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Ab etwa 1975 wurde die Architektur der Moderne teils durch die auf bildliches Formenspiel ausgerichtete Architektur der Postmoderne abgelöst: Genannt seien als späte Beispiele hierfür die Centrum Bank Vaduz (2003) von Hans Hollein (*1934, Wien) und das Landtagsgebäude (2008) von Hansjörg Göritz (*1959).
Architektur: Erste Zeugen hoch entwickelter Baukunst in Liechtenstein bilden die römischen Villen in Nendeln und Schaanwald sowie das römische Kastell in Schaan. Es folgten u.a. im Frühmittelalter ein Gutshof auf dem Kirchhügel Bendern, im Hoch- und Spätmittelalter mehrere Burgen und Wohntürme. Die Kirchen der Romanik und Gotik wurden im 19. und frühen 20. Jahrhundert durchweg durch Neubauten des Klassizismus und Historismus ersetzt, die Kapellen blieben teilweise erhalten. Neben einigen Gasthäusern (→ Gastgewerbe) und einzelnen repräsentativen Verwaltungs- und Wohngebäuden wie dem Verweserhaus (16. Jahrhundert) oder dem barocken Gamanderhof prägten ansonsten in handwerklicher Tradition errichtete Bauernhäuser bis um 1850 das Siedlungsbild fast völlig. Dieses bescheidene architektonische Erbe entspricht den sozioökonomischen Voraussetzungen eines peripheren, ärmlichen Landes ohne Städte und Bürgertum.
Der gesellschaftliche Aufbruch, der sich ab der Mitte des 19. Jahrhunderts etwa in einem gewandelten Staatsverständnis, im wirtschaftlichen Umbruch der Industrialisierung und im (ansatzweisen) Entstehen eines Bürgertums (Beamte, Ärzte, Lehrer, Fabrikanten) zeigte, brachte neue Bauaufgaben mit sich: Nun entstanden klassizistisch-historistisch geprägte Schulbauten und Verwaltungsgebäude (z.B. die Zollhäuser in Nendeln und Balzers), Fabrikbauten und Arbeiterwohnhäuser, Fabrikanten- und Arztvillen, Bahnhofsgebäude (→ Eisenbahn) und Kurhäuser, im 20. Jahrhundert auch Gemeinde- und Rathäuser. Nach 1900 fasste der Heimatstil Fuss, ab etwa 1925 die Architektur der Moderne (und ab etwa 1975 auch der Postmoderne), die sich ausser in Wohnbauten v.a. in Bauten der öffentlichen Hand und der aufstrebenden Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft ausdrückte (Banken etc.).
Bis Mitte des 20. Jahrhunderts erfolgte die Planungstätigkeit für gehobene Bauaufgaben vorwiegend durch ausländische Ingenieure und Architekten, ansonsten durch heimische Baumeister. Erst danach wurde auch im Wohnungsbau die Planung durch professionelle, meist inländische Architekten zur Regel. Sie erhielten ihre Ausbildung zunächst an ausländischen Fach- und Hochschulen, v.a. in der Schweiz, Deutschland und Österreich. Seit 1963 ist das Architekturstudium in Liechtenstein möglich (→ Universität Liechtenstein). 1967 erfolgte die Gründung der Liechtensteinischen Ingenieur- und Architektenvereinigung (LIA). Von mehr als 100 1954–2000 von der öffentlichen Hand durchgeführten, international ausgeschriebenen Architekturwettbewerben gingen Impulse für ein qualitativ hochstehendes Bauen aus. Dennoch zeigt die liechtensteinische Architekturlandschaft bei starker Zersiedelung eine insgesamt oft anspruchslose und wenig kohärente, vom rustikalen Einfamilienhaus bis zum sachlich-modernen Wohnblock reichende Bebauung.
Archive: Archive sichern die dokumentarische Überlieferung zur Tätigkeit des Staats, von Organisationen oder Personen. Ihre Aufgabe ist es, die Unterlagen zu bewerten, das Wertvolle zu erschliessen und langfristig zu erhalten. Die wichtigsten Bewertungskriterien in öffentlichen Archiven sind die Nachvollziehbarkeit der Tätigkeit der öffentlichen Organe (Schaffung von Transparenz), die Relevanz für die Forschung und die Sicherung von Rechten. Archive leisten einen Beitrag zur Identitätsbildung und zur demokratischen Entwicklung der Gesellschaft.
Die öffentlichen Archive in Liechtenstein (Landesarchiv und Gemeindearchive) sind nach den Bestimmungen des Archivgesetzes von 1997 öffentlich zugänglich, wobei Sperrfristen von 30 (für Sachakten) bzw. 80 Jahren (für schützenswerte Personendaten) bestehen.
Bis zur Schaffung des Liechtensteinischen Landesarchivs als eigenes Amt und zentrales Archiv für das gesamte staatliche Schriftgut 1961 war jede Behörde für die Aufbewahrung ihres Schriftguts selbst verantwortlich, was teilweise zu grossen Verlusten in der Überlieferung führte. 1961–2001 wurde das Landesarchiv mit der Liechtensteinischen Landesbibliothek in Personalunion geführt. Alle Bestände des Landesarchivs sind nach der Herkunft geordnet (Provenienzprinzip) und gut erschlossen. Sie reichen vereinzelt ins Spätmittelalter zurück, doch haben die wiederholten Wechsel der Landesherrschaft dazu geführt, dass viele Unterlagen verloren gingen. Das Landesarchiv archiviert in erster Linie die Unterlagen der staatlichen Behörden, hat aber auch den gesetzlichen Auftrag, Nachlässe sowie Unterlagen von Vereinen, Verbänden, Parteien und Firmen entgegenzunehmen. Weiter äufnet es eine Reihe von Sammlungen (Foto-, Film- und Tonsammlung, Presseausschnitte, Siegelabgüsse, Regesten, zeitgeschichtliche Dokumentation, Mikrofilme usw.). Schliesslich verwaltet es mehrere Pfarrarchive sowie seit 1988 das Josef Gabriel Rheinberger-Archiv (gegründet 1944). Im Gegensatz zu den Ablieferungen der staatlichen Stellen beruht die Abgabe von privaten Unterlagen an das Landesarchiv auf Freiwilligkeit (Schenkungen oder Leihgaben). In besonderen Fällen erwirbt das Landesarchiv Archivalien durch Kauf.
Die Gemeinden sind gemäss Archiv- und Gemeindegesetz verpflichtet, eigene Archive zu unterhalten. Die älteren, bis ins Spätmittelalter zurückreichenden Dokumente wurden in den meisten Gemeindearchiven von Fridolin Tschugmell verzeichnet; diese Ordnung wurde bei der Neuverzeichnung beibehalten. Mengenmässig fallen v.a. die seit dem letzten Drittel des 20. Jahrhunderts produzierten Unterlagen ins Gewicht; zu ihnen bestehen Aktenpläne. Die Gemeindearchive betreuen oft die Archive der Alpgenossenschaften, Nachlässe von Privatpersonen und Archive von Vereinen sowie einzelne Sammlungen (v.a. Fotos).
An kirchlichen Archiven sind v.a. die katholischen Pfarrarchive zu erwähnen, deren Urkundenbestände ebenfalls ins Spätmittelalter zurückreichen. Die historischen Unterlagen wurden von F. Tschugmell ein erstes Mal erfasst; sie befinden sich zum grössten Teil als Depots im Landesarchiv oder im betreffenden Gemeindearchiv. Das Archiv des ehemaligen Dekanats Liechtenstein wird im Landesarchiv aufbewahrt.
Von grossem kulturellem Wert ist das Hausarchiv der regierenden Fürsten von Liechtenstein. Dort sind Aufzeichnungen zur fürstlichen Familien- und Besitzgeschichte zu finden, aber auch wichtige Informationen zum Staat Liechtenstein. Es befindet sich zum grösseren Teil in Wien (Unterlagen zu den Herrschaften), zum kleineren Teil auf Schloss Vaduz (Urkunden, Handschriften, Unterlagen zur Familiengeschichte). Das Archiv der ehemaligen fürstlichen Domänenverwaltung in Vaduz befindet sich als Depot im Landesarchiv.
Die Familien- und Firmenarchive sind in der Regel nicht öffentlich zugänglich. Ein bedeutendes Privatarchiv ist dasjenige der Familie Rheinberger in Vaduz. Unternehmensarchive werden in der Regel wenig geschätzt und schlecht gepflegt.
Aufgrund der schlechten Überlieferung in Liechtenstein bis ins frühe 19. Jahrhundert sind für die historische Forschung ausländische Archive von besonderer Bedeutung, v.a. die Landes- bzw. Staatsarchive in Innsbruck, Bregenz, Wien, Bern, St. Gallen und Glarus, weiter die Adelsarchive Hohenems (in Bregenz) und Sulz (in Krumau, CZ) sowie das Archiv des ehemaligen Fürststifts Kempten (in Augsburg).
Archäologie: Die zu den Geisteswissenschaften gehörende Archäologie befasst sich im Gegensatz zur Geschichtswissenschaft (→ Historiografie) v.a. mit materiellen Sachgütern wie Gebäuden, Gräbern und alltäglichen Gebrauchsutensilien, anhand derer sie z.B. Arbeitsabläufe, Bestattungsrituale oder Migrationsprozesse rekonstruiert. Ihr Untersuchungszeitraum umfasst die Spanne vom ersten Auftreten des Menschen bis in die jüngste Geschichte. Das Alpenrheintal ist Teil eines seit der Jungsteinzeit bedeutenden Handelswegs zwischen dem süddeutschen Raum und Oberitalien. Diese Lage schlägt sich in Liechtenstein in reichen archäologischen Befunden von der Ur- und Frühgeschichte über das Mittelalter bis in die Neuzeit nieder.
