönlichkeitsrechte" ]
524
Neue Nüchternheit | Indien | bpb.de
Vom bekanntesten Bahnhof Indiens bis zur bekanntesten Börse des Landes ist es nur ein Katzensprung. Trotzdem steckt das Taxi vom imposanten Victoria Terminus (heute offiziell Chhatrapati Shivaji Terminus) zur Bombay Stock Exchange bereits seit einer guten Viertelstunde auf der Mahatma Gandhi Straße fest, die wie so viele Straßen und Plätze in Indien nach der einzigen politischen Ikone des Landes benannt ist, auf die sich fast alle Staatsbürger einigen können. Die vierspurige Straße haben Auto- und Motorradfahrer routiniert zu einer achtspurigen gemacht, trotzdem bewegt sich der Verkehr in der Rushhour so gut wie gar nicht. Nirgendwo sonst in Indien zeigt sich das massive Infrastruktur-Problem des Landes so deutlich wie im Zentrum in der Wirtschaftskapitale Mumbai (früher Bombay). Schon vor Jahren haben die ersten Firmen deshalb begonnen, den vollgestopften Süden der Halbinsel zu verlassen, auf der Mumbais Innenstadt liegt. Die Zentralen von Volkswagen und Deutscher Bank sowie wichtige Konsulate finden sich inzwischen in den ehemaligen Vororten, die längst selbst zu Metropolen in der Metropole geworden sind und mit ähnlichen Verkehrsproblemen zu kämpfen haben. Noch vor fünf Jahren hörte man trotz des damals schon allgegenwärtigen Verkehrskollapses kaum Beschwerden über die Infrastruktur. Natürlich, ein Ausbau war bitter nötig, aber Wachstumsraten der indischen Wirtschaft jenseits der acht Prozent ließen solche Probleme in den Hintergrund rücken. Hausgemachte Probleme Ein Blick auf die nackten Zahlen zeigt jedoch, wie stark die indische Wirtschaft in den vergangenen zwei Jahren an Dampf verloren hat. Im Finanzjahr von April 2012 bis März 2013 betrug das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gerade einmal 3,2 Prozent. Für indische Verhältnisse schon fast eine Katastrophe – der Wert ist der niedrigste seit der großen Wirtschaftskrise des Landes im Jahr 1991. Die indische Rupie hat gegenüber dem Euro seit Mitte 2012 rund ein Viertel an Wert verloren. Die Probleme sind zum größten Teil hausgemacht. Weder mit schleppenden Exporten noch mit der Bankenkrise in den USA lässt sich der aktuelle Kampf der indischen Wirtschaft erklären. Denn mit weniger als 20 Prozent Exportquote ist das Land vergleichsweise wenig abhängig von der Nachfrage des Weltmarkts, und eine vergleichsweise starke Bankenregulierung schwächt die Einflüsse internationaler Banken-Turbulenzen zumindest ab. Gleich mehrere politische Eklats sorgten in den Jahren 2011 und 2012 dafür, dass sowohl der Abbau von Eisenerz als auch der von Kohle in Indien empfindlich zurückgefahren wurde. Vor allem in den Bundesstaaten Karnataka und Goa sorgten illegaler Abbau, finanzielle Ungereimtheiten und Umweltproteste dafür, dass der Eisenerz-Abbau gerichtlich verboten oder zumindest deutlich eingeschränkt wurde. Höhere Ausfuhrzölle führten zudem dazu, dass das Land im Jahr 2012 weniger als halb so viel Eisenerz exportierte wie noch im Jahr zuvor. Der größte Kohleabbau-Skandal der jüngeren Geschichte schlug zudem so hohe Wellen, dass er seinen eigenen Namen bekam. Im März 2012 wurde unter dem Namen Coalgate bekannt, dass die indische Regierung über Jahre hinweg Bergbaurechte ohne Ausschreibung an einflussreiche Unternehmer vergeben hatte. Während die Regierung dieses Vorgehen verteidigte, warf die Opposition ihr vor, dadurch den indischen Staat um Steuereinnahmen von mehr als 200 Milliarden US-Dollar gebracht zu haben – und außerdem den Ausbau der Kohleförderung erheblich eingebremst zu haben. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Produktionsengpässe jedenfalls wurden an vielen Stellen sichtbar: Das ohnehin mit Energiemangel kämpfende Land erlitt unter anderem den größten Stromausfall in der jüngeren Geschichte, bei dem bis zu 600 Millionen Menschen mit Unterbrechungen für fast zwei Tage ohne Elektrizität waren. Auch die Industrieproduktion ging angesichts fehlender Rohstoffe zurück. Politischer Stillstand Verstärkt wurden die Probleme durch eine beinahe untätige Regierung, die wichtige Liberalisierungsvorhaben auf Eis legte oder verwässerte, was die Kauflust internationaler Investoren weiter schwächte. Aus europäischer Sicht ist vor allem das seit Ewigkeiten geplante Freihandelsabkommen zwischen Indien und der Europäischen Union ein Ärgernis. Nach mehr als fünf Jahren und mehr als einem Dutzend Verhandlungsrunden scheitert das Abkommen Mal um Mal, weil die Partner sich nicht auf einheitliche Zölle und Patentrichtlinien einigen können. Jetzt wird durch das verlangsamte Wirtschaftswachstum sichtbar, was vorher nur einzelne Branchen belastet hat und deshalb meist nur bedingt bis in das Bewusstsein aller Beteiligten vorgedrungen ist. "Deutsche Einzelhandelskonzerne wie zum Beispiel Metro haben schon seitdem sie in Indien sind das Problem, dass es dort unwahrscheinlich schwierig ist, eine belastbare Kühlkette aufzubauen", sagt Noor Naqschbandi von der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Das liegt nicht nur an der mangelnden Zahl und der schlechten Qualität der Straßen- und Schienenwege, sondern auch an den kleinteiligen Regulierungsgebieten. Für fast jeden Bundesstaat brauchen Transportunternehmen andere Genehmigungen. Das erhöht den Bürokratieaufwand – ebenso wie die Zahl der indischen Beamten, die potenziell Bestechungsgelder fordern könnten. "Interner Link: Korruption ist in Indien immer noch ein großes Thema", sagt GIZ-Mann Naqschbandi. "Besonders an den Schnittstellen zwischen Politik und Wirtschaft halten immer noch viele Beamte die Hand auf. Das liegt auch daran, dass Indien ein extrem bürokratisches Land ist, was Neulinge oft überrascht." Im Jahr 2014 ist Indien die erste Station der von der GIZ initiierten Anti-Korruptions-Initiative Alliance for Integrity. Kurzfristiges Minus, langfristiges Potenzial Auch in harten Zahlen ist der Rückgang des deutsch-indischen Handels zu spüren. Die deutschen Exporte nach Indien sind im Jahr 2013 um rund zwölf Prozent zurückgegangen, die indischen Ausfuhren nach Deutschland immerhin um 1,5 Prozent. Vom ursprünglich angestrebten Ziel, Waren im Wert von 20 Milliarden Euro auszutauschen, sind die beiden Länder immer noch 2,5 Milliarden Euro entfernt. Noch im Frühjahr 2011, als Bundeskanzlerin Angela Merkel zu Besuch in Neu-Delhi war, galt es als Ding der Unmöglichkeit, dass die 20-Milliarden-Marke nicht schon bald geknackt würde. Allerdings vergessen viele Kritiker beim Betrachten der Zahlen, dass gerade deutsche Firmen in Indien eher in das Potenzial des Landes investieren als in seine aktuelle Wirtschaftslage. Deutsche Unternehmen gelten als verlässliche Partner, die nicht nur schnelle Geschäfte machen wollen. Schon in den 1950er Jahren entstanden erste Werke großer deutscher Firmen in Indien – zum Beispiel von Bayer, Bosch oder Krupp. Auch Mercedes-Benz kam damals schon ins Land und baute zusammen mit der indischen Firma Tata Motors Lastwagen. Heute sind laut Schätzungen der Deutsch-Indischen Handelskammer mehr als 1000 deutsche Unternehmen direkt in Indien aktiv, darüber hinaus haben gut 1500 zumindest eine Repräsentanz oder ein Verbindungsbüro auf dem Subkontinent. Und an diesem grundsätzlichen Potenzial hat sich in den vergangenen Jahren wenig geändert. "Lange Zeit haben die Optimisten Indien einfach etwas zu positiv gesehen", sagt Felix Schmidt von der Friedrich Ebert Stiftung. "Das war genauso übertrieben wie der aktuelle Pessimismus. Es steht um Indien lange nicht so schlimm, wie es in jüngster Zeit international dargestellt wurde." Einsicht erst, wenn es schon wehtut Im Gegenteil: Auf viele der aktuellen Probleme weisen Kritiker schon lange hin, sei es die Korruption, die mangelhafte Infrastruktur oder der zuletzt fast gänzlich fehlende Reformwille der Regierung. Doch erst jetzt, wo das Wirtschaftswachstum spürbar zurückgeht, wird die allgemeine Stimmung schlechter. "Indien war schon immer ein attraktiver, aber schwieriger Markt", sagt Schmidt. "Vor allem in der Verwaltung gibt es eine Menge Potenzial für Modernisierung. Die Einsicht für diesen Nachholbedarf kommt in Indien aber meist erst, wenn es schon wehtut." Dieser Punkt ist für viele inzwischen erreicht. "Die deutschen Firmen trifft vor allem der Rückgang des Wachstums in der Industrie", sagt Bernhard Steinrücke, Geschäftsführer der deutsch-indischen Handelskammer in Mumbai. "Zurzeit verzögern sich zum Beispiel viele Bauvorhaben für Kraftwerke, was schlecht ist für die deutschen Maschinenbauer in Indien. Auch im Fahrzeugbereich gab es Rückgänge, zum Beispiel bei Volkswagen oder der Lkw-Sparte von Mercedes." Nach jahrelangem Wachstum war im vergangenen Jahr der Pkw-Neuabsatz in Indien um rund ein Zehntel zurückgegangen. Allerdings: Mercedes, Audi und BMW konnten mit ihren im Luxussegment positionierten Autos die Marktanteile weitgehend halten oder sogar noch ausbauen. Dennoch warnt der Indien-Experte davor, wegen dieser Rückschläge den Glauben an die langfristige Wachstumsgeschichte des Landes zu verlieren: "Indien hat nach wie vor eine phantastische Demographie, mehr als die Hälfte der Milliardenbevölkerung ist nicht älter als 25 Jahre. Die Nachfrage nach Konsumgütern, aber auch Energie oder Mobilität wird zwangsläufig weiter steigen, egal was hier politisch passiert", glaubt Steinrücke. Die neue Mittelschicht Insbesondere die aufstrebende indische Mittelschicht gilt nach wie vor als der Schlüssel zu gigantischen Marktanteilen in Asien. Je nachdem, ab welchem Einkommen ein Haushalt zur Mittelschicht gezählt wird, gehören ihr schon heute zwischen 50 und 400 Millionen Menschen an. McKinsey definiert die Mittelschicht zum Beispiel als Haushalte mit einem Jahreseinkommen zwischen 4.000 und 22.000 US-Dollar. Von diesen Haushalten gibt es in Indien zurzeit geschätzt 50 Millionen. Unabhängig von ihrer Definition wird der indischen Mittelschicht studienübergreifend seit Jahren attestiert, sowohl beim Einkommen als auch bei der reinen Anzahl immer weiter zu wachsen. So rechnen zum Beispiel die Berater von McKinsey damit, dass zwischen 2005 und 2025 satte 500 Millionen Menschen in die indische Mittelschicht aufsteigen werden. Laut Schätzungen der Boston Consulting Group soll diese erstarkende Mittelschicht ihren Konsum zwischen 2010 und 2020 mehr als verdreifachen – von umgerechnet 715 Milliarden auf 2,6 Billionen Euro. Für Handelskammer-Chef Steinrücke steht deshalb fest, dass die Einstiegschancen für deutsche Unternehmen in Indien jetzt sogar etwas besser sind als noch vor zwei oder drei Jahren. "Der Arbeitsmarkt steht weniger unter Druck, und potenzielle Geschäftspartner sind angesichts der nachlassenden Kapitalflüsse aus dem Ausland vielleicht eher zu Kompromissen bereit", sagt er. "Dazu kommt der hervorragende Ruf, den besonders der deutsche Maschinenbau in Indien immer noch hat. Wenn es um Qualität geht, schauen die Kunden zuerst auf deutsche Firmen." Deutsche investieren immer noch Und die deutschen Firmen schauen weiterhin nach Indien. Erst im Jahr 2012 war die internationale Lkw-Produktion von Bharat-Benz, der indischen Daimler-Tochter, in der Nähe der Hafenstadt Chennai (früher Madras) eröffnet worden. Anfang 2014 legte das Unternehmen am selben Ort den Grundstein für eine 50 Millionen Euro teure Produktionsstätte für Busse. Trotz der schlechteren Konjunkturaussichten und trotz der hohen Preissensitivität der indischen Verbraucher ist die erklärte Strategie des Unternehmens die Qualität. Denn man will sich ungeachtet der meist etwas höherer Preise mit hochwertigen Produkten gegen die zurzeit noch übermächtige indische Konkurrenz durchsetzen. Auch der Kosmetikprodukte-Hersteller Beiersdorf kündigte im ersten Quartal 2014 an, schon 2015 ein eigenes Werk mit gleich zu Beginn 300 Mitarbeitern in Indien eröffnen zu wollen. Auch hier sieht man vor allem das Potenzial eines Landes mit mehr als 1,2 Milliarden Einwohnern. Ein Grund dafür ist laut Beiersdorf auch die zurzeit schwache indische Rupie, die von vielen deutschen Exporteuren als Gefahr gesehen wird. Durch die Fertigung vor Ort sollen die Währungsschwankungen langfristig ausgeglichen werden. Andere sind bereits seit mehr als 20 Jahren auf dem Subkontinent vertreten. So zum Beispiel die deutsche Lapp-Gruppe, die inzwischen mit Bangalore und Bhopal an zwei indischen Standorten Kabel produziert, und deren Erfolg eng mit dem wirtschaftlichen Aufschwung des Landes verknüpft ist. Im Januar 2014 veranstaltete Firmenchef Andreas Lapp zum zehnten Mal das Weinfest Stuttgart meets Mumbai in der indischen Metropole – und sprach sich bei dieser Gelegenheit deutlich für das Schwellenland aus: "Indien ist meine Leidenschaft." Handelskammer-Chef Steinrücke betont, dass deutsche Unternehmen trotz der Delle im indischen Wirtschaftswachstum und trotz der schwachen Rupie immer noch deutlich mehr Waren nach Indien ausführen als aus Indien importieren. "Das zeigt uns, dass die Wirtschaftsbeziehungen immer noch intakt sind. Wir sollten diesen Rückgang nicht überbewerten", sagt er. Allerdings zeigen die aktuellen Probleme der indischen Wirtschaft auch ganz klar die Schwächen der Wachstumsstory des Subkontinents. Die große Indien-Euphorie ist verflogen. "Der Blick wird realistischer", sagt Steinrücke. "Trotzdem ist auf lange Sicht das größte Risiko immer noch, nicht nach Indien zu kommen."
Article
Stefan Mauer
2022-01-31T00:00:00
2014-04-01T00:00:00
2022-01-31T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/asien/indien/181840/neue-nuechternheit/
Für deutsche Unternehmen galt Indien lange Zeit als der größte Wachstumsmarkt hinter China. In Zeiten rückläufigen Wirtschaftswachstums mehren sich die skeptischen Stimmen. Dabei sind die Risiken in Indien seit Jahren bekannt. Optimisten raten deshal
[ "Indien", "Software", "Computer", "Wirtschaft", "Industrie", "deutsch-indische Beziehungen", "Indien" ]
525
Selbstbestimmung und Verbraucherschutz in der Datenökonomie | Datenökonomie | bpb.de
Selbstbestimmung wird in der Datenökonomie zu einer Herausforderung, die die Kapazitäten der Einzelnen übersteigt und durch einen verbesserten Verbraucherschutz allein nicht zu meistern ist. Sie betrifft die Demokratie und Gesellschaft insgesamt und wirft grundlegende Gestaltungsfragen auf, die mit historischen Momenten der Verfassungsgebung verglichen werden können – geht es doch ebenso um die Formgebung von Grundrechten und politischen Basisinstitutionen. Eine Behandlung der Zukunftsfragen von Privatheit und Selbstbestimmung als individuelles Freiheits- und Abwehrrecht von Privatsubjekten, so zeigt der kritische Blick auf die Strukturdynamiken der Datenökonomie, kann dieser Aufgabe kaum gerecht werden. Dennoch ist eine solche Sichtweise, die auf Informationskontroll- und Einspruchsrechte sowie entsprechende Pflichten der Nutzerinnen und Nutzer von digitalen Diensten zielt, im Daten- und Verbraucherschutz weiterhin verbreitet. Angesichts der Asymmetrie von Kontrollpotenzialen und der Dezentrierung, die die Lebensführung unter den neuen soziotechnischen Bedingungen der Datenökonomie erfährt, sollte Selbstbestimmung nicht länger als Sache einzelner Bürgerinnen und Bürger betrachtet werden. Verbraucherpolitik, so möchte ich in diesem Beitrag zeigen, muss sich zur "Verbraucherdemokratie" erweitern, die die Gestaltung von Regeln und Konventionen der Datenökonomie systematisch an Prozeduren öffentlicher Aushandlung rückbindet. Im Folgenden werde ich dafür zunächst die Idee der Selbstbestimmung historisieren und soziologisch deuten, um darauf aufbauend neue Perspektiven aufzuzeigen und abschließend einige normative Schlussfolgerungen zu ziehen. Autonomiefiktionen und Strukturdynamiken Der Begriff "Selbstbestimmung" ist insofern widersprüchlich, als gesellschaftlich bedingt ist, was als Freiheit des Individuums erscheint und diesem sozial oder sogar als Wesenszug zugeschrieben wird. Zwar ist es durchaus möglich, dass sich Individuen an den verantwortungsvollen Gebrauch subjektiver und politischer Freiheitsrechte gewöhnen oder sich den kalkulierenden Umgang mit ökonomischen Privatinteressen antrainieren. Die Idee subjektiver Selbstbestimmung befindet sich dann mit gesellschaftlichen Institutionen und Strukturen des Rechtsstaats oder der Marktgesellschaft in einem Passungsverhältnis; der Widerspruch fällt nicht weiter auf. Gleichwohl handelt es sich aber um historische Konzepte der Selbstbestimmung, die im gesellschaftlichen Wandel an Kraft und Plausibilität verlieren können. Wenn sich die Einstellungen und Gewohnheiten der Menschen oder die institutionellen Rahmenbedingungen der Lebensführung grundlegend verschieben, wie es mit der Entfaltung der Datenökonomie mehr als wahrscheinlich wird, kann diese Freiheitsfähigkeit nicht nur ab-, sondern auch Schaden nehmen. Um das Argument zu verdeutlichen, sei auf einen Klassiker der Soziologie verwiesen: David Riesman, Nathan Glazer und Reuel Denney beschrieben in ihrem Beststeller "The Lonely Crowd" ("Die einsame Masse") schon 1950, also noch fernab aller Digitalisierungsdynamiken, eine Entwicklung hin zu einer Gesellschaft von Verbraucherinnen und Verbrauchern, deren Charaktereigenschaften so deutlich von denen innengeleiteter Subjekte abweichen, dass sich das Problem der Autonomiegewinnung auf völlig neue Weise stelle. Der neue, zunehmend dominante Typus des außengeleiteten Charakters sei vor allem ein Informationssammler. Halt und Orientierung gewinne er nicht mehr aus verinnerlichten ethischen Prinzipien, die im turbulenten Leben wie ein in sich stabilisierter Kreiselkompass die Richtung anzeigen, sondern er suche die Umwelt wie mit einer Radaranlage permanent nach Hinweisen auf Hindernisse und Möglichkeiten ab, um seinen Kurs durchs Leben daran immer wieder neu auszurichten. Die soziologische Qualität der Auseinandersetzung mit dieser Wandlungsdynamik besteht nun darin, dass Riesman und seine Kollegen die Entwicklung nicht nostalgisch verteufelten. Selbstbestimmung sei nicht fest an den Habitus der protestantisch geprägten, innengeleiteten Bürgerinnen und Bürger gebunden. Vielmehr müsse Autonomie immer in der Relation von individuellen Charaktereigenschaften oder Haltungen auf der einen und gesellschaftlichen Strukturbedingungen auf der anderen Seite gedacht werden. So könne das, was dem männlich geprägten bürgerlichen Privatsubjekt in bestimmten Zeiten den Glanz von Autonomie verleihe, etwa die ermöglichenden Normen, Rollenbilder und Routinen geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung in der Familie, unter veränderten gesellschaftlichen Bedingungen zur inneren Geißel werden, die es in seiner Fähigkeit zur Veränderung, etwa zur Reduktion von Berufsarbeit, stark einschränke. Was einst als Wesenszug der Selbstbestimmung erschien, wird so zum Element starker bis suchtartiger Abhängigkeit. Umgekehrt bedeute die Abhängigkeit der Außengeleiteten von wechselnden und unberechenbaren Informationsströmen der Umwelt nicht per se den Verlust von Autonomie. Vielmehr gelte es, Selbstbestimmung zeitgemäß zu fassen und die Bedingungen hierfür zu klären. Vor diesem Hintergrund verlieren Vorstellungen von Selbstbestimmung an Plausibilität, die Verbraucherinnen und Verbraucher überzeitlich als innengeleitete Privatsubjekte mit klaren Präferenzen und verantwortungsethischen Haltungen definieren. Solche Autonomievorstellungen finden sich bis heute keineswegs nur bei ausgewiesenen Anhängern des sogenannten Neoliberalismus, sondern ebenso mit Bezug auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung oder im europäischen Leitbild des mündigen Verbrauchers. Erst in jüngerer Zeit mehren sich Versuche, solche Leitbilder zu relativieren und mit empirischen Bedingungen der Selbstbestimmung zu verzahnen. Die angebotenen Alternativen, die Verbraucherinnen und Verbraucher als verletzliche oder vertrauende und nur zum kleinen Teil verantwortungsvoll agierende Subjekte erscheinen lassen, tragen zwar der Komplexität und Unübersichtlichkeit heutiger Märkte sowie der ungleichen Ressourcenausstattung Rechnung. Zugleich verabschieden sie sich aber tendenziell von einer Neubestimmung und -gestaltung von Autonomie, die damit als leere bürgerliche Fiktion zurückbleibt. Statt Selbstbestimmung durch staatlichen Verbraucherschutz zu ersetzen, käme es jedoch darauf an, Verbraucherschutz und Selbstbestimmung in neuer Weise zusammenzudenken. Das digitale Zeitalter bietet dafür reichlich Anlass: Mit der Entfaltung der Datenökonomie wird die Struktur der Außenlenkung derart auf die Spitze getrieben, dass sich das Problem hier in voller Schärfe stellt. Selbstbestimmung durch Daten? Ein (scheinbar) extremer Fall ist in diesem Zusammenhang die sogenannte Quantified-self-Bewegung. Deren Motto lautet: Selbstbestimmung durch Daten – womit vor allem quantifizierende Informationen über Körperzustände, Leistungsfähigkeiten, statistische Vergleichsmaße, Scores und so weiter gemeint sind. Ein gutes Beispiel ist das Fitnesstracking, das heißt die Nutzung von Apps wie Runtastic. Diese ermöglichen in Verbindung mit "smarter" Sensortechnologie in Mobiltelefonen oder speziellen Uhren beziehungsweise Fitnessarmbändern durch Auswertung von Körper- und Bewegungsdaten sowie den ständigen Vergleich mit anderen Personen, die eigene Fitness zu überwachen, anderen im sozialen Netzwerk zu demonstrieren und gezielt zu verbessern. Eine Vielzahl von Tools verspricht heute Unterstützung dabei, self-tracking beziehungsweise lifelogging als Mittel der Selbsterkenntnis und -beherrschung zu nutzen. Der Typus des Informationssammlers erscheint dabei nicht länger als außengeleitet, sondern als selbstbestimmt und souverän im Umgang mit Informationen. Daten werden hierfür als Rohstoff gebraucht, und die für die Datenproduktion erforderliche Entäußerung der Person wird – entgegen der verbreiteten Assoziation des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung mit Datensparsamkeit – zur Notwendigkeit, wenn nicht gar zur allgemeinen Pflicht erklärt. Die gesteigerte Abhängigkeit von jenen Plattformunternehmen und Datendienstleistern, die diese Daten erheben, aufbereiten, klassifizieren, korrelieren, interpretieren, damit personenbezogene Profile erstellen und das soziale beziehungsweise algorithmisch generierte Feedback organisieren, wird dabei ausgeblendet. Dies wäre sicherlich nicht weiter beachtenswert, wenn es sich tatsächlich um eine Ausnahmeerscheinung handeln würde. In der Datenökonomie jedoch gewinnt dieses Modell der informationsbasierten Lebensführung paradigmatische Qualität. Die Bestimmung des Selbst mittels digital aufbereiteter Daten und Informationen weist darin viele Facetten auf, die in ihrer Zusammenschau zu erkennen geben, wie sich die Autonomie der Individuen in Fremdbestimmung aufzulösen droht. In der Aufmerksamkeitsökonomie der sozialen Medien herrscht ein gesteigerter sozialer Druck zur Inszenierung des Selbst als singuläre und authentische Person. Die Angewiesenheit auf Feedback und Anerkennung durch andere macht es dabei erforderlich, ein feines Sensorium für Meinungsumschwünge zu entwickeln, und ein Großteil der Kommunikation dreht sich um aktuelle Trends und kulturelle Moden. Schon dies ist eine Form medial vermittelter Selbstbestimmung, die durch die datenökonomische Verwertbarkeit von Traffic und Nutzungszeiten, Netzwerkeffekten, Skalierungserfolgen und kulturellen Bedeutungen maßgeblich mitbestimmt ist. Diese vielfältigen Daten werden über die gezielt eingesetzten Bindungskräfte sozialer Netzwerke hinaus erfasst und verknüpft, um Verhalten zu beobachten und vorherzusagen, Nutzerprofile zu erstellen, neue Marktchancen zu erschließen, Erlebnisse zu personalisieren, vielleicht auch Preise zu individualisieren – alles mit dem Ziel, Zugriffschancen auf die Verbraucherinnen und Verbraucher zu erhöhen. Auch diese, häufig automatisierten Prozesse bestimmen das jeweilige Selbst mit, das sich in passgenauen (Werbe-)Angeboten wiedererkennen kann und soll. Empfehlungsalgorithmen von Musikstreamingdiensten wie Spotify etwa kombinieren Daten zu individuellen Hörgewohnheiten mit einem riesigen Datenpool, der statistische Klassifikationen von Musikstilen erlaubt. Damit unterstützt der Dienst die Verbraucherinnen und Verbraucher bei der Entwicklung ihres ganz eigenen Musikgeschmacks. Aber dieser Aspekt singulärer Identität ist dann kaum mehr als selbstbestimmt zu bezeichnen. Die Kontrollpotenziale sind dabei asymmetrisch verteilt, und die Schere zwischen Nutzenden und Diensteanbietern öffnet sich weiter. Innengeleiteten Menschen, die nach eigenen Relevanzkriterien konsumieren und verhindern wollen, dass sich ihre Datenspuren ablösen und als Datenselbst ein Eigenleben entwickeln, bleibt oft nur die Selbstexklusion von Angeboten und Nutzungspraktiken. Jene, die der Ansicht sind, die Strategien kommerzieller Datenkraken taktisch durchkreuzen zu können, indem sie mit konstruierten Identitäten oder Falschinformationen spielen, unterschätzen indes die Möglichkeiten der Anbieter, Daten unterschiedlicher Quellen abzugleichen und in Beziehung zu setzen. Demgegenüber wird die Akzeptanz von Außenlenkung vermutlich noch zunehmen, wenn Unterstützungsangebote durch Datenreichtum, größere Rechenleistung und verbessertes machine learning immer treffsicherer werden. Es ist allerdings fraglich, ob der Komfort datenökonomischer Navigationshilfen, die bei identitätsrelevanten Problemen der Partnersuche oder der politischen Wahl ähnlich agieren wie beim Konsum oder Autofahren, den erlittenen Autonomieverlust ausgleichen kann. Die derzeit führende Disziplin in der Entwicklung solch datenbasierter Navigationshilfen ist die Verhaltensökonomik, deren Expertise im "Anstupsen" (nudging) von Entscheidungen besteht: Durch Umgebungsreize, die bestimmte Emotionen auslösen sollen (affektives priming), oder gezielte Situationsrahmungen werden Bedeutungen und Attraktivitätswerte von Optionen verschoben, um das Verhalten in eine bestimmte Richtung zu lenken. Schon heute beschäftigen Unternehmen professionelle Verhaltensformer, die mit solcher Expertise die Kundenbindung und Zahlungsbereitschaft effektiv zu steigern versprechen. Beispielsweise werden über sogenanntes A/B-Testing verschiedene App-Versionen getestet, indem unbemerkt Nutzungsdaten erhoben und ausgewertet werden, um durch Designverbesserungen Nutzungszeiten und Umsätze zu erhöhen. Bei Online-Spielen wird auf diese Weise das Suchtpotenzial gezielt gesteigert. In der Datenökonomie entwickeln sich diese Techniken zum hypernudging, das durch umfassendes sensorgestütztes Monitoring, Big-Data-Analysen, verbesserte Vorhersagemodelle und die Möglichkeit zur Echtzeitreaktion, zum Beispiel abhängig von emotionalen Erregungszuständen, immer präzisere Verhaltensimpulse zu setzen vermag. Nicht nur Privatunternehmen und Krankenkassen, sondern auch Regierungen sind an solchem Beeinflussungswissen äußerst interessiert. Widerspruch des libertären Paternalismus Selbstbestimmung, verstanden als rekursiver Optimierungsprozess der Entäußerung und Freigabe persönlicher Daten, der maschinellen Verarbeitung und Verknüpfung solcher Daten durch Dritte, der Ableitung verborgener personalisierter Verhaltensimpulse und deren evidenzbasierter Erfolgsmessung, ist von Fremdbestimmung nicht mehr zu unterscheiden. Vertreterinnen und Vertreter der Verhaltensökonomik verweisen zur Verteidigung auf den Ansatz des libertären Paternalismus: Anstupser würden das Verhalten keineswegs so starr festlegen wie Vorschriften oder Zwangsmaßnahmen. Das handelnde Subjekt sei immer noch frei, sich anders zu entscheiden. Es könne in der Kantine weiterhin zu den zuckerhaltigen Riegeln greifen, nachdem die Obstschale prominenter platziert wurde; auch könne es die Bereitschaft zur Organspende zurückziehen, sollte das Verfahren auf "Opt-out" umgestellt werden. Doch für die Reproduktion jener Entscheidungsautonomie, die der libertäre Paternalismus hier unterstellt, wird mit seinen empirisch motivierenden Bindungstechniken nichts mehr getan. Vielmehr setzt er Kompetenzen voraus, die mit seiner erfolgreichen Ausbreitung verdrängt werden. Diese Kompetenzen zu stärken, wird daher zur Aufgabe für den Verbraucherschutz. In der Verbraucherpolitik manifestiert sich der Widerspruch jedoch ebenso: Auch sie will Verbraucherinnen und Verbrauchern vermehrt mittels nudging helfen, ihre wohlverstandenen Interessen einschließlich ihrer informationellen Selbstbestimmungsansprüche zu realisieren. Nicht nur Lebensmittelampeln mit Signalwirkung, sondern auch gesetzlich vorgeschriebene Voreinstellungen im Bereich des Daten- und Privatheitsschutzes (Privacy by Default, Opt-in-Verfahren, erleichterte Verschlüsselung privater Kommunikation) sind hierfür typisch. Damit scheint es über die gesellschaftliche Nützlichkeit der Daten- und Verhaltensökonomie einen breiten Konsens zu geben. Lediglich über die Richtung der Verhaltenssteuerung und die zentralen Werte, die damit wirksam werden sollen, wird noch gestritten. Dabei geht es nicht selten symbolpolitisch zu: Nicht um Profitanteile oder die Sicherung von politischen Einflusspotenzialen, sondern allein um Gesundheitsförderung oder nachhaltigen Konsum geht es dann – und Cookies dienen selbstverständlich ausschließlich der Serviceverbesserung. Doch nur wer eine unabhängige kritische Öffentlichkeit nicht mehr zu fürchten braucht, kann sich auf solche Muster der nachträglichen Rationalisierung datenökonomischer Praktiken und Geschäftsmodelle zurückziehen. Der Schutz und die politische Stärkung der Verbraucherinnen und Verbraucher könnten hier ansetzen: Diese müssten in die Lage versetzt werden, kritisch prüfen zu können, welche Werte und Präferenzen in die Entscheidungsarchitekturen der Datenökonomie eingeschrieben sind und ob es sich dabei tatsächlich um die ihres wohlverstandenen Interesses handelt. Sie dürften demnach den Verhaltensimpulsen nicht nur empirisch folgen, sondern müssten ihr Einverständnis auch nach kritischer Prüfung noch erteilen können. Doch was meint solche kritische Kompetenz in der Datenökonomie genau, und wie lässt sie sich unter deren Bedingungen entfalten? An dieser Stelle hilft die Soziologie der Infrastrukturen weiter. Für die Verbraucherinnen und Verbraucher wirkt die verhaltensökonomisch eingerichtete und sich zunehmend automatisiert und in Echtzeit anschmiegende datenökonomische Umwelt – zumindest dort, wo sie erfolgreich eingerichtet ist – wie eine zweite Natur, eben "smart", aber damit auch undurchdringlich. Infrastrukturen ermöglichen Gewohnheitsbildung und stabilisieren gesellschaftliche Konventionen. Ganz anders sieht es aus der Perspektive der Designerinnen und Designer dieser gebauten Umwelten aus: Sie erscheinen als Architektinnen und Architekten von Entscheidungsprozessen und legen willkürlich oder gegebenenfalls mit strategischem Kalkül fest, welche Konventionen und normativen Aspekte im Verbraucherverhalten prioritär gelten und verfolgt werden sollen. Das Verhalten läuft in infrastrukturellen Bahnen nicht zuletzt deshalb gerichtet ab, weil die Festlegung der Verhaltensausrichtung durch die Entscheidungsarchitektur irgendwann aus dem Blickfeld verschwindet. Problematisch ist aber, dass diese normativen und verhaltensnormierenden Vorentscheidungen unter den Gestaltungsbedingungen der Datenökonomie nicht länger mühsam politisch ausgehandelt werden müssen, sondern überhaupt nicht mehr in den Blick geraten. Hier ist die Verbraucherpolitik gefordert: Um das Prinzip und die Möglichkeit der Selbstbestimmung gegen die Eigendynamik der Datenökonomie zu verteidigen, sollte zum einen gesetzlich festgeschrieben werden, dass Prozesse der digitalen Infrastrukturgestaltung nach demokratischen Prinzipien der kollektiven Selbstbestimmung und Aushandlung zu gestalten sind. Diese Prozesse dürfen nicht länger den verborgen operierenden Entscheidungsarchitektinnen und -architekten überlassen werden, die für die Gestaltungseliten der Digitalwirtschaft arbeiten. Zum anderen sollten die Infrastrukturen der Datenökonomie verpflichtend so gestaltet werden müssen, dass sie die Kompetenz zur kritischen Reflexion von normierenden Designentscheidungen erhalten oder sogar steigern. Bewertungskompetenz: Verbraucherschutz als digitale Infrastrukturgestaltung Genauso wie die Hierarchisierung der Werte in der autogerechten Stadt aus umweltpolitischer Sicht kritikwürdig erscheint, müsste der politische Gehalt infrastruktureller Vorfestlegungen auch im digitalen Zeitalter öffentlich präsent gehalten werden. Man denke nur an die Planungsfantasien für eine umfassende Verhaltenslenkung und Überwachung in "Smart Cities". Der Verbraucherschutz sollte mithin dabei helfen, die Bedingungen demokratischer Selbstbestimmung langfristig zu sichern, anstatt mit den gleichen Steuerungsmitteln um Anteile an den "Verhaltensterminkontraktmärkten" der Datenökonomie zu kämpfen. Hierzu müsste die Verbraucherpolitik ein neues, alternatives Gestaltungsparadigma der "Verbraucherdemokratie" entwickeln und im Bereich datenökonomischer Infrastrukturen zur Anwendung bringen. Dieses könnte und sollte den informationsabhängigen Verbraucherinnen und Verbrauchern die kritische Reflexion und Evaluation infrastruktureller Vorfestlegungen von Wertordnungen und Bewertungsprozeduren erleichtern, aber auch abverlangen. Hierfür müsste nicht länger die fragwürdig gewordene Gegebenheit innengeleiteter Subjekte vorausgesetzt oder angestrebt werden. Vielmehr würde die Autonomie an Strukturen und Prozeduren kritischer Evaluation gebunden, die auch kollektive Praktiken und Möglichkeiten professioneller Unterstützung und Stellvertretung einschließen. Sogar nudging und gamification könnten eine Rolle spielen, wenn diese Techniken statt von moralischer Reflexion zu entlasten, durch Framing, soziales Feedback oder emotionale Gratifikationen umgekehrt Prüfungen ermuntern, inwiefern Algorithmen, Plattformen oder Interfaces diskriminieren, manipulieren oder sich Einsprüchen entziehen. Eine Schwierigkeit dieses neuen Ansatzes liegt nun darin, dass Praktiken der Bewertung und Evaluation bereits als fester Bestandteil verhaltensökonomischer Entscheidungsarchitekturen in den digitalen Infrastrukturen verbreitet sind. Nahezu überall werden Verbraucherinnen und Verbraucher mit der Vergabe von Sternchen, mit Rankings und Ratings konfrontiert, werden ihnen Testergebnisse und Empfehlungen angeboten und sind sie zugleich aufgefordert, sich selbst durch Kommentare, Likes oder authentische Erfahrungsberichte an solchen Bewertungsprozeduren zu beteiligen. Insofern – so könnte man meinen – erfüllt die Datenökonomie doch längst das Kriterium, Kritik anzuregen und kritische Kompetenzen der Verbraucherinnen und Verbraucher zu schulen. Eine solche Einschätzung übersieht jedoch, dass diese Bewertungspraktiken die Äußerung von Kritik als Element einer verhaltensökonomisch gestalteten Bewertungslandschaft mit programmierten Verhaltensroutinen ununterscheidbar verschmelzen. Die menschlichen und maschinellen Bewertungen und Empfehlungen dienen maßgeblich der sozialen Einbettung von digitalen Märkten und datenökonomischen Geschäftsmodellen, indem sie Vertrauen, Loyalität und Akzeptanzbereitschaft generieren. Das Resultat aber ist eine hybride Intelligenz, die Kritik nur noch in vorgezeichneten Bahnen zulässt und gegenüber den architektonischen Vorentscheidungen ihre Distanz und unabhängige Urteilskraft verliert. Soll ein solcher gesellschaftlicher Digitalisierungspfad vermieden werden, muss in die fortschreitende Hybridisierung von menschlicher und künstlicher Intelligenz eine Sollbruchstelle, in das rekursive, datenbasierte Trainieren von Menschen und Maschinen eine Unwucht eingebaut werden. Erforderlich sind Infrastrukturen, die eine kritische Bewertung und Evaluation der Rahmengestaltung von Algorithmen und Bewertungsordnungen initiieren und wachhalten. Transparenzpflichten hinsichtlich der mit Algorithmen- und Interfacegestaltung verbundenen Normierungsabsichten allein reichen dafür nicht aus, da auch die nicht beabsichtigten Folgen und Diskriminierungseffekte Beachtung finden müssen. Vielmehr sollten Prozesse der Informationstechnikgestaltung gezielt und wiederkehrend mit der Pluralität möglicher Konventionen und Bewertungsordnungen konfrontiert werden, um kritische Reflexionen über deren infrastrukturelle Priorisierung anzuregen. Diese Praxis müsste zudem mit den Bewertungs- und Entscheidungsroutinen der Verbraucherinnen und Verbraucher verzahnt werden. Denn es macht einen Unterschied, ob diese in den Bahnen der Schnäppchenjagd oder sozialen Statuskonkurrenz, der Bequemlichkeit oder gesundheitspolitischer Fitnessideale, der ästhetischen Anmutung, kulturellen Diversität oder ökologischen Nachhaltigkeit verlaufen. Die Kontroversen, mit denen die Verbraucherpolitik in Bereichen wie Energie, Wohnen, Verkehr, Tourismus, Ernährung oder Kosmetik laufend konfrontiert ist, können eine solche Pluralität präsent halten. Die Kompetenz zur Selbstbestimmung in der Datenökonomie bildet und erhält sich dann in dem Maße, wie die Verbraucherinnen und Verbraucher ebenso wie die Designerinnen und Designer lernen, die Pluralität und prinzipielle Offenheit von Wert- und Bewertungsordnungen in den Alltagsroutinen und technischen Infrastrukturen nicht länger verdrängen zu müssen. Vgl. David Riesman/Reuel Denney/Nathan Glazer, Die einsame Masse. Eine Untersuchung der Wandlungen des amerikanischen Charakters, Hamburg 1958, insb. S. 251ff. Vgl. Anthony Giddens, Leben in einer posttraditionalen Gesellschaft, in: ders./Ulrich Beck/Scott Lash, Reflexive Modernisierung. Eine Kontroverse, Frankfurt/M. 1996, S. 113–194, insb. S. 129ff. sowie ders., Wandel der Intimität. Sexualität, Liebe und Erotik in modernen Gesellschaften, Frankfurt/M. 1993, insb. S. 86ff. Vgl. Riesman/Denney/Glazer (Anm. 1), S. 272. Vgl. Hans-Werner Micklitz et al., Der vertrauende, der verletzliche oder der verantwortungsvolle Verbraucher? Plädoyer für eine differenzierte Strategie in der Verbraucherpolitik. Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats Verbraucher- und Ernährungspolitik beim Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Berlin 2010; Christoph Strünck, Der mündige Verbraucher. Ein populäres Leitbild auf dem Prüfstand, in: Christian Bala/Klaus Müller (Hrsg.), Abschied vom Otto Normalverbraucher. Moderne Verbraucherforschung: Leitbilder, Informationen, Demokratie, Essen 2015, S. 19–28. Vgl. Ramón Reichert, Die Vermessung des Selbst. Self-Tracking in der digitalen Kontrollgesellschaft, in: Michael Friedewald/Jörn Lamla/Alexander Roßnagel (Hrsg.), Informationelle Selbstbestimmung im digitalen Wandel, Wiesbaden 2017, S. 91–107. Vgl. Steffen Mau, Das metrische Wir. Über die Quantifizierung des Sozialen, Berlin 2017, S. 167. Vgl. Andreas Reckwitz, Die Gesellschaft der Singularitäten. Zum Strukturwandel der Moderne, Berlin 2017, insb. S. 225ff. Vgl. Jonathan Kropf, Recommender Systems in der populären Musik. Kritik und Gestaltungsoptionen, in: ders./Stefan Laser (Hrsg.), Digitale Bewertungspraktiken. Für eine Bewertungssoziologie des Digitalen, Wiesbaden 2018, S. 127–163. Vgl. Jörn Lamla/Carsten Ochs, Selbstbestimmungspraktiken in der Datenökonomie: Gesellschaftlicher Widerspruch oder "privates" Paradox?, in: Birgit Blättel-Mink/Peter Kenning (Hrsg.), Paradoxien des Verbraucherverhaltens, Wiesbaden 2019, S. 25–39, hier S. 31ff. Vgl. Richard H. Thaler/Cass R. Sunstein, Nudge. Wie man kluge Entscheidungen anstößt, Berlin 2011. Vgl. Nir Eyal, Hooked. Wie Sie Produkte erschaffen, die süchtig machen, München 2014. Vgl. Katharina Zweig et al., Kontinuierliches A/B-Testing zur Optimierung von Spielerbindung und Monetarisierung bei "Freemium"-Spielen, in: Birgit Blättel-Mink/Peter Kenning (Hrsg.), Paradoxien des Verbraucherverhaltens, Wiesbaden 2019, S. 43–57. Vgl. Karen Yeung, "Hypernudge": Big Data as a Mode of Regulation by Design, in: Information, Communication & Society 1/2017, S. 118–136. Vgl. etwa Susan Leigh Star/Karen Ruhleder, Steps Toward an Ecology of Infrastructure: Design and Access for Large Information Spaces, in: Information System Research 1/1996, S. 111–134. Vgl. Thaler/Sunstein (Anm. 10), S. 118ff. Shoshana Zuboff, Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus, Frankfurt/M.–New York 2019, S. 25. Siehe auch den Beitrag von Zuboff in dieser Ausgabe (Anm. d. Red.). Vgl. Jörn Lamla, Verbraucherdemokratie. Politische Soziologie der Konsumgesellschaft, Berlin 2013. Vgl. ebd., S. 278ff. Vgl. Luc Boltanski/Laurent Thévenot, Über die Rechtfertigung. Eine Soziologie der kritischen Urteilskraft, Hamburg 2007.
Article
, Jörn Lamla
2022-02-16T00:00:00
2019-06-06T00:00:00
2022-02-16T00:00:00
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/292351/selbstbestimmung-und-verbraucherschutz-in-der-datenoekonomie/
Selbstbestimmung wird in der Datenökonomie zu einer Herausforderung. Wir sollten in die Lage versetzt werden, kritisch prüfen zu können, welche Werte in die Entscheidungsarchitekturen digitaler Infrastrukturen eingeschrieben sind.
[ "Datenökonomie", "Daten", "Digitalisierung", "Verbraucherschutz", "Verbraucherpolitik", "Ethik", "Datenschutz", "Privatsphäre" ]
526
Im Praxistest: Gesellschaft für Einsteiger | bpb.de
Fachdidaktische Vorüberlegungen Unsere Gesellschaft heute kennzeichnet sich durch weltweite Migrations- und Globalisierungsprozesse sowie eine ständige Vernetzung, die ein immer diverseres Zusammenleben zur Folge haben. Themen wie Religions-, Kultur- und Milieuzugehörigkeit aber auch Chancengleichheit, Wertewandel und soziale Gruppen spielen dabei eine immer bedeutendere Rolle und bestimmen nachhaltig das gesellschaftliche Miteinander. Daher scheint es unerlässlich, dass sich Schülerinnen und Schüler im schulischen Rahmen so früh wie möglich mit jenen Themen beschäftigen, um ein Gespür für (ihre) Normen und Werte aber auch für Ungerechtigkeiten und Formen von Diskriminierung bekommen. Ziel ist es, die Lernenden auf ein Leben in einer demokratischen Gesellschaft vorzubereiten, das geprägt ist durch Toleranz, Offenheit und Vielfalt. Für den Einsatz im Schulunterricht eignet sich insbesondere für die erste Auseinandersetzung eine spielerische Annäherung an die Thematik. Was bedeutet Gesellschaft? In welcher Gesellschaft lebe ich? Welche Werte gibt es und welche sind mir wichtig? Solche Fragen spielen dabei eine zentrale Rolle und können den Schülerinnen und Schüler als erste Anregung dienen, sich mit dem Zusammenleben von Menschen in einer Gesellschaft auseinanderzusetzen. Wesentlich ist dabei, komplexitätsreduziert vorzugehen und die Lernenden nicht gleich mit globalen Phänomenen zu konfrontieren, sondern sich zunächst auf Deutschland – als das Land, in dem sie leben – zu beschränken. Außerdem darf neben der gesellschaftlichen Ebene (Makroebene) die individuelle Ebene (Mikroebene) nicht außer Acht gelassen werden, d.h. die Lernenden müssen erkennen können, was das Thema mit ihnen (z.B. Familienleben, soziales Umfeld) zu tun hat. Dieser Perspektivwechsel kann erreicht werden, indem beispielsweise einzelne Aspekte, wie Diskriminierung oder Chancengleichheit, aus beiden Perspektiven thematisiert und dabei sowohl Mikro- und Makroebene berücksichtigt werden. Hierfür bietet es sich an, zunächst Schritt für Schritt die Grundlagen der Soziologie aufzugreifen und sich spielerisch mit dem Thema Gesellschaft auseinanderzusetzen, um gleichzeitig auch der Gefahr entgegenzuwirken, die Schülerinnen und Schüler durch die Bandbreite an Themen zu überfordern. Aufbau des Materials Die Arbeitsmappe Gesellschaft für Einsteiger thematisiert auf 24 Arbeitsblättern die Grundlagen der Soziologie und nähert sich den oben genannten Themen teils durch eine spielerische Auseinandersetzung. Die PDF-Datei der Arbeitsmappe liegt sowohl in einer ausfüllbaren als auch in einer nicht ausfüllbaren Variante vor und kann somit auch am Computer bearbeitet werden. Außerdem steht für die jeweilige Lehrkraft noch eine Handreichung zur Verfügung, die Lösungsmöglichkeiten anbietet. Die 24 Arbeitsblätter sind in verschiedene Themenbereiche aufgeteilt. Arbeitsblatt 1 bis 5 adressieren die Lebenswelt der Lernenden und stellen Fragen und Aufgaben zu Geschlechter- und Familienrollen, sozialen Gruppen und individuellen Werten. Die Arbeitsblätter 6 bis 9 widmen sich dem Thema Diskriminierung, Chancengleichheit und Inklusion in Schule und Gesellschaft. Auf den Arbeitsblättern 10 bis 20 wird eine Bandbreite von unterschiedlichen Themen wie z.B. Sozialstruktur, demographischer Wandel, Religions- und Glaubensgemeinschaften und Ein- und Auswanderung im direkten Bezug zur deutschen Gesellschaft aufgegriffen. Die Arbeitsblätter 21 bis 23 stehen ein wenig gesondert und haben wieder eine globale, statt deutschlandzentrierte Perspektive. Werte und Normen sowie ein Überblick über die Klassiker der Soziologie und Geisteswissenschaften stehen hier im Fokus. Das letzte Arbeitsblatt ist ein Kreuzworträtsel, das in spielerischer Form die Inhalte der vorangegangenen Aufgaben "abfragt“ und so eine Form der Wissenssicherung darstellt. Einsatzmöglichkeiten im Schulunterricht Das vorliegende Arbeitsmaterial eignet sich für die Bearbeitung ab der 8. Klassenstufe und kann ohne große Vorbereitung in den Schulunterricht eingebettet werden. Die Struktur der Materialanordnung ähnelt der einer Unterrichtsreihe, wodurch die einzelnen Themenbereiche gut chronologisch und als Gesamtpaket bearbeitet werden können. Da jedoch die Arbeitsblätter thematisch sehr vielfältig sind und zum Großteil nicht aufeinander aufbauen, können sie auch einzeln als Ergänzung zu bereits vorhandenem Material verwendet werden. Die Anordnung und Formulierung der jeweiligen Aufgaben sind präzise und werden durch viele bunte Illustrationen gerahmt, die das Material spannend machen und das Interesse der Lernenden wecken. Die Arbeitsblätter 1 bis 5 eignen sich gut für den Einstieg in das neue Themengebiet, da zunächst auf Statistiken und größere Strukturzusammenhänge verzichtet und lediglich die Lebenswelt der Lernenden angesprochen wird. Das ermöglicht den Schülerinnen und Schülern einen schnellen und einfachen Zugang zu den Inhalten, die auf den weiteren Arbeitsblättern in komplexere Zusammenhänge gebracht werden. Eine weitere Möglichkeit wäre, mit dem Themenblock Inklusion, Chancengleichheit und Diskriminierung in der Schule zu starten. Versteht man Schule als Gesellschaft im Kleinen, ergeben sich in dem sozialen Raum ähnliche Fragen wie in einer Gesamtgesellschaft: Wie leben/arbeiten wir in der Schule zusammen? Wie gehen wir mit Diskriminierung um? Herrscht Chancengleichheit und welche Rolle habe ich in meiner Klasse? Diese Frage können vor der Bearbeitung des Materials gemeinsam in der Lerngruppe in einem offenen Unterrichtsgespräch besprochen und im Anschluss daran die dazugehörigen Arbeitsblätter 6 bis 9 bearbeitet werden. In einem weiteren Unterrichtsblock kann dann die Perspektive erweitert und die Fragen auf die Gesellschaft in Deutschland angewandt werden (Arbeitsblätter 10 bis 20). Das gesamte Material der Arbeitsmappe kann aufgrund seiner Stringenz ohne Zusatzmaterial verwendet und in allen denkbaren Formen selbstgesteuerten Lernens (z.B. Lerntagebuch, Stationsarbeit, WebQuest) bearbeitet werden. Zugriff: Interner Link: Thema im Unterricht / Extra: Gesellschaft für Einsteiger
Article
Véronique Türk
2023-07-10T00:00:00
2022-02-10T00:00:00
2023-07-10T00:00:00
https://www.bpb.de/lernen/angebote/rezensionen/505014/im-praxistest-gesellschaft-fuer-einsteiger/
Was bedeutet Gesellschaft? In welcher Gesellschaft lebe ich? Welche Werte gibt es und welche sind mir wichtig? Solche Fragen spielen eine zentrale Rolle und können den Schülerinnen und Schüler als erste Anregung dienen, sich mit dem Zusammenleben von
[ "Rezension", "Unterrichtsmaterial" ]
527
Kultur der unternehmerischen Selbstständigkeit | Ökonomische Bildung | bpb.de
Einleitung Das Thema der unternehmerischen Selbstständigkeit erhält im deutschen Bildungssystem einen immer höheren Stellenwert. Während es jedoch vor allem an Universitäten Einzug hält, findet eine Implementierung in den Schulen zögerlicher statt. Zwar fordern und fördern Staat und Wirtschaft eine Kultur der unternehmerischen Selbstständigkeit, doch ist diese in Deutschland nur bedingt entwickelt. Gerade in Schulen könnte frühzeitig eine Basis zur Förderung einer solchen Kultur gelegt werden, ohne den allgemeinen Erziehungsauftrag dieser Bildungsinstitutionen zu vernachlässigen. Wie es um eine Kultur der unternehmerischen Selbstständigkeit hierzulande bestellt ist und wie mit dem Thema an allgemeinbildenden Schulen umgegangen wird und werden kann, soll im Folgenden erörtert werden. Zunächst soll eine Begriffsklärung zur unternehmerischen Selbstständigkeit und zu eng miteinander verknüpften Definitionen herausgearbeitet werden, um im weiteren Verlauf näher auf den Kulturbegriff eingehen zu können. Zum Begriff Der Begriff der unternehmerischen Selbstständigkeit wird oft mit dem Begriff der beruflichen Selbstständigkeit verbunden. Eine eindeutige definitorische Abgrenzung der beiden Begriffe fällt daher relativ schwer. Ralf Gerbershagen stellt beispielsweise fest, dass der Begriff der unternehmerischen Selbstständigkeit nur im Zusammenhang mit der beruflichen und persönlichen Selbstständigkeit betrachtet werden kann. Ein pädagogisch verantwortlicher Umgang mit dem Thema ist dieser Auffassung nach einer solchen definitorischen Entsprechung verpflichtet. Demnach bildet die persönliche Selbstständigkeit "das Fundament für die Entwicklung von beruflicher und unternehmerischer Selbstständigkeit". Dieser verbindenden Begriffsverortung stehen deutliche Begriffstrennungen gegenüber. Vera Döring weist darauf hin, dass berufliche Selbstständigkeit als Tätigkeit zu verstehen ist, die von einer Person in einer abhängigen Erwerbsarbeit selbstständig, eigenverantwortlich und kompetent durchgeführt wird; eine Person, die ihre Existenz in Form einer selbstständigen Arbeit durch ein eigenes Unternehmen sichert, handelt wiederum eindeutig unternehmerisch selbstständig. Um unternehmerisch selbstständig handeln zu können, sollte die Person über entsprechende Kompetenzen verfügen, die ihr bei der Ausführung der Tätigkeit behilflich sein können. Für die Qualifizierung, in der Fertigkeiten und Fähigkeiten wie beispielsweise Verantwortungsbewusstsein, Eigenständigkeit und Ausdauer vermittelt werden können, hat sich im deutschen Bildungssystem der Begriff der Entrepreneurship Education etabliert: "Entrepreneurship Education kann für eine eigene Definition als Disziplin beschrieben werden, deren Ziel es ist, Persönlichkeiten und deren berufliche Handlungskompetenz zur 'unternehmerischen Selbstständigkeit' zu entwickeln bzw. aus- und weiterzubilden." Dieser Prozess zur Unterstützung der aktiven Entwicklung von Selbstständigkeit kann als Kulturfaktor bezeichnet werden. In diesem Zusammenhang soll im Weiteren herausgearbeitet werden, wie sich der Terminus "Kultur" in Verbindung mit unternehmerischer Selbstständigkeit definieren lässt. Der Begriff der Kultur der Selbstständigkeit wird inflationär benutzt, meist ohne sich der genauen Bedeutung bewusst zu sein. So meint Reinhard Schulte, dass diese Worthülse zumeist rhetorische Absichten verfolgt. Für den Gebrauch in der Wissenschaft sollte der Begriff präzisiert werden. Bezug wird hier auf gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Einflussfaktoren genommen, welche die Förderung von Gründungsaktivitäten verfolgen. Diese Förderung auf allen gesellschaftlichen Ebenen soll ein Bewusstsein für (unternehmerische) Selbstständigkeit schaffen. Kultur als eigenständiger Begriff meint zudem "die Gesamtheit aller Werte, Normen und Einstellungen, die über Sozialisationsprozesse von einer Generation zur nächsten weitergegeben werden". Eine Kultur der Selbstständigkeit wird seit Mitte der 1990er Jahre diskutiert. Die Forderung nach einer solchen Kultur soll eine Abgrenzung zu einer "unselbstständigen" Gesellschaft evozieren. In diesem Zusammenhang liegt die Vermutung nahe, dass einem Großteil der Bevölkerung bis dahin die Fähigkeit, unternehmerisch tätig zu sein, abgesprochen wurde. Um Beschäftigungskrisen entgegenwirken zu können, Innovationen zu fördern sowie das Unternehmerbild in der Gesellschaft und die Rahmenbedingungen für unternehmerische Tätigkeiten zu verbessern, sollte diese Kultur Einzug erhalten. Diese Entwicklung hat bis heute Bestand. Rainer Haseloff erhebt diesbezüglich die unternehmerisch denkende Person zum Leitbild für unsere Gesellschaft und misst ihr für die Zukunft eine hohe Bedeutung zu: "In der Wissensgesellschaft von morgen wird der Berufstypus des 'unselbstständig' arbeitenden Angestellten mehr und mehr der Vergangenheit angehören und durch unternehmerisch denkende und handelnde Mitarbeiter ersetzt." Kerstin Westerfeld hingegen ist der Auffassung, dass sich entsprechende Werte und Normen, die mit der Kultur der Selbstständigkeit in Verbindung gebracht werden können, über einen langen Zeitraum hinweg entwickeln müssen. Vielmehr hat sich jedoch in Deutschland eine "Angestellten- und Versicherungsmentalität" verbreitet. Gerade in Westdeutschland hat sich dieses Sicherheitsdenken stark etabliert. In einer Wohlfahrtsgesellschaft wie der unsrigen will kaum jemand auf den gewohnten Standard verzichten. Das könnte ein bedeutsamer Erklärungsansatz dafür sein, dass die Gesellschaft in diesem Sicherheitsdenken verhaftet ist. Diesbezüglich stellt Westerfeld die Frage, "inwiefern das politische Engagement" in einer von "Angestellten- und Versicherungsmentalität" geprägten Gesellschaft, deren Werte nicht den Werten einer Kultur der Selbstständigkeit entsprechen, "überhaupt kurz- und mittelfristig Einfluss auf die Schaffung einer Kultur der Selbstständigkeit nehmen kann". Diese Aussage erweckt den Eindruck, dass die Aufgabe schier unmöglich erscheint. Ohne einen mentalen Wandel herbeizuführen wird dies anscheinend nur schwer gelingen. Ansätze, die diese Veränderung in der Gesellschaft initiieren wollen, sollen im weiteren Verlauf vorgestellt werden. Zum Stand der Dinge In Zeiten einer positiven Konjunkturlage ist die Neigung der Bevölkerung, unternehmerisch selbstständig zu agieren, als eher gering einzustufen. Dieses Verhalten spiegelt die zuvor beschriebene Angestellten- und Versicherungsmentalität wider. Bei hohen Beschäftigungszahlen fühlen sich die Menschen nicht aufgefordert, unnötig Risiken einer Existenzgründung auf sich zu nehmen. Dem gegenüber kann sich in Phasen wirtschaftlicher Not die Gründungsaktivität erhöhen. Dies ist zumeist der Versuch, einer drohenden Arbeitslosigkeit zu entkommen. Es darf angenommen werden, dass diese individuelle Motivation nicht mit einer beabsichtigten Entwicklung einer Gründungsbereitschaft vergleichbar ist. Des Weiteren stellt sich die Frage, inwiefern solche zumeist ad hoc vorgenommenen Gründungen am Markt Bestand haben. In den meisten Fällen fehlt eine nachhaltige Auseinandersetzung mit dem Thema der unternehmerischen Selbstständigkeit, so dass eine entsprechende Qualifizierung vernachlässigt wird. Unabhängig von dieser Tatsache ist die Gründungsneigung in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern nach wie vor als gering zu bezeichnen. Dieser Umstand wirkt sich auch auf die Regelung von Unternehmensnachfolgen bei mittelständischen Betrieben aus. Am Markt etablierte Unternehmen sind aufgrund fehlender Nachfolgerinnen und Nachfolger gezwungen, ihr Unternehmen aufzugeben und das Personal zu entlassen. Mit jeder Unternehmensauflösung geht auch ein Verlust der wirtschaftlichen Kraft eines Landes einher. Gründe für eine solch geringe Gründungsneigung können auch Rahmenbedingungen wie bürokratische Hürden und finanzielle Belastungen sein. Im internationalen Vergleich wird zudem deutlich, dass das Unternehmerbild in Deutschland eher negativ geprägt zu sein scheint. Die Reformkommission forderte nach Birgit Weber bereits 1999, dass schon in den Schulen das Bild der Unternehmerperson als egoistischer, Zigarre rauchender Kapitalist abgelöst werden müsse. Durch eine wenig differenzierte Vermittlung des Unternehmerbildes und die damit einhergehende einseitige Betrachtung des Themengebietes der unternehmerischen Selbstständigkeit werde die "Bedeutung des Unternehmertums für die Gesamtwirtschaft und soziale Ordnung" zu gering geschätzt. Der Wunsch nach einer neuen, kreativen Generation, die durch innovative Gründungsideen das Wirtschaftswachstum ankurbelt und weitere Arbeitsplätze schafft, ist vor allem aus politischer Perspektive so hoch, dass einer überholten Kritik am Unternehmertum im Bildungssystem entgegengewirkt wird. Innovative Gründungen, gerade in Wirtschaftssektoren, denen eine hohe Forschungs- und Wissensintensität zugesprochen wird, sind für die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Landes notwendig. Eine reflektierte Vermittlung in den Schulen kann zu einem Mentalitätswandel in der Gesellschaft beitragen, ohne dass Schülerinnen und Schüler von dem Thema überwältigt werden. Es bedarf im ersten Schritt eines aufgefrischten Blickes auf die Zusammenhänge unternehmerischen Denkens und Handelns, um bei den Lernenden ein neues Bewusstsein für unternehmerische Selbstständigkeit zu wecken. Hiermit geht die vermehrte Förderung einer Kultur der unternehmerischen Selbstständigkeit an Schulen einher. Der Einsatz von Entrepreneurship Education kann an Schulen hierfür eine Basis legen. In diesem Rahmen werden unter anderem Schulprojekte initiiert, die für das unternehmerische Denken und Handeln sensibilisieren sollen. Projektbeispiele Ein Grund für das Desinteresse am Themengebiet der unternehmerischen Selbstständigkeit in der Bevölkerung wird auch in dessen geringer Bedeutung für den Schulunterricht gesehen. Wird die Aufgabe, eine Kultur der unternehmerischen Selbstständigkeit zu schaffen, an Schulen ernst genommen, so müssen neben der Ziel- und Inhaltsbestimmung auch die Bildungsaufträge der unterschiedlichen Schulformen bedacht werden. Allgemeinbildende Schulen stehen in diesem Sinne anscheinend fast diametral zu den Anforderungen an eine unternehmerische Selbstständigkeit. So befinden sich beispielsweise die Lehrenden zumeist in einem sicheren Arbeitsverhältnis, das recht stark in Rahmen seiner Tätigkeit durch Rahmenlehrpläne und die Nutzung von entsprechenden Schulbüchern strukturiert wird. Der Schulalltag wird durch Stundenpläne geregelt, und komplexe Sachverhalte werden einer didaktischen Reduktion unterzogen. Entscheidungen müssen hier selten, wie das jedoch bei einer unternehmerischen Selbstständigkeit der Fall sein kann, unter hohem Risiko gefällt werden. Von besonderem Interesse ist hier die aktuelle Inmit-Studie (Institut für Mittelstandsökonomie an der Universität Trier e.V.) zum Thema Entrepreneurship Education an Schulen, welche im Schuljahr 2008/2009 mit insgesamt 2800 Jugendlichen (aktuelle und ehemalige Schülerinnen und Schüler) und 193 Lehrkräften bundesweit durchgeführt werden konnte. Hier wurden Lernende und Lehrende mittels Fragebögen und Telefoninterviews befragt, die an einem Schulprojekt zum unternehmerischen Denken und Handeln teilnehmen beziehungsweise teilgenommen haben. Zu diesen Projekten gehörten "Junior/Junior-Kompakt", der "Deutsche Gründerpreis für Schüler" sowie "Jugend gründet". Zudem befanden sich in der befragten Kohorte 449 Nichtteilnehmende an den zuvor genannten Projekten, die als Kontrollgruppe fungierten. Die Schulklassen 7 bis 13 aller Schulformen wurden untersucht. Legt man die Ergebnisse zu Grunde, so lässt sich feststellen, dass sich die Projektteilnehmenden wie auch die Nichteilnehmenden bei der Frage zum allgemeinen Ansehen von Unternehmerinnen und Unternehmern in Deutschland tendenziell sehr positiv bis eher positiv geäußert haben. Lediglich im Schnitt zehn Prozent der Befragten schätzten das Ansehen eher negativ bis sehr negativ ein. Das Bild des Unternehmers an deutschen Schulen scheint demnach durchaus differenzierter wahrgenommen zu werden als zuvor angenommen, so dass zu vermuten ist, dass die öffentlich geförderten Projekte an Schulen durchaus erste Erfolge erzielen. Weiterhin lässt sich feststellen, dass im Schnitt mehr als die Hälfte (52,9 Prozent) der an den Projekten Teilnehmenden sich selbst als Unternehmertyp beziehungsweise "eher" als Unternehmertyp einschätzen. Nichtteilnehmende hatten sich insgesamt nicht ganz so oft als Unternehmertyp eingeschätzt (50,6 Prozent). Diese Ergebnisse lassen die Vermutung zu, dass sich etwa jeder zweite Befragte grundsätzlich die Kompetenzen einer Unternehmerperson zuschreibt. Wird hier eine reflektierte Selbsteinschätzung vorausgesetzt, kann auch ein Rückschluss auf das Lehr-/Lerngeschehen an Schulen gezogen werden. Es darf angenommen werden, dass Kompetenzen, über die Unternehmerpersonen verfügen müssen, wie beispielsweise Verantwortungsübernahme, Kreativität und Ambiguitätstoleranz, demnach als Querschnittskompetenzen vermittelt werden. Sowohl von den Schülerinnen und Schülern als auch von den Lehrkräften wurde die Teilnahme an den genannten Projekten als nützlich und positiv beurteilt. Diese stellten aus deren Sicht eine hervorragende Möglichkeit dar, die Befähigung zu erhalten, eine eigene Einschätzung zu den weiterentwickelten Kompetenzen und zur Option, unternehmerisch selbsttätig werden zu wollen, abgeben zu können. Lehrkräfte sehen darüber hinaus den Effekt, dass wirtschaftliche Themen in handlungsorientierter Form vermittelt werden konnten. Damit auch unternehmerische Selbstständigkeit von Jugendlichen in diesem Sinne selbst erlebt werden kann, ist der Einsatz kreativer Unterrichtsmethoden beispielsweise in Form oben genannter Projekte als sinnvoll einzustufen. Dabei darf jedoch der Erziehungsauftrag nicht dahingehend missverstanden werden, dass junge Unternehmerpersonen herangezogen werden sollen: "Ökonomische Bildung im allgemeinen Schulwesen ist weder vorgezogene Berufsbildung, noch steht sie im Dienst einer Imagekampagne für den Unternehmerberuf. Sie dient der Lebens- und Weltvorbereitung in ökonomisch geprägten Lebenssituationen und Entwicklungen sowie der Ausbildung vielseitiger Fähigkeitsdimensionen als allgemeine Persönlichkeitsentwicklung." Will Entrepreneurship Education eine Kultur der unternehmerischen Selbstständigkeit fördern, so kann dies nur in einer dem Bildungsauftrag der Schule nicht widersprechenden, reflektierten Form stattfinden. Das Thema der unternehmerischen Selbstständigkeit sollte dementsprechend bildungspolitisch in die Lehrpläne fächerübergreifend nach Schulformen differenziert und bereits in der Lehrerausbildung implementiert werden. Hierbei sollte es sich vor allem um die Vermittlung von Sachkompetenz und didaktisch-methodischer Kompetenz handeln. Im Vordergrund des inhaltlichen Lehr-/Lernprozesses steht die ökonomische Handlungskompetenz unternehmerischer Selbstständigkeit. Erste Konturen des Phänomens der Kultur einer unternehmerischen Selbstständigkeit an Schulen und in der Lehrerausbildung könnten sich damit abzeichnen. Schule wäre in der Lage, eine solche Kultur herbeizuführen, ohne das Thema der unternehmerischen Selbstständigkeit als Postulat zu erheben. Die Jugendlichen sollen ihre Karrierepläne selbstkritisch entwickeln und ihren individuellen Lebensweg verfolgen. Unternehmerische Selbstständigkeit kann irgendwann in ihrem Berufsleben zu einer Option werden. Ob sie sich für oder gegen diese Option entscheiden, hängt dann im hohen Maße von einem bis dahin reflektierten Umgang mit dem Thema ab, dessen Basis möglicherweise schon in der Schule gelegt werden konnte. Ralf Gerbershagen, Berufliche und unternehmerische Selbstständigkeit in den Köpfen von Lehrerbildnern - Ergebnisse einer Befragung, in: Birgit Weber (Hrsg.), Eine Kultur der Selbstständigkeit in der Lehrerausbildung, Bergisch Gladbach 2002, S. 121. Vgl. Vera Döring, Verbesserung der Motivation und Wissensvermittlung zur Selbstständigkeit, Frankfurt/M. 2001, S. 7. Ilona Ebbers, Wirtschaftsdidaktisch geleitete Unternehmenssimulation im Rahmen der Förderung von Existenzgründungen aus Hochschulen, Köln 2004, S. 12. Vgl. Martina Schmette, Entrepreneurship und Entrepreneurship Education in Deutschland, in: Bernd Remmele/Martina Schmette/Günther Seeber (Hrsg.), Educating Entrepreneurship, Wiesbaden 2007, S. 67. Vgl. Reinhard Schulte, Entrepreneurship-Ausbildung an Hochschulen und "Kultur der Selbstständigkeit", online: www.jsse.org/2006/2006-2/schulte-entrepreneur (28.2.2011). Kerstin Westerfeld, Förderung persönlichkeitsbezogener unternehmerischer Kompetenzen im Rahmen der Existenzgründungsqualifizierung an Hochschulen. Bildungstheoretische Analyse, Zielkonturierung und didaktische Arrangements, Paderborn 2004, S. 60. Vgl. R. Schulte (Anm. 5). Vgl. Carolin Fritsch/Mike Peters/Andrea Tragseil, Entrepreneurship im Bildungssystem oder kann man unternehmerische Einstellungen bei Kindern und Jugendlichen fördern, in: Margit Raich/Harald Perchlaner/Hans H. Hinterhuber (Hrsg.), Entrepreneurial Leadership, Wiesbaden 2008, S. 280. Reiner Haseloff, Beitrag der Landespolitik zur unternehmerischen Selbstständigkeit, in: Reinhard Bader/Gerd Keiser/Tim Unger (Hrsg.), Entwicklung unternehmerischer Kompetenz in der Berufsausbildung. Hintergründe, Ziele und Prozesse berufspädagogischen Handelns, Bielefeld 2007, S. 30. Vgl. K. Westerfeld (Anm. 6), S. 60. Vgl. V. Döring (Anm. 2), S. 33. K. Westerfeld (Anm. 6), S. 60f. Vgl. ebd., S. 60. Vgl. R. Schulte (Anm. 5). Vgl. Ilona Ebbers/Claudia Krämer-Gerdes, Ein universitäres Qualifizierungsangebot, in: B. Remmele et al. (Anm. 4), S. 102. Birgit Weber, Eine Kultur der beruflichen und unternehmerischen Selbstständigkeit in der Lehrerausbildung. Konzeptionelle Überlegungen, in: dies. (Anm. 1), S. 103. Vgl. I. Ebbers/C. Krämer-Gerdes (Anm. 15), S. 101. Vgl. C. Fritsch et al. (Anm. 8), S. 282. Vgl. Günter Faltin, Unternehmerische Kompetenzen für die Zukunft, in: Bertelsmann Stiftung (Hrsg), Generation Unternehmer? Youth Entrepreneurship Education in Deutschland, Gütersloh 2009, S. 36. Vgl. Martina Josten/Marco von Elkan, Unternehmergeist in die Schulen?! Ergebnisse aus der Inmit-Studie zur Entrepreneurship Education-Projekten an deutschen Schulen, Niestetal 2010, S. 10f. Diese öffentlich geförderten Projekte wurden aufgrund der hohen Teilnehmerzahl und des bundesweiten Verbreitungsgrades sowie des inhaltlichen Bezugs zum Unternehmertum und zur Existenzgründung für die Studie ausgewählt. Vgl. ebd., S. 9. Vgl. ebd., S. 10f. Vgl. ebd., S. 22. Vgl. ebd., S. 24. Vgl. ebd., S. 37. Vgl. ebd., S. 36. B. Weber (Anm. 16), S. 163f. Vgl. C. Fritsch et al. (Anm. 8), S. 285. Vgl. Tim Unger, Bildungspolitischer und bildungsplanerischer Hintergrund, Ziele und Konzeption, in: Reinhard Bader/Jan Baier/Heinz-Paul Beek/Friedrich-Wilhelm Horst/Gerd Keiser/Reinhard Schulz (Hrsg.), Kultur unternehmerischer Selbstständigkeit in der Berufsbildung. Anregungen und Materialien zur Unterrichtsorganisation und Unterrichtsgestaltung, Bielefeld 2004, S. 19. Vgl. R. Gerbershagen (Anm. 1), S. 134.
Article
, Ilona Ebbers / , Rebekka Klein
2021-12-07T00:00:00
2011-10-06T00:00:00
2021-12-07T00:00:00
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/33418/kultur-der-unternehmerischen-selbststaendigkeit/
Das Unternehmerbild in Deutschland scheint bislang eher negativ konnotiert zu sein. Einer Veränderung dieser Sichtweise könnte schon in den Schulen Rechnung getragen werden.
[ "" ]
528
Kommentar: Der russisch-ukrainische Krieg und die Zukunft Europas | Russland-Analysen | bpb.de
Beim russisch-ukrainischen Krieg, der 2014 begann, handelt es sich um einen europäischen Krieg. Dies ist kein Krieg zwischen der ukrainischen und der russischen Regierung um die Kontrolle über ein bestimmtes Gebiet, wie es die europäische Presse und Diplomatie in den vergangenen acht Jahren oft darstellen wollte. Kyjiw und Moskau haben völlig unterschiedliche Ziele. Die Ukraine kämpft um ihr Überleben und das Recht, sowohl der Europäischen Union als auch der NATO beizutreten. Russland kämpft für das Recht, die Grenzen dieser beiden Organisationen und den Umfang der nationalen Souveränität der meisten ihrer Mitgliedstaaten festzulegen. Zum aktuellen Zeitpunkt bleibt der zukünftige Verlauf des Krieges ungewiss. Sicher ist nur, dass dies der letzte Krieg für die Ukraine, Russland und Europa in ihrem gegenwärtigen Zustand ist. Ich denke, dass es keinen Sinn mehr macht Ziele und Handlungen der russischen Führung im Rahmen der Logik der "Eskalation – Deeskalation" zu betrachten, wenn es nach den Kämpfen an der Zeit ist, die Ergebnisse zusammenzufassen, Verluste zu erfassen, und Erfolge zu konsolidieren. Tatsächlich benutzt Wladimir Putin Gewalt und Krieg, um seine Fehler und Fehleinschätzungen zu verbergen. Der Kreml erlitt eine Niederlage durch die ukrainische Revolution der Würde 2014 und versuchte, durch "hybride Interventionen" auf der Krim, im Donbas, in Charkiw und in Odesa einen Bürgerkrieg in der Ukraine zu provozieren. Der Ukraine gelang es jedoch zu überleben und ihren Weg weiter Richtung Europa fortzusetzen. Durch die Invasion am 24. Februar 2022 versuchte Putin, das Scheitern seiner Politik der letzten acht Jahre zu verbergen. Und jetzt, nach einer militärischen Katastrophe in der Ukraine, wird Europa vom Kreml offen mit Raketenangriffen, einem plötzlichen Stopp der Öl- und Gaslieferungen und schließlich dem Einsatz von Atomwaffen bedroht. War Putins Kalkül von Anfang an falsch? Schließlich sah sich die Ukraine 2014 der russischen Bedrohung allein gegenüber. Von den USA, die am meisten von der nuklearen Abrüstung der Ukraine in den Jahren 1991–1994 profitierten, wurde die erwartete Unterstützung nicht geleistet. Später, im Jahr 2016, räumte Präsident Obama aufrichtig ein, dass die Politik seiner Regierung auf der "Tatsache" basierte, dass die Ukraine für Russland "wichtiger" sei als für den Westen/Amerika. Mit anderen Worten haben die USA Russlands "Recht" auf die Kontrolle über die Ukraine anerkannt. So ist es nicht verwunderlich, dass die gleiche Meinung von wichtigen europäischen Staaten geteilt wurde, genauer gesagt von den Eliten, die damals an der Macht waren. Ich persönlich hatte die Gelegenheit, mich davon im Mai 2014 bei einem Gespräch mit der stellvertretenden Leiterin der Abteilung Außenpolitik im Kanzleramt von Bundeskanzlerin Angela Merkel zu überzeugen. Die direkte Frage, ob Deutschland Waffen an die Ukraine liefern würde, um sich vor einer russischen Aggression zu schützen, wurde verneint und erklärt, dass Russland die Ukraine nicht angreifen werde. Der Kreml mag gehofft haben, dass der Schock und die Unberechenbarkeit des Krieges Europa zwingen würden, seine Aggressionspolitik zu ignorieren und die Ukraine ihm zu überlassen. Die Berichte ukrainischer Diplomaten über Gespräche mit europäischen Politikern in den ersten Kriegsstunden beweisen, dass diese Hoffnungen nicht ganz falsch waren und offensichtlich nicht nur ein Produkt der Einbildung, sondern auch eine Folge von Putins Kommunikation mit führenden europäischen Politikern waren. Es ist durchaus möglich, dass dies der "Preis" war, den europäische Eliten bereit waren zu zahlen, damit die russische Aggression die Außengrenzen der NATO nicht überschreitet und eine Lücke für das Narrativ von Russlands "Zugehörigkeit zu Europa" offen lässt. Doch 2022 ist alles anders. So werden vor unseren Augen auf Kosten der großen und irreversiblen Verluste der Ukraine europäische Illusionen über Russlands "europäische Zugehörigkeit" zerstört. Das ist der größte Verlust für den Kreml, denn diese Illusionen wurden seit Jahrzehnten gehegt. Jetzt verwandelt sich dieser Kulturschock allmählich, aber unaufhaltsam in Widerstand gegen die politischen, wirtschaftlichen und militärischen Grundlagen des offenen und verdeckten russischen Einflusses und der Präsenz in Europa. Da der Krieg für uns Ukrainer nicht in Tagen gemessen wird, sondern in durch den Krieg zerstörtem Leben, ist es für uns schwer zu hören, wie europäische, insbesondere deutsche, österreichische und ungarische Politiker den Krieg in Euro, Prozentsätzen des BIP, Barrel Öl und Kubikmetern Gas messen. Vor dieser Invasion konnten jedoch die meisten anderen europäischen Politiker, beim Versuch den Weg zum Kreml zu ebnen, mit ihnen konkurrieren. Die gesamte Europäische Union ist dafür verantwortlich, dass bei Wladimir Putin den Eindruck entstand, dass das "goldene Zeitalter" des russischen Zarenreiches der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zurückkehrt, als Russland ein wichtiger Teil des "europäischen Konzerts" der Großmächte war und sogar über ein Vetorecht verfügte. Diese Ära endete für das Russische Reich mit der Katastrophe des Krimkriegs. Die Chimäre von Putins Imperium zerschellt am Widerstand der Verteidiger von Mariupol, Kyjiw, Charkiw, Sumy, Wosnesensk, Mykolayiv und Hunderten anderer ukrainischer Städte und Dörfer, in denen der Widerstand gegen die Invasoren andauert. Das Narrativ von "Russland in Europa" wurde angesichts der Gräber in Butscha zu einem Urteil über alle Politiker und Wissenschaftler, die es so hartnäckig vertreten und verteidigt hatten. Besonders kränkend ist, dass die Politiker jener Staaten, mit denen die Ukraine vom Spätmittelalter bis heute eng kulturell und wirtschaftlich verbunden ist, an diesen Illusionen festhalten. Im November 2021, als die Stiftung Demokratische Initiativen zusammen mit dem Institute for Central European Strategy eine Umfrage zur Wahrnehmung der Staaten Mitteleuropas durch die ukrainische Bevölkerung durchführte (Externer Link: https://dif.org.ua/en/article/ukraine-as-part-central-europe-what-ukrainians-think-about-it), belegten Deutschland und Österreich die vorderen Plätze. Der Respekt vor der deutschen Ordnung, der guten Organisation der Wirtschaft und des lokalen Lebens und die Dankbarkeit gegenüber den einfachen Deutschen, die jetzt ukrainische Flüchtlinge im Moment der größten Not aufgenommen haben, werden bestehen bleiben und gestärkt werden. Niemand in Kyjiw wird jedoch den Verrat vergessen, den deutsche, österreichische und ungarische Politiker an ihren eigenen "christlichen", "konservativen" und "sozialdemokratischen" Werten begangen haben, um dem Kreml zu gefallen. Berlin hat seine führende Rolle in Europa verloren und nicht nur in den Augen der Ukrainer. Somit stehen der EU schwierige Zeiten bevor. Es ist uns wichtig, nicht die Schwäche Deutschlands auszunutzen, sondern die Wege und Ziele aufzuzeigen, die Europa vereinen und Berlin eine Chance geben würden, sich für die Fehler der vergangenen 20 Jahre zu rehabilitieren. Die Ukrainer haben das Recht, Europa ein Projekt zur Vereinigung von NATO- und EU-Mechanismen vorzuschlagen. Die neue Staatenunion wird nur jene Länder umfassen, die sich bereit erklären, die Last der Verteidigung zu teilen und die Errungenschaften der wirtschaftlichen und technologischen Entwicklung zu teilen. Es ist sowohl schwierig als auch einfach. Es ist einfach, weil das Ziel bekannt ist: Nach den Schocks des Zweiten Weltkriegs schufen die Europäer Allianzen für einen gemeinsamen Markt und für Atomenergie, ein kollektives Sicherheitssystem, eine gemeinsame Währung und einen freien Raum für den Austausch von Menschen, Kapital und Wissen. Es ist schwierig, weil die neue russische Aggression bewiesen hat, dass die wirtschaftliche Entwicklung untrennbar mit Fragen der kollektiven Sicherheit verbunden ist und dass die Demokratie nicht durch Kompromisse mit autoritären und totalitären Regimen verteidigt werden kann. Während der zwei Kriegsmonate hat der Kreml angesichts starker westlicher Entscheidungen seine fehlende Bereitschaft und Unentschlossenheit gezeigt. Niemand in Russland glaubte, dass die Hälfte der Zentralbankreserven eingefroren und die Versorgung mit hochentwickelter Elektronik ganz eingestellt würde, wodurch nicht nur die zivile Luftfahrt, sondern auch viele Schlüsselunternehmen im militärisch-industriellen Komplex lahmgelegt wurden. Russische Truppen werden sich schnell aus der Ukraine zurückziehen, wenn die NATO die Einführung einer Flugverbotszone über der Ukraine ankündigt und beschließt, die Ukraine zusammen mit Schweden und Finnland in ihre Reihen aufzunehmen. Der Kreml wird seine Aggression stoppen müssen, um eine Niederlage durch die NATO auf dem Schlachtfeld in der Ukraine zu vermeiden. Dies garantiert nicht die Befreiung aller besetzten ukrainischen Gebiete, aber es gibt uns die Chance, den verheerenden Krieg zu beenden und Europa die Chance, eine Konfrontation mit Putin nach einem für ihn geeigneten Szenario zu vermeiden. Ein zukünftiges Nachkriegseuropa ist ohne einen Gerichtsprozess gegen russische Kriegsverbrecher kaum vorstellbar. Und dieses Gericht ist ohne allgemeine nukleare Abrüstung schwer vorstellbar. Warum brauchen wir Waffen für Angriff und Verteidigung, wenn die modernen Staaten durch tierische Angst gebunden sind und nicht in der Lage sind, das Gute vor dem Bösen zu schützen? Bedeutet nicht Putins Straflosigkeit, geschützt durch die Angst vor totaler Zerstörung, dass diese Zerstörung bereits vor unseren Augen stattfindet? Und dass es "nach Butscha" keine Schutzmaßnahmen gegen den nuklearen Winter gibt, außer der Entschlossenheit und dem Mut der Ukrainer, die den Kreml-Diktator herausfordern? Ich möchte hoffen, dass der Mut der Ukrainer im Bündnis mit den europäischen Nationen den Kontinent vor einer Katastrophe bewahren wird. Übersetzung aus dem Ukrainischen: Lina Pleines
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2023-06-30T00:00:00
2022-05-13T00:00:00
2023-06-30T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/europa/russland-analysen/nr-419/508283/kommentar-der-russisch-ukrainische-krieg-und-die-zukunft-europas/
Ein ukrainischer Experte analysiert Russlands Angriffskrieg mit seinen internationalen Folgen und entwirft die Vision eines neuen Europa.
[ "Russland", "Russland", "Russland", "Ukraine", "Ukraine", "Ukraine", "Russlands Angriffskrieg 2022" ]
529
Das Männerbild der Burschenschafter | Rechtsextremismus | bpb.de
"Die Haltung der meisten klassischen Männerverbindungen gegenüber Frauen könnte man in etwa wie folgt beschreiben, wollte man das poetisch tun: Frauen sind wie das Meer – wunderschön, manchmal aufregend und wild, manchmal beruhigend und sanft. Sie fordern uns heraus, sie zu ergründen, sie zu bereisen und sie zu erobern. Nur – wie auch das Meer – wollen wir sie auf Dauer nicht im Haus haben", schreibt der Sängerschafter Karsten Hohage in seinem Buch "Männer-WG mit Trinkzwang". Zwar ist die Bezugnahme auf das traditionelle und stereotype Klischee von der "Frau als Meer" keine besonders originelle Metapher, sie verweist aber auf einen zentralen Aspekt der klassischen Männerverbindungen: Diese bilden Männerbastionen, in der Frauen allenfalls als "schmückendes Beiwerk", als "Couleurdamen", die offiziell zu Tanzveranstaltungen oder anderen Festlichkeiten eingeladen werden, oder bei Sängerschaften mit gemischten Chören als "Chordamen" akzeptiert werden. Auf Dauer aber will man(n) sie "nicht im Haus", sprich: nicht als Mitglied haben. Das Männerbundprinzip gehört bei den Sängerschaften nach wie vor zu den fundamentalen Traditionsbestandteilen, an denen nicht gerüttelt werden darf. Den wenigen nichtschlagenden Verbindungen und Dachverbänden, die das Männerbundprinzip seit den 1960er/1970er-Jahren in Frage gestellt und in der Folge auch Studentinnen aufgenommen haben, begegnen viele überzeugte Männerbündler mit Verachtung. Korporierte Frauen in gemischten Verbindungen oder Studentinnen in Damenverbindungen werden sexistisch als "Tittenbuxen" bezeichnet. In den letzten Jahrzehnten waren es vor allem Burschenschaften und Burschenschafter aus dem Dachverband Deutsche Burschenschaft (DB), die durch rechtsextreme Aktivitäten für negative Schlagzeilen gesorgt haben. Seit 2011 haben insbesondere die auf der Internetplattform linksunten.indymedia.org veröffentlichten verbandsinternen Dokumente gezeigt, dass die ideologische und personelle Verankerung der extremen Rechten in der DB deutlich fortgeschrittener ist, als bislang angenommen worden war. Eine Folge der ausführlichen Berichterstattung und des damit verbundenen medialen Drucks war die rasante Beschleunigung eines schon Jahrzehnte zuvor begonnenen Erosionsprozesses des noch 1984 mit mehr als 25.000 Mitgliedern zweitgrößten und prominentesten korporationsstudentischen Dachverbands. Seit 1980 sind um die 100 Burschenschaften aus der DB ausgetreten. Derzeit (Stand: 10. Juli 2014) gehören ihr 67 aktive Burschenschaften an, 44 in Deutschland und 23 in Österreich. Die Zahl ihrer Mitglieder in den aktiven Burschenschaften und Altherrenschaften ist auf etwa 5.000 gesunken. Anders ausgedrückt: Die DB hat in den letzten 30 Jahren vier Fünftel ihrer Mitglieder verloren. Staatsangehörigkeit vs. "Volk" bei den deutschen Burschenschaften Der Verband begreift sich als explizit politisch, fakultativ schlagend und farbentragend. Seine Mitgliedsburschenschaften sind akademische Männerbünde mit Lebensbundprinzip, in denen nur "deutsche" Studenten Mitglied werden können. An der Frage, wer im Sinne des Art. 9 der Verfassung der Deutschen Burschenschaft (VerfDB) als "Deutscher" gelten kann und wer nicht, entzündete sich in den letzten Jahren eine heftige Kontroverse. In formaler Hinsicht ging es um die Interpretation des nicht erst seit 2011 kontrovers diskutierten sogenannten volkstumsbezogenen Vaterlandsbegriffs nach Art. 9 VerfDB. De facto geht es um die Frage, ob und, wenn ja, unter welchen Bedingungen die DB studierende deutsche und österreichische Staatsbürger mit Migrationshintergrund als "Deutsche" klassifiziert und damit als Mitglieder akzeptiert. Auf dem Burschentag 2013 wurde dieser Streit damit beendet, dass ein Antrag der Rostocker Burschenschaft Redaria-Allemannia, den Begriff "Abstammung" in Art. 9 VerfDB aufzunehmen, mit Drei-Viertel-Mehrheit angenommen wurde. Art. 9 VerfDB lautet jetzt: "Unter dem Volk versteht sie [die DB, d. Verf.] die Gemeinschaft, die durch gleiches geschichtliches Schicksal, gleiche Kultur, verwandtes Brauchtum, gleiche Sprache und gleiche Abstammung verbunden ist." Nachdem die DB mit Bezug auf den genannten Artikel bereits seit 1971 österreichische Staatsbürger als "Deutsche" klassifiziert und österreichische Burschenschaften als Mitglieder in den Verband aufgenommen hatte, haben sich nun 2013 diejenigen Kräfte durchgesetzt, die einigen deutschen Staatsangehörigen aufgrund völkischer Kriterien das "Deutsch-Sein" absprechen. Damit positionierte sich die DB unter anderem offensiv und eindeutig gegen §1 des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts, nach dem Deutscher ist, "wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt". Teutonische Virilität und "teutsche" Männlichkeit Das Männerbundprinzip wurde in der DB nie ernsthaft in Frage gestellt. Ihre Mitgliedsburschenschaften verorten sich allesamt in der Tradition der Jenaer Urburschenschschaft, welche 1815 im Gefolge der antinapoleonischen Kriege als bürgerlich-nationale Studentenvereinigung entstanden war. Die geschlechterpolitisch von Anfang an vor allem an den normativen Männlichkeitsentwürfen von Friedrich Ludwig Jahn und Karl Friedrich Friesen orientierten Burschenschaften haben sich an diesem Punkt gedanklich kaum weiter entwickelt. Immer wieder wurde seither auf "Volkstümlichkeit", "Vaterlandsliebe", "Ehre" und "Wehrhaftigkeit" als zentrale Elemente der anzustrebenden "teutonischen Virilität", der "teutschen Männlichkeit" zurückgegriffen und diese politisch je nach Gusto mit liberalen, konservativen oder aber rechtsextremen Ideen und Ideologieelementen verknüpft. Vor dem Hintergrund der nach wie vor dominierenden Vorstellung von der "Polarität der Geschlechter" verwundert es nicht, dass GenderMainstreaming in den Burschenschaftlichen Blättern (2010) als "direkter Angriff auf die Identität des Menschen", als "totalitär" und als "Gender-Schwindel" diffamiert wird. In dieser Lesart ist Gender-Mainstreaming keine Gerechtigkeitsfrage, sondern ein "Gleichschaltungsprozess" unter anderem "in der Meinungsfabrikationsanstalt 'Bundeszentrale für politische Bildung'", heißt es in der Verbandszeitschrift der DB. Letztlich sind die DB-Burschenschaften völkische "Integrations-, Symbol-, Bluts-, Ritual-, Hierarchisierungs- und Weltanschauungsgemeinschaften" deutscher und österreichischer Studenten, die im Inneren von einem differenzierten Geflecht aufeinander abgestimmter Rituale zusammengehalten werden, das über alle Generationengrenzen hinweg als sinn-, gemeinschafts- und identitätsstiftend wirkt. "Um im Leben seinen Mann zu stehen, so […] die Quintessenz dieser Tradition, muß man hart sein. Sowie man sich schwach zeigt, ist man verloren. Deshalb ist es gut, seine eigene Stärke zu zeigen. Wer eine Schwäche zeigt, verdient, daß man auf seinen Platz verweist." Sowohl das akademische Fechten als auch die Trinkrituale gelten als Erziehungsmittel, mit denen die neuen Mitglieder im Sinne der burschenschaftlichen Wertvorstellungen integriert und gewissermaßen neu erschaffen werden. Anders ausgedrückt: Man wird nicht als (DB-)Burschenschafter geboren, sondern dazu gemacht. Gleichzeitig zeigen die zahlreichen Austritte der letzten Jahrzehnte die Brüchigkeit der Traditionen und das von Beginn an ambivalente Verhältnis der Burschenschaften zur bürgerlichen Moderne. Während manche schon im 19. Jahrhundert für eine vergleichsweise radikale Überwindung vormoderner Traditionen plädierten, in denen unter anderem lokale Herkunft und sozialer Standort die Verbandszugehörigkeit bestimmt hatten, setzten sich andere für neue Inklusions- und Exklusionskriterien ein. Die Schaffung eines tatsächlich modernen bürgerlichen Gesellschafts- oder Vereinstypus, in dem Individuen verschiedener Herkunft sich freiwillig zur Verfolgung eines bestimmten Zwecks zusammenschließen, ohne den Anspruch, das Leben der Mitglieder umfassender zu regeln, ist den Burschenschaften letztlich – zumindest vorerst – missglückt. Sängerschaften sind ebenso wie Burschenschaften verbindungsstudentische Männerbünde. Ihre Ursprünge liegen in den Anfang des 19. Jahrhunderts entstandenen akademischen Gesangvereinen, die sich seit den 1860er-Jahren zu farbentragenden und fakultativ schlagenden studentischen Korporationen wandelten. Zusammengeschlossen sind die Sängerschaften im Dachverband Deutsche Sängerschaft Weimarer CC (DS), welcher als eigenständiger Verband dem Deutschen Chorverband (DCV) angehört.. Hohage, Karsten (2012): Männer-WG mit Trinkzwang. Wie ich in einer Verbindung landete und warum das gar nicht so schlimm war, Reinbek bei Hamburg. S. 96. Die DB ist einer von zirka 25 korporationsstudentischen Dachverbänden mit Rechtssitz in der Bundesrepublik Deutschland. Das sogenannte deutsche Korporationsstudententum umfasst rund 900 Einzelverbindungen mit mehr als 150.000 Mitgliedern in fast allen deutschen und österreichischen Hochschul- und Universitätsstädten sowie Verbindungen in Ungarn, Estland, Polen, Italien und der Schweiz, da einige der Dachverbände diese Verbindungen als "deutsche" begreifen (vgl. Kurth 2011: 281ff). Vgl. Heither, Dietrich/ Schäfer, Gerhard (1997): Im rechtsextremen Netzwerk – Burschenschaften seit den siebziger Jahren, in: Heither, Dietrich/ Gehler, Michael/ Kurth, Alexandra/ Schäfer, Gerhard: Blut und Paukboden. Eine Geschichte der Burschenschaften, Frankfurt am Main, S. 223–270. Hier: 223ff. Vgl. auch Kurth, Alexandra (2014): Wer "Deutscher" ist, bestimmt der Verband. Zur Debatte um die Mitgliedschaft in der Deutschen Burschenschaft, in: BdWi / fzs / GEW / ÖH / StuRa der FSU Jena (Hg.): Wissenschaft von Rechts. Rechte Ideologie, Theorie und Netzwerke an Hochschulen, S. 46–49. Hier: 46f. Vgl. anonym (2011a): Das interne Archiv der "Deutschen Burschenschaft", https://linksunten.indymedia.org/node/42899. Zugriff am 12.07.2014; anonym (2011b): Interne "Burschentag"-Dokumente geleakt! https://linksunten.indymedia.org/node/41598. Zugriff am 12.07.2014; anonym (2012): Leak: Tagungsunterlagen mit Anträgen der Deutschen Burschenschaft zum außerordentlichen Burschentag in Stuttgart, https://linksunten.indymedia.org/de/node/71883. Zugriff am 12.07.2014 Im Dezember 2011 wurde deshalb von einigen Burschenschaftern die Initiative Burschenschafter gegen Neonazis gegründet, die mittlerweile auf einem Internetblog sehr kritisch über rechtsextreme burschenschaftliche Aktivitäten berichtet (vgl. Becker 2012). Kai Schröder (2013) hat eine Liste der ausgetretenen Burschenschaften erstellt und aktualisiert sie fortlaufend. Das Lebensbundprinzip bedeutet, dass derjenige, der Vollmitglied (im Jargon des Verbandes "Bursche“) wird, schwört, dies ein Leben lang zu bleiben. Die Burschenschaft Redaria-Allemannia Rostock ist noch im gleichen Jahr, das heißt 2013, aus der DB ausgetreten. Kurth, Alexandra (2014): Wer "Deutscher" ist, bestimmt der Verband. Zur Debatte um die Mitgliedschaft in der Deutschen Burschenschaft, in: BdWi / fzs / GEW / ÖH / StuRa der FSU Jena (Hg.): Wissenschaft von Rechts. Rechte Ideologie, Theorie und Netzwerke an Hochschulen, S. 46–49. Hier: 46ff. Vgl. hierzu Hausen, Karin (1978): Die Polarisierung der "Geschlechtscharaktere". Eine Spiegelung der Dissoziation von Erwerbs- und Familienleben, in: Rosenbaum, Heide (Hg.): Seminar: Familie und Gesellschaftsstruktur, Frankfurt am Main, S. 161–191. Hier: 161ff. Vgl. Gehler, S. 187 in: Heither, Dietrich/ Gehler, Michael/ Kurth, Alexandra/ Schäfer, Gerhard: Blut und Paukboden. Eine Geschichte der Burschenschaften, Frankfurt am Main, 1997. Vgl. Elias, Norbert (1994: Studien über die Deutschen. Machtkämpfe und Habitusentwicklung im 19. und 20. Jahrhundert, hrsg. von Michael Schröter, 2. Aufl., Frankfurt am Main. Hier: 149f. Vgl. hierzu: Klein, Hans Joachim (1998): Vereine, in: Schäfers, Bernhard / Zapf, Wolfgang (Hrsg.): Handwörterbuch zur Gesellschaft Deutschlands, Opladen, S. 676-687. Hier S. 676 f.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2022-01-31T00:00:00
2014-11-28T00:00:00
2022-01-31T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/rechtsextremismus/dossier-rechtsextremismus/197057/das-maennerbild-der-burschenschafter/
Burschenschaften sind klassische Männerverbindungen. Vor allem die im Dachverband Deutsche Burschenschaften organisierten Verbände gelten als äußerst konservativ, einige als rechtsextrem. Ein "teutscher Mann", so ihr Männerbild, ist hart und ohne Sch
[ "Burschenschaft", "Männlichkeit", "Männerbund", "Rechtsextrem" ]
530
Editorial | Religiöse Minderheiten im Islam | bpb.de
Die Wiege des Christentums stand in Palästina. Der römische Kaiser Konstantin beendete im 4. Jahrhundert auch im Ostteil des Römischen Reichs die blutigen Christenverfolgungen. Bald wurde der aus dem Judentum hervorgegangene neue Glaube zur Staatsreligion. Nach der Entstehung des Islams im frühen 7. Jahrhundert begann die rasche Islamisierung einer bis dahin weithin christianisierten Welt im Nahen Osten sowie in Nordafrika. In den islamischen Ländern gerät das Christentum heute immer mehr unter Druck - durch wachsenden Fundamentalismus, den Zerfall staatlicher Gewalten und eine ungenügende Trennung von Religion und Staat. Im vom Krieg zerrissenen Irak kommt es verstärkt zu Gewaltausbrüchen gegen religiöse Minderheiten. Dabei wird unterstellt, Nichtmuslime stünden automatisch auf der Seite "des Westens" und der von den USA geführten Koalitionsstreitkräfte. In der säkularen, demokratischen Türkei dagegen gefährdet die Gleichsetzung von Nation und Religion die religiöse Vielfalt und erschwert die Annäherung des Landes an die Europäische Union. Die zunehmende Marginalisierung der Christen und die Politisierung konfessioneller Vielfalt behindern in vielen Ländern des Nahen Ostens die Weiterentwicklung zivilgesellschaftlicher Elemente. Christen, Juden und Andersreligiöse sehen immer häufiger in der Flucht den einzigen Ausweg. Doch je stärker die Auswandererbewegung von "Andersgläubigen" wird, desto geringer sind die Chancen für eine umfassende Modernisierung der islamischen Gesellschaften. Umso wichtiger wäre ein weltoffener, toleranter Umgang der christlich-jüdisch geprägten Mehrheitsgesellschaften Europas mit ihren muslimischen Minderheiten - als Beispiel für gelungene Integration.
Article
Golz, Hans-Georg
2021-12-07T00:00:00
2011-10-05T00:00:00
2021-12-07T00:00:00
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/31137/editorial/
In den islamischen Ländern gerät das Christentum unter Druck – durch Fundamentalismus, den Zerfall staatlicher Gewalten und eine ungenügende Trennung von Religion und Staat.
[ "" ]
531
Fachbücher | Infodienst Radikalisierungsprävention | bpb.de
Termine, Stellen, News, Materialien, Videos & Hintergrund-InfosNewsletter zu Radikalisierung & Prävention abonnieren Bleiben Sie auf dem Laufenden im Arbeitsfeld Radikalisierungsprävention! Termine, Stellen, News, Materialien, Videos & neue Hintergrund-Beiträge des Infodienst Radikalisierungsprävention – alle sechs Wochen per E-Mail. Interner Link: → Zum Newsletter-Abonnement 1. Radikalisierung und Prävention Klicken Sie auf die Titel, um zur Beschreibung zu gelangen. Interner Link: Islamische und migrantische Vereine in der Extremismusprävention. Erfahrungen, Herausforderungen und PerspektivenJens Ostwaldt, 2020 Interner Link: Aspekte von Radikalisierungsprozessen. Fallgestützte StudienForschungsnetzwerk Radikalisierung und Prävention, 2020 Interner Link: Handbuch ExtremismuspräventionHrsg.: Brahim Ben Slama, Uwe E. Kemmesies, 2020 Interner Link: Gesellschaft Extrem. Was wir über Radikalisierung wissenHrsg.: Christopher Daase, Nicole Deitelhoff, Julian Junk, 2019 Interner Link: Gewalt und RadikalitätHrsg.: Erich Marks, Helmut Fünfsinn, 2019 Interner Link: "Lasset uns in sha'a Allah ein Plan machen". Fallgestützte Analyse der Radikalisierung einer WhatsApp-GruppeMichael Kiefer, Jörg Hüttermann, Bacem Dziri, Rauf Ceylan, Viktoria Roth, Fabian Srowig, Andreas Zick, 2018 Interner Link: "Sie haben keinen Plan B". Radikalisierung, Ausreise, Rückkehr – zwischen Prävention und InterventionHrsg.: Jana Kärgel, 2017 Interner Link: Radikalisierungsprävention in der Praxis. Antworten der Zivilgesellschaft auf den gewaltbereiten NeosalafismusRauf Ceylan und Michael Kiefer, 2017 Interner Link: Jihadismus. Ideologie, Prävention und DeradikalisierungThomas Schmidinger, 2016 Islamische und migrantische Vereine in der Extremismusprävention. Erfahrungen, Herausforderungen und Perspektiven Jens Ostwaldt Islamische und migrantische Vereine gelten als mögliche Akteure in der Extremismusprävention. Sie befinden sich dabei in einem Spannungsfeld von gesellschaftlicher Erwartung auf der einen Seite und der Verantwortung gegenüber der eigenen Community auf der anderen Seite. Der Band bietet auf Grundlage einer bundesweiten qualitativen Interviewstudie konkrete Handlungsempfehlungen für die präventive Praxis und die politische Bildung. 5/2020 | Wochenschau Verlag | 384 Seiten | Broschur: 39,90 Euro | PDF: 31,99 Euro Zur Bestellung auf Externer Link: wochenschau-verlag.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Aspekte von Radikalisierungsprozessen. Fallgestützte Studien Forschungsnetzwerk Radikalisierung und Prävention Im ersten Teil des Sammelbandes werden die Begriffe Religion und Radikalisierung kritisch erörtert. Im zweiten Teil werden empirische Fallstudien zu den Social Media-Kanälen einer Gruppe jugendlicher Salafisten vorgestellt. Der dritte Teil schließt mit Vergleichsstudien zur Rolle islamistischer Bildmedien auf Facebook sowie zur Radikalisierungsprävention in Justizvollzugsanstalten. Das "Forschungsnetzwerk Radikalisierung und Prävention" vereinigt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universitäten Bielefeld und Osnabrück und betrachtet das Themenfeld aus islamwissenschaftlicher, soziologischer und theologischer Perspektive. 1/2020 | Institut für islamische Theologie | 220 Seiten | PDF: kostenfrei Zum kostenfreien Download auf Externer Link: repositorium.ub-uni-osnabruek.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Handbuch Extremismusprävention Hrsg.: Brahim Ben Slama, Uwe E. Kemmesies Das Handbuch Extremismusprävention informiert im ersten Teil über die Grundlagen verschiedener Phänomenbereiche, über Radikalisierungsprozesse sowie über unterschiedliche Ansätze der Evaluation. In einem Praxisteil werden verschiedene Aspekte der Umsetzung von Prävention aufgezeigt. Im dritten Teil geht es um gesamtgesellschaftliche Ansätze, wie zum Beispiel die Rolle von Moscheen oder der politischen Bildung in der Extremismusprävention. 2020 | Bundeskriminalamt | 755 Seiten | PDF: kostenfrei Zum kostenfreien Download auf Externer Link: bka.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Gesellschaft Extrem. Was wir über Radikalisierung wissen Hrsg.: Christopher Daase, Nicole Deitelhoff, Julian Junk Auf der rechten und linken Seite des politischen Spektrums, aber auch in religiösen Milieus radikalisieren sich Personen und stellen demokratische Werte und Institutionen infrage. Der Band gibt einen Überblick über die zentralen Aspekte dieses Phänomens: die Radikalisierung von Individuen, von Gruppen und von Gesellschaften, Deradikalisierung, Online- Radikalisierung und Präventionsmaßnahmen. Es werden zahlreiche Handlungsempfehlungen für Politik und Zivilgesellschaft formuliert. 8/2019 | campus Verlag | 295 Seiten | Kartoniert: 24,95 Euro | PDF: 22,99 Euro Zur Bestellung auf Externer Link: campus.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Gewalt und Radikalität Hrsg.: Erich Marks, Helmut Fünfsinn Der Deutsche Präventionstag hat einen Band mit Beiträgen zum 23. Deutschen Präventionstag veröffentlicht, der im Mai 2018 in Dresden stattfand. Darunter unter anderem folgende Themen: "Prävention im Bereich des religiös begründeten Extremismus", "Prävention von Radikalisierung in NRW-Justizvollzugsanstalten" sowie "Psychotherapeutische Beiträge zur Extremismus-Prävention". 8/2019 | Forum Verlag Godesberg | 420 Seiten | Paperback: 29,00 Euro | E-Book: 17,99 Euro | Download einzelner Beiträge: kostenfrei Zum kostenfreien Download der einzelnen Beiträge auf Externer Link: praeventionstag.de Zur Bestellung auf Externer Link: hugendubel.info Interner Link: Zum Anfang der Seite "Lasset uns in sha'a Allah ein Plan machen". Fallgestützte Analyse der Radikalisierung einer WhatsApp-Gruppe Michael Kiefer, Jörg Hüttermann, Bacem Dziri, Rauf Ceylan, Viktoria Roth, Fabian Srowig, Andreas Zick Die Forscherinnen und Forscher haben WhatsApp-Chat-Protokolle einer militanten, salafistischen Jugendgruppe ausgewertet. Diese bieten einen Einblick in die gruppeninterne Dynamik junger Salafisten und ermöglichen es, Radikalisierungsprozesse zu rekonstruieren. Ziel der Studie war es, die Protokolle aus einer interdisziplinären Perspektive zu analysieren und Handlungsempfehlungen zu formulieren. 6/2018 | Springer VS | 396 Seiten | Softcover: 37,99 Euro | PDF: 29,99 Euro Zur Bestellung auf Externer Link: springer.com Interner Link: Zum Anfang der Seite "Sie haben keinen Plan B". Radikalisierung, Ausreise, Rückkehr – zwischen Prävention und Intervention Hrsg.: Jana Kärgel Warum radikalisieren sich junge Menschen? Was macht islamistische Ideologien so attraktiv? Was kann man ihnen entgegensetzen? Fachleute aus der Präventionspraxis, der Wissenschaft und den Sicherheitsbehörden leuchten in dem Sammelband Möglichkeiten und Grenzen der Radikalisierungsprävention aus. 11/2017 | Bundeszentrale für politische Bildung | 412 Seiten | Print: 4,50 Euro Zur Bestellung auf Interner Link: bpb.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Radikalisierungsprävention in der Praxis. Antworten der Zivilgesellschaft auf den gewaltbereiten Neosalafismus Rauf Ceylan und Michael Kiefer Rauf Ceylan und Michael Kiefer analysieren in ihrem Praxishandbuch die vorhandenen Probleme und zeigen auf, welche Voraussetzungen für eine funktionierende Radikalisierungsprävention erfüllt sein müssen. Darüber hinaus bieten sie einen Überblick über die westeuropäische Präventionslandschaft und stellen wegweisende Konzepte und Initiativen vor. 8/2017 | Springer VS | 160 Seiten | Softcover: 49,99 Euro | PDF: 39,99 Euro Zur Bestellung auf Externer Link: springer.com Interner Link: Zum Anfang der Seite Jihadismus. Ideologie, Prävention und Deradikalisierung Thomas Schmidinger Das kompakte Buch ist als Einführung ins Thema gedacht. Es soll praktische Hinweise vermitteln für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren in Schule und Sozialarbeit sowie für Eltern, deren Kinder sich dschihadistischen Gruppen zuwenden. Das Buch basiert nicht nur auf einer politikwissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Thema, sondern auch auf der Beratungspraxis mit zahlreichen Jugendlichen und jungen Erwachsenen. 8/2016 | Mandelbaum Verlag | 126 Seiten | Broschur: 14,00 Euro Zur Bestellung auf Externer Link: mandelbaum.at Interner Link: Zum Anfang der Seite 2. Radikalisierung und Prävention im Internet Klicken Sie auf die Titel, um zur Beschreibung zu gelangen. Interner Link: Die Attraktion des Extremen. Radikalisierungsprävention im NetzHrsg.: Andrea Keller, Andreas Büsch, Sandra Bischoff, Gunter Geiger, 2021 Interner Link: Radikalisierung im Cyberspace. Die virtuelle Welt des Salafismus im deutschsprachigen InternetDr. Mahmud El-Wereny, 2020 Interner Link: Propaganda und Prävention Hrsg.: Josephine B. Schmitt, Julian Ernst, Diana Rieger. Hans-Joachim Roth, 2020 Interner Link: Digitale Medien und politisch-weltanschaulicher Extremismus im Jugendalter. Erkenntnisse aus Wissenschaft und PraxisHrsg.: Sally Hohnstein, Maruta Herding, 2017 Die Attraktion des Extremen. Radikalisierungsprävention im Netz Hrsg.: Andrea Keller, Andreas Büsch, Sandra Bischoff, Gunter Geiger Wie kann Bildungsarbeit auf die Anziehungskraft extremistischer Propaganda reagieren? Im Fokus des Bandes stehen Strategien zur Erregung von Aufmerksamkeit im Internet. Fachleute aus Praxis und Wissenschaft zeigen, wie Jugendhilfe, Polizei, Schule, Sozialarbeit und Medienpädagogik auf die daraus resultierenden Herausforderungen reagieren können. 2021 | Wochenschau Verlag | 96 Seiten | Print: 14,99 Euro | PDF: 13,99 Euro Zur Bestellung auf Externer Link: wochenschau-verlag.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Radikalisierung im Cyberspace. Die virtuelle Welt des Salafismus im deutschsprachigen Internet Dr. Mahmud El-Wereny Islamwissenschaftler Mahmud El-Wereny möchte mit seiner Forschung die Frage beantworten, ob die virtuelle Welt des Salafismus im deutschsprachigen Raum zur islamistischen Radikalisierung beiträgt. Er regt dazu an, Jugendliche für kritische Mediennutzung zu sensibilisieren sowie Alternativangebote zur salafistischen Propaganda zu schaffen. 10/2020 | transcript Verlag | 280 Seiten | Print: 60,00 Euro | PDF: 59,99 Euro Zur Bestellung auf Externer Link: transcript-verlag.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Propaganda und Prävention Hrsg.: Josephine B. Schmitt, Julian Ernst, Diana Rieger. Hans-Joachim Roth Der Sammelband stellt Fachkräften der Bildungsarbeit Unterrichtsmaterialien sowie Hintergrundinformationen zur Verfügung. Damit soll Medienkritikfähigkeit gefördert werden. Darüber hinaus möchte das Buch einen Beitrag leisten zum wissenschaftlichen Diskurs über Online-Propaganda, ihre Strategien, ihre Verbreitung und ihre Rezeption sowie über Gegenstrategien und -maßnahmen. Für das Buch arbeiteten unter anderem Fachleute aus der Wissenschaft sowie des Bundeskriminalamts, der Bundeszentrale für politische Bildung, von ufuq.de und von jugendschutz.net zusammen. 2020 | Springer VS | 655 Seiten | Softcover: 49,99 Euro | PDF: 39,99 Euro Zur Bestellung auf Externer Link: springer.com Interner Link: Zum Anfang der Seite Digitale Medien und politisch-weltanschaulicher Extremismus im Jugendalter. Erkenntnisse aus Wissenschaft und Praxis Hrsg.: Sally Hohnstein, Maruta Herding Im Sammelband werden Befunde zu derzeitigen Erscheinungsformen von Rechtsextremismus und (gewaltorientiertem) Islamismus im Kontext digitaler Medien vorgestellt. Außerdem bieten Praktikerinnen und Praktiker Einblicke in ihre Arbeit, Sie reflektieren, welche Anforderungen aus den rechtsextremen und islamistischen Aktivitäten im Netz für pädagogische Akteure entstehen. Und sie beschreiben, welche pädagogischen Gegenstrategien bislang erprobt werden. 2017 | DJI | 290 Seiten | PDF: kostenfrei Zum kostenfreien Download und zur kostenfreien Bestellung auf Externer Link: dji.de Interner Link: Zum Anfang der Seite 3. Salafismus, Dschihadismus und Terrorismus Klicken Sie auf die Titel, um zur Beschreibung zu gelangen. Interner Link: Zusammengehörigkeit, Genderaspekte und Jugendkultur im SalafismusUmut Akkus, Ahmet Toprak, Deniz Yilmaz, Vera Götting, 2020 Interner Link: Islamistischer Terrorismus. Analyse – Definitionen – TaktikStefan Goertz, 2019 Interner Link: Dschihadistinnen. Faszination MärtyrertodHassan Abu Hanieh und Mohammad Abu Rumman, 2018 Interner Link: Salafismus und Dschihadismus in Deutschland. Ursachen, Dynamiken, HandlungsempfehlungenHrsg.: Janusz Biene, Christopher Daase, Julian Junk, Harald Müller, 2016 Interner Link: Salafismus und Dschihadismus in DeutschlandHrsg.: Janusz Biene, Julian Junk, 2016 Interner Link: Hymnen des Jihads. Naschids im Kontext jihadistischer MobilisierungBehnam T. Said, 2016 Interner Link: Der Dschihad und der Nihilismus des WestensJürgen Manemann, 2015 Interner Link: Salafismus. Fundamentalistische Strömungen und RadikalisierungspräventionRauf Ceylan, Michael Kiefer, 2013 Zusammengehörigkeit, Genderaspekte und Jugendkultur im Salafismus Umut Akkus, Ahmet Toprak, Deniz Yilmaz, Vera Götting Warum fühlen sich Mädchen und junge Frauen einer restriktiven Ideologie zugehörig, die eine strenge Geschlechtertrennung praktiziert? Das Forschungsprojekt „Die jugendkulturelle Dimension des Salafismus aus der Genderperspektive" ist dieser Frage nachgegangen. Für das Projekt wurden Einzel- sowie Gruppeninterviews mit Jugendlichen im Alter von 14 bis 27 Jahren aus unterschiedlichen Städten in NRW durchgeführt. 2020 | Springer VS | 170 Seiten | Softcover: 37,99 Euro | PDF: 29,99 Euro Zur Bestellung auf Externer Link: springer.com Interner Link: Zum Anfang der Seite Islamistischer Terrorismus. Analyse – Definitionen – Taktik Stefan Goertz Stefan Goertz analysiert die sicherheitspolitischen Bedrohungen Islamismus, Salafismus und islamistischer Terrorismus und stellt diese anhand aktueller Beispiele dar. 6/2019 | C. F. Müller | 223 Seiten | Softcover: 27,00 Euro Zur Bestellung auf Externer Link: otto-schmidt.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Dschihadistinnen. Faszination Märtyrertod Hassan Abu Hanieh und Mohammad Abu Rumman Zahlreiche junge Frauen im Westen und in muslimischen Ländern gaben ihr bisheriges Leben auf, um sich dem sogenannten Islamischen Staat anzuschließen. Wie, wo und von wem wurden diese jungen Frauen rekrutiert? Welche psychologischen, kulturellen und sozialen Faktoren treiben sie an, sich dem Gedankengut einer dschihadistischen Organisation zu unterwerfen? Die Studie der jordanischen Islamismusexperten Hassan Abu Hanieh und Mohammad Abu Rumman basiert auf einer Analyse der „IS“-Ideologie und seines Frauenbildes sowie auf Statistiken und Quellen, die Auskunft über die Anzahl und den Werdegang von Dschihadistinnen geben. 8/2018 | Dietz Verlag | 304 Seiten | Broschur: 22,00 Euro | E-Book: 17,99 Euro Zur Bestellung auf Externer Link: dietz-verlag.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Salafismus und Dschihadismus in Deutschland. Ursachen, Dynamiken, Handlungsempfehlungen Hrsg.: Janusz Biene, Christopher Daase, Julian Junk, Harald Müller Der Band beleuchtet die organisatorischen Strukturen der salafistischen Bewegung in Deutschland sowie ihre transnationale Vernetzung. Wie rekrutieren die Bewegungen ihre Mitglieder? Und wie rechtfertigen sich insbesondere Dschihadisten? Die Autorinnen und Autoren bewerten laufende Präventions- und Deradikalisierungsmaßnahmen und schlagen eine Brücke zwischen Wissenschaft und Praxis. Dabei betrachten sie nicht nur sicherheitspolitische Fragen, sondern nehmen in interdisziplinärer Perspektive Salafismus und Dschihadismus auch als gesellschaftliche Herausforderung ernst. 12/2016 | campus Verlag | 301 Seiten | Kartoniert: 24,95 Euro | PDF: 22,99 Euro Zur Bestellung auf Externer Link: campus.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Salafismus und Dschihadismus in Deutschland Hrsg.: Janusz Biene, Julian Junk Der Sammelband enthält rund zwanzig Beiträge zu verschiedenen Aspekten des Phänomens, verfasst von Fachleuten aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft, Sicherheitsbehörden und Medien. Neben ideologischen Grundlagen der Bewegung werden unter anderem salafistische Narrative und anti-salafistische Gegennarrative thematisiert. Zudem geht es darum, aus welchen Gründen sich Individuen und Gruppen radikalisieren sowie um die Bedingungen erfolgreicher Präventions- und Deradikalisierungsarbeit. Die Beiträge sind im Dezember 2015 und Januar 2016 im Sicherheitspolitik-Blog erschienen. 2/2016 | Sicherheitspolitik-Blog | 164 Seiten | Softcover: 9,99 Euro | PDF: kostenfrei Zum kostenfreien PDF-Download auf Externer Link: publikationen.ub.uni-frankfurt.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Hymnen des Jihads. Naschids im Kontext jihadistischer Mobilisierung Behnam T. Said Aus Sicht von Behnam Said stellt ein enormer Korpus kriegstreiberischer Lieder den vielleicht bemerkenswertesten Ausdruck einer dschihadistischen Kultur dar. Diese wurden bislang so gut wie kaum erforscht, so dass viele Fragen zu den „Naschid" genannten Gesängen bislang offen blieben. Wo liegen die Anfänge dieser islamistisch-militanten Hymnen? Wie sind sie vor dem Hintergrund einer grundsätzlich kritischen bis ablehnenden Haltung der islamischen Gelehrsamkeit zur Musik zu verstehen? Welchen Beitrag leisten diese Lieder für den Dschihadismus und was erzählen sie uns über die Bewegung? 2016 | Ergon | 361 Seiten | Softcover: 48,00 Euro Zur Bestellung auf Externer Link: nomos-shop.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Der Dschihad und der Nihilismus des Westens Jürgen Manemann Warum übt der Dschihadismus auf junge Menschen in der westlichen Welt eine so große Faszination aus? Jürgen Manemann geht den Ursachen für diese Anziehungskraft auf den Grund, indem er den Blick auf die kulturellen Krisen westlicher Gesellschaften richtet: auf Gefühle der Leere, der Sinn- und Hoffnungslosigkeit und ihre Folgen – in Form von Resignation, Ressentiment und Zynismus. Der Dschihadismus präsentiert sich als Gegenmittel. Er wirkt jedoch krisenverschärfend, da er die Unfähigkeit verstärkt, das Leben zu bejahen. Er produziert Empathieunfähigkeit, Hass und blinde Gewalt. Aus Sicht des Autors müssen die westlichen Gesellschaften Gegenkräfte entwickeln, indem sie eine konsequente Politik der Anerkennung und der Leidempfindlichkeit verfolgen und so den Sinn für eine Kultur der Humanität wieder stärken. 10/2015 | transcript Verlag | 136 Seiten | Taschenbuch: 14,99 Euro | PDF: 12,99 Euro Zur Bestellung auf Externer Link: transcript-verlag.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Salafismus. Fundamentalistische Strömungen und Radikalisierungsprävention Rauf Ceylan, Michael Kiefer Der Band möchte einen kompakten Überblick über die historischen Wurzeln und die politisch-theologischen Ideologien des Neo-Salafismus geben. Als zweiter Themenschwerpunkt werden spezifische Präventionsmaßnahmen für den islamischen Religionsunterricht, für die Jugend- und Gemeindearbeit vorgestellt und kritisch eingeordnet sowie auf die Defizite in den unterschiedlichen Handlungsfeldern der Präventionsarbeit hingewiesen. 2013 | Springer VS | 168 Seiten | Softcover: 37,99 Euro | E-Book: 13,48 Euro Zur Bestellung auf Externer Link: springer.com Interner Link: Zum Anfang der Seite 4. Soziale Arbeit, Kinder- & Jugendarbeit, Pädagogik Klicken Sie auf die Titel, um zur Beschreibung zu gelangen. Interner Link: Offene Kinder- und Jugendarbeit im Kontext des Salafismus. Soziale Arbeit und RadikalisierungspräventionDavid Yuzva Clement, 2020 Interner Link: Konflikte, Radikalisierung, Gewalt. Hintergründe, Entwicklungen und Handlungsstrategien in Schule und Sozialer ArbeitRainer Kilb, 2020 Interner Link: Religion in der pädagogischen Auseinandersetzung mit islamistischem ExtremismusHrsg.: Joachim Langner, Maruta Herding, Sally Honstein, Björn Milbradt, 2020 Interner Link: Jugendextremismus als Herausforderung der Sozialen Arbeit. Eine vergleichende Analyse vom jugendlichen Rechtsextremismus und IslamismusMehmet Koc, 2019 Interner Link: Gewaltorientierter Islamismus im Jugendalter. Perspektiven aus Jugendforschung und JugendhilfeHrsg.: Michaela Glaser, Anja Frank, Maruta Herding, 2018 Interner Link: Glaubensfreiheit versus Kindeswohl. Familienrechtliche Konflikte im Kontext religiöser und weltanschaulicher GemeinschaftenAnja Gollan, Sabine Riede, Stefan Schlang, 2018 Interner Link: Islamismus als pädagogische HerausforderungKurt Edler, 2017 Interner Link: Salafismus in Deutschland. Jugendkulturelle Aspekte, pädagogische PerspektivenHrsg.: Ahmet Toprak, Gerrit Weitzel, 2017 Interner Link: Demokratische ResilienzKurt Edler, 2017 Interner Link: Radikaler Islam im JugendalterHrsg.: Maruta Herding, 2013 Offene Kinder- und Jugendarbeit im Kontext des Salafismus. Soziale Arbeit und Radikalisierungsprävention David Yuzva Clement In dem Band geht es darum, wie pädagogische Fachkräfte Jugendlichen helfen können, konstruierte Unterschiedlichkeitsbilder zu hinterfragen. Weiterhin geht es darum, wie sich pädagogische Fachkräfte in der offenen Kinder- und Jugendarbeit mit Hinwendungsprozessen von Jugendlichen zum Salafismus auseinandersetzen können. 6/2020 | Springer VS | 488 Seiten | Softcover: 54,99 Euro | PDF: 42,99 Euro Zur Bestellung auf Externer Link: springer.com Interner Link: Zum Anfang der Seite Konflikte, Radikalisierung, Gewalt. Hintergründe, Entwicklungen und Handlungsstrategien in Schule und Sozialer Arbeit Rainer Kilb Rainer Kilb betrachtet Konflikte, Radikalisierung und Gewalt zunächst getrennt, um Unterschiede und Gemeinsamkeiten abzugrenzen. Anschießend setzt er sie in Beziehung zueinander, um ausgewählte Handlungsansätze und Strategien im Umgang mit ihnen zu analysieren. Daraus leitet Kilb Ansätze zur Beilegung von Konflikten sowie zur Prävention von Radikalisierung und Gewalt ab. 05/2020 | Beltz Verlag | 339 Seiten | Broschur: 24,95 Euro | PDF: 22,99 Euro Zur Bestellung auf Externer Link: beltz.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Religion in der pädagogischen Auseinandersetzung mit islamistischem Extremismus Hrsg.: Joachim Langner, Maruta Herding, Sally Honstein, Björn Milbradt Die Autorinnen und Autoren diskutieren, welche Rolle Religion in Hinwendungs- und Radikalisierungsprozessen spielt und wie Religion in der Prävention und in der Distanzierungsarbeit eingesetzt werden kann. Dazu werden Forschungsergebnisse dargestellt, die das Deutsche Jugendinstitut in den Projekten „Arbeits- und Forschungsstelle Demokratieförderung und Extremismusprävention“ (AFS) und „Programmevaluation Demokratie Leben!“ gewonnen hat. 2020 | DJI | 176 Seiten | PDF: kostenfrei Zum kostenfreien Download und zur kostenfreien Bestellung auf Externer Link: dji.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Jugendextremismus als Herausforderung der Sozialen Arbeit. Eine vergleichende Analyse vom jugendlichen Rechtsextremismus und Islamismus Mehmet Koc Mehmet Koc führt eine vergleichende Analyse von jugendlichem Rechtsextremismus und Islamismus durch. Er zeigt auf, welchen Herausforderungen die Soziale Arbeit ausgesetzt ist und wie diese fachlich bearbeitet werden können. 2019 | Tectum Verlag | 114 Seiten | Broschur: 32,00 Euro | E-Book: 25,99 Euro Zur Bestellung auf Externer Link: nomos-shop.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Gewaltorientierter Islamismus im Jugendalter. Perspektiven aus Jugendforschung und Jugendhilfe Hrsg.: Michaela Glaser, Anja Frank, Maruta Herding Der Sammelband kombiniert Erkenntnisse aus der Jugendforschung mit Erfahrungen der sozialen und pädagogischen Praxis. Aus jugend- und jugendhilfeorientierter Perspektive werden Forschungsbefunde zu Hintergründen und Motiven von Jugendlichen diskutiert, die sich islamistisch-extremistischen Angeboten zuwenden. Zudem werden die Erfahrungen und Herausforderungen der sozialen und pädagogischen Arbeit mit diesen Jugendlichen aufgezeigt. Die Beiträge konzentrieren sich auf praxisrelevante Erklärungsansätze zum Phänomen sowie auf Ansatzpunkte für fachliches Handeln. 9/2018 | Beltz Verlag | 168 Seiten | Print: 24,95 Euro | PDF: 22,99 Euro Zur Bestellung auf Externer Link: beltz.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Glaubensfreiheit versus Kindeswohl. Familienrechtliche Konflikte im Kontext religiöser und weltanschaulicher Gemeinschaften Anja Gollan, Sabine Riede, Stefan Schlang Die Publikation greift das Thema „Glaubensfreiheit versus Kindeswohl“ aus zwei Perspektiven auf: der juristischen und der pädagogischen. Im ersten Teil werden die rechtlichen Grundlagen dargestellt und anhand konkreter Gerichtsentscheidungen erläutert. Der zweite Teil behandelt religiös-weltanschaulich geprägte Erziehungskonzepte und -praktiken, die zu einer Kindeswohlgefährdung führen können. 2018 | AJS NRW & Sekten-Info Nordrhein-Westfalen e. V. | 128 Seiten | Print: 14,50 Euro Zur Bestellung auf Externer Link: ajs.nrw Interner Link: Zum Anfang der Seite Islamismus als pädagogische Herausforderung Kurt Edler Was kann die Schule tun, wie können Eltern und Lehrkräfte reagieren, wenn sich Schülerinnen und Schüler radikal gegen unsere Gesellschaft und Verfassung bekennen? Wenn sie Sympathie für den Terrorkrieg des „Islamischen Staats" äußern? Kurt Edler bietet Fallbeispiele, praktische Tipps und Erfahrungswissen aus seiner Zusammenarbeit mit Schulleitungen, Verfassungsschutz, polizeilichem Staatsschutz, Jugendarbeit, muslimischen Verbänden sowie Fachkräften der interkulturellen Bildung und Gewaltprävention. 2017 | Kohlhammer Verlag | 114 Seiten | Kartoniert: 24,00 Euro | PDF: 21,99 Euro Zur Bestellung auf Externer Link: kohlhammer.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Salafismus in Deutschland. Jugendkulturelle Aspekte, pädagogische Perspektiven Hrsg.: Ahmet Toprak, Gerrit Weitzel In den Texten des Sammelbandes wird Salafismus als Phänomen einer Jugendkultur untersucht. Zunächst werden die theologisch-historischen Hintergründe des Salafismus beschrieben. Die Texte im zweiten Teil befassen sich mit der Attraktivität dieser Jugendkultur sowie ihren medialen und subkulturellen Mustern. Im dritten Abschnitt werden schließlich Prävention und Deradikalisierung in den Fokus genommen. Das Buch wendet sich an Fachkräfte aus der Religions- und Sozialpädagogik, Jugendforscher und -forscherinnen sowie Personen, die in der Jugendhilfe tätig sind. 2017 | Springer VS | 194 Seiten | PDF: 29,99 Euro Zur Bestellung auf Externer Link: springer.com Interner Link: Zum Anfang der Seite Demokratische Resilienz Kurt Edler Kann sich schon beim Kind eine Widerstandsfähigkeit gegen Radikalisierung entwickeln? Diese Frage beantwortet der frühere Pädagoge und Lehrerfortbildner Kurt Edler vor dem Hintergrund der Bedrohung von Menschenrechten und Demokratie. Er skizziert in aller Kürze die vorpolitischen Formen der Beeinflussung und greift auf seine langjährigen Erfahrungen in der Extremismusprävention zurück, um daraus Handlungsempfehlungen für eine grundrechtsklare pädagogische Praxis abzuleiten. 2017 | Wochenschau Verlag | 48 Seiten | Print: 9,80 Euro | PDF: 9,80 Euro Zur Bestellung auf Externer Link: wochenschau-verlag.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Radikaler Islam im Jugendalter Hrsg.: Maruta Herding Der Sammelband dokumentiert die Ergebnisse eines Expertenhearings, das das Deutsche Jugendinstitut im Jahr 2012 veranstaltet hat. Die Autorinnen und Autoren gehen auf Erscheinungsformen und ursächliche Erklärungsmuster für radikalen Islam bei Jugendlichen ein oder befassen sich mit dem gesellschaftlichen Kontext von Radikalisierungsprozessen. Zudem wird das Phänomen in wissenschaftliche und öffentliche Debatten eingeordnet. Konkret geht es in den einzelnen Beiträgen um den Stand der Forschung im Themenfeld, Migrationshintergrund und biografische Belastungen, die Bedeutung der Jugendphase, Frauen in dschihadistischen Strukturen, das niederländische Hofstad-Netzwerk, britische Identitätspolitik, Auswirkungen von Terrorismusverdacht und um den Gesichtsschleier in Europa. 2013 | DJI | 176 Seiten | PDF: kostenfrei Zum kostenfreien Download und zur kostenfreien Bestellung auf Externer Link: dji.de Interner Link: Zum Anfang der Seite 5. Politische Bildung & Anti-Diskriminierungsarbeit Klicken Sie auf die Titel, um zur Beschreibung zu gelangen. Interner Link: Politische Bildung im Jugendstrafvollzug. Angebote, Bedarfe und LeerstellenJens Borchert, Maren Jütz, Diana Beyer, 2020 Interner Link: Politische Bildung im Kontext von Islam und IslamismusHrsg.: Stefan E. Hößl, Lobna Jamal, Frank Schellenberg, 2020 Interner Link: Das Religiöse ist politisch: Plädoyer für eine religionssensible politische BildungHrsg.: Siegfried Grillmeyer, Karl Weber, 2019 Politische Bildung im Jugendstrafvollzug. Angebote, Bedarfe und Leerstellen Jens Borchert, Maren Jütz, Diana Beyer Die Studie untersucht Chancen, Voraussetzungen und Herausforderungen für politische Bildung im Jugendstrafvollzug. Sie nimmt sowohl die Lernenden als auch die Lehrenden in den Blick und geht der Frage nach, wie politische Bildung im Strafvollzug dazu beitragen kann, dass das Leben nach der Haft gelingt. 09/2020 | Beltz Verlag | 220 Seiten | Broschiert: 29,95 Euro | PDF: 27,99 Euro Zur Bestellung auf Externer Link: beltz.de Auch erhältlich in der Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung | Print: 4,50 Euro Zur Bestellung auf Interner Link: bpb.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Politische Bildung im Kontext von Islam und Islamismus Hrsg.: Stefan E. Hößl, Lobna Jamal, Frank Schellenberg Der Sammelband beschäftigt sich mit kontrovers diskutierten Fragen zu politischer Bildung im Kontext von Islam und Islamismus sowie antimuslimischem Rassismus. Auch die Vielfalt muslimischer Lebenswelten und identitätsbezogener Entwürfe sowie die Gefahren von Stigmatisierungen werden beleuchtet. 8/2020 | Bundeszentrale für politische Bildung | 432 Seiten | Print: 4,50 Euro Zur Bestellung auf Interner Link: bpb.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Das Religiöse ist politisch: Plädoyer für eine religionssensible politische Bildung Hrsg.: Siegfried Grillmeyer, Karl Weber Religiöse Vielfalt wird in der öffentlichen Diskussion immer wieder als Erklärung für gesellschaftliche Konflikte instrumentalisiert. Religiöse Einstellungen und der Umgang mit religiöser Vielfalt sind auch für junge Menschen Thema. Der Sammelband, der von Siegfried Grillmeyer und Karl Weber herausgegeben wurde, nimmt Bezug auf aktuelle Studien, begründet die Notwendigkeit einer religionssensiblen politischen Bildung und erörtert konkrete Perspektiven für die politische Bildungspraxis. 2/2019 | Echter Verlag | 120 Seiten | Broschur: 5,00 Euro Zur Bestellung auf Externer Link: echter.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Infodienst RadikalisierungspräventionMehr Infos zu Radikalisierung, Prävention & Islamismus Das Online-Portal Infodienst Radikalisierungsprävention der bpb bietet Hintergrundwissen, pädagogische Materialien, einen Newsletter und eine Übersicht mit Beratungsangeboten. Interner Link: → Zur Infodienst-Startseite Bleiben Sie auf dem Laufenden im Arbeitsfeld Radikalisierungsprävention! Termine, Stellen, News, Materialien, Videos & neue Hintergrund-Beiträge des Infodienst Radikalisierungsprävention – alle sechs Wochen per E-Mail. Interner Link: → Zum Newsletter-Abonnement Das Online-Portal Infodienst Radikalisierungsprävention der bpb bietet Hintergrundwissen, pädagogische Materialien, einen Newsletter und eine Übersicht mit Beratungsangeboten. Interner Link: → Zur Infodienst-Startseite
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2023-07-19T00:00:00
2021-08-04T00:00:00
2023-07-19T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/infodienst/337739/fachbuecher/
Für Fachleute: Was wissen wir über Radikalisierungsprozesse? Wie kann Präventionsarbeit gelingen? Welche Rolle spielt das Internet? Was kennzeichnet Islamismus, Salafismus und Dschihadismus?
[ "Radikalisierung", "Literatur", "Islamismus", "Extremismus", "Salafismus", "Dschihadismus", "Fachliteratur Extremismus", "Fachbücher", "Präventionsarbeit", "Prävention" ]
532
Meinungsaustausch mal anders – "Kopfstand" statt Aufstand und eskalierende Wortgefechte | 14. Bundeskongress politische Bildung 2019 | bpb.de
Beschreibung "Ende der Diskussion!" Oft genug wird eine Diskussion mit diesen Worten unzufrieden abgebrochen, statt zufrieden abgeschlossen. Keine Seltenheit sind Meinungsverschiedenheiten, die nicht sachlich ausgetauscht werden, hochkochende Emotionen und Lager, die sich durch unterschiedliche Sichtweisen und festgefahrene Haltungen gebildet haben. Doch gerade in einer Demokratie will eine gute Diskussionskultur gelernt sein. Der Workshop lädt in Form einer Dilemma-Diskussion zu einem "Kopfstand", einem Perspektivenwechsel, ein, der vieles auf den Kopf stellt und von einer anderen Seite betrachtet. Eben – Raus aus der Schublade! Heraus aus "Schubladen", in die wir von anderen gesteckt werden und auch raus aus denen, in die wir oft genug andere stecken. Träger/Institution/Anbieter Externer Link: Sächsische Landeszentrale für politische Bildung Workshopleitung Sieglinde Eichert Zeit Fr, 08.03.2019 15.00 – 17.00 Uhr Format Diskussion Veranstaltungsort VHS Leipzig Löhrstraße 3-7 04105 Leipzig Raum 410 Wegbeschreibung Zu Fuß 300 m (ca. 4 Min.) Rechts abbiegen auf Pfaffendorfer Str. (35 m) Links abbiegen auf Parthenstraße (130 m) Rechts abbiegen auf Löhrstraße (140 m) Das Ziel befindet sich auf der rechten Seite.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2021-06-23T00:00:00
2019-02-05T00:00:00
2021-06-23T00:00:00
https://www.bpb.de/veranstaltungen/reihen/bundeskongress-politische-bildung/285237/meinungsaustausch-mal-anders-kopfstand-statt-aufstand-und-eskalierende-wortgefechte/
Gerade in einer Demokratie will eine gute Diskussionskultur gelernt sein. Der Workshop lädt in Form einer Dilemma-Diskussion zu einem "Kopfstand" – einem Perspektivenwechsel – ein, der vieles auf den Kopf stellt und von einer anderen Seite betrachtet
[ "14. Bundeskongress Politische Bildung", "BuKo 2019", "Workshop", "Dilemmadiskussion" ]
533
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN | Landtagswahl Sachsen-Anhalt 2021 | bpb.de
Gründungsjahr Landesverband 1993* Mitgliederzahl in Sachsen-Anhalt 1.135* Landesvorsitz Susan Sziborra-Seidlitz, Sebastian Striegelt* Wahlergebnis 2016 5,2 Prozent *nach Angaben der Partei Vorläufer von "BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN" (GRÜNE) in Sachsen-Anhalt waren einerseits die bereits im November 1989 in der DDR gegründete Grüne Partei und andererseits die Partei Bündnis 90, die sich 1991 aus Teilen des Neuen Forums und anderen Bürgerbewegungen gebildet hatte. 1993 erfolgte der Zusammenschluss von Bündnis 90 und den Grünen sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene. Bei der ersten Landtagswahl in Sachsen-Anhalt 1990 schafften die Grünen dank der Bildung einer Listenverbindung mit dem Neuen Forum den Einzug in den Landtag. Nach der Landtagswahl 1994 waren die GRÜNEN an der Minderheitsregierungskoalition unter SPD-Führung beteiligt. Bei den folgenden drei Landtagswahlen scheiterten sie an der Fünfprozenthürde. Nach der Wahl 2011 zog die Partei wieder in den Landtag ein. Seit der Landtagswahl 2016 ist sie als kleinste Koalitionspartei neben CDU und SPD an der Landesregierung beteiligt. Gemäß ihrer Entstehung aus den Umwelt-, Anti-Atomkraft-, Friedens- und Frauenbewegungen in den 1970er Jahren in Westdeutschland sind Umweltpolitik, Nachhaltigkeit, Selbstbestimmung, Gerechtigkeit und Demokratie inhaltliche Schwerpunkte der GRÜNEN. Sie verstehen sich sowohl wirtschafts- als auch gesellschaftspolitisch als eine linke Partei, die sich für die Entfaltung unterschiedlicher Lebensstile und die aktive Steuerung der Wirtschaft einsetzt. Insbesondere mit den Themen Klimaschutz und Sicherung der Demokratie wollen die GRÜNEN in Sachsen-Anhalt Regierungsverantwortung übernehmen. Das Motto des Wahlprogramms lautet "Mut macht Morgen". Demnach wollen die GRÜNEN Sachsen-Anhalt bis 2035 klimaneutral machen. Außerdem setzen sie sich für eine demokratische Zivilgesellschaft sowie die Stärkung der Sicherheitsbehörden ein, um Rechtsextremismus und alle Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zu bekämpfen. Weitere Forderungen gehen dahin, die Digitalisierung mit der Gründung eines eigenen Ministeriums voranzubringen, den ländlichen Raum wieder besser anzubinden und das Wahlalter bei Kommunal- und Landtagswahlen auf 14 Jahre zu senken. Spitzenkandidatin bei der Landtagswahl 2021 ist die Landesfraktionsvorsitzende Cornelia Lüddemann, die seit 2011 Abgeordnete des Landtags ist. Auf Platz zwei folgt der Co-Landesvorsitzende Sebastian Striegel. Unter den 20 nominierten Listenkandidatinnen und -kandidaten sind zwölf Frauen. Gründungsjahr Landesverband 1993* Mitgliederzahl in Sachsen-Anhalt 1.135* Landesvorsitz Susan Sziborra-Seidlitz, Sebastian Striegelt* Wahlergebnis 2016 5,2 Prozent *nach Angaben der Partei
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2021-05-12T00:00:00
2021-05-04T00:00:00
2021-05-12T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/parteien/wer-steht-zur-wahl/sachsen-anhalt-2021/332494/buendnis-90-die-gruenen/
Die GRÜNEN sind 1993 aus dem Zusammenschluss von Parteien der DDR-Bürgerbewegung mit der Grünen Partei entstanden. Umweltpolitik, Nachhaltigkeit, Selbstbestimmung, Gerechtigkeit und Demokratie sind ihre inhaltlichen Schwerpunkte. Die Partei ist der k
[ "Wahlen", "Wahl-O-Mat", "Wer steht zur Wahl", "Landtagswahl Sachsen-Anhalt 2021", "BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN", "Grüne" ]
534
Die Zukunft der sozialen Marktwirtschaft | Presse | bpb.de
Die Zukunft der sozialen Marktwirtschaft steht heute auf der Agenda der politischen Themen ganz oben an. Die Friedrich-Naumann-Stiftung und die Bundeszentrale für politische Bildung/bpb widmen sich deshalb in einem Kongress dem Ziel, Zukunfts-Szenarien für gesellschaftliche und private Lebensentwürfe, Ausbildung, Erwerbsleben und Alter zu entwickeln. Zwei Tage lang wird in Potsdam über neue Anforderungen an Eigenverantwortung, Reformen und Wettbewerb diskutiert. Auch die Unterschiede zwischen den parteipolitischen Konzepten sollen deutlich gemacht werden. Namhafte Experten und Expertinnen kommen zu Wort. Im Mittelpunkt stehen jedoch die Ideen der 150 Teilnehmenden - aus ganz Deutschland. Unter der Leitung von Prof. Dr. Olaf-Axel Burow von der Kasseler Universität werden sie im Open-Space-Verfahren aufgefordert, Strategien und Konzepte für ein zukünftiges Bildungssystem, den Arbeitsmarkt und die Alterssicherung zu entwickeln. Thomas Krüger, Präsident der bpb, und Rolf Berndt, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Friedrich-Naumann-Stiftung, eröffnen die Konferenz am 21. November um 17.00 Uhr. Im Anschluss daran werden sechs Expertinnen und Experten über grundlegende Entwicklungen informieren und ihre Vorstellungen zur Reform des ökonomischen und sozialen Systems erläutern. Teilnehmerin und Teilnehmer: Daniel Dettling, Vorstandsvorsitzender berlinpolis.de Dipl. Ing. Axel Eggers, Telekom Training Center Dr. Gerhard Kühlewind, Direktor des Institutes für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit Dipl. Soz. Brigitte Loose, Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Dr. Jürgen Schupp, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Berlin Dr. Tim Stuchtey, Leiter Strategische Planung der Humboldt Universität zu Berlin Die von allen erarbeiteten Ergebnisse der Konferenz werden bei der Abschlussveranstaltung am 22. November um 16.00 Uhr vorgestellt. Das Kölner Playback-Theater "Lamäng" wird unter der Regie von Jean Lunny die Eindrücke aller Mitwirkenden am Ende der Konferenz szenisch darstellen. Tagungsort: Dorint Hotel, Jägerallee 20, 14469 Potsdam Pressekontakt Friedrich-Naumann-Stiftung: Kirstin Balke Truman-Haus Karl-Marx-Str. 2 14482 Potsdam Tel +49 (0)331 7019-277 Fax +49 (0)331 7019-286 E-mail: E-Mail Link: kirstin.balke@fnst.org Internet: Externer Link: Friedrich-Naumann-Stiftung Pressekontakt Bundeszentrale für politische Bildung: Swantje Schütz Berliner Freiheit 7 53111 Bonn Tel: +49 228 99515-284 Fax: +49 228 99515-293 E-mail: E-Mail Link: schuetz@bpb.de
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2021-06-23T00:00:00
2011-12-23T00:00:00
2021-06-23T00:00:00
https://www.bpb.de/die-bpb/presse/pressemitteilungen/50984/die-zukunft-der-sozialen-marktwirtschaft/
Vom 21. bis zum 22. November findet in Potsdam eine Konferenz zum Thema "Die Zukunft der sozialen Marktwirtschaft" statt. Die Bundeszentrale für politische Bildung und die Friedrich-Naumann-Stiftung entwerfen in Zusammenarbeit mit namhaften Expertinn
[ "Unbekannt (5273)" ]
535
Unterrichtseinheit 2.6: Der Säureteich | VorBild – Politische Bildung für Förderschulen und inklusive Schulen | bpb.de
Benötigtes Material einfache Schnüre oder Bindfäden (Länge ca. 20 m) ein stabiles Seil, das eine Person tragen kann (Länge ca. 15 m) ein Plüschtier o. Ä. Tücher zum Verbinden der Augen Vorbereitung Mit Hilfe von Schnüren wird in der Nähe eines Baumes oder eines Mastes ein Areal mit einem Durchmesser von ca. 10 m abgegrenzt. Dieses Areal soll einen "Säureteich" darstellen. In der Mitte des Teiches wird ein kleiner Bereich als Insel gekennzeichnet, auf der z. B. ein Plüschtier ausgelegt wird. Aufgabe für die Gruppe Versucht, das Plüschtier zu retten! Ihr könnt dabei das Seil nutzen. Weitere Gegenstände sind nicht erlaubt. Die Schüler/innen, die sich über dem Teich befinden, erblinden und benötigen einen Augenschutz. Die Schüler/innen, die den Teich betreten, können nicht mehr helfen, das Plüschtier zu retten. Hinweise zur Lösung Die Schüler/innen verknoten das Seil am Baum und gehen mit dem anderen Seilende auf die andere Seite des Teiches. Das Seil wird unter Spannung hochgehalten, dass ein/e Schüler/in am Seil bis zur Insel hangeln kann, um das Plüschtier zu retten. Weisen Sie zu Beginn nicht auf den Baum hin, damit die Schüler/innen den Lösungsweg selbst erschließen können. Achtsamkeiten Stellen Sie sicher, dass die Schüler/innen die Aufgaben richtig verteilen: große, kräftige Schüler/innen zum Halten des Seils, leichtere Schüler/innen übernehmen die Aufgabe des Rettens des Plüschtiers. Befestigungsknoten am Baum sollten überprüft werden. Kurze Reflexionsphasen zur (Er-)Klärung einschieben. Den erlebnispädagogischen Aktivitäten, die größtenteils im Freien angeboten werden sollten, folgen Übungen, die die angesprochenen Zielebenen weiter vertiefen. Die hier vorgeschlagenen Aktivitäten stellen leicht umzusetzende Übungen dar, die das Vertrauen, die Kooperationsbereitschaft und das Verantwortungsbewusstsein für andere beim einzelnen Schüler stärken sollen. Vorgegeben ist ein Methodenpool, aus dem für die jeweilige Zielgruppe eine Auswahl getroffen werden kann. Aus dieser Auswahl ergibt sich der jeweilige spezifische Zeitaufwand. Ziele Die Schüler/innen erleben Kooperationslernen und werden sensibilisiert, um im Vertrauen zu sich selbst sich auf gegebene Herausforderungen einzulassen, aber auch aufpassen zu können. Sie können lernen: beim Bewältigen von Stresssituationen eigene Fähigkeiten zu erkennen und auszubauen, beim Bewältigen von Stresssituationen zu anderen Vertrauen zu entwickeln, Mitschüler/innen in besonderen Situationen Unterstützung zu geben, Verantwortung für sich, für einzelne Mitschüler/innen und für die Gruppe zu übernehmen. InfokastenHintergrundliteratur: Die beiden folgenden Übungen sind angelehnt an Hennig, G. (2005): Soziales Lernen in verschiedenen Schulformen. Reader des Landesinstitutes für Schule in Bremen, Teil 1: Uli Boldt: Stärkung des Selbstvertrauens. Geschlechtsspezifische Ansätze zur Jungen- und Mädchenarbeit, Bremen: o. V. Boldt, Uli (2004): Ich bin froh, dass ich ein Junge bin. Hohengehren: Schneider. Die beiden folgenden Übungen sind angelehnt an Hennig, G. (2005): Soziales Lernen in verschiedenen Schulformen. Reader des Landesinstitutes für Schule in Bremen, Teil 1: Uli Boldt: Stärkung des Selbstvertrauens. Geschlechtsspezifische Ansätze zur Jungen- und Mädchenarbeit, Bremen: o. V. Boldt, Uli (2004): Ich bin froh, dass ich ein Junge bin. Hohengehren: Schneider.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2022-07-20T00:00:00
2022-03-24T00:00:00
2022-07-20T00:00:00
https://www.bpb.de/lernen/angebote/vorbild/506593/unterrichtseinheit-2-6-der-saeureteich/
Mithilfe eines Seiles sollen die Schüler/innen einen imaginären "Säureteich" überqueren, um ein Plüschtier zu retten. Diese Übung kann nur im Freien durchgeführt werden.
