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JJT_20240923_OGH0002_0070OB00136_24M0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-16 | 2024-10-16 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240923_OGH0002_0070OB00136_24M0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240923_OGH0002_0070OB00136_24M0000_000/JJT_20240923_OGH0002_0070OB00136_24M0000_000.html | 7Ob136/24m | ECLI:AT:OGH0002:2024:0070OB00136.24M.0923.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und die Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V* GmbH, *, vertreten durch die Schärmer + Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, und deren Nebenintervenientinnen 1. U* AG, *, vertreten durch die Walch/Zehetbauer/Motter Rechtsanwälte OG in Wien, und 2. P* SA *, vertreten durch die Tramposch & Partner Rechtsanwälte OG in Innsbruck, gegen die beklagte Partei G* S.A., *, vertreten durch Dr. Tomasz Klimek, LL.M. LL.M., Rechtsanwalt in Wien, wegen 391.777,93 EUR sA und Feststellung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 27. Juni 2024, GZ 4 R 167/23t-83, den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p><p class="ErlText AlignLeft"> [1] Das <span class="Fett">Erstgericht</span> erklärte sich für die Entscheidung in der Rechtssache zuständig und wies die Einrede der internationalen Unzuständigkeit zurück.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [2] Dem dagegen erhobenen Rekurs der Beklagten gab das <span class="Fett">Rekursgericht</span> nicht Folge. Es sprach aus, dass der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig ist.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"> [3] Gegen diesen Beschluss richtet sich der <span class="Fett">außerordentliche Revisionsrekurs</span> der Beklagten mit dem Antrag, diesen dahin abzuändern, dass die Klage zurückgewiesen werde.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [4] 1. Hat das Rekursgericht den angefochtenen erstgerichtlichen Beschluss zur Gänze bestätigt, ist jeglicher Revisionsrekurs bereits nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig, wenn der Ausnahmefall dieser Gesetzesstelle, nämlich die Zurückweisung einer Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen, – wie hier – nicht vorliegt (RS0112314).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [5] Diese Rechtsmittelbeschränkung betrifft somit auch Beschlüsse des Rekursgerichts, mit denen der Ausspruch des Erstgerichts über seine Zuständigkeit und die Verwerfung der Unzuständigkeitseinrede bestätigt wird (RS0044084 [T2, T3]; zur internationalen Zuständigkeit siehe 6 Ob 128/18v). In dieser Konstellation kommt auch ein „außerordentliches“ Rechtsmittel nicht in Betracht (vgl 8 Ob 44/23p).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [6] 2. Der Revisionsrekurs erweist sich daher als jedenfalls unzulässig.</p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240923_OGH0002_0070OB00139_24B0000_000 | Justiz | OGH | 2024-11-14 | 2024-11-14 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240923_OGH0002_0070OB00139_24B0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240923_OGH0002_0070OB00139_24B0000_000/JJT_20240923_OGH0002_0070OB00139_24B0000_000.html | 7Ob139/24b | ECLI:AT:OGH0002:2024:0070OB00139.24B.0923.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin K* M*, geboren am * 2003, *, vertreten durch Mag. Dr. Stefan Löscher, Rechtsanwalt in Klagenfurt am Wörthersee, gegen den Antragsgegner DI W* M*, vertreten durch Dr. Christian Kempf, Rechtsanwalt in Spittal/Drau, wegen Unterhalt, über den „außerordentlichen<span class="Kursiv"> </span>Revisionsrekurs“ des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 18. Juni 2024, GZ 1 R 195/24g-58, den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p><p class="ErlText AlignLeft"> [1] Das Erstgericht verpflichtete den Vater, einen monatlichen Unterhaltsbetrag zu leisten; und zwar: von 1. 11. 2022 bis 31. 12. 2022 205 EUR, von 1. 1. 2023 bis 31. 12. 2023 270 EUR und ab 1. 1. 2024 260 EUR. Das Mehrbegehren wies es ab.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [2] Über Rekurs des Antragsgegners bestätigte das Rekursgericht diese Unterhaltsfestsetzung. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"> [3] Das dagegen vom Antragsgegner erhobene, als „außerordentlicher Revisionsrekurs“ bezeichnete Rechtsmittel legte das Erstgericht dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vor. Diese Vorgangsweise entspricht nicht dem Gesetz.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [4] 1. Hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG ausgesprochen, dass der (ordentliche) Revisionsrekurs nicht nach § 62 Abs 1 AußStrG zulässig ist, so kann gemäß § 62 Abs 5 AußStrG dennoch ein Revisionsrekurs erhoben werden, wenn der Entscheidungsgegenstand insgesamt 30.000 EUR übersteigt oder soweit er nicht rein vermögensrechtlicher Natur ist (außerordentlicher Revisionsrekurs).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [5] 2. Im Unterhaltsbemessungsverfahren ist der Entscheidungsgegenstand nach ständiger Rechtsprechung rein vermögensrechtlicher Natur und besteht ausschließlich in einem Geldbetrag. Maßgeblich ist gemäß § 58 Abs 1 JN der 36-fache Betrag jenes monatlichen Unterhaltsbeitrags, der zum Zeitpunkt der Entscheidung zweiter Instanz zwischen den Parteien noch strittig war, wobei regelmäßig auf den laufenden Unterhalt abzustellen ist (RS0122735; 2 Ob 152/22z). Der Wert des Entscheidungsgegenstands beträgt im vorliegenden Fall 9.360 EUR (= 36 x 260).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [6] 3. Übersteigt der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt 30.000 EUR nicht und hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt, ist nach § 62 Abs 3 AußStrG der Revisionsrekurs – außer im Fall des § 63 Abs 3 AußStrG – jedenfalls unzulässig. Unter diesen Voraussetzungen kann eine Partei nur gemäß § 63 Abs 1 und 2 AußStrG einen – mit der Ausführung des ordentlichen Revisionsrekurses zu verbindenden – Antrag an das Rekursgericht stellen, den Ausspruch dahin abzuändern, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch für zulässig erklärt werde (Zulassungsvorstellung).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [7] 4. Da die maßgebliche Wertgrenze nicht überschritten wird, kommt dem Obersten Gerichtshof im derzeitigen Verfahrensstadium keine Entscheidungskompetenz zu. Das Erstgericht wird zu beurteilen haben, ob es die Eingabe des Antragsgegners als eine (mit einem ordentlichen Revisionsrekurs verbundene) Zulassungsvorstellung an das Rekursgericht (§ 63 AußStrG) oder aber als verbesserungsbedürftig ansieht (RS0109505).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [8] 5. Die allfällige Verspätung des Rechtsmittels kann derzeit nicht wahrgenommen werden.</p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240923_OGH0002_0070OB00110_24P0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-14 | 2024-12-03 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240923_OGH0002_0070OB00110_24P0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240923_OGH0002_0070OB00110_24P0000_000/JJT_20240923_OGH0002_0070OB00110_24P0000_000.html | 7Ob110/24p | ECLI:AT:OGH0002:2024:0070OB00110.24P.0923.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und die Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. M* M*, vertreten durch Dr. Mario Petutschnig, Rechtsanwalt in Villach, gegen die beklagte Partei A* Versicherungs AG, *, vertreten durch die Dr. Alexander Klaus Rechtsanwalts GmbH in Klagenfurt am Wörthersee, wegen 201.555,97 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 23. Mai 2024, GZ 3 R 47/24t-17, den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.</span></p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p><p class="ErlText AlignLeft"> [1] Zwischen den Streitteilen besteht ein Bündelversicherungsvertrag, der unter anderem eine Sturmschadenversicherung für das Grundstück des Klägers beinhaltet und dem die Allgemeinen Bedingungen für die Sturmversicherung (AStB 1998) zugrunde liegen. Diese lauten auszugsweise:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">„Artikel 1</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett"><span class="Kursiv">Versicherte Gefahren und Schäden</span></span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">1. </span><span class="Unterstrichen">Versicherte Gefahren</span><span class="Kursiv">:</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">[…]</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">1.2 </span><span class="Unterstrichen">Hagel</span><span class="Kursiv">: Hagel ist ein wetterbedingter Niederschlag in Form von Eiskörnern.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">[...]</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">2. </span><span class="Unterstrichen">Versicherte Schäden</span><span class="Kursiv">:</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">Versichert sind Schäden, die</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">2.1 durch die unmittelbare Einwirkung einer versicherten Gefahr (Schadenereignis) eintreten; [...]</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">2.2 als unvermeidliche Folge eines Schadenereignisses eintreten;</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">[...]</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">Artikel 2</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett"><span class="Kursiv">Nicht versicherte Schäden</span></span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">Nicht versichert sind, auch nicht als unvermeidliche Folge eines Schadenereignisses:</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">[...]</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">4. Schäden durch Wasser.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">Schäden durch Schmelz- oder Niederschlagswasser sind aber versichert, wenn das Wasser dadurch in ein Gebäude eindringt, dass feste Baubestandteile oder ordnungsgemäß verschlossene Fenster oder Außentüren durch ein Schadenereignis beschädigt oder zerstört wurden. […]“</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [2] Am 2. Juni 2022 fand im Bereich der versicherten Liegenschaft des Klägers ein Gewitter mit Starkregen und Hagel statt. Durch die damit einhergehenden Wassermengen kam es zu einem Wassereintritt in das Kellergeschoß des auf der Liegenschaft befindlichen Gebäudes.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [3] Der <span class="Fett">Kläger</span> begehrt Zahlung von 201.555,97 EUR sA. Nach dem Hagelunwetter hätten die Hagelkörner den Acker des Klägers mit einer Schicht von rund 10 cm Höhe bedeckt. Durch den warmen Regen seien die Hagelkörner schnell abgeschmolzen. Als unvermeidliche Folge des Hagelschlags habe sich die Erdkruste des Ackers, welche durch die Hagelschloßen an der Oberfläche durchschlagen worden sei, gelöst. Die dadurch entstandenen Wassermassen mit Ackerschlamm hätten im hinteren Außenbereich des nahe gelegenen Gebäudes derart stark angedrückt, dass dort eine Ausschwemmung erfolgt und das Wasser in weiterer Folge in den Kellerraum des Gebäudes eingedrungen sei. Dadurch sei es im Keller zu Schäden gekommen. Die Versicherung habe den Schaden gemäß Art 1.2.2 AStB 1998 zu decken.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [4] Die <span class="Fett">Beklagte</span> beantragt Klageabweisung. Der Schaden auf der Liegenschaft des Klägers sei durch das in das Gebäude eingedrungene Wasser verursacht worden und nicht durch Hagel oder als dessen unvermeidliche Folge eingetreten. Im Übrigen seien die Risikoausschlüsse gemäß Art 2 AStB 1998, welche Schäden durch Wasser ausdrücklich vom Versicherungsschutz ausschließen, anzuwenden.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [5] Das <span class="Fett">Erstgericht</span> wies die Klage ab.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [6] Das <span class="Fett">Berufungsgericht</span> gab der Berufung des Klägers keine Folge. Aus dessen Vorbringen lasse sich der Anspruch auf Versicherungsdeckung nicht schlüssig ableiten; außerdem greife der Risikoausschluss gemäß Art 2.4. AStB 1998.</span></p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"> [7] Dagegen richtet sich die <span class="Fett">außerordentliche Revision</span> des Klägers.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [8] 1.1. Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB) sind nach den Grundsätzen der Vertragsauslegung (§§ 914 f ABGB) auszulegen, und zwar orientiert am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers und stets unter Berücksichtigung des erkennbaren Zwecks einer Bestimmung (RS0050063 [T71]; RS0112256 [T10]; RS0017960). Die Klauseln sind, wenn sie nicht Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen; dabei ist der einem objektiven Betrachter erkennbare Zweck einer Bestimmung zu berücksichtigen (RS0008901 [insb T5, T7, T87]). Unklarheiten gehen zu Lasten der Partei, von der die Formulare stammen, das heißt im Regelfall zu Lasten des Versicherers (RS0050063 [T3]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [9] 1.2. Die allgemeine Umschreibung des versicherten Risikos erfolgt durch die primäre Risikobegrenzung. Durch sie wird in grundsätzlicher Weise festgelegt, welche Interessen gegen welche Gefahren und für welchen Bedarf versichert sind. Auf der zweiten Ebene (sekundäre Risikobegrenzung) kann durch einen Risikoausschluss ein Stück des von der primären Risikobegrenzung erfassten Deckungsumfangs ausgenommen und für nicht versichert erklärt werden. Der Zweck liegt darin, dass ein für den Versicherer nicht überschaubares und kalkulierbares Teilrisiko ausgenommen und eine sichere Kalkulation der Prämie ermöglicht werden soll. Mit dem Risikoausschluss begrenzt also der Versicherer von vornherein den Versicherungsschutz, ein bestimmter Gefahrenumstand wird von Anfang an von der versicherten Gefahr ausgenommen (RS0080166 [T10]; vgl RS0080068).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [10] 2.1. Gemäß Art 1.2.1 AStB 1998 sind Schäden versichert, die durch die unmittelbare Einwirkung einer versicherten Gefahr (hier: Hagel) eintreten. Unmittelbares Einwirken ist gegeben, wenn die Naturgewalt einzige oder letzte Ursache für den Schaden ist (7 Ob 110/11v mwN; vgl RS0109771; RS0127591).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [11] 2.2. Dass der Hagel die Gebäudehülle beschädigt hätte und aufgrund dieser Beschädigung das Wasser in das Gebäude eingedrungen wäre, behauptet der Kläger nicht. Vielmehr waren die zeitlich letzte Ursache des Schadeneintritts nach dem Vorbringen des Klägers die Wassermassen mit Ackerschlamm, die in das Gebäude eindrangen. Damit liegt auch keiner der nach Art 1.2.1 zweiter Halbsatz der unmittelbaren Einwirkung gleichgehaltenen Fälle vor. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, der Kläger habe den Versicherungsfall gemäß Art 1.2.1 AStB 1998 nicht schlüssig dargetan, ist daher nicht korrekturbedürftig.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [12] 3. Darüber hinaus sind nach Art 1.2.2 AStB 1998 Schäden versichert, die als unvermeidliche Folge eines Schadenereignisses eintreten. Nach der Rechtsprechung zu inhaltsähnlichen Bestimmungen ist als „unvermeidlich“ jede weitere (durch Vermittlung von Zwischentatsachen herbeigeführte) adäquate Folge zu verstehen und zwar unabhängig davon, ob sie abzuwenden gewesen wäre oder nicht (vgl RS0080644; 7 Ob 142/19m; 7 Ob 187/23k). Ob die vom Kläger behaupteten Schäden unvermeidliche Folge des Hagelereignisses waren, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, weil jedenfalls der von der Beklagten eingewendete Risikoausschluss greift:</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [13] 4.1. Gemäß Art 2.4. AStB 1998 sind Schäden durch Wasser nicht versichert, auch nicht als unvermeidliche Folge eines Schadenereignisses. Hingegen sind Schäden durch Schmelz- oder Niederschlagswasser versichert, wenn das Wasser dadurch in ein Gebäude eindringt, dass feste Baubestandteile oder ordnungsgemäß verschlossene Fenster oder Außentüren durch ein Schadenereignis beschädigt oder zerstört wurden (sekundärer Risikoeinschluss: allgemein dazu <span class="Kursiv">Schauer</span>, Versicherungsvertragsrecht<span class="Hoch">3</span> 147 f; <span class="Kursiv">Perner</span>, Privatversicherungsrecht<span class="Hoch">2</span> Rz 1.33).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [14] 4.2. Der Kläger bestreitet nicht, dass im vorliegenden Fall die Schäden durch „Wasser“ entstanden sind und weder feste Baubestandteile noch ordnungsgemäß verschlossene Fenster oder Außentüren durch den Hagel selbst beschädigt oder zerstört wurden. Er meint jedoch, der sekundäre Risikoeinschluss würde greifen, weil mit dem Begriff „Schadenereignis“ in Art 2.4. AStB 1998 nicht das versicherte Ereignis gemeint sei, sondern ein „Schadenereignis schlechthin“. Dem ist entgegenzuhalten, dass der Begriff „Schadenereignis“ in Art 1.2.1 AStB 1998 eindeutig im Sinn von „versicherte Gefahr“ definiert ist und diese Definition unzweifelhaft auch für Art 2.4. AStB 1998 gilt.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [15] 4.3. Die vom Kläger geltend gemachten Schäden sind daher nach dem eindeutigen, keinen Auslegungsspielraum zulassenden Wortlaut von Art 2.4. AStB 1998 nicht gedeckt (vgl RS0121516 [T6]), sodass die klageabweisenden Entscheidungen der Vorinstanzen nicht korrekturbedürftig sind.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [16] 5. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240923_OGH0002_0070OB00126_24S0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-16 | 2024-10-16 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240923_OGH0002_0070OB00126_24S0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240923_OGH0002_0070OB00126_24S0000_000/JJT_20240923_OGH0002_0070OB00126_24S0000_000.html | 7Ob126/24s | ECLI:AT:OGH0002:2024:0070OB00126.24S.0923.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. H*, und 2. B*, beide vertreten durch Dr. Otmar Moser, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei M*, vertreten durch Estermann & Partner OG, Rechtsanwälte in Mattighofen, wegen Feststellung und Unterlassung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 27. Juni 2024, GZ 53 R 88/24h-35, in nichtöffentlicher Sitzung den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.</span></p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"> [1] 1. Die Auslegung des Umfangs der Dienstbarkeit ist eine Frage des Einzelfalls (RS0011720 [T7]) und wirft nur dann eine erhebliche Rechtsfrage auf, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [2] 2. Der Erwerbstitel einer Dienstbarkeit ist – neben den anderen in § 480 ABGB genannten Fällen – grundsätzlich ein Vertrag, der nicht nur ausdrücklich, sondern auch konkludent (§ 863 ABGB) geschlossen werden kann (vgl RS0114010; RS0111562). An schlüssige Servitutsbegründungen sind strenge Anforderungen zu stellen (RS0114010 [T6, T7]). So kommt ein schlüssiger Dienstbarkeitsvertrag nicht schon durch die bloße Duldung eines bestimmten Gebrauchs des dienenden Guts, sondern erst dann zustande, wenn zusätzliche Sachverhaltselemente den Schluss erlauben, der aus einem bestimmten Verhalten abzuleitende rechtsgeschäftliche Wille der (jeweils) Belasteten habe sich auf die Einräumung einer Dienstbarkeit als dingliches Recht bezogen (RS0111562). Die Beurteilung des Vorliegens einer konkludenten Willenserklärung hat allerdings regelmäßig keine über die besonderen Umstände des Einzelfalls hinausgehende Bedeutung, es sei denn, es läge eine Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen vor, die im Interesse der Rechtssicherheit oder der Einzelfallgerechtigkeit wahrgenommen werden müsste (RS0043253 [T8, T18, T21]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [3] 3. Das Ausmaß der Dienstbarkeit und der Umfang der dem Inhaber zustehenden Rechte richtet sich nach dem Inhalt des Titels, bei dessen Auslegung insbesondere der Zweck der Dienstbarkeit zu beachten ist (RS0011720). Bei ungemessenen Servituten sind im Rahmen der ursprünglichen oder der vorhersehbaren Art der Ausübung die jeweiligen Bedürfnisse des Berechtigten maßgebend (RS0097856).</p><p class="ErlText AlignLeft"> [4] 4. Die Vorinstanzen sind auf Basis der Feststellungen, wonach anlässlich eines Notartermins für die Einräumung einer gemessenen Servitut in einem bis dahin nicht benutzten Bereich, für deren Ausübung durch die Berechtigten eine – davor bereits benutzte – Zufahrt unerlässlich war, für alle Beteiligten klar und gewollt war, dass diese Zufahrt weiterhin über den ohnehin dafür schon benutzten Bereich erfolgen soll, von einer dadurch erfolgten konkludenten Einräumung einer zusätzlichen ungemessenen Servitut in diesem Zufahrtsbereich ausgegangen. Das hält sich im Rahmen der oberstgerichtlichen Rechtsprechung und ist daher im Einzelfall nicht korrekturbedürftig.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [5] 5. Entgegen der Ansicht des Beklagten in seiner Revision geht es dabei weder um eine Erweiterung einer Dienstbarkeit (sie wurde von Anfang konkludent so wie nunmehr zu verbüchern eingeräumt), noch wurde eine Mischung aus gemessener und ungemessener Servitut eingeräumt (sondern zwei verschiedene). Im Übrigen entfernt sich die Revision von den Feststellungen, weshalb sie insoweit nicht gesetzmäßig ausgeführt ist.</p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240923_OGH0002_0070OB00132_24Y0000_000 | Justiz | OGH | 2024-11-15 | 2024-11-15 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240923_OGH0002_0070OB00132_24Y0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240923_OGH0002_0070OB00132_24Y0000_000/JJT_20240923_OGH0002_0070OB00132_24Y0000_000.html | 7Ob132/24y | ECLI:AT:OGH0002:2024:0070OB00132.24Y.0923.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat als Revisions- und Revisionsrekursgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch Dr. Simone Metz, LL.M., Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei A*, vertreten durch Mag. Martin Breunig, Rechtsanwalt in Wien, wegen Rechnungslegung und Zahlung sowie vorläufigem Unterhalt, über die „außerordentliche Revision“ der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 24. April 2024, GZ 43 R 24/24h-28, mit welchem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 25. September 2023, GZ 4 C 13/23d-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignJustify" style="text-indent:98px;">Die Akten werden dem Gericht zweiter Instanz zurückgestellt.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [1] Die <span class="Fett">Klägerin</span> begehrte im Zusammenhang mit Ehegattenunterhalt Rechnungslegung und Zahlung vom Beklagten. Weiters stellte sie einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung gemäß § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO und begehrte damit einen einstweiligen monatlichen Unterhalt in Höhe von 460 EUR.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [2] Das <span class="Fett">Erstgericht</span> wies mit Urteil im Spruchpunkt 1. das Rechnungslegungs- und das Zahlungsbegehren ab, weil es den Unterhaltsanspruch der Klägerin als verwirkt ansah. Im Spruchpunkt 2. wies es den Antrag auf Zuerkennung eines vorläufigen Ehegattenunterhalts – ebenfalls in Urteilsform – ab.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [3] Das <span class="Fett">Berufungsgericht</span> änderte diese Entscheidung über Berufung der Klägerin insgesamt ab und erließ ein Teilurteil, mit dem es 1. dem Rechnungslegungsbegehren und 2. dem Antrag auf Zuerkennung von einstweiligem Unterhalt – zur Gänze in Urteilsform – stattgab. Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht – ohne Differenzierung – nicht zu.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [4] Dagegen richtet sich eine als „außerordentlich“ bezeichnete Revision des Beklagten, die das Erstgericht zur Entscheidung vorlegt.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"> [5] Die Aktenvorlage erweist sich insgesamt als verfrüht.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Zu Spruchpunkt I. der zweitinstanzlichen Entscheidung</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [6] 1. Hat das Berufungsgericht ausgesprochen, dass die ordentliche Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig ist, so kann eine Revision (die hier nicht vorliegenden Fälle des § 502 Abs 5 ZPO ausgenommen) nur erhoben werden, wenn der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR übersteigt (außerordentliche Revision). Übersteigt der Wert des Entscheidungsgegenstands in zweiter Instanz wohl 5.000 EUR, nicht aber insgesamt 30.000 EUR und hat das Berufungsgericht ausgesprochen, dass die ordentliche Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig ist, so kann eine Partei gemäß § 508 Abs 1 ZPO (nur) einen Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [7] 2. Bei der Stufenklage handelt es sich um die Möglichkeit, eine Klage auf Leistung mit einer Manifestationsklage zu verbinden, wobei die bestimmte Angabe der begehrten Leistung vorbehalten werden kann, bis die Rechnungslegung erfolgt ist. Das Gericht hat das Manifestationsverfahren vom Verfahren über den Leistungsanspruch getrennt zu führen und zuerst ausschließlich über die Rechnungslegung zu verhandeln und im Fall der Stattgebung darüber mit Teilurteil zu entscheiden (vgl 3 Ob 210/23p mwN). Da es sich dabei um einen geldwerten Anspruch handelt, hat das Berufungsgericht daher den Entscheidungsgegenstand gemäß § 500 Abs 2 Z 1 ZPO zu bewerten.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [8] 3.1. Sollte es aussprechen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands zwar 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige, läge ein Fall des § 508 Abs 1 ZPO vor. Diesfalls hätte das Berufungsgericht über den – hier bereits vorliegenden (allenfalls verbesserungsbedürftigen [vgl RS0109623 [T5; T8]) – Antrag des Beklagten gemäß § 508 Abs 3 und 4 ZPO zu entscheiden.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [9] 3.2. Sollte das Berufungsgericht in seinem nachzuholenden Bewertungsausspruch gemäß § 500 Abs 2 Z 1 lit b ZPO den Entscheidungsgegenstand mit mehr als 30.000 EUR bewerten, wäre das Rechtsmittel neuerlich dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vorzulegen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [10] 4. Der Akt ist daher insoweit dem Berufungsgericht zur Bewertung des Entscheidungsgegenstands zurückzustellen.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Zu Spruchpunkt II. der zweitinstanzlichen Entscheidung</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [11] 1. Nach der – der sogenannten objektiven Theorie folgenden – ständigen Rechtsprechung ist für die Beurteilung, ob ein Urteil oder ein Beschluss vorliegt, nicht die tatsächlich gewählte, sondern die vom Gesetz vorgesehene Form der Entscheidung maßgebend (RS0040727 [T1]). Die Zulässigkeit der Anfechtung richtet sich allein nach der gesetzlich vorgesehenen – also objektiv richtigen – Entscheidungsform (vgl RS0041880). Der tatsächliche oder vermeintliche Wille des Gerichts, in einer bestimmten Form seine Entscheidung zu treffen, ist grundsätzlich ohne Bedeutung, soweit das Gericht nicht bewusst die Rechtsfrage anders qualifiziert und die seiner Rechtsauffassung entsprechende richtige Entscheidungsform wählt (RS0041859 [T6]). Vergreift sich das Gericht in der Entscheidungsform, wählt es also fälschlich jene des Urteils statt jene des Beschlusses oder umgekehrt, so ändert dies nichts an der Zulässigkeit des Rechtsmittels und dessen Behandlung (vgl auch 8 Ob 56/19x, 3 Ob 67/23h, jeweils mwN). Das Vergreifen in der Entscheidungsform beeinflusst nicht die Rechtsmittelfrist, weil auch Gerichtsfehler nicht zur Verlängerung von Notfristen führen können (RS0036324 [T14]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [12] 2. Bereits das Erstgericht hätte über den Antrag der Klägerin auf einstweiligen Unterhalt mit Beschluss zu entscheiden gehabt; das Berufungsgericht wiederum hätte das Rechtsmittel der Klägerin als Rekurs zu werten und zu behandeln gehabt. Die nunmehr erhobene „außerordentliche Revision“ ist daher als Revisionsrekurs zu werten. Auf die Frage, ob hier die längere Rechtsmittelfrist zur Anwendung kommen müsste, braucht an dieser Stelle nicht eingegangen zu werden, weil die „außerordentliche Revision“ des Beklagten ohnehin innerhalb der 14-tägigen Frist für die Erhebung des Revisionsrekurses eingebracht wurde.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [13] 3. Die Aktenvorlage an den Obersten Gerichtshof widerspricht allerdings dem Gesetz:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [14] 3.1. Nach § 402 Abs 4 iVm § 78 EO sind auf den Revisionsrekurs im vorliegenden Fall die Vorschriften der Zivilprozessordnung anzuwenden. Die Ermittlung des Werts des Entscheidungsgegenstands hat sich nach den allgemeinen Bewertungsvorschriften der JN zu richten (§ 526 Abs 3 iVm § 500 Abs 3 ZPO). Gemäß § 58 JN ist ein Anspruch auf laufenden Unterhalt mit dem Dreifachen der Jahresleistung zu bewerten (RS0042366 [T6]; RS0103147 [T18]; RS0122735).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [15] 3.2. Gemäß § 528 Abs 2 Z 1a ZPO ist der Revisionsrekurs in familienrechtlichen Streitigkeiten nach § 49 Abs 2 Z 1 und 2 JN vorbehaltlich des § 528 Abs 2a ZPO jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand zweiter Instanz – wie vorliegend mit 16.560 EUR – insgesamt 30.000 EUR nicht übersteigt und das Rekursgericht ausgesprochen hat, dass der Revisionsrekurs nicht zulässig sei.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [16] 3.3. Ein außerordentlicher Revisionsrekurs ist hier nicht zulässig (§ 528 Abs 3 ZPO), sondern nach § 528 Abs 2a iVm § 508 ZPO im Wege eines mit einem ordentlichen Revisionsrekurs verbundenen Abänderungsantrags beim Rekursgericht Abhilfe zu suchen (10 Ob 94/11p mwN).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [17] 4. Das Rechtsmittel der Antragstellerin ist daher ungeachtet der Bezeichnung als „außerordentliches“ Rechtsmittel jederzeit nicht dem Obersten Gerichtshof vorzulegen, sondern wird über seine Zulassung zu entscheiden sein. Ob der Schriftsatz den Erfordernissen dafür entspricht oder einer Verbesserung bedarf, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten (RS0109623 [T5; T8]).</p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240923_OGH0002_0070OB00147_24D0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-16 | 2024-10-16 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240923_OGH0002_0070OB00147_24D0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240923_OGH0002_0070OB00147_24D0000_000/JJT_20240923_OGH0002_0070OB00147_24D0000_000.html | 7Ob147/24d | ECLI:AT:OGH0002:2024:0070OB00147.24D.0923.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*, vertreten durch Mag. Elisabeth Gößler und Mag. Lukas Mimler, Rechtsanwälte in Wilhelmsburg an der Traisen, gegen die beklagte Partei R*, vertreten durch Gloß, Pucher, Leitner, Gloß, Enzenhofer, Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen 58.601,28 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. Juni 2024, GZ 13 R 37/24t-88, in nichtöffentlicher Sitzung den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.</span></p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [1] 1. Der Beklagte wendet sich gegen die Rechtsansicht der Vorinstanzen, er habe vom Kläger in mehreren Tranchen ein privates Darlehen erhalten, welches mit einem Gesamtbetrag von 58.601,28 EUR unberichtigt aushafte und seit dem 1. 10. 2021 zur Gänze fällig sei. Dass die Fälligstellung dieses Darlehens § 14 Abs 3 VKrG entsprechen hätte müssen, hat der Beklagte in erster Instanz nicht vorgebracht, weshalb seine diesbezüglichen Ausführungen in der Revision gegen das Neuerungsverbot verstoßen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [2] 2. Ein Kreditvertrag kann, soweit er ein Dauerschuldverhältnis begründet, bei Vorliegen eines wichtigen Grundes jederzeit gelöst werden. Ein solcher liegt dann vor, wenn einer Partei die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses billigerweise nicht zugemutet werden kann (RS0019365); ein qualifizierter Verzug ist dafür ein klassischer Fall (RS0018274). Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Nicht-Zahlung der vereinbarten Monatsraten über mehrere Jahre rechtfertige den Rücktritt des Klägers, entspricht der dargestellten höchstgerichtlichen Rechtsprechung und ist daher im Einzelfall nicht korrekturbedürftig.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [3] 3. Soweit sich der Beklagte in seiner Revision neuerlich auf überschießende Feststellungen zu diesem Thema und die lange Dauer der Nicht-Zahlung seiner Raten beruft, lässt er jegliche Auseinandersetzung mit der Argumentation des Berufungsgerichts vermissen, weshalb seine Rechtsrüge in diesen Punkten nicht gesetzmäßig ausgeführt ist (RS0043603).</p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240923_OLG0009_01400R00069_24F0000_000 | Justiz | OLG Wien | 2024-09-26 | 2024-10-04 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240923_OLG0009_01400R00069_24F0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240923_OLG0009_01400R00069_24F0000_000/JJT_20240923_OLG0009_01400R00069_24F0000_000.html | 14R69/24f | ECLI:AT:OLG0009:2024:01400R00069.24F.0923.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Curd Steinhauer als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. Elisabeth Bartholner und Dr. Kristina Heissenberger in der Rechtssache der klagenden Partei<span class="Fett"> A*,</span> **, vertreten durch Dr. Alexander Klauser, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei <span class="Fett">B*,</span> derzeit unbekannten Aufenthalts, vertreten durch Dr. Gert Untergrabner, Rechtsanwalt in Neusiedl am See, als Kurator, wegen EUR 108.876,23 s.A., hier wegen Verfahrenshilfe, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Eisenstadt vom 7.4.2024, 47 Cg 2/23v – 36, in nicht öffentlicher Sitzung den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter"><span class="Fett">Beschluss</span></p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft">Dem Rekurs wird <span class="Fett">teilweise Folge</span> gegeben. Der angefochtene Beschluss wird dahin <span class="Fett">abgeändert</span>, dass er wie folgt zu lauten hat:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Kursiv">„Der Klägerin wird die Verfahrenshilfe im Umfang des § 64 Abs 1 Z 1 lit a ZPO für das Berufungsverfahren bewilligt.“</span></span></p><p class="ErlText AlignLeft">Ein Kostenersatz findet nicht statt.</p><p class="ErlText AlignLeft">Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter"><span class="Fett">Begründung</span></p><p class="ErlText AlignLeft">Die Klägerin beantragte im Berufungsschriftsatz (ON 27) die Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Berufung „und zur Führung des weiteren Verfahrens“ durch Befreiung von den Gerichtsgebühren und Beigabe eines Rechtsanwalts. Der Klagevertreter habe sich mit seiner Bestellung zum Verfahrenshelfer einverstanden erklärt. Dazu legte sie ein Vermögensbekenntnis (ZPForm1) samt einigen Belegen vor.</p><p class="ErlText AlignLeft">Nachdem das Erstgericht zwei Verbesserungsaufträge erteilt hatte (ON 29, ON 31), brachte der Klagevertreter die Eingaben ON 30 und ON 32, jeweils samt weiteren Belegen, ein.</p><p class="ErlText AlignLeft">Mit dem <span class="Fett">angefochtenen Beschluss</span> wies das Erstgericht den Verfahrenshilfeantrag ab. Es ging – insbesondere zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Klägerin – von den auf den Seiten 2 – 3 der Beschlussausfertigung enthaltenen Feststellungen aus, auf die verwiesen wird.</p><p class="ErlText AlignLeft">Hervorzuheben ist daraus, dass die Klägerin ein monatliches Nettoeinkommen von etwa EUR 3.500,-- (Jahreszwölftel) zuzüglich EUR 435,-- Familienbeihilfe für zwei Kinder, EUR 624,-- Unterhaltsvorschüsse für zwei Kinder und EUR 850,-- Mietentgelt aus einer ihr gehörigen vermieteten Eigentumswohnung erhält, während sie monatliche Belastungen von EUR 850,-- an Wohnkosten sowie rund EUR 1.200,-- an Kredittilgungen für die von ihr bewohnte Eigentumswohnung und das von ihr gekaufte Fahrzeug zu tragen hat, woraus sich ein monatlich verbleibender Betrag von rund EUR 3.300,-- ergibt.</p><p class="ErlText AlignLeft">Rechtlich folgerte das Erstgericht, bei einer bescheidenen Lebensführung sei es der Klägerin durchaus möglich, die voraussichtlichen Verfahrenskosten zu tragen, ohne dabei ihren notwendigen Unterhalt oder den notwendigen Unterhalt jener Personen, für die sie zu sorgen habe (Kinder), zu beeinträchtigen. Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe sei daher abzuweisen.</p><p class="ErlText AlignLeft">Gegen diesen Beschluss richtet sich der <span class="Fett">Rekurs der Klägerin </span>mit dem Abänderungsantrag, dem Verfahrenshilfeantrag stattzugeben. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.</p><p class="ErlText AlignLeft">Der Beklagte beteiligte sich nicht am Rekursverfahren.</p><p class="ErlText AlignLeft">Der Revisor sprach sich gegen die Bewilligung der Verfahrenshilfe aus.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Unterstrichen">Der Rekurs ist teilweise berechtigt.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett">1. Zur Mangelhaftigkeit des Verfahrens:</span></p><p class="ErlText AlignLeft">Der Rekurs macht geltend, das Erstgericht habe der Klägerin zweimal eine Verbesserung ihres Verfahrenshilfeantrags aufgetragen. Wenn es noch immer Zweifel an ihrer Verfahrenshilfewürdigkeit habe, hätte es sie, den Beklagten oder sonstige Auskunftspersonen, etwa die Käufer der Liegenschaft, vernehmen müssen. Allenfalls hätte es sie zur Beibringung weiterer Urkunden und Informationen auffordern müssen. Hätte es dies getan, so hätte es erkannt, dass die Klägerin verfahrenshilfewürdig sei.</p><p class="ErlText AlignLeft">Abgesehen davon, dass gar keine Zweifel an der Einkommens- und Vermögenslage der Klägerin bestehen, legt der Rekurs auch keine Relevanz der von ihm vermissten Verfahrenshandlungen dar. Der Rekursgrund wird daher nicht gesetzmäßig zur Darstellung gebracht.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Soweit der Rekurs weiters geltend macht, die finanzielle Lage der Klägerin habe sich bisher nicht gebessert, und hinzu komme eine weitere finanzielle Belastung, die der Beklagte ebenfalls verschuldet habe, indem er den PKW einer Frau C* beschädigt habe, für deren Schaden die Klägerin nun auch noch aufkommen müsse, um die Zwangsversteigerung der (wahrscheinlich gemeint: im Berufungsverfahren in Rede stehenden, <span class="Kursiv">Anm des Rekursgerichts</span>) Liegenschaft abzuwenden, handelt es sich entgegen dem Rekurs nicht um Neuerungen zu bloßen Dartuung der (Existenz der) verfahrensrechtlichen Rekursgründe als solche, sondern vielmehr um inhaltliche – und damit auch im Verfahren über die Bewilligung der Verfahrenshilfe unzulässige – Neuerungen, auf die im Rekursverfahren nicht weiter einzugehen ist.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett">2. Zur Rechtsrüge:</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett">2.1.</span> Zu den Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe kann auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts verwiesen werden (§ 500a ZPO; S 3, 4 der Beschlussausfertigung).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett">2.2. </span>Dass die Klägerin sich in einem anhängigen Rechtsstreit mit den Käufern der streitgegenständlichen Liegenschaft EZ ** KG ** befindet, ist eine in erster Instanz nie vorgebrachte Neuerung. Folglich in erster Instanz auch nie bescheinigt, dass ihr dadurch laufend Rechtsanwaltskosten (in welcher Höhe?) entstehen. Dieser Einwand ist daher von vornherein unbeachtlich.</p><p class="ErlText AlignLeft">Soweit der Rekurs weiters behauptet, der Mieter der der Klägerin gehörigen Eigentumswohnung sei „mit seinen Zahlungen im Rückstand“, geht er nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, wonach der Mieter monatlich EUR 850,-- an die Klägerin zahlt und bloß die über EUR 850,-- hinausgehenden Betriebskostenforderungen nicht beglichen hat (S 2 der Beschlussausfertigung).</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Völlig richtig (§ 500 a ZPO) berechnete das Erstgericht den der Klägerin monatlich zur Verfügung stehenden Nettobetrag daher mit (rund) EUR 3.300,--.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett">2.3. </span>Prinzipiell zutreffend macht der Rekurs aber – wenn auch bloß andeutungsweise und nicht näher ausgeführt – geltend, dass die Zahlung der Pauschalgebühr für die Berufung von EUR 2.288,-- (das Berufungsinteresse beträgt EUR 54.438,12,<span class="Kursiv"> Anmerkung des Rekursgerichts</span>) den notwendigen Unterhalt der Klägerin und ihrer Kinder, für die sie sorgepflichtig ist, gefährden würde:</p><p class="ErlText AlignLeft">Dieser Einwand ist berechtigt, da die Klägerin die Pauschalgebühr von EUR 2.288,-- sofort auf einmal aufzubringen hat, und daher von einer Gefährdung des notwendigen Unterhalts im Sinn des Verfahrenshilferechts im Zahlungsmonat auszugehen ist: Ihr würde im Zahlungsmonat nämlich ein Betrag von bloß EUR 1.012,-- (EUR 3.300,-- - 2.288,--) verbleiben. Selbst wenn man bedenkt, dass es einer Partei prinzipiell zugemutet werden kann, während des Prozesses Rücklagen für ein allfälliges Berufungsverfahren zu bilden (RIS-Justiz RW0001037), wäre die Klägerin hier aufgrund der kurzen Dauer des erstinstanzlichen Verfahrens (Klagseinbringung: 28.3.2023, Urteil 1. Instanz: 30.11.2023) nicht in der Lage gewesen, die benötigten EUR 2.288,-- anzusparen, ohne sich und ihre Kinder praktisch auf das Existenzminimum zu setzen. In den 8 Monaten des erstinstanzlichen Verfahrens hätte sie nämlich jeden Monat EUR 286,-- zur Seite legen müssen, womit ihr nur EUR 3.300 - 286 = EUR 3.014 zum Leben geblieben wären. Wie das Erstgericht festgestellt hat, beträgt aber das Existenzminimum unter Berücksichtigung von 2 Sorgepflichten ca. EUR 3.000,--.</p><p class="ErlText AlignLeft">Der angefochtene Beschluss war daher <span class="Unterstrichen">in teilweiser Stattgebung des Rekurses</span> dahin <span class="Unterstrichen">abzuändern</span>, dass der Klägerin die (vorläufige) Verfahrenshilfe für die Pauschalgebühr des Berufungsverfahrens zu gewähren ist.</p><p class="ErlText AlignLeft">Hingegen wird ihr das Ansparen der anwaltlichen Vertretungskosten (nach dem RATG) im weiteren Verfahrensverlauf möglich sein, ohne den notwendigen Unterhalt im Sinne des Verfahrenshilferechts zu gefährden.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Für die Notwendigkeit anderer - möglicherweise ebenfalls beantragter - Begünstigungen des § 64 ZPO besteht keine Grundlage.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett">3. </span>In Verfahrenshilfesachen findet kein Kostenersatz statt (§ 72 Abs 3 ZPO).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses ergibt sich aus § 528 Abs 2 Z 4 ZPO.</span></p><p class="Abstand AlignLeft"></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240923_OLG0009_01400R00102_24H0000_000 | Justiz | OLG Wien | 2024-09-25 | 2024-10-04 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240923_OLG0009_01400R00102_24H0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240923_OLG0009_01400R00102_24H0000_000/JJT_20240923_OLG0009_01400R00102_24H0000_000.html | 14R102/24h | ECLI:AT:OLG0009:2024:01400R00102.24H.0923.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Curd Steinhauer als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. Elisabeth Bartholner und Dr. Kristina Heissenberger in der Rechtssache der klagenden Partei <span class="Fett">A*</span>, **, vertreten durch die Likar Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei <span class="Fett">Republik Österreich</span>, vertreten durch die Finanzprokuratur, wegen EUR 5.000 s.A., über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 27.5.2024, 31 Cg 19/23a-10, in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:</p><p class="Abstand AlignLeft"></p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft">Soweit die Berufung Nichtigkeit geltend macht, wird sie <span class="Fett">verworfen</span>.</p><p class="ErlText AlignLeft">Im Übrigen wird der Berufung <span class="Fett">nicht Folge</span> gegeben.</p><p class="ErlText AlignLeft">Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 731,16 bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.</p><p class="ErlText AlignLeft">Die ordentliche Revision ist jedenfalls <span class="Fett">unzulässig.</span></p><p class="Abstand AlignCenter"></p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter"><span class="Fett">Entscheidungsgründe</span>:</p><p class="Abstand AlignLeft"></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett">I. Parteienvorbringen:</span></span></p><p class="ErlText AlignLeft">1. <span class="Unterstrichen">Der Kläger</span> begehrt von der beklagten Partei den Ersatz von EUR 5.000 s.A. aus dem Titel der Amtshaftung. Er habe diesen Betrag der B* GmbH (im Folgenden: B*) aufgrund einer Vereinbarung vom 19.3.2019 als qualifiziertes Nachrangdarlehen zur Verfügung gestellt, weil ihm hohe Renditen und niedrige Risiken versprochen worden seien. Schon dadurch sei der Schaden in seinem Vermögen eingetreten, da die B* in Wirklichkeit keine ausreichenden Gewinnmargen erwirtschaftet habe, um solche Renditen zu ermöglichen, und außerdem die investierten Gelder zweckwidrig verbraucht habe. Das System habe nur durch Neuinvestitionen aufrecht erhalten werden können. Es seien über Jahre hinweg Gelder privater Kleinanleger eingesammelt worden, in undurchsichtige Kanäle im Nahebereich des Firmengründers C* verschwunden und nunmehr dem Zugriff der Gläubiger entzogen. Durch „kumuliertes Behördenversagen“, „jahrelanges Wegsehen“, Nichterfüllung von Überwachungs- und Kontrollpflichten sowie unvertretbare Handlungsweisen seitens der Behörden sei er um sein Erspartes gebracht worden, wofür die beklagte Partei als Rechtsträgerin einzustehen habe.