Die Anfänge der archäologischen Erforschung Liechtensteins liegen im 19. Jahrhundert 1849 wurden in Schaan die Grundmauern eines römischen Kastells entdeckt und dokumentiert. In den 1860er Jahren glaubte der Vorarlberger Industrielle John Sholto Douglas, am Gupfenbühl in Mauren «Spuren von der Niederlassung des Bronzevolkes» entdeckt zu haben; in Triesen dokumentierte er Teile eines römischen Gebäudes. 1893–96 fand im Bereich der römischen Villa in Nendeln unter der Leitung des Bregenzer Archäologen Samuel Jenny die erste wissenschaftliche Grabung in Liechtenstein statt. Initiiert wurde sie durch Landesverweser Friedrich Stellwag von Carion, der selbst auf dem Areal des römischen Kastells in Schaan grub. Von Carion sammelte als Erster die gefundenen Objekte und legte für ein geplantes Museum ein Inventar an (→ Liechtensteinisches Landesmuseum). Die meisten Funde aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hingegen gelangten ins Ausland, vielfach an das Landesmuseum in Bregenz. 1888 wurde der Verkauf von «antiquarischen Funden» ins Ausland der Bewilligungspflicht unterstellt, Funde mussten fortan innerhalb von drei Tagen der Regierung gemeldet werden.
Mit dem Historischen Verein für das Fürstentum Liechtenstein (HVFL) entstand 1901 eine Institution, die besonders ab 1909 Zufallsfunde sammelte, eine wissenschaftliche Funddokumentation erstellte und wissenschaftliche Grabungen durchführte, erstmals in grösserem Umfang 1927–28 bei der römischen Badeanlage in Schaanwald. Bis zum Erlass des Denkmalschutzgesetzes 1944 betreute der HVFL die archäologischen Belange in Eigenregie, später im gesetzlichen Auftrag der Regierung. 1928–65 erlebte die Archäologie in Liechtenstein durch die Arbeiten von Adolf Hild, David Beck und Felix Marxer ihre erste Blüte. In dieser Zeit wurden, z.T. unter Beizug ausländischer Fachleute wie Benedikt Frei, Emil Vogt und Hans-Rudolf Sennhauser, die international bekannten prähistorischen Fundstellen auf dem Burghügel Gutenberg in Balzers sowie auf dem Eschnerberg (Lutzengüetle, Borscht, Malanser, Schneller), die Obere Burg Schellenberg, das Kastell und die spätantike Höhensiedlung auf dem Krüppel in Schaan untersucht und z.T. publiziert.
Ende der 1960er Jahre setzte eine Konzentration auf Notgrabungen ein. Grössere Grabungen fanden 1969–77 durch Georg Malin auf dem Kirchhügel Bendern (Frühmittelalter) und 1973/75 beim römischen Gutshof in Nendeln sowie durch Jakob Bill 1978–80 auf der Unteren Burg Schellenberg statt. 1982 stellte der HVFL erstmals einen vollamtlichen Archäologen als wissenschaftlichen Betreuer der archäologischen Forschung an, woraus die allmählich ausgebaute «Fachstelle Archäologie» entstand. Grabungsschwerpunkte der 1980er und 90er Jahre waren der Runde Büchel in Balzers (Eisenzeit bis Frühmittelalter), der Burghügel von Gutenberg (Eisenzeit bis Spätmittelalter), die Pfarrkirche St. Peter und Paul in Mauren (Römerzeit bis Mittelalter), die Pfarrkirche St. Florin in Vaduz (Mittelalter) und das Amtshaus in Balzers (Römerzeit). Zudem fand eine v.a. durch Kirchensanierungen bedingte Hinwendung vom urgeschichtlich-römischen Bereich zu Mittelalter und Neuzeit statt.
Als verfeinerte wissenschaftliche Methoden und eine verstärkte Bautätigkeit zu einer Vervielfältigung der archäologischen Aufgaben führten, sah sich der HVFL nicht mehr in der Lage, die Verantwortung für die archäologische Forschung in fachlicher und personeller Hinsicht zu tragen, zumal der Schutz des archäologischen Erbes eine hoheitliche Aufgabe darstellt. Seit 1999 ist daher die «Fachstelle Archäologie» zusammen mit der Denkmalpflege als eigene Abteilung dem Hochbauamt angeschlossen. 2005 wurde das Team durch eine Restauratorenstelle ergänzt; weitere für die Archäologie wichtige Disziplinen wie Dendrochronologie, Archäobotanik und -zoologie, Anthropologie und Numismatik (→ Münzfunde) werden nach Bedarf durch Projektaufträge mit einbezogen. Eine Hauptaufgabe der Fachstelle ist die Überwachung der Bautätigkeit: Obwohl nach dem Denkmalschutzgesetz Meldepflicht für archäologische Beobachtungen besteht, müssen regelmässige Kontrollen durchgeführt werden. Die Fachstelle ist gezwungen, sich auf Notgrabungen zu beschränken; diese werden erst vorgenommen, wenn Kulturgut durch Bodeneingriffe gefährdet ist. Das Augenmerk gilt allen Epochen von der Urgeschichte bis zur Frühindustrialisierung. Zudem werden die EDV-Inventarisierung der Fundobjekte, die Aktualisierung und Betreuung der Fundstellen sowie Auswertungen und Publikationen vorangetrieben.
Ulrike Mayr, «Archäologie», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: https://historisches-lexikon.li/Archäologie, abgerufen am 21.2.2024.
Armut: Armut ist ein relativer Begriff, der in jeder Epoche etwas anderes bedeutet und, eingebettet in den jeweiligen politischen, ökonomischen, sozialen und mentalen Kontext, viele Schattierungen kennt. Armut lässt sich definieren als ständiger oder zeitweiliger Mangel an jenen materiellen und immateriellen Gütern, die zur Führung einer menschenwürdigen Existenz erforderlich sind. Arm ist, wer über keinen oder ungenügenden Zugang zu Ressourcen wie Nahrungsmittel, Wohnraum, Arbeit, Geld, Bildung oder Macht verfügt, wer schutzlos Krankheit, Unfall, Siechtum oder Hunger preisgegeben ist. Von Bedeutung ist das soziale Umfeld: Arm ist der Mittellose in einer mittellosen Verwandtschaft, der Hilfsbedürftige ohne eine ihn schützende Gemeinschaft (Ernst Schubert). Herrschte im Mittelalter noch eine positivere Sicht von Armut vor, indem Armut und Barmherzigkeit als christliche Tugenden galten, verbindet sich seit der frühen Neuzeit mit Armut oft eine soziale Stigmatisierung und Ausgrenzung. Verbunden mit der Überwindung absoluter Armut durch den Sozialstaat entstanden im 20. Jahrhundert relative Armutskonzepte.
Armut war in Liechtenstein bis ins 20. Jahrhundert weitverbreitet, wenn auch in zeitlich schwankendem Ausmass und mit individuell unterschiedlicher Betroffenheit. Mochte die Versorgung der Bevölkerung zu Zeiten der Subsistenzwirtschaft im Normalfall gesichert sein, konnten bei Störungen rasch Mangelsituationen entstehen. Wie in anderen ähnlich strukturierten Regionen hatte die Bevölkerung stets mit durch Naturkatastrophen (→ Überschwemmungen, → Rüfen), Missernten, Teuerungen (→ Preise), Krankheiten oder konjunkturelle Schwankungen verursachter Armut zu kämpfen. Eine weitere Armutsursache waren die wiederkehrenden Verheerungen und Plünderungen durch Kriege, so u.a. im Schwabenkrieg 1499, im Dreissigjährigen Krieg (1618–48) und in den Koalitionskriegen (1792–1809). Das Bevölkerungswachstum führte in Verbindung mit der Realteilung (→ Erbrecht) besonders bei Missernten zu eklatanten Ernährungsproblemen, so etwa in den Hungerjahren 1817 und 1846/47 (→ Hungersnöte). Ein gewisser Schutz vor totaler Verarmung bestand für die Dorfgenossen in ihren Nutzungsrechten am Gemeinbesitz (→ Allmende), von dem gewisse Bevölkerungsgruppen wie die Hintersassen allerdings ausgeschlossen waren. Armut war eine wesentliche Ursache der ab 1848 freien Auswanderung. Bis in die 1930er Jahre waren viele Liechtensteiner gezwungen, als Saisonniers Arbeit im Ausland zu suchen; besonders im 19. Jahrhundert wurden auch Kinder ins Ausland verdingt (→ Schwabenkinder).
Hilfe in Notsituationen leisteten bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts primär die Familien und die Nachbarschaften bzw. Gemeinden. Sie versorgten ab dem Spätmittelalter sowohl die Dorfarmen als auch durchziehende Bettler und Vaganten mit der «Spend» (Armenpflege), engten ihre Hilfe aber immer stärker auf ihre eigenen Bürgerinnen und Bürger ein. Mit der quantitativen Ausdehnung der Armut im 15. und 16. Jahrhundert und unter dem Einfluss der Reformation änderten sich Deutung und gesellschaftliche Behandlung der Armut wesentlich. In den folgenden Jahrhunderten wurde das Vorgehen gegen «fremde Bettler» und «arbeitsscheue Vaganten» verschärft (→Bettelwesen). Die Obrigkeit wies die Dorfarmen an, täglich der Reihe nach bei einzelnen Bürgern zu essen («ummi-ässa»). Kranke und gebrechliche Menschen wurden Familien zur Verpflegung übergeben, die von der Gemeinde dafür eine Vergütung erhielten. Eine nicht nur in Liechtenstein übliche Vorgangsweise war das «Armenlizitieren» (Armenvergantung), wobei die Betroffenen der am wenigsten an Verpflegungskosten fordernden Familie übergeben wurden.
Um 1800 entstanden erste Bemühungen, eine staatliche Armenfürsorge zu institutionalisieren: 1793 erwog das Oberamt die Errichtung eines Arbeitshauses. 1802 unterbreitete Landvogt Xaver Menzinger der Geistlichkeit Pläne zur Schaffung einer Armenkasse. Die weltliche Behörde tat den ersten Schritt, wälzte jedoch – offensichtlich angelehnt an den österreichischen Josephinismus – die konkrete Durchführung auf die Geistlichen ab. Sie sollten die Armen ihres Kirchspiels in Verzeichnissen erfassen, Anregungen über die Organisation von Armenkassen unterbreiten und über den Zweck dieser Einrichtung von der Kanzel predigen. Pfarrer Wolfgang Benedikt Schmidt brachte dabei eine der ersten liechtensteinischen Armutsdefinitionen ein. Bereits an der Wende zum 19. Jahrhundert realisierte er, dass neben den «klassischen» Armen und den angeblich arbeitsscheuen Müssiggängern auch Waisenkinder, Hausarme und Kranke sowie gesunde Personen ohne Erwerbsmöglichkeit zur Gruppe der Armen gehörten. Für die letztgenannten Personen schlug er die Ausgabe von Arbeitsmitteln und -materialien (Spinnräder, Baumwolle usw.) vor, damit sie durch Arbeit die Not selbst überwänden. Wie die Errichtung eines Arbeitshauses scheiterte auch dieses Projekt.
