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In der Revolution von 1848 – Liechtensteins Vertreter in der deutschen Nationalversammlung in Frankfurt arbeiteten an der Schaffung einer deutschen Reichsverfassung mit – begann mit aussenpolitischen Forderungen des Volks eine Verschiebung der Aussenpolitik vom Fürsten in Richtung Regierung, Volksvertretung und Volk. Gemäss der konstitutionellen Verfassung von 1862 vertrat der Fürst den Staat in all seinen Verhältnissen gegenüber auswärtigen Staaten, der Landtag erhielt jedoch insofern ein Mitbestimmungsrecht in der Aussenpolitik, als Staatsverträge, die das Staatsgebiet oder die Hoheitsrechte betrafen oder die dem Land neue Lasten brachten, nun von ihm bewilligt werden mussten.
Der Zoll- und Steuereinigungsvertrag mit Österreich beendete ab 1852 die wirtschaftliche Isolation Liechtensteins (→ Zollwesen). Trotz der vordergründigen Souveränitätsminderung bedeutete er einen weiteren Schritt zur staatlichen Konsolidierung. Ab 1880 übernahm Österreich-Ungarn die diplomatische Vertretung Liechtensteins im Ausland; 1911 wurde ein Übereinkommen betr. die Verwaltung des Post-, Telegrafen- und Telefondienstes im Fürstentum Liechtenstein geschlossen. Auch war die grosse Monarchie in Verfassungs- und Verwaltungsfragen Vorbild für die kleine Monarchie; ab 1812 übernahm Liechtenstein viele österreichische Gesetze (→ Rechtswesen). In erster Linie waren die aussenpolitischen Beziehungen auf den Partner Österreich ausgerichtet. Vermehrt wurde aber auch eine Annäherung an die Schweiz gesucht, was sich in verschiedenen Abkommen niederschlug, z.B. einer Vereinbarung über die Rheinkorrektion (1837) und einem Niederlassungsvertrag (1874).
Der Erste Weltkrieg und seine Folgen liessen die völkerrechtliche Stellung Liechtensteins zu einer internationalen Frage werden. Die von Liechtenstein beim Kriegsbeginn nicht formell erklärte Neutralität wurde nur zögernd anerkannt, die Souveränität von einigen europäischen Ländern angezweifelt. Der Friedensvertrag von Saint Germain-en-Laye vom 10.9.1919 beliess die österreichisch-liechtensteinische Grenze unverändert und anerkannte Liechtenstein damit als souveränen Staat. Der Völkerbund aber lehnte 1920 ein liechtensteinisches Beitrittsgesuch ab, was die multilateralen Bemühungen Liechtensteins für Jahrzehnte zurückband. Die Errichtung liechtensteinischer Gesandtschaften 1919 in Wien (bis 1923) und Bern (bis 1933) bezweckte eine Stärkung der liechtensteinischen Stellung.
Im Landtag bestand seit 1914 eine Gruppe von Abgeordneten, die unter der Führung von Wilhelm Beck eine proschweizerische Haltung vertrat. Die angestrebte Umorientierung von Österreich zur Schweiz wird in der Kündigung des österreichischen Zollvertrags durch Liechtenstein im August 1919 deutlich. Im gleichen Jahr beschloss der Schweizer Bundesrat, die von Liechtenstein gewünschte diplomatische und konsularische Vertretung zu übernehmen. 1921 trat der Vertrag mit der Schweiz betr. den Post-, Telegrafen- und Telefondienst in Kraft. Am 29.3.1923 wurde der Vertrag über den Anschluss Liechtensteins an das schweizerische Zollgebiet unterzeichnet; der Zollanschlussvertrag markierte wie kaum ein anderer Vertrag die Neuorientierung der Politik.
Die Betonung der Souveränität zog sich ab 1806 als roter Faden durch die Geschichte der liechtensteinischen Aussenpolitik. Ausserdem waren das Ansehen des Fürsten und die Kleinheit des armen Landes Konstanten der aussenpolitischen Situation.
Die neue Verfassung von 1921 sah das Zusammenwirken des Landesfürsten und der Regierung in aussenpolitischen Angelegenheiten vor. Das Aussenministerium, in Liechtenstein Ressort Äusseres genannt, steht unter der Leitung eines Regierungsmitglieds. Die aussenpolitischen Agenden werden von einem kleinen Mitarbeiterstab im Amt für Auswärtige Angelegenheiten – der Zentrale der liechtensteinischen Aussenpolitik – und von den Auslandsvertretungen Liechtensteins wahrgenommen. Die Verfassung von 1921 übernahm das 1862 eingeführte Zustimmungserfordernis des Landtags beim Abschluss von Staatsverträgen. Seit 1992 unterliegt zudem jeder Landtagsbeschluss, der die Zustimmung zu einem Staatsvertrag zum Gegenstand hat, dem fakultativen Referendum, womit den liechtensteinischen Stimmberechtigten eine Mitsprache in aussenpolitischen Angelegenheiten gesichert ist.
Seit den 1920er Jahren belastet ein gespanntes Verhältnis zur Tschechoslowakei bzw. zu ihren Nachfolgestaaten die liechtensteinische Aussenpolitik: Die Tschechoslowakei anerkannte nach dem Ersten Weltkrieg die liechtensteinische Souveränität nicht und enteignete 1918–38 sowie nach 1945 (Beneš-Dekrete) einen Grossteil der Besitzungen der Fürsten von Liechtenstein. Besonders schwierig war die Aussenpolitik in der Krisen- und Kriegszeit 1933–45. Dem drohenden Anschluss an NS-Deutschland begegnete die Regierung einerseits mit dem nach aussen klar kommunizierten Willen zur Aufrechterhaltung der Selbständigkeit und der Verträge mit der Schweiz, andererseits mit einer Politik der Nichtprovokation Deutschlands. Im Zweiten Weltkrieg blieb Liechtenstein neutral und lehnte sich eng an die Schweiz an, v.a. kriegswirtschaftlich. Ab 1942 wurden zugleich diskret Kontakte zu den Alliierten aufgenommen. Die Schweiz stützte Liechtensteins Selbständigkeit, ohne es militärisch zu schützen. Zugleich verstärkte sie die Kontrolle gegenüber Liechtenstein in fremdenpolizeilicher und wirtschaftlicher Hinsicht.
In den 1950er und 60er Jahren arbeitete Liechtenstein auf eine multilaterale Ausweitung seiner Aussenpolitik hin, die v.a. in den 1970er–90er Jahren umgesetzt werden konnte. Von zwei neutralen Nachbarn umgeben, verfolgt Liechtenstein eine mit der Neutralität im Einklang stehende Aussenpolitik, wobei sich die Verantwortlichen v.a. beim Einsatz für das Völkerrecht, die Menschenrechte und die internationale Solidarität (→ Entwicklungszusammenarbeit) zu einer klaren Positionierung verpflichtet fühlen. In jüngerer Zeit hat die Wahrnehmung der Interessen des liechtensteinischen Finanzplatzes starke Bedeutung gewonnen.
Bei den bilateralen Beziehungen nimmt die Verbindung mit der Schweiz einen besonderen Platz ein. Sie beruht in erster Linie auf dem Zollanschlussvertrag von 1923 und auf der Einführung des Schweizer Frankens als gesetzliche Währung in Liechtenstein 1924. Es entstand damit ein einheitliches Zoll- und Währungsgebiet zwischen Liechtenstein und der Schweiz. 1981 trat ein Währungsvertrag zwischen den beiden Staaten in Kraft. Über den Patentschutzvertrag aus dem Jahr 1978 bilden Liechtenstein und die Schweiz ein gemeinsames Gebiet im Bereich der Erfindungspatente. Der 1978 revidierte Postvertrag von 1921 wurde aufgrund der eingetretenen generellen Liberalisierung im gegenseitigen Einvernehmen 1999 aufgelöst. Mit Österreich, seinem ehemaligen Zollvertragspartner, unterhält Liechtenstein ebenfalls vielfältige Beziehungen. Zwischen beiden Ländern sind verschiedene bilaterale Abkommen auf Gebieten wie der Doppelbesteuerung, der justiziellen Zusammenarbeit und des Bildungs- und Sozialwesens in Kraft. Die traditionell engen Beziehungen zu Österreich haben durch die Mitgliedschaft Österreichs in der Europäischen Union (EU) und Liechtensteins im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) eine neue Dimension erhalten. Auch mit einer Anzahl von anderen Staaten hat Liechtenstein im Lauf der Jahre bilaterale Verträge abgeschlossen. Zudem wurden die Beziehungen zu Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika in jüngster Zeit durch die Einrichtung von Botschaften ausgebaut.
Zu einer Wende in der multilateralen Aussenpolitik Liechtensteins kam es (30 Jahre nach der Ablehnung seines Beitrittsgesuchs durch den Völkerbund), als Liechtenstein durch eine Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen 1950 ermächtigt wurde, dem Statut des Internationalen Gerichtshofs beizutreten. Eine besondere Gelegenheit zur Profilierung auf internationaler Ebene stellte die Unterzeichnung der KSZE-Schlussakte von Helsinki 1975 dar, als Liechtenstein das Präsidium für den Schlusstag der Eröffnungskonferenz zufiel (→ Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa). Mit dem Beitritt zum Europarat 1978 und zur Europäischen Menschenrechtskonvention 1982 vollzog Liechtenstein einen weiteren wichtigen Schritt im Hinblick auf seine künftige Mitgliedschaft in anderen internationalen Organisationen. Seine Fähigkeit, die Aufgaben eines Vollmitglieds zu übernehmen, wurde nicht mehr infrage gestellt. 1990 trat Liechtenstein als einer der kleinsten Staaten den Vereinten Nationen (UNO) bei. Mit dieser Mitgliedschaft konnte es einen effizienten Zugang zur internationalen Diplomatie erschliessen. Im Zusammenhang mit den Verhandlungen zum EWR-Abkommen, dessen Inhalte den Rahmen des Zollanschlussvertrags mit der Schweiz bei Weitem überstiegen, zeichnete sich Schritt für Schritt eine Emanzipation Liechtensteins von der einseitigen bilateralen Anlehnung an den schweizerischen Wirtschafts- und Rechtsraum ab. 1991 wurde Liechtenstein Vollmitglied der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA), wobei der Zollanschlussvertrag entsprechend geändert werden musste. Nach zwei positiv verlaufenen Volksabstimmungen trat Liechtenstein 1995 dem EWR-Abkommen bei, nachdem dieses Vorhaben in der Schweiz in der Volksabstimmung von 1992 gescheitert war. Liechtenstein ist seither Teil von zwei Integrationsräumen, der Zollunion mit der Schweiz und des EWR. Dies war freilich erst nach einer weiteren Revision des Zollanschlussvertrags mit der Schweiz möglich. Ebenfalls 1995 trat Liechtenstein der Welthandelsorganisation (WTO) bei.