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Im Einzelnen wirft der Kläger der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) vor, im Jahr 2021 das gegen C* eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen Betrugs eingestellt und die bereits beschlagnahmten Bargeldbeträge und Bankguthaben in Höhe von EUR 3,567.140,08 wieder freigegeben zu haben, weil ein Betrug nicht nachweisbar sein werde; dies obwohl es sich bei den angewendeten „Ponzi-Schemes“ um eine bekannte Betrugsmasche im Finanzsektor handle. Er sei von der Einstellung nicht informiert worden und habe daher keinen Fortsetzungsantrag stellen können. Außerdem habe die WKStA von vornherein nicht in Richtung Krida ermittelt, weil die B* angeblich nicht zahlungsunfähig sei. Durch diese unvertretbare Vorgehensweise habe sie seine Anspruchsdurchsetzung verunmöglicht. Wäre sie ihren Ermittlungspflichten nach § 2 StPO nachgekommen, hätte sein Schaden aus dem beschlagnahmten Guthaben wieder gut gemacht werden können; mittlerweile seien jedoch die B* insolvent, die beschlagnahmten Gelder verschwunden und C* nicht greifbar. Die im Insolvenzverfahren angemeldete Forderung sei vom Insolvenzverwalter bestritten worden. Er habe auch keine anderweitigen Ersatzleistungen erhalten; das Haftungsverfahren gegen die Prospektprüferin sei noch anhängig. Als zum Zeitpunkt der Einstellung bereits geschädigtes Opfer der Straftaten des C* im Sinne des § 65 Z 1 lit c StPO seien seine Ansprüche auf Schadenswiedergutmachung vom Schutzzweck der StPO erfasst.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Die Finanzmarktaufsicht (FMA) habe als Aufsichtsbehörde schuldhaft nicht erkannt, dass das Geschäftsmodell der B* lediglich darauf ausgerichtet gewesen sei, einen Scheinbetrieb zur Aufrechterhaltung des Systems aufzubauen, jedoch niemals die ernsthafte Absicht bestanden habe, die aufgenommenen Darlehen samt Zinsen aus operativen Gewinnen zurückzuzahlen. Es hätte ihr auffallen müssen, dass überdurchschnittlich hohe Provisionen bezahlt wurden und der den Anlegern in Aussicht gestellte Zinsbetrag realistischerweise niemals hätte erzielt werden können. Auch hätte ihr auffallen müssen, dass die B*, ohne über entsprechende Konzessionen bzw. Gewerbeberechtigungen zu verfügen oder den entsprechenden Sicherungseinrichtungen anzugehören, Pfanddarlehen angeboten, gewerbliche Vermögensberatungen durchgeführt, Bank- und Anlagegeschäfte betrieben und entgegen dem gesetzlichen Verbot des AIFMG D* an Private vertrieben und dadurch gegen das BWG, das AIFMG, das WAG und das KMG verstoßen habe. Wäre sie pflichtgemäß vorgegangen, hätte sie das gesetzwidrige Geschäftsmodell aufgedeckt und beendet. Durch das unvertretbare Unterlassen der gebotenen Prüf- und Verfolgungsschritte habe sie gegen ihre Aufsichtspflichten nach BWG, WAG, InvFG, ESAEG und AIFMG verstoßen, wofür die beklagte Partei einzustehen habe. § 3 FMABG sei bei verfassungskonformer Interpretation nicht anwendbar und verstoße überdies gegen Unionsrecht.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Schließlich habe es auch die Gewerbebehörde unterlassen, die ihr nach der GewO zukommenden Pflichten zu erfüllen und zu überprüfen, ob die B* das Gewerberecht einhalte. Sie habe dadurch Schutzgesetze im Sinne des § 1311 ABGB verletzt, wofür ebenfalls die beklagte Partei hafte. Die B* habe ab 2015 eine Gewerbeberechtigung als Pfandleiher gehabt, jedoch - zum Teil schon früher - konzessionspflichtige Finanz- und Bankgeschäfte betrieben, Liegenschaften und Gesellschaftsanteile gesetzwidrig in Pfand genommen und weitere Geschäfte fernab ihrer Gewerbeberechtigung, insbesondere gewerbliche Vermögensberatung, getätigt. Da die Gewerbebehörde gewusst habe, dass C* deutscher Staatsbürger sei, hätte sie eine deutsche Strafregisterbescheinigung verlangen müssen. Daraus wäre hervorgegangen, dass der Genannte in Deutschland bereits im Jahr 2010 wegen Vorenthaltens von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung in 14 Fällen und wegen Insolvenzverschleppung verurteilt worden sei, sodass ihm keine Gewerbeberechtigung hätte erteilt werden dürfen. Die Gewerbebehörde hätte auch erkennen müssen, dass sich die B* nicht an die Wohlverhaltensregeln des WAG 2018 gehalten, keine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung abgeschlossen und sich über gewerberechtliche Vorschriften hinweggesetzt habe; sie hätte einstweilige Zwangs- und Sicherheitsmaßnahmen verfügen und Verwaltungsstrafen verhängen müssen. Wäre sie ihren Aufsichtspflichten nachgekommen, hätte die B* keine gewerbliche Tätigkeit ausüben dürfen und der Kläger hätte nie investieren können. Der Schutzzweck der GewO umfasse alle Personen, die mit dem Gewerbetreibenden in Geschäftsbeziehung stehen, und somit auch den Kläger.</span></p><p class="Abstand AlignLeft"></p><p class="ErlText AlignLeft">2. <span class="Unterstrichen">Die beklagte Partei</span> bestreitet das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach. Sie wendet zusammengefasst ein, die Klage sei unschlüssig, weil sich daraus nicht ergebe, aufgrund welcher Hinweise die Behörden welche Maßnahmen hätten ergreifen sollen, um den behaupteten Schaden zu verhindern. Bevor der Kläger seine Investition getätigt habe, sei ein Veranlagungsprospekt veröffentlicht gewesen, der laut Kontrollvermerk der Prospektprüferin alle erforderlichen Angaben enthalten und insbesondere auf das Totalverlustrisiko hingewiesen habe.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Für Ansprüche aus dem Verhalten der FMA sei der Kläger gemäß § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG nicht aktiv legitimiert; gegen diese Bestimmung beständen nach der dazu ergangenen Judikatur des VfGH, des OGH und des EuGH keine verfassungs- oder unionsrechtlichen Bedenken. Abgesehen davon habe die FMA gehandelt, soweit ihr dies im Rahmen ihrer Zuständigkeit und ihrer Befugnisse möglich gewesen sei. </span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Die Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die WKStA sei ausführlich begründet worden; der Kläger habe dagegen keinen Fortführungsantrag nach § 195 StPO gestellt und dadurch seine Rettungspflicht nach § 2 Abs 2 AHG verletzt. Hinweise auf angeblich „kridaträchtiges Verhalten“ seien damals nicht vorgelegen; die Insolvenz sei erst 17 Monate später eingetreten.</span></p><p class="ErlText AlignLeft">Die Gewerbebehörde habe seit der Gewerbeanmeldung keinen Anlass für weitere Überprüfungen gehabt; es seien ihr keine Tatsachen bekannt geworden, die darauf schließen ließen, dass Tätigkeiten ausgeübt werden, die über den Umfang des freien Gewerbes „Pfandleiher“ hinausgingen. Die Anmeldung sei zur Kenntnis zu nehmen gewesen, weil aus den Unterlagen die Schweiz als Herkunftsstaat von C* hervorgegangen sei und die vorgelegte Schweizer Strafregisterbescheinigung keinen Eintrag aufgewiesen habe.</p><p class="ErlText AlignLeft">Alle Organe der beklagten Partei hätten somit rechtmäßig, jedenfalls aber vertretbar gehandelt. Die anzuwendenden Rechtsnormen würden nicht bezwecken, Anleger vor dem Eintritt von Vermögensschäden infolge fehlerhafter oder strafgesetzwidriger Geschäftsführung zu schützen; der Ersatzfähigkeit der behaupteten Schäden stehe daher auch der mangelnde Rechtswidrigkeitszusammenhang entgegen. Die Schadenshöhe stehe noch nicht fest, weil unbekannt sei, ob und in welchem Ausmaß der Kläger aus der Insolvenzmasse der B* befriedigt werde.</p><p class="Abstand AlignLeft"></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett">II. Angefochtenes Urteil und Rechtsmittel:</span></span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Das Erstgericht hat das Klagebegehren aus rechtlichen Erwägungen abgewiesen und den Kläger zum Kostenersatz verpflichtet. Eine Haftung der beklagten Partei wegen allfälligen Fehlverhaltens der FMA scheide im Hinblick auf § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG und die dazu ergangene Judikatur aus. Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren bezwecke nicht die Verhinderung bzw. Wiedergutmachung von Vermögensschäden nicht aktenkundiger Personen; aus dem Klagsvorbringen ergebe sich nicht, dass die Staatsanwaltschaft vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der B* von einem Schaden des Klägers Kenntnis gehabt oder haben hätte müssen. Die gewerberechtlichen Vorschriften wiederum bezweckten nicht den Schutz der wirtschaftlichen Interessen eines Geldgebers, der in einen Gewerbetreibenden investiere. Insgesamt mangle es dem Klagebegehren daher an einer haftungsbegründenden Rechtsgrundlage.</span></p><p class="Abstand AlignLeft"></p><p class="ErlText AlignLeft">Gegen dieses Urteil richtet sich die <span class="Fett">Berufung des Klägers</span> wegen Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung einschließlich sekundärer Feststellungsmängel mit den Anträgen, es primär wegen Nichtigkeit aufzuheben, hilfsweise es im stattgebenden Sinn abzuändern oder zur Verfahrensergänzung aufzuheben und an das Erstgericht zurück zu verweisen.</p><p class="ErlText AlignLeft">Die beklagte Partei beantragt, der Berufung keine Folge zu geben.</p><p class="Abstand AlignLeft"></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett">III. Berufungsentscheidung:</span></span></p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft">Die Berufung ist im Ergebnis nicht berechtigt.</p><p class="ErlText AlignLeft">A. <span class="Unterstrichen">Nichtigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens</span>:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Nichtig nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO soll das angefochtene Urteil sein, weil es keine Feststellungen enthält; mangelhaft soll das erstinstanzliche Verfahren sein, weil keine der beantragten Beweise aufgenommen wurden. Diese beiden inhaltlich zusammenhängenden Berufungsgründe liegen jedoch nicht vor.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Der Kläger übersieht nämlich, dass das Erstgericht das Klagebegehren schon aufgrund des Klagsvorbringens aus rechtlichen Erwägungen abgewiesen hat. Es war der Ansicht, dass sich aus den vorgebrachten Tatsachenbehauptungen der behauptete Amtshaftungsanspruch materiell-rechtlich nicht ableiten lässt. Damit hat es die Klage im Ergebnis als unschlüssig beurteilt (vgl. RS0037516).</span></p><p class="ErlText AlignLeft">Ein solches Unschlüssigkeitsurteil verneint nur die Schlüssigkeit der Klagsbehauptungen und bedarf somit keiner Feststellungen (2 Ob 109/16t; RS0037755 [T3]). Eine Nichtigkeit kann daraus nicht abgeleitet werden. Bedarf es aber keiner Sachverhaltsfeststellungen, kann auch die Unterlassung von Beweisaufnahmen zur Ermittlung des Sachverhalts keinen Verfahrensmangel begründen.</p><p class="ErlText AlignLeft">Soweit die Schlüssigkeit des Klagebegehrens zu Unrecht verneint wurde, liegt eine unrichtige rechtliche Beurteilung vor, die im Rahmen der Rechtsrüge zu behandeln ist.</p><p class="Abstand AlignLeft"></p><p class="ErlText AlignLeft">B. <span class="Unterstrichen">Unrichtige rechtliche Beurteilung</span>:</p><p class="ErlText AlignLeft">1. Allgemeines:</p><p class="ErlText AlignLeft">a) Das Erstgericht hat die Klage ohne Feststellungen zum Sachverhalt zu treffen, rein aus rechtlichen Erwägungen abgewiesen. Es ist also – ohne dies ausdrücklich zu sagen – davon ausgegangen, dass das Klagebegehren unschlüssig sei.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Ein Klagebegehren ist rechtlich schlüssig, wenn das Sachbegehren des Klägers materiell-rechtlich aus den zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachenbehauptungen abgeleitet werden kann (RS0037516). Dass sich das Sachbegehren aus den vorgetragenen Tatsachen nicht rechtlich ableiten lässt und die Klage daher unschlüssig ist, kann zwei Ursachen haben: Entweder sind die vorgetragenen Tatsachen zu unvollständig geblieben, um die begehrte Rechtsfolge daraus ableiten zu können (Unschlüssigkeit wegen Unvollständigkeit), oder es lässt sich auch im Fall eines ergänzten Sachvortrags der behauptete Tatbestand nicht unter die für die Rechtsfolge maßgebenden Rechtsnormen subsumieren (Unschlüssigkeit im eigentlichen Sinn; vgl. 2 Ob 215/09w).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Die Unschlüssigkeit im eigentlichen Sinn ist unheilbar und führt zur sofortigen Klagsabweisung, da es schlicht keinen möglichen Anspruch der klagenden Partei gibt. Bei Unschlüssigkeit wegen Unvollständigkeit ist das Klagebegehren hingegen nicht sofort abzuweisen, sondern das Gericht muss eine Verbesserung durch ergänzendes Tatsachenvorbringen anregen (§ 182 ZPO; RS0037516 [T2, T4]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft">Im Folgenden wird anhand des Klagsvorbringens und der materiellen Rechtslage zu prüfen sein, ob die vorliegende Klage tatsächlich – wie vom Erstgericht offenbar angenommen – unschlüssig im eigentlichen Sinn ist.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">b) Der Kläger will einen Amtshaftungsanspruch geltend machen. Gemäß § 1 Abs 1 des Amtshaftungsgesetzes (AHG) haften die dort genannten Rechtsträger, darunter der Bund, für den Schaden am Vermögen oder an der Person, den die als ihre Organe handelnden Personen in Vollziehung der Gesetze durch rechtswidriges Verhalten wem immer schuldhaft zugefügt haben, nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts. Eine allfällige Schadenersatzverpflichtung der beklagten Partei richtet sich daher nach den allgemeinen schadenersatzrechtlichen Grundsätzen. insbesondere der §§ 1293 ff ABGB und setzt somit nicht bloß ein <span class="Unterstrichen">rechtswidriges</span>, sondern auch ein <span class="Unterstrichen">schuldhaftes</span> und für den eingetretenen Schaden adäquat <span class="Unterstrichen">kausales</span> Verhalten der handelnden Organe voraus. Als schuldhaft gilt im Amtshaftungsrecht nur ein Verhalten, das bei pflichtgemäßer Überlegung aller Umstände als <span class="Unterstrichen">unvertretbar</span> bezeichnet werden muss, etwa weil es ohne sorgfältig begründete Erwägungen von einer völlig eindeutigen Gesetzeslage oder ständigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung abweicht. Zu ersetzen sind nur jene Schäden, deren Eintritt die übertretenen Vorschriften gerade verhindern wollten oder deren Verhinderung zumindest mitbezweckt war (<span class="Unterstrichen">Rechtswidrigkeitszusammenhang</span>, RS0050038 [T21]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft">Diesen Kriterien müsste das Klagsvorbringen also entsprechen, um eine schlüssige Amtshaftungsklage darzulegen.</p><p class="Abstand AlignLeft"></p><p class="ErlText AlignLeft">2. Haftung für die Staatsanwaltschaft:</p><p class="ErlText AlignLeft">a) Der Kläger hat vorgebracht, dass sein geltend gemachter Vermögensschaden von EUR 5.000 bereits mit seiner Zahlung an die B* am 19.3.2019 eingetreten sei. Dies entspricht durchaus der Judikatur, wonach der (reale) Schaden beim Erwerb nicht gewünschter Vermögenswerte (hier: einer Darlehensforderung aus dem qualifizierten Nachrangdarlehen) bereits durch den Erwerb eintritt (RS0129706).</p><p class="ErlText AlignLeft">b) Die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen C* und die Freigabe der beschlagnahmten Bargeldbeträge und Bankguthaben durch die WKStA ist nach dem Klagsvorbringen jedoch erst im Jahr 2021 erfolgt. Aus dieser zeitlichen Abfolge ergibt sich klar, dass die kritisierten Verfahrenshandlungen der WKStA für den Eintritt des geltend gemachten Schadens nicht ursächlich gewesen sein können. Ein Amtshaftungsanspruch wegen des Verhaltens der WKStA ist schon aus diesem Grund ausgeschlossen.</p><p class="ErlText AlignLeft">c) Soweit der Kläger andeutungsweise vorbringt, durch die Einstellung des Ermittlungsverfahrens seitens der WKStA sei die Einbringlichkeit seiner Darlehensforderung und damit die Schadensgutmachung vereitelt worden, vermag auch dies seinen Anspruch nicht schlüssig zu begründen, da ein bereits eingetretener Schaden durch die Vereitelung seiner Behebung nicht (noch einmal) verursacht wird.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">d) Überlegungen zum Schutzzweck einschlägiger Bestimmungen der StPO können daher auf sich beruhen. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang nur, dass nicht alle Bestimmungen der StPO bei der maßgebenden teleologischen Betrachtungsweise auch dem Schutz des durch eine Straftat Geschädigten dienen. Vielmehr ist bei jeder einzelnen Norm der StPO der Normzweck zu erfragen, der sich aus der wertenden Beurteilung des Sinnes der Vorschrift ergibt (RS0050078). Die Vorschrift des § 190 Z 2 StPO über die Einstellung des Ermittlungsverfahrens, wenn kein tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung des Beschuldigten besteht, soll den Beschuldigten vor ungerechtfertigter Strafverfolgung schützen, nicht jedoch allfällige Opfer vor dem Verlust der Möglichkeit zur Schadenswiedergutmachung. Es fehlt daher hinsichtlich der Verfahrenseinstellung auch der Rechtswidrigkeitszusammenhang.</span></p><p class="ErlText AlignLeft">e) Inwiefern die Unterlassung von Ermittlungen wegen Krida den Schaden des Klägers verursacht oder dessen Wiedergutmachung vereitelt haben soll, bleibt nach dem Klagsvorbringen überhaupt im Dunklen. Wäre die B* im Jahr 2021 tatsächlich schon insolvent gewesen, hätte der Kläger ja gerade nicht damit rechnen können, seine Darlehensforderung hereinzubringen.</p><p class="Abstand AlignLeft"></p><p class="ErlText AlignLeft"> 3. Haftung für die FMA:</p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> a) Nach der am 15.6.2018 in Kraft getretenen Bestimmung des § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG können Schäden, die von Organen und Bediensteten der FMA in Vollziehung der in § 2 FMABG genannten Bundesgesetze verursacht wurden, nur dann Gegenstand von Amtshaftungsansprüchen sein, wenn sie Rechtsträgern unmittelbar zugefügt wurden, die der Aufsicht nach dem FMABG unterliegen. Der unmissverständliche Wortlaut dieser Bestimmung („<span class="Kursiv">Schäden im Sinne dieser Bestimmung sind solche, die Rechtsträgern unmittelbar zugefügt wurden, die der Aufsicht nach diesem Bundesgesetz unterliegen</span>“), welcher auch verfassungsrechtlich unbedenklich ist (VfGH 16.12.2021, G 224/2021), schließt die Geltendmachung derartiger Amtshaftungsansprüche durch den Kläger von vornherein aus. Die in der Berufung zitierten älteren oberstgerichtlichen Entscheidungen, die noch die Klagslegitimation von Anlegern bejahen, beruhen auf einer überholten Rechtslage und sind daher für den vorliegenden Fall irrelevant.</span></p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> b) Wohl auch deshalb bemüht sich die Berufung ausführlich, die Nichtanwendbarkeit des § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG wegen Unionsrechtswidrigkeit zu begründen. Richtig ist, dass nationale Gesetzesbestimmungen, die dem Unionsrecht widersprechen, infolge dessen Anwendungs-vorrangs nicht anzuwenden sind (vgl. RS0109951). Dem Berufungsgericht sind jedoch keine Normen des Unionsrechts bekannt, denen zu entnehmen wäre, dass der europäische Gesetzgeber eine zwingende Haftung der nationalen Aufsichtsbehörden oder der Mitgliedstaaten gegenüber geschädigten An- und Einlegern im Fall einer unzureichenden Finanzmarktaufsicht vorsehen wollte. Insbesondere ergibt sich eine solche Haftung weder aus der bereits außer Kraft getretenen Richtlinie 94/19/EG bzw. der seit 4.7.2015 an deren Stelle getretenen Richtlinie 2014/49/EU über Einlagensicherungssysteme, noch aus den Entscheidungen des EuGH in den Rechtssachen Paul (C-222/02) und Balgarska Narodna Banka (C-501/18).</span></p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> c) Auch die These des Klägers, ein Haftungsausschluss des Mitgliedstaates gegenüber Anlegern sei nur dann unionsrechtskonform, wenn die Anleger im konkreten Fall auf Ansprüche aus der Einlagensicherung zurückgreifen könnten, lässt sich anhand dieser Rechtsquellen nicht verifizieren. Fraglich erscheint schon, ob die beiden genannten Richtlinien auf Fälle wie den vorliegenden anwendbar sind, beziehen sie sich doch auf Einlagen bei <span class="Unterstrichen">Kreditinstituten</span> im Rahmen von <span class="Unterstrichen">normalen Bankgeschäften</span> (so ausdrücklich Art 2 Abs 1 Z 3 der Richtlinie 2014/49/EU), während es sich bei der B* um eine Online-Pfandleihanstalt handelt und die Gewährung eines qualifizierten Nachrangdarlehens an ein Unternehmen (laut der „Information der FMA zu Nachrangdarlehen“ vom 6.8.2019, https://www.fma.gv.at/nachrangdarlehen) kein Bankgeschäft ist und keiner Einlagensicherung unterliegt.</span></p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> Doch selbst wenn eine Online-Pfandleihanstalt, die konzessionslos illegale Bankgeschäfte betreibt, auch als „Unternehmen, dessen Tätigkeit darin besteht, Einlagen oder andere rückzahlbare Gelder des Publikums entgegenzunehmen und Kredite für eigene Rechnung zu gewähren“ (Definition des Kreditinstituts in Art 4 Abs 1 Nr. 1 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013, auf die Art 2 Abs 1 Z 9 der Richtlinie 2014/49/EU verweist) anzusehen und der Begriff des „normalen Bankgeschäftes“ sehr weit auszulegen sein sollte, wäre für den Kläger nichts gewonnen:</span></p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> Der EuGH hat nämlich durch die von der Berufung wie vom Erstgericht zitierte Entscheidung in der Rechtssache Paul<span class="Kursiv"> </span>(C-222/02) klargestellt, dass die Richtlinie 94/19/EG nur der Einrichtung und dem ordnungsgemäßen Funktionieren des Einlagensicherungssystems diente und den Anlegern keinen Anspruch darauf verlieh, dass die zuständigen Behörden in ihrem Interesse Aufsichtsmaßnahmen treffen (C-222/02 Rn 29, 30). Er beantwortete die ihm vorgelegte Frage nach der Zulässigkeit der Einschränkung der Haftung des deutschen Bundesaufsichtsamts dahingehend, dass wenn die in der genannten Richtlinie vorgesehene Entschädigung der Anleger gewährleistet war, die Richtlinie nicht dahin ausgelegt werden konnte, dass sie einer nationalen Vorschrift entgegenstehe, nach der die nationale Behörde zur Aufsicht über die Kreditinstitute ihre Aufgaben nur im öffentlichen Interesse wahrnimmt, was nach dem nationalen Recht ausschließt, dass der Einzelne Ersatz des Schadens verlangen kann, der durch eine unzureichende Aufsicht dieser Behörde entstanden ist (aaO Rn 32). Auch die Richtlinie 77/780/EWG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute, die Richtlinie 89/299/EWG über die Eigenmittel von Kreditinstituten sowie die Zweite Richtlinie 89/646/EWG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute und zur Änderung der Richtlinie 77/780/EWG stünden einer nationalen Vorschrift nicht entgegen, nach der die nationale Behörde zur Aufsicht über die Kreditinstitute ihre Aufgaben nur im öffentlichen Interesse wahrnimmt (aaO Rn 47). Eine Koordinierung der nationalen Vorschriften über die Haftung der nationalen Behörden gegenüber Einlegern im Fall einer unzureichenden Aufsicht sei nicht erforderlich (vgl Rn 43).</span></p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> Diese Rechtsansicht wurde vom EuGH in seiner Entscheidung in der Rechtssache Balgarska Narodna Banka (C-501/18) bestätigt (vgl. dort die Ausführungen zur Vorlagefrage 3b, insbesondere in Rn 57 ff). Die vom EuGH in diesem Zusammenhang gebrauchte Wendung: „<span class="Kursiv">wenn die in der Richtlinie 94/19 vorgesehene Entschädigung der Einleger gewährleistet ist</span>“ (C-222/02 Rn 32), auf die der Kläger seine These anscheinend zu stützen versucht, lehnt sich an die 24. Begründungserwägung der genannten Richtlinie an, welche lautet: „<span class="Kursiv">Die Mitgliedstaaten oder ihre zuständigen Behörden können aufgrund dieser Richtlinie den Einlegern gegenüber nicht haftbar gemacht werden, wenn sie für die Einrichtung bzw. die amtliche Anerkennung eines oder mehrerer Systeme Sorge getragen haben, die die Einlagen oder die Kreditinstitute selbst absichern und die Zahlung von Entschädigungen oder den Schutz der Einleger nach Maßgabe dieser Richtlinie gewährleisten.</span>“</span></p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> In diesem Sinne sah Art 3 Abs 1 jener Richtlinie vor:</span></p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> „<span class="Kursiv">Jeder Mitgliedstaat sorgt in seinem Hoheitsgebiet für die Errichtung und amtliche Anerkennung eines oder mehrerer Einlagensicherungssysteme. Außer in den im nachstehenden Unterabsatz sowie in Absatz 4 genannten Fällen </span>(die im vorliegenden Fall nicht relevant sind, Anm. des Berufungsgerichts) <span class="Kursiv">darf ein in dem Mitgliedstaat nach Art 3 der Richtlinie 77/780/EWG zugelassenes Kreditinstitut Einlagen nur annehmen, wenn es einem dieser Systeme angeschlossen ist.</span>“</span></p><p class="ErlText AlignJustify"> Die Verpflichtung der Mitgliedstaaten bestand also, wie auch der EuGH ausführte, bloß darin, in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet ein oder mehrere Einlagensicherungssysteme zu schaffen; der Beitritt zu diesen Systemen oblag dann den Kreditinstituten selbst. Dass dem einzelnen Anleger ein subjektives Recht auf Entschädigung in Höhe des Mindestsicherungsbetrages nicht bloß gegenüber dem Einlagensicherungssystem, sondern <span class="Unterstrichen">auch</span> <span class="Unterstrichen">gegenüber dem jeweiligen Mitgliedstaat</span> verliehen werden sollte, wie der Kläger argumentiert, lässt sich aus diesen Regelungen gerade nicht ableiten. Vor diesem Hintergrund kann die Aussage des EuGH nur so verstanden werden, dass ein Mitgliedstaat, der ein richtlinienkonformes <span class="Unterstrichen">Einlagensicherungssystem geschaffen</span> hatte, nach der damaligen Rechtslage nicht für Anlegerschäden wegen unzureichender Aufsicht über die Kreditinstitute haften musste, und zwar auch dann nicht, wenn das Kreditinstitut - wie im Fall Paul<span class="Kursiv"> </span>und im<span class="Kursiv"> </span>vorliegenden Fall<span class="Kursiv"> -</span> dem vorhandenen Einlagensicherungssystem nicht beigetreten war.</p><p class="ErlText AlignJustify"> Diese Schlussfolgerungen können auch im Lichte der nunmehr geltenden Richtlinie 2014/49/EU aufrecht erhalten werden. Erwägungsgrund 45 dieser Richtlinie lautet ganz ähnlich wie in der Vorgängerrichtlinie: „<span class="Kursiv">Die Mitgliedstaaten oder ihre einschlägigen Behörden sollten aufgrund dieser Richtlinie den Einlegern gegenüber nicht haftbar gemacht werden, wenn sie für die Einrichtung bzw. die amtliche Anerkennung eines oder mehrerer Systeme Sorge getragen haben, die die Einlagen oder die Kreditinstitute selbst absichern und die Zahlung von Entschädigungen oder den Schutz der Einleger nach Maßgabe dieser Richtlinie gewährleisten.</span>“</p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> In diesem Sinne postuliert Art 1 Abs 1 der Richtlinie 2014/49/EU: „Diese Richtlinie regelt die Errichtung und die Funktionsweise von Einlagensicherungssystemen und legt die Verfahren dafür fest“; deren Art 4 ordnet – ähnlich Art 3 Abs 1 der Vorgängerrichtlinie - in Abs 1 an: „<span class="Kursiv">Jeder Mitgliedstaat sorgt in seinem Hoheitsgebiet für die Errichtung und amtliche Anerkennung eines oder mehrerer Einlagensicherungssysteme</span>“, und ergänzt in Abs 3: „<span class="Kursiv">Ein Kreditinstitut, das gemäß Artikel 8 der Richtlinie 2013/36/EU in einem Mitgliedstaat zugelassen ist, darf keine Einlagen entgegennehmen, wenn es nicht Mitglied eines Systems ist, das gemäß Absatz 1 dieses Artikels in seinem Herkunftsmitgliedstaat amtlich anerkannt ist.</span>“</span></p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> Nichts anderes ergibt sich auch aus der (älteren) Richtlinie 97/9/EG vom 3. März 1997, deren Erwägungsgrund 24 – ähnlich wie in den beiden oben behandelten späteren Richtlinien – lautet: <span class="Kursiv">„Die Mitgliedstaaten oder ihre zuständigen Behörden können aufgrund dieser Richtlinie Anlegern gegenüber nicht haftbar gemacht werden, wenn sie für die Einrichtung bzw. die amtliche Anerkennung eines oder mehrerer Systeme Sorge getragen haben, die die Zahlung von Entschädigungen oder den Schutz der Anleger nach Maßgabe dieser Richtlinie gewährleisten.“ </span>Auch hier hat nach Art 2 Abs 1 jeder Mitgliedstaat dafür zu sorgen, „<span class="Kursiv">dass in seinem Hoheitsgebiet mindestens ein System für die Entschädigung der Anleger eingerichtet und amtlich anerkannt wird. Außer in den im nachstehenden Unterabsatz sowie in Artikel 5 Absatz 3 genannten Fällen </span>(die für den vorliegenden Fall nicht relevant sind, Anm. des Berufungsgerichts) <span class="Kursiv">darf eine in dem Mitgliedstaat zugelassene Wertpapierfirma Wertpapiergeschäfte nur tätigen, wenn sie einem solchen System angeschlossen ist.</span>“ Der Regelungsinhalt dieser Richtlinie unterscheidet sich von den beiden anderen im Wesentlichen nur dadurch, dass sie nicht Kreditinstitute, sondern Wertpapierfirmen betrifft.</span></p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> Gleichgültig, ob die B* als Kreditinstitut oder Wertpapierfirma oder beides anzusehen wäre, entspricht die geltende Rechtslage in den hier wesentlichen Punkten somit jener, die der EuGH in der Rechtssache Paul<span class="Kursiv"> </span>zu beurteilen hatte, sodass dessen damalige Beurteilung auf den vorliegenden Fall übertragen werden kann, wie auch beide Parteien in ihren Rechtsmittelschriften insoweit übereinstimmend vor-bringen<span class="Kursiv">. </span>Da aber die beklagte Partei mit der Schaffung des Bundesgesetzes über die Einlagensicherung und Anlegerentschädigung bei Kreditinstituten (Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz – ESAEG, BGBl. I Nr. 117/2015) ihrer Verpflichtung nach Art 4 Abs 1 der Richtlinie 2014/49/EU entsprochen hat, widerspricht der Haftungsausschluss gegenüber Anlegern nach § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG nicht dem Unionsrecht, und zwar auch dann nicht, wenn das betroffene Unternehmen entgegen seiner Verpflichtung nach Art 4 Abs 3 der Richtlinie 2014/49/EU, Art 2 Abs 1 der Richtlinie 97/9/EG bzw. § 8 ESAEG keinem Einlagensicherungssystem beigetreten ist.</span></p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> d) Mangels entgegenstehender Normen des Unionsrechts bleibt § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG daher anwendbar und schließt eine Amtshaftung der beklagten Partei für allfällige von der FMA verursachte Schäden des Klägers aus.</span></p><p class="Abstand AlignJustify"></p><p class="ErlText AlignJustify"> 4. Haftung für die Gewerbebehörde:</p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> a) Der Kläger hat vorgebracht, die B* sei schon vor der Anmeldung ihres Gewerbes, nämlich ab 2012, tätig geworden sei und verschiedene näher aufgezählte Tätigkeiten - darunter Vermögensberatung – ausgeübt habe, die von ihrer Gewerbeberechtigung als Pfandleiherin nicht gedeckt gewesen seien. Die Gewerbebehörde „hätte erkennen müssen“, dass die B* die Wohlverhaltensregeln des WAG 2018 nicht einhielt und entgegen § 136a Abs 12 GewO keine (für Vermögensberater vorgeschriebene, <span class="Kursiv">Anm. des Berufungsgerichts</span>) Vermögensschadenhaftpflichtversicherung abgeschlossen habe. Der Gewerbebehörde sei aufgrund der von C* vorgelegten Dokumente bekannt gewesen, dass dieser deutscher Staatsbürger sei, weshalb sie eine deutsche Strafbescheinigung verlangen hätte müssen: daraus hätte sich ergeben, dass er in Deutschland bereits im Jahr 2010 wegen Vorenthaltens von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung in 14 Fällen und wegen Insolvenzverschleppung verurteilt worden sei, sodass (nach § 13 Abs 7 GewO, <span class="Kursiv">Anm. des Berufungsgerichts</span>) die Gewerbeberechtigung nicht hätte ausgestellt werden dürfen. Hätte die Gewerbebehörde die B* regelmäßig kontrolliert, wäre ihr überdies aufgefallen, dass diese sich über gewerberechtliche Vorschriften hinweggesetzt habe. Sie hätte Zwangs- und Sicherungsmaßnahmen verfügen müssen, sodass die B* keine gewerbliche Tätigkeit ausüben und der Kläger niemals investieren hätte können.</span></p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> b) Bei einem qualifizierten Nachrangdarlehen handelt es sich um eine Anlageform sui generis (4 Ob 110/17f), die – wie bereits erwähnt (oben 3.c) - keiner Konzessionspflicht und keiner Einlagensicherung unterliegt, wohl aber einer - nach dem Gesamtgegenwert der Emission abgestuften - Prospektpflicht gemäß KMG bzw. AltFG (4 Ob 47/16i). Das WAG und die darin festgelegten Wohlverhaltensregeln für Anlageberater (§§ 55 ff) sind nicht anwendbar. Verstöße gegen die Prospektpflicht sind gemäß § 10 KMG von der FMA zu ahnden; betrügerische Machenschaften unterliegen der strafrechtlichen Verfolgung. Eine Zuständigkeit der Gewerbebehörde zur Verhinderung von Anlagebetrug im Zusammenhang mit qualifizierten Nachrangdarlehen besteht nicht.</span></p><p class="ErlText AlignJustify"> c) Soweit der Kläger der Gewerbebehörde vorwirft, nicht gegen jene Aktivitäten der B* eingeschritten zu sein, die vor der Anmeldung ihres Gewerbes bzw. über ihre Gewerbeberechtigung hinaus gesetzt wurden, erschließt sich schon der Kausalzusammenhang mit dem behaupteten Schaden nicht. Der Kläger hat nach seinem Vorbringen erst im Jahr 2019 – somit lange nach der Anmeldung des Gewerbes der Pfandleihe im Jahr 2015 – investiert, sodass selbst eine Untersagung des Betriebs in der Zeit von 2012 bis 2015 seinen Schaden nicht verhindern hätte können. Welche gewerbliche Tätigkeiten die B* tatsächlich ausübte, kann ebenfalls keine Rolle spielen, weil der Schaden nicht durch eine bestimmte Tätigkeit, sondern durch die – jedem Unternehmen grundsätzlich offenstehende – Aufnahme eines qualifizierten Nachrangdarlehens verursacht wurde.</p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> d) Das Klagsvorbringen geht offenbar implizit davon aus, dass eine von der B* gemäß § 136a Abs 12 GewO abgeschlossene Vermögensschadenhaftpflichtversicherung den durch Betrug verursachten Schaden des Klägers abgedeckt hätte. Allerdings wurde nicht vorgebracht, aufgrund welcher konkreten, ihr zur Kenntnis gelangten Umstände oder Hinweise die Gewerbebehörde überhaupt darauf hätte schließen müssen, dass die B* als Vermögensberaterin tätig sei, und deshalb das Bestehen der dafür vorgeschriebenen Haftpflichtversicherung kontrollieren hätte sollen. Da somit ein allfälliges Verschulden der Organe der Gewerbebehörde aufgrund des bisherigen Vorbringens nicht beurteilt werden kann, ist das Klagsvorbringen auch insoweit unschlüssig. </span></p><p class="ErlText AlignJustify"> Diese Unschlüssigkeit ist zwar - anders als bei den zuvor behandelten Punkten - auf bloße Unvollständigkeit des Tatsachenvorbringens zurückzuführen und somit grundsätzlich behebbar. Entgegen der pauschalen Ansicht des Erstgerichts wäre in diesem Punkt nach einer Schlüssigstellung durch ergänzendes Tatsachenvorbringen auch der Rechtswidrigkeitszusammenhang gegeben. Es ist nämlich davon auszugehen, dass gesetzliche Bestimmungen, die den Abschluss einer Haftpflichtversicherung für bestimmte Tätigkeiten vorschreiben, auch und gerade den Schutz jener Personen bezwecken, die durch diese Tätigkeiten geschädigt werden könnten und deren Schäden durch eine solche Versicherung gedeckt wären.</p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> Allerdings hat die beklagte Partei schon in ihrem Einspruch (ON 3, S 3) auf diese Unschlüssigkeit hingewiesen, ohne dass dies der Kläger zum Anlass genommen hätte, sei Tatsachenvorbringen zu ergänzen. Damit kann die Ansicht des Berufungsgerichtes, dass die Klage in diesem Punkt zwar nicht wegen des fehlenden Rechtswidrigkeitszusammenhangs, wohl aber wegen fehlender Behauptungen zum Verschulden der Organe der Gewerbebehörde unschlüssig ist, den Kläger nicht mehr überraschen; eine Erörterung im Sinne des § 182a ZPO kann daher entfallen. § 182a ZPO hat nämlich nichts daran geändert, dass es keiner richterlichen Anleitung zu einem Vorbringen bedarf, gegen das der Prozessgegner bereits Einwendungen erhoben hat. Angesichts solcher Einwendungen hat die andere Partei ihren Prozessstandpunkt selbst zu überprüfen und die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen. Auch die Pflicht nach § 182a ZPO kann nicht bezwecken, das Gericht zur Erörterung eines Vorbringens zu zwingen, dessen Schwächen bereits der Prozessgegner aufzeigte (RS0037300 [T41]).</span></p><p class="ErlText AlignJustify"> e) Zur Vorstrafe des C*, die der Erteilung einer Gewerbeberechtigung entgegen gestanden sein soll, hat das Berufungsgericht erwogen:</p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> Gemäß § 13 Abs 1 GewO sind natürliche Personen von der Ausübung eines Gewerbes ausgeschlossen, wenn sie entweder</span></p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> - wegen betrügerischen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen und Zuschlägen nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (§ 153d StGB), organisierter Schwarzarbeit (§ 153e StGB), betrügerischer Krida, Schädigung fremder Gläubiger, Begünstigung eines Gläubigers oder grob fahrlässiger Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (§§ 156 bis 159 StGB) zu (irgend) einer Strafe, oder</span></p><p class="ErlText AlignJustify"> - wegen einer sonstigen strafbaren Handlung zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen</p><p class="ErlText AlignJustify"> von einem Gericht verurteilt worden sind und die Verurteilung nicht getilgt ist. Diese Bestimmungen gelten auch, wenn mit den angeführten Ausschlussgründen vergleichbare Tatbestände im Ausland verwirklicht wurden.</p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> Andere Rechtsträger als natürliche Personen sind gemäß § 13 Abs 7 GewO von der Ausübung des Gewerbes ausgeschlossen, wenn eine natürliche Person, der ein maßgebender Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte des betreffenden Rechtsträgers zusteht, gemäß (u.a.) Abs 1 von der Gewerbeausübung ausgeschlossen ist. Abs 1 letzter Satz (betreffend Vorstrafen im Ausland) gilt sinngemäß.</span></p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> Der Ausschluss von der Ausübung eines Gewerbes gilt gemäß § 13 Abs 1 Z 2 GewO allerdings nur bei solchen Verurteilungen, die <span class="Unterstrichen">noch nicht getilgt</span> sind. Gemäß § 7 Abs 1 Tilgungsgesetz stehen ausländische Verurteilungen tilgungsrechtlich inländischen Verurteilungen gleich, wenn sie den Rechtsbrecher wegen einer Tat schuldig sprechen, die auch nach österreichischem Recht gerichtlich strafbar ist und in einem den Grundätzen des Art 6 EMRK entsprechenden Verfahren ergangen sind. Gemäß § 7 Abs 2 Tilgungsgesetz beginnt die Tilgungsfrist ausländischer Verurteilungen mit dem Tag, der sich ergibt, wenn man dem Tag ihrer Rechtskraft die Dauer der mit ihr ausgesprochenen Freiheits- oder Ersatzfreiheitsstrafe oder der Summe dieser Strafen hinzurechnet; wenn keine Freiheits- oder Ersatzfreiheitsstrafe verhängt wurde, jedoch mit Rechtskraft der Verurteilung. Nach § 3 Abs 1 Z 2 Tilgungsgesetz beträgt die Tilgungsfrist bei Vorliegen einer einzigen Verurteilung fünf Jahre, wenn nur zu einer Geldstrafe verurteilt wurde.</span></p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> Der Kläger behauptet, dass der Gewerbebehörde die deutsche Staatsbürgerschaft des C* bekannt gewesen sei und sie dennoch nur eine schweizerische Strafregisterbescheinigung eingeholt habe. Es mag nun sein, dass eine solche Unterlassung eines gebotenen Ermittlungsschrittes im Hinblick auf § 13 GewO rechtswidrig und schuldhaft im Sinne von unvertretbar wäre. Ein dadurch allenfalls verursachter Schaden stünde auch durchaus im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit der verletzten Norm: § 13 Abs 1 GewO ist nämlich, wie der Oberste Gerichtshof schon (zu einer früheren Fassung) ausgesprochen hat, eine wettbewerbsregelnde Vorschrift, die sowohl dem Schutz der (künftigen) Geschäftspartner und Gläubiger als auch der ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommenden und seriös kalkulierenden Mitbewerber dient (4 Ob 350/87). Die nicht näher begründete Ansicht des Erstgerichts und der beklagten Partei, die gewerberechtlichen Vorschriften würden nicht auch die wirtschaftlichen Interessen eines Geldgebers des Gewerbetreibenden schützen, wird daher vom Berufungsgericht nicht geteilt.</span></p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> Allerdings stellt sich die Frage, ob die der Gewerbebehörde hier vorgeworfene Unterlassung nach dem Klagsvorbringen überhaupt für den beim Kläger eingetretenen Schaden kausal gewesen sein kann. Schon ob sich die B* durch den Ausschluss von der Gewerbeausübung wegen der Vorstrafe ihres Geschäftsführers überhaupt davon hätte abhalten lassen, qualifizierte Nachrangdarlehen wie jenes des Klägers aufzunehmen, muss bezweifelt werden, bringt doch der Kläger selbst vor, dass die B* auch schon vor ihrer Gewerbeanmeldung und über ihre Gewerbeberechtigung hinaus geschäftlich tätig war. Vor allem aber ergeben sich aus dem Klagsvorbringen Anhaltspunkte dafür, dass die Verurteilung des D* im Zeitpunkt der Prüfung durch die Gewerbebehörde ohnehin bereits getilgt gewesen sein könnte, sodass auch die rechtskonforme Einholung einer Strafregisterauskunft aus Deutschland nicht zur Untersagung der Gewerbeausübung und damit allenfalls zur Verhinderung des Schadens führen hätte können. Nach dem Klagsvorbringen erfolgte die Verurteilung nämlich im Jahr 2010 und die Gewerbeanmeldung im Jahr 2015. Wäre also in Deutschland nur eine einzige Geldstrafe verhängt worden, könnte die fünfjährige Tilgungsfrist nach § 3 Abs 1 Z 2 TilgG zum Zeitpunkt der Gewerbeanmeldung bereits abgelaufen gewesen sein.</span></p><p class="ErlText AlignJustify"> Näheres dazu ergibt sich aus den vom Kläger vorgelegten und vom Erstgericht zum Akt genommenen Urkunden Beilage ./A und ./B, deren Echtheit und Richtigkeit nicht bestritten wurde und die daher der rechtlichen Beurteilung ohne Weiteres zugrunde gelegt werden können (RS01215557):</p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> Laut dem europäischen Strafregisterauszug Beilage./A wurde C* in Deutschland am 17.5.2010 wegen §§ 53, 266a Abs 1 dStGB, § 15a Abs 4 InsO zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt. Die Verurteilung erwuchs am 9.6.2010 in Rechtskraft. Somit betrug die Tilgungsfrist 5 Jahre und endete am 9.6.2015. Laut dem Auszug aus dem Gewerbeinformationssystem Austria (GISA) Beilage./B ist die Gewerbeberechtigung der B* erst am 24.6.2015 entstanden. Zu diesem Zeitpunkt war die Verurteilung des Geschäftsführers bereits getilgt und stand der Ausstellung einer Gewerbeberechtigung gemäß § 13 Abs 7 iVm Abs 1 GewO nicht mehr entgegen.</span></p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> Aufgrund dieser – vom Erstgericht aufgenommenen, wenn auch nicht verwerteten – Beweise muss davon ausgegangen werden, dass die Einholung einer deutschen Strafregisterbescheinigung durch die Gewerbebehörde lediglich eine Verurteilung zutage gefördert hätte, die im Zeitpunkt des Entstehens der Gewerbeberechtigung (das ist bei Pfandleihern gemäß § 155 Abs 2 GewO der Zeitpunkt der Genehmigung der vom Bewerber vorzulegenden Geschäftsordnung) bereits getilgt war und daher keine Untersagung der Gewerbeausübung mehr gerechtfertigt hätte. Auch die Unterlassung der Einholung der Strafregisterbescheinigung kann daher den Schaden des Klägers nicht verursacht haben, sodass die Unschlüssigkeit des Klagsvorbringens auch in diesem Punkt unbehebbar ist.</span></p><p class="Abstand AlignJustify"></p><p class="ErlText AlignJustify"> 5. Zusammenfassung und Ergebnis:</p><p class="ErlText AlignJustify"> Das Erstgericht hat die Klage wegen Unschlüssigkeit im eigentlichen Sinn abgewiesen. Ein solches Urteil beruht nur auf einer rechtlichen Beurteilung des Klagsvorbringens und bedarf keines Beweisverfahrens und keiner Sachverhaltsfeststellungen. Die behauptete Nichtigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt daher nicht vor.</p><p class="ErlText AlignJustify"> Ein Amtshaftungsanspruch des Klägers wegen Fehlern der FMA ist schon aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen. Auch auf die behaupteten Fehler der WKStA kann der Kläger seinen Anspruch nicht stützen, weil diese Fehler Fehler nach Entstehung des Schadens begangen worden sein sollen und diesen Schaden daher unmöglich verursacht haben können.</p><p class="ErlText AlignJustify"> Schließlich kann der Anspruch des Klägers auch nicht aus den behaupteten Fehlern der Gewerbebehörde abgeleitet werden, selbst wenn – entgegen der Ansicht des Erstgerichts - der Rechtswidrigkeitszusammenhang gegeben wäre. Zur Verhinderung von Anlagebetrug ist die Gewerbebehörde nicht zuständig. Eine Untersagung der Gewerbeausübung vor 2015 hätte den erst 2019 eingetretenen Schaden ebenso wenig verhindert wie das Unterbleiben von Aktivitäten der B*, die nicht durch ihre Gewerbeberechtigung gedeckt waren. Woraus die Gewerbebehörde hätte schließen sollen, dass die B* eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung für Vermögensberater braucht, hat der Kläger trotz Einwandes der beklagten Partei nicht dargelegt. Die Unterlassung der Einholung einer Strafregisterbescheinigung aus Deutschland kann für den Schaden nicht ursächlich gewesen sein, weil die einer Gewerbeberechtigung allenfalls entgegenstehende Vorstrafe des Geschäftsführers der B* im Zeitpunkt der Entstehung der Gewerbeberechtigung bereits getilgt und daher nicht mehr zu berücksichtigen war.</p><p class="ErlText AlignJustify"> Die Abweisung der Klage in erster Instanz wegen Unschlüssigkeit erweist sich somit als im Ergebnis berechtigt. Das angefochtene Urteil ist daher zu bestätigen.