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Zwei Verstaatlichungsgesetze 1946 und 1947 betrafen die Grossbanken und grosse Teile der Grundstoffindustrie sowie der Elektrizitätswirtschaft. Währungsreform und das folgende erste Lohn- und Preisabkommen stellten den Beginn der stabilen Sozialpartnerschaft dar. In der Wiederaufbauphase dominierte die staatliche Lenkung. Ein stabiles Wirtschaftswachstum ermöglichte von etwa 1965 bis 1975 die tief greifende Modernisierung wie Reform aller Gesellschaftsbereiche (Schul-, Universitäts-, Strafrechtsreform). Ausgelöst von der Krise der verstaatlichten Industrie Mitte der 1980er Jahre hat sich die Wirtschaftspolitik seither in Richtung Deregulierung und Privatisierung geändert.
Bis 1966 regierten Koalitionen der beiden Grossparteien ÖVP und SPÖ. 1966 wurde eine ÖVP-Alleinregierung unter Bundeskanzler Josef Klaus gebildet, ihr folgten ab 1970 mehrere Alleinregierungen der SPÖ unter Bundeskanzler Bruno Kreisky. 1983–86 musste die SPÖ unter Bundeskanzler Fred Sinowatz eine Koalition mit der FPÖ eingehen. 1986 trat der Bundeskanzler wegen der Wahl des umstrittenen Kurt Waldheim zum Bundespräsidenten zurück, die kleine Koalition zerbrach nach einem Rechtsschwenk der FPÖ, und es wurde eine SPÖ/ÖVP-Koalition unter Bundeskanzler Franz Vranitzky gebildet. Diese führte das Land 1995 in die EU (Volksabstimmung 1994). 2000 erreichte die rechtsgerichtete FPÖ bei den Wahlen zum Nationalrat knapp den ersten Platz, in der Folge regierte eine ÖVP/FPÖ-Koalition unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, die wegen der Beteiligung der rechtsgerichteten FPÖ umstritten war.
Nach den Wahlen 2006 lagen die Oppositionsparteien (Grüne, FPÖ) wieder bei etwa 15 % der Stimmen und die Grossparteien stellten mit einer grossen Koalition die Regierung unter Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ). 2008 zerbrach die Koalition. Bei den Neuwahlen wurden die Grossparteien geschwächt; bei unveränderter Regierungskoalition mit einem Kanzler der SPÖ (Werner Faymann) steht die Rechte (FPÖ und BZÖ) bei nahezu 30 % der Stimmen.
Mit dem Eintritt Hugos I. von Liechtenstein in die Dienstmannschaft der Babenberger um 1140 und dem Bau der Namen gebenden Burg Liechtenstein bei Mödling wurden die Herren von Liechtenstein zu einem österreichischen Adelsgeschlecht. Im 13. Jahrhundert verlagerten sie den Schwerpunkt ihrer Herrschaft in das nordöstliche Niederösterreich (Weinviertel), wo das Fürstenhaus bis heute begütert ist (→ Wilfersdorf). Heinrich I. von Liechtenstein, der als erster österreichischer Adeliger zu Přemysl Otakar II. überging, wurde 1249 mit der Herrschaft Nikolsburg (Mikulov) in Mähren belehnt, die bis zum Verkauf 1560 Zentrum der liechtensteinischen Besitzungen und bevorzugte Residenz des Hauses blieb. 1608 erhob Erzherzog Matthias Karl von Liechtenstein (1569–1627) in den Fürstenstand und verlieh ihm als Kaiser 1614 das Herzogtum Troppau in Schlesien. Kaiser Ferdinand II. ernannte 1622 Karl zum kaiserlichen Statthalter in Böhmen und verlieh ihm das schlesische Herzogtum Jägerndorf. 