Die multilateralen Übereinkommen, denen Liechtenstein beigetreten ist, betreffen Fragen des Rechts, der Wirtschaft, der Kultur, der Bildung, des Umweltschutzes, des Gesundheitswesens, des Verkehrs, des Schutzes geistiger Eigentumsrechte, des Fernmeldewesens usw. Liechtenstein ist auch Vertragspartei der internationalen Flüchtlingsabkommen und der sogenannten Genfer Konventionen von 1947 und der Protokolle von 1977 zum Schutz der Kriegsopfer. Eines der Kriterien für die Beteiligung an multilateralen Übereinkommen besteht darin, dass die liechtensteinische Aussenpolitik – angesichts ihrer beschränkten Möglichkeiten – auf diesem Weg auf den Abschluss zahlreicher bilateraler Abkommen mit anderen Staaten verzichten und die zwischenstaatliche Zusammenarbeit auf der Basis von multilateralen Verträgen gewährleisten kann. Zu den multilateralen aussenpolitischen Aktivitäten Liechtensteins gehört ausserdem die Teilnahme und die Mitarbeit an wichtigen internationalen Konferenzen über Gegenstände wie internationales Vertragsrecht, humanitäres Völkerrecht, kulturelle Zusammenarbeit, Fernmeldewesen, Bildungsfragen, Schutz des geistigen Eigentums, Drogenfragen, internationale Verbrechensbekämpfung, Umweltschutz und Verkehrswesen. Die eigenständige Mitarbeit an diesen Konferenzen gestattet es Liechtenstein, seine Interessen in spezifischen Bereichen wahrzunehmen und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit und Solidarität unter Beweis zu stellen.
Aussenwirtschaft: Als Aussenwirtschaft wird der Waren-, Dienstleistungs-, Kapital-, Zahlungs- und sonstige Wirtschaftsverkehr mit fremden Wirtschaftsgebieten sowie der Verkehr mit Auslandswerten bezeichnet. Durchgehende Datenreihen über die liechtensteinische Warenaus- und -einfuhr liegen erst ab 1950 vor; Daten für den Kapitalverkehr fehlen, doch gibt die Bankstatistik Hinweise.
Die traditionelle ökonomische Aussenverflechtung Liechtensteins beruhte völlig auf der Landwirtschaft. Vor der Mitte des 19. Jahrhunderts war Liechtenstein von Zollmauern umgeben (→ Zollwesen), welche die Ausfuhr der wichtigsten liechtensteinischen Exportgüter Vieh (Rindvieh, Pferde, Kleinvieh) und Wein erschwerten; Absatzgebiete waren v.a. Vorarlberg, St. Gallen und Graubünden. Daneben wurden Holz, Flachs, Streue, Kartoffeln, etwas Gips und Ziegel ausgeführt. Für die Versorgung der Bevölkerung von grosser Bedeutung war die Einfuhr von Salz, Getreide und gewerblichen Produkten. Eine massgebliche Änderung brachte 1852 der Zoll- und Steuereinigungsvertrag mit Österreich. Der nun offen stehende Markt der k.k. Monarchie verbesserte nicht nur die Situation für die landwirtschaftlichen Exporte (Ende 19. Jahrhundert wurden jährlich 600–900 Stück Vieh, auch Milchprodukte und Obst ausgeführt), sondern schuf Absatzmöglichkeiten für die in Nendeln produzierte Keramik (Kacheln, Röhren) und die seit den 1860er Jahren entstehende Textilindustrie (→ Industrialisierung). Im Ersten Weltkrieg brach Letztere unter der Handelsblockade der Ententemächte zusammen, während die Viehausfuhr nach Österreich und Deutschland vorübergehend deutlich anstieg.
Nach der Kündigung des Zollvertrags mit Österreich 1919 brachte erst der Zollanschlussvertrag mit der Schweiz ab 1924 wieder die Integration in einen grösseren Markt. Die ebenfalls in dieser Zeit erfolgte Übernahme des Schweizer Frankens (→ Geld) wurde zu einem wichtigen Faktor des späteren Aufschwungs der liechtensteinischen Aussenwirtschaft, die sich jedoch in der Zwischenkriegszeit kaum erholte. Zwar blieb die Viehausfuhr – nun v.a. in die Schweiz – wichtig, erlebte in den 1930er Jahren aber z.T. massive Einbrüche (v.a. 1932–36). Auch der seit dem 19. Jahrhundert bedeutende, Kaufkraft ins Land bringende Export von Arbeitskraft (→ Saisonarbeit) stockte, besonders in den Jahren 1933–38. Ebenso brach der in den 1920er Jahren das Vorkriegsniveau nicht mehr erreichende Export der (Textil-)Industrie nach 1929 ein. Er erholte sich erst nach 1941 dank neuen Industrien, u.a in dem auch für den deutschen Kriegsbedarf produzierenden Metall- und Maschinenbereich.
Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte ein anhaltender, hauptsächlich von der Aussenwirtschaft getragener Aufschwung ein. Das ausserordentliche Wachstum und das hohe Wohlstandsniveau der liechtensteinischen Volkswirtschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren in erster Linie durch Erfolge auf ausländischen Märkten möglich; der kleine Binnenmarkt bot keine entsprechenden Entwicklungsmöglichkeiten. So übertrafen die Ausfuhrwerte der Exportindustrie das Bruttoinlandsprodukt z.B. im Jahr 2001 um 5,2 % (105,2 % des BIP). Die sich nun diversifizierende liechtensteinische Industrie spezialisierte sich auf vielfach hochtechnologische Nischenprodukte, die sie auf den Weltmärkten vertrieb. Der Wert der Industrieexporte versechsfachte sich in den 1950er und vervierfachte sich nochmals in den 1960er Jahren. Hintergrundbedingungen dieser Entwicklung waren v.a. der begrenzte Arbeitsmarkt mit hohem Lohnniveau, die entsprechend notwendige wie auch attraktive Anwerbung qualifizierter ausländischer Arbeitskräfte, das zu niedrigen Zinsen erhältliche Kapital und die Notwendigkeit, mit grossem Einsatz von Forschung und Entwicklung eine hohe Produktqualität zu erreichen.
Die liechtensteinische Aussenwirtschaft ist neben der Export- auch von einer hohen Importabhängigkeit gekennzeichnet: Mangels Rohstoffen müssen diese und sonstige Vorprodukte eingeführt werden. Dasselbe gilt für die Energie; nur in den 1950er Jahren wurde Strom exportiert. Fast vollständig auf Importe angewiesen ist Liechtenstein bei Lebensmitteln und Gütern des täglichen Bedarfs. Während der Anteil des regional verflochtenen Gewerbes an der Aussenwirtschaft bescheiden blieb, wuchs der Export von Dienstleistungen stark an, v.a. im Bereich der Finanzdienstleistungen, in geringerem Ausmass auch im Tourismus.
Diese Entwicklung vollzog sich im Rahmen einer liberalen Wirtschaftspolitik mit günstigem Steuerklima und fehlender staatlicher Unterstützung (Liechtenstein kennt keine Exportförderung). Die Aussenwirtschaftsinteressen Liechtensteins wurden auf der Basis des Zollvertrags von der Schweiz vertreten, auf multilateraler Ebene besonders durch ein Zusatzprotokoll im Rahmen der 1960 gegründeten EFTA und ein Zusatzabkommen zu den EG-/EGKS-Verträgen der Schweiz 1972. 1991 wurde Liechtenstein eigenständiges EFTA-Mitglied, 1995 trat es bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung des Zoll- und des Währungsvertrags mit der Schweiz dem EWR-Abkommen bei. 1995 dokumentierte Liechtenstein mit dem Beitritt zur Welthandelsorganisation WTO sein Interesse an wirtschaftlicher Integration auch auf globaler Ebene.
Der Einbezug Liechtensteins in das schweizerische Zollgebiet bringt Probleme bei der Abgrenzung des Aussenhandels. Statistische Daten liefert die schweizerische Oberzolldirektion über die sogenannten Direktimporte und -exporte, also die an allen schweizerischen Grenzzollstellen erfassten Güterlieferungen mit Liechtenstein als Bestimmungs- bzw. Herkunftsland. Eine weitere Quelle ist die Datensammlung der Liechtensteinischen Industrie- und Handelskammer (LIHK) bei ihren Mitgliedsunternehmen: Diese Umsatzwerte dürften die effektive Aussenhandelsverflechtung und die Endabnehmermärkte treffender abbilden.
Als Wirtschaftsregion hat der EWR mit über 40 % der Ausfuhren grosse Bedeutung (LIHK-Zahlen). Die weltweite Absatzausrichtung zeigt sich bei einer Aufschlüsselung nach den umsatzstärksten Abnehmerländern: An erster Stelle standen 2003 die USA (bis 1998 Deutschland), gefolgt von Deutschland, der Schweiz und weiteren europäischen Ländern. Stark vertreten waren auch asiatischen Abnehmer mit Hongkong und Taiwan unter den zehn Hauptabnehmern.
Auswanderung: Unter Auswanderung ist die ständige Verlegung des Lebensmittelpunkts einer Person oder Familie ins Ausland zu verstehen, dies im Gegensatz zur saisonalen Auswanderung, die sich bis ins frühe 19. Jahrhundert zurückverfolgen lässt (→ Saisonarbeit, → Schwabenkinder). Die Auswanderung im eigentlichen Sinn war in Liechtenstein bis 1843 verboten. Wer das Land dennoch verlassen wollte, hatte bis zur formellen Aufhebung der Leibeigenschaft im Jahr 1808 eine nach Vermögenshöhe abgestufte «Manumissionsgebühr» sowie eine Taxe von 10 % des Vermögens zu entrichten. Ausserdem beanspruchte die Gemeinde 5 % aus dem Erlös des verkauften Besitzes (→ Abzugs- und Einzugsrecht). Die Auswanderung blieb auch gemäss den Auswanderungspatenten von 1809 und 1843 bewilligungs- und abgabepflichtig und war mit dem Verlust der Staatsbürgerschaft verbunden. Das «Abzugsgeld» (10 % des exportierten Vermögens) wurde erst 1848 abgeschafft. Völlige Auswanderungsfreiheit brachte das aufgrund der Verfassung von 1862 erlassene Gesetz über die liechtensteinische Staatsbürgerschaft von 1864.