</p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.</span></p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> Die Revision an den Obersten Gerichtshof ist jedenfalls unzulässig, da der Wert des Entscheidungsgegenstandes nicht EUR 5.000,-- übersteigt (§ 502 Abs 2 ZPO).</span></p><p class="ErlText AlignJustify"> </p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240923_OGH0002_0070OB00039_24X0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-16 | 2024-10-16 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240923_OGH0002_0070OB00039_24X0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240923_OGH0002_0070OB00039_24X0000_000/JJT_20240923_OGH0002_0070OB00039_24X0000_000.html | 7Ob39/24x | ECLI:AT:OGH0002:2024:0070OB00039.24X.0923.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H* GmbH, *, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Amhof und Dr. Damian GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. W. *gesellschaft mbH und 2. W*, beide vertreten durch Tautschnig Meixner Knirsch Rechtsanwälte GmbH in Klagenfurt am Wörthersee, wegen 11.316,43 EUR sA (erstbeklagte Partei) und 44.601,24 EUR sA (zweitbeklagte Partei) über die außerordentliche Revision der zweitbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. Dezember 2023, GZ 3 R 140/23i-187, den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.</span></p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [1] Die <span class="Fett">Vorinstanzen</span> haben – soweit im Revisionsverfahren relevant – den Zweitbeklagten als vormaligen Subunternehmer der Klägerin gemäß § 1313 Satz 2 ABGB zum Regress herangezogen.</span></p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [2] Der Zweitbeklagte zeigt mit seiner außerordentlichen Revision keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf:</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [3] 1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und die behauptete Aktenwidrigkeit wurden geprüft; sie liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [4] 2. Soweit die Revision auf die Fehlerhaftigkeit von Plänen und die Rolle des Architekten im zugrundeliegenden Bauvorhaben zurückkommt, entfernt sie sich von den Feststellungen und ist damit nicht gesetzmäßig ausgeführt (RS0043312; RS0043603).</p><p class="ErlText AlignLeft"> [5] 3. Eine nach Ansicht des Zweitbeklagten fehlende Berechtigung der Klägerin gegenüber ihrer früheren Auftraggeberin im zugrundeliegenden Bauvorhaben, die Leistungserbringung an einen Subunternehmer weiterzugeben, hätte auf die Frage der Haftung des Zweitbeklagten gegenüber der Klägerin keinen Einfluss.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [6] 4. Die Beurteilung der Vorinstanzen, die den Zweitbeklagten gegenüber der Klägerin – mit der er als Einzelunternehmer einen Werkvertrag geschlossen und in der Folge eigenverantwortlich gearbeitet hat – nicht als arbeitnehmerähnlich im Sinne des § 1 Abs 1 DHG angesehen haben, hält sich im Rahmen der oberstgerichtlichen Rechtsprechung dazu (vgl RS0086121) und ist daher nicht korrekturbedürftig.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [7] 5. Eine Prüfung der Frage der Umsatzsteuerpflicht im Schadenersatz(und auch Regress-)prozess (vgl RS0038172, RS0030251) haben die Vorinstanzen – ebenso wie eine Verletzung der Schadensminderungspflicht im Zusammenhang mit den Verfahrenskosten des Vorprozesses – zu Recht verneint.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [8] 6. Dem Revisionswerber ist zwar zuzustimmen, dass Regressansprüche erst mit Zahlung entstehen und damit auch der Zinsenlauf erst dann beginnen kann. Allerdings hat der Zweitbeklagte den Beginn des Zinsenlaufs im gesamten erstinstanzlichen Verfahren nicht substanziert bestritten, weshalb seine erstmaligen Ausführungen dazu in der Berufung gegen das Neuerungsverbot verstoßen und sich deshalb eine weitere Behandlung erübrigt.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [9] 7. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240923_OGH0002_0070OB00116_24W0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-25 | 2024-10-25 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240923_OGH0002_0070OB00116_24W0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240923_OGH0002_0070OB00116_24W0000_000/JJT_20240923_OGH0002_0070OB00116_24W0000_000.html | 7Ob116/24w | ECLI:AT:OGH0002:2024:0070OB00116.24W.0923.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A* GmbH, *, vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Linz, gegen die beklagte Partei K* GmbH, *, Deutschland, vertreten durch die Anwaltssocietät Sattlegger, Dorninger, Steiner & Partner, Rechtsanwälte in Linz, wegen Feststellung und 150.000 EUR sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 22. Mai 2024, GZ 3 R 51/24a-13, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Linz vom 15. März 2024, GZ 1 Cg 108/23g-8, bestätigt wurden, den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft">Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.</p><p class="ErlText AlignLeft">Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.948,52 EUR (darin enthalten 470,77 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p><p class="ErlText AlignLeft"> [1] Die österreichische Klägerin ist im Baugewerbe als Generalunternehmerin vorwiegend für den Bau und Ausbau von Krankenanstalten tätig. Die beklagte GmbH mit Sitz in Deutschland ist vorwiegend in den Bereichen Heizungs-, Sanitär-, Luft- und Klimatechnik sowie Brandschutz tätig. Die Klägerin ist Generalunternehmerin eines Bauvorhabens betreffend den Ausbau eines Klinikums in Deutschland. Die Beklagte ist Auftragnehmerin der Klägerin hinsichtlich eines Teils dieses Bauvorhabens, nämlich hinsichtlich der Sanitäreinrichtungen.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [2] In dem zwischen den Parteien abgeschlossenen „Werkvertrag/Hauptauftrag“ vom 2. 6. 2022 wurde auf dem Deckblatt als Punkt H der (deutsche) „Gerichtsstand: *“ aufgenommen. Bestandteil dieses Werkvertrags ist das „Verhandlungsprotokoll Bauleistungen“ vom 21. 4. 2022, in dem in Z 33 als (deutscher) Gerichtsstand * vereinbart wurde. In Z 32 („Zusätzliche Vereinbarungen“) wurde als Erfüllungsort für Lieferung und Leistung ebenfalls (das deutsche) *vereinbart.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [3] Im Jahr 2023 erteilte die Klägerin der Beklagten mehrere „Zusatzaufträge“, darunter den „Zusatzauftrag“ Nr 1 vom 16. 2. 2023 und den „Zusatzauftrag“ Nr 6 vom 13. 6. 2023. Auf den Deckblättern beider „Zusatzaufträge“, die von den Parteien jeweils firmenmäßig unterfertigt sind (vgl RS0121557), steht jeweils unter Punkt H „Gerichtsstand: Linz“. Der Werkvertrag über das Bauvorhaben erfasst sowohl den „Hauptauftrag“ als auch die beiden „Zusatzaufträge“. Auftragssumme des „Hauptauftrags“ sind 733.761,42 EUR, des „Zusatzauftrags“ Nr 1 12.593,76 EUR und des „Zusatzauftrags“ Nr 6 4.413,71 EUR (unstrittig Beilagen ./A bis ./C; vgl RS0121557).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [4] Die <span class="Fett">Klägerin</span> begehrt mit der beim Landesgericht Linz eingebrachten Klage die Feststellungen, dass zwischen ihr und der Beklagten ein aufrechter Werkvertrag mit dem Vertragsinhalt wie in den Beilagen ./A bis ./C („Hauptauftrag“ und „Zusatzaufträge“) bestehe, die Beklagte gegen diesen Werkvertrag „rechtswidrig und schuldhaft verstoßen“ habe und ihr für sämtliche Schäden aus diesem Verstoß hafte. Weiters begehrt sie von der Beklagten die Zahlung von 150.000 EUR sA an Kosten der Mängelbeseitigung. Sie sei Generalunternehmerin des Ausbaus eines Klinikums in Deutschland. Die deutsche Beklagte sei ihre Auftragnehmerin hinsichtlich des Bereichs der Sanitäreinrichtungen. Teile der vereinbarten Leistungen seien von der Beklagten mangelhaft erbracht worden. Sie habe die Beklagte mehrmals unter Setzung einer angemessenen Frist zur Mängelbehebung ergebnislos aufgefordert. Sie müsse daher die Mängelbehebung nunmehr selbst vornehmen. Dies verursache Kosten von voraussichtlich 150.000 EUR. Die von der Beklagten am 19. 9. 2023 erklärte Kündigung des Werkvertrags sei unwirksam; dieser sei unverändert aufrecht. Sie habe daher ein Interesse an der Feststellung des Bestehens des Werkvertrags. Die zu erwartenden Schäden seien derzeit noch nicht bezifferbar, sodass sie ein Interesse an der Feststellung der Schadenersatzpflicht der Beklagten habe.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [5] Die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ergebe sich aus den „Zusatzaufträgen“ Nr 1 und Nr 6 und der dort getroffenen Gerichtsstandsvereinbarung (Linz), die jene des „Hauptauftrags“ (*) ersetze.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [6] Die <span class="Fett">Beklagte</span> wendete die Unzuständigkeit des Erstgerichts ein. Das angerufene Landesgericht sei international unzuständig, weil sich aus dem „Werkvertrag/Hauptauftrag“ vom 2. 6. 2022 in Verbindung mit dem Protokoll über die Verhandlung vom 21. 4. 2022 eine Gerichtsstandsvereinbarung für */Deutschland ergebe. Unbeschadet dessen leite sich die Zuständigkeit des (deutschen) Landesgerichts * auch aus dem Gerichtsstand des gesetzlichen Erfüllungsorts gemäß § 29 Abs 1 dZPO ab. Schließlich ergebe sich die Zuständigkeit des (deutschen) Landesgerichts * auch aus Art 7 Nr 1 lit a EuGVVO 2012. Durch die „Zusatzaufträge“ Nr 1 vom 16. 2. 2023 und Nr 6 vom 13. 6. 2023 sei der hinsichtlich des „Hauptauftrags“ vereinbarte deutsche Gerichtsstand * nicht verändert worden; das sei nicht die Intention der Parteien gewesen. Die Auftragssumme der „Zusatzaufträge“ Nr 1 und Nr 6 betrage in Summe nur ca 2 % der Hauptauftragssumme.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [7] Das <span class="Fett">Erstgericht</span> sprach – auf der Grundlage der vorgelegten Urkunden – seine internationale Unzuständigkeit aus und wies die Klage zurück. Im „Werkvertrag/Hauptauftrag“ vom 2. 6. 2022 sei zwischen den Parteien eine Gerichtsstandsvereinbarung im Sinn des Art 25 Abs 1 lit a EuGVVO 2012 abgeschlossen worden, indem unter Punkt H des Auftragsbogens als Gerichtsstand *, Deutschland, rechtsgültig vereinbart worden sei. Dies ergebe sich auch aus Z 33 des Verhandlungsprotokolls, das dem „Hauptvertrag“ zugrunde gelegt worden sei. An dieser Gerichtsstandsvereinbarung betreffend */Deutschland hätten die Parteien auch danach festgehalten: Weder aus der „Gesamtheit der entnommenen Anhaltspunkte“ noch aus der unter Punkt H in beiden „Zusatzaufträgen“ gefassten Klausel lasse sich mit der notwendigen Klarheit entnehmen, dass zwischen den Parteien eine Änderung der ursprünglich geschlossenen Gerichtsstandsvereinbarung vereinbart worden sei. Die Beweislast für das Vorliegen einer Gerichtsstandsvereinbarung bzw eine Willenseinigung treffe grundsätzlich denjenigen, der sich darauf berufe, im vorliegenden Fall daher die Klägerin. Diesen Beweis habe sie jedoch nicht erbringen können.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [8] Das <span class="Fett">Rekursgericht</span> gab dem Rekurs der Klägerin nicht Folge. Rechtlich führte es aus, im „Hauptvertrag“ sei der deutsche Gerichtsstand * vereinbart worden. Durch die Vereinbarung in den „Zusatzaufträgen“ Nr 1 und Nr 6 sei von der im „Hauptvertrag“ abgeschlossenen Gerichtsstandsvereinbarung nicht einvernehmlich abgegangen worden. Es stehe „nicht fest, dass die Beklagte die Punkte 'H Gerichtsstand: Linz' auf den Deckblättern der Zusatzaufträge Nr 1 und Nr 6 bewusst zur Kenntnis genommen, geschweige denn einer nachträglichen Änderung des Gerichtsstands zugestimmt hätte“. Den Beweis einer nachträglichen Änderung der Gerichtsstandsvereinbarung habe die beweispflichtige Klägerin nicht erbracht. Auch stehe nicht fest, dass die Beklagte Linz als (Wahl-)Gerichtsstand akzeptiert habe; eine Interpretation der nachträglichen Einigung der Parteien auf Linz als Wahlgerichtsstand widerspreche der Intention des Art 25 Abs 1 Satz 2 EuGVVO 2012.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [9] Das Rekursgericht erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs gemäß § 528 Abs 1 ZPO für nicht zulässig, weil keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage von wesentlicher Bedeutung zu lösen gewesen sei.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [10] Dagegen richtet sich der <span class="Fett">außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin</span> mit dem Antrag, die Einrede der internationalen (Un-)Zuständigkeit zu verwerfen und dem Erstgericht die Fortsetzung des gesetzmäßigen Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [11] Die Beklagte beantragt in der ihr freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurück-zuweisen, hilfsweise ihn abzuweisen.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"> [12] Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil den Vorinstanzen eine Fehlbeurteilung unterlaufen ist; er ist aber im Ergebnis nicht berechtigt.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [13] 1. Haben die Parteien unabhängig von ihrem Wohnsitz vereinbart, dass ein Gericht oder die Gerichte eines Mitgliedstaats über eine bereits entstandene Rechtsstreitigkeit oder über eine künftige aus einem bestimmten Rechtsverhältnis entspringende Rechtsstreitigkeit entscheiden sollen, so sind gemäß Art 25 Abs 1 der VO (EU) Nr 1215/2012 (im Folgenden EuGVVO 2012) dieses Gericht oder die Gerichte dieses Mitgliedstaats zuständig, es sei denn, die Vereinbarung ist nach dem Recht dieses Mitgliedstaats materiell nichtig. Dieses Gericht oder die Gerichte dieses Mitgliedstaats sind ausschließlich zuständig, sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [14] Die Gerichtsstandsvereinbarung muss – soweit für den vorliegenden Fall relevant – schriftlich geschlossen werden (Art 25 Abs 1 Satz 3 lit a Fall 1 EuGVVO 2012). Eine schriftliche Vereinbarung liegt dann vor, wenn jede Vertragspartei ihre Willenserklärung schriftlich abgegeben hat (vgl RS0111714). Dies kann in einer gemeinsamen Urkunde geschehen oder aber auch in getrennten Schriftstücken, soweit aus diesen immerhin klar hervorgeht, dass sie denselben Rechtsstreit bzw dasselbe Rechtsverhältnis zum Gegenstand haben und sich die Parteien über den Gerichtsstand geeinigt haben (<span class="Kursiv">Simotta</span> in <span class="Kursiv">Fasching/Konecny</span><span class="Hoch">3</span> V/1 Art 25 EuGVVO 2012 Rz 122 mwN; vgl RS0114604).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [15] 2. Der Begriff der Gerichtsstandsvereinbarung ist verordnungsautonom zu gewinnen (<span class="Kursiv">Czernich</span> in <span class="Kursiv">Czernich/Kodek/Mayr</span>, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht<span class="Hoch">4</span> Art 25 EuGVVO 2012 Rz 21 mwN; EuGH C-214/89, <span class="Kursiv">Powell Duffryn/Petereit</span>, Rn 13 f). Der Begriff der Gerichtsstandsvereinbarung bedeutet eine übereinstimmende Willenserklärung der Parteien über die Zuständigkeitsbegründung (EuGH Rs 71/83, <span class="Kursiv">Russ/Goeminne</span>, Rn 14 ff; RS0117156). Voraussetzung für das Zustandekommen einer Gerichtsstandsvereinbarung im Sinn des Art 25 EuGVVO 2012 ist, dass die zuständigkeits-begründende Klausel tatsächlich Gegenstand einer Willenseinigung zwischen den Parteien war, die klar und deutlich zum Ausdruck gekommen ist; es soll gewährleistet sein, dass die Einigung zwischen den Parteien tatsächlich feststeht. Einer Klausel, die von den allgemeinen Zuständigkeitsvorschriften abweicht, müssen die Parteien tatsächlich zugestimmt haben (RS0113571 [T1]). Die Voraussetzungen für die Gültigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen sind eng auszulegen (RS0114604 [T1]; EuGH Rs 24/76, <span class="Kursiv">Estasis Salotti/Rüwa</span>, Rn 7), weil nach der Zielsetzung des Art 25 EuGVVO 2012 Zuständigkeitsvereinbarungen nicht unbemerkt Inhalt des Vertrags werden sollen (RS0113570 [T7, T10, T11]; RS0114604 [T5, T10, T15]). Art 25 EuGVVO 2012 enthält zur Bestimmung der Willenseinigung nur Formerfordernisse, durch deren Einhaltung gewährleistet werden soll, dass die „Einführung“ der Gerichtsstandsvereinbarung zwischen den Parteien „tatsächlich feststeht“ (2 Ob 104/19m [Punkt 4.1.] mwN; vgl RS0113570 [T3]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [16] 3. In Art 25 Abs 1 Satz 1 EuGVVO 2012 wurde der Halbsatz „es sei denn, die Vereinbarung ist nach dem Recht dieses Mitgliedstaats (gemeint ist der Mitgliedstaat, dessen Zuständigkeit vereinbart worden ist) materiell ungültig“ eingefügt.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [17] Diese eigenständige Kollisionsnorm in Art 25 Abs 1 Satz 1 aE EuGVVO 2012 greift nach herrschender Meinung dann nicht ein, wenn die nach Beachtung der Formerfordernisse vermutete tatsächliche Willenseinigung der Parteien durch den Einwand eines Dissenses widerlegt werden soll. Wegen des Zusammenhangs mit den indizierenden Formerfordernissen sprechen die besseren Gründe dafür, für die Prüfung der Einigung der einheitlichen Anwendung Vorrang zu geben und es auch insoweit bei der autonomen Auslegung zu belassen (<span class="Kursiv">Gaier</span> in <span class="Kursiv">Vorwerk/Wolf</span>, BeckOK ZPO, 53. Edition 1. 7. 2024, Art 25 Brüssel Ia-VO Rn 23.1; <span class="Kursiv">Mankowski</span> in <span class="Kursiv">Rauscher</span>, EuZPR/EuIPR<span class="Hoch">5</span> [2021], Art 25 Brüssel I-VO Rn 63 f; <span class="Kursiv">Simotta</span> in <span class="Kursiv">Fasching/Konecny</span><span class="Hoch">3</span> V/1 Art 25 EuGVVO 2012 Rz 69/8; <span class="Kursiv">Garber</span> in JBl 2021, 188 [Glosse zu 2 Ob 104/19m]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [18] Nicht zur materiellen Ungültigkeit gehören auch Fragen, ob bei kollidierenden Gerichtsstandsvereinbarungen überhaupt eine Gerichtsstandsvereinbarung zustande gekommen ist und wenn ja, welche. Sowohl bei der Frage des Konsenses bzw Dissenses als auch bei der Frage von widersprüchlichen Gerichtsstandsvereinbarungen geht es um das Zustandekommen der Gerichtsstandsvereinbarung und wie in Art 10 Abs 2 Rom I-VO soll – unbeschadet der Ausnahme von Gerichtsstandsvereinbarungen vom Anwendungsbereich der Rom I-VO (Art 1 Abs 2 lit e Rom I-VO) – zwischen dem Zustandekommen und der Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung differenziert werden. Konsens oder Dissens sowie kollidierende Gerichtsstandsvereinbarungen betreffen das Zustandekommen der Gerichtsstandsvereinbarung und sind daher vertragsautonom auszulegen (<span class="Kursiv">Mankowski</span> in <span class="Kursiv">Rauscher</span>, EuZPR/EuIPR<span class="Hoch">5</span> [2021], Art 25 Brüssel Ia-VO Rn 63 bis 65; <span class="Kursiv">Simotta</span> in <span class="Kursiv">Fasching/Konecny</span><span class="Hoch">3</span> V/1 Art 25 EuGVVO 2012 Rz 69/8). Diese Fragen gehören nicht zur materiellen Wirksamkeit (aA offenbar <span class="Kursiv">Hess</span>, Die Auslegung kollidierender Gerichtsstandsklauseln im europäischen Zivilprozessrecht, in FS Prütting [2018], 337 [338 ff]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [19] 4. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist die Auslegung einer Gerichtsstandsvereinbarung zur Bestimmung der in ihren Anwendungsbereich fallenden Rechtsstreitigkeiten Sache des angerufenen nationalen Gerichts (EuGH C-214/89, <span class="Kursiv">Powell Duffryn/Petereit</span>, Rn 36 f; C-269/95, <span class="Kursiv">Benincasa/Dentalkit</span>, Rn 31; C-352/13, <span class="Kursiv">CDC Hydrogen Peroxide/Akzo Nobel ua</span>, Rn 67; RS0004131).</p><p class="ErlText AlignLeft"> [20] 5. Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, so ergibt sich Folgendes:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [21] 5.1. Dass hier in autonomer Auslegung des „Hauptauftrags“ (Punkt H des Deckblatts und Z 33 des Verhandlungsprotokolls, das Vertragsgrundlage ist) eine Gerichtsstandsvereinbarung für den deutschen „Gerichtsstand: *“ getroffen wurde, ist nicht zweifelhaft. Die Klauseln enthalten klar und deutlich die ausschließliche Vereinbarung des zuständigen Gerichts in Deutschland.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [22] Abweichend davon haben die Parteien in den nachträglich abgeschlossenen „Zusatzaufträgen“ Nr 1 und Nr 6, die ebenfalls Teil des Werkvertrags sind, in den Punkten H den österreichischen „Gerichtsstand: Linz“ vereinbart. In den Klauseln wird ebenfalls eindeutig auf diesen „Gerichtsstand“ Bezug genommen und darin klar zum Ausdruck gebracht, dass für Streitigkeiten aus diesen „Zusatzaufträgen“ die ausschließliche Vereinbarung des zuständigen Gerichts in Linz erfolgen soll. Die Deckblätter mit dem vereinbarten Gerichtsstand sind von beiden Parteien firmenmäßig unterschrieben. Damit finden sich entgegen der Ansicht des Rekursgerichts keine Anhaltspunkte, dass die Beklagte den Gerichtsstand Linz „nicht bewusst zur Kenntnis genommen“ oder ihm nicht zugestimmt hätte. Die erstmals in der Revisionsrekursbeantwortung erhobenen Einwände der Beklagten, dass infolge der Existenz einer deutschen Stadt mit ähnlichem Namen wie Linz dieser Gerichtsstand unklar sei und der „Zusatzauftrag“ Nr 6 (trotz ihrer Firmenstampiglie) von einer (ungenannten) nicht zeichnungsberechtigten Person unterfertigt worden sein könnte, verstoßen gegen das Neuerungsverbot (analog § 504 Abs 2 ZPO) und sind daher unbeachtlich.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [23] Die Parteien haben damit mehrere einander widersprechende Gerichtsstandsvereinbarungen geschlossen. Jede der betroffenen Gerichtsstandsvereinbarungen genügt isoliert gesehen der Form nach § 25 Abs 1 Satz 3 lit a 1. Fall EuGVVO 2012 (vgl <span class="Kursiv">Mankowski</span> in <span class="Kursiv">Rauscher</span>, EuZPR/EuIPR<span class="Hoch">5</span> [2021], Art 25 Brüssel Ia-VO Rn 268).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [24] 5.2. Inhalt des Klagebegehrens ist die Feststellung des aufrechten Bestehens des von der Beklagten gekündigten Werkvertrags, der aus dem „Hauptauftrag“ und den zwei „Zusatzaufträgen“ besteht. Weiters begehrt die Klägerin die Feststellung, dass die Beklagte gegen diesen (einheitlichen) Werkvertrag „rechtswidrig und schuldhaft verstoßen“ habe und ihr gegenüber für sämtliche Schäden aus diesem Verstoß hafte. Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass es sich um einen einheitlichen Vertrag handelt. Die Zusatzaufträge werden als Modifikationen des Hauptauftrags bezeichnet.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [25] 5.3. Entgegen der Ansicht der Klägerin verdrängen die Gerichtsstandsvereinbarungen in den „Zusatzaufträgen“, die nur einen verschwindend geringen Teil des Werkvertrags betreffen, nicht die Gerichtsstandsvereinbarung im „Hauptauftrag“. Aus der autonomen Auslegung der Gerichtsstandsvereinbarungen in den „Zusatzaufträgen“ ergibt sich nicht, dass diese nur Teilbereiche des Werkvertrags betreffenden späteren Gerichtsstandsvereinbarungen die frühere Gerichtsstandsvereinbarung für die Rechtsstreitigkeiten aus dem „Hauptauftrag“ – und damit für nahezu alle – verdrängen sollten. Dass die Parteien in Kenntnis der früheren und in bewusster Abweichung von der früheren Gerichtsstandsvereinbarung im „Hauptauftrag“ vereinbart hätten, dass nur die Gerichtsstandsvereinbarung in den „Zusatzaufträgen“ gelten soll, leitet sich daraus jedenfalls nicht ab.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [26] Auch finden sich keine Anhaltspunkte in den Gerichtsstandsvereinbarungen in den „Zusatzaufträgen“, dass die Parteien damit für alle Streitigkeiten aus dem (einheitlichen) Werkvertrag einen Wahlgerichtsstand vereinbaren wollten. Vielmehr ergibt sich daraus nur, dass die Parteien für Streitigkeiten aus den „Zusatzaufträgen“ – kleine Teilbereiche des Werkvertrags – eine Gerichtsstandsvereinbarung für ein österreichisches Gericht treffen wollten.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [27] 5.4. Auszugehen ist von einem Werkvertrag, für den hinsichtlich der Streitigkeiten aus dem „Hauptauftrag“ ein deutscher Gerichtsstand und hinsichtlich der Streitigkeiten aus den „Zusatzaufträgen“ ein österreichischer Gerichtsstand vereinbart wurde. Es liegt der Fall mehrerer ausschließlicher Gerichtsstandsvereinbarungen vor, die miteinander kollidieren; dieser Widerspruch lässt sich nicht auflösen. In diesem Fall ist anzunehmen, dass überhaupt keine wirksame Vereinbarung vorliegt. Im Fall der Kollision mehrerer Gerichtsstandsvereinbarungen, der sich nicht durch das Nachgeben einer Partei auflöst, fehlt es am Konsens, sodass überhaupt keine Gerichtsstandsvereinbarung geschlossen wurde. Es liegen damit nicht mehrere Gerichtsstandsvereinbarungen vor, sondern in Wahrheit keine. In diesem Fall steht das Gericht nicht vor der Aufgabe, der einen Gerichtsstandsvereinbarung den Vorrang vor der anderen zuzugestehen, sondern es fehlt eben dann an jeder Gerichtsstandsvereinbarung. Bei kollidierenden Gerichtsstandsklauseln kann man keine von ihnen schützen, die nicht zustande gekommen ist. Zwei divergierende ausschließliche Zuständigkeiten von gleicher Wertigkeit kann es bei gleichem Entstehungsgrund nicht geben (<span class="Kursiv">Mankowski</span>, Der Schutz von Gerichtsstandsvereinbarungen vor abredewidrigen Klagen durch Art 31 Abs 2 EuGVVO nF, RIW 2015, 17 [24]; <span class="Kursiv">ders</span> in <span class="Kursiv">Rauscher</span>, EuZPR/EuIPR<span class="Hoch">5</span> [2021], Art 25 Brüssel Ia-VO Rn 273; vgl <span class="Kursiv">Gottwald</span> in Münchener Kommentar zur ZPO<span class="Hoch">6</span> [2022] Art 31 Brüssel Ia-VO Rn 12; 7 Ob 114/06z: Bei einander widersprechenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Willenserklärungen der Vertragsteile kommt keine Gerichtsstandvereinbarung zustande).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [28] Damit liegt keine Gerichtsstandsvereinbarung im Sinn des Art 25 EuGVVO 2012 vor.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [29] 6. Da keine Anhaltspunkte für die internationale Zuständigkeit des angerufenen Landesgerichts Linz vorliegen – der Erfüllungsort nach Art 7 Nr 1 lit b Brüssel Ia-VO liegt in Deutschland, die Beklagte hat ihren Sitz in Deutschland (Art 63 iVm Art 4 Abs 1 EuGVVO 2012) – haben die Vorinstanzen im Ergebnis zutreffend die internationale Zuständigkeit verneint.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [30] Dem Revisionsrekurs ist daher nicht Folge zu geben.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [31] 7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 und § 50 ZPO.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [32] Leistungen eines österreichischen Rechtsanwalts für einen ausländischen Unternehmer unterliegen nicht der österreichischen Umsatzsteuer. Verzeichnet der österreichische Anwalt – kommentarlos – 20 % Umsatzsteuer, wird im Zweifel nur die österreichische Umsatzsteuer angesprochen. Die zu entrichtende ausländische Umsatzsteuer kann nur zugesprochen werden, wenn Entsprechendes behauptet und bescheinigt wird (§ 54 Abs 1 ZPO) oder die Höhe des ausländischen Umsatzsteuersatzes allgemein bekannt ist (RS0114955). Da im Fall der Bundesrepublik Deutschland Letzteres der Fall ist, ist der dort ansässigen Beklagten für die Revisionsrekursbeantwortung (nur) die in Deutschland zu entrichtende Umsatzsteuer von bekanntermaßen 19 % zuzusprechen (RS0114955 [T10, T12]; zuletzt 4 Ob 103/23k [Rz 22] mwN).</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240923_OGH0002_0070OB00149_24Y0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-16 | 2024-10-16 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240923_OGH0002_0070OB00149_24Y0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240923_OGH0002_0070OB00149_24Y0000_000/JJT_20240923_OGH0002_0070OB00149_24Y0000_000.html | 7Ob149/24y | ECLI:AT:OGH0002:2024:0070OB00149.24Y.0923.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G* B*, vertreten durch Dr. Brigitta Braunsberger-Lechner und Mag. Thomas Loos, Rechtsanwälte in Steyr, gegen die beklagte Partei M* Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, *, vertreten durch die Anwaltssocietät Sattlegger, Dorninger, Steiner & Partner in Linz, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 9. Juli 2024, GZ 12 R 21/24f-16, den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.</span></p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"> [1] 1. Der Revisionswerber hat zahlreiche ihm bekannte Erkrankungen und auch „Fehlbildungen“, nach denen der beklagte Krankenversicherer vor Abschluss der Krankenzusatzversicherungsverträge ausdrücklich gefragt hatte (wie Nierenagenesie, arterielle Hypertonie und Linksventrikelhypertrophie, Lumbalgie, Spondylolyse, Anterolisthese L5/S1, Diskopathie L4–S1, Plattfuß und Senk-Spreizfuß), nicht angegeben. Nachdem die Beklagte nachträglich von diesen Erkrankungen erfahren hatte, erklärte sie den Rücktritt von den abgeschlossenen Krankenzusatzversicherungsverträgen.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [2] 2. Gemäß § 16 Abs 1 Satz 3 VersVG gilt ein Umstand, nach welchem der Versicherer – wie hier – ausdrücklich und in geschriebener Form gefragt hat, im Zweifel als erheblich (vgl RS0080628). In diesem Fall ist der Versicherte dafür beweispflichtig, dass auch die richtige Beantwortung der an ihn gestellten Frage nicht geeignet gewesen wäre, den Entschluss des Versicherers zum Vertragsabschluss in irgendeiner Weise zu beeinflussen (RS0080787). Zur Bejahung der Gefahrenerheblichkeit von Umständen ist es nicht erforderlich, dass der Versicherer bei Kenntnis des wahren Sachverhalts den Vertrag tatsächlich abgelehnt oder nicht zu den erwähnten Bedingungen abgeschlossen hätte. Es reicht aus, dass der vom Versicherer nachgewiesene Umstand bei objektiver Betrachtung geeignet ist, einen solchen Entschluss des Versicherers zu motivieren (RS0080637).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [3] Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass dem Kläger dieser Gegenbeweis nicht gelungen ist, ist nicht zu beanstanden (vgl 7 Ob 57/05s). Einer versicherungsmathematischen Relevanz der verschwiegenen Umstände bedarf es nicht. Zu seinen Lasten geht die Feststellung, dass die Beklagte „den Ausschluss einzelner bestehender Erkrankungen als nicht mehr zielführend erachtet“ hat, also die Krankenzusatzversicherungsverträge in Kenntnis der vor Abschluss der Versicherungsverträge bestehenden Erkrankungen nicht abgeschlossen hätte. Ein sekundärer Feststellungsmangel liegt aufgrund dieser ausreichenden Feststellung nicht vor.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [4] 3. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240923_OGH0002_0070OB00127_24P0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-15 | 2024-12-03 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240923_OGH0002_0070OB00127_24P0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240923_OGH0002_0070OB00127_24P0000_000/JJT_20240923_OGH0002_0070OB00127_24P0000_000.html | 7Ob127/24p | ECLI:AT:OGH0002:2024:0070OB00127.24P.0923.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte, 1041 Wien, Prinz-Eugen-Straße 20–22, vertreten durch Dr. Walter Reichholf, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei W* I* GmbH, *, vertreten durch Mag. Alexander Lubich, Rechtsanwalt in Wien, wegen 8.064 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom 4. April 2024, GZ 50 R 4/24f-14, den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.</span></p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [1] 1.1 Nach § 502 Abs 5 Z 3 ZPO gelten die Abs 2 und 3 nicht für Rechtsstreitigkeiten, in denen – wie hier – ein in § 29 KSchG genannter Verband einen ihm zur Geltendmachung abgetretenen Anspruch gegen eine Partei klageweise geltend macht. Die zivilprozessualen Sonderbestimmungen für die in § 29 KSchG genannten Verbände sind auch dann anzuwenden, wenn sie die ihnen vom Konsumenten abgetretenen Ansprüche im Rahmen ihres Verbandszwecks geltend machen (RS0124402).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [2] 1.2 Die von der Beklagten irrig mit einer Zulassungsvorstellung verbundene ordentliche Revision ist in eine außerordentliche Revision umzudeuten (RS0123405) und wäre nach Zurückweisung der Zulassungsvorstellung (vgl RS0122264) unmittelbar dem Obersten Gerichtshof vorzulegen gewesen (vgl 4 Ob 153/23p). Der dennoch ohne gesetzliche Grundlage vom Berufungsgericht gefasste Beschluss über die Zulassungsvorstellung ist für den Obersten Gerichtshof unbeachtlich (vgl RS0110049 [T17]; 4 Ob 153/23p).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [3] 2. In ihrer damit vorliegenden außerordentlichen Revision zeigt die Beklagte keine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität auf.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [4] 3.1 Gemäß § 6 Abs 4 Satz 1 MaklerG steht dem Makler keine Provision zu, wenn er selbst Vertragspartner des Geschäfts wird (dabei handelt es sich um ein sogenanntes Eigengeschäft im engeren Sinn). Auch wenn das mit dem Dritten geschlossene Geschäft wirtschaftlich einem Abschluss durch den Makler selbst gleichkommt, besteht kein Provisionsanspruch des Maklers (§ 6 Abs 4 Satz 2 MaklerG; Eigengeschäft im weiteren Sinn).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [5] Dadurch sollen Umgehungsversuche verhindert und wirtschaftliche Verflechtungen besser erfasst werden, wobei auf den wirtschaftlichen Zweck des jeweiligen Geschäfts für den Makler abzustellen ist (ErläutRV 2 BlgNR 20. GP 20). Der in den Gesetzesmaterialien ausdrücklich betonte tragende Gedanke für den Ausschluss eines Provisionsanspruchs des Maklers nach § 6 Abs 4 Satz 1 und 2 MaklerG ist, dass es beim Eigengeschäft an einer verdienstlichen, den Vertragsabschluss fördernden Vermittlungstätigkeit des Maklers fehlen muss (RS0117826), weil in diesen Fällen der Makler selbst (tatsächlich oder wirtschaftlich betrachtet) zum Vertragspartner wird und daher „in eigener Sache“ verhandelt, nicht aber einen Vertragsabschluss vermittelt. Zu prüfen ist, ob dem wirtschaftlichen Zweck nach das vermittelte Geschäft ein Eigengeschäft des Maklers darstellt, er also unter wirtschaftlicher Betrachtungsweise der Vertragspartner ist, dabei kommt es auf die Interessenlage an (7 Ob 127/03g; 4 Ob 224/10k; 3 Ob 212/19a).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [6] 3.2 Mangels gesetzlicher Festlegung einer starren Grenze der Beteiligungsverhältnisse für die Annahme bzw den Ausschluss eines wirtschaftlichen Eigengeschäfts kommt es auf das jeweilige Gewicht der Interessen des Maklers und deren Durchsetzungsmöglichkeiten an, sodass jeweils eine Beurteilung nach den Umständen des Einzelfalls geboten ist (RS0114078). Neben allfälligen Umgehungsgeschäften wurde ein wirtschaftliches Eigengeschäft unter anderem dann bejaht, wenn bei gesellschaftsrechtlicher Verflechtung ein beherrschender Einfluss des Maklers auf die Vermieter- oder Verkäufergesellschaft besteht (7 Ob 127/03g; 4 Ob 224/10k; 3 Ob 212/19a). Das Vorliegen eines Eigengeschäfts wurde in der Rechtsprechung auch bejaht, wenn der Makler bzw der vermittelte Dritte (Verkäufer oder Vermieter) am Unternehmen des anderen entweder mehrheitlich beteiligt ist oder einen beherrschenden Einfluss auf die Geschäftsführung des anderen hat. Das heißt, wenn der Makler und der vermittelte Dritte zueinander in so einem starken Abhängigkeitsverhältnis stehen, dass für eine verdienstvolle, den Vertragsabschluss fördernde Vermittlungstätigkeit kein Platz bleibt (vgl 5 Ob 2175/96f; 5 Ob 233/98w; 5 Ob 199/99x [auf die das Maklergesetz noch nicht anwendbar war]; 5 Ob 49/00t).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [7] 3.2 In der – in der Revision angesprochenen – Entscheidung 3 Ob 212/19a relevierte der Oberste Gerichtshof bei der Beurteilung des Vorliegens eines Eigengeschäfts auch die Beteiligung des Verkäufers an der Maklerin und kam zum Ergebnis, dass nicht von einem Eigengeschäft auszugehen ist, wenn der Verkäufer Geschäftsführer einer Maklergesellschaft und über eine weitere Gesellschaft zu 65 % an ihr beteiligt ist. Auf eine Beherrschung durch den Verkäufer kommt es nicht an, sondern auf die Interessen der Maklerin am Liegenschaftsverkauf. Die Maklerin selbst hat aber im Fall einer 65%igen Beteiligung des Verkäufers an ihr – anders als im umgekehrten Fall (zB der Makler ist beherrschender Gesellschafter der verkaufenden GmbH), in dem der Makler beim Verkauf der Liegenschaft mittelbar vom erzielten Kaufpreis profitiert – kein wirtschaftliches Interesse am Verkauf der Liegenschaft, weil ihr der Erlös auch nicht mittelbar zu Gute kommt, sondern zur Gänze an den Verkäufer als natürliche Person geht. Der Umstand, dass der Verkäufer gleichzeitig Gesellschafter der Maklergesellschaft ist, rechtfertigt die Annahme eines relevanten wirtschaftlichen Interesses der Maklergesellschaft am Verkauf der Liegenschaft nicht, weil sein Anteil von (nur) 65 % zu gering ist, um ihn mit der Maklergesellschaft wirtschaftlich gleichzusetzen. Ihr davon zu trennendes wirtschaftliches Interesse am Abschluss des Maklervertrags beim Verkauf der Liegenschaft als selbständige Makler-GmbH ist schon angesichts der nicht zu vernachlässigenden Beteiligung der beiden (selbständig zu beurteilenden, nicht dem Verkäufer zuzurechnenden) Minderheitsgesellschafter im Gesamtausmaß von 35 % legitim, weil Beteiligungen in diesem Ausmaß wegen ihrer Partizipation am Erfolg der GmbH und damit an der Maklerprovision eine bloße Scheinvermittlungstätigkeit mit dem alleinigen Zweck, dem Verkäufer einen zusätzlichen Provisionsgewinn zu verschaffen, ausschließen.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [8] 4.1 Wie ausgeführt hängt die Frage, ob dem wirtschaftlichen Zweck nach ein Eigengeschäft des Maklers vorliegt, von den Umständen des Einzelfalls ab. Eine Aufstellung genereller Beurteilungskriterien und Leitsätze ist in diesem Zusammenhang – entgegen der Ansicht der Beklagten – nicht möglich.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [9] 4.2 Das Berufungsgericht legte – insbesondere gestützt – auf die Entscheidung 3 Ob 212/19a zugrunde, dass bei Prüfung der Interessenlage des Maklers auch Verflechtungen zwischen Mutter-Verkäuferin und Tochter-Maklerin, wie eine (mehrheitliche) Beteiligung des Verkäufers (oder Vermieters) am Unternehmen des Maklers, Berücksichtigung finden könnten. Zu Unrecht meint die Revision, dass diese Ansicht aus der genannten Entscheidung nicht ableitbar sei. Der Oberste Gerichtshof relevierte explizit die Verflechtungen zwischen Verkäufer und Maklerin – was im Übrigen auch mit der weiters dargestellten Judikatur in Einklang steht – und verneinte aufgrund der dortigen Konstellation ein Eigengeschäft.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [10] 4.3 Hier bejahten die Vorinstanzen das Vorliegen eines einen Provisionsanspruch ausschließenden Eigengeschäfts. Die Verkäuferin der Liegenschaft (Verkäufer-GmbH) halte 100 % der Anteile der Beklagten. An der Verkäufer-GmbH seien N* B* zu 30 % und B* G* über eine weitere Holding-GmbH zu 70 % beteiligt. N* B* und B* G* seien darüber hinaus Geschäftsführer der Verkäufer-GmbH und der Beklagten. Diese Verflechtungen seien beträchtlich, würden doch sowohl auf Ebene der Entscheidungsträger (Geschäftsführer) als auch auf Ebene der (zumindest mittelbar) wirtschaftlich Beteiligten (Gesellschafter) ausschließlich dieselben natürlichen Personen auftreten. Im Übrigen sei tragender Gedanke für den Ausschluss eines Provisionsanspruchs, dass es beim Eigengeschäft an einer verdienstlichen, den Vertragsabschluss fördernden Vermittlungsfähigkeit des Maklers fehle. Dies sei hier der Fall. Besonders zu beachten sei nämlich auch der weitere Umstand, dass N* B* auf den Objektinformationen ausdrücklich als Ansprechpartner seitens der Beklagten angeführt werde. Es stehe nicht im Belieben des Geschäftsführers beider Gesellschaften, ob er bei Übermittlung der Informationen über die Kaufgelegenheit für die Beklagte tätig werde (und so einen Provisionsanspruch generiere) oder dieselbe Leistung durch dieselbe natürliche Person mit demselben Kenntnisstand für die Verkäuferin, die sämtliche Anteile an der Makler-GmbH halte – ohne Provisionsanspruch – erbracht werde. Auch wenn die Verkäufer-GmbH und die Beklagte zweifelsohne rechtlich getrennt seien, führten die hier vorliegenden engen personellen Beteiligungs- und Vertretungsverhältnisse doch dazu, dass sowohl der Verkaufs- als auch der Provisionserlös letztlich denselben natürlichen Personen zufließen, ihr Interesse sei gerade nicht auf die Provision beschränkt. Die Verkäufer-GmbH und die Beklagte stünden in einem so starken Abhängigkeitsverhältnis, dass für eine verdienstvolle, den Vertragsabschluss fördernde Vermittlungstätigkeit kein Platz bleibt.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [11] 4.4 Mit der ausführlichen Begründung des Berufungsgerichts, das bestehende oberstgerichtliche Rechtsprechung für seine Ansicht ins Treffen führen kann, setzt sich die Revision nicht auseinander, wenn sie lediglich betont, dass sie (selbst) nicht vom Verkauf der Liegenschaft profitiere und ihre Vermittlungstätigkeit nicht der Verkäuferin zuzurechnen sei. Insbesondere weil sich die von der Rechtsprechung geforderte Durchsetzungsmöglichkeit der Interessen des Maklers aus der hier vorliegenden Geschäftsführeridentität ergibt, wird eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht nicht gezeigt.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [12] 5. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240923_OGH0002_0070OB00138_24F0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-15 | 2025-01-13 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240923_OGH0002_0070OB00138_24F0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240923_OGH0002_0070OB00138_24F0000_000/JJT_20240923_OGH0002_0070OB00138_24F0000_000.html | 7Ob138/24f | ECLI:AT:OGH0002:2024:0070OB00138.24F.0923.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H* S*, vertreten durch die Poduschka Partner Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, gegen die beklagte Partei V* AG, *, vertreten durch die Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 9.252 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom 5. Juni 2024, GZ 22 R 138/24m-66, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Wels vom 22. März 2024, GZ 9 C 595/20b-60, teilweise abgeändert wurde, den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft">Die Revision wird zurückgewiesen.</p><p class="ErlText AlignLeft">Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 502,70 EUR (darin enthalten 83,78 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [1] Die Revision ist – ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruchs des Berufungsgerichts – nicht zulässig. Die Revisionswerberin kann keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen. Die Begründung kann sich auf die Anführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [2] 1.1. Zur Höhe des Schadenersatzanspruchs betreffend den Minderwert des mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeugs judiziert der Oberste Gerichtshof seit der Entscheidung 10 Ob 27/23b, dass der zu ersetzende Betrag grundsätzlich im Sinn des § 273 Abs 1 ZPO nach freier Überzeugung – selbst mit Übergehung eines von einer Partei angebotenen (etwa: Sachverständigen-)Beweises – innerhalb einer Bandbreite von 5 % und 15 % des Kaufpreises festzusetzen ist (RS0134498). Ebenso wurde aber auch bereits mehrmals entschieden, dass dies nicht ausschließt, dass der Minderwert exakt festgestellt wird und der Käufer dessen Ersatz verlangen kann (RS0134498 [T6]), mag er auch über die genannte Bandbreite hinausgehen. Dafür bedarf es Feststellungen zu einer allfälligen Wertdifferenz im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags, insbesondere dazu, welchen Verkehrswert das Fahrzeug in Kenntnis der unzulässigen Abschalteinrichtung aufwies bzw zu welchem Preis ein solches Fahrzeug (damals) gehandelt worden wäre (10 Ob 7/24p mwN = RS0113651 [T6]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [3] 1.2. Die Auslegung der Urteilsfeststellungen im Einzelfall bildet regelmäßig keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RS0118891).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [4] Die hier getroffenen Feststellungen sind mit den der Entscheidung zu 5 Ob 61/24t zugrunde liegenden nahezu identisch (ähnlich auch Feststellungen zu 9 Ob 52/24y). Wenn das Berufungsgericht daher die Feststellung des Erstgerichts dahin interpretierte, dass im Zeitpunkt des Ankaufs des Fahrzeugs der bewiesene Minderwert 20 % betrug, hält sich dies im Rahmen des ihm zukommenden Beurteilungsspielraums. Die Behauptung der Beklagten, der (zumindest) 20%ige Minderwert sei nach den Feststellungen davon abhängig, dass auch das Thermofenster vom (deutschen) Kraftfahrt-Bundesamt als unzulässig festgestellt werde, trifft insofern nicht zu, als bloß vorausgesetzt wird, dass auch nach dem Software-Update eine unzulässige Abschalteinrichtung vorliegt („… [2x eine unzulässige Abschalteinrichtung] ...“). Das ist beim Fahrzeug des Klägers jedoch – im Revisionsverfahren unstrittig – der Fall.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [5] 2.1. Die Beklagte meint, der Nutzungsvorteil des Klägers (Benützungsentgelt für die gefahrenen Kilometer) sei auch auf den geltend gemachten Minderwert als Vorteil anzurechnen.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [6] 2.2. Zu 3 Ob 203/23h hielt der Oberste Gerichtshof in einem Fall, in dem der Fahrzeughalter (ebenfalls) Schadenersatz in Höhe von 30 % des Kaufpreises als Minderwert begehrt hatte, dem Einwand der Vorteilsanrechnung die ständige Rechtsprechung entgegen, dass dies voraussetzen würde, dass das schädigende Ereignis nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge auch einen Vorteil im Vermögen des Geschädigten verursacht hat. Es muss sich um einen zeitlich und sachlich kongruenten Vorteil handeln, der durch das pflichtwidrige Handeln entsteht oder wenigstens im selben Tatsachenkomplex wurzelt (so bereits 5 Ob 100/22z). Die Vorteilsanrechnung setzt daher im Regelfall eine subjektiv-konkrete Schadensberechnung voraus, wobei es bei der objektiven-abstrakten Berechnung unerheblich ist, ob der Geschädigte die Sache nach Eintritt des Schadens veräußert hat und welchen Erlös er dadurch erzielte (4 Ob 3/19y mwN). Bei objektiv-abstrakter Schadensberechnung ist ein Vorteil nur dann anrechenbar, wenn er am beschädigten Gut selbst entstanden ist (RS0022824 [T2]; 5 Ob 100/22z).