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfolgte unter dem Druck des Oberamts eine umfassende, als langfristiges Mittel gegen die Armut gedachte Reform der Landwirtschaft. Deren zentrale Massnahme – die Privatisierung der Allmende – beseitigte jedoch eine gerade für Kleinbauern wesentliche Ressource und verschärfte mittelfristig die Armut, zumal durch ein Hausbauverbot Teile der Bürgerschaft von der Bodenzuteilung ausgeschlossen waren und gleichzeitig ein akuter Mangel an gewerblichen Einkommensmöglichkeiten herrschte. Die meisten Gemeinden schieden aber bei der Bodenreform einen Teil des Gemeindebodens für die Versorgung der Armen als sogenanntes Armengut aus.
Nach dem Liechtenstein-Besuch Fürst Alois II. 1842 wurde 1845 ein durch Strafgelder, Heiratstaxen und eine Art Erbschaftssteuer gespiesener Landesarmenfonds geschaffen und dessen Verwaltung einer Armenkommission unter dem Vorsitz des Landvogts übertragen. Überdies sollte eine zentrale Armen- und Krankenanstalt gebaut werden, wozu es jedoch nicht kam. Erst nachdem 1864 das neue Gemeindegesetz den Anspruch der Gemeindebürger auf Unterstützung durch die Gemeinden (Armengenössigkeit) bekräftigt hatte, wurde diese Frage angegangen. Armenkommission und Landtag lehnten 1867 die von der Regierung vorgeschlagene Errichtung einer zentralen Landesanstalt ab und bevorzugten nach vorarlbergischem Vorbild die Errichtung von Gemeindearmenhäusern mit landwirtschaftlichen Betrieben. Entsprechend wies das Armengesetz von 1869, das Armut über die körperlich und/oder geistig bedingte Arbeitsunfähigkeit definierte, die Unterstützungspflicht zuerst den Verwandten und dann der Heimatgemeinde zu, wobei die Armenhäuser als Grundlage für die örtliche Versorgung dienen sollten. Die in der Folge entstandenen fünf Armenhäuser (später als Bürgerheime bezeichnet) erwiesen sich als gut funktionierende Institutionen. Seit je waren Armengenössige von bestimmten Rechten ausgeschlossen, so (bis 1973) vom Stimm- und Wahlrecht.
Zur Entschärfung der Armut trug die in den 1860er Jahren einsetzende Industrialisierung Liechtensteins bei, die erstmals in grösserem Umfang Erwerbseinkommen ausserhalb der Landwirtschaft bot. Trotz den teils schlechten Arbeitsbedingungen in den Fabriken und geringen Löhnen kannte Liechtenstein dank dem späten Industrialisierungsbeginn und den kleinen, ländlichen Verhältnissen kein verelendetes Arbeiterproletariat als Massenphänomen.
Das Gesetz von 1869 regelte, abgesehen von einigen Novellierungen, die Sozialfürsorge bis 1966. Auch der Bereich der Sozialversicherung entwickelte sich nur schleppend: Noch 1946 waren in Liechtenstein z.B. lediglich 37,5 % der Bevölkerung krankenversichert. Ein umfassendes Sozialversicherungssystem wurde erst ab den 1950er Jahren aufgebaut, als sich das noch in der Zwischenkriegszeit virulente Armutsproblem durch Vollbeschäftigung und steigende Arbeitseinkommen abschwächte bzw. wandelte. Das Sozialhilfegesetz von 1965 (revidiert 1984) und die Schaffung des Fürsorgeamts 1966 (ab 1992 Amt für Soziale Dienste) brachten in der Sozialhilfe eine vollständige Neuorientierung. Als bedürftig gelten im Gesetz besonders jene Menschen, die sich den Lebensunterhalt nicht ohne fremde Hilfe sichern können.
Orientiert sich diese Armutsdefinition am «erforderlichen Lebensunterhalt», unterscheidet die moderne Soziologie zwischen primärer, sekundärer und tertiärer Armut: Primäre oder absolute Armut herrscht vor, wenn die physischen Grundbedürfnisse wie Ernährung, Kleidung und Unterkunft nicht sichergestellt sind. Sekundäre Armut kann auch als subjektive Armut in Bezug auf die mittelständische Erfolgsideologie bezeichnet werden: Wenn bestimmte, z.B. durch die Medien vermittelte gesellschaftliche Werte nicht erreicht werden können, fühlt sich der Betroffene subjektiv arm. Die tertiäre oder relative Armut richtet sich objektiv nach dem durchschnittlichen Lebensstandard der jeweiligen Gesellschaft. Abhängig vom jeweiligen ökonomischen, sozialen oder kulturellen Normalzustand in der heutigen Industrie-, Dienstleistungs- und Konsumgesellschaft wird sie auch als «Armut im Wohlfahrtsstaat» oder «Neue Armut» bezeichnet: Als arm gilt demnach, wessen Einkommen unter einer bestimmten Einkommensgrenze liegt, z.B. unter 50 % des Durchschnittseinkommens – 1994 waren gemäss dieser von der EU verwendeten Definition 20 % der liechtensteinischen Bevölkerung einkommensschwach, gemessen an der maximalen Höhe der AHV-Ergänzungsleistungen waren es 8 %.
Mit «Neuer Armut» hat also auch der reiche Kleinstaat Liechtenstein zu kämpfen. Betroffen sind v.a. Arbeitslose, Erwerbsunfähige und Alleinerziehende, ausserdem kinderreiche Familien, erwerbstätige Personen mit ungenügendem Einkommen sowie AHV-/IV-Rentner; Frauen und Ausländer sind übervertreten. Wichtige Einflussfaktoren sind auch Beziehungs-, Erziehungs- und familiäre Probleme, die Trennungsproblematik sowie die hohen Mietkosten. Absolute Armut gibt es dank dem sozialen Sicherungsnetz (Sozialhilfe) zu Beginn des 21. Jahrhunderts nicht mehr. Allerdings nahmen 2005 4,6 % der Bevölkerung die Unterstützung der öffentlichen Hand durch Ergänzungsleistungen oder Sozialhilfe in Anspruch.
ZUR VERTIEFUNG
Das Armengesetz von 1869
Aschensammeln: Für das Recht, Holzasche zu kaufen, bedurfte es einer obrigkeitlichen Konzession, die für eine befristete Zeit an den Meistbietenden versteigert wurde. Durch Übergiessen der Asche mit heissem Wasser entstand eine Lauge, aus deren Verdampfen wiederum Pottasche. Diese fand in der Glas- und der Seifenherstellung Verwendung.
Asinio: Bischof. Erwähnt 451. Erster urkundlich bezeugter Bischof von Chur. 451 unterzeichnete Bischof Abundantius von Como auf einer Mailänder Provinzialsynode ein Synodalschreiben an Papst Leo I. (440–61) auch für den abwesenden Bischof Asinio von Chur.
Aspermont, von: Ministerialengeschlecht aus dem 12.– 14. Jahrhundert mit Stammsitz auf der Burg Alt-Aspermont bei Trimmis (GR), ab der Mitte des 13. Jahrhunderts auf Neu-Aspermont bei Jenins (GR). Treten als Ministerialen der Bischöfe von Chur oft als deren Zeugen auf. Sie besassen bis um 1340 die Herrschaften Jenins, Maienfeld sowie Solavers und Castels im Prättigau. Die Brüder Eberhard und Ulrich verzichten 1347 zugunsten eines Verwandten auf einen Hof in Schaan, der schliesslich an die Johanniter in Feldkirch fällt.
Asyl: Als Asyl wird der an einem Zufluchtsort gewährte Schutz vor Verfolgung aus politischen, rassistischen, religiösen oder anderen Gründen bezeichnet. Das Asylrecht, das Verfolgten an Kultstätten Zuflucht gewährte, ist seit der Antike bekannt (Tempel in Jerusalem, Apolloheiligtum in Delos, Griechenland). Christliche Einflüsse dehnten es in der Spätantike auf Kirchen, Klöster und Hospitäler aus.
1379 erhielt Graf Heinrich I. von Werdenberg-Sargans-Vaduz ein kaiserliches Privileg, Geächteten in seinen Schlössern und Städten Asyl zu gewähren. Ein bekannter Asylort war im Spätmittelalter das Johanniterhaus in Feldkirch (Halt gebietende Hand als Asylzeichen von 1405). 1755 retteten sich Kriminelle in die Kapelle St. Florin in Vaduz und 1765 in die Kirche von Bendern, doch anerkannte die Obrigkeit trotz kirchlicher Proteste dieses Asyl nicht.
Seit der französischen Revolution gewann das weltliche Asyl für politisch Verfolgte an Bedeutung. Die Zahl der Flüchtlinge, die nach Liechtenstein kamen, nahm im Verlauf des 20. Jahrhunderts stark zu, erstmals in der Zeit des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs (1933–1945). Der ab den 1990er Jahren besonders aufgrund der Kriege in Exjugoslawien erfolgte Anstieg von Asylgesuchen in Liechtenstein führte 1998 zur erstmaligen gesetzlichen Reglung des Asylwesens (Flüchtlingsgesetz).
Atelier 11: Das Atelier 11 entstand 1992 auf Initiative von Waltraud van Riemsdijk-Ritter (1937–2019, damals Waltraud Matt) als Galerie und als eines der ersten Artist-in-Residence-Programme Liechtensteins. Das bis 2003 in der ehemaligen Baumwollweberei Jenny, Spoerry & Cie. in Triesen bestehende Atelier 11 wurde von der Aterrana Stiftung in Triesen gefördert, deren Geschäftsführerin Waltraud Matt war. Das Atelier 11 verfolgte das Ziel, Künstlerinnen und Künstler zu unterstützen sowie den interkulturellen Austausch und Diskurs zur zeitgenössischen Kunst zwischen internationalen und lokalen Kunstschaffenden und mit der liechtensteinischen Bevölkerung zu fördern.