1620 erhob er Karl und 1623 auch dessen Brüder, den kaiserlichen Oberstfeldzeugmeister Maximilian (1578–1643) und den Hofkammerpräsidenten Gundaker (1580–1658), in den erblichen Reichsfürstenstand. Seit dieser Zeit war das Haus Liechtenstein ganz auf den Kaiserhof in Wien konzentriert. Seine Mitglieder machten im Dienst der Habsburger als leitende Hofbeamte, Diplomaten oder Generäle Karriere und wurden häufig mit dem höchsten kaiserlichen Orden, dem Goldenen Vlies, ausgezeichnet. Fürst Johann Adam Andreas von Liechtenstein (1657–1712) liess an der Wende zum 18. Jahrhundert das Stadtpalais Liechtenstein in der Wiener Innenstadt und das Gartenpalais in der Rossau (Wien IX) errichten. Fürst Anton Florian (1656–1721) erlangte als kaiserlicher Botschafter in Rom sowie als Erzieher und Obersthofmeister Kaiser Karls VI. grossen Einfluss. Der Kaiser verlieh ihm 1713 Sitz und Stimme im Reichsfürstenrat und erhob 1719 die Grafschaft Vaduz und die Herrschaft Schellenberg zum Reichsfürstentum Liechtenstein. Fürst Josef Wenzel (1696–1772) erlangte als Feldmarschall und Erneuerer der österreichischen Artillerie hohes Ansehen und zeichnete sich im Österreichischen Erbfolgekrieg und im Siebenjährigen Krieg wiederholt aus. In den Kämpfen gegen Napoleon erwarb Fürst Johann I. (1760–1836) als kühner Reitergeneral die besondere Achtung Napoleons. Nach der Niederlage von Austerlitz hatte er als diplomatischer Unterhändler Österreichs massgeblichen Anteil am Friedensschluss von Pressburg 1805.
1806 erlangte Liechtenstein die Souveränität. Dies bedeutete für das Haus Liechtenstein eine Sonderstellung am Wiener Hof wie in der österreichischen Aristokratie. Mitglieder des fürstlichen Hauses machten in Österreich weiterhin Karrieren am Kaiserhof, in der Armee oder als Diplomaten. Auf der Grundlage der Stellung des Hauses Liechtenstein als landtagsfähige Familie im Kaisertum Österreich waren Mitglieder des Hauses in den österreichischen Ländern politisch aktiv; im Reichstag taten sich die beiden Brüder Alfred (1842–1907) und Aloys (1846–1920) hervor. Fürst Johann II. (1840–1929) hielt zum Kaiserhof Distanz, sein Bruder Franz (1853–1938) war ihm stärker verbunden. Die Bindung des Fürstenhauses an den Wiener Hof fand ihren besonderen Ausdruck in der 1903 geschlossenen Ehe des Prinzen Alois (1869–1955) mit einer Nichte Kaiser Franz Josefs. Nach dem Zusammenbruch der Monarchie 1918 setzte sich Prinz Johannes (1873–1959) für eine Restauration der Habsburger ein. 1919 veränderte sich die Stellung des Hauses Liechtenstein in Österreich wie in der Tschechoslowakei einschneidend. Es verlor seine Privilegien und einen bedeutenden Teil seines Landbesitzes.
1945 floh ein Grossteil der fürstlichen Familie von Wien nach Liechtenstein. Ende Februar 1945 wurden unter schwierigen Umständen die Sammlungen des Fürsten von Liechtenstein von Wien nach Vaduz verbracht; seit 2004 ist ein Teil der Kunstwerke wieder im Palais Liechtenstein in Wien zu besichtigen.
1309 erwarben die Habsburger im Gebiet des heutigen Liechtenstein Burg und Herrschaft Gutenberg, 1375 in dessen unmittelbarer Nachbarschaft die Grafschaft Feldkirch. Um ihre Stellung angesichts der territorialen Expansion der Habsburger zu stärken, liessen sich die Brüder Hartmann IV. (II.) und Heinrich V. (I.) von Werdenberg-Sargans-Vaduz 1396 die Grafschaft Vaduz von König Wenzel als Reichslehen bestätigen. Im 15. Jahrhundert entwickelte sich das Alpenrheintal zur Grenze zwischen der habsburgisch-österreichischen und der eidgenössischen Einflusssphäre. In den sich daraus ergebenden Auseinandersetzungen waren die Vaduzer Landesherren meist im Lager der Habsburger. Strategische Interessen Österreichs im Alpenrheintal machten Liechtenstein im Schwabenkrieg (1499), im Dreissigjährigen Krieg (1618–48) und in den Koalitionskriegen (1792–1809) zum Kriegsschauplatz.