</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [7] 2.3. Dass die Nutzung des Fahrzeugs durch den Kläger bis zu einem allfälligen Weiterverkauf und ein künftiger Weiterverkauf an sich nichts am objektiv bereits bei Kaufvertragsabschluss eingetretenen Schaden des Klägers ändern konnte, ist für die österreichische Rechtslage durch die höchstgerichtliche Rechtsprechung geklärt (vgl etwa 3 Ob 203/23h = RS0022824 [T8]; 5 Ob 33/24z; 5 Ob 83/24b; 5 Ob 97/24m). Die von der Beklagten herangezogene – zum deutschen Recht – ergangene Entscheidung des BGH VIa ZR 100/21 ist nicht relevant.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [8] 3. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [9] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 und § 50 ZPO. Der Kläger hat auf die fehlende Zulässigkeit der Revision hingewiesen.</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240923_OGH0002_0070OB00150_24W0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-14 | 2024-11-13 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240923_OGH0002_0070OB00150_24W0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240923_OGH0002_0070OB00150_24W0000_000/JJT_20240923_OGH0002_0070OB00150_24W0000_000.html | 7Ob150/24w | ECLI:AT:OGH0002:2024:0070OB00150.24W.0923.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B* S*, vertreten durch die Gottgeisl Leinsmer Weber Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei N* Ltd, *, Malta, vertreten durch die Mag. Simon Wallner Rechtsanwalt GmbH in Wien, wegen 30.625 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 31. Juli 2024, GZ 2 R 98/24f-22, den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.</span></p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"> [1] Der Kläger stützte seine Klage darauf, dass die Beklagte von ihrem Sitz in Malta aus über die von ihr betriebene Website Dienstleistungen im Bereich des Glücksspiels anbiete, obwohl sie über keine Konzession nach dem österreichischen Glücksspielrecht verfüge. Er habe an von der Beklagten veranstalteten Online-Glücksspielen teilgenommen und im Zeitraum vom 30. 1. 2022 bis 3. 7. 2023 insgesamt 30.625 EUR verloren. Die Beklagte habe ihm diesen Verlust zu ersetzen.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [2] 1. Der (inhaltlich bestätigende) Beschluss des Berufungsgerichts über die Verwerfung der Einrede der internationalen Unzuständigkeit unterliegt den Anfechtungsbeschränkungen des § 519 Abs 1 ZPO und ist somit unanfechtbar (RS0123463; <span class="Kursiv">G. Kodek</span> in <span class="Kursiv">Fasching/Konecny</span><span class="Hoch">3</span> § 261 ZPO Rz 87). Damit liegt aber eine den Obersten Gerichtshof bindende Entscheidung nach § 42 Abs 3 JN vor (4 Ob 117/22t [Rz 6] mwN). Ein Vorabentscheidungsersuchen zur Frage der internationalen Zuständigkeit ist nicht erforderlich, weil diese Frage mangels Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht zu prüfen ist (1 Ob 118/22t [Rz 10]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [3] 2. Auf einen – hier vorliegenden – Verbrauchervertrag ist im Anwendungsbereich von Art 6 Rom I-VO grundsätzlich das Recht des Staats, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Verbraucherstaat), anzuwenden. Das Verbraucherstatut gelangt unter anderem dann zur Anwendung (Art 6 Abs 1 lit b leg cit), wenn der Unternehmer seine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit auf den Verbraucherstaat ausrichtet. Den Begriff „Ausrichten“ hat der EuGH dahin ausgelegt, dass der Unternehmer seinen Willen zum Ausdruck gebracht haben muss, Geschäftsbeziehungen zu Verbrauchern eines oder mehrerer anderer Mitgliedstaaten, darunter des Wohnsitzmitgliedstaats des Verbrauchers, herzustellen (vgl EuGH <span class="Kursiv">Pammer </span>und<span class="Kursiv"> Hotel Alpenhof</span>, C-585/08 und C-144/09, Rn 75, 93), was insbesondere bei auf Österreich ausgerichteten Online-Aktivitäten – wie hier – der Fall ist (7 Ob 213/21f [Rz 5]; 7 Ob 155/23d [Rz 14] ua).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [4] Eine Dienstleistung wird nur dann im Sinn des Ausnahmetatbestands des Art 6 Abs 4 lit a Rom I-VO „ausschließlich“ außerhalb des Mitgliedstaats erbracht, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenn dieser keine Möglichkeit hat, sie in seinem Aufenthaltsstaat in Anspruch zu nehmen und sich zu diesem Zweck ins Ausland begeben muss (EuGH <span class="Kursiv">Verein für Konsumenteninformation</span>, C-272/18, Rn 52). Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor (7 Ob 213/21f [Rz 6]; 7 Ob 155/23d [Rz 15]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [5] Nach Art 12 Abs 1 Rom I-VO sind grundsätzlich alle vertragsrechtlichen Fragen nach dem einheitlichen Vertragsstatut (hier Verbraucherstatut) zu beurteilen. Das gilt nach Art 12 Abs 1 lit e leg cit auch für die Folgen der Nichtigkeit des Vertrags. Für die Rückabwicklung nichtiger Verträge gilt somit das Recht des Vertragsstatuts (3 Ob 44/22z [Rz 15]; 2 Ob 40/22d [Rz 13]; 6 Ob 12/22s [Rz 15 f]). Das Vertragsstatut (Verbraucherstatut) verweist im Anlassfall auf österreichisches Recht (7 Ob 155/23d [Rz 16]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [6] 3. Nach ständiger Rechtsprechung steht § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB einem (bereicherungsrechtlichen) Rückforderungsanspruch hinsichtlich der Spieleinsätze für ein (verbotenes) Online-Glücksspiel nicht entgegen, weil die entsprechenden Einsätze nicht gegeben werden, um das verbotene Spiel zu bewirken, sondern um am Spiel teilzunehmen. Damit ist § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB schon seinem Wortlaut nach nicht anwendbar. Darauf, ob der Spieler durch die Teilnahme am verbotenen Spiel (selbst) einen Verwaltungsstraftatbestand erfüllt (konkret § 52 Abs 5 GSpG), kommt es daher nicht an. Gegenteiliges kann auch aus der Entscheidungen 5 Ob 506/96 und 10 Ob 2429/96w nicht entnommen werden (zuletzt etwa 1 Ob 91/24z [Rz 5] mwN).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [7] 4. Der Oberste Gerichtshof hat – im Einklang mit der Rechtsprechung der beiden anderen österreichischen Höchstgerichte – auf Basis der einschlägigen Judikatur des EuGH in mehreren aktuellen Entscheidungen neuerlich festgehalten, dass das österreichische System der Glücksspiel-Konzessionen einschließlich der Werbemaßnahmen der Konzessionäre im hier relevanten Zeitraum nach gesamthafter Würdigung aller tatsächlichen Auswirkungen auf den Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben entspricht und nicht gegen Unionsrecht verstößt (vgl nur 1 Ob 95/23m; 1 Ob 111/23i; 1 Ob 78/24p, jeweils mwN). Die Beurteilung des Berufungsgerichts entspricht dieser Rechtsprechung.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [8] 5. Zu den Voraussetzungen der unionsrechtlichen Zulässigkeit eines Glücksspielmonopols sowie der dadurch bewirkten Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit liegt bereits umfangreiche Rechtsprechung des EuGH vor (vgl die Hinweise in 5 Ob 30/21d). Entgegen der Darstellung der Revisionswerberin ergibt sich aus der Entscheidung des EuGH C-920/19, <span class="Kursiv">Fluctus</span>, kein Verbot für ein nationales Gericht, sich auf Vorentscheidungen „höherer“ (nationaler) Gerichte (hier auf in zahlreichen Parallelverfahren ergangene Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs) zu berufen. Vielmehr sprach der EuGH darin bloß aus, dass eine gegen Art 56 AEUV verstoßende Bestimmung des nationalen Rechts auch dann nicht angewendet werden dürfe, wenn ein „höheres“ nationales Gericht diese als mit dem Unionsrecht vereinbar ansah, dessen Erwägungen aber offensichtlich nicht dem Unionsrecht entsprachen (vgl insbesondere Rn 58 der genannten Entscheidung des EuGH). Dass und bei welcher nationalen Norm dies hier der Fall gewesen wäre, vermag die Revisionswerberin nicht aufzuzeigen. Der Senat sieht daher keinen Anlass, das von der Beklagten angeregte Vorabentscheidungsersuchen zu stellen (2 Ob 23/23f [Rz 10] mwN). Der behauptete Feststellungsmangel und damit eine (sekundäre) Mangelhaftigkeit der Berufungsentscheidung, weil Feststellungen „zum Thema Unionsrechtswidrigkeit“ fehlten, ist damit nicht zu erkennen. Eine neuerliche Befassung des EuGH ist im Hinblick auf dessen Entscheidungen zu C-390/12, C-79/17 und C-545/18 entbehrlich (7 Ob 199/23z; 7 Ob 204/23k ua).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [9] 6. Einer Unterbrechung des Verfahrens bis zur Entscheidung des EuGH über das Vorabentscheidungs-ersuchen zu C-440/23 bedarf es nicht, weil die dort zu klärenden unionsrechtlichen Fragen – soweit sie nicht ohnehin die spezifisch deutsche Situation betreffen – im Hinblick auf die zu Punkt 5. zuletzt angeführten Entscheidungen des EuGH bereits geklärt erscheinen (vgl etwa 7 Ob 199/23z; 7 Ob 202/23s; 7 Ob 203/23p; 7 Ob 204/23k; 4 Ob 219/23v; 9 Ob 72/23p; 8 Ob 31/24b). Die vom Bundesgerichtshof zu I ZR 90/23 an den EuGH zu C-530/24 gestellten Vorabentscheidungsfragen betreffen den Rechtsstreit schon deshalb nicht, weil die Beklagte einräumt, keine Konzession nach dem österreichischen Glücksspielrecht beantragt zu haben und damit konnte auch kein sie betreffendes Verfahren zur Konzessionserteilung unionsrechtswidrig durchgeführt worden sein.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [10] 7. Da somit Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu beurteilen sind, ist die außerordentliche Revision zurückzuweisen.</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240923_OLG0009_01400R00096_24A0000_000 | Justiz | OLG Wien | 2024-09-25 | 2024-10-04 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240923_OLG0009_01400R00096_24A0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240923_OLG0009_01400R00096_24A0000_000/JJT_20240923_OLG0009_01400R00096_24A0000_000.html | 14R96/24a | ECLI:AT:OLG0009:2024:01400R00096.24A.0923.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Curd Steinhauer als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. Elisabeth Bartholner und Mag. Margit Schaller in der Rechtssache der klagenden Partei <span class="Fett">A*</span>, **, vertreten durch die Aigner Rechtsanwalts - GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei <span class="Fett">Republik Österreich</span>, vertreten durch die Finanzprokuratur, wegen EUR 5.000,-- s.A., hilfsweise Feststellung, über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 30.4.2024, 33 Cg 21/23k-13, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:</p><p class="ErlText AlignLeft"> </p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Berufung wird <span class="Fett">nicht</span> <span class="Fett">Folge</span> gegeben.</p><p class="ErlText AlignLeft">Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 731,16 bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.</p><p class="ErlText AlignLeft">Die ordentliche Revision ist jedenfalls <span class="Fett">unzulässig</span>.</p><p class="Abstand AlignCenter"></p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter"><span class="Fett">Entscheidungsgründe</span>:</p><p class="Abstand AlignLeft"></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett">I. Parteienvorbringen:</span></span></p><p class="ErlText AlignLeft">1. <span class="Unterstrichen">Die Klägerin</span> begehrt von der beklagten Partei den Ersatz von EUR 5.000,-- s.A. aus dem Titel der Amtshaftung, hilfsweise eine Haftungsfeststellung. Sie habe diesen Betrag der B* GmbH (im Folgenden: B*) aufgrund einer Vereinbarung vom 12.12.2017 als qualifiziertes Nachrangdarlehen zur Verfügung gestellt, weil ihr hohe Renditen und niedrige Risiken versprochen worden seien. Schon dadurch sei der Schaden in ihrem Vermögen eingetreten, da die B* in Wirklichkeit keine ausreichenden Gewinnmargen erwirtschaftet habe, um solche Renditen zu ermöglichen, und außerdem die investierten Gelder zweckwidrig verbraucht habe. Das System habe nur durch Neuinvestitionen aufrecht erhalten werden können. Es seien über Jahre hinweg Gelder privater Kleinanleger eingesammelt worden, in undurchsichtige Kanäle im Nahebereich des Firmengründers C* verschwunden und nunmehr dem Zugriff der Gläubiger entzogen. Durch „kumuliertes Behördenversagen“, „jahrelanges Wegsehen“, Nichterfüllung von Überwachungs- und Kontrollpflichten sowie unvertretbare Handlungsweisen seitens der Behörden sei sie um ihr Erspartes gebracht worden, wofür die beklagte Partei als Rechtsträgerin einzustehen habe.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Im Einzelnen wirft die Klägerin der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) vor, im Jahr 2021 das gegen C* eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen Betrugs eingestellt und die bereits beschlagnahmten Bargeldbeträge und Bankguthaben in Höhe von EUR 3,567.140,08 wieder freigegeben zu haben, weil ein Betrug nicht nachweisbar sein werde; dies obwohl es sich bei den angewendeten „Ponzi-Schemes“ um eine bekannte Betrugsmasche im Finanzsektor handle. Sie sei von der Einstellung nicht informiert worden und hätte daher keinen Fortsetzungsantrag stellen können. Außerdem habe die WKStA von vornherein nicht in Richtung Krida ermittelt, weil die B* angeblich nicht zahlungsunfähig sei. Durch diese unvertretbare Vorgehensweise habe sie ihre Anspruchsdurchsetzung verunmöglicht. Wäre sie ihren Ermittlungspflichten nach § 2 StPO nachgekommen, hätte der Schaden aus dem beschlagnahmten Guthaben wieder gut gemacht werden können; mittlerweile seien jedoch die B* insolvent, die beschlagnahmten Gelder verschwunden und C* nicht greifbar. Die im Insolvenzverfahren angemeldete Forderung sei vom Insolvenzverwalter bestritten worden. Sie habe auch keine anderweitigen Ersatzleistungen erhalten. Als zum Zeitpunkt der Einstellung bereits geschädigtes Opfer der Straftaten des C* im Sinne des § 65 Z 1 lit c StPO seien ihre Ansprüche auf Schadenswiedergutmachung vom Schutzzweck der StPO erfasst.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Die Finanzmarktaufsicht (FMA) habe als Aufsichtsbehörde schuldhaft nicht erkannt, dass das Geschäftsmodell der B* lediglich darauf ausgerichtet gewesen sei, einen Scheinbetrieb zur Aufrechterhaltung des Systems aufzubauen, jedoch niemals die ernsthafte Absicht bestanden habe, die aufgenommenen Darlehen samt Zinsen aus operativen Gewinnen zurückzuzahlen. Es hätte ihr auffallen müssen, dass überdurchschnittlich hohe Provisionen bezahlt wurden und der den Anlegern in Aussicht gestellte Zinsbetrag realistischerweise niemals hätte erzielt werden können. Auch hätte ihr auffallen müssen, dass die B*, ohne über entsprechende Konzessionen bzw. Gewerbeberechtigungen zu verfügen oder den entsprechenden Sicherungseinrichtungen anzugehören, Pfanddarlehen angeboten, gewerbliche Vermögensberatungen durchgeführt, Bank- und Anlagegeschäfte betrieben und entgegen dem gesetzlichen Verbot des AIFMG Alternative Investmentfonds an Private vertrieben und dadurch gegen das BWG, das AIFMG, das WAG und das KMG verstoßen habe. Wäre sie pflichtgemäß vorgegangen, hätte sie das gesetzwidrige Geschäftsmodell aufgedeckt und beendet. Durch das unvertretbare Unterlassen der gebotenen Prüf- und Verfolgungsschritte habe sie gegen ihre Aufsichtspflichten nach BWG, WAG, InvFG, ESAEG und AIFMG verstoßen, wofür die beklagte Partei einzustehen habe. § 3 FMABG sei bei verfassungskonformer Interpretation nicht anwendbar und verstoße überdies gegen Unionsrecht.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Schließlich habe es auch die Gewerbebehörde unterlassen, die ihr nach der GewO zukommenden Pflichten zu erfüllen und zu überprüfen, ob die B* das Gewerberecht einhalte. Sie habe dadurch Schutzgesetze im Sinne des § 1311 ABGB verletzt, wofür ebenfalls die beklagte Partei hafte. Die B* habe ab 2015 eine Gewerbeberechtigung als Pfandleiher gehabt, jedoch - zum Teil schon früher - konzessionspflichtige Finanz- und Bankgeschäfte betrieben, Liegenschaften und Gesellschaftsanteile gesetzwidrig in Pfand genommen und weitere Geschäfte fernab ihrer Gewerbeberechtigung, insbesondere gewerbliche Vermögensberatung, getätigt. Da die Gewerbebehörde gewusst habe, dass C* deutscher Staatsbürger sei, hätte sie eine deutsche Strafregisterbescheinigung verlangen müssen. Daraus wäre hervorgegangen, dass der Genannte in Deutschland bereits im Jahr 2010 wegen Vorenthaltens von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung in 14 Fällen und wegen Insolvenzverschleppung verurteilt worden sei, sodass ihm keine Gewerbeberechtigung hätte erteilt werden dürfen. Die Gewerbebehörde hätte erkennen müssen, dass sich die B* nicht an die Wohlverhaltensregeln des WAG 2018 gehalten, keine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung abgeschlossen und sich über gewerberechtliche Vorschriften hinweggesetzt habe. Sie hätte einstweilige Zwangs- und Sicherheitsmaßnahmen verfügen und Verwaltungsstrafen verhängen müssen. Wäre sie ihren Aufsichtspflichten nachgekommen, hätte die B* keine gewerbliche Tätigkeit ausüben dürfen und sie hätte nie investieren können. Der Schutzzweck der GewO umfasse alle Personen, die mit dem Gewerbetreibenden in Geschäftsbeziehung stehen, und somit auch sie.</span></p><p class="Abstand AlignLeft"></p><p class="ErlText AlignLeft">2. <span class="Unterstrichen">Die beklagte Partei</span> bestreitet das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach. Sie wendet zusammengefasst ein, die Klage sei unschlüssig, weil sich daraus nicht ergebe, aufgrund welcher Hinweise die Behörden welche Maßnahmen hätten ergreifen sollen, um den behaupteten Schaden zu verhindern. Bevor die Klägerin ihre Investition getätigt habe, sei ein Veranlagungsprospekt veröffentlicht gewesen, der laut Kontrollvermerk der Prospektprüferin alle erforderlichen Angaben enthalten und insbesondere auf das Totalverlustrisiko hingewiesen habe.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Für Ansprüche aus dem Verhalten der FMA sei die Klägerin gemäß § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG nicht aktiv legitimiert; gegen diese Bestimmung bestünden nach der dazu ergangenen Judikatur des VfGH, des OGH und des EuGH keine verfassungs- oder unionsrechtlichen Bedenken. Abgesehen davon habe die FMA gehandelt, soweit ihr dies im Rahmen ihrer Zuständigkeit und ihrer Befugnisse möglich gewesen sei. </span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Die Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die WKStA sei ausführlich begründet worden; die Klägerin habe dagegen keinen Fortführungsantrag nach § 195 StPO gestellt und dadurch seine Rettungspflicht nach § 2 Abs 2 AHG verletzt. Hinweise auf angeblich „kridaträchtiges Verhalten“ seien damals nicht vorgelegen; die Insolvenz sei erst 17 Monate später eingetreten.</span></p><p class="ErlText AlignLeft">Die Gewerbebehörde habe seit der Gewerbeanmeldung keinen Anlass für weitere Überprüfungen gehabt; es seien ihr keine Tatsachen bekannt geworden, die darauf schließen ließen, dass Tätigkeiten ausgeübt werden, die über den Umfang des freien Gewerbes „Pfandleiher“ hinausgingen. Die Anmeldung sei zur Kenntnis zu nehmen gewesen, weil aus den Unterlagen die Schweiz als Herkunftsstaat von C* hervorgegangen sei und die vorgelegte Schweizer Strafregisterbescheinigung keinen Eintrag aufgewiesen habe.</p><p class="ErlText AlignLeft">Alle Organe der beklagten Partei hätten somit rechtmäßig, jedenfalls aber vertretbar gehandelt. Die anzuwendenden Rechtsnormen würden nicht bezwecken, Anleger vor dem Eintritt von Vermögensschäden infolge fehlerhafter oder strafgesetzwidriger Geschäftsführung zu schützen; der Ersatzfähigkeit der behaupteten Schäden stehe daher auch der mangelnde Rechtswidrigkeitszusammenhang entgegen. Die Schadenshöhe stehe noch nicht fest, weil unbekannt sei, ob und in welchem Ausmaß die Klägerin aus der Insolvenzmasse der B* befriedigt werde.</p><p class="Abstand AlignLeft"></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett">II. Angefochtenes Urteil und Rechtsmittel:</span></span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Das Erstgericht hat das Klagebegehren aus rechtlichen Erwägungen abgewiesen und die Klägerin zum Kostenersatz verpflichtet. Eine Haftung der beklagten Partei wegen allfälligen Fehlverhaltens der FMA scheide schon im Hinblick auf § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG und die dazu ergangene Judikatur aus. Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren bezwecke nicht die Verhinderung bzw. Wiedergutmachung von Vermögensschäden nicht aktenkundiger Personen; aus dem Klagsvorbringen ergebe sich nicht, dass die Staatsanwaltschaft vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der B* von einem Schaden der Klägerin Kenntnis gehabt oder haben hätte müssen. Die gewerberechtlichen Vorschriften wiederum bezweckten nicht den Schutz der wirtschaftlichen Interessen eines Geldgebers, der in einen Gewerbetreibenden investiere. Insgesamt mangle es dem Klagebegehren daher an einer haftungsbegründenden Rechtsgrundlage.</span></p><p class="Abstand AlignLeft"></p><p class="ErlText AlignLeft">Gegen dieses Urteil richtet sich die <span class="Fett">Berufung</span> der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung einschließlich sekundärer Feststellungsmängel mit den Anträgen, es im stattgebenden Sinn abzuändern oder zur Verfahrensergänzung aufzuheben und an das Erstgericht zurück zu verweisen.</p><p class="ErlText AlignLeft">Die beklagte Partei beantragt, der Berufung keine Folge zu geben.</p><p class="Abstand AlignLeft"></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett">III. Berufungsentscheidung:</span></span></p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft">Die Berufung ist im Ergebnis nicht berechtigt.</p><p class="Abstand AlignLeft"></p><p class="ErlText AlignLeft">1. Allgemeines:</p><p class="ErlText AlignLeft">a) Das Erstgericht hat die Klage ohne Feststellungen zum Sachverhalt zu treffen, rein aus rechtlichen Erwägungen abgewiesen. Es ist also – ohne dies ausdrücklich zu sagen – davon ausgegangen, dass das Klagebegehren unschlüssig sei.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Ein Klagebegehren ist rechtlich schlüssig, wenn das Sachbegehren des Klägers materiell-rechtlich aus den zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachenbehauptungen abgeleitet werden kann (RS0037516). Dass sich das Sachbegehren aus den vorgetragenen Tatsachen nicht rechtlich ableiten lässt und die Klage daher unschlüssig ist, kann zwei Ursachen haben: Entweder sind die vorgetragenen Tatsachen zu unvollständig geblieben, um die begehrte Rechtsfolge daraus ableiten zu können (Unschlüssigkeit wegen Unvollständigkeit), oder es lässt sich auch im Fall eines ergänzten Sachvortrags der behauptete Tatbestand nicht unter die für die Rechtsfolge maßgebenden Rechtsnormen subsumieren (Unschlüssigkeit im eigentlichen Sinn; vgl. 2 Ob 215/09w).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Die Unschlüssigkeit im eigentlichen Sinn ist unheilbar und führt zur sofortigen Klagsabweisung, da es schlicht keinen möglichen Anspruch der klagenden Partei gibt. Bei Unschlüssigkeit wegen Unvollständigkeit ist das Klagebegehren hingegen nicht sofort abzuweisen, sondern das Gericht muss eine Verbesserung durch ergänzendes Tatsachenvorbringen anregen (§ 182 ZPO; RS0037516 [T2, T4]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft">Im Folgenden wird anhand des Klagsvorbringens und der materiellen Rechtslage zu prüfen sein, ob die vorliegende Klage tatsächlich – wie vom Erstgericht offenbar angenommen – unschlüssig im eigentlichen Sinn ist.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">b) Die Klägerin will einen Amtshaftungsanspruch geltend machen. Gemäß § 1 Abs 1 des Amtshaftungsgesetzes (AHG) haften die dort genannten Rechtsträger, darunter der Bund, für den Schaden am Vermögen oder an der Person, den die als ihre Organe handelnden Personen in Vollziehung der Gesetze durch rechtswidriges Verhalten wem immer schuldhaft zugefügt haben, nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts. Eine allfällige Schadenersatzverpflichtung der beklagten Partei richtet sich daher nach den allgemeinen schadenersatzrechtlichen Grundsätzen, insbesondere der §§ 1293 ff ABGB und setzt somit nicht bloß ein <span class="Unterstrichen">rechtswidriges</span>, sondern auch ein <span class="Unterstrichen">schuldhaftes</span> und für den eingetretenen Schaden adäquat <span class="Unterstrichen">kausales</span> Verhalten der handelnden Organe voraus. Als schuldhaft gilt im Amtshaftungsrecht nur ein Verhalten, das bei pflichtgemäßer Überlegung aller Umstände als <span class="Unterstrichen">unvertretbar</span> bezeichnet werden muss, etwa weil es ohne sorgfältig begründete Erwägungen von einer völlig eindeutigen Gesetzeslage oder ständigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung abweicht. Zu ersetzen sind nur jene Schäden, deren Eintritt die übertretenen Vorschriften gerade verhindern wollten oder deren Verhinderung zumindest mitbezweckt war (<span class="Unterstrichen">Rechtswidrigkeitszusammenhang</span>, RS0050038 [T21]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft">Diesen Kriterien müsste das Klagsvorbringen also entsprechen, um eine schlüssige Amtshaftungsklage darzulegen.</p><p class="Abstand AlignLeft"></p><p class="ErlText AlignLeft">2. Haftung für die Staatsanwaltschaft:</p><p class="ErlText AlignLeft">a) Die Klägerin hat vorgebracht, dass ihr geltend gemachter Vermögensschaden von EUR 5.000,-- bereits mit ihrer Zahlung an die B* am 12.12.2017 eingetreten sei. Dies entspricht durchaus der Judikatur, wonach der (reale) Schaden beim Erwerb nicht gewünschter Vermögenswerte (hier: einer Darlehensforderung aus dem qualifizierten Nachrangdarlehen) bereits durch den Erwerb eintritt (RS0129706).</p><p class="ErlText AlignLeft">b) Die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen C* und die Freigabe der beschlagnahmten Bargeldbeträge und Bankguthaben durch die WKStA ist nach dem Klagsvorbringen jedoch erst im Jahr 2021 erfolgt. Aus dieser zeitlichen Abfolge ergibt sich klar, dass die kritisierten Verfahrenshandlungen der WKStA für den Eintritt des geltend gemachten Schadens nicht ursächlich gewesen sein können. Ein Amtshaftungsanspruch wegen des Verhaltens der WKStA ist schon aus diesem Grund ausgeschlossen.</p><p class="ErlText AlignLeft">c) Soweit die Klägerin vorbringt, durch die Einstellung des Ermittlungsverfahrens seitens der WKStA sei die Einbringlichkeit der Darlehensforderung und damit die Schadensgutmachung vereitelt worden, vermag auch dies seinen Anspruch nicht schlüssig zu begründen, da ein bereits eingetretener Schaden durch die Vereitelung seiner Behebung nicht (noch einmal) verursacht wird.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">d) Überlegungen zum Schutzzweck einschlägiger Bestimmungen der StPO können daher auf sich beruhen. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang nur, dass nicht alle Bestimmungen der StPO bei der maßgebenden teleologischen Betrachtungsweise auch dem Schutz des durch eine Straftat Geschädigten dienen. Vielmehr ist bei jeder einzelnen Norm der StPO der Normzweck zu erfragen, der sich aus der wertenden Beurteilung des Sinnes der Vorschrift ergibt (RS0050078). Die Vorschrift des § 190 Z 2 StPO über die Einstellung des Ermittlungsverfahrens, wenn kein tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung des Beschuldigten besteht, soll den Beschuldigten vor ungerechtfertigter Strafverfolgung schützen, nicht jedoch allfällige Opfer vor dem Verlust der Möglichkeit zur Schadenswiedergutmachung. Es fehlt daher hinsichtlich der Verfahrenseinstellung auch der Rechtswidrigkeitszusammenhang.</span></p><p class="ErlText AlignLeft">e) Inwiefern die Unterlassung von Ermittlungen wegen Krida den Schaden der Klägerin verursacht oder dessen Wiedergutmachung vereitelt haben soll, bleibt nach dem Klagsvorbringen überhaupt im Dunklen. Wäre die B* im Jahr 2021 tatsächlich schon insolvent gewesen, hätte die Klägerin ja gerade nicht damit rechnen können, ihre Darlehensforderung hereinzubringen.</p><p class="Abstand AlignLeft"></p><p class="ErlText AlignLeft"> 3. Haftung für die FMA:</p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> a) Nach der am 15.6.2018 in Kraft getretenen Bestimmung des § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG können Schäden, die von Organen und Bediensteten der FMA in Vollziehung der in § 2 FMABG genannten Bundesgesetze verursacht wurden, nur dann Gegenstand von Amtshaftungsansprüchen sein, wenn sie Rechtsträgern unmittelbar zugefügt wurden, die der Aufsicht nach dem FMABG unterliegen. Der unmissverständliche Wortlaut dieser Bestimmung („<span class="Kursiv">Schäden im Sinne dieser Bestimmung sind solche, die Rechtsträgern unmittelbar zugefügt wurden, die der Aufsicht nach diesem Bundesgesetz unterliegen</span>“), welcher auch verfassungsrechtlich unbedenklich ist (VfGH 16.12.2021, G 224/2021), schließt die Geltendmachung derartiger Amtshaftungsansprüche durch die Klägerin von vornherein aus. Ältere oberstgerichtliche Entscheidungen, die noch die Klagslegitimation von Anlegern bejahen, beruhen auf einer überholten Rechtslage und sind daher für den vorliegenden Fall irrelevant.</span></p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> b) Nationale Gesetzesbestimmungen, die dem Unionsrecht widersprechen, sind infolge des Anwendungs-vorrangs des Unionsrechts zwar nicht anzuwenden (vgl. RS0109951). Dem Berufungsgericht sind jedoch keine Normen des Unionsrechts bekannt, denen zu entnehmen wäre, dass der europäische Gesetzgeber eine zwingende Haftung der nationalen Aufsichtsbehörden oder der Mitgliedstaaten gegenüber geschädigten An- und Einlegern im Fall einer unzureichenden Finanzmarktaufsicht vorsehen wollte. Insbesondere ergibt sich eine solche Haftung weder aus der bereits außer Kraft getretenen Richtlinie 94/19/EG bzw. der seit 4.7.2015 an deren Stelle getretenen Richtlinie 2014/49/EU über Einlagensicherungssysteme, noch aus den Entscheidungen des EuGH in den Rechtssachen Paul (C-222/02) und Balgarska Narodna Banka (C-501/18).</span></p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> c) Auch dass ein Haftungsausschluss des Mitgliedstaates gegenüber Anlegern nur dann unionsrechtskonform wäre, wenn die Anleger im konkreten Fall auf Ansprüche aus der Einlagensicherung zurückgreifen könnten, lässt sich anhand dieser Rechtsquellen nicht verifizieren. Fraglich erscheint schon, ob die beiden genannten Richtlinien auf Fälle wie den vorliegenden anwendbar sind, beziehen sie sich doch auf Einlagen bei <span class="Unterstrichen">Kreditinstituten</span> im Rahmen von <span class="Unterstrichen">normalen Bankgeschäften</span> (so ausdrücklich Art 2 Abs 1 Z 3 der Richtlinie 2014/49/EU), während es sich bei der B* um eine Online-Pfandleihanstalt handelt und die Gewährung eines qualifizierten Nachrangdarlehens an ein Unternehmen (laut der „Information der FMA zu Nachrangdarlehen“ vom 6.8.2019, https://www.fma.gv.at/nachrangdarlehen) kein Bankgeschäft ist und keiner Einlagensicherung unterliegt.</span></p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> Doch selbst wenn eine Online-Pfandleihanstalt, die konzessionslos illegale Bankgeschäfte betreibt, auch als „Unternehmen, dessen Tätigkeit darin besteht, Einlagen oder andere rückzahlbare Gelder des Publikums entgegenzunehmen und Kredite für eigene Rechnung zu gewähren“ (Definition des Kreditinstituts in Art 4 Abs 1 Nr. 1 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013, auf die Art 2 Abs 1 Z 9 der Richtlinie 2014/49/EU verweist) anzusehen und der Begriff des „normalen Bankgeschäftes“ sehr weit auszulegen sein sollte, wäre für die Klägerin nichts gewonnen:</span></p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> Der EuGH hat nämlich durch die von der Berufung wie vom Erstgericht zitierte Entscheidung in der Rechtssache Paul<span class="Kursiv"> </span>(C-222/02) klargestellt, dass die Richtlinie 94/19/EG nur der Einrichtung und dem ordnungsgemäßen Funktionieren des Einlagensicherungssystems diente und den Anlegern keinen Anspruch darauf verlieh, dass die zuständigen Behörden in ihrem Interesse Aufsichtsmaßnahmen treffen (C-222/02 Rn 29, 30). Er beantwortete die ihm vorgelegte Frage nach der Zulässigkeit der Einschränkung der Haftung des deutschen Bundesaufsichtsamts dahingehend, dass wenn die in der genannten Richtlinie vorgesehene Entschädigung der Anleger gewährleistet war, die Richtlinie nicht dahin ausgelegt werden konnte, dass sie einer nationalen Vorschrift entgegenstehe, nach der die nationale Behörde zur Aufsicht über die Kreditinstitute ihre Aufgaben nur im öffentlichen Interesse wahrnimmt, was nach dem nationalen Recht ausschließt, dass der Einzelne Ersatz des Schadens verlangen kann, der durch eine unzureichende Aufsicht dieser Behörde entstanden ist (aaO Rn 32). Auch die Richtlinie 77/780/EWG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute, die Richtlinie 89/299/EWG über die Eigenmittel von Kreditinstituten sowie die Zweite Richtlinie 89/646/EWG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute und zur Änderung der Richtlinie 77/780/EWG stünden einer nationalen Vorschrift nicht entgegen, nach der die nationale Behörde zur Aufsicht über die Kreditinstitute ihre Aufgaben nur im öffentlichen Interesse wahrnimmt (aaO Rn 47). Eine Koordinierung der nationalen Vorschriften über die Haftung der nationalen Behörden gegenüber Einlegern im Fall einer unzureichenden Aufsicht sei nicht erforderlich (vgl Rn 43).</span></p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> Diese Rechtsansicht wurde vom EuGH in seiner Entscheidung in der Rechtssache Balgarska Narodna Banka (C-501/18) bestätigt (vgl. dort die Ausführungen zur Vorlagefrage 3b, insbesondere in Rn 57 ff). Die vom EuGH in diesem Zusammenhang gebrauchte Wendung: „<span class="Kursiv">wenn die in der Richtlinie 94/19 vorgesehene Entschädigung der Einleger gewährleistet ist</span>“ (C-222/02 Rn 32), auf die die Klägerin ihre These anscheinend zu stützen versucht, lehnt sich an die 24. Begründungserwägung der genannten Richtlinie an, welche lautet: „<span class="Kursiv">Die Mitgliedstaaten oder ihre zuständigen Behörden können aufgrund dieser Richtlinie den Einlegern gegenüber nicht haftbar gemacht werden, wenn sie für die Einrichtung bzw. die amtliche Anerkennung eines oder mehrerer Systeme Sorge getragen haben, die die Einlagen oder die Kreditinstitute selbst absichern und die Zahlung von Entschädigungen oder den Schutz der Einleger nach Maßgabe dieser Richtlinie gewährleisten.</span>“</span></p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> In diesem Sinne sah Art 3 Abs 1 jener Richtlinie vor: „<span class="Kursiv">Jeder Mitgliedstaat sorgt in seinem Hoheitsgebiet für die Errichtung und amtliche Anerkennung eines oder mehrerer Einlagensicherungssysteme. Außer in den im nachstehenden Unterabsatz sowie in Absatz 4 genannten Fällen </span>(die im vorliegenden Fall nicht relevant sind, Anm. des Berufungsgerichts) <span class="Kursiv">darf ein in dem Mitgliedstaat nach Art 3 der Richtlinie 77/780/EWG zugelassenes Kreditinstitut Einlagen nur annehmen, wenn es einem dieser Systeme angeschlossen ist.</span>“</span></p><p class="ErlText AlignJustify"> Die Verpflichtung der Mitgliedstaaten bestand also, wie auch der EuGH ausführte, bloß darin, in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet ein oder mehrere Einlagensicherungssysteme zu schaffen; der Beitritt zu diesen Systemen oblag dann den Kreditinstituten selbst. Dass dem einzelnen Anleger ein subjektives Recht auf Entschädigung in Höhe des Mindestsicherungsbetrages nicht bloß gegenüber dem Einlagensicherungssystem, sondern <span class="Unterstrichen">auch</span> <span class="Unterstrichen">gegenüber dem jeweiligen Mitgliedstaat</span> verliehen werden sollte, lässt sich aus diesen Regelungen gerade nicht ableiten. Vor diesem Hintergrund kann die Aussage des EuGH nur so verstanden werden, dass ein Mitgliedstaat, der ein richtlinienkonformes <span class="Unterstrichen">Einlagensicherungssystem geschaffen</span> hatte, nach der damaligen Rechtslage nicht für Anlegerschäden wegen unzureichender Aufsicht über die Kreditinstitute haften musste, und zwar auch dann nicht, wenn das Kreditinstitut - wie im Fall Paul<span class="Kursiv"> </span>und im<span class="Kursiv"> </span>vorliegenden Fall<span class="Kursiv"> -</span> dem vorhandenen Einlagensicherungssystem nicht beigetreten war.</p><p class="ErlText AlignJustify"> Diese Schlussfolgerungen können auch im Lichte der nunmehr geltenden Richtlinie 2014/49/EU aufrecht erhalten werden. Erwägungsgrund 45 dieser Richtlinie lautet ganz ähnlich wie in der Vorgängerrichtlinie: „<span class="Kursiv">Die Mitgliedstaaten oder ihre einschlägigen Behörden sollten aufgrund dieser Richtlinie den Einlegern gegenüber nicht haftbar gemacht werden, wenn sie für die Einrichtung bzw. die amtliche Anerkennung eines oder mehrerer Systeme Sorge getragen haben, die die Einlagen oder die Kreditinstitute selbst absichern und die Zahlung von Entschädigungen oder den Schutz der Einleger nach Maßgabe dieser Richtlinie gewährleisten.</span>“</p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> In diesem Sinne postuliert Art 1 Abs 1 der Richtlinie 2014/49/EU: „Diese Richtlinie regelt die Errichtung und die Funktionsweise von Einlagensicherungssystemen und legt die Verfahren dafür fest“; deren Art 4 ordnet – ähnlich Art 3 Abs 1 der Vorgängerrichtlinie - in Abs 1 an: „<span class="Kursiv">Jeder Mitgliedstaat sorgt in seinem Hoheitsgebiet für die Errichtung und amtliche Anerkennung eines oder mehrerer Einlagensicherungssysteme</span>“, und ergänzt in Abs 3: „<span class="Kursiv">Ein Kreditinstitut, das gemäß Artikel 8 der Richtlinie 2013/36/EU in einem Mitgliedstaat zugelassen ist, darf keine Einlagen entgegennehmen, wenn es nicht Mitglied eines Systems ist, das gemäß Absatz 1 dieses Artikels in seinem Herkunftsmitgliedstaat amtlich anerkannt ist.</span>“</span></p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> Nichts anderes ergibt sich auch aus der (älteren) Richtlinie 97/9/EG vom 3. März 1997, deren Erwägungsgrund 24 – ähnlich wie in den beiden oben behandelten späteren Richtlinien – lautet: <span class="Kursiv">„Die Mitgliedstaaten oder ihre zuständigen Behörden können aufgrund dieser Richtlinie Anlegern gegenüber nicht haftbar gemacht werden, wenn sie für die Einrichtung bzw. die amtliche Anerkennung eines oder mehrerer Systeme Sorge getragen haben, die die Zahlung von Entschädigungen oder den Schutz der Anleger nach Maßgabe dieser Richtlinie gewährleisten.“ </span>Auch hier hat nach Art 2 Abs 1 jeder Mitgliedstaat dafür zu sorgen, „<span class="Kursiv">dass in seinem Hoheitsgebiet mindestens ein System für die Entschädigung der Anleger eingerichtet und amtlich anerkannt wird. Außer in den im nachstehenden Unterabsatz sowie in Artikel 5 Absatz 3 genannten Fällen </span>(die für den vorliegenden Fall nicht relevant sind, Anm. des Berufungsgerichts) <span class="Kursiv">darf eine in dem Mitgliedstaat zugelassene Wertpapierfirma Wertpapiergeschäfte nur tätigen, wenn sie einem solchen System angeschlossen ist.</span>“ Der Regelungsinhalt dieser Richtlinie unterscheidet sich von den beiden anderen im Wesentlichen nur dadurch, dass sie nicht Kreditinstitute, sondern Wertpapierfirmen betrifft.</span></p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> Gleichgültig, ob die B* als Kreditinstitut oder Wertpapierfirma oder beides anzusehen wäre, entspricht die geltende Rechtslage in den hier wesentlichen Punkten somit jener, die der EuGH in der Rechtssache Paul<span class="Kursiv"> </span>zu beurteilen hatte, sodass dessen damalige Beurteilung auf den vorliegenden Fall übertragen werden kann<span class="Kursiv">. </span>Da aber die beklagte Partei mit der Schaffung des Bundesgesetzes über die Einlagensicherung und Anlegerentschädigung bei Kreditinstituten (Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz – ESAEG, BGBl. I Nr. 117/2015) ihrer Verpflichtung nach Art 4 Abs 1 der Richtlinie 2014/49/EU entsprochen hat, widerspricht der Haftungsausschluss gegenüber Anlegern nach § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG nicht dem Unionsrecht, und zwar auch dann nicht, wenn das betroffene Unternehmen entgegen seiner Verpflichtung nach Art 4 Abs 3 der Richtlinie 2014/49/EU, Art 2 Abs 1 der Richtlinie 97/9/EG bzw. § 8 ESAEG keinem Einlagensicherungssystem beigetreten ist. </span></p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> d) Mangels entgegenstehender Normen des Unionsrechts bleibt § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG daher anwendbar und schließt eine Amtshaftung der beklagten Partei für allfällige von der FMA verursachte Schäden der Klägerin aus.</span></p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> e) Soweit die Berufung bloß ausführt, „aus dem vorgebrachten Sachverhalt“ ergebe sich, „dass die FMA der B* mehrmals falsche Auskünfte erteilt“ habe, legt sie überhaupt nicht dar, weshalb die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts unrichtig sein soll, und ist daher nicht gesetzmäßig ausgeführt (vgl RS0043603 [T1, T4, T6]).</span></p><p class="Abstand AlignJustify"></p><p class="ErlText AlignJustify"> 4. Haftung für die Gewerbebehörde:</p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> a) Die Klägerin hat vorgebracht, dass die B* schon vor der Anmeldung ihres Gewerbes, nämlich ab 2012, tätig geworden sei und verschiedene näher aufgezählte Tätigkeiten - darunter Vermögensberatung – ausgeübt habe, die von ihrer Gewerbeberechtigung als Pfandleiherin nicht gedeckt gewesen seien. Die Gewerbebehörde „hätte erkennen müssen“, dass die B* die Wohlverhaltensregeln des WAG 2018 nicht einhielt und entgegen § 136a Abs 12 GewO keine (für Vermögensberater vorgeschriebene, <span class="Kursiv">Anm. des Berufungsgerichts</span>) Vermögensschadenhaftpflichtversicherung abgeschlossen habe. Der Gewerbebehörde sei aufgrund der von C* vorgelegten Dokumente bekannt gewesen, dass dieser deutscher Staatsbürger sei, weshalb sie eine deutsche Strafbescheinigung verlangen hätte müssen: daraus hätte sich ergeben, dass er in Deutschland bereits im Jahr 2010 wegen Vorenthaltens von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung in 14 Fällen und wegen Insolvenzverschleppung verurteilt worden sei, sodass (nach § 13 Abs 7 GewO,<span class="Kursiv"> Anm. des Berufungsgerichts</span>) die Gewerbeberechtigung nicht hätte ausgestellt werden dürfen. Hätte die Gewerbebehörde die B* regelmäßig kontrolliert, wäre ihr überdies aufgefallen, dass diese sich über gewerberechtliche Vorschriften hinweggesetzt habe. Sie hätte dann Zwangs- und Sicherungsmaßnahmen verfügen müssen, sodass die B* keine gewerbliche Tätigkeit ausüben und die Klägerin niemals investieren hätte können.</span></p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> b) Bei einem qualifizierten Nachrangdarlehen handelt es sich um eine Anlageform sui generis (4 Ob 110/17f), die – wie bereits erwähnt (oben 3.c) - keiner Konzessionspflicht und keiner Einlagensicherung unterliegt, wohl aber einer - nach dem Gesamtgegenwert der Emission abgestuften - Prospektpflicht gemäß KMG bzw. AltFG (4 Ob 47/16i). Das WAG und die darin festgelegten Wohlverhaltensregeln für Anlageberater (§§ 55 ff) sind nicht anwendbar. Verstöße gegen die Prospektpflicht sind gemäß § 10 KMG von der FMA zu ahnden; betrügerische Machenschaften unterliegen der strafrechtlichen Verfolgung. Eine Zuständigkeit der Gewerbebehörde zur Verhinderung von Anlagebetrug im Zusammenhang mit qualifizierten Nachrangdarlehen besteht nicht.</span></p><p class="ErlText AlignJustify"> c) Soweit die Klägerin der Gewerbebehörde vorwirft, nicht gegen jene Aktivitäten der B* eingeschritten zu sein, die <span class="Unterstrichen">vor</span> der Anmeldung ihres Gewerbes bzw. über ihre Gewerbeberechtigung hinaus gesetzt wurden, erschließt sich schon der Kausalzusammenhang mit dem behaupteten Schaden nicht. Die Klägerin hat nach ihrem Vorbringen erst im Jahr 2017 – somit lange nach der Anmeldung des Gewerbes der Pfandleihe im Jahr 2015 – investiert, sodass selbst eine Untersagung des Betriebs in der Zeit von 2012 bis 2015 ihren Schaden nicht verhindern hätte können. Welche gewerbliche Tätigkeiten die B* tatsächlich ausübte, kann ebenfalls keine Rolle spielen, weil der Schaden nicht durch eine bestimmte Tätigkeit, sondern durch die – jedem Unternehmen grundsätzlich offenstehende – Aufnahme eines qualifizierten Nachrangdarlehens verursacht wurde.</p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> d) Das Klagsvorbringen geht offenbar implizit davon aus, dass eine von der B* gemäß § 136a Abs 12 GewO abgeschlossene Vermögensschadenhaftpflichtversicherung den durch Betrug verursachten Schaden der Klägerin abgedeckt hätte. Allerdings wurde nicht vorgebracht, aufgrund welcher konkreten, ihr zur Kenntnis gelangten Umstände die Gewerbebehörde überhaupt darauf hätte schließen müssen, dass die B* als Vermögensberaterin tätig sei, und deshalb das Bestehen der dafür vorgeschriebenen Haftpflichtversicherung kontrollieren hätte sollen. Da somit ein allfälliges Verschulden der Organe der Gewerbebehörde aufgrund des bisherigen Vorbringens nicht beurteilt werden kann, ist das Klagsvorbringen auch insoweit unschlüssig.