Trotz dieser Hindernisse kam es schon früh zu Auswanderungen. 1663–79 sind in der Herrschaft Schellenberg 50 Manumissionen und 1663–1702 in der Grafschaft Vaduz deren 157 bekannt. 1793–1828 sind 123 Personen aktenkundig, die infolge Auswanderung aus dem Staatsverband ausschieden. Auswanderungsziele waren neben Österreich und der Schweiz die süddeutschen Staaten, aber auch Ungarn, Russland, Frankreich, die Niederlande und Belgien.
In der Mitte des 19. Jahrhunderts setzte infolge der schweren Hungersnot von 1846 die Auswanderung nach Nordamerika ein. Sie verlief in drei Wellen; die erste (1848–55) umfasste rund 250, die zweite (1880–84), bedingt durch eine allgemeine Rezession in Europa, rund 200 Personen. Die Wirtschaftskrise nach dem Ersten Weltkrieg führte zwischen 1920 und 1929 zur dritten Auswanderungswelle mit rund 160 Personen. Auch dazwischen kam es immer wieder zur Auswanderung nach Nordamerika. Heute sind 1150 Fälle bekannt, in denen Einzelpersonen, Ehepaare oder ganze Familien auswanderten. Insgesamt dürfte es sich dabei um rund 1500 Personen handeln. Die Auswanderung nach Südamerika beschränkte sich auf Einzelfälle. Profiteure der Auswanderung waren ausländische Agenturen, die Schiffspassagen vermittelten, Auswanderungswillige zu Gruppen zusammenfassten und die gemeinsame Reise zum Einschiffungshafen organisierten. Im 19. Jahrhundert konzentrierten sich die Auswanderer auf die von deutschsprachigen Siedlern bevorzugten Staaten Iowa, Illinois und Indiana, im 20. Jahrhundert liessen sie sich zumeist in städtischen Agglomerationen nieder. Milwaukee (Wisconsin), Cincinnati (Ohio) sowie das südlich von Chicago gelegene Hammond (Indiana) waren bevorzugte Ziele. Vor dem Zweiten Weltkrieg wanderten rund 30 Liechtensteiner nach Kanada aus, von denen sich viele in Prince George (British Columbia) niederliessen. Die gesamte Auswanderung nach Nord- und Südamerika beschränkte sich 1945–59 auf 70 Fälle. Dank dem wirtschaftlichen Aufschwung bot Liechtenstein inzwischen genügend Arbeitsplätze. Für eine – oft temporäre – Auswanderung sind heute nicht mehr wirtschaftliche Beweggründe massgebend, sondern Weiterbildung, Horizonterweiterung, Verheiratung, Arbeit in ausländischen Niederlassungen von liechtensteinischen Unternehmen usw.
Neben Amerika waren auch die Schweiz und Österreich beliebte Auswanderungsländer. 1900 lebten in der Schweiz 1023 Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner, in Österreich 508 – dies bei einer Inlandsbevölkerung von damals rund 7500 Menschen. Die Zuwanderung in die Schweiz wurde schon früh durch Freizügigkeitsabkommen begünstigt, die zunächst mit einzelnen Kantonen (Graubünden 1821, St. Gallen 1836, Luzern 1838) und 1874 mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft abgeschlossen wurden. Für die Auswanderung nach Österreich sprach das durch den Zollvertrag von 1852 geschaffene gemeinsame Wirtschafts- und Währungsgebiet. Mit Sachsen-Weimar (1816), Württemberg und Bayern (1817), Preussen (1819) sowie mit den Niederlanden (1837) wurden ebenfalls Freizügigkeitsabkommen abgeschlossen. Wie bedeutend die Auswanderung in diese Länder war, ist nicht erforscht.
1950 waren bei den schweizerischen Gesandtschaften und Konsulaten insgesamt 2935 Liechtensteiner immatrikuliert, 50 Jahre später ist ihre Zahl auf 2545 gesunken. Im gleichen Jahr (2000) lebten 1603 Liechtensteiner und Liechtensteinerinnen in der Schweiz (→ Auslandsliechtensteiner).
ZUR VERTIEFUNG
Maria Franziska Hasler – Entlassung aus der Leibeigenschaft, 1720
Automobilverbände: Obwohl die Motorisierung in Liechtenstein noch kaum vorangeschritten war, entstand schon 1924 der Automobilclub Liechtenstein (ACL, seit 1972 ACFL; 2008: rund 1500 Mitglieder). Er ist seit 1925 eine Sektion des Automobilclubs der Schweiz (ACS). Gründungszweck waren u.a. die Förderung und die Regelung des damals in der Bevölkerung mehrheitlich auf Ablehnung stossenden Autoverkehrs. Die dem Luxusvergnügen «Automobil» frönenden Mitglieder stammten aus gehobenen Kreisen; das gesellschaftliche Vereinsleben hatte hohen Stellenwert. Der 1930 gegründete Motorradclub Liechtenstein war eine Sektion des Ostschweizerischen Motorradfahrerverbands (OMV, ab 1960 Schweizerischer Auto- und Motorradfahrerverband SAM). Er trennte sich 1971 vom SAM und verselbständigte sich als Auto-Touringclub Liechtenstein (ATC/FL; seit 1998 Auto-Motorrad-Touringclub Liechtenstein AMTC/FL; 2008: 501 Mitglieder).
ACFL und AMTC bieten ihren Mitgliedern Dienstleistungen wie Fahrsicherheitskurse, Pannenhilfe, Versicherungen, Rechtsberatung usw. Sie vertreten die Interessen des motorisierten Individualverkehrs und engagieren sich für die Verkehrssicherheit. Der ATC initiierte 1974 die Einführung von Schülerlotsen und 1980 die Gründung der mittlerweile verselbständigten Verkehrskadetten. Die beiden Automobilverbände organisierten auch Motorsportveranstaltungen in Liechtenstein: Der Motorradclub ab 1947 verschiedene Motorradrennen, der ATC und das 1968 aus dem ACL hervorgegangene «Sport Team Liechtenstein» 1968–77 Autorennen. Mitglieder nahmen an internationalen Motorsportrennen teil (→ Sport).
Der 1980 vor dem Hintergrund der aufkommenden Umweltdebatte entstandene Verkehrsclub Liechtenstein (VCL) widmet sich aktiv einer nachhaltigen, besonders auf den öffentlichen Verkehr ausgerichteten Verkehrspolitik (2007: 504 Mitglieder). Als Sektion des Verkehrsclubs der Schweiz (VCS) bietet er seinen Mitgliedern ebenfalls mobilitätsbezogene Dienstleistungen.
Das liechtensteinische Transportgewerbe ist als Sektion der Liechtensteinischen Gewerbekammer organisiert und der ostschweizerischen Sektion des Schweizerischen Nutzfahrzeugverbands (ASTAG) angeschlossen.
Auwärter, Max: Unternehmer. *18.2.1908 Knittlingen (D), † 30.9.1995 Balzers, Deutscher. ⚭ 11.5.1940 Hildegard Reinöhl (*22.8.1917), drei Söhne. Physiker und Pionier der liechtensteinischen Industrialisierung.
Studium der Experimentalphysik in Tübingen und München, Promotion in München 1932. Auwärter arbeitete zuerst im physikalischen Laboratorium der «Robert Bosch GmbH» in Stuttgart. Ab 1936 leitete er die physikalischen Laboratorien der Firma «W. C. Heraeus» in Hanau. Diese entwickelte u.a. Quarzgläser und streulichtarme Oberflächenspiegel, die von der deutschen Kriegsindustrie gebraucht wurden.
Nach dem Krieg kam Auwärter durch die Vermittlung des Musikinstrumentenbauers Ernst Hohner und des Fürsten Franz Josef II. von Liechtenstein nach Liechtenstein. Hier gründete er 1946 mit finanzieller Unterstützung des Schweizer Waffenfabrikanten Emil Georg Bührle die «Gerätebau-Anstalt Balzers», die sich bald zu einem bedeutenden Arbeitgeber entwickelte. Auwärter wirkte mit seiner Firma bahnbrechend bei der industriellen Nutzung des Vakuums und bei der Fertigung dünner Schichten (Optik, Halbleiter). 1976 zog sich Auwärter aus seinem Betrieb zurück und verkaufte ihn der «Oerlikon-Bührle AG», der heutigen «OC Oerlikon Balzers AG».
Auwärter erkannte früh, dass er für den Erfolg seines Unternehmens auf gut ausgebildete Mitarbeiter angewiesen war. Er legte deshalb viel Wert auf die Lehrlingsausbildung und gründete zusammen mit anderen das Neutechnikum Buchs, dessen Technikumsrat er 1968–1983 angehörte, sowie das Abendtechnikum Vaduz (heute → Universität Liechtenstein), in dessen Technikumsrat er 1961–1964 sass.
1980 stiftete Auwärter einen nach ihm benannten Preis für junge Wissenschaftler. Auch er selbst erhielt viele Ehrungen: 1962 wurde er Honorarprofessor für angewandte Experimentalphysik an der Universität Tübingen (regelmässige Vorlesungen), 1964 Ehrenbürger Liechtensteins, 1968 Ehrendoktor der Universität Innsbruck, 1976 Fürstlich Wissenschaftlicher Rat, 1983 Ehrenpräsident der International Union for Vacuum Science, Technique and Applications (IUVSTA), 1988 Ehrenmitglied der Österreichischen Physikalischen Gesellschaft.
Bach, von: Niederadeliges (?) Geschlecht, begütert in Triesen, vielleicht mit den Freiherren von Brandis zugewandert. Urkundlich erwähnt sind Heinrich (vor 1410), seine Söhne Leonhard und Heinrich, Klaus (1482) sowie Adam (1516). Ein Hinweis für eine Verwandtschaft mit einem gleichnamigen Bregenzer Geschlecht fehlt bislang.