Liechtenstein wurde 1806 trotz der engen Verbindung zu Österreich Mitglied des Rheinbunds. Fürst Johann I. übergab als österreichischer Feldherr die Regentschaft seinem minderjährigen Sohn Karl, um der Rheinbundakte zu entsprechen, die ein Verbot von Kriegsdiensten für fremde Armeen enthielt. 1815 wurde Liechtenstein Mitglied des bis 1866 bestehenden Deutschen Bunds und orientierte sich in seinem aussenpolitischen Agieren eng an Österreich; das Fürstentum trat der Heiligen Allianz bei. Österreich garantierte wie Preussen und Russland Liechtenstein 1815 seine Souveränität. In der Bundespolitik war das katholische Fürstentum mit seinem Souverän eine wenn auch kleine Kraft gegen liberale, nationale und revolutionäre Kräfte sowie – an der Seite Österreichs – gegen die preussische Dominanz. So blieb Liechtenstein 1834 mit Österreich dem deutschen Zollverein fern. Im Zusammenhang mit dem Preussisch-Österreichischen Krieg 1866 wurde das liechtensteinische Kontingent im Rahmen der Bundespflicht zum italienischen Kriegsschauplatz abkommandiert; es war der Tiroler Landesverteidigung unterstellt, aber nicht in Kampfhandlungen verwickelt. 1868 wurden Handelsverträge mit der Schweiz und dem Deutschen Zollverein geschlossen, bei denen das Kaisertum Österreich «zugleich auch in Vertretung des Fürstentums Liechtenstein» auftrat. Ab 1880 übernahm Österreich auch offiziell die diplomatische Vertretung Liechtensteins im Ausland.
Am 5.6.1852 schlossen Österreich und Liechtenstein einen Zollvertrag, der 1863 und 1876 erneuert wurde. Der Abschluss wurde durch den österreichisch-preussischen Konflikt um die wirtschaftspolitische Gestaltung des Deutschen Bunds mit ermöglicht. Österreich verwendete den Vertrag propagandistisch gegen Preussen. Liechtenstein trat dem österreichischen System der Zölle, Staatsmonopole (Tabak) und Verzehrungssteuern (Alkohol, Schlachtvieh) bei, österreichische Zollbeamte taten bis 1919 im Fürstentum Dienst. Nachteile entstanden für Liechtenstein aus der Behinderung des Warenverkehrs mit der Schweiz und der schlechten Konkurrenzfähigkeit der liechtensteinischen Landwirtschaftsgüter im österreichischen Markt. Proteste und Petitionen der liechtensteinischen Bevölkerung gegen diesen Zustand (vor allem 1863) hatten keinen Erfolg. Die durch den Zollvertrag bewirkte Öffnung des österreichischen Wirtschaftsraums für Liechtenstein begünstigte dessen 1861 einsetzende Industrialisierung. 1885–1909 war das k.k. Gewerbeinspektorat für Tirol und Vorarlberg, ab 1910 dasjenige für Vorarlberg für die Überwachung der Arbeitsverhältnisse in den liechtensteinischen Fabriken zuständig.
Ab 1844 war das österreichische Gewichts- und Masssystem gültig, 1876 übernahm Liechtenstein das dekadische System, das in Österreich seit 1871 galt (→ Masse und Gewichte). Das österreichische Münzsystem wurde mit dem am 23.12.1863 abgeschlossenen Zollerneuerungsvertrag eingeführt, erst 1867 verliessen Österreich und Liechtenstein den deutschen Münzverein von 1857 (→ Geld). Die Nachteile der österreichischen Guldenwährung auf Silberbasis unter Verwendung von Papiergeld mit Zwangskurs gegenüber der deutschen Goldwährung trug Liechtenstein bis 1898 mit, dann übernahm es die neue österreichische Kronenwährung. Deren Zusammenbruch betraf Liechtenstein 1918 in vollem Umfang.