</span></p><p class="ErlText AlignJustify"> Diese Unschlüssigkeit ist zwar, anders als bei den zuvor behandelten Punkten, auf bloße Unvollständigkeit des Tatsachenvorbringens zurückzuführen und somit grundsätzlich behebbar. Entgegen der pauschalen Ansicht des Erstgerichts wäre in diesem Punkt nach einer Schlüssigstellung durch ergänzendes Tatsachenvorbringen auch der Rechtswidrigkeitszusammenhang gegeben. Es ist nämlich davon auszugehen, dass gesetzliche Bestimmungen, die den Abschluss einer Haftpflichtversicherung für bestimmte Tätigkeiten vorschreiben, auch und gerade den Schutz jener Personen bezwecken, die durch diese Tätigkeiten geschädigt werden könnten und deren Schäden durch eine solche Versicherung gedeckt wären.</p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> Allerdings hat die beklagte Partei schon in ihrem Einspruch (S 3, 31 in ON 3) auf diese Unschlüssigkeit hingewiesen, ohne dass dies die Klägerin zum Anlass genommen hätte, ihr Tatsachenvorbringen zu ergänzen. Damit kann die Ansicht des Berufungsgerichts, dass die Klage in diesem Punkt zwar nicht wegen des fehlenden Rechtswidrigkeitszusammenhangs, wohl aber wegen fehlender Behauptungen zum Verschulden der Organe der Gewerbebehörde unschlüssig ist, die Klägerin nicht mehr überraschen; eine Erörterung im Sinne des § 182a ZPO kann daher entfallen. § 182a ZPO hat nämlich nichts daran geändert, dass es keiner richterlichen Anleitung zu einem Vorbringen bedarf, gegen das der Prozessgegner bereits Einwendungen erhoben hat. Angesichts solcher Einwendungen hat die andere Partei ihren Prozessstandpunkt selbst zu überprüfen und die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen. Auch die Pflicht nach § 182a ZPO kann nicht bezwecken, das Gericht zur Erörterung eines Vorbringens zu zwingen, dessen Schwächen bereits der Prozessgegner aufzeigte (RS0037300 [T41]).</span></p><p class="ErlText AlignJustify"> e) Zur Vorstrafe des C*, die der Erteilung einer Gewerbeberechtigung entgegen gestanden sein soll, hat das Berufungsgericht erwogen:</p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> Gemäß § 13 Abs 1 GewO sind natürliche Personen von der Ausübung eines Gewerbes ausgeschlossen, wenn sie entweder</span></p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> - wegen betrügerischen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen und Zuschlägen nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (§ 153d StGB), organisierter Schwarzarbeit (§ 153e StGB), betrügerischer Krida, Schädigung fremder Gläubiger, Begünstigung eines Gläubigers oder grob fahrlässiger Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (§§ 156 bis 159 StGB) zu (irgend) einer Strafe, oder</span></p><p class="ErlText AlignJustify"> - wegen einer sonstigen strafbaren Handlung zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen</p><p class="ErlText AlignJustify"> von einem Gericht verurteilt worden sind und die Verurteilung nicht getilgt ist. Diese Bestimmungen gelten auch, wenn mit den angeführten Ausschlussgründen vergleichbare Tatbestände im Ausland verwirklicht wurden.</p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> Andere Rechtsträger als natürliche Personen sind gemäß § 13 Abs 7 GewO von der Ausübung des Gewerbes ausgeschlossen, wenn eine natürliche Person, der ein maßgebender Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte des betreffenden Rechtsträgers zusteht, gemäß (u.a.) Abs 1 von der Gewerbeausübung ausgeschlossen ist. Abs 1 letzter Satz (betreffend Vorstrafen im Ausland) gilt sinngemäß.</span></p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> Der Ausschluss von der Ausübung eines Gewerbes gilt gemäß § 13 Abs 1 Z 2 GewO allerdings nur bei solchen Verurteilungen, die <span class="Unterstrichen">noch nicht getilgt</span> sind. Gemäß § 7 Abs 1 Tilgungsgesetz stehen ausländische Verurteilungen tilgungsrechtlich inländischen Verurteilungen gleich, wenn sie den Rechtsbrecher wegen einer Tat schuldig sprechen, die auch nach österreichischem Recht gerichtlich strafbar ist und in einem den Grundätzen des Art 6 EMRK entsprechenden Verfahren ergangen sind. Gemäß § 7 Abs 2 Tilgungsgesetz beginnt die Tilgungsfrist ausländischer Verurteilungen mit dem Tag, der sich ergibt, wenn man dem Tag ihrer Rechtskraft die Dauer der mit ihr ausgesprochenen Freiheits- oder Ersatzfreiheitsstrafe oder der Summe dieser Strafen hinzurechnet; wenn keine Freiheits- oder Ersatzfreiheitsstrafe verhängt wurde, jedoch mit Rechtskraft der Verurteilung. Nach § 3 Abs 1 Z 2 Tilgungsgesetz beträgt die Tilgungsfrist bei Vorliegen einer einzigen Verurteilung fünf Jahre, wenn nur zu einer Geldstrafe verurteilt wurde.</span></p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> Die Klägerin behauptet, dass der Gewerbebehörde die deutsche Staatsbürgerschaft des C* bekannt gewesen sei und sie dennoch nur eine schweizerische Strafregisterbescheinigung eingeholt habe. Es mag nun sein, dass eine solche Unterlassung eines gebotenen Ermittlungsschrittes im Hinblick auf § 13 GewO rechtswidrig und schuldhaft im Sinne von unvertretbar wäre. Ein dadurch allenfalls verursachter Schaden stünde auch durchaus im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit der verletzten Norm: § 13 Abs 1 GewO ist nämlich, wie der Oberste Gerichtshof schon (zu einer früheren Fassung) ausgesprochen hat, eine wettbewerbsregelnde Vorschrift, die sowohl dem Schutz der (künftigen) Geschäftspartner und Gläubiger als auch der ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommenden und seriös kalkulierenden Mitbewerber dient (4 Ob 350/87). Die nicht näher begründete Ansicht des Erstgerichts und der beklagten Partei, die gewerberechtlichen Vorschriften würden nicht auch die wirtschaftlichen Interessen eines Geldgebers des Gewerbetreibenden schützen, wird daher vom Berufungsgericht nicht geteilt.</span></p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> Allerdings stellt sich die Frage, ob die der Gewerbebehörde hier vorgeworfene Unterlassung nach dem Klagsvorbringen überhaupt für den bei der Klägerin eingetretenen Schaden kausal gewesen sein kann. Schon ob sich die B* durch den Ausschluss von der Gewerbeausübung wegen der Vorstrafe ihres Geschäftsführers überhaupt davon hätte abhalten lassen, qualifizierte Nachrangdarlehen wie jenes der Klägerin aufzunehmen, muss bezweifelt werden, bringt doch die Klägerin selbst vor, dass die B* auch schon vor ihrer Gewerbeanmeldung und über ihre Gewerbeberechtigung hinaus geschäftlich tätig war. Vor allem aber ergeben sich aus dem Klagsvorbringen Anhaltspunkte dafür, dass die Verurteilung des C* im Zeitpunkt der Prüfung durch die Gewerbebehörde ohnehin bereits getilgt gewesen sein könnte, sodass auch die rechtskonforme Einholung einer Strafregisterauskunft aus Deutschland nicht zur Untersagung der Gewerbeausübung und damit allenfalls zur Verhinderung des Schadens führen hätte können. Nach dem Klagsvorbringen erfolgte die Verurteilung nämlich im Jahr 2010 und die Gewerbeanmeldung im Jahr 2015. Wäre also in Deutschland nur eine einzige Geldstrafe verhängt worden, könnte die fünfjährige Tilgungsfrist nach § 3 Abs 1 Z 2 TilgG zum Zeitpunkt der Gewerbeanmeldung bereits abgelaufen gewesen sein.</span></p><p class="ErlText AlignJustify"> Näheres dazu ergibt sich aus den von der Klägerin vorgelegten und vom Erstgericht zum Akt genommenen Urkunden Beilage ./A und ./B, deren Echtheit und Richtigkeit nicht bestritten wurde und die daher der rechtlichen Beurteilung ohne Weiteres zugrunde gelegt werden können (RS0121557):</p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> Laut dem europäischen Strafregisterauszug Beilage./A wurde C* in Deutschland am 17.5.2010 wegen §§ 53, 266a Abs 1 dStGB, § 15a Abs 4 InsO zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt. Die Verurteilung erwuchs am 9.6.2010 in Rechtskraft. Somit betrug die Tilgungsfrist 5 Jahre und endete am 9.6.2015. Laut dem Auszug aus dem Gewerbeinformationssystem Austria (GISA) Beilage./B ist die Gewerbeberechtigung der B* erst am 24.6.2015 entstanden. Zu diesem Zeitpunkt war die Verurteilung des Geschäftsführers bereits getilgt und stand der Ausstellung einer Gewerbeberechtigung gemäß § 13 Abs 7 iVm Abs 1 GewO nicht mehr entgegen.</span></p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> Aufgrund dieser – vom Erstgericht aufgenommenen, wenn auch nicht verwerteten – Beweise muss davon ausgegangen werden, dass die Einholung einer deutschen Strafregisterbescheinigung durch die Gewerbebehörde lediglich eine Verurteilung zutage gefördert hätte, die im Zeitpunkt des Entstehens der Gewerbeberechtigung (das ist bei Pfandleihern gemäß § 155 Abs 2 GewO der Zeitpunkt der Genehmigung der vom Bewerber vorzulegenden Geschäftsordnung) bereits getilgt war und daher keine Untersagung der Gewerbeausübung mehr gerechtfertigt hätte. Auch die Unterlassung der Einholung der Strafregisterbescheinigung kann daher den Schaden der Klägerin nicht verursacht haben, sodass die Unschlüssigkeit des Klagsvorbringens auch in diesem Punkt unbehebbar ist.</span></p><p class="Abstand AlignJustify"></p><p class="ErlText AlignJustify"> 5. Zusammenfassung und Ergebnis:</p><p class="ErlText AlignJustify"> Das Erstgericht hat die Klage wegen Unschlüssigkeit im eigentlichen Sinn abgewiesen. Ein solches Urteil beruht nur auf einer rechtlichen Beurteilung des Klagsvorbringens und bedarf keines Beweisverfahrens und keiner Sachverhaltsfeststellungen.</p><p class="ErlText AlignJustify"> Ein Amtshaftungsanspruch der Klägerin wegen Fehlern der FMA ist schon aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen. Auch auf die behaupteten Fehler der WKStA kann die Klägerin ihren Anspruch nicht stützen, weil diese Fehler erst nach Entstehung des Schadens begangen worden sein sollen und diesen Schaden daher unmöglich verursacht haben können.</p><p class="ErlText AlignJustify"> Schließlich kann der Anspruch auch nicht aus den behaupteten Fehlern der Gewerbebehörde abgeleitet werden, selbst wenn – entgegen der Ansicht des Erstgerichts - der Rechtswidrigkeitszusammenhang gegeben wäre. Zur Verhinderung von Anlagebetrug ist die Gewerbebehörde nicht zuständig. Eine Untersagung der Gewerbeausübung vor 2015 hätte den erst 2017 eingetretenen Schaden ebenso wenig verhindert wie das Unterbleiben von Aktivitäten der B*, die nicht durch ihre Gewerbeberechtigung gedeckt waren. Woraus die Gewerbebehörde hätte schließen sollen, dass die B* eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung für Vermögensberater braucht, hat die Klägerin trotz Einwandes der beklagten Partei nicht dargelegt. Die Unterlassung der Einholung einer Strafregisterbescheinigung aus Deutschland kann für den Schaden nicht ursächlich gewesen sein, weil die einer Gewerbeberechtigung allenfalls entgegenstehende Vorstrafe des Geschäftsführers der B* im Zeitpunkt der Entstehung der Gewerbeberechtigung bereits getilgt und daher nicht mehr zu berücksichtigen war.</p><p class="ErlText AlignJustify"> Die Abweisung der Klage in erster Instanz wegen Unschlüssigkeit erweist sich somit als im Ergebnis berechtigt. Das angefochtene Urteil ist daher zu bestätigen.</p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.</span></p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> Der Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision beruht auf § 502 Abs 2 ZPO. Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt nicht EUR 5.000,--.</span></p><p class="Abstand AlignJustify"></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240923_OGH0002_0070OB00113_24D0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-16 | 2024-10-16 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240923_OGH0002_0070OB00113_24D0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240923_OGH0002_0070OB00113_24D0000_000/JJT_20240923_OGH0002_0070OB00113_24D0000_000.html | 7Ob113/24d | ECLI:AT:OGH0002:2024:0070OB00113.24D.0923.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D* GmbH & Co KG, *, vertreten durch Dr. Günther Klepp, Dr. Peter Nöbauer, Mag. Franz Hintringer, Mag. Rupert Primetshofer, Mag. Markus Klepp LL.M. (LSE), Mag. Matthias Petzwinkler, Mag. Isabella Wiesberger LL.M., Mag. Sarina Baldinger, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei G* AG, *, vertreten durch MUSEY rechtsanwalt gmbh in Salzburg, wegen 116.554,21 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 23. April 2024, GZ 2 R 43/24t-38, mit dem das Urteil des Landesgerichts Linz vom 31. Jänner 2024, GZ 31 Cg 8/23x-34, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="Abstand AlignLeft"></p><p class="ErlText AlignLeft">Der Revision wird<span class="Kursiv"> </span>Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts – einschließlich der Kostenentscheidung – wiederhergestellt wird.</p><p class="ErlText AlignLeft">Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 12.923,36 EUR bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten 6.104 EUR Barauslagen und 1.136,56 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Entscheidungsgründe:</p><p class="ErlText AlignLeft"> [1] Die Klägerin betreibt einen Getreidemühlen-Betrieb. Sie hat bei der Beklagten einen aufrechten Feuerversicherungsvertrag. Die maßgeblichen Bestimmungen der darauf anwendbaren Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Feuerversicherung (AFB 2002/Stufe 2) lauten auszugsweise:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">„</span><span class="Fett"><span class="Kursiv">Artikel 1</span></span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett"><span class="Kursiv">Versicherte Gefahren und Schäden</span></span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">1. Versicherte Gefahren</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">1.1. Brand: Brand ist ein Feuer, das sich mit schädigender Wirkung und aus Kraft ausbreitet (Schadenfeuer). [...]“</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [2] Im Zeitraum vom 24. 12. 2021 bis 9. 1. 2022 wurde im Unternehmen der Klägerin aufgrund eines Betriebsurlaubs ein Ölradiator aufgestellt, um Frostschäden während dieser Zeit zu verhindern. Dieser Ölradiator wurde zu diesem Zweck bereits mehr als zehn Jahre lang verwendet, ohne dass es einmal Probleme gegeben hätte. Während dieses Zeitraums befand sich der Ölradiator nicht im Dauerbetrieb, sondern wurde ausschließlich – wie auch am Nachmittag vor dem Schadenereignis – in Betrieb genommen, wenn die Gefahr von Frostschäden bestand. Am 3. 1. 2022 kam es im Unternehmen der Klägerin zu einem nicht bestimmungsgemäßen unkontrollierten Brennen der Bestandteile (brennbare Kunststoffteile und Kunststoffe der elektrischen Bauteile) des Ölradiators. Die Bestandteile des Ölradiators wurden zu einem Großteil thermisch umgesetzt. Die Brandausbruchsstelle befand sich im Ölradiator, wobei der Brand auf einen elektrischen Kurzschluss an den Bauteilen des Ölradiators, konkret im Bereich des Schnellheizers, zurückzuführen ist. Aufgrund der Platzierung des Ölradiators in ausreichender Entfernung von brennbaren Stoffen und auf nicht brennbarem Untergrund blieb der Brand auf den Ölradiator begrenzt. Die abtropfenden Kunststoffteile wären jedoch in der Lage gewesen, in der Nähe gelagerte brennbare Stoffe in Brand zu setzen.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [3] Die <span class="Fett">Klägerin</span> begehrt den Klagsbetrag von der Beklagten zur Deckung der bei diesem Ereignis eingetretenen Schäden.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [4] Die <span class="Fett">Beklagte</span> bestreitet das Vorliegen eines „Brandes“ im Sinne der Versicherungsbedingungen.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [5] Das<span class="Fett"> Erstgericht</span> gab dem Klagebegehren statt. Das Brandereignis am 3. 1. 2022 sei als Schadenfeuer zu qualifizieren, weil die Fähigkeit zum zündenden Weitergreifen auf andere Stoffe jedenfalls gegeben gewesen sei.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [6] Das <span class="Fett">Berufungsgericht </span>änderte diese Entscheidung in eine klagsabweisende ab, weil die hier vereinbarten AFB 2002 bei der Definition eines „Brandes” auf die tatsächliche Ausbreitung und nicht wie die bisher in der Rechtsprechung behandelten Klauseln auf die selbständige Ausbreitungsfähigkeit des Feuers abstellen würden. Es ließ die ordentliche Revision zu, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zu Versicherungsbedingungen fehle, die nunmehr auf eine „Ausbreitung“ und nicht mehr auf die „selbstständige Ausbreitungsfähigkeit“ eines Feuers abstellen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [7] Dagegen richtet sich die<span class="Fett"> Revision</span> der Klägerin mit dem Antrag auf Abänderung in eine Klagsstattgebung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [8] Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"> [9] Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist auch berechtigt.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [10] 1. Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB) sind nach den Grundsätzen der Vertragsauslegung (§§ 914 f ABGB) auszulegen, und zwar orientiert am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers und stets unter Berücksichtigung des erkennbaren Zwecks einer Bestimmung (RS0050063 [T71]; RS0112256 [T10]; RS0017960). Die Klauseln sind, wenn sie nicht Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen; dabei ist der einem objektiven Betrachter erkennbare Zweck einer Bestimmung zu berücksichtigen (RS0008901 [insb T5, T7, T87]). Unklarheiten gehen zu Lasten der Partei, von der die Formulare stammen, das heißt im Regelfall zu Lasten des Versicherers (RS0050063 [T3]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [11] 2.1. Der Oberste Gerichtshof hatte bislang Versicherungsbedingungen für die Feuerversicherung zu beurteilen, die als „Brand“ ein Feuer definierten, das ohne einen bestimmungsmäßigen Herd entsteht oder ihn verlässt und sich aus eigener Kraft auszubreiten vermag (7 Ob 55/04w; 7 Ob 274/03z zu den AFB 1984).</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [12] 2.2. Ein Brand setzt nach dieser Bedingungslage ein Feuer voraus. Als Feuer wird jeder Verbrennungsvorgang mit Lichterscheinung verstanden, wobei die Lichterscheinung in Flammen, Funken oder in einem Glimmen bestehen kann, solange die Bedingungen – wie hier – keine Flammenbildung vorsehen (vgl 7 Ob 28/19x mwN). Diese Voraussetzung ist hier unzweifelhaft erfüllt.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [13] 2.3. Die in den bisherigen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs beurteilte Bedingungslage setzte überdies voraus, dass es sich um ein Feuer handelt, das ohne bestimmungsgemäßen Herd entstanden sein oder ihn verlassen haben muss. Das betrifft die Abgrenzung des Schadenfeuers vom Nutzfeuer und ist in der aktuellen Bedingungslage nicht mehr ausdrücklich angeführt, weshalb darauf hier nicht näher einzugehen ist.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [14] 2.4. Ein weiteres Kriterium für das Vorliegen eines „Brandes“ ist die Abgrenzung zum Bagatellfeuer, die in den bisher beurteilten Bedingungen mit der Wortfolge „<span class="Kursiv">[…] dass sich das Feuer aus eigener Kraft auszubreiten vermag</span>“ vorgenommen wurde. Dazu hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen: Selbständige Ausbreitungsfähigkeit des Feuers setzt voraus, dass es im konkreten Fall – wenn auch nur unter den dann vorliegenden besonderen atmosphärischen Bedingungen – die Fähigkeit zum zündenden Weitergreifen auf andere Stoffe aufweist. Das Feuer muss daher die von ihm für eine wenigstens geringfügige, über seine Ausgangsstelle hinausgehende Ausdehnung im Raum benötigte Energie als Reaktionsenergie selbst ausreichend bereitstellen (7 Ob 28/19x mwN).</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [15] 2.5. Auch in Deutschland wird dieser versicherungsrechtliche Brandbegriff verwendet und zur Ausbreitungsfähigkeit darauf abgestellt, dass das Feuer in der Lage war, sich aus eigener Kraft weiter auszubreiten, nicht aber, dass es sich bereits ausgebreitet hat (vgl etwa <span class="Kursiv">Klimke </span>in <span class="Kursiv">Reusch/Schimikowski/Wandt</span>, Sachversicherung<span class="Hoch">4</span> [2022] § 3 Rz 33; <span class="Kursiv">Spielmann</span> in <span class="Kursiv">Langheid/Wandt</span>, MüKo VVG III<span class="Hoch">2 </span>Kap 200 Rz 13).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [16] 2.6. Die selbständige Ausbreitungsfähigkeit wurde in der bisherigen Rechtsprechung etwa bejaht, wenn das unkontrollierbare Ausbreiten der Glut eines unmittelbar beim Schweißen aufgetretenen Glimmbrands inmitten einer 10 cm dicken Sägemehlschicht nur durch Einsatz eines Feuerlöschers eingedämmt werden konnte und sich der Glimmbrand nach der Lebenserfahrung jederzeit erneut unkontrolliert auszubreiten vermag (7 Ob 184/98d), oder, wenn Flammen aus einem ausschließlich nach dem Prinzip der Lufterhitzung und nicht der Feuerung durch Flammung funktionierenden stromgesteuerten und ölbeheizten Backofen schlagen (7 Ob 274/03z).</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [17] 2.6.1. In der Entscheidung 7 Ob 55/04w wurde betont, die Ausbreitungsfähigkeit setze voraus, dass sich das Feuer aus eigener Kraft über den Ort der ersten Entstehung hinaus auszubreiten vermöge. Gegenständlich war dort ein Vorfall in einem Backofen, der zu einem Wärmestau samt örtlicher Überhitzung mit Glosen und Schwelen sowie Schmelzen von Dämmmaterial im Inneren des Ofens geführt hatte. Dieser Vorgang ist in einem Teil des Backofens, nämlich im Temperaturregelgerät, entstanden und hatte sich in der Folge auf andere Teile des Backofens (das Dämmmaterial) ausgebreitet, allerdings den Ofen nie verlassen. Dieses Ereignis wurde vom Obersten Gerichtshof als „Brand“ im Sinne der dortigen Bedingungslage beurteilt (vgl auch diese Entscheidung zustimmend referierend: 7 Ob 67/04k).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [18] 2.6.2. Für eine Ausbreitung des Feuers ist damit lediglich erforderlich, dass es sich von dem Ort seiner <span class="Unterstrichen">ersten</span> Entstehung selbständig entfernt; eine geringfügige räumliche Ausdehnung reicht daher (vgl 7 Ob 28/19x; <span class="Kursiv">Saria</span> in <span class="Kursiv">Fenyves/Perner/Riedler</span>, VersVG § 82 Rz 9; <span class="Kursiv">Kath/Kronsteiner</span> ua, Praxishandbuch Versicherungsvertragsrecht I, Rz 1934; <span class="Kursiv">Gisch</span>, Brandbegriff in der Feuerversicherung, ZVers 2023, 42 f). Eine großflächige oder gar potentiell unbeschränkte weitere Ausbreitung des Feuers verlangt der Wortlaut der Definition nicht. Das ist nach dem erkennbaren Zweck der Regelung auch nicht geboten, weil es sich bei jeder drohenden Ausbreitung über den ersten Entstehungs- oder Ausbreitungsort hinaus potentiell nicht mehr nur um ein Bagatellfeuer handelt (vgl zur deutschen Bedingungslage <span class="Kursiv">Klimke </span>in <span class="Kursiv">Reusch/Schimikowski/Wandt</span>, Sachversicherung<span class="Hoch">4</span> [2022] § 3 Rz 38; <span class="Kursiv">Wälder</span> in <span class="Kursiv">Wälder/Hoenicke/Krahe</span>, Sach- und Betriebsunterbrechungsversicherung [2022] B Rz 51 mwN).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [19] 2.7. Hier liegt – unabhängig davon, ob sich im konkreten Fall das Feuer nicht ausgehend von den Kriterien der oben angeführten bisherigen Rechtsprechung ohnehin bereits innerhalb des Ölradiators vom Schnellheizer auf die anderen brennbaren Teile „ausgebreitet“ hat – unzweifelhaft ein ausbreitungsfähiges Feuer vor, weil nach den erstgerichtlichen Feststellungen die abtropfenden Kunststoffteile in der Lage gewesen wären, in der Nähe gelagerte brennbare Stoffe in Brand zu setzen.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [20] 2.8. Zu beurteilen bleibt damit, ob die nach früherer Bedingungslage unzweifelhaft ausreichende Ausbreitungsfähigkeit des Feuers (arg: „vermag“) auch nach aktueller Bedingungslage für die Beurteilung als „Brand“ im Sinn der Versicherungsbedingungen ausreicht. Das ist zu bejahen:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [21] 2.8.1. <span class="Kursiv">Kath </span>(Praxishandbuch Versicherungsvertragsrecht [2019] Rz 1931) führt zur neuen Bedingungslage aus, dass mit der Verkürzung der Definition verschiedene Schwierigkeiten, die sich in der Praxis aus dem Begriff „bestimmungsmäßiger Herd” ergeben hatten, vermieden werden, ohne dass mit der sprachlichen Neufassung inhaltliche Änderungen angestrebt worden seien. Zur Begriffsklärung könne somit im Wesentlichen auf die Lehre und Rechtsprechung zum Brandbegriff nach der früheren Fassung der AFB zurückgegriffen werden. Er stellt daher auch weiterhin auf die Ausbreitungsfähigkeit des Feuers ab (vgl <span class="Kursiv">Kath </span>aaO Rz<span class="Kursiv"> </span>1934).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [22] 2.8.2. Auch <span class="Kursiv">Gisch </span>(Brandbegriff in der Feuerversicherung, ZVers 2023, 42) geht für die hier vorliegenden AFB 2002, die den Brand als ein Feuer definieren, das sich mit schädigender Wirkung und aus eigener Kraft ausbreitet, vom weiterhin gültigen Kriterium der selbständigen Ausbreitungs<span class="Unterstrichen">fähigkeit</span> des Feuers aus. Durch dieses Kriterium werde die Feuerversicherung von einer Auseinandersetzung mit Bagatellfeuern freigehalten.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [23] 2.8.3. Für diese Auslegung lässt sich sprachlich ins Treffen führen, dass mit der Verwendung des Indikativs in der Wortfolge „<span class="Kursiv">ein Feuer, das sich mit schädigender Wirkung und aus Kraft </span><span class="Unterstrichen">ausbreitet</span><span class="Kursiv">“</span>, die in der neuen Bedingungslage das Schadenfeuer definiert, anders als dies zB mit der Wortfolge „ein Feuer, das sich ... ausgebreitet hat“ zum Ausdruck gebracht würde nicht zwingend eine tatsächlich erfolgte Ausbreitung, sondern eine grundsätzliche Eigenschaft des Feuers beschrieben wird.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [24] 2.9. Zusammenfassend lässt sich damit festhalten, dass auch nach der neuen Bedingungslage der AFB 2002 ein Schadenfeuer ein solches ist, das die Fähigkeit besitzt, sich selbständig auszubreiten. Das Vorliegen eines Brandes im Sinne dieser Versicherungsbedingungen ist nicht davon abhängig, ob sich das Feuer tatsächlich ausgebreitet hat oder die Ausbreitung – etwa durch rechtzeitige Löscharbeiten oder wie hier die Platzierung der Brandquelle entfernt von brennbarem Material – noch verhindert werden konnte.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [25] 3. Soweit die Beklagte in der Revisionsbeantwortung eine Gefahrenerhöhung ins Treffen führt, entfernt sie sich von den Feststellungen, wonach der Ölradiator gerade nicht im ununterbrochenen Betrieb war.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [26] 4. Der Revision war daher Folge zu geben und das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [27] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO.</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240923_OGH0002_0070OB00129_24G0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-18 | 2024-10-18 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240923_OGH0002_0070OB00129_24G0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240923_OGH0002_0070OB00129_24G0000_000/JJT_20240923_OGH0002_0070OB00129_24G0000_000.html | 7Ob129/24g | ECLI:AT:OGH0002:2024:0070OB00129.24G.0923.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M* S*, vertreten durch Gottgeisl Leinsmer Weber Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei N* Ltd, *, vertreten durch Mag. Simon Wallner Rechtsanwalt GmbH in Wien, wegen 38.544 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 31. Mai 2024, GZ 13 R 60/24z-25, den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.</span></p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"> [1] Die Klägerin stützte ihre Klage darauf, dass die Beklagte von ihrem Sitz in Malta aus über die von ihr betriebene Website Dienstleistungen im Bereich des Glücksspiels anbiete, obwohl sie über keine Konzession nach dem österreichischen Glücksspielrecht verfüge. Sie habe an von der Beklagten veranstalteten Online-Glücksspielen teilgenommen und im Zeitraum vom 17. 3. 2023 bis 4. 7. 2023 insgesamt 38.544 EUR verloren. Die Beklagte habe ihr diesen Verlust zu ersetzen.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [2] 1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [3] 2. Nach ständiger Rechtsprechung steht § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB einem (bereicherungsrechtlichen) Rückforderungsanspruch hinsichtlich der Spieleinsätze für ein (verbotenes) Online-Glücksspiel nicht entgegen, weil die entsprechenden Einsätze nicht gegeben werden, um das verbotene Spiel zu bewirken, sondern um am Spiel teilzunehmen. Damit ist § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB schon seinem Wortlaut nach nicht anwendbar. Darauf, ob der Spieler durch die Teilnahme am verbotenen Spiel (selbst) einen Verwaltungsstraftatbestand erfüllt (konkret § 52 Abs 5 GSpG) kommt es daher nicht an. Gegenteiliges kann auch aus der Entscheidung 5 Ob 506/96 nicht abgeleitet werden (2 Ob 221/22x; 1 Ob 171/22m; 1 Ob 25/23t ua, jeweils mwN).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [4] 3. Der Oberste Gerichtshof hat – im Einklang mit der Rechtsprechung der beiden anderen österreichischen Höchstgerichte – auf Basis der einschlägigen Judikatur des EuGH in mehreren aktuellen Entscheidungen neuerlich festgehalten, dass das österreichische System der Glücksspiel-Konzessionen einschließlich der Werbemaßnahmen der Konzessionäre im hier relevanten Zeitraum nach gesamthafter Würdigung aller tatsächlichen Auswirkungen auf den Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben entspricht und nicht gegen Unionsrecht verstößt (2 Ob 221/22x; 1 Ob 171/22m, jeweils mwN). Die Beurteilung des Berufungsgerichts entspricht dieser Rechtsprechung.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [5] 4. Zu den Voraussetzungen der unionsrechtlichen Zulässigkeit eines Glücksspielmonopols sowie der dadurch bewirkten Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit liegt bereits umfangreiche Rechtsprechung des EuGH vor (vgl die Hinweise in 5 Ob 30/21d). Entgegen der Darstellung der Revisionswerberin ergibt sich aus der Entscheidung des EuGH C-920/19, <span class="Kursiv">Fluctus</span>, kein Verbot für ein nationales Gericht, sich auf Vorentscheidungen „höherer“ (nationaler) Gerichte (hier auf in zahlreichen Parallelverfahren ergangene Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs) zu berufen. Vielmehr sprach der EuGH darin bloß aus, dass eine gegen Art 56 AEUV verstoßende Bestimmung des nationalen Rechts auch dann nicht angewendet werden dürfe, wenn ein „höheres“ nationales Gericht diese als mit dem Unionsrecht vereinbar ansah, dessen Erwägungen aber offensichtlich nicht dem Unionsrecht entsprachen (vgl insbesondere Rn 58 der genannten Entscheidung des EuGH). Dass und bei welcher nationalen Norm dies hier der Fall gewesen wäre, vermag die Revisionswerberin nicht aufzuzeigen. Der Senat sieht daher keinen Anlass, das von der Beklagten angeregte Vorabentscheidungsersuchen zu stellen (2 Ob 23/23f mwN).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [6] 5. Da somit Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu beurteilen sind, ist die außerordentliche Revision zurückzuweisen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [7] 6. Im Übrigen war das Verfahren nicht bis zur Entscheidung des EuGH über das Vorabentscheidungsersuchen des Prim’Awla tal-Qorti Ċivili (Malta) zu C-440/23 von Amts wegen zu unterbrechen, weil die dort zu klärenden unionsrechtlichen Fragen – soweit sie nicht ohnehin die spezifisch deutsche Situation betreffen – im Hinblick auf die Entscheidungen des EuGH C-390/12, C-79/17 und C-545/18 bereits geklärt erscheinen (vgl 7 Ob 204/23k; 7 Ob 202/23s; 7 Ob 199/23z; 7 Ob 203/23p; 4 Ob 219/23v; 9 Ob 72/23p; 8 Ob 31/24b).</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240923_OGH0002_0070OB00135_24I0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-16 | 2024-10-16 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240923_OGH0002_0070OB00135_24I0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240923_OGH0002_0070OB00135_24I0000_000/JJT_20240923_OGH0002_0070OB00135_24I0000_000.html | 7Ob135/24i | ECLI:AT:OGH0002:2024:0070OB00135.24I.0923.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F* S*, vertreten durch Dr. Oliver Peschel, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. D* N.V, *, 2. F* Ltd, *, vertreten durch Mag. Simon Wallner Rechtsanwalt GmbH in Wien, wegen 83.500,80 EUR sA, anlässlich der außerordentlichen Revision der erstbeklagten und über die außerordentliche Revision der zweitbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 14. Mai 2024, GZ 6 R 66/24d-22, den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">I. In Ansehung der erstbeklagten Partei wird der Akt dem Erstgericht zurückgestellt.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">II. Die außerordentliche Revision der zweitbeklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.</span></p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"> [1] Der Kläger stützte seine Klage darauf, dass die Beklagten über die von ihnen betriebene Website Dienstleistungen im Bereich des Glücksspiels anbieten, obwohl sie über keine Konzession nach dem österreichischen Glücksspielrecht verfügten. Er habe an von den Beklagten veranstalteten Online-Glücksspielen teilgenommen und im Zeitraum vom 23. 11. 2021 bis 5. 7. 2023 insgesamt 83.500,80 EUR verloren. Die Beklagten hätten ihm diesen Verlust zu ersetzen.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett">Zu I:</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [2] 1.1 Nach § 221 Abs 1 IO gilt für Insolvenzverfahren, die Voraussetzungen für ihre Eröffnung und ihre Wirkungen – soweit in den §§ 222 bis 235 IO nichts anderes bestimmt ist – das Recht des Staats, in dem das Verfahren eröffnet wird. Eine vergleichbare Regelung enthält auch Art 7 der EuInsVO. Ausgenommen sind die Wirkungen auf anhängige Rechtsstreitigkeiten gemäß § 231 IO (§ 221 Abs 2 Z 6 IO). Für die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf einen anhängigen Rechtsstreit über eine Sache oder ein Recht der Masse ist daher nach § 231 IO das Recht des Staats maßgebend, in dem der Rechtsstreit anhängig ist. Diese Bestimmung entspricht im Wesentlichen Art 18 EuInsVO. Unter Art 18 EuInsVO bzw § 231 IO fällt jedenfalls eine allfällige Unterbrechungswirkung und -dauer einschließlich der Regelung der Fortsetzung (8 Ob 21/22d mwN, 1 Ob 78/24p).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [3] 1.2 Die Wirkungen eines ausländischen Insolvenzverfahrens auf anhängige massebezogene Rechtsstreitigkeiten richten sich daher jedenfalls nach österreichischem Recht (1 Ob 78/24p mzwN).</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [4] 1.3 Nach § 7 Abs 1 IO werden durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens alle anhängigen Rechtsstreitigkeiten, in denen der Schuldner Kläger oder Beklagter ist, mit Ausnahme der in § 6 Abs 3 IO genannten Streitigkeiten unterbrochen. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und ihre Wirkungen sind auch im Rechtsmittelverfahren von Amts wegen zu berücksichtigen (RS0036752 [T12, T32]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [5] 1.4 Das Gericht kann über ein nach Eintritt der Unterbrechung des Verfahrens eingebrachtes Rechtsmittel, solange das Verfahren nicht wieder aufgenommen ist, nicht meritorisch entscheiden, sondern kann nur mit der Zurückweisung dieses Rechtsmittels beziehungsweise der erstatteten Rechtsmittelschriften vorgehen (RS0037023).</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [6] 2.1 Die Erstbeklagte führt im Rechtsmittel ohne Konkretisierung und ohne jeglichen Nachweis aus, dass mittlerweile über die Erstbeklagte ein Insolvenzverfahren eröffnet worden sei, für dessen Anerkennung § 240 Abs 1 IO maßgeblich sei. Die Frage des Eintritts der Unterbrechungswirkung und das Vorliegen eines wirksamen Rechtsmittels kann davon ausgehend nicht beurteilt werden.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [7] 2.2 Das Erstgericht wird daher ersucht – allenfalls durch entsprechende Aufträge an die Erstbeklagte – zu erheben, ob und wann das Insolvenzverfahren eröffnet wurde und ob die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Insolvenzeröffnung in Curaçao vorliegen, was bei Unanwendbakeit der EuInsVO nach § 240 IO zu beurteilen wäre.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett">Zu II:</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [8] 1.1<span class="Fett"> </span>Nach § 7 Abs 1 IO wirkt auf Streitgenossen des Schuldners die Unterbrechung nur dann, wenn sie mit dem Schuldner eine einheitliche Streitpartei bilden (§ 14 ZPO).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [9] 1.2 Die notwendige Streitgenossenschaft, deren Wesen darin besteht, dass der Klageanspruch nach der Natur des Rechtsverhältnisses oder nach ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung nur von allen an einem Rechtsverhältnis Beteiligten oder gegen sie erhoben werden kann, liegt im Zweifel nur vor und führt zur Klageabweisung, wenn wegen Nichterfassung aller Teilhaber die Gefahr unlösbarer Verwicklungen durch verschiedene Entscheidungen entsteht, was nach den Umständen des besonderen Falls zu beurteilen ist (RS0035479). Eine einheitliche Streitpartei (notwendige Streitgenossenschaft) ist also dann gegeben, wenn die Gemeinschaftlichkeit der rechtserzeugenden Tatsachen zwangsläufig zu einer Einheitlichkeit der Entscheidung führen muss und eine unterschiedliche Beurteilung für oder gegen die einzelnen Streitgenossen unmöglich ist (RS0035496 [T5]). Sie liegt daher dann nicht vor, wenn trotz Gemeinsamkeit des rechtserzeugenden Sachverhalts keine rechtliche Notwendigkeit zu einer in jedem Fall einheitlichen Entscheidung gegeben ist, abweichende Entscheidungen also nicht zu unlösbaren Verwicklungen führen (RS0035473). Die Frage, ob eine einheitliche Streitpartei vorliegt, ist immer nach der materiellen Beurteilung des Streitgegenstands zu beantworten (RS0035468).</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [10] 1.3 Der Kläger macht mit seiner Klage bereicherungsrechtliche Rückforderungsansprüche aus nichtigen Glücksspielverträgen mit den Beklagten (§ 1174 iVm § 1431 ABGB) geltend.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [11] 1.4 Mehrere Bereicherte, die bei Vertragsgültigkeit Solidarschuldner wären, haften nach Lehre und Rechtsprechung in der Regel anteilig nach Höhe ihrer Bereicherung. Solidarhaftung gegenüber Bereicherungsansprüchen kann ohne besondere Vereinbarung oder ohne gesetzliche Anordnung nur dann angenommen werden, wenn eine solche Haftung nach der Parteienabsicht oder nach der Verkehrssitte begründet ist (vgl RS0016343 [T6]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [12] 1.5 Die vom Kläger behauptete Solidarverpflichtung wird von den Beklagten nicht angezweifelt. Es entspricht aber ständiger Judikatur, dass eine Solidarverpflichtung, sei es aus einem Vertragsverhältnis oder aus dem Gesetz, grundsätzlich keine einheitliche Streitpartei schafft (RS0035606).</p><p class="ErlText AlignLeft"> [13] 1.6 Die allfällige Eröffnung der Insolvenz über das Vermögen der Erstbeklagten hindert demnach den Fortgang des Verfahrens gegenüber der Zweitbeklagten nicht.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [14] 2. Nach ständiger Rechtsprechung steht § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB einem (bereicherungsrechtlichen) Rückforderungsanspruch hinsichtlich der Spieleinsätze für ein (verbotenes) Online-Glücksspiel nicht entgegen, weil die entsprechenden Einsätze nicht gegeben werden, um das verbotene Spiel zu bewirken, sondern um am Spiel teilzunehmen. Damit ist diese Bestimmung schon ihrem Wortlaut nach nicht anwendbar. Darauf, ob der Spieler durch die Teilnahme am verbotenen Spiel (selbst) einen Verwaltungsstraftatbestand erfüllt, konkret gegen § 52 Abs 5 GSpG verstoßen hat, kommt es daher nicht an. Gegenteiliges kann entgegen der Annahme der Zweitbeklagten in ihrem Rechtsmittel auch den Entscheidungen 5 Ob 506/96 und 10 Ob 2429/96w nicht entnommen werden (zuletzt etwa 1 Ob 1/24i mwN).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [15] 3. Der Oberste Gerichtshof hat – im Einklang mit der Rechtsprechung der beiden anderen österreichischen Höchstgerichte – auf Basis der einschlägigen Judikatur des EuGH in mehreren aktuellen Entscheidungen neuerlich festgehalten, dass das österreichische System der Glücksspiel-Konzessionen einschließlich der Werbemaßnahmen der Konzessionäre im hier relevanten Zeitraum nach gesamthafter Würdigung aller tatsächlichen Auswirkungen auf den Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben entspricht und nicht gegen Unionsrecht verstößt (vgl nur 1 Ob 95/23m; 1 Ob 111/23i je mwN). Die Beurteilung des Berufungsgerichts entspricht dieser Rechtsprechung.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [16] 4. Zu den Voraussetzungen der unionsrechtlichen Zulässigkeit eines Glücksspielmonopols sowie der dadurch bewirkten Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit liegt bereits umfangreiche Rechtsprechung des EuGH vor (vgl die Hinweise in 5 Ob 30/21d). Entgegen der Darstellung der Revisionswerberin ergibt sich aus der Entscheidung des EuGH, C-920/19, <span class="Kursiv">Fluctus</span>, kein Verbot für ein nationales Gericht, sich auf Vorentscheidungen „höherer“ (nationaler) Gerichte (hier auf in zahlreichen Parallelverfahren ergangene Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs) zu berufen. Vielmehr sprach der EuGH darin bloß aus, dass eine gegen Art 56 AEUV verstoßende Bestimmung des nationalen Rechts auch dann nicht angewendet werden dürfe, wenn ein „höheres“ nationales Gericht diese als mit dem Unionsrecht vereinbar ansah, dessen Erwägungen aber offensichtlich nicht dem Unionsrecht entsprachen (vgl insbesondere Rn 58 der genannten Entscheidung des EuGH). Dass und bei welcher nationalen Norm dies hier der Fall gewesen wäre, legt die Revisionswerberin nicht dar (2 Ob 23/23f mwN). Der von der Beklagten behauptete Feststellungsmangel und damit eine (sekundäre) Mangelhaftigkeit der Berufungsentscheidung, weil Feststellungen „zum Thema Unionsrechtswidrigkeit“ fehlten, ist damit nicht zu erkennen. Eine neuerliche Befassung des EuGH ist im Hinblick auf dessen Entscheidungen zu C-390/12, C-79/17 und C-545/18 entbehrlich (vgl 7 Ob 199/23z; 7 Ob 204/23k ua).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [17] 5. Einer Unterbrechung des Verfahrens bis zur Entscheidung des EuGH über das Vorabentscheidungsersuchen zu C-440/23 bedarf es nicht, weil die dort zu klärenden unionsrechtlichen Fragen bereits geklärt erscheinen (vgl etwa 7 Ob 203/23p; 4 Ob 219/23v ua).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [18] 6. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240923_OLG0009_01400R00094_24G0000_000 | Justiz | OLG Wien | 2024-10-04 | 2024-10-11 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240923_OLG0009_01400R00094_24G0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240923_OLG0009_01400R00094_24G0000_000/JJT_20240923_OLG0009_01400R00094_24G0000_000.html | 14R94/24g | ECLI:AT:OLG0009:2024:01400R00094.24G.0923.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Curd Steinhauer als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag.<span class="Hoch">a</span> Margit Schaller und Dr.<span class="Hoch">in</span> Kristina Heissenberger in der Rechtssache der klagenden Partei <span class="Fett">A*</span>, **, vertreten durch die Likar Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei <span class="Fett">Republik Österreich</span>, vertreten durch die Finanzprokuratur, wegen EUR 5.000,- sA (in eventu: Feststellung), über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 30.4.2024, 33 Cg 22/23g-11, in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:</p><p class="Abstand AlignLeft"></p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft">Soweit die Berufung Nichtigkeit geltend macht, wird sie <span class="Fett">verworfen</span>.</p><p class="ErlText AlignLeft">Im Übrigen wird der Berufung <span class="Fett">nicht Folge</span> gegeben.</p><p class="ErlText AlignLeft">Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 731,16 bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.</p><p class="ErlText AlignLeft">Die Revision ist <span class="Fett">jedenfalls unzulässig.</span></p><p class="Abstand AlignLeft"></p><p class="Abstand AlignCenter"></p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter"><span class="Fett">Entscheidungsgründe:</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett">I. Parteienvorbringen:</span></span></p><p class="ErlText AlignLeft">1. <span class="Unterstrichen">Die klagende Partei</span> begehrt von der beklagten Partei den Ersatz von EUR 5.000,- sA aus dem Titel der Amtshaftung, in eventu eine Haftungsfeststellung. Sie habe diesen Betrag der B* GmbH (im Folgenden: B*) aufgrund einer Vereinbarung vom 14.6.2018 als qualifiziertes Nachrangdarlehen zur Verfügung gestellt, weil ihr hohe Renditen und niedrige Risiken versprochen worden seien. Schon dadurch sei der Schaden in ihrem Vermögen eingetreten, da die B* in Wirklichkeit keine ausreichenden Gewinnmargen erwirtschaftet habe, um solche Renditen zu ermöglichen, und außerdem die investierten Gelder zweckwidrig verbraucht habe. Das System habe nur durch Neuinvestitionen aufrecht erhalten werden können. Es seien über Jahre hinweg Gelder privater Kleinanleger eingesammelt worden, in undurchsichtige Kanäle im Nahebereich des Firmengründers C* verschwunden und nunmehr dem Zugriff der Gläubiger entzogen. Durch „kumuliertes Behördenversagen“, „jahrelanges Wegsehen“, Nichterfüllung von Überwachungs- und Kontrollpflichten sowie unvertretbare Handlungsweisen seitens der Behörden sei die klagende Partei um ihr Erspartes gebracht worden, wofür die beklagte Partei als Rechtsträgerin einzustehen habe.