Über vierzig Kunstschaffende aus dem afrikanischen, asiatischen, nord- und südamerikanischen sowie europäischen Raum erhielten in den elf Jahren seines Bestehens die Möglichkeit eines mehrwöchigen künstlerischen Aufenthalts im Atelier 11. Darunter befanden sich u.a. Carol Hepper (New York), Jeanne Faust (Hamburg), Viyé Diba (Dakar) oder Miranda Arik (Tel Aviv). Für liechtensteinische Kunstschaffende wurden im Gegenzug entsprechende Atelieraufenthalte im Ausland organisiert. Unter anderem reisten Arno Oehri und Martin Walch nach Jekaterinburg in Russland, Artemis Anna Mc Conkey Demanet nach Bolivien oder Walti Roth nach Senegal.
Nebst den Atelieraufenthalten fanden im Atelier 11 grössere Ausstellungen statt, wie u.a. 1994 die ART Liechtenstein mit Werken von Künstlerinnen und Künstlern aus Liechtenstein oder 1995 die Art Liechtenstein II mit Arbeiten von internationalen Kunstschaffenden.
Atzungsrecht: Als Atzungsrecht (Gemeinatzung, «Trattrecht», Weiderecht) wird das kollektive Vor- und Nachweiderecht der Gemeindegenossen auf privaten Gütern oder auf den zur intensiven Nutzung ausgegebenen Gemeindegütern bzw. das Recht zur Ganzjahresweide auf Gemeindeboden (→ Allmende, Waldweide) bezeichnet. Die Berechtigung zur Gemeinatzung richtete sich (gleich wie beim Alpauftrieb) nach der Anzahl der mit eigenem Futter überwinterten Tiere. Der im Frühjahr bis Ende Mai dauernde und im Herbst ab Anfang Oktober einsetzende allgemeine Weidegang schränkte die freie Bewirtschaftung, besonders den Ackerbau, stark ein, sodass die Gemeinatzung seit dem späten 18. Jahrhundert als Haupthindernis für den wirtschaftlichen Fortschritt empfunden und bekämpft wurde.
In Liechtenstein verordnete Fürst Alois II. durch Verfügung vom 20.6.1843 die Aufhebung und Ablösung des Atzungsrechts auf privatem Grund und Boden, wobei die vormals Atzungsberechtigten zu entschädigen waren. Nur in der Gemeinde Triesen bestand dieses Atzungsrecht auf bestimmten Fluren (Heureuten, Forst, Säga usw.) weiter und wurde erst 1975 nach entsprechendem Beschluss der Bürgerversammlung abgelöst.
Au: Naturschutzgebiet. Gemeinde Ruggell, 1,27 ha, 431 m ü.M. Name von althochdeutsch (Land am Wasser).
In der Au nördlich von Ruggell gab es noch in den 1970er Jahren eine grössere Streueparzelle westlich des Mölibachs. Es handelte sich um wechselfeuchte Schotterböden mit Pfeifengraswiesen, also ohne Torfuntergrund. Dieser seltene Vegetationstyp zeichnet sich durch Bestände der Sibirischen Schwertlilie und der Sumpfgladiole als Kennarten aus, wobei hier auch die stark gefährdete Orchideenart Hummelragwurz nachgewiesen wurde.
Nachdem die Gemeinde eine intensivere landwirtschaftliche Nutzung dieses gemeindeeigenen Streueriedes bewilligt hatte, kam es zu einer lebhaften Leserbriefkampagne in den liechtensteinischen Zeitungen. Als Kompromiss wurde der nördliche, mit Föhren, Weissweiden, Stieleichen und Birken licht bestockte Teil der Au nicht gerodet und als Streuewiese belassen, genauso wie das Schneggenäuele. Beide wurden zeitgleich mit dem Ruggeller Riet 1978 unter Schutz gestellt.
Die Restparzelle ist durch die umgebende intensive landwirtschaftliche Nutzung gefährdet, weil es keine Abpufferung vor Düngungseinfluss gibt.
Auen: Auen sind Waldstandorte entlang von Fliessgewässern, die regelmässig überflutet werden. Flussnahe Gebiete werden bereits bei kleinen Hochwassern und somit öfter überschwemmt, flussferne seltener. Durch unterschiedliche Überflutungshäufigkeit und das flussnahe hohe Grundwasser entsteht eine charakteristische Zonierung von Standorten und Vegetation. In Auen befinden sich typische Gewässer, wie grundwassergespiesene Giessen, Altarme, Weiher oder periodisch austrocknende Tümpel mit einer an die Standortverhältnisse angepassten Fauna und Flora. Sie sind wichtige Bestandteile von natürlichen Flusssystemen.
In Liechtenstein gab es flächige Auwälder ursprünglich am Rhein, während an den Binnengewässern nur schmale Ausäume ausgebildet waren. Ausdehnung und ökologischer Charakteristik der Auen vor dem Beginn menschlicher Eingriffe sind aus historischen Quellen nicht mehr genau rekonstruierbar. Seit dem Mittelalter überliefert ist die Nutzung der Auen zur Gewinnung von Holz (v.a. Brenn- und Wuhrbauholz), nach der teilweisen Rodung auch als Streueflächen, Viehweide (auch Laub) und Wiesen (z.B. Triesner Heuwiesen). Grossflächigere Rodungen für Wiesen und Äcker setzten im 17./18. Jahrhundert ein. Diese Kulturflächen waren Rheinüberschwemmungen ausgesetzt. Sommerhochwasser führten häufig zur Vernichtung der Ernten, jene im Frühjahr sorgten für eine Nährstoffanreicherung des Bodens. Die Regulierung des Rheins mittels Hochwasserschutzdämmen ab dem 19. Jahrhundert zerstörte die Auen durch die Abtrennung vom Fluss, ermöglichte aber eine höherwertige Nutzung des ehemaligen Auenlands (Landwirtschaft, Besiedlung). Bis in die 1930er Jahre wurden die Auenwälder noch als Holzreserve für den Wuhrbau erhalten. Ab 1935 bot der Landtag Subventionen zur Urbarisierung.
Die Rheinauen hatten 1756 eine Fläche von rund 600 ha, zu Beginn des 20. Jahrhunderts 280 ha, 1977 noch 84 ha. Heute noch vorhandene Auenreste sind aus ökologischer Sicht nicht mehr funktionsfähig, da sie nicht überflutet werden und durch die Rheinsohlenabsenkung vom Grundwasser abgetrennt sind. Nur die in den 1990er Jahren revitalisierte unterste Strecke des Binnenkanals (Lettasteg) kann mit dem bestockten Anteil wieder als echte Au gelten.
Aufenthalts- und Niederlassungsrecht: Das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht regelt die Voraussetzungen, unter denen ausländische Staatsangehörige im Inland Wohnsitz nehmen können. Zu unterscheiden sind in neuerer Zeit die befristete Aufenthaltsbewilligung, die nach Ablauf der Frist verlängert werden kann, sowie die unbefristete Niederlassungsbewilligung, die erst nach einer gewissen Aufenthaltszeit erlangt werden kann. Die Niederlassungsfreiheit umfasst auch das Recht aller Staatsangehörigen, sich an jedem Ort des Landes niederzulassen und es jederzeit zu verlassen oder zu betreten.
Im Früh- und Hochmittelalter war die Freizügigkeit grosser Teile der Bevölkerung stark eingeschränkt. Als Leibeigene waren sie «an die Scholle gebunden» und durften den von ihnen bewirtschafteten Grund und Boden nicht verlassen. Nach churrätischem Gewohnheitsrecht verfielen Einwanderer («Landzüglinge») der Leibeigenschaft. Der Übergang von der frühmittelalterlichen Meierhofwirtschaft zur Rentengrundherrschaft (→ Grundherrschaft) führte im Hoch-/Spätmittelalter zu einer Lockerung der Schollenbindung. Die Grundherren suchten jedoch die Abwanderung zu verhindern, indem sie diese u.a. an die Entrichtung eines Abzugsgelds (Nachsteuer) banden. Solche Beschränkungen der Auswanderung bestanden in Liechtenstein bis ins 19. Jahrhundert Daneben wurde der Zuzug durch Städte und Dorfgemeinden eingeschränkt. Für die Grafschaft Vaduz und die Herrschaft Schellenberg bestimmte Ludwig von Brandis 1496, dass zuziehende Leute der Herrschaft und der Gemeinde Einzugsgeld zahlen mussten (→ Abzugs- und Einzugsrecht). Nur zwischen der Herrschaft Schellenberg und der Grafschaft Feldkirch mit dem Gericht Rankweil-Sulz bestand ab 1513 Freizügigkeit.
Das liechtensteinische Aufenthalts- und Niederlassungsrecht war bis ins 19. Jahrhundert von zwei widerstrebenden Kräften geprägt: Dem liberalen staatlichen Aufenthalts- und Niederlassungsrecht stand die restriktive Haltung der Gemeinden gegenüber. Seitens des Staats erhielten Ausländer ohne Weiteres den Aufenthalt «auf Wohlverhalten». Für die Niederlassung hatten sie ein jährliches «Landesschutz- oder Hintersässgeld» von 1½ Gulden im Oberland und 2 Gulden im Unterland zu entrichten. Gegen eine Gebühr von 25 Gulden konnte zudem jedermann in den liechtensteinischen Untertanenverband aufgenommen werden; ab 1809 wurden dafür auch ein guter Leumund und ein Minimalvermögen gefordert. Das 1812 übernommene österreichische Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) gewährte zuziehenden Fremden, die in den öffentlichen Dienst eintraten oder ein Ansässigkeit bedingendes Gewerbe ausübten, nicht nur die Niederlassung, sondern gleich auch die Staatsbürgerschaft (→ Bürgerrecht). Letztere wurde auch durch zehnjährigen ununterbrochenen Wohnsitz in Liechtenstein erlangt. Die Verordnung betr. die Aufnahme von Ausländern in den Untertanenverband von 1843 bestätigte diese Praxis; Aufnahmegebühren waren nur fällig, wenn das Herkunftsland im Gegenrecht solche verlangte; auf das «Hintersässgeld» wurde verzichtet.