Das Postwesen wurde ab 1817 von österreichischen Postbehörden verwaltet, ohne dass eine vertragliche Basis dafür bestanden hätte (→ Post). Ein Postvertrag wurde 1911 geschlossen, Liechtenstein druckte eigene Postwertzeichen. 1869 errichtete Österreich die Telegrafenstation Vaduz-Feldkirch, 1898 schuf die k.k. Staatstelegrafenverwaltung ein öffentliches Telefonnetz im Fürstentum. 1921 fand die Zuständigkeit österreichischer Behörden im Post- und im Fernmeldewesen in Liechtenstein ein Ende (→ Telekommunikation). 2005 und 2006 gaben Österreich und Liechtenstein jeweils gemeinsam eine Briefmarke heraus.
Seit 1872 besteht die dem österreichischen Staat gehörende und durch Liechtenstein führende Eisenbahnstrecke Feldkirch–Schaan–Buchs (→ Eisenbahn). Nach der Eröffnung der Arlbergbahn 1884 verstärkte sich die Einbindung Liechtensteins in den Markt der Habsburgermonarchie. 1927 bedingte die zu tief liegende Eisenbahnbrücke bei Schaan den Bruch des Rheindamms; Liechtenstein und die Österreichischen Bundesbahnen verhandelten bis 1930 sehr kontrovers über Schadenersatz.
Durch ein Patent führte Fürst Johann I. 1812 das österreichische ABGB von 1811 grossteils, die österreichische allgemeine Gerichtsordnung von 1781, das österreichische StGB von 1803 und die österreichische StPO von 1803 in Liechtenstein ein. Von den Gerichten befand sich nur die erste Instanz in Liechtenstein. Zweite Gerichtsinstanz war ab 1809 die fürstliche Hofkanzlei in Wien, und 1818 kam als dritte Gerichtsinstanz das Oberlandesgericht in Innsbruck dazu. Die Zuständigkeit österreichischer Gerichte für Liechtenstein dauerte bis 1922. 1819–43 wurden sämtliche in Österreich vorgenommenen gesetzlichen Neuerungen in Liechtenstein automatisch übernommen. Auch danach kam es zur Übernahme österreichischer Rechtsvorschriften, ab 1852 verstärkt noch durch die Zollunion. Ab 1884 stellte Österreich Liechtenstein Richter zur Verfügung. Der Rechtspositivismus der «Wiener Schule» und das österreichische Bundesverfassungsgesetz von 1920 waren grundlegend für die liechtensteinische Verfassung von 1921. Am österreichischen Vorbild orientiert sich auch das 1989 in Kraft getretene liechtensteinische StGB. Bis heute sind die juristischen Beziehungen zwischen Österreich und Liechtenstein eng.
Nach dem Ersten Weltkrieg kam es in Liechtenstein zu einem aussenpolitischen Kurswechsel. Die Christlich-soziale Volkspartei strebte eine wirtschaftliche Orientierung zur Schweiz an, während die Fortschrittliche Bürgerpartei bestrebt war, die bestehende zu Österreich aufrechtzuerhalten. Dieser Standpunkt wurde auch vom Fürstenhaus vertreten, für das es um die wichtige Frage der Souveränität ging, die Voraussetzung zur Erhaltung der in der Tschechoslowakei gelegenen Güter. Trotzdem setzte sich die Umorientierung zur Schweiz durch. Im Mai 1919 wurde in Wien eine liechtensteinische Gesandtschaft errichtet. 1923 übernahm die Schweiz die Auslandsvertretung.