[ "VorBild", "Selbstvertrauen", "Vertrauen" ]
536
Ausblick | Jüdisches Leben in Deutschland nach 1945 | bpb.de
Die Vielfalt der Jüdinnen und Juden Gemeinden in Deutschland zeigt sich auch am Christopher Street Day 2019 in Berlin. Anhänger der Keshet Deutschland, der jüdischen LGBTQI*-Community in Deutschland, nehmen an der Parade unter dem Motto "Stonewall 50 - Every riot starts with your voice" teil. (© picture-alliance/dpa, Revierfoto) So gibt es etwa ein streng-orthodoxes Rabbinerseminar in Berlin, Verbände mit gesellschaftlich-progressiver Agenda wie die jüdische LGBTIQ*-Organisation "Keshet Deutschland", liberal-religiöse Gemeinschaften außerhalb der offiziellen Gemeindestrukturen, das von in Deutschland lebenden Israelis betriebene hebräische Magazin SPITZ, um nur eine kleine Auswahl zu nennen. Hinzu tritt eine zunehmende globale Vernetzung, die Einflüsse und Impulse aus den großen Zentren jüdischen Lebens in Israel und den USA nach Deutschland bringt. Auch auf europäischer Ebene kommt es vermehrt zu Austausch und Zusammenarbeit mit Jüdinnen und Juden etwa aus London, Paris oder Warschau. 1945 hätte wohl kaum jemand mit solchen Entwicklungen gerechnet. Dennoch bleibt jüdisches Leben hierzulande weiterhin fragil und bedroht. Wie virulent Antisemitismus in der Bevölkerung Deutschlands ist, hat sich nicht zuletzt im Zuge der Coronavirus-Pandemie gezeigt, in der es neben kruden Holocaustrelativierungen auch zu einer erhöhten Verbreitung von Verschwörungstheorien kam, die nicht selten Jüdinnen und Juden für Ausbruch und Verbreitung des Virus verantwortlich machen. Gleichzeitig steigt mit jeder Eskalation der Gewalt in Nahost auch die Gefahr antisemitischer Diffamierungen und Übergriffe in Europa. Auffallend ist es in beiden Fällen, dass es hier nicht nur um Extremisten oder Randgruppen geht, sondern sich eine weite gesellschaftliche Bandbreite hinter antisemitischen Bannern versammeln lässt. "So bewegt sich der Alltag jüdischer Deutscher im dritten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts zwischen einer Renaissance jüdischen Lebens einerseits und einer spürbar zunehmenden Bedrohung andererseits," wie Michael Brenner in diesem Heft resümiert. Wie die jüdische Gemeinschaft, so entwickelt sich die deutsche Gesellschaft insgesamt beständig fort. Deren fortschreitende Pluralisierung führt immer wieder zu Spannungen und neuen Herausforderungen, aber bringt auch neue Chancen der Annäherung und Zusammenarbeit. Wie sich jüdisches Leben in Deutschland in Zukunft entwickeln wird, hängt stark davon ab, wie wir alle mit diesen Veränderungen umgehen. QuellentextFasst euch ein Herz Heute kam die bestellte Druckerpatrone nicht an. Der Paketdienst konnte sie nicht zustellen, weil ich schon wieder vergessen hatte, bei der Bestellung dazuzuschreiben, dass ein anderer Name auf meinem Klingelschild steht. Meinen Namen habe ich entfernt, als die Drohungen aus rechtsradikalen Kreisen zunahmen, als sie persönlicher, deutlicher und auch antisemitischer wurden und nachdem in München eine Journalistin, zu deren Alltag solche Drohungen ebenfalls gehörten, in ihrem Zuhause zusammengeschlagen worden war. [...] Was bedeutet Jüdischsein heute? Was heißt es im heutigen Deutschland? Wie ist es, wenn die Angst vor Antisemitismus plötzlich greifbar wird, der ich bis vor ein paar Jahren noch mit Humor begegnet bin? Das war, als ich dachte, dass der Zentralrat der Juden manchmal den mahnenden Zeigefinger zu weit in die Höhe streckt, als so viele von uns dachten: die paar Rechten im Osten. Nun hat sich vieles verändert, Rechtsradikale sitzen im Bundestag und in Polit-Talkshows zur Primetime, Freunde erzählen von antisemitischen Ressentiments im Alltag, Hassbotschaften prangen auf Wänden, und eines Mittags im vergangenen Herbst versuchte einer, der Juden, Muslime, Fremde, Frauen hasste, bis an die Zähne bewaffnet und mit einer live informierten Fangemeinde im Hintergrund eine Synagoge in Halle zu stürmen, um dort am wichtigsten jüdischen Feiertag so viele Juden wie möglich zu ermorden. […] Wir machen sie sichtbar, die Geschichten unserer Familien, unserer Freuden, unserer Leiden. Wir stellen sie in den Raum des Erzählten, Selbstermächtigung könnte man das nennen. Sie müssen laut erzählt werden, damit sie gehört werden, damit sie sich in den Köpfen einnisten, damit sie zu einer Erzählung werden, die vielen, nicht Einzelnen gehört. Wir stellen sie zwischen die anderen und stellen sie damit dennoch aus: Geschichten, die eben auch Opfergeschichten sind. Wir tun es, um Empathie zu wecken, sagt man. Ich frage mich, wann ist sie verloren gegangen, die Empathie, und warum? Bald werden die letzten Holocaust-Opfer gestorben sein, sie werden nicht mehr in Schulen gehen können, um in schlecht geheizten Aulas von ihrem Leid zu erzählen. Viele fürchten sich davor, sie fürchten, dass dann Erinnerung verloren geht. Als wäre es einzig und allein die Pflicht der Opfer, sich zu erinnern, andere zu erinnern, die Opferrolle zeitlebens nicht mehr zu verlassen. [...] Damit die Welt anders wird, müssen alle lernen, ihre Stimmen zu erheben, wenn es um andere geht. Ich möchte als Jüdin nicht "zuständig" sein für das Thema Antisemitismus. Ich will, dass wir alle zuständig sind. Ich will von den Ausgrenzungen reden, die mich nicht persönlich betreffen. Das sagt sich leicht, könnte man denken, für jemanden wie mich, die beruflich schreibt, die in der Öffentlichkeit spricht. Es geht aber nicht um die Öffentlichkeit, es geht nicht um wohlmeinende Demonstrationen. Es geht um den Alltag, um die Menschen, denen wir im Eilen begegnen. Um Menschen nicht weißer Hautfarbe, denen in der U-Bahn gesagt wird, sie hätten als Fremde kein Recht auf einen Sitzplatz. Um Menschen, die beim Abholen in der Kita Sprüche zu hören bekommen, weil man sie für Muslime hält. Es geht darum, ihre Verstörung zu sehen, ihre Blicke zu spüren, die nach etwas suchen, was ein großes Wort ist, aber oft leider nicht mehr als das: Solidarität. Es ist an uns allen, ihnen zu zeigen, dass sie nicht allein sind. Wir müssen aufhören, im Gegensatz von "Die" und "Wir" zu denken. Ein "Wir" könnten alle Menschen sein, die in einer Gesellschaft ohne Diffamierung und Gewalt leben möchten. Während der Diskussion am Holocaust-Gedenktag fragte jemand aus dem Publikum, wie man Antisemitismus bekämpfen könne. Die Antwort ist dieselbe bei all den menschenfeindlichen Ismen: bei sich selbst anfangen. Schauen, wo denke, spreche, agiere ich stereotyp oder ausgrenzend? Die Antwort wird bei keinem von uns lauten: Nirgendwo. Und wenn man dann noch die Augen, die Ohren aufsperrt bei Kollegen, Freunden, Verwandten: Es ist nicht schwer, auf Grenzüberschreitungen zu stoßen. Es fällt nur schwer, darauf hinzuweisen. Dem harmonischen Zusammensein wird möglicherweise die Harmonie genommen, und wir selbst sind es, die das tun. […] Es ist einfacher, mit Gleichgesinnten zu demonstrieren und treffsichere politische Kommentare zu retweeten. Kritik an einem Gegenüber tut irgendwie immer weh. Menschen, die man achtet, mag oder sogar liebt, auf ausgrenzende Denkmuster hinzuweisen tut weh, weil man nicht nur sich selbst, sondern auch andere der Bequemlichkeit entreißt, weil man zum Störenfried, zur Denkpolizei wird. Aber die Dinge werden nicht besser, wenn man sie nicht benennt. […] Nach dem Anschlag auf die Synagoge in Halle hieß es laut und pathetisch, dieser Anschlag habe uns allen gegolten. Ich weiß nicht, wie viele das tatsächlich so empfanden, wie viele tatsächlich erschüttert waren, weil sie spürten, dass die Floskel eine Tatsache ist: Hier ging es nicht gegen Juden, gegen Muslime, gegen die, die anders sind. Es ging gegen das, was uns alle zusammenhalten sollte: eine Demokratie, in der Menschen unterschiedlichen Glaubens, unterschiedlicher Herkunft und Überzeugung miteinander leben. An diesem Tag sprach ich mit einem jüdischen Freund, der wahrscheinlich wie ich vergessen hatte, dass Jom Kippur war, dessen Familie zum Großteil in Konzentrationslagern ermordet worden war. Wir waren beide erschüttert, und doch war er ein Stück erschütterter als ich. Er war verletzt, weil sich keiner seiner nicht-jüdischen Freunde bei ihm gemeldet hatte. Er fühlte sich allein mit dieser Angst, die wieder hervorkroch, wie konnte das passieren, hier, in Deutschland, allein mit den großen Fragen. Noch später erzählte ich das einer gemeinsamen Freundin. Sie meinte, sie habe an uns gedacht, sich aber nicht gemeldet: Sie wollte uns nicht darauf reduzieren, dass wir Juden sind. Mein Freund hätte sich über eine Nachricht gefreut, er hätte sie vermutlich gebraucht. Jemand anderes hätte sich womöglich daran gestört. Es gibt nicht die eine jüdische Art, mit so etwas umzugehen. Aber das gehört zu einer Gesellschaft: diese Ambivalenz auszuhalten. Immer wieder auszuloten, was die anderen brauchen. Wie wir zusammengehören und wo wir verschieden sind. Nicht in Schweigen zu verharren aus Angst, etwas Falsches zu sagen, als Gutmensch verspottet zu werden. Sonst hört man bald nur noch die, die allzu gern sagen, was sie denken. Die Schriftstellerin Lena Gorelik wurde 1981 in St. Petersburg geboren und lebt mit ihrer Familie in München. Lena Gorelik, "Wir erzählen unsere Geschichten, um Empathie zu wecken. Ich frage mich, wann ist sie verloren gegangen, die Empathie, und warum?", in: DIE ZEIT Nr. 9 vom 20. Februar 2020 Die Vielfalt der Jüdinnen und Juden Gemeinden in Deutschland zeigt sich auch am Christopher Street Day 2019 in Berlin. Anhänger der Keshet Deutschland, der jüdischen LGBTQI*-Community in Deutschland, nehmen an der Parade unter dem Motto "Stonewall 50 - Every riot starts with your voice" teil. (© picture-alliance/dpa, Revierfoto) Heute kam die bestellte Druckerpatrone nicht an. Der Paketdienst konnte sie nicht zustellen, weil ich schon wieder vergessen hatte, bei der Bestellung dazuzuschreiben, dass ein anderer Name auf meinem Klingelschild steht. Meinen Namen habe ich entfernt, als die Drohungen aus rechtsradikalen Kreisen zunahmen, als sie persönlicher, deutlicher und auch antisemitischer wurden und nachdem in München eine Journalistin, zu deren Alltag solche Drohungen ebenfalls gehörten, in ihrem Zuhause zusammengeschlagen worden war. [...] Was bedeutet Jüdischsein heute? Was heißt es im heutigen Deutschland? Wie ist es, wenn die Angst vor Antisemitismus plötzlich greifbar wird, der ich bis vor ein paar Jahren noch mit Humor begegnet bin? Das war, als ich dachte, dass der Zentralrat der Juden manchmal den mahnenden Zeigefinger zu weit in die Höhe streckt, als so viele von uns dachten: die paar Rechten im Osten. Nun hat sich vieles verändert, Rechtsradikale sitzen im Bundestag und in Polit-Talkshows zur Primetime, Freunde erzählen von antisemitischen Ressentiments im Alltag, Hassbotschaften prangen auf Wänden, und eines Mittags im vergangenen Herbst versuchte einer, der Juden, Muslime, Fremde, Frauen hasste, bis an die Zähne bewaffnet und mit einer live informierten Fangemeinde im Hintergrund eine Synagoge in Halle zu stürmen, um dort am wichtigsten jüdischen Feiertag so viele Juden wie möglich zu ermorden. […] Wir machen sie sichtbar, die Geschichten unserer Familien, unserer Freuden, unserer Leiden. Wir stellen sie in den Raum des Erzählten, Selbstermächtigung könnte man das nennen. Sie müssen laut erzählt werden, damit sie gehört werden, damit sie sich in den Köpfen einnisten, damit sie zu einer Erzählung werden, die vielen, nicht Einzelnen gehört. Wir stellen sie zwischen die anderen und stellen sie damit dennoch aus: Geschichten, die eben auch Opfergeschichten sind. Wir tun es, um Empathie zu wecken, sagt man. Ich frage mich, wann ist sie verloren gegangen, die Empathie, und warum? Bald werden die letzten Holocaust-Opfer gestorben sein, sie werden nicht mehr in Schulen gehen können, um in schlecht geheizten Aulas von ihrem Leid zu erzählen. Viele fürchten sich davor, sie fürchten, dass dann Erinnerung verloren geht. Als wäre es einzig und allein die Pflicht der Opfer, sich zu erinnern, andere zu erinnern, die Opferrolle zeitlebens nicht mehr zu verlassen. [...] Damit die Welt anders wird, müssen alle lernen, ihre Stimmen zu erheben, wenn es um andere geht. Ich möchte als Jüdin nicht "zuständig" sein für das Thema Antisemitismus. Ich will, dass wir alle zuständig sind. Ich will von den Ausgrenzungen reden, die mich nicht persönlich betreffen. Das sagt sich leicht, könnte man denken, für jemanden wie mich, die beruflich schreibt, die in der Öffentlichkeit spricht. Es geht aber nicht um die Öffentlichkeit, es geht nicht um wohlmeinende Demonstrationen. Es geht um den Alltag, um die Menschen, denen wir im Eilen begegnen. Um Menschen nicht weißer Hautfarbe, denen in der U-Bahn gesagt wird, sie hätten als Fremde kein Recht auf einen Sitzplatz. Um Menschen, die beim Abholen in der Kita Sprüche zu hören bekommen, weil man sie für Muslime hält. Es geht darum, ihre Verstörung zu sehen, ihre Blicke zu spüren, die nach etwas suchen, was ein großes Wort ist, aber oft leider nicht mehr als das: Solidarität. Es ist an uns allen, ihnen zu zeigen, dass sie nicht allein sind. Wir müssen aufhören, im Gegensatz von "Die" und "Wir" zu denken. Ein "Wir" könnten alle Menschen sein, die in einer Gesellschaft ohne Diffamierung und Gewalt leben möchten. Während der Diskussion am Holocaust-Gedenktag fragte jemand aus dem Publikum, wie man Antisemitismus bekämpfen könne. Die Antwort ist dieselbe bei all den menschenfeindlichen Ismen: bei sich selbst anfangen. Schauen, wo denke, spreche, agiere ich stereotyp oder ausgrenzend? Die Antwort wird bei keinem von uns lauten: Nirgendwo. Und wenn man dann noch die Augen, die Ohren aufsperrt bei Kollegen, Freunden, Verwandten: Es ist nicht schwer, auf Grenzüberschreitungen zu stoßen. Es fällt nur schwer, darauf hinzuweisen. Dem harmonischen Zusammensein wird möglicherweise die Harmonie genommen, und wir selbst sind es, die das tun. […] Es ist einfacher, mit Gleichgesinnten zu demonstrieren und treffsichere politische Kommentare zu retweeten. Kritik an einem Gegenüber tut irgendwie immer weh. Menschen, die man achtet, mag oder sogar liebt, auf ausgrenzende Denkmuster hinzuweisen tut weh, weil man nicht nur sich selbst, sondern auch andere der Bequemlichkeit entreißt, weil man zum Störenfried, zur Denkpolizei wird. Aber die Dinge werden nicht besser, wenn man sie nicht benennt. […] Nach dem Anschlag auf die Synagoge in Halle hieß es laut und pathetisch, dieser Anschlag habe uns allen gegolten. Ich weiß nicht, wie viele das tatsächlich so empfanden, wie viele tatsächlich erschüttert waren, weil sie spürten, dass die Floskel eine Tatsache ist: Hier ging es nicht gegen Juden, gegen Muslime, gegen die, die anders sind. Es ging gegen das, was uns alle zusammenhalten sollte: eine Demokratie, in der Menschen unterschiedlichen Glaubens, unterschiedlicher Herkunft und Überzeugung miteinander leben. An diesem Tag sprach ich mit einem jüdischen Freund, der wahrscheinlich wie ich vergessen hatte, dass Jom Kippur war, dessen Familie zum Großteil in Konzentrationslagern ermordet worden war. Wir waren beide erschüttert, und doch war er ein Stück erschütterter als ich. Er war verletzt, weil sich keiner seiner nicht-jüdischen Freunde bei ihm gemeldet hatte. Er fühlte sich allein mit dieser Angst, die wieder hervorkroch, wie konnte das passieren, hier, in Deutschland, allein mit den großen Fragen. Noch später erzählte ich das einer gemeinsamen Freundin. Sie meinte, sie habe an uns gedacht, sich aber nicht gemeldet: Sie wollte uns nicht darauf reduzieren, dass wir Juden sind. Mein Freund hätte sich über eine Nachricht gefreut, er hätte sie vermutlich gebraucht. Jemand anderes hätte sich womöglich daran gestört. Es gibt nicht die eine jüdische Art, mit so etwas umzugehen. Aber das gehört zu einer Gesellschaft: diese Ambivalenz auszuhalten. Immer wieder auszuloten, was die anderen brauchen. Wie wir zusammengehören und wo wir verschieden sind. Nicht in Schweigen zu verharren aus Angst, etwas Falsches zu sagen, als Gutmensch verspottet zu werden. Sonst hört man bald nur noch die, die allzu gern sagen, was sie denken. Die Schriftstellerin Lena Gorelik wurde 1981 in St. Petersburg geboren und lebt mit ihrer Familie in München. Lena Gorelik, "Wir erzählen unsere Geschichten, um Empathie zu wecken. Ich frage mich, wann ist sie verloren gegangen, die Empathie, und warum?", in: DIE ZEIT Nr. 9 vom 20. Februar 2020
Article
Daniel Mahla
2022-02-07T00:00:00
2021-10-08T00:00:00
2022-02-07T00:00:00
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/izpb/juedisches-leben-348/juedisches-leben-348/341647/ausblick/
Heute ist jüdisches Leben in Deutschland so vielfältig und bunt wie nie seit dem Holocaust – neben den offiziellen Gemeinden und Institutionen besteht eine große Bandbreite an religiösen, gesellschaftlichen und politischen Organisationen und Einricht
[ "jüdisch", "Judentum", "Religion", "Kultur", "Deutschland" ]
537
Risiken und Nebenwirkungen der Digitalisierung | Eine Stadt. Ein Land. Viele Meinungen. | bpb.de
Von Manfred Spitzer Digitale Informationstechnik (IT) verursacht Kurzsichtigkeit, Angst, Depression, Aufmerksamkeitsstörungen, Schlafstörungen, Bewegungsmangel, Übergewicht, Haltungsschäden, Diabetes, Bluthochdruck, Sucht (Internetsucht, Spielsucht, Smartphone-Sucht, aber auch mehr Alkohol- und Tabak-Konsum) und ein erhöhtes Risikoverhalten beim Geschlechts- und Straßenverkehr: Geosocial Networking, darunter Dating-Apps mit Standortangaben, fördert Gelegenheitssex und damit auch die Verbreitung von Geschlechtskrankheiten; Smartphones haben bei jüngeren Verkehrsteilnehmern den Alkohol als Unfallursache Nummer 1 abgelöst. Digitale Medien lenken die Aufmerksamkeit ab, schaden dem Lernen und bewirken eine geringere Bildung, wie Studien aus vielen Ländern der Welt zeigen. Unabhängige Studien, die das Gegenteil zeigen, gibt es nicht. Weiterhin gilt: Je ungebildeter ein Mensch ist, desto mehr schadet ihm digitale Informationstechnik. Daher schaden Computer an Schulen auch vor allem den schwächeren Schülern. Soziale Online-Medien erzeugen nachweislich soziale Unzufriedenheit und Depressivität, wie internationale Studien zeigen. Zudem haben sie ungünstige Auswirkungen auf die Gesellschaft, wie die folgenden Beispiele zeigen. (1) YouTube hat mit etwa 1,5 Milliarden Nutzern und einer Milliarde Stunden Betrachtung durch die Menschheit weltweit täglich das Fernsehen als Leitmedium abgelöst. Im Gegensatz zum Fernsehen, wo wir uns anschauen, was wir wollen, werden aber etwa 80% der auf YouTube geschauten Inhalte von dessen Recommendation-Algorithmus vorgeschlagen. Damit wir besonders lange am Bildschirm kleben bleiben (die gezeigte Werbung ist das Geschäftsmodell!), werden uns automatisch immer radikalere Videos gezeigt: Man beginnt bei "Joggen" und landet wenige Videos später bei "Ultramarathon"; oder man beginnt mit "vegetarisch" und trifft sehr bald auf "vegan". Insbesondere bei politischen Inhalten wurde die Tendenz zur Radikalisierung sehr deutlich. Damit sehen sich weltweit 1,5 Milliarden Menschen für mehr als eine Milliarde Stunden Videos an, deren Inhalte automatisch radikaler sind als die Ansichten der Betrachter dieser Videos. (2) Twitter hat eine weitere ungewollte und zugleich unvermeidliche Auswirkung: Falsche Nachrichten werden schneller, weiter und tiefer verbreitet als wahre Nachrichten, wie eine im Fachblatt Science publizierte Auswertung von 126000 Twitter-Nachrichten, die von 3 Millionen Nutzern insgesamt 4,5 Millionen Mal weitergeleitet wurden, ergab. (3) Facebook untergräbt systematisch unsere Privatsphäre und spioniert uns aus. Mit nur 9 Facebook-Likes kann man die Persönlichkeit eines Menschen etwa so gut vorhersagen wie wenn man sein Arbeitskollege wäre, mit 65 Likes ist man in der Einschätzung so gut wie ein Freund, mit 125 Likes so gut wie Vater, Mutter, Bruder oder Schwester. Mit den 225 Likes, die Facebook-Nutzer im Durchschnitt abgegeben haben, ist jeder, der diese Daten auswerten kann, so gut wie der Partner! All diese Erkenntnisse verblieben leider nicht im Bereich der Wissenschaft, sondern wurden ganz "praktisch" umgesetzt, um damit Geld zu verdienen. Wenn Sie nichts bezahlen, dann sind sie nicht der Kunde, sondern das verkaufte Produkt, d.h. das Internet und alle seine "Segnungen" sind nicht umsonst! Wir bezahlen vielmehr alle mit unserer Lebenszeit und mit einer Verschlechterung unserer Gesundheit, unserer Bildung und Lebensbedingungen, und verhelfen damit den ohnehin schon reichsten Firmen der Welt – Apple, Google, Amazon, Microsoft und Facebook – zu noch mehr Reichtum. Müssen wir die Geschäftsgrundlage der genannten Firmen wirklich mit Steuergeldern (z.B. für den Breitbandausbau) weiter öffentlich fördern? Kann eine Gesellschaft auf der Grundlage automatischer und systematischer Spionage, Unwahrheit und Radikalisierung überhaupt nachhaltig existieren? Mehr Beiträge zum Thema Interner Link: Laptops zum Lernen statt Drohnen zur Bewaffnung Interner Link: Digitalisierung ist nicht automatisch barrierefrei Interner Link: Ich will ein Leben nach dem Internet Interner Link: Digitalisierung als Mittel, nicht als Ziel
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2021-06-23T00:00:00
2019-09-16T00:00:00
2021-06-23T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/deutsche-einheit/eine-stadt-ein-land-viele-meinungen/294803/risiken-und-nebenwirkungen-der-digitalisierung/
Der Psychiater Manfred Spitzer warnt vor mannigfaltigen Gefahren bei der Nutzung digitaler Medien.
[ "Digitalisierung; digitale Medien; digitale Welt; Smartphone; Computer; Tablet; Spitzer" ]
538
"Was hat das mit mir zu tun?" | Danach – Der Holocaust als Erfahrungsgeschichte 1945 – 1949 | bpb.de
Clara Woopen: "Erziehung nach Auschwitz" hieß der Workshop, den Sie auf dieser Konferenz geleitet haben. Das war auch der Titel eines Rundfunkvortrags von Adorno 1966. Was bedeutet das eigentlich, eine Erziehung nach Auschwitz? Astrid Messerschmidt: Man muss sich erst einmal klar machen, dass Adorno nicht eine Erziehung über Auschwitz meinte, sondern nach Auschwitz. Für Adorno heißt das, unsere Beziehungen müssen sich verändern. Es meint die Art der Vermittlung, die Form, wie wir miteinander umgehen, muss sich verändern. Wir müssen die Gewalt in unseren Interaktionen auflösen. Das ist eigentlich die Botschaft von Erziehung nach Auschwitz. Er hatte in diesem Punkt gar nicht unbedingt die Vorstellung, dass jetzt umfassende Bildungsarbeit über den Nationalsozialismus stattfinden würde. Vielmehr zielt der bekannte Rundfunkvortrag von Adorno auf eine umfassende Veränderung in den Formen und Inhalten von Erziehung und Bildung. Denn wenn ich über Auschwitz informiere und Wissen vermittle, dann muss ich mir klar machen, inwieweit es gewaltförmige Strukturen in dieser Vermittlung gibt. Und wir haben in dem Workshop gesehen, die gibt es strukturell und oft indirekt an Schulen heute. Durch das Bewertungssystem, durch die Konkurrenz, durch die Ängste von Schüler/-innen, weil sie wissen "es ist existentiell, was ich hier mache, ich muss gut sein, damit ich eine Zukunft habe". Das ist eine Gewaltdimension in dieser Institution. Das zu thematisieren und die Fragwürdigkeit in Organisation und Struktur unserer Bildungsinstitutionen in Frage zu stellen, würde ich als eine Konsequenz aus diesem jetzt schon fast klassisch gewordenen Text ziehen. Und wie können "Autonomie, Kraft zur Selbstbestimmung und zur Reflektion" vermittelt werden, die Adorno die "einzige Kraft gegen das Prinzip von Auschwitz" nannte? Das muss erfahrbar werden. Ich kann es nicht abstrakt vermitteln. Wenn Jugendliche oder Kinder gar nicht erfahren, dass es einen anderen Umgang miteinander gibt, dann werden die mir das nicht abnehmen, wenn ich sage nach Auschwitz sieht das alles ganz anders aus. Solange die pädagogischen Interaktionen demütigend, abwertend und ausgrenzend sind, bleibt der pädagogische Anspruch einer Bewusstseinsbildung "nach Auschwitz" unglaubwürdig. Kann die Bildungspolitik daran nichts ändern? Doch, die kann sehr viel ändern. Das wurde im Workshop auch deutlich. Die Bildungspolitik kann Freiräume schaffen, damit Lehrerinnen und Lehrer ermöglichen können, was Adorno mit der Selbstreflektion meinte. Die Bildungspolitik kann ganz viel dazu beitragen, indem sie die Schulen öffnet zur Ausbildung einer anspruchsvollen Intellektualität, indem sie Zeit gibt – Zeit zur Auseinandersetzung und zum Nachdenken. Wenn Lernprozesse gedankenlos werden, weil keine Zeit da ist, dann sind wir wirklich zurückgefallen in einen Modus, der von Adorno gerade kritisiert worden ist. Voraussetzung dafür ist eine Lehrer/-innenbildung, die den Wert des kritischen Denkens vermittelt und angehenden Lehrer/-innen Zeit gibt, das auszubilden. Der Zeitmangel ist häufig auch ein Problem von Klassenfahrten zu Gedenkstätten. Wo sehen sie Potentiale und Grenzen von Gedenkstättenbesuchen? Manchmal sind Gedenkstättenbesuche problematisch, wenn sie als einziger Weg zu einer Konfrontation mit der Geschichte und Wirkung des Holocaust aufgefasst und eingesetzt werden. Gerade wenn die Gedenkstätte Auschwitz unbedingt besucht werden muss, wirkt das auf viele Schüler/-innen so, als sei die ganze Problematik dieses Geschehens nur an einem relativ entfernten Ort aufzufinden. Dabei ist es nebenan – ich halte ganz viel von lokalen Projekten, die fragen, was war hier bei uns los, auch an unserer Schule, wenn es eine Schule ist, die vielleicht auch eine Geschichte der Ausgrenzung von jüdischen Schülern und Sinti-Schülern hat. Das halte ich für ganz wichtig, am Ort zu schauen, das macht glaube ich noch einmal deutlich, welches Ausmaß diese Verbrechen hatten, dass sie in der Alltagsumgebung stattgefunden haben und keineswegs unsichtbar bleiben konnten. Vielleicht kann dieser Ansatz auch zeigen, dass Ausgrenzung nicht nur hier, sondern auch jetzt wieder passieren kann und passiert? Also mit diesem "wieder" wäre ich vorsichtig, ich würde das auch nicht als Drohkulisse aufbauen. Das finde ich einen problematischen pädagogischen Gestus. In dieser Form wird es wohl nicht mehr passieren. Aber es passiert schon ganz viel in Europa, was strukturell diesem Geschehen geähnelt hat oder ähnelt. Das gilt es aufzugreifen, ohne Gleichsetzungen vorzunehmen, um zu fragen, wo es in der jüngeren Geschichte Praktiken gegeben hat, die systematische Analogien aufweisen, ohne von einer Wiederholung sprechen zu können. Das interessiert auch junge Leute, zu fragen, wo etwas passiert, das sie selbst in einer Beziehung zu den Ausgrenzungsformen im NS erkennen und sich damit auseinander zu setzen. Und wie können diese Analogien sichtbar gemacht werden? Man kann ja sehr bestimmte strukturelle Elemente des Nationalsozialismus rekonstruieren, zum Beispiel wie andere zu Gruppen gemacht worden sind. Man kann rekonstruieren, wie es funktioniert, dass aus diesen Gruppen Fremde werden, obwohl sie vorher noch die Nachbarn von nebenan waren. Wie kommt es heute zu Gruppenkonstitutionen und auf welche Weise finden Zuschreibungen statt, um damit Nicht-Zugehörigkeiten herzustellen? Das wären für mich Fragen, die dazu anregen, sich mit Analogien auseinander zu setzen und Unterscheidungen vorzunehmen. Sie fordern sich mehr mit dem Thema der Konferenz, der Erfahrungsgeschichte des Holocaust, auseinanderzusetzen. Sehen Sie darin eine Fortführung der Abwehrgeschichte in der unmittelbaren Nachkriegszeit, dass die Auseinandersetzung an Schulen mit historischem und gegenwärtigem Rassismus nicht gerade intensiv stattfindet? Ja, also wenn die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus völlig isoliert erfolgt, als sei es ein vergangenes Geschehen und jetzt alles ganz anders und demokratisch, dann würde ich sagen, das ist eigentlich eine Abwehrfigur. Damit will man das Selbstbild rein halten von diesen Beschädigungen – aber wir sind alle beschädigt von dem, was da passiert ist, natürlich auf unterschiedliche Weise. Wir können nicht so tun, als wären wir damit nicht mehr verwandt. Das sind wir auf ganz vielfältige Weise. Und das deutlich zu machen, finde ich sehr wichtig. Sie haben im Workshop viel darüber diskutiert, dass Kinder und Jugendliche die Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus satt haben. Woran denken Sie liegt das? Dieser Überdruss kommt ja nicht aus dem Thema selbst, sondern aus den Vermittlungsformen. Wenn die Vermittlung von oben herab erfolgt, belehrend, moralisierend, wenn man immer das Gefühl hat, hier ist eigentlich schon alles klar, man muss bestimmte Sachen sagen, das steht alles fest und so und so muss man sich verhalten, dann ist das ein geschlossenes Ding, das keinen Zugang mehr bietet. Deshalb knüpfe ich an die vielfach schon praktizierten Zugänge an, die fragen "Was hat das mit mir, mit uns zu tun?", "Wo gibt es Geschehnisse, die in einer Verbindung zum, NS stehen?" Diese subjektorientierten Zugänge gehen davon aus, dass Jugendliche heute politisch interessiert sind und sie nicht erst zu politisch Interessierten gemacht werden müssen. Da anzuknüpfen, das würde ich vorschlagen gegen diesen Überdruss. Interner Link: Vortragstranskript Clara Messerschmidt
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2021-06-23T00:00:00
2015-01-27T00:00:00
2021-06-23T00:00:00
https://www.bpb.de/veranstaltungen/reihen/konferenz-holocaustforschung/konferenz-holocaustforschung/200391/was-hat-das-mit-mir-zu-tun/
Was soll eine Erziehung nach Auschwitz leisten? Was muss sich in den Vermittlungsformen, was in der Struktur der Bildungseinrichtungen ändern? Astrid Messerschmidt fordert im Interview eine intensivere Auseinandersetzung mit den Bezügen von Auschwitz
[ "Erziehung", "Gedenkstätte", "Bildungspolitik", "Auschwitz", "Auschwitz-Birkenau", "Konzentrationslager", "Vernichtungslager", "Genozid" ]
539
Prinzipien, Ziele und Institutionen der Afrikanischen Union | Afrika | bpb.de
Mit der Gründung der Afrikanischen Union (AU) unternimmt Afrika nach dem Scheitern der Organisation Afrikanischer Einheit (OAE) einen erneuten Anlauf, die Einheit und Entwicklung des Kontinents zu stärken. Im Unterschied zur OAE wird die Souveränität der Mitgliedsstaaten durch einen Interventionsmechanismus deutlich eingeschränkt. Auszug aus: Interner Link: Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ 04/2005) - Prinzipien, Ziele und Institutionen der Afrikanischen Union Einleitung Das Ende der Organisation Afrikanischer Einheit (OAE) war eher unauffällig: Im Juli 2002 ging die erste panafrikanische Organisation in die Afrikanische Union (AU) über. Mit dem Übergang von der OAE zur AU wurde der erste - weitestgehend erfolglose - Versuch einer Kooperation zwischen den afrikanischen Staaten, die nordafrikanischen Staaten eingeschlossen, zu Grabe getragen. Die im Jahr 1963 gegründete OAE war ein Kind der Dekolonisierungsphase: Angesichts der kolonialen Erfahrung entwickelte sich die Organisation zum Advokaten des Prinzips der Souveränität und vertrat eine strikte Politik der Nichteinmischung in die internen Angelegenheiten der Mitgliedsstaaten. Alternativvorschläge, wie der Entwurf der Vereinigten Staaten von Afrika des ghanaischen Präsidenten Kwame Nkrumah aus dem Jahr 1963 besaßen in diesem politischen Klima keine Chance. Der größte "Erfolg" der OAE war es, die territoriale Integrität der neuen Staaten zu bewahren, da alle Grenzveränderungen oder gar die Entstehung neuer Staaten strikt abgelehnt und delegitimiert wurden, auch wenn sie ökonomisch oder politisch Sinn ergeben hätten. Die zum Grundprinzip erklärte Nichteinmischung hatte zur Folge, dass die Organisation auch angesichts einer Serie von Putschen, zahlreichen Bürgerkriegen und schwersten Menschenrechtsverletzungen passiv blieb. In institutioneller Hinsicht stand die Organisation auf schwachen Füßen. Das OAE-Sekretariat blieb ohne eigene Befugnisse, und die Organisation litt zunehmend unter einem eklatanten Mangel an Ressourcen, da zahlreiche Mitgliedsstaaten keine Beiträge zahlten. Die Organisation degenerierte daher immer stärker zu einer "permanenten Konferenz" der Staats- und Regierungschefs Afrikas, die ihre Auftritte am Sitz der Organisation in Addis Abeba vor allem zur Repräsentation nutzten. Divergierende Interessen, enges nationalstaatliches Denken und mangelnde Kooperationsbereitschaft bedingten eine weitgehende politische Handlungsunfähigkeit. Lediglich in der strikten Ablehnung und der politischen Mobilisierung gegen die "Siedlerregime" (Rhodesien [ab 1980 Zimbabwe], Südafrika, Namibia) und die verbleibenden Kolonien im südlichen Afrika (Angola und Mosambik) herrschte politische Einigkeit, was zu diplomatischen Initiativen im Rahmen der Vereinten Nationen führte. Anfang der neunziger Jahre, unter dem Eindruck zahlreicher Krisen und Konflikte und vor dem Hintergrund des geostrategischen Bedeutungsverlustes Afrikas, unternahm die OAE einen Versuch, ihre Konfliktbearbeitungspolitik neu auszurichten. Der neu geschaffene "Mechanismus für die Prävention, das Management und die Lösung von Konflikten" führte zu einer Ausweitung der Aktivitäten, wie sie sich in zahlreichen Vermittlungs- und Tatsachenermittlungsmissionen niederschlugen. Die viel diskutierte militärische Komponente kam jedoch über konzeptionelle Ansätze kaum hinaus, sieht man von einigen Beobachtermissionen ab. Insgesamt konnte die OAE weder einen Beitrag zur Entwicklung des Kontinents leisten noch ihren Anspruch, den Frieden auf dem Kontinent zu bewahren, einlösen. Ende der neunziger Jahre setzte in Afrika eine Diskussion über eine Reform der bestehenden kontinentalen Strukturen ein. Zum einen starteten die Regierungen des Senegals, Algeriens, Nigerias und Südafrikas verschiedene Initiativen, die wirtschaftliche und politische Entwicklung des Kontinents voranzutreiben. Diese mündeten Ende 2001 in die Gründung der Neuen Partnerschaft für Afrikas Entwicklung (NEPAD). Der wegen seiner Verstrickung in terroristische Attentate vom Westen geächtete libyische Staatschef Khadafi spielte eine Schlüsselrolle beim Übergang von der OAE zur AU. Er forderte bereits im Jahr 1999 eine Reform der OAE und warb auf einem Treffen im libyschen Sirte im September 1999 in der Tradition Nkrumahs für die Idee der Vereinigten Staaten von Afrika mit gemeinsamer Armee, Währung und starker zentraler Führung. Die OAE-Mitgliedsstaaten lehnten zwar die hochfliegenden Pläne Khadafi ab, erkannten aber die Notwendigkeit eines umfassenden Neuanfanges und beschlossen die Gründung der AU. Die Afrikanische Union Die 33 Artikel umfassende Gründungsakte der AU nennt einen umfassenden Katalog an Zielen und Prinzipien der Union. Dazu gehören die Förderung der afrikanischen Einheit auf allen Gebieten, die Verwirklichung von demokratischen Grundsätzen, Menschenrechten und guter Regierungsführung sowie Frieden, Sicherheit und Stabilität. Artikel 3 der Gründungsakte betont zwar ausdrücklich die Souveränität, territoriale Integrität und Unabhängigkeit der Mitgliedsstaaten, doch wird im Folgenden das Souveränitätsprinzip erheblich relativiert. Die AU-Gründungsakte ist der erste völkerrechtliche Vertrag, in dem ein Recht einer militärischen Intervention aus humanitären Gründen festgeschrieben ist. Gemäß Artikel 4 (h) kann die Versammlung der Staats- und Regierungschefs bei schwerwiegenden Umständen, insbesondere im Falle von Kriegsverbrechen, Völkermord oder Verbrechen wider die Menschlichkeit, einen Militäreinsatz anordnen. Nichtverfassungsgemäße Regierungswechsel, z.B. durch einen Militärputsch, werden abgelehnt. Ausgedehnt wurde diese sehr weitgehende Bestimmung noch 2003 durch den Vertragszusatz, dass Interventionen auch im Falle von "ernsthaften Bedrohungen der legitimen Ordnung" möglich seien. Diese äußerst weit ausgreifenden Bestimmungen sind bislang rechtlich nicht eindeutig kodifiziert worden. Unklar ist z.B., in welchen Fällen eine Bedrohung legitimer Ordnung vorliegt und was eine "ernsthafte" Bedrohung ist. Die Interpretation der Ziele und Prinzipien der AU wird eine Hauptaufgabe des in der Gründungsakte vorgesehenen Afrikanischen Gerichtshofes sein. Das Statut des Gerichtshofes ist Mitte 2004 von einer ausreichenden Zahl von Staaten ratifiziert worden und kann seine Arbeit aufnehmen. Mittlerweile gehören alle Staaten des afrikanischen Kontinents mit Ausnahme Marokkos der AU an. Die AU-Institutionen Die institutionelle Struktur der AU orientiert sich stark am Vorbild der EU. - Das oberste Organ bildet die Versammlung der Staats- und Regierungschefs. Die Konstruktion entspricht dem Europäischen Rat mit dem wesentlichen Unterschied, dass sie Entscheidungen mit einer Zweidrittelmehrheit und bei verfahrenstechnischen Fragen sogar mit einfacher Mehrheit fällen kann. - Der Exekutivrat besteht in der Regel aus den Außenministern und entspricht dem Ministerrat der EU in der Formation des allgemeinen Rates. Auch er trifft im Unterschied zum EU-Ministerrat, der mit sowohl absoluten als auch qualifizierter Mehrheiten (je nach Politikbereich) Entscheidungen fällt, Entscheidungen generell wiederum mit einer Zweidrittelmehrheit. - Der Ausschuss der Ständigen Vertreter bereitet wie die gleichnamige EU-Institution die Sitzungen des Exekutivrates vor. - Im Unterschied zur EU-Kommission ist die AU-Kommission bisher lediglich als Sekretariat konzipiert. - Im März 2004 wurde das Pan-Afrikanische Parlament (PAP) ins Leben gerufen. Nach einer fünfjährigen Übergangsperiode als beratende Institution soll das Parlament volle legislative Befugnisse erhalten und direkt gewählt werden. Neben dem bereits erwähnten Afrikanischen Gerichtshof ist noch die Einrichtung einer ganzen Reihe von zusätzlichen, in erster Linie beratenden Institutionen vorgesehen. Innerhalb der Institutionen gilt nicht das EU-Prinzip einer wenn auch nur sehr grob gewichteten proportionalen Stimmverteilung nach der Bevölkerungszahl der einzelnen Staaten, sondern strikt das Prinzip der Stimmengleichheit. Dies bedeutet in der Praxis, dass Nigeria mit seinen zirka 130 Millionen Einwohnern genau wie der Inselstaat Sao Tomé and Principe mit rund 200 000 Einwohnern nur eine Stimme in der Versammlung und dem Exekutivrat besitzt. Ferner entsendet jeder Mitgliedsstaat fünf Abgeordnete, unter denen mindestens eine Frau sein muss, in das PAP. Bemerkenswert ist vor dem Hintergrund europäischer Erfahrungen vor allem der Verzicht auf ein Vetorecht. Dies bedeutet, dass auch große und mächtige Staaten Abstimmungsniederlagen hinnehmen müssten. Dies widerspricht der afrikanischen Tradition von Entscheidungsprozessen, die erstens stark konsensorientiert ist und in der zweitens offene Abstimmungsniederlagen als Gesichtsverlust gelten, der das Ansehen von Regierungen und Individuen, aber auch den Nationalstolz schwer beschädigen würde. Abzuwarten bleibt auch, ob in Abstimmungen unterlegene Staaten die Entscheidung respektieren werden. Die AU-Institutionen befinden sich gegenwärtig im Prozess der Selbstkonstituierung. Häufig stehen sie zunächst nur auf dem Papier, da weder die physische Infrastruktur noch die "Spielregeln", wie z.B. Geschäftsordnungen, vorhanden sind. Wie das gegenwärtig laufende Verfahren über die Bestellung der Richter für den Afrikanischen Gerichtshof demonstriert, bedarf es - wie auch in der EU - des schwierigen und zeitraubenden Austarierens von Interessen bei Personalentscheidungen. Der AU-Beschluss, die Organe in verschiedenen Regionen Afrikas anzusiedeln, bekräftigt das Prinzip des Regionalproporzes. Angesichts der weitaus größeren Entfernungen als in der EU und einer schwachen Infrastruktur wird diese Entscheidung zu logistischen Problemen führen. Die größten Fortschritte machte bisher die Einrichtung des PAP, dessen Sitz in Midrand in der Nähe der südafrikanischen Hauptstadt Pretoria sein wird. Aus den Auseinandersetzungen zwischen Libyen, Ägypten und Südafrika um den Parlamentssitz ging Südafrika als Sieger hervor, da das Land die Infrastruktur zur Verfügung stellen und die vorläufige Finanzierung garantieren wird, Ägypten wahrscheinlich andere Institutionen erhält und Libyen für viele Staaten inakzeptabel war, da es selbst kein frei gewähltes Parlament besitzt. In der Diskussion um Gründung und Sitz des PAP spielte der finanzielle Aspekt eine zentrale Rolle. Die von der tansanischen Parlamentspräsidentin Gertrude Mongella eingeforderte Summe von 18 Mio. US-Dollar wurde von den Staats- und Regierungschefs schließlich reduziert. Die Diskussion über die Kosten für das PAP ist symptomatisch für die Finanzierungsprobleme der AU. Die AU kann das ohnehin geringe Budget für laufende Kosten für 2003/2004 von nach AU-Angaben rund 43 Mio. US-Dollar nicht aufbringen. Bis Juli 2004 hatten lediglich 13 der 53 AU-Mitgliedsstaaten ihre Beiträge entrichtet. Um die Funktionsweise der AU sicherzustellen, finanzieren Algerien, Südafrika, Libyen und Nigeria zur Zeit 40 Prozent der Haushaltes. Zukünftig sollen die Mitgliedsstaaten 0,5 Prozent ihres Haushaltes für die AU bereitstellen, wobei eine Ermäßigung für arme Staaten auf 0,25 Prozent in der Diskussion ist. Im Rahmen eines Treffens im Juni 2004 beschloss die AU die Einrichtung des in der Gründungsakte vorgesehenen Rats für Wirtschaft, Soziales und Kultur (Economic, Social and Cultural Council, ECOSOCC). Der Rat, der wie der Wirtschafts- und Sozialausschuss der EU nur beratende Funktion besitzt, wird sich aus Vertretern der Zivilgesellschaft und der Berufsverbände zusammensetzen. Von den 150 Delegierten werden 106 - also zwei aus jedem Mitgliedsland - von Organisationen aus den Mitgliedsstaaten und 24 von transnationalen Einrichtungen entsendet werden. Hinzu kommen als ein innovatives Element 20 Delegierte aus der im Ausland weit verstreuten afrikanischen Diaspora. Unklar ist allerdings, nach welchen Kriterien die entsendenden Organisationen ausgewählt werden und wie sich die im Ausland lebenden Afrikaner überhaupt erfassen lassen. Mit der Gründung von ECOSOCC reagierte die AU auch auf massive Kritik zivilgesellschaftlicher Organisationen in Afrika, die bislang vom gesamten AU-Prozess ausgeschlossen waren. Die AU wie auch NEPAD sind bislang ausschließlich Projekte der afrikanischen Staats- und Regierungschefs ohne Verankerung in der Öffentlichkeit. Die AU und NEPAD Die im Oktober aus mehreren anderen Initiativen hervorgegangene NEPAD-Initiative ist von der AU zu ihrem Entwicklungsprogramm erklärt worden. NEPAD unterscheidet sich von vergleichbaren Vorgängerunternehmungen dadurch, dass zunächst eine vorurteilsfreie und auch selbstkritische Bestandsaufnahme der Fehler der Vergangenheit unternommen wird und ein klares Bekenntnis zu demokratischen Prinzipien, Menschenrechten, Good Governance und marktwirtschaftlichen Strukturen erfolgt. Die Impulse zu einer Gesundung des Kontinents müssen, so NEPAD, aus Afrika selbst kommen, doch benötigt der Kontinent eine neue Partnerschaft (insbesondere Investitionen) mit den entwickelten Staaten. Das umfangreiche Programm erwähnt nahezu alle relevanten Aspekte von Entwicklung. Ein zentrales neues Element stellt der African Peer Review Mechanism (APRM) dar. Staaten, die ein diesbezügliches Protokoll unterschrieben haben, verpflichten sich damit, einer Überprüfung durch andere Mitglieder des "Klubs", inwieweit sie die durch NEPAD eingegangenen Verpflichtungen einhalten, zuzustimmen. Der APRM, der dem Vorbild der OECD folgt, sieht einen fünfstufigen Mechanismus vor, der auch den Besuch einer hochrangigen Delegation umfasst, die durch Gespräche mit Offiziellen, aber auch Vertretern der Opposition und Zivilgesellschaft sowie Recherchen vor Ort Defizite und Leistungen feststellen soll. Nachdem der überprüften Regierung die Gelegenheit zur Stellungnahme und zur Erstellung eines Aktionsprogramms gegeben worden ist, sollen die Ergebnisse des "Reviews" in verschiedenen AU-Institutionen diskutiert und veröffentlicht werden. Ein Sanktionsmechanismus bei Nichteinhaltung der Prinzipien ist nicht vorgesehen, vielmehr wird betont, dass der Mechanismus auf Lerneffekte abzielt. Für die Überprüfung erstellte das NEPAD-Sekretariat im März 2004 eine Liste mit 21 Zielen, die mit 78 Kriterien überprüft werden sollen. Für die Überprüfung, inwieweit ein Unterzeichnerstaat die Kriterien beachtet, wurden bislang noch keine verbindlichen Indikatoren definiert. Das Dokument gibt lediglich 98 Beispiele für Indikatoren. Von der AU wurde die Zusammenlegung der NEPAD- und AU-Institutionen beschlossen. So wird das NEPAD-Sekretariat in der AU-Kommission aufgehen. Unklar ist jedoch noch, wie der APRM-Prozess von AU-Institutionen gesteuert und ausgewertet werden soll. Der Rat für Frieden und Sicherheit Anstelle des unzulänglichen Konfliktmechanismus der OAE ist mit dem Rat für Frieden und Sicherheit (Peace and Security Council, PSC) eine vollkommen neue, zentrale Institution mit umfassenden Funktionen getreten. Angesichts der Tatsache, dass im Jahr 2000 zirka die Hälfte aller afrikanischen Staaten und 20 Prozent der Bevölkerung direkt oder indirekt von Gewaltkonflikten betroffen waren, kommt der Konfliktprävention und -bearbeitung herausragende Bedeutung für die Zukunft Afrikas zu. Der PSC-Rat ist ein permanentes Organ mit umfassenden Zuständigkeiten: Er kann die Entsendung von Friedensmissionen anordnen und der Versammlung der Staats- und Regierungschefs militärische Zwangsmaßnahmen empfehlen, um Frieden und Sicherheit wiederherzustellen. Artikel 8 (13) bestimmt, dass Entscheidungen im PSC nach Möglichkeit im Konsens getroffen werden sollen, doch sofern dies nicht möglich ist, benötigen sie eine Zweidrittelmehrheit der anwesenden Mitglieder. Ein Vetorecht wie im UN-Sicherheitsrat existiert nicht. Analog zum Sicherheitsrat der UN besteht der PSC aus 15 Mitgliedern, von den fünf für drei Jahre und die übrigen zehn für jeweils zwei Jahre von den AU-Staaten, die das PSC-Protokoll ratifiziert haben, mit Zweidrittelmehrheit gewählt werden. Dabei gilt ein Regionalproporz, denn jede der fünf Regionen kann drei Mitglieder wählen. Für die Wahl in den PSC gelten strenge Auswahlkriterien, u.a. müssen Beiträge gezahlt worden sein, die Staaten müssen in der Lage sein, ihre Verpflichtungen zu erfüllen, und demokratische Prinzipien, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit respektieren. Wird insbesondere das letzte Kriterium ernst genommen, so reduziert sich die Zahl der zur Verfügung stehenden Staaten erheblich. Wird im Hinblick auf Demokratie und Menschenrechte "großzügig" verfahren, so verliert der Rat insgesamt an Glaubwürdigkeit. Es wäre nahezu absurd, wenn Staaten, in denen die Menschenrechte und demokratische Prinzipien verletzt werden, eine Intervention beschließen oder sogar selbst intervenieren würden, um gerade diese Prinzipien zu verteidigen, die sie selbst nicht beachten würden. Trotzdem wurden im März 2004 mit Südafrika, Nigeria, Algerien, Äthiopien und Gabun Mitglieder für drei Jahre in den PSC gewählt, von denen die drei letztgenannten die Demokratiekriterien nicht erfüllen. Der PSC besitzt folgende Instrumente und Organe: - Eingreiftruppen (Stand-by Force), die eine Sollstärke von 15 000 Mann bis zum Jahr 2010 erreichen sollen; - ein kontinentweites Frühwarnsystem bestehend aus Experten der Mitgliedsstaaten, die in einem Lagezentrum ("Situation Room") Analysen erstellen, und Beobachtermissionen vor Ort entsenden können; - ein "Panel of the Wise", das aus fünf respektierten Persönlichkeiten besteht und dem PSC beratend zur Seite steht; - ein Militärausschuss, der in unterschiedlicher Formation bis zur Ebene der Verteidigungsminister für militärische Fragen zuständig ist. Weiterhin wird ein spezieller Friedensfonds für die Finanzierung von Militäreinsätzen eingerichtet. Der Fonds soll aus dem regulären Haushalt der AU sowie durch freiwillige Beiträge der Mitgliedsstaaten, Unternehmen und Zivilgesellschaften und der Geberstaaten finanziert werden. Der Rat soll eine dezentralisierte Struktur erhalten. In den fünf Regionen - Nord-, West-, Ost- und Zentralafrika sowie das südliche Afrika - soll jeweils eine Brigade mit einer Stärke von zirka 10 000 Soldaten aufgebaut werden. Die konzeptionellen Planungen für den Aufbau der Ostafrikanischen Brigade haben bereits begonnen. Wie die anderen Institutionen der AU befindet sich der PSC noch in der Aufbauphase und sieht sich mit erheblichen Finanzierungslücken konfrontiert. Gleichwohl engagierte sich die AU - ganz im Gegensatz zur passiven Arabischen Liga - im Konflikt in der Region Darfur im Sudan. Nachdem die AU zunächst nur ein kleines Kontingent von 120 Militärbeobachtern und rund 250 Mann Begleitpersonal entsandt hatte, beschloss die Versammlung, die Truppen auf bis zu 3 000 Mann aufzustocken. Angesichts der Dimensionen der Krise ist es zweifelhaft, ob die Truppenstärke ausreichen wird, doch markiert der Einsatz eine politische Wende, da die traditionelle Politik der Nichteinmischung aufgegeben worden ist unddie sudanesische Regierung gezwungen wurde, der Aktion wenn auch widerwillig zuzustimmen. Aufgrund mangelnder eigener Kapazitäten bleibt die AU auf logistische Unterstützung westlicher Staaten angewiesen. Der Deutsche Bundestag hat dem Einsatz deutscher Transportflugzeuge im Dezember 2004 zugestimmt. Südafrika als Motor der Integration Im Unterschied zur OAE ist mit Südafrika der wirtschaftlich leistungsfähigste und am weitesten in seiner Entwicklung fortgeschrittene Staat Schwarzafrikas von Beginn an Mitglied der AU. Thabo Mbeki versucht wie sein Vorgänger Nelson Mandela, den wegen der Apartheidpolitik einstigen Paria-Staat wieder "zurück" nach Afrika zu bringen. Südafrika ist nach den ersten Wahlen 1994 zum Motor der panafrikanischen Entwicklungen auf demKontinent geworden. Zu den wichtigsten Projekten oder nationalen Interessen gehören der Aufbau von AU und NEPAD. Besondere Bedeutung kommt dabei dem Aufbau einer Sicherheitsarchitektur zu. In Analogie zu Willy Brandts berühmtem Ausspruch "Ohne Frieden ist alles nichts" formulierte Thabo Mbeki: "No peace without development, no development without peace." Das Land arbeitet zum Teil eng mit Nigeria und anderen reformbereiten Staaten zusammen. Für Präsident Mbeki ist gerade das NEPAD-Projekt Herzstück der von ihm propagierten Afrikanischen Renaissance. Dieses am Panafrikanismus orientierte Konzept verbindet vorkoloniale Werte wie das ubuntu-Konzept gegenseitiger Solidarverpflichtung mit Demokratie, Menschenrechten und guter Regierungsführung. Ein demokratischer und friedvoller Kontinent wird von den Architekten der NEPAD als Vorbedingung für die (Re-)Integration des Kontinents in die globalisierte Welt betrachtet. Sowohl die Konstruktion von NEPAD als auch der AU tragen deutlich Südafrikas Handschrift: Besonderen Einfluss auf NEPAD besitzt das Land auch dadurch, dass sich der Sitz des NEPAD-Sekretariats im Midrand bei Johannesburg befindet. Das Sekretariat logiert im gleichen Gebäude wie die südafrikanische Entwicklungsbank und wird von Wiseman Nkuhlu, einem Wirtschaftsberater Präsident Mbekis, geleitet. Ferner erbringt Südafrika erhebliche finanzielle Leistungen für die AU und ist Sitz des PAP. Südafrikas Engagement hat das internationale Ansehen des Landes erhöht und es zum wichtigsten Ansprechpartner in Afrika für die Industrieländer gemacht. Die zunehmende politische Dominanz Südafrika, die begleitet wird von einer aggressiven Expansionsstrategie südafrikanischer Unternehmen in afrikanischen Staaten - südafrikanische Supermarktketten finden sich mittlerweile in Mosambik und Sambia -, hat zu Misstrauen anderer afrikanischer Staaten geführt. Das Image Südafrikas bewegt sich zwischen den Polen "Messias" und "Merkantilist". Die historische Hinterlassenschaft der Apartheid und die Sensibilität der Nachbarstaaten führt dazu, dass das Land in der Zimbabwe-Politik sehr vorsichtig agiert. Innerhalb Südafrikas werden von der Opposition vor allem die Übernahme der Kosten für das PAP unter Hinweis auf eigene Entwicklungsprobleme kritisiert. Der Präsident, der die Einigung und die Reintegration Afrikas in die Welt als seine "Mission" betrachtet, hat sich ungewohnt scharf gegen diese Kritik verwahrt. Das Engagement des Landes droht zu einer Überdehnung seiner militärischen Kapazitäten zu führen. Es fehlen gut ausbildete Truppen der mit insgesamt 55 000 Soldaten kleinen Armee, die überdies durch eine HIV/AIDS-Infektionsrate von 23 Prozent geschwächt wird. Über den Einsatz der 3 000 bereits in Peacekeeping-Missionen eingesetzten Truppen hinaus sind gegenwärtig keine weiteren größeren Aktionen möglich. Reaktionen der Gebergemeinschaft Die wichtigsten Geberstaaten reagierten anfangs sehr positiv, teilweise sogar euphorisch auf NEPAD. Im Jahr 2002 verabschiedeten die in den G 8 zusammengeschlossenen wichtigsten Industriestaaten in Reaktion auf NEPAD einen Aktionsplan, in dem umfassende Unterstützung zugesagt wurde, sowohl im Bereich der politischen Reformen als auch für die eher traditionellen Entwicklungsvorhaben im Infrastrukturbereich. Besonders betonten die G-8-Staaten die Bedeutung von Friedens- und Sicherheitsaspekten sowie den Kampf gegen Krankheiten, insbesondere die HIV/AIDS-Pandemie. Auf dem letzten G-8-Treffen in Sea Island im Juni 2004 im US-Bundesstaat Georgia zeigte sich, dass Sicherheitsfragen für die G 8 höchste Priorität haben und demgegenüber nur relativ geringes Interesse an den umfangreichen Infrastrukturprogrammen der NEPAD besteht. Damit erfüllten sich die Erwartungen der teilnehmenden afrikanischen Regierungschefs, unter ihnen Thabo Mbeki aus Südafrika und Olegusun Obasanjo aus Nigeria, dass die G 8 substanzielle Zusagen zur Finanzierung des Programms machen würden, nicht. Besonderes Interesse besteht auf Geberseite am APRM-Mechanismus. Mit Enttäuschung reagierten die Geber einerseits auf die langsamen Fortschritte des APRM und die relativ vagen Kriterien für die Überprüfungen. Sie kritisieren hinter vorgehaltener Hand, dass AU-Institutionen eine Schlüsselrolle im APRM-Mechanismus einnehmen werden, da diese noch nicht hinreichend konstituiert und in der AU Staaten vertreten sind, die weder Demokratie und Menschenrechte achten noch Good Governance praktizieren. Insgesamt warten die in den G 8 informell zusammengeschlossenen Geberstaaten die Ergebnisse der ersten Überprüfungen ab. Verschiedene Regierungen der OECD-Staaten haben bereits angekündigt, weitere Unterstützung an die Ergebnisse der Überprüfungen bzw. die Reformbereitschaft der untersuchten Staaten zu knüpfen. Diese offen angekündigte Konditionalität steht im deutlichen Kontrast zum Verzicht des APRM auf Sanktionen. Entgegen den Erwartungen vieler Beobachter wurde das Ignorieren der Entwicklung in Zimbabwe durch NEPAD nicht als Lackmus-Test für deren Glaubwürdigkeit betrachtet, sondern hat eher dem Ansehen der Entwicklungsgemeinschaft im südlichen Afrika (SADC) schweren Schaden zugefügt. Während das Interesse an NEPAD zweifelsohne zurückgegangen ist, wird der AU zunehmend mehr Interesse entgegengebracht. Erneut steht der Sicherheitsbereich im Vordergrund: Die G-8-Staaten haben angekündigt, finanzielle Unterstützung u.a. für das Training afrikanischer Peacekeeping-Einheiten in einer Größenordnung von bis zu 75 000 Mann zu leisten. Bislang ist es jedoch bei Ankündigungen geblieben, auch weil die AU zunächst keine konkreten Planungen vorgelegt hat, wofür die Mittel verwendet werden sollen. Neben der Weltbank, die einige Infrastrukturprojekte von NEPAD mit rund einer halben Mrd. US-Dollar fördert, hat die EU bereits Zusagen in Höhe von 250 Mio. Euro für den Peace Fund des PSC gemacht. Hinzu kommen Mittel für das PAP und noch einmal 111 Mio. Euro für die AU-Mission in der sudanesischen Krisenregion Darfur. Mit NEPAD und der AU sowie ihrer regelmäßigen Teilnahme an den Gipfeln ist es den afrikanischen Staatschefs gelungen, Afrika wieder oben auf die internationale Agenda zu setzen. Bewertung und Perspektive Jede Bewertung der AU-Institutionen kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur vorläufigen Charakter haben. Die Einrichtung eines derart komplexen Institutionensystems, das die Souveränität afrikanischer Staaten selbst in Sicherheits- und Verteidigungsfragen deutlich reduzieren wird, stellte ein ambitioniertes, wahrscheinlich ein überambitioniertes Projekt dar: Es ist erstens angesichts des allgegenwärtigen Ressourcenmangels, der die Ausbildung eines notwendigen bürokratischen Unterbaues verhindert, und zweitens unter Berücksichtigung der traditionell hohen Wertschätzung staatlicher Souveränität schwer vorstellbar, wie in aus historischer Perspektive sehr kurzer Zeit funktionsfähige Institutionen entstehen können. Dies verdeutlicht nicht zuletzt der Blick auf die Geschichte der europäischen Integration. Doch selbst wenn sich nicht alle Vorhaben und Institutionen realisieren lassen und eventuell nur eine begrenzte Zahl von Staaten den politischen Willen zeigt, die ehrgeizigen Projekte zu unterstützen, haben NEPAD und die AU bereits eine innerafrikanische Diskussion über die Zukunft des Kontinents ausgelöst und für neue Dynamik im Verhältnis zu den Gebern gesorgt, die auf ein höheres Maß an Kooperation bei Konfliktverhütung und -eindämmung (auch in Form von Militäreinsätzen) hinauslaufen könnte. Für die internationale wie innerafrikanische Glaubwürdigkeit der AU wird das Engagement im Sudan eine entscheidende Rolle spielen. Im Bewusstsein weiter Bevölkerungskreise spielen die jüngsten Entwicklungen noch keine Rolle. Beide Initiativen benötigen langfristig aber die Unterstützung der Bevölkerung, da sie sonst Fremdkörper bleiben werden. Vgl. Volker Matthies, Friedenspolitische Bearbeitung kriegerischer Konflikte, in: Mir A. Ferdowsi (Hrsg.), Afrika - ein verlorener Kontinent?, München 2004, S. 225 - 248. Vgl. zur Umwandlung der OAU zur AU Peter Meyns, Die "Afrikanische Union" - Afrikas neuer Anlauf zu kontinentaler Einheit und globaler Anerkennung, in: Rolf Hofmeier/Andreas Mehler (Hrsg.), Afrika-Jahrbuch 2001, Opladen 2002, S. 51 - 67. Die Gründungsakte kann unter www.africa-union.org abgerufen werden. Teilübersetzung in: Internationale Politik, 56 (2001) 11, S. 78 - 85. Im Folgenden konzentriert sich diese Darstellung vor allem auf Institutionen, ausgeblendet werden u.a. die Entwicklungsdimension, der Handel sowie die geplante Einrichtung von fünf regionalen Wirtschaftsgemeinschaften. Marokko protestiert damit gegen die Mitgliedschaft der Republik Westsahara in der AU. Vgl. Cape Times, Business Report vom 1. 10. 2004. Eine externe Finanzierung der laufenden Kosten ist weder von afrikanischer Seite erwünscht noch von Geberstaaten in Betracht gezogen worden. Das Schlüsseldokument von Oktober 2001 kann unter www.nepad.org abgerufen werden. Bis August 2004 waren folgende 24 Staaten dem APRM beigetreten: Algerien, Angola, Benin, Burkina Faso, Kamerun, Kongo (Brazzaville), Ägypten, Äthiopien, Gabun, Ghana, Kenia, Lesotho, Mali, Malawi, Mauritius, Mosambik, Nigeria, Ruanda, Senegal, Sierra Leone, Südafrika, Tansania, Uganda, Sambia. Vgl. Siegmar Schmidt/Keith Gottschalk, The African Union and the New Partnership for Africa's Development - strong institutions for weak states?, in: Internationale Politik und Gesellschaft (IPG), (2004) 4, S. 138 - 158; Jakkie Cilliers, A guide to the NEPAD African Peer Review Mechanism, Pretoria 2003. Vgl. NEPAD, Objectives, standards, criteria and indicators for the APRM (http://www.nepad.org/documents/110.pdf). Die Beispielindikatoren sind in der Regel sehr allgemein definiert und beziehen sich zum größten Teil auf internationale Verträge und Abkommen. Vgl. V. Matthies (Anm. 1), S. 226. Vgl Jakkie Cilliers/Kathryn Sturman, Challenges facing the AU's Peace and Security Council, in: African Security Review, 13 (2004) 2, S. 97 - 104. Anfang 2004 hatten insgesamt 28 Staaten das PSC-Protokoll unterschrieben, von denen u.a. Algerien, Burundi, Kamerun, Sudan, Äthiopien, Libyen und Zimbabwe den Kriterien nicht entsprechen. Vgl. hier das Protokoll über die Errichtung des PSC, abrufbar über die Homepage der AU (Anm. 3). Das Protokoll trat am 25. 5. 2004 in Kraft, nachdem es von der erforderlichen Zahl von Staaten ratifiziert worden war. Vgl. Nelson Alusala, African Stand-by Force. East Africa moves on, in: African Security Review, 13 (2004) 1, S. 109 - 120. Vgl. Anthoni van Nieuwkerk, South Africa's National Interest, in: African Security Review, 13 (2004) 2, S. 85 - 98. Zit. in: Chris Landsberg, The quiet diplomacy of liberation, Johannesburg 2004, S. 198. Vgl. Siegmar Schmidt, Afrika - ein marginaler Kontinent? Die Globalisierung aus afrikanischer Perspektive, in: Joachim Betz/Stefan Brüne (Hrsg.), Neues Jahrbuch Dritte Welt. Globalisierung und Entwicklungsländer, Opladen 2003, S. 87 - 100. Vgl. Tim Hughes, Composers, conductors and players. Harmony and discord in South African foreign policy, Johannesburg 2004, S. 73 - 110. 22 So der Titel eines Zeitungsbeitrages des aus Nigeria stammenden Direktors des Centre for Conflict Resolution in Kapstadt, Adekeye Adebajo, South Africa: messiah or mercantilist?, in: This Day vom 4. 5. 2004. Vgl. den Beitrag des früheren südafrikanischen Botschafters in Russland, Gerrit Olivier, Is Thabo Mbeki Africa's saviour?, in: International Affairs, 79 (2003) 4, S. 815 - 828.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2021-06-23T00:00:00
2012-01-25T00:00:00
2021-06-23T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/afrika/dossier-afrika/59006/prinzipien-ziele-und-institutionen-der-afrikanischen-union/
Mit der Gründung der Afrikanischen Union (AU) unternimmt Afrika nach dem Scheitern der Organisation Afrikanischer Einheit (OAE) einen erneuten Anlauf, die Einheit und Entwicklung des Kontinents zu stärken. Im Unterschied zur OAE wird die Souveränität
[ "Afrikanische Union", "Panafrika", "Afrika" ]
540
Radicalisation Awareness Network | Infodienst Radikalisierungsprävention | bpb.de
Termine, Stellen, News, Materialien, Videos & Hintergrund-InfosNewsletter zu Radikalisierung & Prävention abonnieren Bleiben Sie auf dem Laufenden im Arbeitsfeld Radikalisierungsprävention! Termine, Stellen, News, Materialien, Videos & neue Hintergrund-Beiträge des Infodienst Radikalisierungsprävention – alle sechs Wochen per E-Mail. Interner Link: → Zum Newsletter-Abonnement Was ist RAN – und was sind die Ziele? Das Radicalisation Awareness Network – kurz RAN – ist ein Netzwerk für Praktikerinnen und Praktiker der Präventionsarbeit aus der gesamten Europäischen Union, das 2011 durch die EU-Kommission ins Leben gerufen wurde. Es wird durch die EU-Kommission finanziert, die aktuelle Förderperiode läuft bis 2019. Die niederländische Beratungsagentur RadarAdvies koordiniert RAN im Auftrag der Kommission und bildet das sogenannte Centre of Excellence (CoE). Ziele sind die Vernetzung und der Austausch zwischen Fachleuten aus verschiedenen Bereichen der Präventionspraxis und aus verschiedenen Staaten zur Prävention und Bekämpfung von gewaltbereitem Extremismus. Dies geschieht unabhängig vom Phänomenbereich und umfasst beispielsweise Rechtsextremismus genauso wie Islamismus oder Strukturen linker Militanz. So sollen Ansätze und Konzepte weitergetragen und verbessert werden. Das RAN publiziert die Ergebnisse und informiert darüber hinaus über Neuigkeiten aus Forschung und Politik rund um die Themen Radikalisierung, Extremismus, Terrorismus und Prävention. So will das Netzwerk auch über den Kreis der Beteiligten hinaus Fachleuten helfen, Praxiserkenntnisse aus verschiedenen europäischen Ländern zu nutzen und die eigene Arbeit zu verbessern. Wer wirkt bei RAN mit? Bei RAN engagieren sich Fachleute, die als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zivilgesellschaftlicher Akteure oder staatlicher Stellen koordinierend, forschend oder in direkter Auseinandersetzung täglich direkt mit radikalisierungsgefährdeten, radikalisierten oder ausstiegswilligen Menschen arbeiten. Diese stellen eine heterogene Zielgruppe dar, vom Mitläufer über die Aussteigerin bis hin zur gewaltbereiten Extremistin oder gar verurteilten Terroristen, mit jeweils unterschiedlichen Bedingungen für die Präventionsarbeit. Daher sind bei RAN zum Beispiel Akteure aus den Bereichen Schule und Sozialarbeit genauso vertreten wie Kolleginnen und Kollegen aus dem Bereich Sicherheit. Sie engagieren sich teilweise ehrenamtlich, teilweise während ihrer Arbeitszeit. Hinzu kommen die Angestellten des RAN Centre of Excellence (CoE), die hauptamtlich die Arbeit des Netzwerks koordinieren. Der Fokus des RAN liegt auf der Präventionsarbeit. Die Praktikerinnen und Praktiker engagieren sich in der Prävention und Bekämpfung der Radikalisierung bis hin zum gewaltbereiten Extremismus in all seinen Formen oder in der Reintegration gewaltbereiter Extremistinnen und Extremisten. Sie sind häufig der erste professionelle Kontakt für gefährdete Menschen und ihre Angehörigen. Wie arbeitet RAN? Die Praktikerinnen und Praktiker aus verschiedenen Arbeitsbereichen treffen sich in Arbeitsgruppen und Workshops, um lokale Herausforderungen oder spezifische Fragestellungen zu diskutieren. Sie lernen einander kennen, teilen Wissen und begutachten bewährte Praktiken aus allen Teilen der EU. Die Ergebnisse werden in Form von Handreichungen, Protokollen und Beispielen guter Praxis auf der Internetseite publiziert. Ein monatlich erscheinender Newsletter informiert über die Aktivitäten der Arbeitsgruppen, Nachrichten und Termine. (Ein Überblick über die Angebote des RAN im Internet findet sich im Abschnitt Interner Link: "Was bietet RAN für die Präventionspraxis?".) Das RAN Centre of Excellence (CoE) in Amsterdam unterstützt und koordiniert das Netzwerk und sammelt und publiziert die Ergebnisse. Das CoE dient zudem als Ansprechpartner für die Europäische Kommission und die EU-Mitgliedsstaaten. Der größte Teil der Arbeit des RAN findet in englischer Sprache statt. Einzelne Publikationen (Handreichungen, der monatliche Newsletter) werden auch auf Deutsch und in anderen Sprachen veröffentlicht. Arbeitsgruppen Im Rahmen des RAN gibt es derzeit neun Arbeitsgruppen (Stand April 2018) zu Schlüsselthemen aus dem Arbeitsbereich. Die Arbeitsgruppen bestehen je nach Thema entweder aus kontinuierlichen "Stamm"-Mitgliedern oder es werden immer wieder andere Teilnehmende zu den Arbeitsgruppentreffen eingeladen. Interessierte können sich dafür bewerben, an Treffen und Arbeitsgruppen teilzunehmen. Bei der Auswahl sind vor allem Sachverständnis, Praxisbezug – der berufliche Kontakt zu Betroffenen – und Herkunftsland relevant. Die Arbeitsgruppen treffen sich meist vier Mal jährlich. Die Treffen sind interaktiv sowie beispiel- und praxisorientiert. Nach jedem Treffen werden sogenannte Ex-Post Paper mit den zentralen Ergebnissen veröffentlicht. Die inhaltliche Ausrichtung der Arbeitsgruppen wird in der Steuerungsgruppe (Steering Committee) geplant. Die Europäische Kommission steht dieser Steuerungsgruppe vor. Außerdem gehören ihr die Vorsitzenden der einzelnen Arbeitsgruppen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kompetenzzentrums an. Die Namen und inhaltlichen Schwerpunkte der Arbeitsgruppen sind: Communication and Narratives (RAN C&N) – Erstellung und Bereitstellung von On- und Offline- Kommunikationswerkzeugen, die extremistische Propaganda in Frage stellen und Alternativen zu extremistischem Gedankengut bieten Education (RAN EDU) – legt den Fokus auf die Stärkung von Lehrkräften und dem Bildungssektor im Umgang mit Radikalisierung EXIT (RAN EXIT) – konzentriert sich auf Deradikalisierungs- und Ausstiegsprogramme Youth, Families and Communities (RAN YF&C) – bearbeitet, wie man Jugendliche, Familien sowie ethnische oder religiöse Gruppierungen am besten unterstützen kann, die mit Radikalisierung konfrontiert sind oder in besonderem Maße vulnerabel sein können Local Authorities (RAN LOCAL) – Austausch über Ansätze und Strategien, an denen mehrere lokale Akteure beteiligt sind, die sozialräumliche Ansätze verfolgen Prison and Probation (RAN P&P) – Analyse der Auswirkungen von Gefängnissystemen, Reintegrationsprogrammen und auf verurteilte Terroristen zugeschnittene Interventionen Police and Law Enforcement (RAN POL) – identifiziert wirksame polizeiliche Ansätze, einschließlich Ausbildung, Einsatz sozialer Medien und Aufbau von vertrauens- und beziehungsbasierten Ansätzen der Arbeit mit Familien, Vereinen, Milieus und Quartieren Remembrance of Victims of Terrorism (RAN RVT) – Pflege eines Netzwerks von Opfern des Terrorismus und Organisation des Europäischen Tags zum Gedenken und in Erinnerung an die Opfer des Terrorismus am 11. März Health and Social Care (RAN H&SC) – Sensibilisierung von Mitarbeitern des Gesundheits- und Sozialwesens im Hinblick auf ihre Rolle bei der Identifizierung und Unterstützung von radikalisierungsgefährdeten Personen Centre of Excellence Das RAN Centre of Excellence (CoE) bezeichnet sich als "Drehscheibe (Hub) für die Verbindung, den Ausbau und die Verbreitung von Expertise". Es wird im Auftrag der Europäischen Kommission von der Agentur RadarAdvies in Amsterdam betrieben. Das CoE unterstützt und koordiniert RAN und fördert den Dialog zwischen Praxis, Politik und Wissenschaft. Das Kompetenzzentrum organisiert sämtliche Veranstaltungen und Fortbildungen des RAN. Es sammelt Erfahrungswissen, entwickelt aktuelle Zusammenstellungen von Handlungsansätzen, sowie neue Fragestellungen und Thesen, die zur Verbesserung der Arbeit im Arbeitsfeld beitragen sollen. Das CoE unterstützt und berät die Europäische Kommission und die EU-Mitgliedsstaaten. Es hilft auch bei der Ausgestaltung der Forschungsagenda der Kommission und arbeitet mit Präventionsinitiativen in und außerhalb der EU zusammen. Wie arbeitet RAN mit Politik und Behörden zusammen? Die EU-Kommission finanziert die Arbeit des Netzwerks und des CoE zu 100 Prozent. Die Kommission hat den Vorsitz der RAN-Steuerungsgruppe inne. Die EU-Kommission und die Mitgliedsstaaten bringen ihre Präferenzen in die jährliche Themenplanung der Steuerungsgruppe ein, der auch die Vorsitzenden der Arbeitsgruppen und das CoE angehören. Nationale Behörden können beim CoE Unterstützung anfragen. Diese erfolgt etwa durch spezifisches Training, Workshops oder Beratung. Seit seiner Gründung im Jahr 2011 hat RAN nach eigenen Angaben mehr als 2.000 Fachleute aus allen EU-Mitgliedsstaaten erreicht. Auch Entscheidungsträgerinnen und -träger in Politik und Verwaltung können auf die Expertise des RAN zugreifen. Das RAN veröffentlicht Publikationen zu ausgewählten Themen, die online zugänglich sind und veranstaltet Fachkonferenzen für hochrangige Entscheidungsträgerinnen und -träger. Das CoE wertet zudem aktuelle Forschungsergebnisse aus und verbreitet sie an Fachleute und Entscheidungsträger, außerdem identifiziert und benennt es Forschungsbedarfe. Was bietet RAN für die Präventionspraxis? Praktikerinnen und Praktiker können aus den Ergebnissen der Arbeitsgruppen und des Centre of Excellence für ihre eigene Arbeit lernen, an Fortbildungsangeboten oder Treffen teilnehmen und sich beraten lassen. Zentrale Plattform für die Präsentation der Arbeit von RAN ist die Internetseite Externer Link: http://ec.europa.eu/ran. Folgende Bereiche der Internetseite sind für Praktikerinnen und Praktiker besonders relevant: 1) RAN-Sammlung / RAN Collection Die RAN-Sammlung (RAN Collection) ist eine Online-Datenbank, die Einblicke und Erfahrungen aus dem Netzwerk enthält. Sie präsentiert etwa 100 in der Praxis bewährte Handlungsansätze in Form von Interventions- oder Präventionsangeboten. Diese können als Inspiration für die eigene Praxis, aber auch zum Finden von möglichen Kooperationspartnern oder Gesprächspartnern zum Austausch dienen. Die Ansätze sind nach acht Inhaltsbereichen/Ansätzen sortiert: Fortbildung, Ausstiegsarbeit, Communities, Bildung, Familien-Unterstützung, Alternative Narrative, Multi-Agency-Ansatz, Strafvollzug und Bewährungshilfe. Externer Link: Zur Datenbank RAN Collection Die Beiträge der RAN Collection sind auf Deutsch in einem Externer Link: PDF-Dokument verfügbar. 2) RAN-Publikationen und News Das RAN versendet einen monatlichen Newsletter Externer Link: "RAN update", der über Aktivitäten der Arbeitsgruppen und Neuigkeiten aus dem Themenfeld Radikalisierungsprävention informiert. Interessierte können den Newsletter abonnieren. Etwa 3-4 Wochen zeitversetzt erscheint der Newsletter jeweils auch in der deutschen Übersetzung. RAN ist zudem in den sozialen Medien aktiv: bei Twitter (Externer Link: @RANEurope) Externer Link: Facebook und Externer Link: LinkedIn. 3) Weitere RAN-Veröffentlichungen (Auswahl) Externer Link: Issue and Policy Papermit aktuellen Forschungsergebnissen oder Inputs von Arbeitsgruppenmitgliedern. Außerdem werden die Ergebnisse der Arbeitsgruppentreffen und Aktivitäten, sogenannte Ex-Post Paper, auf der Website publiziert. Handreichungen (Manuals) für die Praxis. So wurde beispielsweise eine Handreichung zum Umgang mit Rückkehrern publiziert, auch auf Deutsch: Externer Link: "RAN-Handbuch. Reaktionen auf zurückkehrende ausländische Kämpfer und ihre Familien" siehe Kurzvorstellung im Infodienst Radikalisierungsprävention Externer Link: "RAN Polarisation Management Manual"über den Umgang mit gesellschaftlicher Polarisierung (bisher nur auf Englisch) Im Jahr 2017 führte RAN in ganz Europa Trainings für zivilgesellschaftliche Organisationen durch. Es ging dabei um die Entwicklung von Online-Kampagnen rund um Gegen- und alternative Narrative. Die Externer Link: Ausbildungsmaterialien sind auch auf Deutsch erschienen. 4) Beratung Nicht nur Institutionen und Staaten, auch Praktikerinnen und Praktiker können sich mit Fragen an das RAN Centre of Excellence wenden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bieten Beratung zu Methoden oder Beispielen aus anderen EU-Ländern. Sie bieten jedoch keine Einzelfallberatung an. Was bringt der internationale Austausch? Einzelne Staaten können auf Kenntnissen und Erfahrungen anderer aufbauen. Zahlreiche Praktikerinnen und Praktiker sowie Entscheidungsträgerinnen und -träger nahmen bereits an Veranstaltungen des RAN teil, um voneinander zu lernen, Impulse aus den Erfahrungen der anderen mitnehmen und in der kritischen Auseinandersetzung mit den Außenperspektiven die eigenen Ansätze weiter zu verbessern. In Finnland fand beispielsweise eine Fortbildung für Mitglieder von sogenannten Anchor Teams (multidisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Polizei und Sozialarbeit zur Prävention) statt, in der Kenntnisse aus den Niederlanden, Dänemark und Deutschland vermittelt wurden. Lokale Behörden verschiedener Staaten haben sich im Rahmen des RAN ausgetauscht über lokale Radikalisierungspräventions-Programme. Die internationale Zusammenarbeit bringt jedoch auch Herausforderungen mit sich. Dies beginnt bereits mit sehr verschiedenen Perspektiven auf den Begriff "Radikalisierung" in den Mitgliedsstaaten. Beim RAN sei zudem immer eine Art von kultureller Übersetzung notwendig, so Maarten van de Donk vom Centre of Excellence. Es gebe viele Unterschiede in Strukturen und Herangehensweisen in den EU-Mitgliedsstaaten. Die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Jugendhilfe oder das Verhältnis zwischen lokaler und nationaler Ebene seien zum Beispiel in den Europäischen Staaten ganz unterschiedlich geregelt. Welche Themen und Herausforderungen beschäftigen RAN aktuell? Aktuelle Themenschwerpunkte sind Rückkehrerinnen und Rückkehrer aus Syrien, das Erstarken der extremen Rechten und die gesellschaftliche Polarisierung. Ausgehend davon, dass eine zunehmende Polarisierung der Gesellschaft in hohem Maße radikalisierungsfördernd wirkt, sollen diesbezüglich Handlungsansätze für die Praxis erarbeitet werden. Weitere Informationen über RAN im Internet Zentrale Internetseite des RAN: Externer Link: http://ec.europa.eu/ran Video: Externer Link: Die Arbeit von RAN Video: Externer Link: Statements von Praktikerinnen und Praktikern zu ausgewählten Methoden und Projekten Zum Interview mit Werner Prinzjakowitsch, Vorsitzender der RAN-Arbeitsgruppe Youth, Families and Communities im Infodienst: Interner Link: "Europaweiter Austausch über Prävention: RAN aus der Sicht der Praxis" Infodienst RadikalisierungspräventionMehr Infos zu Radikalisierung, Prävention & Islamismus Das Online-Portal Infodienst Radikalisierungsprävention der bpb bietet Hintergrundwissen, pädagogische Materialien, einen Newsletter und eine Übersicht mit Beratungsangeboten. Interner Link: → Zur Infodienst-Startseite Bleiben Sie auf dem Laufenden im Arbeitsfeld Radikalisierungsprävention! Termine, Stellen, News, Materialien, Videos & neue Hintergrund-Beiträge des Infodienst Radikalisierungsprävention – alle sechs Wochen per E-Mail. Interner Link: → Zum Newsletter-Abonnement Das Online-Portal Infodienst Radikalisierungsprävention der bpb bietet Hintergrundwissen, pädagogische Materialien, einen Newsletter und eine Übersicht mit Beratungsangeboten. Interner Link: → Zur Infodienst-Startseite
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2023-02-08T00:00:00
2018-04-16T00:00:00
2023-02-08T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/infodienst/267720/radicalisation-awareness-network/
Mit dem Radicalisation Awareness Network (RAN) will die EU-Kommission gegen Extremismus vorgehen. Wie arbeitet das Netzwerk, und was bietet RAN für die Praxis?
[ "Radicalisation Awareness Network", "EU", "Präventionspraxis", "RAN", "Europäische Union", "EU-Kommission", "Prävention", "Netzwerk", "Fachaustausch", "International", "Austausch", "Praktikerinnen", "Praktiker", "Praxis", "Praxisarbeit", "Arbeitsweise", "Zusammenarbeit", "Politik", "Behörden", "Themen", "Herausforderungen" ]
541
Annäherungen an eine Politik der Vollbeschäftigung in Europa | Vollbeschäftigung? | bpb.de
Einleitung Vor etwa 70 Jahren definierte Lord Beveridge in einer berühmt gewordenen Schrift das Vollbeschäftigungsziel bei 3% Arbeitslosigkeit. Daran gemessen braucht Europa zweifellos dringend mehr und bessere Beschäftigungsmöglichkeiten. Trotz des vorausgehenden wirtschaftlichen Aufschwungs waren am Jahresende 2011 in der Europäischen Union (EU-27) noch knapp 23,8 Millionen (9,9%) Menschen arbeitslos. Die drohende Rezession könnte die Lage rasch wieder verschlimmern. Das gilt vor allem für die langzeitarbeitslosen Menschen, die kaum vom Aufschwung profitiert haben, und für die 5,5 Millionen arbeitslosen Jugendlichen (22,1%). Nicht eingerechnet sind die vielen Teilzeitbeschäftigten, vor allem Frauen, die gerne länger arbeiten und entsprechend mehr verdienen wollen, auch nicht die vielen Entmutigten, die bei besseren Bedingungen wieder Arbeit suchen würden. Das Spiegelbild dazu ist die deutliche Verfehlung des Lissabon-Ziels, das für die Europäische Union eine Beschäftigungsquote von 70% im Jahre 2010 anvisierte. Die Statistiker zählten am Ende nur 64,1%. Gleichwohl fühlten sich die EU-Strategen ermutigt, die Vollbeschäftigungsmarke für das Jahr 2020 auf 75% hochzuschrauben. Dabei schlossen sie jedoch Jugendliche im Alter von 15 bis 19 Jahren aus und ordneten diese zu Recht dem Bildungs- und nicht mehr dem Erwerbssystem zu; über ein vollbeschäftigungsadäquates Ziel der Arbeitslosigkeit schwiegen sie sich freilich aus. All das bezieht "Vollbeschäftigung" (oder seine Abwesenheit) auf Durchschnittswerte von mittlerweile 27 Nationen und Volkswirtschaften, deren riesigen Unterschiede nun in der Schuldenkrise deutlich genug geworden sind. Dazu kommen große regionale Unterschiede in den Ländern selbst, nicht zuletzt in Deutschland. Blicken wir über Deutschlands Grenzen hinaus, sind diese Unterschiede noch drastischer, ja skandalös. Denken wir nur an die Arbeitslosenquoten für Jugendliche in Griechenland oder Spanien, die nah an der Marke von 50% liegen, von binnenregionalen Unterschieden dort ganz zu schweigen. So betrachtet, erscheint Vollbeschäftigung als utopisches Ziel. Sich dieser Herausforderung dennoch zu stellen, kann nur bei vorsichtiger Annäherung und unter Berücksichtigung bestimmter Perspektiven gelingen. Im Folgenden soll gefragt werden, welche Anforderungen sich an eine Politik der Vollbeschäftigung aus zentralen Merkmalen des Strukturwandels am Arbeitsmarkt ergeben. Diese "Annäherungen" werden zeigen, dass es vor allem der Schaffung neuer institutioneller Kapazitäten bedarf, um dem Vollbeschäftigungsziel näher zu kommen. Mit dem Begriff "Kapazitäten" soll vorweg klar gestellt sein, dass es nicht nur um die Anpassung individueller Fähigkeiten gehen kann, also darum, die Menschen fit für den Arbeitsmarkt zu machen. Es geht auch darum, die materiellen, rechtlichen und informationellen Infrastrukturen zu schaffen, um den Arbeitsmarkt fit für die Menschen zu machen. Schließlich kann Vollbeschäftigung selbst nur ein sich bewegendes und ständig neu zu definierendes Ziel sein und nicht die Abwesenheit von Arbeitslosigkeit. Im Gegenteil: Kurze Phasen des Übergangs in Arbeitslosigkeit müssen neben anderen Bedingungen sogar als Voraussetzung von Vollbeschäftigung betrachtet werden. Übergänge müssen sich lohnen Die Arbeitsverhältnisse differenzieren sich zunehmend aus, vor allem in Form teils hoch riskanter atypischer Beschäftigung. "Atypisch" sind Arbeitsverhältnisse dann, wenn sie nicht der zumindest latent noch vorhandenen Norm unbefristeter Vollzeitbeschäftigung im Lohnarbeitsverhältnis entsprechen. Dabei ist vorweg das weit verbreitete Missverständnis auszuräumen, atypische Arbeitsverhältnisse seien per se flexibel. Sie sind es nicht. So sind beispielsweise Teilzeitbeschäftigte in der Regel weniger als Vollzeitbeschäftigte in der Lage, andere Aufgaben im Betrieb zu übernehmen; und Selbständige, die streng terminierte Auftragsarbeiten übernehmen, können ihre täglichen Arbeitszeiten kaum variieren. Die atypische Beschäftigung in Form von Teilzeit, Befristung (inklusive Leiharbeit) und Selbständigkeit ist europaweit gestiegen. Die Unterschiede zwischen den Ländern sind jedoch erheblich: Die gesamte atypische Beschäftigungsquote streut zwischen 43% in den Niederlanden und nur gut 7% in Lettland (vgl. Abbildung 1 in der PDF-Version)). Deutschland befindet sich im großen Cluster von Ländern im Bereich von 20 bis 30%. Die meisten neuen Mitgliedstaaten der EU weisen geringe atypische Beschäftigungsquoten auf; das Pendant hierzu ist freilich der große Umfang informeller Beschäftigung, die dort gar nicht in der Statistik auftaucht. Was erklärt diese großen Unterschiede? Den ersten Hinweis liefert uns die Beobachtung, dass EU-Mitgliedstaaten mit hohem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf auch hohe atypische Beschäftigungsquoten aufweisen. Das berechtigt zwar nicht zu einem kausalen Schluss, aber doch wenigstens zur Vermutung, dass die Ausdifferenzierung der Arbeitsverhältnisse eine Voraussetzung dynamischer Volkswirtschaften ist. Dass diese Ausdifferenzierung nicht notwendigerweise die Form atypischer Beschäftigung annehmen muss, dazu später mehr. Darüber hinaus deuten die Zusammenhänge der Veränderungen atypischer Beschäftigung und der Erwerbsbeteiligung darauf hin, dass es vor allem die unbefristete Teilzeitbeschäftigung ist, die eine Erhöhung der Erwerbsbeteiligung begünstigt, vor allem für Frauen. Befristung und Selbständigkeit sind dagegen keine Treiber höherer Erwerbsbeteiligung. Aus diesen Beobachtungen lässt sich eine erste Schlussfolgerung für eine Neuordnung des Arbeitsmarkts ziehen: Prosperierende offene Volkswirtschaften und die (vor allem um Frauen) erweiterte Teilhabe am Erwerbsleben erfordern eine Ausdifferenzierung der Arbeitsverhältnisse, deren Risiken und Chancen durch die derzeitige Arbeitsmarktpolitik nicht ausreichend berücksichtigt werden. Vor weiteren Schlussfolgerungen gilt es jedoch zu fragen: Was sind die Gründe dieser Entwicklung? Was sind die damit verbunden spezifischen Chancen und Risiken? Was sind die Alternativen? Zu den Gründen wäre viel zu sagen. Hier kann nur auf den zentralen Punkt hingewiesen werden, dass sich die Kluft zwischen nominaler und effektiver Beschäftigungsquote ausweitet, weil Unternehmen wie Beschäftigte zunehmend mit Übergängen zwischen "Aktivität" und "Inaktivität" rechnen müssen. Auslöser dafür sind, abgesehen von Urlauben, vor allem konjunkturell oder saisonal bedingte Kurzarbeit, Bildung oder Weiterbildung, Eltern- oder andere Pflegezeiten, Krankheit oder andere Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit. Leider gibt es hierzu weder verlässliche noch regelmäßige Statistiken. Ein nur grober, für die Komplexität der Übergangsdynamik jedoch unzureichender Indikator ist die Beschäftigungsquote nach Vollzeitäquivalenten, die seit einiger Zeit auch in den offiziellen Statistiken ausgewiesen wird (Abbildung 2 (vgl. PDF-Version)). Für die EU-27 betrug die Differenz im Jahr 2008 immerhin 5,5 Prozentpunkte (66% nominale Quote gegenüber 60,5% effektive Quote), für Deutschland schon 10 Prozentpunkte (71% vs. 61%), und für die Niederlande sogar schon 17,5 Prozentpunkte (77% vs. 59,5%). Würde man Abwesenheiten vom Arbeitsplatz (bei Vollzeit- wie Teilzeitbeschäftigten) hinzuziehen, wäre mit einer wesentlich weiteren Kluft zwischen nominaler und effektiver Beschäftigungsquote zu rechnen. Selbst das Ziel der Europäischen Beschäftigungsstrategie (EU-2020) von 75% als Annäherung für Vollbeschäftigung ist zu tief gegriffen, wenn eine möglichst hohe effektive Beschäftigungsquote das Vollbeschäftigungsziel sein soll. Einige Länder, wie Schweden und die Niederlande, haben deshalb schon das nominale Beschäftigungsziel von 80% in ihren nationalen Beschäftigungsprogrammen festgelegt. Um die Leitidee "Übergänge müssen sich lohnen" mit Substanz zu füllen, müssen die Chancen und Risiken dieser Formen der Übergangsbeschäftigung ins Auge gefasst werden. Dass Teilzeit zu höherer Inklusion am Arbeitsmarkt führt und auch mehr numerische Flexibilität bietet (hier vor allem Variation der Lage der Arbeitszeit), ist unmittelbar einsichtig. Wenig bekannt und erforscht sind die Folgen der Teilzeit für die Produktivität. Zumindest im Dienstleistungsbereich weist die Forschung recht eindeutig auf Produktivitätsgewinne, wenn es darum geht, Dienstleistungen kundenorientiert just in time und möglicherweise rund um die Uhr anzubieten. Die Kehrseite der Chancen von Teilzeit sind soziale Risiken, vor allem in Form mangelnder Alterssicherung. Die Risiken geringerer Bezahlung und Aufstiegsmöglichkeiten könnten durch konsequente Antidiskriminierungspolitik in Schach gehalten werden. Wenig beachtet wird das Unternehmensrisiko geringer funktionaler Flexibilität (beispielsweise Übernahme verschiedener Aufgaben), insbesondere bei geringfügiger Teilzeit. Arbeitsmarktpolitisch lässt sich daraus in aller Vorsicht (vielleicht überraschend und provozierend) der Schluss ziehen, dass die Zentrierung um eine Normalarbeitszeit gegen 30 Stunden pro Woche vielfältige Vorteile hätte. Bei der Befristung sind die Risiken besonders stark ausgeprägt, insbesondere für die Arbeitnehmer: geringere Bezahlung, höheres Arbeitslosigkeitsrisiko, höhere gesundheitliche Risiken. Das ist wohlbekannt und deswegen nicht weiter auszuführen. Weniger bekannt ist das Risiko geringer Produktivität oder Innovation und damit auch geringerer Wettbewerbsfähigkeit. Mittlerweile gibt es in der Forschung harte Belege dafür, dass übermäßige Nutzung befristeter Arbeitsverhältnisse, insbesondere Zeit- oder Leiharbeit, die Innovationsfähigkeit von Betrieben schwächt. Arbeitswissenschaftlich sind die Gründe dafür schon lange bekannt: Für nachhaltige Qualifizierungs- und Kooperationsbereitschaft sind stabile Arbeitsverhältnisse Voraussetzung. Ohne diese Voraussetzung kommen hochriskante Produktionsentwicklungen weder zustande noch lassen sie sich vermarkten. Arbeitsmarktpolitisch lässt sich daraus der Schluss ziehen, dass beschäftigungserhaltende Maßnahmen nach wie vor von großer Bedeutung sind - vorausgesetzt freilich, sie gewährleisten gleichzeitig ein hohes Maß an betriebsinterner numerischer wie funktionaler Flexibilität. Befristung an sich muss dann nicht schädlich sein, wenn sich Arbeitsvermittlung und Arbeitsberatung auf die Förderung von kontinuierlichen Erwerbsverläufen ("Karrieren") statt auf einen einmaligen Übergang in den Arbeitsmarkt konzentrierten, und kann gesamtwirtschaftlich sogar zu nachhaltigeren Ausgleichsprozessen führen. Die Chancen und Risiken für Selbständige müssen hier ausgeklammert werden, so dass noch zu fragen bliebe, welche Alternativen es denn zu atypischer Beschäftigung gäbe. Zunächst gilt es festzuhalten: Das, was wir heute noch als "atypisch" bezeichnen, ist teilweise schon längst zum Alltag geworden. Unbefristete Teilzeitarbeit im Umfang um die 30 Stunden pro Woche, Soloselbständigkeit (auch in Kombination mit abhängiger Teilzeitbeschäftigung), geregelte Befristung im Rahmen qualifizierender Vertragsketten und schließlich auch Leiharbeit in unbefristeter Vollzeit sind unverzichtbare Bestandteile moderner Arbeitsverhältnisse. Das Gefahrenpotenzial "atypischer" Beschäftigung könnte aber durch mehr Beweglichkeit im Normalarbeitsverhältnis eingedämmt werden. Beispielsweise durch Kurzarbeit, Arbeitszeitkonten und Lohnflexibilität. Eine weitere Alternative wäre, auch sozialrechtlich auf ein neues Normalarbeitsverhältnis hinzuarbeiten, zum Beispiel durch Einbau umfassenderer Rechte der Weiterbildung und Arbeitszeitvariation; Ziehungsrechte aus einem solidarischen Weiterbildungsfonds; verhandelte Verkürzung oder Verlängerung der Arbeitszeiten in Abhängigkeit zu Bedarfen im Lebensverlauf; Lohnversicherung zur Kompensation von Übergängen in niedriger bezahlte Jobs; Ziehungsrechte für bezahlte Pflegezeiten. All das zusammengenommen könnte zu einem arbeitsmarktpolitischen Paradigmenwechsel führen: Während die "aktive" Arbeitsmarktpolitik von gestern den Vermittlungsvorrang vor Arbeitslosengeldzahlung begründete, sollte die "proaktive" Arbeitsmarktpolitik von morgen den Vorrang der Beschäftigungsfähigkeit vor Vermittlung und vor Arbeitslosengeldzahlung festschreiben. Investive Arbeitspolitik Ein weiteres Element des Paradigmenwechsels der Arbeitsmarktpolitik muss die Verstärkung ihrer investiven Komponente sein. Hintergründe dafür sind vor allem der demografische und ökonomische Strukturwandel: die älter werdende Erwerbsbevölkerung sowie die Entwicklung zur Wissens- und Dienstleistungsökonomie. Der ökonomische Strukturwandel kann immer weniger über den Wechsel der Generationen, sondern muss immer mehr über Mobilität innerhalb von Generationen bewältigt werden. Dazu gehören zum einen mehr räumliche und sektorale Mobilität, zum anderen höhere und zum Teil neue Qualifikationen. Die Herausforderung zu mehr Mobilität folgt aus der Eigenart von Dienstleistungen, nicht mit Massenfertigung für stabile und große Absatzmärkte verbunden zu sein, wie wir es in der verarbeitenden Industrie gewohnt sind. Bei Dienstleistungen finden wir zudem projektförmige Arbeit häufiger als bei industrieller Fertigung, vor allem im Medienbereich. Aber auch im dynamisch wachsenden Bereich der Industriedienstleister arbeitet mittlerweile jeder Dritte auf Projektbasis. Utopisten sprechen sogar vom Ende des Betriebs und sehen nur noch Netzwerke als typische Produktionsweise der modernen Arbeitswelt. Daraus folgt als neue Anforderung an die Arbeitsmarktpolitik, der räumlichen und sektoralen Mobilitätsförderung in Zukunft größeres Gewicht beizumessen als bisher. Der Wandel von produktionsbezogenen Berufen und einfachen Dienstleistungen zu wissensintensiven Dienstleistungsberufen stellt an die Arbeitsmarktpolitik zunächst die Anforderung, beim Spektrum der Weiterbildungsförderung zunehmend berufsübergreifende Kompetenzen zu fördern, wenn möglich aus dem Beschäftigungsverhältnis heraus und nicht erst, wenn das Kind in den Brunnen der Arbeitslosigkeit gefallen ist. Es mag da und dort einen partiellen Mangel an Ingenieuren, Technikern oder Pflegekräften geben. Pauschal trifft der aktuell beklagte Fachkräftemangel aber nicht zu. Zentraler ist der Bedarf an methodischen Kompetenzen. Gerade die wissensintensiven, sogenannten sekundären Dienstleistungen erfordern zunehmend Fähigkeiten quer über Fachkompetenzen hinweg: diffizile Sachverhalte vermitteln, unvorhergesehene Probleme lösen, schwierige Entscheidungen treffen, Wissenslücken erkennen und schließen oder sehr viele verschiedene Aufgaben erledigen. Unternehmen stellen daher auch keine Bildungszertifikate ein, sondern Menschen, die mit Menschen kommunizieren, die Kundenprobleme analysieren und die Lösungen finden oder gar erfinden und diese auch gegen Widerstand umsetzen können. Eine weitere Herausforderung an Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik ist die auseinandergehende Schere der Beschäftigungschancen zwischen gering Qualifizierten und hoch Qualifizierten: Es sind vor allem gering Qualifizierte, die von atypischer Beschäftigung betroffen sind; das Risiko, arbeitslos zu werden, ist für sie in fast allen EU-Ländern doppelt, dreifach oder gar vierfach höher als für hoch Qualifizierte. Gering Qualifizierte sind weit weniger an Weiterbildung beteiligt als hoch Qualifizierte. Geradezu dramatisch, jedoch wenig berücksichtigt, ist auch die Diskrepanz der Beschäftigungsquoten zwischen gering Qualifizierten und hoch Qualifizierten. Nicht ein einziger EU-Mitgliedstaat hat bei den gering Qualifizierten die Beschäftigungsquote von 75% erreicht, dagegen haben die hoch Qualifizierten in allen EU-Mitgliedstaaten diese anvisierte Messlatte der Europäischen Beschäftigungsstrategie schon längst übersprungen (vgl. Abbildung 3 in der PDF-Version). Für Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik ergibt sich aus diesen Sachverhalten vor allem die Anforderung, die Chancengleichheit für Bildungsbenachteiligte zu verbessern. Was könnte die Lösung sein? "Erst Arbeit, dann Bildung" oder "Erst Bildung, dann Arbeit"? Zur Antwort müssten wir weit ausholen und fragen, warum junge Erwachsene überhaupt aus einem geordneten und erfolgreichen Übergang von der Schule in den Beruf herausfallen. Viele Faktoren spielen hier eine Rolle, und das Ursachenbündel ist vermutlich für jeden jungen Menschen ein anderes. Vieles spricht jedoch für die These mangelnder Autonomie als zentral determinierender Faktor für Bildungsarmut. Die moderne Bildungstheorie versteht unter Autonomie die Möglichkeit, sich in einer selbst gewählten und als sinnvoll erscheinenden Tätigkeit selbst zu behaupten. Alle drei Elemente - Selbstbestimmung, Sinnhaftigkeit und Selbstbehauptung - können für Bildungsbenachteiligte am besten durch arbeitsorientierte Lernsituationen oder durch lernförderliche Arbeitssituationen geboten werden. Die Anwendung dieser Strategien lässt sich in einigen Nachbarländern erkennen, denen die Inklusion von Jugendlichen in den Bildungs- und Arbeitsmarkt im vergangenen Jahrzehnt besser als in Deutschland gelungen ist. Seit 2004 bietet etwa die Schweiz Jugendlichen mit schlechtem Schulabschluss eine standardisierte zweijährige Berufsausbildung mit "eidgenössischem Berufsattest" an (beispielsweise als Küchenangestellte). Diese Ausbildung kann dann auf dem Arbeitsmarkt eingesetzt oder auf die übliche drei- oder vierjährige Berufsausbildung mit "eidgenössischem Fähigkeitszeugnis" angerechnet werden (in diesem Falle Koch/Köchin). Seit 1993 gibt es zudem die realistische Möglichkeit, bereits während der Lehrzeit ein Fachabitur ("Eidgenössische Berufsmaturität") zu erlangen. Dänemark erhöht den Pool der Ausbildungsmöglichkeiten auf der Nachfrageseite durch Risikoteilung in Form eines Ausbildungsfonds, in den jedes private und öffentliche Unternehmen einzahlt, abhängig von der Zahl der Mitarbeiter. Auch Unternehmen, die nicht ausbilden, werden somit in die Pflicht genommen. Aus dem Fonds werden Ausbildungsbetriebe bezuschusst und auch die Finanzierung der überbetrieblichen Ausbildung wird hieraus bestritten. Der Anforderung einer weniger spezifischen und breiteren Erstausbildung kommen einige Nachbarländer besser nach. Die Zahl der anerkannten Ausbildungsberufe liegt in Deutschland mit 344 im internationalen Vergleich hoch. In Österreich, der Schweiz und Dänemark wurde die Zahl der Ausbildungsberufe stark reduziert. Österreich bietet zur Verminderung der Spezialisierung auch Doppellehren an, zum Beispiel Bäcker/in in Kombination mit Konditor/in. Dänemark bietet traditionell eine breite vorberuflich-schulische Grundausbildung an, bevor die Abgänger in die duale Ausbildungsphase eintreten. Auch in den Niederlanden wurde parallel zur dualen Ausbildung eine vorberuflich-schulische Ausbildung eingeführt, die sich durch einen hohen Praxisteil in Betrieben auszeichnet, während umgekehrt Auszubildende im dualen System mehr formale Schulbildung genießen als in Deutschland. Die zunehmende Spaltung des Arbeitsmarktes nach Bildungsniveau könnte also zu einem Großteil entweder durch eine kombinierte Strategie von Arbeitsangeboten und betrieblichen Weiterbildungsangeboten oder durch eine stärkere Berufsorientierung im schulischen Kontext gelöst werden. Für die Arbeitsmarktpolitik folgt darüber hinaus die Anforderung, die Förderung von Qualifikation nicht nur auf Arbeitslose zu konzentrieren, sondern auch auf Beschäftigte, die von Arbeitslosigkeit bedroht sind. Menschen, die unter ihrem Qualifikationspotenzial beschäftigt sind (in Deutschland schätzungsweise zwischen 10 und 15%), wären eine weitere lohnenswerte Zielgruppe. Mit ihrer Förderung könnten Mobilitätsketten in Gang gesetzt werden, die nicht nur einen Beitrag leisten, die drohende Fachkräftelücke zu schließen, sondern auch Einstiegschancen für die (oft gering qualifizierten) Außenseiter des Arbeitsmarktes bieten. Lebenslauforientierte Arbeitsmarktpolitik Eine Politik der Vollbeschäftigung sollte schließlich stärker als bisher die sich wandelnden Voraussetzungen, Bedürfnisse und Präferenzen im Lebensverlauf der Menschen berücksichtigen. Dass unter diesem Gesichtspunkt vor allem die Erwerbschancen von Frauen in der Familienphase zu verbessern sind, muss hier als Selbstverständlichkeit vorausgesetzt werden. Weiteres zentrales Handlungsfeld einer Politik der Vollbeschäftigung ist die Förderung der Beschäftigungschancen für Ältere. Obwohl die Erwerbsbeteiligung von Älteren in der letzten Dekade fast überall stark angestiegen ist, ist sie von der Messlatte der Beschäftigungsquote von 75% noch weit entfernt (vgl. Abbildung 4 in der PDF-Version). Im EU-27-Durchschnitt sind von den 60- bis 64-Jährigen gerade einmal 38% beschäftigt. In den meisten EU-Ländern sind es darüber hinaus vor allem die älteren Frauen, die weit von der Messlatte der Beschäftigungsstrategie EU-2020 entfernt sind. Wie könnte diese Kluft weiter verringert werden? Es versteht sich von selbst, dass hier ein ganzes Bündel beschäftigungs- und arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen ineinandergreifen müsste: Zunächst müsste die effektive Nachfrage stärker auf eine alternde Gesellschaft ausgerichtet werden, vor allem im Bereich sozialer Dienstleistungen. Dann wissen wir, dass die Erwerbsbeteiligung auch der Älteren mit dem Bildungsgrad korreliert. Auch Weiterbildung für Ältere fördert aktives Altern, ein Zusammenhang, der mittlerweile auch sehr gut belegt ist. Ältere können darüber hinaus wegen eingeschränkter Leistungsfähigkeit oft nur noch in Teilzeit arbeiten, oder sie möchten das auch, um mehr Freizeit zu haben. Mit weiteren arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, etwa mit der Anpassung von Arbeitsplätzen oder mit einer Lohnversicherung im Falle eines erforderlichen Arbeitsplatzwechsels mit geringeren Verdiensten, ließe sich die Beschäftigungsfähigkeit Älterer verbessern. Weiter zu entwickelnde aktive (und früher Verrentung vorbeugende) Sicherheiten wären das Recht auf berufliche Ausbildung auch im erwachsenen Alter, das Recht auf familienbedingte Variation der Arbeitszeiten (vor allem in Pflegefällen), das Recht auf eine Karriere durch Weiterbildung und Umschulung, das Recht auf berufliche Rehabilitation und das Recht auf selbstbestimmte Arbeitszeiten. Auf der Arbeitgeberseite bedeutet gerechte Risikoteilung auch die Haftung für besondere Risiken bei Einstellungen und Entlassungen: Etwa eine Risikoprämie für Zeitarbeit, die in auftragslosen Zeiten zur Weiterbildung genutzt werden kann; oder eine Extraabgabe in die Arbeitslosen- oder Invalidenversicherung bei der Entlassung von Älteren wie in Österreich und Finnland. Denkbar sind auch öffentlich-private oder öffentlich-öffentliche Partnerschaften. So könnte in einem Wettbewerbs- oder Auktionsverfahren das Beschäftigungs- und Fachkräftepotenzial zugunsten älterer Menschen besser ausgeschöpft werden. Privaten oder öffentlichen Betrieben, die an einem solchen Verfahren teilnehmen und zusätzliche Arbeitsplätze für leistungsgeminderte ältere Personen anbieten, könnten der Staat oder die Agenturen für Arbeit einen längerfristigen Lohnkostenzuschuss anbieten. Nach diesem Muster funktionieren beispielsweise die "Flexjobs" in Dänemark, die umgerechnet auf bundesdeutsche Größenordnung - etwa eine halbe Million Arbeitsplätze schaffen könnten. In der Konsequenz bedeutet eine lebenslauforientierte Arbeitsmarktpolitik die Anforderung, durch Inklusion von Risiken über das Arbeitslosigkeitsrisiko hinaus die tradierte Arbeitslosenversicherung in eine Arbeitsversicherung zu erweitern. Schon das Konzept der aktiven Arbeitsmarktpolitik hatte ja das Versicherungsprinzip auf das Qualifikationsrisiko von Arbeitslosen oder Beschäftigten ausgedehnt. Proaktive Arbeitsmarktpolitik würde weitere Risiken einschließen: das Risiko volatiler Einkommen, der Erwerbsminderung und Kompetenzdefizite, ja selbst - zumindest im begrenzten Umfang - das Risiko falscher Karriereentscheidungen im Lebensverlauf. Zusammenfassender Ausblick Eine Politik der Vollbeschäftigung wird sich drei zentralen Herausforderungen der künftigen Arbeitswelt stellen müssen: Erstens der Ausdifferenzierung der Arbeitsverhältnisse, vor allem in Form atypischer Beschäftigung, die mit neuen Risiken verbunden sind, insbesondere dem Risiko stark schwankender Erwerbseinkommen über den Lebensverlauf. Die zeitgemäße Reaktion darauf wäre die Inklusion dieser Risiken in die Arbeitslosenversicherung, die folgerichtig dann auch als Arbeitsversicherung zu bezeichnen wäre. Diese erweiterte Risikoabdeckung muss - wie bei jeder Sozialversicherung - zwischen der Skylla des "moralischen Verhaltensrisikos" (Ausnutzung der Versicherung) und der Charybdis des "innovativen Verhaltensrisikos" (Bereitschaft zum Risiko) jonglieren. Da die Chancenseite des Verhaltensrisikos von Versicherungen meistens in Vergessenheit gerät, wird hier für eine neue Leitidee geworben: Auch Übergänge müssen sich lohnen, etwa der Übergang von Vollzeit in Teilzeit, von abhängiger in selbständige Beschäftigung, von einem Beruf zum anderen - einschließlich des Übergangs von Beschäftigung in vorübergehende Arbeitslosigkeit. In anderen Worten: Politik muss Menschen auch dazu ermutigen, Übergangsrisiken zu übernehmen. Die zweite Herausforderung sind die älter werdende Erwerbsbevölkerung sowie der Wandel zur Wissens- und Dienstleistungsökonomie. Auch eine aktive Zuwanderungspolitik wird den demografischen Megatrend nicht kompensieren können. Darum ist als Leitidee eine investive Arbeitspolitik vonnöten, um die Beschäftigungsfähigkeit des vorhandenen Erwerbspotentials zu erhöhen. Das bedeutet zum einen Investitionen in bildungsbenachteiligte junge Erwachsene durch lernförderliche Arbeitssituationen oder berufsorientiere Lernsituationen, zum anderen Investitionen in lebenslanges Lernen, um die älter werdenden Menschen für den Arbeitsmarkt fit zu halten. Es muss aber auch in die Arbeitsorganisation investiert werden, um menschengerechte, vor allem altersgerechte Arbeitsplätze zu schaffen. Die dritte Herausforderung ist die notwendige Stärkung der individuellen Autonomie, also der Selbstbestimmung vor allem für Bildungsbenachteiligte, und die Vervollständigung der Gleichstellung von Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt. Als Anforderung für die Politik folgt daraus die konsequente Orientierung am Lebensverlauf und die Leitidee, nicht nur vor Arbeitsmarktrisiken zu schützen, sondern auch die persönliche Entwicklung, also berufliche Karrieren durch spezielle Strategien zu fördern. Die daraus entstehenden Mobilitätsketten würden nicht nur helfen, die drohende Fachkräftelücke zu schließen, sondern kämen auch den Außenseitern des Arbeitsmarktes zugute. Vgl. William H. Beveridge, Full Employment in a Free Society, New York 1945; Zielgruppe waren für Beveridge damals freilich nur Männer, die sogenannten Ernährer der Familie. Vgl. EU Labour Market Fact Sheet, February 2012. Für die EU-27 weist Eurostat 8,5 Millionen Teilzeitbeschäftigte im Jahr 2010 aus, die gerne mehr arbeiten würden, darunter 2,2 Millionen allein in Deutschland; als entmutigte und auf dem Arbeitsmarkt nicht unmittelbar verfügbare Personen werden weitere acht bis zehn Millionen gezählt. Vgl. Eurostat, Underemployed and potentially active labour force statistics: Statistics Explained, online: http://epp.eurostat.ec.europa.eu/statistics_explained (30.12.2011). Vgl. Günther Schmid, Übergänge am Arbeitsmarkt - Arbeit, nicht nur Arbeitslosigkeit versichern, Berlin 2011, S. 13-37. Die nominale Beschäftigungsquote ist die Zahl der Personen in einem Lohnarbeitsverhältnis oder in Selbständigkeit; die effektive Beschäftigungsquote ist die Zahl der Personen, die aktuell am Arbeitsplatz sind. Vgl. Gerhard Bosch/Claudia Weinkopf/Torsten Kalina, Mindestlöhne in Deutschland, Bonn 2009; Wolfram Brehmer/Hartmut Seifert, Sind atypische Beschäftigungsverhältnisse prekär? Eine empirische Analyse sozialer Risiken, in: Zeitschrift für Arbeitsmarktforschung, 40 (2008) 4, S. 1-31; Karin Schulze Buschoff, Atypisch beschäftigt = typisch arm im Alter? Die Flexibilisierung der Arbeitsmärkte und der staatliche Schutz vor Altersarmut - ein europäischer Vergleich, Bonn 2011. Vgl. u.a. Haibo Zhou/Ronald Dekker/Alfred Kleinknecht, Flexible labor and innovation performance: evidence from longitudinal firm-level data, in: Industrial and Corporate Change, 20 (2011) 3, S. 941-968. Vgl. G. Schmid (Anm. 4), S. 19-23; Karin Schulze Buschoff, Neue Selbständige im europäischen Vergleich, Düsseldorf 2007. Als zentrales neues Element einer Neuordnung des Arbeitsmarkts (Arbeitsversicherung). Vgl. G. Schmid (Anm. 4), S. 98-105. Die demografischen Hintergründe und Vorausschätzungen der nächsten 30 bis 50 Jahre können hier nicht nachvollzogen werden. Vgl. u.a. Ralph Conrads/Ernst Kistler/Thomas Staudinger, Alternde Belegschaften und Innovationskraft der Wirtschaft, in: APuZ, (2008) 18-19, S. 40-46. Vgl. u.a. Martin Baethge, Qualifikation, Kompetenzentwicklung und Professionalisierung im Dienstleistungssektor, in: WSI-Mitteilungen, 64 (2011) 9, S. 447-455. Das Abfertigungsrecht in Österreich als Modell einer Mobilitätsversicherung wäre z.B. eine Diskussion wert. Vgl. G. Schmid (Anm. 4), S. 123f. Dass die Wurzeln für Bildungsarmut oder Bildungsbenachteiligung im frühen Kindesalter liegen und die Politik auch schon dort anzusetzen hat, muss hier als Selbstverständlichkeit vorausgesetzt werden. Vgl. WSI-Mitteilungen, 64 (2011) 4, mit dem Schwerpunktthema "Sicherheit, Gleichheit und Autonomie", darunter vor allem die Beiträge von Martin Kronauer/Günther Schmid, Ein selbstbestimmtes Leben für alle - Gesellschaftliche Voraussetzungen von Autonomie, S. 155-163; Wulf Hopf, Bildung, chancengleiche Konkurrenz und gleiche gesellschaftliche Teilhabe, S. 195-201. Vgl. G. Schmid (Anm. 4), S. 115-118. Vgl. Bundesinstitut für Berufsbildung, Liste der staatlich anerkannten Ausbildungsberufe, online: www2.bibb.de/tools/aab/aabberufeliste.php (9.1.2012). Vgl. G. Schmid (Anm. 4), S. 132-135. Vgl. ebd., S. 150ff.
Article
, Günther Schmid
2021-12-07T00:00:00
2012-03-29T00:00:00
2021-12-07T00:00:00
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/126008/annaeherungen-an-eine-politik-der-vollbeschaeftigung-in-europa/
Angesichts der Arbeitsmarktsituation in vielen Ländern Europas scheint es utopisch, von Vollbeschäftigung zu reden. In Annäherung an dieses Ziel zeigt sich, dass es vor allem der Schaffung neuer institutioneller Kapazitäten bedarf.
[ "" ]
542
Auslandsjournalismus in Zeiten von Digitalisierung und Propaganda | Kriege und Konflikte – Schule zwischen medialer Meinungsbildung und dem Anspruch politischer Bildung | bpb.de
"Einen eigenen Weg zwischen den Propagandisten finden" – mit dieser Aussage eröffnete Gemma Pörzgen, freie Journalistin, Osteuropa-Kennerin, Mitglied des Netzwerks für Osteuropa-Berichterstattung (n-ost), sowie Vorstandsmitglied von "Reporter ohne Grenzen" ihren Vortrag. Durch die Digitalisierung und das Internet hätten sich sowohl Vor- als auch Nachteile aufgetan, die die journalistische Arbeit stark verändert hätten. Während einige Debatten intensiver geführt würden und Journalisten heute einfacher mit ihren Lesern in einen Dialog treten könnten, sei im Ukraine-Konflikt auch eine negative Seite hervorgetreten. Anfeindungen und "Hatespeech" seien an der Tagesordnung, bezahlte Trolle würden von Russland aus Debatten anheizen und auf Provokationen abzielen, die eine konstruktive Diskussion in den sozialen Medien erschwerten. "Korrespondenten können in das Leben eines Landes eintauchen" Pörzgen stellte in ihrem Vortrag die Frage, ob die deutschen Medien noch ausreichend dazu in der Lage seien, die Welt in all ihrer Komplexität abzubilden. Die journalistische Antwort darauf sei bislang ausgeblieben, es fehle beispielsweise mit Blick auf Osteuropa in den Redaktionen oft an Neugierde und Interesse, die Probleme dort zu analysieren. Beispielhaft führte sie an: In den meisten Medien müssen die Auslandskorrespondenten von Moskau aus den gesamten früheren sowjetischen Raum abbilden. Wichtige Regionen wie der Südkaukasus oder Zentralasien seien dadurch völlig aus dem Blick geraten. Bei den Zeitungshäusern würden die Sparzwänge die Qualität der Auslandsberichterstattung immer weiter beeinträchtigen. Den Redaktionen fehle das Geld und oft auch die Bereitschaft, Auslandskorrespondenten noch ausreichend zu bezahlen oder ihre Reisespesen zu erstatten. Dabei sei die kontinuierliche Berichterstattung eines Auslandskorrespondenten, der über Jahre Entwicklungen beobachtet und die jeweilige Landessprache beherrscht, nicht dadurch zu ersetzen, dass kurzfristig Reporter einfliegen und über bestimmte Ereignisse berichten. Als Beispiel führte Pörzgen die Ukraine an, die trotz des andauerndes Krieges zu wenig Aufmerksamkeit in den deutschen Medien finde. Außerdem festen Büro der Deutschen Welle, gebe es in Kiew nur noch zwei freie Korrespondenten, die vor Ort stationiert sind. In den 1990er Jahren sei dies noch deutlich anders gewesen, als sowohl der SPIEGEL als auch die dpa noch mit einem festen Büro in der ukrainischen Hauptstadt vertreten waren. Großereignisse wie die Orangene Revolution bescherten dem Land zwischenzeitlich wieder mehr Aufmerksamkeit. Auch im Zuge der Fußball-Europameisterschaft 2012 sei das Land dann wieder stärker in deutschen Medien wahrgenommen worden, wenn es dann auch oft eher um den Stadionbau als um die wirtschaftliche und politische Lage in der Ukraine gegangen sei. Von der Entwicklung im Winter 2013/2014 in der Ukraine seien deshalb die meisten Redaktionen überrascht worden. Die Debatten rund um das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Ukraine waren unter der Wahrnehmungsschwelle der Medien geblieben. Zu stark dominierende Themen führen beim Mediennutzer zum "Overkill" Pörzgen kritisierte auch, dass es allzu oft Themen gäbe, welche die Medienberichterstattung so stark dominierten, dass sie alles andere in den Schatten stellen. Dies führe leicht zu einer Art "Overkill" für die Mediennutzer. Medienübergreifend werde dann über Tage oder Wochen fast nur über ein Thema berichtet, sei es die Finanzkrise, die Griechenlandkrise, die Ukraine-Krise oder die Flüchtlingskrise. Ereignisse tauchten deshalb manchmal wie aus dem Nichts auf und verschwänden dann wieder. Dies führe zu Unsicherheit und Irritation bei den Lesern, Zuhörern oder Zuschauern. Im Journalismus, vor allem im Onlinejournalismus, werden Meinungsstücke immer beliebter. Sie sind für die Verlage vor allem preiswert, denn man spart an der aufwändigeren Recherche und an Reisekosten. Es reicht scheinbar aus, einfach am Schreibtisch und in der Redaktion zu bleiben. Dabei wird häufig nur noch auf Sekundärquellen zurückgegriffen statt vor Ort ein Ereignis zu recherchieren und durch die eigene Anschauung zu überprüfen. Pörzgen kritisierte auch bestimmte stilistische Formen, die, wie der in Mode gekommene "Erzähljournalismus", zu einer Verzerrung der Wirklichkeit beitrügen. Dabei sei vor allem ein Problem, dass in Artikeln viel zu häufig eine Personalisierung von Politik im Vordergrund stehe, statt eine hintergründige Analyse. Als Beispiel nannte Pörzgen die Berichterstattung über Russland, bei der die Darstellung des Landes sich zunehmend nur noch auf den Präsidenten Wladimir Putin konzentriere und alles andere dahinter zurücktrete, als sei er der einzige relevante Akteur in der russischen Politik. Schülern und Lehrern empfahl Pörzgen einen kritischen Blick auf die Arbeit der Medien. Schon in der Schule müsse heute mehr Medienkompetenz vermittelt werden, um seriöse Quellen leichter identifizieren zu können und sich angesichts der vielfältigen Informationsangebote besser zu orientieren. Aber auch der Geschichtsunterricht müsse heute mehr anbieten als deutsche Nationalgeschichte und sich stärker der europäischen Geschichte und der Weltgeschichte widmen. Nur so könne man Schülern die Welt von heute verständlicher machen und in Zeiten der Globalisierung die nötigen Hintergrundkenntnisse anzubieten, um mit Medien kompetent umzugehen.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2022-08-26T00:00:00
2016-10-11T00:00:00
2022-08-26T00:00:00
https://www.bpb.de/veranstaltungen/reihen/fachdiskurs-schule/235276/auslandsjournalismus-in-zeiten-von-digitalisierung-und-propaganda/
In den vergangenen Jahren hat sich der Auslandsjournalismus grundlegend verändert. Gemma Pörzgen berichtet, dass die Digitalisierung dabei nur ein Aspekt ist.
[ "Auslandsjournalismus", "Digitalisierung und Propaganda", "Medienkritik", "KMK", "interdisziplinäre Fachtagung" ]
543
Die Reformierbare | Reformation | bpb.de
"Wir wissen, dass es an diesem Heiligen Stuhl schon seit einigen Jahren viele gräuliche Missbräuche in geistlichen Dingen und Exzesse gegen die göttlichen Gebote gegeben hat, ja, dass eigentlich alles pervertiert worden ist. So ist es kein Wunder, wenn sich die Krankheit vom Haupt auf die Glieder, das heißt von den Päpsten auf die unteren Kirchenführer ausgebreitet hat. Wir alle (…) sind abgewichen, ein jeder sah nur auf seinen eigenen Weg, und da ist schon lange keiner mehr, der Gutes tut, auch nicht einer." Diese Worte stammen nicht von einem zeitgenössischen Kritiker der katholischen Kirche, sondern von Papst Hadrian VI. im Jahr 1523. Keine zwei Jahre zuvor hatte Martin Luther sich auf dem Wormser Reichstag geweigert, seine Thesen zu widerrufen, woraufhin die Reichsacht über ihn verhängt wurde – ein entscheidender Schritt auf dem Weg zur Kirchenspaltung. Hadrian VI. versuchte, der Kritik den Wind aus den Segeln zu nehmen, indem er die vielfältigen Missstände beim Namen nannte, seiner Kirche überfällige Reformen verordnete und versprach, "dass Wir jede Anstrengung unternehmen werden, dass als erstes diese Kurie, von der das ganze Übel ausgegangen ist, reformiert wird, damit sie in gleicher Weise, wie sie zum Verderben der Untergebenen Anlass geboten hat, nun auch ihre Genesung und Reform bewirkt. Dazu fühlen Wir Uns umso mehr verpflichtet, als Wir sehen, dass die ganze Welt eine solche Reform sehnlichst begehrt." Doch Hadrian VI. starb bereits im September 1523, und sein radikales Programm wurde nie umgesetzt. Mythos Reformunfähigkeit Das bedeutete aber nicht das Ende aller Reformen in der katholischen Kirche. Vor allem das Konzil von Trient von 1545 bis 1563 stieß einen grundlegenden Wandel an. Doch die protestantisch dominierte Kirchengeschichtsschreibung beschrieb die Veränderungen der katholischen Kirche im 15. und 16. Jahrhundert lange Zeit als bloße Gegenreformation. Sie entwickelte das eingängige Schema formatio – de-formatio – re-formatio: Von Jesus bis zur Konstantinischen Wende im Jahr 313 habe sich das Idealbild von Kirche formiert. 380 wurde das Christentum zur Staatsreligion, und die Kirche wurde mächtig und reich. Damit begann das Zeitalter ihrer Zerstörung, das in der pervertierten Papstkirche der Renaissance mit ihrem überzogenen Primatsanspruch sowie ihrem sittlichen und religiösen Verfall gipfelte. Dann kam Luther und stellte die Reinheit der ursprünglichen Kirche wieder her, durch seine re-formatio überwand er die de-formatio des zur Papstkirche gewordenen Christentums. Damit, so die protestantische Meistererzählung, reformierte er nicht nur die Religion, sondern ebnete auch dem neuzeitlichen Individualismus und Rationalismus den Weg, kurz: der Moderne. "Der protestantische Fromme ist aus der Vormundschaft der kirchlichen Institution entlassen", schreibt etwa der Theologe Friedrich Wilhelm Graf und attestiert dem Protestantismus "einen dezidiert emanzipatorischen Gehalt, auch durch entschieden antikatholische Abgrenzung vom Hierarchieprinzip und Autoritätskult der römisch-katholischen Kirche". Und weiter: "Protestanten waren nicht nur die Meisterdenker der deutschen Philosophie (…), Protestanten prägten entscheidend auch den klassischen nationalen Literaturkanon der Deutschen." Und die katholische Kirche? Sie verharrte einem bedeutenden Teil der protestantischen Geschichtsschreibung zufolge im finsteren Mittelalter. "Reform" und "Reformation" klingen nach Aufbruch in die Zukunft, nach aktivem Handeln. "Gegenreformation" bezeichnet ein bloßes Reagieren, eine rückwärtsgewandte, mitunter gewalttätige Verteidigung. Während sich der Protestantismus zu neuen Ufern aufmachte, erfand die katholische Kirche die Römische Inquisition und den Index der verbotenen Bücher. Der Katholizismus der folgenden Jahrhunderte galt immer mehr als bildungsfeindlich, reformunfähig und letztlich zum Untergang verdammt. Diesen Mythos, an den auch Katholiken irgendwann selbst zu glauben drohten, gilt es zu entlarven. Aufbrüche und Rückschläge Fakt ist, dass die katholische Geschichtsschreibung gerade im Mittelalter keine Deformation, sondern eine Blütezeit der Kirche sah. Diese sei durch den "falschen Reformator" Luther zerstört worden. Das Wort reformatio, das im Lateinischen sowohl für "Reform" als auch für "Reformation" steht, klang daher stets gefährlich nach Kirchenspaltung; wer es als Katholik verwendete, wurde rasch als "Kryptoprotestant" verdächtigt. Es dauerte lange, bis der Begriff auch unter Katholiken wieder salonfähig wurde und die Gleichsetzung von Reform und Reformation aufhörte. Erst in der Moderne wurde es möglich, die Neuformierung des Katholizismus als "katholische Reform" zu bezeichnen. Jetzt entdeckte man zahlreiche Reformbewegungen, die unabhängig von Luther entstanden waren: die Reform-Konzilien von Konstanz (1414–1418) und Basel (1431–1449), gescheiterte Reformversuche der Kurie im 15. Jahrhundert, die Hochschätzung der Heiligen Schrift im katholischen Humanismus und im italienischen evangelismo und nicht zuletzt Reformen "von unten", in Orden und neuen Frömmigkeitsbewegungen im Spätmittelalter. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts ermöglicht der Begriff "Konfessionalisierung", unvoreingenommen Veränderungen in den Blick zu nehmen, die sich im 16. und 17. Jahrhundert sowohl in protestantischen als auch in katholischen Territorien vollzogen. Unbestreitbar ist aber auch, dass sich die Päpste nach Französischer Revolution und Säkularisation, der Enteignung kirchlicher Besitztümer 1803, einem kompromisslosen Abwehrkampf gegen die Moderne verschrieben. Pius IX. verurteilte 1864 im "Syllabus errorum" Gewissens-, Meinungs-, Presse- und Religionsfreiheit als "Wahnwitz". Diese Linie lässt sich weit ins 20. Jahrhundert hinein ziehen. Unterstützt wurden die Päpste dabei vom Ultramontanismus, einer ultra montes, über die Alpen hinweg, ganz an Rom ausgerichteten Strömung im Katholizismus, die massenhaft Anhänger fand. Als der Papst seine weltliche Macht über den Kirchenstaat verlor, sprach 1869/70 das Erste Vatikanische Konzil dem Stellvertreter Christi neben dem Universellen Jurisdiktionsprimat – der Papst konnte nun in örtliche kirchliche Belange nach Belieben "hineinregieren" – auch die Unfehlbarkeit in lehramtlichen Entscheidungen zu. Ist seitdem alles, was die Päpste jemals verkündet haben, der Reform entzogen? Ist die katholische Kirche endgültig nicht mehr reformierbar? Das Zweite Vatikanische Konzil von 1962 bis 1965 hat gezeigt, dass dem nicht so ist: So heißt es in der dort formulierten Kirchenkonstitution "Gaudium et Spes", das Evangelium verkünde "die Freiheit der Kinder Gottes" und respektiere "sorgfältig die Würde des Gewissens und seiner freien Entscheidung"; und die Erklärung "Dignitatis humanae" ist ein klares Bekenntnis zur Religionsfreiheit. In dieser Hinsicht hat sich die Lehre der katholischen Kirche nicht nur entwickelt, sondern wurde "am entscheidenden Punkte korrigiert". Eine ähnliche Wende gab es auch im Verhältnis zu den Juden. Als Reformer tat sich auf dem Konzil besonders Julius Kardinal Döpfner hervor, der damalige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz. Er bezeichnete die Reform als "Wesenselement" der katholischen Kirche. Ecclesia semper reformanda (die Kirche als immer neu zu reformierende) lautete jetzt das von Protestanten übernommene Prinzip. Überspitzt gesagt: Wenn sich die katholische Kirche der notwendigen Reform verweigert, ist sie nicht mehr katholisch. Die Aufbruchstimmung des Konzils ist jedoch verflogen. Das lange Pontifikat Johannes Pauls II. von 1978 bis 2005 führte zu einem allgemeinen Reformstau. Bei allen, die für Neuerungen offen waren, keimte erst neue Hoffnung auf, als 2013 Jorge Mario Bergoglio zum Papst gewählt wurde und nachdrücklich Reformen anmahnte. Beim Weihnachtsempfang für seine engsten Mitarbeiter am 22. Dezember 2014 sagte er, die Kurie sei "Krankheiten, Funktionsstörungen und Gebrechen ausgesetzt", die von "geistlichem Alzheimer" und "existenzieller Schizophrenie" über kalten Bürokratismus und Scheinheiligkeit bis zu Gier nach Macht und weltlichem Besitz reichten. Eine derartige Fundamentalkritik eines Papstes an seiner Kurie ist – von Hadrian VI. abgesehen – ohne Parallele. Unbestreitbar ist seitdem: Die Ursachen für die Missstände sind nicht vorrangig in den Fehlern einzelner Personen zu suchen. Sie liegen tiefer. Es geht um eine grundlegende Reform der Ämter und Strukturen in der katholischen Kirche. Optionen aus der Tradition Aber wie kann ein solches Vorhaben heute gelingen, ohne eine neue Kirchenspaltung zu provozieren? Wer Reform im ursprünglichen Wortsinn als Rück-Formung zu in der Geschichte bewährten Verwirklichungen des Katholischen versteht, für den liegen in der Tradition der Kirche zahlreiche vergessene Optionen bereit, die – kreativ angewendet – das Gesicht der Kirche nachdrücklich verändern könnten, ohne dadurch ihre Katholizität infrage zu stellen. Denn die Kirche war nie ein monolithischer Block, vielmehr haben immer wieder unterschiedliche Katholizismen miteinander um die ideale Verwirklichung gerungen. Die Kirche in ihrer äußeren Gestalt ist und war zudem einem ständigen Wandel unterworfen. Ihre Ämter und Institutionen haben sich im Laufe der Zeit entwickelt, ebenso die katholische Lehre. Was ist also zu tun, um die Kurienkrankheiten zu bekämpfen, die Bergoglio beziehungsweise Franziskus so drastisch beschrieben hat? Wider die Einsamkeit des Papstes Wenn die Krankheiten "der schlechten Koordination", "des Geredes, des Gemunkels und des Tratsches" sowie "der geschlossenen Zirkel" grassieren, fehlt es an übergreifenden Gremien des Austauschs und an Zugang zu den entscheidenden Stellen. Ein erschreckendes Indiz dafür stellt die sogenannte Williamson-Affäre dar: Im Januar 2009 ließ Benedikt XVI. vier Bischöfe der traditionalistischen Priesterbruderschaft Sankt Pius X. wieder in die volle Gemeinschaft mit der katholischen Kirche aufnehmen, darunter Richard Williamson, der den Holocaust geleugnet hatte. Benedikt XVI. behauptete, von Williamsons antisemitischen Äußerungen nichts gewusst zu haben. Dabei hatte der Päpstliche Rat zur Förderung der Einheit der Christen, in dessen Zuständigkeit das Verhältnis der katholischen Kirche zum Judentum fällt, ein umfassendes Dossier angelegt. Diese Informationen erreichten den Papst aber nicht, allem Anschein nach, weil er seine Pläne innerhalb der Kurie nicht kommuniziert hatte. Benedikt XVI. traf eine einsame Entscheidung auf Basis eines unzureichenden Informationsstandes. Es spricht vieles dafür, dass es sich dabei nicht um einen Einzelfall handelt. Auch Benedikts Regensburger Rede vom 12. September 2006, die bei Muslimen heftige Empörung hervorrief, war offenbar von niemandem vorher kritisch gegengelesen worden. Diese einsame Stellung des Papstes ist ganz und gar nicht selbstverständlich. So wurde dem Papst im 11. Jahrhundert das Kollegium der Kardinäle an die Seite gestellt, eine Art ständiger Senat, der ihn in allen wichtigen Fragen beraten und kontrollieren sollte. Jahrhundertelang trafen sich alle in Rom anwesenden Kardinäle regelmäßig mit dem Papst, der über anstehende Entscheidungen berichten und sämtliche Kardinäle um ihre Meinung bitten musste. Dieses als "Konsistorium" bezeichnete Gremium wurde aber nach und nach entmachtet. Seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert war es kaum mehr als eine Bühne, auf der die Päpste ihre souveränen Entscheidungen inszenierten. Gleichzeitig gewannen aber die ständigen Kongregationen der Kardinäle an Gewicht, die man wie etwa die Römische Inquisition als oberste Glaubensbehörde und die Konzilskongregation für die authentische Interpretation der Beschlüsse des Konzils von Trient durchaus als Vorläufer der heutigen Ministerien ansehen kann. Allerdings fehlte ein Kabinett. Eine Kommunikation zwischen den verschiedenen "Ministern" fand kaum statt, der Papst, der die Präfekten in Privataudienzen empfing, sollte als einziger den Überblick über das Gesamtgefüge behalten und war überfordert. Papst Pius VII. errichtete daher 1814 die Kongregation für die außerordentlichen kirchlichen Angelegenheiten, die als päpstlicher Sicherheitsrat für alle politisch wichtigen Fragen zuständig sein sollte. Diesem Gremium gehörten einflussreiche Kurienkardinäle an, die meistens auch in anderen wichtigen Kongregationen führende Ämter innehatten. Doch Papst Pius XI., von 1922 bis 1939 im Amt, brach radikal mit dieser Tradition und berief so gut wie keine Sitzung mehr ein. Diese Kongregation befasste sich weder mit dem Reichskonkordat 1933 noch mit der päpstlichen Verurteilung von Nationalsozialismus und Kommunismus 1937. Der Papst entschied jetzt allein. Mehr Verantwortung für die Teilkirchen Reformoptionen hält die Kirchengeschichte auch für die heikle Frage nach dem Verhältnis von Gesamt- und Teilkirchen bereit. Es liegt nahe, ein Prinzip umzusetzen, das die katholische Kirche quasi erfunden hat: das Subsidiaritätsprinzip. Die katholische Soziallehre sieht den Einzelnen in eine gestufte Gemeinschaft eingebettet, in der Subsidiarität bedeutet: so viel Eigeninitiative und Problemlösung durch den Einzelnen wie irgend möglich und so viel Hilfe der nächsthöheren Ebene wie unbedingt notwendig. Die obere Ebene gewährt nur Hilfe zur Selbsthilfe. Dieses Prinzip, für dessen Definition die Enzyklika Pius’ XI. "Quadragesimo anno" von 1931 maßgeblich ist, hat die soziale Marktwirtschaft Ludwig Erhards ebenso geprägt wie den Föderalismus in der Bundesrepublik. "Wahrhaft lichtvolle Worte! Sie gelten für alle Stufen des gesellschaftlichen Lebens. Sie gelten auch für das Leben der Kirche, unbeschadet ihrer hierarchischen Struktur", lobte Pius XII. am 20. Februar 1946 die entsprechenden Ausführungen seines Vorgängers. Untergründig bestimmte das Subsidiaritätsprinzip auch die Kirchenlehre des Zweiten Vatikanischen Konzils von 1962 bis 1965. Mit Blick auf die Teilkirchen hieß es etwa, die katholische Kirche bestehe "in ihnen und aus ihnen". Doch seit dem Amtsantritt Johannes Pauls II. war die innerkirchliche Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips geradezu tabuisiert. Kurz vor Erscheinen des neuen "Codex Iuris Canonici" strichen Johannes Paul II. und seine Mitarbeiter alle Bestimmungen, die das Subsidiaritätsprinzip im Kirchenrecht verankert hätten. Stattdessen verfestigte sich ein zentralistischer und autokratischer Führungsstil. Erst Franziskus hat das Subsidiaritätsprinzip wiederentdeckt. Er will den Ortskirchen mehr Freiheiten einräumen, anstehende Probleme selbstständig zu lösen. Die Römische Kurie könnte dann verkleinert werden. Papst Franziskus betont: "Die römischen Dikasterien (Kongregationen, Räte und die anderen Ämter) stehen im Dienst des Papstes und der Bischöfe. Sie müssen den Ortskirchen helfen oder den Bischofskonferenzen. Es sind Einrichtungen des Dienstes." In seinem Apostolischen Schreiben "Evangelii gaudium" sprach er den Bischofskonferenzen sogar eine "gewisse authentische Lehrautorität" zu. Das Prinzip der Subsidiarität, das sich in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik bewährt hat, könnte also endlich auch dort Anwendung finden, wo es konzipiert wurde: in der katholischen Kirche. Dann könnten Fragen wie die Auswahl geeigneter Bischofskandidaten, der Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen, die Gemeindeleitung durch Laien, die Predigterlaubnis für Laientheologen oder die Form ökumenischer Gottesdienste dort entschieden und gelöst werden, wo sie entstehen. Besetzung der Bischofsstühle Reformbedürftig erscheint auch das Verfahren zur Besetzung der Bischofsstühle. Die Gläubigen fühlen sich dabei übergangen, denn das geltende Kirchenrecht lässt keinerlei Zweifel aufkommen: "Der Papst ernennt die Bischöfe frei." Die Ergänzung "oder bestätigt die rechtmäßig Gewählten" bezieht sich auf Deutschland, Österreich und die Schweiz. Dort existieren besondere Regelungen, die auf Vereinbarungen des Heiligen Stuhls mit den betreffenden Staaten beruhen, den Konkordaten. Das Wahlrecht der Domkapitel ist aber so weit eingeschränkt, dass die letzte Entscheidung auch in diesen Fällen beim Papst liegt. Dabei wird der Anschein erweckt, dass die freie päpstliche Ernennung der Bischöfe dem althergebrachten Recht entspricht. Doch das stimmt nicht. Das päpstliche Ernennungsrecht konnte Rom erst im Laufe des 20. Jahrhunderts durchsetzen. So kam in der Kirche der ersten vier Jahrhunderte der Gemeinde bei der Bischofswahl die entscheidende Rolle zu. Später gewannen der lokale Klerus, aber auch Kaiser und Könige großen Einfluss. Dem gemeinen Kirchenvolk blieb aber die Akklamation, der zustimmende Beifall. Jubelte das Volk nicht, wenn ihm der Neugewählte präsentiert wurde, galt die Wahl als ungültig. Im Mittelalter versuchten die Päpste, einen entscheidenden Einfluss auf die Besetzung der Bischofsstühle zu erlangen. 1448 kam es schließlich im Wiener Konkordat für das Alte Reich zu einer Lösung, die bis 1803 in Kraft blieb: Die Päpste mussten auf ihr Ernennungsrecht grundsätzlich verzichten und die freie Bischofswahl durch die Domkapitel akzeptieren. Mächtige Frauen Dringenden Reformbedarf gibt es auch mit Blick auf die Rolle der Frau in der katholischen Kirche. Dass selbst in der Bibel eine Diakonin bezeugt ist, ist allgemein bekannt (Röm 16,1). Erwähnenswert ist aber auch, dass es jahrhundertelang Äbtissinnen gab, deren Stellung fast der eines Bischofs gleichkam, etwa in Essen, Gandersheim, Quedlinburg, Thorn oder Regensburg. Sie errichteten Pfarreien, wachten über die Seelsorge und vergaben kirchliche Stellen und Pfründen. Äbtissinnen erteilten Dispensen, also "Ausnahmegenehmigungen", etwa wenn Blutsverwandte heiraten wollten, und unterschrieben Urteile bei der Annullierung von Ehen. Einige Äbtissinnen nahmen sogar liturgische Handlungen vor. So nahmen sie ihren Schwestern die Beichte ab, verkündeten das Evangelium in der Messe und legten es in der Predigt aus. Viele Passagen im alten Ritus der Äbtissinnenweihe erinnerten denn auch an die Bischofsweihe. Über den Charakter der Äbtissinnenweihe wird jedoch in der Forschung heftig diskutiert: Stellte sie eine kleine Bischofs-, eine Diakonats- oder eine ganz eigene Weihestufe dar? Oder handelte es sich doch nur um eine nichtsakramentale benedictio, also eine Einsegnung? Ausgerechnet nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil wurde hier Klarheit geschaffen: Im neuen Ritus von 1970 wurden alle an die Bischofsweihe gemahnenden Passagen gestrichen und der ganze Akt auf "einen nichtsakramentalen Akt" reduziert. Möglichkeiten für Frauen ergeben sich aber aus der Tatsache, dass Nichtgeweihte mehr als tausend Jahre lang jurisdiktionelle Vollmachten in der Kirche ausüben konnten. In der Reichskirche waren hochadelige nichtgeweihte Bischöfe, die alle sakramentalen Handlungen an ihre Weihbischöfe delegierten, gang und gäbe. Mit Blick auf anstehende Reformen böte das zahlreiche Möglichkeiten, wichtige Ämter mit den dafür am besten qualifizierten Personen zu besetzen, unabhängig von ihrem Weihegrad. Doch diese Optionen hat das Zweite Vatikanische Konzil weitgehend unmöglich gemacht. Denn die Konzilsväter machten alle Jurisdiktionsgewalt von der Weihe abhängig, die potestas ordinis wurde zur Voraussetzung für die potestas iurisdictionis. Damit können keine Nichtgeweihten mehr Leitungsfunktionen ausüben. Aber dieser Schritt ist reformierbar, und dann sind Frauen auch in kirchlichen Führungspositionen grundsätzlich denkbar. Um die Vatikanbank, die Vatikanische Bibliothek oder das Vatikanische Geheimarchiv zu leiten oder den Vatikanstaat zu verwalten, sind keine sakramentalen Kompetenzen notwendig, sondern Professionalität. Und diese wird nicht durch die Weihe übertragen. Keine Verfälschung des Konzils von Trient Um eine Reformidee der besonderen Art geht es beim "tridentinischen Katholizismus", der auf das Konzil von Trient im 16. Jahrhundert zurückgeführt wird. Diese Option des Katholizismus verfechten fundamentalistische und traditionalistische Kreise wie die Pius-Bruderschaft. In deren Augen handelt es sich bei der tridentinischen Form des Katholischen um die einzig legitime Realisation der katholischen Kirche. Alle anderen Kirchenkonzepte betrachten sie als modernistisch und unkatholisch. Sie argumentieren in der Regel folgendermaßen: Das heilige Konzil von Trient habe die Ewigkeitsform des wahren Katholizismus gegen die protestantische Häresie verteidigt. Dann aber sei es zum Sündenfall gekommen. Nicht die Protestanten, sondern der Papst und die Bischöfe selbst hätten den tridentinischen Katholizismus auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil zerstört. Mit dem Modernismus sei die "Pest" des Pluralismus und Kryptoprotestantismus in die katholische Kirche selbst eingedrungen. Die Traditionalisten lehnen beispielsweise die Anerkennung der Religionsfreiheit und die ausdrückliche Wertschätzung des Judentums entschieden ab. Offen sichtbar wird ihre Opposition aber am Widerstand gegen die Liturgiereform, sie halten an der tridentinischen Messe fest, dem "Ritual von Ewigkeit her". Diese Sicht hält einer historischen Überprüfung nicht stand. So ist etwa die Rede von der "tridentinischen Messe" von zahlreichen Mythen geprägt: Es handelt sich dabei nicht um einen von den Konzilsvätern selbst gebilligten tridentinischen Ritus, sondern um den in Rom praktizierten Messritus, der schließlich für die ganze katholische Welt verbindlich vorgeschrieben wurde. Und alle lokalen liturgischen Traditionen, die mindestens 200 Jahre zurückreichten, blieben neben der tridentinischen Messe ausdrücklich weiter bestehen. Erst im 19. Jahrhundert wurden diese unterdrückt, mit dem Hinweis auf eine angebliche Einheitsvorschrift von Trient. Den Konzilsvätern wurde eine Absicht untergeschoben, die sie nicht verfolgt hatten. Auch das umfassende Primat des Papstes, wie es das Erste Vatikanische Konzil festschrieb, lässt sich nicht auf das Konzil von Trient zurückführen. Die Mehrheit der Unfehlbarkeitsbefürworter berief sich, anders als die Minderheit ihrer Gegner, so gut wie nie auf Trient. Tatsächlich rangen in Trient Vertreter ganz unterschiedlicher Modelle von Kirche miteinander, das Konzil drohte im Frühjahr 1563 wegen dieser Streitigkeiten auseinanderzufallen. Deshalb verzichteten die Konzilsväter darauf, das Verhältnis zwischen Konzil und Papst sowie von Primat und Episkopat genauer zu bestimmen. Sie vertraten ein weites Konzept von Kirche, in dem einander widersprechende Ansichten Platz fanden. Zugespitzt könnte man deswegen formulieren: Wer heute durch und durch "tridentinisch" sein möchte, müsste eigentlich das Jurisdiktionsprimat und das Unfehlbarkeitsdogma ablehnen. Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich der sogenannte tridentinische Einheitskatholizismus als Ammenmärchen: Das Konzil von Trient des 16. Jahrhunderts wurde im 19. und 20. Jahrhundert instrumentalisiert, um bestimmte Interessen durchzusetzen. "Entscheidend war nicht das ‚wirkliche‘ Konzil von Trient, sondern das ‚erfundene‘." Die "tridentinische" Intoleranz des 19. Jahrhunderts lässt sich jedenfalls mit dem historischen Konzil nicht begründen. Vielmehr war dieses ein Katalysator für Modernisierung und Reform in der katholischen Kirche. Insofern verläuft, anders als die Traditionalisten behaupten, eine direkte Linie vom Konzil von Trient zum Zweiten Vatikanischen Konzil – es ist das Erste Vatikanische Konzil, das aus der Reihe fällt. Entspannung der Nickmuskulatur Die katholische Kirche ist reformierbar, und sie kann dazu aus der Vielfalt ihrer Tradition schöpfen. Jede Katholikin und jeder Katholik kann einen Beitrag leisten. Denn, wie es der Journalist Leo Waltermann vor 50 Jahren, am Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils, ausdrückte: "Nicht wer schweigt und hört, nickt und tut, was Hierarchie und Obrigkeit sagen, sondern wer denkt und hört und weiß, was er tut, wer das in Verantwortung tut und weiß, warum er es tut, könnte das sein, was man fürderhin einen guten Katholiken nennen mag." Zit. nach Heiko A. Obermann, Kirchen- und Theologiegeschichte in Quellen Bd. 3: Die Kirche im Zeitalter der Reformation, Neukirchen–Vluyn 1988, S. 92ff. Vgl. zum Thema Hubert Wolf, Krypta. Unterdrückte Traditionen der Kirchengeschichte, München 2015. Friedrich Wilhelm Graf, Der Protestantismus. Geschichte und Gegenwart, München 2006, S. 72, S. 14, S. 9. Vgl. Hubert Jedin, Katholische Reformation oder Gegenreformation?, Luzern 1946. Vgl. Andreas Holzem, Christentum in Deutschland 1550–1850, 2 Bde., Paderborn 2015. Die Encyclica seiner Heiligkeit des Papstes Pius IX. vom 8. Dezember 1864, der Syllabus (die Zusammenstellung der 80 hauptsächlichsten Irrthümer unserer Zeit) und die wichtigsten darin angeführten Aktenstücke, Köln 18743, S. 55–78, hier S. 62f. Zit. nach Karl Rahner/Herbert Vorgrimler (Hrsg.), Kleines Konzilskompendium, Freiburg/Br. 2008, S. 449–552, hier S. 488f. Klaus Schatz, Allgemeine Konzilien, Paderborn 1997, S. 326f. Julius Döpfner, Reform als Wesenselement der Kirche. Überlegungen zum 2. Vatikanischen Konzil, Würzburg 1964. Für den Volltext der Rede siehe Externer Link: https://w2.vatican.va/content/francesco/de/speeches/2014/december/documents/papa-francesco_20141222_curia-romana.html. Ebd. Mit Blick auf religiös motivierte Gewalt hatte Benedikt den byzantinischen Kaiser Manuel II. Palaiologos mit den Worten "Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat, und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, dass er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten" zitiert. Benedikt XVI., Glaube und Vernunft. Die Regensburger Vorlesung, Freiburg/Br. 2006, S. 15f. Acta Apostolicae Sedis 38/1946, S. 141–151, hier S. 145. Dogmatische Konstitution über die Kirche "Lumen gentium" vom 21. November 1964, in: Rahner/Vorgrimler (Anm. 6), S. 123–197, hier S. 149 (Nr. 23). Vgl. Daniel Deckers, Subsidiarität in der Kirche, in: Jean-Pierre Wils/Michael Zahner (Hrsg.), Theologische Ethik zwischen Tradition und Modernitätsanspruch, Freiburg/Ü. 2005, S. 269–295. Antonio Spadaro, Das Interview mit Papst Franziskus, Freiburg/Br. 2013, S. 53f. Esortazione Apostolica "Evangelii gaudium" del Santo Padre Francesco, Vatikanstadt 2013, Nr. 32, S. 33f. Codex Iuris Canonici auctoritate Ioannis Pauli PP. II promulgatus, Vatikanstadt 1983; im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz übersetzte Ausgabe, Kevelaer 19842, Can. 377 §1. Vgl. Josemaría Escrivá de Balaguer, La Abadesa de Las Huelgas. Estudio teológico jurídico, Madrid 19883, S. 135. Peter Krämer, Die geistliche Vollmacht, in: Joseph Listl/Hubert Müller/Heribert Schmitz (Hrsg.), Grundriß des nachkonziliaren Kirchenrechts, Regensburg 1980, S. 166–172, hier S. 166. Vgl. Peter Walter/Günther Wassilowsky (Hrsg.), Das Konzil von Trient und die katholische Konfessionskultur (1563–2013), Münster 2016. Vgl. Klaus Schatz, Vaticanum I, 3 Bde., Paderborn 1992–1994. Wolfgang Reinhard, Einführung, in: ders./Paolo Prodi (Hrsg.), Das Konzil von Trient und die Moderne, Berlin 2001, S. 23–42, hier S. 40f. Leo Waltermann, Konzil als Prozeß, Köln 1966, S. 246.
Article
, Hubert Wolf
2022-02-17T00:00:00
2016-12-19T00:00:00
2022-02-17T00:00:00
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/239247/die-reformierbare/
Während die Reformatoren der Menschheit den Weg in die Moderne bahnten, verharrte die katholische Kirche im Mittelalter – so lautet das Klischee. Die historischen Fakten widerlegen diese Erzählung und zeigen mögliche Wege für die Zukunft auf.
[ "Gegenreformation", "Reform", "Protestantismus", "Katholizismus", "Kirche", "Christentum", "Vatikan", "Papst" ]
544
Impulsreferat: "Kinderphilosophie – ein Zwischenstand" | Fachtagung "Philosophie für Kinder und Jugendliche als Zukunftsaufgabe für die demokratische Gesellschaft" | bpb.de
Prof. em. Dr. Ekkehard Martens (© Ast/Jürgens) Ekkehard Martens liefert in seinem Vortrag einen Überblick über den Zwischenstand der Kinderphilosophie und beginnt mit einer kritischen Betrachtung des Begriffs. Terminologisch gibt es sowohl den Ausdruck "Philosophy for Children" als auch "Kinder philosophieren", welche den Anschein erwecken lassen, dass Erwachsene sich freundlicherweise auf das Niveau der Kinder herabbegeben würden. Martens bevorzugt hingegen den Ausdruck "Philosophieren mit Kindern", der die Beteiligung von Kindern wie auch Erwachsenen impliziert. Dabei sei es wichtig, den Kindern gewisse Impulse zu geben, sie gleichzeitig jedoch nicht zu überfordern. Er erklärt, dass er besonders von Matthew Lipman, der 1972 ein Institut für das Lehren von Philosophie mit Kindern am Montclair State College (Institute for the Advancement of Philosophy for Children - IAPC) gründete, und von Gareth Matthews beeinflusst wurde, mit denen er viele Jahre in Kontakt stand. Martens selbst hat fünf Jahre an einem Gymnasium Kinder in den Klassen fünf und sechs unterrichtet und im Rahmen dessen die Erfahrung gemacht, dass diese sehr gerne und gut philosophieren. Des Weiteren merkt er hinsichtlich der Definition von "Kind" an, dass man vorsichtig sein müsse, beim Philosophieren mit Kindern nur Grundschulkinder einzubeziehen. Auch die Klassen fünf bis sieben seien zu beachten. Ekkehard Martens Ekkehard Martens studierte Philosophie, Latein, Griechisch und Pädagogik in Frankfurt, Tübingen und Hamburg, war Promotions-Stipendiat am Starnberger Max-Planck-Institut "Zur Erforschung der Lebensbedingungen der wissenschaftlich-technischen Welt" (C.F. von Weizsäcker), wurde mit einer Arbeit über Platons Philosophie promoviert und habilitierte sich im Fach Philosophiedidaktik. Von 1997 bis 2001 übernahm Ekkehard Martens wissenschaftliche Begleitung des Schulversuchs "Praktische Philosophie" in Nordrhein-Westfalen (seit 2003 Unterrichtsfach in sämtlichen Schulformen der Sekundarstufe I). Seit 1978 ist er ferner Gründer und Mitherausgeber der "Zeitschrift für Didaktik der Philosophie und Ethik". Zuletzt erschien von ihm "Stechfliege Sokrates. Warum gute Philosophie weh tun muss". Hinsichtlich der Frage, was für eine Philosophie den Kindern vermittelt werden sollte betont Martens, dass es nicht primär Philosophiegeschichte sein solle, sondern Philosophie, die von unten anfängt. Die ersten Schritte der Kinder müssten aufgegriffen und dann schrittweise verbessert werden. Als Hauptaufgabe des Philosophierens mit Kindern sieht er das Sprechenlernen der Kinder miteinander zu verbessern. Als heutige Herausforderung im Bereich des Philosophierens mit Kindern nennt Martens das Problem der richtigen Balance zwischen Dogmatismus und Relativismus. Es sei zum einen wichtig die Philosoph/innen nicht als allwissend zu betrachten und zum anderen trotzdem ein Bewusstsein dafür zu haben, was jemand sagt und warum er es sagt. Bezüglich der methodischen Vorgehensweise schlägt Martens vor, Kinder zunächst mit dem eigenen Selbstverständnis zu einer Thematik zu konfrontieren, sie zu fragen "Was denkst du dazu?". Es sollte das analytische Philosophieren folgen, bei dem die Aussagen der Kinder hinterfragt werden und Interesse daran gezeigt werden sollte, wie genau sie etwas meinen und warum sie eine bestimmte Ansicht haben. Daraus ergibt sich die dialektische Methode des Gegenüberstellens von Pro- und Kontraargumenten. Bei dieser Diskussion ist es nicht wichtig, am Ende einen Konsens zu haben. Der letzte Schritt wäre idealerweise das Suchen nach Lösungen für diesen Dissens und das Aufstellen von Hypothesen. Abschließend erklärt Martens dass es wichtig sei zu überlegen, wie die Ausbildung im Bereich Kinderphilosophie genau aussieht und plädiert dafür sich diesbezüglich am Handwerkszeug der Grundschulpädagogik zu bedienen. Überdies betont er die Interdisziplinarität des Forschungsfeldes Kinderphilosophie: Neben Philosoph/innen können auch Religionspädagog/innen, Psycholog/innen oder andere Wissenschaftler/innen einen wichtigen Beitrag leisten. Alisa-Katharina Dumke Prof. em. Dr. Ekkehard Martens (© Ast/Jürgens) Ekkehard Martens studierte Philosophie, Latein, Griechisch und Pädagogik in Frankfurt, Tübingen und Hamburg, war Promotions-Stipendiat am Starnberger Max-Planck-Institut "Zur Erforschung der Lebensbedingungen der wissenschaftlich-technischen Welt" (C.F. von Weizsäcker), wurde mit einer Arbeit über Platons Philosophie promoviert und habilitierte sich im Fach Philosophiedidaktik. Von 1997 bis 2001 übernahm Ekkehard Martens wissenschaftliche Begleitung des Schulversuchs "Praktische Philosophie" in Nordrhein-Westfalen (seit 2003 Unterrichtsfach in sämtlichen Schulformen der Sekundarstufe I). Seit 1978 ist er ferner Gründer und Mitherausgeber der "Zeitschrift für Didaktik der Philosophie und Ethik". Zuletzt erschien von ihm "Stechfliege Sokrates. Warum gute Philosophie weh tun muss".