Trotz diesem einfachen Zugang zum Landesbürgerrecht, mit dem auch das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht verbunden war, wurde die effektive Niederlassungsfreiheit durch das im Spätmittelalter wurzelnde Recht der Gemeinden stark behindert, den Zuzug von Fremden und deren Beteiligung am Gemeindenutzen durch die restriktive Vergabe ihres Bürgerrechts zu begrenzen. Davon betroffen waren sowohl ausländische Fremde als auch Bürger anderer liechtensteinischer Gemeinden. Wer sich nicht in das Gemeindebürgerrecht einkaufte, galt als Bei- oder Hintersasse und hatte keinen oder nur begrenzten Anteil am Gemeindenutzen, ohne den die wirtschaftliche Existenz der meisten Landesbewohner bis weit ins 19. Jahrhundert prekär war. Die Gemeinden setzten ihre Einkaufstaxen meist abschreckend hoch fest: In Balzers wurde z.B. 1660 eine Einkaufstaxe von 80 Gulden gezahlt und die Taxe für den Einkauf zuheiratender Frauen («Weibereinkauf») 1693 auf 100 Gulden festgesetzt. Im 18. Jahrhundert verlangten die Gemeinden als Einkaufsgeld bis zu 300 Gulden und mehr. Zudem mussten die Neubürger beim Einkauf oft einen kostspieligen Trunk spenden.
Das Freizügigkeitsgesetz von 1810 sah die freie Niederlassung der Landesbürger in allen Gemeinden inklusive des einkaufsfreien Genusses der Gemeindegüter vor; aufgrund des Widerstands der Gemeinden kam es jedoch nie richtig zur Ausführung. Das Gemeindegesetz von 1842 bestätigte die Freizügigkeit im Landesinnern, verlangte für die volle Beteiligung am Gemeindenutzen aber wieder den Einkauf ins Bürgerrecht. Mit dem Wandel der Landwirtschaft und dem beginnenden Aufschwung von Gewerbe und Industrie in der zweiten Jahrhunderthälfte verloren jedoch der Gemeindenutzen und damit der Einkauf an Bedeutung. Mit zwei Gesetzen von 1864 (Gemeindegesetz und Gesetz über das Staatsbürgerrecht) erhielten alle Landesbürger und Hintersassen das Gemeindebürgerrecht ihrer Wohngemeinde, bei einem Wohnsitz von weniger als 30 Jahren allerdings nach wie vor nur gegen ein Einkaufsgeld.
Wurden der Zuzug und die Niederlassung durch die Politik der Gemeinden gebremst, blieb der Staat seiner liberalen Ausländerpolitik bis ins 20. Jahrhundert treu. Einwanderer, v.a. solche mit ausreichendem Vermögen, waren stets willkommen. Gegenüber den Rheinbund-Staaten bestand ab 1808/10 allgemeine Freizügigkeit, sofern die Gegenseitigkeit galt. Die auch für Liechtenstein geltende deutsche Bundesakte von 1815 sicherte den Untertanen den freien Wechsel von einem deutschen Bundesstaat in den anderen zu. Freizügigkeitsverträge mit dem Kanton Graubünden (1821), dem Kanton St. Gallen (1835) und der Schweizerischen Eidgenossenschaft (1838) sowie der liechtensteinisch-schweizerische Niederlassungsvertrag von 1874 erleichterten die Niederlassung von Schweizern in Liechtenstein
Aufgrund des Zollanschlussvertrags und der fremdenpolizeilichen Vereinbarungen mit der Schweiz galt in Liechtenstein von 1924 bis zum Inkrafttreten des Ausländergesetzes 2009 bzw. des Personenfreizügigkeitsgesetzes für EWR- und Schweizer Staatsangehörige 2010 in wesentlichen Teilen das schweizerische Ausländerrecht. Trotz der Übernahme der Schweizer Ausländergesetzgebung 1924 blieb Liechtenstein anfangs in einem wichtigen Bereich autonom: der Erteilung von Einreise-, Aufenthalts-, Niederlassungs- und Toleranzbewilligungen (jener jederzeit widerrufbaren Bewilligungsart, die u.a. politisch Verfolgte erlangen konnten, was wenigen jüdischen Flüchtlingen in den 1930er und 40er Jahren zugute kam).
Von 1924 bis 1941 wurden alle Ausländer grundsätzlich gleich behandelt. 1941 brachte eine auf dem schweizerischen Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung von Ausländern (ANAG) beruhende Vereinbarung erstmals die völlige Freizügigkeit zwischen Liechtenstein und der Schweiz. Gleichzeitig verlor Liechtenstein die Kompetenz zur Erteilung von Bewilligungen und benötigte bis 1963 die Zustimmung der Schweiz für länger dauernde Bewilligungen; die Schweiz wollte dadurch ihre Industrie vor der liechtensteinischen Konkurrenz schützen, welche auf ausländische Führungs- und Fachkräfte angewiesen war. 1981 wurde die Freizügigkeit gegenüber der Schweiz wegen der starken Zuwanderung von schweizerischen Staatsangehörigen aufgehoben.
In Liechtenstein herrscht seit Jahrzehnten das Prinzip der kontrollierten Zuwanderung, was sich ab 1963 in verschiedenen Begrenzungsverordnungen zeigt. Der Familiennachzug wurde äusserst restriktiv gehandhabt und erhielt erstmals 1968 eine umfassende, aber immer noch restriktive Regelung. Frauen hatten bis 1989 kein generelles Recht auf Familiennachzug. Seit dem EWR-Beitritt Liechtensteins 1995 gilt im Verhältnis zu EWR-Staatsangehörigen nicht mehr das schweizerische Ausländer-, sondern EWR-Recht. Trotz des Grundsatzes der Personenfreizügigkeit innerhalb des EWR hat Liechtenstein eine Kontingentierungsmöglichkeit von derzeit (2010) 72 Aufenthaltsbewilligungen für EWR-Staatsangehörige pro Jahr, wobei die Hälfte der Bewilligungen ausgelost wird. Für die Schweiz ist seit 2005 ebenfalls ein Kontingent festgelegt (mind. 17 Aufenthaltsbewilligungen jährlich).
Die Personenverkehrsverordnung auf der Grundlage des schweizerischen ANAG regelte bis Ende 2008 den Aufenthalt und die Niederlassung für Schweizer, EWR- und Drittstaatsangehörige, wobei für die drei Staatsangehörigkeitskategorien unterschiedliche Bedingungen und Fristen zur Erlangung von Aufenthalt und Niederlassung galten.
2008 trat in der Schweiz ein neues Ausländergesetz in Kraft. Liechtenstein nahm dies zum Anlass, erstmals seit 1924 eigene Gesetze für den Aufenthalt und die Niederlassung ausländischer Staatsangehöriger zu erlassen. 2009 trat das Ausländergesetz in Kraft. Es gilt für Drittstaatsangehörige (ohne EWR- und Schweizer Staatsangehörige) und legt einen Schwerpunkt auf soziale Integration. Drittstaatsangehörige sind verpflichtet, Grundkenntnisse der Rechtsordnung und des staatlichen Aufbaus von Liechtenstein zu erwerben (Staatskundetest) sowie Deutsch zu lernen, was mittels einer Integrationsvereinbarung, die das Ausländer- und Passamt mit Ausländern bei der Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung abschliesst, vertraglich festgelegt wird. Die jährliche Aufenthaltsgenehmigung wird nur verlängert, wenn die Integrationsvereinbarung eingehalten wird. Die Niederlassung kann nach fünf Jahren ununterbrochenen Aufenthalts erteilt werden. Aufenthaltsgenehmigungen für Drittstaatsangehörige werden äusserst restriktiv vergeben.
2010 kam das Gesetz über die Freizügigkeit für EWR- und Schweizer Staatsangehörige hinzu, das die jeweiligen Staatsangehörigen in fast allen Bereichen gleichgestellt. EWR-Staatsangehörige erhalten nach fünfjährigem ununterbrochenem Aufenthalt in Liechtenstein eine Daueraufenthaltsbewilligung. Schweizer Staatsangehörige bekommen nach fünfjährigem ununterbrochenem Aufenthalt mit einer Aufenthaltsbewilligung die unbefristete Niederlassung. Mit der Daueraufenthaltsbewilligung ist 2010 aufgrund einer EWR-Vorgabe eine neue Bewilligungsart eingeführt worden, die sich von der Niederlassungsbewilligung v.a. in Bezug auf den Beibehalt bei bzw. die Wiedererteilung nach einem Auslandsaufenthalt unterscheidet.
Aufstand 1809: Vorarlberg und Tirol wurden nach dem 3. Koalitionskrieg infolge des Pressburger Friedens (1805) von Österreich an Bayern abgetreten. 1809, als Österreich erneut erfolglos gegen Frankreich kämpfte, erhoben sich die Tiroler und Vorarlberger gegen die bayerische Regierung.
Vor dem Hintergrund der zeitweiligen Erfolge der Vorarlberger (sie vertrieben im Mai die bayerischen und württembergischen Truppen) kam es auch in Liechtenstein zu Unruhen, allerdings aus anderen Gründen: Die bäuerliche Bevölkerung war mit den durch die Dienstinstruktionen von 1808 eingeführten Verwaltungsreformen, der Beschneidung der Volksrechte und der Einführung des Grundbuchs nicht einverstanden. Im Juni versammelten sich Balzner und Triesner zum Protest in Vaduz. Eine von einem Gemeindeausschuss beschlossene und von Richter Johann Allgäuer aus Eschen verfasste Bittschrift forderte u.a. die Wiederherstellung des Landammann-Amts und der Gemeindeautonomie. Die Gemeindeeliten drohten mit dem Anschluss an die Aufständischen in Vorarlberg, was die Verpflichtungen Liechtensteins aus der Mitgliedschaft im Rheinbund verletzt hätte. Landvogt Josef Schuppler konnte die Lage mit Mühe kontrollieren. Als im August französischer Truppen Vorarlberg besetzten, brach auch in Liechtenstein der plan- und gewaltlose Aufruhr zusammen. Von Feldkirch aus erpresste der französische General Froment vom souveränen Rheinbundstaat Liechtenstein grosse Mengen Heu, Hafer, Korn und Bargeld (500 Gulden), das Land wurde entwaffnet und die Grenze zur Schweiz gesperrt. Am 21. September marschierte Froment mit einigen Soldaten kurzfristig in Liechtenstein ein und besetzte das Land für Frankreich, wodurch die von Bayern angestrebte Einverleibung Liechtensteins verhindert, der Status des Landes als eigenständiges Rheinbundmitglied erhalten und damit die Selbständigkeit Liechtensteins gesichert wurde.
Ausbürger (Pfahlbürger): Als Ausbürger wurden im 14.–18. Jahrhundert städtische Bürger bezeichnet, die auf dem Land wohnten. Bei den in der Herrschaft Schellenberg und der Grafschaft Vaduz ansässigen Ausbürgern handelte es sich v.a. um Bürger der Stadt Feldkirch.