Im August 1919 kündigte der liechtensteinische Landtag den Zollvertrag mit Österreich. Die Integration des Fürstentums in den österreichisch-ungarischen Wirtschaftsraum ging zu Ende. Vor allem für die Unterländer Gemeinden bereitete die Trennung vom Wirtschaftsleben Vorarlbergs Probleme, die erst Ausnahmebestimmungen im kleinen Grenzverkehr durch das 1920 geschlossene österreichisch-liechtensteinische Handelsabkommen lindern konnten. An die 200 Vorarlberger pendelten vor allem als Knechte und Dienstmädchen nach Liechtenstein und umgekehrt nach 1938 bis zu 400 Liechtensteiner als Bauarbeiter und Eisenbahner ins grossdeutsche Vorarlberg. Der industrielle Fortschritt Liechtensteins kehrte nach dem Zweiten Weltkrieg die Arbeitsmigration um. Im Jahr 2000 gab es knapp 6200 österreichische Grenzgänger nach Liechtenstein. Liechtensteinische Betriebe siedelten sich seit den 1960er Jahren in Vorarlberg an, umgekehrt agieren österreichische Firmen in Liechtenstein. Seit 1995 gehören Österreich und Liechtenstein durch den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) wieder zu einem gemeinsamen Wirtschaftsraum mit freiem Personen- und Warenverkehr.
Bis in die 1940er Jahre stellten die Österreicher die grösste Ausländergruppe der Wohnbevölkerung Liechtensteins, seither kommen sie nach den Schweizern an zweiter Stelle. 2006 war Österreich nach der Schweiz das Land, in dem die meisten Auslandsliechtensteiner wohnten. Unter den in Liechtenstein arbeitenden Grenzgängern machen die Österreicher seit jeher den grössten Teil aus.
Das österreichische Universitätswesen war für Liechtenstein immer zentral. Seit 1976 sind in Österreich die liechtensteinischen Studenten den österreichischen an allen Hochschulen gleichgestellt. Weitere Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Studien, Prüfungen und akademischen Graden erfolgten 1989 und 1990.
Die Stadt Feldkirch hat mit ihrer städtischen Infrastruktur und ihren Bildungsmöglichkeiten für Liechtenstein seit Jahrhunderten eine herausragende Bedeutung. Patienten aus Liechtenstein werden im Landeskrankenhaus und im Landesnervenkrankenhaus Valduna betreut. Die Feldkircher Stadtwerke versorgten Mauren und Eschen 1906–27 mit Strom, Lieferungen ins liechtensteinische Netz gab es bis 1949.
Die politischen Verhältnisse in Österreich griffen bis 1945 häufig nach Liechtenstein über. Der «Liechtensteiner Heimatdienst» stand dem österreichischen Modell eines autoritären «Ständestaats» nach 1933 nahe; er agierte indirekt gegen die Bindung an die Schweiz. Die Nationalsozialisten in Liechtenstein waren institutionell stark nach Vorarlberg orientiert. Nach dem Anschluss Österreichs ans Deutsche Reich am 12.3.1938 war akute Gefahr für Liechtenstein gegeben (→ Märzkrise). Die Regierung und die Fürsten Franz I. und Franz Josef II. standen innen- wie aussenpolitisch durch den Nationalsozialismus unter Druck. 1939 unternahmen vorarlbergische und liechtensteinische Nationalsozialisten in Liechtenstein einen erfolglosen Putschversuch (→ Anschlussputsch). Liechtenstein hatte für politische Flüchtlinge aller Lager aus Österreich eine Bedeutung als Transitland.
Ab 1949 gab es zwischen Österreich und Liechtenstein wegen eines unklaren Grenzverlaufs im Bereich der Alp Sareis Grenzverhandlungen, die 1960 mit einem Grenzvertrag zum Abschluss gebracht wurden. Weitere bilaterale Abkommen kamen auf Gebieten wie der Doppelbesteuerung, der justiziellen Zusammenarbeit und des Bildungs- und Sozialwesens zustande. 1966 wurde in Vaduz ein österreichisches Konsulat eröffnet. 1967 stattete erstmals ein amtierendes Mitglied der österreichischen Regierung Liechtenstein einen offiziellen Besuch ab. 1975 weilte der österreichische Bundeskanzler Bruno Kreisky zu einem Staatsbesuch in Liechtenstein, bei welchem Fürst Franz Josef II. ihm einen fürstl. liecht. Orden verlieh. Auf Einladung Kreiskys führten Vertreter der liechtensteinischen Regierung 1976 in Wien einen offiziellen Besuch durch. 1984 kam Fürst Franz Josef II. zu einem Staatsbesuch nach Wien. Gegenseitige Besuche auf höchster politischer Ebene fanden auch 1987 statt. Seit 1983 besitzt Liechtenstein mit einer Botschaft in Wien wieder eine Auslandsvertretung in Österreich.