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2021-06-23T00:00:00
2016-11-23T00:00:00
2021-06-23T00:00:00
https://www.bpb.de/lernen/kulturelle-bildung/237878/impulsreferat-kinderphilosophie-ein-zwischenstand/
Ekkehard Martens liefert in seinem Vortrag einen Überblick über den Zwischenstand der Kinderphilosophie und beginnt mit einer kritischen Betrachtung des Begriffs. Terminologisch gibt es sowohl den Ausdruck "Philosophy for Children" als auch "Kinder p
[ "Veranstaltungsdokumentation", "Philosophie", "Kinderphilosophie" ]
545
Dokumentation: Vorbereitung zur Wahlfälschung? | Russland-Analysen | bpb.de
Vorbereitung zur Wahlfälschung? In den letzten Novemberwochen hat eine Kampagne gegen die NGO "Golos" begonnen. "Golos" setzt sich für die ordnungsgemäße Durchführung der Dumawahlen am 4. Dezember ein (vgl. Russlandanalyse 227). Die NGO organisiert regionale Wahlbeobachtung, sammelt Informationen über Verstöße gegen die russische Wahlgesetzgebung und dokumentiert sie u. a. auf der Website Externer Link: Am 26. November veröffentlichte die Regierungszeitung "Rossijskaja Gaseta" einen Artikel, der "Golos" unterstellte, es sei eine vom Ausland finanzierte kommerzielle Organisation, die ihre Angaben über den Ablauf der Wahlen frei erfinde. Parteivertreter von LDPR, "Gerechtes Russland" und "Einiges Russland" attackierten die NGO und reichten eine Klage ein, da die Organisation Geld aus dem Ausland erhalte und damit das russische Wahlrecht verletze. Letzteres ist juristisch nicht haltbar. Aus diesem Grund hat die Staatsanwaltschaft nach einem anderen Grund gesucht. Am Donnerstag, den 30.11.2011 sprach sie gegen "Golos" eine Verwarnung wegen Verletzung der Wahlgesetzgebung aus. Die Organisation habe mit der Website "www.kartanarusheniy.ru/" Umfragedaten publiziert, was in den letzen fünf Tagen vor der Wahl verboten sei. Dieser Vorwurf mutet eigenartig an, da die Website keine soziologischen Erhebungen durchführt und keine Wahlprognosen publiziert, sondern Bürgern die Möglichkeit bietet, Beschwerden über Verstöße und Missbräuche bei der Wahlvorbereitung zu melden. Die eingesandten Informationen werden geprüft und – wenn sie sich belegen lassen – auf der Seite veröffentlicht. Es entsteht der Eindruck, dass die Strafverfolgungsbehörden künstlich nach einem Grund suchen, der es ihnen erlaubt, gegen unabhängige Wahlbeobachtung vorzugehen. Angesichts dieser Kampagne und des Vorgehens der Staatsanwaltschaft steht zu befürchten, dass die Behörden sich auf eine Manipulation der Wahlergebnisse vorbereiten und bereits im Vorfeld unabhängige Wahlbeobachter einzuschüchtern suchen. Da die Prognosen für "Einiges Russland" deutlich unter der angestrebten Marge liegen, erscheint eine solche Annahme nicht unplausibel. Wahlfälschung in großem Maßstab würde allerdings die Glaubwürdigkeit der Putin-Administration, die 2012 ins Amt kommt, massiv beeinträchtigen. Im Folgenden dokumentieren wir den Artikel von "Rossijskaja Gaseta", der die Attacke einleitete, und den Aufruf der Menschenrechtsorganisation "Memorial", der zur Unterstützung von "Golos" aufruft. Iwan Trawkin: Die Stimme des Geldes Rossijskaja Gaseta, 26.11.2011 Externer Link: Bis zum Tag der Dumawahlen bleibt nur noch eine Woche und schon jetzt kann von Besonderheiten der Wahlkampagne 2011 gesprochen werden: An den Wahlen nehmen nicht mehr nur die Kandidaten, die Wahlkommissionen und die Wähler teil, sondern auch eine neue, sonderbare politische Struktur - "professionelle Beobachter". Die "Vereinigung gemeinnütziger Organisationen Zum Schutz der Rechte der Wähler Golos", hat sich, wie im Internet sehr leicht zu sehen, die Beobachtung des Wahlkampfes und der Stimmabgabe am Wahltag zu ihrem Geschäft gemacht. Zwischen den Wahlen ist "Golos" kaum zu hören. Bei jedem Start eines weiteren Wahlkampfes auf regionaler oder föderaler Ebene erlebt die Organisation jedoch buchstäblich eine Wiederauferstehung und überschüttet einen mit Einladungen zu ihren Veranstaltungen. Am Ende einer jeden Pressekonferenz verteilt die Leitung von "Golos" großzügig frisch gedruckte, noch nach Druckertinte riechende "Wisitki" [Visitenkarten]. Sie werden eingeladen, wiederzukommen, anzurufen und mit neuen Nummern von Mobiltelefonen, des offensichtlich aktuellsten Modells, versorgt. Dies scheinen Kleinigkeiten zu sein, durch solche Details ergibt sich jedoch der Eindruck eines gut abgestimmten kommerziellen Unternehmens mit stabilem Einkommen. Selbst die Krise, die viele PR-Unternehmen und einfallsreiche Kenner der öffentlichen Meinung stark getroffen hat, hat der Respektabilität der Organisation, die immer wieder jeweils zweimal im Jahr, am Tag der Regionalwahlen im Herbst und Frühjahr, aufs Neue "jammert", keinen Abbruch getan. "Es ist offensichtlich, dass sie politisch tätig sind und versuchen, ziemlich engagiert am politischen Prozess teilzunehmen", urteilt Aleksej Ostrowskij von der LDPR. "In den Wahllokalen habe ich sie nicht gesehen, und weder ich noch meine Partei verfügen über Daten über ihre tatsächliche Teilnahme an der Wahlbeobachtung. Woher beziehen sie ihre Informationen? Denken sie sich die Ziffern nicht einfach hinterm warmen Ofen aus? Die LDPR hat wiederholt auf verschiedenen Ebenen mit Behinderungen zu tun gehabt, aber wir haben niemals auch nur ein Wort der Unterstützung von dieser Organisation gehört. Aber Beobachter sollten zu 100% objektiv sein, nicht parteiisch!" Unter seinen Partnern führt "Golos" solche amerikanischen Strukturen wie die Agentur für Internationale Entwicklung (USAID), die Nationale Stiftung für Demokratie (NED) und das Nationale Demokratische Institut (NDI) an. In der Organisation selbst wird darüber hinaus nicht verschwiegen, dass sie von ausländischen Geldern lebt. [...] Übersetzung: Christoph Laug Zur Unterstützung der Assoziation GOLOS Erklärung der Internationalen Gesellschaft Memorial 30. November 2011 Je näher die Dumawahlen kommen, umso größer wird die Nervosität der russischen Machthaber. In den vergangenen Tagen wurde die Assoziation GOLOS, die seit 2000 Wahlen beobachtet und Verletzungen fixiert, beispiellos angegriffen Die Zeitung "Rossijskaja Gaseta" hat über diese angesehene Organisation einen Artikel veröffentlicht, der sich in keiner Weise von denen unterscheidet, die zu Sowjetzeiten über Andrej Sacharow oder Alexander Soschenizyn geschrieben wurden. Abgeordnete der Parteien Einiges Russland, LDPR und Gerechtes Russland haben dem Generalstaatsanwalt Tschajka eine kollektive Anfrage zugeleitet, in der sie ihn bitten auf die Tätigkeit der Assoziation GOLOS zu reagieren und darauf hinweisen, dass GOLOs angeblich in grober Weise die russische Wahlgesetzgebung verletzt. Der Hauptvorwurf ist in KGB-Tradition einfach: Die Organisation bekommt Geld von ausländischen Organisationen und das bedeutet für die Klage Führenden, dass ihre Arbeit den russischen Staat untergräbt. Genau diese Anschuldigung war auch in äußerst grober Form aus dem Mund von Putin auf dem Parteitag von Einiges Russland zu vernehmen. Wir sehen keinen Sinn darin von der Staatsmacht zu fordern, die verleumderische Kampagne gegen die unabhängigen Beobachter einzustellen und sich bei GOLOS zu entschuldigen. Solcher Art Hysterie hört nicht wegen irgend jemandes Forderungen auf. Wir wollen lediglich die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit darauf lenken, dass die gegenwärtigen Machthaber sich keinesfalls um eine mögliche Verfälschung des Wählerwillens im Laufe der Abstimmung und bei der Stimmenauszählung sorgen, sondern um Aktivität derjenigen, die diese Verfälschungen bemerken und aufdecken könnten. Die Gründe für solch einseitige Sorge dürften offensichtlich sein. Wir drücken unsere Unterstützung und unsere Hochachtung für die Assoziation GOLOS und für alle aus, die mit Kräften dazu beitragen, die Zahl der möglichen Wahlfälschungen zu verringern.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2021-06-23T00:00:00
2011-12-20T00:00:00
2021-06-23T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/europa/russland-analysen/nr-230/48055/dokumentation-vorbereitung-zur-wahlfaelschung/
Die Assoziation Golos organisiert regionale Wahlbeobachtung, sammelt Informationen über Verstöße gegen die russische Wahlgesetzgebung und dokumentiert sie. Die Kampagne der Regierungszeitung Rossijskaja Gaseta und das Vorgehen der Staatsanwalt gegen
[ "" ]
546
Gefährliche Tendenz zum Ghetto oder die ganz gewöhnliche Suche nach Nestwärme? | Stadt und Gesellschaft | bpb.de
Rita Kielhorn war eine junge Ärztin, als ihr eine Praxis in einem fast leer stehenden Stadtteil angeboten wurde. Zu Tausenden waren seit dem Mauerbau all jene Menschen verschwunden, die nicht länger in einem von drei Seiten eingeschlossenen Bezirk leben wollten. Die Altbauten schimmelten vor sich hin; die Mieten sanken, Kaputtes wurde nicht repariert. Ende der 60er-Jahre, als die Stadtplaner noch glaubten, dass jedes Viertel besser wird, wenn man es erst einmal abreißt, stand Kreuzberg kurz davor, erst nach einer vollständigen Entmietung wieder bewohnbar zu werden. Bis die Männer aus der Türkei kamen und in die maroden Wohnungen gesteckt wurden - weil sie ja ohnehin nur ein paar Jahre bleiben sollten. Plötzlich hatte die Ärztin einen ganzen Schwung neuer Patienten: Gastarbeiter, fast alle männlich, die allein von Anatolien nach Berlin gekommen waren, um ein paar Mark zu verdienen. Kaum einer konnte lesen und schreiben, kaum einer kannte sich mit den Standards des Zusammenlebens in einer Großstadt aus. Anstatt Termine zu vereinbaren, standen sie morgens in Dreierreihen vor der Praxis; manche trugen noch ihre Nachthemden und Pantoffeln. Geduldig warteten sie da, bis sie hereingelassen wurde. Rita Kielhorn nahm sich ihrer Krankheiten an. Sie kümmerte sich um Beschwerden, die durch körperliche Arbeit, und solche, die durch Heimweh hervorgerufen worden waren. Irgendwann behandelte sie die ersten Ehefrauen, begleitete Schwangerschaften und Geburten. Inzwischen hat sie die Enkel als Patienten gewonnen. Von denen kämpft der größte Teil entweder mit katastrophalen schulischen Leistungen oder sitzt ohne Ausbildung in Kreuzberg auf der Straße. Ausnahmen bestätigen, wie immer, die Regel. So ist er entstanden, der Berliner Stadtteil Kreuzberg, den man heute in der ganzen Republik kennt - oder zu kennen glaubt. In Kreuzberg, so hat es sich herumgesprochen, kann man von der Wiege bis zur Bahre türkisch sprechen. Es gibt Schulen ohne deutsche Schüler, Kitas ohne deutsche Kinder, Nachbarschaftsheime ohne deutsche Nachbarn. Kreuzberg ist ein Synonym geworden: für Klein-Istanbul und Multikulti, aber auch für Gettoisierung oder Parallelgesesellschaft. Zwar gibt es auch Duisburg-Marxloh, Hamburg-Wilhelmsburg oder Köln-Mülheim; meist ist es aber das immer noch nach dem alten Postzustellbezirk benannte SO 36, das als Stellvertreter für die Folgen von Einwanderung und Integration herhalten muss. Kreuzberg - jedenfalls ein guter Teil davon - ist aber nicht nur überwiegend türkisch; Kreuzberg ist auch ein hervorragendes Beispiel dafür, wie schwer es ist, ethnische Mischung zu erzwingen. Bis 1990 mühte sich der Berliner Senat, an der Bewohnerstruktur, die er selbst erschaffen hatte, wieder etwas zu ändern. Mit Hilfe von Zuzugssperren und anderen Maßnahmen sollte Kreuzberg wieder deutscher werden. Nur: Die umworbene deutsche Mittelklasse wollte gar nicht kommen, nicht einmal, als die Mauer gefallen war und der Bezirk wieder mitten in der Stadt lag. Nichttürken, die nach Kreuzberg ziehen, sind Araber, Bosnier oder Kosovoalbaner; oder: zwar deutsch, aber arm und, bis auf ein paar Künstler und Studenten, nicht ganz freiwillig hier. An der Zusammensetzung der Bevölkerung werden die (weißen) Deutschen schon deswegen nichts ändern, weil sie die niedrigere Geburtenquote haben. Kreuzberg wird türkisch bleiben. Man könnte dies für eine rein Berliner Geschichte halten. Das ist es aber nicht. In ein paar Jahren werden die meisten deutschen Großstädter Segregation bei sich zuhause besichtigen können. Das Deutsche Institut für Urbanistik rechnet vor, dass bis 2015 weitere fünf Millionen Ausländer zuziehen und sich überwiegend dort niederlassen, wo schon Kollegen aus dem Herkunftsland leben. Das wird in den Innenstädten sein: 80 Prozent der Ausländer in Deutschland leben in Großstädten; genauer: in den alten Innenstadtquartieren oder den großen Neubausiedlungen der 60er- und 70er-Jahre. Über die Frage, ob Segregation - also die räumliche Trennung verschiedener Bevölkerungsgruppen - etwas Positives oder Negatives ist, wird in der Stadtsoziologie trefflich gestritten. Die einen halten Stadtteile eingewanderter Communities für ethnische Kolonien aus freien Stücken: Dass Neuankömmlinge in der Nähe ihrer Landsleute, die ja oft auch Verwandte oder Bekannte seien, wohnen wollten, sei doch ganz normal. Als selbst gewählter Aufenthaltsort seien ethnische Kolonien das genaue Gegenteil von diskriminierend: Sie förderte die Selbstorganisation von Migranten, ermöglichten ein ethnisches Vereinswesen, religiöse Gemeinden, informelle Treffpunkte sowie eine ethnische Ökonomie. Die Gegenposition argumentiert, dass Bezirke, in denen nur oder überwiegend Menschen einer anderen als der deutschen Herkunft leben, eine Tendenz zum Ghetto in sich trügen: Statt eines freiwillig gewählten Zustandes handle es sich entweder um eine von der Außenwelt erzwungene Wohnform, oder - auch nicht besser - um Selbstghettoisierung in einer als feindlich empfundenen Umgebung. In jedem Fall, sagen die Gegner abgeschlossener ethnischer Viertel, führten diese dazu, dass eine Integration in die Mehrheitsgesellschaft nicht stattfinde und Armut, Bandenbildung und Kriminalität gefördert würden. Für Kreuzberg darf wohl attestiert werden: Mehr als anderswo leben Deutsche und Ausländer isoliert nebeneinander her. Das hat nicht zuletzt damit zu tun, dass schon die Spachbarriere enorm ist. Die erste Generation spricht häufig gar nicht, die zweite oft lückenhaft Deutsch. Die Folge: Kontakte finden vor allem in der eigenen ethnischen Gruppe statt. Viele deutsche Mieter fühlen sich in der ungewohnten Umgebung nicht mehr wohl; spätestens wenn sie Kinder bekommen, ziehen sie in der Regel um. Im internationalen Vergleich ist das allerdings etwas ganz Normales: In New York und Paris, London oder Amsterdam gehört das, was hierzulande zuweilen als "blickdichte Parallelwelt" tituliert wird, zur Normalität von Einwanderungsgesellschaften. In der Tat sind viele der Vorteile, die einer gemischten Bevölkerung traditionell angedichtet werden, an mehreren Beispielen widerlegt. Dass die "Kontakthypothese", die davon ausgeht, dass Menschen sich schon konstruktiv miteinander beschäftigen werden, wenn sie einander nah sind, nicht stimmt, konnte man in Berlin schon vor 150 Jahren beobachten. Damals wurden die Beamten und der Mittelstand in den großräumigen Vorderhäusern untergebracht; die proletarischen Massen zogen ein paar Meter weiter in die dazugehörigen Hinterhäuser. Dort sollten sie am Vorbild der besser Verdienenden charakterlich wachsen und so auch ihre eigene Lage verbessern. Geschehen ist das nur höchst selten. Nach Ansicht des Berliner Stadtsoziologen Hartmut Häußermann basiert die These, Kontakt führe zu Integration, auf einer tautologischen Annahme: Erfahrungsgemäß werde das Miteinander durch Kontakt nur dort verbessert, wo es schon einen konstruktiven Dialog gäbe. "Wenn die Integration gelungen ist, bringt Kontakt sie weiter voran", sagt Häußermann. Anderenorts kann das Aufeinandertreffen verschiedener Gruppen den Kontakt durchaus erschweren - bei einem angespannten sozialen Klima, bei gegensätzlichen Normen oder erhöhter Konkurrenz, zum Beispiel um Arbeitsplätze. Häußermann sieht die zunehmende ethnische Trennung innerhalb der Städte vor allem skeptisch, weil er in ihnen eine Abwärtsspirale der Lebensqualität beobachtet. Entscheidend für die Beurteilung von Segregation sei die Anzahl der Brücken, die von einem Quartier in die Mehrheitsgesellschaft existieren. "Die zentrale Frage ist, ob die Menschen sozial und ökonomisch integriert sind oder ob sie an einem Ort der Exklusion leben. In letzterem Fall gibt es ein Problem - in ersterem nicht." Mit der sozialen und ökonomischen Integration ist es nun häufig nicht weit her. Nirgends sind so viele Berliner arbeitslos wie in Kreuzberg (29,2 Prozent); nirgends leben so viele von Sozialhilfe (17,3 Prozent). Mehr als jeder Dritte hat schon deshalb wenig Aussicht auf Arbeit, weil er gar keine Ausbildung hat; auch damit hält der Bezirk eine traurigen Rekord. Vor allem aber: Der statistisch am häufigsten vorkommende Kreuzberger ist weder Türke noch Deutscher. Sondern ein Berliner, der knapp über oder knapp unter der Armutsgrenze lebt. In ihren materiellen Verhältnissen unterscheiden sich deutsche und türkische Nachbarn so gut wie nicht. Das Parlament, 31-32/2004
Article
Jeanette Goddar
2021-06-23T00:00:00
2012-02-17T00:00:00
2021-06-23T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/stadt-land/stadt-und-gesellschaft/64399/gefaehrliche-tendenz-zum-ghetto-oder-die-ganz-gewoehnliche-suche-nach-nestwaerme/
Gefährliche Tendenz zum Ghetto oder die ganz gewöhnliche Suche nach Nestwärme? Über die Frage, ob Segregation als Problem oder als Chance für Integrationsprozesse und Stadtentwicklung zu begreifen ist, wird trefflich gestritten. Jeannette Goddar erku
[ "Ghetto", "Chinatown", "Little Italy", "türkisches Viertel", "Stadt und Gesellschaft", "Glossar", "Segregation", "Sozialraum", "Stadt", "Deutschland", "Berlin-Kreuzberg" ]
547
Urlaub von der DDR | Weltfestspiele 1973 | bpb.de
Textversion des Video-Interviews Ich war damals Studentenpfarrer und es gab eine Initiative von der Kirche, dass eine größere Gruppe von Jugendpfarrern nach Berlin fahren sollte und – neben verschiedenen anderen Veranstaltungen, die die Kirche während der Weltfestspiele anbot – haben wir einen Gesprächsstützpunkt, wie wir sagten, in der Marienkirche eingerichtet und standen dort Besuchern, DDR-FDJlern, DDR-Dissidenten, aber auch Ausländern, Westdeutschen und dem ganzen bunten Völkergemisch, was sich damals hier in Berlin traf, zur Verfügung. Man hat natürlich die Vorsicht walten lassen, die man immer als kirchlicher DDR-Bürger walten ließ, aber wir wollten auch die Wahrheit sagen, wo es uns gut geht und wo es uns nicht so gut geht. Die Probleme, die wir hatten, waren, dass gerade zu Anfang der 70er Jahre die Religionsfreiheit, besonders bei den Jugendlichen, eingeschränkt war. Das haben wir auch nicht verheimlicht. Wir waren zum Teil damals auch noch kritisch gegenüber dem Westen, wir waren von Chile begeistert, dass dort freie Wahlen zu einer sozialistischen Regierung geführt hatten. Und dann haben wir natürlich die Sache umgedreht und haben gesagt, bei uns müssten auch freie Wahlen stattfinden. Es war also auch so, dass wir schon gemerkt haben, dass die Barriere zwischen Staat und Kirche in diesen Tagen, während der Weltfestspiele, von Seiten des Staates sehr niedrig gemacht wurde, um zu zeigen, auch in der Dritten Welt – da gab's ja viele Christen: Wie gehen wir im Sozialismus offen und frei mit der Kirche um! Das war natürlich auch eine Chance für uns, die wir genutzt haben, aber es war nicht der Alltag. Der Alltag war wesentlich härter. Das Einzige, was wir machen konnten, war ein bißchen Klimaverbesserung, ein bißchen Selbstbewusstsein zeigen: Man kann auch in der DDR Christ sein, wenn man sich eben traut und sich nicht gleich einschüchtern lässt. So dass wir richtig ein bißchen euphorisch waren und vielleicht auch ein bißchen zu viel Schönes in den Weltfestspielen gesehen haben. Aber es war richtig: Einmal ein bißchen Urlaub von der DDR.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2021-06-23T00:00:00
2012-02-18T00:00:00
2021-06-23T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/deutsche-teilung/weltfestspiele-73/65324/urlaub-von-der-ddr/
Der Religionssoziologe und Bürgerrechtler Dr. Erhart Neubert nahm als 33-jähriger an den Weltfestspielen teil. Der damalige Studentenpfarrer aus Weimar errichtete gemeinsam mit anderen einen "Gesprächsstützpunkt" in der Marienkirche, der allen offen
[ "Weltfestspiele 1973", "Weltbund der Demokratischen Jugend", "politische Inszenierung", "Kulturpolitik DDR", "Erhart Neubert", "Religion DDR", "Staat Kirche DDR" ]
548
Kommentar: In Erwartung von Veränderungen? | Russland-Analysen | bpb.de
Wladimir Putins Ankündigung vom 15. Januar, dass an der russischen Verfassung Änderungen vorgenommen werden sollen, hat umgehend die Aufmerksamkeit sehr vieler Experten erregt. Zu den Realien in Russland gehört nun allerdings auch, dass weniger die Gesetze selbst (einschließlich der Verfassung) von Bedeutung sind als vielmehr die Praxis der Rechtsanwendung. Diese Praxis wird von konkreten Menschen im Staatsapparat bestimmt. Vor diesem Hintergrund haben nicht die Änderungen an der Verfassung eine reale Bedeutung für das politische Leben, sondern die Entscheidung über die Ablösung der Regierung. Für einen Kommentar über diesen Vorgang sollte auf drei Fragen näher eingegangen werden: Welches Signal sendet der Regierungswechsel an die derzeitigen Eliten?Warum wurde diese Entscheidung gerade jetzt getroffen (und nicht etwa im Mai 2018, als die zweite Amtszeit von Wladimir Putin als Präsident Russlands begann)?Was ist von der neuen Regierung zu erwarten? Die Antwort auf die erste Frage scheint recht eindeutig zu sein: Im Land vollzieht sich ein Generationenwechsel in der Elite der Bürokratie. Dieser Prozess wurde 2017/18 mit einer Erneuerung innerhalb der Gouverneursriege angestoßen, als der Kreml begann, junge Technokraten zu Gouverneuren zu ernennen, die die Schule der "Kaderreserve" des Präsidenten durchlaufen hatten. Jetzt sind die Minister der Zentralregierung an der Reihe. Dabei besteht die allgemeine Tendenz darin, dass von den Neuernannten nicht nur Loyalität gefordert wird (wie noch Mitte der 2000er Jahre), sondern auch die Fähigkeit, Probleme im eigenen Zuständigkeitsbereich selbständig unter Einsatz der vorhandenen begrenzten Ressourcen zu lösen. Meiner Ansicht nach ist das ein recht wichtiges Signal an die derzeitigen Eliten (nach dem Motto: "Ihr müsst schneller laufen, wenn ihr eure Positionen behalten wollt."). Dabei ist allerdings auch zu betonen, dass die personelle Erneuerung nur im sozialen und wirtschaftlichen Block der Regierung stattfand, aber praktisch kaum den Block der Silowiki betraf, deren Vertreter in den vergangenen Jahren bei strategischen Entscheidungen eine Schlüsselrolle gespielt haben. Bei der Antwort auf die zweite Frage sind Varianten möglich. Einerseits könnte sie ganz offensichtlich lauten: Der Kreml hat die Regierung angesichts des Ausmaßes der Anspannung und der gesteigerten Gereiztheit in der Gesellschaft lediglich als Blitzableiter benutzt, indem er die Verantwortung für die wirtschaftliche Stagnation und die fehlenden Aussichten, hieraus einen Ausweg zu finden, auf Dmitrij Medwedew und dessen Minister abwälzte. Ein zweiter Anlass wäre das Fehlen sichtbarer Fortschritte bei der Umsetzung der "nationalen Projekte", die 2018 von Wladimir Putin verkündet worden waren. Andererseits könnte man annehmen, dass die alte Regierung bewusst im Amt gelassen worden war, damit ihr dann die negativen Folgen des zuvor geplanten komplexen Umbaus im Sozialbereich – insbesondere die Rentenreform und die "Optimierung" des Gesundheitssystems – zugeschreiben werden können. In dieser Logik bedeutete die Ablösung der Regierung, dass das alte Kabinett gehen kann, weil es seine Aufgabe erfüllt hat. Und die neue Regierung würde neue Aufgaben zu lösen haben. Welche Aufgaben wären das? Auch hier sind mehrere Varianten möglich. Eine geht dahin, dass sich die Regierung auf die Umsetzung der "nationalen Projekte" konzentrieren soll, damit das Regime bis zu den Wahlen 2021 mit sichtbaren und für die Gesellschaft spürbaren Ergebnissen in bestimmten Bereichen Rechenschaft ablegen kann. Diese Antwort erschein als die einfachste und offensichtlichste, lenkt aber wohl in Wirklichkeit vom eigentlichen Problem ab: jedes Projekt wird letztendlich nicht von Ministern oder Gouverneuren umgesetzt, sondern von konkreten Menschen auf der Ebene der Firmen, staatlichen Organisationen und Kommunalverwaltungen, und zwar unter Berücksichtigung der verfügbaren Ressourcen. Zudem sehen die "nationalen Projekte in ihrer jetzigen Gestalt eine Kofinanzierung durch die Regionen und die Wirtschaft vor. Und wenn all diese Akteure keine Aussicht auf wirtschaftliche Entwicklung erkennen, und auch kein verständliches Zukunftsbild für das Land und ihren Platz in dieser Zukunft, wird es für sie keine Anreize zu Investitionen geben. Das bedeutet, dass die nationalen Projekte (und die damit verbundenen Versprechen von 2018 im Sozialbereich) selbst mit effektiven Managern auf dem Posten des Ministerpräsidenten nicht umgesetzt werden. Eine andere mögliche Antwort zu den Aufgaben der Regierung ergibt sich aus der oben genannten alternativen Interpretation der Gründe für den Regierungswechsel. Bei einer Beurteilung, wie effizient die Regierung unter Dmitrij Medwedew, der fast 8 Jahre schon im Amt ist, gearbeitet hat, muss man sich richtigerweise vor Augen halten, welche Aufgaben sie in Wirklichkeit angegangen ist. Natürlich wurde von 2012 bis 2014 der Versuch unternommen, die "Maierlasse" von 2012 umzusetzen (allerdings erfolgte das bereits damals hauptsächlich über die Mobilisierung von Ressourcen aus den regionalen Haushalten). Ab 2014 wandte sich die Regierung Medwedew – folgt man nicht den Erklärungen, sondern dem Vorgehen in der Praxis – eher anderen Aufgaben zu, die auf die Bildung von Reserven für "außerordentliche Umstände" abzielten. Zu diesen "Umständen" konnten die verschiedensten Dinge gehören, die potenziell die nationale Sicherheit gefährden, angefangen bei einer Verschärfung der Sanktionen des Westens und der Beteiligung Russlands an militärischen Konflikten bis zu einem Rückgang der Ölpreise auf den Weltmärkten und sozial motivierten Massenprotesten innerhalb des Landes. Im Kontext dieser Gefahren können nun Maßnahmen wie die ausbleibende Stützung des Rubelkurses (als dieser im Herbst 2014 einbrach), die anschließende beispiellose Anhebung der Leitzinsen, die Reduzierung der Dollarreserven und die drastische Erhöhung des Goldanteils bei den Devisenreserven wie auch die Streichung sozialer Verpflichtungen aus dem föderalen Haushalt im Zuge der Rentenreform und die "Optimierung" des Gesundheitssystems als Bestandteile einer durchaus konsequenten Wirtschaftspolitik betrachtet werden. Wenn die Aufgabe der alten Regierung darin bestanden haben sollte, die aktuelle Stabilität aufrecht zu erhalten und dabei Reserven für einen "schwarzen Tag" anzusammeln, so hat sie diese Aufgaben insgesamt gelöst. Eine solche Politik birgt allerdings ein grundsätzliches Problem: Die Dominanz von Sicherheitsprioritäten bei strategischen Entscheidungen und auch die Orientierung auf eine Minimierung der Risiken und eine Aufrechterhaltung der sozialen und politischen Stabilität blockieren auf kurze Sicht Entwicklungsmöglichkeiten und erzeugen in der Gesellschaft Spannungen. Dadurch verliert das Regime die Möglichkeit, auch auf lange Sicht Stabilität zu gewährleisten. Das wiederum wäre für die herrschende Elite in absehbarer Zukunft mit ernsten politischen Verwerfungen verknüpft. Wenn man davon ausgeht, dass die Leute im Kreml sich dieses Problems bewusst sind, dann könnte die neue Regierung einen Freischein zur Entwicklung und Umsetzung einer neuen Strategie zur wirtschaftlichen Entwicklung erhalten. Diese müsste dann für die Wirtschaft und die Verwaltungseliten überzeugend sein und auch das Vertrauen der Gesellschaft gewinnen können. Angesichts der politischen Ereignisse des vergangenen Jahres und der Konflikte innerhalb der Eliten erscheint ein solches Szenario allerdings wenig wahrscheinlich. Ob es in der Praxis umgesetzt werden kann, wird sich schon im Frühling zeigen. Um den gegenwärtigen Trend zur Stagnation in der Wirtschaft zu durchbrechen, müssen sich die Erwartungen ändern. Die Ernennung einer neuen Regierung hat in der Gesellschaft zu einer verhaltenen Verbesserung der Stimmung geführt, und zwar bislang deshalb, weil neue Gesichter erschienen sind. Sollten diese neuen Leute eine verständliche, auf Entwicklung ausgerichtete Agenda vorlegen, könnten sich die aktuellen positiven Erwartungen verfestigen und zu einem Faktor für wirtschaftliche Dynamik werden. Falls aber in den kommenden zwei bis drei Monaten keine neue Agenda geschaffen wird, werden die jetzt entstandenen Erwartungen weggeweht und Russland wird wieder auf jene Bahn zurückgeworfen, auf der es sich die letzten Jahre befunden hat. Übersetzung aus dem Russischen: Hartmut Schröder
Article
Andrei Yakovlev (Higher School of Economics, Moskau)
2021-06-23T00:00:00
2020-02-13T00:00:00
2021-06-23T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/europa/russland-analysen/nr-381/305203/kommentar-in-erwartung-von-veraenderungen/
Andrei Yakovlev von der Higher School of Economics in Moskau beleuchtet die Verfassungsreformen und den Regierungswechsel unter dem Brennglas der Realpolitik. Weniger die Gesetze als vielmehr die Umsetzung der Gesetze gerät in den Blickpunkt: Was bed
[ "Verfassungsänderung", "Regierungsbildung", "Dmitrij Medwedew", "Russland" ]
549
Nachhaltiger Bananenanbau | Lateinamerika | bpb.de
Über Guápiles und den Bananenplantagen rund um die kleine Provinzstadt ist der Himmel bedeckt. Es ist drückend heiß unter den Bananenblättern auf der Finca Modelo, feucht und stickig. Fredo Gonzales Cruz steht der anstrengende Job permanent ins Gesicht geschrieben. Der Schweiß rinnt ihm in Rinnsälen herunter. Plantagenarbeiter mit Schutzkleidung. (© Jörn Breiholz) Cruz hantiert mit Agrochemikalien. Er steht auf einer Leiter, die er an einen drei Meter hohen Bananenstrauch gestellt hat, und stülpt blaue, im Inneren mit einem Insektizid imprägnierte Plastiktüten über die Bananenbündel. Zwei Wochen lang wird die Substanz aus den Poren der Plastiktüte auf die Bananenfinger dampfen und Insekten vom Befall der Bananen abhalten. "Dann ist es verflogen", sagt Friedhelm Gauhl, Biologe und leitender Chiquita-Angestellter, der den Einsatz der Schädlingsbekämpfungsmittel auf den Bananenplantagen Chiquitas in Lateinamerika koordiniert. Cruz trägt eine Atemschutzmaske, die nur wenige Zentimeter seines Gesichts frei lässt, außerdem Handschuhe und lange Kleidung: "Als Schutz vor den Agrochemikalien, mit denen ich hantieren muss", wie er sagt. Er ist froh, dass er trotz der Hitze diese Arbeitskleidung tragen kann. Vor wenigen Monaten noch, erzählt er, habe er auf einer anderen Bananenfinca, die nicht zu Chiquita gehöre, gearbeitet. "Dort gab es weder Arbeitskleidung noch Schutzmaske." Nun gehe er auch alle drei Monate zur Blutuntersuchung. Dann wird Cruz darauf getestet, ob der tägliche Umgang mit dem Pestizid sein Blut krank macht. Der Bananenarbeiter ist einer von mehreren tausend in Costa Rica, die für Chiquita arbeiten. Auf deren Farmen ist Arbeitskleidung beim Umgang mit gefährlichen Stoffen wie Pestiziden inzwischen vorgeschrieben. Vor sieben Jahren haben sich alle Chiquita-Farmen und inzwischen auch fast alle Zulieferer des Bananenmultis den Regeln der Nichtregierungsorganisation "Rainforest Alliance" unterworfen. Die prüft nun einmal jährlich, ob die von ihr definierten Umwelt-, Sozial- und Arbeitsauflagen auf den Chiquita-Farmen eingehalten werden. Listen die Auditoren von der Rainforest Alliance keine schwerwiegenden Mängel auf, können die Farm und damit auch die in Europa vertriebenen Chiquita-Bananen das Siegel der Rainforest Alliance tragen - und damit werben. Seit gut einem Jahr ziert die Chiquita-Bananen nun das mit einem Frosch versehene Siegel, das den Eindruck erweckt, als wenn der Bananenanbau von Chiquita den Regenwald schütze. "Nachhaltigen Bananenanbau" nennen jetzt die Rainforest Alliance und Chiquita die Massenproduktion von Bananen in Monokultur. Nachhaltigkeit ist – im Gegensatz zu "öko" oder "bio" - kein geschützter Begriff. Doch die Bananenmanager von Chiquita sind überzeugt, den richtigen Weg zu gehen. "Wir haben den Einsatz von Plastik und Pestiziden auf unseren Farmen erheblich reduziert", sagt beispielsweise Chiquitas Nachhaltigkeits-Chef Manuel Rodriguez beim jährlichen Meeting mit den für Umwelt- und Arbeitsbedingungen zuständigen Chiquita-Mitarbeitern in Costa Rica in der Nähe von Nogal. Als einziges der großen transnationalen Bananenunternehmen lässt sich Chiquita von der Rainforest Alliance zertifizieren. Der Bananenmulti präsentiert die Ergebnisse gerne. Journalisten zum Beispiel, die nach Costa Rica eingeladen und von einer blonden Chiquita-Mitarbeiterin durch das Schutzwäldchen in Nogal geführt werden. Kein anderes Bananenunternehmen zeige sich so offen wie Chiquita, sagt George Jaksch, in Europa zuständig für "Corporate Responsibility". "Welches andere Unternehmen lässt schon Journalisten und NGO's auf die Farmen und gibt einen so transparenten Einblick in die Bücher?" Grün ist es überall in dem kleinen, tropischen Land in Zentralamerika - um Guapiles herum bananenblättergrün. Scheinbar endlos ziehen die Bananenfelder mit ihren exakt gezogenen Drainagegräben vorbei, tausende Hektar Bananen stehen hier, industrielle Landwirtschaft eben. Chiquita, Dole, Delmonte ist auf den Lastwagen geschrieben, die mit Kühlaggregaten ausgestattete Containerboxen geschultert haben. Jeder Container gefüllt mit tausend Bananenpappkisten à 18 Kilogramm Frucht. Lastwagen an Lastwagen zieht gen Puerto Limón. Von dort kommen sie zurück, um Nachschub zu holen für die Bananenschiffe, die Richtung Europa starten, um auch den Deutschen ihr zweitliebstes Obst nach dem Apfel zu bringen. Wenn die bulligen us-amerikanischen Trucks an den Bananenarbeitern vorbeidonnern, die mit geschulterter Machete auf dem Rad unterwegs sind, ist zwischen Mensch und Metall manchmal nicht viel Platz. Harte Arbeit Ein Warnschild verbietet den Aufenthalt in der Plantage während des Einsatzes der Sprühflugzeuge. (© Jörn Breiholz) Es gibt Tage, da riecht es süßlich hier, kilometerlang. Dann kann es nicht lange her sein, dass ein Flugzeug oder ein Hubschrauber über die Felder geflogen ist, und aus den dampfenden Sprühleitungen Schwaden feiner Tropfen mit Fungiziden auf die Bananen nieder gerieselt sind. Sie fliegen und sprühen, um einen Pilz zu töten. Als der gelbe Sigatoka-Pilz in Costa Rica ausgemerzt war, kam der schwarze, vor gut 20 Jahren. Wegen dieses Pilzes steigen durchschnittlich einmal pro Woche die Pestizid-Flieger in die Luft und sprühen Fungizide über die Bananenblätter. Hat der Sigatoka die Blätter erst einmal hinreichend befallen oder "verbrannt", wie es im Bananenjargon heißt, ist es vorbei mit der Photosynthese: Die Banane stirbt. Seit vielen Jahrzehnten steht der Bananenanbau in den Tropen wegen des massiven Einsatzes von Agrochemikalien und der Arbeitsbedingungen in der Kritik von Umweltschützern und NGO's. In den Neunzigern streikten tausende Bananenarbeiter auf lateinamerikanischen Bananenplantagen, weil der Einsatz des Pestizids Nemagon bei Arbeitern Knochenkrebs, Atembeschwerden und Herzkrankheiten ausgelöst hatte. Das Stigma des bösen US-Ausbeuters, der sich ohne Rücksicht auf Verluste an den Menschen in Drittweltländern bereichert, klebte auch Chiquita lange auf der Stirn. Schließlich war es gerade die ehemalige "United Fruit Company", wie Chiquita vor der Umbenennung noch bis Ende der 1980er-Jahre hieß, die den Begriff "Bananenrepublik" prägte: Als us-amerikanischer Konzern, der mit seiner wirtschaftlichen Macht in Zentralamerika politisch mehr zu sagen hatte als die jeweiligen Regierungen; auch weil es die jeweilige Polit-Elite massiv korrumpierte. Dass die düstere Zeit der politisch unsauberen Zusammenarbeit noch längst nicht vorbei ist, bewies der Konzern erst jüngst wieder. Noch bis 2004, heißt es auch offiziell aus der Unternehmenszentrale im us-amerikanischen Cincinnati, habe der Konzern in Kolumbien Schutzgelder an linke und rechte Paramilitärs bezahlt. Chiquita finanzierte also die terroristischen Kräfte und Protagonisten des seit Jahrzehnten währenden schmutzigen Bürgerkrieges in Kolumbien. Vor gut zwölf Jahren begann der Bananenmulti, den Dialog mit der in den USA gegründeten Nichtregierungsorganisation "Rainforest Alliance" zu suchen, und entschloss sich, alle Chiquitaplantagen und Zuliefererbetriebe nach den Vorgaben der Organisation auszurichten. Diese Standards beinhalten die Organisationsfreiheit von Gewerkschaftern genauso wie die Abstände zu Wasserläufen, damit aufgebrachte Agrochemikalien nicht in den Boden gelangen. Noch vorhandene Biotope müssen geschützt und nicht genutzte Flächen aufgeforstet werden. Warnhinweise für den korrekten Umgang mit Pflanzenschutzmitteln. (© Jörn Breiholz) Längst nicht alle costaricanischen Chiquita-Mitarbeiter sind mit dem Erreichten zufrieden. Im Ort Roble beispielsweise, einer kleinen Ansiedlung zwischen Chiquita-Bananenfeldern ein Stück nördlich in Richtung nicaraguanischer Grenze, berichten die Anwohner, dass die Drift von den Pestizideinsätzen aus der Luft häufiger bei ihnen im Garten lande. " Die Flieger", sagt der Bananenarbeiter Julio Ramos Martin und zeigt in dem kleinen Garten hinter seinem Häuschen auf das direkt angrenzende Bananenfeld, "besprühen sogar direkt unsere Häuser." Erst an diesem Morgen wieder, erzählt der junge Familienvater, hätten ein Flugzeug und ein Hubschrauber um kurz nach sechs Uhr die Felder direkt hinter seinem Garten besprüht. "Und die Wolke ist direkt bei uns im Garten gelandet." Wenn die Pestizid-Flieger kreisten, sagt Martin, "müssen meine Kinder im Haus bleiben." Dagoberto Quirós Granados, auch er Bananenarbeiter bei Chiquita und Gewerkschaftsmitglied, zeigt Fotos von toten Fröschen. "Die habe ich nach einem Nematizid-Einsatz auf den Bananenplantagen im Sommer vergangenen Jahres fotografiert", sagt Granados. Der 53-Jährige ist vor einem Jahr in den Gewerkschaftsverband Cosiba eingetreten, auch weil ihn der Vorarbeiter durch einen Jüngeren ersetzen wollte. "Die Mitgliedschaft in der Gewerkschaft hat mich bisher vor der Entlassung schützen können", sagt er. Im Gewerkschaftsbüro in Puerto Viejo de Sarapiquí sind an diesem Samstag gut ein Dutzend Bananenarbeiter zusammengekommen, um sich von Gewerkschaftsanwalt Guaren Flores beraten zu lassen. Flores sagt, Chiquita würde Arbeiter mit fadenscheinigen Begründungen entlassen, nur weil sie in der Gewerkschaft sind. "Das Unternehmen will verhindern, dass die Gewerkschaft in den Plantagen zu stark wird", sagt der Anwalt. Ein Vorwurf, den Chiquita weit von sich weist. "Jeder Arbeiter bei uns kann sich gewerkschaftlich organisieren", meint George Jaksch. Die Gewerkschafter präsentieren Dokumente. Zum Beispiel ein Protokoll über ein Zusammentreffen zwischen der Leitung einer Chiquita-Plantage und Gewerkschaftsmitgliedern, die sich über den wiederholten Einsatz von Pestiziden aus der Luft beschweren – während sie im besprühten Bananenfeld arbeiten. Das würde gegen die Regeln der "Rainforest Alliance" verstoßen. Bei Wiederholung drohte der Entzug des Siegels mit dem Frosch der Organisation Rainforest Alliance, der so sehr nach Regenwaldschutz aussieht. Bisher ist so etwas noch nicht vorgekommen. Doch erst kürzlich, sagt Chris Wille von der "Rainforest Alliance", sei auf einer Chiquita-Plantage in Guatemala Regenwald planiert worden: "Daraufhin sind fünf Farmmanager entlassen worden." Den Vorfall, sagt Wille, hätte Chiquita selbst gemeldet. Plantagenarbeiter mit Schutzkleidung. (© Jörn Breiholz) Ein Warnschild verbietet den Aufenthalt in der Plantage während des Einsatzes der Sprühflugzeuge. (© Jörn Breiholz) Warnhinweise für den korrekten Umgang mit Pflanzenschutzmitteln. (© Jörn Breiholz)
Article
Jörn Breiholz
2022-02-02T00:00:00
2011-12-02T00:00:00
2022-02-02T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/mittel-suedamerika/lateinamerika/44713/nachhaltiger-bananenanbau/
Millionen von Chiquita-Bananen werden jährlich in Costa Rica geerntet und für den weltweiten Export, auch nach Deutschland, vorbereitet. Für die Mitarbeiter ein schweißtreibender Job, der auch viele Gefahren birgt.
[ "Lateinamerika", "Costa Rica", "Bananenanbau", "Chiquita", "Costa Rica" ]
550
Die Rolle der UNO und des Sicherheitsrates im Irakkonflikt | Irak | bpb.de
Einleitung Wie eine "self-fulfilling prophecy" scheint sich die Kritik an der UNO und ihrer mangelnden Effektivität mit dem Angriff auf Bagdad bewahrheitet zu haben. Da die US-Administration unter allen Umständen zur militärischen Beseitigung des Regimes in Bagdad entschlossen war, worüber sie nie einen Zweifel hat aufkommen lassen, hatte der UN-Sicherheitsrat ohnehin nur die Chance der Verzögerung, aber nie der Verhinderung dieses einseitigen Krieges. Nach dieser Niederlage wird umso deutlicher, dass der Sicherheitsrat nur deswegen von den USA so lange als Forum und Bühne des Ringens um eine ermächtigende Resolution benutzt bzw. geduldet wurde, um ihre relative Isolation in der Kriegsfrage zu durchbrechen und die Legitimation für ihr einseitiges Vorgehen zu erweitern. Sie erreichte allerdings das Gegenteil: Je mehr der Sicherheitsrat zum Forum der Berichte der Inspektoren wurde, je mehr die verschiedenen Resolutionsentwürfe die Beratungen verlängerten und die USA den Druck auf die Mitglieder des Sicherheitsrats erhöhten, desto einsamer wurde ihre Position der absoluten Kriegslösung. Hauptziel und -funktion des UN-Sicherheitsrates ist die Sicherung das Friedens, was ihm trotz Veto nicht gelang. In der Interpretation der US-Administration allerdings versäumte er seine Aufgabe gerade dadurch, dass er den Krieg nicht legitimierte, der in ihrer paradoxen Logik der alleinige Garant eines zukünftigen Friedens im Mittleren Osten sein soll. Von welcher Seite man den Sicherheitsrat auch betrachtet, von dem Standpunkt einer friedlichen und politischen oder einer militärischen Lösung des Irakkonfliktes, er hat im Ergebnis in jedem Fall versagt. US-Präsident George W. Bush und Außenminister Colin Powell hatten der UNO für diesen Fall wiederholt mit ihrer Bedeutungslosigkeit gedroht und damit die US-amerikanische Absicht der weitgehenden Trennung und Unabhängigkeit ihres politischen Handelns von multilateralen Bindungen und Beschränkungen unterstrichen. Nun stellt sich definitiv die Frage, ob damit das endgültige Urteil über die UNO und ihre Hauptinstitutionen gesprochen worden ist und sie das gleiche Schicksal ereilt wie seinerzeit den Völkerbund - allerdings in der pikanten Variante, dass in den zwanziger Jahren die faschistischen Achsenmächte Spanien, Italien, Japan und Deutschland Schritt für Schritt das kollektive Sicherheitssystem bis zum Kollaps unterminierten, nun aber die einstigen antifaschistischen Alliierten USA und Großbritannien dafür die Verantwortung tragen. Ist der Widerstand des "alten Europas" vergeblich gewesen, und hat es sich mit dem Zusammenbruch des UNO-Systems in Zukunft abzufinden? I. Die UNO am Beginn des Irakkonfliktes Wir müssen zu dem Ausgangspunkt des gegenwärtigen Konfliktes zurückgehen, um diese Frage beantworten zu können. Damals im Sommer 1990, als der Irak Kuwait überfiel und annektieren wollte, schien die Welt der UNO noch in Ordnung. Der Sicherheitsrat reagierte sofort. Er verurteilte die irakische Invasion mit seiner Resolution 660 am 2. August 1990, stellte nach Art. 39 UNO-Charta eine Verletzung des internationalen Friedens fest, verlangte unter Berufung auf Art. 40 UNO-Charta den sofortigen Rückzug der irakischen Truppen aus Kuwait und forderte beide Staaten zur friedlichen Beilegung ihrer Streitigkeiten auf. Als der Irak dieser Forderung nicht nachkam, griff der Sicherheitsrat am 6. August 1990 zum nächstschärferen Mittel und verhängte mit der Resolution 661 (1990) unter Berufung auf Art. 41 UNO-Charta ein totales Wirtschaftsembargo gegen den Irak, um ihn zum Rückzug seiner Truppen und zur Respektierung der Souveränität Kuwaits zu zwingen. Wenig später verfügte der Sicherheitsrat mit seiner Resolution 665 (1990) sogar die Durchsetzung des Embargos mit militärischen Mitteln der Marine, wobei man darüber hinweg sah, ob diese Maßnahme nicht eventuell schon als militärische Sanktion in den Rahmen des Art. 42 UNO-Charta gehörte. Von diesem Embargo waren praktisch nur medizinische Artikel ausgenommen sowie Lebensmittel, wenn aus humanitären Gründen erforderlich. Darüber hatte ein Sanktionskomitee zu entscheiden, welches zur Überwachung des Embargos eingesetzt worden war und noch heute faktisch über die Versorgung der irakischen Bevölkerung bestimmt. Obwohl das Embargo nahezu vollständig eingehalten wurde, drängten die USA auf eine militärische Verschärfung der Sanktionen, was sie am 27. November 1990 mit der Resolution 678 erreichten. Die Frist war zweifellos zu kurz, um die Wirksamkeit des Embargos einschätzen zu können. Aber der Sicherheitsrat ist in dieser Einschätzung autonom, und auch der massive Druck, der von den USA auf einige Länder mit oder auch ohne Erfolg (Jemen, Kuba) ausgeübt worden ist, hat keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit einer Resolution, wenn sich ihre Aussage nur im Rahmen der Art. 39ff. des VII. Kapitels der UNO-Charta bewegt. Die Resolution ermächtigte die UN-Mitgliedstaaten, "für den Fall, dass Irak die oben genannten Resolutionen (660ff.) bis zum 15. Januar 1991 nicht (...) vollständig durchführt, alle erforderlichen Mittel einzusetzen, um der Resolution 660 (1990) und allen dazu später verabschiedeten Resolutionen Geltung zu verschaffen und sie durchzuführen und den Weltfrieden und die internationale Sicherheit in dem Gebiet wiederherzustellen". Dieses war die erste ausdrückliche Ermächtigung zu militärischen Sanktionen seit dem Koreakrieg und wiederum nicht so unproblematisch wie gemeinhin unterstellt. Denn sie beugte sich dem Druck der USA und verzichtete auf jegliche Aufsicht und Kontrolle der unter dem Kommando der USA handelnden Militärallianz durch den Sicherheitsrat, wie sie Art. 43ff. UNO-Charta eigentlich vorsehen. Überliefert ist der Satz des damaligen UN-Generalsekretärs Perez de Cuellar, den er am ersten Tag der Luftangriffe auf Bagdad äußerte: "Dies ist eine Niederlage der Vereinten Nationen." Er schien zu ahnen, was sich in den nächsten 42 Tagen der Bombardierungen an zivilen Opfern, Zerstörungen ziviler Einrichtungen bis hin zu Kriegsverbrechen seitens der US-amerikanischen Truppen unter den Augen der UNO abspielte - ohne eine Möglichkeit einzugreifen. Dennoch, das Ziel, die Wiederherstellung der uneingeschränkten Souveränität Kuwaits, wurde erreicht. Als am 2. März 1991 der UNO-Sicherheitsrat mit der Resolution 686 (1990) das Ende der Militäraktionen und die Bedingungen des Waffenstillstandes feststellte, war der Irak nach den Worten des UNO-Beauftragten Ahtisaari in ein "vorindustrielles Zeitalter" zurückgebombt und "die meisten Mittel moderner Lebenshaltung zerstört oder geschwächt worden". Mit der Annahme dieser Resolution durch den Irak war das Ziel der militärischen Intervention, die Durchsetzung der Resolution 660, erreicht. Damit war der Grund für das umfassende Handelsembargo der Resolution 661 entfallen, und es hätte aufgehoben werden müssen. Allein Maßnahmen der Wiedergutmachung, der Abrüstungskontrolle und eines Waffenembargos wären zur Sicherung des Friedens und der Verhinderung einer neuen Aggression noch gerechtfertigt gewesen. II. Ein problematisches Sanktionssystem Doch die schon vorher in den USA entwickelten Pläne zur Beherrschung der zentralen Ölregion erforderten weitergehende Maßnahmen. Präsident George Bush sen. war wiederholt kritisiert worden, dass er nicht im Anschluss an die Vertreibung der irakischen Truppen aus Kuwait den Angriff auf Bagdad und die Beseitigung Saddam Husseins befohlen habe. Der Oberkommandierende Norman Schwarzkopf hat später zu verstehen gegeben, dass man dazu vorbereitet und in der Lage gewesen wäre. Abgesehen davon, dass dieser Schritt in keiner Weise von der Resolution 678 gedeckt gewesen wäre, hatte die US-Administration aber offensichtlich auf interne Kräfte des Umsturzes gesetzt und später Saddam Hussein als Garanten der Stabilität und gegen die befürchtete Desintegration der ganzen Region geschont. Und so etablierte man mit der Resolution 687 vom 3. April 1991, die die endgültige Einstellung der Kampfhandlungen verkündete und keinerlei Vollmacht für militärische Gewalt mehr enthielt, ein System der Kontrollen, Überwachung und ökonomischen Sanktionen, das praktisch das gesamte wirtschaftliche Leben einem protektoratsähnlichen Regime unterwarf. Die Resolution ist überwiegend von den USA formuliert worden und enthält einen Diktatfrieden, der in diesem Umfang und der Härte der Bedingungen nach bis dahin keinem Land nach 1945 zugemutet worden ist. Sie enthielt nicht nur die Fortsetzung des Waffenembargos und umfassende Abrüstungs- und Demobilisierungsmaßnahmen (Abschnitt C Abs. 7 ff.), sondern auch die Aufrechterhaltung der im August 1990 durch die Resolution 660 verhängten Wirtschaftssanktionen, die trotz mehrfacher Anträge seitens des Iraks vom Sanktionsausschuss des Sicherheitsrates nicht gelockert wurden (Abschnitt F Abs. 20ff.). Hinzu kamen umfangreiche Rückgabe-, Restitutions- und Reparationspflichten. Sind die militärischen Embargo- und Abrüstungsmaßnahmen sowie die Reparationspflichten aus der vorangegangenen völkerrechtswidrigen Aggression und der Friedenssicherungsaufgabe des VII. Kapitels zu begründen, so fehlt es jedoch an einer juristischen Grundlage für die Fortdauer der ökonomischen Sanktionen. Ahtisaari hatte in seinem Bericht die Aufhebung der Sanktionen empfohlen, da sie ganz offensichtlich allein die irakische Bevölkerung trafen. Bei den Beratungen der Resolution hatten sich insbesondere Indien und Zimbabwe neben Kuba, Ecuador und Jemen für die Aufhebung der nichtmilitärischen Sanktionen ausgesprochen. Doch bestanden die USA nicht nur auf ihrer Fortdauer, sondern knüpften ihre Lockerung oder Aufhebung an ein Genehmigungsverfahren, das sie jeweils mit ihrem Veto blockieren konnten. Was ursprünglich als Druckmittel zur Durchsetzung des irakischen Rückzugs aus Kuwait (Res. 660, 661) konzipiert war und seine rechtliche Grundlage in den Art. 39 und 41 UNO-Charta fand, mutierte mit der Resolution 687 im April 1991 nach Einstellung der Kämpfe zum Hebel und Druckinstrument für zweifelhafte Ziele. Jede Einfuhr lebenswichtiger Lebensmittel und Medikamente, aber auch jedes Ersatzteil für die Wasser- und Stromversorgung oder das Transportsystem hing seitdem von der Zustimmung des Sanktionskomitees ab, das durch die weitgehende Verweigerung (z.B. mit dem sog. dual-use-Argument) nicht nur den Wiederaufbau der Wirtschaft, sondern auch des einstmals hoch entwickelten und leistungsfähigen medizinischen Systems verhindern konnte. Dieser Zustand änderte sich auch nicht durch das sog. Oil-for-Food-Programm, welches mit den Resolutionen 705 (1991) und 706 (1991) vom 15. August 1991 eingerichtet wurde. Im Wesentlichen sollten die auf ein Sperrkonto der UN eingehenden Exporterlöse für Reparationen und die Finanzierung der verschiedenen UN-Überwachungs- und Genehmigungsaktivitäten verwandt werden. Selbst wenn sich der Anteil für die humanitäre Versorgung der Bevölkerung im Laufe der Jahre erhöhte, die fortschreitende Verelendung und Mangelwirtschaft wurden damit nicht behoben, sondern haben vielmehr das Ausmaß einer humanitären Katastrophe angenommen. III. Vom "Save Haven" für die Kurden zur "Operation Wüstenfuchs" gegen Bagdad Ein neues Kapitel hingegen schlug der UN-Sicherheitsrat mit seiner Resolution 688 vom 5. April 1991 auf, mit der er die Souveränität des Irak im Norden drastisch beschränkte und den gefährdeten Kurden einen sog. Save Haven einrichtete, der nur für durch die UNO autorisierte Hilfsorganisationen zugänglich sein sollte. Diese Resolution könnte durchaus epochemachende Wirkung haben, da sie zum ersten Mal die interne Situation eines Staates zum Anlass nahm, das absolute Prinzip der Nichteinmischung in interne Angelegenheiten eines Staates gem. Art. 2 Z. 7 UNO-Charta zu durchbrechen. Die irakische Regierung hatte die Rebellion des kurdischen Volkes nach dem Ende des Golfkrieges trotz ihrer vernichtenden Niederlage blutig niederschlagen können und eine gewaltige Flüchtlingstragödie erzeugt, in der fast die Hälfte der im Nordirak lebenden Kurden in die Nachbarländer floh. Dies war in der Tat eine humanitäre Katastrophe, die von den Staaten im Sicherheitsrat als eine Gefährdung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit i.S. von Art. 39 UNO-Charta angesehen wurde. Daher eröffneten sie das Sanktionsrepertoire der Art. 40 bis 42 UNO-Charta. Der Sicherheitsrat hatte damit zum ersten Mal eine "humanitäre Intervention" in Reaktion auf innere Unruhen und Bürgerkrieg praktiziert und den Weg gewiesen, auch in anderen Fällen interner humanitärer Katastrophen (Kampuchea, Ruanda, Jugoslawien/Kosovo) wirksam eingreifen zu können. Doch waren die Staaten in diesen Fällen zu ähnlichem gemeinsamem Vorgehen nicht bereit. Sie blieben auch beim Schutz der Kurden inkonsequent. Sie hatten zwar in der Präambel der Resolution 688 alle Staaten nachdrücklich an die Verpflichtung erinnert, "die Souveränität, territoriale Integrität und politische Unabhängigkeit Iraks" zu beachten, sie zeigten aber keine Reaktionen, als in den Folgejahren die Türkei wiederholt mit ihrem Militär die Grenze zum Nordirak überschritt, in den kurdischen Siedlungsgebieten intervenierte und sich dort seit Oktober 1997 schließlich militärisch fest installierte. Auch die anschließend von den USA, Großbritannien und Frankreich zum Schutz der Kurden im Norden und der Schiiten im Süden eingerichteten sog. Flugverbotszonen, deren südliche 1996 von den USA bis zum 33. Breitengrad 45 km vor Bagdad ausgedehnt wurde, finden keine Grundlage in Resolution 688 oder gar 687, wie des öfteren behauptet. Es sind einseitige Verletzungen der Souveränität und der territorialen Integrität des Iraks, die vom Sicherheitsrat nie genehmigt, allerdings auch nie gerügt worden sind. Im Herbst 1998 eskalierten die Auseinandersetzungen um die Inspektionen der UNSCOM, der Spionagetätigkeit und die Weitergabe von Informationen an den israelischen Geheimdienst Mossad vorgeworfen wurden. Bagdad stellte zunächst die Zusammenarbeit ein, lenkte aber nach militärischen Drohungen der USA im November wieder ein, und die zeitweise abgereisten UN-Inspekteure kehrten zurück. Nachdem der australische UNSCOM-Exekutivsekretär Richard Butler jedoch Anfang Dezember Bagdad mangelnde Kooperationsbereitschaft vorgeworfen hatte, forderten die USA die Inspekteure zum Verlassen des Landes auf und starteten am 16. Dezember 1998 ihre "Operation Wüstenfuchs" mit heftigen Luftangriffen gegen den Irak. Der US-Generalstab sprach im Januar 1999 von ca. 1600 Toten auf irakischer Seite. Das viertägige Bombardement war durch keinen Beschluss des UN-Sicherheitsrats legitimiert, allerdings fand sich in ihm auch keine Mehrheit von Staaten, die die Operation als das verurteilten, was sie war: völkerrechtswidrig. Der Irak kündigte danach am 27. Dezember endgültig jegliche Zusammenarbeit mit der UNSCOM auf und erklärte seinen Widerstand gegen die sog. Flugverbotszonen. Das Pentagon genehmigte daraufhin auch Präventivschläge gegen die Radarabwehrstellungen des Irak. 1998 ist dem UN-Sicherheitsrat endgültig die Kontrolle über den Irakkonflikt entglitten, der sich seitdem vor allem als Konfrontation der USA mit dem Regime Saddam Husseins darstellte. Die USA intensivierten ihre Bemühungen um den Aufbau einer schlagkräftigen Opposition, stellten in dem vom US-Kongress Ende 1998 verabschiedeten Iraq Liberation Act erhebliche finanzielle Mittel zur Verfügung und richteten in Prag den Oppositionssender "Radio Free Iraq" ein. Der UN-Sicherheitsrat beschränkte sich darauf, Ende 1999 mit der Resolution 1284 (1999) ein neues Waffeninspektionssystem UNMOVIC mit dem Vorsitzenden Hans Blix zu etablieren, die Höhe der Ölexporte nicht mehr zu begrenzen und die Einfuhr von Lebensmitteln zu erleichtern. Die Aufhebung der Sanktionen war aber nach wie vor von der Zustimmung der USA abhängig, die in dieser Frage zu keiner Konzession bereit waren. Frankreich enthielt sich deshalb bei der Abstimmung der Stimme, weil es voraussah, dass auch diese Resolution die Aufhebung des Embargos nicht erleichtern werde. Und so blieben die Sanktionen auch 2000 weiter bestehen, als der Sicherheitsrat mit den Resolutionen 1302 und 1330 (2000) das Inspektionssystem und das Oil-for-Food-Programm verlängerte. Angesichts der unbestreitbar katastrophalen Auswirkungen des gesamten Sanktionssystems auf die Bevölkerung des Irak und seiner Nutzlosigkeit für die Entwaffnung und vollkommene Abrüstung des Irak spricht vieles für die Einschätzung kritischer Betrachter, dass seine weitere Aufrechterhaltung jeglicher Rechtsgrundlage entbehrte, ja, das Sanktionssystem des Art. 41 UNO-Charta geradezu pervertierte. Auch der UN-Sicherheitsrat ist an die Normen des Völkerrechts gebunden und hat insbesondere die Menschenrechte der von seinen Sanktionen betroffenen Bevölkerung zu beachten. Er hat zwar einen sehr weiten Spielraum bei der Einschätzung der Friedensgefahr nach Art. 39 UNO-Charta, hat sich jedoch bei den nachfolgenden Sanktionen der Art. 40ff. strikt an die zwingenden Prinzipien des Völkerrechts zu halten, zu denen auch der Maßstab der Verhältnismäßigkeit gehört. Die Völkerrechtskommission hat im Falle des Iraks insbesondere auf das Schicksal der Kinder hingewiesen: "(...)a long-standing embargo which, imposed for political reasons, for example on Iraq, forced sacrifices on the most vulnerable part of the population, the children. If an embargo went on too long, it might well be asked whether it was compatible with basic human rights of children." IV. Regimewechsel und Präventivstrategie der USA Dem Irak gelang es in der Folgezeit nur in wenigen Fällen, das Sanktionssystem zu unterhöhlen, so mit der Durchbrechung und faktischen Aufhebung des UN- Flugembargos im Laufe des Jahres 2000 und dem zeitweisen illegalen Export von Rohöl nach Syrien. Die Inspektionen der UNMOVIC blockierte es erfolgreich, indem es die Einreise der Inspektoren verweigerte. Dafür musste es eine erhebliche Verstärkung der US-amerikanischen und britischen Luftangriffe auf Flugabwehr- und Raketenstellungen in den nördlichen und südlichen Flugverbotszonen hinnehmen, die seitdem fast täglich erfolgten. Die USA gestanden nun auch offiziell ein, dass es nicht mehr um das ursprüngliche Ziel des Schutzes der kurdischen und schiitischen Zivilbevölkerung ginge, sondern um die Zerstörung militärischer Einrichtungen. Sie hielten sich bei ihren Luftangriffen nicht mehr an die offiziellen Flugverbotszonen, sondern flogen Attacken bis vor die Tore Bagdads und verursachten immer wieder zivile Opfer. Frankreich, welches sich Mitte der neunziger Jahre von den Luftangriffen zurückgezogen hatte, unternahm keinen Versuch, die Illegalität der Flugverbotszonen und des unerklärten Krieges durch den UN-Sicherheitsrat verurteilen zu lassen. Mit Übernahme des US-Präsidentenamtes durch George W. Bush rückten die alten, von Paul Wolfowitz, Douglas Feith und Richard Perle schon lange vor dem 11. September 2001 vertretenen Pläne zur gewaltsamen Beseitigung Saddam Husseins wieder in den Vordergrund. Über die juristischen Fragen einer solchen militärischen Lösung verlautet wenig, da ein gewaltsam von außen herbeigeführter Regimewechsel ganz offensichtlich gegen das zwingende Interventionsverbot des Art. 2 Z. 7 UNO-Charta verstößt. Hin und wieder wird auf die Novemberresolution 678 von 1990 zurückgegriffen, deren Ermächtigung zur Waffengewalt mit der erfolgreichen Vertreibung der Iraker aus Kuwait und der anschließenden Waffenstillstandsresolution 687 (1991) jedoch ohne Zweifel erloschen ist. Aber auch die Resolution 687 (1991) gibt keine Ermächtigung für militärische Sanktionen, selbst wenn man feststellen muss, dass der Irak die darin enthaltenen Waffenstillstandsbedingungen wie die vollständige Zerstörung der Massenvernichtungsmittel und die ungehinderte Kontrolltätigkeit der Inspekteure nicht erfüllt hat. Aktualität bekamen die Pläne mit dem Terroranschlag vom 11. September 2001 und der anschließenden militärischen Beseitigung des Taliban-Regimes in Afghanistan. Wenn auch das Ergebnis der Militäraktionen nicht in allen Teilen den Vorstellungen der US-Administration entsprach, so schufen sie überhaupt erst die politischen und strategischen Voraussetzungen dafür, nun auch den Regimewechsel im Irak mit allen Konsequenzen in die Wege zu leiten. Denn definitives Ziel der mit der "Demokratisierung" der Öl-Regime vorgegebenen Strategie ist der problemlose Zugang zu den lebenswichtigen Ressourcen dieser Region. Dieses Ziel ist jedoch erst dann erreicht, wenn nicht nur der Irak, sondern auch Syrien, der Iran und damit die OPEC dem atlantischen Einfluss unterworfen, d.h. der ganze Mittlere Osten einer zweiten Kolonisierung unterzogen worden ist. Trotz mancher Differenzen in der US-Administration über den gegenüber Saddam Hussein einzuschlagenden Weg war auch für den eher dem Lager der Tauben zuzurechnenden US-Außenminister Colin Powell immer klar, dass ein Regimewechsel nur mittels einer militärischen Intervention zu erreichen sei. Eine wichtige Etappe auf diesem Weg, den schließlich auch Powell gewillt war einzuschlagen, markierten die Verabschiedung der "National Security Strategy of the United States of America" im September 2002, ein Jahr nach dem Terroranschlag, und die US-amerikanische Vergeltung gegen Afghanistan. Sie propagiert nicht nur das Konzept militärischer Präventivschläge gegenüber Staaten mit Massenvernichtungsmitteln, sondern sieht auch den Ersteinsatz von Nuklearwaffen und den Verzicht auf eine Legitimation militärischer Gewalt durch die Vereinten Nationen vor. Am 10./11. Oktober 2002 ermächtigte der US-Kongress daraufhin den Präsidenten zum Einsatz von Waffengewalt gegen den Irak - eine weitere Missachtung des Sicherheitsrats und der UNO-Charta. Die Umgehung des UN-Sicherheitsrats kennzeichnete bereits den Angriff der NATO auf Jugoslawien im Frühjahr 1999 und konnte nur durch die mühselige und heftig kritisierte völkerrechtliche Rechtfertigung als "humanitäre Intervention" aufgefangen werden. Die Tatsache allerdings, dass sich die USA sofort nach dem Terroranschlag im September 2001 an den UN-Sicherheitsrat wandten, um sich eine militärische Reaktion absegnen zu lassen, unterstreicht nicht nur das Legitimationsbedürfnis, welches selbst die einzig verbliebene Weltmacht noch im Kriegsfall hat, sondern widerspricht auch der immer wieder bespöttelten angeblichen Bedeutungslosigkeit, ja Überflüssigkeit des UN-Sicherheitsrats. V. Der Weg zum Krieg - die Resolution 1441 Das letzte Kapitel im Kampf um den Irakkrieg ist trotz der Niederlage der Mehrheit der kriegskritischen Staaten in der UNO dennoch nicht auf ihrer Sollseite abzubuchen. Das zähe Ringen um die Resolution 1441 vom 9. November 2002 und die monatelangen Versuche, mittels Inspektoren und neuen Resolutionsentwürfe den offensichtlich schon im Frühjahr 2002 definitiv beschlossenen Krieg doch noch zu verhindern, wären ohne die Institution des Sicherheitsrats und ihren Veto-Mechanismus nicht möglich gewesen. Der Wortlaut der Resolution ist eindeutig genug, um aus ihm keine Ermächtigung für einen Krieg herauslesen zu können, selbst im Falle ihrer eindeutigen und nachhaltigen Verletzung durch den Irak. Das wochenlange Ringen um den Wortlaut, das durch die klare Weigerung der Franzosen und Russen, einen Automatismus für eine Kriegsermächtigung in der Resolution zu akzeptieren, notwendig geworden war, ist ein weiteres Anzeichen dafür, dass die schließlich einstimmig angenommene Resolution auch ihren Intentionen entsprochen hat und jetzt nicht als gültiges Mandat für den Krieg zählen kann. Alle Verhandlungen hinter den Kulissen des Sicherheitsrats, der Einsatz und die Konsultation der UN-Inspektoren zielten auf eine zweite Resolution. Sie wurde von den USA schließlich nur deshalb fallen gelassen, weil sie eine Ermächtigung für ihren beschlossenen Krieg auf Grund des zu erwartenden Vetos, der Franzosen definitiv nicht erhalten konnten. Es ist nicht das erste Mal, dass sich die USA zur Durchsetzung ihrer Interessen in jüngerer Zeit außerhalb der Staatengemeinschaft der Vereinten Nationen und gegen das Völkerrecht stellen mussten. Interessen allerdings, die so wenig mit denjenigen der übrigen Staaten in Übereinstimmung zu bringen sind, werden selbst vor dem Hintergrund absoluter militärischer Überlegen-heit immer schwieriger unilateral durchsetzbar. Deutschland, Frankreich und Russland sind zwar nicht in der Lage, ein militärisches Gegengewicht gegen die USA aufzubauen, ihr gemeinsames Beharren auf den Prinzipien der UNO-Charta, dem Sicherheitsrat und dem Kontrollsystem der UNMOVIC, hat ihnen nicht nur breitere Zustimmung unter den Staaten eingebracht, sondern auch dem System der kollektiven Sicherheit insgesamt neue legitimatorische Kraft zugeführt. Einer der Hauptpunkte der Kritik an der Ineffizienz und Schwäche des Sicherheitsrats war das unter demokratietheoretischen Aspekten zweifellos problematische Vetorecht ausgewählter Staaten. Seine Berechtigung als ein kriegsverhindernder Mechanismus dürfte er im Verlauf dieses Konfliktes aber besser bewiesen haben als in so mancher alten Vetokonstellation auf der Basis des Kalten Krieges. Selbst wenn Sicherheitsrat und Veto letztlich den Krieg nicht verhindern konnten, so waren sie doch die einzigen diplomatischen Institutionen, über die der Widerstand gegen die Kriegspolitik artikuliert, organisiert und verbreitert werden konnte. VI. UNO-Generalversammlung: "Uniting for Peace" In einer Situation äußerster Kriegsgefahr und faktischer Missachtung des Sicherheitsrats hätte den Staaten noch ein letzter Weg offen gestanden, den sie allerdings nicht beschritten haben. Sie hätten die UNO-Generalversammlung zu einer Debatte und Resolution einberufen können, um alle Staaten an die grundlegenden Prinzipien der UNO-Charta zu erinnern und zur strikten Einhaltung des Völkerrechts sowie der Entscheidungen des Sicherheitsrates aufzufordern. Das Vorbild dieses nicht unproblematischen Flurwechsels im UNO-Gebäude ist eine Resolution der Generalversammlung aus dem Jahre 1950 (Res. 377 V vom 3. November 1950), die auf die Initiative des damaligen US-Außenministers Dean Acheson zurückging und mit der Bezeichnung "Uniting for Peace" Geschichte gemacht hat. Sie sollte die Handlungsfähigkeit der UNO in der Korea-Krise wiederherstellen, die durch das Veto der Sowjetunion faktisch lahmgelegt war. Im Hauptstück dieser aus drei Einzelentschließungen bestehenden Resolution heißt es: "Falls der Sicherheitsrat mangels Einstimmigkeit seiner ständigen Mitglieder es in einem Fall offenbarer Bedrohung des Friedens, eines Friedensbruchs oder einer Angriffshandlung unterlässt, seine primäre Verantwortung für die Aufrechterhaltung des internationalen Friedens und der Sicherheit auszuüben, (soll) die Generalversammlung unverzüglich die Angelegenheit beraten(...), um den Mitgliedern geeignete Empfehlungen für Kollektivmaßnahmen zu geben, im Falle des Friedensbruches oder einer Angriffshandlung auch für den Gebrauch bewaffneter Kräfte, wenn das nötig ist, um den internationalen Frieden und die internationale Sicherheit aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen." Zu diesem Zweck soll die Generalversammlung auch außerhalb der Sitzungsperioden zu einer Notstandssondertagung binnen 24 Stunden zusammengerufen werden können, gegen die auch der Sicherheitsrat kein Veto einlegen kann. Eine solche Sondertagung können entweder neun Ratsmitglieder oder eine Mehrheit der Mitglieder der UNO verlangen. Vor dem Hintergrund des eindeutigen Kräfteverhältnisses in der damaligen 59 Mitglieder umfassenden Generalversammlung war die Resolution für die Sowjetunion ein schwerer Rückschlag, da auf diesem Weg ihr Vetorecht außer Kraft gesetzt werden konnte. Sie ist auch kaum mit der klaren Kompetenzverteilung der UNO-Charta zu vereinbaren, die dem Sicherheitsrat eindeutig den Vorrang in Fragen der Friedenssicherung gibt und in Art. 12 ausdrücklich bestimmt, dass "die Generalversammlung zu einer Streitigkeit oder Situation ohne Ersuchen des Sicherheitsrats keine Empfehlung abgeben (darf), solange der Sicherheitsrat die ihm in dieser Charta zugewiesenen Aufgaben wahrnimmt". Die Befürchtung der Sowjetunion, dass die Resolution ausschließlich gegen sie verwendet werden würde, erfüllte sich allerdings nicht. Bei der ersten Gelegenheit ihrer Anwendung, als Jugoslawien 1956 zur Beilegung der Suezkrise eine Sondersitzung der Generalversammlung beantragte, da Frankreich und Großbritannien den Sicherheitsrat mit ihrem Veto boykottierten, wurde die Sitzung mit der Stimme der Sowjetunion einberufen. Die Generalversammlung beschloss daraufhin Maßnahmen zum Rückzug der französischen und englischen Truppen sowie die Stationierung der UN-Friedenstruppen in Ägypten. Auf diese Weise wurden neun weitere Notstandssondertagungen auf der Basis der "Uniting for Peace"-Resolution einberufen: zur Beilegung der Ungarn-Krise 1956, der Libanon-Krise 1958, der Kongo-Krise 1960. 1967 war es die Sowjetunion, die den Generalsekretär ersuchte, die fünfte Notstandssondertagung der Generalversammlung einzuberufen, um den Ausbruch des Nahostkrieges zu behandeln, was dieser auch tat. Es folgten weitere Sondertagungen zu Bangladesh, Afghanistan, Südafrika und mehrfach zu Palästina. Die letzte Tagung im Jahr 1997 galt den Vorgängen in Ost-Jerusalem. Diese Praxis der Notstandssondertagungen auf der Basis der Resolution 377 V über fünf Jahrzehnte wird heute überwiegend trotz ihres schwerwiegenden Eingriffs in die Struktur der UNO-Charta als gewohnheitsrechtliche Abänderung akzeptiert. Dagegen spricht, dass die Generalversammlung genügend Gelegenheit gehabt hätte, eine Neuabgrenzung der Kompetenzen mit Zweidrittelmehrheit in die Charta zu übernehmen. Dennoch hat sich die Problematik des Verstoßes bisher nicht in aller Schärfe gestellt, da die Generalversammlung in keiner der zehn Sitzungen in die Sanktionskompetenz des Sicherheitsrats eingegriffen, sondern sich auf Diskussionen und Empfehlungen beschränkt hat. Darauf hätte sich die Generalversammlung auch im Falle des drohenden Irakkrieges beschränken können. Sie hätte noch einmal die Staaten an das absolute Gewaltverbot erinnern müssen, das nur im Falle eines Mandats des Sicherheitsrates oder bei einem unmittelbaren Angriff durch Selbstverteidigung eine Ausnahme erlaubt. Sie hätte daran erinnern müssen, dass die territoriale Integrität und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit fundamentale Prinzipien der UNO-Charta und des Völkerrechts sind. Sie hätte klarstellen müssen, dass die Resolution 1441 kein Mandat für eine militärische "Abrüstung" gibt und die Beseitigung eines Regimes auch nicht in der Befugnis der Vereinten Nationen liegt (Art. 2 Z. 7 UNO-Charta). Sie hätte fordern sollen, dass die Inspektoren ihre Mission in angemessener Frist beenden können, und sie hätte den Irak noch einmal zu bedingungsloser Zusammenarbeit mit der UNMOVIC auffordern sollen. Die Generalversammlung hätte sich mit einer solchen Resolution auf die Darlegung der völkerrechtlichen Koordinaten des Konfliktes beschränkt und nicht in die Kompetenzen des Sicherheitsrats eingegriffen, ihm vielmehr Handlungsraum auch über den Irakkonflikt hinaus zurückgewonnen. Denn die Umgehung des Sicherheitsrats und die Verletzung des Gewaltverbots ist ein tiefer Eingriff in das gesamte Sicherheitssystem der UNO und kann jedem Staat eine billige Rechtfertigung für beliebige Interventionen und Kriege liefern. Es wäre also um mehr gegangen als das ohnehin wichtige Ziel, einen unmittelbar bevorstehenden Krieg noch abzuwenden. Es wäre um die Erhaltung einer zwar unvollkommenen, aber bisher durch keine bessere Alternative ersetzbare kollektive Sicherheits- und Friedensordnung gegangen, für welche die "Uniting for Peace"-Resolution vielleicht einen letzten Mechanismus der Rettung bereitgehalten hätte. VII. Die Rückkehr der UNO Mit dem Rückzug der UNMOVIC-Inspektoren aus dem Irak und dem Verzicht auf eine zweite Resolution des UN-Sicherheitsrats, die die Anwendung militärischer Gewalt ausdrücklich gemäß Art. 42 UNO-Charta hätte ermächtigen müssen, war das Scheitern der UNO in diesem Konflikt besiegelt. Nehmen wir die Organisation der UNO als den institutionellen Ausdruck des gegenwärtigen Völkerrechts, so müssen wir dieses Urteil auf den gesamten rechtlichen Rahmen der in den letzten neunzig Jahren unter dem Namen "kollektives Sicherheitssystem" entwickelten Friedensordnung erstrecken. Der Untergang des sozialistischen Systems in der Gestalt der Sowjetunion und des Warschauer Paktes wird nicht überinterpretiert, wenn man auch den Untergang des VII. Kapitels der UNO-Charta als eine seiner Folgen ansieht. Darin liegt zugleich das Eingeständnis, dass das Wilson''sche Modell einer juristischen Weltordnung gleicher Staaten jenseits des zweifelhaften Gleichgewichts der Kräfte auch in seinem zweiten Anlauf mit dem Zusammenbruch dieses Gleichgewichts gescheitert ist. Was ohne die wechselseitige Zähmung der Großmächte auf der Basis und mit den Institutionen der Vereinten Nationen eine allgemeine Friedensordnung garantieren sollte, erweist sich heute offensichtlich immer noch als zu schwach, dem entfesselten Hegemoniestreben einer Großmacht zivilisierende Grenzen zu setzen. Die Erosion der UNO-Friedensordnung kündigte sich schon Ende der neunziger Jahre vor allem mit dem Angriff auf Jugoslawien und der im April 1999 noch während des Krieges verkündeten neuen NATO-Strategie an. Das grundlegend Neue in der jüngsten Entwicklung ist das Auseinanderbrechen der schon seit 1991 (2. Golfkrieg) aufgebauten Kriegskoalition. So tief dieser Riss auch ist, wenig spricht jedoch derzeit dafür, dass daraus ein neues Gleichgewicht der Kräfte entsteht, auf dessen Basis die UNO eine wirksamere Friedensrolle wiedererlangen könnte. Der nukleare Hintergrund des alten Kräftegleichgewichts taugt heute nicht mehr zum Aufbau eines neuen Gleichgewichts, zumal es die Spaltung der NATO voraussetzen würde. Wenn es auch nicht ausgeschlossen ist, dass die VR China einmal die Rolle einer wirksamen countervailing power übernehmen könnte, muss die UNO für absehbare Zeit versuchen, eine zentrale Ordnungsfunktion zurückzugewinnen und die Staaten ohne dieses alte Gleichgewichtsprinzip aus dem "Ausnahmezustand als Weltordnung" in eine neue Friedensordnung zurückzuführen. Wichtig ist dabei für die UNO derzeit vor allem, aus dem Abseits im Mittleren Osten herauszukommen, in dem sie von den USA ja nicht nur im Irakkonflikt, sondern auch in der Palästinafrage gehalten wird. Die Pläne der USA, das alte Regime Saddam Husseins wegen vergangener Verbrechen gegen ihre eigene Bevölkerung sowie wegen Kriegsverbrechen vor Gericht zu stellen und juristisch zur Verantwortung zu ziehen, begegnen dabei - obwohl eine genuine Aufgabe des neu gegründeten Weltstrafgerichtshofs - zahlreichen Schwierigkeiten. Wie und wo tritt ein Ankläger auf, der nicht nur mit dem Krieg gegen den Irak selbst einen schweren Völkerrechtsverstoß gegen Art. 2 Z. 4 UNO-Charta begangen hat und zudem dem einzigen legitimen internationalen Gericht, dem Weltstrafgerichtshof, die Anerkennung verweigert? Dieser Weltstrafgerichtshof wird über Taten, die vor seiner Entstehung am 1. Juli 2002 begangen worden sind, ohnehin nicht richten können. Bei der Frage der Kriegsverbrechen wird er - anders als das Jugoslawien-Tribunal es getan hat - berücksichtigen müssen, dass die Angeklagten zunächst auf ihr legitimes Selbstverteidigungsrecht gemäß Art. 51 UNO-Charta verweisen werden. Die schließlich zur Verhandlung stehenden Kriegsverbrechen dürften auf der Seite des Irak (bisherige Vorwürfe: Vorzeigen amerikanischer Gefangener im Fernsehen, Selbstmordattentäter gegen Interventionstruppen) vergleichsweise unbedeutend sein gegenüber den Vorwürfen gegen die US-Truppen (Einsatz von Napalm, Streubomben und abgereichertem Uran, gezielte Angriffe auf zivile Objekte wie Rundfunk- und Fernsehstation, Marktplatz etc., Verletzung der Besatzerpflichten durch Passivität gegenüber Plünderern). Der Weltstrafgerichtshof könnte es sich nicht mehr - wie noch das Jugoslawien-Tribunal - leisten, die Kriegsführung nur einer Seite zum Gegenstand des Verfahrens zu machen. Kommt also der Weltstrafgerichtshof für die USA als Ort der Rechtssuche nicht in Betracht, verbleiben nur die Militärgerichte, wie sie nach dem Kriegsrecht vorgesehen sind. Diese haben sich aber in der US-amerikanischen Praxis in "military commissions" verwandelt, die dadurch gekennzeichnet sind, "dass sie den Rechtsstatus eines Individuums sowohl mit Rücksicht auf das internationale Recht wie auf die amerikanischen Gesetze radikal suspendieren und ein juristisch nicht benennbares Wesen schaffen". Würden sich die USA jedoch von diesem völlig inakzeptablen Guantanamo-System des Ausnahmezustandes trennen und zu anerkannten Militärgerichten zurückkehren, würden sie sich in der Zwickmühle der eigenen Kriegsverbrechen verfangen. Spätestens hier würden sie von der Mahnung des US-amerikanischen Anklägers Jackson in den Nürnberger Prozessen eingeholt werden: "Denn wir dürfen niemals vergessen", hatte er seinerzeit in seiner Anklageschrift betont, "dass nach dem gleichen Maß, mit dem wir die Angeklagten heute messen, auch wir morgen von der Geschichte gemessen werden. Den Angeklagten einen Giftbecher reichen heißt, ihn auch an unsere eigenen Lippen setzen. Wir müssen an unsere Aufgabe mit soviel innerer Überlegenheit und geistiger Unbestechlichkeit herantreten, dass dieser Prozess einmal der Nachwelt als die Erfüllung menschlichen Sehnens nach Gerechtigkeit erscheinen möge." Dem engen Geflecht anerkannter juristischer Normen und Institutionen können sich die USA nur schwer und unter offener Missachtung entziehen. Das ist anders bei der Frage, welche Befugnisse sie der UNO beim Wiederaufbau des Irak in der Nachkriegsära einräumen. Als Besatzer sind sie einem feststehenden Kodex Genfer Regelungen in der Verwaltung des besiegten Landes unterworfen, gleichgültig ob die Besatzung rechtmäßig oder nicht rechtmäßig erfolgte. In der 4. Genfer Konvention von 1949 sind die Versorgungs-, Verwaltungs- und humanitären Pflichten der Besatzungsmacht klar festgelegt, die sich an der Wiederherstellung der vollen Souveränität des besetzten Landes und nicht an den Interessen der Besatzungsmacht orientieren. Eine Beteiligung der UNO ist darin ebenso wenig festgelegt wie eine zeitliche Begrenzung des Besatzungsregimes. Um jedoch eine völkerrechtlich nicht mehr vertretbare Dauer der Besetzung mit den katastrophalen Folgen wie in Palästina zu vermeiden, muss sich die UNO so schnell wie möglich wieder ins Spiel bringen. Mit der Resolution 1442 vom 28. März hat der Sicherheitsrat bereits auf die Pflichten des Besatzungsregimes im Rahmen der 4. Genfer Konvention in allerdings sehr allgemeinen Formulierungen hingewiesen. Als Nächstes müsste er die Aufhebung der Embargosanktionen der alten Resolution 687 beschließen, die Hilfslieferungen der humanitären Organisationen und jeglichen Wiederaufbau behindern. Auch hätte er auf die Rückkehr der UNMOVIC-Inspektoren zu dringen, die gegenüber den von der US-Administration entsandten Kontrolleuren den Vorteil der Glaubwürdigkeit besitzen. Eines allerdings müsste der Sicherheitsrat auf jeden Fall vermeiden: dass das Nachkriegsengagement der UNO - wie nach dem Überfall auf Jugoslawien - als nachträgliche Legitimation des Krieges gegen den Irak interpretiert wird. Der sicherste Weg, dies zu verhindern, führt über einen Antrag des Sicherheitsrates oder der Generalversammlung an den Internationalen Gerichtshof (IGH), ein Gutachten über die Rechtswidrigkeit des Krieges zu erstellen. Das Ergebnis ist voraussehbar, wie es der ehemalige Präsident des IGH Christopher Weeramantry bereits angedeutet hat. Trotz einer eindeutigen Verurteilung der Kriegskoalition sollte es ein zentrales Ziel der UNO sein, die USA wieder fest in den rechtlichen und institutionellen Rahmen ihrer Organisation einzubinden. Vgl. Udo Fink, Kollektive Friedenssicherung, Frankfurt/M. 1999, S. 573ff. Vgl. Ramsey Clarke, The Fire This Time. U.S. War Crimes in the Gulf, New York 1992, deutsch: Wüstensturm. US-Kriegsverbrechen am Golf, Göttingen 1995; Seymour M. Hersh, Overwhelming Force, in: The New Yorker, (2000), S. 49ff. Ahtisaari-Report, in: S/22366 vom 20. März 1991, Abs. 8; Bernhardt Graefrath, Völkerrechtliche Aspekte der Irak-Sanktionen, in: Junge Welt, Nr. 14, 15, (2003), S. 10. Vgl. zu den verschiedenen Konzepten und Reports Noam Chomsky, Zur Irak-Politik der USA. Motive und Konsequenzen, in: Rüdiger Göbel/Joachim Guilliard/Michael Schiffmann (Hrsg.), Der Irak. Ein belagertes Land, Köln 2001, S. 67ff.; Michael T. Klare, Die Armee für das nächste Jahrhundert, in: Le Monde diplomatique vom November 2002, S. 1, 10f.; Anatol Lieven, Leidenschaftlich gerne groß. Die Bush-Regierung, der Irakkrieg und die nationale Selbstgewissheit, in: Le Monde Diplomatique vom November 2002, S. 12f. Deutsche Fassung in: Vereinte Nationen, (1991) 2, S. 74ff. Die Resolution ist von 12 Staaten angenommen worden, Kuba stimmte dagegen, Ecuador und Jemen enthielten sich der Stimme. Zur Überwachung richtete der Sicherheitsrat die UNSCOM (UN Special Commission) ein, die am 17. 12. 1999 mit der Resolution 1284 (1999) durch die UNMOVIC (UN Monitoring, Verification and Inspection Commission) ersetzt wurde. Vgl. B. Graefrath (Anm. 3). Zum UN-Reparationssystem, welches mit der Resolution 692 (1991) eingerichtet wurde, vgl. Bernhardt Graefrath, Iraqi Reparations and the Security Council, in: Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, 55 (1995), S. 1 ff. 1995 wurde mit der Resolution 986 eine höhere Exportrate für Öl und ein größerer Anteil von 53 % an den Erlösen für Versorgungsgüter festgelegt. Weitere Resolutionen 1153 (1998) und 1210 (1999) ermöglichten schließlich auch die begrenzte Anschaffung von Ersatzteilen und Ausrüstungen für die Ölförderung. So das Fazit von Marc Bossuyt in seinem UN-Bericht vom 21. 6. 2000, The adverse consequences of economic sanctions on the enjoyment of human rights, E/CN.4/Sub.2/2000/33. Einzelheiten in dem Artikel der im Jahr 2000 aus Protest gegen die Sanktionen zurückgetretenen Vertreterin des Welternährungsprogramms in Bagdad, Jutta Burghardt, Anspruch und Wirklichkeit. Die Grenzen des UN-Programms "Öl für Lebensmittel", in: R. Göbel u.a. (Anm. 4), S. 116ff., sowie in den verschiedenen Beiträgen des Kapitels "Die Sanktionen: Mythos und Realität", S. 170ff. Vgl. ferner Steffen Rogalski/Jutta Burghardt, Irak: UN-Sanktionen und Menschenrechte, in: Wissenschaft und Frieden, Dossier Nr. 37, Bonn, April 2001. Aus einem Bericht des UN-Generalsekretärs vom 31. 10. 2001 geht zudem deutlich hervor, dass die Hauptverantwortung für die Blockierung humanitärer Hilfsgüter in Washington und London liegt, vgl. den Artikel der beiden ebenfalls aus Protest gegen die Sanktionen zurückgetretenen Leiter des UN-Hilfsprogramms Hans-Christof von Sponeck (2000) und Dennis Halliday (1998), Bagdad im Visier, in: Freitag vom 7. 12. 2001, sowie Hans-Christof von Sponeck, Politisch wirkungslos und menschlich eine Katastrophe. Elf Jahre Wirtschaftssanktionen gegen den Irak, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, (2001) 11, S. 1351ff. Vgl. auch die alljährlichen Angaben in: Der Fischer Weltalmanach, Länderbericht Irak, Kapitel: Auswirkungen der UN-Sanktionen. Die irakische Regierung hat das Programm nie akzeptiert. Die von Frankreich eingebrachte Resolution erhielt zehn Stimmen, wurde aber von Jemen, Kuba und Zimbabwe abgelehnt, Indien und die VR China enthielten sich der Stimme. Deutsche Fassung in: Vereinte Nationen, (1991) 2, S. 77. Vgl. Jürgen Kramer, UN und Golfkrise: Zwischenbilanz, in: Vereinte Nationen, (1991) 3, S. 102ff., 105f.; U. Fink (Anm. 1), S. 566ff., 599ff. Die Vorwürfe kamen u.a. vom ehemaligen Leiter von UNSCOM Rolf Ekéus, vgl. Spiegel Online vom 29. 7. 2002. Vgl. B. Graefrath (Anm. 3), S. 10, unter Verweis auf Edith M. Lederer, UN Votes to Return Iraq Monitors, in: Associated Press (AP) vom 18. 12. 1999. Vgl. B. Graefrath (Anm. 3) und M. Bossuyt (Anm. 10). Der ehemalige UN-Beamte in Bagdad Michel Joli erklärte 1999: "The oil-for-food-programme is a surveillance device devoid of any humanitarian considerations, and the international officials recruited to implement it have been misled to its real aims." Zit. in: The Guardian Weekly, Nr. 160 vom 16. 4. 1999. Vgl. zu den Kompetenzen und Begrenzungen des Sicherheitsrats im Irakkonflikt T. G. Gill, Limitations on UN enforcement powers, in: Netherlands Yearbook of International Law, XXVI (1995), S. 74ff.; Gerhard Stuby, Götterdämmerung der Kollektiven Friedenssicherung?, in: Ludwig Krämer (Hrsg.), Recht und Um-Welt. Essays in Honour of Gerd Winter, Groningen-Amsterdam 2003, S. 7 ff. Mohamed Bennouna, A/CN.4/SR.2342, und Christian Tomuschat, A/CN.4/SR.8. Vgl. Seymour M. Hersh, Lunch with the Chairman, in : The New Yorker vom 17. 3. 2003. So z.B. Reinhard Müller, Alle notwendigen Mittel, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) vom 24. 8. 2002, S. 10; Christopher Greenwood, in: Richard Norton-Taylor, Law unto themselves, in: The Guardian vom 14. 3. 2003. Vgl. G. Stuby (Anm. 15), S. 7, sowie die Mehrheit der von R. Norton-Taylor (Anm. 18) zitierten internationalen Völkerrechtler. Vgl. auch Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages vom 2. 1. 2003, in: Junge Welt vom 4. 2. 2003. So auch die von der Frankfurter Rundschau (FR) gesammelten Stimmen deutscher Völkerrechtler, "Resolution 687 reicht nicht aus. Krieg gegen den Irak nicht gedeckt", in: FR vom 10. 8. 2002, S. 2; vgl. das Interview mit Dieter Deiseroth, in: FR vom 15. 3. 2003, S. 2; Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages, ebd. Die Legalität der militärischen Intervention gegen Afghanistan wurde trotz verbreiteter Kritik schließlich als Selbstverteidigung der USA anerkannt. Vgl. einerseits Gerd Winter, Kein Recht zum Krieg. Für einen US-Angriff auf Afghanistan gibt es keine juristische Grundlage. Auch der NATO-Bündnisfall liegt nicht vor, in: taz vom 2. 10. 2001, S. 4, andererseits Gerhard Stuby, Internationaler Terrorismus und Völkerrecht, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, (2001) 11, S. 1330ff.; Norman Paech, Empire: Postmodernes Recht oder Totengräber des Völkerrechts?, in: Sozialismus, (2002) 9, S. 45ff., 47ff. Vgl. Norman Paech, Der Irak-Krieg - Abschied vom System der kollektiven Sicherheit, in: Sozialismus, (2003) 1, S. 4 ff. Eine der Differenzen ergab sich bei dem Versuch, zwischen Bagdad und Al Qaida eine terroristische Verbindung herzustellen, um den Verteidigungskampf gegen den Terror von Afghanistan auf den Irak übertragen zu können. Die New York Times schrieb z.B. am 6. 2. 2002: "Die CIA hat keinerlei Beweise dafür, dass Irak seit nunmehr fast einem Jahrzehnt irgendwelche terroristischen Operationen gegen die Vereinigten Staaten unternommen hat." Sie sei zu der Überzeugung gelangt, "dass Präsident Saddam Hussein chemische oder biologische Waffen weder an Al-Qaida noch an sonstige terroristischen Gruppen gegeben hat". Dies wurde am 6. 2. 2002 deutlich, als Powell in einer Rede vor dem Auswärtigen Ausschuss des US-Kongresses davon sprach, dass Washington den Regimewechsel in Irak "womöglich allein" vollziehen muss. Amerikanischer Text: (www.whitehouse.gov/nsc/nss.pdf). Teilweise deutsche Übersetzung in: Blätter für deutsche und internationale Politik, (2002) 11, S. 1391ff. und ( 2002) 12, S. 1505ff. Diese Elemente der neuen Präventivstrategie waren allerdings schon in der neuen NATO-Strategie vom April 1999 angedeutet, vgl. Norman Paech, Die NATO-Strategie vor dem Bundesverfassungsgericht, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, (2002) 1, S. 34ff. Deutscher Wortlaut in: Blätter für deutsche und internationale Politik, (2002) 12, S. 1512ff. So auch ausdrücklich Christian Tomuschat, Der Sicherheitsrat ist gestärkt. Mit der Irak-Resolution entfällt die Grundlage für einen Präventivkrieg, in: FAZ vom 11. 11. 2002, S. 12, und die überwiegende Mehrzahl der internationalen Völkerrechtler (vgl. Anm. 19). Die Ansicht von Bruno Simma, der Text der Resolution sei mehrdeutig, aus ihm ließe sich auch eine Kriegsermächtigung herauslesen (vgl. Präventivschläge brechen das Völkerrecht, in: Süddeutsche Zeitung vom 1./2. 2. 2003, S. 11), ist kaum nachvollziehbar. Vgl. Norman Paech/Gerhard Stuby, Völkerrecht und Machtpolitik in den internationalen Beziehungen, Hamburg 2001, S. 578ff. Vgl. Giorgio Agamben, Der Gewahrsam. Ausnahmezustand als Weltordnung, in: FAZ vom 19. 4. 2003, S. 33. Vgl. G. Agamben, ebd.: "Weder Gefangene noch Angeklagte, sondern bloß detainees, unterliegen sie einer bloß faktischen Herrschaft, einem Gewahrsam, der nicht nur in zeitlichem Sinne, sondern seinem Wesen nach unbestimmt ist, da dem Gesetz und der gerichtlichen Kontrolle entzogen. Der einzig mögliche Vergleich ist der mit der juristischen Lage der Juden in den nationalsozialistischen Lagern, die mit der Staatsbürgerschaft jede juristische Identität verloren, aber wenigstens noch die jüdische behalten hatten." Vgl. Der Prozess der Hauptkriegsverbrecher vor dem IMT Nürnberg, 14. 11. 1945 - 1. 10. 1946, Bd. 2, Nürnberg 1947, S. 118. Vgl. das Interview von Richard Meng mit Christopher Weeramantry, in: FR vom 26. März 2003.
Article
Paech, Norman
2021-12-07T00:00:00
2011-10-04T00:00:00
2021-12-07T00:00:00
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/27583/die-rolle-der-uno-und-des-sicherheitsrates-im-irakkonflikt/
Hat die weit verbreitete Kritik an der Erfolglosigkeit, Ineffektivität und Schwäche der UNO sich im Irakkonflikt bewahrheitet?
[ "" ]
551
Baustein 7: Abschluss und Bewertung des Projektes | Fußball und Nationalbewusstsein - Fußball-Welmeisterschaft 2014 in Brasilien! | bpb.de
In Anbetracht des Projektcharakters der Unterrichtsreihe sollte auf eine ausführliche Abschlussdiskussion über Verlauf und Ertrag der gesamten Unterrichtsreihe - sofern der Zeitrahmen dies zulässt - keineswegs verzichtet werden. Rückblickend eine kritische Bilanz zu ziehen und den Gang der Untersuchung auch methodisch zu reflektieren, wird für Lehrpersonen wie Jugendliche gleichermaßen eine gewinnbringende Selbstkontrolle sein. Sinnvollerweise werden dabei die Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler selbst zur Diskussionsgrundlage gemacht. Diese sollten den Fragebogen zur Evaluation des durchgeführten Projektes (Interner Link: M 07.01) zunächst für sich alleine beantworten. Die detailliert beantworteten Fragebögen können dann als Grundlage für eine gemeinsame Erörterung der Einzelfragen im Unterrichtsgespräch herangezogen werden. Eine solche, den eigenen Erfahrungsschatz thematisierende Abschlussdiskussion bietet den Jugendlichen Gelegenheit zur Selbstvergewisserung dessen, was sie im Unterricht geleistet haben: Zum einen im Blick auf die Kenntnisse und Fähigkeiten, die sie im Verlauf der Unterrichtsreihe gewinnen konnten, zum anderen auf die Resonanz, die ihre Arbeit in der Öffentlichkeit innerhalb und außerhalb der Schule gefunden hat. Ferner geht es nicht zuletzt in einer Art "Manöverkritik" darum, freimütig Kritik zu äußern sowie Änderungs- und Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten, die sich zudem im Rückblick oft leichter begründen lassen als während einer laufenden Unterrichtsreihe. Die Lehrperson sollte diese bilanzierende Abschlusseinheit als Chance und willkommene kritisch-konstruktive Rückmeldung begreifen, aus der sich Lernerfolge, aber auch Defizite und Planungsfehler ersehen lassen. Dann werden die gesammelten Schülerbeiträge dieser Reflexion wertvolle Anregungen sein, um das vorliegende Unterrichtskonzept künftig optimieren zu können.
Article
Andrea Meschede / Wolfgang Sander / Julia Behr
2022-02-03T00:00:00
2012-04-19T00:00:00
2022-02-03T00:00:00
https://www.bpb.de/lernen/angebote/grafstat/fussball-und-nationalbewusstsein/130803/baustein-7-abschluss-und-bewertung-des-projektes/
Zur Vollständigkeit eines Lernprojektes gehört eine ausführliche Abschlussbetrachtung. Hier finden Sie einen fertigen Fragenkatalog als GrafStat-Fragebogen dazu.
[ "Fußball WM 2014", "Nationalbewusstsein", "Projektabschluss" ]
552
Petitionsrecht | Grundrechte | bpb.de
Artikel 17 (1) Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden. Das Petitionsrecht gibt jedem die Möglichkeit, sich auch außerhalb von förmlichen Verwaltungsverfahren oder von Rechtsmittelverfahren an den Staat zu wenden. Petitionen können zum einen an die Parlamente, also den Bundestag und den Landtag, gerichtet werden. Zum anderen können sich interessierte Personen mit ihren Anliegen an alle Stellen und Behörden öffentlich-rechtlicher Einrichtungen wenden, die für die betreffenden Belange zuständig sind. Eine Petition ist ein gegenüber staatlichen Stellen geäußerter Wunsch nach einem bestimmten Tun oder Unterlassen. Von ihr zu unterscheiden sind solche Anträge und Beschwerden, mit denen ein Rechtsanspruch geltend gemacht werden soll. Hierfür steht der Rechtsweg nach Art. 19 Abs. 4 GG offen. Ebenso unterschiedlich ist auch das, was sich jeweils erreichen lässt: Auf dem Rechtsweg kann man das durchsetzen, worauf man einen Anspruch hat. Mit dem Petitionsrecht erhält man lediglich das Recht, dass der Petitionsempfänger die Petition zur Kenntnis nimmt, sie sachlich prüft und dies dem Petenten mitteilt.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2022-01-19T00:00:00
2017-08-15T00:00:00
2022-01-19T00:00:00
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/izpb/grundrechte-305/254399/petitionsrecht/
Eine Petition ist ein gegenüber staatlichen Stellen geäußerter Wunsch nach einem bestimmten Tun oder Unterlassen. Von ihr zu unterscheiden sind solche Anträge und Beschwerden, mit denen ein Rechtsanspruch geltend gemacht werden soll. Hierfür steht de
[ "Grundrechte" ]
553
Von Menschen und Übermenschen | Alltagskultur Ostdeutschland | bpb.de
Einleitung Vier Tage im Juni des Jahres 1963: Eine ehemalige Textilarbeiterin und ein einstiger Gießereiarbeiter besuchen die DDR. Der 29-jährige Juri Gagarin und die 26-jährige Walentina Tereschkowa, die Eroberer des Kosmos, die Helden des Sozialismus, bereisen den Arbeiter-und-Bauern-Staat! Mit der Ankunft der "beiden sowjetischen Himmelsgeschwister", der "lebendigen Zeugen des russischen Wunders", so Walter Ulbricht, erklimmt die Propaganda schwindelnde Höhen. Bei der Triumphfahrt durch Berlin, Hauptstadt der DDR, setzt sich der Erste Sekretär zufrieden neben den Fahrer seiner offenen Staatslimousine. Endlich kann er der Bevölkerung seiner Republik etwas Großartiges vorführen, etwas, das der Westen nicht aufzuweisen hat. Die jungen, aufrecht im Fond stehenden sozialistischen Lichtgestalten sollen uneingeschränkt auf das Volk wirken. "Und es ist, als hätten sie den goldenen Glanz der Sterne in unsere . . . Hauptstadt gebracht an diesem Abend voll überschäumenden Lebens", verkündet ein Ostberliner Rundfunkreporter seinen Zuhörern. Wohin die beiden "Sowjet-Übermenschen", so "Der Spiegel", auf ihrem Weg durch "Ulbrichts Machtbereich" auch geraten, begegnen ihnen Kinder in stilisierten Raumanzügen aus Plastikfolie, hängen von Transparenten umrahmte Kosmonauten-Porträts: "Die Republik drückt sie ans Herz." Interner Link: PDF-Version: 390 KB Die Helden des Kosmos waren den Propagandisten des Sozialismus hochwillkommen. Sie besuchten die DDR am Vorabend einer Volkskammerwahl, im fünften Jahr des Siebenjahrplanes. Es war die Zeit, in der die Propaganda durch eine allgegenwärtige Raketen- und eine ungebremste Geschwindigkeitsmetaphorik zu überzeugen suchte: Mit der so genannten Siebenstufenrakete dieser Planperiode sollte in der magisch-mythischen Zeit von sieben Jahren der Sieg des Sozialismus durchgesetzt werden. Seit dem V. Parteitag der SED waren die Bürgerinnen und Bürger aufgefordert, "planmäßig" den Aufbau des Sozialismus in der DDR mit zu gestalten. Zu dem Zeitpunkt, als die Himmelshelden durch die DDR tourten, durfte deren Bevölkerung noch den Durchbruch des "Zeitalters des Sozialismus" für das Jahr 1965 erwarten. Mit den beiden Sowjethelden ließ sich der grenzenlose Fortschrittsoptimismus nun mustergültig personifizieren: Wenn es der Arbeiterklasse, vertreten durch die Arbeiterin Tereschkowa und den Arbeiter Gagarin, gelang - so die Argumentation der Agitatoren -, die technischen Probleme der Eroberung des Weltraums zu meistern, dann würde es der Arbeiterklasse umso sicherer gelingen, auch die sozialen Probleme auf der Erde zu lösen! Die vielen Menschen waren vermutlich zum Jubeln beordert, die Dramaturgie der Empfänge bis ins kleinste Detail geplant. Und dennoch: Die freudige Anteilnahme der Menge, die den beiden Sowjetbürgern in Berlin, in den Bezirkshauptstädten Suhl, Erfurt und Karl-Marx-Stadt, im erzgebirgischen Auerbach, in der Chemiestadt Wolfen sowie im Thüringer Wald mit roten Fahnen und kunstseidenen "Walja"-Tüchern vom Straßenrand zuwinkten, diese lebendige Begeisterung war nicht gestellt. Das musste auch "Der Spiegel" einräumen: Die "Gäste aus dem All" seien nicht nur die von oben verordnete "gleißende Attraktion eines Wahlwochenendes", sondern ein Phänomen, "was erkennbar eine Faszination selbst auf jene auszuüben vermag, die sonst für das Regime bestimmt kein Fenster öffnen" würden. An diesem Abend fände man das "graue Berlin hinter der Mauer", so das Hamburger Magazin, "in eine Stimmung versetzt, die mit den üblichen krampfhaften Ovationen für sozialistische Staatsgäste nichts gemein hat. Hunderttausende haben sich mit ihren Kindern an den Straßenrändern aufgestellt, um dem ersten Kosmonauten und der ersten Kosmonautin der Welt mit politischem Demonstrationsgerät, das reichlich ausgegeben worden ist, ein völlig unpolitisches Willkommen zuzuwinken." Millionen nahmen in jenen Tagen Anteil an den Triumphfahrten der beiden Kosmoshelden, wenige Jahre zuvor waren Hunderttausende begeistert den Siegesfahrten von Gustav Adolf Schur gefolgt. Der Radrennfahrer, "Täve" genannt und 1931 als Sohn eines Heizers geboren, hatte in den fünfziger Jahren überragende Erfolge gefeiert: 1952 nahm er erstmalig an der Internationalen Friedensfahrt teil. Schur gewann die Tour in den Jahren 1955 und 1959 und holte den Titel des Weltmeisters in den Jahren 1958 und 1959. "Täve" avancierte zum umjubelten Volkshelden der DDR. Wie kein anderer verkörperte er die Losung "Vom Ich zum Wir", Abertausende schrieben ihm Postkarten und Briefe. Er unterhielt zeitweise eigens ein Büro für Öffentlichkeitsarbeit, um seine umfängliche Publikumspost zu bewältigen - ebenso wie Adolf Hennecke, der große Arbeiterheld der fünfziger Jahre, der bereits 1948 zur ersten Petitionsinstanz der jungen DDR avancierte. "Sozialistische Helden" - verweisen solch beeindruckende Akzeptanzwerte auf bloß "unpolitische" Aneignungen dieser Figuren, wie der westdeutsche Journalist im "Spiegel" mutmaßte? Oder sind diese Aneignungen, sofern sie in ihrer Oberflächenstruktur in der Tat "unpolitisch" anmuten, in einem erweiterten Sinne womöglich doch als "politische" Attribuierungen zu interpretieren? Sozialistische Helden repräsentieren auf den ersten Blick sicherlich das Außeralltägliche: Helden wie sie gewinnen eine entscheidende Schlacht - nicht mehr auf militärischem Terrain wie ihre klassischen Vorbilder, sondern auf den Territorien des ökonomischen, sportlichen oder wissenschaftlich-technischen Fortschritts. Sie werden als Mustermenschen und damit als Idealtypen des "neuen Menschen" präsentiert. Sie sind außeralltäglich in ihrem Können, in ihren Fertigkeiten, in ihrer politischen Gesinnung und in ihrem unerschütterlichen Glauben an die Sache des Sozialismus. Schließlich repräsentieren sie das Außeralltägliche im Sinne von Max Webers idealtypischer Konzeption einer charismatischen Kommunikation: Sie finden die Gefolgschaft der Vielen, weil diese sich die Helden-Botschaft aneignen, weil diese den Heldenfiguren Qualitäten zuschreiben, die in ihren Lebens- und Deutungszusammenhang integrierbar sind, kurz, weil die Vielen ihnen "Vertrauen" im Sinne von Niklas Luhmann entgegenzubringen vermögen. Sozialistische Helden verkörpern jedoch nicht minder das Alltägliche; zuallererst insofern, als das Außeralltägliche nicht kontrastiv, sondern komplementär zum Alltäglichen zu verstehen ist. Der Alltag wird lebbar und strukturierbar, deutbar und bedeutsam, gerade weil es das Außeralltägliche gibt. Sozialistische Helden sind insofern Helden des Alltags, als diese Mustermenschen des Sozialismus tatsächlich aus der Menge rekrutiert und Sehnsüchte, Hoffnungen und Wünsche des Alltags der Vielen auf sie projiziert werden können. Die kulturellen Dimensionen des Heldenmusters zwischen Alltäglichkeit und Außeralltäglichkeit, zwischen politischer und privater Indienststellung, sollen hier untersucht werden. I. Adolf Hennecke, der Held des Aufbaus Vor allem einer von ihnen behauptete sich jahrzehntelang im Heldenpantheon der DDR - der Bergmann Adolf Hennecke. Dass er die Arbeitsnorm mit sagenhaften 387 Prozent erfüllt hatte, wusste bald jedes Kind. Sprüche wie "Es gießt wie Hennecke", wenn es stark regnete, und "Der rennt wie Hennecke" bei einem, der es eilig hatte, gehörten zur Sprache des Alltags. Wie aber gelangte ein einfacher Mann aus dem Zwickauer Tagebau zu solcher Resonanz? Als Adolf Hennecke seine legendäre Schicht fährt, ist er dreiundvierzig Jahre alt. Weder sein Alter, noch sein unscheinbares Äußeres erinnern an die jugendlich strahlenden Heroen der gerade abgehängten nationalsozialistischen Propaganda-Plakate. Weder ist er übermäßig muskulös, noch vermögen es seine eingefallenen, schon zerfurchten Wangen und seine blonden schütteren Haare, Menschen in ihren Bann zu ziehen. Hennecke war 1905 in einem Dorf in Westfalen geboren worden. Nach dem frühen Tod seiner Eltern wuchs er bei einem Onkel auf, der wie sein Vater Bergarbeiter war. Adolf, der als begabter Schüler galt, wollte es einmal besser haben und erlernte den Kaufmannsberuf. Nachdem er jedoch immer wieder arbeitslos wurde, entschloss er sich schließlich doch, Kumpel zu werden. Nach über zwanzig Jahren im Schacht, im Jahr 1946, tritt Adolf Hennecke, der sich bisher nie einer Partei zugehörig gefühlt hatte, in die SPD ein. Er habe das neue Deutschland mitgestalten wollen, erinnert er sich später. Der fleißige Arbeiter wird denn auch im Sommer 1947 zur Parteischule geschickt und steigt zum Schulungsreferenten auf - Hennecke bleibt indes weiter der Adolf von nebenan, weit davon entfernt, sich zum ideologischen Eiferer zu entwickeln. Adolf Henneckes Entscheidung, mit seiner Arbeit zum Aufbau des Landes beizutragen, stellte ihn in eine Reihe mit weiteren entschlossenen Aktivisten. Bereits seit über einem Jahr versuchte die Partei, nach Vorbild der sowjetischen "Stachanowzen" auf Betriebsebene "sozialistische" Wettbewerbe zu initiieren. Im Juli 1948 meldeten die Verantwortlichen in den sächsischen Steinkohlegruben über 2 000 Aktivisten an die Berliner Zentrale. Kaum jemand allerdings nahm Notiz von ihnen. Die Öffentlichkeit jedenfalls ließ, wenn sie überhaupt aufmerksam wurde, nur Verachtung für die "Russenknechte" erkennen. Das änderte sich schlagartig mit der spektakulären Schicht von Adolf Hennecke. Wenige Tage nach seiner Tat kannte jeder seinen Namen. Die westliche Presse kommentierte ironisch, die Ostpresse lobpreiste. Manche warfen Hennecke die Fensterscheiben ein, zündeten sein Auto an. Andere schrieben ihm Briefe und Gedichte. Am Samstag, dem 9. Oktober 1948, saßen die Direktion des Oelsnitzer Steinkohlenwerks "Gottes Segen", Funktionäre der SED und des Gewerkschaftsbundes FDGB sowie Mitarbeiter der von der Sowjetischen Militäradministration (SMAD) herausgegebenen Zeitung "Tägliche Rundschau" beisammen, um eine Aktion zu planen, welche die seit Sommer bedrohlich stagnierende Kohleförderung neu ankurbeln sollte. Die Idee der Funktionäre war, dass man einen Kumpel finden müsse, der ähnlich dem sowjetischen Aktivisten Alexej Stachanow zum Vorbild für die anderen würde. Der "deutsche" Stachanow, den man an diesem Samstag verpflichten wollte, hatte zu beweisen, dass schnelleres Arbeiten mit der nötigen Technik kein Hexenwerk war, sondern von jedem gewöhnlichen Bergmann zu bewältigen sei. Für die Versammelten stellte sich lediglich die Frage, wer diese Leistung denn bringen sollte. Man ließ zunächst den Bergmann Franz Franik aus dem Schacht ausfahren. Der arbeitsame, noch junge Mann galt als erste Wahl, lehnte aber ab. Die nicht zuletzt durch die Kohleforderungen seitens der sowjetischen Besatzer unter Druck geratenen Parteibeaufragten versuchten ihr Glück nun bei Adolf Hennecke. Der gestandene Bergmann war seit September Arbeitsinstrukteur, außerdem Genosse - und stimmte nach einiger Überzeugungsarbeit einer außerordentlichen Schicht zu. Wenige Tage später, am 13. Oktober 1948, fuhr Hennecke eine Stunde früher als gewöhnlich in den Schacht. Eine solche zukunftsweisende Tat wollten die Organisatoren nicht dem Zufall überlassen, vielmehr musste sie gut vorbereitet werden. Die besten Werkzeuge standen dem Aktivisten zur Verfügung, die Abbaustelle hatte er sich am Tag zuvor selbst ausgesucht. Als er schließlich um 13:15 Uhr ausfuhr, hatte er das Tagessoll zu fast vierhundert Prozent erfüllt. Zwar traf das herbeibeorderte Jubelkomitee zu spät am Schacht ein und auch die anwesenden Kumpel machten keinerlei Anstalten, Hennecke zu seiner Leistung zu gratulieren. - Für die öffentliche Propagierung der Tat spielte dies jedoch keine Rolle. Schon wenige Tage später nämlich "perfektionierte" eine eigens in Auftrag gegebene Pressedokumentation das spektakuläre Ereignis. Nun gab es keine Pannen mehr. Ein propagandistischer Dokumentarfilm, in der Wochenschau und zu unzähligen weiteren Anlässen gezeigt, vermittelte einen ganz anderen Eindruck von den Geschehnissen des 13. Oktober. Hier empfängt nun ein aus Funktionären und Kumpeln bestehendes Empfangskomitee den erschöpften, aber glücklichen Hennecke. Allen schien klar zu sein, dass diese Schicht die genau richtige Tat im genau richtigen Moment war. Und so schien auch die üppige Prämie gerechtfertigt, die an Hennecke ging. Drei Tage nach der bei den Kumpeln höchst umstrittenen Schicht veröffentlichte die "Tägliche Rundschau" den am Samstag zuvor konzipierten Beitrag. Von jetzt an erschien kaum noch eine Zeitung ohne eine enthusiastische Hennecke-Schlagzeile - kein Leitartikel, in dem nicht seine Tat gerühmt wurde. Der Rundfunk schaltete sich ein, Hennecke hörte man auf allen Wellen. Schlagzeilen wie: "Henneckes Beispiel reißt uns alle mit", "Die Henneckes - Vorbilder für alle", "Wir brauchen viele Henneckes" regierten die Titelseiten der Zeitungen. II. Sozialistische Helden als Medien der Propaganda In die fünfziger Jahre - das erste Jahrzehnt der DDR - wurden auch die anderen großen Heldenlegenden des Aufbaus hineingeboren. Diese frühen sozialistischen Helden waren Heroen der Arbeit. Adolf Hennecke steht exemplarisch für diese Spezies, zu welcher auch Frauen wie Frida Hockauf gehörten. Die "Meisterweberin" war 1903 in Reichenau bei Zittau geboren worden, 1946 in die SED eingetreten und seit 1951 als Weberin im VEB Mechanische Weberei Zittau beschäftigt. Im November 1954 gelang es auch ihr, den Plan erheblich überzuerfüllen. Ihre propagandistische Aufgabe war es gewesen, nach den Ereignissen des 17. Juni 1953 die Aktivistenbewegung wieder anzukurbeln. Frida Hockauf blieb es auch vorbehalten, im Herbst 1953 jenen entscheidenden Satz auszusprechen, der die zentrale Botschaft der Gruppe der Arbeitshelden in den fünfziger Jahren formulierte: "So wie wir heute arbeiten, wird morgen unser Leben sein!" Diese Sentenz der Weberin aus dem Erzgebirge stellt nicht nur eine der Antworten der Partei- und Staatsführung auf den Juni-Aufstand dar, sondern sie umschreibt zugleich den konsum- und gesellschaftspolitischen Hauptsatz der DDR während der gesamten fünfziger Jahre: Der Satz transportiert eine Handlungsmaxime, die für die Werktätigen gilt, und ein Modell von sozialen Zeiten, das Herrschende und Beherrschte verbinden sollte. Partei- und Staatsführung versprachen im Gegenzug für Wohlverhalten, Genügsamkeit und Geduld in der Gegenwart Wohlstand, Fülle und Einlösung in einer nicht näher definierten Zukunft. Wer sich im Heute zu den Prinzipien des Arbeiter- und Bauernstaates bekannte, wer jetzt nur fleißig arbeiten würde, der werde eine reiche Belohnung im Morgen erfahren. Diese auf ein Nachher vertröstende Grundfigur der politischen Propaganda während der fünfziger Jahre stellte grundsätzlich keine Eigenheit der Propaganda in der DDR dar, sondern sie fand sich im ersten Nachkriegsjahrzehnt auch in der politischen Propaganda der Bundesrepublik - allerdings war die gesellschaftliche Bedeutung dieses Argumentationsmodells im Westen weit geringer als im Osten. Adolf Hennecke und seine Nachfolgerinnen und Nachfolger repräsentierten somit eine der zentralen Kommunikationsabsichten des Ulbricht-Regimes in den ersten Jahren nach Gründung der Republik: Sie warben für den bewussten Konsumverzicht - zu Gunsten einer kommenden sozialistischen respektive kommunistischen Gesellschaft. Ganz konkret gehörte es zum Aufgabenkatalog der Arbeitshelden, durch ihr Vorbild nicht nur Brigaden zu beflügeln und Aktivisten vor Ort zu motivieren, sondern auch für die Einhaltung des Planes zu werben. Auch aus der Sicht der Parteioberen war diesen Figuren der Spagat aufgetragen, sowohl die alltägliche Gesetzmäßigkeit des Planes wie die außeralltägliche Willens- und Schaffenskraft des Einzelnen nicht nur im Wechsel zu propagieren, sondern in ihrer Person glaubhaft zu verknüpfen. Aus der Perspektive der Agitatoren und Propagandisten von Partei und Massenorganisationen konnte es kein geeigneteres Erzählschema als das personalisierte Heldenmuster geben, welches diese heikle Synthese herzustellen vermochte. Die Arbeitshelden waren somit die denkbar besten Repräsentanten der Produktionspropaganda: Sie galten den Parteikommunikatoren als moralische Instanzen, welche den Plan beglaubigen, die Normen durchsetzen und zur überplanmäßigen Anstrengung im Interesse der Sache des Sozialismus anregen konnten. Die Arbeitshelden waren - dem Anspruch nach - mit einem Bein fest in der Sphäre der alltäglichen Produktion verwurzelt. Und mit dem anderen Bein ihrer Heldenexistenz standen sie beinahe schon in der noch außeralltäglichen Zukunft der sozialistischen Utopie: Für die sozialistischen Werktätigen sollten sie Vorbild sein, für die sozialistischen Konsumenten und mit Blick auf die Zukunft sollten sie Vorschein sein. Denn so wie der Held Hennecke heute lebte, ausgestattet mit einer guten Wohnung, ausgestattet mit einem Automobil und versehen mit manchen Privilegien und Statussymbolen, so sollten morgen auch die Vielen leben. Die konsumpolitische Implikation, die sich aus dem Welt- und Selbstverständnis der Arbeitshelden der fünfziger Jahre ergab, muss auch als ein Reflex auf die Herausforderungen Westdeutschlands gelesen werden. In den fünfziger Jahren war die Demarkationslinie zwischen den beiden deutschen Staaten noch keine fest gefügte Grenze: Die seit der Währungsreform von 1948 gefüllten Läden und Regale, mithin die Prosperität des Westens, stellten für den nachlaufenden Osten eine bedrohliche Verheißung dar, die tagtäglich auf das Publikum der DDR einwirkte. Indem jene Helden der Arbeit den Plan übererfüllten, indem sie deutlich machten, dass die produzierten Waren bald auch den Produzenten zugute kommen würden, sollten sie eine Antwort auf den konsumtiven Vorsprung des Westens geben. Sie versprachen eine Warenfülle, welche die Außeralltäglichkeit des Sozialismus zu belegen vermochte. Keine andere Heldengattung in der DDR verkörperte überzeugender als die Helden des Aufbaus den Topos der Bescheidenheit. Den aufbauenden Generationen wurde hier nicht weniger als das Opfer ihres Lebens für das "Glück" der Nachgeborenen abgefordert. Grundsätzlich richteten sich die Botschaften der Helden an die gesamte DDR-Gesellschaft. Die Träger dieses Credos der Arbeit und der Bescheidenheit waren in den ersten beiden Jahrzehnten des Jahrhunderts geboren worden, in den fünfziger Jahren also vierzig, fünfzig Jahre alt. Selbstverständlich wurden diese Helden der ersten Generation von DDR-Bürgern, die ausschließlich in der neuen Gesellschaft aufwuchs, als Vorbilder gezeigt. Die hauptsächlichen Adressaten ihrer Botschaft dürften jedoch weder die Jüngsten noch die Ältesten gewesen sein, sondern die Generation der Hitlerjugend: Die Propaganda der fünfziger Jahre musste den Versuch unternehmen, diese in den dreißiger Jahren geborene Generation für die sozialistische Sache und für den sozialistischen deutschen Staat zu gewinnen. Noch waren die Grenzen zum Westen ja durchlässig, umso mehr kam es darauf an, die potenziellen Leistungsträger der Gesellschaft zu gewinnen, zu umwerben und zu halten. Dass dies ein höchst problematisches Unterfangen war, zeigt nicht nur die Statistik der Abwanderung während der fünfziger Jahre, sondern das zeigen auch die Ereignisse des 17. Juni 1953. Aber die "Blut-Schweiß-und-Tränen"-Botschaft traf wohl bei dieser Generation auf vergleichbare, im Nationalsozialismus geprägte Dispositionen, welche die Akzeptanzchancen einer solchen im Grunde ja prekären Botschaft zumindest nicht verringert haben dürften. Die Forderung nach einem vollen, harten Einsatz im Interesse der Gemeinschaft war diesen jungen Menschen durchaus nicht fremd - und sie eröffnete überdies die Chance, individuell empfundene Schuld "abzuarbeiten" und Sühne "abzuleisten". In den sechziger Jahren, als diese Generation "die Kommandohöhen" der Gesellschaft erobert hatte, verblassten diese Vorbilder und Dispositionen. Der Zeitgeist der sechziger Jahre machte Helden eines neuen Typus erforderlich. III. Sozialistische Helden als Medien des Volkes Bisher war die Rede davon, wie die Heldenpropaganda der fünfziger Jahre, wie die Einpflanzung der eigenen Ideen in die Helden, wie ihre "Fleischwerdung" zur Grundlage einer langfristigen Legitimierung der Staats- und Parteioberen wurde. Weit überzeugender als nur abstrakte Inhalte wirkten Personen wie Adolf Hennecke, Juri Gagarin und Walentina Tereschkowa auf die Bevölkerung. Ihr positives moralisches Image sowie ihr ausgewiesenes Expertentum machten sie, zumindest in bestimmten Bereichen, zu Meinungsträgern. So bewährte sich Adolf Hennecke nicht nur als anerkannte Moralinstanz, wovon unzählige Briefe von Jung und Alt zeugen, in denen er um Rat und Hilfe gebeten wird. Noch im fortgeschrittenen Alter bestand er darauf, diese Schreiben persönlich zu beantworten. Darüber hinaus meldete er sich auch zu aktuellen wie allgemeinen Problemen der Zeit zu Wort. Er tourte mit Vorträgen durchs Land, und wann immer ein großes Ereignis ins Haus stand, nahm er Stellung - ob nun in politischen Diskussionen oder bei Professor Flimmrich, dem beliebten Kinderprogramm. Die Bevölkerung, die sich an die Helden wandte, beziehungsweise sie ignorierte, auf jeden Fall aber mit ihnen umging, stellte keinesfalls eine homogene Größe dar, welche die von den Machthabern vermittelten Botschaften einheitlich aufnahm. Nach Henneckes Tat bejubeln ihn die einen, schreiben vielversige Gedichte, komponieren Lieder und malen Bilder - die anderen verhöhnen ihn, drohen ihm mit Gewalt und schlagen ihm die Scheiben ein. Die Bevölkerung zeigte sich immer in der Lage, den propagierten Botschaften - je nach Standort - sehr eigensinnig Bedeutung zuzuweisen. Wie die jeweiligen Bevölkerungsschichten über propagierte Helden wie Adolf Hennecke, den Radprofi Täve Schur oder den ersten Menschen im Weltall, Juri Gagarin, dachten, hing von zahlreichen Faktoren ab. Zwar konnten die Machthabenden per autoritärer Setzung Helden propagieren, doch konnten sie nicht verordnen, diese Figuren auch zu verehren, ja zum Teil, wie die Quellen es immer wieder bestätigen, sie sogar zu lieben. Zu fragen wäre also: Wie erfolgte die individuelle Auswahl inmitten eines wohlfeil gebotenen Heldenpantheons? Warum wurden die einen gefeiert, während die anderen nie an positiver Bedeutung gewannen? IV. Die Attraktivität des Ähnlichen Mehr noch als in bürgerlichen Gesellschaften wählten die Bürger des Arbeiter- und Bauernstaates Helden aus, die ihnen und ihrem Leben nahe waren. Dies hört sich mit dem Blick auf die Kosmoshelden zunächst unwahrscheinlich an, doch schaut man auf deren Biographien, Alltagszeugnisse und Auftritte, bestätigen auch sie die These der Ähnlichkeit. Bei der Ähnlichkeitsthese geht es um die Frage, wie sich Individuen subjektiv der eigenen Fähigkeiten und der Gültigkeit ihrer eigenen Vorstellungen über die Beschaffenheit der Umwelt versichern. Dies geschieht, so die Annahme, indem das Individuum seine Ansichten mit denen anderer Personen vergleicht. Vergleichsprozesse sind allerdings nur dann sinnvoll, "wenn Vergleichspersonen verfügbar sind, die uns in Meinungen oder Fähigkeiten ähneln". Dabei geht es hier nicht allein um Ähnlichkeit auf der zur Beurteilung anstehenden spezifischen Einstellungs- und Fähigkeitsdimension, sondern um eine globalere Ähnlichkeit. Neben der Wahl von Vergleichspersonen hat Ähnlichkeit noch eine zweite wichtige Funktion: Ihre Bedeutung ist auch für das Vorbildlernen belegt. Schon "ganz äußerliche Ähnlichkeiten (wie gleicher Name und gleiche Vorlieben) fördern die Neigung des Kindes, sich mit einem Erwachsenen zu identifizieren, d. h. dessen Verhalten nachzuahmen". Gleiches gilt auch für das Anerkennen von Vorbildern durch Erwachsene. Neben diesen differenzierten Ähnlichkeitsmerkmalen sind zudem Faktoren wie Alter und Bildung, Geschlecht und Generationenzugehörigkeit sowie der jeweilige ideologische Standort bei der Auswahl von Vorbild-Helden bedeutsam. Adolf Hennecke entstammte einer einfachen Bergarbeiterfamilie. Er sprach, so wird immer wieder bezeugt, die Sprache der Kumpel, saß mit ihnen bei Skat und Bier zusammen. Er stand für den ganz normalen Mann der Nachkriegszeit. Selbst als er bereits zum bekanntesten Arbeitshelden der DDR avanciert war und in Berlin lebte, war er darum bemüht, sich bescheiden zu geben und seinen Kontakt zum "einfachen" Arbeiter weitestgehend aufrechtzuerhalten. Juri Gagarin wuchs in einer Bauernfamilie auf und musste sich alles hart erarbeiten, wie jedermann aus seinem Bestseller-Roman "Mein Flug ins All" erfuhr. Ob Arbeiter-, ob Sport-, ob Kosmosheld - ihnen allen wurde nicht nur regelmäßig das adelnde Wort "Arbeiter" beigestellt, vielmehr war ihnen "das Arbeiterliche" in Habitus und Gestus von Kindesbeinen an eingeschrieben. Sie - die vormals Unterprivilegierten - entdeckten sich nun als anerkennenswerte, respektable Persönlichkeiten. Ihnen ähnlich zu sein und sie für eigenes Handeln und Streben als Vorbild zu erklären schien demzufolge einem Großteil der Bürgerinnen und Bürger des Arbeiter- und Bauernstaates DDR vorstellbar zu sein. V. Die Attraktivität der Angstreduktion Bei der Konstruktion sozialistischer Helden handelte es sich in den meisten Fällen zwar zunächst um eine autoritäre Setzung seitens der Machthabenden. Der Botschaftskomplex der Helden allerdings, und das scheint ein zentraler Aspekt, wurde höchst eigensinnig von den spezifischen Bevölkerungsgruppen angenommen. Welche Auswahlkriterien hier eine Rolle spielten, wurde beschrieben. Es bleibt nun noch zu erklären, aus welchen Gründen bestimmte Gruppen der Bevölkerung diese personifizierten Botschaften ihrer Herrscher annahmen und eigensinnig umdeuteten. Weil sie in eine Form gedrängt oder gezwungen wurden? Wer jedoch konnte die DDR-Bürger zwingen, Adolf Hennecke persönliche Briefe zu schreiben, Täve Schur zu bejubeln und ihm Liebeserklärungen zu schicken, Juri Gagarin oder Walentina Tereschkowa begeistert zuzuwinken? Sicher, man konnte die Anwesenheit bei offiziellen Empfängen anweisen und mit Druck ermöglichen. Man konnte Fähnchen verteilen und Jubelgesänge anstimmen. Was aber brachte die Bürger dazu, an diesem Tag an diesen Ort zu kommen, zu winken und aktiv in den Jubel einzustimmen? Es scheint, die Menschen sind auch deshalb gekommen, weil sie durch diesen spezifischen Akt der Vergesellschaftung für sich selbst etwas gewonnen haben. Diese ihre Helden konnten sie von einer existenziellen Angst befreien; nämlich von der Individuen wie Gemeinschaften keineswegs nur zu sozialistischen, sondern zu allen Zeiten innewohnenden Angst, am Ende ihres Lebens nichts gewesen zu sein, ohne Bedeutung gewesen zu sein. Der unbedingte Wille der Gruppe zu überleben spielte und spielt bei der Konstruktion von Helden eine große Rolle. Allerdings geht es bei diesem Über-Leben einer Gruppe nicht allein um ein bloßes Weiterleben, darum also, dass die Gruppe den Toten durch Erinnerung ein Weiterleben sichert. Es geht vor allem um ein Über-Leben in einem zweiten Sinn, um die Partizipation an einem überindividuellen Leben. Es geht um die Sehnsucht nach einem Leben, das über dem individuellen Leben steht. Dieses überindividuelle Leben erfüllt das eigene Leben mit Sinn. Es integriert das eigene Leben in ein geheiligtes Ganzes. Nun ist es in einer vielfältig zusammengesetzten Gesellschaft nicht möglich, dass jeder Einzelne zum - mit der Aura des Außergewöhnlichen behafteten - Helden wird. Selbst in der als egalitär propagierten DDR blieb das Konzept des "alltäglich-gewöhnlichen Helden" weit entfernt vom realen Alltag. Auch hier konnte - und wollte - nicht jeder Einzelne als außergewöhnlich gefeiert werden. Die Ideologen des Sozialismus und des Staatswesens "DDR" hatten, wie traditionelle Gesellschaften vor ihnen auch, hierfür eine Lösung: Sie belegten diese Gesellschaft und diesen Staat in toto mit dem Prädikat des Außergewöhnlichen, des Besonderen. Im pathetischen Licht des Außergewöhnlichen erschien die neue deutsche Republik als "Arbeiter- und Bauernstaat", als eine wunderbare "Errungenschaft der deutschen Geschichte" und als deren "Höhepunkt". Es genügte, wenn dieses Außergewöhnliche und Außeralltägliche nur bei bestimmten, ausgewählten Individuen, allen voran bei den Helden, sichtbar, erfahrbar, fühlbar wurde. Durch Prozesse der Identifikation mit Hennecke, mit Gagarin oder mit der Tereschkowa hatten die nichtheroischen Individuen eigensinnig teil an dieser Substanz des kollektiven Heroischen. Dies schien möglich, weil der Einzelne zwar um sein defizientes Wesen wusste, aber dennoch die Ahnung und auch die Fähigkeit besaß, die Grenzen seines Selbst zu überschreiten, nach dem Vollkommenen, dem Idealen zu streben. Der Wunsch des Einzelnen nach dem Außergewöhnlichen, der in der blassen und tristen, durch eine unüberwindbare Mauer umgrenzten und in vielerlei Hinsicht begrenzten DDR kaum Erfüllung finden konnte, vermochte durch solche Akte der Identifizierung zumindest teilweise und imaginär erfüllt zu werden. Beiden, sowohl den Machthabenden als auch der ihnen untergebenen Bevölkerung, dienten Helden demnach zur eigenen Versicherung. Deshalb waren auch beide Seiten am Weiterleben des einmal anerkannten Helden interessiert. Deshalb sprachen beide Seiten weiter über ihn, bewahrten und erneuerten sein Bild, in manchen Fällen sogar über das Fortbestehen der sozialistischen Gesellschaft hinaus. "Das Problem ist immer das gleiche", beendete die "Neue Berliner Illustrierte" im Jahr 1967 einen wochenlangen öffentlichen Diskurs darüber, was denn nun eigentlich einen sozialistischen Helden ausmache: "Im richtigen Moment, innerlich zutiefst überzeugt, das Richtige zu tun, ohne Zaudern den alles entscheidenden Schritt zu wagen." Sozialistische Helden vollbringen demzufolge im richtigen Moment eine richtige Tat für die richtige Sache. Die Entscheidung über den richtigen Moment blieb zwar den Staats- und Parteioberen vorbehalten, doch orientierten diese sich notwendigerweise sowohl an aktuellen politischen, ökonomischen und kulturellen Erfordernissen und Herausforderungen - ob nun allein die DDR, die Bundesrepublik, die sozialistische Staatengemeinschaft oder gar die Welt insgesamt betreffend. Das galt für Henneckes Hochleistungsschicht ebenso wie für "Täves" internationale Radsporterfolge oder für Juri Gagarins Flug ins All. Auch die Entscheidung darüber, was eine sozialistische Tat bedeutete, trafen die professionellen Propagandisten des Sozialismus. Auf dieser Ebene war - was den Erfolg der gesamten Heldenaktion betraf - die sozialistische Ideologie und ihre tagespolitische Umsetzung von wesentlicher Bedeutung. Natürlich wurden vor allem in diesem Sinne politische Inhalte formuliert und mit den Helden verbunden. Die Entscheidung darüber hingegen, was denn die richtige, die "sozialistische" Sache sei, lag nur zu einem - womöglich sogar geringfügigen - Teil im Bereich der Einflussnahme der partei- und regierungsamtlichen Propagandisten. Bei den Akteuren der Heldenkommunikation von oben wie von unten spielte hier die Vermittlung und Versicherung von Grundwerten und Grunderfahrungen die Hauptrolle, die letztlich gemeingültig über allen gesellschaftlichen Systemen standen und stehen: Angst und Sicherheit, Gleichheit und Gerechtigkeit, Sieg und Niederlage, Leben und Tod sind nur einige Elemente dieses Wertehimmels. Und gerade in diesem ungeteilten Wertehimmel liegt das auf den ersten Blick Unpolitische in der Akzeptanz der Helden verborgen, das dem Korrespondenten des "Spiegel" 1963 nicht deutlich wurde. Nur in ihren oberflächlich wahrnehmbaren Äußerungen ist die Begeisterung für einen Star wie James Dean vergleichbar mit der Akklamation für einen Helden wie "Täve" Schur. Die Machthabenden in der DDR stellten ihren Bürgern die Einlösung dieser grundsätzlichen Werte in einer berechenbaren und damit planbaren Zukunft in Aussicht. Bezeugt und beglaubigt durch die Integrität und Bonität menschlicher Helden, die stets eine Gemengelage sozialistischer Ideologeme wie Propageme als auch scheinbar "unpolitische" Wertorientierungen vertraten, versprachen sie ihnen, dass es nur der richtigen Taten bedürfe, um zu jenem utopischen Ziel zu gelangen. Wenn die Versprechungen nicht erfüllt wurden, und diese Erfahrung mussten die DDR-Bürger ja immer wieder machen, konnte es passieren, dass mit ihnen auch die Helden als deren Zeugen untergingen. In nicht seltenen Fällen aber spalteten die Menschen ihre Helden vom "Realen" ab und ließen sie an einem Ort "Nirgendwo" - um der eigenen Sehnsucht willen - am Leben, im kommunikativen und auch im kulturellen Gedächtnis. Internetverweise der AutorInnen: http://hsozkult.geschichte.hu-belin.de/beitrag/tagber/bericht.htm http://www.phil.fak.uni-duesseldorf.de/geschichte/kgdoe/ konf21.html http://www.zzf-pdm.de/archiv/gforum/berichte/rias.html http://www.mdr.de/geschichte/archiv/ lexikontext.cfm?sucht http://www.radsportverband.de/ temp/schur_friedensfahrt.htm http://www.dra.de/dok_0401.htm http://www.urbin.de/cccp/kosmonauten/tereschkowa/tereschkowa.htm http://www2.tagesspiegel.de/archiv/2002/01/19/ak-mn-5512537.html http://www.hdg.de/Final/deu/page1671.htm http://www.calvin.edu/cas/egsg/helden.htm http://www.ddr-im-www.de/Themen/ Auszeichnungen.htm So eine zeitgenössische propagandistische Losung. Bei der Venus steht ein Standesamt, in: Der Spiegel, Nr. 44 vom 30. Oktober 1963, S. 52 ff. Zu den propagierten Zeithorizonten im Gefolge des V.'Parteitages siehe: Rainer Gries, Die runden "Geburtstage". Zeitkultur und Zeitpropaganda in der DDR, in: Monika Gibas/Rainer Gries/Barbara Jakoby/Doris Müller (Hrsg.), Wiedergeburten. Zur Geschichte der runden Jahrestage der DDR, Leipzig 1999, S. 285-304. Der Spiegel (Anm. 1). Dieser Beitrag reflektiert auch die Ergebnisse der Tagung "Sozialistische Helden. Eine Kulturgeschichte von Propagandafiguren in Osteuropa und der DDR", die von den Autoren im September 2001 in Krakau ins Leben gerufen wurde. Deren Ergebnisse werden in einem Sammelband publiziert werden, der 2002 erscheint. Vgl. auch Silke Satjukow/Rainer Gries, Sozialistische HeldInnen. Eine Kulturgeschichte von Propagandafiguren in Osteuropa und der DDR, in: L‘Homme. Zeitschrift für Feministische Geschichtswissenschaft, 12 (2001) 2, S. 335-340. Vgl. zur Konzeption des Charisma bei Max Weber: ders., Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie, Bd. 3, Tübingen 1971; ders., Wirtschaft und Gesellschaft: Grundriss der verstehenden Soziologie, hrsg. von Johannes Winckelmann, Tübingen 1976; Arnold Zingerle, Theoretische Probleme und Perspektiven der Charisma-Forschung. Ein kritischer Rückblick, in: Winfried Gebhardt/Arnold Zingerle/Michael N. Ebertz (Hrsg.), Charisma. Theorie - Religion - Politik, Berlin - New York 1993, S. 249-266. Vgl. zur Konzeption des Vertrauens bei Niklas Luhmann: ders., Vertrauen. Ein Mechanismus der Reduktion sozialer Komplexität, Stuttgart 1989³. Zur Anwendung eines kulturhistorischen Ansatzes bei persuasiven Kommunikationsformen (wie der Wirtschaftswerbung, der politischen Propaganda oder der Öffentlichkeitsarbeit) siehe Rainer Gries, Propagandageschichte als Kulturgeschichte. Methodische Erwartungen und Erfahrungen, in: Deutschland Archiv, 33 (2000) 4, S. 558-570; sowie in Kürze ders., Produkte als Medien. Kulturgeschichte der Produktkommunikation in der Bundesrepublik und der DDR, Leipzig 2002 (i.ÄE.), worin ein dreidimensionales Modell solcher Kommunikationen vorgestellt wird. Die folgenden Ausführungen zu Hennecke stützen sich auf Archivbestände des Bundesarchivs Berlin, vor allem auf Adolf Henneckes Nachlass, sowie auf einschlägige Quellen des Sächsischen Staatsarchivs Dresden und des Bergbau-Archivs in Freiberg (Sachsen). Siehe dazu die Interpretation von Gerhard Schürer, dem ehemaligen Vorsitzenden der Staatlichen Plankommission, in: Theo Pirker/M. Rainer Lepsius/Rainer Weinert/Hans-Hermann Hertle, Der Plan als Befehl und Fiktion. Wirtschaftsführung in der DDR. Gespräche und Analysen, Opladen 1995, S. 98. Vgl. dazu Dirk Schindelbeck/Volker Ilgen: "Haste was, biste was!" Werbung für die Soziale Marktwirtschaft, Darmstadt 1999. Vgl. neuerdings die Konstruktion und das Bild dieser Generation bei Albrecht Göschel, Kontrast und Parallele - Kulturelle und politische Identitätsbildung ostdeutscher Generationen, Stuttgart - Berlin - Köln 1999. Wolfgang Stroebe, Soziale Vergleichsprozesse, in: Dieter Frey/ Siegfried Greif (Hrsg.), Sozialpsychologie. Ein Handbuch in Schlüsselbegriffen, München - Weinheim 1987², S. 330. Heinz Heckhausen, Die Interaktion der Sozialisationsvariablen in der Genese des Leistungsmotivs, in: Carl-Friedrich Graumann (Hrsg.), Sozialpsychologie, München - Weinheim 1972, S. 990. Im Sinne von Wolfgang Engler, Die Ostdeutschen. Kunde von einem verlorenen Land, Berlin 1999, S. 200. Vgl. Peter Berghoff, Der Tod des politischen Kollektivs. Politische Religion und das Sterben und Töten für Volk, Nation und Rasse, Berlin 1997, S. 94 ff. Geschichte der Deutschen Demokratischen Republik, von einem Autorenkollektiv unter Leitung von Rolf Badstübner, Berlin (Ost) 1984, S. 12. Gemeint ist hier zum Beispiel das Weiterleben des Helden "Täve" Schur, der 32 Jahre lang als Abgeordneter der Volkskammer angehörte, seit 1998 für den Landesverband Sachsen der PDS im Deutschen Bundestag sitzt und bereits als Alterspräsident des kommenden Bundestages gehandelt wird. Neue Berliner Illustrierte, (1967) 12, S. 15.
Article
Gries, Rainer / Satjukow, Silke
2021-12-07T00:00:00
2011-10-04T00:00:00
2021-12-07T00:00:00
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/26965/von-menschen-und-uebermenschen/
Die kulturgeschichtliche Anatomie von Propagandafiguren wie den "sozialistischen Helden" zeigt den Doppelcharakter dieser Mediatoren: Sie waren einerseits autoritäre Setzungen durch die professionellen Propagandisten der Partei.
[ "" ]
554
Gegenstandsangemessene Evaluationsforschung | Infodienst Radikalisierungsprävention | bpb.de
Termine, Stellen, News, Materialien, Videos & Hintergrund-InfosNewsletter zu Radikalisierung & Prävention abonnieren Bleiben Sie auf dem Laufenden im Arbeitsfeld Radikalisierungsprävention! Termine, Stellen, News, Materialien, Videos & neue Hintergrund-Beiträge des Infodienst Radikalisierungsprävention – alle sechs Wochen per E-Mail. Interner Link: → Zum Newsletter-Abonnement Dieser Beitrag ist Teil der Interner Link: Infodienst-Serie "Evaluation". Der Text ist ursprünglich im April 2018 in der Externer Link: Blogreihe "Gesellschaft Extrem" erschienen. Der gesellschaftliche und politische Bedarf nach eindeutigen Wirkungsaussagen ist dabei äußerst verständlich: Islamistische Anschläge wie der auf den Berliner Weihnachtsmarkt (2016) und auf die Redaktion der Satirezeitschrift Charlie Hebdo in Paris (2015) oder die verschiedenen rechtsradikalen Terroranschläge wie die der sogenannten "Gruppe Freital" seit 2015 verdeutlichen eine wachsende Gefahr durch terroristische Gruppen und Einzelakteure. Sicherheitsbehörden und Politik stehen unter erheblichem Druck, diese Gefahren im Vorfeld zu erkennen und möglichst zu verhindern. Eine wachsende Bedeutung kommt dabei auch Maßnahmen, Projekten und Programmen der Radikalisierungsprävention zu. Jene reichen von eher universell ausgerichteter Demokratieförderung hin zu sehr spezifischen Angeboten indizierter oder selektiver Prävention, wie sie beispielsweise in der Arbeit mit bereits in Radikalisierungs- und Hinwendungsprozessen begriffenen Jugendlicher erfolgt. Das Dilemma zwischen Vielfalt der Präventionsansätze und dem Wunsch nach einheitlicher Wirkungsmessung Mit einigem Recht erwartet die Gesellschaft auch, dass solche Präventionsbemühungen möglichst schnelle und nachhaltige Effekte zeigen und beispielsweise die Anzahl der als radikalisiert geltenden Personen reduziert. Bereits ein Blick auf die Vielzahl der unter das Label "Radikalisierungsprävention" fallenden Angebote und Maßnahmen macht jedoch deutlich, dass einheitliche Indikatoren zur Wirksamkeitsmessung teilweise an Grenzen stoßen: zu nennen sind hier beispielsweise Maßnahmen mit einer hochspezifischen, bereits straffällig gewordenen Klientel in Strafvollzug und Bewährungshilfe, Ausstiegshilfen für bereits in Hinwendung zu Strukturen radikaler Gruppen befindliche Jugendliche; Beratungs- und Unterstützungsangebote für deren Freunde und Angehörige; Unterstützungs- und Aufklärungsangebote für Jugendliche, die erste Zeichen von Hinwendungsprozessen aufweisen; oder auch eine "Breitbandstrategie" im Rahmen von Demokratieförderung und politischer Bildung, die beispielsweise Kindern und Jugendlichen eine kritische Sicht auf Hate Speech und Propaganda im Netz ermöglichen will. Dementsprechend vielfältig sind auch die angewendeten und zum Einsatz kommenden Mittel: sie reichen von einer breit aufgestellten Demokratiebildung über die aufsuchende Jugendarbeit mit sozialräumlichem Fokus, eine sozialpädagogische Einzelfallarbeit, in der Psychologen, Sozialarbeiter und Fachkräfte der Radikalisierungsprävention mit gefährdeten Jugendlichen arbeiten, bis hin zu systemischen Ansätzen, die Familie, Peergroups und Ideologie einbeziehen. In ihrer überwiegenden Zahl sind Präventionsmaßnahmen und -angebote (sozial-) pädagogisch ausgerichtet. Der Wunsch nach Vergleichbarkeit und einfachen kausalen Wirksamkeitsvorstellungen hat deshalb oft wenig mit der notwendigerweise vielfältigen Praxis der Deradikalisierungs- und Präventionsarbeit zu tun. Denn die Forderung nach schnellen und messbaren Wirkungen geht nun – idealtypisch gesprochen – oftmals davon aus, dass entsprechende Ansätze nach einem einzigen einfachen kausalen Basismodell funktionieren: ein Ausgangszustand (z. B. "gefährdeter Heranwachsender") wird durch ein "Treatment" (z. B. Teilnahme an einem Projekt der Radikalisierungsprävention) in einen Endzustand ("nachhaltig deradikalisierter bzw. immunisierter Jugendlicher") überführt. Evaluationsforschung verfügt nun über ein ausdifferenziertes Set an Methoden, Wirkungen festzustellen. Sogenannte quasi-experimentelle Designs vergleichen "natürliche Gruppen" (wie z. B. Schulklassen, Jugendgruppen), ob eine bestimmte Intervention eine Wirkung zeitigt oder nicht. Indikator hierfür ist beispielsweise eine veränderte Einstellung zu rechtsradikaler oder islamistischer Ideologie, die sich bei der Versuchsgruppe zeigt, bei einer Kontrollgruppe jedoch nicht. Solche quasi-experimentellen Wirkungsuntersuchungen sind voraussetzungsreich, da sie beispielsweise eine systematische Kontrolle von Einfluss- bzw. "Störfaktoren" voraussetzen. Auch die eingesetzte Intervention müsste, um die Vergleichbarkeit zwischen verschiedenen Gruppen herzustellen und Zufallseffekte auszuschließen, manualisierbar, d. h. auf strikt standardisierte Weise durchführbar sein. PRIF Report: Evaluation in der Radikalisierungsprävention – Ansätze und Kontroversen Das berechtige Interesse an belastbaren Wirksamkeitsnachweisen stößt bei der Planung und Umsetzung von Evaluationsstudien auf beträchtliche Herausforderungen. Der Report geht auf einige dieser Schwierigkeiten ein und zeigt beispielhaft verschiedene Ansätze dafür, wie sich Evaluationen im Rahmen realistischer Möglichkeiten umsetzen lassen. Entstanden ist er im Rahmen des Projekts "Gesell­schaft Extrem. Radikali­sierung und Der­adikali­sierung in Deutschland", das von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konflikt­forschung (PRIF/HSFK) koordiniert wurde. Externer Link: Zum Download Grenzen quasi-experimenteller Wirkungsuntersuchungen Solche Bedingungen für quasi-experimentelle Wirkungsuntersuchungen sind nun allerdings in (sozial-)pädagogischen Settings, den Praxisfeldern der Sozialen Arbeit und der Kinder- und Jugendhilfe kaum vorzufinden und auch nur schwer anzunähern. Jene Settings zeichnen sich vielmehr durch eine hohe Kontextabhängigkeit, individuelle Problemlagen und Lebensweltbezogenheit der Ansätze und Interventionen aus. Eine standardisierte Wirkungsmessung ist (nicht nur) gegenüber einem solchen Forschungs- bzw. Evaluationsgegenstand kein "neutrales" Instrument, sondern würde in der Herstellung der Messgrundlage quasi en passant den sozialpädagogischen Charakter der Intervention beeinflussen, im schlimmsten Fall gar zerstören. In der turbulenten sozialen Wirklichkeit erweisen sich einfache Kausalitätsannahmen oftmals als unterkomplex, denn "jede kausale Analyse sozialen Handelns muss berücksichtigen, dass Akteure sich in lokalen Kontexten bewegen, dort nach Regeln handeln und auf Wissensvorräte zurückgreifen, die Forschern prima vista nicht bekannt sind und dass sie oft ihre Handlungsziele auf Wegen verfolgen, die die Forscher nicht antizipieren können" (Kelle 2006, S. 133). Insofern sind auch Evidenzen nicht naturgegeben so Bellmann und Müller (2011). Man könnte das bonmot von Elsbeth Stern über Intelligenztests entsprechend umformulieren: Evidenz ist das, was die evidenzbasierte Forschung misst. Trifft man methodische Vorkehrungen, um die gesellschaftliche Komplexität angemessener einzufangen, so stellen sich auch Evidenzen und Kausalitäten ganz anders dar, wie Kelle und Erzberger (2006) für den Bereich der Kinder- und Jugendhilfeargumentieren. In der Radikalisierungsprävention könnten beispielsweise Wirkungen eines Anti-Aggressionstrainings in einer standardisierten Erhebung kausal auf die Inhalte dieses Trainings zurückführbar sein – in einem flankierenden teilstandardisierten Interview stellt sich dann jedoch heraus, das die vor und nach dem eigentlichen Training ablaufende Beziehungsarbeit der gefährdeten Jugendlichen mit dem Sozialarbeiter der eigentliche Wirkfaktor ist. Dies wäre ohne eine – auch methodisch umgesetzte – Offenheit für neue Erkenntnisse nicht möglich gewesen. So können sich beim methodisch komplexen und mehrdimensionalen Blick manche Kausalitäten als Scheinkausalitäten herausstellen. Die Notwendigkeit komplexer Evaluationsdesigns Diese Überlegungen sprechen allerdings nicht dagegen, für Projekte und Ansätze der Radikalisierungsprävention Wirksamkeit zu fordern und Wirkungen festzustellen. Entsprechende Projekte und Maßnahmen kommen nicht umhin, sich selbst, der Gesellschaft und auch der Evaluationsforschung Auskunft darüber zu geben, ob Ziele erreicht wurden, Effekte feststellbar sind oder Zielgruppen angesprochen werden konnten. Jedoch sollte deutlich geworden sein, dass auch die eingesetzten Evaluationsmethoden sich die Frage gefallen lassen müssen, ob sie ein sinnvolles und gegenstandsangemessenes Vorgehen an den Tag legen. So verlangt die Vielfalt der Ansätze im Feld der Radikalisierungsprävention nach methodologischen Reflexionen und methodischen Designs, die eben dieser Vielfalt gerecht werden. Die Evaluation einer Intervention, die sich auf die Distanzierung Jugendlicher von radikalen Gruppen und Ideologien richtet, erfordert eine andere methodische Herangehensweise, als die Evaluation einer Informationsveranstaltung zu Mobilisierungsstrategien salafistischer Gruppen, die auf einen kurzfristigen Wissensgewinn von Jugendlichen setzt. Während letzterer noch relativ einfach zu ermitteln ist (wobei auch hier Herausforderungen warten: wann handelt es sich um tatsächlich verstandenes und reflektiertes Wissen, wann um bloße Wiederholung von Gehörtem?), sind Distanzierungsprozesse vielschichtig und langfristig. Sie betreffen "formale" Gruppenzugehörigkeiten ebenso wie emotionale Bindungen und ideologische Weltbilder. Ab wann können in dieser Hinsicht Gruppen oder Einzelpersonen als "deradikalisiert" gelten? Wann hat eine Präventionsmaßnahme Radikalisierung verhindert? Die Komplexität dieser Fragestellungen macht deutlich, dass Evaluationsforschung auch die Aufgabe hat, Praktikern und Projekten mit komplexen Evaluationsdesigns methodisch gerecht zu werden, ihre Erwartungen, Annahmen und Expertise einzubeziehen, ohne in ein anything goes zu verfallen oder auf eine externe Beurteilung zu verzichten. Mixed Methods Designs, die gegenstandsangemessene Kombination von standardisierten, teil- und unstandardisierten Methoden wie auch die Erforschung spezifischer Projekt- und Präventionslogiken gehören insofern zu einer an Feld und Adressaten orientierten Evaluation und Wirkungsforschung, da nur so die Vielfalt von Perspektiven, Kontexten und Entwicklungen empirisch erfassbar ist und ein komplexes Bild über das Feld der Radikalisierungsprävention entstehen kann. Evaluationen sollten also möglichst standardisierte Methoden um eine teil- oder unstandardisierte Erhebung der Binnensichten von Praktikern und Adressaten erweitern und Theorien und Annahmen der Akteure über ihr Feld explizieren, beispielsweise mit sogenannten "logischen Modellen", in die die Wirkannahmen der Akteure einfließen. Solche Evaluationen benötigen Zeit, Finanzierung, entsprechend gut ausgebildetes wissenschaftliches Personal und einen engen, reflexiven und vertrauensvollen Austausch aller Akteure. Effekte und Kausalitäten können so in einer die Komplexität der sozialen Wirklichkeit besser abbildenden Weise erforscht und Interventionen nicht nur angemessener evaluiert, sondern auch die Wirksamkeit von Radikalisierungsprävention erhöht werden. Dieser Beitrag ist Teil der Interner Link: Infodienst-Serie "Evaluation". Infodienst RadikalisierungspräventionMehr Infos zu Radikalisierung, Prävention & Islamismus Das Online-Portal Infodienst Radikalisierungsprävention der bpb bietet Hintergrundwissen, pädagogische Materialien, einen Newsletter und eine Übersicht mit Beratungsangeboten. Interner Link: → Zur Infodienst-Startseite Bleiben Sie auf dem Laufenden im Arbeitsfeld Radikalisierungsprävention! Termine, Stellen, News, Materialien, Videos & neue Hintergrund-Beiträge des Infodienst Radikalisierungsprävention – alle sechs Wochen per E-Mail. Interner Link: → Zum Newsletter-Abonnement Das berechtige Interesse an belastbaren Wirksamkeitsnachweisen stößt bei der Planung und Umsetzung von Evaluationsstudien auf beträchtliche Herausforderungen. Der Report geht auf einige dieser Schwierigkeiten ein und zeigt beispielhaft verschiedene Ansätze dafür, wie sich Evaluationen im Rahmen realistischer Möglichkeiten umsetzen lassen. Entstanden ist er im Rahmen des Projekts "Gesell­schaft Extrem. Radikali­sierung und Der­adikali­sierung in Deutschland", das von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konflikt­forschung (PRIF/HSFK) koordiniert wurde. Externer Link: Zum Download Das Online-Portal Infodienst Radikalisierungsprävention der bpb bietet Hintergrundwissen, pädagogische Materialien, einen Newsletter und eine Übersicht mit Beratungsangeboten. Interner Link: → Zur Infodienst-Startseite Quellen / Literatur Kelle, Udo 2006: Qualitative Evaluationsforschung und das Kausalitätsparadigma. In Flick, Uwe (Hrsg.), Qualitative Evaluationsforschung. Konzepte, Methoden, Umsetzungen. Reinbek: Rowohlt, S. 117-133. Bellmann, Johannes/Müller, Thomas 2011: Evidenzbasierte Pädagogik – ein Déjà-vu?. In Müller, Thomas (Hrsg.): Wissen, was wirkt – Kritik evidenzbasierter Pädagogik. VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, S. 9-32. Kelle, Udo/Erzberger, Christian 2006: Stärken und Probleme qualitativer Evaluationsstudien – ein empirisches Beispiel aus der Jugendhilfeforschung. In Flick, Uwe (Hrsg.), Qualitative Evaluationsforschung. Konzepte, Methoden, Umsetzungen. Reinbek: Rowohlt, S. 284-301. Kelle, Udo 2006: Qualitative Evaluationsforschung und das Kausalitätsparadigma. In Flick, Uwe (Hrsg.), Qualitative Evaluationsforschung. Konzepte, Methoden, Umsetzungen. Reinbek: Rowohlt, S. 117-133. Bellmann, Johannes/Müller, Thomas 2011: Evidenzbasierte Pädagogik – ein Déjà-vu?. In Müller, Thomas (Hrsg.): Wissen, was wirkt – Kritik evidenzbasierter Pädagogik. VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, S. 9-32. Kelle, Udo/Erzberger, Christian 2006: Stärken und Probleme qualitativer Evaluationsstudien – ein empirisches Beispiel aus der Jugendhilfeforschung. In Flick, Uwe (Hrsg.), Qualitative Evaluationsforschung. Konzepte, Methoden, Umsetzungen. Reinbek: Rowohlt, S. 284-301.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2022-07-18T00:00:00
2018-07-27T00:00:00
2022-07-18T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/infodienst/273355/gegenstandsangemessene-evaluationsforschung/
Die Politik steht unter großem Druck, die Wirksamkeit von Maßnahmen der Radikalisierungsprävention zu prüfen. Doch die komplexen Zusammenhänge erfordern komplexe Evaluationsdesigns, so Björn Milbradt.