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Im Einzelnen wirft die klagende Partei der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) vor, im Jahr 2021 das gegen C* eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen Betrugs eingestellt und die bereits beschlagnahmten Bargeldbeträge und Bankguthaben in Höhe von EUR 3,567.140,08 wieder freigegeben zu haben, weil ein Betrug nicht nachweisbar sein werde; dies obwohl es sich bei den angewendeten „Ponzi-Schemes“ um eine bekannte Betrugsmasche im Finanzsektor handle. Die klagende Partei sei von der Einstellung nicht informiert worden und habe daher keinen Fortsetzungsantrag stellen können. Außerdem habe die WKStA von vornherein nicht in Richtung Krida ermittelt, weil die B* angeblich nicht zahlungsunfähig sei. Durch diese unvertretbare Vorgehensweise habe sie die Anspruchsdurchsetzung der klagenden Partei verunmöglicht. Wäre sie ihren Ermittlungspflichten nach § 2 StPO nachgekommen, hätte der Schaden aus den beschlagnahmten Guthaben wieder gut gemacht werden können; mittlerweile seien jedoch die B* insolvent, die beschlagnahmten Gelder verschwunden und C* nicht greifbar. Die im Insolvenzverfahren angemeldete Forderung sei vom Insolvenzverwalter bestritten worden. Die klagende Partei habe auch keine anderweitigen Ersatzleistungen erhalten; ihre Haftungsklage gegen die Prospektprüferin sei (nicht rechtskräftig) abgewiesen worden. Als zum Zeitpunkt der Einstellung bereits geschädigtes Opfer der Straftaten des C* im Sinne des § 65 Z 1 lit c StPO seien ihre Ansprüche auf Schadenswiedergutmachung vom Schutzzweck der StPO erfasst.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Die Finanzmarktaufsicht (FMA) habe als Aufsichtsbehörde schuldhaft nicht erkannt, dass das Geschäftsmodell der B* lediglich darauf ausgerichtet gewesen sei, einen Scheinbetrieb zur Aufrechterhaltung des Systems aufzubauen, jedoch niemals die ernsthafte Absicht bestanden habe, die aufgenommenen Darlehen samt Zinsen aus operativen Gewinnen zurückzuzahlen. Es hätte ihr auffallen müssen, dass überdurchschnittlich hohe Provisionen bezahlt wurden und der den Anlegern in Aussicht gestellte Zinsbetrag realistischerweise niemals hätte erzielt werden können. Auch hätte ihr auffallen müssen, dass die B*, ohne über entsprechende Konzessionen bzw. Gewerbeberechtigungen zu verfügen oder den entsprechenden Sicherungseinrichtungen anzugehören, Pfanddarlehen angeboten, gewerbliche Vermögensberatungen durchgeführt, Bank- und Anlagegeschäfte betrieben und entgegen dem gesetzlichen Verbot des AIFMG Alternative Investmentfonds an Private vertrieben und dadurch gegen das BWG, das AIFMG, das WAG und das KMG verstoßen habe. Wäre sie pflichtgemäß vorgegangen, hätte sie das gesetzwidrige Geschäftsmodell aufgedeckt und beendet. Durch das unvertretbare Unterlassen der gebotenen Prüf- und Verfolgungsschritte habe sie gegen ihre Aufsichtspflichten nach BWG, WAG, InvFG, ESAEG und AIFMG verstoßen, wofür die beklagte Partei einzustehen habe. § 3 FMABG sei bei verfassungskonformer Interpretation nicht anwendbar und verstoße überdies gegen Unionsrecht.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Schließlich habe es auch die Gewerbebehörde unterlassen, die ihr nach der GewO zukommenden Pflichten zu erfüllen und zu überprüfen, ob die B* das Gewerberecht einhalte. Sie habe dadurch Schutzgesetze im Sinne des § 1311 ABGB verletzt, wofür ebenfalls die beklagte Partei hafte. Die B* habe ab 2015 eine Gewerbeberechtigung als Pfandleiherin gehabt, jedoch - zum Teil schon früher - konzessionspflichtige Finanz- und Bankgeschäfte betrieben, Liegenschaften und Gesellschaftsanteile gesetzwidrig in Pfand genommen und weitere Geschäfte fernab ihrer Gewerbeberechtigung, insbesondere gewerbliche Vermögensberatung, getätigt. Da die Gewerbebehörde gewusst habe, dass C* deutscher Staatsbürger sei, hätte sie eine deutsche Strafregisterbescheinigung verlangen müssen. Daraus wäre hervorgegangen, dass der Genannte in Deutschland bereits im Jahr 2010 wegen Vorenthaltens von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung in 14 Fällen und wegen Insolvenzverschleppung verurteilt worden sei, sodass ihm keine Gewerbeberechtigung hätte erteilt werden dürfen. Die Gewerbebehörde hätte auch erkennen müssen, dass sich die B* nicht an die Wohlverhaltensregeln des WAG 2018 gehalten, keine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung abgeschlossen und sich über gewerberechtliche Vorschriften hinweggesetzt habe; sie hätte einstweilige Zwangs- und Sicherheitsmaßnahmen verfügen und Verwaltungsstrafen verhängen müssen. Wäre sie ihren Aufsichtspflichten nachgekommen, hätte die B* keine gewerbliche Tätigkeit ausüben dürfen und die klagende Partei hätte nie investieren können. Der Schutzzweck der GewO umfasse alle Personen, die mit dem Gewerbetreibenden in Geschäftsbeziehung stehen, und somit auch die klagende Partei.</span></p><p class="Abstand AlignLeft"></p><p class="ErlText AlignLeft">2. <span class="Unterstrichen">Die beklagte Partei</span> bestreitet das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach. Sie wendet zusammengefasst ein, die Klage sei unschlüssig, weil sich daraus nicht ergebe, aufgrund welcher Hinweise die Behörden welche Maßnahmen hätten ergreifen sollen, um den behaupteten Schaden zu verhindern. Bevor die klagende Partei ihre Investition getätigt habe, sei ein Veranlagungsprospekt veröffentlicht gewesen, der laut Kontrollvermerk der Prospektprüferin alle erforderlichen Angaben enthalten und insbesondere auf das Totalverlustrisiko hingewiesen habe.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Für Ansprüche aus dem Verhalten der FMA sei die klagende Partei gemäß § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG nicht aktiv legitimiert; gegen diese Bestimmung beständen nach der dazu ergangenen Judikatur des VfGH, des OGH und des EuGH keine verfassungs- oder unionsrechtlichen Bedenken. Abgesehen davon habe die FMA gehandelt, soweit ihr dies im Rahmen ihrer Zuständigkeit und ihrer Befugnisse möglich gewesen sei. </span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Die Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die WKStA sei ausführlich begründet worden; die klagende Partei habe dagegen keinen Fortführungsantrag nach § 195 StPO gestellt und dadurch ihre Rettungspflicht nach § 2 Abs 2 AHG verletzt. Hinweise auf angeblich „kridaträchtiges Verhalten“ seien damals nicht vorgelegen; die Insolvenz sei erst 17 Monate später eingetreten.</span></p><p class="ErlText AlignLeft">Die Gewerbebehörde habe seit der Gewerbeanmeldung keinen Anlass für weitere Überprüfungen gehabt; es seien ihr keine Tatsachen bekannt geworden, die darauf schließen ließen, dass Tätigkeiten ausgeübt werden, die über den Umfang des freien Gewerbes „Pfandleiher“ hinausgingen. Die Anmeldung sei zur Kenntnis zu nehmen gewesen, weil aus den Unterlagen die Schweiz als Herkunftsstaat von C* hervorgegangen sei und die vorgelegte Schweizer Strafregisterbescheinigung keinen Eintrag aufgewiesen habe.</p><p class="ErlText AlignLeft">Alle Organe der beklagten Partei hätten somit rechtmäßig, jedenfalls aber vertretbar gehandelt. Die anzuwendenden Rechtsnormen würden nicht bezwecken, Anleger vor dem Eintritt von Vermögensschäden infolge fehlerhafter oder strafgesetzwidriger Geschäftsführung zu schützen; der Ersatzfähigkeit der behaupteten Schäden stehe daher auch der mangelnde Rechtswidrigkeitszusammenhang entgegen. Die Schadenshöhe stehe noch nicht fest, weil unbekannt sei, ob und in welchem Ausmaß die klagende Partei aus der Insolvenzmasse der B* befriedigt werde.</p><p class="Abstand AlignLeft"></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett">II. Angefochtenes Urteil und Rechtsmittel:</span></span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Das Erstgericht hat das Klagebegehren schon aus rechtlichen Erwägungen abgewiesen und die klagende Partei zum Kostenersatz verpflichtet. Eine Haftung der beklagten Partei wegen allfälligen Fehlverhaltens der FMA scheide schon im Hinblick auf § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG und die dazu ergangene Judikatur aus. Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren bezwecke nicht die Verhinderung bzw. Wiedergutmachung von Vermögensschäden nicht aktenkundiger Personen; aus dem Klagsvorbringen ergebe sich nicht, dass die Staatsanwaltschaft vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der B* von einem Schaden der klagenden Partei Kenntnis gehabt oder haben hätte müssen. Die gewerberechtlichen Vorschriften wiederum bezweckten nicht den Schutz der wirtschaftlichen Interessen eines Geldgebers, der in einen Gewerbetreibenden investiere. Insgesamt mangle es dem Klagebegehren daher an einer haftungsbegründenden Rechtsgrundlage.</span></p><p class="ErlText AlignLeft">Gegen dieses Urteil richtet sich die <span class="Fett">Berufung der klagenden Partei</span> wegen Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung einschließlich sekundärer Feststellungsmängel mit den Anträgen, es primär wegen Nichtigkeit aufzuheben, hilfsweise es im stattgebenden Sinn abzuändern oder zur Verfahrensergänzung aufzuheben und an das Erstgericht zurück zu verweisen.</p><p class="ErlText AlignLeft">Die beklagte Partei beantragt, der Berufung keine Folge zu geben.</p><p class="Abstand AlignLeft"></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett">III. Berufungsentscheidung:</span></span></p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft">Die Berufung ist im Ergebnis nicht berechtigt.</p><p class="Abstand AlignLeft"></p><p class="ErlText AlignLeft">A. <span class="Unterstrichen">Nichtigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens</span>:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Nichtig nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO soll das angefochtene Urteil sein, weil es keine Feststellungen enthält; mangelhaft soll das erstinstanzliche Verfahren sein, weil keine der beantragten Beweise aufgenommen wurden. Diese beiden inhaltlich zusammenhängenden Berufungsgründe liegen jedoch nicht vor.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Die klagende Partei übersieht nämlich, dass das Erstgericht das Klagebegehren schon aufgrund des Klagsvorbringens aus rechtlichen Erwägungen abgewiesen hat. Es war der Ansicht, dass sich aus den vorgebrachten Tatsachenbehauptungen der behauptete Amtshaftungsanspruch materiell-rechtlich nicht ableiten lasse. Damit hat es die Klage im Ergebnis als unschlüssig beurteilt (vgl. RIS-Justiz RS0037516).</span></p><p class="ErlText AlignLeft">Ein solches Unschlüssigkeitsurteil verneint nur die Schlüssigkeit der Klagsbehauptungen und bedarf somit keiner Feststellungen (2 Ob 109/16t; RIS-Justiz RS0037755 [T3]). Eine Nichtigkeit kann daraus nicht abgeleitet werden. Soweit es aber keiner Sachverhaltsfeststellungen bedarf, kann auch die Unterlassung von Beweisaufnahmen zur Ermittlung des Sachverhalts keinen Verfahrensmangel begründen.</p><p class="ErlText AlignLeft">Soweit die Schlüssigkeit des Klagebegehrens zu Unrecht verneint wurde, liegt eine unrichtige rechtliche Beurteilung vor, die im Rahmen der Rechtsrüge zu behandeln ist.</p><p class="Abstand AlignLeft"></p><p class="ErlText AlignLeft">B. <span class="Unterstrichen">Unrichtige rechtliche Beurteilung</span>:</p><p class="ErlText AlignLeft">1. Allgemeines:</p><p class="ErlText AlignLeft">a) Das Erstgericht hat die Klage, ohne Feststellungen zum Sachverhalt zu treffen, rein aus rechtlichen Erwägungen abgewiesen. Es ist also – ohne dies ausdrücklich zu sagen – davon ausgegangen, dass das Klagebegehren unschlüssig sei.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Ein Klagebegehren ist rechtlich schlüssig, wenn das Sachbegehren des Klägers materiell-rechtlich aus den zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachenbehauptungen abgeleitet werden kann (RIS-Justiz RS0037516). Dass sich das Sachbegehren aus den vorgetragenen Tatsachen nicht rechtlich ableiten lässt und die Klage daher unschlüssig ist, kann zwei Ursachen haben: Entweder sind die vorgetragenen Tatsachen zu unvollständig geblieben, um die begehrte Rechtsfolge daraus ableiten zu können (Unschlüssigkeit wegen Unvollständigkeit), oder es lässt sich auch im Fall eines ergänzten Sachvortrags der behauptete Tatbestand nicht unter die für die Rechtsfolge maßgebenden Rechtsnormen subsumieren (Unschlüssigkeit im eigentlichen Sinn; vgl. 2 Ob 215/09w).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Die Unschlüssigkeit im eigentlichen Sinn ist unheilbar und führt zur sofortigen Klagsabweisung, da es schlicht keinen möglichen Anspruch der klagenden Partei gibt. Bei Unschlüssigkeit wegen Unvollständigkeit ist das Klagebegehren hingegen nicht sofort abzuweisen, sondern das Gericht muss eine Verbesserung durch ergänzendes Tatsachenvorbringen anregen (§ 182 ZPO; RIS-Justiz RS0037516 [T2, T4]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft">Im Folgenden wird anhand des Klagsvorbringens und der materiellen Rechtslage zu prüfen sein, ob die vorliegende Klage tatsächlich – wie das Erstgericht angenommen hat – unschlüssig im eigentlichen Sinn ist.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">b) Die klagende Partei will einen Amtshaftungsanspruch geltend machen. Gemäß § 1 Abs 1 des Amtshaftungsgesetzes (AHG) haften die dort genannten Rechtsträger, darunter der Bund, für den Schaden am Vermögen oder an der Person, den die als ihre Organe handelnden Personen in Vollziehung der Gesetze durch rechtswidriges Verhalten wem immer schuldhaft zugefügt haben, nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts. Eine allfällige Schadenersatzverpflichtung der beklagten Partei richtet sich daher nach den allgemeinen schadenersatzrechtlichen Grundsätzen insbesondere der §§ 1293 ff ABGB und setzt somit nicht bloß ein <span class="Unterstrichen">rechtswidriges</span>, sondern auch ein <span class="Unterstrichen">schuldhaftes</span> und für den eingetretenen Schaden adäquat <span class="Unterstrichen">kausales</span> Verhalten der handelnden Organe voraus. Als schuldhaft gilt im Amtshaftungsrecht nur ein Verhalten, das bei pflichtgemäßer Überlegung aller Umstände als <span class="Unterstrichen">unvertretbar</span> bezeichnet werden muss, etwa weil es ohne sorgfältig begründete Erwägungen von einer völlig eindeutigen Gesetzeslage oder ständigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung abweicht. Zu ersetzen sind nur jene Schäden, deren Eintritt die übertretenen Vorschriften gerade verhindern wollten oder deren Verhinderung zumindest mitbezweckt war (<span class="Unterstrichen">Rechtswidrigkeitszusammenhang</span>, RIS-Justiz RS0050038 [T21]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft">Diesen Kriterien müsste das Klagsvorbringen also entsprechen, um eine schlüssige Amtshaftungsklage darzulegen.</p><p class="Abstand AlignLeft"></p><p class="ErlText AlignLeft">2. Haftung für die Staatsanwaltschaft:</p><p class="ErlText AlignLeft">a) Die klagende Partei hat vorgebracht, dass ihr geltend gemachter Vermögensschaden von EUR 5.000,- bereits mit ihrer Zahlung an die B* am 14.6.2018 eingetreten sei. Dies entspricht durchaus der Judikatur, wonach der (reale) Schaden beim Erwerb nicht gewünschter Vermögenswerte (hier: einer Darlehensforderung aus dem qualifizierten Nachrangdarlehen) bereits durch den Erwerb eintritt (RIS-Justiz RS0129706).</p><p class="ErlText AlignLeft">b) Die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen C* und die Freigabe der beschlagnahmten Bargeldbeträge und Bankguthaben durch die WKStA ist nach dem Klagsvorbringen jedoch erst im Jahr 2021 erfolgt. Aus dieser zeitlichen Abfolge ergibt sich klar, dass die kritisierten Verfahrenshandlungen der WKStA für den Eintritt des geltend gemachten Schadens nicht ursächlich gewesen sein können. Ein Amtshaftungsanspruch wegen des Verhaltens der WKStA ist schon aus diesem Grund ausgeschlossen.</p><p class="ErlText AlignLeft">c) Soweit die klagende Partei andeutungsweise vorbringt, durch die Einstellung des Ermittlungsverfahrens seitens der WKStA sei die Einbringlichkeit ihrer Darlehensforderung und damit die Schadensgutmachung vereitelt worden, vermag auch dies ihren Anspruch nicht schlüssig zu begründen, da ein bereits eingetretener Schaden durch die Vereitelung seiner Behebung nicht (noch einmal) verursacht wird.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">d) Überlegungen zum Schutzzweck einschlägiger Bestimmungen der StPO können daher auf sich beruhen. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang nur, dass nicht alle Bestimmungen der StPO bei der maßgebenden teleologischen Betrachtungsweise auch dem Schutz des durch eine Straftat Geschädigten dienen. Vielmehr ist bei jeder einzelnen Norm der StPO der Normzweck zu erfragen, der sich aus der wertenden Beurteilung des Sinnes der Vorschrift ergibt (RIS-Justiz RS0050078). Die Vorschrift des § 190 Z 2 StPO über die Einstellung des Ermittlungsverfahrens, wenn kein tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung des Beschuldigten besteht, soll den Beschuldigten vor ungerechtfertigter Strafverfolgung schützen, nicht jedoch allfällige Opfer vor dem Verlust der Möglichkeit zur Schadenswiedergutmachung. Es fehlt daher hinsichtlich der Verfahrenseinstellung auch der Rechtswidrigkeitszusammenhang.</span></p><p class="ErlText AlignLeft">e) Inwiefern die Unterlassung von Ermittlungen wegen Krida den Schaden der klagenden Partei verursacht oder dessen Wiedergutmachung vereitelt haben soll, bleibt nach dem Klagsvorbringen überhaupt im Dunklen. Wäre die B* im Jahr 2021 tatsächlich schon insolvent gewesen, hätte die klagende Partei ja gerade nicht damit rechnen können, ihre Darlehensforderung hereinzubringen.</p><p class="Abstand AlignLeft"></p><p class="ErlText AlignLeft"> 3. Haftung für die FMA:</p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> a) Nach der am 15.6.2018 in Kraft getretenen Bestimmung des § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG können Schäden, die von Organen und Bediensteten der FMA in Vollziehung der in § 2 FMABG genannten Bundesgesetze verursacht wurden, nur dann Gegenstand von Amtshaftungsansprüchen sein, wenn sie Rechtsträgern unmittelbar zugefügt wurden, die der Aufsicht nach dem FMABG unterliegen. Der unmissverständliche Wortlaut dieser Bestimmung („<span class="Kursiv">Schäden im Sinne dieser Bestimmung sind solche, die Rechtsträgern unmittelbar zugefügt wurden, die der Aufsicht nach diesem Bundesgesetz unterliegen</span>“), welcher auch verfassungsrechtlich unbedenklich ist (VfGH 16.12.2021, G 224/2021), schließt die Geltendmachung derartiger Amtshaftungsansprüche durch die klagende Partei von vornherein aus. Die in der Berufung zitierten älteren oberstgerichtlichen Entscheidungen, die noch die Klagslegitimation von Anlegern bejahen, beruhen auf einer überholten Rechtslage und sind daher für den vorliegenden Fall irrelevant.</span></p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> b) Wohl auch deshalb bemüht sich die Berufung ausführlich, die Nichtanwendbarkeit des § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG wegen Unionsrechtswidrigkeit zu begründen. Richtig ist, dass nationale Gesetzesbestimmungen, die dem Unions–recht widersprechen, infolge dessen Anwendungsvorrangs nicht anzuwenden sind (vgl. RIS-Justiz RS0109951). Dem Berufungsgericht sind jedoch keine Normen des Unionsrechts bekannt, denen zu entnehmen wäre, dass der europäische Gesetzgeber eine zwingende Haftung der nationalen Aufsichtsbehörden oder der Mitgliedstaaten gegenüber geschädigten An- und Einlegern im Fall einer unzureichenden Finanzmarktaufsicht vorsehen wollte. Insbesondere ergibt sich eine solche Haftung weder aus der bereits außer Kraft getretenen Richtlinie 94/19/EG bzw. der seit 4.7.2015 an deren Stelle getretenen Richtlinie 2014/49/EU über Einlagensicherungssysteme, noch aus den Entscheidungen des EuGH in den Rechtssachen Paul (C-222/02) und Balgarska Narodna Banka (C-501/18).</span></p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> c) Auch die These der klagenden Partei, ein Haftungsausschluss des Mitgliedstaates gegenüber Anlegern sei nur dann unionsrechtskonform, wenn die Anleger im konkreten Fall auf Ansprüche aus der Einlagensicherung zurückgreifen könnten, lässt sich anhand dieser Rechts–quellen nicht verifizieren. Fraglich erscheint schon, ob die beiden genannten Richtlinien auf Fälle wie den vorliegenden anwendbar sind, beziehen sie sich doch auf Einlagen bei <span class="Unterstrichen">Kreditinstituten</span> im Rahmen von <span class="Unterstrichen">normalen Bankgeschäften</span> (so ausdrücklich Art 2 Abs 1 Z 3 der Richtlinie 2014/49/EU), während es sich bei der B* um eine Online-Pfandleihanstalt handelt und die Gewährung eines qualifizierten Nachrangdarlehens an ein Unternehmen (laut „Information der FMA zu Nachrangdarlehen“ vom 6.8.2019, https://www.fma.gv.at/nachrangdarlehen) kein Bankgeschäft ist und keiner Einlagensicherung unterliegt.</span></p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> Doch selbst wenn eine Online-Pfandleihanstalt, die konzessionslos illegale Bankgeschäfte betreibt, auch als „Unternehmen, dessen Tätigkeit darin besteht, Einlagen oder andere rückzahlbare Gelder des Publikums entgegenzunehmen und Kredite für eigene Rechnung zu gewähren“ (Definition des Kreditinstituts in Art 4 Abs 1 Nr. 1 der Verordnung [EU] Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013, auf die Art 2 Abs 1 Z 9 der Richtlinie 2014/49/EU verweist) anzusehen und der Begriff des „normalen Bankgeschäftes“ sehr weit auszulegen sein sollte, wäre für die klagende Partei nichts gewonnen:</span></p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> Der EuGH hat nämlich durch die von der Berufung wie vom Erstgericht zitierte Entscheidung in der Rechtssache Paul<span class="Kursiv"> </span>(C-222/02) klargestellt, dass die Richtlinie 94/19/EG nur der Einrichtung und dem ordnungsgemäßen Funktionieren des Einlagensicherungssystems diente und den Anlegern keinen Anspruch darauf verlieh, dass die zuständigen Behörden in ihrem Interesse Aufsichtsmaßnahmen treffen (C-222/02 Rn 29, 30). Er beantwortete die ihm vorgelegte Frage nach der Zulässigkeit der Einschränkung der Haftung des deutschen Bundesaufsichtsamts dahingehend, dass wenn die in der genannten Richtlinie vorgesehene Entschädigung der Anleger gewährleistet war, die Richtlinie nicht dahin ausgelegt werden konnte, dass sie einer nationalen Vorschrift entgegenstehe, nach der die nationale Behörde zur Aufsicht über die Kreditinstitute ihre Aufgaben nur im öffentlichen Interesse wahrnimmt, was nach dem nationalen Recht ausschließt, dass der Einzelne Ersatz des Schadens verlangen kann, der durch eine unzureichende Aufsicht dieser Behörde entstanden ist (aaO Rn 32). Auch die Richtlinie 77/780/EWG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute, die Richtlinie 89/299/EWG über die Eigenmittel von Kreditinstituten sowie die Zweite Richtlinie 89/646/EWG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute und zur Änderung der Richtlinie 77/780/EWG stünden einer nationalen Vorschrift nicht entgegen, nach der die nationale Behörde zur Aufsicht über die Kreditinstitute ihre Aufgaben nur im öffentlichen Interesse wahrnimmt (aaO Rn 47). Eine Koordinierung der nationalen Vorschriften über die Haftung der nationalen Behörden gegenüber Einlegern im Fall einer unzureichenden Aufsicht sei nicht erforderlich (vgl Rn 43).</span></p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> Diese Rechtsansicht wurde vom EuGH in seiner Entscheidung in der Rechtssache Balgarska Narodna Banka (C-501/18) bestätigt (vgl. dort die Ausführungen zur Vorlagefrage 3b, insbesondere in Rn 57 ff). Die vom EuGH in diesem Zusammenhang gebrauchte Wendung: „<span class="Kursiv">wenn die in der Richtlinie 94/19 vorgesehene Entschädigung der Einleger gewährleistet ist</span>“ (C-222/02 Rn 32), auf die die klagende Partei ihre These anscheinend zu stützen versucht, lehnt sich an die 24. Begründungserwägung der genannten Richtlinie an, welche lautet: „<span class="Kursiv">Die Mitgliedstaaten oder ihre zuständigen Behörden können aufgrund dieser Richtlinie den Einlegern gegenüber nicht haftbar gemacht werden, wenn sie für die Einrichtung bzw. die amtliche Anerkennung eines oder mehrerer Systeme Sorge getragen haben, die die Einlagen oder die Kreditinstitute selbst absichern und die Zahlung von Entschädigungen oder den Schutz der Einleger nach Maßgabe dieser Richtlinie gewährleisten.</span>“</span></p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> In diesem Sinne sah Art 3 Abs 1 jener Richtlinie vor:</span></p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> „<span class="Kursiv">Jeder Mitgliedstaat sorgt in seinem Hoheitsgebiet für die Errichtung und amtliche Anerkennung eines oder mehrerer Einlagensicherungssysteme. Außer in den im nachstehenden Unterabsatz sowie in Absatz 4 genannten Fällen </span>(die im vorliegenden Fall nicht relevant sind, <span class="Kursiv">Anm. des Berufungsgerichts</span>) <span class="Kursiv">darf ein in dem Mitgliedstaat nach Art 3 der Richtlinie 77/780/EWG zugelassenes Kreditinstitut Einlagen nur annehmen, wenn es einem dieser Systeme angeschlossen ist.</span>“</span></p><p class="ErlText AlignJustify"> Die Verpflichtung der Mitgliedstaaten bestand also, wie auch der EuGH ausführte, bloß darin, in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet ein oder mehrere Einlagensicherungssysteme zu schaffen; der Beitritt zu diesen Systemen oblag dann den Kreditinstituten selbst. Dass dem einzelnen Anleger ein subjektives Recht auf Entschädigung in Höhe des Mindestsicherungsbetrages nicht bloß gegenüber dem Einlagensicherungssystem, sondern <span class="Unterstrichen">auch</span> <span class="Unterstrichen">gegenüber dem jeweiligen Mitgliedstaat</span> verliehen werden sollte, wie die klagende Partei argumentiert, lässt sich aus diesen Regelungen gerade nicht ableiten. Vor diesem Hintergrund kann die Aussage des EuGH nur so verstanden werden, dass ein Mitgliedstaat, der ein richtlinienkonformes <span class="Unterstrichen">Einlagensicherungssystem geschaffen</span> hatte, nach der damaligen Rechtslage nicht für Anlegerschäden wegen unzureichender Aufsicht über die Kreditinstitute haften musste, und zwar auch dann nicht, wenn das Kreditinstitut - wie im Fall Paul<span class="Kursiv"> </span>und im<span class="Kursiv"> </span>vorliegenden Fall<span class="Kursiv"> -</span> dem vorhandenen Einlagensicherungssystem nicht beigetreten war.</p><p class="ErlText AlignJustify"> Diese Schlussfolgerungen können auch im Lichte der nunmehr geltenden Richtlinie 2014/49/EU aufrecht erhalten werden. Erwägungsgrund 45 dieser Richtlinie lautet ganz ähnlich wie in der Vorgängerrichtlinie: „<span class="Kursiv">Die Mitgliedstaaten oder ihre einschlägigen Behörden sollten aufgrund dieser Richtlinie den Einlegern gegenüber nicht haftbar gemacht werden, wenn sie für die Einrichtung bzw. die amtliche Anerkennung eines oder mehrerer Systeme Sorge getragen haben, die die Einlagen oder die Kreditinstitute selbst absichern und die Zahlung von Entschädigungen oder den Schutz der Einleger nach Maßgabe dieser Richtlinie gewährleisten.</span>“</p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> In diesem Sinne postuliert Art 1 Abs 1 der Richtlinie 2014/49/EU: „Diese Richtlinie regelt die Errichtung und die Funktionsweise von Einlagensicherungssystemen und legt die Verfahren dafür fest“; deren Art 4 ordnet – ähnlich Art 3 Abs 1 der Vorgängerrichtlinie - in Abs 1 an: „<span class="Kursiv">Jeder Mitgliedstaat sorgt in seinem Hoheitsgebiet für die Errichtung und amtliche Anerkennung eines oder mehrerer Einlagensicherungssysteme</span>“, und ergänzt in Abs 3: „<span class="Kursiv">Ein Kreditinstitut, das gemäß Artikel 8 der Richtlinie 2013/36/EU in einem Mitgliedstaat zugelassen ist, darf keine Einlagen entgegennehmen, wenn es nicht Mitglied eines Systems ist, das gemäß Absatz 1 dieses Artikels in seinem Herkunftsmitgliedstaat amtlich anerkannt ist.</span>“</span></p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> Nichts anderes ergibt sich auch aus der (älteren) Richtlinie 97/9/EG vom 3. März 1997, deren Erwägungsgrund 24 – ähnlich wie in den beiden oben behandelten späteren Richtlinien – lautet: <span class="Kursiv">„Die Mitgliedstaaten oder ihre zuständigen Behörden können aufgrund dieser Richtlinie Anlegern gegenüber nicht haftbar gemacht werden, wenn sie für die Einrichtung bzw. die amtliche Anerkennung eines oder mehrerer Systeme Sorge getragen haben, die die Zahlung von Entschädigungen oder den Schutz der Anleger nach Maßgabe dieser Richtlinie gewährleisten.“ </span>Auch hier hat nach Art 2 Abs 1 jeder Mitgliedstaat dafür zu sorgen, „<span class="Kursiv">dass in seinem Hoheitsgebiet mindestens ein System für die Entschädigung der Anleger eingerichtet und amtlich anerkannt wird. Außer in den im nachstehenden Unterabsatz sowie in Artikel 5 Absatz 3 genannten Fällen </span>(die für den vorliegenden Fall nicht relevant sind, <span class="Kursiv">Anm. des Berufungsgerichts</span>) <span class="Kursiv">darf eine in dem Mitgliedstaat zugelassene Wertpapierfirma Wertpapiergeschäfte nur tätigen, wenn sie einem solchen System angeschlossen ist.</span>“ Der Regelungsinhalt dieser Richtlinie unterscheidet sich von den beiden anderen im Wesentlichen nur dadurch, dass sie nicht Kreditinstitute, sondern Wertpapierfirmen betrifft.</span></p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> Gleichgültig, ob die B* als Kreditinstitut oder Wertpapierfirma oder beides anzusehen wäre, entspricht also die geltende Rechtslage in den hier wesentlichen Punkten jener, die der EuGH in der Rechtssache Paul<span class="Kursiv"> </span>zu beurteilen hatte, sodass dessen damalige Beurteilung auf den vorliegenden Fall übertragen werden kann, wie auch beide Parteien in ihren Rechtsmittelschriften insoweit übereinstimmend vorbringen<span class="Kursiv">. </span>Da aber die beklagte Partei mit der Schaffung des Bundesgesetzes über die Einlagensicherung und Anlegerentschädigung bei Kreditinstituten (Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz – ESAEG, BGBl. I Nr. 117/2015) ihrer Verpflichtung nach Art 4 Abs 1 der Richtlinie 2014/49/EU entsprochen hat, widerspricht der Haftungsausschluss gegenüber Anlegern nach § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG nicht dem Unionsrecht, und zwar auch dann nicht, wenn das betroffene Unternehmen entgegen seiner Verpflichtung nach Art 4 Abs 3 der Richtlinie 2014/49/EU, Art 2 Abs 1 der Richtlinie 97/9/EG bzw. § 8 ESAEG keinem Einlagensicherungssystem beigetreten ist. </span></p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> d) Mangels entgegenstehender Normen des Unionsrechts bleibt § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG daher anwendbar und schließt eine Amtshaftung der beklagten Partei für allfällige von der FMA verursachte Schäden der klagenden Partei aus.</span></p><p class="Abstand AlignJustify"></p><p class="ErlText AlignJustify"> 4. Haftung für die Gewerbebehörde:</p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> a) Die klagende Partei hat vorgebracht, dass die B* schon vor der Anmeldung ihres Gewerbes, nämlich ab 2012, tätig geworden sei und verschiedene näher aufgezählte Tätigkeiten - darunter Vermögensberatung - ausgeübt habe, die von ihrer Gewerbeberechtigung als Pfandleiherin nicht gedeckt gewesen seien. Die Gewerbebehörde „hätte erkennen müssen“, dass die B* die Wohlverhaltensregeln des WAG 2018 nicht eingehalten und entgegen § 136a Abs 12 GewO keine (für Vermögensberater vorgeschriebene, <span class="Kursiv">Anm. des Berufungsgerichts</span>) Vermögens–schadenhaftpflichtversicherung abgeschlossen habe. Der Gewerbebehörde sei aufgrund der von C* vorgelegten Dokumente bekannt gewesen, dass dieser deutscher Staatsbürger sei, weshalb sie eine deutsche Strafbescheinigung verlangen hätte müssen: daraus hätte sich ergeben, dass er in Deutschland bereits im Jahr 2010 wegen Vorenthaltens von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung in 14 Fällen und wegen Insolvenzverschleppung verurteilt worden sei, sodass (nach § 13 Abs 7 GewO, <span class="Kursiv">Anm. des Berufungsgerichts</span>) die Gewerbeberechtigung nicht hätte ausgestellt werden dürfen. Hätte die Gewerbebehörde die B* regelmäßig kontrolliert, wäre ihr überdies aufgefallen, dass diese sich über gewerberechtliche Vorschriften hinweggesetzt habe. Sie hätte Zwangs- und Sicherungsmaßnahmen verfügen müssen, sodass die B* keine gewerbliche Tätigkeit ausüben und die klagende Partei niemals investieren hätte können.</span></p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> b) Bei einem qualifizierten Nachrangdarlehen handelt es sich um eine Anlageform sui generis (4 Ob 110/17f), die – wie bereits erwähnt (oben 3.c) - keiner Konzessionspflicht und keiner Einlagensicherung unterliegt, wohl aber einer - nach dem Gesamtgegenwert der Emission abgestuften - Prospektpflicht gemäß KMG bzw. AltFG (4 Ob 47/16i). Das WAG und die darin festgelegten Wohlverhaltensregeln für Anlageberater (§§ 55 ff) sind nicht anwendbar. Verstöße gegen die Prospektpflicht sind gemäß § 10 KMG von der FMA zu ahnden; betrügerische Machenschaften unterliegen der strafrechtlichen Verfolgung. Eine Zuständigkeit der Gewerbebehörde zur Verhinderung von Anlagebetrug im Zusammenhang mit qualifizierten Nachrangdarlehen besteht nicht.</span></p><p class="ErlText AlignJustify"> c) Soweit die klagende Partei der Gewerbebehörde vorwirft, nicht gegen jene Aktivitäten der B* eingeschritten zu sein, die vor der Anmeldung ihres Gewerbes bzw. über ihre Gewerbeberechtigung hinaus gesetzt wurden, erschließt sich schon der Kausalzusammenhang mit dem behaupteten Schaden nicht. Die klagende Partei hat nach ihrem Vorbringen erst im Jahr 2018 – somit lange nach der Anmeldung des Gewerbes der Pfandleihe im Jahr 2015 – investiert, sodass selbst eine Untersagung des Betriebs in der Zeit von 2012 bis 2015 ihren Schaden nicht verhindern hätte können. Welche gewerbliche Tätigkeiten die B* tatsächlich ausübte, kann ebenfalls keine Rolle spielen, weil der Schaden nicht durch eine bestimmte Tätigkeit, sondern durch die – jedem Unternehmen grundsätzlich offenstehende – Aufnahme eines qualifizierten Nachrangdarlehens verur–sacht wurde.</p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> d) Das Klagsvorbringen geht offenbar implizit davon aus, dass eine von der B* gemäß § 136a Abs 12 GewO abgeschlossene Vermögensschadenhaftpflichtversicherung den durch Betrug verursachten Schaden der klagenden Partei abgedeckt hätte. Allerdings wurde nicht vorgebracht, aufgrund welcher konkreten, ihr zur Kenntnis gelangten Umstände oder Hinweise die Gewerbebehörde überhaupt darauf hätte schließen müssen, dass die B* als Vermögensberaterin tätig sei, und deshalb das Bestehen der dafür vorgeschriebenen Haftpflichtversicherung kontrollieren hätte sollen. Da somit ein allfälliges Verschulden der Organe der Gewerbebehörde aufgrund des bisherigen Vorbringens nicht beurteilt werden kann, ist das Klagsvorbringen auch insoweit unschlüssig. </span></p><p class="ErlText AlignJustify"> Diese Unschlüssigkeit ist zwar - anders als bei den zuvor behandelten Punkten - auf bloße Unvollständigkeit des Tatsachenvorbringens zurückzuführen und somit grundsätzlich behebbar. Entgegen der pauschalen Ansicht des Erstgerichts wäre in diesem Punkt nach einer Schlüssigstellung durch ergänzendes Tatsachenvorbringen auch der Rechtswidrigkeitszusammenhang gegeben. Es ist nämlich davon auszugehen, dass gesetzliche Bestimmungen, die den Abschluss einer Haftpflichtversicherung für bestimmte Tätigkeiten vorschreiben, auch und gerade den Schutz jener Personen bezwecken, die durch diese Tätigkeiten geschädigt werden könnten und deren Schäden durch eine solche Versicherung gedeckt wären.</p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> Allerdings hat die beklagte Partei schon in ihrem Einspruch (ON 3, S 3) auf diese Unschlüssigkeit hingewiesen, ohne dass dies die klagende Partei zum Anlass genommen hätte, ihr Tatsachenvorbringen zu ergänzen. Damit kann die Ansicht des Berufungsgerichtes, dass die Klage in diesem Punkt zwar nicht wegen des fehlenden Rechtswidrigkeitszusammenhangs, wohl aber wegen fehlender Behauptungen zum Verschulden der Organe der Gewerbebehörde unschlüssig ist, die klagende Partei nicht mehr überraschen; eine Erörterung im Sinne des § 182a ZPO kann daher entfallen. § 182a ZPO hat nämlich nichts daran geändert, dass es keiner richterlichen Anleitung zu einem Vorbringen bedarf, gegen das der Prozessgegner bereits Einwendungen erhoben hat. Angesichts solcher Einwendungen hat die andere Partei ihren Prozessstandpunkt selbst zu überprüfen und die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen. Auch die Pflicht nach § 182a ZPO kann nicht bezwecken, das Gericht zur Erörterung eines Vorbringens zu zwingen, dessen Schwächen bereits der Prozessgegner aufzeigte (RIS-Justiz RS0037300 [T41]).</span></p><p class="ErlText AlignJustify"> e) Zur Vorstrafe des C*, die der Erteilung einer Gewerbeberechtigung entgegen gestanden sein soll, hat das Berufungsgericht erwogen:</p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> Gemäß § 13 Abs 1 GewO sind natürliche Personen von der Ausübung eines Gewerbes ausgeschlossen, wenn sie entweder</span></p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> - wegen betrügerischen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen und Zuschlägen nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (§ 153d StGB), organisierter Schwarzarbeit (§ 153e StGB), betrügerischer Krida, Schädigung fremder Gläubiger, Begünstigung eines Gläubigers oder grob fahrlässiger Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (§§ 156 bis 159 StGB) zu (irgend) einer Strafe, oder</span></p><p class="ErlText AlignJustify"> - wegen einer sonstigen strafbaren Handlung zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen</p><p class="ErlText AlignJustify"> von einem Gericht verurteilt worden sind und die Verurteilung nicht getilgt ist. Diese Bestimmungen gelten auch dann, wenn mit den angeführten Ausschlussgründen vergleichbare Tatbestände im Ausland verwirklicht wurden.</p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> Andere Rechtsträger als natürliche Personen sind gemäß § 13 Abs 7 GewO von der Ausübung des Gewerbes ausgeschlossen, wenn eine natürliche Person, der ein maßgebender Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte des betreffenden Rechtsträgers zusteht, gemäß (u.a.) Abs 1 von der Gewerbeausübung ausgeschlossen ist. Abs 1 letzter Satz (betreffend Vorstrafen im Ausland) gilt sinngemäß.</span></p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> Der Ausschluss von der Ausübung eines Gewerbes gilt gemäß § 13 Abs 1 Z 2 GewO allerdings nur bei solchen Verurteilungen, die <span class="Unterstrichen">noch nicht getilgt</span> sind. Gemäß § 7 Abs 1 Tilgungsgesetz stehen ausländische Verurteilungen tilgungsrechtlich inländischen Verurteilungen gleich, wenn sie den Rechtsbrecher wegen einer Tat schuldig sprechen, die auch nach österreichischem Recht gerichtlich strafbar ist und in einem den Grundätzen des Art 6 EMRK entsprechenden Verfahren ergangen sind. Gemäß § 7 Abs 2 Tilgungsgesetz beginnt die Tilgungsfrist ausländischer Verurteilungen mit dem Tag, der sich ergibt, wenn man dem Tag ihrer Rechtskraft die Dauer der mit ihr ausgesprochenen Freiheits- oder Ersatzfreiheitsstrafe oder der Summe dieser Strafen hinzurechnet; wenn keine Freiheits- oder Ersatzfreiheitsstrafe verhängt wurde, jedoch mit Rechtskraft der Verurteilung. Nach § 3 Abs 1 Z 2 Tilgungsgesetz beträgt die Tilgungsfrist bei Vorliegen einer einzigen Verurteilung fünf Jahre, wenn nur zu einer Geldstrafe verurteilt wurde.</span></p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> Die klagende Partei behauptet, dass der Gewerbebehörde die deutsche Staatsbürgerschaft des C* bekannt gewesen sei und sie dennoch nur eine Schweizer Strafregisterbescheinigung eingeholt habe. Es mag nun sein, dass eine solche Unterlassung eines gebotenen Ermittlungsschrittes im Hinblick auf § 13 GewO rechtswidrig und schuldhaft im Sinne von unvertretbar wäre. Ein dadurch allenfalls verursachter Schaden stünde auch durchaus im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit der verletzten Norm: § 13 Abs 1 GewO ist nämlich, wie der Oberste Gerichtshof schon (zu einer früheren Fassung) ausgesprochen hat, eine wettbewerbsregelnde Vorschrift, die sowohl dem Schutz der (künftigen) Geschäftspartner und Gläubiger als auch der ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommenden und seriös kalkulierenden Mitbewerber dient (4 Ob 350/87). Die nicht näher begründete Ansicht des Erstgerichts und der beklagten Partei, die gewerberechtlichen Vorschriften würden nicht auch die wirtschaftlichen Interessen eines Geldgebers des Gewerbetreibenden schützen, wird daher vom Berufungsgericht nicht geteilt.</span></p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> Allerdings stellt sich die Frage, ob die der Gewerbebehörde hier vorgeworfene Unterlassung nach dem Klagsvorbringen überhaupt für den bei der klagenden Partei eingetretenen Schaden kausal gewesen sein kann. Schon ob sich die B* durch den Ausschluss von der Gewerbeausübung wegen der Vorstrafe ihres Geschäftsführers überhaupt davon hätte abhalten lassen, qualifizierte Nachrangdarlehen wie jenes der klagenden Partei aufzunehmen, muss bezweifelt werden, bringt doch die klagende Partei selbst vor, dass die B* auch schon vor ihrer Gewerbeanmeldung und über ihre Gewerbeberechtigung hinaus geschäftlich tätig war. Vor allem aber ergeben sich aus dem Klagsvorbringen Anhaltspunkte dafür, dass die Verurteilung des C* im Zeitpunkt der Prüfung durch die Gewerbebehörde ohnehin bereits getilgt gewesen sein könnte, sodass auch die rechtskonforme Einholung einer Strafregisterauskunft aus Deutschland nicht zur Untersagung der Gewerbeausübung und damit allenfalls zur Verhinderung des Schadens führen hätte können. Nach dem Klagsvorbringen erfolgte die Verurteilung nämlich im Jahr 2010 und die Gewerbeanmeldung im Jahr 2015. Wäre also in Deutschland nur eine einzige Geldstrafe verhängt worden, könnte die fünfjährige Tilgungsfrist nach § 3 Abs 1 Z 2 TilgG zum Zeitpunkt der Gewerbeanmeldung bereits abgelaufen gewesen sein.</span></p><p class="ErlText AlignJustify"> Näheres dazu ergibt sich aus den von der klagenden Partei vorgelegten und vom Erstgericht zum Akt genommenen Urkunden Beilage ./A und ./B, deren Echtheit und Richtigkeit nicht bestritten wurde und die daher der rechtlichen Beurteilung ohne Weiteres zugrunde gelegt werden können (RIS-Justiz RS01215557):</p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> Laut dem europäischen Strafregisterauszug Beilage./A wurde C* in Deutschland am 17.5.2010 wegen §§ 53, 266a Abs 1 dStGB, § 15a Abs 4 InsO zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt. Die Verurteilung erwuchs am 9.6.2010 in Rechtskraft. Somit betrug die Tilgungsfrist 5 Jahre und endete am 9.6.2015. Laut dem Auszug aus dem Gewerbeinformationssystem Austria (GISA) Beilage./B ist die Gewerbeberechtigung der B* erst am 24.6.2015 entstanden. Zu diesem Zeitpunkt war die Verurteilung des Geschäftsführers bereits getilgt und stand der Ausstellung einer Gewerbeberechtigung gemäß § 13 Abs 7 iVm Abs 1 GewO nicht mehr entgegen.</span></p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> Aufgrund dieser – vom Erstgericht aufgenommenen, wenn auch nicht verwerteten – Beweise muss davon ausgegangen werden, dass die Einholung einer deutschen Strafregisterbescheinigung durch die Gewerbebehörde lediglich eine Verurteilung zutage gefördert hätte, die im Zeitpunkt des Entstehens der Gewerbeberechtigung (das ist bei Pfandleihern gemäß § 155 Abs 2 GewO der Zeitpunkt der Genehmigung der vom Bewerber vorzulegenden Geschäftsordnung) bereits getilgt war und daher keine Untersagung der Gewerbeausübung mehr gerechtfertigt hätte. Auch die Unterlassung der Einholung der Strafregisterbescheinigung kann daher den Schaden der klagenden Partei nicht verursacht haben, sodass die Unschlüssigkeit des Klagsvorbringens auch in diesem Punkt unbehebbar ist.</span></p><p class="ErlText AlignJustify"> </p><p class="ErlText AlignJustify"> 5. Zusammenfassung und Ergebnis:</p><p class="ErlText AlignJustify"> Das Erstgericht hat die Klage wegen Unschlüssigkeit im eigentlichen Sinn abgewiesen. Ein solches Urteil beruht nur auf einer rechtlichen Beurteilung des Klagsvorbringens und bedarf keines Beweisverfahrens und keiner Sachverhaltsfeststellungen. Die behauptete Nichtigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt daher nicht vor.</p><p class="ErlText AlignJustify"> Ein Amtshaftungsanspruch der klagenden Partei wegen Fehlern der FMA ist schon aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen. Auch auf die behaupteten Fehler der WKStA kann die klagende Partei ihren Anspruch nicht stützen, weil diese Fehler nach Entstehung des Schadens begangen worden sein sollen und diesen Schaden daher unmöglich verursacht haben können.</p><p class="ErlText AlignJustify"> Schließlich kann der Anspruch der klagenden Partei auch nicht aus den behaupteten Fehlern der Gewerbebehörde abgeleitet werden, selbst wenn – entgegen der Ansicht des Erstgerichts - der Rechtswidrigkeitszusammenhang gegeben wäre. Zur Verhinderung von Anlagebetrug ist die Gewerbebehörde nicht zuständig. Eine Untersagung der Gewerbeausübung vor 2015 hätte den erst 2018 eingetretenen Schaden ebenso wenig verhindert wie das Unterbleiben von Aktivitäten der B*, die nicht durch ihre Gewerbeberechtigung gedeckt waren. Woraus die Gewerbebehörde hätte schließen sollen, dass die B* eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung für Vermögensberater braucht, hat die klagende Partei trotz Einwandes der beklagten Partei nicht dargelegt. Die Unterlassung der Einholung einer Strafregisterbescheinigung aus Deutschland kann für den Schaden nicht ursächlich gewesen sein, weil die einer Gewerbeberechtigung allenfalls entgegenstehende Vorstrafe des Geschäftsführers der B* im Zeitpunkt der Entstehung der Gewerbeberechtigung bereits getilgt und daher nicht mehr zu berücksichtigen war.