Bachmann, Ferdinand: Zeichner. * um 1787 Feldkirch, † nach 1848 vermutlich in Bregenz. Gymnasium in Feldkirch, 1807–08 Studium an der Universität Innsbruck (Logik und Physik). 1815 Rentamtspraktikant in Feldkirch, 1819 Praktikant der Landesbaudirektion Tirol, Wegmeister in Graun und Mals (Südtirol), 1823–42 Strassenmeister in Feldkirch und 1843–48 in Bregenz. Zeichnete und aquarellierte 1815 zwei Ansichten von Vaduz, von denen eine als Motivmuster die Vaduzer Ortsansichten bis ins 20. Jahrhundert prägte. Bachmann erstellte 1826 Pläne der alten und einer (nicht realisierten) neuen Kirche in Mauren sowie 1830 eine Grenzkarte Liechtenstein-Österreich (11 Blätter). Weitere Ansichten und Pläne von Sakralbauten in Vorarlberg.
Bachör, Johann: Beamter. *26.8.1812 Neuschloss bei Aussee (CZ). Bachörs Vater war fürstlich-liechtensteinischer Beamter.
Besuch der Humanitätsklassen (Gymnasium). Bachör trat am 31.12.1831 als Praktikant in fürstlich-liechtensteinische Dienste. Ab 1.1.1839 war er in verschiedenen fürstlichen Herrschaften Amtsschreiber. 1854 kam Bachör zusammen mit dem Buchhalter Sautscheck zur Untersuchung von Missständen im Rentamt nach Vaduz. Ab 1.10.1854 war er Landeskassen- und Fondsverwalter in Vaduz, ab 1.10.1857 zudem Verantwortlicher für die Rentkasse und 1861–1863 erster Verwalter der Landesbank. Am 1.3.1863 wurde Bachör als Majoratshauptkassier nach Wien versetzt. Der als tüchtig und umgänglich geltende Bachör machte sich verdient um die Reorganisation und Modernisierung der Verwaltung in Liechtenstein.
Bad Ragaz: Politische Gemeinde, Kanton St. Gallen, Wahlkreis Sarganserland, 5499 Einwohner (2011). Um 842/43 , bis 1937 . Historisch gesehen Sustort an der Tamina und am Rhein. Bad Ragaz lag im Mittelalter und in der Neuzeit im Gebiet der Abtei Pfäfers. Seit 1840 Kurort mit dem Wasser der Thermalquelle des Bades Pfäfers, der auch Gäste aus dem benachbarten Liechtenstein anzieht. 1868 gründete der Architekt Bernhard Simon die Kuranstalt Ragaz-Pfäfers und erbaute neue Kureinrichtungen. Bad Ragaz wurde damit zum Kurort von Weltruf mit einer ersten grossen Blütezeit vor dem Ersten Weltkrieg, an deren wirtschaftliche Prosperität es erst nach der Mitte der 1950er Jahre wieder anknüpfen konnte.
Bad Vogelsang: Oberhalb von Triesen gelegene Überreste einer Gastwirtschaft mit Badeanlage an schwefelhaltiger Quelle, Gemeinde Triesen, 800 m ü.M.
Am 17.6.1617 erhielt Franz Lampert aus Triesen das Bad Vogelsang als Erblehen von Graf Kaspar von Hohenems. Damit verbunden war das Recht auf Weinausschank im Bad wie auch in der Behausung des jeweiligen Besitzers. Ob das Bad neu errichtet worden war oder schon vorher bestanden hatte, ist nicht bekannt. Es wechselte in der Folge immer wieder den Besitzer. Zum Bad gehörte auch Wiesland, welches 1729 z.T. an die Gemeinde Triesen verkauft wurde. Während der Pacht Josef Sprengers 1772–78 wurde das Bad vermutlich renoviert, da der Verkaufspreis danach wesentlich höher war. Johann Beck liess sich 1789 vom Fürsten erneut bestätigen, dass er gemäss dem Lehensbrief von 1617 als Pächter von Bad Vogelsang auch in seinem Haus in Triesen eine Schankstube betreiben könne. Der letzte Besitzer, Andreas Oehri aus Mauren, liess das Bad verkommen, worauf der Betrieb 1799 eingestellt wurde. 1818 erwarb Johann Rheinberger aus Vaduz die Badegerechtigkeiten. Die fürstliche Domänenverwaltung verzichtete ab dem 1.1.1919 auf den Erblehenszins. Am 26.7.1919 gingen sämtliche Gerechtigkeiten an die Gemeinde Triesen über. Im Rahmen einer archäologischen Grabung konnte 1980 der genaue Standort des Gebäudes festgelegt werden; an Funden kam Gebrauchskeramik aus dem 17. und 18. Jahrhundert zutage.
Baden-Württemberg: 1952 gegründetes Bundesland im Südwesten der Bundesrepublik Deutschland. Hauptstadt: Stuttgart. 35 752 km², 10 786 000 Einwohner (2011). Die Verbindungen Liechtensteins zu Baden-Württemberg sind kaum erforscht.
Wie das Gebiet Liechtensteins gehörten Teile des heutigen Baden-Württembergs 917–1268 zum Herzogtum Schwaben und um 1500–1806 zum Schwäbischen Kreis. Von den ehemaligen Landesherren von Vaduz und Schellenberg stammten die Grafen von Montfort und von Werdenberg als Zweig der Pfalzgrafen von Tübingen und die Grafen von Sulz aus Baden-Württemberg.
Als Mitglied des Deutschen Bunds schloss Liechtenstein 1817 ein Freizügigkeitsabkommen mit dem Königreich Württemberg. Enge Kontakte im militärischen Bereich wurden im 19. Jahrhundert mit den Fürstentum Hohenzollern-Hechingen und Hohenzollern-Sigmaringen gepflegt.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ging durch die Lehrerseminare in Schwäbisch Gmünd und Saulgau sowie durch württembergische Schulbücher ein grosser Einfluss auf das liechtensteinische Schulsystem aus. Baden-Württemberg war bis Anfang 20. Jahrhundert eines der Ziele liechtensteinischer Saisonarbeiter und Schwabenkinder. An der Universität Freiburg i.Br. studierten im 19. Jahrhundert liechtensteinische Persönlichkeiten wie Peter Kaiser. 1988 schloss die liechtensteinische Regierung mit der Universität Tübingen eine Vereinbarung über die wissenschaftliche Zusammenarbeit.
Baden-Württemberg führte im Jahr 2000 von allen deutschen Bundesländern die meisten Güter nach Liechtenstein aus (42,4 %). Politische Kontakte bestehen heute durch die Internationale Bodenseekonferenz.
Ballasser: Geschlecht (†) aus Schaan, Vaduz und Balzers. Erstmals erwähnt 1565 in Schaan. Im Steuer- oder «Legerbuch» von 1584 zählten Wolf, Ital und Ulrich Ballasser in Balzers sowie Peter Ballasser in Schaan zu den vermögendsten Bürgern. Das Geschlecht, für das keine genauen Genealogien erstellt werden können, erlosch in Schaan und Vaduz um 1700, in Balzers nach 1718.
Balzer, Peter: Zeichner und Dichter. *20.9.1855 Vaduz, †29.11.1916 Zürich, Schweizer. Sohn des Schneidermeisters Johann Anton und der Elisabeth, geb. Seger aus Vaduz, Neffe des Priesters Simon. Aufgewachsen in Liechtenstein, Mittelschule in St. Gallen, Ingenieurstudium am Polytechnikum in Zürich. 40 Jahre Zeichner bei Orell-Füssli in Zürich, v.a. von Wertpapieren. Balzer verhalf Ferdinand Nigg zu einer Lehrstelle bei Orell-Füssli und war künstlerischer Berater von Pfarrer Ferdinand Matt beim Bau der Liebfrauenkirche von Zürich. Balzer kehrte seit 1897 regelmässig nach Liechtenstein zurück, wo er im «Alphotel Gaflei» wohnte. Als Chronist mit dem Zeichenstift hielt er Ereignisse in seiner alten Heimat fest und dokumentierte bemerkenswerte Gebäude. Er illustrierte neben seinen humoristischen Gedichten literarische und wissenschaftliche Publikationen aus und über Liechtenstein und Vorarlberg. Balzer gehört zu den ersten Künstlern, die als Motiv die liechtensteinische Bergwelt wählten.
Balzer, Simon: Priester. *, 5.12.1812 Chur, †2.5.1887 Triesen, katholisch, Schweizer. Studium der Theologie in Chur, Priesterweihe am 23.9.1837. Bis 1840 Lehrer am Knabenseminar in Chur, 1840–43 Vikar in Bendern, 1843–62 Pfarrer in Triesenberg, 1858 Renovation der Kapelle St. Theodul auf Masescha, 1862–64 Hofkaplan in Schaan (Stellentausch mit Johann Baptist Büchel), 1864–87 Pfarrer in Triesen. Neben der Seelsorge widmete sich Balzer der Homöopathie und Möbelschreinerei. Er gilt als Pionier der Bienenzucht in Liechtenstein, führte mobile Bienenkästen ein («Balzerkasten») und gründete 1858 den ersten liechtensteinischen Bienenzuchtverein.
Balzer: Geschlecht aus Balzers (†). Erstmals erwähnt 1684. Ein Anton Balzer, Forstknecht in Balzers, ist 1723 als Richter («des Gerichts») erwähnt. Für dieses Geschlecht, das um 1800 erlosch, kann keine zusammenhängende Genealogie erstellt werden. In keinem genealogischen Zusammenhang mit den Balzer aus Balzers stehen der Priester Simon und sein Neffe, der Zeichner und Dichter Peter.