[ "gegenstandsangemessene Evaluationsforschung", "Plädoyer", "Evaluationsforschung", "Wirksamkeit", "Präventionsmaßnahmen", "Maßnahmen", "Prävention", "Zusammenhang", "Evaluationsmethoden", "Komplex", "Evaluationsdesign", "Evaluation", "Serie: Evaluation", "Islamismus", "islamistischer Terrorismus" ]
555
Dr. Daniela Kallinich | 14. Bundeskongress politische Bildung 2019 | bpb.de
Dr. Daniela Kallinich. Dr. Daniela Kallinich ist Politikwissenschaftlerin. Sie arbeitet in der Externer Link: Niedersächsischen Landeszentrale für politische Bildung. Am Göttinger Institut für Demokratieforschung hat sie zuvor zu Parteien, Politik und Gesellschaft in Deutschland und Frankreich geforscht und am Projekt "Göttinger Kinderdemokratie" mitgewirkt. Dr. Daniela Kallinich.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2021-06-23T00:00:00
2019-01-29T00:00:00
2021-06-23T00:00:00
https://www.bpb.de/veranstaltungen/reihen/bundeskongress-politische-bildung/284766/dr-daniela-kallinich/
[ "14. Bundeskongress Politische Bildung", "BuKo 2019", "Workshopleitung" ]
556
Termin-Rückblick 2021 | Infodienst Radikalisierungsprävention | bpb.de
Zu den Termindetails der vergangenen Terminen gelangen Sie, indem Sie auf den Titel der Veranstaltung klicken. Januar Interner Link: Web-Talk: Gemeinsam gegen Extremismus: Herausforderungen für Innen- und Außenpolitik13. Januar 2021, online GIZ-Repräsentanz Berlin Interner Link: Online-Vortrag: Deradikalisierung und Seelsorge im Strafvollzug21. Januar 2021, online Hochschule Esslingen, Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg Interner Link: Fortbildung: CleaRTeaching – Umgang mit neosalafistischen und rechtsextremen Haltungen im schulischen Kontext27. Januar bis 2. Juni 2021, Hamburg Bundeszentrale für politische Bildung, Aktion Gemeinwesen und Beratung Interner Link: Online-Vortrag: Demokratische Bildung in der Schule28. Januar 2021, online Hochschule Esslingen, Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg Februar Interner Link: Online-Vortrag: Radicalisation Hubs in the EU17. Februar 2021, online Radicalisation Awareness Network Interner Link: Online-Fachvortrag: Antimuslimischer Rassismus17. Februar 2021, online BAG RelEx Interner Link: Online Fachtag: Was ist neu und was rechts am antimuslimischen Rassismus?23. Februar 2021, online Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz (AJS) NRW Interner Link: Webtalk-Reihe: Islamistische und rassistische Anschläge – ein Thema für Schule und Unterricht?23. Februar 2021 bis 8. Juni 2021, online Infodienst Radikalisierungsprävention, Bildungsstätte Anne Frank, Georg-Eckert-Institut – Leibniz-Institut für internationale Schulbuchforschung, Museum für islamische Kunst, ufuq.de Interner Link: Online-Talk: Das andere Geschlecht – Täter*innen- und Opfer-Konstruktionen im Phänomenbereich religiös begründeter Extremismus25. Februar 2021, online KN:IX Interner Link: Online-Fachtagung: Mapping und Analyse von Präventions- und Distanzierungsprojekten im Umgang mit islamistischer Radikalisierung26. Februar 2021, online MAPEX-Forschungsverbund März Interner Link: Online-Workshop-Reihe: Islamismus in Social Media – Teil 1: Sozialraum Social Media3. März 2021, online Streetwork Online Interner Link: Online-Workshop-Reihe: Islamismus in Social Media – Teil 2: Phänomenbereich Islamismus10. März 2021, online Streetwork Online Interner Link: Webtalk: Sind wir Charlie? Wie Erfahrungen von Ausgrenzung und Rassismus die Wahrnehmung islamistischer Gewalt beeinflussen11. März 2021, online Infodienst Radikalisierungsprävention, Bildungsstätte Anne Frank, Georg-Eckert-Institut – Leibniz-Institut für internationale Schulbuchforschung, Museum für islamische Kunst, ufuq.de Interner Link: Online-Workshop: "Walking the line" – Chancen, Grenzen und Verantwortung in der Radikalisierungs- und Extremismusforschung12. März 2021, online CoRE-NRW Interner Link: Online-Fachgespräch: Kopf auf, richtiger Islam rein, Kopf zu? Islamische Vereine und Verbände in der Präventionsarbeit15. März 2021, online Akademie der Diözese Rottenburg Stuttgart, Landesarbeitsgemeinschaft Mobile Jugendarbeit/Streetwork Baden-Württemberg e. V. Interner Link: Online-Fachgespräch: Ausstieg aus dem Extremismus16. März 2021, online Evangelisches Bildungszentrum Hospitalhof Stuttgart, Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, Stuttgarter Jugendhaus Gesellschaft Interner Link: Webtalk: Wie lässt sich ein "inklusives Wir" in der Schule stärken?16. März 2021, online Infodienst Radikalisierungsprävention, Bildungsstätte Anne Frank, Georg-Eckert-Institut – Leibniz-Institut für internationale Schulbuchforschung, Museum für islamische Kunst, ufuq.de Interner Link: Online-Workshop-Reihe: Islamismus in Social Media – Teil 3: Online-Radikalisierungsprozesse17. März 2020, online Streetwork Online Interner Link: Online-Seminar: Hate Speech von rechtspopulistischen und islamistischen Akteur*innen18. März 2020, online Wegweiser-Beratungsstellen & Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Interner Link: Online-Workshop-Reihe: Islamismus in Social Media – Teil 4: Online-Prävention24. März 2020, online Streetwork Online Interner Link: Online-Vortrag: #hass – Fake News, Filterblasen und islamistische Online-Propaganda24. März 2021, online Türkische Gemeinde in Schleswig-Holstein e. V. Interner Link: Webtalk: "Du sollst dir (k)ein Bild machen!” Zum Umgang mit Bilderverbot und Satire im Unterricht25. März 2021, online Infodienst Radikalisierungsprävention, Bildungsstätte Anne Frank, Georg-Eckert-Institut – Leibniz-Institut für internationale Schulbuchforschung, Museum für islamische Kunst, ufuq.de Interner Link: Webtalk: Kontroversität und Meinungsfreiheit im Unterricht 30. März 2021, online Infodienst Radikalisierungsprävention, Bildungsstätte Anne Frank, Georg-Eckert-Institut – Leibniz-Institut für internationale Schulbuchforschung, Museum für islamische Kunst, ufuq.de Interner Link: Online-Fachgespräch: Legalistischer Islamismus30. März 2021, online BAG RelEx Interner Link: Online-Vortrag: Islamismus und Salafismus 2021 – Neue Trends und die Lage in Schleswig-Holstein31. März 2021, online Türkische Gemeinde in Schleswig-Holstein e. V. April Interner Link: Webtalk: Über Anschläge, Extremismus und Islamfeindlichkeit im Unterricht sprechen – Anregungen und Materialien8. April 2021, online Infodienst Radikalisierungsprävention, Bildungsstätte Anne Frank, Georg-Eckert-Institut – Leibniz-Institut für internationale Schulbuchforschung, Museum für islamische Kunst, ufuq.de Interner Link: Online-Fachtag: SCHNITT:STELLEN – Erkenntnisse aus Forschung und Beratungspraxis im Phänomenbereich islamistischer Extremismus13. April, online BAG RelEx, FoPraTEx Interner Link: Online-Seminar: Eine Differenzierung von Religion und religiös begründeter Radikalisierung14. April, online Interdisziplinäres Kompetenznetzwerk Radikalisierungsprävention Interner Link: Online-Präsentation: Broschüre "Misch mit! Erfahrungen und Konzepte des demokratiepädagogischen Unterrichts von Kick-off"14. April, online Türkische Gemeinde in Schleswig-Holstein e. V. Interner Link: Online-Ringvorlesung: Religion und BildungAb 19. April 2021, online Universität Bremen, Institut für Religionswissenschaft und -pädagogik Interner Link: Online-Fortbildung: Identitätssplitter Religion. Schule in der Migrationsgesellschaft19. und 26. April, online Bundeszentrale für politische Bildung Interner Link: Webtalk: Religiöse Emotionen, säkulare Emotionen – oder: Wer wird hier eigentlich verletzt?20. April 2021, online Infodienst Radikalisierungsprävention, Bildungsstätte Anne Frank, Georg-Eckert-Institut – Leibniz-Institut für internationale Schulbuchforschung, Museum für islamische Kunst, ufuq.de Interner Link: Online-Seminar: Islam, "Islamismus" und Islamfeindlichkeit - Phänomene und Reaktionsmöglichkeiten22. April 2021, online Interdisziplinäres Kompetenznetzwerk Radikalisierungsprävention Interner Link: Online-Seminar: Radikalisierungsprävention – Handlungskonzepte für die Praxis27. April 2021, online Interdisziplinäres Kompetenznetzwerk Radikalisierungsprävention Interner Link: Online-Fachgespräch: Politische Bildung – vernachlässigt, unterschätzt, doch demokratierelevant?27. April 2021, online Evangelische Akademie Thüringen Interner Link: Webtalk: Gewaltdarstellungen des "IS" – Hintergrund, Wirkung und Anregungen zur pädagogischen Nutzung von künstlerischen Aneignungen27. April 2021, online Infodienst Radikalisierungsprävention, Bildungsstätte Anne Frank, Georg-Eckert-Institut – Leibniz-Institut für internationale Schulbuchforschung, Museum für islamische Kunst, ufuq.de Interner Link: Online-Vortrag: Rechts, Links, Islamistisch – Alles gleich? Die Extremismustheorie in der Präventionsarbeit28. April 2021, online Evangelische Akademie Frankfurt Interner Link: Online-Vortrag: CoRE-NRW Projektvorstellung29. April 2021, online CoRE-NRW Mai Interner Link: Online-Basisschulung: Radikalisierungsprävention für Jugendliche und junge Erwachsene – Kurskonzepte erfolgreich umsetzen4.-5. Mai 2021, online Deutscher Volkshochschul-Verband e. V. Interner Link: Webtalk: Wer muss wann was tun? – Schulrechtliche Regelungen im Umgang mit gewaltbefürwortenden und extremistischen Aussagen und Verhaltensweisen6. Mai 2021, online Infodienst Radikalisierungsprävention, Bildungsstätte Anne Frank, Georg-Eckert-Institut – Leibniz-Institut für internationale Schulbuchforschung, Museum für islamische Kunst, ufuq.de Interner Link: Online-Kongress: 26. Deutscher Präventionstag10. und 11. Mai 2021, online Deutscher Präventionstag Interner Link: Webtalk: Welche Informationen brauchen Schulöffentlichkeit und Medien? Herausforderungen der Kommunikation über Radikalisierungen im Kontext Schule18. Mai 2021, online Infodienst Radikalisierungsprävention, Bildungsstätte Anne Frank, Georg-Eckert-Institut – Leibniz-Institut für internationale Schulbuchforschung, Museum für islamische Kunst, ufuq.de Interner Link: Online-Informationsveranstaltung: CleaRTeaching - Eine Weiterbildung zum Umgang mit Radikalisierungsprozessen im schulischen Kontext20. Mai, online Aktion Gemeinwesen und Beratung e. V., Bundeszentrale für politische Bildung Juni Interner Link: Online Seminar: The New EU Digital Services Act (DSA) – Will Social Media Users Be Safer in the Future?1. Juni, online Counter Extremism Project, Das NETTZ Interner Link: Online-Fachtag: Islamismusprävention – im Osten was Neues? Perspektiven für die Präventionsarbeit in den Neuen Bundesländern 2. Juni, online ufuq.de, Multikulturelles Zentrum Dessau, Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration Sachsen-Anhalt Interner Link: Online-Vortrag: Antisemitismus im legalistischen Islamismus2. Juni, online Amadeu Antonio Stiftung Interner Link: Online-Fachtagung: Familie extrem – Zugänge schaffen und Kinder stärken7. und 8. Juni, online Fachstelle Liberi, PROvention, beRATen e. V. Niedersachsen Interner Link: Webtalk: Was können Museen als Kulturinstitutionen zu Prävention beitragen?8. Juni 2021, online Infodienst Radikalisierungsprävention, Bildungsstätte Anne Frank, Georg-Eckert-Institut – Leibniz-Institut für internationale Schulbuchforschung, Museum für islamische Kunst, ufuq.de Interner Link: Online-Workshop-Reihe: Islamismus in Social Media – Teil 1: Sozialraum Social Media9. Juni 2021, online streetwork@online Interner Link: Online-Workshop-Reihe: Islamismus in Social Media – Teil 2: Phänomenbereich Islamismus10. Juni 2021, online streetwork@online Interner Link: Online-Fortbildung: Identitätssplitter Religion. Schule in der Migrationsgesellschaft14.,15. und 28. Juni 2021, online Bundeszentrale für politische Bildung Interner Link: Online-Workshop-Reihe: Islamismus in Social Media – Teil 3: Online-Radikalisierungsprozesse im islamistischen Kontext16. Juni 2021, online streetwork@online Interner Link: Online-Diskussion: Gender und der Ausstieg aus islamistischem Extremismus17. Juni 2021, online Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Interner Link: Online-Workshop-Reihe: Islamismus in Social Media – Teil 4: Online-Prävention und Grundlagen der Praxis17. Juni 2021, online streetwork@online Interner Link: Fortbildungsreihe: Kinder in islamistisch geprägten Familien – GrundmodulAb 22. Juni 2021, Berlin, Bochum, Hannover & Mainz Fachstelle Liberi – Aufwachsen in salafistisch geprägten Familien; Türkische Gemeinde in Schleswig-Holstein e. V. Interner Link: (Online-)Fachtag: Dimensionen des antimuslimischen Rassismus: Wirkungsweisen verstehen – Handlungsmöglichkeiten aufzeigen23. Juni 2021, Bremen Demokratiezentrum Bremen Interner Link: Online-Fortbildung: Lebenswelten Jugendlicher zwischen Islam und Islamismus24./25. Juni 2021, online Mosaik Deutschland e. V. Interner Link: Online-Fachtag: Verschwörungsideologien und ihre Folgen für Kindeswohl30. Juni 2021, online Bundeszentrale für politische Bildung Interner Link: Online-Basisschulung: Radikalisierungsprävention für Jugendliche und junge Erwachsene – Kurskonzepte erfolgreich umsetzen30. Juni/1. Juli 2021, online Deutscher Volkshochschul-Verband e. V. Juli Interner Link: Online-Fachtagung: Heterogenität im Kontext von Prävention, Sozialer Arbeit, Bildung und Gender1. und 2. Juli 2021, online BAG RelEx Interner Link: Online-Fachgespräch: Städtischer Raum und Radikalisierung8. Juli 2021, online Bundesarbeitsgemeinschaft religiös begründeter Extremismus Interner Link: Online-Fachgespräch: Mediale (Selbst-)Inszenierung in extremistischer Propaganda8. Juli 2021, online Landesarbeitsgemeinschaft Mobile Jugendarbeit/Streetwork Baden-Württemberg e. V. Interner Link: Online-Fachtag: Die Rolle der Medien bei Radikalisierung und Prävention9. Juli 2021, online Landesarbeitsgemeinschaft Mobile Jugendarbeit/Streetwork Baden-Württemberg e. V. August Interner Link: Online-Seminar: Online-Radikalisierungsprozesse und Prävention6. und 7. August 2021, online Bundeszentrale für politische Bildung Interner Link: Online Summer Programme: Preventing, Detecting and Responding to Violent Extremism16.-18. August 2021, online Centre for Professional Learning of Leiden University; International Centre for Counter-Terrorism – The Hague (ICCT) Interner Link: Online-Veranstaltung: Zwischen Hölle und Paradies – Kind sein in radikalisierten Lebenswelten17. August 2021, online TRIAS Berlin Interner Link: Online-Seminar: Mehr Prävention kann nie schaden!?27.-28. August 2021, online Bundeszentrale für politische Bildung Interner Link: Online-Workshop: Es hat Klick gemacht – Islamistische Akteur:innen und Propaganda auf Instagram31. August 2021, online Violence Prevention Network September Interner Link: Online-Veranstaltung: "Wir hören und wir gehorchen." – Über Spiritualität und religiöse Dogmen im Salafismus7. September 2021, online TRIAS Berlin Interner Link: Weiterbildung: Multiplikator:in in Jugend(sozial)arbeit und Erwachsenenbildung im Bereich Verschwörungserzählungen9. September 2021 bis 7. Mai 2022, Berlin sowie online Veranstalter: cultures interactive e. V. Interner Link: Online-Podiumsdiskussion: 20 Jahre 9/119. September 2021, online Bundeszentrale für politische Bildung Interner Link: Online-Fortbildung: Train-the-Trainer 202113.-15. September 2021, online ufuq.de/KN:IX Interner Link: Online-Fortbildung: Train-the-Trainer 2021 für Fachkräfte aus Berlin13. und 14., 27. und 28. September 2021, online ufuq.de Fachstelle in Berlin Interner Link: Workshop: Framing und Radikalisierungsprävention. Wie Sprache unser Denken und Handeln beeinflussen kann15. September 2021, Berlin Interdisziplinäres Kompetenznetzwerk Radikalisierungsprävention Interner Link: Online-Seminar: Wie spreche ich über Islamismus, ohne antimuslimische Ressentiments zu bedienen?15. September 2021, online Evangelische Akademie Frankfurt Interner Link: Online-Seminar: Demokratiegefährdung durch religiösen Fanatismus. Was zieht (junge) Menschen in den religiös begründeten Extremismus?16. September 2021, online Bildungsreihe Fight for Democracy, Falken Bildungs- und Freizeitwerk (FBF) Bergisch Land e. V. Interner Link: Fortbildungsreihe: Kinder in islamistisch geprägten Familien – Aufbaumodul21. September 2021, Berlin Fachstelle Liberi – Aufwachsen in salafistisch geprägten Familien; Türkische Gemeinde in Schleswig-Holstein e. V. Interner Link: Workshop: Beratung in der Radikalisierungsprävention. Wie sich pädagogische Gespräche förderlich gestalten lassen22. September 2021, Berlin Interdisziplinäres Kompetenznetzwerk Radikalisierungsprävention Interner Link: Online-Fortbildung: Train-the-Trainer 2021 für Fachkräfte aus Bayern24. und 25. September 2021, online ufuq.de Fachstelle in Bayern Interner Link: Online-Seminar: 20 Jahre 9/11. Einfluss von Terrorismus- und Sicherheitsdiskursen auf Heranwachsende24. und 25. September 2021, online Bundeszentrale für politische Bildung Interner Link: Online-Workshop: Gender und Online-Radikalisierung – Frauen als extreme Akteurinnen auf Social Media24. September 2021, online Violence Prevention Network Interner Link: Fortbildungsreihe: Kinder in islamistisch geprägten Familien – Aufbaumodul28. September 2021, Mainz Fachstelle Liberi – Aufwachsen in salafistisch geprägten Familien; Türkische Gemeinde in Schleswig-Holstein e. V. Interner Link: Online-Basisschulung: Radikalisierungsprävention für Jugendliche und junge Erwachsene – Kurskonzepte erfolgreich umsetzen28.-29. September 2021, online Deutscher Volkshochschul-Verband e. V. Oktober Interner Link: Fachtagung: Von Empowerment und Abwertung, Emanzipation und Kommerz4. und 5. Oktober 2021, online Bundeszentrale für politische Bildung Interner Link: Workshop: Kein Zugang!? Wie kann Vermittlung von jungen Menschen in radikalisierungspräventive Programme gelingen?6. Oktober 2021, online Interdisziplinäres Kompetenznetzwerk Radikalisierungsprävention Interner Link: Online-Fortbildung: Train-the-Trainer für Fachkräfte aus Psychologie, Therapie und Pädagogik21. und 22., 28. und 29. Oktober, 4. November 2021, online Violence Prevention Network Interner Link: Seminar: Ausprägungen des türkischen Ultranationalismus als Herausforderung für die (politische) Jugendbildung22. und 23. Oktober 2021, Georgsmarienhütte Bundeszentrale für politische Bildung Interner Link: Online-Veranstaltung: "Bruder, sei ein Löwe!" – Über Gender-Konstruktionen in der salafistischen Szene26. Oktober 2021, online TRIAS Berlin Interner Link: Online-Fortbildung: Identitätsfacette Religion. Islam und Schule in der Migrationsgesellschaft26. Oktober 2021, online Bundeszentrale für politische Bildung Interner Link: Seminar: Die Corona-Pandemie in Wahrnehmung und Strategien demokratiefeindlicher Gruppierungen29. und 30. Oktober 2021, Bad Nauheim Bundeszentrale für politische Bildung November Interner Link: Online-Weiterbildung: CleaRTeaching – Eine Weiterbildung zum Umgang mit Radikalisierungsprozessen im schulischen Kontext3. November 2021 bis 20. Mai 2022, online oder Bremen Aktion Gemeinwesen und Beratung e. V., Bundeszentrale für politische Bildung Interner Link: Online-Fachaustausch: Macht von Sprache im Kontext der Präventionsarbeit3. und 4. November 2021, online Deutscher Volkshochschul-Verband Interner Link: Online-Fachaustausch: Internationale Trends in der Tertiärprävention von islamistischem Extremismus4. November 2021, online Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik e. V., Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Interner Link: Online-Fachtagung: Evaluation von Programmen der Demokratieförderung, Vielfaltgestaltung und Extremismusprävention4. November 2021, online Deutsches Jugendinstitut Interner Link: Online-Seminar: Legalistischer oder gewaltablehnender Islamismus als Herausforderung für die Prävention5. und 6. November 2021, online Bundeszentrale für politische Bildung Interner Link: Online-Fachgespräch: Call of Prev. Digitale Spielkultur und phänomenübergreifende Präventionsarbeit9. November 2021, online Kompetenznetzwerk Islamistischer Extremismus (KN:IX), cultures interactive e. V. Interner Link: Fachaustausch: Sprechen über Anschläge und Hasstaten im pädagogischen Raum9. November 2021, Dortmund Multikulturelles Forum e. V. Interner Link: Online-Fachtag: Auswirkungen des Sicherheitsdiskurses auf die Präventionsarbeit von religiös begründetem Extremismus10. und 11. November 2021, online Bundesarbeitsgemeinschaft religiös begründeter Extremismus Interner Link: Online-Fachkonferenz: "Let‘s play: Jihad and Reconquista" –Gamification als Strategie des politischen Extremismus10. und 11. November 2021, online Koordinierungs- und Beratungsstelle Radikalisierungsprävention (KORA) des Demokratie-Zentrums Sachsen Interner Link: Weiterbildung: Vermittlung von juristischen Grundkenntnissen im Bereich Familienrecht11. November 2021, Berlin und 16. November 2021, Hannover Türkische Gemeinde in Schleswig-Holstein e. V. Interner Link: Weiterbildung: Arbeit mit psychosozial auffälligen jungen MenschenOktober 2021 bis März 2022, online und Berlin Denkzeit–Gesellschaft Interner Link: Fachtagung: Radikal, fundamentalistisch, anders – Fachkräfte im Kontakt16. November 2021, Fulda SOCLES, Deutsches Jugendinstitut, cultures interactive e. V. Interner Link: Online-Fachgespräch: Kamil 2.0. Ganzheitliche Präventionsarbeit gegen islamistische Ansprachen16. November 2021, online Kompetenznetzwerk Islamistischer Extremismus (KN:IX), BIG e. V. Interner Link: Online Politik- und Pressegespräch: Umgang mit Rückkehrer:innen17. November 2021, online BAG RelEx Interner Link: Online-Informationsveranstaltung: Weiterbildung CleaRTeaching – Umgang mit Radikalisierungsprozessen im schulischen Kontext18. November 2021, online Aktion Gemeinwesen und Beratung e. V. Interner Link: Online-Fachgespräch: „Mehr als zwei Seiten“. Eine Schulreise von Neukölln nach Israel und in die palästinensischen Gebiete23. November 2021, online Kompetenznetzwerk Islamistischer Extremismus (KN:IX) Interner Link: Online-Fachgespräch: Kindeswohl als extremismusübergreifende Herausforderung25. November 2021, online Fachstelle LiberiInterner Link: Online-Fakultätstag: Der Islam gehört zu Deutschland – und wie!?25. November 2021, online Hochschule EsslingenInterner Link: Online-Fachtag: PrEval – Evaluation von Präventionsmaßnahmen26. November 2021, online Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung Interner Link: Fortbildung: Der Nahostkonflikt – (k)ein Problem für pädagogische Arbeit?26. November 2021, Berlin Bildungswerk Berlin der Heinrich-Böll-StiftungInterner Link: Online-Fachkonferenz: Radikalisierungsprävention in NRW30. November 2021, online Bonn International Centre for Conflict Studie Dezember 2021 Interner Link: Online-Fachgespräch: Nachspielzeit. Fußball im Fokus politischer Bildung8. Dezember 2021, online Kompetenznetzwerk Islamistischer Extremismus (KN:IX), Sozialberatung Stuttgart e. V., VfB-Fanprojekt Stuttgart e. V. Interner Link: Online-Fachgespräch: „Einmal brainwash und zurück“. Verschwörungsmythen erleben14. Dezember 2021, online Kompetenznetzwerk Islamistischer Extremismus (KN:IX), Türkische Gemeinde Baden-Württemberg e. V. Termine, Stellen, News, Materialien, Videos & Hintergrund-InfosNewsletter zu Radikalisierung & Prävention abonnieren Bleiben Sie auf dem Laufenden im Arbeitsfeld Radikalisierungsprävention! Termine, Stellen, News, Materialien, Videos & neue Hintergrund-Beiträge des Infodienst Radikalisierungsprävention – alle sechs Wochen per E-Mail. Interner Link: → Zum Newsletter-Abonnement Januar 13. Januar 2021, online Web-Talk: Gemeinsam gegen Extremismus: Herausforderungen für Innen- und Außenpolitik Wo liegen die wesentlichen Ursachen für die zunehmende Radikalisierung weltweit? Wie können wir ihnen mit zivilen Mitteln und dem staatlichen Sicherheitsmonopol begegnen? Wie wirken sich internationale Konflikte auf die Radikalisierung in Deutschland aus? Welche Mittel hat die deutsche Bundesregierung zur Extremismusbekämpfung gewählt und welche Wege der Prävention beschritten? Wie kann eine erfolgreiche Präventionsarbeit in Deutschland auch Hilfe für die internationale Zusammenarbeit bereitstellen? Über diese Fragen diskutieren: Stephan Mayer, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat Sibylle Katharina Sorg, Leiterin der Abteilung “Krisenprävention, Stabilisierung, Konfliktnachsorge und Humanitäre Hilfe” im Auswärtigen Amt Maral Jekta, “RISE - Jugendkulturelle Antworten auf islamischen Extremismus”, Ufuq e.V. Es gibt einen Gastbeitrag von Prof. Dr. Peter Neumann, Leiter des “International Centre for the Study of Radicalisation and Political Violence” am King’s College London. Termin: 13. Januar 2021, 16:00-17:30 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten der GIZ-Repräsentanz Berlin. 21. Januar 2021, online Online-Vortrag: Deradikalisierung und Seelsorge im Strafvollzug Wie sieht die Zukunft der Demokratie aus? Diese Frage wird in Politik, Wissenschaft und Gesellschaft mit Blick auf extremistische und antidemokratische Haltungen, aber auch mit Blick auf erstarkende neue Bewegungen der jungen Generation kontrovers diskutiert. Die Hochschule Esslingen und die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg gehen mit ihrer Online-Ringvorlesung "Demokratie gestalten! Herausforderungen für zentrale Handlungsfelder demokratischer Bildung" dieser Frage und den zentralen Herausforderungen in verschiedenen Handlungsfeldern nach. Im Online-Vortag "Deradikalisierung und Seelsorge im Strafvollzug" diskutieren Cuma Ülger und Hakan Çelik, beide vom Violence Prevention Network Hessen, sowie der muslimische Seelsorger Husamuddin Meyer die pädagogische Arbeit mit religiös motivierten, gewaltbereiten und delinquenten Inhaftierten. Termin: 21. Januar 2021, 17:30-19:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich; Die Vorträge sind digital zugänglich über das Videokonferenzsystem von Cisco WebEx, das die Hochschule Esslingen nutzt. Weitere Informationen auf den Seiten der Externer Link: lpb Baden-Württemberg 27. Januar bis 2. Juni 2021, Hamburg Fortbildung: CleaRTeaching – Umgang mit neosalafistischen und rechtsextremen Haltungen im schulischen Kontext Die Aktion Gemeinwesen und Beratung e. V. bietet eine Weiterbildung zum/zur Clearingbeauftragten an. Das Angebot richtet sich an Lehrkräfte und Sozialarbeitende an Schulen in Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern, die sich im Umgang mit radikalisierungsgefährdeten Jugendlichen fortbilden möchten. Die Weiterbildung ist gefördert und zertifiziert von der Bundeszentrale für politische Bildung. Sie findet von Januar bis Juli 2021 statt. Termin: 27. Januar bis 2. Juni 2021 Ort: Hamburg Kosten: 450 Euro (inkl. Übernachtung und Vollpension) Anmeldung: bis zum 15. November per E-Mail an lisa.kiefer@die-agb.de Weitere Informationen auf den Seiten der bpb 28. Januar 2021, online Online-Vortrag: Demokratische Bildung in der Schule Wie sieht die Zukunft der Demokratie aus? Diese Frage wird in Politik, Wissenschaft und Gesellschaft mit Blick auf extremistische und antidemoraktische Haltungen, aber auch mit Blick auf erstarkende neue Bewegungen der jungen Generation kontrovers diskutiert. Die Hochschule Esslingen und die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg gehen mit ihrer Online-Ringvorlesung "Demokratie gestalten! Herausforderungen für zentrale Handlungsfelder demokratischer Bildung" dieser Frage und den zentralen Herausforderungen in verschiedenen Handlungsfeldern nach. Im Online-Vortag "Demokratische Bildung in der Schule" diskutieren Sybille Hoffmann und Dejan Mihajlovic, beide vom Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung, Konzepte, Ansätze und normative Grundlagen in der Lehrkräftebildung. Termin: 28. Januar 2021, 17:30-19:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich; Die Vorträge sind digital zugänglich über das Videokonferenzsystem von Cisco WebEx, das die Hochschule Esslingen nutzt. Weitere Informationen auf den Seiten der Externer Link: lpb Baden-Württemberg Februar 17. Februar, online Online-Vortrag: Radicalisation Hubs in the EU Im Online-Vortrag geht es um sogenannte "radicalisation hubs"; Orte, an denen eine vergleichsweise hohe Anzahl radikalisierter Individuen lebt. Ziel dieses Vortrags ist es, anhand der Ergebnisse des RAN-Abschlusspapiers "Die Rolle der Brutstätten der Radikalisierung" Fachwissen zu diesem Thema zu erarbeiten und zu verbreiten. Darüber hinaus werden islamistische und rechtsextremistische "radicalisation hubs" vorgestellt sowie Empfehlungen zu deren Verhinderung oder Bekämpfung diskutiert. Termin: 17. Februar, 16:00-17:45 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von RAN 17. Februar 2021, online Online-Fachvortrag: Antimuslimischer Rassismus In der Veranstaltung wird das Phänomen des antimuslimischen Rassismus sowohl aus theoretischer als auch aus praktischer Perspektive betrachtet. Dabei soll Antimuslimischer Rassismus unter anderem in Bezug auf die zivilgesellschaftliche Prävention von religiös begründetem Extremismus diskutiert werden. Saba-Nur Cheema (Bildungsstätte Anne Frank) wird in ihrem Kurzvortrag eine theoretische Ausführung und Herleitung zum Phänomen geben. Anschließend richtet Zakariyya Meißner (Yallah! Fach- und Präventionsstelle Islamismus und antimuslimischer Rassismus) den Blick auf die pädagogische Praxis. Termin: 17. Februar, 14:00-17:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich; Die Zugangsdaten für das Fachgespräch werden vor der Veranstaltung zugeschickt Weitere Informationen auf den Seiten der Externer Link: BAG RelEx 23. Februar 2021, online Online Fachtag: Was ist neu und was rechts am antimuslimischen Rassismus? Der Fachtag mit Vorträgen und Workshops fragt nach dem Spezifischen und dem Neuen der aktuellen Entwicklungen im antimuslimischen Rassismus. Neben den Mechanismen von antimuslimischem Rassismus im Alltag soll thematisiert werden, inwiefern die Argumentationen der extremen Rechten und die der Mitte anschlussfähig sind. Außerdem wird ein Blick auf die Vielfalt muslimischer Lebenswelten und Identitäten in Deutschland gerichtet und Empowermentperspektiven für Betroffene werden betrachtet. Die Veranstaltung richtet sich an Praktikerinnen und Praktikern aus der Jugendbildungs-, -sozial- und -verbandsarbeit, dem Jugendschutz, der politischen Bildungsarbeit und der Schule. Termin: 23. Februar 2021, 10:00-15:00 Uhr Ort: online Kosten: 15 Euro Anmeldung: ab 18. Januar möglich Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten der Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz (AJS) NRW. 23. Februar bis 8. Juni 2021, online Webtalk-Reihe: Islamistische und rassistische Anschläge – ein Thema für Schule und Unterricht? Die Webtalk-Reihe beleuchtet pädagogische und schulrechtliche Aspekte im Umgang mit islamistischen und rassistischen Gewalttaten im pädagogischen Raum. Dabei geht es insbesondere darum, erfolgversprechende Ansätze vorzustellen und Raum für den Austausch zwischen Lehrkräften, außerschulischen Bildungsakteuren sowie Fachwissenschaftler/-innen zu schaffen. Die Reihe ist eine Kooperation des Infodienst Radikalisierungsprävention, der Bildungsstätte Anne Frank, des Georg-Eckert-Instituts – Leibniz-Institut für internationale Schulbuchforschung, dem Museum für Islamische Kunst und ufuq.de. Der Beitrag von ufuq.de erfolgt im Rahmen des Kompetenznetzwerks Islamistischer Extremismus – KN:IX. Die Webtalk-Reihe umfasst 13 Beiträge. Der letzte Termin findet am 8. Juni statt. Termin: ab 23. Februar 2021, 16:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich; die Anmeldelinks zu den einzelnen Webtalks können im unteren Bereich der Seite angewählt werden Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von ufuq.de. 25. Februar 2021, online Online-Talk: Das andere Geschlecht – Täter*innen- und Opfer-Konstruktionen im Phänomenbereich religiös begründeter Extremismus Das Kompetenznetzwerk "Islamistischer Extremismus" (KN:IX) veranstaltet einen Online-Talk zu diskriminierungskritischen und genderreflektierten Ansätzen in der Extremismusprävention. Dabei werden Erfahrungsberichte von Aussteiger/-innen diskutiert, in deren Biografie Genderfragen eine zentrale Rolle gespielt haben – unter anderem vor dem Hintergrund von Otheringprozessen und Gendernarrativen. Termin: 25. Februar 2021, 17:00 - 19:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: per E-Mail an E-Mail Link: sophie.scheuble@violence-prevention-network.de Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von KN:IX. 26. Februar 2021, online Online-Fachtagung: Mapping und Analyse von Präventions- und Distanzierungsprojekten im Umgang mit islamistischer Radikalisierung Auf der Tagung werden die Ergebnisse des Forschungsprojekts MAPEX diskutiert – "Mapping und Analyse von Präventions- und Distanzierungsprojekten im Umgang mit islamistischer Radikalisierung". Außerdem werden ein Sammelband und eine digitale Landkarte vorgestellt, die aus dem Projekt entstanden sind. Es soll zudem darüber diskutiert werden, welche Themen stärker in Forschung und Praxis bedacht werden müssen, um die Präventions- und Interventionslandschaft weiterzuentwickeln. Termin: 26. Februar 2021, Zeit wird noch bekanntgegeben Ort: online Anmeldung: Externer Link: online möglich Weitere Informationen zu genauer Zeit, Anmeldung und Programm folgen. März 3. März 2021, online Online-Workshop-Reihe: Islamismus in Social Media – Teil 1: Sozialraum Social Media In der vierteiligen Workshopreihe von streetwork@online geht es um islamistische Radikalisierung und Präventionsarbeit in virtuellen Communities. Die teilnehmenden Fachkräfte sollen mittels theoretischer Grundlagen, praktischer Ansätze und anschaulicher Beispiele für die Arbeit mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen sensibilisiert und geschult werden. Im ersten von vier Modulen geht es um den "Sozialraum Social Media". Die Teilnehmenden sprechen über folgende Themen: Nutzungsverhalten von Jugendlichen und jungen Erwachsenen Was macht Social Media für Jugendliche und Extremist/-innen so interessant? Wie kommunizieren junge Menschen in den sozialen Netzwerken? Lebenswelt: Was passiert in virtuellen Communities? Termin: 3. März 2021, 15:00-18:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von streetwork@online 10. März 2021, online Online-Workshop-Reihe: Islamismus in Social Media – Teil 2: Phänomenbereich Islamismus In der vierteiligen Workshopreihe von streetwork@online geht es um islamistische Radikalisierung und Präventionsarbeit in virtuellen Communities. Die teilnehmenden Fachkräfte sollen mittels theoretischer Grundlagen, praktischer Ansätze und anschaulicher Beispiele für die Arbeit mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen sensibilisiert und geschult werden. Im zweiten von vier Modulen geht es um den "Phänomenbereich Islamismus". Die Teilnehmenden sprechen über folgende Themen: Begriffsklärung: Islam, Islamismus, (Neo)Salafismus und religiös begründeter Extremismus Basics und Facts zum Islam Muslimisches Leben in Deutschland Islamistische Strömungen in Deutschland und ihre Inhalte Termin: 10. März 2021, 15:00-18:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von streetwork@online 11. März 2021, online Webtalk: Sind wir Charlie? Wie Erfahrungen von Ausgrenzung und Rassismus die Wahrnehmung islamistischer Gewalt beeinflussen Gewalttaten machen betroffen, aber nicht unbedingt in gleicher Weise. Persönliche und biografische Erfahrungen haben einen Einfluss darauf, welche Bedeutung wir Gewalttaten zumessen und wie wir sie – auch mit Blick auf den eigenen Alltag und das persönliche Sicherheitsgefühl – interpretieren. Im globalisierten Klassenzimmer verbinden sich damit besondere Herausforderungen, aber auch Chancen, um unterschiedliche Perspektiven sichtbar zu machen und zu Perspektivwechseln anzuregen. Dieser Webtalk wird von Dr. Jochen Müller, ufuq.de, gehalten. Der Webtalk ist Teil der Reihe "Islamistische und rassistische Anschläge – ein Thema für Schule und Unterricht?" In der Reihe werden erfolgversprechende Ansätze vorgestellt und es wird Raum für den Austausch zwischen Lehrkräften, außerschulischen Bildungsakteuren sowie Wissenschaftler/-innen geschaffen. Die Reihe ist eine Kooperation folgender Akteure: Infodienst Radikalisierungsprävention, Bildungsstätte Anne Frank, Georg-Eckert-Institut – Leibniz-Institut für internationale Schulbuchforschung, Museum für islamische Kunst und ufuq.de. Termin: 11. März 2021, 16:00-17:30 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von ufuq.de 12. März 2021, online Online-Workshop: "Walking the line" – Chancen, Grenzen und Verantwortung in der Radikalisierungs- und Extremismusforschung Mit welchen Risiken und ethischen Implikationen müssen sich Forschende auseinandersetzen? Welche Erwartungen haben Sicherheitsbehörden an die Forschung? Wie kann die Forschung ihre Unabhängigkeit bewahren? Der Online-Workshop richtet sich an Forschende aus allen Disziplinen sowie Vertreter/-innen aus Behörden, speziell aus Sicherheitsbehörden. Ziel ist es, forschungspraktische und forschungsethische Implikationen der Radikalisierungsforschung unter Forschenden auf Basis der Inputs und der eigenen Erfahrung kritisch zu reflektieren und darüber mit Vertreter/-innen aus den Sicherheitsbehörden in einen konstruktiven, vertrauensbildenden Austausch zu gehen. Termin: 12. März 2021, 9:30-16:15 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: per E-Mail an E-Mail Link: doering@core-nrw.de Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von CoRE-NRW 15. März 2021, online Online-Fachgespräch: Kopf auf, richtiger Islam rein, Kopf zu? Islamische Vereine und Verbände in der Präventionsarbeit Moscheevereine und islamische Verbände nehmen eine wichtige gesellschaftliche Rolle in der Religionsausübung ein. Wegen der Herausforderungen durch den sogenannten Islamischen Staat und der Radikalisierung in Deutschland wurden sie dazu aufgefordert, Präventionsprojekte anzubieten. Mittlerweile existieren einige Projekte, doch es ist weiterhin unklar, welche Rolle sie in der Präventionsarbeit einnehmen können und welche Kompetenzen sie mitbringen. Darüber hinaus bleibt die Frage, ob Präventionsarbeit tatsächlich die Arbeit ist, die islamische Vereine und Verbände leisten sollten. Jens Ostwaldt hat zu dieser Thematik promoviert und wird seine Ergebnisse nach einem Impulsvortrag im Gespräch mit Dr. Hussein Hamdan diskutieren. Termin: 15. März 2021, 18:00-20:00 Uhr Ort: online Kosten: 5 Euro Anmeldung: Bis zum 10. März entweder Externer Link: online oder unter Angabe von Namen, Adresse, Telefonnummer, E-Mail-Adresse an E-Mail Link: rebmann@akademie-rs.de Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten der Landesarbeitsgemeinschaft Mobile Jugendarbeit/Streetwork Baden-Württemberg e. V. 16. März 2021, online Online-Fachgespräch: Ausstieg aus dem Extremismus Welche Kriterien legt man an einen Ausstieg an? Wie können in Ausstiegsprogrammen Risiken für das Begehen von Straftaten kalkuliert werden? Geht es bei der Ausstiegsarbeit um Straffreiheit oder um eine demokratisch orientierte Lebensweise? Muss man unterschiedliche extremistische Phänomenbereiche unterschiedlich behandeln oder wirken gleiche Mechanismen, die man gleich behandeln kann? Über diese und weitere Fragen diskutieren PD Dr. Astrid Rosseger von der Universität Konstanz, Dr. Daniel Köhler vom Kompetenzzentrum gegen Extremismus Baden-Württemberg und Dr. Benno Köpfer vom Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg. Die Online-Veranstaltung ist Teil der "Stuttgarter Präventionsgespräche". Termin: 16. März 2021, 19:00-20:30 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten des Evangelischen Bildungszentrums 16. März 2021, online Webtalk: Wie lässt sich ein "inklusives Wir" in der Schule stärken? Jugendliche habe einen Anspruch auf diskriminierungsfreie Bildung. Dennoch fühlen sich Jugendliche mit Migrationsbiografien nur selten repräsentiert: Die Migrationsgesellschaft ist Alltag, findet aber in Unterricht und Schule häufig nur dann statt, wenn es um Spannungen und Konflikte geht. Umso wichtiger sind Erfahrungen von Zugehörigkeit und Anerkennung, die im Schulalltag vermittelt werden. In diesem Webtalk werden Möglichkeiten aufgezeigt, die Repräsentation und Anerkennung aller Schüler/-innen im Rahmen der Schulentwicklung zu fördern und damit auch der Attraktivität von ausschließenden Gemeinschaftsvorstellungen entgegenzuwirken. Dieser Webtalk wird von Ramses Michael Ouelasti, Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung Hamburg, gehalten. Der Webtalk ist Teil der Reihe "Islamistische und rassistische Anschläge – ein Thema für Schule und Unterricht?" In der Reihe werden erfolgversprechende Ansätze vorgestellt und es wird Raum für den Austausch zwischen Lehrkräften, außerschulischen Bildungsakteuren sowie Wissenschaftler/-innen geschaffen. Die Reihe ist eine Kooperation folgender Akteure: Infodienst Radikalisierungsprävention, Bildungsstätte Anne Frank, Georg-Eckert-Institut – Leibniz-Institut für internationale Schulbuchforschung, Museum für islamische Kunst und ufuq.de. Termin: 16. März 2021, 16:00-17:30 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von ufuq.de 17. März 2020, online Online-Workshop-Reihe: Islamismus in Social Media – Teil 3: Online-Radikalisierungsprozesse In der vierteiligen Workshopreihe von streetwork@online geht es um islamistische Radikalisierung und Präventionsarbeit in virtuellen Communities. Die teilnehmenden Fachkräfte sollen mittels theoretischer Grundlagen, praktischer Ansätze und anschaulicher Beispiele für die Arbeit mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen sensibilisiert und geschult werden. Im dritten von vier Modulen geht es um "Online-Radikalisierungsprozesse im islamistischen Kontext". Die Teilnehmenden sprechen über folgende Themen: Wie Algorithmen, Filterblasen und der Echokammer-Effekt Radikalisierungsprozesse begünstigen können Islamismus Digital: Akteure, Themen, Dynamiken und Gefahren Fake News und Propaganda: Wie werden islamistische Inhalte aufbereitet, damit sie für Jugendliche attraktiv sind? Termin: 17. März 2021, 15:00-18:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von streetwork@online 18. März 2020, online Online-Seminar: Hate Speech von rechtspopulistischen und islamistischen Akteur*innen Die Einen rufen "Allahu Akbar", die Anderen "Ausländer raus". Islamistische und deutschnationalistische Akteur*innen stehen auf verschiedenen Seiten, bekämpfen sich wechselseitig und sind komplett verschieden. Auf den ersten Blick. Doch bei genauerem Hinsehen zeigen sich auch Parallelen. Beide Milieus sind in aller Regel intolerant, gewaltbereit, patriarchal – und damit zutiefst demokratiefeindlich. Aber nicht nur das: die Einen schlagen Kapital aus dem radikalen Auftreten der jeweils Anderen. Denn so können sie scheinbar die eigene, nicht weniger radikale Position legitimieren. Dies und mehr soll im Online-Seminar beleuchtet und diskutiert werden. Dazu bringen die Präventionsprogramme Wegweiser der AWO und des Multikulturellen Forums, das AWO-Projekt Zukunft mit Herz gestalten! sowie die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus ihre Expertise ein. Termin: 18. März 2021, 17:00-19:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Anmeldungen bis zum 5. März an E-Mail Link: lena.berentzen@awo-dortmund.de Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten des Multikulturellen Forum 24. März 2020, online Online-Workshop-Reihe: Islamismus in Social Media – Teil 4: Online-Prävention In der vierteiligen Workshopreihe von streetwork@online geht es um islamistische Radikalisierung und Präventionsarbeit in virtuellen Communities. Die teilnehmenden Fachkräfte sollen mittels theoretischer Grundlagen, praktischer Ansätze und anschaulicher Beispiele für die Arbeit mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen sensibilisiert und geschult werden. Im vierten von vier Modulen geht es um "Online-Prävention und Grundlagen der Praxis". Die Teilnehmenden sprechen über folgende Themen: Online-Prävention: ein Überblick über verschiedene Ansätze Einführung in das Projekt streetwork@online Ansatz, Haltung und Methoden Fallbeispiele mit praktischen Übungen in Kleingruppen Termin: 24. März 2021, 15:00-18:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von streetwork@online 24. März 2021, online Online-Vortrag: #hass – Fake News, Filterblasen und islamistische Online-Propaganda Der Online-Vortrag ist Teil der Online-Vortragsreihe "Islam, Islamfeindlichkeit und Islamismus. Hintergrundinformationen und Handlungsempfehlungen für Fachkräfte" der Fachstelle PROvention. PROvention möchte mit dieser Veranstaltungsreihe Fachkräften aus den Bereichen Schule, Soziale Arbeit, Migrationsberatung, Kinder- und Jugendhilfe sowie anderen Sozialraumakteuren Hintergrundwissen mit an die Hand geben und Unsicherheiten in der beruflichen Praxis abbauen. Termin: 24. März 2021, 14:30-16:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: per E-Mail an E-Mail Link: veranstaltung.provention@tgsh.de Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten der TGS-H 25. März 2021, online Webtalk: "Du sollst dir (k)ein Bild machen!” Zum Umgang mit Bilderverbot und Satire im Unterricht Gibt es tatsächlich ein Bilderverbot im Islam? Welche Rolle spiel(t)en bildliche Darstellungen in der islamisch geprägten Welt? Wie können Karikaturen und das Thema Bilderverbot im Unterricht besprochen werden? Ein Blick auf die Kunst-, Kultur- und Architekturgeschichte islamisch geprägter Regionen zeigt ein vielfältiges Bild. Im Webtalk werden zudem verschiedene Unterrichtsmaterialien zu diesem Thema diskutiert. Dieser Webtalk wird von Prof. Dr. Tarek Badawia, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, gehalten. Der Webtalk ist Teil der Reihe "Islamistische und rassistische Anschläge – ein Thema für Schule und Unterricht?" In der Reihe werden erfolgversprechende Ansätze vorgestellt und es wird Raum für den Austausch zwischen Lehrkräften, außerschulischen Bildungsakteuren sowie Wissenschaftler/-innen geschaffen. Die Reihe ist eine Kooperation folgender Akteure: Infodienst Radikalisierungsprävention, Bildungsstätte Anne Frank, Georg-Eckert-Institut – Leibniz-Institut für internationale Schulbuchforschung, Museum für islamische Kunst und ufuq.de. Termin: 25. März 2021, 16:00-17:30 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von ufuq.de 30. März 2021, online Webtalk: Kontroversität und Meinungsfreiheit im Unterricht Ein Grundsatz der politischen Bildung ist das Kontroversitätsgebot: Was in der Wissenschaft und Politik beziehungsweise in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert wird, soll auch im Unterricht kontrovers dargestellt werden. Wie lässt sich diese Kontroversität im Schulalltag ermöglichen? Wie weit geht die Meinungsfreiheit, wenn Schülerinnen und Schüler oder Teilnehmende von Bildungsangeboten sich provokant bis radikal äußern – zum Beispiel rechtspopulistisch oder religiös begründet? Wo liegen die Grenzen? Wie sollen Lehrende sich verhalten? Und warum ist Kontroversität wichtig? Dieser Webtalk wird von Prof. Dr. Anja Besand, TU Dresden, gehalten. Der Webtalk ist Teil der Reihe "Islamistische und rassistische Anschläge – ein Thema für Schule und Unterricht?" In der Reihe werden erfolgversprechende Ansätze vorgestellt und es wird Raum für den Austausch zwischen Lehrkräften, außerschulischen Bildungsakteuren sowie Wissenschaftler/-innen geschaffen. Die Reihe ist eine Kooperation folgender Akteure: Infodienst Radikalisierungsprävention, Bildungsstätte Anne Frank, Georg-Eckert-Institut – Leibniz-Institut für internationale Schulbuchforschung, Museum für islamische Kunst und ufuq.de. Termin: 30. März 2021, 16:00-17:30 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von ufuq.de 30. März 2021, online Online-Fachgespräch: Legalistischer Islamismus Was bedeuten eigentlich die oftmals synonym verwendeten Begriffe "legalistischer Islamismus", "politischer Islam" und "Islamismus"? Gemeinsam diskutieren die Teilnehmenden und die geladenen Fachleute die politische Bedeutung der Begriffe und die möglichen Folgen der Verwendung. Dazu wird der Blick zunächst auf Österreich und die Entwicklungen rund um die Einrichtung der Dokumentationsstelle Politischer Islam gerichtet. Anschließend wird Deutschland betrachtet und die Auswirkungen der Begriffsdiskussion auf Muslim/-innen sowie der Arbeit muslimischer Verbände und Vereine. Termin: 30. März 2021, 14:00-17:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: per E-Mail an E-Mail Link: event@bag-relex.de Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten der BAG RelEx 31. März 2021, online Online-Vortrag: Islamismus und Salafismus 2021 – Neue Trends und die Lage in Schleswig-Holstein Der Online-Vortrag ist Teil der Online-Vortragsreihe "Islam, Islamfeindlichkeit und Islamismus. Hintergrundinformationen und Handlungsempfehlungen für Fachkräfte" der Fachstelle PROvention. PROvention möchte mit dieser Veranstaltungsreihe Fachkräften aus den Bereichen Schule, Soziale Arbeit, Migrationsberatung, Kinder- und Jugendhilfe sowie anderen Sozialraumakteuren Hintergrundwissen mit an die Hand geben und Unsicherheiten in der beruflichen Praxis abbauen. Termin: 31. März 2021, 14:30-16:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: per E-Mail an E-Mail Link: veranstaltung.provention@tgsh.de Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten der TGS-H April 8. April 2021, online Webtalk: Über Anschläge, Extremismus und Islamfeindlichkeit im Unterricht sprechen – Anregungen und Materialien Lehrkräfte und Autor/-innen stellen verschiedene Lehr- und Lernmaterialien aus den Themenfeldern Extremismus, Gewaltdarstellungen im Internet sowie die Neuauflage der bpb-Handreichung "Schule und religiös begründeter Extremismus” vor. Anschließend finden ein Erfahrungsaustausch und eine offene Fragestunde statt: Welche Materialien eignen sich wofür? Welche Bedarfe gibt es in der Schulpraxis? Dieser Webtalk wird Vertreter/-innen des Infodienst Radikalisierungsprävention und zwischentoene.info sowie von Elif Kapukiran, Hamburger Lehrerin, und Bernd Ridwan Bauknecht, Bonner Religionspädagoge, gehalten. Der Webtalk ist Teil der Reihe "Islamistische und rassistische Anschläge – ein Thema für Schule und Unterricht?" In der Reihe werden erfolgversprechende Ansätze vorgestellt und es wird Raum für den Austausch zwischen Lehrkräften, außerschulischen Bildungsakteuren sowie Wissenschaftler/-innen geschaffen. Die Reihe ist eine Kooperation folgender Akteure: Infodienst Radikalisierungsprävention, Bildungsstätte Anne Frank, Georg-Eckert-Institut – Leibniz-Institut für internationale Schulbuchforschung, Museum für islamische Kunst und ufuq.de. Termin: 8. April 2021, 16:00-17:30 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von ufuq.de 13. April, online Online-Fachtag: SCHNITT:STELLEN – Erkenntnisse aus Forschung und Beratungspraxis im Phänomenbereich islamistischer Extremismus "FoPraTEx – Forschungs-Praxis-Transfer-Islamistischer Extremismus" ist das Netzwerk der wissenschaftlichen Mitarbeitenden des BAMF. Im Rahmen des Online-Fachtags stellen sie erste Ergebnisse aus ihrer Arbeit vor. Die Mitarbeitenden begleiten die verschiedenen zivilgesellschaftlichen und staatlichen Beratungsstellen im Kontext (mutmaßlich) islamistisch radikalisierter Personen. Außerdem unterstützen sie die Arbeit der lokalen Partner der Beratungsstelle "Radikalisierung" des BAMF. Während des Fachtags gibt es unter anderem zwei jeweils einstündige Infoshop-Sequenzen. Die BAG RelEx veranstaltet den Online-Fachtag im Rahmen des KN:IX. Termin: 13. April, 10:00-15:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten der BAG RelEx Ab 14. April, online Online-Seminar: Eine Differenzierung von Religion und religiös begründeter Radikalisierung Was ist der Unterschied zwischen islamistischer, salafistischer und religiös-begründeter Radikalisierung? Was ist der Zusammenhang zwischen einer strikten, mitunter auch konfrontativen, Religionsausübung und Radikalisierung? In diesem Online-Seminar soll der Themenkomplex religiös-begründete Radikalisierung und sein Verhältnis zur Religion betrachtet werden. Neben einer Begriffsdifferenzierung wird es auch um grundsätzliche Fallstricke in diesem Themenfeld gehen. Ein besonderer Schwerpunkt wird ein eher jüngeres Phänomen sein, die sogenannte "gewaltfreie Radikalisierung". Die Veranstaltung ist Teil der Online-Seminarreihe „Religiös begründete Radikalisierung – theoretische Grundlagen und Handlungsmöglichkeiten“ Termin: 14. April, 16:00-18:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten des Interdisziplinären Kompetenznetzwerks Radikalisierungsprävention 14. April, online Online-Präsentation: Broschüre "Misch mit! Erfahrungen und Konzepte des demokratiepädagogischen Unterrichts von Kick-off" In der Online-Präsentation stellt das Team von Kick-off der Türkischen Gemeinde Schleswig-Holstein die Broschüre zu ihrem demokratiepädagogischen Unterricht "Misch mit!" im Jugendstrafvollzug vor. Zunächst werden die dabei gesammelten Erfahrungen und Konzepte vorgestellt. Anschließend gibt es eine Diskussion über die Ergebnisse und die und Erfahrungen der Teilnehmenden mit politischer Bildungsarbeit, insbesondere im Jugendstrafvollzug. Termin: 14. April, 15:00-17:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: bis zum 30. März per E-Mail an E-Mail Link: kick-off@tgsh.de Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten der TGS-H Ab 19. April, online Online-Ringvorlesung: Religion und Bildung Die zunehmende religiöse Diversität macht einen gemeinsamen, überkonfessionellen Religionsunterricht plausibel. In Bremen hat sie im Jahr 2014 zur Einrichtung des interreligiösen Schulfachs „Religion“ geführt. Die Online-Ringvorlesung befasst sich mit wichtigen Problemstellungen überkonfessionellen Religionsunterrichts, zu denen Nachwuchswissenschaftler/-innen fachdidaktische Forschungsfelder vorstellen. Die Veranstaltung findet jeden Montag bis einschließlich 5. Juli statt, außer am 17. und 24. Mai. Termin: ab 19. April immer montags, 18:00-19:30 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: per E-Mail an E-Mail Link: tomma@uni-bremen.de; Der Zugang zu der Veranstaltung erfordert eine einmalige Anmeldung per Mail. Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten der Universität Bremen 19. und 26. April, online Online-Fortbildung: Identitätssplitter Religion. Schule in der Migrationsgesellschaft Wie können Lehrkräfte dazu beitragen, dass Menschen nicht auf ihr "Muslimisch-sein" reduziert werden? Die zweiteilige Online-Fortbildung vermittelt Wissen über die vielfältigen Lebensrealitäten von Musliminnen und Muslimen. Sie regt Lehrkräfte zur Reflexion der eigenen Wahrnehmung an und vermittelt ihnen, wie sie auf Positionen und Verhaltensformen reagieren können, die ihnen problematisch erscheinen. Termin: 19. und 26. April, jeweils 14:00-17:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: bis zum 12. April Interner Link: online möglich Weitere Informationen auf den Seiten der bpb 20. April 2021, online Webtalk: Religiöse Emotionen, säkulare Emotionen – oder: Wer wird hier eigentlich verletzt? Gibt es religiöse und säkulare Emotionen? Werden religiöse Emotionen schneller verletzt als säkulare Emotionen? Oder haben säkulare Menschen keine Emotionen, die verletzt werden können? Was müssen wir aushalten und was nicht? Gelten hier dieselben Erwartungen an religiöse Menschen verschiedener Konfessionen und nicht-religiöse Menschen, oder sind ungleiche Erwartungen im Spiel? Dieser Webtalk wird von Dr. Nur Yasemin Ura, Universität Leipzig, gehalten. Der Webtalk ist Teil der Reihe "Islamistische und rassistische Anschläge – ein Thema für Schule und Unterricht?" In der Reihe werden erfolgversprechende Ansätze vorgestellt und es wird Raum für den Austausch zwischen Lehrkräften, außerschulischen Bildungsakteuren sowie Wissenschaftler/-innen geschaffen. Die Reihe ist eine Kooperation folgender Akteure: Infodienst Radikalisierungsprävention, Bildungsstätte Anne Frank, Georg-Eckert-Institut – Leibniz-Institut für internationale Schulbuchforschung, Museum für islamische Kunst und ufuq.de. Termin: 20. April 2021, 16:00-17:30 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von ufuq.de 22. April, online Online-Seminar: Islam, "Islamismus" und Islamfeindlichkeit - Phänomene und Reaktionsmöglichkeiten Was hat Islam mit Islamismus oder Islamfeindlichkeit zu tun? Im Online-Seminar werden die hinter diesen Begriffen stehenden Aspekte mit Blick auf die Schule erläutert und abgegrenzt. Dabei wird einerseits der Blick auf Kinder und deren Erziehung im sogenannten Islamismus gelegt und andererseits werden die Radikalisierung und die Radikalisierungsprävention von Jugendlichen im Schulkontext betrachtet. Die Veranstaltung ist Teil der Online-Seminarreihe "Religiös begründete Radikalisierung – theoretische Grundlagen und Handlungsmöglichkeiten" Termin: 22. April, 16:00-18:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten des Interdisziplinären Kompetenznetzwerks Radikalisierungsprävention 27. April, online Online-Seminar: Radikalisierungsprävention – Handlungskonzepte für die Praxis Im Umgang mit jungen Menschen, die sich (vermeintlich) religiös-begründet radikalisieren, sind Fachkräfte oft vor besondere Herausforderungen gestellt. Diese zeigen sich unter anderem bei der Einschätzung und Bewertung der individuellen Entwicklung und bei der Kontaktaufnahme mit Jugendlichen. Es stellen sich Fragen wie: Wie "ernst" ist die Lage, und wie kann man mit dem Jugendlichen darüber ins Gespräch kommen? Wen sollte man einbeziehen? An welche Fachkräfte kann man sich wenden, um Unterstützung zu bekommen? Wo gibt es passende Angebote? Ziel dieses Online-Seminars ist es, erste Antworten auf diese Fragen und damit mehr Handlungssicherheit zu finden. Die Veranstaltung ist Teil der Online-Seminarreihe „Religiös begründete Radikalisierung – theoretische Grundlagen und Handlungsmöglichkeiten“ Termin: 27. April, 16:00-18:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten des Interdisziplinären Kompetenznetzwerks Radikalisierungsprävention 27. April, online Online-Fachgespräch: Politische Bildung – vernachlässigt, unterschätzt, doch demokratierelevant? Wie, in welchen sozialen Räumen und in welcher Qualität wird politische Bildung junger Menschen umgesetzt? Unter anderem mit diesen Fragen beschäftigt sich der 16. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung. Die Ergebnisse werden im Rahmen der Online-Veranstaltung mit Blick auf Thüringen diskutiert. Dabei werden die insgesamt schwache Stellung der politischen Bildung sowie ungenutzte Potenziale besprochen. Darüber hinaus sollen Veränderungsbedarfe für den Kinder-und Jugendbereich, aber auch für den Bereich der schulischen Bildung und der Erwachsenenbildung formuliert werden. Termin: 27. April, ab 14:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: per E-Mail an E-Mail Link: gerhardt@ev-akademie-thueringen.de Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten der Evangelischen Akademie Thüringen 27. April 2021, online Webtalk: Gewaltdarstellungen des "IS" – Hintergrund, Wirkung und Anregungen zur pädagogischen Nutzung von künstlerischen Aneignungen Gewaltdarstellungen sind in sozialen Medien weit verbreitet. Dazu gehören neben Bildern von zivilen Opfern in Konfliktregionen auch Darstellungen von rassistischer Gewalt in Deutschland und Europa. Schule und Jugendarbeit können Räume schaffen, um über solche Wahrnehmungen und Emotionen zu sprechen und Kinder und Jugendliche im Umgang mit Gewaltdarstellungen zu stärken. Der Webtalk gibt Anregungen zur pädagogischen Nutzung von künstlerischen Aneignungen von Gewalterfahrungen. Dieser Webtalk wird von Dr. Christoph Günther und Larissa-Diana Fuhrmann, Universität Mainz, gehalten. Der Webtalk ist Teil der Reihe "Islamistische und rassistische Anschläge – ein Thema für Schule und Unterricht?" In der Reihe werden erfolgversprechende Ansätze vorgestellt und es wird Raum für den Austausch zwischen Lehrkräften, außerschulischen Bildungsakteuren sowie Wissenschaftler/-innen geschaffen. Die Reihe ist eine Kooperation folgender Akteure: Infodienst Radikalisierungsprävention, Bildungsstätte Anne Frank, Georg-Eckert-Institut – Leibniz-Institut für internationale Schulbuchforschung, Museum für islamische Kunst und ufuq.de. Termin: 27. April 2021, 16:00-17:30 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von ufuq.de 28. April 2021, online Online-Vortrag: Rechts, Links, Islamistisch – Alles gleich? Die Extremismustheorie in der Präventionsarbeit Extremismusprävention ist Ziel und Auftrag zahlreicher Projekte. Vielfach wird dabei auf das Bild des Hufeisens zurückgegriffen: Die "gute" Mitte der Gesellschaft wird von ihren extremen Rändern bedroht. Dabei stehen Rechtsextremismus, Linksextremismus und Islamismus scheinbar deckungsgleich als Bedrohungen nebeneinander. Tom Uhlig, Bildungsreferent der Bildungsstätte Anne Frank, kritisiert diese Nebeneinanderstellung und warnt vor einer Gleichsetzung der "-ismen". Nach einem Impulsvortrag kann mit ihm über Nutzen und Gefahr der Extremismustheorie für die pädagogische Arbeit diskutiert werden. Die Veranstaltung findet im Rahmen des Netzwerkprojekts "Alles Glaubenssache? Prävention und politische Bildung in einer Gesellschaft der Diversität" der Evangelischen Trägergruppe für gesellschaftspolitische Jugendbildung statt. Termin: 28. April 2021, 14:30-16:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten der Evangelischen Akademie 29. April, online Online-Vortrag: CoRE-NRW Projektvorstellung Sieben neue Forschungsprojekte sind Ende 2020 im Rahmen von CoRE-NRW gestartet. Die vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft NRW (MKW) geförderten Projekte werden etablierte CoRE-NRW-Forschungsthemen vertiefen und neue Schwerpunkte und Perspektiven erschließen. Alle neuen CoRE-NRW Forschungsprojekte stellen sich zwischen März und Juni 2021 online vor. Beim Termin am 29. April werden folgende Projekte vorgestellt: Prof. Johannes Drerup (TU Dortmund): "Bildung und Diskurs zur Islamismusprävention. Pädagogische Ambitionen und kontra-intentionale Effekte" Prof.'in Sabine Damir-Geilsdorf (Uni Köln): "Salafiyya leben. Religiöse Ideale und muslimische Praxis in der postmigrantischen Gesellschaft" Termin: 29. April, 14:00-15:30 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: per E-Mail an E-Mail Link: doering@core-nrw.de Mai 4.-5. Mai 2021, online Online-Basisschulung: Radikalisierungsprävention für Jugendliche und junge Erwachsene – Kurskonzepte erfolgreich umsetzen Die Veranstaltung wird vom Projekt "Prävention und Gesellschaftlicher Zusammenhalt" des Deutschen Volkshochschul-Verband e. V. organisiert. Themen der Veranstaltung sind unter anderem Extremismus und seine Erscheinungsformen in Deutschland, Radikalisierungsmotive und -prozesse von Jugendlichen und jungen Erwachsenen sowie Praktische Ansätze der Präventionsarbeit. Die Veranstaltung richtet sich an Fachkräfte, die mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen arbeiten. Zielgruppe der Veranstaltung sind vhs-Mitarbeitende, Respekt Coaches und Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe. Termin: 4.-5. Mai 2021, 9:30-14:30 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich Weitere Informationen auf Externer Link: volkshochschule.de 6. Mai 2021, online Webtalk: Wer muss wann was tun? – Schulrechtliche Regelungen im Umgang mit gewaltbefürwortenden und extremistischen Aussagen und Verhaltensweisen Lehrkräfte sind oft die ersten, die die Hinwendung von Jugendlichen zu extremistischen Szenen bemerken. Dabei befinden sie sich in einem Zwiespalt zwischen Fürsorge und Bildungsauftrag gegenüber dem/r Schüler/-in und der Verpflichtung, die Mitschüler/-innen zu schützen und die Gefahr von Straftaten abzuwenden. Die Erfahrungen des Projektes "CleaRTeaching – Umgang mit neosalafistischen und rechtsextremen Haltungen im schulischen Kontext" bieten Anregungen, um im Kollegium für das Thema und die damit verbundenen Herausforderungen zu sensibilisieren. Dieser Webtalk wird von Dr. Michael Kiefer, Aktion Gemeinwesen und Beratung e. V. in Düsseldorf, gehalten. Der Webtalk ist Teil der Reihe "Islamistische und rassistische Anschläge – ein Thema für Schule und Unterricht?" In der Reihe werden erfolgversprechende Ansätze vorgestellt und es wird Raum für den Austausch zwischen Lehrkräften, außerschulischen Bildungsakteuren sowie Wissenschaftler/-innen geschaffen. Die Reihe ist eine Kooperation folgender Akteure: Infodienst Radikalisierungsprävention, Bildungsstätte Anne Frank, Georg-Eckert-Institut – Leibniz-Institut für internationale Schulbuchforschung, Museum für islamische Kunst und ufuq.de. Termin: 6. Mai 2021, 16:00-17:30 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von ufuq.de 10. und 11. Mai, online Online-Kongress: 26. Deutscher Präventionstag Das Schwerpunktthema des 26. Deutschen Präventionstags lautet "Prävention orientiert! …planen …schulen …austauschen …" Der Präventionstag findet als Online-Kongress und ohne Publikum vor Ort statt. Die zentrale Plattform „DPT-Foyer“ ist Ausgangspunkt, um auf sämtliche Bereiche des Online-Kongresses zuzugreifen. Das Eröffnungsplenum am ersten Kongresstag wird live übertragen. Danach können die digitalen Tagungsräume besucht werden, in denen man an Plenen, Vorträgen, Projektspots, Begleitveranstaltungen, Theater und der Ausstellungsbühne "DPT-OpenSpace" teilnehmen kann. Kongressteilnehmende können sich per Chat und teilweise per Videocall austauschen und an Diskussionen teilnehmen. Das Foyer ist bis einschließlich 30. September zugänglich. Termin: 10. und 11. Mai, jeweils ab 14:00 Uhr Ort: online Kosten: 145€ (regulärer Tarif), 75€ (ermäßigter Tarif für Arbeitsuchende, Auszubildende, Schwerbehinderte, Rentner/-innen, Schüler/-innen, Studierende sowie Teilnehmende am Bundesfreiwilligendienst) Anmeldung: bis 26. April Externer Link: online möglich Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten des Deutschen Präventionstags 18. Mai 2021, online Webtalk: Welche Informationen brauchen Schulöffentlichkeit und Medien? Herausforderungen der Kommunikation über Radikalisierungen im Kontext Schule "Elfjähriger droht Lehrerin mit Enthauptung” – Gewaltbefürwortende und demokratiefeindliche Äußerungen von Schüler/-innen sorgen für Schlagzeilen. Für die Arbeit mit Schüler/-innen und die Präventionsarbeit in der Schule ist eine solche Aufmerksamkeit allerdings kontraproduktiv. Am Beispiel von konkreten Erfahrungen mit Radikalisierungen von Schüler/-innen geht es in diesem Webtalk darum, Lehrkräfte und Schulleitungen in der Kommunikation mit Schüler/-innen, Eltern und der weiteren Öffentlichkeit zu unterstützen. Dieser Webtalk wird von Christoph Berens, Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung, gehalten. Der Webtalk ist Teil der Reihe "Islamistische und rassistische Anschläge – ein Thema für Schule und Unterricht?" In der Reihe werden erfolgversprechende Ansätze vorgestellt und es wird Raum für den Austausch zwischen Lehrkräften, außerschulischen Bildungsakteuren sowie Wissenschaftler/-innen geschaffen. Die Reihe ist eine Kooperation folgender Akteure: Infodienst Radikalisierungsprävention, Bildungsstätte Anne Frank, Georg-Eckert-Institut – Leibniz-Institut für internationale Schulbuchforschung, Museum für islamische Kunst und ufuq.de. Termin: 18. Mai 2021, 16:00-17:30 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von ufuq.de 20. Mai, online Online-Informationsveranstaltung: CleaRTeaching - Eine Weiterbildung zum Umgang mit Radikalisierungsprozessen im schulischen Kontext Wie erkenne ich Radikalisierungsprozesse an der Schule? Und wie reagiere ich pädagogisch angemessen darauf? Diese Fragen stehen im Zentrum des Weiterbildungsprojektes CleaRTeaching, das von September 2021 bis April 2022 stattfindet und Lehrkräften sowie Schulsozialarbeiter/-innen aus den Bundesländern Berlin, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Thüringen und Bayern offensteht. Im Rahmen der Online-Informationsveranstaltung wird das Projekt CleaRTeaching vorgestellt und es gibt Raum für Fragen und Austausch. Termin: 20. Mai Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: bis zum 18. Mai Interner Link: online möglich Weitere Informationen auf den Seiten von der bpb Juni 1. Juni, online Online Seminar: The New EU Digital Services Act (DSA) – Will Social Media Users Be Safer in the Future? The draft Digital Services Act (DSA), published by the EU Commission in December 2020, seeks to build a safer and better Internet for all EU citizens. At the online seminar, participants will examine the positive and negative aspects of the DSA. The discussion will focus on the question of whether or not this legislation will be capable of protecting EU citizens better from online harm. Participants will have the opportunity to discuss the issues with the speakers following their respective presentations in Q&A segments. The online seminar will be held in English. Date: 1st June 2021; at 3:00 pm Location: online Price: free Sign Up: no need to sign up; you can access the webinar Externer Link: via zoom For further information, please visit Externer Link: the website of Counter Extremism Project 2. Juni, online Online-Fachtag: Islamismusprävention – im Osten was Neues? Perspektiven für die Präventionsarbeit in den Neuen Bundesländern Worin unterscheiden sich die lebensweltlichen Erfahrungen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen zwischen Ost und West – und wie lassen sich diese Unterschiede in der praktischen Arbeit aufgreifen? Im Mittelpunkt des Online-Fachtags steht die Frage nach den besonderen Merkmalen der universellen Islamismusprävention in Sachsen-Anhalt und anderen ostdeutschen Bundesländern. Fachkräfte aus Schule, Jugendhilfe, Polizei und Verwaltung sind eingeladen, Erfahrungen aus Ost- und Westdeutschland auszutauschen und Impulse für die eigene Arbeit mitzunehmen. Der Beitrag von ufuq.de erfolgt im Rahmen des Kompetenznetzwerkes Islamistischer Extremismus / KN:IX. Termin: 2. Juni 9:00-15:30 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von ufuq.de 2. Juni, online Online-Vortrag: Antisemitismus im legalistischen Islamismus Welche Rolle spielt Antisemitismus in islamistischen Organisationen? Im Online-Vortrag wird zunächst geklärt, warum historisch von einem islamischen Antisemitismus gesprochen werden kann. Im Anschluss wird anhand mehrerer Beispiele erläutert, welche Formen von Antisemitismus im Milieu des legalistischen Islamismus in Deutschland auftreten und welchen Stellenwert diese einnehmen. Termin: 2. Juni 2021, ab 18:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: es ist keine Anmeldung notwendig; der Zugang erfolgt über einen Zoom-Link Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten der Amadeu Antonio Stiftung 7. und 8. Juni, online Online-Fachtagung: Familie extrem – Zugänge schaffen und Kinder stärken Wie kann man mit Eltern und Kindern aus radikalisierten Familien umgehen? Die Fachstelle Liberi stellt die Ergebnisse ihrer bundesweiten Untersuchung zum Thema "Kinder in islamistisch und salafistisch geprägten Familien" vor. Neben dem Bereich des religiös begründeten Extremismus gibt es Einblicke in Erfahrungen und Arbeitsansätze aus verwandten Themenfeldern wie Rechtsextremismus und Sekten. Die Teilnehmenden erhalten Handlungsmöglichkeiten zur konkreten Einschätzung von Kindeswohlgefährdung. In Fachvorträgen, Panels und Workshops können sie unterschiedliche Zugangsmöglichkeiten zu entsprechenden Kindern und Familien sowie Arbeitsansätze mit diesen kennenlernen. Termin: 7. Juni: 10:30-15:15 Uhr, 8. Juni: 9:00-13:45 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: per E-Mail an E-Mail Link: fachstelle.liberi@tgsh.de Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von PROvention 8. Juni 2021, online Webtalk: Was können Museen als Kulturinstitutionen zu Prävention beitragen? In der Sitzung stellen die Referenten Inhalte, Methoden und Erfahrungen der Präventionsarbeit aus zwei Projekten zur Diskussion, die am Museum für Islamische Kunst beziehungsweise am Haus Bastian – Zentrum für kulturelle Bildung angesiedelt sind. Anhand von Praxisbeispielen und konzeptionellen Überlegungen erörtern sie die Zusammenhänge (trans-)kultureller und politischer Bildung sowie die Rolle von Kulturinstitutionen im Handlungsfeld der Extremismusprävention. Dieser Webtalk wird von Christopher Förch und Dr. Leonard Schmieding, Haus Bastian – Zentrum für kulturelle Bildung und Roman Singendonk, Museum für Islamische Kunst, gehalten. Der Webtalk ist Teil der Reihe "Islamistische und rassistische Anschläge – ein Thema für Schule und Unterricht?" In der Reihe werden erfolgversprechende Ansätze vorgestellt und es wird Raum für den Austausch zwischen Lehrkräften, außerschulischen Bildungsakteuren sowie Wissenschaftler/-innen geschaffen. Die Reihe ist eine Kooperation folgender Akteure: Infodienst Radikalisierungsprävention, Bildungsstätte Anne Frank, Georg-Eckert-Institut – Leibniz-Institut für internationale Schulbuchforschung, Museum für islamische Kunst und ufuq.de. Termin: 8. Juni 2021, 16:00-17:30 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von ufuq.de 9. Juni 2021, online Online-Workshop-Reihe: Islamismus in Social Media – Teil 1: Sozialraum Social Media In der vierteiligen Workshopreihe von streetwork@online geht es um islamistische Radikalisierung und Präventionsarbeit in virtuellen Communities. Die teilnehmenden Fachkräfte sollen mittels theoretischer Grundlagen, praktischer Ansätze und anschaulicher Beispiele für die Arbeit mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen sensibilisiert und geschult werden. Im ersten von vier Modulen geht es um den "Sozialraum Social Media". Die Teilnehmenden sprechen über folgende Themen: Nutzungsverhalten von Jugendlichen und jungen Erwachsenen Attraktivität von Social Media: Wirkung und Funktion Cyber-Mobbing und Hate Speech: Definitionen und Umgang Wie Algorithmen, Filterblasen und der Echokammer-Effekt Radikalisierungsprozesse begünstigen können. Die Module können auch einzeln gebucht werden. Termin: 9. Juni 2021, 10:00-13:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von streetwork@online 10. Juni 2021, online Online-Workshop-Reihe: Islamismus in Social Media – Teil 2: Phänomenbereich Islamismus In der vierteiligen Workshopreihe von streetwork@online geht es um islamistische Radikalisierung und Präventionsarbeit in virtuellen Communities. Die teilnehmenden Fachkräfte sollen mittels theoretischer Grundlagen, praktischer Ansätze und anschaulicher Beispiele für die Arbeit mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen sensibilisiert und geschult werden. Im zweiten von vier Modulen geht es um den "Phänomenbereich Islamismus". Die Teilnehmenden sprechen über folgende Themen: Grundlagen zur islamischen Theologie und Geschichte Islam und Muslim:innen in Deutschland: Wahrnehmung und Stigma Begriffsklärung: Islamismus und Salafismus Islamistische Narrative mit Beispielen aus der Praxis Die Module können auch einzeln gebucht werden. Termin: 10. Juni 2021, 10:00-13:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von streetwork@online 14., 15. und 28. Juni 2021, online Online-Fortbildung: Identitätssplitter Religion. Schule in der Migrationsgesellschaft Wie können Lehrkräfte dazu beitragen, dass Menschen nicht auf ihr "Muslimisch-sein" reduziert werden? Die Online-Fortbildung vermittelt Wissen über die vielfältigen Lebensrealitäten von Musliminnen und Muslimen. Sie regt Lehrkräfte zur Reflexion der eigenen Wahrnehmung an und vermittelt ihnen, wie sie auf Positionen und Verhaltensformen reagieren können, die ihnen problematisch erscheinen. Die Online-Fortbildung findet an drei verschiedenen Terminen mit demselben Programm statt. Termin: 14. Juni 2021 von 9:00-15:00 Uhr; 15. und 28. Juni 2021 von 10:00-16:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: jeweils bis eine Woche vor dem Termin Interner Link: online möglich Weitere Informationen auf den Seiten der bpb: zum 14. Juni, zum 15. Juni, zum 28. Juni 16. Juni 2021, online Online-Workshop-Reihe: Islamismus in Social Media – Teil 3: Online-Radikalisierungsprozesse im islamistischen Kontext In der vierteiligen Workshopreihe von streetwork@online geht es um islamistische Radikalisierung und Präventionsarbeit in virtuellen Communities. Die teilnehmenden Fachkräfte sollen mittels theoretischer Grundlagen, praktischer Ansätze und anschaulicher Beispiele für die Arbeit mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen sensibilisiert und geschult werden. Im dritten von vier Modulen geht es um "Online-Radikalisierungsprozesse im islamistischen Kontext". Die Teilnehmenden sprechen über folgende Themen: Radikalisierungsprozesse: Faktoren und Katalysatoren Notwendigkeit von Online-Prävention im Phänomenbereich Islamismus Wie sind islamistische Inhalte aufbereitet, damit sie für Jugendliche attraktiv sind? Islamismus online: Akteur:innen, Formate und Anwerbepraxis Die Module können auch einzeln gebucht werden. Termin: 16. Juni 2021, 10:00-13:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von streetwork@online 17. Juni 2021, online Online-Diskussion: Gender und der Ausstieg aus islamistischem Extremismus Welche Bedeutung hat das Geschlecht in Radikalisierungs- und Distanzierungsprozessen? Wie geht die Strafverfolgung mit männlichen und weiblichen extremistischen Straftätern um? Teilnehmende diskutieren bei dieser Online-Veranstaltung mit Experten und Expertinnen aus der zivilgesellschaftlichen Praxis, Strafverfolgung und Forschung die Chancen und Grenzen von gendersensibler Ausstiegsarbeit aus dem islamistischen Extremismus. Die Veranstaltung findet im Rahmen des "International Forum for Expert Exchange on Countering Islamist Extremism" (InFoEx) statt und wird von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) organisiert. Die Veranstaltung findet auf Deutsch mit englischer Übersetzung statt. Die Teilnahme ist per Zoom möglich. Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten der DGAP Termin: 17. Juni 2021, 16:30-18:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich (per Zoom) 17. Juni 2021, online Online-Workshop-Reihe: Islamismus in Social Media – Teil 4: Online-Prävention und Grundlagen der Praxis In der vierteiligen Workshopreihe von streetwork@online geht es um islamistische Radikalisierung und Präventionsarbeit in virtuellen Communities. Die teilnehmenden Fachkräfte sollen mittels theoretischer Grundlagen, praktischer Ansätze und anschaulicher Beispiele für die Arbeit mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen sensibilisiert und geschult werden. Im vierten von vier Modulen geht es um "Online-Prävention und Grundlagen der Praxis". Die Teilnehmenden sprechen über folgende Themen: Online-Prävention: ein Überblick Einführung in das Projekt streetwork@online Online-Streetwork: Ansatz und Methodik Fallbeispiele mit praktischer Übung in Kleingruppen Die Module können auch einzeln gebucht werden. Termin: 17. Juni 2021, 10:00-13:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von streetwork@online Ab 22. Juni 2021, Berlin, Bochum, Hannover & Mainz Fortbildungsreihe: Kinder in islamistisch geprägten Familien – Grundmodul Die Fortbildung setzt sich aus einem zweitägigen Grundmodul und einem eintägigen Aufbaumodul zusammen. Im Grundmodul liegt der inhaltliche Fokus auf Themen wie Sozialisationsbedingungen, Kindeswohlgefährdung und Resilienzförderung. Die Fortbildungsreihe wird in verschiedenen Städten angeboten. Die Termine für das zweitägige Grundmodul sind: Mainz: 22. und 23. Juni Hannover: 20. und 21. Juli Berlin: 10. und 11. August Bochum: 31. August und 1. September Sollte es Corona-bedingt nicht möglich sein, die Fortbildung als Präsenzveranstaltung durchzuführen, wird es zum selben Termin eine Online-Veranstaltung geben. Termin: ab 22. Juni 2021; dienstags von 10:00-16:00 Uhr, mittwochs von 9:00-15:00 Uhr Ort: Mainz, Hannover, Berlin, Bochum Kosten: kostenfrei Anmeldung: bis zum 28. Mai per E-Mail an E-Mail Link: fachstelle.liberi@tgsh.de Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten der TGSH Juni 23. Juni 2021, Bremen (Online-)Fachtag: Dimensionen des antimuslimischen Rassismus: Wirkungsweisen verstehen – Handlungsmöglichkeiten aufzeigen Wie tritt antimuslimischer Rassismus in Erscheinung? Wie unterscheidet er sich von Islamkritik? Wie beeinflusst Rassismus das Bild der muslimischen Frau? Im Rahmen des Fachtages setzen sich die Teilnehmenden mit deutschen Islamdebatten auseinander und beleuchten die Auswirkungen von Rassismus gegen Musliminnen und Muslime. Weiterhin geht es um die Frage, wie Diskriminierungserfahrungen adäquat aufgefangen werden können – insbesondere mit Blick auf junge muslimische Menschen. Die Teilnahme ist vor Ort und online möglich. Termin: 23. Juni 2021, 8:45-16:00 Uhr Ort: Martinsclub Bremen, Buntentorsteinweg 24/26, 28201 Bremen, online Kosten: kostenfrei Anmeldung: per E-Mail bis zum 15. Juni an E-Mail Link: demokratiezentrum-isl@soziales.bremen.de Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten des Demokratiezentrum Bremen 24./25. Juni 2021, online Online-Fortbildung: Lebenswelten Jugendlicher zwischen Islam und Islamismus Die zweitägige Online-Fortbildung richtet sich an Pädagog:innen und Sozialarbeiter:innen. Bei der Online-Fortbildung geht es darum, wie sich extremistische Gruppen Krisensituation zu Nutze machen und versuchen, Jugendliche anzuwerben. Termin: 24. und 25. Juni 2021, 14:00-17:30 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: per E-Mail an E-Mail Link: praevention@mosaik-deutschland.de (bis zum 19. Juni 2021) Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von Mosaik Deutschland e. V. 30. Juni 2021, online Online-Fachtag: Verschwörungsideologien und ihre Folgen für Kindeswohl In Vorträgen und Podiumsdiskussionen geht es bei diesem Online-Fachtag um Verschwörungsideologien und ihre Folgen für Kinder und Jugendliche. Mitarbeitende von Jugend- und Sozialämtern und -einrichtungen bekommen einen Überblick über die Thematik, bestehende Problemfelder und notwendige Verhaltensweisen. Außerdem sollen konkrete Handlungsempfehlungen für die Praxis ausgearbeitet werden. Termin: 30. Juni 2021, 10:00-14:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Interner Link: online möglich Weitere Informationen auf den Seiten der Bundeszentrale für politische Bildung 30. Juni/1. Juli 2021, online Online-Basisschulung: Radikalisierungsprävention für Jugendliche und junge Erwachsene – Kurskonzepte erfolgreich umsetzen Die Veranstaltung wird vom Projekt "Prävention und Gesellschaftlicher Zusammenhalt" des Deutschen Volkshochschul-Verband e. V. organisiert. Themen der Veranstaltung sind unter anderem Extremismus und seine Erscheinungsformen in Deutschland, Radikalisierungsmotive und -prozesse von Jugendlichen und jungen Erwachsenen sowie Praktische Ansätze der Präventionsarbeit. Die Veranstaltung richtet sich an Fachkräfte, die mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen arbeiten. Zielgruppe der Veranstaltung sind vhs-Mitarbeitende, Respekt Coaches und Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe. Termin: 30. Juni/1. Juli 2021, 9:30-14:30 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich Weitere Informationen auf Externer Link: volkshochschule.de Juli 1. und 2. Juli 2021, online Online-Fachtagung: Heterogenität im Kontext von Prävention, Sozialer Arbeit, Bildung und Gender In der zweitägigen Online-Fachtagung geht es um die Themen Migration und Extremismusprävention vor dem Hintergrund von Geschlecht, Alter, Religion, Bildung und Kultur. Das Forschungs- und Förderprojekt „Fem4Dem“ erforscht seit 2019 die heterogene muslimische deutsche Zivilgesellschaft. Auf der Fachtagung werden die Ergebnisse dieser Forschung vorgestellt. "Fem4Dem" ist eine Kooperation der Goethe-Universität Frankfurt und der Universität Osnabrück. Die Teilnahme an der Online-Fachtagung ist per Livestream möglich. Die Zugangsdaten werden vor Tagungsbeginn zugeschickt. Termin: 1. Juli 2021, 16:00-20:00 Uhr und 2. Juli 2021, 9:00-16:30 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: bis zum 25. Juni Externer Link: online möglich Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von Fem4Dem 8. Juli 2021, online Online-Fachgespräch: Städtischer Raum und Radikalisierung In welchem Verhältnis stehen städtischer Raum und Radikalisierung? Wie beziehen Akteur/-innen aus der Prävention räumliche Gegebenheiten in ihre Projektarbeit ein? In Vorträgen wird sowohl die wissenschaftliche Perspektive als auch die Perspektive der praktischen Arbeit auf das Thema beleuchtet. Anschließend besteht die Möglichkeit, sich mit den Referent/-innen und anderen Teilnehmenden auszutauschen. Die Veranstaltung findet im Rahmen des Kompetenznetzwerk Islamistischer Extremismus (KN:IX) statt. Die Teilnahme ist per Zoom möglich. Die Login-Daten werden kurz vor dem Fachgespräch zugeschickt. Termin: 8. Juli 2021, 14:00-16:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: bis zum 6. Juli Externer Link: online möglich Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten der BAG RelEx 8. Juli 2021, online Online-Fachgespräch: Mediale (Selbst-)Inszenierung in extremistischer Propaganda Im Online-Fachgespräch mit Medienwissenschaftler Dr. Bernd Zywietz von jugendschutz.net geht es darum, wie extremistische Personen und Gruppen Bilder und Videos einsetzen, um unterschiedliche Gruppen zu erreichen und ihre politischen oder ideologischen Botschaften zu vermitteln. Die Veranstaltung findet im Rahmen der Reihe "Macht der Sprache – Kommunikation und Gesellschaft" der Akademie der Diözese Rottenburg Stuttgart statt. Die Veranstaltung ist eine Kooperation des Landeskriminalamt Baden-Württemberg, der Türkischen Gemeinde Baden-Württemberg und der Fachstelle Extremismusdistanzierung des Demokratiezentrums Baden-Württemberg. Termin: 8. Juli 2021, 19:00-21:00 Uhr Ort: online Kosten: 5 Euro Anmeldung: Externer Link: online möglich (bis zum 5. Juli 2021) Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten der LAG Mobile Jugendarbeit/Streetwork Baden-Württemberg e. V. 9. Juli 2021, online Online-Fachtag: Die Rolle der Medien bei Radikalisierung und Prävention Sind Medien für die Verbreitung und Verfestigung extremistischer Einstellungen verantwortlich? Können sie auch zur Prävention von Rechtsextremismus, Salafismus und anderen Strömungen beitragen? Beim Online-Fachtag geht es darum, zu verstehen, welche Rolle Medien bei der Radikalisierung spielen und wie extremistische Akteure Medien für ihre Anliegen benutzen. Außerdem geht es um den Umgang junger Menschen mit Medien und Möglichkeiten zur Stärkung ihrer Medienkompetenz. Die Veranstaltung ist eine Kooperation der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart, des Landeskriminalamt Baden-Württemberg, der Türkischen Gemeinde Baden-Württemberg und der Fachstelle Extremismusdistanzierung des Demokratiezentrums Baden-Württemberg. Termin: 9. Juli 2021, 9:00-17:00 Uhr Ort: online Kosten: 30 Euro bzw. 20 Euro (ermäßigt) Anmeldung: Externer Link: online möglich (bis zum 5. Juli 2021) Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten der LAG Mobile Jugendarbeit/Streetwork Baden-Württemberg e. V. August 6. und 7. August 2021, online Online-Seminar: Online-Radikalisierungsprozesse und Prävention Was sind Algorithmen, wie entstehen Echokammern und Filterblasen und inwiefern begünstigen diese Radikalisierungsprozesse? Das Online-Seminar bietet einen umfassenden und interaktiven Einblick in das Feld der Online-Radikalisierungsprävention im Phänomenbereich religiös begründeter Extremismus. Es hat zum Ziel, Fachkräfte zu sensibilisieren und Online-Streetwork als Beispiel für einen praktischen Ansatz zu vermitteln. Dazu werden die Begriffe Islamismus und Salafismus geklärt, einige verbreitete Narrative und Anspracheformen islamistischer Akteure vorgestellt sowie Funktionen sozialer Netzwerke als Leitmedien für Kinder und Jugendliche diskutiert. Außerdem wird der systemische Ansatz aufsuchender Jugendarbeit praxisnah vorgestellt und in Gruppenarbeit gemeinsam erprobt. Termin: 6. August, 14:00 Uhr bis 7. August 2021, 16:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Interner Link: online möglich Weitere Informationen auf den Seiten der Bundeszentrale für politische Bildung 16.-18. August 2021, online Online Summer Programme: Preventing, Detecting and Responding to Violent Extremism How is violent extremism perceived? How is detection and prevention approached and shaped in policies and practice? During the three-day online summer programme, practitioners and researchers will discuss the different academic views on these questions, including critical perspectives. Furthermore, participants of this summer programme will explore the roles and limitations of different stakeholders and approaches and how these relate to each other in their joint efforts to prevent violent extremism. Date: 16th-18th August 2021 Location: online Price: 495 € Sign Up: you can Externer Link: sign up online For further information, please visit Externer Link: the website of Universiteit Leiden 17. August 2021, online Online-Veranstaltung: Zwischen Hölle und Paradies – Kind sein in radikalisierten Lebenswelten Welche Problemstellungen sind bei Kindern aus extremistischen Umfeldern zu beobachten? Wie kann man sich ihren Realitäten annähern? Welche Möglichkeiten gibt es, Kindern aus radikalisierten Kontexten zu helfen? Die Online-Veranstaltung setzt sich mit der spezifischen Sozialisation von Kindern und Jugendlichen in ideologisch geprägten Umfeldern auseinander. Die Veranstaltung findet im Rahmen der dreiteiligen Online-Veranstaltungsreihe "Wachsen – Glauben – Kämpfen: Islamistische Radikalisierung und ihre Auswirkungen auf Kinder, Jugendliche und Familien" statt. Die Veranstaltungen können unabhängig voneinander besucht werden. Termin: 17. August 2021, 20:00-21:30 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: per E-Mail an E-Mail Link: heinrich.vogel@violence-prevention-network.de Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von TRIAS Berlin 27. und 28. August 2021, online Online-Seminar: Mehr Prävention kann nie schaden!? Wie lassen sich Arbeitsroutinen und Strukturen anpassen an ein sich rasch veränderndes Themenfeld wie der Islamismusprävention? In diesem Online-Seminar steht die kritische Reflexion der eigenen Praxis und des eigenen Wissens im Vordergrund. Zu diesem Zweck stellen die Wissenschaftler Sindyan Qasem und Philippe A. Marquardt ihre kritischen Analysen zur gemeinsamen Diskussion. In angeleiteten interaktiven Arbeitsphasen können die Teilnehmenden Kritikpunkte in die jeweils eigenen konkreten Praxiskontexte übertragen. Die Veranstaltung richtet sich an Beschäftigte und Aktive in der Jugend-, Sozial- und Bildungsarbeit sowie in Wissenschaft und Verwaltung. Termin: 27. August, 14:00 Uhr bis 28. August 2021, 16:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei; die bpb übernimmt nach bestätigter Anmeldung die Kosten für Übernachtung und Verpflegung Anmeldung: Interner Link: online möglich Weitere Informationen auf den Seiten der Bundeszentrale für politische Bildung 31. August 2021, online Online-Workshop: Es hat Klick gemacht – Islamistische Akteur:innen und Propaganda auf Instagram Der Online-Workshop beleuchtet grundlegende Funktionsweisen der Plattform Instagram sowie deren Attraktivität für Jugendliche und erklärt, wie islamistische Akteur:innen Instagram für sich nutzen. Am Beispiel aktuell relevanter Profile wird gemeinsam analysiert, wie Islamist:innen versuchen, die Plattform für sich zu nutzen und auf welche Narrative sie dabei zurückgreifen. Der Workshop richtet sich an Praktiker:innen und Wissenschaftler:innen aus der Präventions- und Interventionsarbeit (on-/offline), Fachkräfte und Interessierte. Förderungsbedingt richtet sich das Angebot vorrangig an Personen aus dem Raum Hessen und Berlin. Termin: 31. August 2021, 10:00-12:30 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: bis zum 27. August per E-Mail an E-Mail Link: meike.kraemer@violence-prevention-network.de Weitere Informationen auf den Seiten von Externer Link: Violence Prevention Network September 7. September 2021, online Online-Veranstaltung: "Wir hören und wir gehorchen." – Über Spiritualität und religiöse Dogmen im Salafismus Wie geht man damit um, wenn Patient/-innen versuchen, Probleme religiös zu deuten? Welche Narrative sind dabei häufig anzutreffen? Welche Rollen können Psychotherapeut/-innen gegenüber betroffenen Patient/-innen einnehmen? In der Online-Veranstaltung geht es um die Rolle von Spiritualität und religiösen Dogmen in der salafistischen Szene und den daraus resultierenden Herausforderungen, mit denen Psychotherapeut/-innen konfrontiert werden. Die Veranstaltung findet im Rahmen der dreiteiligen Online-Veranstaltungsreihe "Wachsen – Glauben – Kämpfen: Islamistische Radikalisierung und ihre Auswirkungen auf Kinder, Jugendliche und Familien" statt. Die Veranstaltungen können unabhängig voneinander besucht werden. Termin: 7. September 2021, 20:00-21:30 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: per E-Mail an E-Mail Link: heinrich.vogel@violence-prevention-network.de Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von TRIAS Berlin 9. September 2021 bis 7. Mai 2022 Weiterbildung: Multiplikator:in in Jugend(sozial)arbeit und Erwachsenenbildung im Bereich Verschwörungserzählungen Die zertifizierte Weiterbildung widmet sich in sechs Modulen der Geschichte von Verschwörungen, ihren psychologischen Wirkungsweisen und Verknüpfungen mit Gender, Antisemitismus, Gewalt und Gesundheit. Die Teilnehmenden lernen pädagogisches Handwerkszeug und Methoden kennen sowie Herangehensweisen in der Beratung von und im Umgang mit Anhänger:innen oder deren Angehörigen. Die Module finden an folgenden Terminen statt: 1. Modul: 9. bis 11. September 2021 (Berlin) 2. Modul: 8. und 9. Oktober 2021 (Zoom) 3. Modul: 16. bis 18. November 2021 (Zoom) 4. Modul: 14. und 15. Januar 2022 (Zoom) 5. Modul: 11. und 12. März 2022 (Berlin) 6. Modul: 6. und 7. Mai 2022 (Berlin) Sollten Termine vor Ort pandemiebedingt nicht möglich sein, finden die Präsenzmodule ebenfalls per Zoom statt. Termin: 9. September 2021 bis 7. Mai 2022 Ort: Berlin, der genaue Ort wird noch nach Anmeldung bekannt gegeben Kosten: 150,00 Euro; anfallende Reise- und Übernachtungskosten zu den Präsenzmodulen in Berlin werden gemäß dem Bundesreisekostengesetz übernommen Anmeldung: bis zum 10. August per Einreichen des Externer Link: Bewerbungsformulars möglich an E-Mail Link: bildung@veritasberatung.de Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von Veritas Beratung 9. September 2021, online Online-Podiumsdiskussion: 20 Jahre 9/11 Gespräch anlässlich des 20. Jahrestages der Terroranschläge vom 11. September 2001 in den USA und der gegenwärtigen politischen Lage in Afghanistan Podiumsgäste: Dr. Hendrik Hegemann, Politikwissenschaftler und Autor, Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik, Universität Hamburg Rolf Tophoven, Terrorismusexperte, Journalist und Autor Dr. Katja Mielke, Sozialwissenschaftlerin am Internationalen Konversionszentrum Bonn (BICC) Dr. Anja Seiffert, Projektbereichsleitung Einsatzbegleitung und -dokumentation, Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften Potsdam Termin: 15. September 2021, 18:00-19:00 Uhr Ort: online, Livestream der bpb Kosten: kostenlos Anmeldung: nicht erforderlich Weitere Informationen auf den Seiten der Bundeszentrale für politische Bildung 13.-15. September 2021, Berlin Online-Fortbildung: Train-the-Trainer 2021 Ziel der Fortbildung ist es, pädagogisch und thematisch bereits "vorgebildete" Teilnehmer:innen in die Lage zu versetzen, selbst Fortbildungen oder vergleichbare Formate zu konzipieren und durchzuführen, die sich auseinandersetzen mit Fragen und Konflikten in Jugend(sozial)arbeit, Pädagogik, politischer Bildung und (universeller) Prävention im Themenfeld Islam, antimuslimischer Rassismus und Islamismusprävention. Die Fortbildung richtet sich unter anderem an Multiplikator:innen aus Verwaltung und Zivilgesellschaft, Betreuer:innen von Referendar:innen oder Mitarbeitende von Präventionsprojekten. Die Fortbildung wird von ufuq.de im Rahmen des Kompetenznetzwerks Islamistischer Extremismus (KN:IX) angeboten. Termin: 13. bis 15. September 2021 Ort: online Kosten: Die Teilnahme am Seminar ist kostenlos. Das bundesweite Train-the-Trainer wird vor dem Hintergrund der Unsicherheit aufgrund der Corona-Lage nicht wie angekündigt in Präsenz, sondern online stattfinden. Anmeldung: per E-Mail an E-Mail Link: jochen.mueller@ufuq.de Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von ufuq.de 13. und 14., 27. und 28. September 2021, online Online-Fortbildung: Train-the-Trainer 2021 für Fachkräfte aus Berlin Ziel der fünftägigen Fortbildung ist es, pädagogischen Fachkräften Einblicke in die Lebenswelten und Perspektiven von Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Kontext von Islam, antimuslimischem Rassismus und Islamismus zu geben. Außerdem bietet die Fortbildung Raum für (Selbst-)Reflektion, Fachaustausch und Vernetzung. Die Fortbildung richtet sich an pädagogische Fach- und Lehrkräfte, Multiplikator:innen, Referendar:innen, Schulpsycholog:innen und Mitarbeitende von Präventionsprojekten sowie zivilgesellschaftlichen Trägern aus Berlin. Im Oktober gibt es einen Evaluationstag zur Fortbildung, der mit den Teilnehmenden noch abgestimmt wird. Die Veranstaltung wird gefördert von der Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung, Berlin und vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms "Demokratie leben!". Termin: 13. und 14., 27. und 28. September 2021, jeweils 10:00-16:00 Uhr Ort: online Kosten: 40 Euro Anmeldung: per E-Mail an E-Mail Link: fachstelle-in-berlin@ufuq.de Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von ufuq.de 15. September 2021, Berlin Workshop: Framing und Radikalisierungsprävention. Wie Sprache unser Denken und Handeln beeinflussen kann Welche Botschaften und Narrative haben sich im Bereich der religiös begründeten Radikalisierung innerhalb der letzten Jahre implizit und explizit herausgebildet? Welche "geframten" Bilder erzeugen Konfliktpotentiale und können sich unterschiedliche Akteure auf eine gemeinsame Sprache einigen? Wie kann der Austausch darüber strukturiert und übergreifend funktionieren und wo beginnt die praktische Veränderung? Prof. Dr. Sabine Schiffer führt in das Thema ein, stellt eine Framing-Analyse vor und begleitet die Arbeitsgruppen durch den praxisrelevanten Austausch. Termin: 15. September 2021, 9:30-14:30 Uhr Ort: Medical School Berlin, Rüdesheimerstr. 50, 14197 Berlin Kosten: kostenlos Anmeldung: Externer Link: online möglich Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten des Interdisziplinären Kompetenznetzwerk Radikalisierungsprävention 15. September 2021, online Online-Seminar: Wie spreche ich über Islamismus, ohne antimuslimische Ressentiments zu bedienen? Antimuslimische Ressentiments sind in breiten Gesellschaftsschichten verankert. Auch pädagogische Settings sind nicht frei von antimuslimischen Fremdzuschreibungen. Unter diesen Voraussetzungen scheint ein Sprechen über Islamismus kaum möglich, ohne antimuslimischen Rassismus zu reproduzieren. Wie können Fachkräfte dennoch den pädagogischen Raum schützen vor einem Weltbild, das Andersdenkende, Frauen und LGBTQ diskriminiert und Antisemitismus befördert? Referentin: Canan Korucu, ufuq.de. Termin: 15. September 2021, 14:30-16:00 Uhr Ort: online, per Zoom Kosten: kostenlos Anmeldung: Externer Link: online möglich Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten der Evangelischen Akademie Frankfurt 16. September 2021, online Online-Seminar: Demokratiegefährdung durch religiösen Fanatismus. Was zieht (junge) Menschen in den religiös begründeten Extremismus? Was unterscheidet Religiosität von religiösem Radikalismus/Extremismus? Wer sind die Akteure? Was sind Radikalisierungsmerkmale und welche Menschen werden wie und warum radikal? Wie umgehen mit Antisemitismus? Und wie kann eine sinnvolle Prävention aussehen? Referentin Sevdanur Özcan ist Religionspädagogin und Mitarbeiterin der Stadt Wuppertal im Projekt "Wegweiser" gegen gewaltbereiten Islamismus im Bergischen Land. Termin: 16. September 2021, 19:00 Uhr Ort: online, per Zoom Kosten: kostenlos Anmeldung: Externer Link: online möglich Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten der Bildungsreihe Fight for Democracy 21. September 2021, Berlin Fortbildungsreihe: Kinder in islamistisch geprägten Familien – Aufbaumodul Die Fortbildung setzt sich aus einem zweitägigen Grundmodul und einem eintägigen Aufbaumodul zusammen. Im Fokus des Aufbaumoduls stehen der Erfahrungsaustausch zu Fällen, in denen Kinder und Jugendliche involviert sind, sowie die Erarbeitung von Ansätzen zur Arbeit mit Kindern. Das Aufbaumodul richtet sich vor allem an Akteur:innen aus der Tertiärprävention und der Rückkehrkoordination. Die Fortbildungsreihe wird in verschiedenen Städten angeboten. Sollte es Corona-bedingt nicht möglich sein, die Fortbildung als Präsenzveranstaltung durchzuführen, wird es zum selben Termin eine Online-Veranstaltung geben. Termin: 21. September 2021, 9:00-16:00 Uhr Ort: Berlin Kosten: kostenfrei Anmeldung: bis zum 9. Juli per E-Mail an E-Mail Link: fachstelle.liberi@tgsh.de Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten der TGSH 22. September 2021, Berlin Workshop: Beratung in der Radikalisierungsprävention. Wie sich pädagogische Gespräche förderlich gestalten lassen Welche Ansätze der pädagogischen Beratungsarbeit haben sich in der Praxis als besonders erfolgversprechend gezeigt? Welche Rolle spielt das soziale System in der Einschätzung und weiterführenden Arbeit mit Klient/-innen? Wie kann eine Eingliederung in förderliche soziale Umfelder gelingen? Im Workshop stellen verschiedene Akteure aus der Praxis ihre Ansätze der Beratungsarbeit und ihre Arbeitsweise vor und diskutieren mit den Teilnehmenden. Termin: 22. September 2021, 9:30-14:30 Uhr Ort: Medical School Berlin, Rüdesheimerstr. 50, 14197 Berlin Kosten: kostenlos Anmeldung: Externer Link: online möglich Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten des Interdisziplinären Kompetenznetzwerks Radikalisierungsprävention 24. und 25. September 2021, online Online-Fortbildung: Train-the-Trainer 2021 für Fachkräfte aus Bayern Ziel der zweitägigen Fortbildung ist es, pädagogischen Fachkräften Einblicke in die Lebenswelten und Perspektiven von Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Kontext von Islam, antimuslimischem Rassismus und Islamismus zu geben. Außerdem bietet die Fortbildung Raum für (Selbst-)Reflektion, Fachaustausch und Vernetzung. Die Fortbildung richtet sich an pädagogische Fachkräfte der schulischen und außerschulischen Jugendarbeit sowie an Multiplikator:innen aus Verwaltung und Zivilgesellschaft in Bayern im Themenfeld Islam, Rassismus und Islamismusprävention. Die Veranstaltung wird gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms "Demokratie leben!" sowie vom Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales. Termin: 24. und 25. September 2021, jeweils 9:00-18:00 Uhr Ort: online Kosten: 25 Euro Anmeldung: per E-Mail an E-Mail Link: m.ayanoglu@ufuq.de Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von ufuq.de 24. und 25. September 2021, online Online-Seminar: 20 Jahre 9/11. Einfluss von Terrorismus- und Sicherheitsdiskursen auf Heranwachsende Wie sehr prägt der Sicherheitsdiskurs die öffentlichen Bilder von "dem" Islam und "den" Musliminnen und Muslimen? Welche Wirkung haben diese Diskurse auf muslimische (oder muslimisch gelesene) Heranwachsende? Wie können diskriminierungssensible Jugendprojekte aussehen, in denen Jugendliche eigene Ängste artikulieren, mediale Bilder verarbeiten sowie ihre politischen Haltung stärken können? Diesen und weiteren Fragen widmet sich das Seminar mit einer Mischung aus Inputs und interaktiven Gruppenphasen. Termin: 24. September 2021, 14:00-18:00 Uhr und 25. September 2021, 9:30-14:00 Uhr Ort: online, per Zoom Kosten: kostenlos Anmeldung: Interner Link: online möglich Weitere Informationen auf den Seiten der Bundeszentrale für politische Bildung 24. September 2021, online Online-Workshop: Gender und Online-Radikalisierung – Frauen als extreme Akteurinnen auf Social Media Der Online-Workshop setzt sich mit der Rolle von Frauen als Online-Akteurinnen im Bereich des islamistischen Extremismus auseinander. In der Vergangenheit wurden Frauen häufig lediglich als unwissende Opfer von Propaganda wahrgenommen und dargestellt. Dabei werden zum einen veraltete Geschlechterbilder reproduziert und zum anderen werden aktive Rollen ignoriert, die Frauen als Trägerinnen und Vermittlerinnen islamistischer Ideologien spielen. Die Frage, wie Frauen im Kontext von islamistischem Extremismus auf Social-Media-Plattformen agieren, steht daher im Mittelpunkt des Workshops. Der Workshop richtet sich an Praktiker:innen und Wissenschaftler:innen aus der Präventions- und Interventionsarbeit (on-/offline), Fachkräfte und Interessierte. Förderungsbedingt richtet sich das Angebot vorrangig an Personen aus dem Raum Hessen und Berlin. Termin: 24. September 2021, 10:00-12:30 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: bis zum 22. September per E-Mail an E-Mail Link: meike.kraemer@violence-prevention-network.de Weitere Informationen auf den Seiten von Externer Link: Violence Prevention Network 28. September 2021, Mainz Fortbildungsreihe: Kinder in islamistisch geprägten Familien – Aufbaumodul Die Fortbildung setzt sich aus einem zweitägigen Grundmodul und einem eintägigen Aufbaumodul zusammen. Im Fokus des Aufbaumoduls stehen der Erfahrungsaustausch zu Fällen, in denen Kinder und Jugendliche involviert sind, sowie die Erarbeitung von Ansätzen zur Arbeit mit Kindern. Das Aufbaumodul richtet sich vor allem an Akteur:innen aus der Tertiärprävention und der Rückkehrkoordination. Die Fortbildungsreihe wird in verschiedenen Städten angeboten. Sollte es Corona-bedingt nicht möglich sein, die Fortbildung als Präsenzveranstaltung durchzuführen, wird es zum selben Termin eine Online-Veranstaltung geben. Termin: 28. September 2021, 9:00-16:00 Uhr Ort: Mainz Kosten: kostenfrei Anmeldung: bis zum 9. Juli per E-Mail an E-Mail Link: fachstelle.liberi@tgsh.de Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten der TGSH 28.-29. September 2021, online Online-Basisschulung: Radikalisierungsprävention für Jugendliche und junge Erwachsene – Kurskonzepte erfolgreich umsetzen Die Veranstaltung wird vom Projekt "Prävention und Gesellschaftlicher Zusammenhalt" des Deutschen Volkshochschul-Verband e. V. organisiert. Themen der Veranstaltung sind unter anderem Extremismus und seine Erscheinungsformen in Deutschland, Radikalisierungsmotive und -prozesse von Jugendlichen und jungen Erwachsenen sowie Praktische Ansätze der Präventionsarbeit. Die Veranstaltung richtet sich an Fachkräfte, die mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen arbeiten. Zielgruppe der Veranstaltung sind vhs-Mitarbeitende, Respekt Coaches und Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe. Termin: 28.-29. September 2021, 9:30-14:30 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich Weitere Informationen auf Externer Link: volkshochschule.de Oktober 4. und 5. Oktober 2021, online Fachtagung: Von Empowerment und Abwertung, Emanzipation und Kommerz Bei der Fachtagung geht es um HipHop-Kultur in der jugendkulturellen politischen Bildung sowie Radikalisierungsprävention. Außerdem werden folgende Themen besprochen: das Verhältnis von Gewaltdarstellungen und Gewaltausübung, anti-demokratische und anti-emanzipatorische Strömungen im Rap, Geschichte und gegenwärtige Potenziale von Antirassismus, Emanzipation und Empowerment im Hip-Hop und Anknüpfungspunkte für politische (Jugend-)Bildung. Die Tagung findet im Rahmen der Aktivitäten des Verstärker-Netzwerks im Bereich der Islamismusprävention statt. Termin: 4. und 5. Oktober 2021 Ort: pentahotel Leipzig, Großer Brockhaus 3, 04103 Leipzig Kosten: Teilnahme und Übernachtung sind kostenfrei. Die Anreisekosten werden nicht übernommen. Anmeldung: bis zum 18. August Interner Link: online möglich Weitere Informationen auf den Seiten der Bundeszentrale für politische Bildung 6. Oktober 2021, Berlin Workshop: Kein Zugang!? Wie kann Vermittlung von jungen Menschen in radikalisierungspräventive Programme gelingen? Wie kann religiös begründete Radikalisierung bei jungen Menschen erkannt werden, und wie können sie erfolgreich in ambulante Programme der Radikalisierungsprävention vermittelt werden? Der Workshop bietet die Möglichkeit, über die Erfahrungen und Erkenntnisse aus der Arbeit in der offenen Kinder- und Jugendhilfe und im Jugendamt ins Gespräch zu kommen. Dabei geht es vor allem um die Frage, in welchem Kontext die Teilnehmer/-innen mit religiös begründeter Radikalisierung in Berührung gekommen sind. Außerdem werden Erfahrungswerte aus einem Forschungsprojekt zu dem Thema vorgestellt, um Handlungsmöglichkeiten für zuweisende Stellen zu formulieren. Termin: 6. Oktober 2021, 9:30-14:30 Uhr Ort: Medical School Berlin, Rüdesheimerstr. 50, 14197 Berlin Kosten: kostenlos Anmeldung: Externer Link: online möglich Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten des Interdisziplinären Kompetenznetzwerks Radikalisierungsprävention 21. und 22., 28. und 29. Oktober, 4. November 2021, online Online-Fortbildung: Train-the-Trainer für Fachkräfte aus Psychologie, Therapie und Pädagogik Was kann die Psychotherapie in der selektiven und indizierten Prävention leisten? Wie können pädagogische Fachkräfte selbst Problemlagen erkennen und von Methoden der Psychotherapie praktisch profitieren? Welche Hilfsmittel stehen ihnen dabei zur Verfügung? Diesen und weiteren Fragen widmet sich die digitale Train-the-Trainer-Qualifizierung des Kompetenznetzwerks Islamistischer Extremismus (KN:IX). Erörtert werden verschiedene Aspekte von (De-)Radikalisierungsprozessen sowie praxisrelevanten Methoden, um pädagogische Präventionsarbeit und Psychotherapie zu vernetzen. Dazu sind eine Reihe von Expert:innen aus psychologischen, psychotherapeutischen und pädagogischen Fachgebieten eingeladen. Die Fortbildung richtet sich an angehende wie erfahrene Fachkräfte aus den Bereichen Extremismusprävention und Deradikalisierung. Sie findet in drei separaten Modulen statt. Termin: 21. und 22., 28. und 29. Oktober, 4. November 2021 Ort: online, über Zoom Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich Weitere Informationen auf den Seiten des Externer Link: Kompetenznetzwerks Islamistischer Extremismus (KN:IX) 22. und 23. Oktober 2021, Georgsmarienhütte Seminar: Ausprägungen des türkischen Ultranationalismus als Herausforderung für die (politische) Jugendbildung Im Seminar werden verschiedene Ausprägungen des türkischen Ultranationalismus in den Blick genommen – beispielsweise die sogenannten Grauen Wölfe. Dabei werden Geschichte und Ideologie des türkischen Ultranationalismus eine Rolle spielen; der Fokus wird jedoch auf den pädagogischen und gesellschaftlichen Herausforderungen liegen, die in diesem Zusammenhang auftreten. Termin: 22. und 23. Oktober 2021 Ort: Bildungsstätte Haus Ohrbeck, Am Boberg 10, 49124 Georgsmarienhütte Kosten: kostenfrei Anmeldung: Interner Link: online möglich Weitere Informationen auf den Seiten der Bundeszentrale für politische Bildung 26. Oktober 2021, online Online-Veranstaltung: "Bruder, sei ein Löwe!" – Über Gender-Konstruktionen in der salafistischen Szene Wie ist die Rückbesinnung auf tradierte Rollenbilder zu deuten? Welche Herausforderungen ergeben sich daraus für die psychotherapeutische Praxis? In der Online-Veranstaltung geht es um traditionelle Rollenbilder im Salafismus wie das religiös begründete Verständnis der Rollen von Männern und Frauen, das sich gegen moderne Geschlechtervorstellungen richtet. Die Veranstaltung findet im Rahmen der dreiteiligen Online-Veranstaltungsreihe "Wachsen – Glauben – Kämpfen: Islamistische Radikalisierung und ihre Auswirkungen auf Kinder, Jugendliche und Familien" statt. Die Veranstaltungen können unabhängig voneinander besucht werden. Termin: 26. Oktober 2021, 20:00-21:30 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: per E-Mail an E-Mail Link: heinrich.vogel@violence-prevention-network.de Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von TRIAS Berlin 26. Oktober 2021, online Online-Fortbildung: Identitätsfacette Religion. Islam und Schule in der Migrationsgesellschaft Wie beeinflussen aktuelle öffentliche Diskussionen über den Islam die eigene Wahrnehmung und damit auch die pädagogische Praxis? Wie können Lehrerinnen und Lehrer dazu beitragen, dass Schülerinnen und Schüler nicht auf ihr "Muslimisch-sein" reduziert werden? Wie kann man als Lehrkraft unterschiedliche Perspektiven einbeziehen und gleichzeitg darauf achten, dass Religionszugehörigkeit nicht als einzig prägendes Identitätsmerkmal herangezogen wird? Die Fortbildung greift Fragen von Lehrerinnen und Lehrern auf und zeigt ihnen, wie sie auf problematische Positionen und Verhaltensweisen reagieren können. Sie ermöglicht die Auseinandersetzung mit schulischen Konflikten und Aushandlungsprozessen in der Migrationsgesellschaft. Durch ein praxisorientiertes Programm regt sie zu Austausch und Selbstreflexion an. Termin: 26. Oktober 2021 Ort: online, über Zoom Kosten: kostenfrei Anmeldung: Interner Link: online möglich bis zum 20. Oktober Weitere Informationen auf den Seiten der Bundeszentrale für politische Bildung 29. und 30. Oktober 2021, Bad Nauheim Seminar: Die Corona-Pandemie in Wahrnehmung und Strategien demokratiefeindlicher Gruppierungen Welche Rolle spielt die Pandemie für ideologisch gefestigte Demokratiefeinde? Lassen sich Strategien von islamistischen und rechtsradikalen Gruppen mit Blick auf Corona identifizieren? Und wie kann Verschwörungsdenken sinnvoll und mit pädagogischer Haltung entgegengetreten werden? Diesen Fragen widmet sich das Seminar in interaktiver Form. Termin: 29. und 30. Oktober 2021 Ort: Bildungshaus Bad Nauheim, Parkstraße 17, 61231 Bad Nauheim Kosten: kostenfrei Anmeldung: Interner Link: online möglich Weitere Informationen auf den Seiten der Bundeszentrale für politische Bildung November 3. November 2021 bis 20. Mai 2022, online oder Bremen Online-Weiterbildung: CleaRTeaching – Eine Weiterbildung zum Umgang mit Radikalisierungsprozessen im schulischen Kontext Die Aktion Gemeinwesen und Beratung e. V. bietet zweimal eine Weiterbildung zum/zur Clearingbeauftragten an. Das Angebot richtet sich an Lehrkräfte und Schulsozialarbeiter/-innen an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen, die sich im Umgang mit radikalisierungsgefährdeten Jugendlichen fortbilden möchten. Die Weiterbildung ist gefördert und zertifiziert von der Bundeszentrale für politische Bildung. Sie findet von November 2021 bis Mai 2022 online und voraussichtlich in Bremen sowie von März bis Dezember 2022 in Bonn statt. Die Inhalte der beiden Weiterbildungsdurchgänge sind identisch. Termin: 3. November 2021 bis 13. Dezember 2022 Ort: Online oder Bremen Kosten: 450 Euro (inkl. Übernachtung und Vollpension) Anmeldung: bis zum 8. Oktober Externer Link: online möglich Weitere Informationen auf den Interner Link: Seiten von der bpb 3. und 4. November 2021, online Online-Fachaustausch: Macht von Sprache im Kontext der Präventionsarbeit Das Projekt Prävention und Gesellschaftlicher Zusammenhalt (PGZ) veranstaltet am 3. und 4. November 2021 den digitalen DVV-Fachaustausch. Was sind die gesellschaftlichen Auswirkungen von Sprache? Welche gesellschaftlichen Gruppen werden durch Sprache repräsentiert und welche Haltung vermittle ich als Pädagoge und Pädagogin mit meiner Sprache? Diese Fragestellungen werden in unterschiedlichen Vorträgen und Workshops thematisiert und diskutiert. Die Veranstaltung richtet sich an Fachkräfte, die mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen arbeiten. Zielgruppe der Veranstaltung sind vhs-Mitarbeitende, Respekt Coaches und Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe. Der Fachaustausch wird von Gebärdensprachdolmetscher:innen begleitet. Termin: 3. und 4. November 2021, 09:45-14:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich Weitere Informationen auf Externer Link: volkshochschule.de 4. November 2021, online Online-Fachaustausch: Internationale Trends in der Tertiärprävention von islamistischem Extremismus Was sind die Herausforderungen in der Deradikalisierung und Distanzierung von islamistischem Extremismus? Welche Praktiken haben sich in der Tertiärprävention bewährt? Im Rahmen des Fachaustauschs soll über diese Fragen diskutiert werden. Anlass und Impulsgeber ist das Projekt „International Forum for Expert Exchange on Countering Islamist Extremism“ (InFoEx). Internationale Akteure aus Praxis, Forschung und Behörden haben dabei Deradikalisierungs- und Distanzierungsmaßnahmen untersucht. Während des Fachaustausches stellen sie ihre wichtigsten Ergebnisse vor. Im Anschluss können sich die Teilnehmenden in kleinen Gruppen mit den Expertinnen und Experten des InFoEx-Netzwerks austauschen. Abschließend wird sich ein internationales Panel mit den zukünftigen Herausforderungen der Tertiärprävention befassen. Die Veranstaltung findet auf Englisch mit deutscher Simultanübersetzung statt. Die Kommunikation in den Kleingruppen erfolgt auf Englisch bzw. Deutsch. Termin: 4. November 2021, 9:00-14:30 Uhr Ort: online, über Zoom Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten der DGAP 4. November 2021, online Online-Fachtagung: Evaluation von Programmen der Demokratieförderung, Vielfaltgestaltung und Extremismusprävention Ziel der Tagung des Deutschen Jugendinstituts ist es, Einblicke in Herausforderungen, Bedarfe sowie Potenziale von Evaluationsansätzen und Methoden zu geben und diese zu diskutieren. In drei parallelen Foren werden Expertinnen und Experten zu den Themen Wirkung, Bewertung und Zusammenarbeit vortragen. In einer anschließenden Podiumsdiskussion wird die Thematik durch Vertreterinnen und Vertreter aus Fachpraxis, Wissenschaft und Politik diskutiert. Termin: 4. November 2021, 9:30-15:15 Uhr Ort: online, die Veranstaltung findet als Online-Konferenz mit "Cisco Webex" statt Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich Weitere Informationen auf Externer Link: dji.de 5. und 6. November 2021, online Online-Seminar: Legalistischer oder gewaltablehnender Islamismus als Herausforderung für die Prävention Europaweit können gewaltverzichtende islamistische Gruppierungen und Bewegungen Zulauf verzeichnen und gelangen durch medienwirksame Aktionen in das Blickfeld der Öffentlichkeit. Als problematisch erweist sich ihre langfristige gesellschaftliche und politische Wirkung. Die meisten vertreten Ziele und Ideologien, die demokratische Strukturen zu überwinden versuchen, sich gegen ein offenes pluralistisches Gesellschaftsbild richten und damit bestimmte Menschengruppen grundlegend abwerten. Das Online-Seminar nähert sich dem Thema mithilfe von zwei Referierenden aus der Islamwissenschaft, die auch selbst in der Präventionsarbeit tätig sind. Termin: 5. und 6. November 2021 Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Interner Link: online möglich Weitere Informationen auf den Seiten der Bundeszentrale für politische Bildung 9. November 2021, online Online-Fachgespräch: Call of Prev. Digitale Spielkultur und phänomenübergreifende Präventionsarbeit Die Veranstaltung beschäftigt sich mit einem interaktiven Mobile Game als Türöffner der politischen Bildung mit Jugendlichen. Der Termin findet statt im Rahmen der „Online-Fachgespräche: Innovative Ansätze der politischen Bildung und universellen Islamismusprävention“, einer Veranstaltungsreihe mit Modellprojekten des Kompetenznetzwerks Islamistischer Extremismus (KN:IX). Die Fachgespräche bieten Gelegenheit, mit Mitarbeiter:innen von innovativen Modellprojekten ins Gespräch zu kommen und sich über Methoden und Herausforderungen auszutauschen. Sie wenden sich an Fachkräfte, die im Arbeitsfeld der Universalprävention mit ähnlichen Fragen konfrontiert sind, und bieten Raum, eigene Angebote zu reflektieren und weiterzuentwickeln. Termin: 9. November 2021, 14:30-15:45 Uhr Ort: online, über Zoom Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich Weitere Informationen auf den Seiten von Externer Link: ufuq.de 9. November 2001, Dortmund Fachaustausch: Sprechen über Anschläge und Hasstaten im pädagogischen Raum Wie können tagesaktuelle Geschehnisse im Kontext von Extremismus und Hassideologien aufgearbeitet und dabei die Lebenswelt und Erfahrungen von Schüler:innen berücksichtigt werden? Welche Ansätze haben sich bewährt? Wie kann mit menschenverachtenden oder demokratiefeindlichen Positionen umgegangen werden? Welche Unterstützungsangebote gibt es für Lehrkräfte? Bei der Veranstaltung können sich die Teilnehmenden mit Dr. Jochen Müller, Islamwissenschaftler und Co-Geschäftsführer des Vereins Ufuq.de sowie mit Ansprechpersonen der Wegweiser-Beratungsstelle Dortmund zu diesen Fragen austauschen. Die Veranstaltung findet im Rahmen des Projekts "Muslime im Dialog" statt. Termin: 9. November 2021, 17:00-19:30 Uhr Ort: Multikulturelles Forum e. V., Friedensplatz 7, 44135 Dortmund Veranstalter: Multikulturelles Forum e.V. Kosten: kostenfrei Anmeldung: per E-Mail an E-Mail Link: kleinitz@multikulti-forum.de oder E-Mail Link: goemleksiz@multikulti-forum.de Weitere Informationen auf den Seiten des Externer Link: Multikulturellen Forum e. V. 10. und 11. November 2021, online Online-Fachtag: Auswirkungen des Sicherheitsdiskurses auf die Präventionsarbeit von religiös begründetem Extremismus Versicherheitlichung ist ein Thema, das in diversen Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit und der Politischen Bildung seit Jahren diskutiert und kritisch hinterfragt wird. Speziell in der Präventionsarbeit von religiös begründetem Extremismus erhöhen die gesellschaftliche Wahrnehmung und die mediale Berichterstattung den Druck auf die beteiligten Akteure aus Zivilgesellschaft, Sicherheitsbehörden und Politik noch zusätzlich. Welche Auswirkungen hat der Sicherheitsdiskurs auf die beteiligten Organisationen und Institutionen? Wie kann die Zusammenarbeit in diesem Spannungsfeld gestaltet werden? Und wie ist sie unter Berücksichtigung der rechtlichen Rahmenbedingungen überhaupt realisierbar? Diesen Fragen soll sich im Verlauf des Online-Fachtags aus unterschiedlichen Perspektiven genähert werden. Termin: 10. November 2021, 14:00-17:30 Uhr; 11. November 2021, 10:00-14:45 Uhr Ort: online, über Zoom Veranstalter: Bundesarbeitsgemeinschaft religiös begründeter Extremismus Anmeldung: Externer Link: online möglich Weitere Informationen zu Ablauf und Programm auf den Seiten der Externer Link: Bundesarbeitsgemeinschaft religiös begründeter Extremismus 10. und 11. November 2021, online Online-Fachkonferenz: "Let‘s play: Jihad and Reconquista" –Gamification als Strategie des politischen Extremismus Unter dem Stichwort Gamification liegt der Fokus der Fachkonferenz von KORA auf der Integration von Spielelementen, kulturellen Codes bestimmter Gaming Communities sowie Spielen an sich in Propagandastrategien von Extremist/-innen. Die Fachkonferenz ermöglicht einen Dialog zwischen Menschen aus Politik und Wissenschaft der Präventions- und Deradikalisierungsarbeit sowie Gamer/-innen. Ansätze zur Prävention sowie Resilienzstärkung in Gaming Communitys werden deutlich gemacht. Termin: 10. November 2021, 19:00-20:30 Uhr; 11. November 2021, 9:00-15:45 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich Weitere Informationen auf dem Externer Link: Beteiligungsportal des Landes Sachsen 11. November 2021, Berlin und 16. November 2021, Hannover Weiterbildung: Vermittlung von juristischen Grundkenntnissen im Bereich Familienrecht Die Fachstelle "Liberi – Aufwachsen in salafistisch geprägten Familien" der Türkischen Gemeinde in Schleswig-Holstein e.V. organisiert im November eintägige Weiterbildungen. Thema ist die Vermittlung von juristischen Grundkenntnissen in Sachen Familienrecht. Das Weiterbildungsangebot richtet sich an Akteure und Berater/-innen im Bereich religiös begründeter Extremismus. Im Rahmen der Veranstaltung vermittelt eine Rechtsanwältin allgemeine Inhalte des Familienrechts, zum Beispiel zu Trennungs- und Scheidungsfällen, Vormundschaft und Sorgerecht. Termin: 11. November 2021 und 16. November 2021 Ort: Berlin und Hannover Kosten: kostenfrei Anmeldung: bis zum 27. Oktober 2021 per E-Mail an E-Mail Link: fachstelle.liberi@tgsh.de Weitere Informationen bei der Externer Link: Fachstelle Liberi Oktober 2021 bis März 2022, online und Berlin Weiterbildung: Arbeit mit psychosozial auffälligen jungen Menschen Die Denkzeit-Gesellschaft entwickelt wissenschaftlich fundierte Programme gegen Gewalt, Delinquenz und Verhaltensauffälligkeiten bei Jugendlichen und bildet interessierte Kolleginnen und Kollegen aus. Im Rahmen einer modular aufgebauten Weiterbildung ab Oktober 2021 lassen sich unterschiedliche Weiterbildungsziele erreichen, unter anderem die Ausbildung zum/zur "Denkzeit-Trainer/-in" oder "Blickwechsel-Trainer/-in". Die Teilnehmenden lernen Theorien zu psychologischen Grundlagen, diagnostischen Methoden und Strategien für den Umgang mit Trauma, Moral und Radikalisierung in der Jugendarbeit und erproben diese in der Praxis. Die Weiterbildung findet in einem Hybridformat statt. Theoretische Inhalte werden in Form kurzer Online-Seminare vermittelt, die Praxisteile finden als Präsenzveranstaltungen in Berlin statt. Termine: Oktober 2021 bis März 2022 Ort: online und Berlin Kosten: je nach Modul zwischen 875 und 1.975 Euro Anmeldung: online möglich Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten der Denkzeit-Gesellschafft 16. November 2021, Fulda Fachtagung: Radikal, fundamentalistisch, anders – Fachkräfte im Kontakt Die Fachtagung gibt Fach- und Leitungskräften Hinweise zur Bewältigung praktischer und ethischer Dilemmata im Umgang mit Kindern, Jugendlichen und Eltern, die radikalisierten Überzeugungen anhängen oder gewaltbereit extremistisch sind. Fachkräfte aus Jugendämtern und den verschiedenen Arbeitsfeldern der Kinder- und Jugendhilfe sowie Fachkräfte aus der Radikalisierungsprävention und Deradikalisierung können bei der Fachtagung miteinander und mit Expert:innen aus beiden Feldern ins Gespräch kommen. Termin: 16. November 2021, 10:00-17:00 Uhr Ort: ParkHotel Kolpinghaus Fulda, Goethestraße 13, 36043 Fulda (wenn Präsenzveranstaltungen nicht möglich sein sollten, findet die Fachtagung online statt) Kosten: Kostenfrei. Im ParkHotel Fulda wurde ein Zimmerkontingent für Vorübernachtungen am 15.11. eingerichtet. Unter dem Stichwort "RaFiK-Tagung" können Zimmer zum Preis von 75 Euro (inkl. Frühstück) gebucht werden. Anmeldung: per E-Mail an E-Mail Link: wrede@socles.de Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von Cultures Interactive 16. November 2021, online Online-Fachgespräch: Kamil 2.0. Ganzheitliche Präventionsarbeit gegen islamistische Ansprachen Die Veranstaltung beschäftigt sich mit politischer Bildung in der Gemeindearbeit. Konkret geht es um Bildungs- und Bindungsarbeit zur Stärkung eigener Standpunkte in religiösen Fragen. Der Termin findet statt im Rahmen der „Online-Fachgespräche: Innovative Ansätze der politischen Bildung und universellen Islamismusprävention“, einer Veranstaltungsreihe mit Modellprojekten des Kompetenznetzwerk Islamistischer Extremismus (KN:IX). Die Fachgespräche bieten Gelegenheit, mit Mitarbeiter:innen von innovativen Modellprojekten ins Gespräch zu kommen und sich über Methoden und Herausforderungen auszutauschen. Sie wenden sich an Fachkräfte, die im Arbeitsfeld der Universalprävention mit ähnlichen Fragen konfrontiert sind, und bieten Raum, eigene Angebote zu reflektieren und weiterzuentwickeln. Termin: 16. November 2021, 14:30-15:45 Uhr Ort: online, über Zoom Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich Weitere Informationen auf den Seiten von Externer Link: ufuq.de 17. November 2021, online Online Politik- und Pressegespräch: Umgang mit Rückkehrer:innen Rückkehrer:innen und die (ausbleibende) Rückführung deutscher Staatsangehöriger aus den Camps in den kurdischen Gebieten sind auf politischer, zivil- und gesamtgesellschaftlicher Ebene relevante Themen. Dazu gibt es bei dieser Online-Veranstaltung Vorträge von Prof. Peter Neumann (King's College London) und Sofia Koller (Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik e. V.). Mit Claudia Dantschke (Grüner Vogel e. V.), Lamya Kaddor (Bündnis 90/Die Grünen), Helge Lindh (SPD) und Rüdiger José Hamm (BAG RelEx) wird über den Umgang mit Rückkehrer:innen aus dem so genannten Islamischen Staat diskutiert. Termin: 17. November 2021, 17:00-19:30 Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich Weitere Informationen auf den Seiten der Externer Link: BAG RelEx 18. November 2021, online Online-Informationsveranstaltung: Weiterbildung CleaRTeaching – Umgang mit Radikalisierungsprozessen im schulischen Kontext Wie erkenne ich Radikalisierungsprozesse an der Schule? Und wie reagiere ich pädagogisch angemessen darauf? Darum geht es bei CleaRTeaching, einem bundesweiten Weiterbildungsprojekt für Lehrkräfte und Fachkräfte der Schulsozialarbeit. Im Rahmen der vorbereitenden Informationsveranstaltung wird CleaRTeaching von dem Projektteam selbst vorgestellt. Anschließend gibt es Raum für Fragen und Austausch der Teilnehmenden. Termin: 18. November 2021, 14:00-16:00 Uhr Ort: online, über Zoom Kosten: kostenfrei Anmeldung: bis zum 17. November 2021 Interner Link: online möglich Weitere Informationen auf den Seiten der Bundeszentrale für politische Bildung 23. November 2021, Berlin Online-Fachgespräch: „Mehr als zwei Seiten“. Eine Schulreise von Neukölln nach Israel und in die palästinensischen Gebiete Die Veranstaltung beschäftigt sich mit rassismus- und antisemitismuskritischen Ansätzen in der Auseinandersetzung mit dem Nahostkonflikt. Der Termin findet statt im Rahmen der „Online-Fachgespräche: Innovative Ansätze der politischen Bildung und universellen Islamismusprävention“, einer Veranstaltungsreihe mit Modellprojekten des Kompetenznetzwerk Islamistischer Extremismus (KN:IX). Die Fachgespräche bieten Gelegenheit, mit Mitarbeiter:innen von innovativen Modellprojekten ins Gespräch zu kommen und sich über Methoden und Herausforderungen auszutauschen. Sie wenden sich an Fachkräfte, die im Arbeitsfeld der Universalprävention mit ähnlichen Fragen konfrontiert sind, und bieten Raum, eigene Angebote zu reflektieren und weiterzuentwickeln. Termin: 23. November 2021, 17:00-18:15 Uhr Ort: online, über Zoom Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich Weitere Informationen auf den Seiten von Externer Link: ufuq.de 25. November 2021, online Online-Fachgespräch: Kindeswohl als extremismusübergreifende Herausforderung In Impulsvorträgen wird das Thema Kindeswohl in den Bereichen Islamismus und Salafismus, Rechtsextremismus, Verschwörungstheorien sowie sogenannten Sekten beleuchtet. Anschließend findet eine Diskussion zu den folgenden Fragestellungen statt: Welche Chancen und Risiken bergen extremistisch geprägte Familiensysteme für Kinder und Jugendliche? Welche Ansätze gibt es, um mit ihnen umzugehen? Termin: 25. November 2021, 14:00-16:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmmeldung: keine Anmeldung erforderlich; Teilnahme am Online-Fachgespräch über die Externer Link: Plattform GoToMeeting Weitere Informationen auf den Seiten von der Externer Link: Türkischen Gemeinde in Schleswig-Holstein 25. November 2021, online Online-Fakultätstag: Der Islam gehört zu Deutschland – und wie!? Wie müssen relevante Arbeitsfelder angelegt werden, um der wachsenden Bedeutung des Islam fachlich angemessen Rechnung zu tragen? Zu dieser und weiteren Fragen diskutieren Studierende und Vertreter:innen von Wissenschaft und Praxis gemeinsam bei Plenarvorträgen und in anwendungsbezogenen Workshops. Außerdem werden die öffentlichen Debatten um unterschiedliche muslimische Glaubensauslegungen sowie ihre sozialen und politischen Implikationen aufgegriffen. Termin: 25. November 2021, 09:00-17:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmmeldung: Externer Link: online möglich Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten der Hochschule Esslingen 26. November 2021, online Online-Fachtag: PrEval – Evaluation von Präventionsmaßnahmen PrEval beschäftigt sich mit der wissenschaftlichen Evaluation und Begleitung von Maßnahmen der Extremismusprävention, politischen Bildung und Gewaltprävention. Ziel des Projektes ist es, im Dialog mit verschiedenen Akteuren aus Fachpraxis, Sicherheitsbehörden, Verwaltung und Wissenschaft den aktuellen Wissensstand zu erheben und gemeinsam Methoden der Evaluation zu diskutieren. Auf dem PrEval-Fachtag 2021 werden die bisherigen Ergebnisse des Projekts vorgestellt und reflektiert. Termin: 26. November 2021, 9:45-16:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmmeldung: bis zum 18. November 2021 Externer Link: online möglich Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von PrEVal 26. November 2021, Berlin Fortbildung: Der Nahostkonflikt – (k)ein Problem für pädagogische Arbeit? Ziel der Fortbildung ist es, Unsicherheiten bei der pädagogischen Bearbeitung des Themas Nahostkonflikt abzubauen und Fachkräften Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Dazu werden die eigenen Erfahrungen und Fragen der Teilnehmenden als Ausgangspunkt genommen. Mittels unterschiedlicher Methoden (interaktiven Übungen, Filmmaterial, Theater) wird im Workshop an der eigenen Einstellung im Umgang mit möglichen Konfliktlagen gearbeitet. Im Fokus stehen dabei Rassismus, Diskriminierung sowie politisch-gesellschaftliche Machtverhältnisse. Der Workshop richtet sich hauptsächlich an Multiplikator:innen, Pädagog:innen und Sozialarbeiter:innen. Termin: 26. November 2021, 15:00-19:30 Uhr Ort: Berlin Kosten: 20 Euro Anmmeldung: Externer Link: online möglich Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten des Bildungswerks Berlin der Heinrich-Böll-Stiftung 30. November 2021, online Online-Fachkonferenz: Radikalisierungsprävention in NRW Wie können die Kapazitäten von Multiplikator:innen und Fachkräften gestärkt werden? Darum geht es auf der Online-Fachkonferenz des Bonn International Centre for Conflict Studies (BICC). Dafür diskutiert das BICC seine Erkenntnisse zu lokalen Herausforderungen und Bedarfen der Radikalisierungsprävention in Nordrhein-Westfalen aus dem Forschungszeitraum 2018 bis 2021. Einerseits werden Tätigkeiten der primären und sekundären Prävention betrachtet, die in lokalen Gemeinden sowie auch in Haftanstalten NRWs anzutreffen sind. Andererseits geht es um die Ausstiegsbegleitung und Deradikalisierung. Eine besondere Herausforderung stellt dabei der Umgang mit Rückkehrenden aus dem sogenannten "Islamischen Staat" dar. Termin: 30. November 2021, 14:00-17:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmmeldung: Externer Link: online möglich Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten des BICC Dezember 8. Dezember 2021, online Online-Fachgespräch: Nachspielzeit. Fußball im Fokus politischer Bildung Die Veranstaltung beschäftigt sich mit Chancen und Grenzen von politischer Bildung im Haftkontext. Der Termin findet statt im Rahmen der „Online-Fachgespräche: Innovative Ansätze der politischen Bildung und universellen Islamismusprävention“, einer Veranstaltungsreihe mit Modellprojekten des Kompetenznetzwerk Islamistischer Extremismus (KN:IX). Die Fachgespräche bieten Gelegenheit, mit Mitarbeiter:innen von innovativen Modellprojekten ins Gespräch zu kommen und sich über Methoden und Herausforderungen auszutauschen. Sie wenden sich an Fachkräfte, die im Arbeitsfeld der Universalprävention mit ähnlichen Fragen konfrontiert sind, und bieten Raum, eigene Angebote zu reflektieren und weiterzuentwickeln. Termin: 08. Dezember 2021, 14:30-15:45 Uhr Ort: online, über Zoom Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich Weitere Informationen auf den Seiten von Externer Link: ufuq.de 14. Dezember 2021, online Online-Fachgespräch: „Einmal brainwash und zurück“. Verschwörungsmythen erleben Die Veranstaltung beschäftigt sich mit einer realen und virtuellen Erlebniswelt für Kinder und Jugendliche zur Auseinandersetzung mit Verschwörungsmythen und verwandten Themen. Der Termin findet statt im Rahmen der „Online-Fachgespräche: Innovative Ansätze der politischen Bildung und universellen Islamismusprävention“, einer Veranstaltungsreihe mit Modellprojekten des Kompetenznetzwerk Islamistischer Extremismus (KN:IX). Die Fachgespräche bieten Gelegenheit, mit Mitarbeiter:innen von innovativen Modellprojekten ins Gespräch zu kommen und sich über Methoden und Herausforderungen auszutauschen. Sie wenden sich an Fachkräfte, die im Arbeitsfeld der Universalprävention mit ähnlichen Fragen konfrontiert sind, und bieten Raum, eigene Angebote zu reflektieren und weiterzuentwickeln. Termin: 14. Dezember 2021, 14:30-15:45 Uhr Ort: online, über Zoom Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich Weitere Informationen auf den Seiten von Externer Link: ufuq.de Infodienst RadikalisierungspräventionMehr Infos zu Radikalisierung, Prävention & Islamismus Das Online-Portal Infodienst Radikalisierungsprävention der bpb bietet Hintergrundwissen, pädagogische Materialien, einen Newsletter und eine Übersicht mit Beratungsangeboten. Interner Link: → Zur Infodienst-Startseite Bleiben Sie auf dem Laufenden im Arbeitsfeld Radikalisierungsprävention! Termine, Stellen, News, Materialien, Videos & neue Hintergrund-Beiträge des Infodienst Radikalisierungsprävention – alle sechs Wochen per E-Mail. Interner Link: → Zum Newsletter-Abonnement Das Online-Portal Infodienst Radikalisierungsprävention der bpb bietet Hintergrundwissen, pädagogische Materialien, einen Newsletter und eine Übersicht mit Beratungsangeboten. Interner Link: → Zur Infodienst-Startseite
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2023-02-06T00:00:00
2021-01-04T00:00:00
2023-02-06T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/infodienst/325084/termin-rueckblick-2021/
Termine aus dem Arbeitsfeld "Radikalisierungsprävention" aus dem Jahr 2021.
[ "Termine", "Islamismus", "Prävention", "Deradikalisierung", "Veranstaltungshinweise und Fortbildungen", "religiös begründeter Extremismus" ]
557
"The Celluloid Curtain" – Spionagefilme aus der Ära des Kalten Krieges | The Celluloid Curtain | bpb.de
Das von den Filmexperten Oliver Baumgarten und Nikolaj Nikitin zusammengestellte zwölfteilige Programm umfasst neben populären auch einige weniger bekannte Genrefilme, die zwischen 1960 und 1974 auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs entstanden. Darunter finden sich Klassiker wie die Leinwand-Adaption von John le Carrés The Spy Who Came in from the Cold mit Richard Burton, aber auch schwer zugängliche Raritäten wie der russische Film Skvorets i Lira / Starling and Lyre von 1974; bis zum Jahr 2011 war er noch nie im Ausland und nur ein einziges Mal im Fernsehen der Sowjetunion zu sehen. Szenenfoto (© The Kiss Kiss Kill Kill Archive) Der Handel mit Informationen zählt zum Tagesgeschäft des Spions: Szenenfoto aus dem britischen Agentenfilm-Klassiker "The Spy Who Came in from the Cold". In der Hochphase des Kalten Krieges erfreuten sich die Kino-Geschichten aus der Welt der Geheimdienste großer Beliebtheit, boten sie doch den Ängsten der Bevölkerung ein unterhaltsames und spannendes Auffangbecken. Hüben wie drüben politisch und ideologisch aufgeladen, liefern die Filme aus heutiger Sicht einen hohen sozialgeschichtlichen Erkenntnisgewinn. Stereotype Selbst- und Feindbilder, aber auch ironische Brechungen derselben ermöglichen Rückschlüsse auf gesellschaftliche Befindlichkeiten und eine künstlerisch-kritische Auseinandersetzung mit ihnen. Die im Rahmen von "The Celluloid Curtain" gezeigten Filme wurden in Bulgarien, der Sowjetunion, der BRD, der DDR, Großbritannien, Frankreich, Ungarn, Rumänien, der Tschechoslowakei, Spanien und Polen gedreht und thematisieren die geteilte Welt mal als Actionfilm, mal als Psychostudie, inszenierte Ideologie oder subversive Parodie. Die einzelnen Vorführungen wurden von namhaften Film- und Kulturwissenschaftlern eingeführt. Begleitend dazu gab es eine prominent besetzte Podiumsveranstaltung sowie ein filmpädagogisch aufbereitetes Schulprogramm. "The Celluloid Curtain" geht zurück auf eine Initiative des Goethe-Instituts London, in Berlin veranstaltet vom Zeughauskino und der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb in Kooperation mit EUNIC Berlin. Die Filmreihe wurde aus Anlass des 50. Jahrestages des Berliner Mauerbaus im Zeughauskino präsentiert. Szenenfoto (© The Kiss Kiss Kill Kill Archive)
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2021-12-17T00:00:00
2012-02-14T00:00:00
2021-12-17T00:00:00
https://www.bpb.de/lernen/filmbildung/63058/the-celluloid-curtain-spionagefilme-aus-der-aera-des-kalten-krieges/
Im Juni 2011 präsentierte die Bundeszentrale für politische Bildung gemeinsam mit dem Zeughauskino und Goethe-Institut London die internationale Spionage-Filmreihe "The Celluloid Curtain" in Berlin.