</p><p class="ErlText AlignJustify"> Die Abweisung der Klage in erster Instanz wegen Unschlüssigkeit erweist sich somit als im Ergebnis berechtigt. Das angefochtene Urteil ist daher zu bestätigen.</p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.</span></p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"> Der Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision beruht auf § 502 Abs 2 ZPO. Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt nicht 5.000,- Euro.</span></p><p class="Abstand AlignLeft"></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240923_OGH0002_0070OB00120_24H0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-09 | 2024-10-09 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240923_OGH0002_0070OB00120_24H0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240923_OGH0002_0070OB00120_24H0000_000/JJT_20240923_OGH0002_0070OB00120_24H0000_000.html | 7Ob120/24h | ECLI:AT:OGH0002:2024:0070OB00120.24H.0923.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S* D*, vertreten durch Kasseroler & Partner Rechtsanwälte OG in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1. E* H*, 2. H* L*, 3. M* L*, vertreten durch Mag. Antonius Falkner Rechtsanwalts GmbH in Mieming, wegen Entfernung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 8. Mai 2024, GZ 2 R 57/24k-47, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 6. Februar 2024, GZ 41 Cg 101/22d-40, abgeändert wurde, den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft">Die Revision wird zurückgewiesen.</p><p class="ErlText AlignLeft">Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 1.839,42 EUR (darin enthalten 306,85 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p><p class="ErlText AlignLeft"> [1] Die Klägerin ist grundbücherliche Alleineigentümerin des Grundstücks Nr 1852/2 der EZ *, in der KG *, das sie am 19. Februar 2021 von H* P* (in Folge Rechtsvorgängerin) erwarb. Die Rechtsvorgängerin war und ist Miteigentümerin im Ausmaß eines ideellen Drittels an der EZ * in der KG *, bestehend aus den Grundstücken Nr 178 und 179, dies gemeinsam mit E* L* und J* H*. Zwischen den Grundstücken Nr 178 und Nr 1852/2 befindet sich eine Mauer samt Holzzaun (Jägerzaun), wobei sich am rechten Ende des Grundstücks Nr 1852/2 in Richtung des Grundstücks Nr 178 gesehen ein Gatter befindet. Die Beklagten errichteten im September 2022 diesem vorgelagert einen fest verbauten Holzzaun entlang des Gatters (Jägerzauns) zum Grundstück Nr 1852/2.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [2] Mit ihrem noch allein gegenständlichen Eventualklagebegehren begehrt die Klägerin die Beklagten zu verpflichten, den Teil des von ihnen errichten Zauns, der dem auf Grundstück Nr 1852/2 dahinter befindlichen Gatter vorgelagert ist und damit den Zugang auf Grundstück Nr 1852/2 verunmöglicht, zu entfernen und den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen. Die Beklagten hätten durch die Errichtung des Zauns in das zugunsten ihrer Liegenschaft bestehende Geh- und Fahrtrecht eingegriffen.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [3] Die Revision ist – ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Begründung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [4] 1. Das Fehlen einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung begründet für sich genommen noch keine erhebliche Rechtsfrage (vgl RS0102181). Lässt sich – wie im vorliegenden Fall – die für erheblich erachtete Rechtsfrage durch Anwendung der bestehenden Rechtsprechung klären, ist die Revision zurückzuweisen (vgl RS0118640).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [5] 2. Die Klägerin vertritt hier einerseits die von ihr behauptete Dienstbarkeit des Geh- und Fahrtrechts sei dadurch entstanden, dass die – ihr das potentiell herrschende Grundstück Nr 1852/2 übereignende – Rechtsvorgängerin auch Miteigentümerin der potentiell dienenden Liegenschaft (gewesen) sei und daher durch die Aufhebung der Eigentümeridentität entstanden sei.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [6] 2.1 Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass solange Eigentümeridentität besteht, die Begründung einer Dienstbarkeit (eine sogenannte „Eigentümerdienstbarkeit“) nicht in Betracht kommt. Dem österreichischen Sachenrecht ist die Möglichkeit der Begründung einer Grunddienstbarkeit im Verhältnis zweier im Eigentum derselben Person stehenden Liegenschaften fremd; eine solche kann daher nicht ins Grundbuch eingetragen werden (RS0122304 [T2]; 2 Ob 108/13s mwN; 5 Ob 163/20m).</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [7] 2.2 In der Rechtsprechung ist aber anerkannt, dass bei Übereignung einer von zwei Liegenschaften desselben Eigentümers, von denen eine offenkundig, der anderen dient und weiterhin dienen soll, auch ohne spezifische Vereinbarung und Verbücherung unmittelbar durch den Übertragungsakt eine (außerbücherliche) Dienstbarkeit entsteht (RS0011618; RS0131628). Offenkundigkeit ist anzunehmen, wenn im Zeitpunkt der Eigentumsübertragung eine Inanspruchnahme der einen Liegenschaft zum Nutzen der anderen durch offenkundige Vorgänge oder ersichtliche Anlagen bzw Einrichtungen erkennbar ist (RS0011547; RS0011633) oder der Erwerber davon positiv Kenntnis hat (RS0011618 [T10]). Es wird angenommen, dass der mittels des Übertragungsaktes tatsächlich geschaffene Zustand der Natur einer Dienstbarkeit entspricht und die Dienstbarkeit somit unmittelbar durch den Übertragungsakt entsteht, weil im Zweifel anzunehmen ist, dass ein bestehender Zustand aufrecht bleibt und demnach die Eigentümerbefugnis als Grunddienstbarkeit fortbestehen soll (RS0011618 [T13]). Dabei handelt es sich um eine Auslegungsregel (2 Ob 156/20k mwN). Denn die Vertragsparteien können ausdrücklich oder schlüssig etwas anderes vereinbaren und so das Entstehen einer Grunddienstbarkeit vertraglich ausschließen (RS0011618 [T18]; RS0011643 [T4]). Dies ist aber nicht die Regel (vgl RS0011618 [T2]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [8] 2.3.1 Keiner weiteren Begründung bedarf, dass keine Identität des Eigentümers beider Liegenschaften vorliegt, wenn der Alleineigentümer der – wie hier – (potentiell) herrschenden Liegenschaft bloß Minderheitseigentümer der potentiell dienenden Liegenschaft ist. Das (Allein-)Eigentum vermittelt nach § 354 ABGB im Allgemeinen die Befugnis, mit der Substanz und den Nutzungen einer Sache nach Willkür zu schalten, und jeden Andern davon auszuschließen. Wenn eine noch ungeteilte Sache mehreren Personen zugleich zugehört, so entsteht gemäß § 361 ABGB ein gemeinschaftliches Eigentum. In Beziehung auf das Ganze werden die Miteigentümer für eine einzige Person angesehen (vgl 5 Ob 162/15g).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [9] 2.3.2.1 Die oben dargestellte Rechtsprechung zur Entstehung einer Servitut bei Übereignung einer von zwei Liegenschaften desselben Eigentümers beruht auch auf Zweckmäßigkeitserwägungen (5 Ob 118/07z) und beruft sich auf § 526 ABGB, der das „Ruhen“ der Dienstbarkeit während der Dauer der Vereinigung des herrschenden und dienenden Grundstücks in einer Hand anordnet (3 Ob 29/14g, zur weiteren Begründung vgl auch 2 Ob 108/13s).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [10] 2.3.2.2 Bereits aus der dargestellten Rechtsprechung lässt sich eindeutig ableiten, dass sich für eine „Übertragung“ dieser Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall weder Zweckmäßigkeitserwägungen noch die Bestimmung des § 526 ABGB ins Treffen führen lassen. Während bei Eigentümeridentität die Begründung einer Dienstbarkeit von vornherein ausscheidet, gilt dies für den Fall, dass an einer Liegenschaft lediglich Miteigentum besteht, gerade nicht. Dienstbarkeiten eines Miteigentümers an der gemeinschaftlichen Sache sind nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RS0011528) hingegen möglich; dafür ist jedoch Voraussetzung, dass alle Miteigentümer zustimmen (6 Ob 120/20w mwN). So kann etwa der Alleineigentümer des herrschenden Grundstücks auch Miteigentümer der dienenden Grundstücke sein (vgl 5 Ob 162/15g). Hätte der durch den Übertragungsakt tatsächlich geschaffene Zustand in dieser Konstellation schon zuvor die Natur einer Dienstbarkeit, wäre es dem Veräußerer freigestanden, diese einverleiben zu lassen. Ebenso kann sich der Erwerber auf eine durch den Veräußerer ersessene Dienstbarkeit berufen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [11] 2.4 Die von der Klägerin dagegen ins Treffen geführte Rechtsprechung, dass eine gemeinschaftlich gehörige Liegenschaft nicht von einem Miteigentümer zu einem ideellen Teil mit einer Dienstbarkeit belastet werden könne (RS0013190), bezieht sich auf die Belastung nur des ideellen Miteigentumsanteils an einer Dienstbarkeit.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [12] 3. Die Klägerin gründet das Bestehen der von ihr behaupteten Dienstbarkeit auch auf eine Ersitzung durch ihre Rechtsvorgängerin.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [13] 3.1 Miteigentümer können Dienstbarkeiten an einem im Miteigentum stehenden Grundstück auch ersitzen (9 Ob 92/06d mwN). Für die Ersitzung einer Dienstbarkeit ist grundsätzlich eine für den Eigentümer des belasteten Guts erkennbare Rechtsausübung nötig, die ihrem Inhalt nach dem zu erwerbenden Recht entspricht. Erforderlich ist, dass die Ausübung des Rechtsinhalts (erkennbar) als Recht in Anspruch genommen wird. Die Inanspruchnahme des Gemeingebrauchs oder einer jedermann unter bestimmten Voraussetzungen möglichen örtlichen Übung stellt keine Besitzausübung dar (vgl 9 Ob 92/06d; 1 Ob 163/13x). Der zur Ersitzung erforderliche Rechtsbesitz wird also dadurch erworben, dass ein – wirkliches oder angebliches – Recht gegen jemanden gebraucht wird und dieser sich fügt (RS0108666).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [14] 3.2 Dies gilt auch für den Fall des Miteigentums. Entscheidend ist dabei, dass der ersitzende Miteigentümer eine Tätigkeit entfalten muss, die sich nicht bloß als Ausübung seines Miteigentumsrechts darstellt, sondern gegenüber dem anderen Miteigentümer die Absicht kundtut, mit dieser Tätigkeit ein Alleinrecht auszuüben (vgl 9 Ob 92/06d). Ob der Belastete erkennen kann, dass Rechtshandlungen in Ausübung eines Rechts erfolgen, hängt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ebenso von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0033021) wie die Beurteilung, ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist (RS0042828).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [15] 3.3 Vor diesem Hintergrund erweist sich die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass es an ausreichendem Vorbringen der Klägerin mangle, wonach ihre Rechtsvorgängerin den Zugang nicht als Miteigentümerin, sondern in Ausübung eines anderen Rechts nutzte, als jedenfalls vertretbar. Tatsächlich wurden von der Klägerin in erster Instanz keine Behauptungen und Beweise dahin vorgebracht, dass ihre Rechtsvorgängerin im Zusammenhang mit der Benützung des fraglichen Zugangs über das in ihrem Miteigentum stehenden Grundstück gegenüber den anderen Miteigentümern die Absicht kundgetan habe, damit ein Allein- und nicht nur ihr Miteigentumsrecht auszuüben.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [16] 3.4 Die Beklagten haben sowohl in ihrer Klagebeantwortung als auch in ihrem vorbereitenden Schriftsatz ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Zugangsgatter für die Rechtsvorgängerin der Klägerin eingerichtet gewesen sei, damit diese als Miteigentümerin zu ihrer Gartenliegenschaft, die die Klägerin inzwischen gekauft habe, zugehen konnte. Nach ständiger Rechtsprechung bedarf es keiner gerichtlichen Anleitung zu einem Vorbringen, gegen das der Prozessgegner bereits Einwendungen erhoben hat. Angesichts solcher Einwendungen hat die Partei ihren Prozessstandpunkt selbst zu überprüfen und die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen. Auch die Pflicht nach § 182a ZPO kann nicht bezwecken, das Gericht zur Erörterung eines Vorbringens zu zwingen, dessen Schwächen bereits der Prozessgegner aufzeigte (RS0120056 [T4]; RS0122365).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [17] 4. Da das Klagebegehren bereits an der fehlenden Darlegung eines Eingriffs in das behauptete Servitutsrecht scheitert, muss auf die geltend gemachte Mangelhaftigkeit und Aktenwidrigkeit mangels Relevanz ebenso wenig eingegangen werden, wie auf die Frage der Passivlegitimation der Beklagten als bloß unmittelbare Störer.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [18] 5. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [19] 6. Die Kostenentscheidung gründet auf die §§ 41, 50 ZPO; gemäß § 23a RATG gebührt nur ein ERV-Zuschlag von 2,60 EUR. Die Beklagten haben auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen.</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240923_OGH0002_0070OB00134_24T0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-15 | 2024-10-15 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240923_OGH0002_0070OB00134_24T0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240923_OGH0002_0070OB00134_24T0000_000/JJT_20240923_OGH0002_0070OB00134_24T0000_000.html | 7Ob134/24t | ECLI:AT:OGH0002:2024:0070OB00134.24T.0923.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Außerstreit- und Pflegschaftssache der 1. A*, 2. Y*, und 3. der Minderjährigen M*, geboren am * 2011, vertreten durch die Mutter Dr. G*, alle wohnhaft *, Deutschland, alle vertreten durch Dr. Alfred Hofer, Rechtsanwalt in Leibnitz, gegen den Antragsgegner M*, Deutschland, dieser vertreten durch Dr. Hermann Kienast, Rechtsanwalt in Graz, wegen Rechnungslegung (Unterhalt), über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 9. Juli 2024, GZ 2 R 94/24v-107, in nichtöffentlicher Sitzung den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Akt wird dem Rekursgericht zurückgestellt.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p><p class="ErlText AlignLeft"> [1] Die <span class="Fett">Antragsteller</span> begehren im Zusammenhang mit einem Antrag auf Unterhaltserhöhung von ihrem Vater Rechnungslegung.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [2] Der <span class="Fett">Antragsgegner</span> wendete die internationale und örtliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts ein.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [3] Das <span class="Fett">Erstgericht</span> wies die Unzuständigkeitseinrede zurück.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [4] Das <span class="Fett">Rekursgericht</span> wies den dagegen erhobenen Rekurs des Antragsgegners wegen Verspätung zurück und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Ein Bewertungsausspruch unterblieb.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [5] Dagegen richtet sich ein als „außerordentlich“ bezeichneter Revisionsrekurs des Antragsgegners, den das Erstgericht zur Entscheidung vorlegt.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"> [6] Die Aktenvorlage ist verfehlt.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [7] 1. Das vorliegende Begehren bildet einen Entscheidungsgegenstand rein vermögensrechtlicher Natur, der nicht ausschließlich in einem Geldbetrag besteht (vgl etwa 3 Ob 152/08m mwN).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [8] 2. Auch bloß verfahrensrechtliche Entscheidungen – wie etwa diejenigen über die Rechtzeitigkeit eines Rekurses – sind schon wegen ihres entscheidenden Einflusses auf die Entscheidung in der Hauptsache als solche vermögensrechtlicher Natur anzusehen, wenn die Hauptsache selbst vermögensrechtlicher Natur ist (RS0010054).</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [9] 3.1. Daher hätte das Rekursgericht, weil es den ordentlichen Revisionsrekurs nicht für zulässig erklärte, gemäß § 59 Abs 2 AußStrG auch auszusprechen gehabt, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands hinsichtlich jedes einzelnen Antragstellers 30.000 EUR übersteigt oder nicht. Diesen im vorliegenden Fall unterlassenen Ausspruch wird es somit zunächst nachzuholen haben (RS0007073).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [10] 3.2. Sollte das Rekursgericht zum Ergebnis kommen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands jeweils 30.000 EUR nicht übersteigt, sind die Regeln des § 63 AußStrG über die Zulassungsvorstellung zu beachten. Ob der „außerordentliche“ Revisionsrekurs diesfalls einer Verbesserung bedarf, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten (RS0109505 [T16 und T27]).</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240923_OGH0002_0070OB00143_24S0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-16 | 2024-10-16 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240923_OGH0002_0070OB00143_24S0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240923_OGH0002_0070OB00143_24S0000_000/JJT_20240923_OGH0002_0070OB00143_24S0000_000.html | 7Ob143/24s | ECLI:AT:OGH0002:2024:0070OB00143.24S.0923.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S* S*, vertreten durch Dr. Alexander Amann, LL.M. (UCLA), Rechtsanwalt in Gamprin-Bendern, gegen die beklagte Partei A* SE *, vertreten durch Themmer, Toth & Partner Rechtsanwälte GmbH im Wien, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. Juni 2024, GZ 33 R 77/24x-22, den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.</span></p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [1] 1.1 § 12 VersVG wurde durch die Novelle 1994 tiefgreifend umgestaltet. In dieser grundsätzlichen Neuregelung wurden zunächst (Abs 1 leg cit) die im österreichischen Zivilrecht unbekannten Verjährungsfristen für Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag von zwei bzw (bei der Lebensversicherung) fünf Jahren sowie der dort angeführte Fristbeginn „austrifiziert“. Die Verjährungsfrist beträgt nun einheitlich drei Jahre und ihr Beginn ist nicht mehr im Versicherungsvertragsgesetz speziell geregelt. Nach § 12 Abs 1 Satz 1 VersVG gilt grundsätzlich die allgemeine Regelung des § 1478 ABGB, wonach für den Versicherungsnehmer die Verjährung mit dem Zeitpunkt beginnt, zu dem das Recht hätte ausgeübt werden können (7 Ob 176/17h mwN), seiner Geltendmachung also kein rechtliches Hindernis mehr entgegensteht (RS0034343 [T2], RS0034248 [T8]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [2] 1.2 Im besonderen Fall der Rechtsschutzversicherung beginnt die Verjährung mit der Fälligkeit des Rechtsschutzanspruchs zu laufen. Daher beginnt nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs die Verjährung des Anspruchs aus der Rechtsschutzversicherung nach § 12 Abs 1 Satz 1 VersVG zu jenem Zeitpunkt, zu dem sich die Notwendigkeit einer Interessenwahrnehmung für den Versicherungsnehmer so konkret abzeichnet, dass er mit der Entstehung von Rechtskosten rechnen muss, deretwegen er die Rechtsschutzversicherung in Anspruch nehmen will (vgl 7 Ob 164/19x, RS0054251).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [3] 1.3 Über diesen Zeitpunkt kann keine generalisierende Aussage getroffen werden, er beurteilt sich ausschließlich nach den Umständen des Einzelfalls (7 Ob 98/22w).</p><p class="ErlText AlignLeft"> [4] 2.1 Der Kläger begehrt die Feststellung der Deckungspflicht der Beklagten für die klageweise Geltendmachung seiner Ansprüche aus dem Kauf des – behauptetermaßen mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen – (gebrauchten) PKW Skoda Octavia um 19.100 EUR vom 19. März 2018 gegen die Herstellerin. Bereits am 14. und 15. Mai 2020 ersuchte er die Beklagte um Rechtsschutzdeckung für das gegen die Herstellerin beabsichtigte Verfahren, wobei er gleichzeitig den Zulassungsschein des Fahrzeugs und den Kaufvertrag übermittelte. Die Beklagte lehnte ihre Deckungspflicht mit Schreiben vom 20. Mai 2020 ab. Eine neuerliche Deckungsanfrage des Klägers vom 15. Juni 2023 wurde gleichfalls abgelehnt.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [5] 2.2 Die Vorinstanzen erachteten den Verjährungseinwand der Beklagten als berechtigt. Aus der im Mai 2020 gestellten Deckungsanfrage folge, dass der Kläger bereits zu diesem Zeitpunkt davon ausging, dass in seinem Fahrzeug ein Motor mit unzulässiger Abschalteinrichtung verbaut ist, er aus diesem Grund eine Klagsführung gegen die Herstellerin beabsichtigte und er daher mit dem Entstehen von Rechtskosten rechnete. Nicht erheblich sei dabei, ob er damals irrig dachte, es sei ein Motor EA189 (statt EA288) verbaut. Die Klagseinbringung im November 2023 sei verspätet.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [6] 2.3 Gegen diese jedenfalls vertretbare Rechtsansicht bringt der Kläger weder von den Vorinstanzen noch nicht berücksichtigte noch beachtenswerte neue Argumente, sondern unterstellt ohne Weiteres die Irrelevanz der ursprünglichen Deckungsanfrage, weil sie irrtümlich gestellt worden und unschlüssig gewesen sei.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [7] 3.1 Die Auslegung des Parteienvorbringens und damit die Beantwortung der Frage, ob eine im Berufungsverfahren unzulässige Neuerung vorliegt, geht in ihrer Bedeutung über den Einzelfall nicht hinaus und begründet daher – vom Fall krasser Fehlbeurteilung abgesehen – keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RS0042828 [T35]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [8] 3.2 Das Berufungsgericht vertritt, allein das Vorbringen im erstgerichtlichen Verfahren, die Beklagte habe vor Ablehnung der erneut – und nach bereits abgelaufener Verjährungsfrist – gestellten Deckungsanfrage im Juni 2023 nach weiteren Daten gefragt, sei nicht als Einwand, die Verjährungseinrede verstoße wegen der Aufnahme von Verhandlungen gegen Treu und Glauben zu qualifizieren. Seine erstmalige Erhebung in der Berufung verstoße gegen das Neuerungsverbot. Diese Beurteilung ist nicht korrekturbedürftig.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [9] 4. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240921_OGH0002_0120NS00063_24X0000_000 | Justiz | OGH | 2024-11-07 | 2024-11-07 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240921_OGH0002_0120NS00063_24X0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240921_OGH0002_0120NS00063_24X0000_000/JJT_20240921_OGH0002_0120NS00063_24X0000_000.html | 12Ns63/24x | ECLI:AT:OGH0002:2024:0120NS00063.24X.0921.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Der Oberste Gerichtshof hat am 21. September 2024 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Oshidari als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Sadoghi in der Strafsache gegen * L* wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB, AZ 16 Hv 59/24k des Landesgerichts für Strafsachen Graz, über die Anzeige der Ausgeschlossenheit des Hofrats des Obersten Gerichtshofs * gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo 2019 den</span></p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft">Hofrat des Obersten Gerichtshofs * ist von der Entscheidung über die gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 1. August 2024, GZ 16 Hv 59/24k-53, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten ausgeschlossen.</p><p class="ErlText AlignLeft">An seine Stelle tritt Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Gründe:</p><p class="ErlText AlignLeft"> [1] Der Oberste Gerichtshof hat zu AZ 11 Os 107/24f über die im Spruch genannten Rechtsmittel zu entscheiden.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [2] Hofrat des Obersten Gerichtshofs * ist Mitglied des zuständigen Senats 11.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [3] Er zeigte am 10. September 2024 seine Ausgeschlossenheit an, weil er mit dem Angeklagten freundschaftlich verbunden und mit dessen Eltern und Geschwistern bekannt sei. Zu einer Mitwirkung an der Entscheidung „mit voller Neutralität“ sei er daher nicht in der Lage.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [4] Gemäß § 43 Abs 1 Z 3 StPO ist ein Richter vom gesamten Verfahren ausgeschlossen, wenn andere Gründe vorliegen, die geeignet sind, seine volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit in Zweifel zu ziehen. Die Bestimmungen über die Ausschließung stellen auf den äußeren Anschein ab. Entscheidend ist daher auch unter dem Aspekt des § 43 Abs 1 Z 3 StPO nicht die subjektive Ansicht des betroffenen Richters oder des Ablehnenden, sondern die Frage, ob die äußeren Umstände geeignet sind, bei einem verständig würdigenden objektiven Beurteiler naheliegende Zweifel an der unvoreingenommenen und unparteilichen Dienstverrichtung zu wecken (vgl <span class="Kursiv">Lässig</span>, WK-StPO § 43 Rz 10 f mwN). Dies ist hier der Fall, weshalb Hofrat des Obersten Gerichtshofs * vom gesamten Verfahren ausgeschlossen ist.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [5] Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski tritt aufgrund der laufenden Vertretungsregelung der Geschäftsverteilung des Obersten Gerichtshofs an seine Stelle (§ 45 Abs 2 StPO).</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240920_OGH0002_0060OB00152_24G0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-08 | 2024-10-08 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240920_OGH0002_0060OB00152_24G0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240920_OGH0002_0060OB00152_24G0000_000/JJT_20240920_OGH0002_0060OB00152_24G0000_000.html | 6Ob152/24g | ECLI:AT:OGH0002:2024:0060OB00152.24G.0920.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Pflegschaftssache des Minderjährigen D*, geboren am * 2017, über den Revisionsrekurs der Mutter S*, und des Vaters W*, vertreten durch Dr. Gerda Schildberger, Rechtsanwältin in Bruck an der Mur, gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben als Rekursgericht vom 24. Juni 2024, GZ 2 R 120/24g-22, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Bruck an der Mur vom 25. Mai 2024, GZ 5 Ps 130/17a, 5 Ps 118/23w-16, teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignJustify" style="text-indent:94px;">Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [1] Mit Beschluss vom 25. 5. 2024 sprach das Erstgericht aus, die vom Kinder- und Jugendhilfeträger ab 6. 5. 2024 gesetzte Gefahr-in-Verzug-Maßnahme der Unterbringung des Kindes in einer Krankenanstalt „bzw“ in einem Heilpädagogischen Zentrum sei seit 14. 5. 2024, 24 Uhr, rechtlich unwirksam. Diese Maßnahme sei vom Kinder- und Jugendhilfeträger umgehend rückgängig zu machen (Spruchpunkt 1). Dem Spruchpunkt 1 komme gemäß § 107a Abs 1 AußStrG von Gesetzes wegen vorläufige Verbindlichkeit und Vollstreckbarkeit zu (Spruchpunkt 3 erster Satz).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [2] Das Erstgericht begründete seine Entscheidung damit, dass der Antrag des Kinder- und Jugendhilfeträgers nach § 211 Abs 1 ABGB verfristet sei. Die Fremdunterbringung zunächst in der Krankenanstalt und dann im Heilpädagogischen Zentrum sei als eine einzige Gefahr-in-Verzug-Maßnahme anzusehen, die mit 6. 5. 2024 begonnen habe. Der Antrag vom 21. 5. 2024 sei daher erst nach Ablauf der achttägigen Frist des § 211 Abs 1 zweiter Satz ABGB gestellt worden.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [3] Das <span class="Fett">Rekursgericht</span> gab dem Rekurs des Kinder- und Jugendhilfeträgers Folge, hob den Beschluss des Erstgerichts im Umfang der Spruchpunkte 1 und 3 erster Satz auf und verwies die Pflegschaftssache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [4] Das Rekursgericht begründete die Aufhebung damit, dass Feststellungen fehlten, auf deren Basis (bereits) die stationäre Aufnahme des Kindes in der Krankenanstalt als Maßnahme bei Gefahr im Verzug oder als bloße Gefährdungsabklärung iSd § 25 StKJHG qualifiziert werden könne. Auch für die Annahme des Erstgerichts, zwischen der Unterbringung des Kindes in der Krankenanstalt und im Heilpädagogischen Zentrum habe sich der Sachverhalt nicht geändert, fehlten doch Feststellungen insbesondere zu Art und Ergebnissen der Untersuchungen, durch die sich der Verdacht von Gewaltausübung erhärtet haben könnte.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [5] Das Rekursgericht traf keinen Ausspruch zur Zulässigkeit des Revisionsrekurses.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"> [6] Der vom Kinder- und Jugendhilfeträger beantwortete Revisionsrekurs der Eltern ist <span class="Fett">nicht zulässig</span>.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [7] 1. Gemäß § 64 Abs 1 AußStrG ist ein Beschluss, mit dem das Rekursgericht einen Beschluss des Gerichts erster Instanz aufgehoben und diesem eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufgetragen hat, nur dann anfechtbar, wenn das Rekursgericht ausgesprochen hat, dass der Revisionsrekurs zulässig ist. Fehlt ein solcher Ausspruch, ist jedes Rechtsmittel, auch ein außerordentlicher Revisionsrekurs, jedenfalls unzulässig (RS0030814). Auch eine Zulassungsvorstellung nach § 63 AußStrG ist in diesem Fall gemäß § 64 Abs 2 AußStrG nicht zulässig (6 Ob 4/24t; 6 Ob 141/21k).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [8] 2. § 64 Abs 1 AußStrG gilt nur für „echte“ Aufhebungsbeschlüsse (6 Ob 141/21k; RS0111919 [T3]; vgl RS0007218 [T1]). Ein echter Aufhebungsbeschluss liegt vor, wenn eine bestimmte Frage, über die eine selbstständige Entscheidung zu ergehen hat, vom Gericht zweiter Instanz noch nicht abschließend erledigt wird, sondern hierüber eine neuerliche Entscheidung des Erstgerichts ergehen soll (6 Ob 141/21k; RS0044037 [T15]; vgl RS0044033 [T3]). Hingegen liegt eine in Wahrheit abändernde Entscheidung des Rekursgerichts vor, wenn in der Aufhebung des erstinstanzlichen Beschlusses zugleich auch die abschließende Entscheidung über die Unzulässigkeit oder die Unrichtigkeit der Entscheidung der ersten Instanz oder über eine in dieser Entscheidung aufgeworfene und für diese Entscheidung ausschlaggebende Frage liegt, sodass über den bisherigen Entscheidungsgegenstand nicht mehr abzusprechen ist, weil dies inhaltlich bereits durch den Beschluss des Rekursgerichts geschah (6 Ob 141/21k; RS0044035; RS0007218). Dies trifft etwa auf Beschlüsse zu, mit denen ein Antrag oder ein Rechtsmittel aus formellen Gründen, beispielsweise wegen des Fehlens von Verfahrensvoraussetzungen, zurückgewiesen (<span class="Kursiv">Schramm</span> in <span class="Kursiv">Gitschthaler/Höllwerth</span>, AußStrG² § 64 Rz 4) oder ein solcher Zurückweisungsbeschluss aufgehoben wurde (<span class="Kursiv">Rechberger/Klicka</span> in <span class="Kursiv">Rechberger/Klicka</span>, AußStrG³ § 64 Rz 2; 6 Ob 141/21k).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [9] 3. Im vorliegenden Fall liegt ein echter Aufhebungsbeschluss, keine abändernde Entscheidung vor, weil das Rekursgericht keine abschließende Entscheidung über die Zulässigkeit der stationären Unterbringung des Kindes in der Krankenanstalt und dem Heilpädagogischen Zentrum getroffen hat, sondern dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung darüber nach Ergänzung der Feststellungen im aufgezeigten Sinn auftrug.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [10] Der Aufhebungsbeschluss des Rekursgerichts, der keinen Zulässigkeitsausspruch enthält, ist daher absolut unanfechtbar (vgl RS0109580).</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240920_OGH0002_0060OB00167_24P0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-11 | 2024-10-11 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240920_OGH0002_0060OB00167_24P0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240920_OGH0002_0060OB00167_24P0000_000/JJT_20240920_OGH0002_0060OB00167_24P0000_000.html | 6Ob167/24p | ECLI:AT:OGH0002:2024:0060OB00167.24P.0920.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. A*, vertreten durch Mag. Wolfgang Kleinhappel, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. J*, vertreten durch Mag. Claus Steiner und DDr. Gernot Satovitsch, Rechtsanwälte in Baden bei Wien, wegen Unterlassung und Widerruf, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 5. Juli 2024, GZ 18 R 98/24a-24, womit das Urteil des Bezirksgerichts Baden vom 15. März 2024, GZ 15 C 502/23m-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft">Die Revision wird zurückgewiesen.</p><p class="ErlText AlignLeft">Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.032,90 EUR (darin 172,15 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [1] Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision nicht zulässig, was nur einer kurzen Begründung bedarf (§ 510 Abs 3 ZPO):</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [2] 1. Zu den bei der Auslegung von Äußerungen anzuwendenden Grundsätzen, insbesondere zu den Fragen, welcher Bedeutungsinhalt letztlich einer bestimmten Äußerung beizumessen ist, ob es sich um die Verbreitung von Tatsachen, einer auf einem wahren Tatsachenkern beruhenden wertenden Meinungsäußerung oder eines reinen Werturteils handelt, besteht bereits ausreichend Rechtsprechung (RS0031883, RS0032212, RS0079395, RS0032489, vgl auch RS0032280, RS0031815, RS0032489, RS0031818, RS0032688, RS0031810, RS0032494, RS0031857, RS0109613, RS0115084, RS0031831, RS0031675, RS0032262).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [3] Dass die Verwendung eines Wortes, das einen strafrechtlichen Tatbestand umschreibt, abhängig vom gebrauchten Kontext und Gesamtzusammenhang einmal als Fachausdruck für die Umschreibung des Vorliegens eines strafrechtlichen Tatbestands verwendet worden sein kann, dagegen ein andermal erkennbar bloß als wertende Kritik, die sich an einem bestimmten Verhalten entzündet, hat der Oberste Gerichtshof ebenso bereits erläutert (vgl zum Wort „Betrug“ 6 Ob 32/21f [ErwGr 2.2. ff]; 6 Ob 32/24k [Rz 21]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [4] Ob eine andere Beurteilung der festgestellten Äußerung vertretbar gewesen wäre (RS0107768; RS0031883 [T6, T28]) und ob Tatsachen verbreitet wurden oder eine wertende Äußerung vorliegt (RS0031883 [T17, T30]), hängt so sehr von den Umständen des Einzelfalls ab, dass erhebliche Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO in der Regel – von einer krassen Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen abgesehen – nicht zu klären sind (6 Ob 97/22s [ErwGr 3.]; zuletzt 6 Ob 39/24i [Rz 4]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [5] 2. Eine krasse Fehlbeurteilung ist im hier zu beurteilenden Einzelfall nicht erkennbar:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [6] Der Beklagte erhob in seinen auch an etliche Tageszeitungen versendeten E-Mail den Vorwurf, die Klägerin und ein anderer Beamter hätten mit (Anm: einer unrichtig hohen Anzahl von) sechs Polizisten seine Mutter „genötigt“, ihnen (im Zuge einer Amtshandlung) Zugang zu von ihr verwahrten Waffen zu verschaffen. Seinen Text leitete er mit den Worten „Anzeige wegen Amtsmissbrauch“ ein. Ein Inhalt, der auf die Ausübung von „Gewalt oder Drohung“ durch die Klägerin schließen ließe, wird darin nicht geschildert (und es ist nach dem festgestellten Sachverhalt ein solches Verhalten auch nicht gesetzt worden), sodass sich der Vorwurf nicht als bloßes Werturteil auf irgendeinen in der E-Mail genannten Tatsachenkern zurückführen ließe.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [7] Wenn die Vorinstanzen die mit dieser E-Mail verbreiteten Äußerungen dahin auslegten, dass damit – nach dem Verständnis eines durchschnittlich qualifizierten Erklärungsempfängers (RS0115084) – der Klägerin unterstellt worden sei, gesetzwidrigen Druck (im Sinne von Gewalt oder Drohung) auf die Mutter des Beklagten ausgeübt zu haben, was nach den Feststellungen aber nicht der Fall gewesen sei, und sie meinten, der Vorwurf des Beklagten sei als der einer Nötigung im strafrechtlichen Sinn zu verstehen gewesen, liegt darin gar nicht die „ungünstigste“ Auslegung, sondern vielmehr – wegen der in der E-Mail auch prominent hervorgestrichenen Verknüpfung mit dem Vorwurf des Amtsmissbrauchs – das naheliegende Verständnis vom Bedeutungsgehalt seiner Äußerung. Die Entscheidung der Vorinstanzen begegnet daher keinen Bedenken.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [8] 3. Die Kostenentscheidung gründet auf § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO.</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240920_OGH0002_0060OB00086_24A0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-10 | 2024-10-10 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240920_OGH0002_0060OB00086_24A0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240920_OGH0002_0060OB00086_24A0000_000/JJT_20240920_OGH0002_0060OB00086_24A0000_000.html | 6Ob86/24a | ECLI:AT:OGH0002:2024:0060OB00086.24A.0920.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R* GmbH, *, vertreten durch DSC Doralt Seist Csoklich Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 41.772,91 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 9. April 2024, GZ 15 R 220/23t-26, in nichtöffentlicher Sitzung den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.</span></p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [1] Mit ihrer Sichtweise vernachlässigt die Klägerin die schon vom Berufungsgericht hervorgestrichene Bedeutung von § 37b Abs 9 Satz 3 AMSG in der auf den vorliegenden Fall anzuwendenden Fassung BGBl I 2021/117, weiters das Zusammenspiel der (damals geltenden) Absätze 1 und 9 leg cit sowie den vom Gesetz angestrebten Förderzweck der – hier in Rede stehenden – Kurzarbeitsbeihilfe, nämlich die Vermeidung von Arbeitslosigkeit (§ 37b Abs 1 AMSG; 8 ObA 26/22i [Rz 9]; 1 Ob 30/24d [Rz 23]), also den Schutz der Arbeitnehmer durch den Erhalt von Arbeitsplätzen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [2] Damit stand der Schutz der Arbeitnehmer im Vordergrund und nicht der Schutz eines nicht rechtsfähigen „Betriebs“. Zu Gunsten der Arbeitnehmer konnte und kann einem Unternehmer als Arbeitgeber (nicht einem „Betrieb“) nach § 37b Abs 1 AMSG Kurzarbeitsbeihilfe gewährt werden. Dem Unternehmer (und nicht einzelnen Betrieben) ist – gleich wie viele Betriebe er führt – als Arbeitgeber (auch nur) eine UID-Nummer zugeordnet. Nach § 2 UStG umfasst nämlich „das Unternehmen“ eines Unternehmers (also des Arbeitgebers und Beihilfenwerbers) dessen gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit. Mit dem Ziel der Aufrechterhaltung der Arbeitsplätze geht es um die Notwendigkeit der Unterstützung des Arbeitgebers bei seiner Pflicht zur Lohnzahlung, die aber nur auf dem jeweiligen Rechtsträger und Beihilfenwerber (und nicht auf einem „Betrieb“) lastet. Diese Zusammenhänge hat schon das Berufungsgericht erläutert. Wenn es vor diesem – der Klägerin auch bereits dargestellten – Hintergrund die Verwendung und Bedeutung des Worts „Betriebe“ in § 37b Abs 9 AMSG, nicht losgelöst von den ansonsten in § 37b AMSG verwendeten Begriffen „Arbeitgeber“ und „Beihilfenwerber“ (Unternehmer) deutete, bedarf dies keiner Korrektur. Es begegnet keinen Bedenken, dass das Berufungsgericht daher auch die Richtlinie des Verwaltungsrats als innerhalb dessen Gestaltungsspielraums liegend und nicht als (verfassungs- oder) gesetzwidrig ansah, und zwar auch im Hinblick auf das daraus resultierende Ergebnis. Die Richtlinie stellt auf den (beim Bundesministerium für Finanzen verfügbaren Gesamt-)Umsatz des Unternehmers ab (was im Gesetz in der Wendung „Umsätze eines Beihilfenwerbers“ [nicht: „Umsätze des Betriebs oder der Betriebe“] angelegt ist). Es wurden besonders hohe Beihilfen (nur) denjenigen Arbeitgebern gewährt, die aufgrund des Umsatzes aus ihrer (gesamten) unternehmerischen Tätigkeit nicht in der Lage waren, die sie (und nicht einen Betrieb) treffenden Lohnzahlungen zu leisten. Angesichts des bereits erwähnten Ziels eines Schutzes der Arbeitnehmer (und nicht der Gewinnerhaltung eines Unternehmers) liegt darin, dass das Berufungsgericht dieses Ergebnis nicht als eine Verletzung des Sachlichkeitsgebots qualifizierte, keine erhebliche Rechtsfrage.</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240920_OGH0002_0060OB00120_24A0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-10 | 2024-10-10 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240920_OGH0002_0060OB00120_24A0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240920_OGH0002_0060OB00120_24A0000_000/JJT_20240920_OGH0002_0060OB00120_24A0000_000.html | 6Ob120/24a | ECLI:AT:OGH0002:2024:0060OB00120.24A.0920.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. M*, als Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der P* GmbH, FN *, (AZ * des Landesgerichts Klagenfurt), vertreten durch die AHP Rechtsanwälte OG in Klagenfurt am Wörthersee, wider die beklagte Partei K* AG, FN *, vertreten durch Hon.-Prof. Dr. Gernot Murko und andere Rechtsanwälte in Klagenfurt am Wörthersee, wegen 30.000 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 25. April 2024, GZ 5 R 32/24a-21, womit das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 29. November 2023, GZ 26 Cg 44/23a-10, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft">Die Revision wird zurückgewiesen.</p><p class="ErlText AlignLeft">Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.261,40 EUR (darin enthalten 376,90 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p><p class="ErlText AlignLeft"> [1] Der Kläger ist Masseverwalter im Konkursverfahren über das Vermögen einer Gesellschaft. Diese wurde im Jahr 2013 als „GmbH light“ mit einem Stammkapital von 10.000 EUR und „einer zur Hälfte bezahlten Stammeinlage“ gegründet. Das Stammkapital wurde mit Gesellschafterbeschluss vom 3. 12. 2020 auf 35.000 EUR erhöht.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [2] Eine Person, die zwar weder Gesellschafter noch Geschäftsführer, aber „Bevollmächtigter“ der schuldnerischen Gesellschaft war, hatte am 2. 12. 2020 von dem bei der beklagten Bank geführten Geschäftskonto der Schuldnerin am (selben) Schalter 30.000 EUR in bar abgehoben und diesen Betrag etwa drei Minuten später als Stammkapital in bar wieder auf das Geschäftskonto eingezahlt. Am selben Tag hatte die Beklagte unter dem Titel „Kapitalerhöhung – Bestätigung gemäß § 10 Ges.m.b.H.-Gesetz“ „zum Zweck der Vorlage beim Firmenbuchgericht“ eine Bestätigung darüber ausgestellt, dass auf diesem Konto ein Betrag in Höhe von 30.000 EUR „zum Zweck der Übernahme von Stammeinlagen“ einbezahlt worden sei, dieser Betrag endgültig zur freien Verfügung der Geschäftsführung der Schuldnerin stehe und die Geschäftsführung in der Verfügung über diesen Betrag nicht, namentlich nicht durch Gegenforderungen, beschränkt sei.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [3] Der <span class="Fett">Kläger</span> begehrt von der Beklagten wegen fahrlässig unrichtig erteilter Bestätigung nach § 10 Abs 3 GmbHG aus dem Titel des Schadenersatzes 30.000 EUR.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [4] Das <span class="Fett">Berufungsgericht </span>gab<span class="Fett"> </span>der Klage zur Gänze statt.<span class="Fett"> </span>Die Beklagte hafte für die gesamte Differenz zwischen bestätigter und tatsächlich erbrachter Leistung, also mit 30.000 EUR, zumal sie wegen der unmittelbar davor erfolgten Abhebung desselben Betrags Bedenken gegen die Richtigkeit ihrer Bestätigung hätte haben müssen.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [5] Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts liegt eine erhebliche Rechtsfrage nicht vor. Die Zurückweisung der Revision kann sich auf die Darstellung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO):</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [6] 1. Die Bank haftet für die (Un-)Richtigkeit (6 Ob 76/00w; 1 Ob 128/07s) ihrer Bestätigung nach § 10 Abs 3 GmbHG, wenn die Bestätigung schon im Zeitpunkt ihrer Ausstellung bedenklich war (siehe die Darstellung der Rechtsprechung in 3 Ob 99/08t GesRZ 2009, 35 [<span class="Kursiv">Lukas</span>]; RS0059584; vgl auch <span class="Kursiv">van Husen</span> in <span class="Kursiv">Straube/Ratka/Rauter</span>, GmbHG [127. Lfg 2021] § 10 Rz 473 ff [dieser sogar für verschuldensunabhängige Haftung eintretend in Rz 475]; <span class="Kursiv">Koppensteiner/Rüffler</span>, GmbH-Gesetz<span class="Hoch">3 </span>§ 10 Rz 29 [ebenso für verschuldensunabhängige Garantiehaftung]; <span class="Kursiv">A. Winkler/M. Winkler</span> in <span class="Kursiv">Foglar-Deinhardstein/Aburumieh/Hoffenscher-Summer</span>, GmbHG² [2024] § 10 Rz 25; <span class="Kursiv">Zollner</span> in <span class="Kursiv">Gruber/Harrich</span>, GmbHG² § 10 Rz 49 ff).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [7] 2. Der Umstand, dass ein völlig gleichartiger Sachverhalt vom Obersten Gerichtshof bisher noch nicht entschieden wurde, begründet nicht das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage (RS0107773). Gerade zur hier angesprochenen Haftung eines Kreditinstituts nach § 10 Abs 3 GmbHG wegen Unrichtigkeit seiner Bestätigung hat der Oberste Gerichtshof zu 3 Ob 99/08t bereits erläutert, dass eine erhebliche Rechtsfrage nicht vorliegt, wenn die für vergleichbare Sachverhalte entwickelten Grundsätze auf den konkreten Sachverhalt anwendbar sind und ohne groben Subsumtionsfehler angewendet wurden, wie dies auch hier der Fall ist.