Balzers: Politische Gemeinde im liechtensteinischen Oberland mit einer Fläche von 19,730 km, bestehend aus den beiden Dörfern Balzers und Mäls (2011: 4526 Einwohner). Pfarrkirche auf 477 m ü.M. Wahrzeichen von Balzers ist die zwischen Balzers und Mäls auf einem markanten, ca. 50 m hohen Felshügel stehende Burg Gutenberg. Im Westen bildet der Rhein die Grenze zu den St. Galler Gemeinden Wartau und Sargans. Im Süden grenzt Balzers an die Graubündner Gemeinden Fläsch und Maienfeld. Die Landesgrenze zur Schweiz bildet auch die Gemeindegrenze. Die Gemeinde wie auch Bürger aus Balzers besitzen Wald- und Weideflächen (ca. 372 ha) im Gebiet der angrenzenden Bündner Gemeinden (u.a. Alp Lida und Teile des Elltals). Im Norden und Osten grenzt Balzers an Triesen. Östlich des Dorfs erheben sich der Mittagsspitz und der Mittlerspitz, im Süden liegen die Sankt Luzisteig und der Fläscherberg. Zu Balzers gehören auch die Alpen Guschgfiel und Matta (Alpgenossenschaft Balzers) sowie Gapfahl und Güschgle (Alpgenossenschaft Mäls).
Erste Erwähnung um 842/43 als , dann erst wieder 1208 als , weitere Namensformen sind (1278), (1305), (1359). Der Name wird vom lateinischen (kleine Pfalz, kleiner Herrensitz) abgeleitet.
Balzers war bis ins 19. Jahrhundert Station an der Transitstrasse zwischen dem süddeutschen Raum und Norditalien. In Mäls befand sich bis zum Bau der ersten Rheinbrücke 1871 eine Fähre. Balzers und Mäls waren Grenz- und Zollorte. Von grosser Bedeutung war die Lage am Fuss des Passübergangs über die St. Luzisteig, welche als Tor zu den Bündner Alpenpässen eine strategisch wichtige Rolle spielte. Die Burg Gutenberg gehörte vom 14. bis 19. Jahrhundert dem Haus Habsburg. Infolge der neuen Strasse im St. Galler Rheintal und des Eisenbahnbaus verlor Balzers im 19. Jahrhundert seine Stellung im Transitverkehr. Beim Zollanschluss an die Schweiz verschwanden 1924 die Zollstationen.
Der Burghügel Gutenberg wurde in allen geschichtlichen Epochen als Siedlungsplatz aufgesucht, da er den Menschen aufgrund seiner Topografie Schutz vor Überschwemmungen und feindlichen Übergriffen bot und an einer durch alle Zeiten wichtigen Handelsstrasse über die St. Luzisteig lag.
Der älteste Fund in Balzers ist ein Kugelbecher der Rössener Kultur (5. Jahrtausend v.Chr.) aus der Flur Wanna am Gutenberghügel. Dieses Gefäss gibt den bisher südlichsten Verbreitungspunkt dieser Kultur an und ist ein Zeugnis für die weitreichenden Verbindungen in jener Zeit. Ebenfalls der Jungsteinzeit (5.–3. Jahrtausend v.Chr.) gehören Steinwerkzeuge aus dem Burgareal an.
Die Bronzezeit ist in Balzers nur durch wenige Einzelfunde belegt, z.B. durch Keramik der Mittelbronzezeit (15./14. Jahrhundert v.Chr.) aus der Wanna. Anhand der Tongefässe vom Glinzgeleböchel am Gutenberg und aus der Wanna sind während der Spätbronzezeit (13.–9. Jahrhundert v.Chr.) zwei verschiedene Kultureinflüsse fassbar – die Urnenfelderkultur des nördlichen Voralpenbereichs und die Laugen-Melaun-Kultur des inneralpinen Raums. Sie zeigen Balzers bzw. Liechtenstein als Schnittpunkt verschiedenen Kulturströmungen. Während der Urnenfelderzeit setzte sich in ganz Europa mit der Verbrennung der Toten eine neue Bestattungssitte durch. Am Runda Böchel konnten in einem Gräberfeld sieben Urnenbestattungen (11.–9. Jahrhundert v.Chr.) mit Schmuck-, Trank- und Speisebeigaben dokumentiert werden (→Runder Büchel).
In der Eisenzeit entstand im Gebiet vom Hinterrhein bis an den Bodensee eine eigenständige Kultur, die Alpenrheintalgruppe (6.–3. Jahrhundert v.Chr.). Träger dieser Kultur dürfte eine keltorätische Bevölkerung gewesen sein. Ihre Spuren in Form von typischen Gefässformen (der älteren Taminser- und der jüngeren Schnellerkeramik) finden sich entlang des Rheins in Graubünden, in Liechtenstein, im Kanton St. Gallen und in Vorarlberg. In Balzers belegen Mauerreste im Bereich der Burg Gutenberg, ein Pfostenbau im Mälsner Dorf und Spuren eines z.T. in den Felsen eingetieften Gebäudes (4.–2. Jahrhundert v.Chr.) auf dem Runda Böchel eine rege Siedlungstätigkeit. Vom 3. bis zum 1. Jahrhundert v.Chr. verstärkte sich der keltische Einfluss, der sich auch in Balzers durch Grafittonkeramik aus dem nördlichen Alpenvorraum und durch Fragmente von Glasarmringen, Glasperlen sowie Fibeln (Gewandschliessen) archäologisch fassen lässt. Auf weitreichende Handelsverbindungen deuten Schmuckstücke aus dem südalpinen Alpenvorland sowie die beiden bisher einzigen in Liechtenstein gefundenen keltischen Münzen hin, eine Nordschweizer Prägung und eine aus dem östlichen Mittelgallien.
Das Gräberfeld am Runda Böchel diente zwischen 550 und ca. 250 v.Chr. der Bestattung von mindestens 31 Personen. Die Toten wurden – im Gegensatz zu der sonst in grossen Teilen Europas gepflogenen Körperbestattung – mit Schmuck und Waffen auf dem Scheiterhaufen verbrannt und die Überreste zusammen mit Keramikgefässen für Speise- und Trankbeigaben sorgfältig beigesetzt.
Auf eine besondere Form der kultischen Verehrung weisen die im Alpenraum verbreiteten Brandopferplätze hin. In der näheren Umgebung von Balzers befinden sich Fundstellen auf der Sankt Luzisteig, auf dem Ochsenberg in Wartau (SG), am Schneller (Eschen) und in Feldkirch-Altenstadt (Vorarlberg). Typische Kennzeichen sind massive Aschenschichten, Tierknochen und zerbrochene Keramikgefässe. Ähnliche Befunde zusammen mit Schmuckstücken und Schnellerkeramik in der Wanna und am Glinzgeleböchel lassen auch in Balzers auf einen Brandopferplatz als Kultstätte schliessen. Die bekanntesten Funde aus diesem Bereich sind die Gutenberger Votivstatuetten: Der sogenannte Mars vom Gutenberg und sechs weitere menschliche Figürchen sowie eine Hirsch- und eine Eberstatuette dürften Ausdruck von Kriegs- und Fruchtbarkeitsriten sein.
Ein auf der Balzner Alp Matta (ca. 1800 m ü.M.) gefundenes Eisenschwert mit Eisenscheide aus dem 4. Jahrhundert v.Chr. steht wohl ebenfalls mit besonderen kultischen Riten in Zusammenhang. Solche Höhenfunde sind wahrscheinlich als Weihegaben an Gottheiten oder Naturgeister anzusprechen. Da bei Weiheniederlegungen dieser Art nur Waffen deponiert wurden, sind sie möglicherweise Ausdruck von religiösen Bräuchen, die nur Männer ausübten.
Das Gebiet von Liechtenstein wurde durch den sogenannten Alpenfeldzug im Jahr 15 v.Chr. dem römischen Reich eingegliedert. Drei römische Denare aus dem 1. Jahrhundert v.Chr. vom Gutenberghügel belegen aber schon frühere Handelsbeziehungen zwischen den Römern und der einheimischen Bevölkerung. Die fortschreitende Romanisierung der Bewohner von Balzers lässt sich durch Grabbeigaben und durch Rückstände auf dem Verbrennungsplatz im Rietle gut nachvollziehen. Einheimischer Schmuck und Keramik wurden sukzessive durch römische Gegenstände ersetzt. Mauerbefunde weisen auf eine grössere römische Siedlung unter dem Ortskern von Balzers hin, deren ursprüngliche Ausdehnung unbekannt ist. Ob es sich dabei um den in der Peutinger’schen Tafel verzeichneten Magia handelt, muss offen bleiben. Die ersten Steingebäude dürften wahrscheinlich an der Wende vom 1. zum 2. Jahrhundert n.Chr. errichtet worden sein. Die Blütezeit dauerte vom 2. bis zum Beginn des 4. Jahrhunderts. Ab der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts wurden die Gebäude verlassen. Zahlreiche Funde (Terra sigillata, Münzen, Schmuck, Glas) geben Einblick in Handelsverbindungen zu verschiedenen römischen Provinzen. Der Handel wurde sicherlich durch die Lage an einer wichtigen Fernhandelsroute erleichtert. Die Funde zeichnen auch ein Bild der raschen Romanisierung und eines gewissen Wohlstands der einheimischen Bevölkerung. Mauerreste und eine grosse Menge von Einzelfunden am Gutenberghügel belegen auch an dieser Stelle eine ständige römische Präsenz vom 1. bis 4. Jahrhundert n.Chr. Trotz der zahlreichen Siedlungsspuren sind bisher nur zwei Gräber des 4. Jahrhunderts mit Beigaben entdeckt worden.
Im Frühmittelalter war Balzers der südlichste Punkt der Einwanderung von Alamannen ins Alpenrheintal. Auf der Kuppe des Runda Böchels bestatteten alamannische Sippen am Ende des 7. und im 8. Jahrhundert ihre Toten jeweils in eigenen Grabbezirken. Die wenigen Beigaben deuten auf intensive Beziehungen zu Oberitalien hin. Im churrätischen Reichsgutsurbar von 842/43 werden für Balzers zwei Kirchen genannt. Eine davon war möglicherweise die heute abgegangene Kapelle St. Donatus auf Gutenberg. Im Friedhof rund um die Kapelle und im Schlossgarten wurden mehr als 300 Gräber dokumentiert. Da die meisten Bestatteten keine Beigaben aufwiesen, ist ihre zeitliche Einordnung schwierig. Wahrscheinlich wurde der Friedhof vom 8./9. Jahrhundert bis zum Bau der Burg (12./13. Jahrhundert) belegt.