Übergangsriten: Der Begriff der Übergangsriten wurde 1909 vom Ethnologen Arnold van Gennep (1873–1957) geprägt. Demnach durchläuft jeder Mensch verschiedene Lebensabschnitte, deren Übergänge durch profane oder sakrale Handlungen gesellschaftlich geregelt sind. Auch die Übergänge beim Wechsel der Jahreszeiten und andere kosmische Veränderungen können Anlass für Riten sein.
Für wichtige Lebenseinschnitte wie Geburt, Hochzeit oder Tod bieten Kirchen und Glaubensgemeinschaften sakrale Übergangsriten; die Mehrheit der liechtensteinischen Bevölkerung stützt sich dabei auf die katholische Kirche und deren Sakramente wie Taufe und Ehe sowie auf christliche Beerdigungsriten. In manchen Fällen werden damit säkulare Übergangsriten verknüpft, z.B. bei der Hochzeit: die Braut durchschreitet einen an der Haustür befestigten Kranz aus Tannenreisig, der von den ledigen Nachbarn gebunden worden ist. Bei einem Todesfall hat sich die dreitägige Totenwache im Haus des Verstorbenen, verbunden mit Gebeten der wachenden Familie, Nachbarn und Bekannten, seit den 1970er Jahren durch die Aufbahrung in Totenkapellen erübrigt.
Ein für junge Männer bedeutender weltlicher Übergangsritus in der frühen Neuzeit war die Aufnahme in die Knabenschaft, die durch die Bezahlung eines Umtrunks erfolgte. Später spielte der Eintritt in die Jungmannschaft bzw. für junge Frauen in die Marianische Kongregation eine ähnliche Rolle. Schul- und Lehrabschluss sowie die Matura werden durch säkulare Feiern begangen, den Abschluss der Schriftsetzer- und Druckerlehre feiert man seit 1954 mit dem sogenannten Gautschen. Die Volljährigkeit wird seit 1962 als Jungbürgerfeier zelebriert. Ein Beispiel für Übergangsriten bei jahreszeitlichen Veränderungen ist das als Austreiben des Winters tradierte Abbrennen des Funkens am Funkensonntag.
Überparteiliche Liste: Politische Partei. Die Überparteiliche Liste trat erstmals bei den Gemeinderatswahlen 1987 in Vaduz als «Überparteiliche Liste Vaduz» (ÜLV) in Erscheinung. Die Initianten (besonders Josef Büchel, Rainer Ospelt und Leo Sele), die sich Anfang der 1980er Jahre gegen den Bau des Kunsthauses in Vaduz engagiert hatten, konnten bei der oppositionellen Freien Liste nicht Fuss fassen. Die ÜLV erreichte 1987 in Vaduz 18,7 % der Stimmen und zwei Mandate. 1991 eroberte die Überparteiliche Liste in Vaduz und in Triesenberg jeweils ein Gemeinderatsmandat. 1995 kandidierte sie ein letztes Mal in Triesenberg und erreichte wiederum ein Mandat. Bei Landtagswahlen trat sie als «Überparteiliche Liste Liechtenstein» (ÜLL) einzig 1989 an, erreichte aber nur 3,2 % der Wählerstimmen. Die Überparteiliche Liste verstand sich als Opposition gegen die politische Dominanz von VU und FBP, wollte jedoch weniger radikal wirken als die Freie Liste. 1999 wurde die als Verein organisierte Überparteiliche Liste aufgelöst.