[ "Film", "Kalter Krieg", "Filmbildung", "Agent", "Geheimdienst", "Ideologie", "Popkultur", "Propaganda" ]
558
Video: Dokumentationen, Filme & Erklärvideos | Infodienst Radikalisierungsprävention | bpb.de
Termine, Stellen, News, Materialien, Videos & Hintergrund-InfosNewsletter zu Radikalisierung & Prävention abonnieren Bleiben Sie auf dem Laufenden im Arbeitsfeld Radikalisierungsprävention! Termine, Stellen, News, Materialien, Videos & neue Hintergrund-Beiträge des Infodienst Radikalisierungsprävention – alle sechs Wochen per E-Mail. Interner Link: → Zum Newsletter-Abonnement 1. Dokumentationen und Reportagen Klicken Sie auf die Titel, um zur Beschreibung zu gelangen. 1.1 Portraits von radikalisierten Menschen und ihren Angehörigen Interner Link: Deutsche im Dschihad. Kämpfen für Allah44 Minuten, ZDF, 2022 Interner Link: Leonora M. – Einmal IS-Terror und zurück3x 30-40 Minuten, NDR, 2022 Interner Link: Das Erbe des Dschihad. Was tun mit Deutschlands "IS"-Terroristen?5 x 10-20 Minuten, ProSieben, 2022 Interner Link: Leonora – Wie ein Vater seine Tochter an den IS verlor59 Minuten, NDR, 2019 Interner Link: Der Gefährder – Ein Islamist packt aus44 Minuten, phoenix, 2018 Interner Link: Tracing Addai30 Minuten, Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf, 2018 1.2 Prävention, Radikalisierung & Islamismus Interner Link: Mechelen. Wie ein belgischer Bürgermeister gegen Extremismus vorgeht37 Minuten, Der Standard, 2021 Interner Link: Dokumentation zur Präventionspraxis in Deutschland35 Minuten, mobyDOK, 2019 Interner Link: Salafismus im Kinderzimmer20 Minuten, BR24, 2018 Interner Link: Allahs deutsche Schwerter27 Minuten, Landeszentrale für politische Bildung NRW, 2012 1.3 Dschihadismus, Terrorismus & der "Islamische Staat" Interner Link: Gefangen vom "Islamischen Staat": Jesidin Jihan überlebt Genozid18 Minuten, funk: TRU DOKU, 2022 Interner Link: Das Geschäft mit dem Terror. Geheimdienste und der Dschihad60 Minuten, Hessischer Rundfunk, 2022 Interner Link: Anschlag Breitscheidplatz – Neue Spuren3 x 31-38 Minuten, rbb, 2022 Interner Link: 13. November: Angriff auf Paris3 x 47-58 Minuten, Gedeon und Jules Naudet, 2018 Interner Link: Life Inside Islamic State17 Minuten, BBC Radio 4, 2017 1.1 Portraits von radikalisierten Menschen und ihren Angehörigen Deutsche im Dschihad. Kämpfen für Allah 44 Minuten, ZDF, 2022 Über 1.150 deutsche Bürgerinnen und Bürger haben sich in den vergangenen Jahren dem "Islamischen Staat" in Syrien und im Irak angeschlossen. Die Dokumentation erzählt von den (ehemaligen) "IS"-Mitgliedern, ihrem Leben bei der Terrororganisation und ihrer Rückkehr in die Bundesrepublik. Verfügbar auf Externer Link: zdf.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Leonora M. – Einmal IS-Terror und zurück 3x 30-40 Minuten, NDR, 2022 Mit 15 Jahren schließt sich Leonora M. der Terrororganisation "Islamischer Staat" in Syrien an und lebt dort sieben Jahre lang mit einem Dschihadisten zusammen. Die dreiteilige Reportage erzählt von den Erlebnissen der jungen Frau beim "IS" und dem jahrelangen Kampf ihres Vaters, seine Tochter zurückzuholen. Wie ist Leonora die Rückkehr gelungen, wie funktioniert ein Neuanfang in Deutschland? Verfügbar auf Externer Link: ardmediathek.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Das Erbe des Dschihad. Was tun mit Deutschlands "IS"-Terroristen? 5 x 10-20 Minuten, ProSieben, 2022 Wie kommt ein 19-jähriger Deutscher dazu, sich der Terrororganisation "Islamischer Staat" anzuschließen? Warum tut sich Deutschland so schwer, ehemalige Angehörige des "IS" zurückzuholen? Um diese Fragen zu klären, reist Journalist Thilo Mischke nach Syrien. Mit dabei: die Großmutter eines deutschen "IS"-Kämpfers, die ihren Enkel wiederfinden will. Ganze Folge verfügbar auf Externer Link: prosieben.de Teil 1 verfügbar auf Externer Link: youtube.com Teil 2 verfügbar auf Externer Link: youtube.com Teil 3 verfügbar auf Externer Link: youtube.com Teil 4 verfügbar auf Externer Link: youtube.com Teil 5 verfügbar auf Externer Link: youtube.com In der Talkshow "Zervakis & Opdenhövel" spricht Mischke über die Dreharbeiten und deren Nachwirkungen. Zum Talk mit Zervakis & Opdenhövel auf Externer Link: youtube.com Interner Link: Zum Anfang der Seite Leonora – Wie ein Vater seine Tochter an den IS verlor 59 Minuten, NDR, 2019 Ein Vater kämpft um seine Tochter, die sich der Terrormiliz "Islamischer Staat" in Syrien angeschlossen hat. Vier Jahre lang begleiten Reporter den Vater dabei, wie er Schleuser trifft, mit Terroristen verhandelt und versucht, seinen Alltag als Bäcker in Sachsen-Anhalt zu meistern. Über Sprachnachrichten halten Vater und Tochter Kontakt. Verfügbar auf Externer Link: ndr.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Der Gefährder – Ein Islamist packt aus 44 Minuten, phoenix, 2018 Eren R. gilt bei Sicherheitsbehörden als potenzieller Attentäter. In der Dokumentation spricht er über seinen Lebensweg. Er berichtet, wie er als Mitglied einer kriminellen Bande in die islamistische Szene hineinkam und Geld für den islamistischen Kampf beschaffte. Er saß mehrfach im Gefängnis, dennoch arbeitete er für Sicherheitsfirmen bei großen Veranstaltungen. Verfügbar auf Externer Link: youtube.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Tracing Addai 30 Minuten, Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf, 2018 Der Dokumentarfilm "Tracing Addai" zeichnet die letzten Spuren des 21-jährigen Deutschen Addai nach, der sich einer salafistischen Vereinigung anschließt und im Syrienkrieg unter mysteriösen Umständen mutmaßlich ums Leben kommt. Mit seiner dokumentarischen Erzählung rekonstruiert der Film fragmentarisch die letzten Monate eines jungen Mannes, dessen Weg ohne Wiederkehr über eine islamistische Gruppe nach Syrien führte und lässt ihn durch animierte szenische Bilder noch einmal lebendig werden. Pädagogische Begleitmaterialien machen den Film für Lernkontexte ideal einsetzbar. Verfügbar in der Interner Link: Mediathek der bpb Interner Link: Zum Anfang der Seite 1.2 Prävention, Radikalisierung & Islamismus Mechelen. Wie ein belgischer Bürgermeister gegen Extremismus vorgeht 37 Minuten, Der Standard, 2021 Von der unsichersten Stadt Belgiens zum Vorzeigemodell für Integration und Extremismusprävention – dank Bart Somers hat die Stadt Mechelen diesen Wandel geschafft. Für ein Porträt hat sich die österreichische Tageszeitung Der Standard mit dem langjährigen Bürgermeister getroffen, um mehr über sein Erfolgsrezept zu erfahren: Wie lässt sich Integration in einer multikulturellen Stadt wie Mechelen fördern? Und welche seiner Strategien haben sich in der Extremismusprävention bewährt? Verfügbar auf Externer Link: derstandard.at Interner Link: Zum Anfang der Seite Dokumentation zur Präventionspraxis in Deutschland 35 Minuten, mobyDOK, 2019 Im Rahmen des Bundesprogramms "Demokratie leben!" des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend werden zahlreiche Präventionsprojekte gefördert. Im Dokumentarfilm berichten Präventionsakteure von ihrer Arbeit. Eine Web-Dokumentation bietet Hintergründe zum Film. In Animationen werden ausschnitthaft Szenen wiedergegeben, die das Filmteam während der Reise durch Deutschland erlebt hat. Verfügbar auf der Externer Link: Dokumentations-Website projekt-praevention.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Salafismus im Kinderzimmer 20 Minuten, BR24, 2018 Der Beitrag des BR-Politmagazins "kontrovers" beschäftigt sich aus unterschiedlichen Perspektiven mit der salafistischen Radikalisierung von Kindern und Jugendlichen. Die Journalistinnen und Journalisten sprechen mit Verantwortlichen der "Beratungsstelle Radikalisierung" beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sowie beim LKA Bayern. Sie berichten über die bayerischen Präventionsprojekte "MotherSchools" und "ReThink". Sie reden mit der Mutter eines Salafisten über die salafistische Erziehung ihrer Enkelkinder und versuchen – vergeblich – mit salafistischen Moscheen Kontakt zu diesem Thema aufzunehmen. Verfügbar auf Externer Link: br.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Allahs deutsche Schwerter 27 Minuten, Landeszentrale für politische Bildung NRW, 2012 Die Dokumentation zeigt ein weites Spektrum an Islamisten in Deutschland: Von strenggläubigen Salafisten über die Sauerland-Gruppe, die konkrete Anschläge plante, bis zu Pierre Vogel, dem einflussreichsten deutschen Konvertiten und Hassprediger. Ein Aussteiger berichtet über Ziele und Methoden der salafistischen Szene. Auch die moderatere, vom Verfassungsschutz beobachtete Vereinigung "Millî Görüş" ist Thema. Verfügbar auf Externer Link: politische-bildung.nrw.de Interner Link: Zum Anfang der Seite 1.3 Dschihadismus, Terrorismus & der "Islamische Staat" Gefangen vom "Islamischen Staat": Jesidin Jihan überlebt Genozid 18 Minuten, funk: TRU DOKU, 2019 Die Reportage erzählt die Geschichte der 18-jährigen Jihan. Die Jesidin überlebt 2014 die Gefangenschaft des sogenannten Islamischen Staates in Syrien. Sie und ihre Familie werden von "IS"-Kämpfern entführt, versklavt und zum Teil vergewaltigt. Jihan konnte entkommen, doch bis heute weiß sie nicht, was mit ihrem Vater und allen Geschwistern passiert ist. Triggerwarnung: Im Video geht es um Krieg und sexualisierte Gewalt. Das kann belastend oder retraumatisierend sein. Verfügbar auf Externer Link: ardmediathek.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Das Geschäft mit dem Terror. Geheimdienste und der Dschihad 60 Minuten, Hessischer Rundfunk, 2022 Wer steht hinter den islamistischen Terroristinnen und Terroristen, die Europa angreifen? Wer plant, beauftragt und finanziert die Anschläge? Die Dokumentation forscht nach den Hintergrundakteuren, die die Terroranschläge der vergangenen Jahre initiierten und koordinierten. Die Spuren führen zum pakistanischen Geheimdienst ISI. Verfügbar auf Externer Link: ardmediathek.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Anschlag Breitscheidplatz – Neue Spuren 3 x 31-38 Minuten, rbb, 2022 Der Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt im Dezember 2016 ist bis heute nicht vollständig aufgeklärt. Journalisten des rbb sprechen für die Video-Serie mit Opfern, Ermittlungsbehörden und Vertrauten des Täters Anis Amri und gehen neuen Spuren nach, um die Hintergründe der Tat aufzuarbeiten. Verfügbar auf Externer Link: ardmediathek.de Interner Link: Zum Anfang der Seite 13. November: Angriff auf Paris 3 x 47-58 Minuten, Gedeon und Jules Naudet, 2018 Die dokumentarische Mini-Serie "13. November: Angriff auf Paris" ist auf Netflix verfügbar. In drei Episoden zeichnet sie die Geschehnisse der Pariser Terroranschläge im November 2015 nach und erzählt die Geschichten von Überlebenden, Feuerwehr, Polizei und Regierung. Das sei "atemlos spannend", so Spiegel.de. Allerdings wird auch kritisiert, dass die Serie traumatische Erlebnisse funktionalisiere und daraus Unterhaltungsware mache. Verfügbar auf Externer Link: netflix.com (kostenpflichtiges Abo notwendig) Interner Link: Zum Anfang der Seite Life Inside Islamic State 17 Minuten, BBC Radio 4, 2017 In einer animierten Kurzdokumentation berichtet ein Aktivist, der sich gegen den "IS" einsetzt, aus Raqqa vom Horror des alltäglichen Lebens unter der Herrschaft des sogenannten Islamischen Staats. Für die Dokumentation stand BBC Radio 4 Korrespondent Mike Thomson in sporadischem Kontakt mit dem Aktivisten, der ihm tagebuchartige Aufzeichnungen übermittelte. Verfügbar auf Externer Link: vimeo.com Interner Link: Zum Anfang der Seite 2. Spielfilme und Serien Klicken Sie auf die Titel, um zur Beschreibung zu gelangen. Interner Link: Black Crows30 x 30 Minuten, Leen Fares, 2017 Interner Link: Der Himmel wird warten1 Stunde und 55 Minuten, Neue Visionen Filmverleih, 2016 Black Crows 30 x 30 Minuten, Leen Fares, 2017 Auf Netflix ist die fiktive Serie "Black Crows" verfügbar, die das tägliche Leben unter der Herrschaft des sogenannten Islamischen Staats darstellt. Dabei spielen Frauen zentrale Rollen, wie eine jesidische Sklavin, eine Undercover-Reporterin und eine Mutter, die den "IS" unterstützt. Auch die Ausbildung von Kindern zu Kämpfern wird nacherzählt. Produziert wurde die 30-teilige Serie vom Sender MBC, der seinen Hauptsitz in Dubai hat. Laut kino.de stützt sich die Serie inhaltlich auf Berichte von Augenzeugen, die den Terror überlebt haben oder früher selbst "IS"-Anhänger waren. Verfügbar auf Externer Link: netflix.com (kostenpflichtiges Abo notwendig) Interner Link: Zum Anfang der Seite Der Himmel wird warten 1 Stunde und 55 Minuten, Neue Visionen Filmverleih, 2016 Was bringt junge Frauen in Europa dazu, sich dem Dschihad anzuschließen? Und wie können sie den Weg zurück in unsere Gesellschaft finden? Diesen Fragen geht das Spielfilmdrama "Der Himmel wird warten" nach. Die Geschichten der Protagonistinnen Mélanie und Sonia beschreiben eine Entwicklung in entgegengesetzte Richtungen: den Weg von der Normalität in die Radikalisierung und umgekehrt. Dabei werden die einzelnen Stufen von Mélanies Radikalisierungsprozess ebenso detailliert nachgezeichnet wie die schrittweisen Erfolge, die Sonia durch die Teilnahme an einem Deradikalisierungsprogramm und die Unterstützung ihrer Eltern erlebt. Begleitend zu dem Film stellt die bpb Arbeitsaufgaben zur Verfügung. Neben diesen Unterrichtsmaterialien gibt es auch eine Filmbesprechung, themenbezogene Hintergrundtexte sowie ein Interview mit Pierre Asisi, einem Präventionsexperten von ufuq.de. Verfügbar in der Interner Link: Mediathek der bpb Interner Link: Zum Anfang der Seite 3. Erklärvideos Klicken Sie auf die Titel, um zur Beschreibung zu gelangen. Interner Link: Radikalisierung hat kein Geschlecht11 x 11-20 Minuten, Bayerisches Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales, 2022 Interner Link: Forschungsprojekt "Gesellschaft Extrem"6 x 6-10 Minuten, Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, 2018 Interner Link: Radikalisierung von Muslimen19 Minuten, Bundeszentrale für politische Bildung, 2017 Interner Link: Strategien gegen Radikalisierung20 Minuten, Bundeszentrale für politische Bildung, 2017 Interner Link: Forschungsprojekt "Salafismus in Deutschland"6 x 7-10 Minuten, Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, 2016 Interner Link: Was ist Salafismus?12 Minuten, Arte/Bundeszentrale für politische Bildung, 2013 Radikalisierung hat kein Geschlecht 11 x 11-20 Minuten, Bayerisches Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales, 2022 Wie hängen Geschlecht und Radikalisierung zusammen? Wie beeinflussen Geschlechterklischees die Wahrnehmung von Radikalisierung? Und wie geht geschlechtersensible Präventionsarbeit? Die Videoreihe erklärt Begriffe, thematisiert Vorurteile und beleuchtet praktische Präventionsansätze in Bezug auf Gender und Extremismus phänomenübergreifend. Neben den Videos werden Infomaterialien und Plakate zur Verfügung gestellt. Verfügbar auf Externer Link: stmas.bayern.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Forschungsprojekt "Gesellschaft Extrem" 6 x 6-10 Minuten, Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, 2018 In sechs kurzen Videos erläutern Fachleute die zentralen Thesen sowie die wichtigsten Handlungsoptionen ihrer Forschungsprojekte. Die Expertinnen und Experten sind Teil des vom Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) koordinierten Forschungsprojekts "Gesellschaft Extrem: Radikalisierung und Deradikalisierung in Deutschland". Die Themen: Radikalisierung von Individuen Brücken-Narrative Radikalisierung der Gesellschaft? Herausforderung Deradikalisierung Die Rolle des Internets und sozialer Medien für Radikalisierung und Deradikalisierung Evaluation in der Extremismusprävention Verfügbar auf Externer Link: gesellschaftextrem.hsfk.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Radikalisierung von Muslimen 19 Minuten, Bundeszentrale für politische Bildung, 2017 Viele der Tatbeteiligten der Anschläge in Paris und Brüssel sind in Frankreich und Belgien aufgewachsen und haben sich dort radikalisiert. Auch in Deutschland radikalisieren sich junge Musliminnen und Muslime. Für die Gesellschaft ist das eine enorme Herausforderung. Fachleute beantworten unter anderem diese Fragen: Wer radikalisiert sich, und warum? Ist das vergleichbar mit anderen Extremismen? Und welche Rolle spielt dabei der Islam? Die Interviewten: Prof. Dr. Mouhanad Khorchide (Professor für Islamische Religionspädagogik, Universität Münster), Ahmad Mansour (Psychologe, European Foundation for Democracy), Prof. Dr. Christine Schirrmacher (Islamwissenschaftlerin, Universität Bonn), Dr. Guido Steinberg (Islamwissenschaftler, Stiftung Wissenschaft und Politik), Dr. Marwan Abou Taam (Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz) Verfügbar in der Interner Link: Mediathek der bpb Interner Link: Zum Anfang der Seite Strategien gegen Radikalisierung 20 Minuten, Bundeszentrale für politische Bildung, 2017 Wie kann man gegen die Radikalisierung junger Menschen vorgehen? Fünf Fachleute legen im Erklärfilm dar, wie Gesellschaft und Sicherheitsbehörden dieser Herausforderung begegnen können. Sie beantworten unter anderem diese Fragen: Wo kann Präventionsarbeit ansetzen, um Radikalisierung zu verhindern? Welche Rolle kann islamischer Religionsunterricht spielen? Wie kann Deradikalisierung gelingen? Welche Sicherheitsmaßnahmen sind sinnvoll? Die Interviewten: Prof. Dr. Mouhanad Khorchide (Professor für Islamische Religionspädagogik, Universität Münster), Ahmad Mansour (Psychologe, European Foundation for Democracy), Prof. Dr. Christine Schirrmacher (Islamwissenschaftlerin, Universität Bonn), Dr. Guido Steinberg (Islamwissenschaftler, Stiftung Wissenschaft und Politik), Dr. Marwan Abou Taam (Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz) Verfügbar in der Interner Link: Mediathek der bpb Interner Link: Zum Anfang der Seite Forschungsprojekt "Salafismus in Deutschland" 6 x 7-10 Minuten, Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, 2016 Die Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung hat im Rahmen des Forschungsprojekts "Salafismus in Deutschland" eine Reihe von Video-Beiträgen online veröffentlicht. Die sechs Reports sollen einen differenzierten Blick auf Salafismus und Dschihadismus in Deutschland bieten. In maximal zehn Minuten vermitteln Fachleute die wichtigsten Grundlagen und stellen aktuelle Trends sowie Handlungsempfehlungen vor. Themen sind unter anderem die Organisation und Anwerbungspraxis der salafistischen Bewegung, die Motivationen und Karrieren von Dschihadisten, mögliche Gegennarrative und Ansätze für Präventions- und Deradikalisierungsarbeit. Verfügbar auf Externer Link: salafismus.hsfk.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Was ist Salafismus? 12 Minuten, Arte/Bundeszentrale für politische Bildung, 2013 In dieser Folge der Arte-Sendung "Mit offenen Karten" wird erklärt, was es mit der fundamentalistischen Doktrin des Salafismus auf sich hat. Es wird beschrieben, worum es sich bei dieser sich westlichen Einflüssen verschließenden, ultrakonservativen Strömung des Islam handelt. Darüber hinaus wird die Entwicklung des Salafismus nach den Protesten in der arabischen Welt, bei denen in Nordafrika neue politische Freiräume entstanden sind, untersucht. Verfügbar in der Interner Link: Mediathek der bpb Interner Link: Zum Anfang der Seite 4. Kurzbeiträge Klicken Sie auf die Titel, um zur Beschreibung zu gelangen. Interner Link: Gaming und Extremismus: Verfassungsschutz Niedersachsen nimmt Online-Plattformen ins Visier4 Minuten, Sat.1 Regional, 2021 Interner Link: Antisemitismus in islamischen Verbänden8 Minuten, ZDF frontal, 2021 Interner Link: Angeworben im Netz der Dschihadisten9 Minuten, NDR Panorama 3, 2016 Gaming und Extremismus: Verfassungsschutz Niedersachsen nimmt Online-Plattformen ins Visier 4 Minuten, Sat.1 Regional, 2021 Online-Gaming-Plattformen werden von Extremistinnen und Extremisten zur Rekrutierung genutzt. Laut dem niedersächsischen Verfassungsschutz können hier extremistische Aussagen gut "versteckt" platziert werden. Der Verfassungsschutz Niedersachen will daher zukünftig virtuelle Netzwerke und die dortigen Aktivitäten verstärkt ins Visier nehmen – ohne die Gaming-Szene dabei zu stigmatisieren. Verfügbar auf Externer Link: sat1regional.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Antisemitismus in islamischen Verbänden 8 Minuten, ZDF frontal, 2021 Antisemitismus durch Musliminnen und Muslime ist ein zunehmendes Problem in Deutschland, berichtet das ZDF-Magazin frontal. Jüdische Einrichtungen und ihre Mitglieder seien in den letzten Monaten vermehrt mit Angriffen durch Musliminnen und Muslime konfrontiert. Der wieder entfachte Nahostkonflikt führe dazu, dass jüdische Menschen auf Demonstrationen und in sozialen Netzwerken angefeindet würden. Einige islamische Verbände spielten in der Auseinandersetzung eine entscheidende Rolle, heißt es in dem Beitrag. Verfügbar auf Externer Link: zdf.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Angeworben im Netz der Dschihadisten 9 Minuten, NDR Panorama 3, 2016 Wie geraten junge Menschen in Deutschland in die Fänge von Dschihadisten? Wie läuft die Anwerbung im Internet tatsächlich ab? Wie werden aus Jugendlichen Kämpfer? Eine Panorama 3-Autorin nimmt im Selbstversuch Kontakt zu radikalen Salafisten auf. Verfügbar auf Externer Link: ardmediathek.de Interner Link: Zum Anfang der Seite 5. Gespräche mit Fachleuten Klicken Sie auf die Titel, um zur Beschreibung zu gelangen. Interner Link: Diskurse über muslimische Menschen in Deutschland16 Minuten, ufuq.de, 2022 Interner Link: Dschihadismus im Wandel?30 Minuten, ARD: alpha-demokratie, 2022 Interner Link: Der Nahostkonflikt im Unterricht13 Minuten, ufuq.de, 2022 Interner Link: Deutsch-französische Perspektiven zu Islamismus und Rechtsextremismus23 Minuten, France Fraternités & ufuq.de, 2022 Interner Link: Kampf gegen Islamismus – Frankreich zwischen Terror und Polizeigewalt?43 Minuten, Deutsche Welle, 2021 Interner Link: Zwischen rechter Instrumentalisierung und linkem Schweigen: Können wir keine Islamismus-Kritik?108 Minuten, Bildungsstätte Anne Frank: "StreitBar", 2021 Interner Link: Anwerbungstaktiken auf Gaming-Plattformen30 Minuten, Radicalisation Awareness Network, 2021 Interner Link: Aladin El-Mafaalani beim ufuq-Couch Talk: Integrations-Paradox10 Minuten, ufuq.de, 2019 Interner Link: Debatte mit Behnam Said und Götz Nordbruch: Islamistische Radikalisierung – und was man dagegen tun kann63 Minuten, sagwas.net, 2017 Interner Link: Erin Marie Saltman: How young people join violent extremist groups — and how to stop them63 Minuten, TED, 2016 Diskurse über muslimische Menschen in Deutschland 16 Minuten, ufuq.de, 2022 Warum wird in Deutschland und Europa so viel über Musliminnen und Muslime gesprochen? Welche Funktion erfüllen solche "Diskursexplosionen" und wie werden sie von historischen Islamdebatten beeinflusst? Diesen und weiteren Fragen widmet sich ein Fachgespräch von ufuq.de. Islamwissenschaftlerin Schirin Amir-Moazami analysiert aktuelle Debatten und erklärt, warum es wichtig ist, Rassismus in Verbindung mit Religion und Säkularismus zu betrachten. Verfügbar auf Externer Link: ufuq.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Dschihadismus im Wandel? 30 Minuten, ARD: alpha-demokratie, 2022 Im Sommer 2021 konnten die Taliban weite Teile Afghanistans einnehmen. Wird das den Dschihadismus international stärken? Wie anpassungsfähig ist er und welche Rolle spielen soziale Medien? Für alpha-demokratie sprach Vera Cornette mit Dr. Guido Steinberg. Der Islamwissenschaftler arbeitet und forscht bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin und ist Experte für islamistischen Terrorismus. Verfügbar auf Externer Link: br.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Der Nahostkonflikt im Unterricht 13 Minuten, ufuq.de, 2022 Wie kann man den Nahostkonflikt erfolgreich im Unterricht thematisieren? Darüber spricht Mehmet Can im "ufuq Couch Talk". Er ist Lehrer an einer Berliner Schule und hat gemeinsam mit Lehrkräften sowie Schülerinnen und Schülern eine Reise nach Israel und Palästina unternommen. Außerdem hat er eine "Jerusalem AG" ins Leben gerufen und einen Comic zum Thema herausgebracht. Im Gespräch mit Sakina Abushi von ufuq.de erzählt er von seinen Erfahrungen und gibt Tipps für die Praxis. Verfügbar auf Externer Link: ufuq.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Deutsch-französische Perspektiven zu Islamismus und Rechtsextremismus 23 Minuten, France Fraternités & ufuq.de, 2022 Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede bestehen zwischen Islamismus und Rechtsextremismus in Deutschland und Frankreich? Wie lassen sich die Erkenntnisse für die Radikalisierungsprävention nutzen? Diesen und weiteren Fragen geht der Film von ufuq.de und France Fraternités nach. Den Ausgangspunkt bilden Gespräche mit deutschen und französischen Fachkräften aus Präventionspraxis und Wissenschaft. Verfügbar auf Externer Link: youtube.com Interner Link: Zum Anfang der Seite Kampf gegen Islamismus – Frankreich zwischen Terror und Polizeigewalt? 43 Minuten, Deutsche Welle, 2021 In dieser Ausgabe von "Auf den Punkt" wird diskutiert über die Absichten des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, radikale Moscheen überwachen zu lassen und ein umstrittenes Gesetz gegen Islamistischen Separatismus durchzusetzen. Journalistin Hélène Kohl, Terrorexperte Raphael Bossong (Stiftung Wissenschaft und Politik) und Soziologin Yasemin Ural (Universität Leipzig) sind zu Gast; Hajo Schumacher moderiert. Verfügbar auf Externer Link: dw.com Interner Link: Zum Anfang der Seite Zwischen rechter Instrumentalisierung und linkem Schweigen: Können wir keine Islamismus-Kritik? 108 Minuten, Bildungsstätte Anne Frank: "Streitbar", 2021 Der politischen Linken wird häufig vorgeworden, zu islamistischer Gewalt zu schweigen. Stimmt das? In der "StreitBar" diskutieren Kevin Kühnert und Saba-Nur Cheema unter anderem über die Instrumentalisierung von Opfern islamistischer Gewalt durch das rechte Spektrum sowie die Reaktion der Linken. Außerdem steht die Frage im Raum, wie rassismusfreie Kritik geübt und Islamismus trotzdem angeprangert werden kann. Verfügbar auf Externer Link: youtube.com Interner Link: Zum Anfang der Seite Anwerbungstaktiken auf Gaming-Plattformen 30 Minuten, Radicalisation Awareness Network, 2021 Mit welchem Taktiken werben Extremisten junge Menschen auf Gaming-Plattformen an? Jordy Nijenhuis und Veera Tuomala sprechen mit Expertinnen und Experten über ihre Erfahrungen in der Praxis. Verfügbar auf Externer Link: youtube.com Interner Link: Zum Anfang der Seite Aladin El-Mafaalani beim ufuq-Couch Talk: Integrations-Paradox 10 Minuten, ufuq.de, 2019 In der ersten Folge des "Couch Talks" von ufuq.de spricht Aladin El-Mafaalani über seine Thesen vom "Integrations-Paradox": Demnach führt gelungene Integration zu mehr Konflikten. Im Video geht es darum, was dies für die praktische Arbeit mit Jugendlichen bedeutet, wie Lehrkräfte mit Konflikten in der Klasse umgehen können – und mit der Debatte darüber, ob "der Islam" zu Deutschland gehört. Verfügbar auf Externer Link: ufuq.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Debatte mit Behnam Said und Götz Nordbruch: Islamistische Radikalisierung – und was man dagegen tun kann 63 Minuten, sagwas.net, 2017 Eine Online-Live-Debatte des Projekts sagwas.net hat sich im Dezember 2017 mit aktuellen Entwicklungen in Bezug auf islamistische Radikalisierung sowie Prävention von Radikalisierung in Deutschland beschäftigt. Dazu hat die Friedrich-Ebert-Stiftung Dr. Götz Nordbruch (Bundesarbeitsgemeinschaft religiös begründeter Extremismus) und Dr. Behnam Said (Islamwissenschaftler und Mitarbeiter beim Verfassungsschutz Hamburg) eingeladen, die in einem einstündigen Gespräch die Fragen der Online-Community beantworteten. Verfügbar auf Externer Link: sagwas.net Interner Link: Zum Anfang der Seite Erin Marie Saltman: How young people join violent extremist groups — and how to stop them 63 Minuten, TED, 2016 Erin Marie Saltman ist bei Facebook für Counterterrorism Policy verantwortlich. In ihrem Vortrag spricht sie über Push- und Pull-Faktoren, die dazu führen, dass sich Menschen extremistischen Gruppen anschließen. Außerdem stellt sie innovative Maßnahmen zur Prävention und zur Begegnung von Radikalisierung vor – wie das "One to One"-Programm des Londoner Think Tanks "Institute for Strategic Dialogue". In dem Programm werden zunächst auf Facebook Nutzer/-innen identifiziert, die extremistische Gedanken äußern. Anschließend werden diese mit dem Ziel der Deradikalisierung von ehemaligen Extremisten kontaktiert. Verfügbar auf Externer Link: ted.com Interner Link: Zum Anfang der Seite 6. Präventionsprojekte Klicken Sie auf die Titel, um zur Beschreibung zu gelangen. Interner Link: Webvideo-Projekt: Jamal al-Khatib18 x 2-9 Minuten, TURN und bpb, 2017-2020 Interner Link: Webvideo-Projekt: Say My Name15 x 5-25 Minuten, Kooperative Berlin und bpb, 2019 & 2020 Interner Link: Webvideo-Projekt: Reflect Your Past3 x 23-27 Minuten, endemol und bpb, 2019 Interner Link: Junge Muslime gegen Antisemitismus15 Minuten, Jungs e. V., 2019 Webvideo-Projekt: Jamal al-Khatib 18 x 2-9 Minuten, TURN und bpb, 2017-2020 Der Impuls für "Jamal al-Khatib – Mein Weg" ging von einem inhaftierten Jugendlichen aus. Nach seinem Ausstieg aus der dschihadistischen Szene wollte er sich dafür einsetzen, andere Jugendliche davor zu bewahren, die gleichen Fehler zu begehen. Die erste Staffel ist bereits 2017 erschienen, die dritte Staffel ist im April 2020 gestartet. Die Videos sind auf Facebook, Instagram und YouTube verfügbar. Auf bpb.de gibt es eine Themenseite zum Projekt mit den bereits veröffentlichten Videos und umfangreichen Hintergrundinformationen. Verfügbar auf Externer Link: bpb.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Webvideo-Projekt: Say My Name 15 x 5-25 Minuten, Kooperative Berlin und bpb, 2019 und 2020 Das Webvideoprojekt "Say My Name" richtet sich an Frauen und behandelt die Themenkomplexe Zusammenleben, Integration und Identifikation. "Say My Name" arbeitet mit jungen diversen YouTuberinnen beziehungsweise Creatorinnen zusammen, die sich gegen alle Formen von Extremismus, gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und Hassrede einsetzen. Die Creatorinnen berichten in ihren Videos über eigene Erfahrungen oder sprechen mit Menschen, die weitere Sichtweisen auf die Themen werfen. Verfügbar auf Interner Link: bpb.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Webvideo-Projekt: Reflect Your Past 3 x 23-27 Minuten, endemol und bpb, 2019 Die Webvideoreihe "Reflect Your Past" veranschaulicht Radikalisierungsprozesse anhand von Lebensgeschichten. Die YouTuberinnen und YouTuber Nihan, Cheng Loew und Diana zur Löwen treffen Aussteigerinnen und Aussteiger aus verschiedenen extremistischen Bereichen. Darunter ist auch der ehemalige Salafist Dominic Schmitz, der von seinem Weg in den Salafismus und seinem Ausstieg berichtet. Verfügbar auf Interner Link: bpb.de Interner Link: Zum Anfang der Seite Junge Muslime gegen Antisemitismus 15 Minuten, Jungs e. V., 2019 Im Projekt "Junge Muslime in Auschwitz" des Trägers Jungs e. V. werden jährlich Gedenkstättenfahrten nach Auschwitz für Jugendliche in Duisburg organisiert. Anschließend entwickeln die Teilnehmenden Theaterstücke und Videos. Damit möchten sie sensibilisieren und junge Menschen zum Nachdenken bringen. Sie möchten den online kursierenden antisemitischen Videos, die täglich von Jugendlichen konsumiert und für "die Wahrheit" gehalten werden eine andere Position entgegenstellen. Die Zielgruppe sind Jugendliche zwischen 15 und 25 Jahren. Der Kurzfilm enthält mehrere Episoden zum Thema und ist insgesamt 15 Minuten lang. Verfügbar auf Externer Link: youtube.com Interner Link: Zum Anfang der Seite Infodienst RadikalisierungspräventionMehr Infos zu Radikalisierung, Prävention & Islamismus Das Online-Portal Infodienst Radikalisierungsprävention der bpb bietet Hintergrundwissen, pädagogische Materialien, einen Newsletter und eine Übersicht mit Beratungsangeboten. Interner Link: → Zur Infodienst-Startseite Bleiben Sie auf dem Laufenden im Arbeitsfeld Radikalisierungsprävention! Termine, Stellen, News, Materialien, Videos & neue Hintergrund-Beiträge des Infodienst Radikalisierungsprävention – alle sechs Wochen per E-Mail. Interner Link: → Zum Newsletter-Abonnement Das Online-Portal Infodienst Radikalisierungsprävention der bpb bietet Hintergrundwissen, pädagogische Materialien, einen Newsletter und eine Übersicht mit Beratungsangeboten. Interner Link: → Zur Infodienst-Startseite
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2022-09-05T00:00:00
2020-04-03T00:00:00
2022-09-05T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/infodienst/307406/video-dokumentationen-filme-erklaervideos/
Die Videos berichten über Islamismus und Präventionsarbeit sowie über den "IS". Sie erklären, was Salafismus ist, und zeichnen Geschichten von Menschen nach, die sich radikalisiert haben.
[ "Islamismus", "Radikalisierung", "Extremismus", "Prävention", "Dokumentationen", "Reportagen", "Filme" ]
559
Internationale Finanzakteure und das Echo des Sozialismus | Deutschland Archiv | bpb.de
Seit 30 Jahren debattieren Politikerinnen und Politiker, Sozialwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler sowie die Öffentlichkeit über die gesellschaftspolitischen Folgen der raschen Entstaatlichung in Ostdeutschland. Die Forschung stützt sich derzeit vor allem auf Zeitzeugenaussagen und arbeitet heraus, vor welchen Herausforderungen das Privatisierungsmanagement stand und welche Chancen und Härten die im Eiltempo vollzogene Entstaatlichung der DDR-Wirtschaft für die Ostdeutschen mit sich brachte. Ein ganz wesentlicher Aspekt der Privatisierung fand in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung bislang wenig Beachtung. Denn erst neuerdings macht sich die Forschung daran, anhand von schriftlichem Archivgut nachzuvollziehen, wer eigentlich die Entstaatlichungsstrategien in den neuen ostdeutschen Bundesländern und im ehemaligen Ost-Berlin entwickelte und wie diese dann umgesetzt wurden. Die Namen internationaler Consultingfirmen und Investmentbanken wurden in diesem Zusammenhang bislang nur flüchtig zur Kenntnis genommen. Wir wissen wenig darüber, wie das Handeln ausländischer Investoren und Wirtschaftsberater die rasante Veräußerung von Betrieben und Liegenschaften nach der überraschenden Wiedervereinigung Deutschlands beeinflusste. Treuhand-Auftrag in den Händen externer Unternehmensberatungsfirmen Um Ost- und Westdeutschland wirtschaftlich zusammenzuführen, erteilte die Bundesregierung der öffentlich-rechtlichen Treuhandanstalt (Treuhand) einen außergewöhnlichen Auftrag: Sie sollte binnen weniger als fünf Jahren 8.500 ehemalige Staatsbetriebe mit über vier Millionen Beschäftigten verkaufen, abwickeln oder umstrukturieren. Um diese gewaltige Aufgabe zu bewältigen, stützte sich die Treuhand, die zu Spitzenzeiten 4.000 Beschäftigte hatte, in großem Stil auf externe Fachleute. In der Berliner Treuhandzentrale wurde ein unabhängiger Leitungsausschuss geschaffen, der aus etwa 100 Finanzfachleuten führender Unternehmensberatungen bestand. Diese sollten Bilanzen erstellen und anschließend bei der Veräußerung staatlicher oder nunmehr schon marktwirtschaftlich arbeitender Unternehmen von Rostock an der Ostsee bis nach Zittau an der deutsch-tschechisch-polnischen Grenze beurteilen, welche Investoren infrage kamen. Sie formulierten Ausschreibungen, erteilten Ratschläge an Firmen, bei denen Umstrukturierungen bevorstanden, waren zeitweilig im Management der Treuhandanstalt angestellt, legten Bonitätsbewertungen vor und berieten Unternehmen, die den Erwerb von ostdeutschen Betrieben erwogen. Wie stark Beratungsgesellschaften in der ersten Hälfte der 1990er-Jahre in die Entstaatlichung der ostdeutschen Wirtschaft eingebunden waren, lässt sich an folgenden Zahlen festmachen: 1992 wendete die Treuhand laut Bundesrechnungshof 460 Millionen D-Mark für externe Berater und 360 Millionen D-Mark für die eigene Belegschaft auf, wobei der Löwenanteil der Beratungshonorare an Investmentbanker floss. Vorrangig wurden Berater rekrutiert, die persönlich oder institutionell eng mit Großbritannien und den USA vernetzt waren und die Defizite der Treuhand aufzeigen sollten. Sogar für die Aufdeckung von Korruptionsfällen – in einigen Treuhand-Niederlassungen kam es bei Verkäufen zu massiven Unregelmäßigkeiten, die in der Öffentlichkeit hohe Wellen schlugen – bemühte die Treuhandanstalt Beratungsfirmen. Der Treuhand-Vorstand richtete Ende 1991 ein weitgehend mit Ausländern besetztes Direktorat „Investor Services“ und ein internationales Ausschreibungsbüro ein. Veräußerungen von Unternehmen erfolgten in der Regel durch Angebote. Damit Interessenten aus dem Ausland die Möglichkeit hatten, Angebote einzureichen, beauftragte die Treuhand nicht nur Beratungsfirmen und Investmentbanken, sondern warb bei sogenannten Management-Buy-Ins, Management-Buy-Outs und branchenspezifischen Auktionen auch selbst um externe Fachleute, die Angebote einholen und auswerten konnten. Vor Ort in den Betrieben wurden auch Maßnahmen eingesetzt, um ostdeutschen Belegschaften bei der Übernahme ihrer eigenen Betriebe Zugang zu Kapital zu ermöglichen (sogenanntes Employee-Buy-out). Starke Beteiligung ausländischer Finanzberater an der Treuhand Warum ermächtigte die Bundesregierung die Treuhandanstalt, derart massiv ausländische Finanzberatung einzukaufen? Die Treuhand war eine neue Institution, die vor immensen innenpolitischen und wirtschaftlichen Herausforderungen stand. Personal und Investmentkapital wurden rasch benötigt. Darüber hinaus wollte man Vorwürfen von deutschem Protektionismus und Überbürokratisierung entgegentreten, die in Medien die Runde machten. Hinzu kam, dass die Treuhand – was häufig übersehen wird – sich selbst refinanzieren musste. Während Meldungen über die Umwandlung von Staatsbetrieben in gewinnorientierte Unternehmen und Klagen über die verheerenden sozialen Folgen der schnellen Entstaatlichung Schlagzeilen machten, knüpfte die Treuhand enge Arbeitsbeziehungen mit ausländischen Investmentbankern, um Kredite für ihre stetig anwachsenden Aktivitäten zu bekommen. Zu diesem Zweck band die Treuhand Vermittler ein, die als Investmentexperten fungierten und zugleich die Türen zu sogenannten institutionellen Anlegern öffneten. Während die Privatisierungsteams der Treuhand sich von Unternehmensberatungen mit Personal versorgen ließen, sorgten die Spitzenmanager der Anstalt dafür, die benötigten Geldmittel zu günstigen Konditionen zu beschaffen. Mehr als drei Viertel des Treuhand-Budgets stammte aus Krediten, die auf den Finanzmärkten aufgenommen wurden. 1993 befand sich ein Drittel aller Treuhand-Anleihen im Wert von mehreren Milliarden D-Mark in ausländischer Hand. Die sozialistischen Wurzeln der Treuhand Dass die deutschen Privatisierer so stark auf externe Finanzexperten aus dem englischsprachigen Raum setzten, liegt an Umfang und Größenordnung der Herausforderungen nach 1989. Es kamen aber noch weitere Faktoren hinzu. Und hier spielten Verbindungen aus der sozialistischen Vergangenheit eine maßgebliche Rolle. Im Herbst 1989 führten die neuen politischen Konstellationen und auch die Reformzusagen der SED-Führung zu einem deutlich intensiveren Austausch zwischen den beiden deutschen Regierungen. Eine Woche nach dem Mauerfall drängte Bundeswirtschaftsminister Helmut Haussmann (FDP) den ehemaligen SED-Parteichef von Dresden und neuen sozialistischen Ministerpräsidenten Hans Modrow und seine Wirtschaftsministerin Christa Luft, schnellstmöglich weitreichende Reformen einzuleiten, um Investitionskapital anzulocken. Haussmann und sein Staatssekretär Dieter von Würzen sprachen zunächst pflichtschuldig von der Notwendigkeit, die westeuropäische Integration zu beschleunigen. Sie machten aber gegenüber Modrow und Luft deutlich, die sozialistischen Reformkräfte müssten begreifen, wie zentral die „Kapitalbeteiligung“ für das Funktionieren multinationaler Wirtschaftsordnungen geworden sei. Westdeutsche Unterstützung setze, wie Haussmann und von Würzen betonten, die rasche Einleitung einer für private Investitionen günstigen Entstaatlichungspolitik voraus. Mit der Herkulesaufgabe, Investitionen in die ostdeutsche Planwirtschaft zu locken, beauftragten Modrow und Luft innerhalb ihrer reformorientierten sozialistischen Regierung ein zwölfköpfiges Gremium unter Vorsitz eines Mannes aus der sozialistischen Nomenklatura: Wolfram Krause. Der im Moskau der 1950er-Jahre ausgebildete Ökonom war zuvor im Zentralkomitee der SED und von 1974 bis 1979 stellvertretender Vorsitzender der Staatlichen Plankommission gewesen. Wolfram Krause, Vorstandsmitglied der Treuhandanstalt, Ressort Finanzen (1991). (© picture-alliance) Krause hatte sich Ende der 1970er-Jahre mit der ostdeutschen Führung zerstritten. Das Zerwürfnis war jedoch nicht so gravierend, als dass er jeden Einfluss innerhalb der SED verloren hätte. Krause arbeitete die beiden wichtigsten wirtschaftspolitischen Beschlüsse aus, die in den kritischen Monaten der Regierung Modrow verabschiedet wurden: zum einen das sogenannte Joint-Venture-Gesetz, das Anreize für Investitionen aus dem Ausland schuf, und zum anderen den Beschluss zur Gründung einer Treuhandanstalt. Das im Januar 1990 verabschiedete Joint-Venture-Gesetz gestattete ausländischen Konzernen Kapitalbeteiligungen an ostdeutschen Unternehmen von bis zu 49 Prozent. Diese Obergrenze wurde nach den Volkskammerwahlen am 18. März 1990 für die meisten Unternehmen abgeschafft. Mit der Formulierung des ostdeutschen Statuts einer Treuhandanstalt ging das reformsozialistische Trio Modrow-Luft-Krause auf eine Forderung demokratischer Reformer ein. Die als Holdinggesellschaft konzipierte Behörde sollte das ostdeutsche „Volkseigentum“ schützen. Mittels Anteilsscheinen sollte die Treuhand ostdeutsche Bürgerinnen und Bürger an den Erlösen der Privatisierung beteiligen. Dieser hauptsächliche Grund für die Einrichtung der Holding fiel allerdings schnell unter den Tisch. Stattdessen wurde im ersten Statut der Treuhand festgelegt, dass die Anstalt vorübergehend die Anteile der meisten ostdeutschen Unternehmen halten sollte. Während dieses Übergangszeitraums sollte die Holding einer strikten parlamentarischen Kontrolle unterliegen. Am 1. März 1990 beschloss der Ministerrat als höchstes exekutives Organ der DDR Krauses Vorschlag einstimmig. Währungsunion soll Ostdeutschland in Bundesrepublik eingliedern Während Krause und seine Mitstreiter in der DDR sich bemühten, mittels Joint-Ventures ausländisches Engagement einzuwerben, wurden gleichzeitig grundlegende Pläne für eine Währungsunion zur Umsetzung weitreichender Wirtschaftsreformen in der DDR geschmiedet. Das radikale Ziel der vorgeschlagenen Währungsunion bestand darin, Ostdeutschland zügig in die Bundesrepublik einzugliedern. Eine Allianz ostdeutscher konservativer Parteien, die sich mit Helmut Kohls westdeutscher CDU verbündet hatte, errang bei den Wahlen im März 1990 einen Erdrutschsieg. Modrow und Luft schieden aus der Regierung aus. Wolfram Krause indes wechselte zur neu gegründeten Treuhand. Bis zur Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 unterstand die Treuhand noch dem ostdeutschen Ministerpräsidenten, danach aber dem Bundesministerium der Finanzen. Während die Leitung der Treuhand in den ersten Monaten ihres Bestehens häufigen Veränderungen unterlag, hatten Krause und andere ostdeutsche Mitarbeitende großen Spielraum. Krause ging mit seiner 91-köpfigen Belegschaft daran, Tausende ostdeutsche Betriebe in Unternehmen nach westdeutschem Beispiel umzuwandeln. Er richtete die erste Privatisierungsabteilung der Treuhand mit 15 Niederlassungen in ganz Ostdeutschland ein, und er traf sich mit ausländischen Investmentexperten. Der Brite John Redwood bot der ostdeutschen Regierung an, Kontakte zu britischen Investmentbanken herzustellen. Diese waren weltweit gefragte Experten, weil sie die Privatisierungsaktivitäten im Großbritannien der 1980er-Jahre mitgestaltet hatten. Auch nach der Ernennung des westdeutschen Sanierers Detlev Karsten Rohwedder zum Präsidenten der Treuhand blieb Krause an zentraler Stelle in wichtige Veräußerungsfragen eingebunden, die die Treuhand zu lösen hatte. Ende 1990 war er einer der wenigen Ostdeutschen auf der Leitungsebene der Treuhand. Als klarer wurde, welche Aufgaben das Bundeskanzleramt und das Finanzministerium der Treuhand übertrugen, lag seine Zuständigkeit bei der Beschaffung riesiger Kapitalmengen im In- und Ausland. Treuhand wird Privatisierungsagentur – Banken reden mit Als geschäftsführender und später stellvertretender Direktor der Treuhand nahm Krause in den ersten Monaten des Bestehens der Anstalt an wichtigen Treffen mit westdeutschen Kollegen teil und fungierte als Bindeglied zwischen der ostdeutschen Regierung, der bundesdeutschen Politik wie auch der Geldgeberseite. Eine wegweisende Zusammenkunft fand am 18. Mai 1990 statt – just an dem Tag, an dem die Finanzminister Ost-und Westdeutschlands den Staatsvertrag über die Einführung der D-Mark unterzeichneten. An diesem 18. Mai hatten westdeutsche Bankdirektionen und einflussreiche westdeutsche Politikerinnen und Politiker Krause als Alleinvertreter der Treuhand zu einer vertraulichen Besprechung nach Frankfurt am Main geladen. In den Geschäftsräumen der Privatbank Schröder, Münchmeyer, Hengst & Co. diskutierte man über Pläne, die Treuhand durch eine Änderung des Statuts von einer Holding in eine Privatisierungsagentur umzuwandeln. Am Tisch saßen Direktoren führender deutscher Banken wie der Deutschen Bank, der Dresdner Bank und der Commerzbank sowie einflussreiche Privatbankiers. Ein weiterer Gesprächsteilnehmer war der Leiter der Abteilung Wirtschafts- und Finanzpolitik im Bundeskanzleramt, Sighart Nehring. Die westdeutschen Bankdirektoren forderten, die Treuhand solle nur gegenüber der neuen konservativ geführten ostdeutschen Regierung und nicht gegenüber der Volkskammer rechenschaftspflichtig sein. Außerdem wollten sie den Einfluss der Arbeitnehmervertretungen auf Entscheidungsprozesse der Treuhandanstalt beschneiden. Sie verlangten zusätzlich, das Mandat der Treuhand klar zu befristen, die bis dahin zentralisierte Treuhandanstalt nach Branchen zu strukturieren, auch Grund und Boden in die Entstaatlichung einzubeziehen und externe Berater mit langjähriger Erfahrung am Kapitalmarkt einzubinden, die auch mit Insolvenzverfahren umgehen konnten. Externe Experten sollten nicht nur beratend tätig, sondern auch im künftigen Vorstand der Treuhand vertreten sein und in ihren Vorstandsbereichen direkte Entscheidungsbefugnisse ausüben. Die meisten Vorschläge, die bei dieser Zusammenkunft im Mai 1990 vorgebracht wurden, erhielten Zustimmung. In einem Punkt erkannten die Finanzakteure die Notwendigkeit staatlichen Eingreifens an: Sie wollten die Privatisierungsagentur nicht in ein Unternehmen umwandeln. Nach Meinung der Banker sollte die Treuhand vielmehr eine Anstalt öffentlichen Rechts bleiben, damit sie sich künftig mithilfe von Staatsgarantien günstige Kredite besorgen konnte. Das Ministerium in Bonn und auch der in seinem Auftrag handelnde Wolfram Krause in der Ost-Berliner Treuhand-Zentrale, der formell auch die nach wie vor weitgehend intakte ostdeutsche Industrie vertrat, drängten darauf, den zuvor in der DDR-Volkskammer vereinbarten Kurs beizubehalten. Aber ihr Standpunkt war nicht mehr maßgeblich. Eine Woche nach Krauses Besuch in Frankfurt wiesen Bundesbeamte den neuen ostdeutschen Wirtschaftsminister Pohl nachdrücklich darauf hin, dass ein beschleunigter Privatisierungskurs nicht länger wegen „politischer Vorbehalte in der DDR“ verzögert werden dürfe. Die Unterstützung aus Westdeutschland setzte die Zustimmung zu einer zügigen Privatisierung voraus, die von einer parlamentarischen Mitwirkung abgekoppelt werden und sich auf externen Sachverstand stützen sollte. Veränderte Aufgaben für die Treuhand Mitte Juni 1990 verabschiedete das ostdeutsche Parlament zügig ein neues Gesetz, das die Hauptaufgaben der Treuhand veränderte: Ihr vorrangiges Ziel bestand nunmehr darin, Staatsvermögen zu privatisieren und mit den Verkaufserlösen die steigenden Schulden der Treuhand auszugleichen. Für die veränderte Aufgabenstellung gab es mehrere Gründe. Zum einen waren die Treuhand-Firmen auf Kredite westdeutscher Geschäftsbanken angewiesen, die zu diesem Zeitpunkt aber noch erklärten, dass sie nicht bereit wären, diese Kredite zu gewähren. Zum anderen warnten westdeutsche Notenbanker, angesichts der inzwischen erdrückenden Verbindlichkeiten ostdeutscher Firmen in einer der härtesten Währungen der Welt, dass ostdeutsche Unternehmen besonders sorgfältig darüber nachdenken müssten, wie sie das Kapital einsetzten. Während im Sozialismus die Verschuldung von Staatsbetrieben als irrelevant galt, kämpften die Firmen, die demnächst kapitalistische Unternehmen werden sollten, erbittert um jede D-Mark, um ihre Löhne bezahlen und den Bankrott abwenden zu können. Finanzkonzepte setzten sich in der Treuhandanstalt schließlich durch, weil in- und ausländische Banken sich beharrlich dafür stark machten und vorbrachten, dass die Treuhand auf ein internationales Expertentum angewiesen sei, das sich mit der Veräußerung von Staatsvermögen auskannte. Entsprechend eindeutige Weisungen kamen zudem auch aus dem Bonner Finanzministerium und dem Bundeskanzleramt. Im Herbst 1990 fassten die Direktoren der Treuhand und ihr Finanzchef Krause den Plan, sich bis Ende 1991 die für deutsche Verhältnisse schwindelerregende Summe von 25 Milliarden D-Mark zu leihen. Damit die Treuhand diese Summe zu günstigen Konditionen aufnehmen konnte, griff das Finanzministerium im Oktober 1990 zu einer außergewöhnlichen Maßnahme: Es gewährte der Treuhand denselben Reputationsstatus wie der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Auf diese Weise wollte man die Treuhand international attraktiver machen und ihre Position stärken, wenn es darum ging, Geldinstitute um Kredite zu bitten. Sowohl das Finanzministerium als auch die Treuhand selbst versprachen sich von diesem erweiterten Mandat für die Banker „eine positive Wirkung auf die Privatisierung von Treuhand-Firmen.“ Treuhandanstalt wird international mit „alten Bekannten“ Die Eintrübung der Konjunkturaussichten Anfang 1991 führte dazu, dass das Bemühen um intensivere Beziehungen der Treuhand zu ausländischen Bankern zur Chefsache wurde. Ende April 1991 ermunterte Bundeskanzler Helmut Kohl die neue Treuhand-Präsidentin Birgit Breuel zur Gründung eines Büros in der Weltfinanzmetropole New York. Im Juni 1991 rief Kohl vor dem Bundestag „Deutschlands Partner und Freunde in der Welt“ auf, die Chancen des „Wiederaufbaus“ in den neuen Bundesländern viel stärker zu nutzen. Diese Aufforderung zu intensiverer Investitionstätigkeit wurde von ausländischen Botschaften, Finanzinstituten und Unternehmensberatungen aufmerksam registriert. Um von der Seite der Treuhand verstärkt Auslandskontakte aufzubauen, setzte man auf Mitglieder der ostdeutschen Bürokratie, die ihre Westkontakte noch zu DDR-Zeiten geknüpft hatten. Insbesondere traf dies auf den ehemaligen SED-Funktionär Wolfgang Stamm zu, der seit 1974 Stellvertretender Minister für Allgemeinen Maschinen-, Landmaschinen- und Fahrzeugbau gewesen war und zudem die Arbeitsgruppe Automobilbau der sogenannten „Gemischten Kommission DDR-Frankreich“ geleitet hatte. Bereits 1990 knüpfte Stamm Kontakte zur amerikanischen Investmentbank Salomon Brothers. Zusammenfassung und Ausblick Versuche von Politik und Regierung, die Entstaatlichung voranzutreiben, gingen nie allein von Westdeutschland aus. Die Verantwortung für die Abschaffung von Kollektiveigentum zugunsten von Privateigentum in Ostdeutschland lag in den Händen von gewählten Mandatsträgerinnen und -trägern, von Bundes- und Landesbehörden, Unternehmerinnen und Unternehmern sowie Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern. Ihr Handeln bei der Veräußerung des ostdeutschen Staatsbesitzes und beim Einwerben von internationalem Investitionskapital verlangt danach, genauer erforscht zu werden. Gleiches gilt für die Empfehlungen transnationaler Finanzakteure. Sie zogen oftmals weniger Aufmerksamkeit auf sich als das Handeln von Regierung, Politik und Behörden, hatten jedoch maßgeblichen Einfluss darauf, wie Handlungsspielräume genutzt und welche Entscheidungen gefällt wurden. Die Treuhand kaufte Beratungsleistungen im Umfang von Hunderten Millionen D-Mark ein und nahm Hunderte Milliarden D-Mark an Krediten auf den internationalen Kapitalmärkten auf. Nicht nur westdeutsche Industrielle und Bundesbeamte, sondern auch internationale Finanzvermittler hatten Anteil am massenhaften Verkauf von Staatsvermögen in Ostdeutschland. Aus der Sicht der deutschen Privatisierer und ihrer gut bezahlten internationalen Berater waren die unzähligen Schwierigkeiten bei der „Transformation“ des Ostens Ergebnis von zwei Generationen Sozialismus sowjetischer Prägung. Akteurinnen und Akteure aus der sozialistischen Vergangenheit wirkten Anfang der 1990er Jahre jedoch ganz konkret am Umbau mit. Das raue Eintauchen Ostdeutschlands in eine international vernetzte Wirtschaft wurde von erfahrenen sozialistischen Planwirtschaftlern mitgestaltet. Die Treuhand war ihre Schöpfung, und einige wichtige Mitglieder der Nomenklatura hielten bis 1992 einflussreiche Positionen und übernahmen zentrale Aufgaben. Sie sorgten dafür, dass Treuhand-Firmen Bilanzen in D-Mark vorlegten, warben im In- und Ausland um Investitionen und Refinanzierung und gestalteten die Zukunft der Treuhand als Beratungsanbieter für Osteuropa mit, um so Beziehungen, die das sozialistische Regime Ostdeutschlands in den 40 Jahren seines Bestehens aufgebaut hatte, neues Leben einzuhauchen. Hochrangige Akteurinnen und Akteure aus sozialistischer Zeit traten ab 1992 nicht mehr in Erscheinung. Jedoch spielten die innerdeutschen Beziehungen, die vor 1989 gewachsen waren, in den frühen 1990er Jahren für Ost- wie auch für Westdeutsche (und ausländische Investoren) eine entscheidende Rolle. Um nur ein Beispiel anzuführen: Detlev Rohwedder, bis April 1991 Präsident der Treuhand, hatte in den 1970er- und 1980er-Jahren in erheblichem Umfang Geschäfte mit DDR-Betrieben getätigt. Als Vorstandsvorsitzender des Dortmunder Stahlkonzerns Hoesch versuchte Rohwedder nach dem Mauerfall, seine Beziehungen zu ostdeutschen Wirtschaftsführern gewinnbringend zu nutzen. Als er im Dezember 1989 ein Telefonat mit dem DDR-Minister für Maschinenbau führen wollte, bekam er diesen nicht selbst zu sprechen, sondern geriet stattdessen an Wolfram Krause, seinen künftigen Finanzchef bei der Treuhand. Die Nachwirkungen solcher innerdeutschen wie auch internationalen Kontakte blieben Jahre nach der Auflösung der Treuhand spürbar. Dieser Beitrag beteiligt sich nicht an der Kontroverse über Erfolg oder Misserfolg der deutschen Wiedervereinigung oder über die Rolle der Treuhand bei der Überwindung – oder Vertiefung – der Spaltung des Landes. Hier sollte vielmehr nachgezeichnet werden, welche internationalen Faktoren und welche Beziehungen aus sozialistischen Zeiten die Eingliederung der DDR-Wirtschaft in das kapitalistische Wirtschaftssystem der 1990er Jahre mit bedingten. Die Probleme bei der Neuordnung der ökonomischen Hinterlassenschaften der DDR lassen sich nicht allein auf Rückstände infolge planwirtschaftlicher Fehlentwicklungen und Autarkiebestrebungen zurückführen. Das nun verstärkt zugängliche schriftliche Archivgut im In- und Ausland macht Stück für Stück Kontinuitäten zur sozialistischen Planwirtschaft sichtbar und verweist auf die maßgebliche Rolle des internationalen Finanzmarkts bei der Eingliederung Ostdeutschlands in die erweiterte Bundesrepublik. Zitierweise: "Internationale Finanzakteure und das Echo des Sozialismus “, Keith R. Allen, in: Deutschland Archiv, 11.12.2019, Link: www.bpb.de/302083 Wolfram Krause, Vorstandsmitglied der Treuhandanstalt, Ressort Finanzen (1991). (© picture-alliance) Zur Einführung: Marcus Böick, Die Treuhand. Idee – Praxis – Erfahrung, 1990-1994, Göttingen 2018. Dierk Hoffmann, Im Laboratorium der Marktwirtschaft: Zur Geschichte der Treuhandanstalt 1989/90 bis 1994. Ein neues Forschungsprojekt des Instituts für Zeitgeschichte, in: Vierteljahreshefte für Zeitschichte 66 (2018) 1, S. 167—185. Deutscher Bundestag (Hrsg.), Treuhandanstalt, Bericht des 2. Untersuchungsausschusses des 12. Deutschen Bundestages, Bonn 1994, S. 447 u. 449. Die tatsächliche Summe war höher, da die Honorare für Auftragnehmer, die für die von der Stasi - im Rahmen des zur Stasi gehörenden Bereichs Kommerzielle Koordinierung (KoKo) - betriebenen ostdeutschen Firmen später ohne die Treuhand als Vermittlerinstanz direkt vom Bonner Finanzministerium übernommen wurden. Bei Management-Buy-In (MBI) handelt es sich um die Übernahme eines Unternehmens durch ein Management von außen oder darum, dass die Übernahme mithilfe eines Investors durch ein fremdes Management angestrengt wird. Das Management-Buy-out (MBO) hingegen beschreibt eine Unternehmensübernahme, bei der das betriebseigene Management die Kapitalmehrheit vom bisherigen Unternehmensinhaber erwirbt. Bundesministerium für Wirtschaft, Wirtschaftliche Zusammenarbeit (streng vertraulich), 19.11.1989, in: Bundesarchiv (BArch). DE 10/9. gez. W. Krause, Entwurf einer Zielstellung, Grundrichtungen, Etappen und unmittelbaren Maßnahmen der Wirtschaftsreform in weiterer Verwirklichung der Regierungserklärung vom 17.11.1989, 19.1.1990, in: Bundesarchiv (BArch). DC 20/11269. Siehe auch Dieter Grosser, Das Wagnis der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion. Politische Zwänge im Konflikt mit ökonomischen Regeln, Stuttgart 1998, S. 119-127. Siehe Dokument 12/15., Vorlage Nr. 12/29, 12. Sitzung, 12. Februar 1990, Freies Forschungskollegium „Selbstorganisation“ für Wissenskatalyse an Knotenpunkten, in: Der Zentrale Runde Tisch der DDR. Wortprotokoll und Dokumente, Bd. 5 Dokumente, Wiesbaden 2000, S. 352-354. Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik, Teil, Nr. 14, 8.3.1990, Nachdruck in: Dokumentation 1990-1994, Berlin 1994, S. 1-5. Amt des Ministerpräsidenten, Schreiben von J. C. J. Ramsden an Voigt, Bundesarchiv (BArch), DC 20/6069. John Redwood war damals für „Corporate Affairs“ zuständiger Staatsminister im Ministerium für Handel und Industrie und ist derzeit ein führender Brexit-Befürworter. Treuhandanstalt, 18.5.1990, Bundesarchiv (BArch), B 136/35286. Gemeinsame Abteilungsleiterkonferenz mit der Leitung des Ministeriums für Wirtschaft der DDR anl. des Besuchs von Minister Dr. Pohl am Dienstag, 29. 5.1990, 7.6.1990, Bundesarchiv (BArch), DE 10/122. Gesetzblatt DDR Teil I, Nr. 33 vom 17.6.1990. Siehe auch: Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik: Stenographisches Protokoll, 10. Wahlperiode, 14. Tagung, 15.6.1990, in: Treuhandanstalt Dokumentation, Bd. I, S. 187-200. Schreiben von Köhler an Rohwedder, 20.9.1990, Bundesarchiv (BArch), B 412/2542. Grundsätze für die Mittelaufnahme der Treuhandanstalt, 30.10.1990, Bundesarchiv (BArch), B 412/2549. Schreiben von Helmut Kohl an Breuel, 29.4.1991, Bundesarchiv (BArch), B 412/3171. Zur Frage, wie diese Maßnahmen sich auf den Verkauf an Ausländer auswirkten, siehe Keith R. Allen, „Directing Foreign Investment: Swiss Engagements after (and before) 1989“, in: Central European History 53 (2020) 1, https://doi.org/10.1017/S0008938919000992, letzter ZUgriff 5.3.2020. Eine Einführung in die Arbeit, die KPMG für die Treuhand leistete, liefert Marcus Böick, Die Entdeckung der DDR im Frühjahr 1990: ‚Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben‘, in: Dieter Ziegler et al. (Hrsg.), Vertrauen als Auftrag. Von der Deutsch-Amerikanischen Treuhand-Gesellschaft zur KPMG AG, München 2015, S. 217-233. Schreiben von Rohwedder und Flohr an Professor Dr. Grünheld, Minister für Maschinenbau, „Zu diesem konkreten Fall wird Koll. Krause eine telefonische Verabredung treffen, d.h. ein Brief ist nicht erforderlich.“, 12.12.1989, Bundesarchiv (BArch), DE 10/120.
Article
Keith R. Allen
2022-02-10T00:00:00
2019-12-11T00:00:00
2022-02-10T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/deutschlandarchiv/302083/internationale-finanzakteure-und-das-echo-des-sozialismus/
Archivbestände offenbaren, wie Finanzberater aus dem englischsprachigen Raum und Vertreterinnen und Vertreter der planwirtschaftlich geprägten DDR-Nomenklatura die Arbeit der Treuhand prägten.
[ "Treuhand", "Treuhandanstalt", "Privatisierung durch die Treuhand", "DDR", "Bundesrepublik Deutschland", "DDR", "Bundesrepublik Deutschland", "Berlin" ]
560
M 01.06 Stereotypen und Vorurteile | Fußball und Nationalbewusstsein - Fußball-Welmeisterschaft 2014 in Brasilien! | bpb.de
Stereotypen dienen dazu, einen Gegenstand, eine Person oder eine Gruppe zu charakterisieren. Ein Vorurteil ist ein Urteil, das ohne vorherige Erfahrung über etwas gefällt wurde. Beide erfüllen für die Menschen die Funktion, Unsicherheit und Bedrohung psychisch abzuwehren. Sie dienen dazu, die Welt überschaubar zu machen, Komplexität zu reduzieren. Sie schaffen Sicherheit für das eigene Handeln. Darüber hinaus können sie zur Stabilisierung des Selbstwertgefühls beitragen und liefern mitunter ein gesellschaftlich gebilligtes Objekt für die Aggressionsabfuhr. Sie entlasten unser Alltagsbewusstsein, indem Situationen und Personen nicht immer wieder neu bewertet und interpretiert werden müssen. Sie haben also eine individuelle und eine gesellschaftliche Funktion. Stereotypen und Vorurteile sind äußerst resistent gegen Veränderungen, da diese die Persönlichkeitsstruktur betreffen. Kurz gesagt: Sie haben eine Entlastungsfunktion, sie steuern die Wahrnehmung und verhindern damit auch neue Erfahrungen, da die Vorurteilsbehafteten den Kontakt mit den Objekten ihrer Vorurteile vermeiden. Ein Antisemit wird die Bekanntschaft mit Juden meiden, ein Rassist den Kontakt mit Ausländern. Vorurteile und Stereotypen sind wie das liebgewonnene Mobiliar unseres Weltbildes, das ungern „umgeräumt“ wird. Vorurteile dienen der schnellen und zuverlässigen Orientierung in einer sozial komplexen Umwelt und vermitteln das Gefühl der sozialen Zugehörigkeit. Wenn sich Menschen begegnen, nehmen sie einander wahr. Sozialpsychologische Forschungen belegen, dass man über das tatsächlich Wahrgenommene hinausgeht und unbewusste Schlüsse auf weitere, nicht beobachtbare Eigenschaften des Menschen zieht: Aus dem momentanen Gesichtsausdruck werden z.B. Stimmungen und Persönlichkeitsmerkmale abgeleitet. Außerdem führt die Annahme bestimmter Merkmale einer Person dazu, dass die Existenz weiterer angenommen wird, die zu dem vorhandenen Eindruck „passen“; andere Eigenschaften werden ausgeschlossen. Negativ bewertete Personen werden eher gemieden, als sympathisch wahrgenommenen Personen hilft man eher als anderen etc. (vgl. Herkner 1978, S.228). Wir wählen also aus, während wir wahrnehmen. Für viele Menschen genügt es, jemanden anhand von eindeutigen Merkmalen als Amerikaner, Deutschen oder Italiener klassifizieren zu können, um daraus weitreichende Schlüsse auf dessen Persönlichkeit und Charaktereigenschaften zu ziehen, ohne Informationen über das konkrete Individuum zu haben. Die unterstellten Eigenschaften der Kategorie Deutscher werden auf die Person übertragen. In diesem Fall haben wir es mit Vorurteilen und Stereotypen zu tun. Ein kurzes Zitat dazu: „Nach der Theorie der sozialen Identität von Taifel wird das bei einer Person beobachtbare Verhalten als eher gruppentypisch oder als eher individuell determiniert klassifiziert“. Mitglieder von Fremdgruppen werden nicht individuell wahrgenommen, sondern eher den „gruppentypischen Verhaltensweisen“ zugeordnet. „Damit wird das tatsächlich individuell wahrgenommene Verhalten als gruppentypisch klassifiziert und damit ‚depersonalisiert’, und somit als gleichförmig und einheitlich wahrgenommen. So tendieren Deutsche dazu, alle Italiener als unzuverlässig, sprunghaft und unberechenbar anzusehen, wohingegen sie bei den eigenen Landsleuten zu fein abgestimmten Differenzierungen zwischen zuverlässigen und unzuverlässigen Partnern fähig sind. Wird der Ausländer als Mitglied einer Fremdgruppe wahrgenommen, die man deutlich zu unterscheiden wünscht, so betrachtet man ihn eher unter einer einheitlichen sozialen Kategorie“ (Thomas 1991, S.11). Wie so oft in den Sozialwissenschaften gibt es keine eindeutige Definition. Vereinfacht gesagt, handelt es sich bei Stereotypen um verallgemeinerte, vereinfachende und klischeehafte Vorstellungen, die sich nach einer Definition im Handbuch der Psychologie auf den kognitiven Bereich beziehen. Vorurteile sind demgegenüber vorgefasste Urteile, die von positiven oder negativen Gefühlen begleitet werden und nur schwer veränderbar sind. Sie sind gegen Informationen resistent - das gilt umso mehr, je stärker sie von Emotionen begleitet werden. Stereotypen und Vorurteile sind „geistige Schubladen“; sie erleichtern es uns, (vermeintliche) Orientierung zu finden. Sie sind keine Ausnahmeerscheinung, sondern gehören zur menschlichen Grundausstattung. Veränderbar sind hingegen die Inhalte. Auf wen oder was sich unsere Vorurteile und Stereotypen richten, ist von der historischen Erfahrung, Sozialisation, der geografischen Lage und anderen Faktoren abhängig. Bewertungen ein und desselben Sachverhalts/einer Personengruppe können sich unter veränderten gesellschaftlichen Verhältnissen verschieben. Das bedeutet auch, dass Menschen im Hinblick auf ihre sozialen Einstellungen/Stereotypen und Vorurteile manipulierbar sind, was Spannungen und Konflikte zwischen Gruppen hervorrufen oder verstärken und bis zu kriegerischen Auseinandersetzungen führen kann. Ethnische Stereotype sind Bestandteil des Wertesystems jeder Kultur, jeder Gesellschaft, jeder Ethnie. Ihre soziale Funktion ist es, die jeweilige Gruppe abzugrenzen und zu stabilisieren. Sie geben Halt. Menschen, die unter geringem Selbstwertgefühl leiden, bedienen sich der Vorurteile, um Angst und Unsicherheit abzubauen, um ihre Bedürfnisse nach Sicherheit und Orientierung zu stillen. Jetzt könnte man annehmen, je mehr wir mit anderen Menschen, mit anderen kulturellen/ethnischen Gruppen zusammenkommen, umso mehr echte Informationen erhalten wir und umso mehr authentische Erfahrungen können wir machen. Demzufolge müssten die nationalen Vorurteile und Stereotypen im mobilen Europa abnehmen. Dies ist jedoch nicht der Fall. Nur durch sozialen Kontakt wird das Verhältnis zwischen Gruppen nicht unbedingt besser, sondern es bedarf des Willens und der Einsicht, dass der Kontakt durch Vorurteile und Stereotypen geprägt ist. Der Lernwille der beteiligten Menschen ist ein erster Schritt, sie aufzuweichen. […] Aus: Günter Friesenhahn: Stereotypen und Vorurteile, in: Modul „Interkulturelles Lernen“ auf dem Portal der Fachstelle für Internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland e.V. IJAB : Externer Link: https://www.dija.de/fileadmin/medien/downloads/Dokumente/Guenter2IKL.pdf (18.05.2014) Arbeitsaufgaben: Erkläre mit eigenen Worten die Begriffe "Vorurteil" und "Stereotyp", nenne dabei Merkmale, durch die sie sich jeweils kennzeichnen lassen. Worin unterscheiden sich Stereotype und Vorurteile, was ist ihnen gemeinsam? Welche (soziale) Funktion haben Stereotype und Vorurteile? Nenne Beispiele jeweils für Stereotype und Vorurteile aus deinem eigenen Alltag. Vergleiche deine Ergebnisse mit denen deines Partners. Eine Druckversion des Arbeitsblatts steht als Interner Link: PDF-Datei zur Verfügung.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2021-06-23T00:00:00
2012-04-19T00:00:00
2021-06-23T00:00:00
https://www.bpb.de/lernen/angebote/grafstat/fussball-und-nationalbewusstsein/130843/m-01-06-stereotypen-und-vorurteile/
Die Begriffe "Stereotyp" und "Vorurteil" werden in diesem Text definiert und voneinander unterschieden, darüber hinaus werden ihre Ursachen und Funktionen erläutert.
[ "Grafstat Stereotypen Vorurteile Fußball Nationalbewusstsein" ]
561
Chronik: 1. – 14. Mai 2018 | bpb.de
01.05.2018 Nach einem Treffen mit den Eltern und Betreuern volljähriger schwerbehinderter Kinder und diesen selbst, die seit mehr als einer Woche im Gebäude des Sejm protestieren, äußert der Bürgerrechtsbeauftragte Adam Bodnar seine Unterstützung der Forderung der Protestierenden nach einer einkommensunabhängigen finanziellen Zuwendung von monatlich 500 Zloty und lehnt den Regierungsvorschlag ab, die Summe in Sachleistungen zur Verfügung zu stellen. Dies sei ein Versuch, öffentliche Mittel einzusparen, jedoch würden die Betroffenen in ihrer Situation am besten wissen, wie das Geld konkret einzusetzen sei. 02.05.2018 In seiner Ansprache aus Anlass des"Feiertages der Fahne" und des "Tages der Polonia und der Polen im Ausland" sagt Senatsmarschall Stanisław Karczewski, dass die Verbundenheit zur eigenen Nation und zum eigenen Staat teilweise als Anachronismus betrachtet werde, der der europäischen Integration schade. Jedoch habe Europa nur dank des Patriotismus seine Freiheit gegen die nationalsozialistische und sowjetische Tyrannei verteidigen können und sei heute eine Oase der Demokratie und des Wohlstands. Die Europäische Union werde nur fortbestehen, wenn sie die Identität der europäischen Nationen verteidige. Der "Tag der Fahne" diene der Vergewisserung der polnischen nationalen Symbole und der polnischen wie der europäischen Identität. 03.05.2018 Am 227. Jahrestag der Verfassung der"Republik beider Nationen" unterzeichnen Präsident Andrzej Duda und seine litauische Amtskollegin Dalia Grybauskaitė eine Erklärung, in der sie die historisch gewachsenen bilateralen Beziehungen bekräftigen. Die stellvertretende Sejmmarschallin Beata Mazurek teilt mit, dass sich Polen um die Wiederaufnahme der polnisch-litauischen parlamentarischen Zusammenkünfte noch in diesem Jahr bemühe. Ziel sei es, die Probleme im Zusammenhang mit der polnischen Minderheit in Litauen und der litauischen Minderheit in Polen zu lösen. 05.05.2018 Auf einer Pressekonferenz ruft die Ministerin für Familie, Arbeit und Sozialpolitik, Elżbieta Rafalska, dazu auf, die seit zwei Wochen dauernden Proteste im Gebäude des Sejm einzustellen, und betont die Kompromissbereitschaft der Regierung. Die Protestierenden, Eltern und Betreuer volljähriger schwerbehinderter Kinder und diese selbst, bekräftigen ihre zweite Forderung einer einkommensunabhängigen monatlichen Zahlung in Höhe von 500 Zloty. Sie werfen der Regierung vor, die öffentliche Meinung zu manipulieren, indem sie die schwierige Lage der Betroffenen falsch darstelle. Auch solle die geforderte Summe nicht dämonisiert und mit Sachleistungen abgegolten werden. 06.05.2018 Im Bergwerk Zofiówka im oberschlesischen Jastrzębie-Zdrój werden nach dem Erdbeben am Vortag zwei tödlich verunglückte Bergleute geborgen. Das Beben erreichte einen Wert zwischen 3,4 und 3,9 auf der Richterskala. Seit Jahresbeginn ist es bereits zu acht Todesopfern im polnischen Bergbau gekommen. 07.05.2018 In einer Grußadresse an die Teilnehmer einer Energie-Konferenz in Misdroy (Międzyzdroje, Woj. Westpommern) zum Thema Energieträger Gas und zu den Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen den USA und den Staaten der Ostsee, der Adria und des Schwarzen Meeres spricht sich Präsident Andrzej Duda für die Schaffung eines freien Gasmarktes in Mitteleuropa aus. Ziel solle sein, Sicherheit, Effektivität, Stabilität und Vertrauen im Energiesektor zu befördern. Dafür solle eine Nord-Süd-Achse zwischen den LNG-Terminals in Swinemünde (Polen) und Klaipėda (Litauen) und der Insel Krk (Kroatien) entstehen. Mit der EU würden Grundsätze für eine Energieunion erarbeitet,die das Entstehen von Monopolstellungen und politisch motivierte Erpressungen im Energiesektor verhindern sollen. 08.05.2018 Der Vorsitzendes des Episkopats, Erzbischof Stanisław Gądecki, unterstreicht in einem Antwortbrief an die Parteivorsitzende von Die Moderne (Nowoczesna), Katarzyna Lubnauer, dass die katholische Kirche in Polen die in der Verfassung festgelegte Trennung von Staat und Kirche akzeptiere. Appelle der Kirche an Politiker seien Appelle an das Gewissenund keine Ausübung institutionellen Drucks. Das Recht auf Leben von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod sei kein religiöses Recht, sondern wesentlicher Bestandteil des Naturrechts. Lubnauer hatte Ende März in einem offenen Brief an die Polnische Bischofskonferenz scharf kritisiert, dass sich diese für eine rigorose Verschärfung des Abtreibungsrechts einsetzt und den Gesetzgebungsprozess beschleunigen wolle. 08.05.2018 Senatsmarschall Stanisław Karczewski unterstreicht in einem Brief an die Organisationen der im Ausland lebenden Polen in den Vereinigten Staaten und weltweit die Entschlossenheit der polnischen Regierung, für den Verbleib des Mahnmals für das sowjetische Verbrechen von Katyn am angestammten Platz in der US-amerikanischen Stadt Jersey City (New Jersey) einzutreten. Hintergrund ist, dass der Bürgermeister von Jersey City, Steven Fulop, in der vergangenen Woche über das Vorhaben informiert hat, das Denkmal wegen einer Umgestaltung des Platzes vorübergehend umzusetzen. Dieses löste den Widerspruch der ortsansässigen Polonia und der Regierung in Warschau aus. 09.05.2018 Der Sejm verabschiedet ein Gesetz zur Erhöhung der sogenannten Sozialrente für volljährige Personen, die aufgrund organischer Schädigungen nicht in der Lage sind zu arbeiten, von 865 Zloty auf 1.030 Zloty. Außerdem wird ein Gesetz verabschiedet, das Menschen mit starken Behinderungen bessere Versorgungsleistungen (medizinische Hilfsmittel, Zugang zu ärztlichen und pharmazeutischen Diensten, finanzielle Erleichterungen) gewährt. 10.05.2018 Der Sejm verabschiedet mit 240 Ja-Stimmen, zwei Gegenstimmen und fünf Enthaltungen ein Gesetz, das die Reduzierung der Bezüge der Abgeordneten und Senatoren auf 80 Prozent der Bezüge eines Unterstaatssekretärs reduziert. 213 Abgeordnete der Oppositionsparteien nahmen an der Abstimmung nicht teil. Sie fordern u. a. eine Reduzierung der Bezüge auch für Mitglieder des Sejmpräsidiums. 10.05.2018 Der Sejm beschließt eine Novelle des Gesetzes über die Symbole der polnischen Streitkräfte. Künftig wird die Fahne der Armee zur Territorialverteidigung (Wojska Obrony Terytorialnej – WOT) auch das Symbol des "Kämpfenden Polen", die sogenannte "kotwica", tragen. Die "kotwica" war im Kampf gegen die deutsche nationalsozialistische Besatzung während des Zweiten Weltkriegs entstanden und wurde zum Zeichen der im Untergrund kämpfenden polnischen Heimatarmee (Armia Krajowa – AK). 11.05.2018 Der Generalkonsul der Republik Polen in New York, Maciej Golubiewski, teilt mit, dass für das Katyn-Mahnmal in der US-amerikanischen Stadt Jersey City (New Jersey) ein neuer prominenter Standort gefunden wurde. Es soll 60 Meter von seinem aktuellen Ort entfernt versetzt werden. Daraufhin wird die geplante Demonstration am Denkmal abgesagt, für die die ansässige Polonia erwartet wurde. In der Frage der Umsetzung des Denkmals hatte sich in den vergangenen Tagen auch die Regierung in Warschau zu Wort gemeldet. 12.05.2018 In Warschau findet der"Marsch der Freiheit" (Marsz Wolności) gegen die Regierungspolitik von Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS) statt, zu dem die Oppositionsparteien Bürgerplattform (Platforma Obywatelska – PO) und Die Moderne (Nowoczesna) sowie die Bürgerbewegung Komitee zur Verteidigung der Demokratie (Komitet Obrony Demokracji – KOD) aufgerufen haben. Nach Angaben der städtischen Verwaltung sind bis zu 50.000 Teilnehmer gekommen; die Polizei geht von deutlich weniger Personen aus. 14.05.2018 Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán wird nach seiner Wiederwahl von Ministerpräsident Mateusz Marowiecki zu einem offiziellen Besuch in Warschau empfangen. Weiter trifft sich Orbán mit Präsident Andrzej Duda, Sejmmarschall Marek Kuchciński und Senatsmarschall Stanisław Karczewski. Thematisiert werden die bilaterale Zusammenarbeit, die Verhandlungen des EU-Haushalts 2021–2027, die EU-Erweiterung um die Westbalkanstaaten und die europäische Migrationspolitik. Sie können die gesamte Chronik seit 2007 auch auf Externer Link: http://www.laender-analysen.de/polen/ unter dem Link "Chronik" lesen.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2019-05-10T00:00:00
2018-05-23T00:00:00
2019-05-10T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/europa/polen-analysen/269539/chronik-1-14-mai-2018/
Die Ereignisse vom 01. Mai bis 14. Mai 2018 in der Chronik.
[ "Polen-Analysen" ]
562
Politisch-demographische Fragen zur Gesellschaftspolitik | Sozialpolitik | bpb.de
I. Die demographische Krise Allmählich werden sich alle Industrieländer der demographischen Krise bewusst, die auf sie zukommt. Man kann eine ganze Reihe von Kriterien anführen, die das Ausmaß der Umwälzungen zum Ausdruck bringen: Der Kinderreichtum in den europäischen Gesellschaften wurde innerhalb nur einer Generation enorm reduziert. Der Rückgang der Zahl der Frauen, die drei Kinder haben - betrachtet im Zeitraum 1960 bis 1990 -, betrug selbst im geburtenfreundlichen Frankreich 31 Prozent, in Westdeutschland 41 Prozent, in Italien 52 Prozent und in Spanien sogar 61 Prozent. Von Seiten der Demographen war lange Zeit erwartet worden, die katholischen Länder würden nur sehr eingeschränkt vom Rückgang der Kinderzahl betroffen sein. Noch eindrucksvollere Prozentzahlen zur Abnahme des Kinderreichtums bekommt man, wenn man den Rückgang des Anteils der Familien mit vier und mehr Kindern betrachtet . In den neuen Bundesländern hat es in der DDR-Zeit keinen hohen Anteil kinderreicher Familien gegeben. Dennoch kam es zu einem extrem hohen Fertilitätsrückgang nach 1989, der aber bereits den Verzicht auf Kinder überhaupt betraf. Die tatsächliche Kinderzahl je Frau fiel in den neuen Bundesländern auf die weltweit einzigartige Größe von 0.83. Diese "Nettoreproduktionsziffern" müssen in Erinnerung gerufen werden, weil sie von grundlegender Bedeutung sind. Sie zeigen die durchschnittliche Zahl der lebendgeborenen Mädchen einer Frau auf. Ein Wert unter eins bedeutet, dass die vorausgegangene Generation nicht ersetzt wird. Im EU-Wirtschaftsraum lag der Wert bei 0.71, in Deutschland bei 0.61, jeweils bezogen auf das Jahr 1995. Von enormer gesamtgesellschaftlicher Bedeutung ist weiter, dass der Anteil zeitlebens kinderlos bleibender Frauen ständig wächst. Im Frauenjahrgang 1940 blieben in Westdeutschland nur gut zehn Prozent kinderlos, im Jahrgang 1955 aber bereits 20 Prozent. Zwischenzeitlich ist davon die Rede, dass der Kinderlosenanteil auf bis zu 40 Prozent steigen könnte. Den Ursachen dieser Entwicklung nachzugehen ist hier nicht der Raum . Die Gesellschaft muss sich allerdings fragen lassen, ob es hier nicht zu einer - eventuell auch ungewollten - Verweigerung reproduktiver Rechte von Frauen gekommen ist . Das heißt, die modernen Gesellschaften legen es aus vielfältigen Gründen eher nahe, auf Kinder zu verzichten, die an sich zu den Lebenszielen von Frauen und (etwas weniger) von Männern gehören . Dass in den entwickelten Ländern die Lebenserwartung steigt, ist dagegen nicht unter den Krisenpunkten zu verzeichnen. Die zunehmende Lebenserwartung hat allerdings Kostenprobleme im Gesundheitsbereich zur Folge, und im Rentenbereich erhöht sich der Zeitumfang des Bezugs von Alterseinkommen. Ein Krisenmoment stellt auf der Ebene der Gesellschaft vielmehr die strukturelle Alterung dar. Wenn die Proportionen der nachwachsenden und der ältesten Generation sich sehr verschieben, signalisiert dieser Umbruch einen Krisenfaktor. Er lässt sich in einer Art Alterskreuzung darstellen: Die Linie des Anteils der noch nicht 20-Jährigen und diejenigen der 60-Jährigen und Älteren hat sich im Zeitraum zwischen 1900 und 2030 in Deutschland bereits vor der Jahrtausendwende gekreuzt ; hier beginnt also eine Umkehrung der Alterspyramide. Es stellt sich nun die Frage, wie auf derartige problematische Daten zu reagieren sein könnte. Es herrscht leider parteiübergreifend die Neigung vor, die Entwicklung als schicksalhaft zu verstehen. Geht man davon aus, dass die Entwicklungsrichtungen unveränderlich fixiert sind, bleiben in der Tat nur noch Anpassungsreaktionen zu vollziehen. Sie haben aber auch nur eine begrenzte Wirkung - wenn überhaupt. Im Folgenden wird dagegen die These vertreten, dass keine nur kurzfristigen Lösungen angepeilt werden dürfen und dass keine isolierten Strategien und Programme verfochten werden sollten. II. Fluchtstrategien Der Ansatzpunkt der Kritik Betrachtet man die demographischen Veränderungen im Zeitraum von Legislaturperioden, so geschehen sie enorm langsam. Sieht man aber auf den seit über dreißig Jahren anhaltenden demographischen Wandel in Gestalt des Rückgangs des Anteils von Kindern an der Gesellschaft und der bevorstehenden Alterung der gesamten Gesellschaft in den nächsten gut zwei Jahrzehnten, so zeigt sich, dass in dieser langen Zeit kurzfristige Politiken (oder nicht langfristig durchgehaltene) und sich nicht selbst verbessernde Strategien (die Dynamisierung des Kindergeldes wäre z. B. eine solche Strategie) keine Chance haben, sich statistisch niederzuschlagen. Die Demographie ist - so gesehen - widerstandsfähiger gegenüber kurzzeitig erfolgten Interventionen. Dieser Sachverhalt verführt aber umgekehrt dazu, anzunehmen, dass ohnehin jeglicher Eingriff vergebens ist und sich nichts verändern lässt. Diese Botschaft muss politischerseits, wiederum parteiübergreifend betrachtet, zu der dann als realistisch empfundenen Annahme führen, es sei besser, in diesem Sektor der Gesellschaft den Dingen ihren Lauf zu lassen und nur da und dort zu kurieren zu suchen, wo zusätzliche Gründe es nahe legen, etwas zu tun. Man kann nicht verantworten, Politikern zu raten, etwas zu tun, wenn gleichwohl feststeht, dass sie kurzfristig damit nichts bewirken. Andererseits ist man, nachdem die demographische Gestalt der Krise sich immer drohender abzeichnet, dennoch versucht, relativ kurzfristig einzugreifen. Und so hat sich im Laufe der Jahre eine Agendasetzung entwickelt , die hier insgesamt als Fluchtstrategien bezeichnet werden soll, weil man sozusagen die Flucht nach vorne antritt, um wenigstens einige Symptome der Krise in Angriff zu nehmen. Dieses Unterfangen ist zwar verständlich, kann aber nicht als Weg zur Lösung der Krise betrachtet werden. Einige Fluchtstrategien seien im Folgenden angesprochen. "Private Lösungen" Die Änderung des Generationenvertrages wird als Reparaturaufgabe angesehen. Wenn der Anteil Jüngerer rapide abnimmt und ein "Altenberg" sich in der Ruhestandsgeneration aufzutürmen beginnt, ist es höchste Zeit zu fragen, ob ein Generationenvertragssystem noch trägt. Offensichtlich ist das nicht der Fall, es sei denn, man macht Abstriche am Leistungssystem. Favorisiert werden derzeit vor allem private Lösungen, für die bereits genügend Beispiele existieren. Hinzu kommen die Pensionsfonds, wie sie in einigen Ländern angelegt wurden und dort zu neuen Investitionsunternehmen wurden. Der Generationenvertrag stellt unter dem Gesichtspunkt der Generationenverbundenheit sicherlich die überlegenere Variante in der Alterssicherung dar. Dagegen wird eine Gesellschaft, die in sich sehr heterogen ist, weniger auf diese Kohäsionskraft bauen können. Eine private Absicherung von Alterseinkünften wird als Ergänzung nicht zu umgehen sein. Als Ersatz kann sie jedoch kaum beansprucht werden. Im Übrigen müssen auch nicht wenige Entwicklungsländer in etwa 20 Jahren dieses Alterungsproblem bewältigen . Einwanderung Eine zweite Fluchtreaktion auf die demographische Krise geht in Richtung einer sozusagen mechanistischen Lösung: Wenn Menschen fehlen oder weniger geboren werden, müssen wir eben Menschen ins Land holen, die dann deren Stelle einnehmen. Hier wird also kompensatorisch gedacht; eine Ersatzlösung wird angestrebt, die dem Augenschein nach Fehlendes - etwa in der Alterspyramide - ersetzen soll. Herumgesprochen hat sich allerdings auch schon, dass das erforderliche Ausmaß an Zuwanderung sehr beträchtlich und dass diese Zuwanderung auf Dauer gestellt sein müsste. Ferner stellt sich die Frage, woher die Menschen kommen, wenn alle entwickelten Länder mehr oder minder stark an diesen Zuströmen Interesse zeigen? In Kauf nehmen müsste man dann jedenfalls eine tief greifende Veränderung der Gesellschaft, eine Multikulturalisierung, ob man sie begrüßt oder nicht . Diese Veränderung wird auch bleiben, wenn man in Jahrzehnten erkennen sollte, dass der mechanische Transfer am grundsätzlichen Problem des Nachwuchsmangels - des relativ zur Bevölkerungsstruktur gesehen zu kleinen Anteils Nachwachsender - nichts ändert. Des Weiteren ist hier auch auf die Reaktion der Öffentlichkeit zu achten. Dabei ist es nicht primär die Aufgabe der Wissenschaft, die Frage zu beantworten, ob man die öffentliche Meinung ignorieren, verändern oder akzeptieren solle. Zunächst muss man sie zu skizzieren versuchen. Das Bild ist ziemlich paradox: Einerseits ist die Bevölkerung für eine gesetzliche Regelung der Einwanderungsthematik und trägt ein Ein- oder Zuwanderungsgesetz mit, weil sie sich davon eine größere Überschaubarkeit und Ordnung in diesem Bereich verspricht. Andererseits will sie damit aber nicht den Status eines Einwanderungslandes festgeschrieben sehen . Das widersprüchliche Bild lässt sich dahingehend auflösen, dass man von Zuwanderern eine rasche Anpassung an die bestehende Gesellschaftsordnung erwartet, wobei manche Erwartungen so weit gehen, dass eine Verträglichkeit mit einer bestehenden sog. Leitkultur erwartet wird. Es ist anzunehmen, dass in einer leistungsbewussten Gesellschaft ein leistungsbezogenes Verhalten der Migranten besonders goutiert würde - was umgekehrt bedeutet, dass wahrgenommenes oder angenommenes leistungsdefizitäres Verhalten abgelehnt wird. Weiter ist auch zu registrieren, dass eine (u. a. bildungsbezogen) unterschiedliche Toleranz gegenüber Migranten oder Fremdsprachigen (darunter Aussiedlern) anzutreffen ist. Schließlich ist daran zu erinnern, dass Fehleinschätzungen dieser öffentlichen Meinung erhebliche politische Folgen haben können . Einen weitereren Aspekt in der Zuwanderungsthematik stellt das Qualitätsproblem dar. Da in der Bundesrepublik bislang Bevölkerungspolitik ein historisch belastetes Thema war, erfolgte so gut wie keine Auswahl der Zuwanderer - ganz im Gegensatz zu klassischen Einwanderungsländern, die ökonomische und soziale Kriterien selbstverständlich vorgeben. Die Bundesrepublik hat sich dagegen bislang nur als Aufnahmeland ohne die Geltendmachung eigener Interessen oder die Beachtung bestehender Notwendigkeiten oder Probleme verstanden, wobei noch ein besonders großzügiges Asylrecht die gesamte Einwanderungssituation kompliziert. Immerhin wird nun mit Green und Blue Cards erstmals eingeräumt, dass es auf ein Auswählen ankommt. Ein Problem bleibt allerdings die erwähnte Komplexität der Situation, die auch Auswirkungen auf die öffentliche Meinung hat. Denn die Aufnahme von Migranten in der Bundesrepublik findet zwar nach gesetzlichen Kriterien statt, aber sie folgt unterschiedlichen Logiken: z. B. humanitären im Asylrecht und bei der Familienzusammenführung oder ethnischen im Aussiedlerbereich. Hinzu kommt als entscheidendes Moment - und dabei fällt die Bundesrepublik aus dem europäischen Rahmen - die auffallende Quantität der Wanderungen. Sie hat offenbar damit zu tun, dass trotz der größeren Sprachbarriere, die die deutsche Sprache darstellt, die sozioökonomische wie sozialpolitische Attraktivität der Bundesrepublik eine Magnetwirkung ausübt. Politisches Asyl - wenn es sich denn tatsächlich um solches handelt - ist in anderen Ländern schneller zu bekommen; in der Bundesrepublik ist verfahrensrechtlich ein viel längerer zeitlicher Weg angelegt, der einem Teil der Migranten aber offensichtlich entgegenzukommen scheint, denn sie wandern trotz der hohen Ablehnungsquote zu. Dieser Zustand gehört sicherlich auch zum Spektrum des Politisierbaren, das oben erwähnt wurde und das der Leistungs- und Integrationserwartung der Bevölkerung widerspricht. Ungelöste Fragen im Asylrecht, vor allem aber in der Asylpraxis belasten die mögliche Akzeptanz einer Wanderungspolitik beträchtlich. Das ungelöste Problem der Massenarbeitslosigkeit Komplizierend tritt hinzu, dass neben der Frage, die hier im Mittelpunkt steht - der demographischen Krise -, in Deutschland eine hohe Arbeitslosenrate vorherrscht und andauert. Vor diesem Hintergrund eine Masseneinwanderung von Arbeitskräften zu propagieren, ist schwerlich möglich. Was demographisch, in statistisch-mechanischer Manier vertretbar sein könnte, kann im vorhandenen sozialstaatlichen Kontext auf absehbare Zeit kein gangbarer Weg sein. Sicherlich ist das Befähigungsprofil der Arbeitslosen nicht deckungsgleich mit demjenigen, das in einer modernen Wissensgesellschaft wünschenswert ist. Abgesehen von den hier zu leistenden verstärkten Bemühungen um Bildung und Ausbildung ermöglicht es der deutsche Sozialstaat seit Jahren, dass ältere Arbeitnehmer vorzeitig aus dem Arbeitsleben "sozialverträglich" ausgegliedert werden, z. T. auch am Bildungsfortschritt nicht mehr beteiligt werden. Abgesehen von den immensen Kosten, die der Allgemeinheit insgesamt durch die Arbeitslosigkeit entstehen, wird zu fragen sein, ob eine Zuwanderung, die bekanntlich hohe Integrationskosten mit sich bringt, wenn sie gut angelegt sein soll, nicht im Abgleich der Prioritäten an die zweite Stelle rücken muss - hinter die vordringlichere Lösung der hohen Arbeitslosigkeit, die dem Standort Bundesrepublik und seinem Selbstverständnis kein gutes Zeugnis ausstellt. Hinzu kommt ein weiterer Punkt: Die zuwandernden Arbeitnehmer sollen einerseits einem bestimmten Erwartungsprofil der Unternehmen entsprechen, das im Moment nicht auf dem europäischen Binnenmarkt gedeckt wird . Andererseits wird wenig davon gesprochen, warum die Unternehmen bisher entsprechende eigene Ausbildungsinitiativen unterlassen haben. Ein weiterer Problemaspekt ist das mangelnde Qualifikationsprofil der bereits im Lande befindlichen Migranten. Zusätzlich ist die Ungelöstheit der andauernden Massenarbeitslosigkeit Grund für die Empfehlung, eine Prioritätenskala der Probleme zu entwickeln. Bevor aufgehäufte - und wohl nur noch sehr schwer zu lösende - soziale Probleme nicht abgearbeitet worden sind, sollte neues Humankapital zumindest nicht in quantitativ hohem Maße zuströmen. Dass eine globalisierungsfähige Gesellschaft sich um mobiles Humankapital zu kümmern hat, steht dabei außer Frage. Es kommt jedoch auf die Relationen an. III. Wider die Schieflagen im Sozialstaat Unseren Sozialstaat zu würdigen, gibt es immer noch viel Anlass. Es ist jedoch auf ein gravierendes Defizit hinzuweisen, das zu seiner jetzigen Deformation beigetragen hat. Man muss dabei auf die Organisierbarkeit von Interessen zu sprechen kommen . Es sind hier eine grundsätzliche Asymmetrie und entsprechende Folgen wahrzunehmen. Das sozialstaatliche System der Bundesrepublik weist eine deutliche Zweiteilung auf: Es ist ein System, das einseitig auf den Produktionssektor hin - wenn man so verkürzend sagen darf - orientiert und organisiert ist, die Reproduktionsfundamente der Gesellschaft aber sträflich vernachlässigt. Der Sozialstaat wurde entwickelt zur Absicherung von Risiken, die im Erwerbsleben entstehen können. Dass die Entscheidung für Kinder ebenfalls ein Risiko birgt, wurde unterschätzt. In dem Maße, wie man sich gegen alle Risiken des Lebens versichern kann und dabei nicht (mehr) auf das Vorhandensein eigener Kinder angewiesen ist, wird das Kinderhaben einerseits als Privatvergnügen missverstanden, andererseits als Risiko wahrgenommen. Zum Risiko wird es, um es zuspitzend zu erklären, vor allem für Alleinerziehende, die nicht gleichzeitig erwerbstätig und familienaktiv sein können bzw. nur unter Einschränkungen der einen oder anderen Aufgabe nachgehen können. Dieses Risiko trifft in einer scheidungsfreudigen Gesellschaft bereits eine große Gruppe - und eine noch größere befürchtet, dass es sie treffen könnte -, mit der Konsequenz, dass das Risiko ganz gemieden oder erheblich eingeschränkt wird. Nimmt man hinzu, dass für die Alterssicherung nur einseitig die Erwerbsleistungen berücksichtigt werden, sehr randständig nur die Lebensleistung des Aufziehens von Kindern, dann entsteht daraus für nachwachsende Generationen eine bestimmte Botschaft, nämlich was die Gesellschaft offenbar für wichtiger ansieht und was ihrer Meinung nach nur privat gelöst werden möge. An diesem Signal haben sich bereits Generationen orientiert. Entstanden ist daraus die ,Kleinhaltung' oder sogar die Vermeidung der Familie . Durch weitere moderne Entwicklungen der Gesellschaft - etwa die Individualisierung der Lebensführung , die zunehmende Berufstätigkeit von Frauen usw. - hat der erwähnte Risikocharakter noch an Bedeutung gewonnen, hat die Asymmetrie zugenommen . Die Konstruktion einer "guten Gesellschaft", wovon der Kölner Soziologentag 2000 handelt, scheint zu misslingen - jedenfalls vermögen sich die Gesellschaften nicht mehr zu reproduzieren, die demographische Krise entsteht und mit ihr die große Herausforderung an unser aller Zukunft. Darauf muss eine Antwort gefunden werden, die keine Kurzfristlösung sein kann. Wegen der Bedeutung des Themas sei wiederholt, dass der durch die gesellschaftliche Entwicklung den Frauen nahe gelegte Verzicht, das Risiko des Kinderhabens einzugehen, es de facto zu einer Verweigerung von reproduktiven Rechten kommen ließ. Der Verzicht auf Kinder kann nicht durchweg als freiwillig angesehen werden, sondern entspricht der Logik der Entwicklung der modernen Gesellschaft - einer Entwicklung, die in die angesprochene Krise führte. Deshalb liegt die Frage nahe, wie aus diesem Dilemma herauszukommen ist. Sorgen der Erziehenden Bei der Beantwortung dieser Frage stößt man auf altbekannte, trivial anmutende Sorgen, die - obwohl man sie schon lange diskutiert - noch immer Probleme bereiten. Einmal handelt es sich um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das scheinbar private Alltagsproblem hat weitreichende Konsequenzen, denn die oft unterstellte Unvereinbarkeit wird nur dadurch vermieden, dass man entweder auf Kinder verzichtet oder aus dem Erwerbsleben - wenn auch vielleicht nur auf Zeit - ausscheidet. Längst geregelt sein müsste also eine zeitlich genügend lange Betreuungsmöglichkeit von Kindern, so dass gleichzeitig damit eine Teilzeitstelle zu vereinbaren ist. Damit wäre eigentlich eine Mittagsbetreuung für Kinder erforderlich. Derartige Regelungen - so selbstverständlich sie für eine Erwerbsgesellschaft sein sollten - gibt es nur völlig unzureichend. Und noch ein zweites Problem wird hier sichtbar: Jede ausschließende oder auf Zeit besorgte Erziehungsarbeit zu Hause, die nicht neben einer Erwerbstätigkeit (Teilzeitstelle) bewältigt wird, birgt das Risiko, dass diese Lebensleistung sich zu einem Dequalifizierungsrisiko auswächst und eine - falls gewünscht oder nötig - Berufsrückkehr erheblich erschwert. Mit diesen Fragen beschäftigen sich junge Eltern. Ihre Eltern hatten in den fünfziger Jahren oft noch andere Arrangements der Kinderbetreuung gefunden. Heutzutage, da selbst Großeltern berufliche oder sonstige Verpflichtungen oder Interessen wahrnehmen und die Form einer ,multilokalen' Familie gelebt wird - d. h., die Familienmitglieder im näheren oder weiteren Umfeld angesiedelt sind -, kann die Betreuungsfrage für erhebliche Belastungen sorgen. Um es prononciert zu sagen: Dass es eher zur Einführung der Pflegeversicherung gekommen ist als zu Lösungen bei diesem Thema, hat mit der skizzierten Orientierung unseres Sozialstaates an versicherungsrechtlichen Regelungen zu tun. In anderen Ländern ist dies nicht so ausschließlich der Fall . IV. Schlussüberlegungen Will man sich der Erkenntnis stellen, dass nicht an Symptomen kuriert, sondern grundlegender reformiert werden muss, dann kann man nicht länger Auswege als weiterführende Perspektiven empfehlen oder isolierte Strategien verfechten , die in der Wirkung sich gar widersprechen können. Es wird daher hier dazu geraten, die gesellschaftspolitische Bedeutung der reproduktiven Leistungen deutlich aufzuwerten. Das beinhaltet zumal eine stärkere Aufwertung der Familienpolitik im Sinne der Anerkennung von Lebensleistungen, die auch eine alterssichernde Wirkung haben müssten . Damit würde dann auch ein neues Signal an die Gesellschaft gesendet, dass es zwei gleichberechtigte, nebeneinander stehende Lebensleistungen gibt, die beide für die Zukunft einer Gesellschaft von elementarer Bedeutung sind: Erwerbsleistungen und reproduktive Leistungen. Das weitere familienpolitische Spektrum zu entfalten, fehlt hier der Raum. Wir fielen aber hinter den hier vertretenen Ansatz einer umfassenden Problemsicht zurück, würde man es bei der Familienpolitik bewenden lassen. Eng damit verbunden, ja im Zentrum steht ein Neuansatz in der Frauenpolitik, der auch eine eigenständige Alterssicherung von Frauen beinhalten muss, dass nämlich die beiden Lebensperspektiven, die - realiter jedenfalls - hauptsächlich von Frauen verwirklicht werden, gleichrangig ausgestaltet werden, um so Wahlfreiheiten wirklich zu ermöglichen. Die Entwicklung eines eigenständigen Familiengesetzbuches würde gegenüber dem Sozialgesetzbuch rechtlich die Aufwertung der reproduktiven Leistungen begleiten können . Aber auch bei diesem Politikfeld darf man nicht stehen bleiben. Wir erwähnten bereits die Renten- und Alterssicherungspolitik. Eine Erneuerung des Generationenvertrages ist dann ernst zu nehmen, wenn in der Alterssicherung sehr deutlich berücksichtigt wird (rentenbegründend und -steigernd), in welchem Umfang Lebensleistungen erbracht wurden oder nicht. Die praktischen Schwierigkeiten bei der Anerkennung dieser Leistungen (z. B. bei Scheidung) werden gern als Hinderungsgründe angeführt, stellen aber bei einem Konsens in der Sache keine ernsthafte Hürde dar . Vgl. zu den folgenden Ausführungen Tilman Mayer, Die demographische Krise. Eine integrative Theorie der Bevölkerungsentwicklung, Frankfurt am Main 1999, S. 77. Vgl. dazu u. a. Karl Schwarz, Zur neueren Entwicklung der Kinderzahlen in West- und Ostdeutschland und in den Bundesländern, in: BiB-Mitteilungen vom 15. Juni 1999, S. 16-21. Vgl. ebd., Kap. VII: Die Frauenfrage. Ich greife dieses wichtige Thema der reproduktiven Rechte nochmals gegen Ende des Beitrags auf. Vgl. T. Mayer (Anm. 1), S. 116, Abb. 11. Vgl. A Caring World. The New Social Policy Agenda, OECD 1999. Vgl. Josef Schmid, Der harte Faktor der Weltveränderung: Die demographischen Entwicklungen bis zum Jahre 2050, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 52-53/99, S. 12 ff. Vgl. zu diesem Problem u. a. das Interview mit Alain Finkielkraut, dem Autor des Buches: L'Ingratitude. Conversation sur notre temps, Paris 1999, in: Label France, Januar 2000, unter der Überschrift: "Der Sinn des kulturellen Erbes", S. 1-5. Dies geht immer wieder aus Umfragedaten hervor; vgl. zuletzt Die Welt vom 26. Juni 2000. Dies kam z. T. auch in den letzten Landtagswahlen zum Ausdruck. Vgl. u. a. "Wir wollen die Besten", in: Capital vom 29. Juni 2000, S. 22 ff.; "Wir brauchen Leistungseliten", in: Die Zeit vom 29. Juni 2000; Matthias Geis, Wen wollen wir reinlassen?, in: Die Zeit vom 6. Juli 2000. Vgl. dazu u. a. meinen Aufsatz in der Festschrift für Max Wingen (Bernhard Jans/André Habisch/Erich Stutzer, Familienwissenschaftliche und familienpolitische Signale): Organisationsschwache Interessen, Grafschaft 2000, S. 509 ff. Vgl. u. a. Johannes Huinink, Warum noch Familie?, Frankfurt am Main 1995. Vgl. Gertrud M. Backes, Individualisierung und Pluralisierung der Lebensverhältnisse, in: Zeitschrift für Politik, (1998) 2; Günter Burkart, Die Entscheidung zur Elternschaft. Eine empirische Kritik von Individualisierungs- und Rational-Choice-Theorien, Stuttgart 1994. Vgl. u. a. Norbert F. Schneider, Familie und private Lebensführung in West- und Ostdeutschland, Stuttgart 1994. Vgl. u. a. Rentenversicherung im internationalen Vergleich, DRV-Schriften, Bd. 15, Frankfurt am Main 1999. Vgl. Wahrung des Wohlstandes in einer alternden Gesellschaft, OECD 1999. Vgl. dazu die Schriften von Max Wingen, etwa: Zur Theorie und Praxis der Familienpolitik, Frankfurt 1994; Familienpolitik, Grundlagen und aktuelle Probleme, Stuttgart 1997; Irene Gerlach, Familie und Staatliches Handeln. Ideologie und politische Praxis in Deutschland, Opladen 1996; Klaus Hurrelmann, Die soziale Lebenslage von Kindern und Familien, in: Evang. Aktionsgemeinschaft für Familienfragen (EAF) (Hrsg.), Familienpolitische Information, (1999) 6. Vgl. T. Mayer (Anm. 1), S. 182 ff. Hinzu kommen zukünftige Konflikte zwischen junger und älterer Generation, vgl. Klaus-Peter Schöppner, Die Rente wird zum Verteilungskampf zwischen Alt und Jung, in: Die Welt von 14. Juni 2000.
Article
Mayer, Tilman
2021-12-07T00:00:00
2011-10-04T00:00:00
2021-12-07T00:00:00
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/25460/politisch-demographische-fragen-zur-gesellschaftspolitik/
Der demographischen Krise kann man sich nicht mit kurzfristigen Maßnahmen entziehen. Das Ansteigen des Altenanteils der Bevölkerung beispielsweise wirft die Frage auf, ob dieser Prozess schicksalsartig hingenommen werden muss.
[ "" ]
563
Freie Demokratische Partei (FDP) | Landtagswahl Brandenburg 2019 | bpb.de
Gründungsjahr Landesverband 1990* Mitgliederzahl in Brandenburg 1.250* Landesvorsitz Axel Graf Bülow* Wahlergebnis 2014 1,5 Prozent *nach Angaben der Partei Liberale Parteien gibt es in Deutschland seit dem 19. Jahrhundert. Die "Freie Demokratische Partei" (FDP) wurde im Dezember 1948 gegründet. Ihr heutiger Landesverband Brandenburg bildete sich 1990 nach einer Fusion der in der DDR einflusslosen Blockparteien "Liberal-Demokratische Partei Deutschlands" (LDPD) und "National-Demokratische Partei Deutschlands" (NDPD) sowie den in der Wendezeit gegründeten Parteien Deutsche Forumpartei (DFP) und FDP der DDR. Die Partei vertritt nach eigener Aussage die "liberale Mitte" der Gesellschaft, insbesondere durch die Orientierung auf Marktwirtschaft und Bürgerrechte. Im Bund war die FDP lange Zeit an Regierungen beteiligt. In Brandenburg sind ihre typischen Stammwähler und Stammwählerinnen aus der Mittelschicht und dem Bürgertum nur schwach vertreten. Die FDP ist aktuell im Deutschen Bundestag als Oppositionspartei vertreten. In Brandenburg hat sie an allen Landtagswahlen seit 1990 teilgenommen. Bei der ersten Landtagswahl 1990 erhielt sie 6,6 Prozent der Zweitstimmen. Bis 1994 war sie an der Landesregierung beteiligt. Im Jahr 2009 gelang ihr mit 7,2 Prozent der Zweitstimmen noch einmal der Einzug in den Landtag, 2014 erreichte sie diesen nicht mehr. Zur Landtagswahl 2019 tritt die Partei mit einer Landesliste mit 18 Listenplätzen sowie mit Direktkandidatinnen und -kandidaten in allen 44 Wahlkreisen an. In ihrem Wahlprogramm unter dem Titel "Chancenland Brandenburg" fordert die Partei mehr Investitionen in Bildung, Forschung und Kultur. Bildung versteht die FDP als Voraussetzung für Freiheit. Brandenburger Schulen sollen daher technisch und personell besser ausgestattet werden. Bürgerrechte, Rechtsstaat und Sicherheit sind ebenfalls Anliegen der Partei. Sie spricht sich für starke Kommunen und Bürgernähe aus und will Polizei und Verfassungsschutz stärken. Die geordnete Einwanderung qualifizierter und arbeitswilliger Menschen sei nötig. Die Partei FDP fordert "mehr Chancen" für Wirtschaft, Energie, Digitalisierung und Infrastruktur. Notwendig sei auch eine neue "StartUp-Kultur". Der Kohleausstieg soll behutsam erfolgen, die Entwicklung der Lausitz durch zielgerichtete Wirtschaftspolitik von Bund und Land begleitet werden. Zudem fordert die FDP "mehr Chancen" für Familie, Gesundheit und Soziales. In diesem Zusammenhang tritt sie für eine wohnortnahe Gesundheitsversorgung sowie eine leistungsstarke Pflege ein. Gründungsjahr Landesverband 1990* Mitgliederzahl in Brandenburg 1.250* Landesvorsitz Axel Graf Bülow* Wahlergebnis 2014 1,5 Prozent *nach Angaben der Partei
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2019-08-02T00:00:00
2019-07-03T00:00:00
2019-08-02T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/parteien/wer-steht-zur-wahl/brandenburg-2019/293435/freie-demokratische-partei-fdp/
Der Landesverband Brandenburg der FDP wurde 1990 gegründet. Nach eigener Aussage vertritt die marktwirtschaftlich und bürgerrechtlich orientierte Partei die "liberale Mitte" der Gesellschaft. Sie fordert mehr Investitionen in Bildung, Forschung und K
[ "Parteiinformationen", "Landtagswahl Brandenburg 2019", "FDP Brandenburg", "Bundesrepublik Deutschland" ]
564
Volt Deutschland | Landtagswahl Nordrhein-Westfalen 2022 | bpb.de
Volt Deutschland (Volt) Die Partei "Volt Deutschland" (Volt) wurde im März 2018 gegründet und ist ein nationaler Ableger der 2017 unter anderem als Reaktion auf das Brexit-Votum sowie die Wahlerfolge rechtspopulistischer Parteien in Europa entstandenen gesamteuropäischen Bürgerbewegung "Volt Europa". Aktuell ist die Bewegung nach eigenen Angaben in 30 Ländern aktiv und zudem in einigen europäischen Staaten als nationale Partei registriert. Volt fordert eine Reform der Europäischen Union, die Stärkung der europäischen Institutionen und einen europäischen Integrationsprozess, der mehr Mitbestimmung der Bürgerinnen und Bürger ermöglicht. Im Jahr 2019 konnte Volt bei der Europawahl mit einem Stimmenanteil von 0,7 Prozent ein Mandat erringen. Auch auf kommunaler Ebene ist Volt mit Mandaten vertreten und regiert in fünf Städteregierung mit. 2020 und 2021 nahm Volt an vier Landtagswahlen (in Hamburg, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Berlin) und bei der Bundestagwahl teil, verfehlte aber jeweils den Einzug in die Parlamente. Fakten zur Partei Gründungsjahr Landesverband: 2020* Landesvorsitz: Elisabeth Leifgen und Tim Marton* Mitgliederzahl in Nordrhein-Westfalen: 1.054* Wahlergebnis 2017: nicht angetreten * nach Angaben der Partei Im Mai 2022 tritt Volt zum ersten Mal bei einer Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen an. In ihrem Landtagswahlprogramm leitet die Partei aus der Verortung Nordrhein-Westfalens im Herzen Europas Forderungen zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit bspw. im Bereich der Medien- und Sicherheitspolitik und zur Einrichtung von grenzüberschreitenden Bürgerräten ab. Um das Vertrauen in die demokratischen Strukturen wieder zu stärken, fordert Volt mehr politische Teilhabemöglichkeiten, u.a. durch das Absenken des Wahlalters, eine Reform der Fünfprozenthürde und die Senkung der Hürden für Volksinitiativen. Für ein gerechtes und inklusives Bildungssystem fordert Volt bspw. eine deutliche Erhöhung der Ausgaben in diesem Bereich. Darüber hinaus setzt sich die Partei für die Einrichtung eines eigenständigen Digitalministeriums und den Ausbau erneuerbarer Energien ein, damit Nordrhein-Westfalen bis 2035 CO2- und bis 2040 klimaneutral wird. Volt Deutschland (Volt) Gründungsjahr Landesverband: 2020* Landesvorsitz: Elisabeth Leifgen und Tim Marton* Mitgliederzahl in Nordrhein-Westfalen: 1.054* Wahlergebnis 2017: nicht angetreten * nach Angaben der Partei
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2022-04-21T00:00:00
2022-04-19T00:00:00
2022-04-21T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/parteien/wer-steht-zur-wahl/nordrhein-westfalen-2022/507351/volt-deutschland/
Volt wurde 2018 als nationaler Ableger einer gesamteuropäischen Bürgerbewegung gegründet. Die Partei fordert eine Reform der Europäischen Union. 2019 konnte sie bei der Europawahl ein Mandat erringen.
[ "Volt Deutschland (Volt)", "Landtagswahl Nordrhein-Westfalen 2022", "Wer steht zur Wahl " ]
565
Anmerkungen zur Zukunft des Kapitalismus - Essay | Krise der Weltwirtschaft | bpb.de
Einleitung Glasnost, Perestroika und der Fall der Berliner Mauer haben die Dreiteilung der Welt in Westblock, Ostblock und "Dritte Welt" vor rund zwei Jahrzehnten aufgehoben. Im Zuge der Globalisierung traten weit mehr als eine Milliarde Menschen in China und Russland in die Weltwirtschaft ein, machten sich Hunderte von Millionen in Indien, Brasilien und anderswo auf den langen Marsch Richtung Demokratie, Kapitalismus und Wohlstand, halbierte sich die Zahl derjenigen, die in absoluter Armut leben. Ja, der Kapitalismus der Jahre, seit US-Präsident Ronald Reagan begann, den Ideen des liberalen Ökonomen Milton Friedman zum Durchbruch zu verhelfen, ist in der Krise. Die Weltwirtschaft schrumpft erstmals seit 60 Jahren, aus mehr wird weniger. Gigantische Kapitalmengen, die in den Wachstums- und Schwellenländern investiert wurden, fließen zurück in die Herkunftsländer. Weltweit verlieren Menschen ihre Arbeitsplätze. Globale Enteignung der Mittelschichten Gerade die aufstrebenden Mittelschichten, die Treiber der gesellschaftlichen Entwicklung und tragenden Säulen des Staates, wurden durch die Exzesse der Wall Street weltweit enteignet: Wohlhabende Rentner in Florida wurden durch den als Milliardenbetrüger überführten Fondsmanager Bernard Madoff um die Hälfte oder noch mehr ihres Ersparten gebracht und müssen den Golfplatz mit einem Job bei McDonald's tauschen. Millionen von Menschen in Schanghai und am Perlflussdelta sehen sich um die Früchte ihrer Arbeit betrogen, die ihnen erstmals in der Geschichte Chinas menschenwürdigen Wohnraum, bescheidenen Wohlstand, Bildung und medizinische Versorgung gebracht haben. In vielen Ländern Asiens und in Indien ist die Lage nicht anders; selbst der traumhafte Reichtum der russischen Oligarchen schwindet dahin wie ein Durchschnittseinkommen gegen Monatsende. In den Golfstaaten verlieren die Gastarbeiter aus Indien und Asien ihre Jobs, die aus europäischer Sicht an Sklavenhalterverhältnisse erinnern - aus Sicht der Betroffenen jedoch Einkommen und Fortkommen für ihre Familien auf den Philippinen und in Thailand bedeuten. Noch haben wir gar nicht begriffen, welche Wucht die Krise wirklich entfalten kann: Millionen junger Menschen haben den Duft des Wohlstands kennengelernt - was geschieht, wenn der feine Duft verweht? Sie werden sein Verschwinden nicht tatenlos hinnehmen. In den damals demografisch jungen Gesellschaften Europas hat die Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre zu einer Radikalisierung beigetragen, die zu einer der Ursachen des Zweiten Weltkriegs wurde. Der Aufstand der Jungen, die sich plötzlich um ihre Zukunft bedroht sehen, kann sich heute wiederholen. Zugegeben: In Deutschland ist davon wenig zu spüren. Vorerst federn wir die Krise mit dem Instrumentarium des Sozialstaats ab. Aber aus der Kurzarbeit kann schnell Arbeitslosigkeit werden; die Renten sind gerade erhöht worden - aber die Generation der heutigen Beitragszahler muss damit rechnen, dass ihre Renten noch schneller als erwartet schrumpfen und ihre private Altersvorsorge erodiert. Damit könnte die Finanzkrise die gesellschaftliche Stagnation und den Abstieg vom Wohlstandsgipfel beschleunigen. Bitte mehr von diesem Kapitalismus Jetzt beherrscht eine seltsame Widersprüchlichkeit die Diskussion: Kapitalismuskritiker und Globalisierungsgegner haben Oberwasser in Medien und Talkshows, und ihre Wut ist nachvollziehbar, ihre Forderung nach einem anderen Wirtschaftssystem verständlich. Aber gleichzeitig werden von seinen schärfsten Kritikern Forderungen gestellt, die den Kapitalismus wieder in sein Recht einsetzen: Woher soll das Wachstum in China kommen, wenn nicht aus der Kombination von Kapitalismus nach dortiger Machart in Kombination mit Globalisierung? Wie sollen die erneute Verelendung und der wachsende Hunger in der "Dritten Welt" bekämpft werden, wenn nicht durch steigende Einkommen, höhere Rohstoffpreise und eine kapitalistisch geprägte Wachstumsdynamik, die das Pro-Kopf-Einkommen seit den 1980er Jahren stark erhöht, die Kindersterblichkeit in Süd- und Ostasien signifikant reduziert und weltweit die Lebenserwartung verbessert hat? Die mitleidig herabgereichte Entwicklungshilfe wirkte wohl nicht und wird es nie tun. Und woher sollen die Mittel für den Umbau der Wirtschaft in Richtung einer green economy kommen, wenn nicht aus dem Erfindungsgeist eines Gesellschaftssystems, das ständig Neuerungen belohnt und Umbrüche ermöglicht, die vorher niemals denkbar waren? Langsam wird auch den Kritikern der Globalisierung klar: Die Globalisierung hat weltweit Wohlstand erzeugt - ihre Rücknahme würde weltweit Armut produzieren. Wir brauchen mehr von diesem "bösen Kapitalismus", und daher müssen die Ursachen der Krise sauber analysiert werden. Die Allmachtsfantasien, die in den vergangenen Jahren viele Bankmanager befallen haben und zu ihren exzessiven Geschäften trieben, werden nur noch übertroffen durch die Allmacht, die ihnen jetzt zugeschrieben wird: Die Gier und Dummheit der Geldverwalter soll also diese globale Krise ausgelöst haben. Zu viel der Ehre! Die erste Ursache der Krise liegt darin, dass die Politik weltweit und in den USA insbesondere die Schuldenmacherei ermöglicht und belohnt hat. Jeder US-Bürger sollte ohne genaueres Ansehen seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zum Immobilienbesitzer avancieren und durch Kauf auf Pump die Konjunktur stimulieren. Damit sollte auch die wirtschaftliche Schockstarre nach 9/11 überwunden werden. Für dieses Ziel wurden Geld und Kapital künstlich verbilligt, Regularien gelockert und alle Beteiligten animiert, kräftig die Blase aufzupumpen. Gerne haben die Banken die Einladung angenommen und ihre Schalterhallen zu Spielhöllen umgebaut, in denen sie ihre Glaubwürdigkeit verspielt haben. Am Blasebalg des heutigen Fegefeuers aber stand eine staatliche Geld- und Finanzpolitik. Das Marktversagen muss jetzt korrigiert werden. Und wenn jetzt die Rettung in der Verstaatlichung liegen soll - waren es nicht die deutschen Staats- und Landesbanken, die besonders wüst und gegen Sinn, Verstand und Regel gezockt haben? Die ihre Begrenzungen via Irland und außerhalb der Bilanzen überschritten und überdehnt haben - kontrolliert von Politikern? Es ist wahr, dass viele Banker zu gewissenlosen Boni-Jägern herabgesunken sind, und es macht wütend, wie sie mit prallen Geldsäcken davonstolzieren. Aber welcher Verantwortliche der Staatsbanken wurde zur Verantwortung gezogen? Mittlerweile übersteigt in Hamburg die Haftung, die jeder Bürger für die halbstaatliche HSH-Nordbank zu tragen hat (16 661 Euro pro Kopf), die Staatsverschuldung. Konsequenzen wurden daraus in Deutschland nicht gezogen, außer dass ein paar besonders unfähige Manager ausgetauscht wurden. Das ist Marktwirtschaft pervers. Richtig regulieren und Globalisierung zulassen Dabei zeigt der G-20-Gipfel in London, dass die internationale Staatengemeinschaft bereit und in der Lage ist, notwendige Maßnahmen zu ergreifen. Folgt man dem Gipfel-Kommuniqué, dann werden zukünftige große Hedgefonds in die Gesamtbetrachtung der Finanzmärkte einbezogen, außerbilanzielle Aktionen verunmöglicht, Ratingagenturen ihrerseits überprüft, die vollständige Weitergabe von Risiken an immer neue Wiederverkäufer eingeschränkt, höhere Risikovorsorge eingeführt. Wichtiger noch als jede Einzelmaßnahme ist die Bereitschaft und Fähigkeit, die weltweiten Finanzströme zu regulieren und Übertreibungen auszuschließen. Damit ist viel erreicht - und doch sollte vor Übertreibungen gewarnt werden. So wurden seit dem Platzen der "Dotcom-Blase" im Jahre 2000 Finanzmärkte auf Teufel komm raus reguliert, allein in Deutschland mit einem Dutzend zusätzlicher Finanzmarktgesetze - aber an der falschen Stelle. Die Gefahr besteht, dass die Regulierungsfeuerwehr bald mit ihrem Löschwasser Beteiligte und Unbeteiligte ertränkt, während es ganz woanders lichterloh zu brennen beginnt. Die Zukunft bleibt ungewiss, und für neue Entwicklungen sollte die Tür offenbleiben. Nicht nur immer mehr, sondern zielgenaue Regulierung ist gefragt. Der Kapitalismus neigt zu Übertreibungen, die in neue Krisen führen, weil er die Findigkeit der Menschen nicht nur zulässt, sondern reich belohnt. Die Alternative ist die kontrollierte, normierte, und damit stagnierende Wirtschaft, die bleiern wiederholt, was schon gestern erkennbar unzureichend war, statt ständig Neues auszuprobieren. Dabei ist die größte Bedrohung nicht die Regulierung der Banken, sondern die Abschottung der Märkte. Der Rückfall in die Enge der nationalen Wirtschaft aber macht alle ärmer und schließt den Transfer von Wissen und Kapital in unterentwickelte Regionen aus. Deflation vor Inflation Während sich viele vor der Inflation fürchten, beherrscht die Deflation der Werte die Märkte. Vor einem Jahr war Daimler noch 60 Milliarden Euro wert - heute gibt es für die Hälfte dieser Summe als Zugabe noch BMW obendrauf, wie auf dem Gemüsemarkt die Extra-Banane. Konzerne zum Schleuderpreis - wann gibt es Hochhäuser zum Preis eines Reihenhauses in München? Nur eines ist falsch in der Deflation: in neue Anlagen zu investieren. Denn sie sind morgen weniger wert. Das beschleunigt den Abschwung. Der Kapitalismus investiert nur, wenn er Werte schafft, nicht, wenn sie sich auflösen. Deflation ist Gift für die Wirtschaft - und am Horizont droht sie von ihrem Gegenteil abgelöst zu werden. Denn wir leben in einer paradoxen Welt: Die Notenbanken schleusen immer neue Billionen in den Markt, doch das frische Geld entfaltet keine Kaufkraft. Damit steht die Welt in den kommenden Jahren vor der großen Herausforderung, der sich aufbauenden Inflationswoge entgegenzuwirken. Nicht alle sind Opfer Ja, viele Bankmanager haben versagt. Die ehrgeizigen Boni-Jäger von Dresdner Bank und Hypo Real Estate geben der "Fratze Kapitalismus" ihr Gesicht. Das ist nicht neu. Der Kapitalismus hat wagemutige Unternehmer hervorgebracht - und schwächliche Söhne. In den 1960er Jahren war es Gunter Sachs. Das Unternehmen der Vorfahren hat er mitten im Wirtschaftswunder verscherbelt für eine damals so unfassbare Summe Geldes, die trotz aller Verschwendung und Verdummung nicht kleinzukriegen war. Aus einem Hubschrauber hat er rote Rosen auf Brigitte Bardot herabregnen lassen - das bleibt von ihm, der dauerhaft schlechte Ruf der Erben. Solche Zerrbilder wird es, in zeittypischer Ausprägung, immer wieder geben. Wir werden sie aushalten müssen. Aber ist Gier und Verblendung, mangelnde Einsichtsfähigkeit und Selbstkritik ihr alleiniges Privileg? Deuten nicht auch einige Finger auf uns selbst zurück? Wurde etwa jemand gezwungen, sein Geld in Island anzulegen oder bei Lehman Brothers zu investieren? Es hat Fehlberatung gegeben - aber die Infantilisierung oder Selbstentmündigung einer Gesellschaft, deren Mitglieder sich grundsätzlich als Opfer ohne Selbstverantwortung sehen, hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Wir wollen immer mehr, aber nichts dafür tun, nichts verstehen. Die Finanzmärkte sollen uns bereichern, ohne dass wir ihr Wirken bearbeiten. In Deutschland fehlt jede breite Ausbildung zum Thema private Finanzen. Der Kauf eines Sofas wird genauer überlegt als der eines Zertifikats, wir wälzen Autokataloge und überblättern Geschäftsbedingungen. Geld gilt als schmutzig, Spekulation als undeutsch und verwerflich. Diese romantische Haltung muss einer nüchternen, informierten Einstellung weichen. Ohne moderne Kapitalmärkte gibt es keine leistungsfähige Wirtschaft. Exzesse sind zu begrenzen, aber statt einer statischen, rückwärtsgewandten Regulierung werden wir eine dynamische, sich verändernden Entwicklungen begleitende Regulierung brauchen, die von einem tiefen Verständnis der Dynamik mehr geprägt ist als von einem verständnislosen Vollzug gestriger Vorschriften. Jede Krise kennt Gewinner Hinter der Kulisse verschieben sich die Gewichte. Wer verdient wirklich an und in der Krise? Riesige Imperien brechen zusammen oder werden auf Kosten der Steuerzahler künstlich am Leben erhalten. Dabei beschleunigt sich nur eine ständige Erneuerung und Umverteilung vom Alten zum Neuen, die Krise wirkt wie ein Katalysator des Geschehens. Zu Beginn der Industrialisierung, in der Weltwirtschaftskrise nach 1929 oder beim Zusammenbruch des Ostblocks - märchenhaft reich wurden mutige Hände, die die neuen Gelegenheiten und Möglichkeiten der Technik, Wissenschaft und der Bedürfnisse der Menschen erkannten und nutzten, die aufsammeln, was zittrige Hände wegwarfen. Neue Unternehmen und neue Unternehmer betreten die Bühne. Es sind solche, die erkennen, worin die Bedürfnisse der neuen Zeit liegen. Sicher ist unsicher "Les Trente Glorieuses", die drei glorreichen Nachkriegsjahrzehnte, in denen Westeuropa zugleich eine wohlhabendere und gerechtere Gesellschaft wurde, sind wohl unwiderruflich vorbei. Während Europa schon längst stagnierte, hat der Kapitalismus Milton Friedmans in den USA und Asien zu einer ungeheuren Wachstumsdynamik geführt. Unsere zunehmend auf Bewahrung ausgerichtete Gesellschaft wird mit tief greifenden Umstürzen konfrontiert, und keine Rentenversicherung und kein Arbeitsamt wird uns davor wirklich bewahren können. Festgefügte Sicherheiten zerbröseln. Zu anderen Zeiten und an anderen Orten ist man sich dessen bewusst. In Ostdeutschland und Osteuropa wurden festgefügte Lebensläufe über Nacht entwertet - wie viele Bankkonten und Festanstellungen heute im Westen. Die Westdeutschen und Westeuropäer müssen den Umgang mit der Unsicherheit neu lernen. Anything goes geht doch nicht Die rauschhaften Jahre des billigen Kredits und der märchenhaften Erträge aus windigen Papieren sind vorbei. Die Multioptionsgesellschaft der individualisierten Verantwortungslosigkeit stößt an Grenzen. Konservativere Anlageformen, Sparen statt besinnungsloses Konsumieren, Nachhaltigkeit als Verhaltensprinzip, vielleicht sogar wieder mehr Familie und Beständigkeit geben Halt. Schlägt dieser Wertkonservatismus in einen Strukturkonservatismus um? Wie steht es um seine zeitliche Perspektive? Die Art, wie wir wirtschaften, bestimmt auch unser Leben und umgekehrt. Je länger die wirtschaftliche Depression dauert, umso tiefer werden auch die gesellschaftlichen Veränderungen sein - und dabei geht es nicht nur um ein paar Bilanzierungsvorschriften, sondern um eine gesellschaftliche Dimension. Die USA bleiben mächtig Man hört die Freudenseufzer der Linken und mancher ganz Rechter darüber, dass die USA - endlich! endlich! - ihre wirtschaftliche und politische Vormachtstellung verlieren. Wahr ist: Die Ursachen der derzeitigen Krise liegen auch in einem Ungleichgewicht der globalen Wirtschaften. Die USA verschuldeten sich, um zu konsumieren - China nutzte diese Exportchancen, wurde darüber zur "Fabrik der Welt" und finanzierte den US-Konsum dadurch, dass es die vereinnahmten Gelder dort wieder anlegte. In kleinerem Maßstab hat Deutschland in ähnlicher Weise davon profitiert und den globalen Aufschwung mit Maschinen und Investitionsgütern ausgestattet. Die damit verbundene Rohstoffnachfrage hat in den Erdölländern und Russland zu ungeheuren Reichtümern geführt. Jetzt kommt es zu einer Korrektur auch dieser Ungleichgewichte. Über ihr Ergebnis sind nur Voraussagen unter größter Unsicherheit möglich. Etwa so: Die Selbstheilungskräfte der USA sind zur Überwindung geeigneter als die europäische Industrie- und Sozialpolitik, die eher bestehende Strukturen zementiert. Nach der Verstaatlichung werden die angelsächsischen Länder eher früher als später wieder zur Liberalisierung zurückfinden, da sie pragmatisch statt ideologisch entscheiden. Deutschland wird sehr viel länger brauchen und Frankreich zurückbleiben. Oder gelingt es Deutschland, gestützt auf seine breite industrielle Basis, als Trittbrettfahrer der weltweiten Erholung mitzufahren? Welche Wirkung entfalten gesellschaftliche Krisen in Folge der Wirtschaftskrise? Werden sich die Innovationsfähigkeit und Anpassungsgeschwindigkeit offener Gesellschaften im Umgang mit der Finanzkrise erneut bewähren, oder sind eher die autoritär-kapitalistischen Systeme nach dem Vorbild Chinas die Gewinner? Kapitalismus erfindet sich neu Das ist es ja, was seine Gegner nicht wahrhaben wollen: Dass der Kapitalismus wie jedes lebende System sich wandeln, anpassen, verändern kann - und das, weil er nicht zentral gesteuert ist, sondern alle Marktteilnehmer ständig suchen, finden, sich selbst zerstören und neu erfinden. Die Lehre des österreichischen Ökonomen Joseph Schumpeter von der "Kraft der schöpferischen Zerstörung" wird sich erneut bestätigen.
Article
Tichy, Roland
2021-12-07T00:00:00
2011-10-05T00:00:00
2021-12-07T00:00:00
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/31996/anmerkungen-zur-zukunft-des-kapitalismus-essay/
Die Finanzkrise stellt infrage, was die vergangenen beiden Jahrzehnte geprägt hat: Wohlstand, Globalisierung und Demokratisierung. Doch der Kapitalismus ist ein System, das sich stets neu erfindet.
[ "" ]
566
Handout: "A Bomb Was Stolen" | The Celluloid Curtain | bpb.de
Interner Link: PDF file (150 KB) First showing in Germany: 23rd November, 1962, in the GDR Director: Ion Popescu-Gopo Screenplay: Ion Popescu-Gopo Cameraman: Stefan Horvath Musical Director: Dumitru Capoianu Production: Filmstudio Bucuresti Cast: Iurie Darie, Emil Botta, Haralambie Boroş, Ovid Teodorescu, Geo Saizescu and others Running time: 72 Min. Format: 35 mm, b&w, without dialogue. Certificate: none issued Recommended viewing: 15+ Educational Level: Year 10 and above Themes: the East-West conflict, the arms race Subject Areas: History, Political / Social Studies, Art, Ethics / Religion, German Rights/Permission for school screenings: PROGRESS Film-Verleih. Content and Storyline The film opens in a deserted wasteland, which resembles a mysterious no-man's-land. This is where the main character appears for the first time. He picks a flower, but as he does this, a military aircraft catches him unawares and he's temporarily taken into custody by special forces in silver uniforms. An atom bomb is about to be tested. Back in the city, the young man goes looking for work, but by mistake – for this is a comedy, after all – he picks up a briefcase containing an atom bomb. Not realising what he's done, he carries it around the town, hotly pursued by a gang of criminals, who originally stole it and want it back, and uniformed guards from the XOX Company, from whom it was stolen and who also want to get it back. Whilst the two groups chase each other back and forth, each trying to stop the other getting hold of the bomb, ending with a final grand battle, the young man falls in love with a bus conductress. He wins her heart and at the end of the film, the power of their love turns the destructive bomb into small, energy-radiating pieces, which they distribute to the townspeople. In the final scene, they return to the place where it all began: the atom bomb test has turned the wasteland into a flower-strewn meadow. Theme The theme of the film is an allegory of the arms race during the Cold War – the competitive pressure to 'get the bomb' and the fears about its destructive potential. Two opposing factions, symbolising wealth and power, battle for sole possession of the bomb. They race each other to get the bomb back from its unwitting owner, the young man. The members of the gangster mob are so afraid of what the bomb represents, that at the very moment they are about to seize it, their courage fails them and they fumble their chance. The nerdy lock-picker's lips tremble and twitch; the hard-bitten cowboy´s forehead is bathed in sweat and the biggest, fattest man in the gang sneezes in terror at full volume. In spite of this high comedy, the film has a serious message: that the real danger of the bomb lies less in its explosive power but, on the contrary, in the mutual rivalry of the rich and powerful to possess it. The solution to this problem is provided at the end of the film: neither the gangsters nor XOX, the company that owns it, will get it back for their warlike ends. Instead, the energy potential of the atom bomb is redirected for peaceful purposes to all men, whatever their origin or skin colour. Characters and Character Groups in the Film The Man with the Flower The anonymous hero of the film, who picks a flower in the opening scene, is the human on-screen alter ego of a cartoon character created by the film´s director Ion Popescu-Gopo. This character had appeared before in his animated cartoons and almost always carried a flower. In A Bomb Was Stolen, the young man in the rumpled suit is at the same time the most unthreatening and the most dangerous character in the film. His peace-loving nature is underlined at the outset by his act of picking the flower. But although he harbours no evil intentions and is only looking for work, he very soon becomes a threat to the whole city: the slightest knock could set off the bomb in the briefcase... and so, quite unwittingly, he runs hither and thither through the town, literally a ticking time-bomb. The Criminal Gang The gang of criminals, who originally set out to steal and make off with the bomb, and who pursue the young man throughout the film, are deliberate allusions to aspects of American culture. The gang leader – portly, dressed in a smart suit, with a fedora on his head and a cigarette between his lips – reminds us of the gangster Al Capone, boss of the Chicago underworld in the 1920s and 1930s. Like Capone, who posed as a collector of antiques, the gang leader in this film is the owner of a bridal wear shop – where people smoke and gamble in a backroom, and where there's another secret room hidden behind a trapdoor. The way the gang leader and his wife behave in the film is clearly meant as a parody of American consumerism: returning from a shopping trip, they show off, to each other (and to the film audience) the latest clothes they've bought, as they play modern jazz on the gramophone. In the wife's case, her clothes even match the décor of the flat. The behavioural quirks of the gang members are a catalogue of clichés straight out of American gangster films, westerns and slapstick comedies, effectively recreated here. But their outward coolness does not stand up under pressure: although they´re armed with weapons and all manner of sophisticated burglary tools, and have every opportunity to achieve their ends, at the decisive moment, they lack the courage to make off with the bomb. The Uniformed Guards The uniformed guards, who, at the start of the film, are supposed to prevent the theft of the bomb from the XOX Company and then to recover it, are unbelievably clumsy and stupid. They obediently follow orders to pursue the gangsters, but then run straight past them. They move in close formation, under the command of an officer, who gives directions with a police whistle. They march through the XOX building as if they were a well rehearsed corps de ballet. The insignia on their uniforms – two crossed lightning flashes – looks rather like that of Hitler's SS: this could be to remind the audience of Romania's co-operation with the Nazis under its pre-war dictator Ion Antonescu, or may even be a direct reference to the Nazi régime itself and to its militaristic structures, which suppressed individual rights and activities. Their monochrome uniforms and their lack of any distinguishing personal features is in marked contrast to the striking and easily recognisable types in the criminal gang; so this may also possibly be intended as an allusion to the subordinate role of the individual in socialist society. The Bus Conductress and the Townspeople The young bus conductress with the blonde hair lives in modest circumstances in the suburbs. She returns there in the evening at the end of her shift; her neighbours are ordinary working people, who represent a cross-section of the citizens of 'fraternal socialist states' from all parts of the world. The young man falls in love with her at first sight: her angelic qualities are underlined in the film by two surreal white wings, which every so often just appear on her back. She is a kind of Virgin Mary figure, who at the end of the film initiates the idea of the peaceful uses of atomic energy. Cinematic Resources and Materials Genre A Bomb Was Stolen is one of the few films which debates the theme of the arms race from both an artistic and comic point of view. The film is dialogue-free and is produced in the style of a silent film; it deploys slapstick, and parodies both the American cinema in general and the spy film genre in particular. The surreal storyline is evident from the opening sequence: an indeterminate landscape, the innocuous act of picking a flower, and the futuristic style of the uniforms worn by the military unit, all create an atmosphere of unreality, which pervades the film throughout. The humorous element stems from the ignorance of the leading character about what´s in the briefcase he´s picked up, as well as from the contradictions inherent in his role. A Bomb Was Stolen stands out from the other spy films of its time, precisely because it manipulates the style and character devices of the conventional spy genre, breaks the rules, shifts meanings and uses this to create the comedy. But as in any spy film, the hero here is also on a perilous mission – only he doesn't know it. Another example: the most sophisticated tools deployed by the criminals to burgle the XOX site prove to be useless in the end. And the two rival groups do not symbolise good and evil – 'them and us' in the Cold War context – but are both equally reprehensible. Communication of Thoughts and Feelings without Words In exactly the same way as a true silent film, A Bomb Was Stolen employs visual language to express thoughts and emotions that would normally require dialogue. The conversation between the leaders of the rival groups, the gangsters and XOX, is carried out with the help of an electronic intermediary, a brain-operated typewriter. The audience understands the love affair between the hero and the bus conductress not just from his lingering, blissful gazes, but also from the angel´s wings she grows in his daydreams. Historical Influences from other Films The production style of A Bomb Was Stolen is reminiscent of the slapstick used by the French actor / director Jacques Tati: situation comedy without words, backed by jazzy music, was the hallmark of Monsieur Hulot's Holiday / Les vacances de M. Hulot (France, 1953). There were close links from the earliest days of cinema between Romanian and French film-makers, partly based on the similarity of the two languages; there were French directors working in the Buftea Studios in the 1950s and 1960s, and it's quite possible some of Popescu-Gopo's comedy ideas came from his familiarity with Tati's film. Moreover, there are a number of hommages to other famous directors: in the dream sequence, there's an obvious reference to the king of slapstick, Charlie Chaplin. The scene, where the young man dreams of living within his own four walls and eating a meal with his beloved, is almost identical to that in Modern Times (USA, 1935) – another sound film which was also produced like a silent film. In the same way, the opening scene, where the young man is caught unawares in the empty wasteland by a military helicopter, has strong overtones of the classic scene in Hitchcock's North by Northwest (USA, 1959), where Cary Grant is pursued by an aeroplane across bare, empty fields. The Hitchcock film was released just two years before A Bomb Was Stolen. Background and Secondary Themes The Nuclear Arms Race between the USA and the USSR A Bomb Was Stolen was made at the height of the Cold War, when the arms race between the USA and the USSR was in its most intense phase. Nuclear arsenals on both sides of the Iron Curtain were growing apace: their deployment was, at this stage, clearly intended for possible use in war. In 1961, when A Bomb Was Stolen was made, it was just four years on from the declaration of NATO's deterrent policy of massive retaliation. A first strike by the USSR – nuclear or conventional – would produce a NATO response of total war, which would necessarily include nuclear weapons. This arms race began to intensify from the early 1960s onwards. On October 30th 1961, just days after Soviet and American tanks faced each other, guns at the ready, across Checkpoint Charlie in Berlin, the Russians exploded the most powerful hydrogen bomb ever at their test site in the Arctic Ocean. It was 3,500 times more powerful than the bomb at Hiroshima, which killed 45,000 people on the first day in 1945, rising to 136,000 over the next few months. The arms race had in fact begun immediately after the end of the 2nd World War: the USSR tested its first successful atom bomb in 1949, and thus the Americans lost their monopoly of nuclear arms. In the following years, both sides developed hydrogen bombs with ever more powerful radioactive destructive capability. Throughout the 1950s and 1960s, the two superpowers were locked in an arms race based on the use of strategic weapons with nuclear warheads. The Russians' success in launching the Sputnik satellite into space in 1957 suggested an intercontinental rocket strike on the USA was a real possibility, an event often described as 'sputnik shock' by historians. The arms race then broadened into a superpower 'race into space': the silver suits worn by the special units in A Bomb Was Stolen can be taken as alluding to this race to the moon. 1961 was also the year the USA began to deploy its B-52 bombers armed with nuclear missiles on 24 / 7 patrols across Europe, the Mediterranean and the Pacific Ocean: if war broke out, these could rapidly be launched at pre-arranged targets in the Soviet Union. A year after A Bomb Was Stolen was released, the Cuban Missile Crisis of October 1962 brought the world to the brink of nuclear war. The Americans regarded the stationing of Soviet mid-range nuclear missiles in Cuba as an extreme provocation and they blockaded the Soviet military transport vessels taking them there. Days of negotiations, threats and counter-threats finally ended with the Soviet leader, Nikita Khrushchev, backing down and withdrawing the rockets. The rationale of the nuclear arms race was that as long as bigger and more dangerous weapons could be built, with ever more devastating and destructive explosive power, then neither side could contemplate attacking the other. The nuclear stalemate between the two superpowers guaranteed mutual total destruction in the event of a war, and ultimately had the effect of underpinning peace; at the very least, it ensured there was no open war between the Americans and the Russians. Romania's role in the military alliance of the Warsaw Pact Romania spent the 2nd World War supporting Nazi Germany and fighting against the USSR; then the victorious Red Army marched into Bucharest in August 1944. This paved the way for Romania's adoption of Communism and its alliance with the Soviet Union. The 'People's Republic of Romania' was declared in 1947, with the Communist Party as the only ruling party, under its Minister President, Gheorghe Gheorghiu-Dej. He brought about the Stalinisation of Romania, through forced collectivisation and the elimination of all political dissent. On May 14th 1955, the Soviets concluded what they termed 'a pact of friendship, co-operation and mutual assistance' between themselves and seven Central and Eastern European socialist states, including Romania. It was known as the Warsaw Treaty Organisation, or more familiarly, as the Warsaw Pact. This political and military alliance was designed to provide a counterweight to the western military alliance, NATO, and to lock the East European 'People´s Republics' into the sphere of the Soviet Union. They submitted to the growing dominance of Moscow and ceded much national autonomy, but in exchange they could rely on the support of the Russian nuclear arsenal if it ever came to a war. With the establishment of the Warsaw Pact in the east and NATO in the west, two military alliances now faced each other across Europe, both armed to the teeth with nuclear weapons. At this point, the USA, the USSR and the UK were the only nuclear powers. Romania's relations with the USSR began harmoniously enough, but in the 1960s, the country began to distance itself from its northern neighbour in order to pursue more closely its own national interests. The breakaway was triggered on the one hand by the Soviets' inflexible attitude to the Hungarian uprising of 1956, and again during the second Berlin Crisis, which led to the building of the Wall in August 1961. Another factor was the Cuban Missile Crisis of just over a year later: Romania feared being dragged into a nuclear war that would have endangered its own security interests. But there was another side to this split: Romania did not accept the power balance within the unified military command structure of the Warsaw Pact. The USSR insisted that it must have sole command of the unified armed forces in time of war and that it alone could decide on the use of nuclear weapons. The first Warsaw Pact military exercises in fact took place on Romanian soil in 1955; they involved the first-use deployment of nuclear weapons. Soviet troops were at this stage still stationed in Romania and they were only withdrawn in 1958. Thereafter, the first differences of opinion between Bucharest and Moscow started to appear. In 1964, these became more acute, even while Gheorghiu-Dej was still in power, and continued when Nicolae Ceauşescu took over in 1965. Romania was one of the first Warsaw Pact countries to open itself to the west: it was the first member of the Soviet bloc to establish diplomatic relations with West Germany. Nonetheless, Romania remained a member of the Warsaw Pact until it was dissolved on July 1st, 1991. Against this background, it's hardly surprising that a film which indirectly condemned Soviet nuclear policy was passed by the Romanian censors. If the film is taken as a parable of the situation at that time, with the uniformed XOX guards representing the Soviets and the gangsters the Americans, then A Bomb Was Stolen accurately reflects the Romanian view of both superpowers during the Cold War. And the fact that both the gangsters and their opponents are left empty-handed at the end of the film is yet another indirect condemnation of their belligerent objectives – and therefore those of both nuclear superpowers. The Utopian Ideal of the peaceful use of Nuclear Energy A Bomb Was Stolen concludes with the utopian vision of the peaceful use of nuclear energy, bringing with it prosperity and the a sharing of scientific progress. The Danish physicist Niels Bohr had already, in 1950, propounded such a vision of the domestic uses of nuclear energy, in an open letter to the United Nations. Bohr warned of the destructive potential of nuclear weapons and argued for scientific co-operation that would transcend the politics of east and west, in order to apply the benefits of nuclear energy worldwide for peaceful civilian use. He became a role model for the anti-nuclear movement of the 1950s. Suggestion for further viewing Dr. Strangelove or: How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb UK 1964, Director: Stanley Kubrick As with A Bomb Was Stolen, Stanley Kubrick's Dr. Strangelove, or How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb is a comedy about the arms race. But unlike the Romanian film, Kubrick's film ends not in a peaceful Utopia, but with the worst case scenario: an American atom bomb being dropped over Russia. The man responsible for this unauthorised warmongering is General Jack D. Ripper. Whilst the American President is out of the war room and personally trying to persuade the Soviet President that it's all a mistake that a US bomber is over Soviet territory, the B-52 has already broken off contact with its airbase and is on the way to its target. Stanley Kubrick's film is full of references to other films and to real persons: as in Popescu-Gopo's comedy, there are in Dr. Strangelove clichéd western figures, like Major Kong, the officer in charge of the B-52 bomber. Dr Strangelove himself is a German scientist with a predisposition to giving the Nazi salute: he shows some of the character traits of the rocket engineer Wernher von Braun, who worked for the Nazis before becoming a leading light in the American space programme after the 2nd World War. The black glove he wears is also an allusion to Dr Rotwang, the mad scientist in Fritz Lang's 1926 film Metropolis. The Director, Ion Popescu-Gopo b. 1st May,1923, Bucharest, d. 28th November, 1989, Bucharest Popescu-Gopo was given art lessons by his father and went on to study at the Bucharest Academy of Fine Arts. From 1939, he worked as a cartoonist and book illustrator, then in 1950 he joined the Bucharest Cinematographic Studio, in their animation division. There, in collaboration with his father, he made his first animated films, such as The Disobedient Duck (1950), and The Bee and the Dove (1951). These animations reveal his admiration for the work of Walt Disney. In 1956 he made the first of several films featuring a character he invented, the 'little man': a 10-minute short called A Brief History, which won the Palme d´Or at the Cannes Film Festival in 1957. He made many more animated films as well as three full-length features, of which A Bomb Was Stolen was the first. He worked first as a director, later also as a teacher, in the "Anima" studios, which were founded in 1964. Recommended further reading Kalter Krieg. 60 Filme aus Ost und West. Katalog der Retrospektive der 41. Internationalen Filmfestspiele Berlin (The Cold War: 60 films from East and West. Catalogue of the Retrospective of the 41st International Film Festival, Berlin), German Cinematic Foundation (Stiftung Deutsche Kinemathek). Berlin 1991. Diedrich, Torsten / Heinemann, Winfried / Ostermann, Christian F. (Eds): Der Warschauer Pakt. Von der Gründung bis zum Zusammenbruch 1955 bis 1991 (The Warsaw Pact. From Founding to Collapse, 1955-1991). Schriftenreihe der bpb (Band 782). (Publications of the Federal Agency for Civic Education [vol. 782]). Bonn 2009. Gerdes, Hilke: Rumänien. Mehr als Dracula und Walachei (Romania. Beyond Dracula and Wallachia). Schriftenreihe der bpb (Band 707) (Publications of the Federal Agency for Civic Education [vol. 707]). Bonn 2007. Salewski, Michael (Ed.): Das Zeitalter der Bombe. Die Geschichte der atomaren Bedrohung von Hiroshima bis heute (The Age of the Bomb. The History of the nuclear threat from Hiroshima to Today). Verlag C. H. Beck, München 1995. Schumacher, Frank: Leben mit der Bombe. Kernwaffen und Kalter Krieg, 1945-1962. In: Der Kalte Krieg, hrsg. in Zusammenarbeit mit DAMALS – Das Magazin für Geschichte (Living with the Bomb. Nuclear Weapons and the Cold War, in collaboration with Damals, the Magazine for History). Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2010, pp. 25-32. Stöver, Bernd: Der Kalte Krieg 1947-1991. Geschichte eines radikalen Zeitalters (The Cold War, 1947 – 1991: The History of a Radical Age). Verlag C. H. Beck, München 2007. In particular chapter 5: "Eine Welt in Waffen" ("A Weaponised World"). Further Links "The Celluloid Curtain – Europe's Cold War in Film" – website. Externer Link: http://www.celluloid-curtain.eu Website with information on the history of nuclear weapons, scientific data on atomic physics, a glossary of terms and an overview of the various initiatives to bring about a nuclear weapons-free world. Externer Link: http://www.atomwaffena-z.info bpb.de: Informationen zur politischen Bildung. Heft 245 (Information on Political Education, Pamphlet no. 245): Internationale Beziehungen (International Relations). Articles and source material on the origins and development of the East-West conflict. Externer Link: http://www.bpb.de/publikationen/90DR2J,0,0,Internationale_Beziehungen_I.html bpb.de: Essay by Annette Kilzer on Dr. Strangelove, Or How I Learnt to Stop Worrying and Love the Bomb. Externer Link: http://www.bpb.de/themen/RGTCB5,0,Dr_Seltsam.html Progress-Film Agency website with Information on Die Gestohlene Bombe. Externer Link: http://www.progress-film.de/de/filmarchiv/film.php?id=6621 Blog by a Romanian schoolboy AG with Information on Ion Popescu-Gopo and excerpts from his animated cartoons. Externer Link: http://www.surprising-romania.blogspot.com/2009/07/ion-popescu-gopo.html Radio documentary "The Cold War in Spy Films" on Deutschlandradio Kultur. Externer Link: http://wissen.dradio.de/kino-der-kalte-krieg-im-spionagefilm.38.de.html?dram:article_id=10449&sid= Supporting Educational Material on the Cinema VISION KINO: Schule im Kino – Praxisleitfaden für Lehrkräfte (School and Cinema: Practical Textbook for Teachers). http://www.visionkino.de/WebObjects/VisionKino.woa/1/wa/CMSshow/1109855?wosid=Kn90jwNCZMNhhnMifJHlQM More on this topic on Kinofenster (Window on the Cinema) The Fog of War (Discussion on 1st September, 2004). Externer Link: http://www.kinofenster.de/filmeundthemen/neuimkino/archiv_neuimkino/the_fog_of_war_film/ Thirteen Days (Discussion on 1st March, 2001). Externer Link: http://www.kinofenster.de/filmeundthemen/neuimkino/archiv_neuimkino/thirteen_days_film/ Unter Kontrolle (Under Control ) (Film of the month, Mai 2011). Externer Link: http://www.kinofenster.de/download/monatsausgabe-unter-kontrolle.pdf Glossary NATO North Atlantic Treaty Organisation, founded in 1949. Military alliance between North American and West European states, with the original objective of deterrence and defence against the Soviet Union and its allies. After the end of the Cold War, its main focus shifted to the fostering of partnership dialogue, arms control and crisis intervention measures throughout the European and Atlantic areas. Suggestions for further classroom study Study AreaTopicSocial Types and Classwork Exercises German / ArtCharacter OutlinesGroup work (GW): think up names or descriptions for the characters and groups of characters in the film. List them on a flipchart, add a drawing alongside to symbolise each one and a single sentence to sum up the main objective(s) of the character or character group. Film Genre(GW): Define the characteristics of westerns, slapstick comedy and spy films. Next, compile a list of those characteristics which occur in A Bomb Was Stolen, and of when they appear in the film; then write them up on a wall-chart or panel. Film comparisonsClass Work (CW): Compare the dream sequence from A Bomb Was Stolen with the dream sequence in Charlie Chaplin´s Modern Times (USA 1936); highlight the similarities and differences in terms of their content, humour and the artistic direction. History / Political ScienceNuclear Arms Race and Nuclear espionageIndividual work (IW): Write a short essay on the nuclear arms race. The NATO strategy of 'massive retaliation'IW: Read document MC 14/2 in the NATO archive, and make notes on the military strategy the alliance adopted following the deployment of nuclear weapons. CW: Discuss the final sequence in the film against the background of the political situation of that time. Film comparisonsCW: Watch another film comedy on the theme of the nuclear arms race, for example Stanley Kubrick's Dr Strangelove, or How I Learnt to Stop Worrying and Love the Bomb (GB 1964), and compare its style of humour with A Bomb Was Stolen. Ethics / Social StudiesCivilian Uses of Nuclear EnergyIW: Read the appropriate section from Niels Bohr's open letter to the United Nations from June 9th 1950, and, using keywords, define its demands.CW: Discuss the similarities between Bohr´s demands and the final sequence of A Bomb Was Stolen. Fishbowl discussion: the advantages and disadvantages of peaceful and civilian uses of nuclear energy. Art / MusicCinematic Design and Production TechniquesCW: Describe the role and use of music and sound effects (taking as an example the scene in front of the cinema); describe how, in individual scenes, thoughts and emotions are communicated without using dialogue. Setting stills to musicGW: Following the example of the scene in A Bomb Was Stolen outside the cinema, set stills from a variety of different genres of film to music and sound effects. Worksheet By accident a young man inadvertently comes into possession of an atom bomb. He innocently carries it across the town in a briefcase. But the gang of criminals, who stole the bomb and want it back, and the uniformed security guards of the XOX company, from whom the bomb has been stolen, are both hot on the young man´s heels. A Bomb Was Stolen is one of the few artistic and humorous treatments of the nuclear arms race. It's a 'sound film' without dialogue, produced in the style of a silent film, and recalls the slapstick comedies of the French actor / director Jacques Tati. It's possible to detect allusions to other films with regard to some of the characters and the dramatic construction. The final sequence reflects the demands of the growing anti-nuclear movement of the time. The tasks here are designed for students from age 15 upwards and are intended to stimulate the analysis of the film's characterisation, production and political message. These tasks are suitable for the following subject areas: German, History, Politics and Social Studies, Ethics, Art and Music. Task 1: Preparatory work before viewing the film Subject areas: German, Art, Music Find out in which year this 'sound film' was made.Consider for what reason(s) a director might have decided, in 1961, to make a sound film without dialogue in the style of a film from the silent era.Observational tasks whilst watching the film: Which different characters and groups of characters appear in the film?How do people communicate their thoughts and feelings without words?What roles do music and sound effects play in the film? Once you've seen the film, do you think your ideas in question b) above were right? Task 2: Analysis of Characters and Groups of Characters in the Film Subject areas: German, Art Work in small groups and give names or descriptions to the various characters and groups of characters in the film. List these on a card or flipchart and alongside each one, sum up the objective(s) of the character or character group.Working on your own, design a ‘wanted´ poster showing the personal particulars (appearance, distinguishing features, mannerisms) of the members of the group who set out to steal the bomb.What are the differences between these people and the other groups in the film?Think yourself into the position of the film's director, and explain, as if to a journalist, how you created the leading role of the young man and why you gave him his particular characteristics. Deal with issues such as his age, appearance and mannerisms, and consider to what extent he's different from the other characters in the film. Task 3: Reflect on the Ending of the Film Subject areas: German, History, Politics and Social Studies, Ethics As a class, talk through the final sequence of the film: what is its message?Working in small groups, develop an alternative ending to the film and write it up on a sheet of A4. Consider the following point: what would have happened if the gang of criminals had succeeded in finally getting hold of the bomb?Individually, read the NATO document numbered MC 14/2, from 1956, and note down the military strategy adopted by the Allies following the deployment of nuclear weapons. Afterwards, discuss in class how to interpret the ending of the film A Bomb Was Stolen in the light of the political situation at that time. Task 4: Cinematic Design and Production Techniques Subject areas: Art, Music Look at these two stills from A Bomb Was Stolen. Describe how thoughts and feelings are communicated in the film without any dialogue. Develop alternative ways to the ones shown here for expressing such ideas. Look at the two stills from A Bomb Was Stolen and North by Northwest (USA 1959, Dir: Alfred Hitchcock). To what extent do you think Ion Popescu-Gopo was influenced by the Hitchcock film? Describe the atmosphere created by these images, taking into account the way they are designed and framed (detail, size of image, camera angle, positioning of people and objects and so forth). Working individually, write a short critique of the music and sound effects in the film A Bomb Was Stolen, Describe the style of music and how music and sound effects are used: conclude with your own opinion and judgment on these topics.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2021-06-23T00:00:00
2012-02-14T00:00:00
2021-06-23T00:00:00
https://www.bpb.de/lernen/filmbildung/63210/handout-a-bomb-was-stolen/
The handout contains full information about the film, classwork designed to reinforce what is taught in lessons, along with a worksheet for students´ group work.