Ab dem 14. Jahrhundert erwarben in Vaduz und am Eschnerberg wohnhafte Untertanen das Feldkircher Bürgerrecht und wurden gegenüber der Stadt dienst- und steuerbar. Umgekehrt liessen sich Feldkircher Bürger in Vaduz/Schellenberg nieder, wo sie die Allmende mitnutzten und am Zugrecht teilhatten, ihre Güter aber in der Stadt versteuerten. Das gerichtliche Vorgehen gegen diese Steuerpraxis 1428, 1489 und 1495 blieb erfolglos. Hinsichtlich des ebenfalls umstrittenen Gerichtsstands der Ausbürger wurde 1488 die Zuständigkeit der Gerichte Vaduz und Schellenberg bestätigt.
1476 zählte Feldkirch rund 600 steuerpflichtige Haushalte in der Stadt und rund 170 Ausbürgerhaushalte auf dem Land, einige davon in Vaduz und Schellenberg. Am Auszug der Feldkircher Mannschaft nach Trient 1508 waren neben 46 Bürgern 38 Ausbürger beteiligt, etwa ein Drittel davon aus Vaduz und Schellenberg. 1515 forderte Graf Rudolf von Sulz die Ausbürger ultimativ auf, die Steuer zu zahlen oder das Feldkircher Bürgerrecht aufzugeben, was zum Wegzug vieler Ausbürger führte. 1558 schlossen die Grafen Wilhelm und Alwig von Sulz mit Feldkirch einen Vertrag, gemäss dem die Ausbürger die ab 1558 in Vaduz und Schellenberg erworbenen Güter dort zu versteuern und den «Schnitz» zu entrichten hatten. 1614 machte ein Vertrag der Herrschaft Schellenberg mit der Stadt Feldkirch die Steuerleistung vom Wohnsitz abhängig; er wurde mit der Rheinbundakte 1806 hinfällig. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts verschwand das Ausbürgertum.
Auslandsliechtensteiner: Liechtensteiner Staatsbürger mit Wohnsitz ausserhalb des Landes. Liechtenstein war bis nach dem Zweiten Weltkrieg ein Auswanderungsland. Neben permanenter kam es häufig zu saisonaler Auswanderung (→ Saisonniers). Der wirtschaftliche Aufschwung nach 1945 führte zu einer verstärkten Rückwanderung. Bis heute absolvieren viele Liechtensteiner ihre Ausbildung im Ausland. Auslandliechtensteiner besitzen – im Gegensatz etwa zu Auslandschweizern oder Auslandsösterreichern – keine politischen Mitspracherechte in ihrem Heimatland, trotz wiederholter Forderungen u.a. 1919, 1935, 1994. Auslandsliechtensteinerinnen können seit 1996 ihre Staatsbürgerschaft an ihre Nachkommen weitergeben, was bis 2004 rund 4000 Personen in Anspruch nahmen.
Seit 1919 vertritt die Schweiz die Auslandliechtensteiner in Ländern ohne liechtensteinische Auslandsvertretung. Zuvor war diese Aufgabe seit 1880 von Österreich-Ungarn ausgeübt worden. Im Ersten Weltkrieg wurden der Habsburgermonarchie zugerechnete Auslandliechtensteiner in den Ententestaaten interniert, verloren ihr Vermögen oder waren anderen Benachteiligungen ausgesetzt. Vertreten wurden sie wie die Österreicher von den USA, Schweden und anderen neutralen Staaten. Im Zweiten Weltkrieg erlitten Auslandliechtensteiner – besonders sogenannte Neubürger – ebenfalls Internierungen, z.B. in Grossbritannien und den USA.
Zu Zusammenschlüssen der Auslandliechtensteiner kam es vor allem in Krisenzeiten und an Orten, wo viele Landsleute lebten. Bei den rund 1500 nach Amerika ausgewanderten Liechtensteinern lässt sich in der ersten Generation häufig ein enger Zusammenhalt feststellen. Es gab Liechtensteinertreffen, man heiratete untereinander und die Muttersprache sowie die Religion wurden gepflegt, u.a. in Dubuque, Guttenberg (beide Iowa) und Hammond (Indiana). Zur Gründung einer eigentlichen Vereinigung von Auslandliechtensteinern kam es aber nicht.
Die Liechtensteiner in St. Gallen sammelten sich erstmals 1888 in einem später wieder aufgelösten Verein. 1914 wurde der bis heute aktive «Liechtensteiner Verein St. Gallen» gegründet. Der seit 1928 bestehende Verein in Zürich hatte mindestens einen Vorläufer. 1920 sind Vereine in St. Gallen, Zürich und Baden (AG), Gruppen in Frauenfeld (TG), Zug, Hemberg (SG), Wald (ZH), Dietikon (ZH), Wohlen (AG) und Mellingen (AG) sowie ein «Zentralkomitee der liechtensteinischen Vereine in der Schweiz» erwähnt. Später gab es den «Liechtensteiner Verein Region Nordostschweiz». In Zürich bestand zudem ein «Kranken- und Sterbeverein» für Tiroler, Vorarlberger, Deutsch-Österreicher und Liechtensteiner (Statuten von 1900). Über ein Bestehen nach 1920 ist nichts bekannt. In Österreich wurde 1931 der «Verein der Liechtensteiner in Oesterreich» mit Sitz in Frastanz gegründet. Er nannte sich nach dem Anschluss an Deutschland «Verein der Liechtensteiner in der Ostmark» (1939). Nach 1945 ist nichts über Auslandliechtensteinervereine in Österreich bekannt.
Die Vereine der Auslandliechtensteiner bezwecken u.a., liechtensteinische Fragen zu diskutieren, die Interessen ihrer Mitglieder in der Heimat und am Wohnort zu wahren sowie den Kontakt untereinander und zu Liechtenstein aufrechtzuerhalten. An ihren Generalversammlungen nehmen regelmässig liechtensteinische Politiker teil.
Die Vereine in der Schweiz waren in der Umbruchphase nach dem Zweiten Weltkrieg kritisch gegenüber der Regierung und teilweise auch dem Fürstenhaus eingestellt. Sie brachten mit Eingaben an die und Gesprächen mit der Regierung und dem Fürstenhaus sowie mit Leserbriefen ihre wirtschaftlichen (Schaffung von Arbeitsmöglichkeit, Industrie), sozialen (Schaffung von Unfall- sowie Alters- und Hinterlassenenversicherung) und politischen Anliegen (u.a. Revision der Verfassung im Sinn der Volkspartei) vor. Etliche Auslandliechtensteiner in der Schweiz waren Mitglieder von Gewerkschaften und Anhänger sozialdemokratischer Ideen, was im Hinblick auf ihre Rückkehr bei konservativen Kreisen in Liechtenstein zu Ängsten führte. Die Auslandliechtensteinervereine in Zürich und St. Gallen sammelten Anfang der 1930er Jahre Geld für die antikapitalistische, regierungs- und parteikritische «Liechtensteinische Arbeiter-Zeitung». In den Krisenzeiten bis 1945 waren die Auslandliechtensteinervereine in der Schweiz und Österreich auf Hilfe aus Liechtenstein angewiesen.
Auslandsvertretungen: Die Pflege diplomatischer Beziehungen vor Ort ist ein wichtiges Mittel der Aussenpolitik, das für Liechtenstein aufgrund seiner beschränkten Ressourcen nur begrenzt einsetzbar ist. Auf der Grundlage eines Abkommens wurde Liechtenstein 1880–1919 im Ausland von Österreich-Ungarn diplomatisch vertreten. Während des Ersten Weltkriegs übernahmen neutrale Staaten die Vertretung in den alliierten Ländern (bis 1917 die USA, danach u.a. Schweden, Dänemark und die Schweiz). Seit 1919 nimmt die Schweiz diese Funktion in jenen Ländern wahr, in denen sie Auslandsvertretungen besitzt und Liechtenstein nicht selbst eine Vertretung unterhält. Die Schweiz handelt dabei aufgrund von Aufträgen allgemeiner Art (besonders bei der konsularischen Betreuung liechtensteinischer Staatsangehöriger) oder aufgrund spezieller Ersuchen (v.a. bei der Vertretung Liechtensteins an gewissen diplomatischen Konferenzen).
Ab 1919 unterhielt Liechtenstein erstmals eigene Gesandtschaften in Wien (bis 1923) und Bern (bis 1933). 1952 wurde die Errichtung und Organisation der Auslandsvertretungen gesetzlich geregelt. Heute bestehen acht diplomatische Auslandsvertretungen Liechtensteins. Jene in Wien und Brüssel nehmen gleichzeitig die Funktion einer bilateralen Botschaft und einer Vertretung bei internationalen Organisationen wahr. Insgesamt umfasst das Vertretungsnetz daher sechs multilaterale Vertretungen und fünf bilaterale Botschaften. Seit 1986 ist ausserdem ein nicht residierender Botschafter beim Hl. Stuhl akkreditiert. Die ständige Präsenz bei verschiedenen Internationalen Organisationen erlaubt es Liechtenstein, am Sitz der Organisation mit einer Vielzahl von diplomatischen Vertretungen anderer Länder in Kontakt zu treten, ohne über bilaterale Botschaften in diesen Ländern zu verfügen. 2007 errichtete Liechtenstein zwei Honorarkonsulate in den USA, 2008 zwei weitere in der Bundesrepublik Deutschland.
Ausländer: Als Ausländer werden im Zeitalter der Nationalstaaten Personen bezeichnet, die nicht die Staatsangehörigkeit desjenigen Staats besitzen, in dem sie sich aufhalten. Diese Definition hat den älteren Begriff «Fremde», der auf Identität und Gruppenzugehörigkeit rekurriert, weitgehend abgelöst.
Herkunft und rechtliche Stellung der Ausländer waren und sind bis heute von der politischen und wirtschaftlichen Ausrichtung Liechtensteins abhängig. Nach einer bis 1918 dauernden Bindung an Österreich lehnte sich Liechtenstein über den Abschluss des Zollanschlussvertrags 1923 an die Schweiz an. Die neueste Entwicklung im Ausländerbereich ist durch die 1995 erfolgte Einbindung Liechtensteins in den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) gekennzeichnet.