Durch Erbteilungen im Haus Montfort entstanden im 13./14. Jahrhundert die Grafschaften Werdenberg, Sargans und schliesslich Vaduz. In den Auseinandersetzungen zwischen den verwandten Grafengeschlechtern kam es am 5.1.1289 «in der Au» bei Balzers zu einem Gefecht zwischen dem Churer Bischof Friedrich von Montfort, einem Gegner König Rudolfs von Habsburg, und den königstreuen Grafen von Werdenberg.
1416 kam die Grafschaft Vaduz an die Herren von Brandis. Im Alten Zürichkrieg überquerten die Eidgenossen am 5.2.1445 den Rhein, plünderten Balzers und steckten Häuser in Brand. Nach dem Chronisten Aegidius Tschudi wurde auch Gutenberg niedergebrannt. Noch mehr zu leiden hatte die Bevölkerung im Schwabenkrieg 1499. Nach Angaben der eidgenössischen Chronisten löste am 4.2.1499 die Verhöhnung der eidgenössischen Truppen durch die schwäbischen Landsknechte auf Gutenberg die kriegerischen Handlungen aus. Die Eidgenossen belagerten die Burg Gutenberg mit mehreren 1000 Mann, doch gelang es ihnen nicht, diese einzunehmen. Sie plünderten Balzers, brannten Häuser ab und raubten Vieh. Die kaiserlichen Landsknechte zogen auf dem Weg nach Graubünden durch Balzers, schleppten Krankheiten ein und nahmen sich, was sie brauchten. Die Kriegsereignisse brachten den Handel zum Erliegen.
Das churrätische Reichsgutsurbar (vermutlich um 842/43) erwähnt zwei königliche Fronhöfe in und . Mit ist Balzers gemeint; ob mit Mäls (FL) oder (eher) Mels (SG) gemeint ist, muss offen bleiben. Zu den Fronhöfen gehörten einerseits sogenanntes Salland, das vom Lehensträger in Eigenwirtschaft genutzt bzw. durch unfreie Hofhörige bewirtschaftet wurde, andererseits Huben oder Mansen, die abhängigen Bauernfamilien gegen die Leistung von Abgaben und Frondiensten überlassen wurden. Der Hof war einem Palduin verliehen. Er umfasste 100 Juchart Ackerland, Wiesland für 100 Heufuder und Weinberge für zehn Fuder. Weiter gehörten dazu vier Huben, zwei Alpen, zwei Mühlen, ein Wald und zwei Eigenkirchen mit Zehntrecht. Zum Hof Meilis gehörten 133 Juchart Ackerland, Wiesland für 160 Fuder, Weinberge für 20 Fuder, drei Alpen, eine Mühle, neun Huben, ein Wald für 100 Schweine, ein Fischteich und eine Reuse. Lehensträger war ein Adamar. Die Erwähnung von Mühlen zeigt die starke Verbreitung des Getreidebaus (wohl v.a. Dinkel und Gerste). Der königliche Besitz in Balzers ist wohl ein Hinweis auf die wichtige verkehrspolitische Lage. Sprachgeschichtlich ist für das Frühmittelalter von einer Zweisprachigkeit (deutsch-romanisch) auszugehen; erst um 1300 erreichte die deutsche Sprachgrenze die St. Luzisteig. Die genannten Lehensträger tragen deutsche Namen, was darauf hinweisen könnte, dass die Oberschicht alamannisch war. Aus der Deutung der alträtoromanischen Flurnamen durch die Flurnamenforschung kann geschlossen werden, dass im Frühmittelalter Wälder gerodet und die Kulturflächen auch in Randlagen erweitert wurden.
Eine wichtige Konstante der Geschichte von Balzers war die Zugehörigkeit zum Bistum Chur vom 4. Jahrhundert bis zur Bildung des Erzbistums Vaduz 1997. 1208 bestätigte Papst Innozenz III. dem Prämonstratenserkloster Churwalden den Besitz von Höfen in Balzers (mit Weingarten) und in Selvaplana (heute Lang Wesa zwischen Balzers und Triesen). Papst Honorius III. bestätigte dem Kloster 1222 diesen Besitz erneut. 1278 verkaufte ein Rudolf Balvus die Hälfte seines Hofs in Balzers, den er vom Kloster Churwalden zu Lehen hatte.
1305 tauschte das Kloster Churwalden mit Heinrich von Frauenberg die Kapelle in Balzers gegen das Patronatsrecht der Kirche in Felsberg (GR). Bischof Siegfried von Chur bestätigte diesen Tausch und erhob die Kapelle zur Pfarrkirche von Balzers (→Pfarrkirche St. Nikolaus). Die Patronatsrechte der Pfarrei Balzers kamen 1314 zusammen mit Gutenberg an das Haus Habsburg. Neben Churwalden hatten hier auch die Klöster Sankt Luzi und Pfäfers Rechte und Besitz.
Die Kapelle St. Peter und der Wohnturm in Mäls dürften zu einem Hof gehört haben und um 1300 errichtet worden sein. St. Peter war vermutlich eine adelige Eigenkirche, da der ursprüngliche Bau für eine Pfarrkirche zu klein war. Die Kapelle Maria-Hilf wurde einer unbelegten Überlieferung zufolge zum Andenken an die «Schlacht in der Au» (1289) errichtet. Archäologen zweifeln an dieser Version, da die ältesten Bauteile aus dem frühen 16. Jahrhundert stammen.
Die Entstehung der Burg Gutenberg kann man sich als Erweiterung der älteren Kapelle vorstellen. Die ältesten Teile der Burg (Ringmauer) entstanden vermutlich um 1200. In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts war Gutenberg wahrscheinlich im Besitz der Herren von Frauenberg, die hauptsächlich in Ruschein (GR) und Felsberg begütert waren und um 1300 ihren Wohnsitz nach Gutenberg verlegten. Der Name wird mit dem Geschlecht der Herren von Gutenberg in Verbindung gebracht, die als Dienstmannen der Frauenberg auf der Burg gewesen sein sollen, wofür es aber keine schriftlichen Quellen gibt.
Nach dem Tod Heinrichs von Frauenberg (kurz nach 1305) stritten sich die Herzöge von Österreich und die Grafen von Werdenberg-Heiligenberg um den Frauenberger Besitz. 1314 kam es zu einer Einigung, wobei die Burg Gutenberg an Habsburg ging und der Frauenberger Besitz in Graubünden an die Werdenberger. Habsburg behielt Gutenberg bis zum Verkauf an Balzers (1824), lediglich in der Rheinbundzeit 1806–13 gehörte Gutenberg kurz zu Bayern. Die Burghut war ab 1470 der Familie Ramschwag übertragen. Für Habsburg wurde die Burg als Vorposten auf dem Weg zu den Drei Bünden interessant. Für Balzers hatte dies zur Folge, dass immer wieder fremde Truppen durch das Dorf zogen oder dort einquartiert wurden. Rechtlich beanspruchten die Burgherren eine Sonderstellung, behaupteten sie doch für die Burg und die Burghalde die hohe und die niedere Gerichtsbarkeit. Mit der Gemeinde Balzers gerieten sie wiederholt in Konflikt wegen ihrer Wuhrpflicht und dem Weide- und Alpnutzen.
Der zur Burg gehörende Güterbesitz bestand aus etwa sieben Höfen, die als Erblehen ausgegeben wurden. Das bekannteste Lehen (und das einzige, das sich über das 16. Jahrhundert hinaus erhalten hat) war das Wolfinger-Lehen, das Herzog Sigmund von Österreich 1464 an Welti Wolfinger verlieh. Dieses Lehen wurde den Nachkommen immer wieder bestätigt und ging 1889 durch Kauf an die Familie Wolfinger über. Neben dem Haus Habsburg tauchen in den Quellen ab dem 14. Jahrhundert keine bedeutenden Grundherren mehr auf, auch wenn einzelne Abgaben an Kirchen oder Klöster geleistet wurden. Auch die Landesherren bezogen aus Balzers nur geringe Einkünfte. Im Brandisischen Urbar (um 1509/17) werden für Balzers nur landesherrliche Einkünfte aus einer Taverne, einer Mühle, von der Alp Gapfahl und einem Weinberg erwähnt.
Zur Geschichte der zwischen Gutenberg und der St. Luzisteig gelegenen Burg Grafenberg, im Volksmund Mörderburg, sind keine schriftlichen Unterlagen vorhanden. Sie dürfte im 13. Jahrhundert entstanden sein. Vermutlich bestand ein Zusammenhang mit der Letzi (Talsperre), die vom Fuss des Burghügels zum gegenüberliegenden Guschnerberg lief. Brandschutt im Gebäude weist darauf hin, dass die Burg abbrannte; sie dürfte im frühen 16. Jahrhundert bereits zerstört gewesen sein.
Die Grafen von Sulz, seit 1510 im Besitz der Grafschaft Vaduz, verhinderten das Übergreifen des deutschen Bauernkriegs und der Reformation auf Vaduz und Schellenberg; Heiraten mit Protestanten wurden verboten. Als Wortführer der renitenten Bauern in der Grafschaft Vaduz gilt der Balzner Wirt Jörg Pargant. 1525 sollen viele Leute aus Balzers die Predigten des reformierten Pfarrers Ulrich Bolt in Fläsch (GR) besucht haben.
1613 verkauften die Grafen von Sulz Vaduz und Schellenberg an die Grafen von Hohenems. Während der Bündner Wirren (1603–39) kam es auf der St. Luzisteig wiederholt zu Kämpfen. Zu Beginn des Dreissigjährigen Kriegs (1618–48) drangen österreichische Truppen dreimal nach Graubünden ein (1621, 1623–24 und 1629–31). Wiederholt zogen Tausende von österreichischen Soldaten durch Balzers. Die Besatzung auf Gutenberg wurde verstärkt. Besonders hart traf es die Gemeinde 1622 während des Prättigauer Aufstands: Ein Balzner namens Anton Sparr soll im Mai den Österreichern den Weg über den Fläscherberg nach Fläsch gezeigt haben, das überfallen und niedergebrannt wurde. Im Gegenzug plünderten die Bündner Balzers und stahlen das Vieh in den Alpen Gapfahl, Valüna (Triesen) und Gritsch (Schaan). Zu den Plünderungen und Truppeneinquartierungen kamen eingeschleppte Krankheiten (1622 Typhus, 1629/39 Pest). 1647 streiften schwedische Truppen bis Gutenberg und erpressten von den Landschaften Vaduz und Schellenberg eine Brandschatzung von 8000 Talern.