[ "" ]
567
Folgen der Arbeitslosigkeit | Arbeitsmarktpolitik | bpb.de
Die Wirkung der Arbeitslosigkeit auf die Betroffenen wird in den ökonomischen Lehrbüchern überwiegend ausgeblendet. Ökonomen interessieren sich primär für die ökonomischen Ursachen, gesamtfiskalischen Kosten und makroökonomischen Folgen der Arbeitslosigkeit, weniger für ihre individuellen Folgen. Die individuellen und gesellschaftlichen Folgen von Arbeitslosigkeit werden allerdings in verschiedenen sozialwissenschaftlichen Forschungszweigen beleuchtet, auch wenn festzustellen ist, dass es auch hier noch viele Forschungslücken gibt. Die Mehrzahl der Studien kommt aus den Bereichen der gesundheitspsychologischen und sozialmedizinischen Forschung. Mögliche individuelle Folgen der Arbeitslosigkeit, insbesondere der Langzeitarbeitslosigkeit, sind u.a. psychologische und gesundheitliche Probleme, Entqualifizierung (Entwertung der bisher erlangten Qualifizierung), gesellschaftlich-kulturelle und soziale Isolation (Stigmatisierung), familiäre Spannungen und Konflikte, Schuldgefühle, Aggressivität und Verarmung. Zwischen den meisten genannten Folgen besteht dabei ein sehr enger Zusammenhang. Die Folgen von Arbeitslosigkeit beschränken sich nicht auf die Arbeitslosen selbst. Auch für nahe Angehörige kann Arbeitslosigkeit eine gravierende Beeinträchtigung von Wohlstand, Selbstachtung, sozialem Ansehen und Lebenschancen bedeuten. Selbst bei erwerbstätigen Angehörigen werden durch das Eintreten der Arbeitslosigkeit innerhalb der Familie oder des Haushalts Arbeitsvermögen, Leistung, Solidarität und Krankenstand negativ beeinflusst. Daneben ist Arbeitslosigkeit auch ein Problem für die gesamte Gesellschaft. Gesamtgesellschaftliche Folgen der Arbeitslosigkeit sind u.a. Verlust von Steuereinnahmen und Sozialabgaben, hohe Kosten für Arbeitslosengeld I und II, Verlust der Kaufkraft des Einzelnen und damit Reduzierung der Binnenkonjunktur, Anstieg der Kriminalität, politische Instabilität, sowie weitere Kosten zur Behebung bzw. Linderung der individuellen Folgen. Im Folgenden werden kurz einige Forschungsergebnisse zu den individuellen Folgen der Arbeitslosigkeit vorgestellt. Anschließend werden Berechnungen des IAB zu den gesamtfiskalischen Kosten der Arbeitslosigkeit präsentiert. Die Arbeitslosen von Marienthal Das Thema „Folgen der Arbeitslosigkeit“ ist nach wie vor untrennbar mit einer der bekanntesten „klassischen“ soziologischen Untersuchungen verknüpft, den „Arbeitslosen von Marienthal.“ In Folge der Weltwirtschaftskrise 1929/1930 hatten fast alle Bewohner eines Dorfes in der Nähe von Wien durch den Konkurs des einzigen Industriebetriebes ihren Arbeitsplatz verloren. Eine Gruppe von Sozialwissenschaftlerinnen und Sozialwissenschaftlern führte vor Ort umfangreiche Erhebungen durch (siehe Jahoda/ Lazarsfeld/ Zeisel unter Zum Weiterlesen). Der Forschungsbericht zählt nach wie vor zu den Klassikern der empirischen Sozialforschung. Er war zugleich die erste moderne empirische Untersuchung der psychosozialen Wirkungen der Langzeitarbeitslosigkeit. Die zentralen Ergebnisse der Studie lauteten: Arbeitslosigkeit führte zu Mutlosigkeit und Hilflosigkeit und reduzierte deshalb eine aktive Herangehensweise an Probleme. Das Nichtstun beherrschte den Tag, insbesondere unter den Männern. Armut war stark verbreitet. Der Gesundheitszustand der Kinder von arbeitslosen Eltern war im Durchschnitt deutlich schlechter als der Gesundheitszustand der Kinder von Eltern, die noch Arbeit hatten. Der Rhythmus des Lebens wurde bestimmt vom 14-tägigen Auszahlungstermin der Arbeitslosenunterstützung. Die Forscher haben die arbeitslose Gemeinschaft daher als "müde Gemeinschaft" beschrieben. Arbeitslosigkeit und Gesundheit Die häufigsten Untersuchungen zu Folgen der Arbeitslosigkeit befassen sich mit der Thematik „Gesundheitliche Folgen von Arbeitslosigkeit“. Dass Gesundheitsrisiken und Gesundheitsprobleme bei Arbeitslosen vermehrt auftreten, wird dabei durch zahlreiche nationale wie internationale Forschungsarbeiten belegt. Unklar bleibt dabei aber zunächst die Richtung des Zusammenhangs zwischen Arbeitslosigkeit und Gesundheit. Diesbezüglich gibt es zwei grundlegende Thesen: Arbeitslosigkeit führt zu erhöhten Krankheitsrisiko (Kausalitätshypothese), Krankheit führt zu einem erhöhten Arbeitslosigkeitsrisiko (Selektionshypothese). Durch die Komplexität des Zusammenhangs zwischen Arbeitslosigkeit und Gesundheit lassen sich die jeweiligen Wirkungsrichtungen nur selten klar voneinander trennen. Es gibt aber viele Hinweise darauf, dass beide Thesen richtig sind: Einerseits lässt sich beobachten, dass die Wettbewerbschancen kranker Arbeitnehmer schlechter als die gesunder sind und sich damit das Risiko des Arbeitsplatzverlustes erhöht, und andererseits, dass anhaltende Arbeitslosigkeit den Gesundheitszustand verschlechtert. In einer jüngeren Studie (Lange / Lampert; siehe Zum Weiterlesen) gaben von kurzzeitarbeitslosen Männern jeder fünfte und von langzeitarbeitslosen Männern jeder Dritte an, dass Einschränkungen der Gesundheit unter anderem ein Grund für die Arbeitslosigkeit sind. Bei den Frauen sind diese Anteile geringer (16 und zwölf Prozent). Gleichzeitig gaben ein Fünftel der langzeitarbeitslosen Frauen und Männer an, ihr Gesundheitszustand habe sich während der Arbeitslosigkeit verschlechtert. Allerdings sehen zehn Prozent ihre Gesundheit durch die Arbeitslosigkeit als verbessert an. Letzteres lässt darauf schließen, dass vorher gesundheitsbelastende Berufe ausgeübt wurden. Von den in dieser Untersuchung erfassten Krankheiten kamen bei arbeitslosen Männern insbesondere chronische Bronchitis, Rückenschmerzen, Depression, Bluthochdruck und Schwindel häufiger vor, bei den Frauen verstärkt Asthma, Rückenschmerzen, Depression, Bluthochdruck, erhöhte Blutfettwerte und Schwindel. Besonders häufig waren bei Frauen wie bei Männern die Nennungen für Depressionen. QuellentextAuswirkungen von Arbeitslosigkeit auf die Gesundheit Ein Artikel des Robert Koch Instituts zum Forschungsstand zur Auswirkung von Arbeitslosigkeit auf die Gesundheit zeigt: Arbeitslose Personen schätzen ihren subjektiven Gesundheitszustand deutlich schlechter ein als Erwerbstätige. Es besteht ein signifikanter Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Lebenserwartung, sowie dem Mortalitätsrisiko auf Individualebene. Erhöhte Risiken bestehen u.a. für Männer in Bezug Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, Krebserkrankungen, alkoholbedingte Erkrankungen und Todesfälle. Bei Frauen steigt das Mortalitätsrisiko durch Arbeitslosigkeit ebenfalls signifikant an, jedoch in geringerem Ausmaß als bei männlichen Arbeitslosen. Die Sterblichkeit steigt kontinuierlich in Abhängigkeit von der vorausgehenden Arbeitslosigkeitsdauer. Langzeitarbeitslose konsultieren häufiger Ärzte und weisen mehr Krankenhausaufenthalte auf als Erwerbstätige. Das Risiko an einer Depression zu erkranken steigt durch Langzeitarbeitslosigkeit deutlich an. Kroll, L. E. / Müters, S. / Lampert, T. (2015): Arbeitslosigkeit und ihre Auswirkungen auf die Gesundheit Ein Überblick zum Forschungsstand und zu aktuellen Daten der Studien GEDA 2010 und GEDA 2012. Robert Koch-Institut Berlin. Berlin / Heidelberg. Im Externer Link: Fünften Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung wird die Wechselwirkung zwischen (Langzeit-)Arbeitslosigkeit und dem Gesundheitszustand beschrieben. Hier wird deutlich, dass Arbeitslosigkeit sowohl eine Ursache eines schlechteren Gesundheitszustandes als auch die Folge dessen sein kann. Im Bereich der Beratungs- und Integrationsarbeit der Arbeitsverwaltung sind die Dienstleistungen des Ärztlichen Dienstes und des Berufspsychologischen Service wichtige Dienstleistungen zur Unterstützung des Reintegrationsprozesses. Die Arbeitsvermittler und Berufsberater der Bundesagentur für Arbeit können diese Dienste einschalten, um gesundheits- und leistungsbezogene Fragen für Arbeitsuchende u.a. zur Vermittlungsfähigkeit, zur Berufseignung oder zur Eignung von Maßnahmen zu klären. Die zwei wichtigsten Dienstleistungen des Ärztlichen Dienstes sind die Sozialmedizinische Beratung und die Sozialmedizinische Begutachtung. Im Jahr 2018 führte der Ärztliche Dienst der Bundesagentur für Arbeit etwa 583.000 ärztliche Begutachtungen und Beratungen durch. Häufigster Auftragsgrund sind „Vermittlungsorientierte Eingliederung/Bildungsmaßnahmen“. Anlässe sind im Wesentlichen die Klärung der Eignung sowie Aspekte der Zumutbarkeit und/oder die Leistungsfähigkeit des Klienten bezüglich einer Arbeit bzw. einer Maßnahme zur Eingliederung. Der Berufspsychologische Service der Agenturen für Arbeit wird insbesondere eingeschaltet, wenn es um die Abklärung der intellektuellen Voraussetzungen der Klientinnen und Klienten für eine Arbeit, Ausbildung oder Qualifizierung geht, wenn es um die Abklärung und die Auswirkungen einer Behinderung geht sowie wenn die Fachkräfte in den Agenturen für Arbeit und den Jobcentern Unterstützung bei der Frage suchen, welche Gründe eine Integration in den Arbeitsmarkt erschweren oder verhindern und welche Hilfen zur Integration zielführend sein können. Im Jahr 2018 wurden etwa 250.000 Aufträge durch den Berufspsychologischen Service bearbeitet. Arbeitslosigkeit und Sucht Auch in den Statistiken der Suchtkranken sind Arbeitslose überproportional häufig vertreten. Aus einer Empfehlung der AG Teilhabe in 2016 geht hervor, dass in der ambulanten Suchtkrankenhilfe für Alkoholabhängige, der Anteil der Erwerbslosen in diesem Bereich bei 35 Prozent und bei Opiatabhängigen bei 59 Prozent lag. Im stationären Bereich der Suchtkrankenhilfe machen erwerbslose Personen 43 Prozent der alkoholabhängigen und 63 Prozent der opiatabhängigen Personen aus. Da bei Arbeitslosen im Anschluss an eine erfolgreiche Rehabilitation eine Tagesstruktur selten gegeben ist, kommt es zu häufigeren Rückfällen und insgesamt schlechteren Prognosen. Soziale Folgen Die Arbeitslosigkeit selbst und auch deren Folgen führen in der Konsequenz zu einer Auswirkung auf die soziale Situation arbeitsloser Menschen. Soziale Kontakte, vor allem zu Erwerbstätigen, nehmen mit Dauer der Arbeitslosigkeit ab. Die gesellschaftliche Teilhabe wird bei Langzeitarbeitslosigkeit stark eingeschränkt, sodass sich arbeitslose Menschen zunehmend im eigenen Milieu aufhalten. Weiterhin sind Arbeitslose häufig Stigmatisierungsprozessen oder mit anderen Problemen im sozialen Umfeld konfrontiert. Diese sozialen Folgen erschweren die Überwindung der Arbeitslosigkeit zusätzlich. Individuelle finanzielle Folgen Arbeitslosigkeit ist mit erheblichen finanziellen Einbußen verbunden, vor allem für unqualifizierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, deren geringes Einkommen es ihnen nicht erlaubte, Ersparnisse zu machen. Eine starke Akzentuierung der Armut mit der Dauer der Erwerbslosigkeit ist in allen Ländern der Europäischen Union zu beobachten. So fallen zwischen einem Drittel bis zur Hälfte der Langzeitarbeitslosen unter die Armutsgrenze. Je länger die Betroffenen ohne Arbeit sind, desto geringer fallen die Entschädigungen aus, auch in Ländern mit vergleichsweise hohen Ausgleichszahlungen. Die fehlenden finanziellen Ressourcen sind ein wesentlicher Grund, weshalb viele Langzeitarbeitslose vom "normalen" sozialen Leben ausgeschlossen sind. Arbeitslosigkeit ist auch der empirisch wichtigste Einzelüberschuldungsfaktor. Es handelt sich hier um ein kritisches Lebensereignis, das in vielen Fällen schwer vorhersehbar ist, weshalb sich der Haushalt hierauf nur schwer einstellen kann. Mit länger andauernder Arbeitslosigkeit steigt das Überschuldungsrisiko weiter an. Ein Artikel des Robert Koch Instituts zum Forschungsstand zur Auswirkung von Arbeitslosigkeit auf die Gesundheit zeigt: Arbeitslose Personen schätzen ihren subjektiven Gesundheitszustand deutlich schlechter ein als Erwerbstätige. Es besteht ein signifikanter Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Lebenserwartung, sowie dem Mortalitätsrisiko auf Individualebene. Erhöhte Risiken bestehen u.a. für Männer in Bezug Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, Krebserkrankungen, alkoholbedingte Erkrankungen und Todesfälle. Bei Frauen steigt das Mortalitätsrisiko durch Arbeitslosigkeit ebenfalls signifikant an, jedoch in geringerem Ausmaß als bei männlichen Arbeitslosen. Die Sterblichkeit steigt kontinuierlich in Abhängigkeit von der vorausgehenden Arbeitslosigkeitsdauer. Langzeitarbeitslose konsultieren häufiger Ärzte und weisen mehr Krankenhausaufenthalte auf als Erwerbstätige. Das Risiko an einer Depression zu erkranken steigt durch Langzeitarbeitslosigkeit deutlich an. Kroll, L. E. / Müters, S. / Lampert, T. (2015): Arbeitslosigkeit und ihre Auswirkungen auf die Gesundheit Ein Überblick zum Forschungsstand und zu aktuellen Daten der Studien GEDA 2010 und GEDA 2012. Robert Koch-Institut Berlin. Berlin / Heidelberg. Im Fünften Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung wird Arbeitslosigkeit als Hauptursache für 20 Prozent der Überschuldungen im Jahr 2014 genannt und ist damit der am häufigsten angegebene einzelne Faktor. Allerdings ist die Zahl seit den Jahren der Banken- und Finanzkrise deutlich rückläufig und wieder unter den Wert des Jahres 2007 gefallen. Die Armutsrisikoquote von Arbeitslosen war, basierend auf Daten des Mikrozensus, im Jahr 2018 mit 57,4 Prozent fast viermal so hoch wie die der Gesamtbevölkerung (15,5 Prozent). Gesamtfiskalische Kosten der Arbeitslosigkeit Zu den gravierenden Wirkungen für die Betroffenen treten noch makroökonomische Kosten hinzu. So wird häufig betont, dass ein hoher Arbeitslosenstand den sozialen Frieden gefährde (steigende Armut und Kriminalität) und die Widerstände in der Bevölkerung gegenüber dem Strukturwandel (Risikoscheue und Ausländerfeindlichkeit) tendenziell erhöhe. Beides ist mit erheblichen volkswirtschaftlichen Kosten verbunden. Mehrfach hat das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung Schätzungen über die Höhe der Kosten der Arbeitslosigkeit in Deutschland vorgenommen. In gesamtfiskalischer Betrachtung bestehen die Kosten der Arbeitslosigkeit zum einen in den Mehrausgaben der Sozialversicherungsträger und der öffentlichen Haushalte, zum anderen kommt es infolge der Unterbeschäftigung zu Mindereinnahmen. Nach den Berechnungen für das Jahr 2014 beliefen sich die Kosten auf 56,7 Mrd. Euro. 32,1 Mrd. Euro entfielen hierbei auf die Zahlung von Sozial- und Versicherungsleistungen und 24,6 Mrd. Euro auf Mindereinnahmen von Steuern und Sozialbeiträgen. Der Abbildung ist die Schätzung der Kosten der registrierten Arbeitslosigkeit im Jahr 2014 zu entnehmen. Allerdings sind viele Kostenfaktoren nicht inbegriffen, beispielsweise die Kosten für die aktive Arbeitsmarktpolitik, arbeitsmarktbedingte Frühverrentungen und soziale Hilfen und Dienstleistungen. Ferner sind schwer zu schätzende Folgekosten, die zum Beispiel durch Dequalifizierungsprozesse oder zunehmende gesundheitliche Gefährdung entstehen, nicht berücksichtigt. Die gesellschaftlichen Gesamtkosten der Arbeitslosigkeit werden daher in der Abbildung noch erheblich unterzeichnet. Quellen / Literatur Bach, H.-U. / Spitznagel, E. (2006): Unter der Oberfläche - Die wahren Kosten der Arbeitslosigkeit. In: IAB-Forum, Nr. 1, S. 48-52. Brinkmann, C. (1984): Die individuellen Folgen langfristiger Arbeitslosigkeit. In: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung; Heft 4; S. 454-473. Büchtemann, C. F.: Die Betroffenheit von Arbeitslosigkeit als soziale Erfahrung. In: Politische Bildung, Jg. 2/1979, S. 38-74 Elkeles, T. (1999): Arbeitslosigkeit, Langzeitarbeitslosigkeit und Gesundheit, in: Sozialer Fortschritt 6, S. 150-155 Frese, M. (1994): Psychische Folgen von Arbeitslosigkeit in den fünf neuen Bundesländern: Ergebnisse einer Längsschnittstudie. In: Montada, L. (Hrsg.): Arbeitslosigkeit und soziale Gerechtigkeit; S. 193-231. Frankfurt. Henkel, D. / Zemlin, U. (Hrsg.) (2008): Arbeitslosigkeit und Sucht. Ein Handbuch für Wissenschaft und Praxis. Frankfurt am Main. Hollederer, A. (2003). Arbeitslosigkeit und Alkohol: Für einen nüchternen Umgang mit Suchtkranken. IAB Materialien 1/2003. Hollederer, A. (2003): Arbeitslos – Gesundheit los – chancenlos? IAB Kurzbericht Nr. 4; Nürnberg. Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (2016): Externer Link: Aktuelle Daten und Indikatoren. Gesamtfiskalische Kosten der Arbeitslosigkeit im Jahr 2014 in Deutschland. Jahoda, M. (1983). Wieviel Arbeit braucht der Mensch? Weinheim/Basel. Jahoda, M. / Lazarsfeld, P. F. / Zeisel, H. (1975): Die Arbeitslosen von Marienthal. Ein soziographischer Versuch über die Wirkungen langandauernder Arbeitslosigkeit. Mit einem Anhang zur Geschichte der Soziographie; Frank/Main. Kaps, P. / Oschmiansky, F. / Ebach, M. / Popp, S. / Berthold, J. (2019): Was benötigen und wie gelingen Wiedereinstiege von exkludierten Personen in soziale und arbeitsmarktliche Zusammenhänge; Berlin. Kates, N. / Greif, B. S. / Hagen, D. Q. (1990): The psychosocial impact of job loss. Washington. Kieselbach, T. / Wacker, A. (Hrsg.). (1995): Bewältigung von Arbeitslosigkeit im sozialen Kontext. Programme, Initiativen, Evaluationen (2. Aufl.). Weinheim. Klein, G. / Strasser, H. (Hrsg.) (1997): Schwer vermittelbar. Zur Theorie und Empirie der Langzeitarbeitslosigkeit. Opladen. Kroll, L. E. / Müters, S. / Lampert, T. (2015): Arbeitslosigkeit und ihre Auswirkungen auf die Gesundheit Ein Überblick zum Forschungsstand und zu aktuellen Daten der Studien GEDA 2010 und GEDA 2012. Robert Koch-Institut Berlin. Berlin / Heidelberg. Lange, C. / Lampert, T. (2005): Die Gesundheit arbeitsloser Frauen und Männer. Erste Auswertungen des telefonischen Gesundheitssurveys 2003. In: Bundesgesundheitsblatt 11/2005; S. 1256-1264. Externer Link: Lebenslagen in Deutschland. Der 5. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung. Oschmiansky, F. / Popp, S. / Riedel-Heller, S. / Schwarzbach, M. / Gühne, U. / Kupka, P. (2017): Psychisch Kranke im SGB II: Situation und Betreuung. IAB-Forschungsbericht 14/2017; Nürnberg. Strittmatter, F. J. (1992): Langzeitarbeitslosigkeit im Wohlfahrtsstaat: zu ihren Auswirkungen auf soziale Systeme und den Verarbeitungsstilen der Betroffenen. (Beiträge zur Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, 157), Nürnberg. Winefield, H. (1995): Unemployment: its psychological costs. In: Cooper. C. L. / Robertson, I.T. (Hrsg.): International Review of Industrial and Organizational Psychology (Vol. 10, S. 169-212. Chichester: Wiley. Zempel, J. / Bacher, J. / Moser, K. (Hrsg.) (2001): Erwerbslosigkeit: Ursachen, Auswirkungen und Interventionen. (Psychologie sozialer Ungleichheit, 12), Opladen. Zick, A. / Klein, A. (2014): Fragile Mitte – Feindselige Zustände. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2014. Bonn. Bach, H.-U. / Spitznagel, E. (2006): Unter der Oberfläche - Die wahren Kosten der Arbeitslosigkeit. In: IAB-Forum, Nr. 1, S. 48-52. Brinkmann, C. (1984): Die individuellen Folgen langfristiger Arbeitslosigkeit. In: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung; Heft 4; S. 454-473. Büchtemann, C. F.: Die Betroffenheit von Arbeitslosigkeit als soziale Erfahrung. In: Politische Bildung, Jg. 2/1979, S. 38-74 Elkeles, T. (1999): Arbeitslosigkeit, Langzeitarbeitslosigkeit und Gesundheit, in: Sozialer Fortschritt 6, S. 150-155 Frese, M. (1994): Psychische Folgen von Arbeitslosigkeit in den fünf neuen Bundesländern: Ergebnisse einer Längsschnittstudie. In: Montada, L. (Hrsg.): Arbeitslosigkeit und soziale Gerechtigkeit; S. 193-231. Frankfurt. Henkel, D. / Zemlin, U. (Hrsg.) (2008): Arbeitslosigkeit und Sucht. Ein Handbuch für Wissenschaft und Praxis. Frankfurt am Main. Hollederer, A. (2003). Arbeitslosigkeit und Alkohol: Für einen nüchternen Umgang mit Suchtkranken. IAB Materialien 1/2003. Hollederer, A. (2003): Arbeitslos – Gesundheit los – chancenlos? IAB Kurzbericht Nr. 4; Nürnberg. Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (2016): Externer Link: Aktuelle Daten und Indikatoren. Gesamtfiskalische Kosten der Arbeitslosigkeit im Jahr 2014 in Deutschland. Jahoda, M. (1983). Wieviel Arbeit braucht der Mensch? Weinheim/Basel. Jahoda, M. / Lazarsfeld, P. F. / Zeisel, H. (1975): Die Arbeitslosen von Marienthal. Ein soziographischer Versuch über die Wirkungen langandauernder Arbeitslosigkeit. Mit einem Anhang zur Geschichte der Soziographie; Frank/Main. Kaps, P. / Oschmiansky, F. / Ebach, M. / Popp, S. / Berthold, J. (2019): Was benötigen und wie gelingen Wiedereinstiege von exkludierten Personen in soziale und arbeitsmarktliche Zusammenhänge; Berlin. Kates, N. / Greif, B. S. / Hagen, D. Q. (1990): The psychosocial impact of job loss. Washington. Kieselbach, T. / Wacker, A. (Hrsg.). (1995): Bewältigung von Arbeitslosigkeit im sozialen Kontext. Programme, Initiativen, Evaluationen (2. Aufl.). Weinheim. Klein, G. / Strasser, H. (Hrsg.) (1997): Schwer vermittelbar. Zur Theorie und Empirie der Langzeitarbeitslosigkeit. Opladen. Kroll, L. E. / Müters, S. / Lampert, T. (2015): Arbeitslosigkeit und ihre Auswirkungen auf die Gesundheit Ein Überblick zum Forschungsstand und zu aktuellen Daten der Studien GEDA 2010 und GEDA 2012. Robert Koch-Institut Berlin. Berlin / Heidelberg. Lange, C. / Lampert, T. (2005): Die Gesundheit arbeitsloser Frauen und Männer. Erste Auswertungen des telefonischen Gesundheitssurveys 2003. In: Bundesgesundheitsblatt 11/2005; S. 1256-1264. Externer Link: Lebenslagen in Deutschland. Der 5. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung. Oschmiansky, F. / Popp, S. / Riedel-Heller, S. / Schwarzbach, M. / Gühne, U. / Kupka, P. (2017): Psychisch Kranke im SGB II: Situation und Betreuung. IAB-Forschungsbericht 14/2017; Nürnberg. Strittmatter, F. J. (1992): Langzeitarbeitslosigkeit im Wohlfahrtsstaat: zu ihren Auswirkungen auf soziale Systeme und den Verarbeitungsstilen der Betroffenen. (Beiträge zur Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, 157), Nürnberg. Winefield, H. (1995): Unemployment: its psychological costs. In: Cooper. C. L. / Robertson, I.T. (Hrsg.): International Review of Industrial and Organizational Psychology (Vol. 10, S. 169-212. Chichester: Wiley. Zempel, J. / Bacher, J. / Moser, K. (Hrsg.) (2001): Erwerbslosigkeit: Ursachen, Auswirkungen und Interventionen. (Psychologie sozialer Ungleichheit, 12), Opladen. Zick, A. / Klein, A. (2014): Fragile Mitte – Feindselige Zustände. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2014. Bonn.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2023-05-04T00:00:00
2020-02-24T00:00:00
2023-05-04T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/arbeit/arbeitsmarktpolitik/305686/folgen-der-arbeitslosigkeit/
Die Auswirkungen von Arbeitslosigkeit betreffen nicht nur die Arbeitslosen selbst, auch Angehörige können beeinträchtigt werden. Daneben ist Arbeitslosigkeit auch ein gesamtgesellschaftliches Problem.
[ "Arbeitslosigkeit", "Arbeitslosengeld", "Gesundheit", "Arbeitsuchende", "Überschuldung", "Armutsgrenze", "Gesamtfiskalische Kosten" ]
568
Zeitbild Nationalsozialismus | bpb.de
Die App ermöglicht den Zugang zu digitalen Inhalten – direkt aus dem gedruckten Buch heraus. Per Scan gelangen Sie zu insgesamt 125 weiteren Abbildungen, 75 Film- und Videosequenzen, 109 Audio-Dateien, 130 Sekundärtexten und Textdokumenten sowie 90 Links auf Websites und Webportale. Diese sind den Inhalten einer Doppelseite zugeordnet und ergänzen das Zeitbild "Nationalsozialismus" der Bundeszentrale für politische Bildung zum Hybrid-Buch. Die App kann nur in Verbindung mit dem gedruckten Buch verwendet werden. Sie haben das Zeitbild noch nicht vor sich liegen? Gleich Interner Link: hier bestellen. Externer Link: Zum Download der iOS-App im App-Store Externer Link: Zum Download der Android-App bei Google Play Interner Link: Android-App als APK-Datei herunterladen (35 MB), Stand 13.02.2023 Was sind APK-Dateien? Sogenannte Android-Package-Dateien, kurz APK-Dateien, ermöglichen es, Apps von Webseiten direkt herunterzuladen und zu installieren – ohne dafür einen App-Store z. B. von Google oder einem Gerätehersteller benutzen zu müssen. Anders als bei Android-Apps gibt es diese Möglichkeit für iOS-Apps zurzeit nicht. Warum bieten wir unsere Apps als APK-Dateien an? Bisher hat die bpb ihre Apps wie etwa den Wahl-O-Mat oder die Grundgesetz-App ausschließlich über die App-Stores der Betriebssystemhersteller angeboten. Für Nutzer/-innen, die diese App-Stores z. B. aus Datenschutzgründen nicht nutzen wollen, bieten wir deshalb den direkten Download unserer Android-Apps als datenschutzfreundliche Alternative an. Damit ermöglichen wir einen freien Zugang zu unseren Inhalten unabhängig von der Nutzung bestimmter Plattformen oder Anbieter. Bei der Installation erscheint eine Fehlermeldung. Wie kann ich die APK-Datei installieren? Es kann sein, dass Ihr Gerät oder Ihr Betriebssystem die Installation von Apps aus „unbekannten Quellen“ aus Sicherheitsgründen verweigert. Dann erhalten Sie eine Fehlermeldung. Um eine APK-Datei trotz Fehlermeldung installieren zu können, müssen Sie die Installation unbekannter Quellen erlauben. Machen Sie das nur, wenn Sie der Quelle der Datei vertrauen. Sie können diese Berechtigung jederzeit in den Einstellungen wieder rückgängig machen. Sogenannte Android-Package-Dateien, kurz APK-Dateien, ermöglichen es, Apps von Webseiten direkt herunterzuladen und zu installieren – ohne dafür einen App-Store z. B. von Google oder einem Gerätehersteller benutzen zu müssen. Anders als bei Android-Apps gibt es diese Möglichkeit für iOS-Apps zurzeit nicht. Warum bieten wir unsere Apps als APK-Dateien an? Bisher hat die bpb ihre Apps wie etwa den Wahl-O-Mat oder die Grundgesetz-App ausschließlich über die App-Stores der Betriebssystemhersteller angeboten. Für Nutzer/-innen, die diese App-Stores z. B. aus Datenschutzgründen nicht nutzen wollen, bieten wir deshalb den direkten Download unserer Android-Apps als datenschutzfreundliche Alternative an. Damit ermöglichen wir einen freien Zugang zu unseren Inhalten unabhängig von der Nutzung bestimmter Plattformen oder Anbieter. Bei der Installation erscheint eine Fehlermeldung. Wie kann ich die APK-Datei installieren? Es kann sein, dass Ihr Gerät oder Ihr Betriebssystem die Installation von Apps aus „unbekannten Quellen“ aus Sicherheitsgründen verweigert. Dann erhalten Sie eine Fehlermeldung. Um eine APK-Datei trotz Fehlermeldung installieren zu können, müssen Sie die Installation unbekannter Quellen erlauben. Machen Sie das nur, wenn Sie der Quelle der Datei vertrauen. Sie können diese Berechtigung jederzeit in den Einstellungen wieder rückgängig machen.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2023-02-24T00:00:00
2023-01-30T00:00:00
2023-02-24T00:00:00
https://www.bpb.de/shop/multimedia/mobil/517824/zeitbild-nationalsozialismus/
Für iOS und Android: mit der App direkt per Scan aus dem Zeitbild "Nationalsozialismus" zu vielen weiteren Fotos, Videos, Audios, Texten und Websites.
[ "Nationalsozialismus", "App", "mobile Angebote", "Android", "iTunes", "Windows Phone", "Download" ]
569
Editorial | Mobilität - Verkehrspolitik | bpb.de
Einleitung Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur und Wissenschaft sind ohne ein funktionierendes Verkehrssystem nicht denkbar. Von seiner Qualität hängt der erreichbare Grad individueller und gesellschaftlicher Mobilität ab, der seinerseits von großer Bedeutung für die Teilnahme an gesellschaftlichen, sozialen, ökonomischen, kulturellen und sonstigen Prozessen ist. Die moderne Gesellschaft ist eine mobile Gesellschaft, doch der Mobilität sind Grenzen gesetzt. Die immer länger werdenden Ansagen des Straßenverkehrsfunks sind nur ein Indikator dafür. Den elementaren Bedürfnissen in einer Gesellschaft nach Fortbewegung steht ein Verkehrsproblem gegenüber, für dessen Lösung in dieser Ausgabe verschiedene Ansätze vorgestellt werden. Ein funktionierendes Verkehrssystem unterliegt nicht nur Anforderungen der Wirtschaftlichkeit und Effizienz, sondern auch solchen einer dauerhaft umweltgerechten Entwicklung: der Nachhaltigkeit. Klaus J. Beckmann konfrontiert die bekannte und sich weiter zuspitzende Situation auf unseren Straßen, Schienen, Wasserwegen und in der Luft mit der Forderung nach einer dementsprechenden Verkehrsentwicklung. Dafür gelte das Leitziel der bedürfnisgerechten Mobilität mit weniger Verkehrsaufwänden und weniger Verkehrsauswirkungen. Der Autor entfaltet in seinem Beitrag, der den Aufgaben der Verkehrsplanung und des Verkehrsmanagements für die Zukunft gewidmet ist, einen ganzen Katalog von Gestaltungserfordernissen und -möglichkeiten einer nachhaltigen Verkehrspolitik. Die von Beckmann formulierten Anforderungen an eine umweltgerechte Verkehrspolitik basieren auf einem eher weit gefassten, beinahe alle Politikfelder betreffenden Begriff der Nachhaltigkeit. Den Ausführungen Robert Schnülls zur Mobilitätsplanung als Beitrag zur Nachhaltigkeit im Verkehrswesen liegt demgegenüber eine ausschließlich ressourcenbezogene Definition zugrunde. Schnüll versteht unter Nachhaltigkeit "verantwortliches Handeln, das von den natürlichen Ressourcen unseres Ökosystems nur so viel verbraucht, wie in natürlichen Regenerationsprozessen in der gleichen Zeit nachwächst". Damit sei ein absoluter Handlungszwang aller verantwortlichen Menschen begründet; Nachhaltigkeit in diesem Sinne habe einen dramatisch anderen Stellenwert als alle anderen Nachhaltigkeiten, die zwar vielleicht wünschenswert, aber für den Fortbestand unseres Ökosystems nicht zwingend erforderlich seien. Diese Argumentation führt den Autor zu anderen Ergebnissen. Unter die Gestaltungserfordernisse und -möglichkeiten einer nachhaltigen Verkehrspolitik fallen auch das so genannte Mobilitätsmanagement und die Mobilitätsberatung, denen sich Weert Canzler und Andreas Knie unter dem Stichwort "New Mobility" zuwenden. Die Argumentation der Autoren basiert auf einer Prüfung zentraler Aussagen - Gewissheiten - der kritischen Verkehrsforschung, mit negativem Ergebnis: Das erklärte Ziel der "Verkehrswende" - den Zwang zur Nutzung von Autos abzubauen und die Attraktivität der Verkehrsmittel des Umweltverbundes: Busse, Bahnen, das Fahrrad und die Füße, zu erhöhen - sei weder in erreichbare Nähe gerückt, noch finde es heute genügend Unterstützer. Vor diesem Hintergrund plädieren die Autoren dafür, die Bedürfnisse, Handlungsroutinen und gestiegenen Ansprüche der Menschen ernster zu nehmen. Es müsse zur Kenntnis genommen werden, dass zwischen Mobilität und Verkehr ein dialektisches Verhältnis bestehe. Die Formel "öffentlichen Verkehr privater - privaten Verkehr öffentlicher gestalten" mit seiner Keimform des Car-Sharing biete möglicherweise eine aussichtsreiche Perspektive.
Article
Katharina Belwe
2021-12-07T00:00:00
2011-10-04T00:00:00
2021-12-07T00:00:00
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/25350/editorial/
Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur und Wissenschaft sind ohne ein funktionierendes Verkehrssystem nicht denkbar. Von seiner Qualität hängt der erreichbare Grad individueller und gesellschaftlicher Mobilität ab.
[ "" ]
570
Dürre Zeiten in Südeuropa | Hitze, Dürre, Anpassung | bpb.de
In diesen trockenen Zeiten hat es der südfranzösische Hotelierverband schwer, positive Nachrichten zu verbreiten. In die Schlagzeilen schaffte es dann dieser Satz: "Wir werden genug Wasser für den Pastis und die Eiswürfel im Rosé haben." Diese etwas verzweifelt klingende Meldung der Tourismusbranche ist nur eine unter vielen. Schließlich leiden französische Regionen rund um die Pyrenäen an der spanischen Grenze und um die Seealpen an der italienischen Grenze unter extremer Dürre: Seit drei Jahren regnet es zu wenig, in einigen Gebieten gab es zuletzt im Herbst 2022 nennenswert Niederschlag. Die Nachrichten sind so frustrierend, dass die gesamte Tourismusbranche um ihre Sommersaison fürchtet – für ein beliebtes Reiseland wie Frankreich eine große wirtschaftliche Bedrohung. Für ihre außergewöhnliche klimatische Situation finden die Menschen in Frankreich inzwischen viele neue Worte: Erst erlebten sie eine "Winterdürre" – einen trockenen Januar und Februar, die üblicherweise regen- und schneereiche Monate sind. Es folgten "Frühlingsbrände", also flächendeckende Feuer, die sonst typischerweise erst im Hoch- und Spätsommer auftreten. Im Mai und Juni riefen einige Präfekturen dann die Zeit der "extremen Dürre" aus. Auch die Pariser Regierung schlägt inzwischen nahezu wöchentlich Alarm, hält Pressekonferenzen und Interviews zur Wassernot. "Wir werden einen noch trockeneren Sommer haben als 2022", warnt Umweltminister Christophe Béchu. Verantwortlich für die außergewöhnliche Dürre ist der über viele Monate fehlende Regen, ein Merkmal der Klimakrise. In vielen südlichen Regionen, aber auch in der Bretagne am Ärmelkanal, fiel in der ersten Jahreshälfte 2023 zwischen 30 und 40 Prozent weniger Niederschlag als im langjährigen Durchschnitt. In vielen Kommunen tröpfelte es zuletzt Mitte Januar. Auf einer Karte des Dürre-Informationsportals "Info Sécheresse" sind viele Regionen Südfrankreichs dunkelrot gefärbt – sie leiden unter einer "extremen Dürre", viele weitere unter einer "großen" oder "moderaten Dürre". Auch einige Regentage im Mai konnten an der grundsätzlichen Problematik wenig ändern: Sie haben zwar die Frühlingsblumen gerettet, waren aber viel zu wenige, um die Grundwasserspiegel wieder ausreichend anzuheben. Minister Béchu hat die Präfekte aufgefordert, den privaten Wasserkonsum "ohne zu zögern" einzuschränken. Schon im Sommer 2022 mussten etwa 500 Kommunen mit Tanklastwagen beliefert werden, anderen wurde in der Nacht das Wasser von den örtlichen Versorgern komplett abgedreht. Dass so viele betroffen waren, gab die französische Regierung allerdings erst im Frühjahr darauf bekannt. Denn bis dahin, so räumte es Béchu gegenüber der Zeitung "Le Monde" ein, hatte selbst in der Hauptstadt niemand einen Überblick darüber, wem und wo das lebenswichtige Gut fehlte. Tatsächlich tritt gerade in ganz Südeuropa ein, wovor Klimaforschende lange gewarnt haben: Ein Extremwetterereignis reiht sich an das nächste. Der bisher letzte große Niederschlag an der östlichen Mittelmeerküste war der Sturm Alex im Herbst 2020. Er ließ in wenigen Stunden in den Bergtälern bis zu 500 Millimeter Wasser niederprasseln, fast hundert Häuser wurden fortgerissen, mehr als zwei Dutzend Menschen starben. Seit diesem letzten Starkregenereignis trocknet die Region wieder Tag für Tag weiter aus. In umgekehrter Reihenfolge – aber genauso dramatisch – häufen sich die Wetterextreme in den Gebieten der italienischen Region Emilia-Romagna: Nach einer dramatischen Dürre, bei der selbst der wichtigste norditalienische Fluss, der Po, nur noch einem Rinnsal glich, fielen in 36 Stunden 500 Liter Regen pro Quadratmeter – das ist rund die Hälfte der jährlichen Menge. Auch in Bologna und Ravenna mussten 8.000 Menschen ihr Zuhause verlassen, Zehntausende waren ohne Strom, Dutzende Städte und Gemeinden überschwemmt, zahlreiche Orte meldeten Erdrutsche. Bilder von weggespülten Brücken gingen um die Welt. Die Folgen des Starkregens werden durch die Dürre noch verschärft: Harter, trockener Boden kann Niederschläge viel weniger aufnehmen als ein durchfeuchteter. So wird das Wasser wie auf Asphalt von den betonharten Feldern und Gärten gespült und lässt dadurch die Flüsse sehr viel schneller und höher ansteigen und Straßen zu reißenden Bächen anschwellen. Viele kleine Verbote und ein großer Wasserplan "Zum ersten Mal realisieren die französische Bevölkerung und auch die Regierung, dass es wirklich ernst ist mit der Klimakrise", sagt der Politikwissenschaftler und Klimaexperte François Gemenne. Man erlebe gerade einen "psychologischen Schock". Endlich könne über Klimaschutz und Vorsorge gesprochen werden. Die politischen Reaktionen auf die Wassernot seien dem Problem allerdings nicht angemessen. Zwar könne es kurzfristig pädagogisch sinnvoll sein, den privaten Wasserkonsum zu begrenzen. So wird für alle sichtbar, wie wertvoll und endlich diese Ressource ist. "Aber all diese Restriktionen haben nur einen geringen Effekt auf den Wasserhaushalt", sagt Gemenne. Und immer müsse man sich die Frage stellen, ob autoritäre Maßnahmen – auch wenn sie nur kurzfristig gelten – die Bürgerinnen und Bürger nicht langfristig abschrecken würden. Undenkbar sei etwa ein dauerhaftes Verbot, seinen Vorgarten zu gießen. "Wirklich entscheidende Wasserverbraucher in Frankreich sind Atomkraftwerke, Industrien und Landwirte – in diesen Branchen müssen wir strukturell etwas ändern", so Gemenne. Frankreich müsse außerdem dringend sogenanntes Grauwasser nutzen, also gering verschmutztes Wasser aus Duschen und Badewannen, der Küche und Waschmaschinen. Dessen Qualität reiche in der Regel aus, um Gärten und Felder zu bewässern. In der Landwirtschaft müsse diskutiert werden, ob Frankreich noch so viel Mais anbauen und Viehzucht betreiben solle wie bislang – beides koste extrem viel Wasser. Ebenso sollen private Haushalte im südöstlichen Département Var seit Frühsommer 2023 an allen "transportablen" Wasserbassins sparen, zu denen etwa auch Planschbecken gehören. Der Erfolg solch kleinteiliger Verbote ist allerdings fragwürdig. Denn kurz vor dem Beginn des Verkaufsverbots wurden Planschbecken zu niedrigen Preisen im Baumarkt verhökert – und die Leute griffen zu. Die Maßnahme ist auch deshalb umstritten, weil sie nur die günstigeren und meist kleineren Schwimmbecken betrifft, dauerhafte Pools aber weiter befüllt werden dürfen. Auch ein zweiter Erlass wird stark kritisiert: Hausbesitzer sollen ihre Blumen und Rasenflächen nicht mehr gießen – eine Maßnahme mit geringem Effekt, aber vielen negativen Folgen auch für Insekten und generell die Biodiversität in Wohnvierteln. Hinzu kommt, dass die Durchsetzung solcher Regeln aufwendig und tendenziell übergriffig ist: Manch südfranzösischer Bürgermeister denkt schon darüber nach, die Gärten seiner Kommune mit Drohnen zu überfliegen, um zu kontrollieren, ob die Wiesen verdächtig grün aussehen. Im südfranzösischen Fayence dürfen zudem keine privaten Pools mehr gebaut werden – in einer Region, in der in manchen Vierteln nahezu jedes Haus über einen verfügt: 90.000 private Schwimmbäder gibt es dort insgesamt. Andere Kommunen gehen noch weiter und haben beschlossen, für mindestens vier Jahre überhaupt keine neuen Baugenehmigungen mehr zu erteilen – nicht mal für Häuser oder Wohnungen. Ihr Argument: Bereits die bestehende Bevölkerung könne kaum noch ausreichend mit Wasser versorgt werden. Bislang aber beschließen die Präfekte und Regionalregierungen eher viele kleine Verbote für die Bürgerinnen und Bürger, anstatt strukturell etwas zu ändern und die großen Wasserkonsumenten – die Landwirtschaft und die Atomkraftwerkbetreiber – einzuschränken. Künftig soll sich dies nun laut Präsident Emmanuel Macron ändern. Er stellte Ende März 2023 am symbolträchtigen Lac de Serre-Ponçon, dem größten Stausee Frankreichs, den "Wasserplan" der Regierung vor. Macron sparte dabei nicht an eindringlichen Worten: "Wir hatten eine außergewöhnliche Dürre im vergangenen Sommer, mit 2000 Kommunen, die um ihr Trinkwasser fürchten oder es sogar nicht mehr zur Verfügung stellen konnten", sagte er. "Aber diese Dürre wird in Zukunft nicht außergewöhnlich sein – nichts deutet darauf hin, dass sich die Situation verbessern wird." Aufgrund der Klimakrise werde Frankreich im Jahr 2050 bis zu 40 Prozent weniger Wasser zur Verfügung stehen. "Daher müssen wir nun vorsorgen, allein schon, um über den nächsten Sommer zu kommen." Ähnlich, wie das Energiesparen im Winter gelungen sei, sollen nun wichtige Sektoren Wassersparpläne ausarbeiten. Alle großen Wasserverbraucher – eben vor allem die Landwirtschaft, die Atomkraftwerkbetreiber und private Haushalte – sollen zehn Prozent Wasser einsparen. Für Letztere formulierte der Staatschef die konkreteste Idee: Landesweit sollen Bürgerinnen und Bürger für die ersten Kubikmeter Wasser weniger zahlen – diese sollen jedoch ausreichen, um den Grundbedarf zu decken, also um zu trinken, zu kochen, zu duschen und Wäsche zu waschen. Für alle weiteren Verbräuche, die Macron als "Komfort-Konsum" bezeichnete, sollen höhere Tarife gelten. Dieses Modell wird in einigen Kommunen Frankreichs bereits erprobt, mit vielversprechenden Resultaten: Der Konsum ging mit den gestaffelten Tarifen meist deutlich zurück. "Es ist sehr positiv, dass Präsident Macron diesen Wasserplan selbst vorgestellt hat, um die Wichtigkeit zu unterstreichen", sagt Magali Reghezza, Geografin und Mitglied des Hohen Klimarates (Haut Conseil pour le climat, HCC) in Frankreich. Damit seien die Folgen der Klimakrise und kommende Wassernöte erstmals an höchster Stelle benannt worden. Allerdings vermisst Reghezza konkrete Vorgaben, wie denn nun tatsächlich Wasser eingespart werden solle. "Macron hat etwa nur vage davon gesprochen, wie die Landwirtschaft weniger konsumieren kann, dabei ist sie mit Abstand der größte Wassernutzer in Frankreich." Tatsächlich sprach Macron sogar davon, dass in Zukunft noch mehr Felder künstlich beregnet werden müssten als bislang. Das hat Folgen für die gesamte Europäische Union, denn Frankreich ist das größte Agrarland in Europa: Nirgendwo sonst wird so viel Getreide, Mais, Wein und Fleisch produziert. Die Landwirtschaft verbraucht knapp 60 Prozent des in Frankreich genutzten Wassers. Mit neuen Techniken, etwa der sparsamen Tröpfchenbewässerung, ließe sich der Konsum insgesamt zwar auf gleichem Niveau halten. Doch Reghezza ist das zu wenig ambitioniert: "Wir kommen mit kleinen Gesten und neuen Technologien allein nicht weiter", sagt sie. Es brauche ein durchgreifendes neues Modell, wie Nahrung angebaut werden kann. In der Landwirtschaft müssten andere Sorten genutzt werden, die Böden müssten bedeckt und damit besser vor Verdunstung geschützt und das vielversprechende Modell der Agroforstwirtschaft flächendeckend eingeführt werden: In diesem werden Bäume – etwa Walnuss- oder Apfelbäume – auf Feldern gepflanzt, spenden so Schatten und bringen zusätzliche Erträge. "Wir müssen größer denken – und die Transformation finanziell, juristisch und steuerlich ermöglichen." Um das Wasser zu schützen, müssten die Landwirtschaft und der Tourismus neu gedacht werden. (Keine) Diskussionen um Atomenergie und Megabassins Mit Blick auf den Wasserbedarf hat Frankreich aber ein noch größeres Problem als die Landwirtschaft: Der Staat ist wie weltweit kein zweites auf Atomkraft angewiesen. Rund 70 Prozent seines Stroms werden in Atomkraftwerken produziert. Das für sie verfügbare Flusswasser wird in der Klimakrise weniger werden, und das von den Kraftwerken erwärmte Wasser, das in die Flüsse zurückgeleitet wird, belastet bei Hitze die Ökosysteme zusätzlich. Fachleute gehen davon aus, dass die Rhône, der größte Fluss Südfrankreichs, an dem fünf Kernkraftwerke liegen, bis 2050 im Schnitt bis zu 40 Prozent weniger Wasser führen wird. "Wir müssen unsere Atomkraftwerke an diese Bedingungen anpassen und sie umbauen", sagte Macron dazu bei der Vorstellung des Wasserplans. Viele Experten bezweifeln jedoch, dass sich der Verbrauch der Kraftwerke leicht verringern lässt. Überdies gibt es Zweifel an der Entschlossenheit zur Umsetzung des Plans: So wurde kurz nach Macrons Rede ein Mitarbeiter des Umweltministeriums im Magazin "Le Point" mit den Worten zitiert, es sei kein Geld für mögliche Umbauten eingeplant – denn die Kosten wären "exorbitant und der Nutzen gering". Noch aber gibt es keinen Plan B, im Gegenteil: Als einziges Mitgliedsland hinkt Frankreich bei den EU-weiten Zielen für Erneuerbare Energien hinterher. Trotz einer sehr sonnenreichen Südhälfte und windigen Küstenzonen am Atlantik stammen nur etwa 20 Prozent des französischen Stroms aus Solar- und Windkraft, weniger als die Hälfte im Vergleich zu Deutschland. Ungeachtet der bereits eingetretenen und noch zu erwartenden Dürren sowie der hohen Kosten hält Frankreich an der Atomenergie fest – bis 2035 sollen sechs weitere Kraftwerke gebaut werden. Der immense Wasserbedarf von Atomkraftwerken wird in der französischen Öffentlichkeit allerdings kaum diskutiert. Viel Aufmerksamkeit hingegen erhalten örtliche Projekte für die Landwirtschaft wie die sogenannten Megabassins, die Bäuerinnen und Bauern in trockenen Sommern Wasser für ihre Felder zur Verfügung stellen sollen. Das Prinzip ist dabei wie folgt: Im Winter werden aus dem Grundwasser Hunderttausende Kubikmeter in einen künstlichen See hochgepumpt, aus dem im Sommer bewässert werden soll. Für die Agrarbranche – vor allem für die Fürsprecher der konventionellen Landwirtschaft – ist dies ein Weg aus der Krise. In den Augen vieler Umweltaktivisten und des Verbands der bäuerlichen Landwirtschaft hingegen würde diese Praxis eine rückwärtsgewandte Anbauweise zementieren, in der beispielsweise Felder ohne Bodenbedeckung austrocknen und wasserintensiver Mais zur Energiegewinnung genutzt wird. Auch der Agrarwissenschaftler Jean-François Soussana, der an mehreren Sachstandsberichten des Weltklimarats mitgewirkt hat, konstatierte in einer Parlamentsanhörung, dass es sich bei den Megabassins um eine "falsche Anpassung" handele. Der Expertin Reghezza zufolge gibt es zwar einen wissenschaftlichen Konsens darüber, dass Wasser in Zukunft gespeichert werden müsse. Die Bassins aber seien teuer, energieaufwendig und wenig ergiebig: Große Mengen des an die Oberfläche transportierten Grundwassers verdunsteten wieder. Zudem sei das Grundwasser ohnehin schon in einem schlechten Zustand und sollte nicht zusätzlich angezapft werden. "Die Lösung sind humusreiche, gesunde Böden, die Wasser aufnehmen können." Tatsächlich eskalierte der Konflikt um solche Megabassins bereits. In Sainte-Soline, einem 300-Seelen-Dorf östlich von Bordeaux, demonstrierten im März 2023 Tausende Menschen gegen das dortige Bassin-Projekt. Die Proteste endeten in Gewalt: Polizeiwagen brannten, Beamte feuerten Gummigeschosse ab, versprühten Tränengas und warfen Blendgranaten. Die unabhängige Beauftragte für die Verteidigung der Rechte (Défenseure des droits) Claire Hédon kritisierte den Einsatz der Sicherheitskräfte als unverhältnismäßig. Ein junger Umweltaktivist wachte erst Tage nach der Demonstration aus dem künstlichen Koma auf, ein weiterer schwebte auch Wochen später noch in Lebensgefahr. Grenzen der Anpassung Das Dürrethema ist in Frankreich buchstäblich so brennend, dass die Pariser Regierung in einem Punkt deutlich schneller voranschreitet als die meisten EU-Länder: Sie will noch 2023 einen Plan vorlegen, wie sich das Land auf künftig höhere Temperaturen und geringere Niederschläge und damit auch Dürren vorbereiten kann. An der Ausarbeitung können und sollen sich auch Bürgerinnen und Bürger beteiligen. Bei der öffentlichen Konsultation stehen Fragen wie diese zur Debatte: Rechnen Sie bis Ende des Jahrhunderts mit rund doppelt so vielen extremen Dürretagen – oder sogar mit fünfmal so vielen? Wird bis dahin nur ein bisschen weniger Schnee fallen, oder sogar ein Viertel weniger? In Rathäusern und auf der Internetseite des Umweltministeriums sollen sie angeben, ob sie sich auf eine um zwei Grad Celsius heißere Welt bis zum Jahr 2100 einstellen wollen – oder auf eine um vier Grad erwärmte. Damit geht die französische Regierung einen europaweit einmaligen Weg. Normalerweise bestimmen allein Regierungen über ihre Pläne zur Anpassung an die Klimakrise, und nur selten geben sie konkrete Zahlen vor, mit welchem Temperaturanstieg sie rechnen. Tatsächlich ist diese Einschätzung sehr politisch: Niemand kann heute auf die Kommazahl genau angeben, welche Temperaturerhöhung am wahrscheinlichsten ist. Regierungen können aber entscheiden, ob sie mit dem Schlimmsten rechnen wollen – oder mit optimistischeren Szenarien. Der französische Umweltminister Béchu scheint sich schon vor der aktuellen Befragung festgelegt zu haben: Frankreich müsse mit einer vier Grad höheren Temperatur rechnen, schrieb er in einem Dossier über die Klimaanpassung. Nur so könne das Land widerstandsfähig bleiben und sich "so nah wie möglich an den Realitäten vor Ort" orientieren. Mit der Befragung will sich die Regierung offenbar den Rückhalt ihrer Bevölkerung sichern. Denn einige der in Zukunft notwendigen Entscheidungen für ein Leben mit dem Klimawandel könnten ungemütlich werden – und vor allem viel kosten. "Grundsätzlich ist eine Vorbereitung auf höhere Temperaturen, die mehr Hitzetage, Überschwemmungen und Dürren mit sich bringen, natürlich sinnvoll", sagt Inke Schauser, Expertin für Klimafolgen und Anpassung beim Umweltbundesamt (UBA). Es gebe aber keine Gratisanpassung. Jede Veränderung koste etwas. Zwar würden viele Menschen grünere Städte mit kühlendem Effekt begrüßen, aber auch da gebe es Nachteile: etwa die Kosten für die Entsiegelung und Begrünung oder die Flächenkonkurrenz zu Geschäften, Wohnungen oder Parkplätzen. "Deswegen sind konkrete Zahlen in den Anpassungsplänen auch eine heikle politische Entscheidung, eben weil sie so viel Investitionen und Überzeugungsarbeit nach sich ziehen." Deutschland hat im Übrigen bislang keine genauen Angaben dazu gemacht, auf welche Erwärmung genau sich das Land vorbereiten will – weder in den bisher drei "Aktionsplänen Anpassung" noch in der 2008 beschlossenen Anpassungsstrategie der Bundesregierung findet sich eine konkrete Zahl. Die Zahl von vier Grad, die Béchu angibt, ist übrigens nicht dieselbe wie die der durchschnittlichen globalen Erwärmung, von der in den Berichten des Weltklimarats die Rede ist. Denn Landmasse erwärmt sich schneller als das Meer – der globale Temperaturanstieg ist immer ein Mittel aus beidem und daher niedriger als das, was auf den Kontinenten zu erwarten ist. Auf dem Land wiederum erhitzen sich die Berge stärker als das Flachland. So ist auch die französische Prognose landesweit zu verstehen: Das französische Umweltministerium geht von vier Grad für Frankreich aus, das entspricht einem globalen Mittel von etwa drei Grad. Doch ob global drei oder national vier Grad – beides liegt weit über dem Ziel des Pariser Klimaabkommens, die Erderhitzung deutlich unter zwei Grad zu halten. Hat sich die französische Regierung etwa damit abgefunden, dass das 2015 in der eigenen Hauptstadt unterschriebene Abkommen nicht eingehalten wird? Minister Béchu behauptet: "Wir kämpfen weiter für den Pariser Vertrag." Aber die Politik "aller Staaten der Erde" müsste sich noch grundsätzlich wandeln, um ihn einzuhalten. Der Initiative Climate Action Tracker zufolge hat bislang tatsächlich kein einziges Industrieland einen Plan vorgelegt, der geeignet wäre, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Selbst wenn alle bestehenden Klimaschutzpläne umgesetzt würden, steuere die Welt auf eine Erhitzung zwischen 2,4 und 2,8 Grad zu. Jedoch sei es "sehr wichtig, bei diesen Diskussionen nicht Anpassung gegen Klimaschutz auszuspielen", sagt UBA-Expertin Schauser. Oder, anders ausgedrückt: Sich anpassen zu wollen, solle nicht heißen, Klimaschutz weniger ernst zu nehmen. Die Menschheit könne sich ohnehin nicht auf alles vorbereiten, und viele Tier- und Pflanzenarten erst recht nicht – es gebe Grenzen der Anpassung: Auch begrünte Städte helfen nur bis zu bestimmten Hitzeextremen. Treibhausgase zu reduzieren, sei auch bei umfassender Anpassung unerlässlich. Sicher ist: Wer versucht, sich an starke klimatische Veränderungen anzupassen, muss viel Geld ausgeben. Böden zu entsiegeln und Flüsse zu renaturieren, damit diese Starkregen besser aufnehmen können, Wohnviertel an der Küste umzusiedeln, weil das Meer ansteigt – all dies erfordert milliardenschwere Investitionen. … Und dann noch die Gäste Während es in Südeuropa immer trockener und zunehmend über Anpassungsmaßnahmen diskutiert wird, bleiben die austrocknenden Regionen beliebte Urlaubsziele: Auch in diesem und in den folgenden Jahren werden die Côte-d’Azur, Südspanien und viele Teile Italiens in den Sommermonaten wieder einen Großteil der innereuropäischen Urlauber empfangen. Entsprechend ist nicht nur der Wasserverbrauch von Land- und Energiewirtschaft zu diskutieren, sondern auch die Frage, wieviel Wasser die Tourismusbranche nutzen darf, wird immer relevanter. Der hohe Wasserverbrauch der Gäste ist dabei abzuwägen gegen die wirtschaftliche Relevanz, die der Tourismus für diese Regionen hat. Wenig überraschend zeigt der Vize-Vorsitzende des Hotelierverbandes der Region Côte-d’Azur, Eric Abihssira, Verständnis für den hohen Wasserverbrauch der Touristen: In einem Fernsehinterview im April 2023 sagte er wörtlich, dass sich "die Einheimischen bescheiden" sollten – die Hotels könnten keine Zugeständnisse von ihren Gästen verlangen, etwa kürzer zu duschen. Das würde ein "angstvolles Klima" schaffen, das nicht gut für den Tourismus sei. Mit dieser Äußerung machte er sich zwar bei Umweltverbänden unbeliebt, die ihn dafür kritisierten, einen letztlich verschwenderischen Konsum gutzuheißen. Aber Abihssira traf mit seinem Vorstoß den Kern eines Konfliktes, der Südeuropa – und viele weitere europäische Staaten – früher oder später ereilen wird: Der Konflikt um die Verteilung von Wasser. Wer hat Vorrang, wenn das wertvolle Gut knapp wird? Die Industrie, die Landwirte, die Tourismusbranche, die Bürgerinnen und Bürger? Diese Frage hat bislang noch kein Land Europas eindeutig beantworten können. Teile dieses Textes basieren auf: Annika Joeres, Ein bisschen Wasser für Tomaten, ein bisschen für Atomkraft, 22.4.2023, Externer Link: http://www.zeit.de/wissen/umwelt/2023-04/frankreich-duerre-wassermangel-strategie. Quelle Zitat: Nicolas Bonzom, Sécheresse dans les Pyrénées-Orientales: "Il y aura de l’eau pour le pastis", assurent les restaurateurs et hôteliers, 3.6.2023, Externer Link: http://www.20minutes.fr/societe/4039497-20230603. Marianne Enault, Le ministre Christophe Béchu sur la sécheresse: "Il faut faire dès à présent des économies d’eau", 25.2.2023, Externer Link: http://www.lejdd.fr/politique/le-ministre-christophe-bechu-sur-la-secheresse-il-faut-faire-des-present-des-economies-deau-133055. Vgl. Météo France, 2022, année la plus chaude en France, 23.1.2023, Externer Link: https://meteofrance.com/actualites-et-dossiers/actualites/2022-annee-la-plus-chaude-en-france. Siehe Externer Link: https://info-secheresse.fr/department/indicator/resources. Vgl. Martine Valo, Sécheresse: le gouvernement donne l’alerte mais ne prend pas encore les mesures qui fâchent, 28.2.2023, Externer Link: http://www.lemonde.fr/planete/article/2023/02/28/secheresse-le-gouvernement-sonne-l-alerte-mais-ne-prend-pas-encore-les-mesures-qui-fachent_6163562_3244.html. Siehe etwa Externer Link: https://twitter.com/localteamtv/status/1658794865013014531. François Gemenne im Interview mit der Autorin, 13.5.2023. Élysée, Présentation du Plan eau, 30.3.2023, Externer Link: http://www.elysee.fr/emmanuel-macron/2023/03/30/presentation-du-plan-eau. Magali Reghezza im Interview mit der Autorin, 3.4.2023. Élysée (Anm. 8). Géraldine Woessner, "Plan eau": la bourde embarrassante d’Emmanuel Macron sur le nucléaire, 4.4.2023, Externer Link: http://www.lepoint.fr/-04-04-2023-2514786_23.php. Commission du développement durable, Présentation, par des représentants du Haut Conseil pour le climat (HCC), du rapport annuel de cette instance, 13.7.2022, Externer Link: https://videos.assemblee-nationale.fr/video.12048792_62ce71ac41b86. Reghezza (Anm. 9). Vgl. Abel Mestre, Claire Hédon, Défenseure des droits: "Il va bien falloir une désescalade de la violence. C’est de la responsabilité de l’Etat", 28.3.2023, Externer Link: http://www.lemonde.fr/politique/article/2023/03/28/claire-hedon-defenseure-des-droits-on-ne-peut-pas-rester-dans-cette-situation-de-tensions_6167226_823448.html; Mélanie Philips, Sainte-Soline: Serge, le Toulousain gravement blessé, prend la parole pour la première fois après sa sortie du coma, 18.6.2023, Externer Link: https://france3-regions.francetvinfo.fr/occitanie/-2797990.html. Siehe die Internetseite des Umweltministeriums mit der öffentlichen Befragung: Externer Link: http://www.ecologie.gouv.fr/trajectoire-rechauffement-reference-ouverture-consultation-publique Christophe Béchu, Édito, in: Ministère de la Transition écologique et de la Cohésion des territoires, La trajectoire de réchauffement pour l’adaptation au changement climatique (TRACC), 23.5.2023, S. 2, Externer Link: http://www.ecologie.gouv.fr/sites/default/files/DP_TRACC.pdf. Inke Schauser im Interview mit der Autorin, 24.5.2023.. Béchu (Anm. 16). Vgl. Sophie Boehm et al., State of Climate Action 2022, Oktober 2022, Externer Link: https://climateactiontracker.org/documents/1083/2022-10-26_StateOfClimateAction2022_kR0sbBZ.pdf. Schauser (Anm. 17). Alpes-Maritimes: le secteur du tourisme confronté à la sécheresse, 24.4.2023, Externer Link: http://www.bfmtv.com/cote-d-azur/replay-emissions/VN-202304240237.html.
Article
Joeres, Annika
2023-07-07T00:00:00
2023-07-05T00:00:00
2023-07-07T00:00:00
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/hitze-duerre-anpassung-2023/522827/duerre-zeiten-in-suedeuropa/
Wasser wird in Frankreich zum knappen Gut. Entsprechend werden Anpassungsstrategien diskutiert. Zugleich spitzen sich Verteilungsfragen zu. Wer hat Vorrang: Landwirtschaft, Energie, Tourismus?
[ "Klima", "Klimawandel", "Dürre", "Wasser", "Frankreich" ]
571
Irish Migration Policy Development | Ireland | bpb.de
The recent immigration increase seen in Ireland has been driven mainly by workers moving to Ireland to fill labour shortages and many of the policy developments relate to labour migration. Policy developments in relation to asylum, citizenship and general immigration are also discussed below. Labour Migration Policy All nationals of the European Economic Area (EEA) may migrate to Ireland to take up work without restriction. Managed labour migration policy refers therefore to workers from outside this area. Ruhs characterises the Irish work permit system prior to 2003 as laissez-faire as it was almost entirely employer-led with little government intervention. Work permit allocations 1998-2008 (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/2.0/de Als JPG herunterladen (48.5kB) The number of work permits issued to non-EEA nationals increased dramatically from 6.262 in 1999 to 47.551 in 2003, a more than seven-fold increase (see figure). Most of these permits were issued in low-skilled occupations in sectors such as catering, other services and agriculture. In 2000 a work visa and work authorisation programme was introduced to facilitate the recruitment of highly-skilled non-EU nationals in the areas of information and computing technologies, construction professionals, and a broad range of medical, health and social care professions. As the number of immigrants coming to Ireland increased the government sought to exercise more control of work permit allocations. From January 2002 employers were required to prove that they could not source workers in Ireland before applying for a permit, previously the requirement was voluntary. April 2003 saw an important step towards a more interventionist labour migration policy with the passing of the Employment Permits Act 2003 which put the employment permits system on a statutory footing for the first time. The Act was principally intended to manage the access of nationals from the new EU accession states to the Irish labour market in May 2004 by making provision for the introduction of a work permit for these nationals, should the labour market experience a disturbance. At the same time that Ireland was opening up to EU workers, conditions were made more restrictive for Non-EU nationals. The government had begun to pursue a policy of sourcing all but highly-skilled and/or scarce labour from within the EEA. The effect of this policy is evident in the drop in work permits issued post-2004. The 2004 EU enlargement marked the start of a period of unprecedented rates of immigration to Ireland. Apart from Ireland, only the UK and Sweden granted accession state nationals unrestricted access to their labour markets immediately upon EU enlargement, all other member states imposed restrictions. Nationals from the new member states have had unlimited access to the Irish labour market since May 2004. However, Irish welfare laws were changed prior to enlargement to make payments conditional on habitual residency in the state. Nationality breakdown of Immigration Flows 1998-2008 (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/2.0/de Nationals from the ten new member states, most significantly from Poland, dominated these flows, comprising over 40 per cent of total immigrants from 2005 onwards (see figure left). Partly in response to the magnitude of the flow, the Irish government sought to exercise increasing control over non-EEA labour migration. In January 2007 a new employment permit system was introduced with the objective of further restricting lower-skilled work permit allocations while attempting to increase Ireland´s attractiveness to highly-skilled non-EEA workers. There are three main elements to the scheme: A type of "Green Card" for any position with an annual salary of € 60.000 or more in any sector, or for a restricted list of occupations in healthcare, information technology, financial and industry sectors, where skill shortages have been identified, with an annual salary range from € 30.000 to € 59.999.A work permit scheme for a very restricted list of occupations with an annual salary up to € 30.000, where the shortage is one of labour rather than skills. Work permits are now most usually issued in the catering, medical and nursing and other services sectors.An Intra-Company Transfer scheme for temporary trans-national management transfers. In 2008 the immigration rate slowed in response to economic contraction but large numbers of new EU nationals continued to migrate to Ireland (about 34 000 between April 2007 and April 2008). In the context of the current economic downturn policy has emerged to further manage lower skilled labour migration. It is significant that Ireland chose to maintain a work permit requirement for Romanian and Bulgarian nationals following their accession to the EU in 2006. In addition June 2009 saw a further tightening of the work permit system. No new work permits are issued for jobs with a salary of under € 30.000. The period for advertising the job within the EEA before applying for a work permit was extended and spouses and dependents of work permit holders are no longer exempt from this labour market needs test. Asylum-Related Policy Number of new asylum applications 1992-2008 (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/2.0/de Als JPG herunterladen (40.8kB) The number of asylum applications made in Ireland was very low prior to the mid 1990s: just 39 applications were made in 1992. In 2000 the number of applicants was almost 11.000, having increased more than nine-fold from 1.200 in 1996. The flow peaked in 2002 at 11.600 (see figure). The scale of these increases took Ireland by surprise and policy-makers struggled to cope with the flows, constructing an entire asylum system in the context of rapidly increasing demand. Starting in 2002, the number of asylum seekers declined and has been holding relatively steady at approximately 4.000-5.000 per year since 2005. The breakdown of asylum applicants by nationality is shown below in the table. The flows have been dominated over the years by Nigerian and Romanian nationals although the number of applications from Romanian nationals has fallen off since the country's accession to the EU in 2006. Applications for Asylum by Nationality 2004 and 2008 2004 2008 Country Number of Applications Country Number of Applications Nigeria1.778Nigeria1.009 Romania286Pakistan237 Somalia200Iraq203 China152Georgia181 Sudan143China180 Other2.207Other2.056 Total 4.766 Total 3.866 Source: Office of the Refugee Applications Commissioner As the discussion above showed, both the number of new asylum applications and the numbers of non-EEA immigrants peaked around 2002. The former flow grew particularly suddenly from a very low base and this resulted in problems as the necessary structures for processing asylum applications were hastily put in place. The Refugee Act 1996, which was commenced in 2000, established the Refugee Applications Commissioner (ORAC) as a statutorily independent body that considers asylum applications at first instance. The ORAC is also responsible for investigating family reunification applications made by refugees. The ORAC reports its recommendations to the Minister for Justice, Equality and Law Reform who issues final decisions. The Refugee Appeals Tribunal was also established under this Act and hears appeals of negative asylum decisions. The Immigration, Residence and Protection Bill 2008 is due to be enacted in 2010. If enacted this Bill would also introduce a single protection determination procedure meaning that all protection claims, including claims for both asylum and subsidiary protection, would be examined under a single procedure. Applicants would be required to set out all of the grounds on which they wish to remain in the State at the outset of their claim, and all of these matters would be examined together. General Immigration Policy During the latter part of the 1990s and early 2000s the government placed a deliberate emphasis on addressing the asylum situation first and developments in the immigration area have been put on the back burner. Policies on other migration flows are not well-developed in Ireland. With the exception of recognised refugees, non-EU migrants may apply for family reunification under an administrative scheme only, with a resulting lack of transparency in decision-making. Non-Governmental Organisations working with migrants in Ireland have called for the introduction of a statutory family reunification scheme with a transparent appeals mechanism. In relation to international students Ireland has adopted a relatively liberal approach allowing non-EEA students to come to work without a work permit for up to 20 hours per week during term time and full time during holidays. There are signs however that this system is being misused and restrictions have recently been introduced – discussed in relation to irregular migration below. Legislative instruments have been introduced in a somewhat piecemeal manner to address specific issues as they arise. Even now most immigration-related services remain on an administrative rather than a legislative basis. Irish immigration policy is strongly influenced by the Common Travel Area shared with the UK. Unlike the other 25 EU member states Ireland and the UK are not "Schengen states" and have chosen to maintain border controls with the rest of the EU. Only Ireland, the UK and Denmark may opt out of EU legal instruments on immigration and asylum. While Ireland has participated in a number of significant asylum-related instruments, this is not the case regarding immigration-related measures. If enacted, the Immigration, Residence and Protection Bill 2008 will put much of Irish immigration policy on a statutory basis for the first time. The capacity of the State to manage immigration is diminished in the context of large-scale EU immigration. As discussed above, non-EEA labour immigration is now quite restricted and it is likely that this is a trend that will continue as Ireland continues to seek to meet lower-skilled labour needs from within the enlarged EU while attempting to attract only highly-skilled workers from the rest of the world. Citizenship Policy There have been very significant policy developments in relation to non-Irish nationals and Irish citizenship in recent years. Like the United States and unlike any other European state, Ireland granted citizenship to anybody born on the territory (the jus soli principle) until 2005. In practice the non-Irish parents of Irish-born children could then apply for residency based on the Irish citizenship of their child. This led to concerns that non-Irish nationals, particularly asylum applicants, were travelling to Ireland and having children in order to gain that status. After a referendum in 2004 and a subsequent Constitutional amendment, changes in citizenship provisions were enacted which meant that any person born in Ireland after 1 January 2005 to non-Irish parents will not be automatically entitled to be an Irish citizen unless one of the parents was lawfully resident in Ireland for at least three out of the four years preceding the child's birth. Periods spent in Ireland as an asylum applicant or student are not considered. Many non-Irish national parents who had applied for residency on the basis of their Irish child had their claims suspended in 2003. In January 2005 the Department of Justice, Equality and Law Reform invited these families to apply to remain in Ireland under the Irish-Born Child 2005 Scheme (IBC/05). Almost 18.000 applications were submitted under the Scheme and of these almost 16.700 were approved. Renewal arrangements have been put in place and after five years of legal residence the families concerned will be able to apply for citizenship. All foreign nationals in Ireland may apply to become Irish citizens through naturalisation. Among various other requirements applicants must be able to show that they have had a period of 1 year's continuous residence in the State immediately before the date of application and, during the 8 years preceding that, have had a total residence in the State amounting to 4 years. (Altogether they must have 5 years' residence out of the previous 9 years.) The Minister for Justice, Equality and Law Reform has absolute discretion as to whether or not to grant naturalisation and there are significant backlogs in the system – on average an application takes 23 months to be decided upon. If a foreign national is married to an Irish citizen they may apply for Irish citizenship through naturalisation. The residence requirements are less stringent for the spouses of Irish citizens but there is no longer an absolute entitlement to Irish citizenship through marriage. Work permit allocations 1998-2008 (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/2.0/de Als JPG herunterladen (48.5kB) Nationality breakdown of Immigration Flows 1998-2008 (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/2.0/de Number of new asylum applications 1992-2008 (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/2.0/de Als JPG herunterladen (40.8kB) The EEA comprises the EU plus Norway, Iceland, and Liechtenstein. See Ruhs (2005). See Immigrant Council of Ireland (2008) and Cosgrave (2006). The Common Travel Area (CTA) arrangement with the UK also includes the Channel Islands and the Isle of Man. Irish asylum law is currently based on the 1996 Refugee Act as amended, and S.I. No. 518 of 2006 which seeks to implement EU Directive 2004/83/EC ("The Qualification Directive"). Other significant EU instruments impacting on Irish asylum law are Directive 2001/55/EC ("The Temporary Protection Directive"), Regulation (EC) No. 343/2003 ("The Dublin Regulation"), Directive 2005/85/EC ("The Procedures Directive") and Regulation (EC) No. 2725/2000 (EURODAC), each of which Ireland has opted into.
Article
Emma Quinn
2022-01-20T00:00:00
2012-01-25T00:00:00
2022-01-20T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/migration-integration/laenderprofile/english-version-country-profiles/58383/irish-migration-policy-development/
Most of the existing Irish migration policy has been developed in the last two decades. The recent immigration increase seen in Ireland has been driven mainly by workers moving to Ireland to fill labour shortages and many of the policy developments.
[ "Ireland", "Irland", "Migrationspolitik", "Migrationsentwicklung", "Immigrationspolitik" ]
572
Geschlechtliche Aufgabenteilung im Zeitverlauf | Datenreport 2021 | bpb.de
Mit der Zustimmung zur Aussage "Die Aufgabe des Ehemannes ist es, Geld zu verdienen, die der Ehefrau, sich um Haushalt und Familie zu kümmern" wird die geschlechtliche Arbeitsteilung gemessen, also wie die Familien- und Erwerbsarbeit zwischen Frau und Mann aus Sicht der Befragten verteilt werden soll. Anhand der Zustimmung zu dieser Aussage lässt sich über die vergangenen Jahrzehnte nachzeichnen, wie sich in Deutschland schrittweise auf Gleichstellung zielende Denkweisen ausgebreitet haben. Im Folgenden werden die Zustimmung und Ablehnung hinsichtlich eines klassischen, tradierten Rollenverständnisses dargestellt. Egalitäre Einstellung bedeutet, dass nicht nach den Geschlechtern differenziert wird, sondern eine gleichberechtigte Aufgabenteilung angestrebt wird. Ein traditionelles Rollenverständnis hingegen meint eine ungleiche, komplementäre Verteilung von Familien- und Erwerbsarbeit: Die Frau soll primär zu Hause sein und sich um Haushalt und Kindern kümmern, während der Mann vor allem für das Einkommen der Familie sorgt und sich daher auch weniger zu Hause einbringt. Die Berufskarriere der Frau hat in diesem tradierten Rollenverständnis eine untergeordnete Rolle. In Tabelle 1 zeigt sich eine starke Veränderung: Seit 1991 hat sich das traditionelle Rollenverständnis stark reduziert, die Zustimmung ("stimme voll zu" und "stimme eher zu") sank von 28 % im Jahr 1991 auf 11 % im Jahr 2018. Während in den 1990er-Jahren, etwa im Jahr 1994, immerhin noch fast ein Drittel der Bevölkerung traditionelle Denkmuster aufwies, ist dieser Anteil zu Beginn des neuen Jahrtausends auf rund ein Fünftel gefallen (2002: 21 %) und bis 2018 auf gut ein Zehntel gesunken. Im Jahr 2018 vertrat die Hälfte der Bevölkerung eine uneingeschränkt egalitäre Sicht auf die Rollenverteilung ("stimme gar nicht zu": 48 %); 1991 war dieser Anteil mit lediglich einem Fünftel (22 %) noch deutlich geringer. Fasst man die beiden Ablehnungskategorien zusammen, zeigt sich ein Anstieg von 55 % (1991) auf 72 % (2018).
Article
Sabine Diabaté
2021-06-23T00:00:00
2021-03-26T00:00:00
2021-06-23T00:00:00
https://www.bpb.de/kurz-knapp/zahlen-und-fakten/datenreport-2021/werte-und-einstellungen/330293/geschlechtliche-aufgabenteilung-im-zeitverlauf/
Mit der Zustimmung zur Aussage "Die Aufgabe des Ehemannes ist es, Geld zu verdienen, die der Ehefrau, sich um Haushalt und Familie zu kümmern" wird die geschlechtliche Arbeitsteilung gemessen, also wie die Familien- und Erwerbsarbeit zwischen Frau un
[ "Datenreport", "Werte", "Einstellungen", "Rollenvorstellungen", "geschlechtliche Arbeitsteilung", "geschlechtliche Aufgabenteilung" ]
573
Ella Ponizovsky Bergelson: Künstlerin und Schöpferin der hybriden Kalligrafie | Deutschland Archiv | bpb.de
Israel in Berlin Sharon Adler: Du bist 1984 in Moskau geboren, mit deiner Familie 1991 nach Israel eingewandert und lebst und arbeitest seit 2016 in Berlin. Warum bist du gerade nach Berlin gegangen? Ella Ponizovsky Bergelson: Tatsächlich zog ich schon 2008 das erste Mal nach Berlin, kurz nach dem Abschluss meines Studiums an der Bezalel Academy of Art and Design in Jerusalem. Ich fühlte mich von der alternativen Lebensart und der finanziellen Erschwinglichkeit der Stadt (im Vergleich zu Israel, Anm. d. Red.) angezogen. Außerdem reizte es mich, die Orte zu erkunden, an denen mein Großvater aufgewachsen ist, und mich ihnen wieder anzunähern. Aber ich war damals noch zu jung und noch nicht dafür bereit, deshalb kehrte ich bald zurück nach Tel Aviv, wo ich acht produktive Jahre verbracht habe. In dieser Zeit kam ich aber fast jedes Jahr im Sommer jeweils für die Dauer von zwei bis drei Monaten nach Berlin, wo ich in verschiedene Kulturprojekte involviert war. Sharon Adler: Wann und warum hast du dich entschieden, von Israel nach Berlin zu gehen? Würdest du Berlin als „das Land, wo Milch und Honig fließt", als „Schlaraffenland”, bezeichnen, vor allem für Künstler:innen? Ella Ponizovsky Bergelson: Trotz meiner Liebe zu Israel und zu den Israelis das Land war einfach zu klein für mich. 2015 traf ich die Entscheidung, wieder nach Berlin zurück zu ziehen, da die Lage in Israel immer schwieriger wurde – damit meine ich die Rassen- und Geschlechterungleichheit, den Rassismus, die politische Korruption und die wachsende Macht der Rechten. Als ich auf die 30 zuging, wurde das Leben in Israel für mich unerträglich, und Berlin war die offensichtliche Alternative. Hier konnte ich mir eine Zukunft für mich als nonkonformistische Frau vorstellen, die sich schon früh für eine alternative Lebensweise entschieden hat, die nicht die Gründung einer klassischen Kleinfamilie und einen Nine-to-Five-Job bedeutet. Berlin ist, im Vergleich zu anderen großen Metropolen, „das Schlaraffenland”, nicht unbedingt nur für Künstler:innen, sondern für alle, die aus einem konformistischen kapitalistischen System aussteigen wollen. Sharon Adler: Was inspiriert dich in Berlin, was macht die Stadt für dich faszinierend und herausfordernd – als Künstlerin und in deinem Alltag (wenn es da überhaupt einen Unterschied gibt)? Ella Ponizovsky Bergelson: Die größte Inspiration ist Berlins bunte, multikulturelle Gesellschaft. Man kann hier Menschen aus fast allen Teilen der Welt begegnen, was zu einem fruchtbaren gegenseitigen Austausch auf allen Ebenen führt. Die Herausforderung ist die deutsche kulturelle Identität: Ein gestörtes Verständnis von Gemeinschaft, Solidarität wird nicht als ein verinnerlichtes Konzept von Gemeinsinn verstanden, anstatt dessen wird alles bürokratisch kontrolliert, und es gibt einen tiefsitzenden Rassismus. In den letzten Jahrzehnten war das deutsche System vor allem damit beschäftigt, seinen Namen in den Augen der Welt reinzuwaschen, um sich seiner kollektiven Schuld zu entledigen. Deutschland will als ein Musterbeispiel für Veränderung, für „Tikkun” und für emanzipatorische Prozesse gesehen werden. Doch in Wirklichkeit ist die wesentliche Korrektur, die hier vorgenommen wurde, die Reinwaschung des öffentlichen Images. Das egoistische und narzisstische Muster ist tief eingegraben und weit davon entfernt, wirklich anders zu sein. Diese Meinung habe ich mir erst gebildet, nachdem ich das Leben hier hautnah miterlebt habe, und aus meinen eigenen, sehr persönlichen Erfahrungen in persönlichen Beziehungen wie aus der Beobachtung politischer Entwicklungen und Ereignisse. Sharon Adler: Siehst du dich als Teil einer israelischen „Blase” von Künstler:innen in Berlin? Ella Ponizovsky Bergelson: Ich habe nur einmal an einer Gruppenausstellung mit anderen israelischen Künstler:innen in Berlin teilgenommen. Ich sehe mich als ein „Hybrid” und nicht als israelische Künstlerin. Ich bin weder Teil der israelischen Kunstszene noch irgendeiner anderen Kunstszene. Gesellschaftlich könnte ich vielleicht, wenn überhaupt als einer Szene zugehörig, als Teil der Musikszene bezeichnet werden. Das liegt daran, dass ich mein ganzes Erwachsenenleben lang involviert war, an Musikveranstaltungen teilzunehmen und sie zu organisieren. Sharon Adler: Ist es dir unangenehm, wenn du, zum Beispiel in Medien, als „israelische Künstlerin” bezeichnet wirst? Wenn ja, warum? Wurdest du schon mit Klischeebildern konfrontiert? Das Equipment der Künstlerin Ella Ponizovsky Bergelson Ella Ponizovsky Bergelson: Ich fühle mich dabei unwohl, überhaupt in irgendeine Kategorie eingeordnet zu werden, da ich mich weder mit dieser Nationalität, noch mit einem der Orte, aus denen ich oder meine Familie stammen, vollständig identifiziere. Es ist mir definitiv unangenehmer, in Medien als russische Künstlerin bezeichnet zu werden. Obwohl meine Eltern und ich in Russland geboren wurden, würde ich sagen, dass der israelische Teil meiner Persönlichkeit der dominierende ist. Meine Auseinandersetzungen mit Klischees gibt es immer dann, wenn ich bemerke, dass ich als israelisches/jüdisches „Haustier” benutzt werde wenn Menschen unsere persönlichen Beziehungen oder meine Kunst missbrauchen, um sich ihrer eigenen Rassismusprobleme zu entledigen. Migration und Integration Sharon Adler: Migration und Integration bestimmt einen großen Teil deiner Arbeit und spielt auch in deinem persönlichen Leben eine große Rolle. In deiner Arbeit beschäftigst du dich mit diesen Themen durch die Visualisierung von Sprache und trägst sie in den öffentlichen Raum. Was sind die größten Herausforderungen, was ist dein Motor, deine Motivation? Ella Ponizovsky Bergelson: Ich habe an vielen Orten auf der Welt gearbeitet. Die Herausforderungen sind überall unterschiedlich. Die Herausforderung in Deutschland ist das schwerfällige bürokratische System und die mangelnde Spontaneität, an die ich aus Israel gewöhnt bin. Es dauert zum Beispiel sehr lange, bis die Anbringung eines Wandbildes genehmigt ist. Und weil meine Arbeit außerhalb eines sterilen Galerie-/Museumsraums entsteht, ist es eine Form von Vandalismus, denn damit kreiere ich Interventionen im öffentlichen Raum, die dessen Uniformität stört. Und weil ich in meiner Arbeit Fremdsprachen verwende (ein sensibles Thema für die meisten), besteht eine weitere Herausforderung darin, den Menschen etwas entgegenzusetzen, die meinen, es sei ihre Pflicht, sich bei der Polizei zu beschweren, wenn ich male. Das Wandbild in Tempelhof zog viele enthusiastische Nachbar:innen an, die solche Beschwerden vorbrachten. Also mussten mein Team und ich zusätzlich zu meiner Arbeit, die kompliziert und kräftezehrend ist, uns sehr oft oder sogar die meiste Zeit mit der Polizei auseinandersetzen. Die Arbeitshandschuhe der Künstlerin Ella Ponizovsky Bergelson (© Sharon Adler/PIXELMEER, 2021) Und, nicht zuletzt, die Sprachbarriere. Als Ausländerin ist es sehr schwer, mit der deutschsprachigen Konkurrenz in der Fach- und Förderwelt mitzuhalten, da die meisten Ausschreibungen und Kunstveranstaltungen auf Deutsch stattfinden, obwohl der Grund für die Einzigartigkeit der Berliner Kunstszene ihre Hybridität ist – ihre multikulturelle Natur. Sharon Adler: In deinen Wandbildern schreibst du auch auf Jiddisch. Hast du angefangen, dich für Jiddisch zu interessieren, als du nach Berlin kamst? Wie hast du mit deinen Recherchen über deine familiären Wurzeln in Berlin begonnen? Ella Ponizovsky Bergelson: Ja, mein Interesse an meinem „Jüdischsein” begann, als ich nach Berlin gezogen bin. In Israel war jede_r jüdisch, daher gab es keinen Grund zu einer Selbstdefinition. Außerdem hatte ich das Bedürfnis, mich mit meiner neuen Heimatstadt zu verbinden und habe damit angefangen, die Berliner Geschichten meines Urgroßvaters, Dovid Bergelson, zu lesen, die er in den 1920er-Jahren auf Jiddisch geschrieben hatte. Er war ein bekannter jiddischer Autor. Ihn zu lesen hat mir die Tür zu weiteren jiddischen Akteur:innen geöffnet. Ich befinde mich noch ganz am Anfang dieser Reise. Sharon Adler: Berlin war schon immer ein Schmelztiegel der Kulturen und Destination für Immigrant:innen. Wie empfindest du die jüdische Geschichte und die NS-Vergangenheit in Berlin? Ist jüdisches Leben und jüdische Kultur von heute deiner Meinung nach sichtbar? Ella Ponizovsky Bergelson: Ohne Zweifel ist die jüdische Kultur in Berlin nicht annähernd so sichtbar wie vor einem Jahrhundert. Und doch ist es nicht das Ziel meiner Arbeit, die jüdische Kultur extra zu betonen oder sie gegenüber anderen kulturellen Minderheiten, die in der Stadt koexistieren, hervorzuheben. Mein Ziel ist es, eine Erfahrung von kultureller Fluidität zu kreieren – um die kulturellen Distanzen in meiner Arbeit wie in meinem täglichen Leben zu verwischen. Sharon Adler: Wie hast du dich der Stadt mit ihrer vielschichtigen jüdischen Geschichte und Gegenwart durch deine Arbeit genähert? Ella Ponizovsky Bergelson: Beim Lesen von Dovid Bergelsons expressionistischen Berlin-Geschichten war ich überrascht von den Ähnlichkeiten des Berlins der 20er-Jahre des letzten Jahrhunderts und des heutigen Berlins in Bezug auf die Erfahrungen von Migrant:innen und Flüchtlingen und deren Communities. So sind die Szenarien in den Geschichten meines Urgroßvaters fast immer in temporären Orten angesiedelt (Pensionen, Gästehäusern, angemieteten Zimmern, Straßen und Parks). Es fehlt eindeutig ein Gefühl von Heimat niemand ist verwurzelt, das Temporäre dominiert die Atmosphäre. Ich konnte kaum glauben, wie sehr ich dieses Gefühl nicht nur aus eigener Erfahrung kannte, sondern auch durch meine Beobachtungen von anderen Menschen in meinem Umfeld. Menschen mit nichteuropäischem Migrationshintergrund, und Menschen, die hier in Berlin geboren und aufgewachsen sind, die Deutsch als Muttersprache sprechen. So bin ich auf die Idee gekommen, Jiddisch ins Arabische zu übersetzen – hauptsächlich, um diese Minderheiten zu vergleichen , das Damals und das Heute zu vergleichen und die wirkliche Veränderung im Berlin der Nachkriegszeit, nach dem Zweiten Weltkrieg, zu untersuchen. Visualisierung von Sprache - Hybride Kalligrafie Sharon Adler: In deiner Kunst schaffst du ortsspezifische Wandbilder im öffentlichen Raum: kalligrafische Arbeiten auf Wänden, die mehrere Sprachen wie Jiddisch, Arabisch und Deutsch kombinieren. Du nennst deine Technik oder dein Prinzip „hybride Kalligrafie“. Was bedeutet das? Was bedeutet „hybrid“ in diesem Zusammenhang? (Ist Vergänglichkeit oder Elusivität Teil deines Lebens, deiner Arbeit beziehungsweise Philosophie?) Ella Ponizovsky Bergelson: „Hybride Identität“ ist ein Begriff, den ich aus soziologischen Studien entlehne. Zufälligerweise kenne ich ihn, weil meine ganze Familie zum Thema Migration und Integration forscht (meine Mutter ist klinische Psychologin, mein Vater ist Psychiater und führt vergleichende Studien über Migrationspopulationen in Israel durch, meine Schwester ist Sozialarbeiterin und hat zu einem verwandten Thema promoviert). In der Soziologie wird eine „Hybride Identität“ durch die Vermischung von mehr als einem kulturellen Einfluss hergestellt, um eine vollständig neue individuelle Identität zu entwickeln – und genau das bin ich: eine in Russland geborene Israelin, die in Deutschland lebt. Die Textvorlage für das Wandbild (© Sharon Adler/PIXELMEER, 2021) Tatsächlich ist ein großer Teil der Gesellschaft hybrid, obwohl viele ihre Hybridität zu verschleiern oder zu verwischen scheinen und dazu tendieren, sich ausschließlich auf die dominierende Seite allein zu beziehen. Sprache ist die starrste, unflexibelste Manifestation einer Kultur. Während Musik oder Kunst eher Einflüsse von außen aufnehmen, kommt Sprache nur langsam hinterher. Außerdem gibt es eine Tendenz bei Behörden, Sprache nicht zu verändern. Es gibt eine richtige und falsche Art zu sprechen und zu schreiben, während es keine falsche Art gibt, Kunst oder Musik zu machen - die ja auch Definitionsmerkmale einer Kultur sind. Als Künstlerin ist es mir „erlaubt“, diese Beschränkungen und Regeln zu brechen und drei oder vier Sprachen in einem Satz zu mischen - und damit eine typografische Koexistenz zu schaffen, die ansonsten ein Tabu ist. Present Figures/Gegenwartsfiguren Sharon Adler: Die Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart ist ein immer wiederkehrendes Thema in deiner Arbeit. „Gegenwartsfiguren/Present Figures“ ist inspiriert von den Gedichten der jüdisch-polnischen Philosophin und Dichterin Debora Vogel (geboren 1902 in Bursztyn – ermordet 1942 in Lvov Ghetto, beides Orte in der heutigen Ukraine). Wie bist du auf ihr Werk gestoßen, wie hast du dich ihm genähert? Ella Ponizovsky Bergelson: Von Debora Vogels Werk habe ich durch einen Freund, den Dichter und Schriftsteller Jordan Lee Schnee, erfahren – einer meiner wenigen Freunde, der Jiddisch spricht und schreibt. Er machte mich mit einigen ihrer Gedichte bekannt. Das war zu Beginn der Pandemie im letzten Jahr. Ich fühlte mich ihr gleich stark verbunden und fing ziemlich schnell damit an, zu ihr zu recherchieren und ihre Werke zu lesen. Tatsächlich geht es in diesem Projekt um die pandemische Realität. Wer Vogels kritische Gedichte einmal gelesen hat, kann verstehen, warum. Ich war überrascht, in einer kleinen Buchhandlung bei mir zuhause um die Ecke, ein Buch zu entdecken, das von der Buchhandlung selbst herausgegeben wurde, und das ein dokumentiertes Gespräch über Vogel und Das komplette Wandbild auf einem Wohnhaus in Berlin Tempelhof (© bpb) ihr Werk enthielt, ein Gespräch, das in diesem Laden stattgefunden hatte. Das alles erschien mir wie ein allzu großer Zufall, denn Vogel war eine unbeachtete Figur, die nie bekannt wurde. In gewisser Weise kam Debora Vogel zu mir und nicht ich zu ihr. Die Realität, die sie konstruierte, „geprägt von Melancholie und Langeweile“, spiegelt so stark die jetzige Zeit wider, die von der Pandemie und dem Lockdown beherrscht wird, dass ich einfach etwas tun musste, etwas Eigenes schaffen, indem ich ihre Worte als „Baumaterial“ verwendete. Je mehr ich zu ihr recherchierte, desto mehr habe ich mich mit ihr verbunden. Ich fand heraus, dass sie aus einer Polnisch/Deutsch sprechenden Familie stammte, die einer sozialen Klasse angehörte, die nicht Jiddisch sprach, und wie sie Jiddisch als Sprache ihrer Poesie wählte. Ein Akt, der irrational und antikapitalistisch ist, mit Hinsicht auf die begrenzte Leser:innenschaft. Das ist und war auch meine Strategie die Motivation ist ähnlich: die Menschen über Sprache stolpern zu lassen. Debora Vogel war von der Stimmung des urbanen Lebens inspiriert, vom Junk, also vom Nicht-Poetischen. Ich kann behaupten, dass sich meine Arbeit auch darauf bezieht. Ich fühlte, dass sie mich aufforderte, ihre Worte zu benutzen ich hatte keine Wahl. Sharon Adler: Du hast eine besondere Aufmerksamkeit für die Reflexion von Sprache, für kulturelle Identität durch ihre Struktur und ihre visuelle Erscheinung entwickelt. In deiner Arbeit, in deinen Wandbildern, benutzt du Debora Vogels Poesie nicht einfach, sondern schaffst eine neue Art von visueller Poesie. Was war dir dabei besonders wichtig? Was war deine Strategie, um dein Konzept/deine Idee umzusetzen? Ella Ponizovsky Bergelson: Für „Present Figures“ habe ich Vogels Worte nicht einfach kopiert, sondern versucht, die dahinterstehende Philosophie und Motivation aufzufangen. Vogels Idee war es, die Erkenntnisse der postmodernen visuellen Kunst zu nutzen, um sie in Worte zu übersetzen. In ihren Gedichten werden Kompositionen, die aus geometrischen Formen, flachen Farbflächen und Umrissen bestehen, zu Wörtern und Sätzen. Ich benutzte die gleiche Strategie, aber umgekehrt ihre Gedichte oder „Wortkonstruktionen“ werden zum Bild. Da ihre Gedichte von urbanen Bedingungen und dem „Junk“ dem Gewöhnlichen im Leben inspiriert waren, benutzte ich ihre Poesie, die in der Sphäre der „Intelligenzija“ existiert, und setzte sie zurück in die Vorstadtstraßen, und kreiere so einen Loop-Effekt. Nicht zu übersehen ist die Tatsache, dass ich ihr Jiddisch ins Arabische und Englische übersetze also nicht nur die „verborgene jüdische Kultur“ sichtbar mache, sondern ihre Zerstörung mit denen anderer Minderheiten und Migrant:innenpopulationen vergleiche, die heute in Berlin leben. Mir geht es nicht darum, laut heraus zu schreien, dass wir immer noch da sind, sondern über unsere – meiner Meinung nach heutige privilegierte Stellung in der deutschen Gesellschaft im Vergleich zu anderen zu reflektieren. Meiner Meinung nach ist die jüdische Kultur nicht „zerstört“. Ich bin hier und viele andere Israelis und/oder Jüdinnen/Juden sind es auch. Wir haben eine Stimme. Viele andere haben das nicht. Among Refugees/Unter Flüchtlingen – Generation Y., Familiäre Wurzeln: Dovid Bergelson, Tsvishn Emigrantn (1928) Sharon Adler: In deiner Arbeit „Among Refugees Generation Y“ hast du Wandbilder mit (jiddischen) Zitaten deines Urgroßvaters, des Schriftstellers Dovid Bergelson, geschaffen, der in seinen auf Jiddisch geschriebenen Essays das jüdische Leben und die Kultur beschrieb. Kannst du bitte etwas über sein Werk, sein Leben und seinen Tod erzählen? Ella Ponizovsky Bergelson: Dovid Bergelson (1884-1952) war bereits ein bekannter expressionistischer Schriftsteller, als er Teil einer Einwanderungswelle war, der zahlreiche Autor:innen, Dichter:innen, Künstler:innen und Gelehrte angehörten, die sich in Berlin in einer Zeit niederließen, als Literatur und Kunst in dieser europäischen Metropole aufblühten. Die politische und künstlerische Freiheit Berlins in den frühen 1920er-Jahren zog eine Vielzahl von jiddischen Schriftsteller:innen und Künstler:innen an, die sich mit anderen Intellektuellen und Migrant:innen in einer dynamischen Kunstszene mischten. Eine Auswahl von Bergelsons Berlin-Geschichten erschien unter dem Titel „The Shadows of Berlin“ (2005, City Lights Books, San Francisco) in englischer Sprache neu. Darin wird das Leben in Berlin in der prekären Zeit zwischen den Weltkriegen dargestellt – vor allem das ungewisse Schicksal der intellektuellen Exilant:innen. Die Geschichten erlauben flüchtige Einblicke in eine Gemeinschaft und in eine Welt, die heute verloren ist. Von all seinen Erzählungen, die in Berlin angesiedelt sind, ist „Among Refugees“ die bekannteste und hat am meisten kritische Aufmerksamkeit erhalten. Sie kann als eine Studie über verschiedene Formen der existenziellen Krise, die durch das Exil ausgelöst wird, gelesen werden. Kurz zusammengefasst handelt die Geschichte von einem etablierten jiddischen Schriftsteller in Berlin, der von einem seltsamen jungen Mann, der sich als jüdischer Terrorist vorstellt, besucht wird. Er erzählt dem Erzähler seine Lebensgeschichte, die von Ortswechseln bestimmt ist, und gesteht, selbst Schriftsteller zu sein. Währenddessen webt er eine weitere fiktive Geschichte ein. Der eigentliche Grund seines Besuchs ist die Suche nach einer Waffe, um seine Mission zu erfüllen, seinen Nachbarn zu ermorden, der ein Pogrom angeordnet hat und für den Mord an der Familie des jungen Mannes in der Ukraine verantwortlich ist. Am Ende steht der Selbstmord. In seinem Abschiedsbrief gesteht der junge Schriftsteller: „Jetzt verstehe ich alles: Ich bin ein Flüchtling ... unter Flüchtlingen. Ich will keiner mehr sein... .“ So gelesen ermöglicht uns „Among Refugees“, Bergelsons Berlin als einen Ort der Ungewissheit zu sehen, in dem gewohnte Modelle der Interaktion zwischen vertriebenen Menschen und zwischen vertriebenen Schriftsteller:innen und Leser:innen scheiterten. Bergelsons Existenzsorgen wurden schließlich durch seine Entscheidung gelöst, in die Sowjetunion zu gehen, da er dort seine eigentlichen Leser:innen vermutete. Als einer der letzten aus seiner Runde verließ Bergelson Berlin im Jahr 1934 und zog zurück nach Moskau, wo er und seine Schriftstellerfreunde nach zwei Jahrzehnten fruchtbarer künstlerischer und politischer Aktivität während einer antisemitischen Kampagne unter Stalin gegen die „wurzellosen Kosmopoliten" wegen ihres Engagements im Jüdischen Antifaschistischen Komitee fälschlich des Hochverrats und der Spionage angeklagt und 1952 exekutiert wurden. Das führte dazu, dass die progressive jiddisch-kulturelle Community in der Sowjetunion auf dramatische Weise verschwand. Dieses Ereignis wurde erst Jahre später von der Öffentlichkeit entdeckt und als die „Nacht der ermordeten Dichter“ bekannt. Sharon Adler: Was ist die Idee hinter deinem Projekt „Among Refugees/Unter Flüchtlingen - Generation Y”? Was sind die Parallelen zwischen der Arbeit deines Urgroßvaters und seinem Leben damals und deinem heute? Ella Ponizovsky Bergelson: In meinem Wandbildprojekt verwendete ich Schlüsselsätze aus seiner Geschichte und wiederholte die Botschaft auf meine visuelle Weise in einer Schleife, wobei jedes Wort in einer anderen Sprache (Arabisch, Jiddisch und Deutsch) geschrieben ist, was sie der Lesbarkeit entzieht. Ich habe temporäre, abwaschbare Farben verwendet, die nach und nach verblassen. Ich hatte das Gefühl, dass ich und andere um mich herum eine jahrhundertealte Realität neu erleben. Ich habe Dovid Bergelson nie kennengelernt, da er getötet wurde, bevor ich geboren wurde, aber ich fühle, dass er in mir fortexistiert, und ich setze mich dafür ein, in meiner eigenen Bildsprache das auszudrücken, was er erfahren und so würdevoll ausgedrückt hat. Das Publikum, die Rezeption Sharon Adler: Wie wird deine Arbeit rezipiert, was sind die Reaktionen? Was ist deine Antwort, wenn Menschen auf deine Gemälde und Kalligrafien mit „wie schön!“ reagieren? Wie transportierst du die Idee und Philosophie dahinter? Ella Ponizovsky Bergelson: Es ist nicht meine Absicht, Dinge schön zu machen. Vielleicht eher das Gegenteil - ich provoziere, indem ich die „schmutzigen Laken“ sichtbar mache. Die Reaktionen sind die Quintessenz dessen, was ich widerspiegeln möchte, und die sind sehr vielfältig: Kinder sind von den Farben begeistert. Sie bleiben stehen und gucken fasziniert. Es ist ihnen egal, ob sie es lesen oder verstehen können oder welche Sprachen das sind. Die süßeste Reaktion war, als mich ein Kind fragte, ob ich auch auf ihrem Balkon malen könnte. Die Teenager greifen den Multikultiaspekt auf und kümmern sich nicht so sehr um den Inhalt der Worte oder was dahintersteckt. Sie finden es einfach cool. Ella Ponizovsky Bergelson vor ihrem Wandbild in Berlin-Tempelhof (© Sharon Adler/PIXELMEER, 2021) Die arabische Bevölkerung (egal welchen Alters) reagiert stolz – ich habe es oft gehört, wie die Leute laut gerufen haben: „Das ist auf Arabisch!“ und dann den arabischen Text laut vorgelesen haben als ob sie damit sagen wollten: „Ich kann das lesen! Ich werde gesehen. Ich bin präsent.“ Was wirklich auffällt, ist, dass ich viele verbale Angriffe von der älteren deutschen Bevölkerung erlebt habe. Sie scheinen Angst vor dem zu haben, was sie nicht verstehen. Sie stellen viele Fragen zum Text, kommentieren die Unlesbarkeit, die sprachlichen „Fehler“ und den schmutzigen Stil und fordern mich häufig auf, ich solle „zurück nach Kreuzberg gehen". Obwohl mein Unternehmen legitim und 100 Prozent legal ist, hatte ich jeden Tag die Polizei am Hals. Sie hatte ungezählte Anrufe von „besorgten“ Nachbar:innen erhalten. Zitierweise: "Ella Ponizovsky Bergelson: Künstlerin und Schöpferin der hybriden Kalligrafie", Interview mit Ella Ponizovsky Bergelsonin: Deutschland Archiv, 3.5.2021, Link: www.bpb.de/332369 Hier erfahren Sie Interner Link: mehr zu Ella Ponizovsky Bergelson >> Das Equipment der Künstlerin Ella Ponizovsky Bergelson Die Arbeitshandschuhe der Künstlerin Ella Ponizovsky Bergelson (© Sharon Adler/PIXELMEER, 2021) Die Textvorlage für das Wandbild (© Sharon Adler/PIXELMEER, 2021) Das komplette Wandbild auf einem Wohnhaus in Berlin Tempelhof (© bpb) Ella Ponizovsky Bergelson vor ihrem Wandbild in Berlin-Tempelhof (© Sharon Adler/PIXELMEER, 2021) Tikkun, (Hebräisch) bedeutet Festigung, Nachbesserung, oder Reparatur, https://www.juedische-allgemeine.de/glossar/tikkun/, zuletzt aufgerufen am 2.4.2021. Flüchtigkeit, Vergänglichkeit. In der Soziologie bedeutet eine „Hybride Identität", dass ein Mensch sich zwei oder mehreren kulturellen Räumen gleichermaßen zugehörig fühlt, siehe Naika Foroutan/Isabel Schäfer, Hybride Identitäten - muslimische Migrantinnen und Migranten in Deutschland und Europa, in: Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ 5/2009), 23.1.2009, www.bpb.de/32223, zuletzt aufgerufen am 15.4.2021. Debora Vogel, auch Dvojre Fogel oder Dvoyre Fogel. Siehe Yael Chaver, in: Jewish Women: A Comprehensive Historical Encyclopedia. 27.2.2009, Jewish Women's Archive, https://jwa.org/encyclopedia/article/fogel-dvoyre, zuletzt aufgerufen am 15.4.2021. Es handelt sich um die Buchhandlung buch|bund, Sanderstraße 8, in Berlin-Neukölln. Das Buch: Perigraphien. Europas Ränder – Europas Mitte. Vogel, Manger, Slucki, aus der Reihe Gespräche im buch|bund. Jiddisch galt im Bildungsbürgertum als die Sprache der Unterschicht. Vgl. „Jüdisches Leben in der Sowjetunion – ein kurzer Überblick” in: Alina Gromova, „En-Gendering jüdische Migration: Narrative jüdischer Frauen mit sowjetischer Erfahrung in Deutschland nach 1990“, in: Deutschland Archiv, 5.2.2021, www.bpb.de/326606, zuletzt aufgerufen am 15.4.2021.
Article
Ella Ponizovsky Bergelson, Sharon Adler
2022-08-18T00:00:00
2021-05-03T00:00:00
2022-08-18T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/deutschlandarchiv/332369/ella-ponizovsky-bergelson-kuenstlerin-und-schoepferin-der-hybriden-kalligrafie/
Die in Moskau geborene und in Berlin lebende Künstlerin Ella Ponizovsky Bergelson nähert sich den Themen Migration und Integration durch Visualisierung von Sprache. Mit großflächigen, farbigen Wandbildern bringt sie auf Häuserfassaden jiddische Lyrik
[ "Jüdinnen in Deutschland", "Bundesrepublik Deutschland", "Berlin" ]
574
Hong Kong und Macau | China | bpb.de
Wer heute nach Hongkong und Macau reist, findet zwei sehr ungleiche Städte vor. In der internationalen Finanzmetropole Hongkong leben rund sieben Millionen Menschen. Die Stadt ist ein kosmopolitischer Börsen- und Handelsplatz, verfügt über einen der größten Containerhäfen der Welt und beherbergt eine vielfältige Medien- und Unterhaltungsindustrie. Im beschaulichen Macau hingegen leben nur gut 500.000 Menschen. Die wichtigsten Wirtschaftszweige dort sind der Tourismus und das Glücksspiel. Hongkong ist heute die weitaus größere und bedeutendere Stadt. Allerdings kann Macau auf eine sehr viel längere Geschichte zurückblicken. Anfang des 16. Jahrhunderts landen die Portugiesen erstmals an der südchinesischen Küste auf der Suche nach einem geeigneten Ort für einen Handelsstützpunkt. Einige Zeit vergeht, bis sie schließlich im Jahr 1557 Macau gründen. Die Stadt wird schnell zu einer bedeutenden Drehscheibe im portugiesischen Kolonialreich, einer Station auf dem Weg von Lissabon über Indien zur Niederlassung im japanischen Nagasaki. Zahlreiche Gebäude in Macau zeugen noch heute von dieser kolonialen Blütezeit, allen voran die Ruine der Pauluskirche. Sie ist das Wahrzeichen der Stadt. Erster Opiumkrieg Auch die Engländer betreiben ihren Chinahandel lange Zeit über Macau und das nahe gelegene chinesische Kanton (Guangzhou). Anfang des 19. Jahrhunderts jedoch nehmen ihre Interessen in Asien rapide zu, das britische Auftreten wird aggressiver. Um ihr Handelsdefizit mit China auszugleichen, schleusen sie illegal große Mengen Opium auf den chinesischen Markt. Als das Kaiserreich gegen die Einfuhr der Droge vorgeht, schickt die britische Regierung 1839 Kriegsschiffe. Der "Erste Opiumkrieg" endet 1842 mit dem Sieg der Engländer und dem Vertrag von Nanking. Darin wird China zu zahlreichen Zugeständnissen gezwungen. Unter anderem muss es die nur spärlich besiedelte Insel Hongkong ("Duftender Hafen") an der Mündung des Perlflusses an die Briten abtreten. Großbritannien hat nun seinen eigenen Stützpunkt in Südchina. Unter britischer Herrschaft entwickelt sich Hongkong schnell zu einem bedeutenden Handelshafen. Es steht aber immer ein wenig im Schatten von Schanghai, das sich zum Haupthandelsstützpunkt der Kolonialmächte in China mausert. Das portugiesische Macau, auf der westlichen Seite der Perlflussmündung gelegen, verliert gegenüber beiden Städten rasch an Bedeutung. Von Anfang an fehlt es im gebirgigen Hongkong an nutzbarem Platz. Aus diesem Grund und auch um ihre Kolonie besser abzusichern, pachten die Briten 1898 von China große Gebiete auf dem angrenzenden Festland, die "New Territories". Der Pachtvertrag ist auf 99 Jahre angesetzt und soll 1997 auslaufen – ein folgenschweres Abkommen, wie sich viele Jahre später zeigen wird. Hongkong wächst in seinen ersten Jahrzehnten stetig. Am Vorabend des Zweiten Weltkriegs leben bereits 1,6 Millionen Menschen in der Kolonie. Diese Zahl halbiert sich allerdings in den Folgejahren. Im Dezember 1941 erobern die Japaner Hongkong und halten es besetzt bis zur Kapitulation vier Jahre später, als die Stadt wieder zurück an Großbritannien fällt. So brutal die japanische Herrschaft und die Kriegszeit auch sind, so gestärkt ist Hongkongs Position in der Nachkriegsordnung. China versinkt im Bürgerkrieg zwischen Kommunisten und Nationalisten. Flüchtlinge strömen in die sichere Kolonie am Südrand des Reiches und geben ihr einen entscheidenden Bevölkerungsschub. Als 1949 unter der Führung von Mao Zedong die Volksrepublik China gegründet wird, setzt ein weiterer Zustrom ein, vor allem aus Hongkongs langjähriger Konkurrenzstadt Schanghai. Die Handelsmetropole an der Jangtse-Mündung verliert im abgeschotteten kommunistischen China schlagartig ihre Stellung. Viele internationale Handelshäuser, Banken und Unternehmen verlagern ihre Geschäfte nach Hongkong. Zahlreiche Schanghaier Exilanten legen den Grundstein für Hongkongs moderne Film-, Musik- und Unterhaltungsindustrie. Macau: Wirtschaftsfaktor Glücksspiel Macau, seit 1887 auch von China formal anerkannter portugiesischer Besitz, übersteht den Weltkrieg glimpflich und mit geringeren Opfern als die große britische Nachbarstadt. Allerdings fehlt es der Kolonie nach dem Krieg an Prosperität. Das unter dem autoritären Salazar-Regime verarmte Portugal weiß mit dem kleinen Territorium in Fernost nur wenig anzufangen und vernachlässigt es zunehmend. Macaus wirtschaftliche Abhängigkeit von Hongkong wächst, und das Glücksspiel entwickelt sich rasant. 1966 schwappt sogar die von Mao ausgerufene "Große Proletarische Kulturrevolution" über die Grenze. Vorübergehend übernehmen "Rote Garden", radikalisierte kommunistische Jugendverbände, die Kontrolle in der Stadt. Portugal versucht in den folgenden Jahren aus eigenen Stücken, das zur Belastung gewordene Macau an China zurückzugeben. Doch die Regierung in Peking lehnt die Rücknahme ab. Die Volksrepublik sieht sich nach den chaotischen Jahren der Kulturrevolution dazu noch nicht in der Lage und will ohnehin zuerst die wichtigere Hongkong-Frage lösen. Die Lage in der britischen Kronkolonie aber stellt sich völlig anders dar. Nach dem Krieg strömen Firmen, Kapital und Talente von China nach Hongkong. Sie treffen dort auf ein Heer billiger Arbeitskräfte, auch sie sind als Immigranten vom Festland gekommen. Ab den 1950er-Jahren expandiert die Wirtschaft wie niemals zuvor. Die Stadt wird zu einem Zentrum der Leicht- und Textilindustrie. Ob Kunstblumen, Knöpfe, Schuhe oder Plastikartikel aller Art – "Made in Hong Kong" wird der Welt ein Begriff, lange bevor sie von "Made in China" auch nur ahnt. Mit der Wirtschaft wächst auch der Wohlstand. Die Lebenserwartung steigt, ebenso das Bildungsniveau der Bevölkerung. Ab den 1970er-Jahren sinkt die einst grassierende Korruption auf einen der niedrigsten Werte weltweit. Hongkong verfolgt eine sehr liberale Wirtschaftspolitik. Die Kronkolonie ist ein Freihafen mit äußerst niedrigen Steuersätzen. Sie entwickelt sich zum wichtigen Börsen- und Bankenplatz in Asien. 1980 liegt die Einwohnerzahl bereits bei etwa fünf Millionen. Die Stadt steigt in die Reihe der entwickelten Industriegesellschaften auf. Obwohl britisch verwaltet, ist Hongkong während der Nachkriegsjahrzehnte kein demokratisches Gemeinwesen. An der Spitze der Verwaltung steht ein von London eingesetzter Gouverneur, kein gewählter Regierungschef. Die Bewohner Hongkongs sind "britische Untertanen", aber keine britischen Staatsbürger, sie besitzen kein Wohnrecht im Vereinigten Königreich. Die Hongkong-Frage Die positive Entwicklung der Kolonie steht allerdings unter einem immer größer werdenden Fragezeichen, rückt doch das Jahr 1997 näher. Zu diesem Datum läuft der Pachtvertrag mit China für die "New Territories" aus. Ohne diese grünen Gebiete im Norden wäre die überfüllte Stadt kaum überlebensfähig und zu versorgen. Ohnehin fordert Peking die Rückgabe der gesamten Kolonie. Anfang der 1980er-Jahre schließlich steht die Hongkong-Frage auf der internationalen politischen Agenda. Die britische Regierung unter Premierministerin Margaret Thatcher hofft zunächst noch, Hongkong durch Verhandlungen mit Peking halten zu können. Doch Chinas politischer Führer Deng Xiaoping tritt mit großer Stärke auf und setzt sich schließlich gegen London durch. 1984 vereinbaren beide Regierungen die Rückgabe Hongkongs für den 1. Juli 1997. Die Stadt soll danach zwar zu China gehören, nach dem Prinzip "Ein Land, zwei Systeme" aber 50 Jahre lang als Sonderverwaltungsregion politisch und wirtschaftlich große Autonomie genießen. Durch diesen Kompromiss wird die Rückgabe für die britische Seite akzeptabel. Hongkong soll seine kapitalistische Marktwirtschaft behalten dürfen, aber auch liberale Bürgerrechte wie Presse- und Versammlungsfreiheit. In der Kronkolonie machen sich trotzdem Unsicherheit und Zukunftsangst breit. Viele Menschen trauen den chinesischen Zusagen nicht. Vor allem das Massaker auf dem Pekinger Tiananmen-Platz durch die Volksbefreiungsarmee im Jahr 1989 nährt die Auswanderungspläne vieler Hongkonger. Mehrere hunderttausend Menschen ziehen zwischen 1984 und 1997 ins Ausland. Allein 1992 kehren 66.000 Personen der Kronkolonie den Rücken. Trotz der politischen Ungewissheit erlebt Hongkong in den Achtzigerjahren eine Blütephase. Das Hongkong-Kino und der Canto-Pop haben ihre Hochzeit. Die Wirtschaft boomt und durchläuft gleichzeitig einen radikalen Strukturwandel. Seit der chinesischen Öffnungspolitik ab 1978 verlagern Hongkonger Unternehmen die Fertigung immer häufiger ins festlandchinesische Hinterland. Sie werden zur treibenden Kraft bei der Industrialisierung des Perlflussdeltas, heute eines der größten Industriegebiete der Welt. Aus Hongkong selbst verschwindet die einst so wichtige Industrieproduktion. Doch die alten Arbeitsplätze werden durch neue ersetzt. Der Anteil des Dienstleistungssektors an der Wirtschaftsleistung steigt auf über 80 Prozent. Chinesisch-portugiesische Erklärung Nach der Nelkenrevolution im Jahr 1974 demokratisiert sich Portugal und leitet Schritte zur Entkolonialisierung ein. Doch erst nach der Klärung der Hongkong-Frage beginnt Peking ernsthafte Verhandlungen über die Zukunft Macaus. Diese münden schließlich in der "chinesisch-portugiesischen Erklärung" von 1987. Darin wird die Übergabe der Kolonie auf den 20. Dezember 1999 terminiert. Auch hier findet die Formel "ein Land, zwei Systeme" Anwendung. Wie Hongkong soll auch Macau außer in der Verteidigungs- und Außenpolitik große Autonomie behalten. In den Folgejahren werden für beide Städte sogenannte Grundgesetze ausgearbeitet, Mini-"Verfassungen", die mit der Rückgabe in Kraft treten sollen. Die Übergabeverhandlungen fallen in eine Zeit größter wirtschaftlicher Dynamik. China durchläuft einen rasanten Industrialisierungsprozess. Um mit marktwirtschaftlichen Methoden zu experimentieren, richtet Peking in Südchina Sonderwirtschaftszonen ein. Die erste und prominenteste ist Shenzhen direkt hinter der Hongkonger Stadtgrenze gelegen. Sie soll Investitionen aus der britischen Kolonie anlocken. Das Konzept geht auf, Hongkonger Firmen ziehen mit ihren Fabriken zu Tausenden über die Grenze. Aus dem Inneren Chinas kommen Wanderarbeiter in die Region, die zu extrem niedrigen Löhnen arbeiten. Im Perlflussdelta entsteht ein Ballungsraum mit mehr als 50 Millionen Menschen, in den sich Hongkong und Macau wirtschaftlich immer stärker integrieren. Zwischen 1978 und 1997 wächst der Handel zwischen Hongkong und der Volksrepublik um durchschnittlich 28 Prozent pro Jahr. So ist die britische Kronkolonie bereits eng mit China verflochten, als sie in der Nacht zum 1. Juli 1997 der Hoheit Pekings unterstellt wird. In einer aufwändigen Zeremonie, begleitet von sintflutartigem Regen, nehmen die Briten Abschied von Hongkong. Das Ereignis wird von Millionen Menschen weltweit im Fernsehen verfolgt. Viel weniger Beachtung findet hingegen die Rückgabe Macaus zwei Jahre später am 20. Dezember 1999. Dabei geht eigentlich erst hier ein Kapitel der Weltgeschichte zu Ende. Nach mehr als 400 Jahren geben die Europäer mit Macau ihre letzte Kolonie in Asien auf. Die Portugiesen kamen einst als erste und gehen als letzte. "Ein Land, zwei Systeme" Die Einwohner in den beiden Sonderverwaltungsregionen und die Weltpresse beobachten die Entwicklung seither genau. Anders als viele befürchtet haben, hält sich China nach der Rückgabe an das Prinzip der zwei Systeme in einem Land. Hongkong und Macau funktionieren weitgehend wie eigenstaatliche Gebilde. Die freie Marktwirtschaft ist unangetastet. Speziell in Hongkong existiert – trotz einer Tendenz zur Selbstzensur – eine freie vielfältige Presselandschaft, und es herrscht Meinungsfreiheit. Dennoch nimmt die chinesische Regierung großen Einfluss auf das politische Geschehen in beiden Städten, nicht zuletzt bei den Wahlen des jeweiligen Regierungschefs durch die mehrheitlich pekingtreu besetzten Wahlkomittees. Die politischen Systeme beinhalten demokratische Elemente, sind aber nicht vollständig demokratisch. Die Abgeordneten des Hongkonger Parlaments etwa werden nur zur Hälfte direkt vom ganzen Volk gewählt. Peking hat allerdings eine Direktwahl aller Parlamentarier und des Regierungschefs durch das Volk mittelfristig in Aussicht gestellt. Hongkong setzt seine gute Wirtschaftsentwicklung auch unter chinesischer Herrschaft fort. Einen schweren Einbruch erleidet die Stadt nur während der Epidemie der Lungenkrankheit SARS im Jahr 2003, als knapp 300 Menschen in der Stadt sterben. Die Arbeitsteilung zwischen dem hoch entwickelten Verwaltungs- und Dienstleistungszentrum Hongkong und dem günstig produzierenden chinesischen Hinterland ist auch zum Beginn des neuen Jahrtausends weiterhin fruchtbar. Auch das lange zurückgebliebene Macau kann sich nach 1999 gut entwickeln. Dabei setzt es vor allem auf den Tourismus aus Festlandchina und das Glücksspiel. Beide Bereiche machen mehr als die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts des Territoriums aus. Die größten Kasinos der Welt entstehen hier, bei den Glücksspieleinnahmen überholt Macau sogar Las Vegas. Heute stehen die beiden ehemaligen Kolonien erfolgreich und wohlhabend da. Doch es zeichnen sich große Herausforderungen ab. Das Spielerparadies Macau spürt seit dem Einsetzen der globalen Finanzkrise deutliche Rückgänge im Tourismus- und Glücksspielgeschäft. Es bekommt vorgeführt, wie sehr es sich lange Zeit auf nur einen Wirtschaftssektor gestützt hat und dadurch sehr verwundbar wurde. Die Finanzstadt Hongkong leidet ebenfalls unter der Krise. Ihre langfristigen Herausforderungen aber sind von grundsätzlicher Art. Langsam verliert die Metropole ihren Entwicklungsvorsprung gegenüber festlandchinesischen Städten. Vor allem Schanghai ist zurück auf der internationalen Bühne und soll sich nach dem Willen Pekings zu einem globalen Finanzzentrum entwickeln. Auch als Drehscheibe und Logistikzentrum verliert Hongkong an Bedeutung. Viele Waren etwa verlassen China mittlerweile über die Containerhäfen im benachbarten Shenzhen oder von anderen Küstenstädten. Mit seinen sieben Millionen Einwohnern ist Hongkong zudem gegenüber den chinesischen Metropolen recht klein und auf Dauer schlecht wettbewerbsfähig. Die Hongkonger Regierung hat dies erkannt und eine neue Zukunft für die Stadt skizziert, die nicht mehr in ihrer "splendid isolation" liegt. Hongkong soll mit seinem Umland jenseits der Grenze zusammenwachsen. Selbst von einer Fusion mit Shenzhen und anderen Städten im Perlflussdelta ist die Rede. So könnte eine neue Megalopolis im Süden Chinas entstehen, ein Kraftzentrum, das es mit den Metropolregionen von Schanghai und Peking im Wettbewerb aufnehmen kann. Das Symbol dieser neuen Zukunft nimmt bald Gestalt an: eine 30 Kilometer lange Brücke von Hongkong nach Macau und ins westliche Perlflussdelta.
Article
Markus Rimmele
2022-01-20T00:00:00
2011-12-02T00:00:00
2022-01-20T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/asien/china/44295/hong-kong-und-macau/
Hongkong und Macau entstanden einst als europäische Kolonien an Chinas Südküste. Portugiesen und Briten schufen sich hier wichtige Handels- und Marinestützpunkte. Ende der 1990er-Jahre fielen beide Territorien an China zurück, behielten aber einen So
[ "Macau", "Hongkong", "China", "Kolonien", "Sonderstatus" ]
575
Grußwort beim Bundeskongress „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ | Presse | bpb.de
Sehr geehrte Frau Kleff, sehr geehrter Herr Seidel, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich danke Ihnen für die Einladung zu diesem Bundeskongress von „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage.“ Global denken – Lokal handeln – Courage zeigen. Der Titel des diesjährigen Bundeskongresses beschreibt den Kerngedanken von „Schule ohne Rassismus“ aus meiner Sicht sehr gut. Ihr konstant wachsendes Netzwerk setzt sich nun seit über zwanzig Jahren für die Gleichwertigkeit aller Schülerinnen und Schüler ein, zieht die Debatten dieser Welt und dieses Landes in die Schulen und in die Klassen hinein, lässt diskutieren und schließlich Haltung wachsen, lässt Courage entstehen. Und diese Courage, dieses Aufstehen ist heutzutage geforderter denn je – das ist Ihnen so bewusst wie mir. Die demokratische und vielfältige Gesellschaft steht vor immanenten Herausforderungen. In Sachsen erhält bei der Landtagswahl die Partei eines Landesvorsitzenden 27,5 Prozent aller abgegebenen Stimmen, der dem völkischen, nationalistischen und als rechtsextremen Verdachtsfall eingestuften „Flügel“ der AfD angehört . Er ist der Meinung, dass „ein Volk nur seine Freiheit bewahren kann, wenn es weitgehend homogen bleibt“ . In politischer Bildung an Schulen sieht er „keinen Mehrwert für die Berufsausbildung der Schüler“ und tut sie als „Gesinnungsunterricht“ ab . In Brandenburg erhält dieselbe Partei mit einem Vorsitzender desselben „Flügels“ 23,5 Prozent. Jemand, der von einem „Ethnozid am deutschen Volk“ schreibt, an Treffen der „Heimattreuen Deutschen Jugend“ teilnahm und sein Verständnis der Rolle der AfD in der Demokratie sowie des von ihm formulierten „nationalen Sozialismus“ immer wieder mit folgendem Satz beschreibt: „Wir wollen kein Stück vom Kuchen. Wir wollen die Bäckerei“ . Meine Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde von Schulen ohne Rassismus, ich erzähle Ihnen das, da insbesondere die Vertreter dieses Flügels nicht nur von den Abgehängten dieser Gesellschaft, den Marginalisierten ohne Zukunft oder alten und Ewiggestrigen gewählt werden. Nein, es sind auch viele junge Menschen, die oftmals noch zur Schule gehen. Laut infratest dimap wählten die AFD in Sachsen 20 Prozent der 16 bis 24jährigen, in Brandenburg 30 Prozent der 25 bis 34-jährigen . In Brandenburg wohlgemerkt in einem Bundesland, in dem der Vorsitzende in einer Debatte mit Schülern sagte, dass diese unter einer „medialen Dauerrotlichtbestrahlung“ stünden. Diese Herausforderungen sind keine genuine Bedrohung aus dem Osten – eine Vielzahl der führenden Köpfe kommt aus dem Westen. Auch die mitgliedsstärksten Landesverbände finden sich dort . Und sie zeigen sich nicht nur in den Landtagen. Vor kurzem erschien eine für die politische Bildung hochinteressante Studie des Hamburger Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik, die sich mit „digitalem Faschismus“ und den daraus resultierenden Herausforderungen für die offene Gesellschaft befasst . Eine beängstigende Analyse: ein durch digitale Massen gestützter Ultranationalismus, ein damit verbundener faktenresistenter Wahrheitsbegriff sowie eine darauf aufbauende sich selbst radikalisierende Systemopposition verfestigen sich zunehmend in den Sozialen Medien. Angst, Abwehrgefühle und Opfermentalität bestärken eine digitale Gegenöffentlichkeit, die sich zusehends abkoppelt. Auch Jugendliche und junge Erwachsene werden damit Teil dieses radikalisierten und sich weiter radikalisierenden Netzwerkes. Einen eindrucksvollen Einblick in die Mechanismen der digitalen Ausgrenzung gab vor ein paar Tagen die österreichische Extremismusforscherin Julia Ebner vom Londoner Institute for Strategic Dialogue. In ihrem neu erschienenen Werk „Radikalisierungsmaschinen“ beschreibt sie ihre Erfahrungen in Kommentarspalten, offenen Whatsapp-Gruppen sowie geschlossenen Threads und analysiert, wie tief digitaler Rechtsextremismus in das Leben von uns allen und insbesondere in das der jungen Menschen eingreift . Es scheint bei einem Blick auf Deutschland, aber wohl auch darüber hinaus, so zu sein, wie der Münchener Soziologe Armin Nassehi es in seinen Analysen der digitalen Gesellschaft konstatiert: Wer im digitalen das radikale Rechte bedient, der verschafft sich Gehör . All das stellt uns Demokratinnen und Demokraten vor Fragen. Es stellt die politische Bildung vor Fragen, und sicherlich stellt es auch Sie, als wesentliche Elemente des Netzwerkes „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ vor Fragen. Ein Blick in das Programm dieser beiden Tage zeigt, dass sie sich diese Fragen auch stellen wollen. Wir müssen uns damit beschäftigen, wie wir die heterogene Gesellschaft als eine Gesellschaft der Vielfalt und der Gleichwertigkeit, erhalten können. Eine aus meiner Sicht unerlässliche Perspektive bei der Betrachtung unserer Gesellschaft ist die des Postkolonialismus. Nicht umsonst stand und steht dieses Thema immer wieder im Zentrum der Betrachtungen und der Arbeit der Bundeszentrale für politische Bildung. Eine Vielzahl an Aspekten der momentanen gesellschaftlichen Situation sind darauf zurückzuführen, dass wir alle gebunden sind an koloniale Machtstrukturen. Diese binden ein und schließen aus, sie reproduzieren Klischees und verfestigen Diskriminierungen . Der Tatsache müssen wir uns stellen. Einhergehen muss damit auch der Verlust an weißer, oft genug männlicher Deutungshoheit: eine diverse Gesellschaft, die es ernst meint mit dem Grundsatz der Gleichwertigkeit, muss Plätze schaffen, in denen das koloniale Bild des „tonangebenden weißen Mannes“ nicht weiter unverändert fortbesteht . Ein weiterer Aspekt betrifft die Netzgesellschaft. Den von mir beschriebenen Umwälzungsprozessen in den Räumen der Digitalität muss sich die gesamte demokratische Gesellschaft entgegenstellen. Es klingt nach einer Binsenweisheit im Jahr 2019, dennoch muss festgehalten werden: Die Sozialen Medien werden in zunehmendem Maße von Extremisten besetzt. Der Umgang mit Ihnen gleicht zurzeit noch viel zu oft dem Lauf vom Hasen und dem Igel. Denken Sie nur an das jüngste Urteil des hiesigen Berliner Landesgerichts, das unglaubliche sprachliche Entgleisungen eines rechten Netzaktivisten gegen die Grünen-Bundestagsabgeordnete Renate Künast „hinnehmbar“ findet. Die Extremisten scheinen immer einen Schritt weiter zu sein, sodass der Rest der Gesellschaft nur reagieren kann. Versuchen wir das zu ändern. Versuchen wir digitale Räume zu schaffen, in denen Hass stets Gegenrede findet. Dabei sollten wir den Grundgedanken der politischen Bildung nicht aus den Augen verlieren. Was aktuell immer wieder unter dem Label „Demokratiepädagogik“ gefördert wird, setzt Schwerpunkte, die von den Vorstellungen der politischen Bildung stark divergieren. Die Förderung politischer Teilhabe, die Ermutigung am politischen Willensprozess teilzunehmen und sich aktiv einzubringen sind etwas anderes, als die dort zutage tretende interventionistische Vorstellung von politischer Bildung und der Interpretation von Demokratieförderung als Gefahrenabwehr. Politische Bildung soll eine Einladung sein, aktiv mitzugestalten und nicht „Brände löschen“, die gesellschaftlich lodern. Es geht hier nicht um eine „Versicherheitlichung“ der politischen Bildung“, sondern um ein sicher machen unserer Demokratie durch lebenslanges Demokratielernen. Aber Demokratie muss nicht nur einmal gelernt werden – sie ist kein starres Konstrukt, sondern ständiger Bewegung und Mutationen unterworfen. Sie muss also auch immer und immer wieder aufs Neue kennengelernt, erprobt und eingeübt werden. Im Gegensatz zum Fahrradfahren kann Demokratie nämlich sehr wohl „verlernt“ werden. Bildungsangebote in diesem Bereich dürfen dementsprechend nicht mit dem Ende der Schulzeit aus dem Sichtfeld verschwinden, sondern müssen mündigen Bürgerinnen und Bürger ihr Leben lang zur Verfügung stehen. Sie ist kein Erbgut. Sie lebt, wenn sie immer wieder erneuert wird. Vor kurzem sprach ich beim Festakt der Arbeitsgemeinschaft des Kinder- und Jugendschutzes und zitierte den Erziehungswissenschaftler Kurt Möller, und auch hier trifft sein Zitat den Kern: Wir müssen uns auf die „Konstruktionsarbeit an der Demokratie“ konzentrieren – und die schlägt fehl, wenn wir dabei die Schülerinnen und Schüler ignorieren. Meine Damen und Herren, liebe Sanem Kleff, lieber Eberhard Seidel, ich freue mich über so viel Verbündete bei dieser gewaltigen Aufgabe und wünsche ich uns allen viel Durchhaltevermögen. Wir werden es brauchen. - Es gilt das gesprochene Wort! -
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2021-06-23T00:00:00
2019-09-27T00:00:00
2021-06-23T00:00:00
https://www.bpb.de/die-bpb/presse/297701/grusswort-beim-bundeskongress-schule-ohne-rassismus-schule-mit-courage/
Beim Bundeskongress „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ richtet sich Thomas Krüger mit einem Grußwort an die Teilnehmenden
[ "Thomas Krüger", "Rede", "bpb" ]
576
Episode 1 - Überleben | Krieg der Träume 1918-1938 | bpb.de
Sommer 1918. Seit vier Jahren tobt der Interner Link: Erste Weltkrieg. Lange waren die Fronten festgefahren, Hunderttausende sind in dem brutalen Stellungskrieg gefallen. Doch seit dem Kriegseintritt der Amerikaner 1917 haben sich die Alliierten Vorteile erkämpft. Im Herbst 1918 ist eine deutsche Niederlage nicht mehr abzuwenden: Deutschland muss kapitulieren. Am 11. November tritt der Waffenstillstand in Kraft. Bildergalerie Krieg der Träume: Episode 1 Interner Link: Hans Beimler ist Obermaat bei der kaiserlichen Hochseeflotte in Cuxhaven. Als seine Mannschaft im Oktober 1918 zu einer letzten, aussichtslosen Schlacht auslaufen soll, meutert die Besatzung und schließt sich dem Interner Link: Kieler Matrosenaufstand an. Interner Link: Marina Yurlova, ehemalige Kosakensoldatin im Dienste des Zaren, wird in Sibirien von der tschechoslowakischen Legion vor einem Erschießungskommando der Roten Armee gerettet. Sie will zurück an die Front, doch ein tschechischer Hauptmann rettet das Leben der jungen Frau, indem er sie in einen Zug nach Wladiwostok setzt. Die junge Polin Apolonia Chalupiec träumt in Berlin von einer Karriere als Filmschauspielerin. Der deutsche Regisseur Interner Link: Ernst Lubitsch fördert die junge Frau mit dem geheimnisvollen Künstlernamen Interner Link: Pola Negri; er gibt ihr die Hauptrolle in seinem Film "Carmen". Damit gelingt ihr der Durchbruch. Interner Link: Charles Edward Montague, Chef der britischen Militärzensur, erlebt das Ende des Krieges im belgischen Mons. Er trifft auf einen deutschen Leutnant, der ihn anfleht, ihn unter seinen Schutz zu stellen, denn er fürchtet die Rache seiner Soldaten, die er noch bis kurz vor den Waffenstillstand in den Kampf getrieben hat. Montague lehnt ab. Wenige Tage später findet er den deutschen Offizier erhängt an einem Baum, ermordet von seinen eigenen Leuten. Interner Link: Marie-Jeanne Picqueray, jung und frisch verheiratet, kämpft im Behelfskrankenhaus von St. Nazaire mit der Interner Link: Spanischen Grippe. Sie hat Glück. Sie wird wieder gesund – und entscheidet sich, ein neues Leben zu beginnen: Sie flieht vor ihrem gewalttätigen Ehemann und aus der Enge der Provinz nach Paris. Dauer: 52 Minuten
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2021-06-23T00:00:00
2019-12-02T00:00:00
2021-06-23T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/erster-weltkrieg-weimar/krieg-der-traeume-1918-1938/301332/episode-1-ueberleben/
Sommer 1918. Seit vier Jahren herrscht ein brutaler Stellungskrieg. Obermaat Beimler meutert - er will in diesem aussichtslosen Krieg nicht mehr für den Kaiser kämpfen. Pola Negri gelingt ihr Durchbruch. Marie-Jeanne Picqueray besiegt die Spanische G
[ "Krieg der Träume", "Weimarer Republik", "Faschismus", "Nationalsozialismus", "Kommunismus", "Erster Weltkrieg" ]
577
Staatsbürgerschaft | Türkei | bpb.de
Die türkische Staatsbürgerschaft wird hauptsächlich auf drei Wegen vergeben. Kinder von türkischen Müttern oder Vätern erhalten die Staatsbürgerschaft automatisch ex lege, unabhängig davon, ob das Kind in der Türkei geboren wurde oder nicht. Kinder nicht-türkischer Eltern, die in der Türkei geboren werden, und die keinen Zugang zur Staatsbürgerschaft ihrer Eltern haben, erhalten die türkische Staatsbürgerschaft ebenfalls automatisch (ius soli). Die türkische Staatsbürgerschaft kann auch nach dem Ermessen der Behörden vergeben werden. Die Gesetzgebung hinsichtlich der Staatsbürgerschaft wird hauptsächlich im Staatsbürgerschaftsgesetz (Gesetz Nr. 403 vom 11. Februar 1964) geregelt. Jüngste Änderungen des Gesetzes haben einen wichtigen Einfluss auf den Schutz der Rechte von Zuwanderern gehabt und spiegeln die Veränderungen in der Herangehensweise der Türkei im Umgang mit Migranten wider. Vor Einführung einer Gesetzesänderung im Jahr 2003 konnten ausländische Frauen die türkische Staatsbürgerschaft direkt erhalten, indem sie einen türkischen Staatsbürger heirateten. Eine große Zahl irregulärer Migrantinnen erlangte auf diese Art und Weise durch Scheinehen Aufenthaltsgenehmigungen. Zur gleichen Zeit war es für männliche Migranten eher schwierig, die türkische Staatsbürgerschaft durch eine Heirat zu erlangen. Heute sind die Bedingungen zum Erlangen der Staatsbürgerschaft durch Eheschließung für beide Geschlechter vereinheitlicht. Das geänderte Gesetz legt fest, dass Ausländerinnen oder Ausländer, die mit türkischen Bürgerinnen oder Bürgern verheiratet sind, die Staatsbürgerschaft nur unter der Bedingung erlangen können, dass ihre Ehe länger als drei Jahre dauert. Kinder solcher Ehepaare erhalten die türkische Staatsbürgerschaft jedoch unverzüglich. Um die Bindung zu den türkischen Migranten im Ausland zu erhalten, die sich zunehmend für einen dauerhaften Aufenthalt in ihren Gastländern und die Aufgabe ihrer türkischen Staatsbürgerschaft entscheiden, änderte die Türkei ihr Staatsbürgerschaftsgesetz und legalisierte 1981 die doppelte Staatsbürgerschaft. Die große Zahl türkischer Bürger im Ausland und deren wirtschaftliches Gewicht erklären, warum die Toleranz gegenüber einer doppelten Staatsbürgerschaft im Land gewachsen ist. Eine Vielzahl türkischer Emigranten-Organisationen, insbesondere in Deutschland, haben viel Zeit und Einsatz dafür aufgewandt, die politischen Entscheidungsträger in der Türkei davon zu überzeugen, die Integration der Zuwanderer in den jeweiligen Gastländern zu förden, ohne dass diese ihr Erbrecht in der Türkei aufgeben müssen. Doch auch die Offenheit des türkischen Staatsbürgerschaftsgesetzes und die offene Haltung gegenüber der doppelten Staatsbürgerschaft ändern nichts an der Tatsache, dass viele türkische Migranten noch immer Probleme haben, die Staatsbürgerschaft in ihren Aufnahmeländern zu erlangen. Die fehlende Anerkennung durch die Gastländer hindert die Migranten jedoch nicht daran, politisch aktiv zu werden. In Deutschland, wo die doppelte Staatsbürgerschaft ein kontroverses Thema darstellt, werden Migranten-Verbände unterstützt. Dementsprechend gibt es insgesamt 2.014 aktive türkische Migrantenverbände in Deutschland. 668 dieser Verbände sind religiöse Gemeinschaften, 670 beteiligen sich an sozio-kulturellen, 343 an sportlichen und 333 an anderweitigen Aktivitäten. Ein Großteil dieser Gemeinschaften wird mit islamischen Bewegungen in Verbindung gebracht; eine nennenswerte Zahl von ihnen vertritt die kurdische Diaspora. Siehe Kadirbeyoğlu (2007, 2007b). Siehe İçduygu (2007b). Siehe Kadirbeyoğlu (2007, 2007b). Siehe Kaya (2005). Siehe Abadan-Unat (2002).
Article
Ahmet İçduygu und Deniz Sert
2022-01-12T00:00:00
2012-01-25T00:00:00
2022-01-12T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/migration-integration/laenderprofile/57920/staatsbuergerschaft/
Sie wird auf drei Wegen vergeben. Kinder erhalten die Staatsbürgerschaft automatisch – ebenfalls Kinder nicht-türkischer Eltern, die in der Türkei geboren werden, aber keinen Zugang zur Staatsbürgerschaft ihrer Eltern haben. Sie kann zudem nach dem E
[ "Türkei", "Staatsbürgerschaft", "Einwandererbevölkerung", "Staatsbürgerschaftsgesetz", "Migranten" ]
578
Familien-Zeitpolitik | Familienpolitik | bpb.de
Die Geschichte der Familien-Zeitpolitik in Ost- und Westdeutschland seit 1949 sowie in der Bundesrepublik Deutschland nach der Wiedervereinigung sollen in dieser Zeitleiste übersichtlich und kurz dargestellt werden. Weiterführende Information zu diesem Themenbereich finden Sie hier. Konzeption und Umsetzung Der renommierte Familienforscher und Mikrosoziologe Hans Bertram hat gemeinsam mit der Sozialwissenschaftlerin Carolin Deuflhard die Inhalte der Zeitleisten zusammengestellt. Benjamin Erfurth hat die Zeitleisten graphisch umgesetzt. Der renommierte Familienforscher und Mikrosoziologe Hans Bertram hat gemeinsam mit der Sozialwissenschaftlerin Carolin Deuflhard die Inhalte der Zeitleisten zusammengestellt. Benjamin Erfurth hat die Zeitleisten graphisch umgesetzt.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2022-02-08T00:00:00
2022-02-08T00:00:00
2022-02-08T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/familie/familienpolitik/504937/familien-zeitpolitik/
Die Zeit für Familien zu schaffen ist eine wichtige Aufgabe der Familienpolitik: vom Haushaltstag in der DDR, zu Erziehungsgeld, Mutterschutz und Betreuungsgeld. Im Wandel der deutschen Geschichte gab es eine Vielzahl von Ansätzen. Diese Zeitleiste v
[ "Familienpolitik" ]
579
Vor 30 Jahren: Deutsch-polnischer Grenzvertrag | Hintergrund aktuell | bpb.de
Am 14. November 1990 unterzeichneten der deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher und sein polnischer Amtskollege Krzysztof Skubiszewski in Warschau den deutsch-polnischen Grenzvertrag. Dieser völkerrechtliche Vertrag legte die bestehende Grenze zwischen beiden Staaten – die Oder-Neiße-Linie – als "unverletzlich" und endgültig fest. Polen und Deutschland verpflichteten sich gegenseitig "zur uneingeschränkten Achtung ihrer Souveränität und territorialen Integrität". Ablehnung und Annäherung Im Interner Link: Potsdamer Abkommen vom 2. August 1945 hatten sich die alliierten Siegermächte Großbritannien, USA und der Sowjetunion darauf verständigt, die vormaligen deutschen Gebiete östlich der Oder-Neiße-Linie bis zu einer endgültigen Festlegung der Westgrenze Polens unter die Verwaltung des polnischen Staates zu stellen. Seither beharrte die polnische Regierung auf der in Potsdam festgelegten Grenze entlang der Oder und der Lausitzer Neiße. Während die DDR diese mit dem Görlitzer Abkommen von 1950 als deutsch-polnische Grenze anerkannte, wollte die damals CDU-geführte Regierung der Bundesrepublik Deutschland die Grenze nicht akzeptieren. Erst als im Jahr 1969 die sozial-liberale Regierungskoalition von SPD und FDP unter Führung von Bundeskanzler Willy Brandt antrat, kam es zu ersten Annäherungen. Im Dezember 1970 unterzeichneten die Bundesrepublik Deutschland und die Volksrepublik Polen in Warschau den "Vertrag über die Grundlagen der Normalisierung ihrer gegenseitigen Beziehungen" (kurz: Interner Link: Warschauer Vertrag). Dieser Vertrag war Teil der neuen westdeutschen Politik eines "Wandels durch Annäherung", die auch darauf ausgelegt war, engere Beziehungen mit der Sowjetunion und der DDR aufzubauen. Im Rahmen des Warschauer Vertrages verpflichteten sich die Bundesrepublik Deutschland und Polen zudem dazu, Streitfragen friedlich zu lösen und auf Gewaltanwendung sowie gegenseitige Gebietsansprüche zu verzichten. 1972 nahmen beide Seiten offizielle diplomatische Beziehungen auf. Auch wenn der Warschauer Vertrag eine deutliche Annäherung zwischen den beiden Staaten einleitete und die Oder-Neiße-Linie faktisch anerkannte, war sie völkerrechtlich noch immer nicht legitimiert. So erklärte etwa das Bundesverfassungsgericht im Jahr 1975, Veränderungen im territorialen Status von Deutschland könnten völkerrechtlich verbindlich ausschließlich von den Siegermächten vorgenommen werden. Schwierige Vorverhandlungen Als am 9. November 1989 die Mauer fiel, wurde die Grenzfrage abermals virulent. Während der ersten Jahreshälfte 1990 wurde immer deutlicher, dass es zu einer deutschen Wiedervereinigung kommen würde. Angesichts dessen forderte die polnische Regierung unter Interner Link: Premier Tadeusz Mazowiecki eine Grenzgarantie. Der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) wollte die Grenze zu Polen aber erst durch "eine frei gewählte gesamtdeutsche Regierung und ein frei gewähltes gesamtdeutsches Parlament" anerkennen lassen. Dies stieß auf polnischer Seite zunächst auf heftige Kritik. Auch eine Externer Link: Resolution, die der Bundestag zur Oder-Neiße-Frage am 8. März 1990 verabschiedete und in der er seine Absicht bekräftigte, "die Grenzfrage in einem Vertrag zwischen einer gesamtdeutschen Regierung und der polnischen Regierung zu regeln, der die Aussöhnung zwischen beiden Völkern besiegelt", war für Warschau nicht ausreichend; in der polnischen Öffentlichkeit kamen alte Ängste auf, dass Deutschland wieder Ansprüche auf die Gebiete östlich der Oder-Neiße-Linie erheben könnte. Schließlich verständigten sich beide Seiten aber hinsichtlich des Zeitpunkts der Grenzanerkennung und des Vertragsinhalts auf einen Kompromiss. Im Interner Link: Zwei-plus-Vier-Vertrag vom 12. September 1990, an dessen Ausarbeitung Polen beteiligt war, wurde in Externer Link: Artikel 1 Absatz 2 vereinbart, dass das vereinte Deutschland und die Republik Polen die zwischen ihnen bestehende Grenze in einem völkerrechtlich verbindlichen Vertrag bestätigen sollten. Am 14. November 1990 unterzeichneten der deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher und sein polnischer Amtskollege Krzysztof Skubiszewski in Warschau den Vertrag. Die jeweiligen Parlamente ratifizierten ihn Ende 1991, sodass der Vertrag am 16. Januar 1992 nach dem Austausch der Ratifikationsurkunden in Warschau in Kraft trat. Der Grenzvertrag legte das Fundament für eine deutsch-polnische Nachbarschaft und Partnerschaft. Am 17. Juni 1991 unterzeichneten beide Staaten zudem den "Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit", der neben dem Grenzvertrag bis heute die wichtigste Grundlage für die Zusammenarbeit bildet. Die deutsch-polnische Zusammenarbeit findet ihren Ausdruck unter anderem in bilateralen Konsultationen der Regierungen sowie in den trilateralen Treffen im Rahmen des Interner Link: Weimarer Dreiecks – einem Forum für Konsultationen zwischen Deutschland, Polen und Frankreich. Auch wirtschaftlich sind Deutschland und Polen eng verbunden: Deutschland ist der mit Abstand wichtigste Handelspartner für Polen; Polen wiederum löste Großbritannien als sechstwichtigsten Handelspartner Deutschlands ab. Mehr zum Thema: Interner Link: 25 Jahre Aussöhnung zwischen Deutschland und Polen (Hintergrund aktuell, 16.06.2016) Interner Link: Deutsch-polnische Beziehungen (Dossier) Interner Link: Die deutsch-polnische Sicherheits- und Verteidigungszusammenarbeit (Polen-Analysen, Oktober 2020) Interner Link: Polen (Aus Politik und Zeitgeschichte 10-11/2018)
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2022-02-07T00:00:00
2015-11-11T00:00:00
2022-02-07T00:00:00
https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/215326/vor-30-jahren-deutsch-polnischer-grenzvertrag/
Am 14. November 1990 legten die Bundesrepublik Deutschland und die Republik Polen endgültig den Verlauf ihrer Grenze fest. Deutschlands Ost- und Polens Westgrenze war seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs umstritten.