Staatliche Ausländerpolitik umfasst zwei Regelungsbereiche: die Zulassung von Ausländern (→ Aufenthalts- und Niederlassungsrecht, Zulassungsbeschränkungen) und deren Integration in Gesellschaft und Staat (Einbürgerung, andere Integrationsmassnahmen).
Liechtenstein war aufgrund der Nähe des Fürstenhauses zur Habsburgermonarchie sowie des 1852 erfolgten Zollanschlusses an Österreich bis 1918 politisch wie wirtschaftlich auf seinen östlichen Nachbarn ausgerichtet. Dies schlug sich auch in der Herkunft und der Stellung der in Liechtenstein lebenden Ausländer nieder. So waren in der fürstlichen Landes- und Domänenverwaltung alle höheren und mittleren Ämter mit Ausländern besetzt, die vorwiegend aus dem österreichisch-süddeutschen Raum stammten. Auch die Landvögte resp. Landesverweser, die in Stellvertretung des Fürsten in Vaduz die Regierungsgeschäfte führten, waren bis 1918 Ausländer («Ausländerregierung»), desgleichen die Offiziere sowie die meisten Unteroffiziere des liechtensteinischen Militärkontingents (1815–68). Aus dem Ausland kamen Anfang des 19. Jahrhunderts auch die ersten Lehrer, ab der Mitte des 19. Jahrhunderts zudem Lehrschwestern aus dem Kloster Zams in Tirol und bis heute der Grossteil der Geistlichen. Ab 1861 entstanden in Liechtenstein auf Initiative von Schweizer Unternehmern die ersten Industriebetriebe (Textilfabriken). Mit der Industrialisierung wuchs der Ausländeranteil kontinuierlich und erreichte vor dem Ersten Weltkrieg mit 15,5 % (1911) einen ersten Höchststand. 1884 stammten von den insgesamt 426 Industriearbeiterinnen und -arbeitern 279 aus Liechtenstein, 64 aus Österreich, 58 aus der Schweiz und 25 aus Deutschland; den Grossteil der Arbeiterschaft bildeten Frauen. Ab 1880 entstanden für die ausländischen Arbeitskräfte erste Arbeiterwohnungen; 1911–14 wurden in- und ausländische Arbeiterinnen in einem von Klosterschwestern (Menzingen) geleiteten «Mädchenheim» im Ebenholz (Vaduz) untergebracht. Mit der Industrialisierung kamen nicht nur ausländische Arbeiterinnen und Arbeiter, sondern auch Fach- und Führungskräfte ins Land, darunter der aus dem Kanton Zürich stammende Unternehmer Johann Jakob Spoerry (1855–1918). In das bis anhin rein katholische Liechtenstein trat ein neues konfessionelles Element. Von den 1891 in Liechtenstein lebenden Ausländern gehörten 756 der römisch-katholischen und 105 der evangelischen Konfession an.
Die Landesbehörden betrieben bis zum Ersten Weltkrieg eine liberale Zulassungspolitik. Bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts gestattete man Ausländern «auf Wohlverhalten hin» den Aufenthalt und gegen ein «Hintersässgeld» von wenigen Gulden die Niederlassung. Eine Ausnahme bildeten die «ausländischen Bettler», die man nach jedem Krieg in Scharen von Land zu Land trieb. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bestanden u.a. mit den Nachbarkantonen St. Gallen und Graubünden, der Eidgenossenschaft sowie mit Bayern, Württemberg und den Niederlanden Freizügigkeitsabkommen. Der liechtensteinisch-schweizerische Niederlassungsvertrag vom 6.7.1874 gewährleistete den Angehörigen der beiden Vertragsstaaten die Niederlassungs- sowie Handels- und Gewerbefreiheit.
Nach dem Zusammenbruch der Donaumonarchie orientierte sich Liechtenstein nach der Schweiz, mit der es 1923 eine Zollunion einging. Der Zollvertrag begründete die Anwendung der schweizerischen Ausländergesetzgebung in Liechtenstein, die bis zum Inkrafttreten des EWR-Abkommens in Liechtenstein (1995) die rechtliche Grundlage der liechtensteinischen Ausländerpolitik bildete. Liechtenstein nahm in ausländerrechtlichen Belangen die Stellung eines Kantons ein, war also wie diese in der Befugnis zur Ausstellung von Aufenthalts- und Niederlassungsbewilligungen nicht gänzlich frei. Autonom entscheidet Liechtenstein seit jeher über die Gewährung oder Verweigerung von Asyl. Auf der Basis der schweizerischen Ausländergesetzgebung (ANAG) erliess die liechtensteinische Regierung ab 1963 diverse Verordnungen zur Beschränkung der Zuwanderung. Dabei hatte sie den Grundsatz zu beachten, dass die Bestimmungen zwar restriktiver, jedoch nicht liberaler sein durften als die schweizerischen.
Ein wichtiger Schritt bedeutete die 1941 zwischen Liechtenstein und der Schweiz vereinbarte Freizügigkeit. Bis zu deren Einschränkung im Jahr 1981 konnten sich Liechtensteiner und Schweizer im je anderen Vertragsstaat frei niederlassen und waren auf dem Arbeitsmarkt den Inländern gleichgestellt. 1981 wurde die Freizügigkeit auf Betreiben Liechtensteins weitgehend aufgehoben. Seither sind auch die vordem privilegierten Schweizer Bürger Zuwanderungsbeschränkungen unterstellt.
Die Hinwendung zur Schweiz beeinflusste auch die Zusammensetzung der ausländischen Bevölkerung. Stammte 1930 noch der grösste Teil der Ausländer aus Österreich (44,1 %), so kehrte sich das Verhältnis in den 1940er Jahren zugunsten der Schweizer. Seit 1950 stellen diese die grösste Ausländergruppe dar, gefolgt von den Österreichern, Deutschen und Italienern. Im Jahr 2000 betrug der Anteil der Schweizer Bürger 33,6 %.
Liechtenstein erlebte nach 1945 einen rasanten Wandel vom Agrar- zum Industrie- und Dienstleistungsstaat, der von einem ungebrochenen Wirtschaftswachstum begleitet wurde. Folge davon war eine anhaltende Nachfrage nach ausländischen Arbeitskräften und ein entsprechendes Anwachsen der ausländischen Erwerbs- und Wohnbevölkerung. Von 1941 bis 1970 stieg der Ausländeranteil an den Erwerbstätigen von 16,2 % auf 53,9 %. Seit den 1990er Jahren beträgt er über 60 %. Der Aufbau der Industrie in den 1940er und 50er Jahren ging mit einem hohen Bedarf an Fach- und Führungskräften einher, die hauptsächlich aus der Schweiz und Deutschland rekrutiert wurden. Folge davon war eine Überschichtung der einheimischen Arbeitnehmerschaft, die, wenn auch anders akzentuiert, bis heute anhält. Mit der Expansion der Industrie und des Dienstleistungssektors in und ab den 1960er Jahren wuchs auch der Bedarf an weniger qualifizierten Arbeitskräften. Diese wurden in Österreich, seit den 1960er Jahren vermehrt in Italien und seit den 1980er Jahren zunehmend in der Türkei rekrutiert.
Die liechtensteinische Zulassungspolitik orientierte sich wie die schweizerische bis in die 1960er Jahre am sogenannten Rotationsprinzip. Ausländische Arbeitskräfte wurden in der Regel nur unter der Bedingung zugelassen, dass sie nach getaner Arbeit wieder in ihre Heimat zurückkehrten. Gemäss dieser Auffassung gewährte man nur kurzfristige Aufenthalte, verhinderte soweit als möglich die Niederlassung und verbot den Familiennachzug. Im Verlauf der 1960er Jahre wurde das Rotationsprinzip vom Niederlassungsprinzip abgelöst. Auch Liechtenstein musste 1968 den ausländischen Arbeitskräften die Möglichkeit des Familiennachzugs zugestehen und dem Umstand Rechnung tragen, dass die Wirtschaft strukturell auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen war.
Liechtenstein betrieb über den ganzen Zeitraum hinweg trotz grosser Arbeitsnachfrage eine restriktive Zuwanderungspolitik. Möglich wurde dies in erster Linie durch den Rückgriff auf Grenzgänger. In den 1950er Jahren stieg der Anteil der Grenzgängerinnen und Grenzgänger an den ausländischen Erwerbstätigen von 12 % auf 44 %, im Jahr 2000 betrug er 60 %. Bis zur Einschränkung der Freizügigkeit mit der Schweiz 1981 kam der weitaus grösste Teil der Grenzgänger aus Vorarlberg. Im Jahr 2000 pendelten 6136 Personen aus Österreich zu, 4762 aus der Schweiz.
Die restriktive Zulassung von Ausländern fand in einer Reihe sogenannter Begrenzungsverordnungen (BVO) ihren Niederschlag. Die ersten einschränkenden Massnahmen gehen auf das Jahr 1963 zurück und legen fest, dass Aufenthalts- und Grenzgängerbewilligungen nur noch im Rahmen des Wegzugs von ausländischen Arbeitskräften erteilt werden dürfen. Trotz dieser Vorgaben nahmen in den boomenden 1960er Jahren sowohl die Ausländerbeschäftigung wie auch die ausländische Wohnbevölkerung stark zu, Letztere auch infolge des ab 1968 gewährten Familiennachzugs. 1970 führte Liechtenstein, dem Beispiel der Schweiz folgend, mit der sogenannten Gesamtplafonierung ein neues Zulassungssystem ein, das die Zuwanderung mittels der Festlegung von Höchstzahlen für Neubewilligungen begrenzte. Die liechtensteinische Regierung legte gleichzeitig fest, dass der Ausländeranteil an der Gesamtbevölkerung nicht mehr als 33 % betragen dürfe. Die liechtensteinische Zulassungspolitik orientierte sich in der Folge an dieser «Drittelsgrenze», die jedoch trotz mehrmaliger Verschärfung der Zulassungsbestimmungen (1980, 1989) nicht eingehalten werden konnte. Eine gewisse Stabilisierung wurde mit der Begrenzung der Zuwanderung aus der Schweiz in den 1980er Jahren erreicht. Anfang der 1990er Jahre nahm die ausländische Bevölkerung jedoch erneut zu und erlangte 1995 mit einem Anteil von 39,1 % ihren bisherigen Höchststand.