Die Hexenverfolgungen (16. Jahrhundert bis 1680) hatten in Balzers nicht die gleiche Intensität wie in den meisten anderen liechtensteinischen Gemeinden. Gegen vier Personen wurde eine Untersuchung eingeleitet, Hinrichtungen sind nicht belegt.
Im 18. Jahrhundert verlor Gutenberg seine militärische Bedeutung als Grenzfestung. 1746 gaben die Freiherren von Ramschwag ihr Lehensrecht an der Burg an die Habsburger zurück. 1748 wurde die Burg dem Zerfall überlassen. Die zu Gutenberg gehörenden Güter pachtete ab 1755 die Gemeinde Balzers (mit Ausnahme des Wolfinger-Lehens).
Bis 1808 bildeten die beiden Landschaften Vaduz und Schellenberg eigene Gerichtsgemeinden, deren wichtigste Kompetenz die Mitwirkung an der Rechtsprechung war. Eine Ebene darunter bestanden die Nachbarschaften, die relativ autonome Nutzungsgenossenschaften bildeten. In Balzers können demokratische Entscheidungsprozesse auf Gemeindeebene nachgewiesen werden. So entschieden die Genossen über die Nutzung des gemeinsamen Besitzes (Weiden, Wald, Alpen), den Bau und Unterhalt von Wuhren und die Zugehörigkeit zum Genossenschaftsverband. Die Aufnahme wurde durch hohe Einkaufstaxen erschwert. Seit dem 16. Jahrhundert wurden die Nachbarschaften immer häufiger als Gemeinden bezeichnet. Der Richter und die Geschworenen (in Balzers meist fünf) wurden gewählt. Sie übten vor allem ortspolizeiliche Funktionen aus (Aufbieten zu Gemeindefronen, Verfolgen von Freveln, Erhalten von Weg und Steg, Schützen von Wald und Feld, Setzen von Marken, Fernhalten von «fremdem Gesindel» etc.). Besondere Verantwortung kam den Wuhrgeschworenen zu, die bei einer Vernachlässigung ihrer Pflichten für Schaden hafteten. Als Autoritäten galten auch der jeweilige Landammann (falls er aus der Gemeinde war), die zwei auf Lebenszeit bestimmten Gerichtsbeisitzer sowie der Schlosshauptmann und der Schlossleutnant. Inwiefern die Gemeinde soziale Aufgaben erfüllte, lässt sich im Einzelnen nicht mehr überprüfen. Ein «Spend»- oder Armenvogt wird nur selten erwähnt. 1682–89 sind Hebammen nachweisbar, die von der Gemeinde 6 Gulden pro Jahr erhielten. Balzers und Mäls traten nach aussen als eine Gemeinde auf (so etwa in den zahlreichen Grenzstreitigkeiten). Gestärkt wurde die Einheit vor allem durch die Zugehörigkeit zum gleichen Kirchspiel (Pfarrei). Die Dienstinstruktion von 1719, durch die das Land nach dem Übergang an die Fürsten von Liechtenstein neu in sechs Ämter (eines davon Balzers und Mäls) eingeteilt wurde, bewirkte in Balzers keine sichtbaren Veränderungen.
1687 ist ein «Gemeinds-Brief» bzw. eine Gemeindeordnung belegt, die jedoch nicht erhalten ist. 1708 erneuerten 42 Bürger von Balzers und «Kleinmels» (Mäls) einhellig die alte Gemeindeordnung. Die wesentlichen Punkte waren: Eine Witwe erhielt eine halbe, wenn ein mindestens 15-jähriger Sohn bei ihr lebte, eine ganze Gemeindsteilung. Was einer an Pferden und Vieh ab eigenem Gut überwinterte, durfte er auf die Atzung (gemeinsame Weiden) treiben. Die «Mähnen» (Pferdegespanne) mussten für das Gemeinwerk (Wuhren) und Fronen eingesetzt werden. Eine auswärtige Ehefrau aus dem Inland musste mit 50 Gulden, eine aus dem Ausland mit 100 Gulden eingekauft werden. Ab 1693 galt eine einheitliche «Weibereinkaufstaxe» von 100 Gulden. Wer seinen Pflichten nicht nachkam, verlor den Gemeindenutzen.
Im «Gemeindts-Buoch» wurden die wichtigsten Geschäfte (Ausgaben und Einnahmen, Käufe der Gemeinde etc.) notiert. Erhalten ist das Buch für die Jahre 1656–1777. In der Regel kostete eine Einbürgerung die hohe Summe von 200–300 Gulden. Dies war für die notorisch an Geldknappheit leidende Gemeinde, die auch öfters Boden verkaufte, viel Geld. Mehrere Belege zeigen, dass über Einbürgerungen abgestimmt wurde.
Die wichtigsten Urkunden aus dem 16. und 17. Jahrhundert im Gemeindearchiv betreffen Konflikte mit den Nachbarn um Gemeinde- und Nutzungsgrenzen. Im Süden stimmten die Nutzungsgrenzen nicht mit den Grafschaftsgrenzen überein. Für die Herrschaftsrechte wird bereits 1355 und 1394 Sankt Katrinabrunna als Grenzpunkt genannt. 1463 wird bei St. Katrinabrunna ein Landgraben (Grenzgraben) erwähnt, 1499 die Letzi (Grenzbefestigung) auf der Höhe der Mörderburg. Beim Verkauf der Herrschaft Maienfeld an die Drei Bünde (1509) hielten sich die Freiherren von Brandis an diesen Grenzverlauf. Ab 1622 wurden die Befestigungsanlagen an der heutigen Stelle errichtet. 1632 und 1735 wurden bei St. Katrinabrunna Grenzsteine gesetzt. Der Verlauf der Herrschaftsgrenze war zum grössten Teil klar umschrieben und unstrittig. Die Nutzungsgrenzen gegenüber Maienfeld und Fläsch verliefen deutlich südlich der Herrschaftsgrenze. Um deren Verlauf festzulegen, wurden an markanten Steinen Zeichen oder das sogenannte Balzner Förggle (Gemeindezeichen in Gabelform) eingeritzt. Zu Grenzstreitigkeiten mit Fläsch, Maienfeld und Guscha kam es unter anderem 1389, 1463, 1503, 1505, 1507, 1594, 1610 und 1661.
Im Westen bildete der Rhein die Grenze, doch war der genaue Verlauf des teils in mehreren Armen fliessenden Rheins umstritten. Zum Streit kam es v.a. wegen der verbotenen Schupfwuhre, mit denen das Wasser auf die andere Seite gerichtet wurde. Erlaubt waren nur parallel zur Flussrichtung stehende Streichwuhre und auch dies nur bis zu einer bestimmten Länge. Bis zur Rheinregulierung im 19. Jahrhundert wurde der Rheinverlauf durch sogenannte Hintermarken (Grenzsteine), die in einem festgesetzten Abstand zum Rhein aufgestellt wurden, festgelegt. Grenz- und Wuhrstreitigkeiten mit Wartau sind von 1471 bis 1861 zahlreich belegt. Mit Sargans kam es 1509, 1654, 1756–62 und 1818–20 zu Grenzkonflikten am Freiaberg.
Mit Triesen stritt Balzers zwischen 1440 und 1762/63 v.a. über den Grenzverlauf im Gebiet Selvaplana (Lang Wesa) und 1440–1769/70 in den Alpen Gapfahl und Valüna. Ebenso kam es zu Grenzkonflikten am Rhein und im Gebiet des Mittagsspitz, wo die letzten Streitfragen 1888 geklärt wurden.
Für das Mittelalter lassen sich keine exakten Aussagen über den Siedlungsraum machen. Die ältesten Bauten im Ortsteil Höfle (1795 und 2001 abgebrannt) gingen ins 14. Jahrhundert zurück; An- und Umbauten wurden in das 16.–18. Jahrhundert datiert. Ebenfalls aus dem 16. Jahrhundert stammen die ältesten Bauten auf der Pralawisch. Die ältesten Karten von Balzers – der «Plan von dem Bergschlos Guttenberg» (1750), die Kolleffel-Karte (1756) und der «Situationsplan der Brandstätte» zu Balzers (1796) – zeigen dasselbe Bild: Entlang der Landstrasse standen die Wohnhäuser, zurückversetzt die Ställe und Scheunen. Wohnbauten gab es auch im Winkel, im Gässle und auf der Pralawisch. Etwas abseits vom Dorf lag die Mühle. Mäls ist als Haufendorf mit der Kapelle St. Peter als Zentrum dargestellt. Einzelne Bauten gab es im Bereich Runda Böchel/Talezze. Das seit etwa 1750 bestehende Hausbauverbot behinderte – auch wenn nicht konsequent eingehalten – die Entwicklung der Siedlung. In der Landesbeschreibung von 1784 heisst es, dass trotz grossem Mangel an Häusern in Balzers niemand bauen dürfe. Am 22.10.1795 brannten bei starkem Föhn Kirche, Pfarrhof und 34 Wohngebäude samt Stallungen nördlich des Gasthofs «Post» ab. Drei Menschen fanden den Tod.
Der Bau der alten Pfarrkirche ist möglicherweise ins Mittelalter zu datieren. Das alte Pfarrhaus entstand in den Jahren 1733–39. 1707 wurde eine Frühmesspfründe (Kaplanei) errichtet. Patrone der Pfarrkirche waren neben der Jungfrau Maria der hl. Nikolaus, Schutzheiliger der Kaufleute, und der Pestheilige Sebastian. Die Volkskultur war weitgehend von katholischen Bräuchen (Wallfahrten, Prozessionen, Segnungen etc.) und Festen geprägt. Die Pfarrkirche (mit der ab 1639 belegten Kirchenuhr und der Kirchenglocke) gab Orientierung im Tagesablauf wie auch im ganzen Leben. Der Förderung der Volksfrömmigkeit und dem Gewinnen von Ablässen widmeten sich die Rosenkranz-Bruderschaft (gegründet 1627), die St.-Anna-Bruderschaft (17. Jahrhundert) und die Maria-Hilf-Bruderschaft (1736). Zumindest in die letztgenannte wurden sowohl Männer wie Frauen gegen eine Zahlung in den Kapellenfonds aufgenommen. Die Pfarrei finanzierte sich durch die Pfründen, den Zehnten und fromme Stiftungen. Zum Seelenheil Verstorbener wurden Jahrzeiten gestiftet.