Überschwemmungen: Überschwemmungen drohen in Liechtenstein seit je v.a. durch den Rhein. Im Tal des Alpenrheins war schon im 11. Jahrhundert von «Rhein- und Rüfenot» infolge von Hochwassern und Flussverlagerungen die Rede. Die ersten Gegenmassnahmen bestanden darin, gefährdete Stellen am mäandrierenden Flusslauf durch schief zur Strömungsrichtung gebaute «Wuhre» aus Steinen und Flechtwerk zu schützen (→ Wuhrsysteme). Durch diese Ablenkung griff der Fluss aber häufig das Gegenufer an. Für Liechtenstein sind uns als früheste Rheinüberschwemmungen jene vom Jahr 1343 und vom November 1374, als das ganze Talgebiet unter Wasser stand, überliefert. Zwischen dem 15. und dem 19. Jahrhundert lassen sich am Alpenrhein 48 Überschwemmungen nachweisen.
Eine für das 18. und 19. Jahrhundert feststellbare Häufung von Berichten über Überschwemmungen ist nicht nur der besseren Überlieferung zuzuschreiben. Der Raubbau an den Wäldern Graubündens führte wegen vermehrter Rüfenbildung, Bergstürzen und Erdrutschungen dem Rhein grössere Mengen Geschiebe zu. Die Geschiebeablagerungen führten zu einer allmählichen Erhöhung des Flussbetts. Damit wurde die Aufgabe, den Rhein in sein bestehendes Bett zu zwingen, schwieriger, die Gefahr von Wassereinbrüchen und Überschwemmungen grösser. Als Lösung entschied man sich für die Begradigung und Einengung des Flusslaufs mit durchgehenden Wuhren auf beiden Seiten. Nach ersten Ansätzen im Jahr 1790 schlossen die Schweiz und Liechtenstein im Oktober 1837 einen Vertrag, der den Grundstein für die heutigen Rheinschutzbauten am oberen Rhein legte.
Nach den überstandenen Rheingrössen des 18. Jahrhunderts brachten auch die zahlreichen Überschwemmungen des folgenden Jahrhunderts das kleine, durch die Lasten der napoleonischen Kriege völlig verarmte und verschuldete Land in Not, so u.a. im Hungerjahr 1816/17 (→ Hungersnöte), 1846 und 1868. Vor allem die Rheinnot vom Sommer 1846 führte Liechtenstein an den Rand des wirtschaftlichen Ruins. Nach zeitgenössischen Berichten wurde eine Fläche von ca. 12 km Acker- und Wiesland unter Wasser gesetzt und mit Geschiebe überlagert. Die Rheintalebene bis Mauren stand sechs Wochen unter Wasser. Die Gemeindebewohner mussten Fronarbeit leisten, um die Wuhrlücken zu schliessen und den Rhein in sein Bett zurückzuleiten.
Zum bislang letzten Mal demonstrierte der Rhein im September 1927 seine zerstörerische Kraft. Der Fluss brach am 25.9.1927 knapp oberhalb der Eisenbahnbrücke Schaan–Buchs aus und ergoss sich in das Schaaner Riet. Die ganze Talebene nördlich von Schaan wurde überflutet, über das Maurer Riet bis nach Tosters (Vorarlberg) und über Gamprin und Ruggell bis nach Bangs (Vorarlberg). Zwei Menschen kamen ums Leben. Die Fluten konnten erst ca. 15 km unterhalb der Bruchstelle wieder in das Flussbett zurückgedrängt werden. Seit diesem Jahr blieb Liechtenstein aufgrund der erhöhten Rheindämme und der Absenkung der Rheinsohle von weiteren Verheerungen verschont.
Neben dem Rhein kam es auch bei anderen Gewässern zu Überschwemmungen – z.B. trat in der Nacht vom 14. auf den 15.6.1910 der Dorfbach in Triesen über seine Ufer und beschädigte Häuser und Ställe.
Seli-Chronik, 2006, 117f.
ZUR VERTIEFUNG
Verheerender Rheinbruch oberhalb von Vaduz, 1846