[ "Deutsch-polnische Beziehungen", "Polen", "Vertriebene", "Zwei-plus-Vier-Vertrag", "deutsche Wiedervereinigung", "Oder-Neiße-Grenze" ]
580
تعليم المواطنة في ألمانيا | Country Profiles: Citizenship Education Around the World | bpb.de
تعرفوا على تعليم المواطنة في ألمانيا حيث ستجدون معلومات عن تعريف المواطنة، النظام البيئي لتعليم المواطنة الغير الرسمي، البيئة القانونية، الجهات المعنية و التحديات. بالإضافة سنقوم بشرح العروض التعليمية في ألمانيا و أثرها على مفهوم المواطنة في ألمانيا. المحتوى: Interner Link: 1. معلومات مرجعية Interner Link: 2. تعريف تعليم المواطنة Interner Link: 3. النظام البيئي لتعليم المواطنة غير الرسمي Interner Link: 4. العروض التعليمية من حيث المحتوى، والغرض، والمنهجية، والانتساب الفلسفي Interner Link: 5. البيئة القانونية لتعليم المواطنة الرسمية Interner Link: 6. الجهات المعنية Interner Link: 7. التحديات Interner Link: 8. الحواشي 1. معلومات مرجعية يرتبط تاريخ تعليم المواطنة في ألمانيا ارتباطًا وثيقًا بتجربة الحكم الشمولي في أيامه الديمقراطية الأولى. كان من المفهوم أنَّ تطوُّر المواقف الديمقراطية داخل ألمانيا عنصرٌ لا غنى عنه في تأسيس ديمقراطيةٍ مستقرة في الجمهورية الاتحادية بعد عام ١٩٤٥ وفي ألمانيا التي توحدت مرةً أخرى في عام ١٩٨٩. كان يُنظَر إلى فشل تجربة فايمار الديمقراطية والسهولة التي استولى بها هتلر على السلطة في ألمانيا في عام ١٩٣٣ على أنَّهما يُرجَعان بصفةٍ جزئية إلى الأنظمة التعليمية التي كانت سلطوية ومناهضة للديمقراطية في حد ذاتها، وغير قادرة على نشر فكرة القيم الديمقراطية [1]. وعلى الرغم من اختلاف إستراتيجيات قوى الاحتلال الأربع اختلافًا ملحوظًا من حيث الهدف والمحتوى والمنهجية، إلا أنَّ الجميع قد اتفقوا على أنَّ إقامة ديمقراطيةٍ مستقرة تتطلب ما هو أكثر من مواطنين يتشدَّقون بالكلام عن المبادئ الديمقراطية بينما هم يتقبلون على مضض النظام الديمقراطي الذي فرضته عليهم سلطات الاحتلال [2].وقد أكَّد هذا التشخيص أنَّ مجرد نقل المعلومات على أساس المنطق الكامن وراء الأنظمة الديمقراطية لم يكن كافيًا. كان من المطلوب التركيز على تنمية المواقف والممارسات الديمقراطية بدلًا من فرض بعض الأفكار "من قِبَل السلطات العليا". وسرعان ما ظهرت عقيدة أنَّ "الديمقراطيات بحاجة إلى ديمقراطيين" كعقيدةٍ أساسية لمفهوم تعليم المواطنة، وهي لا تزال سارية حتى اليوم. بحلول الستينيات من القرن الماضي، أخذت المقاربات اليسارية الجديدة الجدل لما هو أبعد من ذلك، حيث طالبت باكتساب تعليم المواطنة لمزيدٍ من التحرر، وشجعت الشعب على التشكيك في السلطة ومقاومتها إذا لزم الأمر. وعلى نقيض ذلك، وُجِدت مقاربات اتخذت موقفًا أكثر "عقلانية" وأقل تسييسًا، تؤكد على اكتساء المعلومات والتفكُّر قيمةً أكبر من النشاط السياسي. اعتقد أحدهم أنَّ الهدف من تعليم المواطنة كان مساعدة المواطنين على التوصل إلى أحكامٍ رشيدة؛ واعتقد الآخر أنَّ تعليم المواطنة تمثَّل في تعليم المواطنين كيفية تحرير أنفسهم من أولئك الذين قد يسعون للاستيلاء على السلطة. وبسبب المطالب الاجتماعية والسياسية التي طرحها تعليم المواطنة، كان النقاش في بعض الأحيان محل نزاع شديد. وفي صميمه، أعاد إثارة الجدل حول النظرية العلمية القائمة بين العقلانية الانتقادية والنظرية الانتقادية. بعد إعادة توحيد ألمانيا في عام ١٩٨٩، كان يُنظَر إلى "إعادة التعليم" على أنَّه ترياقٍ ضروري لسنواتٍ من التلقين المُكثَّف في ظل النظام الشمولي. ومرةً أخرى، تمَّ التأكيد على أنَّ تضمين القيم والممارسات الديمقراطية واستيعابها سيكون الأكثر فعاليةً في القضاء على الأفكار المعادية للديمقراطية بين صفوف الشعب. ولا يعتبر تعليم المواطنة في ألمانيا متحيزًا ولكنه أيضًا غير محايد؛ فهو متجذر في قيم الديمقراطية وتفسيرها الموجود في الدستور، أي في القانون الأساسي الألماني.و في مرحلة ظهوره الأولى، تمَّ اشتقاق تعليم المواطنة من مجالات التعليم والعلوم السياسية وثيقة الصلة، ولم يتطور البرنامج إلى تخصصٍ أكاديميٍّ مستقل إلا في فترة الستينيات. ومنذ ذلك الحين، طالب بالحق في مداولة المسائل المتعلقة بوضع خطط عمليات تعليم المواطنة وتنفيذها وتقييمها؛ ويتضمن هذا الدور البحث التجريبي، والتفكير (المعياري)، وتصميم عمليات التعلُّم وتنفيذها. 2. التعريف تعليم المواطنة لطالما كان التعريف الدقيق لتعليم المواطنة موضع خلاف. ويتمحور النقاش حول ماهية المعارف التي يجب تطبيقها، والتخصصات الأكاديمية التي يجدر وضعها بعين الاعتبار فيما يتعلق بموضوعات محتوى تعليم المواطنة، والأطر المفاهيمية الأكثر تبشيرًا على صعيد عمليتَي التدريس والتعلُّم المُتَّسمتَين بالفاعلية والجدوى. اجتمعت مواقفُ مختلفة خلال النقاش الأكاديمي المستمر [3]، وبُذِلت المحاولات الأولى في إعادة ترسيخ العلوم السياسية على أنَّها التخصص المرجعي لتعليم المواطنة [4]. يستخدم النموذج الثاني مجالات شتى ضمن إطار العلوم الاجتماعية، مع إعطاء كل مجال منها أهميته الخاصة، في مسعى لجعل تعليم المواطنة مادة وسيطة [5]. يشير المنظور الثالث بقدرٍ كبير إلى الخطاب الديمقراطي والإسهام المدني [6]. ويؤكد الموقف الرابع على أهمية المادة المستقلة، ويستخدم المعرفة السابقة للمتعلمين كنقطته المرجعية [7]. ما تشترك فيه المقاربات الثلاث الأولى هو أنَّها تُشدِّد على وضع مرتكز تعليم المواطنة في الإطار الأكاديمي، سواء في العلوم السياسية، أو العلوم الاجتماعية، أو دراسة الديمقراطية. أما المقاربة الرابعة، فقد ابتعدت عن المطالب التي قدمتها الدوائر الأكاديمية المؤسسية، وتُحبِّذ بدلًا من ذلك استخدام تصورات الأفراد كنقطة انطلاق من أجل تطوير مقاربات يتمحور تركيزها حول المواطنين. تُترجَم كلٌّ من أطر العمل المختلفة إلى أهداف وغايات تعليمية مختلفة يتمُّ اتباعها في الفصل الدراسي، وتتطرق في الحديث بدرجاتٍ متفاوتة إلى النماذج النظرية للمواطنة، مثل الليبرالية، والمواطنة الجمهورية، والنموذج النقدي [8]. وتُركِّز المقاربة الليبرالية لتعليم المواطنة على تنشئة مواطنين مستقلين يمكنهم العمل من أجل دعم مصلحتهم الخاصة، كما تُركِّز على تعزيز المستوى الأساسي من معرفة المواطنة لدى الأفراد وتعزيز ميولهم نحو الإسهام. وتؤكد مقاربة المواطنة الجمهورية على ضرورة انخراط المواطنين بفاعلية في المجتمع كمواطنين متساوين وأحرار. وتُشدِّد المقاربة على مسؤولية المواطنة في العمل من أجل تحقيق الصالح العامّ. وتُركِّز المقاربة النقدية على تحسين المجتمع ونقده من خلال العمل السياسي والتغيير الاجتماعي. وتعتمد هذه المقاربة على فكرة التمكين، والعدالة الاجتماعية، ونقد الوضع الراهن. وفي عام ٢٠١٦، نشر علماء من المدرسة النقدية للفكر دليلًا للمبادئ الأساسية، وهو "إعلان فرانكفورت: من أجل تربية سياسية متحررة ونقدية" [9]. وكان الدليل يهدف إلى إعادة توجيه النقاش القائم حول أهداف تعليم المواطنة وموضوعاته نحو مقاربة أقدر على إحداث تغيير في تعليم المواطنة. ويُركِّز الإعلان على ستة مجالات رئيسية، هي: الأزمة، والجدل، وانتقاد السلطة، والانعكاسية، والتمكين، والتغييرات. وعلى الرغم من الأفكار المتنافسة لتعليم المواطنة، يوجد اتفاقٌ واسع النطاق يتمثل في ثلاثة مبادئ أساسية يُعرَف باسم "اتفاق بويتلزباخ". في عام ١٩٧٦، شكَّل مؤتمر علماء التربية مدارس بيداغوجية مختلفة تناولت الحاجة إلى تجنُّب التلقين. وكان التعليم كواسطة دعائية وكوسيلة لغسل أدمغة المواطنين قضيةً ذات حساسية خاصة في الجمهورية الاتحادية بسبب سياسات التلقين النازية والشيوعية السابقة [10]. اتفق المشاركون في المؤتمر على مجموعة من المبادئ التوجيهية التي تؤكد على مفهوم التعليم "الموضوعي"، حيادي القِيَم [11]. يحظر المبدأ الأول على التربويين إغراق الطلاب وتحميلهم فوق قدرتهم بالآراء أو المواقف أو القيم السياسية. ويتعارض أي نوع من التلقين مع الفكرة الأساسية المتمثلة في تنشئة فردٍ يتحلى بالثقة بالنفس ويُقيِّم الأمور بعينٍ ناقدة، ومن ثَمَّ يتعذر التوافق بين التلقين وتعليم المواطنة بوجهٍ عامّ. وبموجب المبدأ الثاني، يُتوَقع من التربويين إمعان التفكير في تنوع وجهات النظر وتعدد المصالح وما ينطرح جراء ذلك من مشكلات. وإذا كان هناك موضوعٌ ما مثيرٌ للجدل في العلوم أو السياسة أو المجتمع بشكلٍ عامّ، فيجب أن يُدرَّس على هذا النحو أيضًا بمادة تعليم المواطنة. أما المبدأ الثالث، فيفترض أنَّ الطلاب يتعين تدريبهم على كيفية تحليل مصالحهم السياسية والتأثير في المجتمع بطريقةٍ واقعية من أجل تحقيق تلك المصالح. وقد لعب "اتفاق بويتلزباخ" دورًا بارزًا في مجال تعليم المواطنة في ألمانيا ولا يزال يُمثِّل ركيزةً أساسية. ومع ذلك، كان النُّقاد الجدد يطالبون بضرورة التشكيك بشكلٍ صريح في الافتراضات المعيارية والضمنية والآثار المترتبة على الاتفاق؛ إذ إنَّها تتحدث ضمنيًّا لصالح الوضع الراهن بدلًا من الحديث عن المفاهيم التحررية الحقيقية. تحوَّل "الاتفاق" إلى محور للنقاش العامّ في عام ٢٠١٨. وقد طالب حزب أقصى اليمين السياسي في ألمانيا "البديل من أجل ألمانيا " (AFD) بالتزام "الحيادية" بشكلٍ تام في تعليم المواطنة عند تدريس القضايا السياسية أو المثيرة للجدل. وأشار الحزب، من بين أمورٍ أخرى، إلى المبدأَين الأول والثاني لـ "اتفاق بويتلزباخ" عندما حاجوا بأنَّ المعلمين لا بد ألا يروِّجوا لوجهات نظرٍ سياسية أو تستند إلى القيم في الفصول الدراسية، بل بالأحرى عليهم أن يعرضوا وجهات النظر المعارِضة على نحوٍ متوازن، بما في ذلك وجهات النظر اليمينية. وقد أجَّج تقدُّم "حزب البديل من أجل ألمانيا" احتجاجًا شعبيًّا. وأوضحت السلطات والمؤسسات التعليمية وجماعات المناصرة أنَّ موقف الحيادية تجاه وجهات النظر اليمينية يعتبر في حد ذاته خيارًا سياسيًّا، وهو خيار يُعزِّز العنصرية ومعاداة السامية. وسرعان ما نشرت هيئة المدارس الألمانية إعلانًا توضح فيه أنَّ الممارسة داخل الفصول الدراسية لا ينبغي أن تكون حيادية بشأن القِيَم، ولكنها ملزمة باتخاذ موقفٍ مؤيد لحقوق الإنسان والقِيَم الديمقراطية [12]. في الواقع، يُحظَر على المعلمين قانونًا مناصرة الأحزاب السياسية أو الاستخفاف بها، ومع ذلك وفي الوقت نفسه، تقع على عاتقهم مسؤولية قانونية لمواجهة المواقف التي تطرح معاداة السامية والعنصرية، وكذلك التمييز ضد المثليات والمثليين، ومزدوجي الميول الجنسية، ومغايري الهوية الجنسانية، أو أي شكلٍ آخر من أشكال التمييز [13]. 3. النظام البيئي لتعليم المواطنة غير الرسمي يتميز نظام تعليم المواطنة غير الرسمي في ألمانيا بتنوعه بتنوع ست عشرة ولاية اتحادية، تُعرَف باسم Länder، تُحدِّد كلٌّ منها أولوياتها وأهدافها المتعلقة بالتعليم؛ ما يسمح بالتالي بوجود نظامٍ لامركزي للتعليم غير الرسمي. ومع ذلك، هناك بعض السياسات العامة والشاملة وبعض صناديق التمويل الاتحادية. يعتبر صندوق "Kinder- und Jugendplan des Bundes" (خطة الاتحاد بشأن الأطفال والشباب) هو الصندوق الرئيسي التابع للاتحاد الذي يسمح بالتنوع في تعليم المواطنة غير الرسمي، فهو يُموِّل مجموعة متنوعة من المنظمات غير الحكومية والمراكز الإقليمية؛ ما يضمن وجود مقارباتٍ متنوعة ومحايدة لتعليم المواطنة.و يتميز وضع تعليم المواطنة غير الرسمي بنطاقٍ من الإعالة من وكالات تقع خارج حيز المسؤولية المباشرة للحكومة الاتحادية أو الحكومات الإقليمية، مع التركيز بشكلٍ خاص على تنوع التعليم. منذ عامَي ٢٠١٩ و٢٠٢٠، عندما فقدت مجموعة من منظمات المجتمع المدني العاملة في مجال تعليم الكبار وضعها غير الربحي، خَشِيَ مقدمو الخدمات التعليمية غير الرسمية في ألمانيا من تقييد السلطات للخطاب السياسي في المجتمع المدني.و في قرارٍ نُشِر في عام ٢٠١٩، قضت محكمة ألمانيا العليا لشؤون الضرائب والجمارك بأنَّ المجموعة الناشطة "أتاك" (الرابطة المعنية بفرض الضرائب على المعاملات المالية لمساعدة المواطنين، ATTAC) لم تَعُد مؤهلة للتمتع بصفة المنظمة غير الربحية بسبب نشاطها السياسي العامّ ودعواتها لتقديم المطالبات واتخاذ الإجراءات الملموسة[14]. وينص القانون الضريبي الألماني على أنَّ الشركات التي تخدم الصالح العامّ بشكلٍ مباشر مؤهلةٌ للتمتع بحق الإعفاء الضريبي. ووفقًا للمحكمة، فإن تعزيز تعليم الكبار يتطلب مناقشة المسائل السياسية بذهنٍ متفتح، إلا أنَّه لا يجوز استخدامه لتحقيق أهدافٍ سياسيةٍ محددة. ويتعرض بقاء العديد من مؤسسات التعليم غير الرسمي للخطر إذا ما تمَّ إلغاء صفتها غير الربحية. 4. العروض التعليمية من حيث المحتوى، والغرض، والمنهجية، والانتساب الفلسفي تضطلع مجموعةٌ متنوعة من الوكالات الحكومية وغير الحكومية بتطبيق تعليم المواطنة غير الرسمي، وهي تشمل المدارس، والكليات، ومؤسسات تعليم الكبار الممولة من القطاع العامّ، والنقابات، والكنائس. ويُفسِّر تاريخ ألمانيا الدور المهم الذي تلعبه المؤسسات التي تكون بالضرورة، في بعض الحالات، فريدة من نوعها بالنسبة إلى ألمانيا؛ وينطبق ذلك بشكلٍ خاص على مجموعة متنوعة من المؤسسات السياسية والدينية وعلى الوكالة الاتحادية لتعليم المواطنة (BpB). وتعتبر الأخيرة من ضمن الوكالات التنفيذية التابعة لوزارة الداخلية الاتحادية، وتشارك في تطبيق كلٍّ من تعليم المواطنة الرسمي وغير الرسمي. ولديها مكاتب فرعية إقليمية في خمس عشرة ولاية. وترتبط المؤسسات من حيث توجهها السياسي أو الفكري أو الفلسفي أو الديني بمجتمعات دينية أو أحزاب سياسية راسخة، غير أنها مستقلة عن الأحزاب والكنائس وتقدم خدمات تعليمية متنوعة. 5. البيئة القانونية لتعليم المواطنة الرسمية يندرج تصنيف تعليم المواطنة في المدارس تحت مظلة السلطة الثقافية للولايات الألمانية المعنية؛ ما يعني أنَّ أهميتها كمادة تختلف من ولايةٍ اتحادية إلى أخرى. وفيما يتعلق بمكانتها ضمن المناهج الدراسية، يتمُّ إدراج تعليم المواطنة كمادةٍ مستقلة بذاتها. وفي حين أنَّها تقع في إطارٍ معياريٍّ للقيم الديمقراطية وحقوق الإنسان، إلا أنَّها مادةٌ غير متحيزة، حيث لا تعمل على توعية المواطنين في إطار علاقتهم بالدولة على وجه الحصر. فهي لا تهدف فحسب إلى الحفاظ على الوضع الديمقراطي الراهن؛ بل تسعى إلى تطوير قدرة المواطنين على الحكم والتصرف؛ مما يمكنهم بالتالي من إعادة التفكير وإعادة صياغة مبادئ وهياكل المواطنة، ولا سيما تلك التي تنطوي على التفكير النقدي والمشاركة السياسية [15]. يُزعَم أنَّه تمَّ إضفاء الطابع المؤسسي على تعليم المواطنة باعتباره مقررًا دراسيًّا أساسيًّا في جميع المرافق التعليمية الرسمية المتنوعة في ألمانيا وعلى كل مستوى من مستويات التعليم. ومع ذلك، توفِّر معظم المدارس على الصعيد العملي أقل من الساعتَين النموذجيتَين من تعليم المواطنة كل أسبوع. 6. الجهات المعنية إلى جانب الأنشطة المدرسية، هناك جانبٌ مهمٌ آخر من تعليم المواطنة يتمثل في إشراك الطلاب الصغار والكبار خارج الفصل الدراسي في مجموعةٍ متنوعة من فرص التعلُّم غير الرسمية التي ترعاها الدولة والهيئات الاجتماعية. تُدعَّم أنشطة تعليم المواطنة الخارجة عن المنهج الدراسي أو كانت تُموَّل من قِبَل الأحزاب السياسية، والنقابات، والجمعيات التجارية، والمؤسسات، والمجتمعات الدينية والروحية، ووسائل الإعلام، والأكاديميات، والمؤسسات المستقلة، والمبادرات التي تسعى لتطبيق تعليم المواطنة بموجب التزامها بالمُثل السياسية. ومع ذلك، فقد قامت المؤسسات العامة مؤخرًا بسحب الدعم المالي المُقدَّم في إطار هذا المجال؛ ما تسبَّب في زيادة التمويل الخاص من أجل تعليم المواطنة، والذي غالبًا ما يدعو بشكلٍ ضمنيٍّ أو صريح إلى مناصرة المعايير والقيم الجزئية. يتنافس تعليم المواطنة غير الرسمي بشكلٍ متزايد مع العروض التعليمية التي ترتبط ارتباطًا وثيقًا بمسألة الصلاحية للعمل والاحتياجات الاقتصادية؛ ما يستدعي الحاجة إلى النقاش لضمان أنَّ الصلاحية للعمل والبرامج التعليمية الخاصة بها لا تحل محل المواطنة الانتقادية. 7. التحديات فيما يتعلق بالاحتياجات البحثية، يتمثل التحدي الرئيسي لتعليم المواطنة في ألمانيا في الوقت الحالي في مواصلة البناء على الخطاب الدولي وقاعدة البحث الدولية الموجودة بالفعل؛ وذلك لمواصلة تطوُّر تعليم المواطنة إلى تخصصٍ أكاديميٍّ مستقل. وفيما يتعلق بالبحث التجريبي، يجب إيلاء الانتباه إلى ما يُعرَف بالوعي بالمواطنة [16]، وهي مقاربة تُركِّز على المواطنين وتشير إلى الأفكار البديهية لدى الأفراد بشأن العالم الاجتماعي والسياسي. وتدعو مقاربة الوعي بالمواطنة إلى التشكيك في أي عملية تدريس تُركِّز على التغطية الشاملة لمعارف تعليم المواطنة أو الأحكام المعيارية التي لا تُدرِج المعنى الذي تحويه بشكلٍ ضمني للمتعلمين. وبدلًا من ذلك، تشرع المقاربة في اقتراح بديل للمقاربات المعيارية لتعليم المواطنة التي عادةً ما تُستَمد من النظريات الليبرالية والجمهورية والنقدية (انظر "التعريف") من خلال سكب مزيدٍ من الالتزام والقيمة على المغزى الفردي. وتعني مقاربة الوعي بالمواطنة وضع المتعلم في صميم العملية. إنَّ الإسهاب في الافتراضات التي تسترشِد بها القوالب الفكرية للأفراد والقدرة على مناقشتها سيساعدان الطلاب على الفهم الحقيقي لقضايا المواطنة، وليس فقط التعلُّم بغية غايةٍ محددة. وبناءً على ذلك، من المُرجَّح اعتبار المعرفة العملية بنتائج البحث حول تصورات المتعلمين عن الواقع السياسي والاجتماعي أمرًا جوهريًّا لإعداد المعلمين مهنيًّا في هذا المجال. في السنوات الأخيرة، تزايدت الكراهية للأجانب بالخطاب العامّ الألماني، كما أصبح الحديث الذي يحض على الكراهية أكثر شيوعًا [17]. وأصبح الصعود السريع لشعبوبية جناح اليمين والهجمات العنصرية مدعاةً رئيسية للقلق، ولا سيما في أوقات الأزمات؛ إذ تُحرِز المواقف اليمينية تقدُّمًا باستخدام شعاراتٍ إقصائية و"حلولٍ" ساذجة مزعومة لأي مشكلة متوخاة. كان للخطاب المستمر حول الخوف من الإسلام وكراهية الأجانب المنبثق عن اليمين المتطرف تأثير في الخطاب السياسي السائد وحظي بتأثيرٍ ملموس في النقاش عبر الإنترنت [18]. ويلعب تعليم المواطنة في ألمانيا دورًا رئيسيًّا بلا منازع في تعزيز الخطاب السياسي للمجتمع عن التوجهات المناهضة للديمقراطية وعن التعددية في ألمانيا، وفي المساهمة في بزوغ مجتمعٍ أكثر تكاملًا تندمج فيه الأقليات والطبقات الاجتماعية [19]. ثمة مجال راهن آخر يتعين النهوض به، ألا وهو الدور المحوري الذي تلعبه المواطنة التشاركية في التعاطي مع تغيُّر المناخ والتحول إلى نموذج مستدام للنمو الاقتصادي (أو لتراجعه). ثالثًا، يتمُّ التركيز على تعليم المواطنة الرقمية؛ إذ تلعب الرقمنة دورًا مهمًّا في صياغة الحياة السياسية والاقتصادية والاجتماعية، وتحتاج إلى أن تنعكس بصورةٍ انتقادية عبر جميع أبعادها الاجتماعية، والبيئية، والاقتصادية، والسياسية. وتشمل الجوانب الأساسية آلية وإمكانات وحدود المنصات الإلكترونية، مثل إنستغرام وفيسبوك وغوغل، وتأثيرها في الثقافة الديمقراطية، والاقتصاد العالمي المستدام، والاستقلالية الفردية. 8. الحواشي [1] روبرتس، جيوفري. ٢٠٠٢. التربية السياسية في ألمانيا. في: الشؤون البرلمانية (٥٥)، ٥٥٦-٥٦٨. [2] المرجع نفسه. [3] لانغيه، ديرك. ٢٠٠٨-أ. وعي المواطن. صور وتصورات المعني في التربية السياسية. (Bürgerbewusstsein. Sinnbilder und Sinnbildungen in der Politischen Bildung.) في: مجتمع-اقتصاد-سياسة (GWP) (٣)، ص ٤٣١-٤٣٩. [4] فايسينو، عيورغ، وديتيين، ويوآخيم، ويوخلِر، إنغو. ٢٠١٠. مفاهيم السياسة. نموذج كفاءات. (Konzepte der Politik. Ein Kompetenzmodell.). بون: الوكالة الاتحادية للتربية السياسية (نُشرت السلسلة من قِبَل الوكالة الاتحادية للتربية السياسية، المجلد ١٠١٦). [5] فريق المؤلفين المعنيّ بوضع البيداغوجيا المتخصصة. بيساند، أنيا، وغرامِّس، تيلمان، وهيدتكه، راينهولد، ولانغيه، ديرك، وبِتريك، أندرياس، وراينهاردت، سِبيليه (محررون). ٢٠١١. مفاهيم التربية السياسية. مناظرة خطية. (Konzepte der politischen Bildung. Eine Streitschrift.). شفالباخ آم تاونوس: Wochenschau Verlag، سلسلة السياسة والتعليم، المجلد ٦٤. [6] هيمِلمان، غيرهارد. ٢٠١٣. الكفاءات المطلوبة لتدريس المواطنة الديمقراطية وتعلُّمها والعيش بها. في: موراي برينت وديرك لانيغه (محرران): التربية المدنية والكفاءات المطلوبة لإشراك المواطنين في الديمقراطيات. روتردام: دار نشر سينس، ص ٣-٧. بيرمان، غونتر سي.، وغرامّس، تيلمان، وراينهاردت، سِبيليه (٢٠٠٤). السياسة: المنهج الأساسي للعلوم الاجتماعية في الثانوية العامة. (Politik: Kerncurriculum Sozialwissenschaften in der gymnasialen Oberstufe). في: هاينز إلمار تينورت (محرر): المنهج الأساسي في المراحل العليا. خبرات. (Kerncurriculum Oberstufe. Expertisen.). فاينهايم: بيلتز (بيداغوجيا بيلتز)، ص ٣٢٢-٤٠٦. [7] لانغيه، ديرك. ٢٠٠٨-أ. [8] هوسكينز، بريوني. ٢٠١٣. ماذا تحتاج الديمقراطية من مواطنيها؟ تحديد الصفات المطلوبة للمواطنة الفاعلة وتوضيح القيم. في: موراي برينت وديرك لانغيه (محرران): المدارس والمناهج وتعليم المواطنة لتنشئة مواطنين ديمقراطيين. روتردام، بوسطن: دار نشر سينس (المواطنة والتثقيف السياسي، ٢)، ص ٢٣-٣٥. [9] أيس، أندرياس، ولوش، بيتينا، وشرودِر، أخيم، وشتيفينس، غيرد. ٢٠١٦. إعلان فرانكفورت: من أجل تربية سياسية متحررة ونقدية. في: مجلة تعليم العلوم الاجتماعية، المجلد ١٥، رقم ١، ص ٧٤-٧٥. [10] روبرتس، جيوفري. ٢٠٠٢. [11] شيليه، سيغفريد، وشنايدِر، هِربِرت، وفيشر، كورت غيرهارد. ١٩٧٧. مشكلة الإجماع في التربية السياسية. (Das Konsensproblem in der politischen Bildung.). شتوتغارت: إيه. كليت (ملاحظات وحجج بشأن تعليم التاريخ والتربية السياسية، ١٧). [12] مؤتمر وزراء التربية والتعليم. ٢٠١٨. الديمقراطية كهدف وموضوع وممارسة للتربية والتعليم السياسي والتاريخي في المدرسة. قرار مؤتمر وزراء التربية والتعليم بتاريخ ٠٦/٠٣/٢٠٠٩ بصيغته الصادرة بتاريخ ١١/١٠/٢٠١٨. مؤتمر وزراء التربية والتعليم. بون. [13] هيلدت، إنكين. ٢٠٢٠. تعليم حقوق الإنسان. في: سابين عاشور، وماتياس بوش، وبيتر ماسينغ، وكريستيان ماير-هايدِمان (محررون): قاموس درس التاريخ. (Wörterbuch Politikunterricht). فرانكفورت: Wochenschau Verlag، ص ١٣٩-١٤١. [14] غيسلي، جيني. ٢٠١٩. ألمانيا: المحكمة المالية الاتحادية تنزع عن رابطة "أتاك" الصفة غير الربحية. مكتبة الكونغرس (المرصد القانوني العالمي). مُتاح عبر الإنترنت على موقع: Externer Link: https://www.loc.gov/law/foreign-news/article/germany-federal-fiscal-court-revokes-nonprofit-status-of-attac/،[ آخر دخول بتاريخ ١٥/٠٧/٢٠٢٠.] [15] لانغيه، ديرك. ٢٠٠٨-ب. تعليم المواطنة في ألمانيا. في: فيولا بي. جورجي (محررة): تنشئة المواطنين في أوروبا. آفاق جديدة حول التربية المدنية. بون: الوكالة الاتحادية للتربية السياسية (Bpb) (نُشِرت السلسة من قِبَل الوكالة الاتحادية للتربية السياسية، المجلد ٦٦٦)، ص ٨٩-٩٥. [16] لانغيه، ديرك. ٢٠٠٨-أ. [17] اللجنة الأوروبية لمكافحة العنصرية والتعصُّب ٢٠٢٠. [Externer Link: https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=&cad=rja&uact=8&ved=2ahUKEwjU9-3u6fbwAhULDOwKHfpUCWwQFjAAegQIBhAD&url=https%3A%2F%2Frm.coe.int%2Fecri-report-on-germany-sixth-monitoring-cycle-german-translation-%2F16809ce4c0&usg=AOvVaw2ogS-s4wQWvvCFzernCMNZ [آخر دخول بتاريخ ٢٩/٠٦/٢٠٢١] [18] اللجنة الأوروبية لمكافحة العنصرية والتعصُّب ٢٠٢٠. [19] هيلدت، إنكين. ٢٠٢٠. المدرسة بتكليف حقوق الإنسان. في: جريدة Pädagogische Rundschau ٧٤. ٢٠٢٠ (٢)، ص ٣٢٣-٣٣٤. DOI: 10.3726 / PR032020.0032. Interner Link: English Version المحتوى: Interner Link: 1. معلومات مرجعية Interner Link: 2. تعريف تعليم المواطنة Interner Link: 3. النظام البيئي لتعليم المواطنة غير الرسمي Interner Link: 4. العروض التعليمية من حيث المحتوى، والغرض، والمنهجية، والانتساب الفلسفي Interner Link: 5. البيئة القانونية لتعليم المواطنة الرسمية Interner Link: 6. الجهات المعنية Interner Link: 7. التحديات Interner Link: 8. الحواشي 1. معلومات مرجعية يرتبط تاريخ تعليم المواطنة في ألمانيا ارتباطًا وثيقًا بتجربة الحكم الشمولي في أيامه الديمقراطية الأولى. كان من المفهوم أنَّ تطوُّر المواقف الديمقراطية داخل ألمانيا عنصرٌ لا غنى عنه في تأسيس ديمقراطيةٍ مستقرة في الجمهورية الاتحادية بعد عام ١٩٤٥ وفي ألمانيا التي توحدت مرةً أخرى في عام ١٩٨٩. كان يُنظَر إلى فشل تجربة فايمار الديمقراطية والسهولة التي استولى بها هتلر على السلطة في ألمانيا في عام ١٩٣٣ على أنَّهما يُرجَعان بصفةٍ جزئية إلى الأنظمة التعليمية التي كانت سلطوية ومناهضة للديمقراطية في حد ذاتها، وغير قادرة على نشر فكرة القيم الديمقراطية [1]. وعلى الرغم من اختلاف إستراتيجيات قوى الاحتلال الأربع اختلافًا ملحوظًا من حيث الهدف والمحتوى والمنهجية، إلا أنَّ الجميع قد اتفقوا على أنَّ إقامة ديمقراطيةٍ مستقرة تتطلب ما هو أكثر من مواطنين يتشدَّقون بالكلام عن المبادئ الديمقراطية بينما هم يتقبلون على مضض النظام الديمقراطي الذي فرضته عليهم سلطات الاحتلال [2].وقد أكَّد هذا التشخيص أنَّ مجرد نقل المعلومات على أساس المنطق الكامن وراء الأنظمة الديمقراطية لم يكن كافيًا. كان من المطلوب التركيز على تنمية المواقف والممارسات الديمقراطية بدلًا من فرض بعض الأفكار "من قِبَل السلطات العليا". وسرعان ما ظهرت عقيدة أنَّ "الديمقراطيات بحاجة إلى ديمقراطيين" كعقيدةٍ أساسية لمفهوم تعليم المواطنة، وهي لا تزال سارية حتى اليوم. بحلول الستينيات من القرن الماضي، أخذت المقاربات اليسارية الجديدة الجدل لما هو أبعد من ذلك، حيث طالبت باكتساب تعليم المواطنة لمزيدٍ من التحرر، وشجعت الشعب على التشكيك في السلطة ومقاومتها إذا لزم الأمر. وعلى نقيض ذلك، وُجِدت مقاربات اتخذت موقفًا أكثر "عقلانية" وأقل تسييسًا، تؤكد على اكتساء المعلومات والتفكُّر قيمةً أكبر من النشاط السياسي. اعتقد أحدهم أنَّ الهدف من تعليم المواطنة كان مساعدة المواطنين على التوصل إلى أحكامٍ رشيدة؛ واعتقد الآخر أنَّ تعليم المواطنة تمثَّل في تعليم المواطنين كيفية تحرير أنفسهم من أولئك الذين قد يسعون للاستيلاء على السلطة. وبسبب المطالب الاجتماعية والسياسية التي طرحها تعليم المواطنة، كان النقاش في بعض الأحيان محل نزاع شديد. وفي صميمه، أعاد إثارة الجدل حول النظرية العلمية القائمة بين العقلانية الانتقادية والنظرية الانتقادية. بعد إعادة توحيد ألمانيا في عام ١٩٨٩، كان يُنظَر إلى "إعادة التعليم" على أنَّه ترياقٍ ضروري لسنواتٍ من التلقين المُكثَّف في ظل النظام الشمولي. ومرةً أخرى، تمَّ التأكيد على أنَّ تضمين القيم والممارسات الديمقراطية واستيعابها سيكون الأكثر فعاليةً في القضاء على الأفكار المعادية للديمقراطية بين صفوف الشعب. ولا يعتبر تعليم المواطنة في ألمانيا متحيزًا ولكنه أيضًا غير محايد؛ فهو متجذر في قيم الديمقراطية وتفسيرها الموجود في الدستور، أي في القانون الأساسي الألماني.و في مرحلة ظهوره الأولى، تمَّ اشتقاق تعليم المواطنة من مجالات التعليم والعلوم السياسية وثيقة الصلة، ولم يتطور البرنامج إلى تخصصٍ أكاديميٍّ مستقل إلا في فترة الستينيات. ومنذ ذلك الحين، طالب بالحق في مداولة المسائل المتعلقة بوضع خطط عمليات تعليم المواطنة وتنفيذها وتقييمها؛ ويتضمن هذا الدور البحث التجريبي، والتفكير (المعياري)، وتصميم عمليات التعلُّم وتنفيذها. 2. التعريف تعليم المواطنة لطالما كان التعريف الدقيق لتعليم المواطنة موضع خلاف. ويتمحور النقاش حول ماهية المعارف التي يجب تطبيقها، والتخصصات الأكاديمية التي يجدر وضعها بعين الاعتبار فيما يتعلق بموضوعات محتوى تعليم المواطنة، والأطر المفاهيمية الأكثر تبشيرًا على صعيد عمليتَي التدريس والتعلُّم المُتَّسمتَين بالفاعلية والجدوى. اجتمعت مواقفُ مختلفة خلال النقاش الأكاديمي المستمر [3]، وبُذِلت المحاولات الأولى في إعادة ترسيخ العلوم السياسية على أنَّها التخصص المرجعي لتعليم المواطنة [4]. يستخدم النموذج الثاني مجالات شتى ضمن إطار العلوم الاجتماعية، مع إعطاء كل مجال منها أهميته الخاصة، في مسعى لجعل تعليم المواطنة مادة وسيطة [5]. يشير المنظور الثالث بقدرٍ كبير إلى الخطاب الديمقراطي والإسهام المدني [6]. ويؤكد الموقف الرابع على أهمية المادة المستقلة، ويستخدم المعرفة السابقة للمتعلمين كنقطته المرجعية [7]. ما تشترك فيه المقاربات الثلاث الأولى هو أنَّها تُشدِّد على وضع مرتكز تعليم المواطنة في الإطار الأكاديمي، سواء في العلوم السياسية، أو العلوم الاجتماعية، أو دراسة الديمقراطية. أما المقاربة الرابعة، فقد ابتعدت عن المطالب التي قدمتها الدوائر الأكاديمية المؤسسية، وتُحبِّذ بدلًا من ذلك استخدام تصورات الأفراد كنقطة انطلاق من أجل تطوير مقاربات يتمحور تركيزها حول المواطنين. تُترجَم كلٌّ من أطر العمل المختلفة إلى أهداف وغايات تعليمية مختلفة يتمُّ اتباعها في الفصل الدراسي، وتتطرق في الحديث بدرجاتٍ متفاوتة إلى النماذج النظرية للمواطنة، مثل الليبرالية، والمواطنة الجمهورية، والنموذج النقدي [8]. وتُركِّز المقاربة الليبرالية لتعليم المواطنة على تنشئة مواطنين مستقلين يمكنهم العمل من أجل دعم مصلحتهم الخاصة، كما تُركِّز على تعزيز المستوى الأساسي من معرفة المواطنة لدى الأفراد وتعزيز ميولهم نحو الإسهام. وتؤكد مقاربة المواطنة الجمهورية على ضرورة انخراط المواطنين بفاعلية في المجتمع كمواطنين متساوين وأحرار. وتُشدِّد المقاربة على مسؤولية المواطنة في العمل من أجل تحقيق الصالح العامّ. وتُركِّز المقاربة النقدية على تحسين المجتمع ونقده من خلال العمل السياسي والتغيير الاجتماعي. وتعتمد هذه المقاربة على فكرة التمكين، والعدالة الاجتماعية، ونقد الوضع الراهن. وفي عام ٢٠١٦، نشر علماء من المدرسة النقدية للفكر دليلًا للمبادئ الأساسية، وهو "إعلان فرانكفورت: من أجل تربية سياسية متحررة ونقدية" [9]. وكان الدليل يهدف إلى إعادة توجيه النقاش القائم حول أهداف تعليم المواطنة وموضوعاته نحو مقاربة أقدر على إحداث تغيير في تعليم المواطنة. ويُركِّز الإعلان على ستة مجالات رئيسية، هي: الأزمة، والجدل، وانتقاد السلطة، والانعكاسية، والتمكين، والتغييرات. وعلى الرغم من الأفكار المتنافسة لتعليم المواطنة، يوجد اتفاقٌ واسع النطاق يتمثل في ثلاثة مبادئ أساسية يُعرَف باسم "اتفاق بويتلزباخ". في عام ١٩٧٦، شكَّل مؤتمر علماء التربية مدارس بيداغوجية مختلفة تناولت الحاجة إلى تجنُّب التلقين. وكان التعليم كواسطة دعائية وكوسيلة لغسل أدمغة المواطنين قضيةً ذات حساسية خاصة في الجمهورية الاتحادية بسبب سياسات التلقين النازية والشيوعية السابقة [10]. اتفق المشاركون في المؤتمر على مجموعة من المبادئ التوجيهية التي تؤكد على مفهوم التعليم "الموضوعي"، حيادي القِيَم [11]. يحظر المبدأ الأول على التربويين إغراق الطلاب وتحميلهم فوق قدرتهم بالآراء أو المواقف أو القيم السياسية. ويتعارض أي نوع من التلقين مع الفكرة الأساسية المتمثلة في تنشئة فردٍ يتحلى بالثقة بالنفس ويُقيِّم الأمور بعينٍ ناقدة، ومن ثَمَّ يتعذر التوافق بين التلقين وتعليم المواطنة بوجهٍ عامّ. وبموجب المبدأ الثاني، يُتوَقع من التربويين إمعان التفكير في تنوع وجهات النظر وتعدد المصالح وما ينطرح جراء ذلك من مشكلات. وإذا كان هناك موضوعٌ ما مثيرٌ للجدل في العلوم أو السياسة أو المجتمع بشكلٍ عامّ، فيجب أن يُدرَّس على هذا النحو أيضًا بمادة تعليم المواطنة. أما المبدأ الثالث، فيفترض أنَّ الطلاب يتعين تدريبهم على كيفية تحليل مصالحهم السياسية والتأثير في المجتمع بطريقةٍ واقعية من أجل تحقيق تلك المصالح. وقد لعب "اتفاق بويتلزباخ" دورًا بارزًا في مجال تعليم المواطنة في ألمانيا ولا يزال يُمثِّل ركيزةً أساسية. ومع ذلك، كان النُّقاد الجدد يطالبون بضرورة التشكيك بشكلٍ صريح في الافتراضات المعيارية والضمنية والآثار المترتبة على الاتفاق؛ إذ إنَّها تتحدث ضمنيًّا لصالح الوضع الراهن بدلًا من الحديث عن المفاهيم التحررية الحقيقية. تحوَّل "الاتفاق" إلى محور للنقاش العامّ في عام ٢٠١٨. وقد طالب حزب أقصى اليمين السياسي في ألمانيا "البديل من أجل ألمانيا " (AFD) بالتزام "الحيادية" بشكلٍ تام في تعليم المواطنة عند تدريس القضايا السياسية أو المثيرة للجدل. وأشار الحزب، من بين أمورٍ أخرى، إلى المبدأَين الأول والثاني لـ "اتفاق بويتلزباخ" عندما حاجوا بأنَّ المعلمين لا بد ألا يروِّجوا لوجهات نظرٍ سياسية أو تستند إلى القيم في الفصول الدراسية، بل بالأحرى عليهم أن يعرضوا وجهات النظر المعارِضة على نحوٍ متوازن، بما في ذلك وجهات النظر اليمينية. وقد أجَّج تقدُّم "حزب البديل من أجل ألمانيا" احتجاجًا شعبيًّا. وأوضحت السلطات والمؤسسات التعليمية وجماعات المناصرة أنَّ موقف الحيادية تجاه وجهات النظر اليمينية يعتبر في حد ذاته خيارًا سياسيًّا، وهو خيار يُعزِّز العنصرية ومعاداة السامية. وسرعان ما نشرت هيئة المدارس الألمانية إعلانًا توضح فيه أنَّ الممارسة داخل الفصول الدراسية لا ينبغي أن تكون حيادية بشأن القِيَم، ولكنها ملزمة باتخاذ موقفٍ مؤيد لحقوق الإنسان والقِيَم الديمقراطية [12]. في الواقع، يُحظَر على المعلمين قانونًا مناصرة الأحزاب السياسية أو الاستخفاف بها، ومع ذلك وفي الوقت نفسه، تقع على عاتقهم مسؤولية قانونية لمواجهة المواقف التي تطرح معاداة السامية والعنصرية، وكذلك التمييز ضد المثليات والمثليين، ومزدوجي الميول الجنسية، ومغايري الهوية الجنسانية، أو أي شكلٍ آخر من أشكال التمييز [13]. 3. النظام البيئي لتعليم المواطنة غير الرسمي يتميز نظام تعليم المواطنة غير الرسمي في ألمانيا بتنوعه بتنوع ست عشرة ولاية اتحادية، تُعرَف باسم Länder، تُحدِّد كلٌّ منها أولوياتها وأهدافها المتعلقة بالتعليم؛ ما يسمح بالتالي بوجود نظامٍ لامركزي للتعليم غير الرسمي. ومع ذلك، هناك بعض السياسات العامة والشاملة وبعض صناديق التمويل الاتحادية. يعتبر صندوق "Kinder- und Jugendplan des Bundes" (خطة الاتحاد بشأن الأطفال والشباب) هو الصندوق الرئيسي التابع للاتحاد الذي يسمح بالتنوع في تعليم المواطنة غير الرسمي، فهو يُموِّل مجموعة متنوعة من المنظمات غير الحكومية والمراكز الإقليمية؛ ما يضمن وجود مقارباتٍ متنوعة ومحايدة لتعليم المواطنة.و يتميز وضع تعليم المواطنة غير الرسمي بنطاقٍ من الإعالة من وكالات تقع خارج حيز المسؤولية المباشرة للحكومة الاتحادية أو الحكومات الإقليمية، مع التركيز بشكلٍ خاص على تنوع التعليم. منذ عامَي ٢٠١٩ و٢٠٢٠، عندما فقدت مجموعة من منظمات المجتمع المدني العاملة في مجال تعليم الكبار وضعها غير الربحي، خَشِيَ مقدمو الخدمات التعليمية غير الرسمية في ألمانيا من تقييد السلطات للخطاب السياسي في المجتمع المدني.و في قرارٍ نُشِر في عام ٢٠١٩، قضت محكمة ألمانيا العليا لشؤون الضرائب والجمارك بأنَّ المجموعة الناشطة "أتاك" (الرابطة المعنية بفرض الضرائب على المعاملات المالية لمساعدة المواطنين، ATTAC) لم تَعُد مؤهلة للتمتع بصفة المنظمة غير الربحية بسبب نشاطها السياسي العامّ ودعواتها لتقديم المطالبات واتخاذ الإجراءات الملموسة[14]. وينص القانون الضريبي الألماني على أنَّ الشركات التي تخدم الصالح العامّ بشكلٍ مباشر مؤهلةٌ للتمتع بحق الإعفاء الضريبي. ووفقًا للمحكمة، فإن تعزيز تعليم الكبار يتطلب مناقشة المسائل السياسية بذهنٍ متفتح، إلا أنَّه لا يجوز استخدامه لتحقيق أهدافٍ سياسيةٍ محددة. ويتعرض بقاء العديد من مؤسسات التعليم غير الرسمي للخطر إذا ما تمَّ إلغاء صفتها غير الربحية. 4. العروض التعليمية من حيث المحتوى، والغرض، والمنهجية، والانتساب الفلسفي تضطلع مجموعةٌ متنوعة من الوكالات الحكومية وغير الحكومية بتطبيق تعليم المواطنة غير الرسمي، وهي تشمل المدارس، والكليات، ومؤسسات تعليم الكبار الممولة من القطاع العامّ، والنقابات، والكنائس. ويُفسِّر تاريخ ألمانيا الدور المهم الذي تلعبه المؤسسات التي تكون بالضرورة، في بعض الحالات، فريدة من نوعها بالنسبة إلى ألمانيا؛ وينطبق ذلك بشكلٍ خاص على مجموعة متنوعة من المؤسسات السياسية والدينية وعلى الوكالة الاتحادية لتعليم المواطنة (BpB). وتعتبر الأخيرة من ضمن الوكالات التنفيذية التابعة لوزارة الداخلية الاتحادية، وتشارك في تطبيق كلٍّ من تعليم المواطنة الرسمي وغير الرسمي. ولديها مكاتب فرعية إقليمية في خمس عشرة ولاية. وترتبط المؤسسات من حيث توجهها السياسي أو الفكري أو الفلسفي أو الديني بمجتمعات دينية أو أحزاب سياسية راسخة، غير أنها مستقلة عن الأحزاب والكنائس وتقدم خدمات تعليمية متنوعة. 5. البيئة القانونية لتعليم المواطنة الرسمية يندرج تصنيف تعليم المواطنة في المدارس تحت مظلة السلطة الثقافية للولايات الألمانية المعنية؛ ما يعني أنَّ أهميتها كمادة تختلف من ولايةٍ اتحادية إلى أخرى. وفيما يتعلق بمكانتها ضمن المناهج الدراسية، يتمُّ إدراج تعليم المواطنة كمادةٍ مستقلة بذاتها. وفي حين أنَّها تقع في إطارٍ معياريٍّ للقيم الديمقراطية وحقوق الإنسان، إلا أنَّها مادةٌ غير متحيزة، حيث لا تعمل على توعية المواطنين في إطار علاقتهم بالدولة على وجه الحصر. فهي لا تهدف فحسب إلى الحفاظ على الوضع الديمقراطي الراهن؛ بل تسعى إلى تطوير قدرة المواطنين على الحكم والتصرف؛ مما يمكنهم بالتالي من إعادة التفكير وإعادة صياغة مبادئ وهياكل المواطنة، ولا سيما تلك التي تنطوي على التفكير النقدي والمشاركة السياسية [15]. يُزعَم أنَّه تمَّ إضفاء الطابع المؤسسي على تعليم المواطنة باعتباره مقررًا دراسيًّا أساسيًّا في جميع المرافق التعليمية الرسمية المتنوعة في ألمانيا وعلى كل مستوى من مستويات التعليم. ومع ذلك، توفِّر معظم المدارس على الصعيد العملي أقل من الساعتَين النموذجيتَين من تعليم المواطنة كل أسبوع. 6. الجهات المعنية إلى جانب الأنشطة المدرسية، هناك جانبٌ مهمٌ آخر من تعليم المواطنة يتمثل في إشراك الطلاب الصغار والكبار خارج الفصل الدراسي في مجموعةٍ متنوعة من فرص التعلُّم غير الرسمية التي ترعاها الدولة والهيئات الاجتماعية. تُدعَّم أنشطة تعليم المواطنة الخارجة عن المنهج الدراسي أو كانت تُموَّل من قِبَل الأحزاب السياسية، والنقابات، والجمعيات التجارية، والمؤسسات، والمجتمعات الدينية والروحية، ووسائل الإعلام، والأكاديميات، والمؤسسات المستقلة، والمبادرات التي تسعى لتطبيق تعليم المواطنة بموجب التزامها بالمُثل السياسية. ومع ذلك، فقد قامت المؤسسات العامة مؤخرًا بسحب الدعم المالي المُقدَّم في إطار هذا المجال؛ ما تسبَّب في زيادة التمويل الخاص من أجل تعليم المواطنة، والذي غالبًا ما يدعو بشكلٍ ضمنيٍّ أو صريح إلى مناصرة المعايير والقيم الجزئية. يتنافس تعليم المواطنة غير الرسمي بشكلٍ متزايد مع العروض التعليمية التي ترتبط ارتباطًا وثيقًا بمسألة الصلاحية للعمل والاحتياجات الاقتصادية؛ ما يستدعي الحاجة إلى النقاش لضمان أنَّ الصلاحية للعمل والبرامج التعليمية الخاصة بها لا تحل محل المواطنة الانتقادية. 7. التحديات فيما يتعلق بالاحتياجات البحثية، يتمثل التحدي الرئيسي لتعليم المواطنة في ألمانيا في الوقت الحالي في مواصلة البناء على الخطاب الدولي وقاعدة البحث الدولية الموجودة بالفعل؛ وذلك لمواصلة تطوُّر تعليم المواطنة إلى تخصصٍ أكاديميٍّ مستقل. وفيما يتعلق بالبحث التجريبي، يجب إيلاء الانتباه إلى ما يُعرَف بالوعي بالمواطنة [16]، وهي مقاربة تُركِّز على المواطنين وتشير إلى الأفكار البديهية لدى الأفراد بشأن العالم الاجتماعي والسياسي. وتدعو مقاربة الوعي بالمواطنة إلى التشكيك في أي عملية تدريس تُركِّز على التغطية الشاملة لمعارف تعليم المواطنة أو الأحكام المعيارية التي لا تُدرِج المعنى الذي تحويه بشكلٍ ضمني للمتعلمين. وبدلًا من ذلك، تشرع المقاربة في اقتراح بديل للمقاربات المعيارية لتعليم المواطنة التي عادةً ما تُستَمد من النظريات الليبرالية والجمهورية والنقدية (انظر "التعريف") من خلال سكب مزيدٍ من الالتزام والقيمة على المغزى الفردي. وتعني مقاربة الوعي بالمواطنة وضع المتعلم في صميم العملية. إنَّ الإسهاب في الافتراضات التي تسترشِد بها القوالب الفكرية للأفراد والقدرة على مناقشتها سيساعدان الطلاب على الفهم الحقيقي لقضايا المواطنة، وليس فقط التعلُّم بغية غايةٍ محددة. وبناءً على ذلك، من المُرجَّح اعتبار المعرفة العملية بنتائج البحث حول تصورات المتعلمين عن الواقع السياسي والاجتماعي أمرًا جوهريًّا لإعداد المعلمين مهنيًّا في هذا المجال. في السنوات الأخيرة، تزايدت الكراهية للأجانب بالخطاب العامّ الألماني، كما أصبح الحديث الذي يحض على الكراهية أكثر شيوعًا [17]. وأصبح الصعود السريع لشعبوبية جناح اليمين والهجمات العنصرية مدعاةً رئيسية للقلق، ولا سيما في أوقات الأزمات؛ إذ تُحرِز المواقف اليمينية تقدُّمًا باستخدام شعاراتٍ إقصائية و"حلولٍ" ساذجة مزعومة لأي مشكلة متوخاة. كان للخطاب المستمر حول الخوف من الإسلام وكراهية الأجانب المنبثق عن اليمين المتطرف تأثير في الخطاب السياسي السائد وحظي بتأثيرٍ ملموس في النقاش عبر الإنترنت [18]. ويلعب تعليم المواطنة في ألمانيا دورًا رئيسيًّا بلا منازع في تعزيز الخطاب السياسي للمجتمع عن التوجهات المناهضة للديمقراطية وعن التعددية في ألمانيا، وفي المساهمة في بزوغ مجتمعٍ أكثر تكاملًا تندمج فيه الأقليات والطبقات الاجتماعية [19]. ثمة مجال راهن آخر يتعين النهوض به، ألا وهو الدور المحوري الذي تلعبه المواطنة التشاركية في التعاطي مع تغيُّر المناخ والتحول إلى نموذج مستدام للنمو الاقتصادي (أو لتراجعه). ثالثًا، يتمُّ التركيز على تعليم المواطنة الرقمية؛ إذ تلعب الرقمنة دورًا مهمًّا في صياغة الحياة السياسية والاقتصادية والاجتماعية، وتحتاج إلى أن تنعكس بصورةٍ انتقادية عبر جميع أبعادها الاجتماعية، والبيئية، والاقتصادية، والسياسية. وتشمل الجوانب الأساسية آلية وإمكانات وحدود المنصات الإلكترونية، مثل إنستغرام وفيسبوك وغوغل، وتأثيرها في الثقافة الديمقراطية، والاقتصاد العالمي المستدام، والاستقلالية الفردية. 8. الحواشي [1] روبرتس، جيوفري. ٢٠٠٢. التربية السياسية في ألمانيا. في: الشؤون البرلمانية (٥٥)، ٥٥٦-٥٦٨. [2] المرجع نفسه. [3] لانغيه، ديرك. ٢٠٠٨-أ. وعي المواطن. صور وتصورات المعني في التربية السياسية. (Bürgerbewusstsein. Sinnbilder und Sinnbildungen in der Politischen Bildung.) في: مجتمع-اقتصاد-سياسة (GWP) (٣)، ص ٤٣١-٤٣٩. [4] فايسينو، عيورغ، وديتيين، ويوآخيم، ويوخلِر، إنغو. ٢٠١٠. مفاهيم السياسة. نموذج كفاءات. (Konzepte der Politik. Ein Kompetenzmodell.). بون: الوكالة الاتحادية للتربية السياسية (نُشرت السلسلة من قِبَل الوكالة الاتحادية للتربية السياسية، المجلد ١٠١٦). [5] فريق المؤلفين المعنيّ بوضع البيداغوجيا المتخصصة. بيساند، أنيا، وغرامِّس، تيلمان، وهيدتكه، راينهولد، ولانغيه، ديرك، وبِتريك، أندرياس، وراينهاردت، سِبيليه (محررون). ٢٠١١. مفاهيم التربية السياسية. مناظرة خطية. (Konzepte der politischen Bildung. Eine Streitschrift.). شفالباخ آم تاونوس: Wochenschau Verlag، سلسلة السياسة والتعليم، المجلد ٦٤. [6] هيمِلمان، غيرهارد. ٢٠١٣. الكفاءات المطلوبة لتدريس المواطنة الديمقراطية وتعلُّمها والعيش بها. في: موراي برينت وديرك لانيغه (محرران): التربية المدنية والكفاءات المطلوبة لإشراك المواطنين في الديمقراطيات. روتردام: دار نشر سينس، ص ٣-٧. بيرمان، غونتر سي.، وغرامّس، تيلمان، وراينهاردت، سِبيليه (٢٠٠٤). السياسة: المنهج الأساسي للعلوم الاجتماعية في الثانوية العامة. (Politik: Kerncurriculum Sozialwissenschaften in der gymnasialen Oberstufe). في: هاينز إلمار تينورت (محرر): المنهج الأساسي في المراحل العليا. خبرات. (Kerncurriculum Oberstufe. Expertisen.). فاينهايم: بيلتز (بيداغوجيا بيلتز)، ص ٣٢٢-٤٠٦. [7] لانغيه، ديرك. ٢٠٠٨-أ. [8] هوسكينز، بريوني. ٢٠١٣. ماذا تحتاج الديمقراطية من مواطنيها؟ تحديد الصفات المطلوبة للمواطنة الفاعلة وتوضيح القيم. في: موراي برينت وديرك لانغيه (محرران): المدارس والمناهج وتعليم المواطنة لتنشئة مواطنين ديمقراطيين. روتردام، بوسطن: دار نشر سينس (المواطنة والتثقيف السياسي، ٢)، ص ٢٣-٣٥. [9] أيس، أندرياس، ولوش، بيتينا، وشرودِر، أخيم، وشتيفينس، غيرد. ٢٠١٦. إعلان فرانكفورت: من أجل تربية سياسية متحررة ونقدية. في: مجلة تعليم العلوم الاجتماعية، المجلد ١٥، رقم ١، ص ٧٤-٧٥. [10] روبرتس، جيوفري. ٢٠٠٢. [11] شيليه، سيغفريد، وشنايدِر، هِربِرت، وفيشر، كورت غيرهارد. ١٩٧٧. مشكلة الإجماع في التربية السياسية. (Das Konsensproblem in der politischen Bildung.). شتوتغارت: إيه. كليت (ملاحظات وحجج بشأن تعليم التاريخ والتربية السياسية، ١٧). [12] مؤتمر وزراء التربية والتعليم. ٢٠١٨. الديمقراطية كهدف وموضوع وممارسة للتربية والتعليم السياسي والتاريخي في المدرسة. قرار مؤتمر وزراء التربية والتعليم بتاريخ ٠٦/٠٣/٢٠٠٩ بصيغته الصادرة بتاريخ ١١/١٠/٢٠١٨. مؤتمر وزراء التربية والتعليم. بون. [13] هيلدت، إنكين. ٢٠٢٠. تعليم حقوق الإنسان. في: سابين عاشور، وماتياس بوش، وبيتر ماسينغ، وكريستيان ماير-هايدِمان (محررون): قاموس درس التاريخ. (Wörterbuch Politikunterricht). فرانكفورت: Wochenschau Verlag، ص ١٣٩-١٤١. [14] غيسلي، جيني. ٢٠١٩. ألمانيا: المحكمة المالية الاتحادية تنزع عن رابطة "أتاك" الصفة غير الربحية. مكتبة الكونغرس (المرصد القانوني العالمي). مُتاح عبر الإنترنت على موقع: Externer Link: https://www.loc.gov/law/foreign-news/article/germany-federal-fiscal-court-revokes-nonprofit-status-of-attac/،[ آخر دخول بتاريخ ١٥/٠٧/٢٠٢٠.] [15] لانغيه، ديرك. ٢٠٠٨-ب. تعليم المواطنة في ألمانيا. في: فيولا بي. جورجي (محررة): تنشئة المواطنين في أوروبا. آفاق جديدة حول التربية المدنية. بون: الوكالة الاتحادية للتربية السياسية (Bpb) (نُشِرت السلسة من قِبَل الوكالة الاتحادية للتربية السياسية، المجلد ٦٦٦)، ص ٨٩-٩٥. [16] لانغيه، ديرك. ٢٠٠٨-أ. [17] اللجنة الأوروبية لمكافحة العنصرية والتعصُّب ٢٠٢٠. [Externer Link: https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=&cad=rja&uact=8&ved=2ahUKEwjU9-3u6fbwAhULDOwKHfpUCWwQFjAAegQIBhAD&url=https%3A%2F%2Frm.coe.int%2Fecri-report-on-germany-sixth-monitoring-cycle-german-translation-%2F16809ce4c0&usg=AOvVaw2ogS-s4wQWvvCFzernCMNZ [آخر دخول بتاريخ ٢٩/٠٦/٢٠٢١] [18] اللجنة الأوروبية لمكافحة العنصرية والتعصُّب ٢٠٢٠. [19] هيلدت، إنكين. ٢٠٢٠. المدرسة بتكليف حقوق الإنسان. في: جريدة Pädagogische Rundschau ٧٤. ٢٠٢٠ (٢)، ص ٣٢٣-٣٣٤. DOI: 10.3726 / PR032020.0032. Interner Link: English Version
Article
ديرك لانغن , اينكن هلدت
2022-05-24T00:00:00
2021-02-18T00:00:00
2022-05-24T00:00:00
https://www.bpb.de/die-bpb/partner/nece/327145/t-lym-almwatnt-fy-almanya/
تعرفوا على تعليم المواطنة في ألمانيا حيث ستجدون معلومات عن تعريف المواطنة، النظام البيئي لتعليم المواطنة الغير الرسمي، البيئة القانونية، الجهات المعنية و التحديات. بالإضافة سنقوم بشرح العروض التعليمية في ألمانيا و أثرها على مفهوم المواطنة في ألمانيا.
[ "politische Bildunng", "NECE", "Country Profile" ]
581
AR/VR: Möglichkeiten und Grenzen ihrer Anwendung in der außerschulischen historisch-politischen Bildung | Vernetztes Erinnern | bpb.de
Digitales Lernen mit erweiterten Realitäten hat längst in die historisch-politische Bildung von Museen und Gedenkstätten Einzug gehalten. Vielfach wird Augmented Reality (AR) verwendet, um nicht zugängliche oder nicht mehr vorhandene Bauten zu visualisieren. Virtual-Reality-Anwendungen (VR) gehen noch weiter: Sie sollen den Nutzenden die Möglichkeit bieten, sich virtuell in historische Situationen hineinzubegeben und diese emotional nachzuempfinden. Die Technik ist mittlerweile so weit entwickelt, dass die virtuelle Umgebung vom Nutzenden als real empfunden werden kann. Statt im angestaubten Geschichtsbuch zu blättern, können die Anwenderinnen und Anwender in die Geschichte eintauchen und historische Ereignisse nach- und miterleben. Das kann Interesse für Themen wecken, die vielen als langweilig oder irrelevant erscheinen mögen. Im Gegensatz zum linear konzipierten Geschichtsbuch können die Nutzenden selbst entscheiden, in welche Richtung sie weiter vorstoßen. Durch Interaktion und Immersion kann Geschichte zum Erlebnis werden. Technisch ist fast alles möglich. Aber ist es auch sinnvoll? Zweifel sind angebracht. Je höher der Grad der Immersion, desto größer ist die Gefahr, dass das Überwältigungsverbot gebrochen wird – ein im Interner Link: Beutelsbacher Konsens für die politische Bildung festgeschriebener Grundsatz. Ganz besonders gilt das für die Gedenkstätten an den Tatorten nationalsozialistischer Verbrechen, etwa KZ-Gedenkstätten. Ehemalige KZ-Bauten sind nicht nur Relikte, sondern auch Beweismittel – nicht zuletzt gegenüber der Holocaustleugnung. Wenn diese Beweismittel nachgebildet werden, egal ob analog oder digital, dann wird nicht nur eine vermeintliche Authentizität vorgetäuscht, sondern Geschichte kann potenziell verfälscht werden: Insbesondere dann, wenn ein imaginiertes Bild der Vergangenheit präsentiert wird, das weder mit historischen Erkenntnissen noch mit der Erfahrungswelt der Opfer deckungsgleich ist. Darüber hinaus sollten dem Mit- und Einfühlen deutliche Grenzen gesetzt werden: etwa gegenüber den Schicksalen und Erfahrungen von Menschen, die während der NS-Zeit ausgegrenzt, verfolgt oder ermordet wurden. Grausame Verbrechen und Ereignisse, etwa den Gang zur Hinrichtung, virtuell nacherlebbar zu machen verbietet sich schon aus ethischen Gründen. Aber auch der virtuelle Besuch – beispielsweise einer Häftlingsbaracke – stößt an die Grenzen der Empathie, gerade wenn Nutzerinnen und Nutzer die Erwartung haben, eine Vorstellung davon zu bekommen, "wie es wirklich war." Alle Besucherinnen und Besucher in Gedenkstätten sollte ein Bewusstsein dafür vermittelt werden (und das ist auch Aufgabe des pädagogischen Konzepts und Personals), welche Schwierigkeiten das Nachbilden solcher Erfahrungswelten mit sich bringt, völlig unabhängig davon, ob der Zugang analog oder digital erfolgt. Gleichwohl können AR- und VR-Anwendungen in der historisch-politischen Bildung nutzbringend eingesetzt werden, und zwar immer dann, wenn sie einen interaktiven Zugang zu den historischen Quellen bieten und damit die Stärkung des Geschichtsbewusstseins und -urteilsvermögens fördern. Die Gedenkstätte Bergen-Belsen etwa bietet mittels einer ortsreferenzierten AR-Anwendung auf Tablets die Möglichkeit, durch das ehemalige Lagergelände zu gehen und sich die nicht mehr vorhandenen Lagerbauten in einer digitalen Rekonstruktion zu vergegenwärtigen. Verknüpft sind damit zahlreiche historische Quellen: Häftlingsberichte, Fotos, schriftliche Dokumente. Sie sollen das forschende Lernen unterstützen. Die digitale Rekonstruktion ist bewusst abstrakt gehalten, um keine Authentizität zu suggerieren und zugleich die Imaginationsfähigkeit der Nutzenden anzuregen.
 Ähnliches wird in der neuen Dauerausstellung der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel geboten. Hier haben Besuchende per AR auf Tablets die Möglichkeit, die schwer zugängliche ehemalige NS-Hinrichtungsstätte zu besuchen und dort zusätzliche historische Informationen abzurufen. Ganz bewusst zeigt die AR-Anwendung die Bauten in ihrer heutigen Gestaltung und simuliert gar nicht erst vermeintliche Authentizität. Die Nutzerinnen und Nutzer können sich digital den gegenwärtigen Gedenkraum ansehen und nicht etwa den historischen Hinrichtungsraum. Sowohl in Bergen-Belsen als auch in Wolfenbüttel handelt es sich um Anwendungen, die nicht mehr Existentes bzw. Zerstörtes oder nicht Zugängliches sichtbar machen und mit zusätzlichen Informationen anreichern. Problematisch wird es demgegenüber dort, wo Anwendungen darauf abzielen, emotional zu überwältigen. Die Berliner Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen beispielsweise bot vor wenigen Jahren Besuchenden die Möglichkeit, sich über einen 360-Grad-Film virtuell in die Rolle eines Gefangenen zu begeben, einschließlich Verhör, Erniedrigung und Eingeschlossensein in der Zelle. Diese Anwendung wurde wegen der Gefahr der Überwältigung gestoppt. Wenn AR- und VR-Anwendungen suggerieren, historische Realität abzubilden, fehlt eine Grundvoraussetzung für einen quellenkritischen und glaubwürdigen Geschichtszugang. Wird der konstruktive Charakter der Präsentation von Geschichte jedoch offen betont, können sie durchaus innovative Zugänge zum historischen Lernen an historischen Orten bieten – auch im Sinne einer handlungs- und akteursorientierten Geschichtsdidaktik. Sie müssen aber die Multiperspektivität wahren und Einzelschicksale in einen historischen Kontext einbetten, dürfen keine Täterperspektiven reproduzieren und sollten genügend Raum für Austausch und Reflexion schaffen. Vor allem aber sollten sie deutlich zwischen fiktionalen oder rekonstruierten Elementen und historischen Quellen unterscheiden.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2022-01-10T00:00:00
2021-05-26T00:00:00
2022-01-10T00:00:00
https://www.bpb.de/lernen/digitale-bildung/werkstatt/333281/ar-vr-moeglichkeiten-und-grenzen-ihrer-anwendung-in-der-ausserschulischen-historisch-politischen-bildung/
Sollten Bildungseinrichtungen historische Inhalte digital visualisieren? Und wie stehts mit der Quellentreue? Unser Gastautor Jens-Christian Wagner zeigt verschiedene Perspektiven zur Verwendung von Virtual und Augmented Reality in der historisch-pol
[ "Lernen mit Virtual und Augmented Reality", "Virtual Reality", "Augmented Reality", "VR/AR", "Außerschulische Bildung", "historische Bildungsarbeit" ]
582
Demokratisierung des Greater Middle East | Barcelona-Prozess | bpb.de
Einleitung Der Irak-Krieg wurde unter anderem mit der moralisch begründeten Ansicht gerechtfertigt, dort "Demokratie" einführen zu wollen. Dieses Kriegsziel gewann in dem Maße an Bedeutung, wie sich andere Kriegsgründe, insbesondere die Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen und die Mitverantwortung des irakischen Regimes am "11. September 2001" als unhaltbar erwiesen. Der US-Präsident erklärte fortan den Sturz von Saddam Hussein zum Schlüssel für die Demokratisierung der gesamten Region Greater Middle East. Tatsächlich ist Demokratisierung in einer Region ohne einen einzigen demokratischen Staat ein Ziel, das allgemein auf breite Zustimmung stößt. Warum hat sich die Demokratie im Mittleren und Nahen Osten aber nicht wie in Europa von innen heraus durchgesetzt? Liegt es am Islam? Sind die Gegensätze unüberbrückbar? Rechtfertigen es interne Barrieren, den Demokratieexport gegebenenfalls auch mit Gewalt durchzusetzen? Kann Demokratie überhaupt exportiert werden? Gibt es historisch positive Erfahrungen mit der gewaltsamen Ausbreitung von moralisch anspruchsvollen Wertvorstellungen und Gesellschaftsmodellen? Was wollen die Vereinigten Staaten mit der Demokratisierung des Greater Middle East durchsetzen, und gibt es Alternativen dazu? Nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Lagers versuchen die USA, die Transformation der islamischen Staaten hin zu demokratischen Gemeinwesen zu erreichen. Kann man Amerikas Initiative zur Demokratisierung des Greater Middle East als quasi natürlichen Bestandteil einer historisch ohnehin fällig gewordenen Entwicklung einstufen, oder springen die US-Neokonservativen auf einen in Fahrt gekommenen Demokratisierungszug, um dessen Fahrtrichtung zu bestimmen? Immerhin sind US-Präsident George W. Bush und seine Außenministerin Condoleezza Rice mit ihrer Vision, "Tyrannen zu beseitigen und Freiheit und Demokratie in die entferntesten Ecken der Welt zu bringen", dabei, für die US-Außen- und Hegemonialpolitik ein zeitgemäßes Koordinationssystem aufzubauen. Politische Ziele wie Terrorismusbekämpfung und Beseitigung von Massenvernichtungsmitteln schaden, wie das Irak-Desaster zeigt, eher dem transatlantischen Führungsanspruch. Das neue Koordinationssystem verspricht dagegen, das verlorene Terrain zurückzugewinnen. Die Charme-Offensive von Bush und Rice bei ihrer Europa-Visite Anfang 2005 und der Schulterschluss mit dem "Alten Europa" halfen der US-Führung, aus der moralischen Defensive herauszukommen. Worum geht es bei der US-Initiative Greater Middle East, welchen Stellenwert gewinnt sie im neuen Legitimationsmuster, wie tragfähig ist das Konzept in den USA und innerhalb der westlichen Allianz insgesamt? Kann die Initiative positiv als ein neues Zivilisationsprojekt angesehen werden, oder handelt es sich um alte Hegemonialpolitik im neuen Legitimationsgewand? Nach der offiziellen Lesart stützt sich das Projekt auf drei Säulen: Förderung der Demokratie und Good Governance; Aufbau einer Wissensgesellschaft und Ausbau der ökonomischen Potenziale. Die US-Regierung präsentierte ihr Drei-Säulen-Modell während des G-8 Gipfels von Sea Island im Juni 2004. Doch neben dieser Demokratisierungsabsicht verfolgt die US-Regierung mit großem finanziellen und personellen Aufwand ein anderes Greater Middle East-Projekt mit unverkennbar hegemonialpolitischen Zielen; erstens: die Beseitigung der "Schurkenstaaten" in Afghanistan und im Irak, anschließend die Etablierung von neuen, in den USA ausgebildeten und neoliberal geschulten Führungseliten und die Durchführung von Wahlen; zweitens: das unter der Bezeichnung Partnership for Peace formulierte bilaterale Abkommen zur Einrichtung von möglichst vielen militärischen Stützpunkten wie in Afghanistan, Irak, Usbekistan, Turkmenistan, Aserbaidschan und in den Ölscheichtümern am Persischen Golf; und drittens: Kooperation mittels Geld und Waffen mit allen den USA freundlich gesinnten Staaten. In der Logik dieser Programmatik ist kurz- oder mittelfristig auch ein Regimewechsel in Syrien und vor allem im Iran nicht ausgeschlossen. Diese realistische Variante des US-Greater Middle East Projekts ist durchaus keine neue Idee der Neokonservativen, sie hat vielmehr historische Wurzeln und beruht auf einem breiten Konsens innerhalb der politischen Elite der Vereinigten Staaten. Die Mittel- und Nahostpolitik der Demokraten und die der Republikaner unterscheiden sich bestenfalls in der Rhetorik, jedoch nicht grundsätzlich. Beide Lager legitimieren ihren moralischen Anspruch, Freiheit gegen Tyrannei weltweit ausbreiten zu wollen, im Einklang mit der Tradition des amerikanischen Idealismus und der republikanischen Verfassung. Welches Regime aber zum "Schurkenstaat" auserkoren und welcher Tyrann zu welchem Zeitpunkt in der Welt gestürzt werden soll, hängt von der jeweiligen aktuellen Interessenlage ab. Die ursprüngliche Idee, die Transformation des Greater Middle East als Projekt auf die politische Agenda zu setzen, stammt ursprünglich aus dem Umfeld der Demokraten. Im Herbst 2002, während der Sturz von Saddam Hussein vorbereitet wurde, entwickelten zwei ehemalige Mitarbeiter der Clinton-Administration, Ronald D. Asmus und Kenneth M. Pollack, ein erstes systematisches Argumentationsraster für dieses Projekt. Trotz der polemischen Beschwörung eines umfangreichen Selbstbestimmungsprinzips für die betroffenen Staaten erklärten Asmus und Pollack im selben Atemzug, dass zunächst "Saddam Hussein mit seinem Regime verschwinden" müsse, was - wie sie noch betonten - "eine groß angelegte Invasion des Irak" erfordere, und dass es "für alle Betroffenen besser wäre, wenn die USA und Europa diesen Feldzug, möglichst unter Rückgriff auf die NATO, gemeinsam" führten. Tatsächlich waren die US-Neokonservativen bemüht, Europa für das Projekt zu gewinnen. Der US-Präsident, sein Vize Dick Cheney, Condoleezza Rice und andere rührten dafür daher bei verschiedenen Anlässen die "politische Werbetrommel". Zumindest die konservativen Politiker Europas ließen keinen Zweifel an umfassenden gemeinsamen Interessen und Zielen mit den Vereinigten Staaten in der Welt. Die Ablehnung des Irakkrieges war zweifelsohne ein erster Schritt zur Entwicklung einer eigenständigen europäischen Mittel- und Nahostpolitik. Dieser Bruch wird jedoch durch beträchtliche transatlantische Gemeinsamkeiten überlagert. Trotz einer neuen Sympathiewelle für Europa dominiert in der gesamten arabisch-islamischen Welt nach wie vor die Auffassung, dass alle westlichen Staaten unverändert eine Politik mit zweierlei Maß verfolgen. Diese Auffassung zeigt sich am deutlichsten, wenn Israel ins Spiel kommt. Der Westen verurteile den palästinensischen Terror, verzichte jedoch auf die Verurteilung der massiven israelischen Gegengewalt. Er beurteile das iranische Atomprogramm als Bedrohung, lasse aber die Bedrohung durch Israels atomares Waffenarsenal mit mindestens 200 Atombomben außen vor. Die widersprüchliche Politik des Westens und deren Wahrnehmung in der islamischen Welt stellt die größte Barriere für eine friedliche Neugestaltung der europäischen und mittelöstlichen Beziehungen dar. Im Folgenden sollen zwei zentrale Dimensionen dieser Barriere des westlich-mittelöstlichen Dualismus herausgestellt werden: erstens die nicht nur in der Region häufig als rechthaberisch empfundene Auffassung, dass Islam und Demokratie sich widersprechen, und zweitens die tatsächliche Erfahrung, dass der Westen bisher die Demokratieentwicklung im Mittleren und Nahen Osten wegen eigener Ölinteressen gebremst oder gar verhindert hat. Islam und Demokratie - ein Widerspruch? Dies ist eine in den westlichen Diskursen über die islamische Welt am häufigsten gestellte Frage. Dahinter verbirgt sich oft die Auffassung, wonach der Islam das Haupthindernis für die Demokratisierung islamischer Gesellschaften sei und im Umkehrschluss das Christentum per se eine demokratiekompatible Religion darstelle. Für die Auffassung, die Demokratie sei eine westlich-christliche Erfindung, lässt sich tatsächlich ein Argument anführen, das schwer zu widerlegen ist: Alle westlichen Demokratien haben einen christlichen Hintergrund, dagegen hat die islamische Welt bisher bestenfalls halbdemokratische Staaten, beispielsweise die Türkei und den Iran, hervorgebracht. Bei dieser scheinbar bestechenden Kausalität wird jedoch übersehen, dass die Demokratie ursprünglich eine Errungenschaft der hellenischen Kultur im vorchristlichen Zeitalter war. Die mangelnde Demokratiefähigkeit okzidentaler bzw. orientalischer Gesellschaften wird zudem allein auf ethische Quellen und Normen zurückgeführt, während alle anderen für die Demokratieentwicklung relevanten gesellschaftlichen Faktoren und historischen Besonderheiten der Staatsbildung in Okzident und Orient ausgeblendet werden. Dieser selektive Blick und die Annahme, dass der Islam die Demokratisierung islamischer Gesellschaften blockiere, untermauert Samuel Huntingtons These vom unausweichlichen Clash of Civilization und die Aufforderung an den Westen, sich auf die islamische Bedrohung vorzubereiten. Insofern ist eine eingehende Beschäftigung mit der These, dass Christentum und Demokratie kompatibel seien, Islam und Demokratie hingegen nicht, nicht nur eine akademische, sondern vor allem auch eine hoch aktuelle politische Frage. Die These selbst ist nicht neu und im Grunde eine Verallgemeinerung von Max Webers protestantischer Ethik als treibender Kraft des Kapitalismus und der gesellschaftlichen Modernisierung in Europa, die der Soziologe bereits vor einhundert Jahren formulierte. Für Weber war es "die innerweltliche Askese des Protestantismus, welche gerade den frömmsten und ethisch rigorosesten Elementen den Weg in das Geschäftsleben öffnete" und die "eine kapitalistische Ethik" schuf. Die vorwärts treibende oder behindernde Kraft der Ethik im historischen Prozess der Modernisierung ist unstrittig. Irreführend ist allerdings die selektive Reduktion hoch komplexer Vorgänge auf die Ethik bzw. auf ethisch begründete Koordinations- und Bewertungsmaßstäbe. Bei einer umfassenderen Analyse des sozialen Gefüges vormoderner Gesellschaften im christlich okzidentalen Mittelalter und im islamischen Orient rücken andere plausible Erklärungsmuster ins Blickfeld: Die vormodernen europäischen Gesellschaften waren überwiegend dezentral mit schwachen zentralistischen Staaten ausgestattet, während die orientalischen Gesellschaften unabhängig von der herrschenden Religion, ob Buddhismus oder Taoismus in Indien und China oder Islam im Mittleren Osten, ob im vorislamischen bzw. islamischen Zeitalter, überwiegend zentralistisch despotische Staaten mit schwachen dezentralen Strukturen aufwiesen. Die dezentrale Herrschaft mit zahlreichen kleinen und untereinander konkurrierenden feudalen Gewalten in Europa begünstigte die Entstehung von autonom agierenden bürgerlichen Schichten an der Peripherie dieser Gemeinwesen. Sie trieben über mehrere Jahrhunderte hinweg evolutionär und nachhaltig die gesellschaftliche Arbeitsteilung sowie die soziale Transformation voran, sie ermöglichten und bewirkten eine Trennung von Religion und Staat sowie die kapitalistische Entwicklung, Industrialisierung und Demokratisierung. Dagegen waren die orientalischen Zentralstaaten in der übermächtigen Position, das gesamte Bürgertum (Händler, Manufakturbesitzer, Intellektuelle) dem eigenen Herrschaftsinteresse zu unterwerfen, ihm die Ketten der Despotie anzulegen und seiner Selbstständigkeit zu berauben. Die soziale Transformation konnte aus diesem doch sehr entscheidenden Grund nicht stattfinden. Für Aufklärung und Trennung von Religion und Staat entstand kein fruchtbarer Boden. Anstelle der Industrialisierung und Modernisierung verharrten orientalische Gesellschaften bis in die jüngste Vergangenheit in ökonomischer Stagnation, und für die Demokratisierung der Gesellschaft fehlen bis heute die sozialen Träger - vor allem fehlt ein verwurzelter, selbstständig handelnder und für eine tragfähige Demokratisierung unverzichtbarer Mittelstand. Insofern kommen dem Christentum und dem Islam im Hinblick auf Modernisierung und Demokratisierung bestenfalls sekundäre Bedeutung zu. Wäre statt des Christentums der Islam die dominante Religion in Europa gewesen, stünde dieser aller Wahrscheinlichkeit nach, wie das Christentum heute, jenseits des Staates und wäre längst entmachtet. Hätte sich dagegen das Christentum statt nach Westen von seinem Entstehungsort ostwärts in Richtung Orient ausgebreitet, wäre es vermutlich im Mittleren Osten anstelle des Islam die dominante politische Kraft gewesen. Man könnte demgegenüber eine andere, durchaus plausible Auffassung vertreten, dass die Ausbreitung des Christentums und des Islams in entgegengesetzter West-Ost-Achse nicht zufällig war und dass das Christentum auf Grund innerer Axiome (der Nächstenliebe, stärkerer Individualität) sich den dezentralen Strukturen in Europa besser anpassen konnte, dagegen der Islam wegen seiner eher kollektivistischen Ausrichtung (das Kollektiv - die Umma -, nicht das Individuum als Basis der Gemeinschaft) für die zentralistischen Gesellschaften des Orients geradezu prädestiniert war. Eine solche Sichtweise erklärt, warum der Islam sich im Orient und das Christentum sich im Okzident ausgebreitet hat und hebt die sekundäre Bedeutung der Religion in beiden Gesellschaftsmustern zusätzlich hervor. Die weit verbreitete Annahme einer primären Kausalität zwischen Christentum, Transformation und Demokratie einerseits und Islam, Stagnation und Diktatur andererseits lässt sich so nicht aufrechterhalten. Mit anderen Worten: Entscheidend für die Demokratisierung ist die Transformation traditioneller Sozial- und Familienstrukturen und ein Ende der ökonomischen Stagnation. Dieser Prozess ist spätestens unter dem Druck der ökonomischen und kulturellen Globalisierung aber seit mehreren Dekaden voll im Gang, dem Islam bliebe keine andere Option, als sich - wie einst das Christentum - zeitverzögert den Anforderungen der Moderne zu fügen und aus Staatsgeschäften zurück zu ziehen. Dazu bedarf es jedoch keines Demokratieexports, und erst recht nicht eines Krieges. Geostrategie - Demokratie und Ölpreis Islam und Demokratie stellen somit nicht zwingend einen Gegensatz dar. Gegensätzlich ist jedoch sehr wohl das Interesse der USA und anderer industrialisierter Staaten am Ölpreis einerseits und der Demokratie im Mittleren Osten, wo ca. 60 Prozent der Weltölreserven lagern, andererseits. Diese These bedarf einer theoretisch schlüssigen Erklärung: Marktgesetze funktionieren im Interesse freier Preisbildung und ökonomisch effizienter Allokation der Ressourcen nur dann, wenn sämtliche Marktteilnehmer die Freiheit besitzen, nach individuellen Optimierungspräferenzen zu handeln. Die Souveränität der Marktteilnehmer und die Wahlfreiheit sind somit untrennbar mit der Demokratie verbunden. Dies ist eine Binsenweisheit und gehört zum Alphabet der neoklassischen Gleichgewichtstheorie. Markttheoretisch gilt sie national, und bei Weltmarktprodukten wie dem Öl auch international. Als souverän handelnde Marktteilnehmer hätten die Ölstaaten des Mittleren Ostens ihren volkswirtschaftlichen Nutzen langfristig am besten dadurch optimieren können, dass sie ihre Ölproduktion verknappt hätten, um ihre Ressourcen auch für die nächsten Generationen zu erhalten und so die aktuellen Ölpreise bis an die Grenze der Substitution des Öls durch Alternativen, insbesondere regenerative Energien, anzuheben. Ökonomen nennen diese Preise Grenz- oder Opportunitätskosten. Dazu bedarf es allerdings der Demokratie. Nur im öffentlichen Diskurs demokratischer Parteien und gesellschaftlicher Gruppen um den besten Weg der nationalen Ölstrategie kann sich letztlich herausstellen, wie nationaler Nutzen optimiert werden kann. Unter demokratischen Bedingungen wären die Ölpreise marktwirtschaftlichen Gesetzen folgend aller Wahrscheinlichkeit nach in der Vergangenheit sukzessive gestiegen, zumal die Ölressourcen mit wachsendem Verbrauch abnehmen. Die Industriestaaten verfolgten im Gegensatz zu Demokratie und marktwirtschaftlichen Bedingungen aus purem Eigeninteresse schon immer das Ziel, steigende Ölpreise zu torpedieren. Dieses Ziel ist markttheoretisch gesprochen daran gekoppelt, die Souveränität der Ölanbieter im Mittleren Osten auszuhebeln, im Grunde genommen Demokratisierungsbestrebungen nicht zuzulassen und stattdessen mit diktatorischen Regimen zu kooperieren. Angesichts der ökonomischen Bedeutung des mittelöstlichen Öls für das Wirtschaftswachstum des Westens - immerhin verändert sich das Wirtschaftswachstum bei einer Preisdifferenz von zehn US-Dollar je Barrel um 0,4 Prozent - entwickelte sich das Verhältnis zwischen dem Westen und den Ölstaaten des Mittleren Ostens zu einer interventionsreichen, blutigen und politisch verhängnisvollen Beziehung. Sie begann 1953 mit dem Sturz einer demokratisch gewählten und mit dem Namen Mossadegh verbundenen Regierung im Iran, die 1951 mit dem Ziel, durch die Nationalisierung der iranischen Ölindustrie die nationale Souveränität über die eigenen Ölressourcen zurückgewinnen und volkswirtschaftlichen Nutzen im freien Handel mit anderen Staaten optimieren zu wollen, erstmals in der iranischen Geschichte durch freie Parlamentswahlen zustande gekommen war. Die Regierung Mossadegh war der erste souverän handelnde Akteur aus dem Mittleren Osten auf dem internationalen Ölmarkt. Das Modell Iran hätte vielleicht eine Demokratisierungswelle in der gesamten Region in Gang setzen, damit einhergehend auch steigende Ölpreise auslösen und folglich eine ernsthafte Gefahr für das Wirtschaftswachstum und das amerikanische Konsummodell werden können. US-Präsident Dwight D. Eisenhower erkannte diese Gefahr und erteilte 1953 der CIA unter dem Vorwand der kommunistischen Gefahr grünes Licht für den Sturz der iranischen Regierung und stoppte so de facto eine aus eigenen Kräften in Gang gebrachte Demokratisierung. Die USA blockierten somit auch die Entstehung von marktwirtschaftlichen Beziehungen auf dem internationalen Ölmarkt. 2003, ein halbes Jahrhundert später, wurde ein anderes Regime in einem anderen mittelöstlichen bedeutenden Ölland, dem Irak, gewaltsam beseitigt, diesmal nicht unter dem Vorwand der kommunistischen Gefahr, sondern vielmehr unter dem Vorwand der Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen und den internationalen Terrorismus. Die Vorwände haben sich geändert - das amerikanische Ziel blieb jedoch in den letzten 50 Jahren von der Iran-Krise 1953 bis zur Irak-Krise 2003 und heute unverändert: die Unterminierung der Souveränität mittelöstlicher Ölstaaten, um den störungsfreien Fluss von Öl zu Niedrigpreisen für den gesamten Westen zu sichern und die eigene Machtposition zu festigen. Die Geschichte der US-Mittelostpolitik ist äußerst facettenreich, sie schließt auch - wie der US-Amerikaner John Perkins vor kurzem enthüllte - Geheimdiplomatie mit unlauteren Methoden ein: "In den 70er Jahren wirkte ich", bekannte sich Perkins in einem Exklusivgespräch mit der "Frankfurter Rundschau", "bei einem besonderen Deal mit, über den heute wieder gesprochen wird. Das saudische Königshaus stimmte zu, den größten Teil seiner Petrodollars in den USA zu reinvestieren und in amerikanischen Regierungsanleihen anzulegen. Sie stimmten auch zu, den Ölpreis innerhalb für uns akzeptabler Grenzen zu halten. Im Gegenzug verpflichteten wir uns, das Haus Saud an der Macht zu halten." Nicht der Islam, wohl aber - um auf die Eingangsthese in diesem Abschnitt zurück zu kommen - der Wohlstand im Westen steht im Gegensatz zur Demokratie in den Ölstaaten. Diese Kausalbeziehung wirft im Übrigen einen dunklen Schatten auf die westlichen Demokratien, deren Stabilität offensichtlich auch auf Ölniedrigpreisen und der Überausbeutung der Energieressourcen anderer Völker beruht. Demokratisierungsbarriere Der Islam wurde als vermeintliche Demokratisierungsbarriere zum Sündenbock einer westlichen Interessenpolitik, die selbst die Idee der Demokratie in der arabisch-islamischen Welt gründlich diskreditierte. Die sozialen Träger der Modernisierung und Demokratisierung - der Mittelstand, die Intellektuellen und die Zivilgesellschaft - im Mittleren und Nahen Osten stehen gegenwärtig nicht nur unter massivem Druck patrimonial theokratischer Eliten, weil diese nicht bereit sind, den Verlust ihrer Privilegien und Macht hinzunehmen. Sie stehen auch unter dem Druck der negativen Erfahrungen mit der westlichen Realpolitik in der Vergangenheit und auch heute. Besonders verheerend wirkt sich die offene Parteinahme des Westens für die israelische Besatzungspolitik aus, welche die Ignoranz und das Schweigen gegenüber der täglichen Demütigung der palästinensischen Bevölkerung und Verletzung ihrer Menschenwürde einschließt. Diese Politik stärkt nicht gerade das Rechtsbewusstsein, auf das jede Demokratieentwicklung angewiesen ist. Ist es nun glaubwürdig und zukunftsträchtig, dass ausgerechnet eine Weltmacht wie die Vereinigten Staaten ankündigen, den Großraum Mittlerer Osten demokratisieren zu wollen? Das politische Versagen der Vereinigten Staaten in dieser Region ist jedenfalls sehr lang und im kollektiven Gedächtnis der Menschen noch lebendig: Der Sturz einer frei gewählten Regierung durch den CIA 1953 im Iran; Hilfe für die Rückkehr von Schah Mohammed Reza auf den Thron und uneingeschränkte Unterstützung seiner Diktatur, die islamisch-fundamentalistische Reaktionen und letztlich auch die islamische Revolution im Iran heraufbeschwor; aktive Kooperation mit allen autokratisch-diktatorisch regierenden arabischen Stammesfürsten am Persischen Golf im vergangenen halben Jahrhundert; Waffenexporte an Diktatoren und Lieferung von Chemiewaffen an Saddam Hussein, der diese Massenvernichtungswaffen gegen irakische Kurden und im Iran/Irak-Krieg einsetzte; militärische Hilfe für fundamentalistische Mudjahedin in Afghanistan gegen die sowjetische Besatzungsmacht und Förderung der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan; intensive Kooperation mit den zentralasiatischen präsidialen Diktaturen nach dem Zerfall der Sowjetunion; und schließlich den völkerrechtswidrigen Krieg gegen den Irak. Im Mittleren Osten spiegelt sich wie in keinem anderen Teil der Welt der Wandel wider, wie die US-Außenpolitik sich im vergangenen halben Jahrhundert von der republikanischen Verfassung entfernt und einer Hegemonialpolitik einschließlich gelegentlicher Allianzen mit Diktaturen zugewandt hat. Es gibt in diesem Zeitraum nur das Beispiel Israel, das für die Unterstützung der Demokratie im Mittleren Osten seitens der USA steht. Auch der Demokratieexport in Afghanistan und in Irak steckt gegenwärtig in einer politischen Sackgasse. Dadurch entstanden erst recht neue Konfliktformationen, die weder Demokratie noch Frieden ausstrahlen. Hamid Karsai wirkt nicht wie ein souveräner Staatspräsident und ist de facto ein "Prokonsul der Vereinigten Staaten in Kabul, der gezwungen ist, eine neue Allianz mit verschiedenen Taliban-Fraktionen zu schmieden". Die Wahlen im Irak erfolgten unter dem Besatzungschaos kaum nach sozial und politisch programmatischen Gesichtspunkten, sondern nach ethnisch-religiösen Differenzen. Der Wahlerfolg der Schiiten fördert antischiitische Ressentiments, und sunnitische Machthaber sind dabei, die Ängste vor einem "schiitischen Halbmond", der sich von Iran über Irak, Saudi-Arabien, den Emiraten im Persischen Golf nach Syrien und Libanon erstreckt, zu schüren. Die steigende Zahl der Selbstmordattentate gegen die Schiiten im Irak sind möglicherweise die Vorboten eines als Folge der US-Besatzung im Irak entstandenen sunnitisch-schiitischen Religionskrieges, der sich für die gesamte Region verheerend auswirken könnte. Ob die neue militärische Koalition der irakischen Kurden mit den USA und Israel die Demokratieentwicklung in der Region fördert, muss bezweifelt werden. Der Demokratieexport in den Greater Middle East ist demnach primär kein zivilisatorisches und für die Demokratie Hoffnung stiftendes Projekt. Er ist Bestandteil einer neuen ideologischen Offensive zur Rechtfertigung geostrategischer Interessen. Er ist das Herzstück einer neokonservativen Strategie, die Huntingtons Konzept vom Krieg der Kulturen durch ein neues Gewand von Freiheit oder Tyrannei austauscht. Bushs Freiheitsprojekt ("Das Überleben der Freiheit in unserem Lande hängt zunehmend vom Erfolg der Freiheit in anderen Ländern ab") erhält beängstigende Plausibilität. Der Demokratieexport in den Greater Middle East steht in einer expansionistischen Tradition: Die kolonialistische Expansion vom 17. bis 19. Jahrhundert wurde fast immer mit der Zivilisierung der "Barbaren" legitimiert. Napoleon legitimierte seinen Feldzug in Europa zuweilen unter dem Banner von Freiheit und Brüderlichkeit, stabilisierte im Ergebnis aber die Macht der absolutistischen Herrscher gegen die begonnene Umwälzung. Stalin legitimierte nach dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus und dem Beginn des Kalten Krieges mit dem Export des Sozialismus die Etablierung eines der Sowjetunion untergeordneten sozialistischen Lagers, das die Demokratieentwicklung in ganz Osteuropa für mehrere Jahrzehnte ad acta legte. Die islamischen Fundamentalisten im Iran provozierten mit ihrer Phrase vom Export der islamischen Revolution Misstrauen, Feindschaft und Krieg. Staaten, die Demokratie exportieren wollen, sind also offenbar selbst eine Bedrohung für die Demokratie. Demokratie lässt sich vorleben und nachahmen, aber nicht exportieren. Der beste Weg zur Demokratisierung des Mittleren und Nahen Ostens wäre, die im Innern sprudelnden Kräfte der Demokratie und Reformen von der äußeren Last der Demokratiediskreditierung zu befreien. Die Überwindung archaisch-patrimonialer Machtsysteme im Greater Middle East würde dann vermutlich erheblich einfacher werden. Die wichtige und immer noch offene Frage ist, ob Europa hinreichend Gestaltungskraft und Mut findet, von den Pfründen der amerikanischen Hegemonialpolitik der vergangenen Jahrzehnte Abschied zu nehmen und nach dem "Nein" der meisten Europäer zum Irakkrieg zu einer eigenständigen Mittel- und Nahostpolitik zu finden, welche die Demokratisierung in der Region fördert. Lässt sich die Europäische Union beispielsweise im Atomkonflikt mit dem Iran in die Strategie der USA einbinden? Oder gelingt es ihr, eine für die gesamte Region existenzielle Perspektive der gemeinsamen Sicherheit mit dem Ziel der Abschaffung von Massenvernichtungswaffen in das Blickfeld zu rücken? Sicher ist: Nur diese Perspektive ermöglicht es, die komplexen ethnischen, kulturell-religiösen Gegensätze aufzufangen, Konflikte um Grenzen, Öl- und Wasserquellen auf eine politisch-rechtliche Grundlage zu stellen und die Rahmenbedingungen für mehr Demokratie drastisch zu verbessern. Die Glaubwürdigkeit Europas steht auf dem Prüfstand. Ursprünglich vorgestellt in: Policy Review, (2002) 115. Die deutsche Übersetzung erschien in: Blätter für deutsche und internationale Politik, (2002) 12, S. 1461. Vgl. Samuel P. Huntington, Der Kampf der Kulturen. Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert, München-Wien 1997. Vgl. Max Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus, in: Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie, Bd. 1, Tübingen 1972; ders., Religiöse Ethik und "Welt", in: ders., Wirtschaft und Gesellschaft, Tübingen 1976. Ebd., S. 354f. Vgl. Karl Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie (1857/58), insbesondere der Abschnitt "Formen, die der kapitalistischen Produktion vorhergehn", Berlin (Ost) 1953; Karl August Wittfogel, Die orientalische Despotie, Köln 1962; Mohssen Massarrat, Aufstieg des Okzidents und Fall des Orients, in: ders. (Hrsg.), Mittlerer und Naher Osten. Geschichte und Gegenwart. Eine problemorientierte Einführung, Münster 1996, S. 11 - 56; ders., Islamischer Orient und christlicher Okzident. Gegenseitige Feindbilder und Perspektiven einer Kultur des Friedens, in: Osnabrücker Jahrbuch Frieden und Wissenschaft, 4 (1999), S. 197 - 212. Vgl. Mohssen Massarrat, Preis der Freiheit, in: Die Zeit vom 31. 3. 2005. Vgl. International Energy Agency, Mai 2004. Herfried Münkler führt die Kriege um Öl hingegen auf die Logik der imperialen Ordnung der Vereinigten Staaten zurück. Den Vereinigten Staaten gehe es darum, die Bedingungen des Handels mit Öl nicht nur im eigenen Interesse, sondern stellvertretend für den gesamten Westen zu diktieren. Genau diese "Ordnungsaufgabe" erfordere Gewalt und auch Krieg. Diese Ordnung ist jedoch nicht, wie Münkler in seinem gerade erschienenen Buch (Imperien. Die Logik der Weltherrschaft - vom alten Rom bis zu den Vereinigten Staaten) annimmt, eine den Frieden sichernde "imperiale Ordnung", der sich auch Europa unterzuordnen hätte, sondern sie ist eine hegemoniale Ordnung mit immer deutlicher werdenden imperialistischen Beweggründen. Vgl. Mohssen Massarrat, Amerikas Hegemonialsystem und seine Grenzen. Der Beitrag Europas für eine multilaterale Weltordnung, in: Supplement der Zeitschrift Sozialismus, (2004) 3, S. 1 - 33. Frankfurter Rundschau vom 2.7. 2005. John Perkins gehörte zu einer der offenbar zahlreichen "Economic Hit Men"(Wirtschaftskiller)-Kommandos, die in geheimer Mission unterwegs sind und mit Mafiamethoden die politische Eliten der Dritten Welt zu einer Zusammenarbeit jenseits von freien und offenen Handels- und Politikbeziehungen zu bewegen. In seinem Buch "Bekenntnisse eines Economic Hit Man", München 2005, enthüllt Perkins diese Methoden. Vgl. Ahmad Rashid, Taliban. Afghanistans Gotteskrieger und der Dschihad, München 2000. Tariq Ali, Bilde eine neue Elite, gib ihr Geld und Waffen, in: Freitag vom 18. 2. 2005. Michael Lüders, Herrscher ohne Legitimation, in: Frankfurter Rundschau vom 21. 2. 2005.
Article
Massarrat, Mohssen
2021-12-07T00:00:00
2011-10-05T00:00:00
2021-12-07T00:00:00
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/28717/demokratisierung-des-greater-middle-east/
Die Demokratisierung im Großraum Mittlerer Osten steht zweifelsohne auf der politischen Agenda. Sie muss aber von innen heraus vorangetrieben werden.
[ "" ]
583
Wahlkreiseinteilung | Wahlen in Deutschland: Grundsätze, Verfahren, Analysen | bpb.de
Wie viele Bundestagsmandate insgesamt verteilt werden, hängt von der Zahl der Wahlkreise im Bundesgebiet ab. Bis Juni 1990, also vor der deutschen Einheit, war das Bundesgebiet in 248 Wahlkreise eingeteilt. Dazu kamen noch 22 Vertreter Westberlins, die vom Berliner Abgeordnetenhaus delegiert wurden und im Bundestag nur über ein eingeschränktes Stimmrecht verfügten. Unter Sonderbedingungen fand die Wahl von 1990 statt. Es blieb bei der Einteilung von 248 Wahlkreisen in den alten Bundesländern. Hinzu kamen in den fünf ostdeutschen Ländern weitere 67 Wahlkreise. Zusammen mit den 13 Wahlkreisen des wiedervereinigten Berlin ergab sich daraus die Gesamtzahl von 328 Wahlkreisen. In Paragraf 3 des Bundeswahlgesetzes ist festgelegt, was bei der Einteilung der Wahlkreise von der dafür zuständigen Wahlkreiskommission zu beachten ist. Diese Regelungen sind wichtig, weil der Zuschnitt der Wahlkreise einen großen Einfluss auf die Vergabe der Direktmandate haben kann. Bevölkerungszahl eines Wahlkreises: Wenn es zu große Unterschiede in der Bevölkerungszahl gibt, kann eine unterlegene Kandidatin oder ein unterlegener Kandidat in einem sehr großen Wahlkreis mehr Stimmen errungen haben als der Gewinner eines kleinen Wahlkreises oder, anders ausgedrückt, kann in einem kleinen Wahlkreis eine Stimme ein größeres Gewicht haben als in einem großen. Das aber widerspricht dem Gleichheitsgrundsatz. Deshalb legt das Bundeswahlgesetz in Paragraf 3, Absatz 1 fest, dass die Abweichung von der durchschnittlichen Größe nur 15 Prozent betragen soll und nicht mehr als 25 Prozent ausmachen darf. Dafür ist die Beobachtung der Bevölkerungsentwicklung durch die Wahlkreiskommission erforderlich (ausländische Einwohner werden dabei nicht berücksichtigt). Der Bericht wird in jeder Wahlperiode dem Innenministerium vorgelegt. Zuschnitt der Wahlkreise: Das Bundeswahlgesetz schreibt in Paragraf 3, Absatz 1 vor: "Der Wahlkreis soll ein zusammenhängendes Gebiet bilden." Hinter dieser trivial klingenden Vorschrift steckt folgender Gedanke: Unterschiedliche Wählerschichten sind geografisch oft sehr unterschiedlich verteilt. Das könnte man auf zweierlei Art ausnutzen, um ein gewünschtes Ergebnis zu begünstigen: Man kann die Wahlkreise eine Wählerhochburg einer Partei "zerschneiden" in der Hoffnung, dass so in keinem der Wahlkreise ihre Stimmenanzahl zu einem Mandatsgewinn ausreichen wird. Falls die Gefahr besteht, dass eine Partei auf diese Weise doch mehrere Wahlkreise gewinnen könnte, kann man eine Hochburg bilden. Dort wird die Partei mit einem großen Stimmenüberschuss gewinnen; diese Stimmen fehlen ihr aber dann in den umliegenden Wahlkreisen, sodass sie in diesen verlieren wird. Die letzte Parlamentsreform betraf in Teilbereichen die Wahlkreiseinteilung. Am 29. Juni 1995 hatte der Bundestag mit Mehrheit beschlossen: Ab der 15. Legislaturperiode, also von 2002 an, soll die Zahl der Abgeordneten von 669 (die Zahl ergibt sich durch die Überhangmandate) um höchstens 100, mindestens aber auf unter 600 gesenkt werden. In einem ergänzenden Bericht der Reformkommission zur Größe des Deutschen Bundestages heißt es präzisierend: "Der Deutsche Bundestag wird mit Wirkung ab der 15. Wahlperiode auf 598 Mitglieder verkleinert. Dazu ist eine Neueinteilung des Bundesgebietes in 299 Wahlkreise erforderlich, die bis zum Ablauf der 13. Wahlperiode in einem die Anlage zu Paragraf 2, Abs. 2 des Bundeswahlgesetzes ändernden Gesetz festgelegt werden muss" (Deutscher Bundestag, Drucksache 13/8270). Zugleich votierte das Parlament gegen eine grundsätzliche Veränderung des Wahlrechts. Die damalige Kommission machte folgende Vorschläge, die mit dem Gesetz vom 13. Februar 1998 umgesetzt wurden: Für die Wahl des Jahres 1998 wurden 29 Wahlkreise neu abgegrenzt, deren Bevölkerung um mehr als ein Drittel nach oben oder unten vom Durchschnitt abwich. Dagegen verzichtete die Kommission darauf, die Neuverteilung der Wahlkreise auf die Bundesländer bereits für die Wahl 1998 zu empfehlen. Zugleich gab die Kommission die Empfehlung, ab dem Zeitpunkt der Verkleinerung des Bundestages (im Jahr 2002) die Grenzen der zulässigen Ungleichgewichte bei der Wahlkreiseinteilung enger zu ziehen (maximal 25 Prozent). Die Reformkommission hatte außerdem einen Vorschlag unterbreitet, der die zukünftige Neueinteilung des Bundesgebiets in 299 Wahlkreise regelt. Die vorgeschlagenen Wahlkreise weichen hinsichtlich ihrer Einwohnerzahl jeweils um höchstens 25 Prozent vom allgemeinen Durchschnitt ab und werden auch in Zukunft diese Grenze voraussichtlich nicht überschreiten. Tatsächlich ergab sich nach der Wahlkreisreform erneuter Änderungsbedarf. Aufgrund der zum 31. Dezember 2006 erhobenen Bevölkerungszahlen sah die Wahlkreiskommission die Notwendigkeit, in einigen Ländern zusätzliche Wahlkreise einzurichten, während andere Länder Wahlkreise verlieren sollten. Sie empfahl, in Niedersachsen und Baden-Württemberg je einen zusätzlichen Wahlkreis einzurichten und in Sachsen und Sachsen-Anhalt je einen Wahlkreis abzuschaffen. Zudem sollten die Grenzen von 33 Wahlkreisen den Richtlinien zur Bevölkerungszahl nach dem Bundeswahlgesetz angepasst werden. Diesen Empfehlungen folgte der Bundestag und beschloss eine Änderung des Bundeswahlgesetzes, die bereits für die Bundestagswahl 2009 galt. Auch im Hinblick auf die Bundestagswahl 2013 wurden Änderungen vorgenommen. Da die Zahl der Wahlkreise in den Ländern der jeweiligen Bevölkerungszahl so weit als möglich entsprechen muss, waren Wahlkreise zwischen den einzelnen Ländern umzuverteilen und neu abzugrenzen. Dabei verlor Mecklenburg-Vorpommern einen Wahlkreis, Hessen gewann dafür einen hinzu. 21 Wahlkreise wurden aufgrund der Bevölkerungsentwicklung neu zugeschnitten. Vor dem Hintergrund der 2020 beschlossenen Wahlrechtsreform ist eine Reduzierung von 299 auf 280 Wahlkreise ab der Bundestagswahl 2025 vorgesehen.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2022-01-07T00:00:00
2021-06-28T00:00:00
2022-01-07T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/politisches-system/wahlen-in-deutschland/335627/wahlkreiseinteilung/
Der Zuschnitt der Wahlkreise kann großen Einfluss auf die Vergabe der Direktmandate haben. Laut GG muss die Zahl der Wahlkreise pro Bundesland dessen Bevölkerungsanteil entsprechen.
[ "Wahlkreis", "Bundesgebiet", "Bundesland", "Bevölkerungszahl", "Zuschnitt", "Wahlkreisreform" ]
584
Literatur | Mexiko | bpb.de
Bean, F. D., und Stevens, G. (2003): America's Newcomers and the Dynamics of Diversity. New York. Buchenau, J. (2001). "Small Numbers, Great Impact: Mexico and its Immigrants, 1821-1973." Journal of American Ethnic History 20: 23-49. Cornelius, W. A., Fitzgerald, D. und Lewin Fischer, P. (Hrsg.) (2007): Mayan Journeys: The New Migration from Yucatán to the United States. Boulder, CO. Cornelius, W. A. und Salehyan, I. (2007): "Does border enforcement deter unauthorized immigration? The case of Mexican migration to the United States of America." Regulation & Governance 1: 139-153. Durand, J., und Massey, D. S. (Hrsg.) (2004): Crossing the Border: Research from the Mexican Migration Project. New York. Fitzgerald, D. (im Erscheinen): A Nation of Emigrants: How Mexico Manages its Migration. Berkeley, CA. Fitzgerald, D. (2005): "Nationality and Migration in Modern Mexico." Journal of Ethnic and Migration Studies 31: 171-91. González Navarro, M. (1994): Los Extranjeros en México y los Mexicanos en el Extranjero, 1821-1970. Mexico, DF. Massey, D. S. u.a. (1998): Worlds in Motion: Understanding International Migration at the End of the Millennium. Oxford. Massey, D. S., Durand, J. und Malone, N.J. (2002): Beyond Smoke and Mirrors: Mexican Immigration in an Era of Free Trade. New York. Ogren, C. (2007): "Migration and Human Rights on the Mexico-Guatemala Border." International Migration 45: 203-243. Smith, R. C. (2006): Mexican New York: The Transnational Lives of New Immigrants. Berkeley. Zogby, J. und Rubio, L. (2006): How We See Each Other: The CIDAC-Zogby International Survey of Attitudes in Mexico and the United States of America. Utica, New York and Mexico City.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2021-12-17T00:00:00
2012-01-25T00:00:00
2021-12-17T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/migration-integration/laenderprofile/57747/literatur/
Hier finden Sie Literatur zum Länderprofil 14: "Mexiko" von David Fitzgerald.
[ "" ]
585
Analyse: 1918 in Polen: Ereignis, Erinnerung, Jubiläum | bpb.de
Das Jahr 1918 ist wesentlicher Bezugspunkt für aktuelle polnische Identitätsdiskurse. Der Beitrag schildert knapp die zur Wiederentstehung Polens führenden Ereignisse und stellt dar, wie im vergangenen Jahrhundert daran erinnert wurde oder welche Anstrengungen unternommen wurden, sie zu verdrängen, insbesondere um die Rolle von Józef Piłsudski zu marginalisieren. Gerade in den vergangenen Jahren ist der Unabhängigkeitstag am 11. November zu einem Aufeinandertreffen von nationalistischen bis neofaschistischen und liberalen bis alternativen Geschichtsentwürfen geworden. Die Jubiläumsfeiern des Jahres 2018 werden von einem Komitee unter der Schirmherrschaft von Präsident Andrzej Duda als überparteiliche Abfolge zahlloser Veranstaltungen geplant, könnten aber Gefahr laufen, politisch instrumentalisiert zu werden, zumal im Herbst auch die Kommunalwahlen stattfinden werden. Das Ereignis: Polens viele Schritte zur Unabhängigkeit Das Jahr 1918 begann für Polen mit gemischten Gefühlen. Während fern im Westen US-Präsident Woodrow Wilson seine 14 Punkte für eine Friedensordnung in Europa verkündete und als 13. Punkt auch ein unabhängiges Polen mit einem freien Zugang zum Meer verlangte, versuchten die Mittelmächte im Osten, Politik ohne Rücksicht auf Polen zu machen: Bei den Friedensverhandlungen von Brest Litowsk (poln. Brześć) zwischen dem revolutionären bolschewistischen Russland und den Mittelmächten saßen Polen weder mit am Tisch noch wurden ihre Wünsche gehört. Und so war schon der "Brotfrieden", den die Mittelmächte am 9. Februar mit der jungen, von den Sowjets bedrängten Ukrainischen Volksrepublik schlossen, ein Schock für die Polen, gestand man den Ukrainern doch große historisch polnische Gebiete zu, einschließlich des Gebiets um Cholm (poln. Chełm). Als wenige Wochen später, am 3. März, die Sowjets schließlich den Bedingungen für einen Friedensvertrag zustimmten, hatten deutsche Soldaten fast das gesamte historische Staatsgebiet Polen-Litauens besetzt. Doch wo genau und wie sollte Polen hier als Staat entstehen? Schon am 5. November 1916 hatten die in Wien und Berlin regierenden Kaiser ein Königreich Polen proklamiert; am 15. Januar 1917 war ein Provisorischer Staatsrat und nach dessen Scheitern am 15. September 1917 ein Regentschaftsrat eingesetzt worden. Zwar stellten sich nun nicht wie erhofft in großer Zahl Kriegsfreiwillige aus dem russischen Teilungsgebiet als Soldaten für die Armeen der Mittelmächte ein, doch der Aufbau polnischer staatlicher Strukturen in einem relativ kleinen, ehemals russischen Gebiet um Warschau und Lublin ging zügig voran, das politische und kulturelle Leben blühte auf, seit Herbst 1917 gab es auch eine Regierung. Und so bestanden, als die Ereignisse des Jahres 1918 an Tempo aufnahmen, bereits administrative Strukturen als Grundlage für einen künftigen unabhängigen Staat. Als der "Brotfrieden" ohne Rücksicht auf polnische Interessen, wohl aber mit Rücksicht auf die Lebensmittelversorgung der Mittelmächte geschlossen war, erfasste eine massive Protestwelle das am deutschen Gängelband hängende Königreich Polen, ein Teil der politischen Szene unterstützte den Aufbau einer Geheimen Militärorganisation und die Anhänger einer prodeutschen Linie verloren rasch an Einfluss. Dann wankten die beiden verbliebenen Teilungsmächte: Der Machtverfall in der Donaumonarchie führte dazu, dass sich in Galizien am 28. Oktober eine "Liquidierungskommission" des Teilungsgebiets konstituierte und drei Tage später in Krakau die österreichischen Truppen entwaffnete. Im bis dahin der k. u. k.-Monarchie unterstellten Lublin entstand am 7. November eine sozialistische Provisorische Volksregierung unter Ignacy Daszyński; zwei Wochen zuvor hatte auch der Regentschaftsrat in Warschau schon eine Regierung eingesetzt. Derweil lag das Deutsche Kaiserreich in seinen letzten Zuckungen. Schon in den beginnenden Revolutionswirren erinnerte sich die deutsche Reichsregierung an Józef Piłsudski. Der charismatische einstige Sozialist und Anführer der Polnischen Legionen, die zeitweise an der Seite der Mittelmächte gekämpft hatten, saß seit Mitte 1917 unter sehr erträglichen Bedingungen in der Festung Magdeburg. Vielen galt er als größte Hoffnung: Die polnische Politik glaubte, nur er könnte die soziale Umwälzung auch in Polen aufhalten, und die deutsche Staatsführung meinte zudem, der eher deutschfreundliche Piłsudski würde die antideutschen Nationaldemokraten mit Roman Dmowski in Schach halten. Und so geleitete ihn Harry Graf Kessler am 8. November in Verkleidung aus dem bereits von der Revolution erfassten Magdeburg; am 10. November traf er mit dem Zug in Warschau ein. Innerhalb weniger Tage übertrugen ihm der Regentschaftsrat und auch die Lubliner Regierung die Macht. Kaum war er eingetroffen, erklärte sich der Zentrale Deutsche Soldatenrat in Warschau bereit, alles stehen und liegen zu lassen und geordnet in die Heimat abzuziehen. Was am 11. November geschah, schilderte die Schriftstellerin Maria Dąbrowska in ihrem Tagebuch: "Bei Nacht Schießerei. Morgens früh an allen Straßenecken Entwaffnung der deutschen Offiziere. Aber nicht nur die Miliz entwaffnet, auch die Menge […]. Den ganzen Tag über Massen auf den Straßen. […] Überall Autos mit unseren Soldaten." Die deutsche Besatzung verließ Warschau und das sich bildende polnische Staatsgebiet innerhalb weniger Tage, während zwischen Lettland und der Ukraine deutsche Einheiten teils noch bis Mitte 1919 stationiert blieben. Am 14. November löste sich der Regentschaftsrat auf. Piłsudski erhielt die vollständige Macht und setzte eine von den Sozialisten dominierte Regierung ein – zunächst unter Ignacy Daszyński und dann unter Jędrzej Moraczewski; sich selbst ernannte er am 22. November zum Provisorischen Staatschef. Bald darauf wurden für Ende Januar Wahlen anberaumt. Zur Wiederentstehung Polens kam es also ohne siegreiche Schlachten, ohne wagemutige Heerführer, ohne symbolische Triumphe, sondern allein durch die Implosion der bisherigen Teilungsmächte. Es gab auch nicht den einen Geburtstag polnischer Staatlichkeit, sondern es handelte sich um zahlreiche Schritte in rascher Abfolge. Keine große Militärparade krönte nach 123 Jahren die wiedererlangte Unabhängigkeit, und zwar schlicht deshalb, weil es noch so gut wie kein polnisches Militär gab. Dabei wäre es bitter nötig gewesen, denn in Lemberg lieferten sich Ukrainer und Polen schon seit dem 1. November Gefechte, die Stadt war viele Wochen lang schwer umkämpft, und nur mit Mühe konnten rasch zusammengeworfene polnische Einheiten mit bewaffneten Zivilisten die Ukrainer zurückschlagen. (Dieser erste Sieg über die Ukrainer führte am 22. November zu einem Pogrom an der jüdischen Bevölkerung der Stadt – der Mythos der Verteidigung Lembergs ist ein vergifteter Mythos.) Parallel zu diesem Krieg im Osten machte sich die Nationalbewegung im nach wie vor deutsch besetzten Posen die Ankunft des weltberühmten Pianisten Ignacy Jan Paderewski zunutze, der auf Tasten und durch Reden in Nordamerika unermüdlich für Polens Unabhängigkeit gekämpft hatte. Sie löste am 27. Dezember 1918 einen Aufstand aus und warf die deutsche Besatzung innerhalb weniger Wochen aus einem größeren Teil der Provinz Posen. So endete das Jahr 1918 doch noch mit blutigen Gefechten, gleichzeitig aber auch mit Begeisterung. Denn als Paderewski am Neujahrstag 1919 in Warschau eintraf, spielten sich unvergleichliche Szenen ab. Maria Dąbrowska: "Etwas Ähnliches habe ich meinen Lebtag nicht gesehen. […] fast drei Viertelstunden lang zog die Menge mit den Fackeln an den Fenstern vorbei. […] Noch nie ist ein Meister der Kunst in Polen so begrüßt worden." Die Erinnerung an 1918 bis zum demokratischen Umbruch von 1989 Das Jahr 1918 war natürlicher Bezugspunkt für Generationen von Polen und ist es bis heute geblieben: Das Ende der Teilungszeit mit all ihren Demütigungen und gescheiterten Aufständen, die Wiedergeburt eines eigenen Staates, eines Nationalstaates, eigentlich eines Nationalitätenstaates, mit dem Namen "Republik Polen", markierten eine grundlegende Zäsur in der Geschichte Polens. Außerdem war es ein Symbol des Aufbruchs, wie es wenige in der nationalen Historie gab. Am ehesten reichte noch die Maiverfassung von 1791 daran heran, auch sie stand für Neubeginn, selbst wenn sich die Nation damals zutiefst uneins war und der Staat vier Jahre später vollends unterging. Aber als Erinnerungs- und Feiertag war der 3. Mai kaum umstritten. Nun also das Jahr 1918. Dass man es feiern musste, war klar, doch das Datum – mithin das Datum der Wiedererlangung der Unabhängigkeit – war alles andere als eindeutig. Aus allen möglichen Daten schien sich der 11. November rasch durchzusetzen, weil an diesem Tag die Unterzeichnung des Waffenstillstands im Westen mit der Entwaffnung der Deutschen in Warschau zusammenfiel. Damit gab es zumindest ein halbwegs militärisch anmutendes Ereignis als Anlass für den Gedenktag. Allerdings plädierte Józef Piłsudski noch 1925 dafür, die Staatsgründungsfeier am 22. November zu begehen, dem Tag, an dem er sich zum Provisorischen Staatschef ernannt hatte. Nach seiner erneuten Machtergreifung 1926 ließ er jedoch den 11. November bestehen. In einem Runderlass erklärte der neue Machthaber in diesem Jahr: "Am 11. November wird der polnische Staat den 8. Jahrestag begehen, an dem er das Joch der Unfreiheit abgeworfen und die volle, faktische Unabhängigkeit erlangt hat. Dieses Datum sollte in der festen Erinnerung der Bevölkerung bleiben". Von nun an nahm Piłsudski an diesem Tag oder am darauffolgenden Sonntag auf dem Sächsischen Platz (Plac Saski) Militärparaden ab, der Platz wurde zu einem wesentlichen Bestandteil des Piłsudski-Kults. Obwohl die Nationaldemokraten mit dem Piłsudski-Lager verfeindet waren, konnten auch sie an diesem Tag feiern und den Anteil Roman Dmowskis an der Wiedergeburt Polens würdigen (er war seinerzeit in Frankreich für Polens Sache eingetreten); nur die Linken begingen noch den 7. November, an dem die Regierung Daszyński gebildet worden war. 1937, zwei Jahre nach Piłsudskis Tod, wurde der 11. November dann von der autoritären Regierung zum Staatsfeiertag aufgewertet, der pompös und mit viel militärischem Brimborium begangen wurde. Dies diente zum einen der Herrschaftslegitimation, zum anderen galt es als Zeichen von Stärke in einer immer unruhigeren internationalen Lage. Die beiden Nationalfeiertage – 3. Mai und 11. Novem­ber – wurden nach Ende des Zweiten Weltkriegs im kommunistischen Polen verdrängt und durch einen anderen staatlichen Feiertagskalender ersetzt: Man beging als Nationalfeiertag den 22. Juli (an diesem Tag wurde 1944 das Manifest des kommunistischen Polnischen Komitees der Nationalen Befreiung verkündet), den 1. Mai (Tag der Arbeit) und den 9. Mai (Tag des Sieges nach sowjetischer Datierung). Zwar wurde der 11. November im Jahr 1945 nochmals offiziell begangen, doch schon jetzt galt er der Staatspropaganda aufgrund der Rolle, die Józef Piłsudski am 11. November 1918 gespielt hatte, als suspekt. Außerdem verwendete die Volksrepublik den bürgerlichen Staat der Zwischenkriegszeit, die Zweite Republik, als Negativfolie, da er geprägt gewesen sei von sozialer Ungleichheit, Kapitalismus und Nationalismus. Die Kommunisten versuchten also, den 11. November in Vergessenheit geraten zu lassen. Seit 1946 war es verboten, ihn feierlich zu begehen; wenn überhaupt, so wurde an den 7. November erinnert. An diesem Tag wurde nicht nur die Oktoberrevolution gefeiert, sondern er erinnerte auch an die Bildung der Regierung Daszyński im Jahr 1918. So stellte die Polnische Vereinigte Arbeiterpartei (Polska Zjednoczona Partia Robotnicza – PZPR) – die immerhin aus der Zwangsvereinigung von Kommunisten und Polnischer Sozialistischer Partei (Polska Partia Socjalistyczna – PPS) entstanden war – im Jahre 1968 diesen 7. November als eigentlichen Gründungsmythos in den Mittelpunkt staatlicher Feiern in Lublin. Doch konnte sich dieses Datum nicht durchsetzen, zumal nicht in einem Jahr, in dem sich die Partei mit den "Märzereignissen" und der antisemitischen Kampagne selbst in den Augen vieler Sympathisanten diskreditiert hatte. In der inoffiziellen Erinnerungskultur blieb der 11. November jedoch wichtig, auch als Symbol für eine widerständige Gegenerinnerung: Die Zweite Republik war schließlich der einzige sinnvolle historische Anknüpfungspunkt, wenn man sich nicht auf das Erbe der Volksrepublik berufen wollte. Erste oppositionelle Kundgebungen zum Unabhängigkeitstag fanden 1978 in Warschau und einigen anderen Großstädten statt. Nach Gründung der Gewerkschaft Solidarność wurde der Tag 1980 und 1981 mit Großdemonstrationen der Opposition gefeiert. Auch während des Kriegsrechts hielt die in die Illegalität gezwungene Opposition an Kundgebungen zu diesem Tag fest, die mit einer raschen positiven Neubewertung des Piłsudski-Bildes einhergingen. Die Erinnerung an 1918 seit 1989 Mit dem Ende der Volksrepublik Polen und dem Beginn der Dritten Republik 1989/90 standen das Land und seine Eliten vor der Notwendigkeit, neue Kontinuitäten und historische Bezüge zu konstruieren. Wesentlich war hierbei der Rückgriff auf die Traditionen der Zweiten Republik, während die symbolischen "Errungenschaften" der kommunistischen Zeit zunehmend an Bedeutung für die Legitimation der Gegenwart verloren. Schon der letzte kommunistische Sejm hatte am 15. Februar 1989 – unmittelbar nach Beginn der Gespräche am Runden Tisch – den Forderungen zahlreicher Kreise nachgegeben und den 11. November zum Nationalen Unabhängigkeitstag erklärt (auch der 3. Mai erhielt 1990 seine Rolle zurück). Es entwickelten sich neue Formen, um diesen Tag öffentlich zu begehen, während andere nicht wieder aufgegriffen wurden. Neu war zum Beispiel ein "Unabhängigkeitslauf", der seit 1989 in Warschau stattfindet – 2017 nahmen mehr als 15.000 in Weiß und Rot gekleidete Menschen daran teil. Wie bereits vor dem Krieg gab es auf dem Siegesplatz (Plac Zwycięstwa), dem früheren Plac Saski, am Grabmal des Unbekannten Soldaten, eine Zeremonie mit politischen Ansprachen und militärischer Umrahmung. Die Feierlichkeiten fielen besonders bei runden Jahrestagen festlich aus, so 1998 zum 80. Jubiläum der Staatsgründung: Eine Sondersitzung der beiden Parlamentskammern unter Beteiligung des Präsidenten und des letzten Exilpräsidenten, des Ministerpräsidenten und des Kardinalprimas von Polen verabschiedete eine Resolution, in der es u. a. hieß: "[…] alle, selbst die schmerzhaftesten Erfahrungen, die Polen im Laufe der Geschichte erfahren hat, waren nicht in der Lage, den Geist der Freiheit und des Patriotismus zu ersticken. Das ist für uns ein Testament und eine Botschaft, der wir treu zu bleiben verpflichtet sind. Das hat 1980 zum Aufbegehren der Solidarność geführt und in der Folge zur Wiedererlangung der Souveränität […]." Außerdem kamen die Präsidenten von sechs weiteren Staaten Ostmitteleuropas nach Warschau, um einer Kavallerieparade, einer Messe in der Warschauer Kathedrale, Konzerten und einem Feuerwerk beizuwohnen. In ihren Ansprachen zum Nationalfeiertag hoben die Präsidenten Polens in der Regel die einende Kraft des Anlasses hervor und riefen zur gemeinsamen Arbeit für Polen auf. In Zeiten zunehmender politischer Polarisierung stießen diese Worte bei den politischen Gegnern – vor allem auf der Rechten – aber auf immer größere Kritik. In dem Bestreben, die Bevölkerung stärker an dem Nationalfeiertag teilhaben zu lassen, wurden in Warschau sowie in zahlreichen weiteren größeren und kleineren Städten immer weitere Veranstaltungen geplant: Konzerte mit patriotischen Liedern (auch zum Mitsingen), historische Rekonstruktionen, Ausstellungen, Vorträge, natürlich überall Ansprachen von Woiwoden oder Bürgermeistern, in den katholischen Kirchen allenthalben festliche Hochämter. Besonders große Anziehungskraft übten seit Beginn des neuen Jahrtausends große Paraden in den Städten aus. So gibt es in Danzig (Gdańsk) seit 2003 eine "Unabhängigkeitsparade" unter der Schirmherrschaft des Stadtpräsidenten, mit historisch kostümierten Teilnehmern, Oldtimern und vielen Fahnen. Durch Breslau (Wrocław) zieht seit 2002 eine "Freudige Unabhängigkeitsparade", an der teils weit mehr als 10.000 Menschen teilnahmen. Allerdings stellte sich dieser inklusiven Erinnerung an das Jahr 1918 zunehmend eine nationalistische entgegen. Schon zu Beginn der 1990er Jahre häuften sich – wie man den "Braunbüchern" des antifaschistischen Vereins Nigdy więcej (Nie wieder) entnehmen kann – am 11. November nationalistische, rechtsradikale und neofaschistische Vorfälle: Skinheads und radikale Fußballfans paradierten in vielen Städten, verbrannten deutsche und US-amerikanische Flaggen, hoben die Hand zum Hitler-Gruß (1993), veranstalteten Fackelzüge (1996), skandierten "Fort mit der jüdischen Besatzung. Für ein großes katholisches Polen" (1997) usw. Seit 2010 organisieren mehrere rechtsradikale Parteien und Vereine in Warschau Großdemonstrationen mit patriotisch-musikalischem Begleitprogramm, die sie "Unabhängigkeitsmarsch" nennen. Zu den Hauptorganisatoren zählt die neofaschistische Organisation Nationalradikales Lager (Obóz Narodowo-Radykalny – ONR). Diese Märsche wurden immer häufiger auch von führenden Mitgliedern nationaler bzw. nationalistischer Parteien unterstützt, darunter der heutigen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS) oder der Union für Realpolitik (Unia Polityki Realnej). Rechte Historiker oder Journalisten gesellten sich ebenso dazu wie Hooligan-Gruppen sowie – verstärkt seit 2011 – Abordnungen ausländischer rechtsradikaler Organisationen. 2012 (Motto: "Wir holen uns Polen zurück") soll der Marsch 25.000 Menschen vereint haben, 2017 (Motto: "Wir wollen Gott") 60.000. Teilweise stellten sich linke und liberale Gegendemonstranten diesem Marsch entgegen, teilweise wurden alternative Umzüge organisiert, etwa durch den damaligen Präsidenten Bronisław Komorowski. Bei einigen Märschen kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit Krawalltouristen aus halb Europa, über die auch im Ausland intensiv berichtet wurde. Ebenfalls international kommentiert wurde, dass 2017 an der Spitze des Umzugs rassistische Transparente getragen und antisemitische Parolen skandiert wurden, während die rechtsnationale Regierung das entweder nicht zur Kenntnis nehmen oder marginalisieren wollte. Offensichtlich hat ein Teil der Bevölkerung das Bedürfnis, in militaristischer und nationalistischer Weise an die Geschichte der Nation zu erinnern und sich in der Menge dem Rausch eigener Größe hinzugeben. Somit zeigt sich auch anhand der Feiern zum 11. November, wie zerrissen die polnische Gesellschaft ist und welch starke Aggressionen unterschiedliche Interpretationen von Vergangenheit und kollektiven Identitäten auslösen können. Immerhin scheint die Erinnerung an 1918 gesamtgesellschaftlich große Akzeptanz zu genießen. In einer Umfrage von 2008 erklärte die Hälfte aller Befragten, am 11. November etwas Besonderes zu tun, und 2016 galt die Wiedererlangung der Unabhängigkeit für 52 Prozent der Befragten als wichtigstes Ereignis in der polnischen Geschichte des 20. und 21. Jahrhunderts (vgl. Interner Link: Grafik 1). 2018: "Niepodległa" – das Jubiläum, seine Chancen und Gefahren Am 25. Mai 2017 rief der polnische Sejm das Jahr 2018 zum Jubiläumsjahr der Unabhängigkeit aus. In der entsprechenden Resolution wird zu einem parteiübergreifenden, die Nation einenden Gedenken aufgerufen, die angeführten "Väter der Unabhängigkeit" umfassen neben Józef Piłsudski den Nationalisten Roman Dmowski, den Sozialisten Ignacy Daszyński und auch den Bauernführer Wincenty Witos (vgl. Interner Link: die Resolution). Im Herbst folgte eine weitere Resolution, in der das Jahr 2018 zusätzlich zum Gedenkjahr für den Großpolnischen Aufstand erklärt wird. Bereits Ende 2016 hatte Präsident Andrzej Duda einen Gesetzentwurf in den Sejm eingebracht, der ein vierjähriges Förder- und Veranstaltungsprogramm zur 100-Jahr-Feier vorsah. Es sollte das Wiederentstehen Polens, seine "Gründerväter", den Anteil der polnischen Armee sowie der Geistlichkeit ("insbesondere der katholischen Kirche") würdigen, und zwar in dem Zeitraum von 2017 bis 2021. Wie es in der Begründung zum Gesetz heißt, soll dadurch der Tatsache Rechnung getragen werden, dass es mehrere Jahre dauerte, bis sich der polnische Staat nach dem Ersten Weltkrieg konsolidieren konnte. In den Debatten über das Gesetz zeichnete sich große Zustimmung ab, obschon gewisse Zweifel an der Überparteilichkeit des Präsidenten und den Intentionen der Regierungspartei geäußert wurden. "Sie wollen den Jahrestag der Unabhängigkeit prächtig feiern, doch leider berauben Sie uns dieser Unabhängigkeit Schritt um Schritt", meinte eine Abgeordnete der Partei Die Moderne (Nowoczesna). Ein anderer oppositioneller Abgeordneter erklärte scharf: "Präsident Duda ist für die Einführung eines undemokratischen Systems in Polen verantwortlich. Er hat das Testament der Zweiten Republik zunichte gemacht." Bei der Abstimmung im April stimmte der Sejm der leicht veränderten Vorlage jedoch fast einstimmig zu. Über die Feierlichkeiten soll ein Komitee wachen, dem die höchsten Staatsorgane, Vertreter politischer Parteien (sogar der außerparlamentarischen Linken) sowie der Kirchen, der Kultur und der Wissenschaft, der kommunalen Selbstverwaltung, der Gewerkschaften usw. angehören. Das im Frühjahr 2017 bestellte Komitee besteht neben den Behördenvertretern aus gut 70 Persönlichkeiten. Das staatliche Programm erhielt den Namen "Niepodległa" (soviel wie "Die Unabhängige", was sich auf das im Polnischen weibliche Wort "Polen" bezieht) und wurde mit einem Budget von etwa 240 Mio. Zloty ausgestattet. Zu den Glanzlichtern sollen u. a. Veranstaltungen zu 100 Jahren Avantgarde, aufwändige Ausstellungen im Nationalmuseum in Warschau, die Ausstellung "Zeichen der Freiheit" im Warschauer Königsschloss sowie zahlreiche Konzerte gehören. Von insgesamt 660 Anträgen zur Förderung regionaler und lokaler Projekte wurden 157 bewilligt. Für im Ausland stattfindende Projekte ist das Adam-Mickiewicz-Institut zuständig; die seit dem PiS-Regierungsantritt veränderten Schwerpunkte der auswärtigen Kulturpolitik mit einer Betonung traditionalistischer Ansätze, des Heldengedenkens und einer stärkeren Ansprache der Auslandspolen könnte allerdings dazu führen, dass sich die kulturaffine Öffentlichkeit anderer Staaten hiervon nicht ansprechen lassen wird. Zu weiteren geplanten Projekten in Polen selbst zählt u. a. die Eröffnung eines Erweiterungsbaus des Piłsudski-Museums in Sulejówek bei Warschau. Zusätzlich gibt es zahlreiche regionale und lokale Initiativen. Allein die Stadt Warschau plant für Herbst 2018 zirka 50 Veranstaltungen, etwa einen Komponistenwettbewerb "Die große Warschauer Polonaise", zu der dann auf dem Königstrakt getanzt werden soll. Danzig veranstaltet einen großen Debattenzyklus "Polen! Polen! – aber welches?" und möchte einen "Unabhängigkeitsmast" errichten, an dem große Fahnen des Landes oder der Stadt flattern sollen. Lublin plant zwei große Open-Air-Spektakel, in denen es um den Anteil der Stadt an der Unabhängigkeit gehen soll. Die Liste ließe sich lange fortsetzen. Bei der offiziellen Eröffnung der Jubiläumsfeierlichkeiten hob Präsident Andrzej Duda am 5. Dezember 2017 vor beiden Kammern des Parlaments u. a. hervor, dass man aus der Vergangenheit lernen müsse: "100 Jahre, das sind drei Generationen. Über die Geburt, Entwicklung und das Ende der Zweiten Republik diskutieren wir heute ruhiger, mit einer größeren Dosis Objektivität. Dadurch können wir die Erfahrungen der Polen jener Zeit besser nutzen. Wir lernen aus ihren Erfolgen. Wir bewundern ihre große Vision, ihre Dynamik, ihre Opferbereitschaft und ihren Mut. Aber wir analysieren auch ihre Niederlagen, wir analysieren die Unzulänglichkeiten und alle verlorenen Chancen. Wir tun dies, weil wir aus jeder Fügung des Schicksals Kraft und Inspiration schöpfen können. Weil wir jede Schwierigkeit überwinden können. Denn wir sind eine starke, stolze und ausdauernde Nation. Und nie, niemals werden wir aufgeben." Er rühmte aber nicht nur Vaterlandsstolz und patriotisches Selbstbewusstsein, sondern geißelte auch das schädliche Wirken von Ideologien: "Kommunismus, Nazismus, Kosmopolitismus oder die nihilistische Negierung des christlichen Wertesystems zerstören unsere empfindlichen kulturellen Bindungen." Dafür, dass er "Kosmopolitismus" in die Reihe verderblicher Ideologien aufnahm, wurde er von liberaler Seite heftig kritisiert, so wie ihm als Antwort auf seine Betonung nationaler Rechtschaffenheit sein mehrfacher Verfassungsbruch entgegengehalten wurde (Vgl. die Interner Link: Ansprache Dudas im Wortlaut). Die 100-Jahr-Feiern bieten für die Regierung und den Präsidenten (aber auch für die vielfach noch von der Opposition regierten Kommunen) zahlreiche Möglichkeiten, sich symbolisch ins rechte Licht zu setzen. Die Opposition ist generell misstrauisch und befürchtet, dass der gewaltige finanzielle und organisatorische Aufwand zu parteipolitischen oder propagandistischen Zwecken eingesetzt wird, kann sich aber den großen patriotischen Projekten kaum verschließen. Dennoch wird die Aktivität des Staates genau beobachtet werden. Als sich Präsident Duda im März 2018 anschickte, im Rahmen des Jubiläums kleinere polnische Städte zu besuchen, hielt man ihm vor, nur PiS-treue Kommunen aufzusuchen und Regierungspropaganda zu betreiben. Selbst wenn dies zum Teil der Fall sein sollte, kann das Jubiläum doch auch dazu beitragen, die extreme politische Lagerbildung in Polen zumindest zu einem Teil zu überwinden. Die Tatsache, dass selbst die nationalkonservative Regierung auf die verschiedenen, ideologisch ganz unterschiedlichen Strömungen rekurriert, denen der Staatsaufbau ab 1918 zu verdanken war, deutet darauf hin, dass zumindest im Großen und Ganzen ein überparteilicher Charakter der Feierlichkeiten vorherrschen wird. Ein Fazit wird man jedoch erst gegen Jahresende ziehen können – und nachdem wieder ein "Unabhängigkeitsmarsch" durch Warschau gezogen sein wird. Das Regierungshandeln wird sich gerade in diesem Jahr daran messen lassen müssen, wie es mit Versuchen der Vereinnahmung des Unabhängigkeitsjubiläums durch extreme, ultranationalistische bis rechtsradikale Kreise umgehen wird, doch auch daran, wie sehr tatsächlich die Meinungsvielfalt von Politik und Zivilgesellschaft abgebildet wird. Die Sache wird sicherlich nicht dadurch einfacher, dass im Herbst Kommunalwahlen stattfinden sollen und der Präsident am liebsten just für den 11. November ein Referendum über eine neue Verfassung ansetzen möchte, über die allerdings noch nichts bekannt ist. Ein abwechslungsreiches, patriotisches, vielleicht auch heißes Jahr steht bevor.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2019-10-18T00:00:00
2018-03-27T00:00:00
2019-10-18T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/europa/polen-analysen/266885/analyse-1918-in-polen-ereignis-erinnerung-jubilaeum/
In diesem Jahr feiert Polen 100 Jahre Unabhängigkeit. Was passierte eigentlich im Jahr 1918? Wie wird heute an dieses Ereignis erinnert? Und was bedeutet das Jubiläum gesellschaftlich und politisch?
[ "polnische Identität", "Unabhängigkeit", "Demokratie", "Sejm", "Gedenken", "Polen", "Polen" ]
586
Einwandererintegration | Niederlande | bpb.de
Nicht-westliche allochthone Gruppen befinden sich im Allgemeinen in einer benachteiligten sozioökonomischen Position. Obwohl sich die Situation insbesondere für die zweite Generation im Bildungsbereich und auf dem Arbeitsmarkt verbessert hat, gibt es weiterhin Unterschiede im Vergleich zu anderen Bevölkerungsgruppen. Von den vier größten nicht-westlichen Einwanderergruppen sind Marokkaner diejenige Gruppe, die am schlechtesten abschneidet; gleichzeitig zeigt die zweite Generation aber auch die stärksten Verbesserungen im Bildungsbereich. Unter den kleineren Einwanderergruppen sind vor allem Somalier von hoher Arbeitslosigkeit und Abhängigkeit von Sozialleistungen betroffen; die Kriminalitätsrate unter jungen männlichen Somaliern ist hoch. Demgegenüber schneiden Einwanderer aus China und Iran und ihre Kinder sowohl im Bildungssystem als auch auf dem Arbeitsmarkt sehr gut ab. Arbeitsmarkt 2012 lag die Arbeitslosigkeit in der erwerbsfähigen nicht-westlichen allochthonen Bevölkerung bei 16 Prozent, verglichen mit fünf Prozent in der autochthonen niederländischen Bevölkerung. Die Arbeitslosigkeit war besonders hoch unter somalischen (37 Prozent), afghanischen (21 Prozent) und irakischen (20 Prozent) Einwanderern. Seit Beginn der Wirtschaftskrise 2008 hat die Arbeitslosigkeit in der Einwandererbevölkerung stärker zugenommen als in der einheimischen niederländischen Bevölkerung. Die Jugendarbeitslosigkeit in der Einwandererbevölkerung liegt bei 28 Prozent, unter 15 bis 24 Jahre alten Marokkostämmigen liegt sie sogar bei 37 Prozent. Diese Differenz kann nur teilweise durch Unterschiede hinsichtlich des Bildungsniveaus und dem Wohngebiet erklärt werden. Stattdessen spielen vermutlich auch Unterschiede in den Strategien bei der Suche nach einem Arbeitsplatz und der Beschaffenheit sozialer Netzwerke eine Rolle. Eine Studie aus dem Jahr 2007 belegt zudem ethnische Diskriminierung durch Arbeitgeber. Dennoch hat der Anteil der Allochthonen, die in höheren beruflichen Positionen arbeiten (sogenannte Hogere beroepen, die mindestens einen Bachelorabschluss voraussetzen), zugenommen. Etwa 30 Prozent der zweiten Generation arbeiten in einer höheren beruflichen Stellung und damit fast so viele wie unter einheimischen Niederländern. Bildung Das Bildungsniveau der Einwanderer der zweiten Generation hat sich im Laufe der Zeit gegenüber ihren Eltern deutlich verbessert. Die Ergebnisse im Grundschulbereich zeigen deutliche Verbesserungen; zunehmend absolviert die zweite Generation auch akademische Ausbildungsgänge, die auf ein Studium an einer Hochschule oder Universität vorbereiten. Insbesondere die zunehmende Aufnahme eines Studiums ist bemerkenswert. 2011 lag der Anteil nicht-westlicher Allochthoner, die eine Hochschul- oder Universitätsausbildung begannen, bei 53 Prozent (2003: 43 Prozent), unter autochthonen Niederländern waren es 58 Prozent (2003: 53 Prozent). Surinam- oder Antillenstämmige Personen schneiden etwa so ab wie autochthone Niederländer. Türkei- und Marokkostämmige Frauen zeigen eine starke Zunahme im Bereich der Hochschulbildungsbeteiligung von 30 Prozent im Jahr 2003 auf fast 50 Prozent 2011. Unter männlichen Türkei- und Marokkostämmigen fiel der Anstieg geringer aus: von 34 auf 37 Prozent bei marokkostämmigen Männern und von 26 auf 39 Prozent bei türkeistämmigen Männern. Dennoch ist der gewachsene Anteil derjenigen, die ein Studium aufnehmen, nur eine Seite der Medaille. Die Abbrecherquoten in weiterführenden Schulen und in der Berufsausbildung sind unter nicht-westlichen Allochthonen weiterhin hoch. Trotz einiger Verbesserungen haben weniger als die Hälfte der 20 bis 35 Jahre alten Türkei- und Marokkostämmigen einen höheren Schul- oder tertiären Bildungsabschluss, der aber als Voraussetzung für den Zugang zum Arbeitsmarkt gilt (startkwalificatie). Die Rate der nicht-westlichen Einwanderer, die einen höheren Bildungsabschluss erlangen, liegt unter derjenigen einheimischer Niederländer; von allen, die ihr Studium im Jahr 2003 begannen, erreichten 75 Prozent der einheimischen Studierenden und 60 Prozent der Studierenden mit nicht-westlichem Migrationshintergrund innerhalb von acht Jahren ihren Bachelorabschluss. Kriminalität Die Kriminalitätsraten aller Einwanderergruppen sind rückläufig. Dennoch sind Marokko- und Antillenstämmige Jugendliche in den Kriminalitätsstatistiken weiterhin überrepräsentiert. 65 Prozent der marokkanisch-niederländischen Jungen und 55 Prozent der antillisch-niederländischen Jungen wurden im Alter von 12 bis 23 Jahren bereits einmal festgenommen, verglichen mit 25 Prozent der autochthonen Niederländer. Die hohen Kriminalitätsraten sind immer wieder Thema öffentlicher Debatten. Sie sind nur teilweise auf sozioökonomische Unterschiede zurückzuführen. Auch rassistische Kriterien bei der Erstellung von Täterprofilen (racial profiling) spielen eine Rolle. Politische Partizipation Die politische Partizipation von Einwanderern ist in den Niederlanden im Vergleich zu anderen Ländern hoch. Auch wenn der Anteil der Wähler niedriger ist als der unter autochthonen Niederländern, gibt es inzwischen eine erhebliche Zahl allochthoner Politiker. Von den 150 Parlamentsmitgliedern, haben 14 einen nicht-westlichen Einwanderungshintergrund, zumeist einen türkischen. In den Kommunalwahlen im Jahr 2010 wurden 303 Stadträte (drei Prozent) mit Migrationshintergrund gewählt. Auch wenn sich darin immer noch nicht der prozentuale Anteil der allochthonen Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung widerspiegelt, ist es doch im Vergleich zu den Nachbarländern ein gutes Ergebnis. Mehr als die Hälfte der 303 Stadträte waren Türkeistämmige. Dieser Text ist Teil des Interner Link: Länderprofils Niederlande. SCP (2009): Jaarrapport Integratie 2009. SCP (2013): Jaarrapport Integratie 2013. SCP (2009): Jaarrapport Integratie 2009. Andriessen/Nievers/Faulk/Dagevos (2010). SCP (2013): Jaarrapport Integratie 2013. Das weiterführende Bildungssystem der Niederlande teilt sich in unterschiedliche Zweige. Die Schüler werden basierend auf einem Test, den sie am Ende der Grundschulzeit im Alter von etwa 12 Jahren absolvieren, einem dieser Zweige zugeteilt. Es gibt drei Berufsausbildungszweige (VMBO basis, kader und gemengd), einen Bildungszweig, der eine Schnittstelle zwischen beruflicher und akademischer Bildung ist (VMBO theoretische leerweg) und zwei akademische Zweige, wobei HAVO (hoger algemeen voortgezet onderwijs) zur Aufnahme eines Studiums an einer Fachhochschule führt und VWO (voorbereidend wetenschapplijk onderwijs) auf ein Studium an einer Universität zielt. CBS (2012): Jaarrapport Integratie 2012. SCP (2011): Jaarrapport Integratie 2011. Von "racial profiling" spricht man, wenn eine Person allein aufgrund ihrer Ethnizität, Nationalität oder Religion für verdächtig gehalten wird und nicht aufgrund von eindeutigen Hinweisen auf ein kriminelles Verhalten. Externer Link: http://www.prodemos.nl/Media/Files/Allochtonen-in-de-politiek (Zugriff: 23.9.2014).
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2022-01-11T00:00:00
2014-12-05T00:00:00
2022-01-11T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/migration-integration/laenderprofile/197412/einwandererintegration/
Seit Jahrhunderten haben die Niederlande Einwanderer aus unterschiedlichen Weltregionen angezogen. Die Einwandererbevölkerung ist daher sehr heterogen. Bevölkerungsstatistiken unterscheiden zwischen "autochthonen", d.h. einheimischen, und "allochthon
[ "Niederlande", "Einwandererintegration", "Integrationspolitik", "Integration", "Ausländische Bevölkerung" ]
587
Migrationspolitik – September 2022 | Migrationspolitik – Monatsrückblick | bpb.de
Zahl geflüchteter Menschen in Deutschland auf Rekordhoch In Deutschland lebten am 30. Juni 2022 2,9 Millionen geflüchtete Menschen – so viele wie noch nie in der Nachkriegszeit. Das geht aus einer Externer Link: Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke hervor. Allein im ersten Halbjahr 2022 sind fast eine Million Menschen nach Deutschland geflohen, insbesondere aus der Ukraine. Das ist ein stärkerer Zuwachs an Geflüchteten als im Herbst 2015, als Hunderttausende Menschen vor allem vor dem syrischen Bürgerkrieg in Deutschland Schutz suchten. Insgesamt waren im Ausländerzentralregister am 30. Juni 2022 896.287 aus der Ukraine geflüchtete Menschen registriert. Hinzu kamen 44.313 Menschen, denen im Asylverfahren eine Interner Link: Asylberechtigung erteilt worden war, 767.217 anerkannte Flüchtlinge, 265.886 Personen mit Interner Link: subsidiärem Schutz sowie 142.438 Geflüchtete, die aufgrund eines Abschiebungsverbots eine Aufenthaltserlaubnis erhalten hatten. Mehrere hunderttausend weitere Geflüchtete haben aufgrund anderer rechtlicher Regelungen Schutz in Deutschland erhalten. Die größte Gruppe bilden darunter die 219.570 Interner Link: jüdischen Zugewanderten aus der ehemaligen Sowjetunion bzw. ihren Nachfolgestaaten. Daneben hielten sich Ende Juni 216.479 Geflüchtete in Deutschland auf, die einen Asylantrag gestellt hatten, über den aber noch nicht entschieden worden war. Erfasst im Ausländerzentralregister waren darüber hinaus 191.364 Ausreisepflichtige mit abgelehntem Asylantrag. Nicht in der Zahl der 2,9 Millionen geflüchteten Menschen enthalten sind die rund Interner Link: 962.000 Vertriebenen des Zweiten Weltkriegs, die in Deutschland leben und heute im Schnitt 82 Jahre alt sind. Flucht aus der Ukraine: Die Unterkünfte werden knapp Die Versorgung von geflüchteten Menschen mit Wohnraum bringt immer mehr Kommunen an ihre Kapazitätsgrenze. Der Präsident des Deutschen Landkreistags, Reinhard Sager, Externer Link: warnte "vor einer ähnlichen Situation wie 2015/2016". Schon jetzt müssten in vielen Gemeinden wieder Turnhallen als Notunterkünfte herhalten. Mitte September Externer Link: forderte der Deutsche Städtetag angesichts der Engpässe bei der Unterbringung einen neuen Flüchtlingsgipfel und mehr Unterstützung durch den Bund. Es sei alarmierend, dass sich immer mehr Bundesländer weigerten, weitere Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine aufzunehmen. Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums gab Anfang September gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland an, dass zwölf von 16 Bundesländern bereits eine Sperre im Erstverteilungssystem aktiviert hätten. Am 17. September waren deutschlandweit nach Angaben des Innenministeriums 992.517 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine registriert. Daneben erhöht auch eine steigende Zahl Schutzsuchender aus anderen Weltregionen den Druck auf das Unterbringungssystem. Die Zahl der Erstanträge auf Asyl hat sich in den ersten acht Monaten des Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von 85.230 auf 115.402 und damit um 35,4 Prozent Externer Link: erhöht. Die Zahl der Asylsuchenden, die monatlich z.B. über die sogenannte Externer Link: Balkanroute und Externer Link: das Mittelmeer nach Europa gelangen, ist nach Zahlen des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) ebenfalls höher als im Vorjahr. In EU-Staaten wie Österreich und Luxemburg beobachtet man zudem eine Verschiebung der Herkunftsländer: Neben Menschen aus Syrien, Afghanistan und Irak kämen zunehmend mehr Migrant:innen aus Indien, Bangladesch und Tunesien, die etwa in Serbien oder Bosnien und Herzegowina visafrei einreisen dürfen und von dort in die EU gelangen. Umgang mit russischen Geflüchteten und Deserteuren Auch die Teilmobilmachung in Russland könnte die Zahl der Asylsuchenden weiter steigen lassen. Knapp eine Woche nach der am 21. September erfolgten Anordnung zur Einberufung von etwa 300.000 Reservist:innen der russischen Armee haben bereits zehntausende russische Staatsangehörige das Land verlassen. Die genaue Zahl ist unklar. Allein Kasachstan registrierte nach Angaben der dortigen Migrationsbehörde rund 98.000 neu eingereiste Russ:innen. Die europäische Grenzschutzagentur Frontex Externer Link: erfasste zwischen dem 19. bis 25. September rund 66.000 Einreisen von russischen Staatsangehörigen - ein Anstieg um 30 Prozent im Vergleich zur Vorwoche. Die meisten russischen Staatsangehörigen reisten über die finnische und estländische Grenze in die EU ein. Insgesamt sind seit Beginn der Invasion der Ukraine rund 1,3 Millionen russische Staatsangehörige auf dem Landweg in die EU gekommen, viele für Kurzzeitaufenthalte, etwa Tourismus oder aus familiären oder beruflichen Gründen. Im gleichen Zeitraum haben 1,28 Millionen Russ:innen die EU in Richtung Russland verlassen. Frontex geht davon aus, dass es vermehrt zu illegalen Einreisen aus Russland kommen könnte, sollte Moskau die Grenzen des Landes für potenzielle Wehrpflichtige schließen. Erschwert wird die legale Einreise in die EU durch die Mitte September getroffene Entscheidung der EU-Mitgliedstaaten, die Bestimmungen für das Ausstellen von Visa an russische Staatsangehörige zu verschärfen. Die an Russland angrenzenden EU-Staaten gingen noch weiter: Am 19. September Externer Link: stoppten die baltischen Staaten und Polen die Vergabe von Kurzzeit-Schengen-Visa an russische Staatsangehörige. Zehn Tage später zog Finnland nach. Die EU findet bislang keine einheitliche Position zum Umgang mit russischen Deserteuren. Insbesondere die osteuropäischen Mitgliedstaaten wollen deren Asylzugang wegen Sicherheitsbedenken beschränken. Nach Externer Link: europäischem Asylrecht können russische Deserteure den Flüchtlingsstatus erhalten, wie eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom Interner Link: November 2020 nahelegt. Dazu müssen sie entweder nachweisen und glaubhaft machen können, dass sie aus dem Militärdienst geflohen sind, weil sie sich sonst an potenziellen Kriegsverbrechen hätten beteiligen müssen, oder dass die Verweigerung des Kriegsdienstes eine unverhältnismäßig hohe Bestrafung oder politische Verfolgung nach sich gezogen hätte. In der EU wurden im ersten Halbjahr 2022 rund 4.640 erstmalige Asylanträge von russischen Staatsangehörigen Externer Link: verzeichnet und damit fast dreimal so viele wie im Vorjahreszeitraum (1.745). In Deutschland haben russische Staatsangehörige von Externer Link: Januar bis August 2022 1.241 Erstanträge auf Asyl gestellt und damit etwa so viele Externer Link: wie im gesamten Jahr 2021 (1.438). Wie viele Personen darunter sind, die den Militärdienst verweigert haben, ist unklar. Insgesamt haben nach Angaben des russischen Statistikdienstes Rosstat im ersten Halbjahr 2022 rund 419.000 Menschen Russland den Rücken gekehrt – doppelt so viele wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres (202.000). Die meisten davon sind in Länder gezogen, in die sie ohne Visum einreisen dürfen, wie die Türkei, Georgien oder Kasachstan. Besserer Schutz für queere Geflüchtete Asylanträge von Interner Link: LSBTIQ*-Geflüchteten sollen in Zukunft nicht mehr mit dem Hinweis abgelehnt werden können, im Herkunftsland ein "diskretes Leben" führen zu können. Das hat das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) bekannt gegeben und die entsprechende Dienstanweisung für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) überarbeitet. Dieses muss bei Entscheidungen über Asylanträge queerer Geflüchteter zukünftig davon ausgehen, dass die sexuelle Identität im Herkunftsland "offen" ausgelebt wird bzw. dass auch bei diskretem Verhalten Gefahr drohen kann. Auf einen besseren Schutz für queere Verfolgte hatten sich die Ampelregierung bereits in ihrem Interner Link: Koalitionsvertrag verständigt. Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) Externer Link: begrüßte die nun erfolgte Abschaffung der Diskretionsprognosen. Bereits 2013 hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) das Diskretionsgebot für europarechtswidrig Externer Link: erklärt: Von asylsuchenden homosexuellen Personen dürfe nicht erwartet werden, Externer Link: dass sie ihre sexuelle Orientierung im Herkunftsland geheim halten, um eine mögliche Verfolgung zu vermeiden. In der Entscheidungspraxis des BAMF waren Diskretionsprognosen dennoch weiterhin angewendet worden. Sieben Jahre nach der "Flüchtlingskrise": Integration schreitet voran Sieben Jahre nach der als "Flüchtlingskrise" ins kollektive Gedächtnis eingegangenen Interner Link: umfangreichen Fluchtzuwanderung insbesondere aus dem Bürgerkriegsland Syrien zeigen vorhandene Statistiken, deutliche Fortschritte mit Blick auf die Integration der damals nach Deutschland geflüchteten Menschen. Im Juni 2022 waren mehr als 490.000 Staatsangehörige von Asylherkunftsländern sozialversicherungspflichtig Externer Link: beschäftigt. Die Externer Link: Beschäftigungsquote von Menschen aus diesen Ländern belief sich auf 41,6 Prozent. Damit liegt sie zwar noch deutlich unter der Beschäftigungsquote der Gesamtbevölkerung (69,0 Prozent). Die Integration in den Arbeitsmarkt vollzieht sich dennoch schneller als diejenige früherer Flüchtlingskohorten – und das, obwohl sie zwischenzeitlich von der Corona-Pandemie ausgebremst wurde. Nach den jüngsten Externer Link: Daten einer jährlichen Befragung von Geflüchteten durch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und das Sozioökonomische Panel (SOEP) sprechen inzwischen 52 Prozent der zwischen 2013 und 2016 nach Deutschland gekommenen Geflüchteten nach eigener Einschätzung "gut" bis "sehr gut" Deutsch. Integrationskurse und Maßnahmen zur Sprachförderung werden nach wie vor rege angenommen und es bilden sich Externer Link: zunehmend soziale Kontakte zu Deutschen. Eine steigende Zahl der Geflüchteten erfüllt die Voraussetzungen, um sich einbürgern zu lassen. Dazu zählt ein Mindestaufenthalt in Deutschland von sechs Jahren, der beim Nachweis "besonderer Integrationsleistungen" Externer Link: die Einbürgerung ermöglicht. Externer Link: Studien zeigen, dass Flüchtlinge eine deutlich höhere Einbürgerungsbereitschaft haben als andere Gruppen ausländischer Staatsangehöriger. 2021 ließen sich Syrer:innen am häufigsten Externer Link: einbürgern: 19.100 syrische Staatsangehörige erhielten einen deutschen Pass – dreimal so viele wie 2020. Es wird Externer Link: prognostiziert, dass sich bis 2024 rund 157.000 in Deutschland lebenden Syrer:innen einbürgern lassen könnten. Fahrplan zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems Das Europäische Parlament und die fünf bis Mitte 2024 in der EU-Ratspräsidentschaft rotierenden Mitgliedstaaten Interner Link: Frankreich, Interner Link: Tschechien, Schweden, Spanien und Belgien haben sich auf einen Fahrplan für die Reform des Interner Link: Gemeinsamen Europäischen Asylsystems Externer Link: geeinigt. Die Verhandlungen über die im Interner Link: September 2020 von der EU-Kommission vorgeschlagenen (zum Teil neuen, zum Teil überarbeiteten) Richtlinien und Verordnungen für eine gemeinsame Asylpolitik sollen bis Februar 2024 und damit vor den nächsten Interner Link: Europawahlen abgeschlossen werden. Seit Jahrzehnten ringen die Mitgliedstaaten der EU um eine gemeinsame Linie in der Asylpolitik. Das 2013 in Form von zwei Verordnungen und drei Richtlinien in Kraft getretene Gemeinsame Europäische Asylsystem sollte die Asylsysteme der EU-Staaten harmonisieren: Asylverfahren, Schutzquoten und die Versorgung Geflüchteter sollten EU-weit einheitlicher werden. Spätestens die Interner Link: umfangreiche Fluchtzuwanderung 2015 legte jedoch die Defizite des Systems offen: Die Verantwortung für die Aufnahme von Asylsuchenden konzentrierte sich auf wenige Mitgliedstaaten, unterschiedliche Unterbringungs- und Versorgungsstandards sowie zum Teil stark voneinander abweichende Schutzquoten trugen zur Weiterwanderung von Asylsuchenden innerhalb Europas bei (Sekundärmigration). Insbesondere die 'solidarische Verantwortungsteilung' von Geflüchteten war zwischen den EU-Staaten umstritten. Mit ihren Interner Link: 2016 vorgelegten Vorschlägen zur Reform der gemeinsamen Asylpolitik konnte sich die Kommission nicht durchsetzen. Lediglich auf den Ausbau der Interner Link: Grenzschutzagentur Frontex zum Zweck eines verstärkten Schutzes der Außengrenzen der EU konnten sich die Mitgliedstaaten einigen. Das im September 2020 vorgestellte Externer Link: Asyl- und Migrationspaket sollte Externer Link: ein "Neustart" in der Reform der europäischen Asylpolitik sein. Bislang ist allerdings lediglich der Vorschlag der EU-Kommission zur Umwandlung des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO) in eine Interner Link: EU-Asylagentur (EUAA) umgesetzt worden. Ob der gemeinsame Fahrplan von EU-Ministerrat und Europäischem Parlament nun den Durchbruch in den Verhandlungen über das Migrations- und Asylpaket bringt, bleibt vor dem Hintergrund der weiterhin sehr unterschiedlichen Interessen der einzelnen EU-Mitgliedstaaten abzuwarten. Dürre in Somalia: Fast eine Million Menschen vertrieben Dürre und Hunger haben in Somalia seit Beginn des Jahres 2022 rund 926.000 Menschen vertrieben, Externer Link: berichtet das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR). Das waren fast fünfmal mehr Menschen als im gesamten Vorjahr (2021: 245.000) und mehr als der letzte Höchststand im Jahr 2017 (892.000). Mehr als Externer Link: 80 Prozent der Vertriebenen sind Frauen und Kinder. Somalia steht am Rand einer Hungerkatastrophe, ausgelöst durch die schlimmste Dürre seit 40 Jahren. Ende August 2022 hatten Externer Link: nach Angaben des Interner Link: Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen (WFP) 6,7 Millionen Menschen in Somalia nicht genug zu essen. Rund 213.000 Menschen sind Externer Link: laut UN akut vom Hungertod bedroht. Neben dem seit gut zwei Jahren ausbleibenden Regen trägt auch der Interner Link: Krieg in der Ukraine zum Hunger in Somalia bei: Vor der Invasion importierte das Land Externer Link: nach Angaben der Interner Link: Welternährungsorganisation (FAO) rund 90 Prozent seines Weizens aus Russland und der Ukraine. Der seit 1991 anhaltende Interner Link: innerstaatliche Konflikt um die politische und wirtschaftliche Macht in Somalia verschärft die Situation zusätzlich. Das Land zählt zu den Externer Link: am wenigsten entwickelten Ländern der Welt. Die Gemengelage aus prekärer Sicherheitslage und Naturkatastrophen führt zu umfangreichen Vertreibungen: Bereits Ende 2021 waren rund drei Millionen Menschen innerhalb des Landes Externer Link: vertrieben, etwa 650.000 Somalier:innen Externer Link: lebten als Flüchtlinge im Ausland, vor allem in den Nachbarländern Interner Link: Kenia (279.200), Äthiopien (249.573) und Jemen (69.230). Die aktuelle Dürre treibt insbesondere die Zahl der Interner Link: Binnenvertriebenen weiter in die Höhe. In Somalia kommt es regelmäßig kommt zu Hunger- und Dürrekatastrophen. Während der Hungerkrise 2010 bis 2012 starben Externer Link: laut einem UN-Bericht fast 260.000 Menschen, die Hälfte davon Kinder unter fünf Jahren. Von der aktuellen Dürre am Horn von Afrika sind auch Somalias Nachbarländer Kenia und Äthiopien Externer Link: betroffen. Insgesamt litten Anfang August 2022 in den Ländern Ostafrikas Externer Link: bis zu 21 Millionen Menschen unter akuter Ernährungsunsicherheit. Der Klimawandel verstärkt die Gefahr von Dürren und anderen Naturkatastrophen in der Region. Bereits im Juli 2022 hatten zwölf Staaten aus der Region Ostafrika und Horn von Afrika eine Externer Link: gemeinsame Erklärung unterzeichnet, in der sie die Notwendigkeit einer verstärkten Zusammenarbeit mit Blick auf klimabedingte Mobilität innerhalb der Region betonen. Was vom Monat übrig blieb... Die Unterstützungsbereitschaft für Geflüchtete aus der Ukraine ist in der deutschen Wohnbevölkerung weiterhin sehr hoch, wie eine Externer Link: Umfrage des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) ergeben hat. Zwar ist die Hilfsbereitschaft Externer Link: im Vergleich zum Zeitpunkt unmittelbar nach Beginn des russischen Angriffskriegs etwas gesunken. Dennoch liegt die Unterstützungsbereitschaft deutlich über den Werten, die während der Interner Link: Fluchtzuwanderung 2015/2016 gemessen wurden. Die Bevölkerung Deutschlands ist im ersten Halbjahr 2022 so stark gewachsen wie zuvor nur in den zuzugsstarken Jahren 1992 und 2015. Externer Link: Das teilte das Statistische Bundesamt mit. Erstmals leben mehr als 84 Millionen Menschen im Land, 843.000 mehr als zum Jahresende 2021 (+1,0 Prozent). Treiber des Bevölkerungswachstums ist vor allem die umfangreiche Zuwanderung von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2021 war die Bevölkerung nur um 82.000 Menschen (+0,1 Prozent) gewachsen. Auch im September haben Schutzsuchende bei dem Versuch, über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen, ihr Leben verloren. 318 seien gestorben oder vermisst, Externer Link: gibt die Internationale Organisation für Migration (IOM) an. Insgesamt erfasste IOM seit Anfang 2022 1.611 Tote und Vermisse auf der Fluchtroute Mittelmeer (Stand: 06.10.2022). Rettungsorganisationen kritisieren, dass die europäischen Mittelmeerstaaten Rettungen verzögern und Notrufe zum Teil unbeantwortet lassen. In der Statistik der Bundesagentur für Arbeit sind folgende Länder als "Asylherkunftsländer" zusammengefasst: Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia und Syrien. Zur Berechnung der Beschäftigungsquote siehe Externer Link: https://statistik.arbeitsagentur.de/DE/Statischer-Content/Grundlagen/Methodik-Qualitaet/Methodenberichte/Uebergreifend/Generische-Publikationen/Methodenbericht-Arbeitslosenquoten-Beschaeftigungsquoten-Hilfequoten-Auslaender.pdf?__blob=publicationFile&v=8 (S. 12). Burundi, Dschibuti, Demokratische Republik Kongo, Eritrea, Äthiopien, Kenia, Ruanda, Somalia, Südsudan, Sudan, Tansania und Uganda.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2022-10-07T00:00:00
2022-10-07T00:00:00
2022-10-07T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/migration-integration/monatsrueckblick/514063/migrationspolitik-september-2022/
In Deutschland gibt es zunehmend Engpässe bei der Unterbringung von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine. Dürre und Hunger haben in Somalia mehr als eine Million Menschen vertrieben.
[ "Migrationspolitik", "Kriegsflüchtlinge", "Ukraine-Krieg", "Klimaflüchtlinge", "Binnenflüchtlinge", "Somalia" ]
588
Das "neue" politische System der Türkei | Türkei | bpb.de
Interner Link: Das politische System der Türkei Die Verfassung der Republik Türkei basiert auch heute noch - trotz zahlreicher Änderungen - auf der dritten Verfassung von 1982. Die Verfassung legt das politische System der Türkei fest und regelt die Verfassungsorgane, ihre Aufgaben und Organisation. Im April 2017 wurde die türkische Verfassung per Referendum umfassend reformiert - und damit bereits vollzogenen systemischen Veränderung angepasst. Seitdem beschreitet die Türkei den Weg von einer parlamentarischen Demokratie hin zu einem Präsidialsystem. Diese Entwicklung wurde mit der Parlaments- und Präsidentschaftswahl im Juni 2018 abgeschlossen, u.a. wurde das Amt des Ministerpräsidenten abgeschafft. Staatsoberhaupt der Republik Türkei ist der Staatspräsident, der von den Bürgerinnen und Bürgern der Türkei direkt und für eine Dauer von fünf Jahren gewählt wird - so wie auch zeitgleich das Parlament. Seit den Wahlen 2018 steht der Staatspräsident auch formal der Regierung vor, deren Mitglieder er nach eigenem Ermessen ernennen und entlassen kann. Er hat weitreichende Kompetenzen, kann Präsidialverordnungen erlassen und bestimmt über die Besetzung einer Vielzahl an wichtigen Positionen im Staatsapparat, u.a. an den Universitäten des Landes und in der Justiz. Gegen Gesetzte des Parlaments kann er ein Veto einlegen, allerdings kann das Parlament dieses Veto mit einer Mehrheit von drei Fünfteln zurückweisen. Detaillierte Informationen zum politischen System der Türkei Interner Link: finden Sie hier. Eine Darstellung der Verfassungsgeschichte der Türkei erreichen Sie Interner Link: unter diesem Link. Eine Grafik, die das bisherige politische System der Türkei bis zum Jahr 2017 darstellt, Interner Link: finden Sie hier.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2023-05-12T00:00:00
2017-09-08T00:00:00
2023-05-12T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/europa/tuerkei/255789/das-neue-politische-system-der-tuerkei/
2017 wurde die Verfassung der Republik Türkei per Referendum umfassend reformiert. Die Grafik zeigt das politische System der Türkei mit allen beschlossenen Veränderungen, die 2018 umgesetzt wurden.