Bis 1995 wurden Ausländern in Bezug auf den Aufenthalt keine Rechtsansprüche zugestanden. Die Erteilung resp. Verlängerung von Aufenthalts-, Niederlassungs- und Familienbewilligungen lag im Ermessen der Fremdenpolizei und war von der Lage auf dem Arbeitsmarkt abhängig. Bei konjunkturellen Einbrüchen konnte man sich durch Nichtverlängern der Aufenthalts- resp. im Fall der Grenzgänger der Arbeitsbewilligung auf relativ einfachem Weg überschüssiger Arbeitskräfte entledigen und damit einen Teil der Arbeitslosigkeit exportieren, was in den Rezessionsjahren 1974–76 nachweislich geschah. Zu den fehlenden Rechtsansprüchen gesellte sich eine diskriminierende fremdenpolizeiliche Praxis. Davon betroffen waren in erster Linie Angehörige «entfernterer Länder» (u.a. Jugoslawen, Griechen, Türken) und Frauen. Angehörige besagter Länder wurden in der Regel nur für schwere Arbeiten zugelassen (Landwirtschaft, Gastgewerbe u.a.) und hatten beim Familiennachzug mit einer doppelt so langen Wartefrist (zehn Jahre) zu rechnen wie Österreicher, Deutsche, Italiener und Spanier. Frauen war der Familiennachzug bis 1989 grundsätzlich untersagt, desgleichen auch Saisonniers. Bevorzugt behandelt wurden bzgl. der Zulassung wie auch des Familiennachzugs Hochqualifizierte und vermögende Personen.
Mit dem Inkrafttreten des EWR-Abkommens am 1.5.1995 setzte in der liechtensteinischen Ausländerpolitik eine neue Entwicklung ein. Liechtenstein begrenzt zwar nach wie vor die Zuwanderung, hat sich aber gegenüber dem EWR zu einem Nettoanstieg von mind. 1,75 % pro Jahr für erwerbstätige sowie 0,5 % für erwerbslose EWR-Angehörige verpflichtet. Auch gegenüber der Schweiz besteht seit dem 1.1.2005 (Vaduzer Konvention, Europäische Freihandelsassoziation EFTA) eine jährliche Mindestverpflichtung zur Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen. Die in Liechtenstein aufenthaltsberechtigten Ausländer mit B- und C- bzw. D-Bewilligung sind nun, sofern es sich um EWR-Angehörige und Schweizer handelt, den Inländern aufenthaltsrechtlich gleichgestellt. Drittstaats­angehörige unterstehen bzgl. der Zulassung sowie der Rechtsstellung den Bestimmungen des 2009 in Kraft getretenen Ausländergesetzes (AuG). Im Jahr 2000 waren 46,8 % der in Liechtenstein lebenden Ausländer EWR-Bürger.
Die Integration der Ausländer ist in Liechtenstein zwar seit den 1950er Jahren ein Thema, zu griffigen Massnahmen kam es jedoch erst in den späten 1990er Jahren. Einer der bedeutendsten integrationspolitischen Schritte erfolgte 1996/97 mit der bürgerrechtlichen Gleichstellung der liechtensteinischen Frauen. Die Möglichkeit der Mütter, das liechtensteinische Bürgerrecht an ihre Kinder weiterzugeben, führte dazu, dass die ausländische Wohnbevölkerung 1997 innert Jahresfrist um 8,9 % zurückging und der Ausländeranteil von 39,1 % (1995) auf 34,3 % (1997) sank. 1996–2006 erlangten auf diesem Weg über 1800 in Liechtenstein wohnhafte Personen die liechtensteinische Staatsbürgerschaft. Ein weiterer wichtiger Schritt war die im Jahr 2000 erfolgte Einführung der erleichterten Einbürgerung für «Alteingesessene». Ausländer, die seit 30 Jahren respektive, wenn in Liechtenstein geboren, seit 15 Jahren in Liechtenstein ansässig sind, verfügen seither über einen Rechtsanspruch auf Einbürgerung. Im Jahr 2001 machten 302 Personen von diesem Recht Gebrauch (2008: 197). Seit 2009 ist bei allen Einbürgerungsarten der Nachweis von Deutsch- und Staatskundekenntnissen erforderlich. Anderweitige Integrationsmassnahmen gewannen erst mit dem vermehrten Zuzug fremdsprachiger Ausländer an Bedeutung. Heute besteht an den Schulen ein differenziertes Angebot an Sprachunterricht (Deutsch als Fremdsprache). Staatlich gefördert wird auch der Unterricht in der Muttersprache und in heimatlicher Landeskunde.
In den liechtensteinischen Rechtsvorschriften wird der Bereich der Integration zum ersten Mal in der Personenverkehrsverordnung (PVO) vom 30. November 2004 erwähnt. Heute ist die Integration von Ausländern sowohl im Personenfreizügigkeitsgesetz (PFZG), das für EWR-Angehörige und Schweizer gilt, als auch im Ausländergesetz (AuG), das für alle übrigen ausländischen Staatsangehörigen gilt, verankert.
Grundlage für die Ausgestaltung der Integration in Liechtenstein bildet neben den gesetzlichen Vorschriften ein von der Regierung verabschiedetes Integrationskonzept mit einem dazu gehörenden Massnahmenplan. Dafür werden im Rahmen des Budgets der Landesverwaltung jährlich finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt. Wichtige Ansprechpartner im Bereich Integration sind die über 20 Ausländervereine; der grösste ist mit 464 Mitgliedern (2007) der 1948 gegründete Schweizer Verein.
Aussenpolitik: Liechtenstein stellen sich in der Aussenpolitik grundsätzlich die gleichen Aufgaben wie anderen souveränen Staaten. Es handelt sich dabei v.a. um die Wahrung der Unabhängigkeit und Sicherheit des Landes, die Ordnung seiner völkerrechtlichen Beziehungen, den Verkehr mit anderen Staaten und mit den internationalen Organisationen, die Wahrnehmung der eigenen Staatsinteressen und den Schutz der Landesangehörigen im Ausland sowie die Mitarbeit in der internationalen Staatengemeinschaft. Die besonderen Strukturbedingungen des Landes – seine Kleinheit, sein wirtschaftliches Potenzial, die staatliche Infrastruktur – haben es für Liechtenstein in seiner rund 200-jährigen Existenz als souveräner Staat stets erforderlich gemacht, Anlehnung an Nachbarstaaten und Einbettung in grössere politische und wirtschaftliche Einheiten zu suchen. Die liechtensteinische Aussenpolitik ist daher immer auch Integrationspolitik gewesen. Liechtenstein versuchte und war darauf angewiesen, staatliche Aufgaben nach aussen zu delegieren. Neben einer Entlastung von Staatsaufgaben, die nur schwer hätten selbständig wahrgenommen werden können, wurden auch Sicherheit und Anerkennung gesucht und erreicht. Durch die bilaterale und multilaterale Integrationspolitik konnte ausserdem der wirtschaftliche Zugang zu grösseren Räumen und Märkten sichergestellt werden. Dies war für die Entwicklung Liechtensteins vom Agrar- zum Industrie- und Dienstleistungsstaat von grosser Bedeutung. Die geografische Lage an einem wichtigen europäischen Nord-Süd-Verbindungsweg und die wechselnden Geschicke seiner Nachbarländer Schweiz und Österreich haben die aussenpolitische Stellung Liechtensteins ebenfalls stark beeinflusst.
Bis Anfang 19. Jahrhundert ist eine eigene liechtensteinische Aussenpolitik nur in Ansätzen zu erkennen: Als Glieder des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation waren die Grafschaft Vaduz und die Herrschaft Schellenberg dem Schwäbischen Kreis zugeteilt. Die seit dem 14. Jahrhundert bestehende Reichsunmittelbarkeit konnte trotz der schwierigen Lage zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Habsburgerreich gewahrt werden. Die Anlehnung der Landesherren an das Haus Habsburg verunmöglichte im Schwabenkrieg 1499 und im Dreissigjährigen Krieg 1618–48 eine neutrale Haltung. Nach dem Kauf von Schellenberg (1699) und Vaduz (1712) bestimmte das eng mit Habsburg verbundene Haus Liechtenstein die politische Entwicklung. Der regierende Fürst schickte meist seinen Landvogt oder einen eigens beauftragten Stimmvertreter an die Kreisversammlungen. Die Mediatisierung infolge des Reichsdeputationshauptschlusses von 1803 überstand Liechtenstein unbeschadet.
Nach der Auflösung des römisch-deutschen Reichs 1806 wurde Liechtenstein auf Wunsch Napoleons, aber ohne Wissen Fürst Johanns I., in den Rheinbund aufgenommen, wodurch das Reichsfürstentum ohne eigenes Zutun zu einem souveränen Staatswesen wurde (→ Souveränität). Aufgrund der Rheinbundakte war Liechtenstein verpflichtet, einen Gesandten an den Bundestag in Frankfurt zu schicken und ein Militärkontingent von 40 Mann zu stellen. Am 12.10.1806 schloss Liechtenstein einen Militärvertrag mit dem Herzogtum Nassau, welches die von Liechtenstein geforderten Soldaten gegen eine finanzielle Entschädigung stellte. Der Fürst besass in der Aussenpolitik volle Freiheit: Er ernannte Gesandte, schloss Verträge, verkehrte mit den Höfen, bestimmte über Krieg und Frieden. Jedoch fielen die fürstlichen Entscheidungen in der Aussenpolitik meist nach Rücksprache mit der Hofkanzlei in Wien, die ihrerseits Erkundigungen beim Landvogt in Vaduz einholte. Kurz vor der Auflösung des Rheinbunds sicherte der Vertrag von Teplitz vom 9.9.1813 den Rheinbundfürsten die Souveränität zu. Auf dem Wiener Kongress wurde am 8.6.1815 die liechtensteinische Souveränität nochmals anerkannt und Liechtenstein in den Deutschen Bund aufgenommen. Verschiedene weitere multilaterale Abkommen, darunter der Beitritt zur Hl. Allianz, stärkten die Position Liechtensteins. Als Mitglied des bis 1866 bestehenden Deutschen Bunds musste Liechtenstein einen Gesandten nach Frankfurt entsenden, eine unabhängige oberste Gerichtsinstanz bestimmen und ein Bundeskontingent von 80 Mann unterhalten. Das liechtensteinische Militär rückte 1866 zum letzten Mal aus und wurde 1868 aufgelöst.