In einem Steuerbuch von 1584 («Legerbuch») sind 77 Steuerpflichtige (inkl. Gemeinde und Kirche) aufgeführt. Unter der Annahme, dass die 75 Wohnhäuser durchschnittlich von sechs Personen bewohnt waren, ergibt sich eine Einwohnerzahl von etwa 450. Zwei Drittel hatten ein steuerbares Vermögen von weniger als 300 Gulden, was die Einbürgerungstaxen von 200–300 Gulden als exorbitant erscheinen lässt. Um 1600 wird die Einwohnerzahl von Balzers auf 460 geschätzt. Im Dreissigjährigen Krieg (1618–48) ist die Bevölkerung sicher nicht gewachsen. Die Jahrzehnte danach waren von einem starken Bevölkerungswachstum geprägt. An der Huldigung von 1718 nahmen 101 «haushäbliche» Männer aus Balzers teil; aufgrund dieser Angabe kann die Einwohnerzahl auf über 600 Personen geschätzt werden. Die Auszählung der Taufen und Todesfälle in den Pfarrbüchern ergibt für 1730 etwa 650 Einwohner. 1730–72 ging die Einwohnerzahl dann wegen häufiger Epidemien und Hungerkrisen deutlich zurück (jährliche Wachstumsrate 1730–70: –0,4 %). Nach der grossen Hungersnot von 1771/72 (1771: 68 Todesfälle bzw. 13,6 % der Einwohner) hatte Balzers noch etwa 500 Einwohner. 1773 setzte wieder ein starkes Bevölkerungswachstum ein, sodass Balzers 1795 etwa 690 Einwohner aufwies (Wachstumsrate 1772–95: 1,4 %).
Die Migration war – auch bedingt durch die obrigkeitlichen Auswanderungshindernisse – gering. Das wenige vorhandene Zahlenmaterial zeigt, dass die Auswanderung die Einwanderung insgesamt überwog. In den Jahren 1659–1708 werden 29 ausgewanderte Personen genannt. Diesen stehen für die Jahre 1656–1767 (in einem mehr als doppelt so langen Zeitraum) 14 Einbürgerungen gegenüber. 1695–1777 sind ausserdem 19 Fraueneinkäufe registriert. Während bei den Eingebürgerten keine Frauen aufscheinen (ausgenommen die eingeheirateten), waren von den Ausgewanderten etwa die Hälfte Frauen. Als Gründe für die Auswanderung von Frauen werden u.a. Heirat oder Eintritt in ein Kloster genannt. Die Zahl der Hintersassen war klein; im Geschworenenbuch 1820 und 1823 werden lediglich sieben erwähnt, die meisten aus anderen liechtensteinischen Gemeinden. Bei den Männern waren die fremden Dienste eine wichtige Form der vorübergehenden Auswanderung. Die lange Liste von 53 Männern aus Balzers, die 1728–1836 im Solddienst verstarben, zeigt, dass dies kein Randphänomen war. Verdingte sich ein Balzner als Söldner, musste er für die Gemeindefrondienste Ersatz bieten oder er verlor den Anspruch auf den Gemeindenutzen.
Erwerbsmöglichkeiten bestanden ausschliesslich in der Landwirtschaft und im Rodverkehr (→Transportwesen). Die Landwirtschaft wurde extensiv betrieben, da die Düngung aufwendig und auf den «Gemeinheiten» (Gemeindegüter/Allmende) nicht erlaubt war. Wiederholt beschloss die Gemeinde, Gemeindeboden aufzuteilen und zur Nutzung an die Bürger auszugeben: 1682 am «langen Giessen» und in der Oberau, 1693 im Neugrüt, 1753 im Riet. Die eingefriedeten Teile sind in der Kolleffel-Karte von 1756 eingezeichnet. Der Weinbau ist seit dem Mittelalter belegt. Im Sulzisch-Hohenemsischen Urbar (1617/19) wird ein neuer Torkel «ob dem neuen Weinberg» erwähnt (wohl der noch bestehende Torkel an der Obergasse). Der Weinbau dürfte also im frühen 17. Jahrhundert intensiviert worden sein. Durch Wuhrbauten wurde dem Rhein Boden abgerungen. Auf dem so gewonnenen Boden kam es 1719–21 wegen des Neugereutzinses zu Auseinandersetzungen mit der Landesherrschaft (→Novalzehntstreit). 1743 brach der Rhein in die untere Au ein. Die Wuhrmeister wurden wegen Vernachlässigung der Wuhre zur Verantwortung gezogen und gebüsst. Das Anpflanzen von Obstbäumen wie auch das Bekämpfen von Schädlingen (Maulwürfen, Nattern) wurde von der Gemeinde gefördert. Zahlreiche Schuldbriefe zeigen, dass Balzner von Bündnern Darlehen erhielten. 1755 bewilligte Fürst Josef Wenzel den Balznern das Zugrecht: Wenn Fremde in Balzers Boden erwarben, bekamen die Balzner das Recht, diesen zum Schätzwert zurückzukaufen. Nach Auseinandersetzungen mit den Bündner Gläubigern wurde dieses Recht 1774 auf Güter eingeschränkt, die nach 1755 verkauft worden waren.
Die Alpen wurden schon im Mittelalter bewirtschaftet. Gapfahl war bereits 1440 im Besitz des Kirchspiels Balzers 1486–1503 besass die Gemeinde Alprechte in der Alp Laftina im Weisstannental (SG), was das gewachsene Interesse an Alpen zeigt. Aus einem Rechtsstreit mit Frastanz (1693–1704) geht hervor, dass Guschgfiel und Matta im 17. Jahrhundert im Besitz von Frastanz und Altenstadt (bei Feldkirch) waren, während das Güschgle noch vor 1618 von Mäls erworben wurde. 1704 kaufte Mäls 40 Kuhweiden auf Guschgfiel. 1717 befanden sich dann die drei Alpen im Besitz von Balzers und Mäls. Aus dem Jahr 1781 ist ein Alpstatut der Alpgenossenschaft Balzers erhalten – die Separierung der beiden Alpgenossenschaften Balzers und Mäls muss also bereits früher erfolgt sein.
Das Rodfuhrwesen war neben der Landwirtschaft die wichtigste Einnahmequelle. 1388 gab Graf Donat von Toggenburg den Kaufleuten von Mailand und Como Zusicherungen über die Höhe der Zölle und der Fuhrkosten auf der Strecke Balzers–Chur. Auch eine Regelung von 1390 betreffend die zu entrichtenden Abgaben belegt, dass Balzers eine wichtige Station war. Im «Kaufhaus» (Umlade- und Lagerplatz für die Waren sowie Zollstätte im Ortszentrum) musste die Ware umgeladen werden, ausgenommen waren Strackfuhren. Die Leute von Balzers hatten das Recht zum Transport aller Handelswaren von Balzers nach Maienfeld. Am Transport beteiligen durfte sich grundsätzlich jeder Gemeindebürger, der eine eigene «Mähne» hatte (d.h. ein Pferdegespann mit mindestens zwei Pferden). Die Berechtigungen waren nach dem steuerbaren Vermögen abgestuft. Wer nur ein Pferd hatte, musste sich mit einem anderen zusammentun. Der Hausmeister (oder Teiler) wurde von den Bürgern gewählt. Er kontrollierte den Rodverkehr und zog die Gebühren ein. In Balzers standen an der Landstrasse vier Gasthäuser («Adler», «Engel», «Hirschen» und «Rössle», das wohl im 18. Jahrhundert in «Post» umbenannt wurde). Bei dreien befand sich eine «Zuschg».
Die Landesbeschreibung von 1784 erwähnt in Balzers fünf Wirte, eine Mühle mit einer Säge, einen Schmied und einen Wagner. Im Zusammenhang mit Bauarbeiten auf Gutenberg wurden im 16. Jahrhundert Zimmerleute erwähnt. Wegen des Hausbauverbots hatte das Baugewerbe kaum Bedeutung. Ein Handwerk allein bot keine Existenzgrundlage.
Im 2. Koalitionskrieg überschritten französische Truppen 1799 bei Balzers den Rhein und eroberten die St. Luzisteig. Sie lagerten 20 Tage in Balzers. Als den Franzosen die Einnahme von Feldkirch nicht gelang, zogen sie sich zurück, kamen aber bereits im folgenden Jahr wieder. Im Oktober 1799 zogen die geschlagenen russischen Truppen unter General Suworow nach ihrem Alpenfeldzug durch Balzers. Die Bevölkerung litt unter dem Krieg, den erzwungenen Materiallieferungen und Fuhrdiensten.
1848/49 griff der Geist der Revolution auch auf Liechtenstein über. Ein «Revolutionszug», angeleitet vom «Trümmele Hans» (Hans Wolfinger) aus Balzers, stellte den verhassten Beamten Johann Langer über die Landesgrenze. Nach dem Zollanschluss an Österreich (1852) wurden bei St. Katrinabrunna und an der Rheinfähre (bzw. ab 1871 an der Rheinbrücke) österreichische Finanzbeamte zur Grenzkontrolle stationiert (→Zollwesen). Das Zollamt befand sich in dem 1853 vom «Post»-Wirt Franz Wolfinger erbauten «Amtshaus».
Eine Jahrhundertleistung war der Bau der Hochwuhre am Rhein (→Wuhrsysteme). Durch den Rheinkorrektionsvertrag von 1847 zwischen Liechtenstein und dem Kanton St. Gallen wurden die alten Wuhrbriefe zwischen den Gemeinden aufgehoben und der Grenzverlauf reguliert. Bau und Unterhalt der Wuhre blieben vorerst Gemeindeaufgaben und wurden in Fronarbeit geleistet. Beim Hochwasser von 1868 kam es in Balzers zu einem Rheineinbruch. Überschwemmt wurden das Gebiet vom Mölesträssle bis zur Gemeindegrenze Triesen sowie Häuser im Bereich Plattabach/Winkel. Das Hochwasser von 1868 führte zu einer stärkeren Subventionierung der Wuhrbauten durch das Land. Die Fertigstellung der Hochwuhre dauerte noch Jahrzehnte.