[ "Türkei", "Politisches System", "Grafik" ]
589
Schritt zurück nach vorn? Mexikos Demokratie | Mexiko | bpb.de
Einleitung Als der mexikanische Präsident Felipe Calderon im September 2011 zum fünften und vorletzten Mal seinen traditionellen Bericht zur Lage der Nation abgab, war er kaum zu beneiden. Seit einigen Jahren macht sein Land vor allem Negativschlagzeilen. Die politische Situation, in der sich Mexiko unter Calderon befindet, beschreiben längst nicht mehr nur um griffige Formulierungen bemühte Journalisten als "Krieg". In seinem jüngsten Konfliktbarometer klassifizierte auch das Institut für Internationale Konfliktforschung der Universität Heidelberg die Auseinandersetzungen zwischen Drogenkartellen und Regierung erstmals als Krieg - damit findet sich das OECD-Land Mexiko in der Gesellschaft von Afghanistan, Pakistan, Irak, Somalia und Darfur. Nach offiziellen Angaben starben allein 2010 über 15000 Menschen im mexikanischen "Drogenkrieg", seit Beginn der Militäroffensive im Dezember 2006 sind den brutalen Auseinandersetzungen knapp 40.000 Menschen zum Opfer gefallen. Präsident Calderon hatte zu Beginn seiner Amtszeit eine härtere Gangart gegenüber dem organisierten Verbrechen eingeschlagen als sein Vorgänger Vicente Fox (2000-2006) und insbesondere mit der Entscheidung, das Militär in den Einsatz gegen die Drogenkartelle zu schicken, in ein Wespennest gestochen. Seitdem haben sich die Spielregeln geändert, ist der seit Jahren schwelende Konflikt härter geworden, und er wird auf offener Straße ausgetragen. Dabei war Calderons Entscheidung vor allem einem Legitimitätsproblem geschuldet - erst sein markiges Durchgreifen im Kampf gegen das organisierte Verbrechen brachte ihm (vorübergehend) die erhofften hohen Zustimmungswerte in der Bevölkerung. Umfragen hatten im Vorfeld der Wahlen den ehemaligen Bürgermeister von Mexiko-Stadt Andrés Manuel Lopez Obrador von der linken Partido de la Revolucion Democrática (PRD) als klaren Favoriten gesehen. Es gewann jedoch Felipe Calderon von der konservativen Partido Accion National (PAN) mit einem halben Prozentpunkt Vorsprung. Trotz dokumentierter Unregelmäßigkeiten - Stimmen waren offensichtlich gekauft worden, Stimmzettel "gingen verloren" und wurden später in Abfalleimern gefunden - und den Protesten einiger internationaler Wahlbeobachter wurde nur ein kleiner Teil der Wahlkreise neu ausgezählt und Calderon anschließend zum rechtmäßigen Sieger erklärt. Monatelang protestierten Millionen Mexikaner wütend gegen den vermuteten Wahlbetrug; Lopez Obrador weigert sich bis heute, seine Niederlage anzuerkennen. Wie es um die Entwicklung der Demokratie in Mexiko insgesamt bestellt ist, lohnt sich derzeit genauer unter die Lupe zu nehmen. Denn in diesen politisch schwierigen Zeiten werden im Land die Karten neu verteilt: Ein Jahrzehnt nach dem Ende der 71 Jahre währenden "Demokratur" der Partido Revolucionario Institucional (PRI) befindet sich Mexiko mitten in einem Wahlmarathon, an dessen Ende im Juli 2012 auch der Nachfolger von Präsident Calderon bestimmt wird - den nach zwei Amtszeiten in der Opposition erstmals wieder die PRI stellen könnte. Eine aktuelle und umfassende Möglichkeit der Bestandsaufnahme bietet der Transformation Index der Bertelsmann Stiftung (BTI). Der BTI untersucht die Fortschritte von 128 Entwicklungs- und Transformationsländern auf ihrem Weg zu rechtsstaatlicher Demokratie und sozialpolitisch flankierter Marktwirtschaft und bewertet dabei auch die entsprechenden politischen Gestaltungsleistungen. Wo dies hilfreich erscheint, soll dieses Messinstrument im Folgenden herangezogen werden, um einige Kernaspekte der politischen Transformation Mexikos in den vergangenen Jahren einzuordnen und zu vergleichen. Der im Januar erscheinende BTI 2012 stuft Mexiko ebenso wie 2006, 2008 und 2010 als "defekte Demokratie" ein, also als eine Demokratie, die in wesentlichen Bereichen eines breiten Demokratieverständnisses signifikante Schwächen aufweist. Innerhalb dieser Kategorie hat sich die Gesamtbewertung, die sich aus 18 verschiedenen Indikatoren ergibt, in den vergangenen Jahren kontinuierlich verschlechtert: von 7,55 von 10 möglichen Punkten (BTI 2006) über 7,45 (BTI 2008) und 7,25 (BTI 2010) auf nunmehr 6,95 (BTI 2012). Mexiko - ein failing state? In Mexiko ist offensichtlich, dass die hohe Gewalt- und Drogenkriminalität in einigen Regionen des Landes die staatlichen Institutionen massiv unterwandern und die Handlungsfähigkeit des Staates ernsthaft in Frage stellen. Seit einiger Zeit räsonieren Beobachter deshalb darüber, ob Mexiko bereits als failing state einzustufen sei. So wurde der NAFTA-Partner Mexiko 2008 in einer Studie des U.S. Joint Force Command diesbezüglich in einem Atemzug mit Pakistan genannt, was nicht nur für eine öffentliche Debatte, sondern auch für diplomatische Verstimmung sorgte. Mexikanische Eliten zeigten sich außerdem verstört darüber, dass die US-Regierung unter Barack Obama 2009 mit Carlos Pascual einen Botschafter in Mexiko einsetzte, der als Experte für Länder mit fragiler Staatlichkeit galt. Calderon hat sich gegen die These von Mexikos drohendem Staatszerfall mehrfach öffentlich verwahrt, und die meisten Experten geben ihm Recht. Im BTI werden Staaten als failing states eingestuft, wenn sie in zwei wesentlichen Staatlichkeitsindikatoren - dem staatlichen Gewaltmonopol und den grundlegenden Verwaltungsstrukturen eines Landes - einen bestimmten Mindestwert unterschreiten. Im BTI 2012 betrifft dies Afghanistan, die Zentralafrikanische Republik, die Demokratische Republik Kongo, Haiti und Somalia, während Mexiko in beiden Indikatoren deutlich über dem Mindestwert liegt. Die grundlegenden Verwaltungsstrukturen, insbesondere in den Bereichen Infrastruktur, Transport und Kommunikation, sind in Mexiko praktisch landesweit gewährleistet und funktionieren in der Regel ohne gravierende Einschränkungen - hier sind die Bewertungen Mexikos über die Jahre konstant auf einem relativ hohen Niveau geblieben. Sein Gewaltmonopol kann der mexikanische Staat hingegen nicht im gesamten Staatsgebiet effektiv ausüben. Als problematisch gelten neben den grenznahen Regionen insbesondere die Bundesstaaten Sinaloa, Guerrero und Michoacán. Deshalb haben sich die diesbezüglichen Bewertungen kontinuierlich verschlechtert (BTI 2006 und 2008: 7 Punkte; BTI 2010: 6; BTI 2012: 5). Mexiko befindet sich mit dieser Einordnung in Gesellschaft von Staaten wie Nigeria, dem Jemen oder Georgien; innerhalb Lateinamerikas stehen nur Guatemala, das ebenfalls unter massiven Staatlichkeitsproblemen leidet, und - als einziger failing state der Region - Haiti noch schlechter da. Auch wenn die starke Erosion des staatlichen Gewaltmonopols durch den "Drogenkrieg" Anlass zur Sorge gibt, ist Mexiko von einem umfassenden Staatsversagen noch weit entfernt. Achillesferse Rechtsstaat Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass die mexikanische Regierung entschlossener gegen etablierte Missstände vorgehen muss, die eine weitere Unterwanderung des Staates begünstigen, allen voran die grassierende Korruption. Entsprechend werden von allen 52 Indikatoren des BTI zwei erneut am schlechtesten bewertet: die Ahndung von Amtsmissbrauch und die Korruptionsbekämpfung (je nur 4 Punkte). Eine Verbesserung könnte die Überprüfung der Vermögensverhältnisse von öffentlich Bediensteten, Amtsinhabern und Kandidaten für höhere politische Ämter bringen. Dass der Amtsmissbrauch von Mandatsträgern, dort wo er entdeckt wird, nur in den seltensten Fällen konsequent verfolgt und sanktioniert wird, hat im BTI 2012 zu einer weiteren Abstufung geführt und bleibt eines der größten Probleme der Rechtsstaatlichkeit in Mexiko. Die weit fortgeschrittene Korruption der staatlichen Organe fällt umso mehr ins Gewicht, als auch die anderen Grundpfeiler des Rechtsstaats (konsequente Teilung und wechselseitige Kontrolle der Gewalten, insbesondere unabhängig agierende Justiz) in Mexiko nach wie vor unzureichend sind. Die bürgerlichen Freiheitsrechte werden zwar grundsätzlich gewährt; weder ist der Staat jedoch in der Lage sie umfassend zu schützen, noch können sie von den Bürgerinnen und Bürgern verlässlich eingeklagt werden. Die konstant schlechten Bewertungen in diesem Bereich (seit 2006 stets nur 6 Punkte) hängen insbesondere mit den massenhaften ungeahndeten Frauenmorden vor allem im Norden des Landes und den Schwierigkeiten marginalisierter gesellschaftlicher Gruppen zusammen, ihre Rechte geltend zu machen. Alle Indikatoren zur Rechtsstaatlichkeit zusammengenommen schreibt Mexiko seinen Abwärtstrend fort (BTI 2006 und 2008: 6,5 Punkte; BTI 2010: 6,3; BTI 2012: 5,8) und liegt nun erstmals unter dem lateinamerikanischen Durchschnitt. Zu den gravierenden Defiziten der mexikanischen Demokratie gehören seit Jahren auch die Einschränkungen der Meinungsfreiheit, insbesondere durch die sich verschlechternden Bedingungen für eine freie Presse. Organisationen wie Reporter ohne Grenzen oder das Committee to Protect Journalists berichten von einer zunehmenden Zahl von ermordeten oder verschwundenen Kollegen, bewaffneten Angriffen, Entführungen sowie alltäglicher Einschüchterung und Bedrohung. Nach Einschätzung von Beobachtern der Vereinten Nationen und der Organisation Amerikanischer Staaten ist Mexiko "für Medienvertreter inzwischen der gefährlichste Staat Lateinamerikas". Die meisten Berichte machen ähnliche Ursachen für die prekäre Situation der Pressefreiheit in Mexiko aus, allem voran die Kultur der Straflosigkeit (impunidad) - erschreckende 98 Prozent der Verbrechen in Mexiko führen nicht zu einer Verurteilung. Bürokratische Hürden, unklare Zuständigkeiten sowie mangelnder politischer Wille stehen so auch der Aufklärung von Verbrechen gegen Journalisten im Wege. Aber es ist nicht nur die Passivität und Nachlässigkeit der Behörden, häufig sind Amtsvertreter oder korrumpierte Polizisten mitverantwortlich für schwere Verstöße gegen das Recht auf freie Berichterstattung und Information. So verlaufen Ermittlungen im Sande, wird die Suche nach vermissten Journalisten "wegen fehlender Spuren" eingestellt. Als eine der größten Einschränkungen der Pressefreiheit sehen viele Beobachter jedoch die zunehmende Tendenz zur Selbstzensur unter mexikanischen Journalisten, die man angesichts der akuten Bedrohungen für Leib und Leben kaum jemandem verdenken kann. Neuer politischer Pluralismus Dabei braucht das Land eine freie Presse mehr denn je. Denn seit Ende der 1990er Jahre kehrte in Mexiko ein neuer parteipolitischer Pluralismus ein, und seitdem eroberten die Oppositionsparteien immer mehr Ämter auf kommunaler und bundesstaatlicher Ebene. Einer freien Presse käme in diesem Prozess der Neuordnung des politischen Systems, bei der über Jahrzehnte bestehende Machtstrukturen aufgebrochen werden, eine wichtige Kontrollfunktion zu. Immerhin lässt sich konstatieren, dass der neue politische Wettbewerb bei allen Einschränkungen grundsätzlich funktioniert und ein friedlicher Wechsel der politischen Mehrheitsverhältnisse möglich ist. Mexiko hat ein relativ stabiles Parteiensystem aus drei großen Parteien (PRI, PAN, PRD), das zwar zunehmend Züge einer partidocracia annimmt, in der die Parteien den politischen Prozess dominieren, grundsätzlich aber die Artikulation der verschiedenen gesellschaftlichen Interessen gewährleistet. In dem zentralen Demokratie-Indikator schlechthin, den freien und fairen Wahlen, in dem Mexiko vor wenigen Jahren noch die volle Punktzahl erhalten hatte, hat sich das Land allerdings verschlechtert (BTI 2012: 8 Punkte). Dies hängt zum einen mit den weit verbreiteten klientelistischen Praktiken, mit Unregelmäßigkeiten bei der Parteienfinanzierung und dem faktisch nicht gleichberechtigten Zugang der konkurrierenden Parteien zu den Massenmedien zusammen. Zum anderen werden Wahlen auf allen Ebenen immer wieder überschattet von Drohungen, Entführungen und Kandidatenmorden im Auftrag der Drogenkartelle, die das Recht auf freie Aufstellung von Kandidaten außer Kraft setzen. Betrachtet man die Ergebnisse der jüngeren Wahlen im Überblick, lässt sich ein deutliches Wiedererstarken der PRI erkennen. Bei den Kongresswahlen im Juli 2009, einem wichtigen Stimmungstest zur Hälfte von Calderons Amtszeit, verbesserte sie ihre Position beträchtlich und gewann 48 Prozent der Sitze in der Abgeordnetenkammer. Das "Superwahljahr" 2010 mit insgesamt 15 wichtigen Urnengängen in ganz Mexiko bestätigte diesen Trend. Anfang 2011 verlor die PRI dann zwar die Bundesstaaten Baja California Sur an die PAN und wenige Wochen später Guerrero an die PRD, aber im Juli 2011 entschied sie die Gouverneurswahlen in Coahuila, Nayarit und dem Estado de México erneut für sich. Besondere Bedeutung kommt dem Wahlsieg im Estado de México zu, dem bevölkerungsreichsten und wirtschaftlich wichtigsten Bundesstaat. Dabei stand der wichtigste PRI-Kandidat gar nicht auf dem Wahlzettel: Der bisherige Gouverneur, Enrique Peña Nieto, trat nicht wieder an. Er konzentriert sich ganz auf andere Ambitionen, für die er mit dieser Wahl zusätzlich Rückenwind bekommt - Peña Nieto ist der mit Abstand populärste Kandidat und aussichtsreichste Anwärter auf die Nachfolge von Präsident Calderon im Juli 2012. Mit ihm präsentiert die PRI einen jungen, fotogenen und kommunikationsaffinen Kandidaten, der mit Blackberry und Twitter das unschöne Bild von 70 Jahren auf Patronage und Korruption gestützter Einparteienherrschaft verdrängen soll. Gegen den im Ausland auch schon als "mexikanischen Kennedy" bezeichneten Peña Nieto wird die PRD entweder erneut Andrés Manuel Lopez Obrador oder den aktuellen Bürgermeister von Mexiko-Stadt Marcelo Ebrard aufstellen - darüber soll bis Ende des Jahres in einer offenen Umfrage abgestimmt werden. Eine Frau kommt derzeit nur in der PAN in Betracht: Die Kandidatenriege der derzeitigen Regierungspartei weist neben den von der Opposition als "sieben Zwerge" verspotteten männlichen Aspiranten auch ein "Schneewittchen" auf, die ehemalige Erziehungsministerin und heutige Fraktionsvorsitzende Josefina Vázquez Mota. Wer auch immer die innerparteiliche Kandidatenkür gewinnen sollte - angesichts der Unzufriedenheit nach zehn Jahren PAN-Regierung werden den Konservativen kaum Siegchancen eingeräumt. Freunde und Helfer Das beherrschende Wahlkampfthema der Zwischenwahl 2009 war die innere Sicherheit. Auch wenn die meisten Parteien mit Blick auf die Präsidentschaftswahl 2012 eine eindeutige Festlegung auf eine Strategie für die Bekämpfung des Drogenhandels vermeiden, ist bereits klar, dass eine der zentralen Herausforderungen jeder neuen Regierung darin bestehen wird, den unübersichtlichen und intransparenten staatlichen Sicherheitsapparat demokratisch zu reformieren. Im Kampf gegen die Drogenkartelle erzielen die Sicherheitskräfte zwar durchaus Achtungserfolge, die meist medienwirksam inszenierten Verhaftungen können aber nicht über den Umstand hinwegtäuschen, dass die in der Regel schlecht ausgebildeten und unterbezahlten Staatsdiener für die Drogenkartelle zumeist keine ebenbürtigen Gegner sind. In einigen kleineren Ortschaften haben komplette Polizeieinheiten gekündigt, nachdem sie von Drogenbanden angegriffen worden waren, die ihnen in Ausrüstung und Truppenstärke haushoch überlegen waren. Einem Bericht des Verteidigungsministeriums zufolge sind seit 2001 mehr als 1.600 Elitesoldaten zu den Kartellen übergelaufen. Auch wenn mittlerweile mehrere Zehntausend Bandenmitglieder verhaftet worden sind, stehen zumeist langwierige und intransparente Gerichtsprozesse und überfüllte Gefängnisse einer konsequenten Strafverfolgung und Sanktionierung im Weg. Viel zu selten wird etwa das aus illegalen Aktivitäten stammende Vermögen überprüft und beschlagnahmt. Seit Ende 2006 hat Calderon etwa ein Drittel des mexikanischen Heeres (50.000 Berufssoldaten) in den Kampf gegen die Drogenkartelle geschickt. Dabei folgt Mexiko zwei Trends, die für die ganze Region charakteristisch sind: Die Verteidigungsausgaben steigen, und das Militär wird stärker im Innern als in zwischenstaatlichen Konflikten eingesetzt. Die Grenzen zwischen den üblicherweise getrennten Ebenen der inneren und der äußeren Sicherheit werden dadurch zunehmend verwischt, was eine Vielzahl von Fragen aufwirft, nicht zuletzt nach der verfassungsrechtlichen Legitimität. Die mexikanische Verfassung sieht den Einsatz der Armee zum Schutz der inneren Sicherheit nicht vor, Artikel 129 untersagt dem Militär in Friedenszeiten ausdrücklich, andere als rein militärische Aufgaben wahrzunehmen. Klarheit in dieser Sache soll nun eine umfassende Reform des unter Vicente Fox eingeführten Gesetzes zur Nationalen Sicherheit schaffen, die Calderon im April 2009 ins Parlament eingebracht hat und über die der Kongress nach heftigen Diskussionen und zivilgesellschaftlichen Protesten im Herbst 2011 entscheiden will. Die Bedenken vieler Beobachter gegen einen Einsatz des Militärs im Innern rühren auch daher, dass in der enormen Brutalität, die den Konflikt seit einigen Jahren kennzeichnet, auch eine Folge der Militarisierung gesehen wird. Diese begann bereits Mitte der 1990er Jahre mit der Schaffung eines Nationalen Sicherheitsrats, der die Zusammenarbeit der diversen Polizeikräfte mit dem Militär koordinieren soll. Menschenrechtsrechtsgruppen und Verfassungsrechtler liefen schon damals dagegen Sturm, weil sie in ihm den Dammbruch sahen, der den Ausnahmezustand zum Normalzustand machten sollte, was viele nun auch der aktuell diskutierten Gesetzesreform vorwerfen. Während die politischen Debatten andauern, sind im Laufe der vergangenen Jahre längst Fakten geschaffen worden, die einer weiteren Militarisierung Vorschub leisten: Immer mehr Polizisten werden mittlerweile in militärischen Ausbildungslagern geschult, der überwiegende Teil ihrer Führungskräfte sind ehemalige Soldaten - mit einer Bürgerpolizei im europäischen Sinne haben diese Ordnungshüter wenig gemeinsam. Weil das Militär in der Mehrzahl nicht für die Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben, sondern für den Krieg ausgebildet ist, kommt es immer wieder vor, dass Soldaten in kritischen Situationen zu überzogener Gewalt greifen. Zudem fördert die massive Präsenz des Militärs in einigen Regionen die Verstrickung in Entführungen und sonstige im Zusammenhang mit dem Drogenhandel stehende Delikte. Menschenrechtsgruppen dokumentieren in den vergangenen Jahren eine zunehmende Zahl illegaler Festnahmen, willkürlicher Hausdurchsuchungen und Fälle von Folter und Misshandlung durch Armeeangehörige (el crimen uniformado, das "uniformierte Verbrechen") und fordern deshalb seit langem, dass Menschenrechtsverletzungen von Militärs gegen Zivilpersonen auch vor Zivilgerichten verhandelt werden. Tatsächlich scheint sich hier ein Wandel anzudeuten: Am 12. Juli 2011 hat der Oberste Gerichtshof erstmals die Anwendbarkeit der Zivilgerichtsbarkeit bei Übergriffen von Militärs gegen Zivilpersonen festgestellt. Wird diese Entscheidung konsequent umgesetzt, könnte dies wesentlich dazu beitragen, die impunidad zumindest im Bereich der bisherigen Militärgerichtsbarkeit einzuschränken und den Opfern von Menschenrechtsverletzungen effektiveren Rechtsschutz zu gewähren. Hoffnungsschimmer Zivilgesellschaft Entscheidend für die mexikanische Demokratieentwicklung ist langfristig das Vertrauen der Mexikanerinnen und Mexikaner in die demokratischen Spielregeln. Insgesamt war die Zustimmung zur Demokratie in Mexiko 2002, kurz nach dem historischen Wechsel des Jahres 2000, am höchsten, in den vergangenen Jahren ist die Bewertung dieses Indikators gesunken (BTI 2006 und 2008: 7 Punkte; BTI 2010 und 2012: 6). Heute zeigt sich die Mehrheit enttäuscht, dass seitdem keine der beiden PAN-Regierungen die hohen Erwartungen erfüllt hat. Die Unzufriedenheit findet ihren Ausdruck auch in der schwachen Wahlbeteiligung bei den Urnengängen 2009, und unter denen, die zur Wahl gingen, wird die sogenannte Nullstimme (voto nulo) immer populärer, bei der man aus Protest einen nicht ausgefüllten Wahlzettel in die Urne wirft. Vorsichtig optimistisch stimmt allerdings die Möglichkeit, dass die scheinbar ausweglose Lage des Landes und die Enttäuschung darüber die Bevölkerung auf eine neue Weise zusammenschweißen und davon ein Schub für die mexikanische Zivilgesellschaft ausgehen könnte. Aufgrund der 70-jährigen Prägung des gesellschaftlichen Lebens durch die Einheitspartei PRI und ihre Unterorganisationen blieben die zivilgesellschaftlichen Strukturen lange Zeit unterentwickelt. Die enorme soziale Ungleichheit hinderte ihre Entwicklung zusätzlich, so dass ein ausländischer Korrespondent bemerkte: "Jedes Mal, wenn sich eine Bewegung anschickt, das Land zu einen, werden sich die Mexikaner bewusst, wie fragmentiert ihre Gesellschaft ist." Auch über die Ursachen und Lösungsstrategien des "Drogenkrieges" herrscht in der Bevölkerung große Zerstrittenheit. Und dennoch kommt es zu Schweigemärschen mit Zehntausenden Teilnehmern unterschiedlicher gesellschaftlicher Herkunft, was einige Beobachter als Beginn einer neuen sozialen Bewegung deuten. In der Tat lassen sich unter dem Einfluss der politischen Pluralisierung und der wachsenden Bedeutung der neuen Medien Ansätze einer Stärkung der mexikanischen Zivilgesellschaft erkennen. Im neuen BTI wird dieser Indikator daher leicht aufgewertet (BTI 2006, 2008, 2010: je 5 Punkte; BTI 2012 erstmals 6). Es gehört in Mexiko zu den bekanntesten Gemeinplätzen, dass das Land eigentlich - und eigentlich auch immer schon - viel besser dastehen müsste, würde es nur besser regiert. Neben dem politischen und wirtschaftlichen Entwicklungsstand eines Landes berücksichtigt der BTI stets auch die politischen Steuerungsleistungen der jeweiligen Regierungen. Diese Bewertung bietet im BTI 2012 wenig Anlass zum Optimismus, denn Mexiko zählt in dieser Hinsicht im Vergleich zu 2010 zu den deutlichsten Absteigern: Vom 36. Platz (BTI 2010) ist das Land auf den 46. abgestürzt (BTI 2012) und weist damit im Untersuchungszeitraum eine der stärksten Verschlechterungen unter den 128 untersuchten Ländern auf (-0,36 Punkte). Der Grund für diese drastische Abwertung liegt vor allem in den strategischen Defiziten, die im zentralen Politikbereich der inneren Sicherheit zu Tage treten. Calderon setzt nahezu ausschließlich auf repressive Maßnahmen und blendet soziale Ursachen und Lösungsstrategien weitgehend aus. Andere wichtige Politikziele wie Armutsbekämpfung und Bildung werden dem Kampf gegen das organisierte Verbrechen untergeordnet. Zu Buche schlägt aber auch, dass die Regierung zu wenig gegen Korruption unternimmt und die Umsetzung von wichtigen Reformvorhaben nur schleppend vorankommt. Dieses Politikversagen beginnt auch die regionale Zusammenarbeit und internationale Glaubwürdigkeit Mexikos in Mitleidenschaft zu ziehen. Einerseits prägen hier zwar die hoch gelobte Vermittlungsarbeit von Außenministerin Patricia Espinosa bei den Klimaverhandlungen in Cancún und die neue Rolle des Landes als emerging donor im Bereich der regionalen Entwicklungszusammenarbeit das Bild. Andererseits dominiert der "Drogenkrieg" längst die bilateralen Beziehungen Mexikos zu seinen regionalen Partnern. Will sie der Situation Herr werden, wird die mexikanische Führung noch deutlich stärker als bisher mit den Regierungen der USA und der mittelamerikanischen Länder zusammenarbeiten müssen. Fazit Erstmals in der jüngeren mexikanischen Geschichte kommen Zweifel an der politischen Stabilität des Landes auf. Zwar hat Mexiko, vom peruanischen Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa noch 1990 als "die perfekte Diktatur" bezeichnet, seit Ende der 1990er Jahre wichtige Fortschritte auf seinem Weg zu einer rechtsstaatlichen Demokratie gemacht, aber die gravierende Krise der Staatlichkeit droht diese zunichte zu machen. Ohne funktionierende Staatlichkeit ist Demokratie nicht zu machen; ist der Staat in einer seiner zentralen Funktionen - dem staatlichen Gewaltmonopol - nicht mehr handlungsfähig, berührt dies schnell die Frage der Akzeptanz der Demokratie als Ganzes. Für 2012 hat Präsident Calderon eine freie und faire Wahl seines Nachfolgers versprochen. Ein friedlicher und sauberer Wechsel wäre jedoch weder der vielfach beschworene Rückfall in vordemokratische Zustände noch automatisch die bestandene Feuerprobe zur demokratischen Normalität. Die Gefahr einer Rückkehr der PRI an die Macht liegt darin, dass Mexiko damit in eine "Nostalgiefalle" tappen könnte. PRI-Politiker weisen derzeit gerne darauf hin, dass es die heutigen Gewaltexzesse in ihren Regierungszeiten nicht gegeben habe - und treffen damit einen Nerv. In der Tat hat die Eskalation des Konfliktes einiges mit dem Machtwechsel 2000 und dem damit verbundenen Wegfall der PRI als einer den gesamten Machtapparat monopolisierenden Kraft zu tun: Während des demokratischen Übergangs ist die organisierte Kriminalität in die durch den neuen politischen Wettbewerb entstandenen Freiräume vorgedrungen und hat sich Einfluss auf allen Ebenen des mexikanischen Staates gesichert. Es wäre ein Trugschluss zu glauben, dieser Prozess sei mit einer Rückkehr der PRI an die Macht umkehrbar, die (schon damals teuer erkaufte) frühere Stabilität sei auf diesem Wege wieder herstellbar. In jedem Fall aber ist dem Land dieses Mal ein Wahlverlauf zu wünschen, der Caldérons Nachfolger mit größerer Legitimität und Handlungsfähigkeit ausstattet, um die für Mexikos Demokratie notwendigen Reformen duchzusetzen. Vgl. HIIK, Konfliktbarometer 2010, online: http://hiik.de (12.9.2011). Zum BTI siehe online www.bertelsmann-transformation-index.de; das ausführliche Ländergutachten zu Mexiko steht dort ab Januar 2012 zum Download bereit. Vgl. U.S. Joint Force Command, The Joint Operating Environment 2008, Suffolk, VA, 25.11.2008. Siehe etwa Günther Maihold, Mexikos Drogenkampf eskaliert, SWP-Aktuell 64, Berlin, September 2010. Vgl. Ricardo Trotti, Self-Censorship or Death, in: Global Journalist, 16 (2010) 1, S. 20-23. Alex Gertschen, Friedensmarsch in Mexiko, in: Neue Zürcher Zeitung vom 11.5.2011, S. 6. So etwa Sergio González, Un nuevo movimiento social en México, in: Foreign Policy en español, Juli 2011, online: www.fp-es.org/un-nuevo-movimiento-social-en-mexico (12.9.2011). So der mexikanische Politologe Federico Vázquez Calero, La trampa de la nostalgia, in: Nueva Sociedad, (2011) 235 (i.E.).
Article
, Matthias Jäger
2021-12-07T00:00:00
2011-10-06T00:00:00
2021-12-07T00:00:00
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/33092/schritt-zurueck-nach-vorn-mexikos-demokratie/
Eine aktuelle Bestandsaufnahme zeigt, dass sich Mexiko in einigen Kernaspekten politischer Transformation deutlich verschlechtert hat. Die Achillesferse der me­xikanischen Demokratie bleiben die Staatlichkeit und der Rechtsstaat.
[ "" ]
590
Welche Schulen besuchten Achtklässler:innen in Deutschland, 1960-2012? | Bildung | bpb.de
Die Verteilung der Schülerschaft auf die Schulformen der Sekundarstufe hat sich seit 1960 stark gewandelt: Damals umfasste die Hauptschule 68 Prozent Achtklässler:innen und war die mit Abstand meistbesuchte Schulform. Im Zuge der Bildungsexpansion verlor sie aber gegenüber Realschulen und Gymnasien immer mehr an Bedeutung. Im Jahr 2012 besuchten daher nur noch 14 Prozent der Achtklässler:innen die Hauptschule, dafür aber 23 Prozent die Realschule und 36 Prozent das Gymnasium, das schon Anfang der 1990er zur meistbesuchten Schulform avanciert war. Aber auch Integrierte Gesamtschulen und Schulen mit mehreren Bildungsgängen sind fester Bestandteil der Schullandschaft geworden (13 Prozent bzw. 9 Prozent).Kaum verändert hat sich lediglich der Anteil der Achtklässler:innen an Sonderschulen.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2023-04-19T00:00:00
2014-07-07T00:00:00
2023-04-19T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/bildung/dossier-bildung/187790/welche-schulen-besuchten-achtklaessler-innen-in-deutschland-1960-2012/
Verteilung der Schülerinnen und Schüler auf die verschiedenen Schulformen in der Sekundarstufe I
[ "Schule", "Schüler" ]
591
Participatory Budgeting and climate change | Netzwerk Bürgerhaushalt | bpb.de
On the basis our 2020 thematic priorities, the IOPD requested a study on climate change adaptation and citizen participation, which was charged to Yves Cabannes, Urban Planner and activist specializing in urban and municipal governance, Emeritus Professor of Development Planning (UCL / DPU). The study is co-published in September 2020 by OIDP-UCLG together with Externer Link: Enda ECOPOP, Externer Link: FMDV Global Fund for Cities Development, Externer Link: Kota Kita Foundation and University College London under the title Contributions of Participatory Budgeting to Climate Change Adaptation and Mitigation: Current Local Practices Around the World & Lessons from the Field. The study builds on the abstracts, exchanges and contributions from two international sessions on contributions of participatory budgeting (PB) to climate change adaptation and mitigation: IOPD Conference in Mexico, December 2019 and World Urban Forum in Abu Dhabi, February 2020. It also draws on climate sensitive PB initiatives in 15 participating cities and regions from different continents that willingly documented their ongoing experience. For more information visit Externer Link: OIDP.
Article
Redaktion Netzwerk Bürgerhaushalt
2022-11-18T00:00:00
2022-09-22T00:00:00
2022-11-18T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/stadt-land/buergerhaushalt/513345/participatory-budgeting-and-climate-change/
Several international organisations have compiled results from France to Ecuador to Indonesia for a study on active citizen participation against climate change.
[ "Bürgerhaushalt – Bürgerbudget", "Klimawandel", "Participatory Budgeting" ]
592
Redaktion | OSZE | bpb.de
Herausgeber Bundeszentrale für politische Bildung/bpb, Bonn © 2017 Verantwortlich gemäß § 55 RStV: Thorsten Schilling Redaktion Matthias Jung Konzept und externe Redaktion Lutz Schrader
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2021-06-23T00:00:00
2017-02-06T00:00:00
2021-06-23T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/internationale-organisationen/osze/241974/redaktion/
[ "Redaktion Dossier OSZE" ]
593
Info 05.07 Ring frei | Mobbing – bei uns nicht?! | bpb.de
Kategorie: Empathie. Herangehensweise: handlungsorientiert. Dauer: ca. 45 Minuten. Didaktische Hinweise: Bei der Methode kann mit Kissen gearbeitet werden; zur Intensivierung können auch sog. Bataca-Schläger (Antiaggressionsschläger) eingesetzt werden. Es ist bei dieser Übung besonders wichtig, auf die freiwillige Teilnahme der SuS zu achten, da der "Showkampf" überraschende Emotionen und Reaktionen insbesondere bei den "Kämpfern" freisetzen kann. Daher ist eine anschließende ausführliche Reflektion sehr wichtig. Beschreibung: Es werden zwei freiwillige Schülerinnen oder Schüler gesucht, die bereit sind, in der Mitte des Raumes eine bestimmte Zeit lang mit Hilfe von Kissen oder Bataca-Schlägern "gegeneinander" zu kämpfen. Die beiden "Kämpfer" sollen sich nun Regeln überlegen, die in ihrem Kampf gelten sollen, z.B. keine Schläge an den Kopf, nach 2 Minuten ist der Kampf zu Ende. Nachdem die "Kämpfer" sich auf ihre Regeln geeinigt haben, werden sie gebeten, den Raum zu verlassen. Nun werden die restlichen SuS, die während des Kampfes die Rolle der Zuschauer einnehmen sollen, instruiert: Es werden zwei "Parteien" gebildet, die eine Hälfte der SuS wird in dem folgenden Kampf den "Kämpfer" A anfeuern, die anderen SuS den "Kämpfer" B. Der Lehrer wird während des Kampfes Zeichen geben, die den jeweiligen Parteien das Startzeichen geben, nun ganz laut ihren "Kämpfer" anzufeuern, z.B. wenn der Lehrer während des Kampfes den rechten Arm hebt, dann muss "Kämpfer" A angefeuert werden, hebt er den linken Arm "Kämpfer" B, hebt er beide Arme, dann feuern beide Parteien gleichzeitig an. Senkt der Lehrer den Arm/die Arme wieder, sollen die jeweiligen Parteien verstummen. Nun werden die unwissenden "Kämpfer" in den "Ring" geholt; sie werden gebeten, ihre selbst aufgestellten Regeln noch einmal zu wiederholen. Der Lehrer gibt das Startzeichen, so dass der Kampf beginnen kann und achtet auf die vereinbarte Zeit. Sobald der Kampf einige Sekunden stattgefunden hat, beginnt der Lehrer, den "Zuschauern" Instruktionen durch Arme heben/senken zu geben. Variationsmöglichkeit: Der Kampf kann auch ohne das Anfeuern durch die Zuschauer durchgeführt werden. So ist die Intensität abgeschwächt, die "Kämpfer" erfahren die Übung in einem anderen, spielerischen Rahmen. Wird diese Variationsmöglichkeit als Vorbereitungsübung zur oben beschriebenen Methode angewendet, so ist sie eine geeignete Warming-Up-Übung, damit es den SuS im Folgenden leichter gelingt, sich auf die Methode einzulassen. Reflektionsmöglichkeiten: Fragen an die "Kämpfer": Haben die "Kämpfer" die Regeln eingehalten? Würden sie die Regeln bei einem nächsten Kampf evtl. ändern? Wie haben sich die "Kämpfer" in dem Kampf erlebt? Was war schwierig, überraschend etc.? Was für ein Gefühl war das, als das Anfeuern durch die Zuschauer begann? Was haben die Rufe in den Kämpfern ausgelöst? Wie war das Gefühl, als nur der Gegner angefeuert wurde? Fragen an die "Zuschauer": Was haben die Zuschauer bei den Kämpfern wahrgenommen? Was haben sie bei sich wahrgenommen? Haben sie Aggressionen wahrgenommen? Wenn ja, an welcher Stelle? Welchen Einfluss hatte das Anfeuern und Verstummen auf den Kampfverlauf? Weiterführende Diskussion: Zuschauer und Mitläufer haben einen weitreichenden Einfluss auf ein Mobbing-Geschehen: Warum? Welche Interventionsmöglichkeiten können von Zuschauern und Mitläufern ausgehen? Ziel der Methode: Die Methode zeigt den SuS auf, welche Bedeutung und Wirkung auch den scheinbar Unbeteiligten, den Mitläufern und Zuschauern, in einem Mobbing-Geschehen zukommt. Die SuS in der Rolle der Zuschauer erleben, welche Macht sie mit ihrem Verhalten, sei es durch lautstarkes Rufen oder stummes Dabeisein, haben und wie schnell auch diejenigen Menschen in der Gruppe "funktionieren", die sich eigentlich gar nicht an einer Gewaltsituation beteiligen wollten. Die Gruppe hat einen unmittelbaren Einfluss auf die Einzelnen; in einem Kampf entsteht eine rasche Dynamik und Aggression, wenn es Zuschauer gibt, die Resonanz zeigen und die "Kämpfer" dadurch positiv verstärken. Dieses können die SuS durch Beobachtung des "Kampfverhaltens" und der Reaktionen der "Kämpfer" erfahren ebenso wie die "Kämpfer" erfahren, dass sie automatisch auf das Anfeuern reagieren. Quelle: Eigener Text.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2021-09-21T00:00:00
2011-12-06T00:00:00
2021-09-21T00:00:00
https://www.bpb.de/lernen/angebote/grafstat/mobbing/46667/info-05-07-ring-frei/
Diese Methode zeigt den SuS anhand eines selbst dargestellten "Ringkampfes" auf, welche Bedeutung und Wirkung auch den scheinbar Unbeteiligten, den Mitläufern und Zuschauern, in einem Mobbing-Geschehen zukommt.
[ "Ring frei", "Grafstat", "Mobbing", "Gewaltprävention", "Empathie", "Unterrichtsvorschlag" ]
594
Deutschland innovativ – Eindrücke einer Veranstaltung | Deutschland 2015: Unser Land – unsere Zukunft | bpb.de
Eine kleine Glocke läutet den Beginn des Nachmittags ein und die 80 Gäste versammeln sich im großen Saal im ersten Obergeschoss. Der Bürgermeister der Stadt Mönchengladbach, Hans Wilhelm Reiners, begrüßt alle Anwesenden. Er unterstreicht dabei, wie wichtig eine engagierte Bürgerschaft für die Umbrüche vor 25 Jahren in der ehemaligen DDR sowie im Prozess der Wiedervereinigung war und ebenso auch für alle heutigen Veränderungen ist. In Vertretung für den Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, Dr. Günter Krings, begrüßt Dr. Jörg Bentmann im Anschluss die Gäste. Er macht deutlich, dass die Jubiläen der Friedlichen Revolution und Deutschen Einheit nicht nur Anlass zur Rückschau, sondern auch für einen Blick nach vorne, in die Zukunft, sind. Die erste Tischrunde beginnt und angeregtes Gemurmel erfüllt den Raum. Die Frage nach den Veränderungen, die es durch den Fall der Mauer und die Deutsche Einheit in den vergangenen 25 Jahren gegeben hat, bewegt. Die persönlichen und gesellschaftlichen Umbrüche waren und sind heute immer noch vielfältig: von der Massenarbeitslosigkeit der Nachwendejahre, über den verstärkten Wegzug aus der Heimatregion im Osten, die zunehmende Berufstätigkeit von Frauen im Westen, die weltweite Globalisierung, die insgesamt zu Flexibilisierung und Mobilisierung des Arbeitsmarktes führte. Die Digitalisierung des vergangenen Jahrzehnts, die das Leben und Arbeiten beschleunigte, neue Möglichkeiten schuf und Risiken aufbrachte, die europäische Wirtschaftspolitik, die auf unerwartete Art und Weise mit der Insolvenz der amerikanischen Lehmann Brothers verwoben war oder die weltweite Migration von Flüchtlingen, die die Gesellschaft heute insgesamt herausfordert. Diese Themen betreffen in der einen oder anderen Weise jede und jeden am Tisch. Das anschließende Podium fasst diese Entwicklungen unter dem Begriff "Megatrends der heutigen Zeit" zusammen und definiert vier als besonders relevant: Migration, Individualisierung, Digitalisierung und Globalisierung. Die Veränderungen, denen sich die Deutschen seit der Wende haben stellen müssen, waren in allen Bereichen spürbar und haben Spuren hinterlassen. Heute, so stellte eine Tischrunde im gemeinsamen Gespräch fest, haben wir vor allem Ängste, wenn wir an Veränderungen denken. Die „deutsche Angstmentalität“ wird auch an einem anderen Tisch aufkommen, als es um die Frage geht, wie sehr das demografisch alternde und schrumpfende Deutschland Migration braucht. "Wir haben aber mehr Angst vor den Flüchtlingen oder gar vor Überfremdung ", sagt eine junge Frau an einem Tisch, "als dass wir die Chancen verstehen, die Zuwanderung für unser Land bedeutet". Als es an den Tischen um die Frage geht, welche Innovationen wir heute wollen, wird der schmale Grad deutlich, den gesellschaftliche Veränderung beschreitet: ohne die Weiterentwicklung der Gesellschaft wird der Erhalt von Wohlstand und Wachstum nicht möglich sein. Allerdings wird parallel klar, dass die Rahmenbedingungen für Innovation und Veränderung eindeutig sein müssen, auch um Ängste und Vorbehalte aufzufangen. Die Digitalisierung ist eines der an diesem Tag oft zitierten Beispiele: Kultur und Musik werden für einige Anwesende zunehmend durch die Digitalisierung entwertet, so dass die Innovation, die das Digitale mit sich bringt, nicht ausschließlich als "gute" Innovation gewertet wird. Ähnlich verhält es sich mit dem Thema Gentechnik, wird das Podium später diskutieren. Nicht überall, wo Innovationen entstehen, sind diese für die Gesellschaft insgesamt und in Abwägung aller Konsequenzen in Gänze wünschenswert. Der schmale Grad von Freiheit und (Über-)Regulierung, wird es später auf dem Podium weiter heißen, muss gefunden werden: einerseits um genügend Freiräume zur Entfaltung und für Innovation zu schaffen und andererseits, um der notwendigen Regulierung Rechnung zu tragen, die Gefahren und Risiken angemessen einzuschätzen. In der Konsequenz, so diskutiert ein Tisch sehr lebendig, bedeutet dass, das Innovationen solange in Ordnung sind, solange das Fundament bzw. dass, was wertgeschätzt wird, beibehalten wird. Das Ausbalancieren von Werten und Interessen scheint die Grundlage zu sein, um sich gegenüber Veränderungen und Innovationen in der Gesellschaft öffnen bzw. diese akzeptieren zu können. Wird die Entwicklung nicht als positiv empfunden, "habe ich nicht daran mitgewirkt oder verstehe zumindest, weshalb die Entwicklung entstanden ist, besteht die Gefahr, dass ich mich dieser Veränderung gegenüber verschließe", fasst ein älterer Mann am Tisch zusammen. Welche konkreten Rahmenbedingungen braucht gesellschaftliche Innovation denn aber, um zu funktionieren? Im Podiumsgespräch wird deutlich, dass gerade der unbedingte Willen zur Veränderung, eine gesamtgesellschaftliche Kraft, wie sie nur die Revolution kennt, 1989 zum Sturz der DDR geführt hat. Im Sinne des berühmten Satzes "Das einzig Beständige ist die Veränderung" führt das Podium später weiter aus, dass insbesondere die Veränderungsbereitschaft im Alltäglichen heute wichtig ist, damit Deutschland insgesamt innovativ bleibt. An einigen Tischen wird zu dieser Frage eine eher abstrakte, aber sehr grundsätzliche Forderung nach Regelung von gesellschaftlichen Veränderungen durch die Politik laut. Diese ist nachvollziehbar, soll Politik doch den Rahmen festlegen, welche Veränderungen und Innovationen die Gesellschaft möchte. Wichtig bleibt dennoch, dass auch die Bürgerinnen und Bürger ihren Beitrag leisten, damit eine Gesellschaft aus sich heraus verändert werden kann. Deshalb folgen an den Tischen auch sprudelnd weitere Vorschläge, welche Bedingungen ein Land braucht, um innovativ und veränderungswillig zu sein: es braucht Bürgerinnen und Bürger, die lebenslang lernen, sich fortbilden, verschiedene Sprachen sprechen, wissen, wie es sich anfühlt, im Ausland fremd zu sein und vor allem, Bürgerinnen und Bürger, die sich engagieren. Im Ehrenamt, so finden zahlreiche Teilnehmende, findet Innovation und sozialer Wandel besonders statt bzw. wird auf besondere Weise aktiv gestaltet wird. Die Forderung nach kommunalen Stellen, die das ehrenamtliche Engagement koordinieren, findet Zuspruch. Auf dem Podium wird später gesagt, dass Innovation besonders aus dem Dialog mit Menschen entsteht – insbesondere auch aus Widersprüchen und Dissens. Im Ehrenamt scheinen dieser Dialog und die aktive Gestaltung von Veränderungen für die Teilnehmenden auf besondere Weise möglich. Innovation schaffen, so das Podium später, bedeutet das über Bord werfen alter Muster und damit verbunden auch immer die gesellschaftliche Diskussion darüber, ob alle bereit sind, dies zu tun. Am Ende bedeutet Innovationen schaffen vor allem zu akzeptieren, dass Veränderung permanent stattfindet und Teil des persönlichen Lebens, wie auch der Gesellschaft ist. Die Herausforderung besteht darin, die Veränderungen aktiv zu gestalten, das Beste aus Wandlungsprozessen zu machen und Chancen zu ergreifen. Es bedeutet auch, an grundsätzlich Bewährtem festzuhalten, wenn die Folgen, nicht das sind, was die Gesellschaft möchte. Nicht alles, was gemacht werden kann, sollten wir machen, resümiert das Podium. In den Wendejahren war die Veränderung für viele eine große Chance und einzigartige Möglichkeit in einem vereinten Deutschland zu leben. Der unbedingte Willen zur Veränderung war da, Bedenken tragen nicht an der Tagesordnung. Heute, so scheint es, gibt es eine Trennung in der Sicht auf technisch-naturwissenschaftliche und gesellschaftliche Innovationen und Veränderungen. Stehen wir technischen Neuerungen überwiegend offen gegenüber und sehen darin vor allem die Chancen, stehen bei gesellschaftlichen Veränderungen häufig eher Angst und Skepsis im Vordergrund. Das Podium plädiert zum Abschluss der Veranstaltung für mehr Zukunftsfreudigkeit und für mehr Gestaltungswillen, aus den heutigen Veränderungen das Beste zu machen. Immerhin haben sowohl der Osten, wie auch der Westen in den vergangenen Jahrzehnten massive Veränderungen erlebt und in vielerlei Hinsicht positiv bewältigt - darüber miteinander ins Gespräch zu kommen und voneinander zu lernen ist 25 Jahre nach dem Fall der Mauer eine Bereicherung.
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2021-06-23T00:00:00
2015-05-22T00:00:00
2021-06-23T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/deutsche-einheit/deutschland-2015/207221/deutschland-innovativ-eindruecke-einer-veranstaltung/
Friedliche Revolution und Mauerfall im Herbst 1989 waren die Ausgangspunkte für die Deutsche Einheit. Die Veränderungen, denen sich die Deutschen seit der Wende haben stellen müssen, waren in allen Bereichen spürbar und haben Spuren hinterlassen.
[ "" ]
595
Darstellungen der Berliner Mauer | Deutschland Archiv | bpb.de
So wurde in den französischen Medien auch über den dreißigsten Jahrestag des 9. November 1989 breit berichtet, vielleicht sogar intensiver als zehn oder 20 Jahre zuvor. Unter anderem gab Elise Delève, Journalistin bei France-Culture, einen Überblick über „von der Mauer inspirierte Kunstwerke“ und wählte beispielhaft vier Arbeiten eines Malers, eines Filmemachers, eines Musikers und eines Schriftstellers aus, unter ihnen zwei Deutsche, ein Brite und ein Franzose: David Bowie und sein Song „Heroes“ (bereits 1977 komponiert, zehn Jahre später erfolgreich); Peter Schneider und sein Roman „Der Mauerspringer“ (1982); Thierry Noir und seine an die Mauer gemalten Figuren (seit 1984); Florian Henckel von Donnersmarck und sein preisgekrönter Film „Das Leben der Anderen“ (2006). Diese Werke zeugen von der Spätphase der Mauer oder von der Zeit nach ihrem Fall, sowohl aus deutscher als auch internationaler Perspektive. Es wurden weitere, oft nach künstlerischem Feld geordnete Zusammenstellungen präsentiert, zu denen auch einige französische Werke gehörten. In ihrer Gesamtheit zeigen sie, dass die Künste die Mauer nicht alle mit der gleichen Intensität bearbeitet haben. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit, weder der Werke noch der Gattungen, möchte ich mit Hilfe der am häufigsten zitierten Künstler die Art und Weise aufzeigen, wie sich die französische Populärkultur die Mauer (per se oder als Symbol der Spaltung und Trennung) und ihre Geschichte angeeignet hat. Wie haben sich die Wahrnehmung und der Umgang mit der Mauer zwischen der Anfangsphase in den 1960er Jahren, in der Zeit des Gewöhnens an die Mauer in den 1970er und 1980er Jahren und bei ihrem Fall entwickelt? Welche Interpretationen werden mit der Erinnerung an die Mauer verbunden? Die 1960er Jahre: die Verurteilung der „Schandmauer“ Von Frankreich aus gesehen ist der Bau der Mauer die zweite große Berlin-Krise der Nachkriegszeit. Die erste ereignete sich 1948/49 mit der Blockade der Stadt durch die Sowjets und der von den Westalliierten eingerichteten Luftbrücke. Dieses Ereignis hinterließ jedoch in der französischen Kultur kaum Spuren, denn zum einen war der französische Beitrag zur Luftbrücke marginal, zum anderen hatten die Franzosen Ende der 1940er Jahre immer noch ambivalente Gefühle gegenüber den Deutschen, waren Krieg und Besatzung noch in ihren Köpfen präsent. Die Schwierigkeit, in dem ehemaligen „Feind“ nun ein „Opfer“ und Verbündeten im Kalten Krieg zu sehen, verlangsamte die kulturelle Verarbeitung des Ereignisses in Frankreich. Auf der anderen Seite beschleunigte diese erste Krise den Wandel in der öffentlichen Wahrnehmung Deutschlands. Die Zusammenarbeit mit den West-Berliner*innen wurde vor Ort (insbesondere beim Bau des Flughafens Tegel) praktiziert und der von allen Seiten gepflegte Solidaritätsdiskurs der drei Westalliierten mit West-Berlin und die wiederholt ausgedrückte Dankbarkeit der West-Berliner Bevölkerung förderten diese Entwicklungen. Während des Höhepunkts der zweiten Berlin-Krise im Sommer 1961 war die französische Gesellschaft hingegen bereit, die westlichen Emotionen und die Empörung über den Bau der Berliner Mauer zu teilen, der auch Spuren in der Populärkultur hinterließ. 1962 erschien ein erster Spionageroman mit dem Titel „Le Mur de la honte“ [Die Schandmauer]. Der Autor, Pierre Nord, war ein ehemaliger Widerstandskämpfer und ein Offizier des französischen Geheimdienstes. Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm er seine schriftstellerische Karriere wieder auf, die in den 1930er Jahren begonnen hatte, und wurde nun zu einem der Pioniere der Spionage-Literatur. Ausgehend von seinen eigenen Erfahrungen trug er dazu bei, ein Genre zu schaffen, das auf realen oder zumindest akribisch dokumentierten historischen Ereignissen beruht. „Die Schandmauer“ präsentiert die Geschichte eines französischen Agenten in Berlin im Sommer 1961, eines ehemaligen Widerstandskämpfers, der beauftragt wird, Kontakt mit antikommunistischen Kämpfern im Osten aufzunehmen. Fehlen darf natürlich nicht die obligatorische Liebesgeschichte. Als die Mauer nun die Stadt in zwei Hälften teilt, rettet der Held die Frau, die er liebt – die Witwe eines ermordeten deutschen Widerstandskämpfers. Der „Held“ ist ein Franzose, die „Bösen“ sind die Kommunisten und die „Opfer“ zwei deutsche Frauen, die im Widerstand aktiv waren. Antinazismus und Antikommunismus bekämpfen gemeinsam den ostdeutschen Anspruch, mit der DDR den Antifaschismus zu verkörpern. Die spektakuläre Rettungsaktion durch den Stacheldraht findet am Wasserturm, am Berliner Gesundbrunnen, an der Grenze zwischen dem sowjetischen und dem französischen Sektor statt. Die ideologische Dimension des Romans im Kontext des Kalten Krieges kann dem aufmerksamen Leser nicht entgehen, geht es hier doch um den Aufbau von Feindbildern in der Systemkonkurrenz. Beruht das Genre „Spionageroman“ vor allem auf der Spannung der Intrige, spielt der „Mauerschlager“ oder auch das „Mauer-Chanson“ mit Gefühlen und sentimentalen Handlungsschemata. Um die Berliner Mauer werden Liebesgeschichten gestrickt, die den zentralen Platz in diesen Liedern einnehmen. So kann die Trennung der Berliner*innen mit den vielfältigen individuellen Tragödien im klassischen Plot des Kalten Krieges durchdekliniert werden: das politische und gesellschaftliche Thema der Freiheit – das Leitmotiv des Westens wird dem Leitmotiv des Friedens, das der Ostblock für sich reklamierte, gegenübergestellt. Drei heute vergessene französische Lieder nahmen sich dieser Thematik an. Das erste mit dem Titel „Le Mur“ [die Mauer] von 1965, komponiert von Michel Vaucaire und Charles Dumont (Text und Musik), wurde von der jungen Berliner Sängerin Éva gesungen, die damit ihr Debüt im französischen Chanson gab. Mit ihrer tiefen Stimme, in einem unerbittlichen und bedrohlichen Vier-Takt-Rhythmus, arbeitet sich Eva Killutat (1943-2020) an diesem Symbol der Teilung ab: „Un mur de gêne/Un mur de peine/Un mur de haine/Un mur de peur“ [Eine Mauer der Verlegenheit/ Eine Mauer des Schmerzes/ Eine Mauer des Hasses/ Eine Mauer der Angst]. Die Mauer versucht jene zu trennen, die sich lieben, doch antworten diese mit einem siegreichen Liebesschrei: „Ils ont perdu/Ils n’ont pas pu/nous empêcher/de nous aimer“ [Sie haben verloren/konnten uns nicht daran hindern, uns zu lieben]. Das „Wir“ der Liebenden steht dem „Sie“ des Unsagbaren – den Behörden der DDR – gegenüber, und natürlich triumphiert am Ende die Liebe. Drei Jahre später erzählt Gilbert Bécaud in „La grande Roue“ [Das Riesenrad], das er mit einer schnellen und festlichen Melodie singt, die Geschichte eines jungen Berliners, der auf das Karussell klettert, um einen Blick auf seine Verlobte auf der anderen Seite der Mauer zu erhaschen. Es ist ein Lied der Unerschrockenheit und des Erfindungsgeistes, denn schließlich gelingt es ihm, die Frau zu sehen. Das dritte Lied mit dem Titel „Berlin“ stammt ebenfalls aus dem Jahr 1968. Jean-Jacques Debout sang von der Liebe zweier junger Berliner Teenager, die von der Grenze dazu verurteilt waren, getrennt voneinander aufzuwachsen: „Ils se sont quittés porte de Brandebourg, sans pouvoir espérer se retrouver un jour“ [Sie verließen sich am Brandenburger Tor, ohne hoffen zu können, sich eines Tages wiederzufinden]. Bei Fernsehauftritten von Debout wird die antikommunistische Botschaft des Liedes durch Bilder von der Unmenschlichkeit der Berliner Mauer im Hintergrund unterstützt. Doch findet sich ein seltsamer Satz im Text, der Fragen aufwirft: „Mais s’il faut des murs à Berlin/Pour préparer nos lendemains/Il nous faudra beaucoup d’amour/Si l’on veut se revoir un jour » [Aber wenn wir Mauern in Berlin brauchen/ um unsere Zukunft anzubahnen/ werden wir viel Liebe brauchen/ wenn wir uns eines Tages wiedersehen wollen]. Da es keine weiteren Quellen oder Erklärungen zu der Zeile „s’il faut des murs à Berlin“ gibt und da auf eine Zeichensetzung verzichtet wurde, die Hinweise gegeben hätte, ob sich „préparer nos lendemains“ auf die Mauer oder die Liebe bezieht, wollen wir hier keine politischen Interpretationen anstellen. Nichts erlaubt in diesem Satz, auf eine Rechtfertigung der Berliner Mauer oder eine symbolische Lektüre der hoffnungslosen Liebesgeschichte als Sehnsucht nach der deutschen Einigung zu schließen. Sie erscheint bei Debout und Bécaud eher als ein Vorwand, um das zeitlose Thema von der unmöglichen Liebe und der Trennung zu behandeln. Dafür besitzen die Werke aus den 1960er Jahren, bei denen die Liebesgeschichte im Hintergrund steht (Nord, Éva), einen genuin politischen Charakter. Die Künstler ergreifen prononciert Position für den Westen und weben die allgegenwärtige Liebesgeschichte in eine antikommunistische Erzählung ein, um vom Osten politische, gesellschaftliche und individuelle Freiheit einzufordern. Die (unglückliche) Berliner oder – wie bei Pierre Nord – deutsch-französische Romanze sollen Emotionen auslösen und über diesen Weg den inhumanen Charakter der Mauer dokumentieren. Die 1970er und 1980er Jahre: eine komplexere Wahrnehmung der Berliner Mauer In den folgenden zwei Jahrzehnten würzten oftmals die gleichen Zutaten die französischen Lieder von der Mauer: die unmögliche Liebe zwischen zwei Berlinern (Renauds Lied „Greta“, 1975) und die Spionage im Agentenroman (Claude Rank, „Mission en Prusse rouge“ [Auf Mission im roten Preußen], Paris 1979). Die Art und Weise, wie die französische Kultur die Mauer begreift, spiegelt jedoch die Tendenz wider, sich nicht alleine auf die ideologische Konfrontation zu konzentrieren, um die Komplexität und Mehrdeutigkeit der Teilung und des Lebens mit der Mauer zu erfassen. So thematisiert Michel Tournier in seinem Roman „Les Météores“ das Zwillingsdasein (Jean und Paul versus Jean-Paul), die geteilte Identität einer siamesischen Stadt, die unentwirrbar und unerträglich ist. Weniger philosophisch und eher historisch ist die Behandlung der schmerzlichen Trennung von zwei Brüdern bei Daniel Balavoine, der 1977 sein Konzeptalbum „Les Aventures de Simon et Gunther Stein“ [Die Abenteuer von Simon und Gunther Stein] aufnahm. Der junge Liedermacher erzählt das tragische Schicksal von Simon, der von DDR-Grenzsoldaten erschossen wird, als er versucht, die Mauer zu überqueren, um Gunther in West-Berlin zu treffen. Auch in drei Liedern des Albums kommt er auf die Erinnerung an den Nationalsozialismus und die Judenverfolgung (darunter ein Hinweis auf die Verhaftung des Vaters durch die Gestapo 1942) zu sprechen. Nachdem bereits Willy Brandt als Regierender Bürgermeister von West-Berlin 1961 den Stacheldraht der Berliner Mauer mit dem der Konzentrationslager verglichen hatte, findet sich dieser Bezug implizit auch bei Balavoine, der über die Figur des Vaters die mit den Füßen getretene Freiheit und die Verfolgung während des „Dritten Reiches“ und der DDR thematisiert. Das Album beginnt mit „La porte est close“ [Die Tür ist verschlossen], in dem vom gescheiterten Treffen der beiden Brüder berichtet wird: „C’était le 13 août 1961. J’allais rue Bernauer…‘ [Es war der 13. August 1961. Ich wollte in die Bernauer Straße...]. Das Lied „Lady Marlène“, das berühmteste Lied des Albums, ist der Erschießung von Simon gewidmet: „A Berlin tu sais/rien n’a changé/C’est trop difficile/de s’évader/Les hommes en vert/ont tiré“. [In Berlin, weißt du, hat sich nichts geändert. Es ist zu schwer zu fliehen. Die Männer in Grün haben geschossen]. In einem Interview erzählte Balavoine den Ursprung seines Projekts. Er war noch nie in Berlin gewesen, hielt sich aber 1976 in Polen auf und hatte dort schmerzlich die fehlende Freiheit erlebt: „Ich habe die Berliner Mauer als Vorwand genommen, weil sie das einzige war, was mir damals so konkret erschien, nämlich etwas, das wirklich gegen die individuelle Freiheit gebaut wurde und das man mit dem Finger anfassen kann.“ Für Balavoine war das Lied ein Schrei, mit dem er eine Revolte auslösen wollte. Für die jungen Menschen seiner Generation (er war damals 25 Jahre alt), so der Sänger, sei die Berliner Mauer ein universelles Symbol für die Missachtung der Menschenrechte, die es immer wieder einzufordern gelte. „Die Abenteuer von Simon und Gunther Stein“ waren kein kommerzieller Erfolg, doch das Album wurde von der Kritik positiv aufgenommen. Rückblickend wird es als ein wichtiges Werk des französischen Rock angesehen, das unlängst zu einem Theaterstück mit dem Titel „Berlin, de l’autre côté du Mur“ [Berlin, auf der anderen Seite der Mauer] (Sandrine Gauvin, 2010) inspirierte. Das Biotop West-Berlin als Magnet für Künstlerinnen und Künstler West-Berlin war Ende der 1970er Jahre eine brodelnde Stadt, eine Brutstätte der Kunst, mit ihrem Nachtleben und dem Aufblühen einer alternativen Kultur. Das „Biotop Westberlin“ war kosmopolitisch und zog sowohl etablierte Künstler wie David Bowie als auch junge Leute an, wie den Franzosen Thierry Noir, der in und durch Berlin zum Künstler wurde. Wie er oft erzählt, kam er im Alter von 24 Jahren ohne Geld und ohne Arbeit am Berliner Bahnhof Zoo an. Er fand ein Zimmer in dem besetzten Georg-von-Rauch-Haus, dem ehemaligen Schwesternwohnheim des Bethanien-Krankenhauses. Von seinem Fenster blickte er täglich auf die „melancholische“ graue Mauer, so dass er zwei Jahre später (1984) gemeinsam mit seinem französischen Freund Christophe Bouchet beschloss, die Mauer auf der Westseite zu bemalen. Für beide war dieser Entschluss ein Akt, um sich dieses Symbol der Unterdrückung durch einfache und farbenfrohe Figuren anzueignen und es zu „zähmen“. Auf diese Weise wurden beide Freunde zu historischen Figuren der Berliner Street-Art, jedoch nicht ohne Hindernisse, wie Noir berichtet: „Ich wurde von Passanten und Anwohnern beleidigt [...] Es war tabu, niemand malte auf die Mauer.“ Es ist kein Zufall, dass beide Künstler keine Deutschen waren, für die die Teilung der Stadt oftmals eine persönliche Geschichte war. Noir und Bouchet lähmte nicht die Angst vor ihr, so dass sie in der Lage waren, als ästhetische Provokateure zu agieren und damit den besonderen Status West-Berlins als Ort des kulturellen und sozialen Experiments zu stärken. Der Fall der Mauer (1989 und die 1990er Jahre): Freude, Hoffnungen und Sorgen Wie überall war der Fall der Berliner Mauer auch für die Franzosen eine Überraschung. Das Lied eignete sich das Ereignis sofort an, schneller und intensiver, als es 1961 beim Bau der Mauer der Fall gewesen war. Noch 1989 sang der italienisch-belgische Künstler Salvatore Adamo – der schon früh vom französischen Publikum „adoptiert“ worden war – „Berlin, ce jour-là“ [Berlin an diesem Tag]. Er kehrte zu traditionellen Themen zurück und sang über wiedergewonnene Freiheit und endlich mögliche Liebe, jonglierte mit „Liberté enfin/Liebe, liebe/Mon impossible amour/Enfin libre“ [Endlich Freiheit/Liebe, liebe/Meine unmögliche Liebe/Endlich Frei]. Wenn er die Vergangenheit heraufbeschwört („ceux qui, au prix de leur vie/ont tracé le chemin“ [diejenigen, die den Weg geebnet haben und dabei ihr Leben verloren], dann, um ein neues Kapitel der Geschichte zu schreiben („il faut oublier cela“ [das müssen wir vergessen]). Es ist gewissermaßen die These vom „Ende der Geschichte“, die mit dem Sieg des westlichen Modells abschließt. Ein Jahr später komponierte und spielte Yves Duteil „L’Autre côté“ [Drüben], in dem er die Geschichte der Mauer bis zu ihrem Fall zurückverfolgt, auch die Erinnerung an ihre Toten, aber er führte ein neues Paradigma ein: „Il reste encore ailleurs au monde, bien d’autres murs à faire tomber“ [Es gibt noch viele andere Mauern in der Welt, die niedergerissen werden müssen]. Hier ist die Berliner Geschichte Ausgangspunkt für einen Marsch zur Freiheit, gegen den Hass und die Angst in den Herzen der Menschen [„les murs qu'ont bâtis la haine et la peur dans le cœur des gens“]. Im Jahre 1990 produzierte der französische Filmemacher Chris Marker auf Wunsch des Fernsehsenders France 2 den Dokumentarfilm „Berliner Ballade“, für den er im gleichen Jahr den Deutsch-Französischen Journalistenpreis erhielt. Als Vertreter eines politisch engagierten Kinos (Le fond de l’air est rouge, 1978) sollte der überzeugte Marxist nun einen Kurzfilm (21 Minuten) über die ostdeutsche Gesellschaft im Frühjahr 1990 drehen. Die Grenzüberquerungen und die Mauer werden schon früh in einen politischen und historischen Kontext gestellt: heute Normalität, gestern eine gefährliche Heldentat und morgen nur noch Erinnerung. Zu Wort kommen in dem Film der Regisseur Jürgen Böttcher, der Sänger Wolf Biermann und der Schriftsteller Stephan Hermlin, die ihre Verbitterung darüber zum Ausdruck bringen, ein weiteres Mal zu den „Besiegten“ der Geschichte zu gehören: schikaniert vom SED-Staat und nun dem verschmähten Kapitalismus ausgeliefert. Die Ergebnisse der ersten und letzten freien Wahl der DDR-Volkskammer von 1990, bei denen auch sie im Vorfeld auf ein Wiederaufleben eines Sozialismus mit menschlichem Antlitz gehofft hatten, bestärkten sie schließlich in dem Gefühl, zu den ewigen Verlierern zu gehören. Während Chris Marker Einblicke in die desillusionierte Gefühlswelt ostdeutscher Intellektueller gab, brachte der linke Liedermacher Jean Ferrat seine persönliche Beunruhigung als langjähriger Weggefährte der Kommunistischen Partei zum Ausdruck. Trotz allem wollte er aber seine Hoffnung auf eine humanistische Welt nicht aufgeben, wie in dem Lied „Dans la jungle ou dans le Zoo“ [Im Dschungel oder im Zoo] aus dem Jahre 1991 zum Ausdruck kam. In Anlehnung an eine Metapher des Regisseurs Miloš Forman weigerte er sich, zwischen dem ungezügelten Kapitalismus und der Freiheitsberaubung durch den realexistierenden Sozialismus zu wählen: „Il y aura d’autres choix pour vivre que dans la jungle ou dans le zoo“ [Es wird andere Möglichkeiten zum Leben geben als im Dschungel oder im Zoo]. Im Bereich des Chansons blieb Ferrat aber wohl der erste und einzige, der einen „dritten Weg“ für die ehemaligen Ostblockländer einforderte. In dem Film „Allemagne, année 90 neuf zéro“ [Deutschland im Jahre 90 neun null] von 1991 griff Jean-Luc Godard die Figur des Geheimagenten auf, diesmal ein Ostdeutscher, der sich nach dem Fall der Mauer in den Westen begibt. Der Regisseur machte sich Gedanken über die deutsche Geschichte und die Zukunft des Westens, wenn es keinen Osten mehr gibt. Er ist damit einer der ersten in Frankreich, der die Ereignisse als ein doppeltes Verschwinden versteht. Allgemein ist festzustellen, dass die Freude über den Mauerfall nach und nach verflog. Auch die französischen Sänger thematisieren jetzt die realen Probleme des deutsch-deutschen Zusammenwachsens. 1994 sang Patrick Bruel „Combien de murs?“ [Wie viele Mauern?] und beschwor die Mauern in den Köpfen [„les murs qu’on a dans la tête“], um schließlich zu fragen, wie viele Mauern sich hinter einer fallenden Mauer verstecken [„Combien de murs se cachent derrière un mur qui tombe?“]. Dabei lässt er offen, ob er mit seinem Lied die ideologische, geopolitische, soziokulturelle oder mentale Dimension von Mauern meint. In einem Interview bedauerte er 1999, dass Politiker nur wenig Lehren aus dem Berliner Mauerfall und dem Ende des Kalten Krieges gezogen hätten. Als Beispiel nannte er den Jugoslawienkrieg Anfang der 1990er Jahre, bei dem jahrelang aufgestaute Nationalismen zum Ausbruch gekommen seien. Die meisten französischen Künstler hatten selbst nur wenig direkte Erfahrungen mit der Mauer. Ihre künstlerische Verarbeitung dieses Symbols des Kalten Krieges erfolgte à distance, was jedoch nicht für Thierry Noir galt. Er lebt noch heute in Berlin und arbeitet nicht nur zur Berliner Mauer, sondern an und mit ihrer Materie. Als die Mauer fiel, musste er sein künstlerisches Wirken überdenken. Zusammen mit anderen Künstlern aus dem In- und Ausland beteiligte er sich Anfang 1990 am Projekt der East Side Gallery, die größte Open-Air-Galerie auf mehr als einem Kilometer entlang des Spreeufers. Diese Initiative trug dazu bei, das Wesen der Mauer zu verändern: Einst Teil des ostdeutschen Systems von Unterdrückung und Tod, wird sie zu einem eigenständigen Kunstwerk, das sich die Berliner*innen (verstanden als die internationale Gemeinschaft in Berlin) und wahrscheinlich viele Menschen darüber hinaus aneigneten. Die naiven und farbenfrohen Köpfe von Noir gehören zu den mentalen Repräsentationen Berlins, die in Frankreich weit verbreitet sind (wie in Reiseführern und touristischen Sehenswürdigkeiten gezeigt wird) und für den französischsten unter den Berliner Künstlern einen Bedeutungswandel durchlaufen haben: „Damals habe ich gemalt, um die Mauer verschwinden zu lassen, und jetzt male ich, um sie zu erhalten.“ Fazit Heute geht es bei der Mauer, in der französischen wie auch in anderen Kulturen, um die Frage nach den Spuren, die sie hinterlassen hat, sowohl in materieller wie in memorieller Hinsicht. Während Thierry Noir 2014 anlässlich großer Gedenkfeiern noch Elemente der alten Mauer malte, thematisierten französische Liedermacher wie Jean-Jacques Goldmann in „Ensemble“ [Zusammen] 2001 bereits die Erinnerung an dieses Symbol des Kalten Krieges und bedauerten, dass das Erleben der Mauer in Vergessenheit geriete: „Etait-ce mai, novembre“. Mit Ironie und Absurdität nähert sich die französische Kultur ihr bisweilen heute: In „Mauer“ (2004) besingt Sébastien Tellier auf Deutsch das Bedauern einer Tennisspielerin, die im Training gegen die Mauer spielte, nun aber ihren „Partner“ verloren hat. Die Populärkultur thematisierte die „Ostalgie“ hingegen kaum, weniger als einige politische und intellektuelle Persönlichkeiten, die kapitalismuskritisch oder nostalgisch dem verpassten „dritten Weg“ nachtrauern. Es überrascht nicht, dass die Berliner Mauer heute die französische Populärkultur weniger inspiriert, obwohl sie während des Kalten Krieges ein immer wiederkehrendes Thema war, vielleicht, weil es in Frankreich keinen Ort gibt, der einen solchen ideologischen Antagonismus symbolisiert; vielleicht auch, weil Berlin, wo die Franzosen als Verbündete präsent waren, besonders stark bei denjenigen nachhallte, die ihren Militärdienst in der Nähe der Mauer abgeleistet hatten. Französische Künstler vermieden vor 1990 zumeist die direkte politische Aussage. Sie formulierten ihre Kritik an den Verhältnissen in Berlin eher über das Intime, die unvermeidliche Liebesgeschichte, die Opfer der Teilung wird und unter der Trennung der Liebenden leidet. Für die einen Liebespaare verhindert die Mauer eine glückliche Zukunft, doch triumphiert die Liebe in anderen Fällen über die Politik. Für viele ist die Mauer unüberwindlich, doch erscheint sie bisweilen doch auch als ein fragiles Gebilde, das überwunden werden kann. Insgesamt folgt der Umgang mit der Mauer in der französischen Kultur einer Entwicklung, die auch anderswo zu beobachten ist: eine ideologische Konfrontation in den ersten Jahren, gefolgt von einem komplexeren und vielfältigeren Diskurs sowie Freude, Hoffnung und erste Sorgen nach ihrem Fall. Dabei arbeiteten sich die verschiedenen Künste in Frankreich unterschiedlich an der Mauer ab: überraschend viele Lieder thematisieren mit variierenden Genres die Mauer; in der Literatur taucht sie nicht nur in Agententhrillern auf, sondern auch in einem philosophischen Roman von Michel Tournier, doch bleibt sie im französischen Film, anders als in den USA und in Deutschland, überraschenderweise eine Leerstelle. Allgemein wurde die Mauer in Frankreich zum einen als Teil der deutschen Geschichte, zum anderen als ein symbolischer und universeller Ort des Kalten Krieges wahrgenommen. Doch dank der Kühnheit der französischen Straßenkünstler Christophe Bouchet und Thierry Noir hat die Mauer seit 35 Jahren auch eine deutsch-französische (Nach-)Geschichte. Zitierweise: Corine Defrance, "Die Darstellungen der Berliner Mauer in der französischen Populärkultur", in: Deutschland Archiv, 09.06.2020, Link: www.bpb.de/311233. Weitere Beiträge zu den Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich: Ulrich Pfeil: Interner Link: Die DDR als Zankapfel in Forschung und Politik Französische Blicke auf den zweiten deutschen Staat Nicole Colin: Interner Link: Utopie eines anderen Deutschlands: Theater- und Literaturtransfer zwischen Frankreich und der DDR >> Constance Knitter: Interner Link: Kommunalpartnerschaften zwischen Frankreich und der DDR >> Franziska Flucke: Interner Link: Vom sozialistischen Paradies zum Erinnerungsort? Sechzig Jahre DDR in französischen Deutschbüchern >> Marie Müller-Zetzsche: Interner Link: Auf den Spuren des ostdeutschen Staates - DDR-Geschichte in französischen Ausstellungen nach 2009 Élise Delève, Ces œuvres d’art inspirées par le mur de Berlin, 7.11.2019, www.franceculture.fr/histoire/ces-oeuvres-dart-inspirees-par-le-mur-de-berlin, letzter Zugriff am 2.5.2020. Für die Musik und insbesondere für die Chanson siehe Alcyone Wemaëre, Le mur de Berlin n'a pas inspiré que Bowie et les Scorpions, 8.11.2019, slate.fr, www.slate.fr/story/183891/chute-mur-berlin-chanson-francaise-debout-becaud-renaud-balavoine-ferrat, letzter Zugriff am 2.5.2020; Julien Baldacchino, De Scorpions à Sébastien Tellier, la playlist du Mur de Berlin, 2.11.2019, www.franceinter.fr/de-scorpions-a-sebastien-tellier-la-playlist-du-mur-de-berlin, letzter Zugriff am 2.5.2020; Martin Pénet, Tour de chant. Berlin: des chansons d’est en ouest, 10.11.2019, www.francemusique.fr/emissions/tour-de-chant/Berlin%20:%20des%20chansons%20d%E2%80%99est%20en%20ouest%20-77532, letzter Zugriff am 2.5.2020 ; pour le cinéma, Hélène Lacolomberie (Du bist ein Berliner. La capitale allemande en dix films, 07.03.2018, zitiert keinen einzigen französischen Film, www.cinematheque.fr/article/1193.html, letzter Zugriff am 2.5.2020; Mathilde Doiezie auch nicht (25 ans de la chute du mur: le rideau de fer vu par le cinéma, Le Figaro, 09.11.2014. Auf der Liste „Le mur de Berlin et le cinéma“ mit 22 Titeln, die das Kultur- und Webmagazin Sens Critique erstellt hat, wird ein einziger französischer Film genannt - von Jean-Luc Godard, 1991), www.senscritique.com/liste/Le_mur_de_Berlin_et_le_cinema/222197, letzter Zugriff am 2.5.2020. Vgl. François Pernot, Un succès politique et diplomatique. Le pont aérien de Berlin et la politique internationale de la France, in: Helmut Trotnow/Bernd von Kostka (Hg.), Die Berliner Luftbrücke, Ereignis und Erinnerung, Berlin 2010, S. 63-74. Vgl. Corine Defrance, Die Berliner Luftbrücke zwischen Geschichte und Erinnerung. Einleitende Überlegungen; Philippe Jian, ‘Sollten wir die Ferien nicht einfach in Berlin verbringen?’. Die Berliner Luftbrücke 1948/49 im Spiegel der französischen Presse, in: Corine Defrance/Bettina Greiner/Ulrich Pfeil (Hg.), Die Berliner Luftbrücke. Erinnerungsort des Kalten Krieges, Berlin 2018, S. 14-32, S. 74-95. Pierre Nord, Le Mur de la honte, Paris 1962. Über den Autor – dessen wirklicher Name André Brouillard ist – siehe Michel Lebrun, Pierre Nord 1900-1985, in: Encyclopédie Universalis, www.universalis.fr/encyclopedie/pierre-nord/, letzter Zugriff am 2.5.2020. Vgl. Élise Petit, Chanter le Mur. Entre propagande et résistance, in: Nicole Colin/Corine Defrance/Ulrich Pfeil/Joachim Umlauf (Hg.), Le Mur de Berlin. Histoires, mémoires, représentations, Brüssel 2016, S. 239-260. Der Autor, dessen wirklicher Name Gaston-Claude Petitjean-Darville (1925-2004) ist, war ein ehemaliger Widerstandskämpfer mit guten Kenntnissen über Deutschland (er war Schüler am französischen Gymnasium in Mainz) und die Geheimdienste, siehe Claude Mesplède (Hg.) Dictionnaire des littératures policières, Bd. 2, Nantes 2007. Michel Tournier, Les Météores, Paris 1975 (deutsche Übersetzung: Ders., Zwillingssterne, München 1980). Daniel Balavoine, Les Aventures de Simon et Gunther Stein, Barclay Records 1977. Erklärung des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Willy Brandt, vor dem Berliner Abgeordnetenhaus am 13.8.1961, in: Pressedienst des Landes Berlin, Nr. 173, 13.8.1961, S. 3–8; Brandt sprach von der „Sperrwand eines Konzentrationslagers“. Zitiert nach Fabien Lecoeuvre, Balavoine. La véritable histoire, Monaco 2015. Vgl. Wilfried Rott, Die Insel. Eine Geschichte West-Berlins, 1948-1990, München 2009; Elke Kimmel, West-Berlin. Biografie einer Halbstadt, Berlin 2018. Vgl. u. a. das Interview von Maik Brüggemeyer mit Thierry Noir, Bemalte die Mauer als erster Künstler. Thierry Noir, der Grenz-Artist. In: Rolling Stone, 2.8.2011, www.rollingstone.de/bemalte-die-mauer-als-erster-kuenstler-thierry-noir-der-grenz-artist-341715, letzter Zugriff am 2.5.2020. Adamo sang Anfang der 1970er Jahre in der Berliner Philharmonie; vgl. Thierry Coljon, Adamo 50 ans de succès, La Renaissance, Paris 2013. Robert Belleret, Jean Ferrat. Le chant d’un révolté. Biographie, Paris 2011. Martin Rass, L’Allemagne de Jean-Luc Godard (épisode 4 : Les mots/maux de l’histoire) Diachritik, 13.7.2017. Patrick Bruel, J’ai décidé de passer à autre chose, Gespräch mit der Zeitung l’Humanité, 12.11.2019. Gespräch mit Thierry Noir, in: Delève (Anm. 1). Vgl. Corine Defrance/Ulrich Pfeil, „Un quart de siècle plus tard… Ce qui reste du Mur de Berlin“, in: Nicole Colin/Corine Defrance/Ulrich Pfeil/Joachim Umlauf (Hg.): Le Mur de Berlin. Histoire, mémoires, représentations, Brüssel 2016, S. 9-21. Vgl. Diane Barbe, Le Mur fait écran. Discours, projections, mémoire du Mur de Berlin au cinéma, in: Colin et al. (Hg), Le Mur (op. cit.), S. 213-228; siehe auch Matthias Steinle, Die Mauer als filmischer Glücksfall. Mediale Vorbilder und ästhetische Potentiale im Dispositiv des Kalten Kriegs; Diane Barbe, ‘Projecteurs sur le Mur’. La représentation du Mur de Berlin dans le cinéma de fiction est- et ouest-allemand de 1961 à 1990, in: Christin Niemeyer/Ulrich Pfeil (Hg.), Der deutsche Film im Kalten Krieg, mit einem Vorwort von Hans Helmut Prinzler, S. 187-195, S. 197-212. Ich bedanke mich ganz herzlich bei Jean-Paul Cahn, Emmanuel Droit, Hélène Miard-Delacroix, Caroline Moine und Jérôme Vaillant, deren Hinweise mir sehr geholfen haben.
Article
Corine Defrance
2022-02-10T00:00:00
2020-06-09T00:00:00
2022-02-10T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/deutschlandarchiv/311233/darstellungen-der-berliner-mauer/
Die Gedenkveranstaltungen zu den Jahrestagen des Mauerfalls bieten auch in Frankreich stets einen Anlass für vielfältige Rückblicke und Bilanzen. Zeitzeugen erinnern sich an die Ereignisse, erklären ihre persönliche Verarbeitung des Erlebten und frag
[ "Berliner Mauer", "DDR", "Frankreich", "Berlin" ]
596
Gezielte Grenzverletzungen - Castingshows und Werteempfinden | Jugend und Medien | bpb.de
Einleitung Castingshows erzielen vor allem bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alter zwischen 14 und 29 Jahren hohe Einschaltquoten. Der Erfolg der Sendungen ist eng mit deren Protagonisten, ihrer Machart und ihren Produktionsweisen verknüpft. Die "Normalität" der Protagonisten, ihrer Sprache und der verhandelten Themen rückt Formate des sogenannten Reality-TV an die Lebenswelt des jugendlichen Publikums heran wie kaum ein anderes Fernsehangebot. Dabei geht es um weit mehr als "nur" triviale Unterhaltung. Reality-TV-Angebote bieten Kommunikationsmöglichkeiten zur Interaktion mit anderen. Die Sendungen liefern Material für verschiedene normative Diskurse, und sie bieten Möglichkeiten zur Verortung der Zuschauenden in wesentlichen gesellschaftlichen und kulturellen (Identitäts-)Räumen von Nation, Klasse, Geschlecht oder Ethnie. Dabei erhöhen polarisierende Charaktere, verbale Ausfälle, körperliche Übergriffe und sexualisierte Darstellungen von Nacktheit die Einschaltquoten und machen die Sendungen zum Gesprächsthema. Die Zuschauer und Zuschauerinnen können über das Gesehene lachen, mit den Kandidaten und Kandidatinnen mitfiebern und sich mit ihnen identifizieren. Neben der Freude am Erfolg von Kandidaten spielt im Rezeptionsprozess von Jugendlichen jedoch auch Schadenfreude eine große Rolle. Insbesondere in der Medienpädagogik werden diese Rezeptionsmuster kontrovers diskutiert. Vor allem die abwertende und erniedrigende Zurschaustellung von Menschen wird als Grenzüberschreitung wahrgenommen, die Sensationslust und Voyeurismus am Schicksal und (Fehl-)Verhalten der dargestellten Personen fördert. Auch die kommerzielle Ausbeutung menschlicher Selbstdarstellungen zu Unterhaltungszwecken wird kritisch bewertet. Castingshows werden mithin als Formate analysiert, die ein neoliberales Bild der Selbstoptimierung idealisieren. Die in ihnen vermittelten Erwartungen und Werte des sozialen Zusammenlebens wie Selbstvermarktung, Anpassungsbereitschaft um jeden Preis, Wille zur Selbstausbeutung oder Unterwerfung könnten - so die Befürchtung - negativen Einfluss auf die überwiegend jungen Zuschauer haben. Darstellungen wehrloser, schutzbedürftiger Personen oder von Menschen, die für sie offensichtlich Ekel erregende und unangenehme Aufgaben erfüllen müssen, werden als Verletzung der Menschenwürde empfunden. So äußerte die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) in Bezug auf die Castingshow "Deutschland sucht den Superstar" ("DSDS") bereits mehrfach Befürchtungen, die Präsentation beleidigender Äußerungen und antisozialen Verhaltens, die Häme und Herabwürdigung anderer als legitim darstelle, könne bei Kindern eine desorientierende Wirkung haben. Im Jahr 2008 hatte die KJM mehrere Folgen der fünften "DSDS"-Staffel beanstandet und ein Bußgeld in Höhe von 100000 Euro verhängt. Zwei Jahre später stellte die KJM erneut einen Verstoß gegen die Jugendschutzbestimmungen fest. Obwohl über Castingshows und deren Wirkungen auf Jugendliche und junge Erwachsene heftig diskutiert wird, mangelt es bislang an empirischen Daten. Fragen nach den individuellen Rezeptions- und Nutzungsweisen sowie Aneignungsmustern von Castingshows insbesondere durch Jugendliche und junge Erwachsene sind bisher wenig erforscht. Erst in den vergangenen Jahren wendet sich die Wissenschaft diesem Thema stärker zu. Im Folgenden wird beschrieben, welche Erkenntnisse zur Faszination und Rezeption von Castingshows durch Jugendliche und junge Erwachsene vorliegen. Dabei gehen wir detaillierter auf eigene Arbeiten ein, die im Kontext eines Forschungsprojekts zu Skandalisierungen im Reality-TV und deren Bedeutung für Jugendliche entstanden sind. Performatives Reality-TV als Format Castingshows lassen sich dem "performativen Realitätsfernsehen" zuordnen. Bei Formaten dieser Art handelt es sich nicht um fiktive Erzählungen mit professionellen Darstellern, sondern um Sendungen, die in das Leben von "echten" Menschen eingreifen und es verändern. Performative Reality-TV-Formate geben somit ein Versprechen auf authentische Darstellungen. Sie haben zwar einen realen Hintergrund, stellen aber selbstverständlich eine medienspezifische, dramaturgische Konstruktion dar. Kandidatinnen und Kandidaten werden gezielt auf konflikthafte Polarisierung gecastet, Schnitt und Auswahl der gezeigten Szenen sind bewusst gewählt, um möglichst spannend, emotional und dramatisch zu erzählen. Daneben sollen gezielte Grenzüberschreitungen im Rahmen der Programme für öffentliche Aufmerksamkeit sorgen. Provokationen jeglicher Art gehören mittlerweile zum festen Repertoire der Castingshows. Das Fernsehpublikum wird dadurch zum voyeuristischen Beobachter moralischer Grenzverletzungen. Die ethischen Probleme der Sendeformate ergeben sich in diesem Fall aus einer doppelten Verantwortung: einerseits gegenüber den agierenden Protagonisten und deren möglicher seelischer Beschädigung, besonders, wenn es sich um Kinder und Jugendliche handelt, sowie andererseits gegenüber dem Fernsehpublikum. Hohe Einschaltquoten verbunden mit kostengünstiger Produktion haben Reality-TV zu einem erfolgreichen Format vorrangig bei privat-kommerziellen Fernsehanbietern gemacht. Mittlerweile finden Ausstrahlungen auch zur abendlichen prime time statt. Dabei stellen insbesondere Castingshows in Bezug auf ihren Bekanntheitsgrad und ihre Einschaltquoten erfolgreiche Programme dar, die nicht nur werktags hohe Zuschauerzahlen erzielen, sondern zum Bestandteil der klassischen Samstagabendunterhaltung geworden sind. Nicht allein aufgrund ihrer Popularität, sondern auch wegen ihres Programmumfangs nehmen sie damit eine besondere Stellung ein. Den Beginn eines Booms dieser neuen Castingshows kennzeichnete die Ausstrahlung von "Popstars" auf RTL2 im Jahr 2000. Die Show, in der eine Mädchenband gesucht wurde, erreichte insbesondere in der Zielgruppe der 14- bis 29-Jährigen hohe Marktanteile. 2002 folgte auch RTL der mittlerweile weltweiten Castingwelle und produzierte "Deutschland sucht den Superstar", das auf dem amerikanischen Vorbild "Pop Idol" beruht. Der Erfolg der Sendung zog die Ausstrahlung einer Reihe unterschiedlicher Castingshows nach sich: allgemeine Talentwettbewerbe wie zum Beispiel "Das Supertalent" (RTL) oder "Star Search" (ProSieben), Gesangswettbewerbe wie "Die deutsche Stimme" (ZDF) oder "Ich Tarzan, Du Jane" (Sat.1), Tanzwettbewerbe wie "DanceStar" (VIVA) oder "You can dance" (Sat.1), Modelwettbewerbe wie "Germany's Next Topmodel" (ProSieben) und Schauspielwettbewerbe wie "Bully sucht die starken Männer" (ProSieben) oder "Mission Hollywood" (RTL). Daneben drang das Castingprinzip auch in andere Fernsehsendungen ein. Es gab Castings für Mentalisten ("The next Uri Geller", ProSieben), für Politiker ("Ich kann Kanzler", ZDF), Azubis und Jobbewerber ("Deine Chance! Drei Bewerber, ein Job", ProSieben) oder für Ehe- und Beziehungspartner ("Guilia in Love", ProSieben). In der Programmgeschichte des Fernsehens stellen Castingshows jedoch keine Revolution dar, sondern knüpfen an die Traditionslinie der Talentwettbewerbe an. Bereits in den späten 1950er und frühen 1960er Jahren zeigten sowohl ARD und ZDF als auch das Fernsehen der DDR Unterhaltungsshows, in denen Kandidaten ihre Talente unter Beweis stellen konnten. In den heutigen Castingshows treten nicht nur die Kandidaten mit ihren künstlerischen Darbietungen in Erscheinung, sondern auch ihre Konflikte mit den jeweiligen Jurymitgliedern und anderen Kandidaten, ihr persönliches Umfeld und ihre Entwicklung im Rahmen des Coachings werden thematisiert. Castingshows bieten durch eine Mixtur aus Comedy, Soap und Elementen des Musikfernsehens Unterhaltung für ein sehr breites und heterogenes Publikum. Durch Telefonabstimmungen werden die Zuschauer in den Auswahlprozess der Kandidaten einbezogen. Dieses partizipative Moment stärkt die Rückbindung an die Fangemeinde. Zugleich ist es Bestandteil neuer Finanzierungsstrategien, die neben der crossmedialen Vermarktung der Sendungen über vielfältige Medienangebote (Zeitschriftenmagazine zur Sendung, Internetangebote, Verkauf der Musik-CDs) zum wirtschaftlichen Erfolg der Sendungen beitragen. Exponierte Sponsorings, umfangreiche PR-Arbeit und Berichterstattung in diversen Zeitungen stilisieren die heutigen Castingshows zu übergreifenden Medienereignissen. Rezeption der Castingshows Die offensive Präsenz von Reality-TV in der Medienöffentlichkeit trägt maßgeblich dazu bei, dass die Sendungen Gesprächsthema auf dem Schulhof oder dem Ausbildungs- bzw. Arbeitsplatz sind. In einer Befragung des Internationalen Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) gaben 75 Prozent der befragten regelmäßigen Seher von "Germany's Next Topmodel" und 82 Prozent der "DSDS"-Seher an, dass sie sich jeweils am Tag nach den Sendungen auf dem Schulhof darüber unterhalten. Inhaltlich geht es dabei fast immer darum, die Darbietungen und das Verhalten der Show-Teilnehmer zu bewerten und die Entscheidungen der letzten Sendungen zu diskutieren. Damit dienen die Sendungen zur Verhandlung von Verhaltensweisen und eigenen Handlungsoptionen in Konflikten. Daneben werden die Sendungsinhalte häufig auch durch die Nutzung anderer Medien, etwa über Zeitungen und Zeitschriften, verarbeitet und angeeignet. Castingshows werden generell häufiger von Mädchen und jungen Frauen gesehen als von ihren männlichen Altersgenossen. Eine 2010 veröffentlichte Onlinebefragung unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen ergab, dass 12- bis 13-jährige Mädchen die stärkste Bindung zu den Sendungen aufbauen. Je älter die Zuschauerinnen werden, desto weniger interessieren sie sich für die Sendungen. Während 59 Prozent der 12- bis 13-Jährigen sich noch oft oder manchmal Castingshows ansehen, sind es bei den 16- bis 17-Jährigen nur noch 33 Prozent und bei den 21- bis 24-Jährigen nur noch 24 Prozent. Unabhängig von ihrem Bildungshintergrund ist "DSDS" vor allem bei jüngeren Jugendlichen beliebt. Das Jurymitglied Dieter Bohlen wird dabei als polarisierend wahrgenommen, und genau darin besteht offenbar ein wesentlicher Teil der Attraktivität. Hier werden jedoch geschlechtsspezifische Unterschiede erkennbar: Ein Großteil der männlichen Befragten sieht sich "DSDS" gerade deswegen an, weil die harte Kritik des Jurors geschätzt wird, selbst wenn er Kandidaten dabei persönlich verletzt. Wenn sich Jugendliche Castingshows ansehen, stehen für sie Unterhaltung, Spannung, Spaß und Zeitvertreib im Vordergrund. Besonders wichtig ist ihnen das repräsentierte Wettkampfgeschehen. Vor allem weibliche Jugendliche sehen sich die Sendungen an, weil sie wissen wollen, "wer gewinnt", "wer alles rausfliegt" und "wie es weitergeht". Die männlichen Jugendlichen interessieren sich stärker für das Verhalten der Teilnehmenden selbst und nutzen die Sendungen vor allem, "weil man sich über viele Kandidaten lustig machen kann" oder "um Langeweile zu überbrücken". "Ablästern" über den Auftritt der Kandidaten nannten insgesamt 77 Prozent der 9- bis 19-Jährigen als häufigstes Rezeptionsmotiv. Die Jugendlichen scheinen sich damit emotional von den zuweilen erniedrigenden Erlebnissen der Kandidaten abzugrenzen. Bewertung von Skandalisierungen und Provokationen Trotz der bislang vorliegenden Erkenntnisse ist nach wie vor offen, worüber sich die Jugendlichen lustig machen, und wie sie die damit verbundenen moralischen Konflikte bewerten. Im Rahmen einer qualitativen Studie der Autorinnen wurde daher untersucht, wie sich Jugendliche, junge Erwachsene und deren Eltern zu Aspekten der ethischen Zulässigkeit (z.B. verbale Erniedrigungen) oder der Fragwürdigkeit ausgewählter Elemente (z.B. Entblößung von Intimitäten) in Castingshows verhalten. Anhand von Gruppendiskussionen, Inhaltsanalysen, Fallstudien, Werbezeitanalysen und Expertenbefragungen haben wir untersucht, welche Relevanz Tabubrüche, Provokationen und Skandalisierungen im Reality-TV als Strategie der Aufmerksamkeitsgenerierung haben. Aus Publikumssicht interessieren dabei vor allem folgende Fragen: Welche Verhaltensweisen und Darstellungen sind für die Jugendlichen in Fernsehsendungen tabu? Welche moralischen Grenzen formulieren die Jugendlichen in Bezug auf Castingshows und andere Reality-TV Sendungen? Welche Konflikte entstehen in Familien, wenn Kinder und Jugendliche Sendungen sehen wollen, die ihre Eltern für sich und für die Kinder ablehnen? In den Gruppendiskussionen mit insgesamt 32 Teilnehmerinnen und Teilnehmern haben wir zunächst ausgewählte Sequenzen aus aktuellen Castingshows gezeigt, in denen Provokationen und Tabubrüche sichtbar werden. Die Gespräche zeigten dabei im ersten Schritt, worüber die Jugendlichen und deren Eltern sprechen, wenn sie sich in der Schule oder im Beruf über Castingshows unterhalten. Vor allem bei den Jugendlichen geht es weniger um einen moralischen Diskurs, sondern vorrangig um Emotionen. Ausgetauscht wird, welche Kandidaten man favorisiert und welche Kandidaten weiterkommen könnten. Daneben spielen jedoch auch Sensationen und Skurrilitäten einzelner Charaktere eine Rolle. Die offensive crossmediale Vermarktung besonders provokativer Szenen, die in sendereigenen Magazinen wiederholt und in Printmedien aufgegriffen werden, schafft erfolgreich hohe Aufmerksamkeit und macht die Sendungen zum alltäglichen Gesprächsthema. Die Anschlusskommunikation der Jugendlichen dient der Herstellung von Zugehörigkeit in der Gruppe der Gleichaltrigen (peer group) und trägt durch die Abgrenzung von den Kandidaten zugleich zur eigenen Statussicherung bei. Dazu einige Beispiele aus den Gruppendiskussionen auf die Frage, worüber denn gesprochen werde: "Also, wer rausgeflogen ist, oder was da manchmal für Idioten rumhopsen." (Stan, 12 Jahre) "Wer besser ist. Zum Beispiel waren ja jetzt Menowin und Mehrzad im Finale, und da hat jeder dann drüber geredet." (Nino, 15 Jahre) "Naja, da ist es so: Nein, wie konnten die nur die rausfliegen lassen? (...) Das ist doch die Einzige, die was im Kopf hatte oder so. Also eigentlich Sachen, die uns vollkommen scheißegal sein könnten. Aber es ist trotzdem so, dass man dann sagt, wie dumm die doch alle sind." (Lillith, 12 Jahre) Die Gleichzeitigkeit affirmativer Teilhabe und Konstruktion moralischer Überlegenheit als Form jugendlicher Identitätskonstruktion wird am letzten Beispiel deutlich erkennbar. Dabei steuert die Sendungsregie das empathische Mitfühlen mit den jeweiligen Favoriten und Autoritäten. Bedeutsam ist die Identifikation insbesondere mit den Jurymitgliedern ebenso wie die Abgrenzung von einzelnen Kandidaten. Die öffentlich ausgestellten Provokationen werden im Rahmen der Alltagsgespräche über die Sendungen in den Bereich des Privaten überführt, der an die diskursive Struktur des Klatsches anschließt. So tragen die medial erzählten Grenzverletzungen der Castingshows dazu bei, dass sich Jugendliche der gemeinsamen Regeln und Normen vergewissern. Aber auch Erwachsene loten damit im eigenen sozialen Umfeld eine gemeinsame Basis moralischen Handelns aus: Was gilt als peinlich? Was ist gewagt und mutig? Diskurse des Reality-TV bieten den Raum zur beständigen Neuverhandlung gesellschaftlicher Normen und Werte. Mit Blick auf Provokationen und Grenzverletzungen im Reality-TV stellt sich die Frage, ob sich zwischen den Beurteilungen der Jugendlichen und deren Eltern Unterschiede finden lassen. Lässt sich hier eine Verschiebung der Tabugrenzen feststellen? Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Gemeinsamkeiten in der Bewertung moralischer Grenzen überwiegen. Eine Verschiebung der Tabugrenzen im Sinne einer Auflösung moralischer Grenzen durch vermehrte Rezeption von Castingshows und Reality-TV-Formaten ließ sich in den Gruppendiskussionen nicht ausmachen. Vielmehr formulierten die befragten Jugendlichen und Eltern einmütig absolute moralische Grenzen, deren Überschreitung abgelehnt wird: Einerseits wird die Darstellung von Gewalt - hier in Form einer Kindesmisshandlung (im Coaching-Format "Super Nanny") - einmütig missbilligt; andererseits wird die expressive Zurschaustellung von Trauer beim Tod eines Elternteils (in der Castingshow "Popstars") als unzulässiger Eingriff in die Intimsphäre zurückgewiesen. Mit Blick auf beleidigende Äußerungen bestätigen unsere Gespräche bisherige Ergebnisse. So bereiten die diskriminierenden Kommentare der Jury den Jugendlichen ganz offenbar Vergnügen, bedienen sie doch eine jugendliche Sehnsucht nach Grenzverstößen. Zugleich sind sich die Jugendlichen der Amoralität öffentlich inszenierter, persönlicher Erniedrigung durchaus bewusst, wie die folgenden Aussagen exemplarisch belegen: "Also, (...) die Castings finde ich eigentlich immer ganz lustig. Wenn der Bohlen einen zum Beispiel beleidigt, da lacht man ja auch mit." (Ronny, 14 Jahre) "Ja, bei 'Deutschland sucht den Superstar' ist das ja alles sehr lustig am Anfang, wenn da welche hinkommen, die sehr schlecht sind." (Ennio, 15 Jahre) "Ich gucke das auch wegen Dieter Bohlen, denn der sagt ja seine Meinung und pusht die Stimmung. Gut, manches ist zu hart ausgedrückt, aber ich finde ihn eigentlich okay." (Idris, 15 Jahre) "Naja, manche, wenn sie jetzt nicht zu niveaulos werden, sind schon lustig. Aber wenn die zu persönlich werden und verletzend, dann ist es auch irgendwie nicht mehr so [prustend] lustig." (Daniela, 16 Jahre) Zugleich versuchten die Befragten, die Aussagen der Jury zu rechtfertigen. Damit folgen sie der hegemonialen Ordnung, bei der in der Inszenierung der Sendung die Autorität und Integrität der Jurymitglieder stets unangetastet bleiben. Im Rahmen dieser filmischen Erzählung und des räumlich und zeitlich beschränkten Spiels mit festgelegten Regeln können Jugendliche bei der Rezeption von Castingshows und anschließender Alltagskommunikation die moralischen Grenzüberschreitungen ohne negative Konsequenzen genießen. Zusätzlich schafft die Belustigung über Herabwürdigungen und Beleidigungen sowie das "Ablästern" über Kandidaten eine Distanz, von der aus die dargestellten Provokationen die eigene Lebenswelt nicht bedrohen. Damit ist es für die Jugendlichen möglich, über Beleidigungen zu lachen und sich - im Bewusstsein der immanenten moralischen Grenzverletzung des Gezeigten - mit den eigenen Grenzen auseinanderzusetzen. Auch die befragten Erwachsenen verweisen darauf, dass solche Provokationen Teil des Inszenierungsmusters der Sender sind ("Das ist ja auch ein Privatsender und nicht die Moralinstanz." Jürgen, 48 Jahre). Die Beleidigungen werden vom Publikum als Teil der Inszenierungsstrategie betrachtet, die nicht mehr schockieren ("Das ist einfach das Format. Da geht es ganz genau darum und um nichts Anderes, tut mir Leid." Ulla, 43 Jahre). Während Jugendliche also in stärkerem Maße die dominante Lesart des Medientextes übernehmen und die moralische Legitimität der Jury reproduzieren, verweisen Eltern verstärkt auf die ökonomischen und strukturellen Bedingungen des Formats und stellen sich damit in Opposition zum moralischen Diskurs des Medientextes. Beurteilung physischer und emotionaler Enthüllungen Formen der Sexualisierung, die teilweise ästhetisch auf pornografische Darstellungsmuster zurückgreifen, spielen eine wesentliche Rolle in Castingshows und anderen Formen des Reality-TV (z.B. in der Reality-Soap "Big Brother", RTL2). Die visuelle Darstellung von Nacktheit in Castingshows oder Reality-TV-Sendungen wird von den jugendlichen Befragten jedoch nicht prinzipiell als Tabubruch empfunden. Sie verweisen bei ihrer Bewertung immer wieder auf die Freiwilligkeit der Handlungen und folgen der Logik der Sendedramaturgie. So rechtfertigen sie die Aktaufnahmen im Rahmen eines Fotoshootings in "Germany's Next Topmodel" damit, dass solche Bilder zum Beruf eines Models dazugehören. Demgegenüber formulieren einige der befragten Eltern deutliche Kritik. Das im Ausschnitt gezeigte Fotoshooting, bei dem der Schambereich der Kandidatinnen nur mit Rosenblättern bedeckt war, beschreiben sie als unwürdig, weil junge Mädchen im Rahmen eines Wettbewerbs zur Nacktaufnahme gedrängt würden. Außerdem thematisieren sie den durch die Inszenierung der Sendung ausgeübten Druck auf die Mädchen: "Also, ich fand es auch schon unangenehm einfach zu sehen, wie deutlich der Druck da auch aufgebaut wird. Und auch von den Positionen. Die liegen alle auf dem Boden, auf dem Rücken und die anderen Leute stehen alle drüber und reden die ganze Zeit: 'Denk an dies, denk an das, denk an alles, an alles, was du dein Leben lang gelernt hast!' Aber andererseits ist es das Prinzip der ganzen Sendung, was dann bloß in dem Moment sehr drastisch dargestellt wird." (Cornelia, 45 Jahre) Hier wird die hegemoniale Struktur der Erzählung, bei der junge Frauen als zu formendes "Körpermaterial" inszeniert werden, kritisch bilanziert. Diese Sichtweise der Eltern können die jungen Zuschauerinnen durchaus reproduzieren, der eigenständige Reiz der Sendung bleibt dennoch: "Ja also, mein Vater redet mit mir ziemlich oft darüber, damit ich es nicht aus dem Blick verliere, wie schlimm es ist, und wie eine Frau sich dort unterordnen muss." (Lillith, 12 Jahre) Die Kommentierung des Gesehenen innerhalb der Familie ist eine häufig genutzte Strategie der Eltern, um den Fernsehkonsum der Kinder zu beeinflussen. Dabei fokussieren die befragten Eltern zwei unterschiedliche Aspekte. Zum einen begleiten sie die Rezeption unerwünschter Sendungen mit abwertenden Kommentaren, zum anderen versuchen sie, im Anschluss an die Rezeption medienkritische Gespräche mit ihren Kindern zu führen. Dabei machen sie auf die Werbestrategien, die Inszenierungsmuster und die medial repräsentierten Rollenbilder aufmerksam. Außerdem hoffen die Eltern darauf, dass ihr eigenes ablehnendes Verhalten bei den Kindern eine Vorbildfunktion hat. Die Enthüllung von Privatem und Persönlichem wird von Jugendlichen gleichfalls als weniger problematisch wahrgenommen als von den befragten Erwachsenen. Die emotionalen Entblößungen dienen den Jugendlichen als Mittel zur Authentifizierung, anhand derer zum einen die Echtheit der Darstellungen überprüft werden kann und die zum anderen den Zuschauern emotionale Beteiligung ermöglichen. Der 15-jährige Akai beschreibt diese Möglichkeit zur empathischen Einfühlung folgendermaßen: "Ich denk mal, das ist echt 'ne traurige Szene. Aber ich würde [sie] trotzdem zeigen, weil: Man fühlt sich denen ein Stück näher, wenn man so mitfiebert (...). Dann weiß man, die sind nicht nur im Fernsehen und das sind nicht nur Produkte, sondern auch Menschen." Hier zeigt sich, dass sich eigene emphatische Teilhabe und das Wissen um medienspezifische Inszenierungsstrategien und deren Einsatz zum Zweck der Emotionalisierung als wirksames Mittel der Publikumsbindung gegenseitig nicht ausschließen. Medienkompetenz als reflexives Vermögen medienspezifische Inszenierungsweisen zu durchschauen, kann also durchaus erfolgreich einhergehen mit dem Vergnügen an dessen Rezeption. Die Darstellung von Tod und privater Trauer - darin waren sich alle Befragten einig - sollte nicht Gegenstand öffentlicher Beobachtung im Reality-TV sein. Als expliziter Tabubruch gilt für die Befragten, wenn - wie in einem gezeigten Ausschnitt aus einer Castingshow sichtbar - einer Kandidatin oder einem Kandidaten die Nachricht vom Tod eines Elternteils übermittelt wird. Vor allem für die befragten Jugendlichen stellt die voyeuristische Inszenierung weinender Menschen eine Grenzverletzung dar. Ausgehend von der Beobachtung, dass Szenen mit weinenden und zum Teil auch trauernden Menschen recht häufig in Castingshows zu sehen sind, lassen unsere Befunde die Aussage zu, dass von einem Gewöhnungs- oder gar Abstumpfungsprozess durch eine regelmäßige Nutzung von Castingshows nicht gesprochen werden kann. Fazit Die Gruppendiskussionen haben Hinweise gegeben auf die Wahrnehmung moralischer Grenzen im Reality-TV und die Positionierung, die von Jugendlichen, jungen Erwachsenen und deren Eltern dazu eingenommen wird. Dabei ließen sich weder Gewöhnungen noch Abstumpfungsprozesse gegenüber Provokationen und Tabubrüche feststellen. Moralische Regeln sind keinesfalls statisch und Bewertungen über zulässige und nicht mehr zulässige Provokationen variieren bis zu einem gewissen Grad subjektiv. Allerdings gibt es Bereiche, in denen Normverletzungen in Castingshows bei Jugendlichen wie Erwachsenen eindeutig abgelehnt werden. Dies betrifft beispielsweise die Zurschaustellung von Trauer oder Gewalt gegen Kinder. Bei der Darstellung von Nacktheit und verbalen Beleidigungen fallen die Bewertungen der Erwachsenen deutlich kritischer aus als die der Jugendlichen, die diese Ereignisse als Projektionsfläche eigener Sehnsüchte einsetzen. In Castingshows, allen voran "Deutschland sucht den Superstar", werden Provokationen von Jugendlichen bis zu einem gewissen Grad nicht nur toleriert, sondern mit Vergnügen verfolgt. Sie bieten ihnen einen diskursiven Raum, im dem die jugendliche Sehnsucht nach Grenzüberschreitungen gegenüber Konventionen der Erwachsenenwelt gefahrlos ausgelebt werden kann. Die Programmproduzenten reagieren offenkundig auf eben dieses Nutzungsinteresse. Insbesondere bei "DSDS" finden sich Grenzüberschreitungen und Tabubrüche, die vor allem männliche Jugendliche dazu einladen, Regeln der Erwachsenenwelt gefahrlos zu brechen. Jugendliche artikulieren voyeuristische Sehlust, insbesondere an verbalen Entgleisungen im Rahmen von Castingshows. Sie folgen bei ihrer moralischen Bewertung der dramaturgischen Erzählstruktur der Formate, die Provokationen als konstitutiven Bestandteil rechtfertigen. Wenn Provokationen und moralische Grenzverletzungen hierbei von den Jugendlichen als strategisches Kommunikationsereignis identifiziert und bewertet werden, verlieren sie einen Teil ihres bedrohlichen Potenzials. Das reflexive Vermögen, die Entstehungs- und Verwertungsbedingungen dieser Formate analytisch zu durchschauen, verhindert eine Übernahme der dargestellten sozialen Verhaltensweisen und schafft das Vermögen, Funktionsweisen von (Medien-)Öffentlichkeit kritisch zu erkennen. Vgl. Elisabeth Klaus/Barbara O'Connor, Aushandlungsprozess im Alltag: Jugendliche Fans von Castingshows, in: Jutta Röser/Tanja Thomas/Corinna Peil (Hrsg.), Alltag in den Medien - Medien im Alltag, Wiesbaden 2010. Vgl. Maya Götz/Johanna Gather, Wer bleibt drin, wer fliegt raus? Was Kinder und Jugendliche aus Deutschland sucht den Superstar und Germany's Next Topmodel mitnehmen, in: Televizion, 23 (2010) 1, S. 52-59; Achim Hackenberg/Daniel Hajok/Achim Lauber/Olaf Selg/Maren Würfel, Castingshows und Coachingsendungen im Fernsehen. Eine Untersuchung zur Nutzung und Bewertung durch Jugendliche und junge Erwachsene, in: tv diskurs, 14 (2010) 1, S. 58-71. Vgl. Tanja Thomas, "Mensch, burnen musst Du!" Castingshows als Werkstatt des neoliberalen Subjekts, in: Zeitschrift für Politische Psychologie, 12 (2004) 1-2, S. 191-208; dies., "An deiner Persönlichkeit musst du noch ein bisschen arbeiten." Plädoyer für eine gesellschaftskritische Analyse medialer Unterhaltungsangebote, in: tv diskurs, 9 (2005) 4, S. 38-43. Vgl. KJM, Pressemitteilungen vom 9.7.2008 und 21.1.2010. Das Forschungsprojekt "Skandalisierung und Provokationen als Quotenbringer in Zeiten rückläufiger Werbeeinnahmen? Analyse aktueller Castingshow- und Reality-Doku-Formate" wurde im Auftrag der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen in Kooperation mit der House of Research GmbH von Oktober 2009 bis August 2010 realisiert. Für die vollständigen Ergebnisse vgl. Margreth Lünenborg/Dirk Martens/Tobias Köhler/Claudia Töpper, Skandalisierung im Fernsehen. Strategien, Erscheinungsformen und Rezeption von Reality TV Formaten, Berlin 2011 (i.E.). Zum Beispiel "Toi Toi Toi - Der erste Schritt ins Rampenlicht" (ARD 1957), "Und Ihr Steckenpferd" (ZDF 1963) oder "Wer will der kann - Die Talentprobe für jedermann" (ARD 1964). In der DDR gab es "Die waren noch nie da" (DFF 1957) und "Herzklopfen kostenlos" (DFF 1958). Vgl. Tanja Thomas, Showtime für das "unternehmerische Selbst" - Reflexionen über Reality-TV als Vergesellschaftungsmodus, in: Lothar Mikos/Dagmar Hoffmann (Hrsg.), Mediennutzung, Identität und Identifikationen. Die Sozialisationsrelevanz der Medien im Selbstfindungsprozess von Jugendlichen, Weinheim-München 2007. Vgl. Knut Hickethier, "'Bild' erklärt den Daniel" oder "Wo ist Küblböcks Brille?" - Medienkritik zur Fernsehshow "Deutschland sucht den Superstar" (2003), in: Ralph Weiß (Hrsg.), Zur Kritik der Medienkritik. Wie Zeitungen das Fernsehen beobachten, Berlin 2005, S. 339. Vgl. M. Götz/J. Gather (Anm. 2), S. 54. In der qualitativen Studie wurden vor allem Mädchen zwischen 12 und 21 Jahren befragt, die regelmäßige Seherinnen von "Germany's Next Topmodel" und/oder "DSDS" sind. An der offenen schriftlichen Befragung über "Germany's Next Topmodel" nahmen insgesamt 120 Jugendliche teil, davon 98 Mädchen und 22 Jungen, und an der Befragung über "DSDS"insgesamt 57 Heranwachsende, davon 53 Mädchen und 3 Jungen. Zusätzlich wurden 1166 repräsentativ ausgewählte Kinder und Jugendliche zwischen 9 und 19 Jahren in standardisierten Interviews befragt und Videoaktionen und Gruppendiskussionen mit Schulklassen ausgewertet. Vgl. A. Hackenberg et al. (Anm. 2), S. 62. Vgl. ebd. In der quantitativen Onlinebefragung wurden 1165 Jugendliche im Alter von 12 bis 17 Jahren und 1484 junge Erwachsene im Alter von 18 bis 24 Jahren befragt (62 Prozent weiblich, 38 Prozent männlich). Vgl. ebd. Vgl. M. Götz/J. Gather (Anm. 2), S. 61. Vgl. ebd., S. 53. Vgl. A. Hackenberg et al. (Anm. 2), S. 61f. Vgl. M. Götz/J. Gather (Anm. 2), S. 57. Vgl. M. Lünenborg et al. (Anm. 5). Vgl. hierzu auch Annette Hill, Reality TV: audiences and popular factual television, London 2005.
Article
, Margreth Lünenborg / , Claudia Töpper
2021-12-07T00:00:00
2011-10-06T00:00:00
2021-12-07T00:00:00
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/33554/gezielte-grenzverletzungen-castingshows-und-werteempfinden/
Provokationen jeglicher Art gehören mittlerweile zum festen Repertoire der Castingshows. Das Fernsehpublikum wird dadurch zum voyeuristischen Beobachter moralischer Grenzverletzungen. Verschieben sich die Tabugrenzen?
[ "" ]
597
Das ökologische Weltgewissen | Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) | bpb.de
I. Nicht-Regierungsorganisationen und internationale Umweltpolitik Die Arbeit von Nicht-Regierungsorganisationen (Non-Governmental Organizations, NGOs) ist aus vielen Bereichen der nationalen und internationalen Politik nicht mehr wegzudenken. Die neunziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts gelten geradezu als das Jahrzehnt der Nicht-Regierungsorganisationen. Allein beim Umweltgipfel 1992 der Vereinten Nationen in Rio de Janeiro waren mehr als 1 400 Nicht-Regierungsorganisationen akkreditiert. Umwelt-NGOs werden als das "ökologische Weltgewissen" oder als "neue Internationale" bezeichnet. Ihr Einfluss wird mitunter mit der "Macht der Mutigen" beschrieben. Interner Link: PDF-Version: 70 KB Diese - journalistisch geprägten - Einordnungs- und Evaluierungsversuche können durchaus als Schrittfolge für eine seriöse Beschäftigung mit dem Thema dienen: Die "neue Internationale" steht für die Stellung der NGOs in der Internationalen Politik in theoretischer und normativer Hinsicht. Und das Wort vom "ökologischen Weltgewissen" zielt auf das Problem der Legitimität dieser Organisationen vor dem Hintergrund globaler ökologischer Herausforderungen. Wenn Journalisten zudem von der "Macht der Mutigen" sprechen, so ist ferner die Frage nach der Bedeutung und der Leistungskraft international tätiger Umweltorganisationen aufgeworfen. Einfluss und Effektivität hängen eng mit dem Selbstverständnis und der Arbeitsweise der jeweiligen Organisationen zusammen. Es handelt sich bei den international tätigen Umweltschutzorganisationen um äußerst unterschiedlich ausgestattete und unterschiedlich arbeitende Gruppierungen, so dass nur eine differenzierte Analyse ihrem heterogenen Auftreten gerecht wird. Wenn zu undifferenziert analysiert und zu vorschnell evaluiert wird, bleibt nur noch der Mythos eines NGO-Einflusses übrig. Im Folgenden soll daher der Versuch gemacht werden, die Stellung von NGOs in der Internationalen Politik theoretisch zu klären, ihre speziellen umweltpolitischen Rahmenbedingungen zu untersuchen, auf ihre divergierenden Selbstverständnisse und Arbeitsweisen einzugehen und schließlich ihre Bedeutung und ihren Einfluss für die internationale Umweltpolitik zu analysieren. II. NGOs und die Theorie der Internationalen Politik Das klassische Ius Publicum Europaeum, das aus dem frühneuzeitlichen Naturrechtsdenken hervorgegangene Völkerrechtssystem also, hatte es nur mit Staaten bzw. Staatsregierungen zu tun. Für die Natur- und Völkerrechtstheoretiker der ersten Stunde - für Denker wie Samuel Pufendorf und Hugo Grotius, aber auch für die Staatenwelt des 18., 19. und frühen 20. Jahrhunderts - wäre das Ausmaß der Mitsprache metastaatlicher Gruppierungen in internationalen Angelegenheiten, das heute globaler Alltag geworden ist, noch kaum vorstellbar gewesen. Auch bei den heute etablierten Großtheorien der Internationalen Politik - insbesondere der realistischen und neo-realistischen Schulen - ist von einer Mitsprache der NGOs nicht die Rede. Für sie zählen nur staatliche Akeure, allenfalls kommen noch internationale Organisationen in Betracht. Weil Macht bzw. das sich daraus ergebende Sicherheitsdilemma die zentrale Kategorie dieser Denkschulen darstellt, fungieren so genannte weiche Sachthemen wie Umweltschutz bei ihnen gar nicht als Untersuchungsgegenstände der Internationalen Politik. Gerade jedoch die internationale Umweltpolitik ist von einem Nebeneinander staatlicher Akteure, internationaler Organisationen und nichtstaatlichen Akteuren geprägt. Zu letzteren zählen marktorientierte Organisationen, insbesondere transnational tätige Konzerne, wissensorientierte Organisationen und NGOs im engeren Sinne. Kennzeichnend für Non-Governmental Organizations im engeren Sinne ist ihre Stellung zwischen Staat und Markt. Es handelt sich um gesellschaftliche Organisationen, die weder eine Regierungsbeteiligung noch wirtschaftlichen Gewinn anstreben. Sie unterscheiden sich von Parteien, weil sie sich nicht durch Wahlen legitimieren müssen, und sie unterscheiden sich von Interessengruppen, weil sie nicht spezifische und insbesondere nicht ökonomische Eigeninteressen ihrer Mitglieder vertreten. Oft stehen allgemeine und altruistische Zielsetzungen im Vordergrund des NGO-Selbstverständnisses. Die Ausrichtung auf allgemeine Probleme ist auch dafür verantwortlich, dass eine große Anzahl von NGOs grenzüberschreitend tätig sind. Der Gemengelage der weltweiten Akteure wird durch die Begriffsverwendung Internationale bzw. Transnationale Beziehungen anstelle von Internationaler Politik Rechnung getragen. Theoretisch schlägt sich die Anerkennung der Akteursvielfalt in der Regimetheorie und vor allem im Konzept einer Global Governance nieder. Nach der Definition der Commission on Global Governance versteht man unter "Ordnungspolitik bzw. Governance die Gesamtheit der zahlreichen Wege, auf denen Individuen sowie öffentliche und private Institutionen ihre gemeinsamen Angelegenheiten regeln. Es handelt sich um einen kontinuierlichen Prozess, durch den kontroverse oder unterschiedliche Interessen ausgeglichen werden und kooperatives Handeln initiiert werden kann. Der Begriff umfasst sowohl formelle Institutionen und mit Durchsetzungsmacht versehene Herrschaftssysteme als auch informelle Regelungen, die von Menschen und Institutionen vereinbart oder als eigene Interesse angesehen werden." Verantwortlich für den Einfluss von NGOs in der internationalen Politik zeichnet nicht zuletzt die Metamorphose des Staates. Aufgrund wachsender - nicht nur wirtschaftlicher - Interdependenz kann der Staat heute die Vielfalt der Innen- und Außenbeziehungen in hochkomplexen Gesellschaften nicht mehr allein wahrnehmen. Der Staat - nicht nur in den westlichen Demokratien - ist nicht mehr der große "Leviathan", der alle Entscheidungen mehr oder weniger allein trifft und kontrolliert. Seine Vertreter sind immer öfter gehalten, ihren "angestammten" Platz an der Spitze bzw. im Zentrum der Gesellschaft zu verlassen und sich in Verhandlungen mit wirtschaftlichen, korporatistischen, wissenschaftlichen und anderen gesellschaftlichen Interessengruppen zu begeben. Es vollzieht sich eine Ablösung der hierarchisch integrierten Herrschaftsstrukturen durch formelle und informelle Verhandlungssysteme und Netzwerke. Diese Tendenz ist nicht nur auf nationalstaatlicher, sondern auch auf internationaler Ebene festzustellen. Nicht nur gleichberechtigte Staaten betreiben Weltpolitik, sondern die Weltpolitik ist plötzlich auch für die Gesellschaftswelt offen. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan, konstatiert solche theoretischen Einsichten im Milleniums-Bericht der Weltorganisation schon als politische Realität: "Many diverse and increasingly influential non-state actors" heißt es da, "have joined with national decision makers to improvise new forms of global governance. The more complex the problem at hand . . . the more likely we are to find non-governmental organizations, private sector institutions and multilateral agencies working with sovereign states to find consensus solutions." Waren es die vielen empirisch nachgewiesenen Einflussfelder der transnationalen Nicht-Regierungsorganisationen, die den Weg für neue theoretische Konzepte in den Internationalen Beziehungen ebneten, so bleiben für viele Beobachter doch einige Fragen offen: Neben dem tatsächlichen Einfluss geht es in erster Linie um die Frage der Legitimation von transnational tätigen NGOs. Doch legitimieren muss sich in offenen, pluralistischen Gesellschaften nur ein Akteur, nämlich der, der kollektiv bindende Entscheidungen trifft und damit autoritative Herrschaft ausübt, also der Staat. Da NGOs eine solche Herrschaft nicht ausüben, sondern nur entweder ihre Interessen oder Allgemeininteressen vertreten, besteht kein demokratischer Legitimationszwang. Brisanter ist die direkte Einflussnahme von NGOs auf internationale politische Prozesse, denn eine institutionalisierte gesellschaftliche Einflussnahme kam bis vor kurzem in den Denkschulen der Internationalen Politik nicht vor. Nach dem überkommenen Modell sollen die nationalen Gesellschaften auf internationaler Ebene durch ihre gewählten nationalstaatlichen Regierungen repräsentiert werden. Daher sind internationale politische Entscheidungsprozesse bisher nicht so beschaffen, dass gesellschaftliche Partizipation durch entsprechende Institutionen vermittelt und demokratisch kontrollierbar wäre. Das Gegenmodell, die Theorie einer Global Governance, lässt aber gerade wegen des Fehlens globaler Institutionen eine gesellschaftlich organisierte Einflussnahme zu; sie fordert sie geradezu, weil dadurch ein Gegengewicht zu wirtschaftlichen Machtträgern und schwerfällig arbeitenden staatlichen Institutionen geschaffen werden kann - checks and balances auch auf internationaler Ebene. Die hier kurz dargestellten veränderten weltpolitischen Bedingungen und die Rolle von NGOs sollen nunmehr speziell auf das Feld der internationalen Umweltpolitik übertragen werden. III. NGOs und die globale ökologische Herausforderung Viele Umweltprobleme haben nicht nur grenzüberschreitenden, sondern globalen Charakter. Dazu gehören u. a. die Ausdünnung der stratosphärischen Ozonschicht, die weltweite Vernichtung des tropischen Regenwaldes, die Abnahme der biologischen Vielfalt und die Gefahr einer globalen Klimaveränderung. Konnte man noch bis Mitte der siebziger Jahre kaum von einer internationalen Umweltpolitik sprechen, so gibt es mittlerweile ein reiches Maß an weltweiter Zusammenarbeit zum Schutze der Umwelt. Diese Zusammenarbeit findet auf - viel öffentliche Aufmerksamkeit erregenden - Weltumweltkonferenzen statt. Sie drückt sich in diversen regionalen und globalen Umweltabkommen aus; sie gedeiht im Rahmen der Vereinten Nationen mit ihrer Spezialbehörde United Nations Environmental Program (UNEP) und hat auch andere Weltorganisationen wie die Weltbank erreicht. Die weltweite Zusammenarbeit geschieht durch namhafte Expertenkommissionen, und sie wird durch transnationale Umwelt-NGOs wahrgenommen. Diesen Organisationen kommt aus strukturellen Gründen eine besondere Rolle zu. In der globalen Umweltpolitik kann zunächst nicht auf staatliche Handlungsinstrumente zurückgegriffen werden, denn nur innerhalb von Staaten ist die rechtliche Erzwingung von staatlichen Entscheidungen möglich und das Verursacherprinzip juristisch durchsetzbar. Um international überhaupt zu einem Konsens zu kommen, einigt man sich oft nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. Nicht nur z. B. Ober- und Unterlieger-Konstellationen bei "grenzüberschreitenden" Flüssen erschweren gemeinsame Maßnahmen der Staatenwelt, auch Unterschiede im Lebens- und Konsumstil - besonders zwischen Industrieländern und nichtentwickelten Ländern - führen zu unterschiedlichen sozialstrukturellen Bedingungen für eine erfolgreiche internationale Umweltpolitik (ein Beispiel dafür ist die wohlstands- versus armutsinduzierte Umweltzerstörung). Auch kann nicht davon gesprochen werden, dass die Staaten für den schlechten Zustand der Umwelt verantwortlich seien, es sind vielmehr individuelle Verbraucher, einzelne Produzenten und insbesondere aber ökonomische Systeme, die Umweltschäden begünstigen oder verursachen. Anders ausgedrückt: Umweltschäden werden von dezentralisierten Akteuren verursacht, auf deren Verhalten internationale Organisationen und nationalstaatliche Regierungen wenig Einfluss haben. Umweltprobleme wie der globale Klimawandel präsentieren sich gleichzeitig global und lokal. Internationale und nationale Behörden "do not have the capacity for rational and effective intervention at the operational level" . Aus dieser Perspektive kommt der lokalen Ebene, der Ebene der einzelnen Haushalte eine zentrale Bedeutung zu, weil hier ein Großteil der schädlichen Emissionen entstehen. Zur dezentralen Bearbeitung des Problems sind daher nicht-staatliche Akteure in vielen Fällen besser geeignet. Dies bedeutet aber nicht, dass die lokale Ebene der Einsatzort für Umweltschutz-NGOs wäre. Die Tätigkeitsfelder der nichtstaatlichen Umweltschutzakteure liegen vielmehr an den unterschiedlichsten Stellen politischer und wirtschaftlicher Entscheidungsmacht. Umweltschutz-NGOs agieren als Lobbyisten, als "moralische Unternehmer", als Experten, als Koordinatoren, als Kontrolleure und als Marktteilnehmer. Umweltschutzgruppen kommt aber auch eine Vermittlungsfunktion zwischen Staat und Gesellschaft zu. Regierungen sind in demokratischen Staaten von der Zustimmung der Wähler abhängig. Regierungen scheuen sich daher, ihren Bürgern und Wählern zu "teure" Verhaltensänderungen aufzubürden. Gesellschaftliche Organisationen können diese Überzeugungsarbeit viel besser leisten, weil sie nicht - wie Regierungen - einem permanenten und kurzfristigen Akzeptanzdruck ausgesetzt sind. Die unterschiedlichen Rollen, Strategien und Möglichkeiten der international tätigen Umweltschutz-NGOs sollen nunmehr anhand einer idealtypisch vorgenommenen Kategorisierung aufgezeigt werden. IV. Die Strategien der Umwelt-NGOs Die nachfolgende Einteilung darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es zuweilen auch Überschneidungen im Selbstverständnis und in der Arbeitsweise der transnationalen Umwelt-NGOs gibt. 1. Die Experten Umweltzusammenhänge sind meist von hoher Komplexität geprägt. Die theoretische und angewandte Umweltforschung hat seit ca. 30 Jahren einen ungeahnten Aufschwung erlebt. Sie wird von staatlichen, internationalen, halbstaatlichen, privatwirtschaftlichen oder gemeinnützig arbeitenden Organisationen betrieben. Auf manchen Teilgebieten wie dem Arten- und Naturschutz sind staatliche und internationale Behörden stark auf die Forschungsarbeiten von gesellschaftlichen Organisationen angewiesen. Transnationale NGOs wie die International Union for the Conservation of Nature (IUCN) oder der Worldwide Fund for Nature (WWF) wären hier zu nennen. Die IUCN hat ganz wesentlich mit ihrer "World Conservation Strategy" von 1982 zum Nachhaltigkeitskonzept der Brundtland-Kommission beigetragen. Ebenso hat die IUCN die Grundlagen für die Konvention über die biologische Vielfalt von 1992 erarbeitet, bevor das United Nations Environmental Program (UNEP) die Koordination der Biodiversitätsanstrengungen übernahm. Bei den Expertenorganisationen handelt es sich oft um "gemischte" Organisationen, also um solche, bei denen Nationalstaaten oder internationale Organisationen neben gesellschaftlichen Organisationen Mitglieder sind. Oft sind es auch transnationale Fachorganisationen wie die World Meteriological Organization (WMO), die initiativ tätig werden und deren Anstöße zu institutionalisierten (staatlichen) Zusammenschlüssen wie dem Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) führen. Ohne die Arbeit dieser "Epistemic Communities" wären jedenfalls viele globale Umweltprobleme von politischen Akteuren nicht aufgegriffen worden. Zu Experten-NGOs zählen auch private Organisationen wie das World Ressource Institute oder das World Watch Institute. Ihre primäre Aufgabe liegt in der Funktion des Aufrüttelns einer allgemeinen Öffentlichkeit. Sie folgen damit der Tradition des Club of Rome, der schon Anfang der siebziger Jahre mit dem Buch "Die Grenzen des Wachstums" zum Erstarken des Umweltschutzgedankens weltweit beigetragen hatte. Experten-NGOs lassen sich in ihrer Arbeit selten auf eine wissenschaftliche Tätigkeit reduzieren. Besonders wichtig ist neben ihrer publizistischen Funktion auch ihre Einbeziehung in internationale Umweltregime, von wo aus sie direkten Einfluss auf die Fachverhandlungen der Staatenvertreter nehmen können. 2. Die Lobbyisten Die klassische Arbeit von Interessenorganisationen besteht in der Lobbyarbeit, also der direkten Einflussnahme auf Verwaltungs-, Regierungs- oder Parlamentsentscheidungen. Wenn auch Umweltschutz-NGOs keine Interessengruppen im herkömmlichen Sinne darstellen, weil sie in erster Linie Allgemeininteressen wahrnehmen, so bedienen sie sich doch durchaus auch der klassischen Instrumente der Interessenorganisationen. Dies gilt sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene. Auf internationalem Parkett heißt dies, dass die Einflussnahme beim Aushandeln internationaler Umweltschutzabkommen innerhalb von etablierten Umweltregimen oder vor Gremien der Vereinten Nationen stattfinden kann. Wie auch auf nationaler Ebene gibt es formelle und informelle Einflussmöglichkeiten. Die bisher einzige "offizielle" Anerkennung der Umweltschutz-NGOs erfolgte im Rahmen der Vorbereitung des Umweltgipfels von Rio de Janeiro 1992 (United Nations Conference on Environment and Development, UNCED). Die Resolution 44/228 der Generalversammlung verlangte ausdrücklich "relevant nongovernmental organizations in consultative status with the Economic and Social Council to contribute to the Conference as appropriate". In praxi sieht die Lobbyarbeit bei den Vereinten Nationen so aus, dass Positionspapiere auf den Plenarsitzungen verteilt werden können und die Teilnahme an vorbereitenden Sitzungen in der Regel erlaubt ist. Tatsächlich hatten sich für die Rio-Konferenz 1 420 NGOs mit direkter oder indirekter ökologischer Zielsetzung akkreditieren lassen. Allerdings blieben die Umweltschutzorganisationen von den eigentlichen Verhandlungen ausgeschlossen. Die internationale Lobbyarbeit vollzieht sich deshalb in weit effektiverem Maße informell. Man versucht, die Diplomaten eben nicht im Plenum, sondern in den Cafeterias und Hotels anzusprechen, zu informieren und zu überzeugen. Schon die "offizielle" Anwesenheit einer so großen Zahl von NGOs auf dem Umweltgipfel zeigt das, worauf die Umweltschützer so dringend angewiesen sind: eine möglichst große Öffentlichkeit. Und diese Öffentlichkeit kann auf so genannten Gegengipfeln oft besser erreicht werden als in spröden diplomatischen Veranstaltungen, denn auf den eigenen Veranstaltungen führen die NGOs Regie - mit all ihrer Buntheit und Dramatik, wie wir sie von Greenpeace& Co. kennen. Die Umwelt-NGOs brauchen gleichwohl die diplomatischen Großveranstaltungen. Auf diesen gehen sie vor allem eine Symbiose mit den Medien ein; beide sind aufeinander angewiesen. Öffentlichkeitsarbeit verdrängt hier zwangsläufig die Sacharbeit, Lobbyarbeit wird zu einem großen Teil Öffentlichkeitsarbeit. Natürlich gibt es sie auch noch, die klassische Lobbyarbeit. Sie vollzieht sich im Stillen, im Kontakthalten mit diplomatischen, administrativen und parlamentarischen Amtsträgern - sei es in Brüssel, Straßburg oder an anderen Orten inter- und supranationaler Organisationen. Dabei wird auch deutlich, dass es keine genaue Abgrenzung zwischen Experten- und Lobbyarbeit gibt. Probleme für das Selbstverständnis der Umwelt-NGOs ergeben sich dann, wenn die Lobbytätigkeit von den staatlichen oder internationalen Organisationen zu stark vereinnahmt wird. Dies ist dann der Fall, wenn NGOs in eine finanzielle Abhängigkeit von ihren Lobbypartnern geraten, wie dies beispielsweise bei der EU und dem Europäischen Umweltbüro, das ca. 130 nationale Umweltorganisationen repräsentiert, vorkommt. Was die Organisationen im Einzelnen betrifft, so hängt es im Wesentlichen von der Größe und Kapazität der einzelnen Umweltschutz-NGOs ab, ob sie Lobbyarbeit betreiben. In diesem Sinne gibt es durchaus eine Arbeitsteilung zwischen den einzelnen Gruppen. 3. Die Moralisten Die natürliche Umwelt hat zunächst keine eigenen Fürsprecher. In einem staatlich umgrenzten Raum können Menschen, die von Umweltzerstörung betroffen sind, wenigstens versuchen, auf Entscheidungsträger Einfluss auszuüben. Anders verhält es sich mit staatsfreien Räumen wie den Weltmeeren. Weil diese Global Commons über Gebühr - beispielsweise durch Überfischen und Mülldumping - missbraucht wurden und es keinen politischen Druck von direkt Betroffenen gibt, stellen die Global Commons auch das Geburtsfeld der als "ökologisches Weltgewissen" arbeitenden NGOs dar. Durch die bessere Moral kann auch David den Goliath angehen. Der damals nahezu aussichtslose Kampf der Besatzung der "Vega" und der "Rainbow Warrior" gegen Atomwaffentests und Walfang wurde nicht im eigenen Interesse, sondern im Interesse der Tiere, der Natur und der Allgemeinheit ausgefochten. Greenpeace steht für diese Art der Umweltschutzarbeit, die man im Englischen Advocacy Activism nennt. Die Anwälte der Umwelt sind längst nicht mehr nur auf den Weltmeeren aktiv, ihre Vorgehensweise bleibt aber stets die gleiche. Weil sie für die gute Sache kämpfen, ist nach ihrem Selbstverständnis auch Regelverletzung und ziviler Ungehorsam erlaubt. Diese Mittel müssen aber, um wirksam zu sein, an symbolträchtigen Orten eingesetzt und mit entsprechender Dramatik ausgestattet sein. Ohne die (weltweite) mediale Vermittlung sind sie wirkungslos; und dies bestimmt nicht zuletzt die Strategie der Visualisierung: Greenpeace macht Bilder, Bilder machen Greenpeace. Die Gewissensappelle werden von besetzten Kraftwerksschloten entrollt oder mittels des eigenen Körpers - in symbolträchtigen die-ins - vor nuklearen Wiederaufbereitungsanlagen für die Fernsehzuschauer in die heimischen Wohnzimmer transportiert. Diese Art von Aktionismus ist nicht ungefährlich; es kostete zwei Greenpeace-Mitarbeitern das Leben, als der französische Geheimdienst ihr Schiff vor Neuseeland versenkte. Die internen Strukturen sind daher der Arbeitsweise angepasst. Greenpeace-Aktionen laufen in der Regel im Rahmen kleiner Gruppen mit ausgewählten und speziell trainierten Teilnehmern ab. Der Verein selbst ist hierarchisch strukturiert und wird von wenigen Vollmitgliedern und professionellen Angestellten geführt. Entscheidend bleibt aber das hehre Ziel der Aktion und die moralische Integrität der Organisation. Dies gilt für alle NGOs, die sich für diese Variante der Umweltschutzarbeit entscheiden - z. B. für Animal Peace wie für Oxfam oder Robin Wood. Zur moralischen Integrität gehört auch der Wahrheitsgehalt der ökologischen Information. Daher war zwar die Brent-Spar-Kampagne von Greenpeace ein symbolischer Erfolg für die Reinhaltung der Meere, aber auch ein erster und ernster Problemfall für die Glaubwürdigkeit der Organisation. Die Politik der moralischen Visualisierung, wie sie die genannten Gruppen betreiben, birgt auch eine andere Gefahr in sich: Um das große Publikum zu erreichen, muss vereinfacht werden. Bei dem komplexen Sachgegenstand Umweltschutz ist dies oft eine problematische Angelegenheit. Greenpeace zum Beispiel will zwar diese Schieflage durch eigene Forschungsvorhaben und durch andere Schwerpunkte (wie Lobbying) ausgleichen, dennoch lebt die Organisation gerade (auch in finanzieller Hinsicht) von ihrem Mythos. Moral und spektakuläre Bilder gehören für diese Organisation zusammen. 4. Die Verbraucheraktivisten In den internationalen Beziehungen spielen multinationale Unternehmen eine nicht zu unterschätzende Rolle. Tendenzen der Entstaatlichung und Kommerzialisierung im Globalisierungsprozess werten diese Rolle noch einmal auf. Daher verwundert es nicht, dass auch transnational tätige Umwelt-NGOs das Weltwirtschaftssystem für ihre Zwecke zu nutzen wissen. Da viele Umweltschäden durch unseren Lebensstil und unser Verbraucherverhalten mitverursacht sind, müssen hier auch die umweltpolitischen Überlegungen ansetzen. Den (End-)Verbrauchern kommt daher auch in der transnationalen Umweltpolitik eine entscheidende Rolle zu. Sie können nämlich ihre Verbrauchermacht zugunsten umweltfreundlicher Produkte und umweltfreundlicher Produktion einsetzen. Diese theoretisch vorhandene Macht der Verbraucher ist jedoch nur durch Aufklärung und Mobilisierung einsetzbar. Genau dies machen sich einige NGOs zu Eigen. Im Rahmen der Brent-Spar-Kampagne von 1995 und anlässlich der Atomtestversuche auf Muroroa hat Greenpeace die Waffe des Konsumentenboykotts erfolgreich eingesetzt. Der Umsatz der vom Boykottaufruf betroffenen Firma Shell ging innerhalb von Wochen spürbar zurück - und dies führte dazu, dass die Ölunternehmen schließlich auf die Versenkung der Bohrinsel verzichtete. Ein Lehrstück für den Erfolg von NGOs: Autofahrer verbünden sich gegen die Ölindustrie und Regierungschefs schließen sich den Bürgerprotesten an. Umwelt-NGOs profitieren von der wirtschaftlichen Globalisierung, denn in einer Welt der vernetzten Märkte sind Unternehmen anfällig für weltweite Proteste. Die Multis stecken in der "Globalisierungsfalle" , wenn auch nur ein kleiner Teil der Verbraucher weltweit ihre Produkte - z. B. weil sie umweltschädlich produziert wurden - nicht mehr abnimmt oder auch nur zu boykottieren droht. Die US-amerikanisch-kanadische Umweltschutzorganisation Forest Action Network war jüngst mit ihren Boykottaufrufen gegen den Heimwerkerkonzern Home Depot erfolgreich und konnte damit weitere Kahlschläge im kanadischen Regenwald verhindern. Mit Unterstützung von Greenpeace und dem größten Umweltschutzverband der USA - dem Sierra Club - gelang es, in Nordamerika, Japan und Europa genügend Verbraucher (und Zwischenhändler) zu überzeugen, keine Kahlschlagprodukte, aber auch keine anderen Produkte des boykottierten Unternehmens zu kaufen. Bevor eine solche Aktion zum Erfolg führt, bedarf es allerdings eines erheblichen logistischen Aufwands und einer fundierten internationalen Koordination. Entscheidend ist der politisch verstandene wirtschaftliche Hebel. Der Umweg über die (staatenzentrierte) internationale Politik muss damit nicht gegangen werden. Die NGOs tun in dieser Beziehung nichts anderes, als sich in adäquater Weise auf eine sich verändernde Weltpolitik einzustellen. Die "Privatisierung der Weltpolitik" ist ja auch nichts Privates; sie ist höchst politisch, weil sie in vielen Fällen Menschen und Natur um ihre Lebenschancen bringt. Die Umweltschutz-NGOs und die mitdenkenden und mitmachenden Verbraucher handeln ebenfalls politisch, wenn sie gegen Kahlschlag und andere Umweltzerstörungen protestieren; sie benutzen lediglich wirtschaftliche Instrumente dafür. 5. Die Glokalisten Da viele Umweltprobleme einerseits dezentral auftreten, aber übergreifende strukturelle Ursachen haben, und andererseits die dezentralen Akteure wie Produzenten, Kommunen und Verbraucher durch ihr konkretes Investitions- und Verbraucherverhalten zum Umweltschutz beitragen können, liegt es nahe, globale Umweltschutzstrategien mit lokalen zu verbinden. Den NGOs kommt hierbei wiederum eine äußerst wichtige Rolle zu, denn "Environmental problems that are simultaneously global and local are unlikely to be effectively redressed if policy remedies are the sole provenance of the state" . Bemerkenswerte Ansatzpunkte der Verknüpfung von globalen Problemen und lokalen Lösungsstrategien haben Umweltschutz-NGOs in den neunziger Jahren entwickelt. Ein Beispiel dafür sind die so genannten "Debt-for-Nature-Swaps", also eine Art Schuldenerlass für Naturschutz, mit dem NGOs aus den Industriestaaten die Auslandsschulden von nicht entwickelten Staaten tilgten, wenn diese sich verpflichteten, lokale Umweltschutzprojekte zu initiieren. Eine Erweiterung erfährt dieser Ansatz in der Zusammenarbeit von indigenen Völkern und europäischen Kommunen beim Klimaschutz. Im Rahmen eines gemeinnützigen Vereins arbeiten Organisationen von indigenen Völkern der Regenwaldgebiete mit europäischen kommunalen Gebietskörperschaften als Vollmitgliedern und NGOs als assoziierten Mitgliedern zusammen. Zielsetzung ist hier, indigenen Völkern ihre traditionelle Lebensweise in den Regenwäldern weiterhin zu ermöglichen und damit auch die Natur in diesen Regionen zu schützen. Dazu wird öffentlich Druck auf Regierungen des Südens und auf internationale Konzerne ausgeübt, aber auch das eigene Investitionsverhalten, z. B. bei der Verwendung von Tropenholz aus Kahlschlag, durch europäische Kommunen thematisiert. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt das Konzept der Agenda 21. Auf der Umweltkonferenz von Rio de Janeiro von 1992 wurde in diesem Dokument die Einsicht formuliert, dass der verschwenderische Lebensstil des industrialisierten Nordens kein Vorbild für den nicht industrialisierten Süden sein kann. Die "Vereinigung von Umwelt- und Entwicklungsinteressen" im Rahmen einer "globalen Partnerschaft" bedarf eines Umsetzungsmechanismus, der vor allem in der Lokalen Agenda 21 zur Verfügung steht. Die lokale Umsetzung soll dabei in den Kommunen stattfinden - ein "Top-Down-Ansatz" (Initiierung durch die UNO) wird mit einem "Bottom-Up-Ansatz" (Ausführung und Verantwortung auf der untersten politischen Ebene) verbunden. Zum ersten Mal wird damit in der Geschichte der Vereinten Nationen den Kommunen eine eigene Rolle zugewiesen. Die Kommunen werden nicht nur als Ort der Aufklärung für die Zusammenhänge zwischen Überentwicklung, Unterentwicklung und Umweltzerstörung angesehen, sondern ganz konkret geht es um fairen Handel, um den eigenen Konsumstil sowie um das Verbrauchs- und Investitionsverhalten der Kommunen - ein Prozess, bei dem das Ziel eine Balance zwischen Ökonomie, Ökologie und sozialer Gerechtigkeit darstellt. Den Umweltschutz- und Entwicklungs-NGOs - vor allem auf lokaler Ebene - kommt in diesem Prozess eine wichtige Aufgabe zu. Ihr Engagement, ihre Phantasie und ihre unbürokratische Arbeitsweise kann nicht nur die Arbeit der Kommunen stärken; in nicht wenigen Fällen mussten NGOs Kommunen erst zum Mitmachen bewegen. Bei der Agenda-21-Arbeit finden sich die unterschiedlichsten Gruppen wieder. Neben den Dritte-Welt-Gruppen engagieren sich insbesondere lokal verwurzelte Umweltgruppen wie der BUND, diverse Bürgerinitiativen und Stadtteilgruppen. Bemerkenswert ist auch das Engagement von international tätigen Organisationen, die in Kontakt zu NGOs in den nicht entwickelten Ländern stehen. Die Agenda-Arbeit ist aber auch für alle interessierten Gruppen und Individuen offen, für halbstaatliche Organisationen wie die entwicklungspolitische Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) genauso wie für kirchliche Gruppen und lokale Unternehmer. Die Transformation von Umweltschutzanstrengungen auf der Ebene der "Glocalization" wäre ohne die Anstöße und das Engagement der NGOs sicherlich nicht möglich gewesen. V. Wie erfolgreich ist die Arbeit der Nicht-Regierungsorganisationen wirklich? Die These, dass "(die) Lösung der Weltprobleme zu wichtig sei, als dass sie den Staaten allein anvertraut werden dürfte", trifft wohl die Einschätzung vieler transnational tätiger NGOs. Eine solche Einschätzung sagt aber noch nichts über Erfolg oder Misserfolg von Nicht-Regierungsorganisationen in der Umweltpolitik; sie korrespondiert mit anderen Einschätzungen, die etwa von NGOs als "den am meisten überschätzten Akteuren der Weltpolitik" sprechen. Wie eingangs beschrieben, haben wir es weltweit mit einem Gestaltwandel von Staatlichkeit zu tun, als dessen Ausdruck Nicht-Regierungsorganisationen angesehen werden müssen. Gleichzeitig treiben diese Akteure den Gestaltwandel voran und erlangen dadurch Bedeutung. Internationale Umweltschutzanstrengungen erwachsen nur zum Teil aus einem globalen Bedrohungsszenario, aufgrund dessen sich die Nationalstaaten um eine verstärkte internationale Zusammenarbeit bemühen, wie Regimetheoretiker annehmen. Vielmehr reflektieren internationale Umweltschutzanstrengungen auch die Machtverteilung im internationalen System. Wenn aus Gründen eines umweltpolitisch kaum funktionsfähigen Staates im Süden und eines nicht mehr ökologisch steuermächtigen Staates im Norden die Umwelt zugrunde gerichtet wird, so eröffnet eine solche Situation geradezu das Betätigungsfeld für transnationale Umwelt-NGOs. Die Industriestaaten geben freiwillig "Macht" ab, wenn sie Umwelt- und Entwicklungsprojekte auch von NGOs durchführen lassen. Sie delegieren "Macht" im neoliberalen Selbstverständnis an den Markt (z. B. World Trade Organization) oder behalten ihre "Macht", wenn es um ihr eigenes Selbstverständnis geht (z. B. American Way of Life vs. Klimaschutzabkommen). Bei allen drei Varianten können transnationale NGOs erfolgreich sein. Bei der abgegebenen "Macht" arbeiten sie als Experten und Kontrolleure; im Rahmen der delegierten "Macht" nutzen sie die Struktur des Weltwirtschaftssystems selbst als Konsumenten und selbstbewusste Marktveränderer; bei der letzten staatlichen "Macht"-Bastion erfahren Umwelt-NGOs aber durchaus ihre Grenzen. In ihrer Lobbyfunktion haben sie weder beim Biodiversitätsabkommen noch beim Klimaschutz viel erreicht. Erfolgreich waren sie in der Kombination als Experten und Moralisten; am Anfang als Geburtshelfer des Umweltbewusstseins, dann beim Agenda-Setting für staatliche und internationale Akteure, und schließlich als Vermittler zwischen globalen Problemen und lokalen Lösungsansätzen, eben als "Glokalisten". Umweltschützer müssen nicht nur das Verhalten von Regierungen, sondern vor allem das Verhalten von Menchen ändern helfen - in diesem Verständnis bleiben sie in erster Linie Moralisten. Die Vielfalt der Umwelt-NGOs macht ihre Stärke aus. Seit ihren Anfängen sind sie einen weiten und - insgesamt gesehen - erfolgreichen Weg gegangen. Wenn sie sich jedoch in ihrer mittlerweile erreichten Professionalität auf das bloße Bearbeiten bearbeitbarer Probleme beschränken, verlieren sie ihre visionäre Kraft - eine Qualität, die ihnen jenseits aller Detailarbeit eine besondere soziale und politische Bedeutung zuwachsen lässt. Dies galt für die Vergangenheit, und es gilt für die Zukunft. Vgl. Peter Willets, Consultitative Status for NGOs at the United Nations, in: ders. (Hrsg.), The Conscience of the World. The Influence of Non-Governmental Organizations in the U. N. System, London 1996, S. 55. Vgl. dazu: Die Macht der Mutigen. Greenpeace, Amnesty& Co., Spiegel Spezial, Heft 11, 1995. Vgl. Roland Roth, Die Stimme erheben, in: Politische Ökologie, (2001) 72, S. 14-16 (Themenheft: "Vom David zum Goliath? NGOs im Wandel"). Vgl. Gert Krell, Weltbilder und Weltordnung. Einführung in die Theorie der Internationalen Beziehungen, Baden-Baden 2000, S. 103 ff. Vgl. M. R. Auer, Who participates in global environmental governance? Partial answers from international relations theory, in: Policy sciences, (2000) 2, S. 155. Vgl. Lutz Schrader, NGOs - eine neue Weltmacht? Nichtregierungsorganisationen in der internationalen Politik, Potsdam 2000, S. 30. Neuerdings gibt es besonders in Dritte-Welt-Ländern aber auch NGOs, deren Mitglieder direkt von der finanziellen Ausstattung internationaler Organisationen leben. Vgl. für die internationale Umweltpolitik Oran R. Young (Hrsg.), Global Governance. Drawing Insights from Environmental Experience, Cambridge, Mass. - London 1977; vgl. auch Heike Walk, Neue Spielräume für NGOs, in: Politische Ökologie, (2001) 72, S. 56-58. Stiftung Entwicklung und Frieden (Hrsg.), Nachbarn in einer Welt. Der Bericht der Kommission für Weltordnungspolitik. The Commission on Global Governance, Bonn 1995, S. 4. Vgl. Fritz Scharpf, Koordination durch Verhandlungssysteme. Analytische Konzepte und institutionelle Lösungen, in: Arthur Benz u. a. (Hrsg.), Horizontale Politikverflechtung. Zur Theorie von Verhandlungssystemen, Frankfurt/M. - New York 1992, S. 51 ff.; Dirk Messner, Netzwerktheorien: Die Suche nach Ursachen und Auswegen aus der Krise der staatlichen Steuerungsfähigkeit, in: Elmar Altvater u. a. (Hrsg.), Vernetzt und verstrickt. Nicht-Regierungsorganisationen als gesellschaftliche Produktivkraft, Münster 1997, S. 26 ff. Kofi Annan, We the Peoples. The Role of the United Nations in the 21st Century, New York 2000, RdNr. 315. Vgl. Marianne Beisheim, Nichtregierungsorganisationen und ihre Legitimität, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 43/97, S. 22. Zu den globalen Gefährdungsmustern und sozioökonomischen Zusammenhängen vgl. Peter Cornelius Mayer-Tasch, Die verseuchte Landkarte. Das grenzenlose Versagen der internationalen Umweltpolitik, München 1987. Zur internationalen und globalen Zusammenarbeit vgl. Franz Kohout, Politische Ökologie und Internationale Politik, in: Peter Cornelius Mayer-Tasch (Hrsg.), Politische Ökologie. Eine Einführung, Opladen 1999, S. 109 ff. Vgl. Karl Bruckmeier, Nichtstaatliche Umweltorganisationen und die Diskussion über eine neue Weltordnung, in: PROKLA, (1994) 2, S. 234. M. R. Auer (Anm. 5), S. 158. Vgl. Volker Heins/Tanja Brühl, Biologische Vielfalt - Institutionen und Dynamik des Internationalen Verhandlungsprozesses, in: Eine Welt - Eine Natur?, Loccumer Protokolle 66/94, S. 116. Vgl. Timm Krägenow, Verhandlungspoker um Klimaschutz, Freiburg 1995, S.  f. Vgl. P. Willets (Anm. 1), S. 49. Vgl. Matthias Finger, Environmental NGOs in the UNCED process, in: Thomas Princen/Matthias Finger, Environmental NGOs in World Politics. Linking the Local and the Global, London - New York 1994, S. 200. Vgl. Florian T. Furtak, In der Kuschelfalle. NGOs und die Europäische Union, in: Politische Ökologie, (2001) 72, S. 44. Vgl. Robert Hunter, The Greenpeace Chronicle, London 1980. Zur medialen Vermittlung vgl. "Wie die Regenbogenkrieger ihre Erfolge inszenieren", in: Die Macht der Mutigen. Greenpeace, Amnesty& Co. (Anm. 2), S. 22 ff. Vgl. Monika Rößiger, Harpunen, Helikopter, Haftminen, in: ebd., S. 52. Bis heute ist nicht ganz geklärt, warum in diesem Zusammenhang Greenpeace die Menge der Ölrückstände auf der zur Versenkung vorgesehenen Bohrinsel um ein Vielfaches zu hoch angab; vgl. bfp Analyse, Brent Spar: eine Falschmeldung und ihre Karriere, in: Christian Krüger/Matthias Müller-Henning, Greenpeace auf dem Wahrnehmungsmarkt, Münster u. a. 2000, S. 205 ff. Vgl. bfp Analyse, Mut, Meer, Medien und dazu Kompetenz. Kernpunkte des Greenpeace-Image, in: ebd., S. 49. Vgl. Tanja Brühl u. a. (Hrsg.), Die Privatisierung der Weltpolitik. Entstaatlichung und Kommerzialisierung im Globalisierungsprozess, Bonn 2001. Vgl. Ulrich Beck, Weltrisikogesellschaft, Weltöffentlichkeit und globale Subpolitik, Wien 1997, S. 50. Bernhard Pötter, Multis abgesägt, in: Politische Ökologie, (2001) 72, S. 49. Vgl. ebd., S. 48. "Glokal" steht für eine gemischte Strategie aus globalen und lokalen Ansatzpunkten; vgl. Michael Berndt/Detlef Sack (Hrsg.), Glocal Governance? Voraussetzungen und Formen demokratischer Beteiligung im Zeichen der Globalisierung, Opladen 2001. M. R. Auer (Anm. 5), S. 158. Vgl. Jörg Mayer, Globale Klimapolitik "von unten". Das "Klima-Bündnis" indigener Völker und europäischer Kommunen als transnationales Regime, in: E. Altvater u. a. (Anm. 9), S. 113 ff. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.), Agenda-21. Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung im Juni 1992 in Rio de Janeiro. Dokumente, Bonn 1997, S. 9. Vgl. Gunther Hilliges, Internationale Vernetzung im Agenda-21-Prozess, in: M. Berndt/D. Sack (Anm. 30), S. 194. Vgl. Jörg Friedrich Mayer, Nichtregierungsorganisationen und die lokale Agenda 21, in: Loccumer Protokolle 9/97: Barfuß auf diplomatischem Parkett. Die Nichtregierungsorganisationen in der Weltpolitik, Loccum 1997, 150 ff. Peter Wahl, Mythos und Realität internationaler Zivilgesellschaft. Zu den Perspektiven globaler Vernetzung von Nicht-Regierungsorganisationen, in: E. Altvater u. a. (Anm. 9), S. 293. Vgl. Ulrich Brand/Christoph Görg, Nichtregierungsorganisationen und neue Staatlichkeit, in: Loccumer Protokolle (Anm. 35), S. 92. Vgl. etwa Oran R. Young, Rights, Rules, and Ressources in World Affairs, in: ders. (Hrsg.), Global Governance. Drawing Insights from the Environmental Experience, Cambridge - London 1997, S.  ff. Zur herrschaftskritischen Rolle von NGOs vgl. U. Brand/Ch. Görg (Anm. 37), S. 103 f.
Article
Kohout, Franz / Mayer-Tasch, Peter Cornelius
2021-12-07T00:00:00
2011-10-04T00:00:00
2021-12-07T00:00:00
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/27114/das-oekologische-weltgewissen/
Man kann die Rolle und Bedeutung transnationaler Umwelt-NGOs nicht getrennt von einem wesentlichen Aspekt verstehen: der Einbettung in ein sich veränderndes System internationaler Beziehungen.
[ "" ]
598
Rückkehr Syriens in die Arabische Liga | Hintergrund aktuell | bpb.de
Am 7. Mai stimmte eine knappe Mehrheit von 13 der 22 Mitgliedsstaaten der Liga der Arabischen Staaten (kurz: Arabische Liga) in Kairo dafür, Syrien wieder in ihre Organisation aufzunehmen. Erstmals seit dem Ausschluss im Jahr 2011 nahm Syriens Präsident Baschar al-Assad am 19. Mai wieder an einem Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs in der saudi-arabischen Stadt Dschidda teil. Für Syrien ist dies ein Schritt aus der internationalen Isolation. Stärkung der Zusammenarbeit zwischen arabischen Staaten Die Interner Link: Arabische Liga wurde am 22. März 1945 gegründet. Mit der Rückkehr Syriens zählt sie nun wieder 22 Mitglieder in Afrika und Asien. Das Bündnis entstand in Anlehnung an panarabische Bestrebungen. Die sieben Gründungsmitglieder Ägypten, Irak, Jordanien, Libanon, Nordjemen (jetzt Jemen), Saudi-Arabien und Syrien wollten zum einen die Unabhängigkeit und die Souveränität der arabischen Staaten stärken, zum anderen die sich abzeichnende Entstehung eines jüdischen Staates auf palästinensischem Gebiet verhindern. Die Förderung der politischen, kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsstaaten ist das bis heute gültige Gründungsziel der Arabischen Liga. Die regionale Organisation soll zur Schlichtung von Streitfällen zwischen den Mitgliedern oder mit Dritten beitragen. Zudem sollen neben der Souveränität der Mitgliedsstaaten gemeinsame Interessen in der internationalen Politik gesichert werden. Konflikte zwischen Mitgliedsstaaten Aufgrund politisch-ideologischer und religiöser Spannungen innerhalb der Arabischen Liga und dem Veto-Recht aller Mitglieder ist die Handlungsfähigkeit des Bündnisses seit seiner Gründung eingeschränkt. Zudem entstehen immer wieder Rivalitäten um die Führung des Bündnisses. Konfliktpunkte waren in der Vergangenheit unter anderem der Interner Link: ägyptische Friedensvertrag mit Israel 1979, die irakische Invasion in Kuweit 1990 und der Irakkrieg 2003. Bei letzterem unterstützen einige Mitglieder die von den USA geführte Allianz gegen das Regime des Diktators Saddam Hussein in Bagdad, während andere dies ablehnten. Syrischer Bürgerkrieg: über 350.000 Tote Auch der richtige Umgang mit dem Interner Link: Arabischen Frühling entzweite die Organisation. In dessen Verlauf kam es unter anderem in Interner Link: Syrien zu Massenprotesten. 2011 spitzte sich die Situation in dem Land zu. Assads Regierung schlug die Demokratiebewegung gewaltsam nieder. Im anschließenden Bürgerkrieg ging das Regime in Damaskus mit äußerster Härte gegen die eigene Bevölkerung vor. Nachdem die Assad-Regierung einen von der Liga ausgehandelten Friedensplan nicht umsetzte und den Krieg gegen die eigene Bevölkerung fortsetzte, wurde die Mitgliedschaft des Landes im November 2011 ausgesetzt. Der Ausschluss sollte so lange gelten, bis Syrien den kurz zuvor vereinbarten Friedensplan umgesetzt und die Gewalt im Land beendet hat – beides lässt bis heute auf sich warten. Laut Interner Link: Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHRC) starben von 2011 bis 2021 mehr als 350.000 Zivilisten in Syrien. Über 13 Millionen Frauen, Männer und Kinder wurden durch die Kämpfe vertrieben. Nach Angaben der Interner Link: Vereinten Nationen leben gut 90 Prozent der syrischen Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze. 14,6 Millionen Menschen benötigen aufgrund des andauernden Konflikts humanitäre Hilfe. Vereinigte Arabische Emirate für Annäherung Jemen und der Libanon hatten neben Syrien 2011 gegen die Aussetzung der Mitgliedschaft gestimmt. In den folgenden Jahren stand jedoch der Großteil der Mitglieder der Liga dem syrischen Regime ablehnend gegenüber. Im Bürgerkrieg unterstützen manche von ihnen die gegen Assad kämpfenden Oppositionsgruppen finanziell. Doch die Phalanx bröckelte zunehmend ab Mitte des vergangenen Jahrzehnts. Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate eröffneten 2018 ihre Botschaften in Damaskus wieder. Unterstützt von Staaten wie Algerien trieben vor allem die Vereinigten Arabischen Emirate eine Normalisierung des Verhältnisses zu Syrien voran. Zuletzt bekamen sie dabei auch Unterstützung von Saudi-Arabien. Mehrere Staaten blieben der Sitzung in Kairo Anfang Mai fern, weil sie eine Aufhebung der syrischen Mitgliedschaft ablehnten. Vor allem Katar stellte sich gegen eine Normalisierung des Verhältnisses zu Damaskus. Dass Syrien dennoch in die Arabische Liga zurückkehren konnte, ist Experten zufolge auch den zuletzt verbesserten Beziehungen zwischen den regionalen Interner Link: Großmächten Iran und Saudi-Arabien geschuldet, die im Syrischen Bürgerkrieg unterschiedliche Seiten unterstützt haben. Im März hatten Teheran und Riad unter chinesischer Vermittlung die Wiederaufnahme ihrer diplomatischen Beziehungen bekannt gegeben. Politische Lösungsfindung als Begründung Der saudische Kronprinz Mohammed Bin Salman begründete die Wiederaufnahme mit der Hoffnung, dass sich die Lage im Bürgerkriegsland weiter stabilisiert. Syrien solle wieder eine "normalere Rolle" im arabischen Raum einnehmen. Eine politische Lösung sei der "einzige Weg" zu einer Einigung, rechtfertigte Ägyptens Außenminister Samih Schukri den Schritt. Eingriffe ausländischer Staaten hätten die Krise in Syrien verschärft. Die Hauptverantwortung für eine Lösung liege aber bei der Regierung in Damaskus. Mittlerweile kontrolliert die Regierung mit Verbündeten wieder mehr als 70 Prozent des Landes. Ob Syriens Rückkehr in die Organisation an Bedingungen oder konkrete Pläne geknüpft ist, ist offiziell nicht bekannt. Kritik an der Wiederaufnahme Insbesondere die Vereinigten Staaten kritisierten die Rückkehr Syriens in die Arabische Liga. Sowohl die USA als auch die Europäische Union wollen ihre Beziehungen zu Damaskus nicht normalisieren. Das Assad-Regime geht nach Ansicht von Beobachtern noch immer kaum gegen die wirtschaftliche Misere und Korruption in Syrien vor, auch die Ausgrenzung der sunnitischen Bevölkerung ist in dem Land noch immer an der Tagesordnung. Kritik an der Wiederaufnahme Syriens kommt auch von der syrischen Opposition. Die arabischen Länder würden alle Syrerinnen und Syrer, gegen die Verbrechen begangen wurden, vollkommen aufgeben, sagte der syrische Oppositionelle Jahja Aridi Anfang Mai. Man wolle Syrien nach wie vor von dem Regime befreien. Mehr zum Thema Interner Link: 75 Jahre Arabische Liga (Hintergrund aktuell, März 2020) Interner Link: Syrien (Dossier Kriege und Konflikte, Juni 2020)
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2023-05-31T00:00:00
2023-05-30T00:00:00
2023-05-31T00:00:00
https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/521440/rueckkehr-syriens-in-die-arabische-liga/
Im Mai ist Syrien in die Arabische Liga zurückgekehrt. Nach dem Ausschluss des Landes im Jahr 2011 ist die Wiederaufnahme für das Assad-Regime ein Schritt aus der Isolation.
[ "Syrien", "Arabische Liga", "Liga der Arabischen Staaten", "Arabischer Frühling", "Vereinigte Arabische Emirate", "Saudi-Arabien" ]
599