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [8] 3.1. Die Beklagte geht davon aus, dass die Bestätigung „nicht wahrheitswidrig“ erteilt worden sei. Dabei verkennt sie, dass es nicht darauf ankommt, ob formal vom Bevollmächtigten 30.000 EUR (tituliert) „als Stammeinlage“ bezahlt wurden, weil darin bloß der „formelle“ Zahlungszweck wiedergegeben wird. Maßgeblich ist, ob der Gesellschaft in dem Sinne Geldmittel als Stammeinlage „frei zur Vergügung“ standen, als ihr neue Mittel namens der Gesellschafter zugeführt wurden (vgl zum Fehlen „freier Verfügbarkeit“, wenn die Gesellschaft selbst für diesen Betrag haftet oder es sich um Umbuchungsvorgänge ohne tatsächlichen Geldfluss handelt, 6 Ob 76/00w). Dies war nach dem vom Berufungsgericht zugrundegelegten Sachverhalt, wonach die 30.000 EUR zuvor das Vermögen der Gesellschaft schmälernd abgehoben worden waren, die Einzahlung also aus dem Vermögen der Gesellschaft stammte, tatsächlich nicht der Fall.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [9] Bei (Bar-)Abhebung und (Bar-)Einzahlung desselben Betrags innerhalb von nicht einmal drei Minuten mussten sich der Bank (ihren Mitarbeitern) Bedenken, dass es sich um die selben Mittel handelte, also um Gelder, die aus dem Vermögen der Gesellschaft stammten, geradezu aufdrängen.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [10] 3.2. Ausgehend von dem hier konkret zu beurteilenden Sachverhalt liegt ganz klar ein fahrlässiger Sorgfaltsverstoß der Bank bei Ausstellung der unrichtigen Bestätigung vor. Der von der Beklagten angestrebten Untersuchung dahin, dass die Beklagte – wie von ihr eingefordert – „demselben Haftungsmaßstab“ zu unterliegen hätte wie dem an Notare anzulegenden, bedarf es nicht. Sie unterstellt damit implizit, aber unrichtig, dass das Berufungsgericht von unterschiedlichen Sorgfaltsmaßstäben bei Notaren im Vergleich zu Kreditinstituten ausgegangen wäre. Nach der Argumentation der Beklagten soll ihre Haftung deshalb nicht gegeben sein, weil bei hypothetischer Beteiligung eines Notars als Treuhänder dieser gar nicht die Möglichkeit gehabt hätte, anlässlich der Bestätigung zu überprüfen, ob der Betrag von 30.000 EUR nicht zuvor von einem Geschäftskonto der GmbH abgehoben worden war. Gleiches soll nach der Revision dann gelten, wenn mehrere Geschäftskonten – wiederum hier nicht vorliegend und rein hypothetisch – bei verschiedenen Kreditinstituten geführt worden wären. In Wahrheit geht es damit aber nicht um unterschiedliche Sorgfaltsmaßstäbe, sondern allenfalls um unterschiedliche Wissensstände der Aussteller der Bestätigung. Die Argumentation der Beklagten liefe darauf hinaus, dass eine Bank (ihre Mitarbeiter) sorgfaltswidrig ihren Kenntnisstand ausblenden dürfte(n), bloß weil dieses Wissen bei Befassung eines Notars (wahrscheinlich) nicht gegeben wäre. Zweifelsohne müsste aber auch einem Notar die Ausstellung einer Bestätigung nach § 10 Abs 3 GmbHG „bedenklich“ erscheinen, wenn er über die unmittelbar zuvor erfolgte Abhebung desselben Betrags vom Konto der Gesellschaft (und darüber hinaus durch dieselbe bevollmächtigte Person als Erleger) informiert gewesen wäre.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [11] 4. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Der Kläger hat auf die fehlende Zulässigkeit der Revision hingewiesen und ihre Zurückweisung beantragt.</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240920_OGH0002_0060OB00164_24X0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-16 | 2024-10-16 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240920_OGH0002_0060OB00164_24X0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240920_OGH0002_0060OB00164_24X0000_000/JJT_20240920_OGH0002_0060OB00164_24X0000_000.html | 6Ob164/24x | ECLI:AT:OGH0002:2024:0060OB00164.24X.0920.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der zu AZ 9 Cg 34/22t des Landesgerichts Feldkirch anhängigen Rechtssache der klagenden Parteien 1. M* S*, geboren am *, 2. Y* G*, geboren am *, 3. C* H*, geboren am *, 4. Mag. G* P*, geboren am *, 5. lic.oec. HSG G* T*, geboren am *, 6. D* I*, geboren am *, alle vertreten durch Giesinger, Ender, Eberle & Partner, Rechtsanwälte (OG) in Feldkirch, gegen die beklagte Partei Ing. Dipl.-BW (FH) A* M*, geboren am *, vertreten durch Weh Rechtsanwalt GmbH in Bregenz, wegen Unterlassung und Veröffentlichung (hier wegen Ablehnung), über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 30. Juli 2024, GZ 8 Nc 13/24t-3, in nichtöffentlicher Sitzung den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Rekurs wird zurückgewiesen.</p><p class="ErlText AlignLeft">Die Parteien haben die Kosten ihrer Rechtsmittelschriften selbst zu tragen.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [1] Die Kläger begehrten im Verfahren des Landesgerichts Feldkirch zu AZ 9 Cg 34/22t die Unterlassung der Veröffentlichung und Verbreitung eines Lichtbilds sowie die Entfernung und endgültige Löschung dieses Lichtbilds durch den Beklagten. Die Kläger seien dadurch, dass der Beklagte das Gruppenfoto ohne ihre Zustimmung als Titelbild auf seinem privaten und für jeden zugänglichen Facebook-Account eingestellt habe, in ihrem Recht am eigenen Bild nach § 78 UrhG, in ihren in § 16 ABGB normierten Persönlichkeitsrechten und in ihrem Grundrecht auf Datenschutz nach § 1 DSG verletzt. Sie hätten ein berechtigtes und schutzwürdiges Interesse an der Aufklärung der Facebook-Nutzer – sohin auch der Öffentlichkeit – darüber, dass sie zum Beklagten in keinem politischen Naheverhältnis mehr stünden und sie sich von dessen Politik ausdrücklich distanzierten.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [2] Das Landesgericht Feldkirch gab dem Klagebegehren statt.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [3] Gegen dieses Urteil erhob der Beklagte Berufung. Der nach der Geschäftsverteilung des Oberlandesgerichts Innsbruck zuständige Rechtsmittelsenat gab der Berufung nicht Folge. Er sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands im Berufungsverfahren hinsichtlich eines jeden Klägers nicht 5.000 EUR übersteige und die Revision jedenfalls unzulässig sei. Begründend wurde ausgeführt, das Erstgericht habe zu Recht ein berechtigtes Interesse der Kläger daran angenommen, dass das – für einen außenstehenden Betrachter jedenfalls Einigkeit und Einvernehmen der auf dem Lichtbild abgebildeten Personen suggerierende – Lichtbild nicht mehr veröffentlicht werde; es sei auch die für die Berechtigung des Unterlassungsbegehrens erforderliche Wiederholungsgefahr gegeben. Die Zulässigkeit der Revision sei im Fall der Geltendmachung mehrerer Ansprüche (hier Unterlassung und Veröffentlichung) in einer Klage nach § 55 Abs 1 JN zu lösen, weshalb eine gesonderte Bewertung des Unterlassungs- sowie des Veröffentlichungsbegehrens nicht zu erfolgen habe und ausgehend von der Bewertung der Kläger, gegen welche keine Bedenken bestünden, ein Gesamtstreitwert von 23.200 EUR zugrundezulegen sei. Da die Begehren von sechs Klägern, welche nach Ansicht des Berufungsgerichts keine materielle Streitgenossenschaft bildeten, erhoben worden seien, falle ein Sechstel dieses Streitwerts auf jeden der Kläger, weshalb die Revision hinsichtlich jedes Klägers nach § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig sei.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [4] Bezugnehmend auf diese, dem Beklagten am 19. 6. 2024 zugestellte Entscheidung des Oberlandesgerichts Innsbruck stellte der Beklagte am 3. 7. 2024 einen Ablehnungsantrag gegen die Mitglieder des Rechtsmittelsenats sowie einen „Erneuerungsantrag“ iSd § 363a StPO an den Obersten Gerichtshof. Diesen „Erneuerungsantrag“ wies der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 25. 7. 2024, 2 Nc 39/24v, als unzulässig zurück.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [5] Mit dem nun <span class="Fett">angefochtenen Beschluss</span> wies der Ablehnungssenat des Oberlandesgerichts Innsbruck (<span class="Fett">Erstgericht</span>) den Ablehnungsantrag als unberechtigt zurück. Das Rechtsmittelgericht habe seine Entscheidung unter Anführung der jeweiligen Gesetzesstellen sowie Verweis auf Rechtsprechung und Literatur ausführlich begründet, sodass – entgegen der Ansicht des Ablehnungswerbers – keine Willkür oder denkunmögliche Rechtsansicht zu erkennen sei. Selbst wenn die Entscheidung unrichtig wäre oder die Rechtsansicht von der herrschenden Rechtsprechung abgelehnt würde, seien derartige Meinungsverschiedenheiten in Rechtsfragen nicht im Ablehnungsverfahren auszutragen. Eine Unsachlichkeit im Sinne einer Befangenheit lasse sich daraus nicht erkennen.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"> [6] Der dagegen gerichtete, am 19. 8. 2024 eingebrachte <span class="Fett">Rekurs</span> des <span class="Fett">Ablehnungswerbers</span> ist <span class="Fett">nicht zulässig</span>.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [7] 1. Der (nicht bindende [RS0042424]) Ausspruch des Rechtsmittelsenats des Oberlandesgerichts Innsbruck, wonach die Revision jedenfalls unzulässig sei, traf nicht zu, weil die Kläger ihre Ansprüche auch auf eine Verletzung des Datenschutzgesetzes gestützt hatten. Solche Ansprüche sind nicht zu bewerten (6 Ob 236/23h [ErwGr 2.]).</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [8] 2. Der Beklagte hat gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts kein (zulässiges) Rechtsmittel erhoben. Mit dem ungenutzten Verstreichen der bis zum 20. 8. 2024 laufenden Rechtsmittelfrist wurde das Verfahren in der Hauptsache nach Erhebung des gegenständlichen Rekurses rechtskräftig beendet. Selbst eine stattgebende Entscheidung im Ablehnungsverfahren könnte keinen Einfluss mehr auf die rechtskräftige Entscheidung in der Hauptsache haben (vgl 1 Ob 141/19w; RS0045978 [insb T3, T7]; RS0046032; RS0041933 [T15, T23, T24, T35]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [9] 3. Der Rekurs ist demnach mangels Beschwer zurückzuweisen (1 Ob 141/19w [ErwGr 2.]).</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [10] 4. Die Kostenentscheidung im hier vorliegenden Zwischenstreit über die Ablehnung (RS0126588) gründet auf § 50 Abs 2 ZPO. Wer – wie hier die Rechtsmittelwerberin durch Unterlassung der Anfechtung in der Hauptsache – den Wegfall des Rechtsschutzinteresses (der Beschwer) selbst zu vertreten hat, hat keinen Kostenersatzanspruch für das unzulässige Rechtsmittel (vgl 6 Ob 21/22i; 6 Ob 302/00f; RS0114749). Die Kläger wiederum haben auf die Unzulässigkeit des Rekurses wegen des rechtskräftig abgeschlossenen Hauptverfahrens in ihrer Rekursbeantwortung nicht hingewiesen. Ihr Schriftsatz war daher nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig.</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240920_OGH0002_0060OB00219_23H0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-14 | 2024-10-15 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240920_OGH0002_0060OB00219_23H0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240920_OGH0002_0060OB00219_23H0000_000/JJT_20240920_OGH0002_0060OB00219_23H0000_000.html | 6Ob219/23h | ECLI:AT:OGH0002:2024:0060OB00219.23H.0920.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch Mag. Robert Haupt, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei C* GmbH, *, vertreten durch Baker McKenzie Rechtsanwälte LLP & Co KG in Wien, wegen Unterlassung, im Verfahren über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. August 2023, GZ 13 R 41/23d-33, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 28. Dezember 2022, GZ 2 Cg 96/21h-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Das Verfahren wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) über den vom Bundesgerichtshof (Deutschland) am 26. September 2023 zu VI ZR 97/22 beschlossenen und zu C-655/23 des Europäischen Gerichtshofs behandelten Antrag auf Vorabentscheidung unterbrochen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft">Nach Vorliegen der Vorabentscheidung wird das Verfahren von Amts wegen fortgesetzt.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [1] Die Beklagte betreibt das Gewerbe einer Auskunftei über Kreditverhältnisse gemäß § 152 GewO 1994 und verarbeitet zum Zweck der Ausübung dieses Gewerbes personenbezogene Daten.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [2] Der Kläger begehrt es, der Beklagten zu untersagen, Dritten weiteren Zugriff auf die von der Beklagten betriebene „Identitäts- und Bonitätsdatenbank“ hinsichtlich der personenbezogenen Daten des Klägers zu gewähren, solange diese Daten – aus im einzelnen angeführten Gründen – unrechtmäßig verarbeitet würden.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [3] Der deutsche Bundesgerichtshof legte mit Beschluss vom 26. 9. 2023 (Aktenzahl VI ZR 97/22) in einem Verfahren, in dem eine Mitarbeiterin der dort Beklagten unter Verletzung des Art 6 Abs 1 DSGVO über einen Messenger-Dienst eine nur für den dort Kläger bestimmte Nachricht auch an eine dritte Person versandt hatte, dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) unter anderem folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor:</span></p><p class="ErlText AlignLeft">„1.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">a) Ist Art 17 DSGVO dahingehend auszulegen, dass der betroffenen Person, deren personenbezogene Daten von dem Verantwortlichen unrechtmäßig durch Weiterleitung offengelegt wurden, ein Anspruch gegen den Verantwortlichen auf Unterlassung einer erneuten unrechtmäßigen Weiterleitung dieser Daten zusteht, wenn sie vom Verantwortlichen keine Löschung der Daten verlangt?</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">b) Kann sich ein solcher Unterlassungsanspruch (auch) aus Art 18 DSGVO oder einer sonstigen Bestimmung der DSGVO ergeben?</span></p><p class="ErlText AlignLeft">2. Falls die Fragen 1a) und/oder 1b) bejaht werden:</p><p class="ErlText AlignLeft">a) Besteht der unionsrechtliche Unterlassungsanspruch nur dann, wenn künftig weitere Beeinträchtigungen der sich aus der DSGVO ergebenden Rechte der betroffenen Person zu besorgen sind (Wiederholungsgefahr)?</p><p class="ErlText AlignLeft">b) Wird das Bestehen der Wiederholungsgefahr gegebenenfalls aufgrund des bereits vorliegenden Verstoßes gegen die DSGVO vermutet?</p><p class="ErlText AlignLeft">3. Falls die Fragen 1a) und 1b) verneint werden:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Sind Art 84 iVm Art 79 DSGVO dahingehend auszulegen, dass sie es dem nationalen Richter erlauben, der betroffenen Person, deren personenbezogene Daten von dem Verantwortlichen unrechtmäßig durch Weiterleitung offengelegt wurden, neben dem Ersatz des materiellen oder immateriellen Schadens nach Art 82 DSGVO und den sich aus Art 17 und Art 18 DSGVO ergebenden Ansprüchen einen Anspruch gegen den Verantwortlichen auf Unterlassung einer erneuten unrechtmäßigen Weiterleitung dieser Daten nach den Bestimmungen des nationalen Rechts zuzusprechen?“</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [4] Der Bundesgerichtshof begründete diese Vorlagefragen damit, dass der dort Kläger nicht die Löschung seiner unter Verstoß gegen die DSGVO verarbeiteten personenbezogenen Daten begehre und daneben die Unterlassung deren neuerlicher Speicherung, sondern nur eine Wiederholung der unrechtmäßigen Verarbeitung im Wege einer Unterlassungsklage verhindern wolle. Ob der Kläger dieses Begehren auf einen aus Art 17 Abs 1 und/oder Art 18, Art 4 Abs 3 DSGVO, eventuell auch aus Art 79 DSGVO ableitbaren unionsrechtlichen Unterlassungsanspruch stützen könne, sei weder durch die Rechtsprechung des EuGH geklärt noch im Übrigen klar zu beantworten. Wenn nach den Bestimmungen der DSGVO kein unionsrechtlicher Unterlassungsanspruch in Betracht komme, stelle sich die Frage, ob insoweit über Art 84 iVm Art 79 DSGVO auf das nationale Recht zurückgegriffen werden könne oder ob dem das Ziel eines gleichmäßigen Datenschutzniveaus innerhalb der Union (vgl ErwGr 9 und 10 zur DSGVO) entgegenstehe. Auch diese Frage sei durch den EuGH bisher nicht geklärt.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [5] Das Vorabentscheidungsverfahren ist zur Zahl C-655/23 (Rs <span class="Kursiv">IP </span>gegen<span class="Kursiv"> Quirin Privatbank AG</span>) vor dem EuGH anhängig. Eine Entscheidung des EuGH liegt noch nicht vor.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [6] Die Beantwortung dieser Frage ist auch für den Ausgang des vorliegenden Verfahrens präjudiziell, weil auch hier die Unterlassung der erneuten unrechtmäßigen Offenlegung personenbezogener Daten des Klägers begehrt wird, ohne die Löschung der Daten zu verlangen.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [7] Sollte der EuGH die vom Bundesgerichtshof vorgelegten Fragen 1 bis 3 dahin beantworten, dass der dort angesprochene Unterlassungsanspruch nicht besteht und auch nicht auf das nationale Recht zurückgegriffen werden kann, wäre damit auch dem Klagebegehren im vorliegenden Fall die Rechtsgrundlage entzogen.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [8] Der Oberste Gerichtshof hat von einer allgemeinen Wirkung der Vorabentscheidung des EuGH auszugehen und diese auch für andere als den unmittelbaren Anlassfall anzuwenden. Es ist daher zweckmäßig und geboten, mit der Entscheidung über die gegen die Beklagte geltend gemachten Unterlassungsansprüche bis zur Entscheidung des EuGH über das bereits gestellte Vorabentscheidungsersuchen zuzuwarten und das gegenständliche Revisionsverfahren zu unterbrechen (RS0110583 [T3]; vgl 6 Ob 89/23s; 6 Ob 201/22k).</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240920_OGH0002_0060OB00116_24P0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-11 | 2024-10-11 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240920_OGH0002_0060OB00116_24P0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240920_OGH0002_0060OB00116_24P0000_000/JJT_20240920_OGH0002_0060OB00116_24P0000_000.html | 6Ob116/24p | ECLI:AT:OGH0002:2024:0060OB00116.24P.0920.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. P*, vertreten durch Dr. Peter Schmautzer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei E* GmbH, *, vertreten durch HASCH UND PARTNER Rechtsanwälte GmbH in Wien, und deren Nebenintervenienten 1. K*, vertreten durch Dr. Johannes Öhlböck LL.M., Rechtsanwalt in Wien, 2. DI R*, vertreten durch Dr. Manfred Wiener und andere Rechtsanwälte in Wien, 3. B* GmbH, *, vertreten durch Mag. Martin Stärker, Rechtsanwalt in Wien, 4. M* e.U., *, vertreten durch Dr. Eric Agstner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Leistung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 15. Mai 2024, GZ 2 R 30/24g-88, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 22. November 2023, GZ 14 Cg 77/22s-70, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft">Die Revision wird zurückgewiesen.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p><p class="ErlText AlignLeft"> [1] Der Kläger macht Gewährleistungsansprüche aus einem mit der Beklagten abgeschlossenen Kaufvertrag von Anteilen an einer Liegenschaft geltend. Das Urteil des Berufungsgerichts wurde ihm am 6. 6. 2024 zugestellt.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [2] Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 11. 6. 2024 zu * wurde über das Vermögen der Beklagten das Konkursverfahren eröffnet.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"> [3] Die am 21. 6. 2024 erhobene Revision des Klägers ist unzulässig:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [4] Gemäß § 7 Abs 1 IO werden durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens alle anhängigen Rechtsstreitigkeiten, in denen der Schuldner Kläger oder Beklagter ist, mit Ausnahme einer (hier nicht vorliegenden) Streitigkeit iSd § 6 Abs 3 IO unterbrochen. Die Unterbrechung tritt ex lege ein, und zwar auch im Stadium des Rechtsmittelverfahrens (RS0036996 [T4]), ohne dass eine (deklarative) Feststellung dieser Unterbrechung durch das Prozessgericht erfolgen müsste (1 Ob 276/99s). Ein Beschluss auf Fortsetzung des Verfahrens wurde vom dafür zuständigen Erstgericht, bei dem sich das Verfahren befand, als die Unterbrechungswirkung eintrat, nicht gefasst (vgl RS0037225 [T3]; 2 Ob 213/76; zur Notwendigkeit der Beschlussfassung siehe zuletzt 6 Ob 15/20d).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [5] Parteihandlungen, die während aufrechter Unterbrechung vorgenommen werden, sind dem Gegner gegenüber ohne rechtliche Wirkung (§ 163 Abs 2 ZPO) und daher zurückzuweisen (RS0036967; RS0037093; RS0037150).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [6] Die Revision des Klägers wurde erst nach Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Beklagten erhoben. Sie ist daher zurückzuweisen.</p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240920_OGH0002_0060OB00148_24V0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-14 | 2025-01-15 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240920_OGH0002_0060OB00148_24V0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240920_OGH0002_0060OB00148_24V0000_000/JJT_20240920_OGH0002_0060OB00148_24V0000_000.html | 6Ob148/24v | ECLI:AT:OGH0002:2024:0060OB00148.24V.0920.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. A*, 2. H*, beide *, vertreten durch Dr. Katrin Hainbuchner und andere Rechtsanwälte in Kirchberg in Tirol, wider die beklagten Parteien 1. P*, Slowakei, 2. K*, Slowakei, 3. B* GmbH, *, alle vertreten durch Mag. Michal Slany, Rechtsanwalt in Wien, wegen restlich 14.400 EUR sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 13. Juni 2024, GZ 4 R 52/24m-87, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Kitzbühel vom 15. Februar 2024, GZ 1 C 57/22p-81, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft">Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.</p><p class="ErlText AlignLeft">Der Beschluss des Erstgerichts wird im Verfahren gegen die erst- und zweitbeklagten Parteien wiederhergestellt.</p><p class="ErlText AlignLeft">Die erst- und zweitbeklagten Parteien sind schuldig, den klagenden Parteien die mit 2.575,94 EUR (darin enthalten 429,32 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p><p class="ErlText AlignLeft"> [1] Über die zwischen den Parteien anhängige Mietzins- und Räumungsklage wurde vom Erstgericht mit Urteil vom 1. 2. 2023 im klagsstattgebenden Sinn entschieden. Dieses Urteil umfasste damit auch den für den Monat November 2022 in Höhe von 14.400 EUR geltend gemachten Betrag, um welchen die Kläger in der letzten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 24. 11. 2022 die Klage ausgedehnt hatten. Diese Tagsatzung war von den Beklagten unbesucht geblieben.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [2] Infolge der (Nichtigkeits-)Berufung der Beklagten bestätigte das Berufungsgericht das Ersturteil als Teilurteil im Umfang des ursprünglichen Klagsbetrags. Im Umfang der Fällung einer Entscheidung auch über den – in Abwesenheit der Beklagten – ausgedehnten Betrag von 14.400 EUR hob es hingegen das Ersturteil wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs der Beklagten (als nichtig) auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [3] Der gegen das Teilurteil erhobenen außerordentlichen Revision der Beklagten wurde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 17. 1. 2024 zu 6 Ob 222/23z nicht Folge geben.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [4] Nach Zustellung des Beschlusses des Obersten Gerichtshofs erklärten die <span class="Fett">Kläger</span> mit Schriftsatz vom 14. 2. 2024, das „Klagebegehren auf Zahlung des Bestandzinses für den Monat November 2022 in der Höhe von EUR 14.400,00 samt 4 % Zinsen seit 02.11.2022 ohne Anspruchsverzicht zurückzuziehen“.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [5] Das <span class="Fett">Erstgericht</span> nahm die Zurücknahme des restlichen Klagebegehrens (beschlussmäßig und gegenüber allen Beklagten) zur Kenntnis. Die Klagszurückziehung ohne Anspruchsverzicht sei zulässig, weil die Beklagten mangels Teilnahme an der Tagsatzung vom 24. 11. 2022 noch nicht einbezogen worden seien.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [6] Das <span class="Fett">Rekursgericht</span> gab dem Rekurs des Erst- und der Zweitbeklagten (im Weiteren nur mehr: die Beklagten) Folge und wies die Klagsrücknahme ohne Anspruchsverzicht im Verfahren gegen diese beiden Beklagten zurück. Eine Klagszurücknahme ohne Zustimmung der Beklagten sei aufgrund der damaligen Berufung nicht mehr möglich, weil damit bereits eine Streiteinlassung erfolgt sei. Mit der ersten prozessual vorgesehenen Handlung dem Gericht gegenüber anerkenne der Gesetzgeber den vom Beklagten geltend gemachten kostenrelevanten Aufwand als ausreichend, die Zurücknahme der Klage ohne Anspruchsverzicht nicht mehr zuzulassen. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil Rechtsprechung zur Frage der Streiteinlassung durch Erhebung einer Berufung fehle.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"> [7] Der von den Beklagten beantwortete <span class="Fett">Revisionsrekurs</span> ist <span class="Fett">zulässig</span> und <span class="Fett">berechtigt</span>.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [8] 1. Der Beschluss, mit dem eine Fortsetzung des Verfahrens abgelehnt wird, also auch ein solcher, mit dem eine Klagsrücknahme zur Kenntnis genommen wird, ist nach ständiger Rechtsprechung anfechtbar (RS0039796; RS0037404).</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [9] 2. § 237 ZPO soll – unter den darin normierten Bedingungen – eine mehrmalige Inanspruchnahme des Beklagten wegen desselben materiell-rechtlichen Anspruchs gegen seinen Willen, also ohne die endgültige Klärung des Streitfalls herbeiführen zu können, verhindern (vgl RS0039805; 7 Ob 67/01f).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [10] Die Parteien stellen für jenen Zeitpunkt, ab dem die Klagsrücknahme nicht mehr ohne Anspruchsverzicht und ohne Zustimmung der Gegenseite möglich sein soll, auf deren „Streiteinlassung“ ab, wobei sie ihre schon im Rekursverfahren verfolgte Argumentation wiederholen. Die Kläger unterstreichen, es habe eine Streiteinlassung im Verfahren erster Instanz mangels Vortrags in der Verhandlung nicht stattgefunden. Die Beklagten stehen nach wie vor auf dem Standpunkt, es genüge für die nach außen hin erkennbare Streiteinlassung die Bestreitung des Klagsanspruchs mittels Berufung.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [11] 3.1. Soweit beide Parteien über den Zeitpunkt der „Streiteinlassung“ debattieren, gilt es klarzustellen, dass dieser Begriff in § 237 Abs 1 ZPO nicht verwendet wird. Für die Frage der Zulässigkeit der Klagsrücknahme kommt es zentral darauf an, ob jene prozessualen Schritte (oder zumindest wertungsmäßig vergleichbare Schritte) gesetzt wurden, wie sie von § 237 Abs 1 ZPO als die Möglichkeit der Zurücknahme einer Klage ohne Verzicht auf den Anspruch und ohne Zustimmung des Gegners verhindernd normiert worden sind, ob also insofern eine „Streiteinlassung“ in dem von § 237 Abs 1 ZPO angesprochenen Sinn bereits stattgefunden hat.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [12] 3.2. Das Gesetz knüpft in § 237 Abs 1 ZPO an das „Einlangen der Klagebeantwortung oder des Einspruchs gegen den Zahlungsbefehl“ an.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [13] Nach der zuvor (vor dem Entfall der ersten Tagsatzung und der Einführung des Mahnverfahrens auch im Gerichtshofverfahren mit der ZVN 2002) geltenden Fassung von § 237 ZPO (BGBl 1983/135) konnte die Klagsrücknahme ohne Anspruchsverzicht und ohne Zustimmung des Beklagten „bis zum Beginn der ersten Tagsatzung, wenn aber der Beklagte zu dieser nicht erscheint, auch noch in der ersten Tagsatzung und, wenn keine erste Tagsatzung stattfindet (§ 243 Abs 4), noch bis zum Einlangen der Klagebeantwortung zurückgenommen werden“.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [14] Diese das Verfahren vor den Gerichtshöfen regelnde Bestimmung war (immer schon) auch im bezirksgerichtlichen Verfahren anzuwenden (§ 431 Abs 1 ZPO idStF).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [15] 3.3. Auch wenn damit im bezirksgerichtlichen Verfahren außerhalb des Mahnverfahrens der maßgebliche Zeitpunkt mittlerweile im Gesetz nicht (mehr) explizit geregelt ist, ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien zur ZVN 2002, dass damals (bloß) jener Zeitpunkt wegen des mit der Novelle normierten Entfalls der ersten Tagsatzung (offenbar ohne besondere Beachtung des bezirksgerichtlichen Verfahrens) als „einfacher“ zu umschreiben angesehen worden (962 BlgNR 21. GP 29) und eine Änderung der Rechtslage nicht angestrebt war (so auch <span class="Kursiv">Annerl</span>, Zeitliche Grenzen der Zurücknahme der Klage, ÖJZ 2014, 251).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [16] Im bezirksgerichtlichen Verfahren außerhalb des Mahnverfahrens ist daher (weiterhin) die Zurücknahme ohne Anspruchsverzicht und ohne Zustimmung auch nach Beginn der vorbereitenden Tagsatzung vor Eingehen in die Verhandlung zur Sache möglich (1 Ob 99/06z unter Verweis auf <span class="Kursiv">Fasching</span>, Lehrbuch² Rz 1247; zust <span class="Kursiv">Annerl</span>, aaO [253]; <span class="Kursiv">Lovrek</span> in <span class="Kursiv">Fasching/Konecny</span><span class="Hoch">3</span> § 237 ZPO Rz 17).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [17] 3.4. Zwar soll – wie eingangs ausgeführt – § 237 ZPO eine mehrmalige Inanspruchnahme des Beklagten gegen seinen Willen wegen desselben materiell-rechtlichen Anspruchs, ohne dessen endgültige Klärung des Streitfalls herbeiführen zu können, verhindern (vgl RS0039805; 7 Ob 67/01f). Die Bestimmung knüpft dafür aber nicht daran an, ob dem Beklagten schon ein Aufwand erwachsen ist (weil etwa die Klagebeantwortung schon erstellt, aber noch nicht eingelangt ist), und auch nicht daran, ob ein Beklagter dem Gericht gegenüber erkennbar eine Reaktion auf die Klage gezeigt hat (etwa durch das Erscheinen in der vorbereitenden Tagsatzung), woraus im Allgemeinem geschlossen werden kann, dass er sich der Forderung widersetzen will.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [18] Kostenfolgen entstehen einem Beklagten – sofern er nicht darüber eine Vereinbarung mit dem Kläger schließt – ohnehin (gleich, ob die Klagerücknahme ohne oder unter Anspruchsverzicht erklärt wird) nicht, weil § 237 Abs 3 ZPO dafür sorgt, dass dem Beklagten die Kosten in jedem Fall zu ersetzen sind.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [19] 3.5. Erkennbar hat § 237 ZPO ein typisches und regelhaft verlaufendes erstinstanzliches Verfahren über „die Klage“ vor Augen. Weder wird darin – wiewohl die Zivilprozessordnung die Möglichkeit einer Klageänderung in § 235 ZPO vorsieht – auf eine Klageausdehnung rekurriert noch wird auf nicht regelhafte Verfahrensabläufe Rücksicht genommen (wie etwa hier: Fällung eines Urteils nach Ausdehnung in Abwesenheit der Gegenseite, sodass die Beklagten erst über die Zustellung von Protokoll und Urteil über die Geltendmachung dieser Forderung in Kenntnis gesetzt wurden).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [20] 3.6. Der erkennende Senat teilt bei Betrachtung des vorliegenden Sonderfalls die Ansicht des Rekursgerichts, in der Berufung liege eine Streiteinlassung iSd § 237 Abs 1 ZPO, sodass eine Zurücknahme der Klage ohne Anspruchsverzicht ohne Zustimmung der Beklagten nicht mehr möglich war, nicht:</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [21] Die Berufungsschrift ist nicht Teil des erstinstanzlichen Verfahrens, sondern des Verfahrens zweiter Instanz. Die darin enthaltenen Erklärungen dienen dazu, Nichtigkeiten, Verfahrens- oder Entscheidungsfehler des Erstgerichts aufzugreifen. Eine an das Erstgericht gerichtete (und dort eingelangte) Prozesserklärung, wie sie in § 237 ZPO mit dem Einspruch oder der Klagebeantwortung (oder der Bestreitung in der Sache in der vorbereitenden Tagsatzung) angesprochen wird, liegt darin nicht. Durch die Aufhebung des Urteils und die Zurückverweisung in die erste Instanz wird das Verfahren vielmehr in einen bestimmten Stand des erstgerichtlichen Verfahrens „zurückgesetzt“.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [22] Die Rückverweisung erfolgte hier in ein Prozessstadium, in dem die Kläger die Forderung zwar bei Gericht erhoben hatten, eine Ladung der Beklagten diesbezüglich aber noch nicht erfolgt war. Damit ist aber die Klagerücknahme ohne Anspruchsverzicht zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem eine „erste“ Prozesshandlung der Beklagten im Verfahren erster Instanz noch ausstand, und konnte seitens der Kläger (wirksam) ohne Anspruchsverzicht und ohne Zustimmung der Beklagten erfolgen.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [23] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50 und 41 ZPO. Die Klärung der Frage nach einer Beendigung des Verfahrens erfolgte in einem selbständigen Zwischenstreit (1 Ob 99/06z; 2 Ob 54/18g). Der Kostenvorbehalt (in der Hauptsache) steht der Kostenentscheidung im Zwischenstreit nicht entgegen (vgl RS0129365 [T3]). Das Rechtsmittelverfahren betraf die drittbeklagte Partei nicht, weswegen der Streitgenossenzuschlag zu kürzen war.</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240920_OGH0002_0060OB00193_23K0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-10 | 2025-01-03 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240920_OGH0002_0060OB00193_23K0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240920_OGH0002_0060OB00193_23K0000_000/JJT_20240920_OGH0002_0060OB00193_23K0000_000.html | 6Ob193/23k | ECLI:AT:OGH0002:2024:0060OB00193.23K.0920.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte, 1041 Wien, Prinz-Eugen-Straße 20–22, vertreten durch Dr. Walter Reichholf, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei E* GmbH, *, vertreten durch Weimann Kesselgruber Rechtsanwalts OG in Wien, wegen 1.935,70 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom 7. August 2023, GZ 1 R 91/23p-23, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 3. März 2023, GZ 14 C 281/22h-19, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft">Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.</p><p class="ErlText AlignLeft">Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p><p class="ErlText AlignLeft"> [1] Die Rechtsvorgängerin der beklagten Immobilienmaklerin (in der Folge ebenfalls als Beklagte bezeichnet) vermittelte M* P*, einem Verbraucher (in der Folge: Mieter), einen auf drei Jahre befristeten Mietvertrag über eine Wohnung in Wien. Aufgrund der zwischen den Parteien getroffenen Provisionsvereinbarung vom 13. 6. 2017 und der Rechnung der Beklagten vom 8. 9. 2017 bezahlte der Mieter am 8. 9. 2017 an die Beklagte die vereinbarte Vermittlungsprovision von zwei Bruttomonatsmieten in Höhe das Klagsbetrags.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [2] Die Beklagte war Alleingesellschafterin der damaligen Hausverwaltung, einer GmbH, die den Mietvertrag namens der Liegenschaftseigentümerin abschloss. Der Mieter wurde nicht schriftlich auf das Naheverhältnis bzw die gesellschaftlichen Verflechtungen zwischen der Hausverwaltung und der Beklagten hingewiesen.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [3] Der Mieter trat seine Ansprüche gegenüber der Beklagten im Zusammenhang mit der für die Vermittlung des Bestandobjekts geleisteten Maklerprovision zum Inkasso und zur Klagsführung an die Klägerin ab.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [4] Die <span class="Fett">Klägerin</span> begehrt mit ihrer am 2. 6. 2022 eingebrachten Klage die Rückzahlung der geleisteten Maklerprovision und brachte vor, die Rechtsvorgängerin der Beklagten hätte den Mieter auf das bestehende Naheverhältnis zur Hausverwaltung hinweisen müssen. Da der Hinweis unterblieben sei, bestehe kein Provisionsanspruch und die Zahlung sei rechtsgrundlos erfolgt, weshalb sie zurückgefordert werden könne. Selbst bei einem Hinweis wäre nur die Hälfte des Provisionsanspruchs zugestanden. Der Anspruch sei nicht verjährt. Es komme hier die 30-jährige Verjährungsfrist zur Anwendung. Überdies sei auch § 27 MRG – zumindest analog – anzuwenden, der eine zehnjährige Verjährungsfrist festlege.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [5] Die <span class="Fett">Beklagte</span> wendete ein, es liege kein Naheverhältnis vor, über das sie hätte aufklären müssen. Zudem sei der Anspruch verjährt, weil hier die dreijährige Verjährungsfrist zur Anwendung komme. Eine – auch analoge – Anwendung der zehnjährigen Verjährungsfrist des § 27 MRG scheide aus bzw sei diese Bestimmung nicht einschlägig.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [6] Das <span class="Fett">Erstgericht</span> wies das Klagebegehren ab. Das vermittelte Bestandsobjekt habe lediglich dem Teilanwendungsbereich des MRG (§ 1 Abs 4 MRG) unterlegen. Die Anwendung der zehnjährigen Verjährungsfrist des § 27 MRG scheide daher aus. Es habe eine wirtschaftliche Nahebeziehung bestanden, sodass die Verrechnung der Provision nach § 6 Abs 4 MaklerG nicht zulässig gewesen sei; nach § 21 Abs 1 ImmMV hätte höchstens die Hälfte der Provision verrechnet werden dürfen. Der Anspruch sei aber verjährt, weil hier die dreijährige Verjährungsfrist nach § 11 MaklerG zur Anwendung komme.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [7] Das <span class="Fett">Berufungsgericht</span> verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück. Es war, der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 3 Ob 236/22k folgend, der Ansicht, der hier geltend gemachte Rückforderungsanspruch zufolge rechtsgrundloser Zahlung unterliege der dreijährigen Verjährungsfrist des § 11 MaklerG. Die zehnjährige Verjährungsfrist des § 27 Abs 3 MRG könne nicht analog herangezogen werden. Auch § 11 Satz 2 MaklerG über die Hemmung der Verjährung sei auf den Rückforderungs-anspruch des Auftraggebers anzuwenden, weil diesem keine besondere Sach- und Rechtskenntnis zukomme und er daher schutzwürdiger als der Makler sei. Dies gelte insbesondere dann, wenn es sich beim Auftraggeber um einen Verbraucher handle. Demnach wäre die Verjährung des Rückforderungsanspruchs somit allenfalls solange gehemmt, als der Auftraggeber vom anspruchsbegründenden Sachverhalt keine Kenntnis gehabt habe. Allerdings seien diese Aspekte bislang unerörtert geblieben. Zur Vermeidung einer Überraschungs-entscheidung sei daher die erstinstanzliche Entscheidung aufzuheben, und die Sach- und Rechtslage mit den Parteien zu erörtern. Im fortgesetzten Verfahren sei zu prüfen, ob die dargelegte Hemmung der Verjährung hier zum Tragen komme.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [8] Das Berufungsgericht ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu, weil die Ausführungen zur Anwendung des § 11 Satz 2 MaklerG über die Hemmung der Verjährung auf den Rückforderungsanspruch des Auftraggebers in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 3 Ob 236/22k als obiter dictum erfolgt seien und diese Frage auch im Hinblick auf einen mietrechtlichen Fall bislang nicht Gegenstand höchstgerichtlicher Entscheidungen gewesen sei. Ebenso sei eine allfällige analoge Geltung der zehnjährigen Verjährungsfrist nach § 27 Abs 3 MRG bislang nicht vom Obersten Gerichtshof behandelt worden.</span></p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"> [9] Der <span class="Fett">Rekurs</span> der <span class="Fett">Beklagten</span> ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund <span class="Fett">zulässig</span>; er ist aber <span class="Fett">nicht berechtigt</span>.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [10] Der Rekurs wendet sich lediglich gegen die vom Berufungsgericht vertretene Rechtsansicht, wonach die Regelung über die Fortlaufshemmung nach § 11 Satz 2 MaklerG zum Tragen komme und demnach eine Verjährung des Rückforderungsanspruchs allenfalls solange gehemmt wäre, als der Auftraggeber vom anspruchsbegründenden Sachverhalt keine Kenntnis gehabt habe.</span></p><p class="ErlText AlignLeft">Hiezu wurde erwogen:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [11] 1. Die Klägerin ist gesetzlich befugt, individuelle Ansprüche, die ihr zur Geltendmachung abgetreten werden, klageweise geltend zu machen (§ 502 Abs 5 Z 3 ZPO). Diese Befugnis erfasst Ansprüche (unabhängig von ihrer Natur), die abgetreten werden können und deren Wahrnehmung in den Aufgabenbereich der in § 29 KSchG genannten Verbände fällt (RS0122125). Die Klageforderung fällt in den Aufgabenbereich der Klägerin (vgl § 4 Abs 2 Z 5 Arbeiterkammergesetz 1992 [AKG]). Diese ist daher berechtigt, die vom Mieter abgetretene Geldforderung geltend zu machen. Damit ist die Revision gemäß § 502 Abs 5 Z 3 ZPO unabhängig von der Höhe des Streitwerts zulässig.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [12] 2. Es ist nicht strittig, dass der gegenständliche Mietvertrag lediglich dem Teilanwendungsbereich des MRG (§ 1 Abs 4) unterlag. In dritter Instanz ist auch nicht mehr strittig, dass der Beklagten kein Provisionsanspruch zustand, weil sie den Mieter entgegen § 6 Abs 4 MaklerG iVm § 30b KSchG nicht schriftlich auf das wirtschaftliche Naheverhältnis zur Verkäuferin der Wohnung hingewiesen hatte. Nach diesen Bestimmungen hat der Makler keinen Provisionsanspruch, wenn er den Auftraggeber auf das wirtschaftliche Naheverhältnis zur Hausverwaltung (vgl dazu 3 Ob 294/03m; RS0114077 [T2]) und damit auf die mögliche Interessenkollision nicht (unverzüglich und schriftlich) hingewiesen hat (vgl 3 Ob 236/22k [ErwGr 1.]; 1 Ob 79/01a; RS0115498).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [13] 3. Nach der Rechtsprechung können Provisionszahlungen bei einem Verstoß gegen § 6 Abs 4 MaklerG als rechtsgrundlose Zahlung einer Nichtschuld gemäß § 1431 ABGB zurückgefordert werden (3 Ob 236/22k [ErwGr 2.1.]; vgl 3 Ob 294/03m).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [14] 4. Für den hier geltend gemachten Rückforderungsanspruch der Klägerin iSd § 1431 ABGB gelangt die dreijährige Verjährungsfrist des § 11 MaklerG unmittelbar zur Anwendung:</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [15] 4.1. Der Oberste Gerichtshof hat jüngst mit ausführlicher Begründung ausgesprochen, dass dann, wenn der Auftraggeber die Provision trotz eines fehlenden Hinweises nach § 6 Abs 4 Satz 3 MaklerG irrtümlich rechtsgrundlos zahlt, für seinen Rückforderungsanspruch iSd § 1431 ABGB die dreijährige Verjährungsfrist des § 11 MaklerG unmittelbar zur Anwendung gelangt (3 Ob 236/22k = RS0134334).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [16] 4.2. Die Revisionsrekursbeantwortung greift die Entscheidungskritik <span class="Kursiv">Bergers</span> (Zur Verjährung der Rückforderung von Maklerprovisionen, ImmoZak 2023, 66) auf, wonach aus den Materialien (RV 2 BlgNR 20. GP 23) ersichtlich sei, dass § 11 MaklerG die Bestimmungen in § 29 HVertrG 1993 iVm § 29 HVG 1921 iVm § 17 HVG 1921 ersetzt habe. Nach diesen Bestimmungen verjährten ausdrücklich nur Provisionen und Barauslagen, nicht jedoch bereicherungsrechtliche Ansprüche. In Zusammenschau mit § 10 MaklerG spreche einiges dagegen, dass der Gesetzgeber hier eine wesentliche Ausdehnung der vorangegangenen Verjährungsbestimmungen bezweckte, obwohl die Materialien im Zusammenhang mit der Vorgängerregelung nur darauf hinwiesen, dass diese insofern geändert werde, als nicht mehr an den Abrechnungszeitpunkt angeknüpft werde.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [17] Der Oberste Gerichtshof hat sich in der genannten Entscheidung jedoch auch mit den Gesetzesmaterialien beschäftigt (3 Ob 236/22k [ErwGr 4.2.]) und ausgeführt, dass § 11 MaklerG den primären Zweck verfolgt, die Regelung des § 1486 Z 6 ABGB, die vor allem Entgeltansprüche (und Ansprüche auf Auslagenersatz) bestimmter selbständiger (freiberuflicher) Berufsgruppen der dreijährigen Verjährungsfrist unterwirft, auf die Provisionsansprüche der Makler zu übertragen. Die Entscheidung setzte sich auch damit auseinander, dass in den Gesetzesmaterialien die Regelung des § 11 MaklerG zwar in erster Linie damit begründet werde, dass „Forderungen aus Maklerverträgen“ in § 1486 Z 6 ABGB nicht aufgezählt seien, jedoch der Gesetzgeber die Wendung „Ansprüche aus dem Makler[<span class="Kursiv">vertrags</span>]verhältnis“ verwendet hat und dieser Begriff weiter geht als der Begriff „Maklervertrag“. Den von <span class="Kursiv">Berger</span> ins Treffen geführten weiteren gegenteiligen Lehrmeinungen (<span class="Kursiv">Fromherz</span>, MaklerG § 11 Rz 2 und 4; <span class="Kursiv">Gartner/Karandi</span>, MaklerG<span class="Hoch">3</span> § 11 Rz 3 und 5 [daran anknüpfend auch <span class="Kursiv">Kothbauer</span> in GeKo Wohnrecht II § 11 MaklerG Rz 3; <span class="Kursiv">Humpel/Michtner</span> in <span class="Kursiv">Illedits/Reich-Rohrwig</span>, Wohnrecht<span class="Hoch">4</span> § 11 MaklerG Rz 2; <span class="Kursiv">Noss</span>, Maklerrecht<span class="Hoch">4</span> § 11 Rz 85]) folgte die Entscheidung mit Verweis auf den anderslautenden Gesetzeswortlaut nicht.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [18] Damit spricht diese Entscheidung den Vorrang der grammatikalischen und der systematisch-logischen Auslegung an (vgl RS0008765) und knüpft ihr Ergebnis an den Gesetzeswortlaut. Denn die historische Auslegung, die Feststellung des Willens des geschichtlichen Gesetzgebers anhand der Gesetzesmaterialien, bedarf besonderer Vorsicht, weil die Norm mit ihrem Wortlaut, mit ihrer Systematik und in ihrem Zusammenhang mit anderen Normen über der Meinung der Redaktoren steht (vgl RS0008776; RS0008800).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [19] 4.3. Aus der kurz vor der genannten Entscheidung ergangenen Entscheidung 7 Ob 40/23t ist nichts Gegenteiliges zu gewinnen, weil dort kein Anspruch aus einem Maklervertragsverhältnis zu beurteilen war, sondern eine Verpflichtung der dort Beklagten aus der Abrechnung treuhändig eingehobener Versicherungsprovisionen (7 Ob 40/23t [ErwGr 5.2.]).</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [20] 4.4. Das Auslegungsergebnis der Entscheidung 3 Ob 236/22k steht überdies im Einklang mit dem in der jüngeren Rechtsprechung in Ansehung der Verjährung von Kondiktionsansprüchen verfolgten differenzierenden Ansatz, demzufolge die Verjährung analog nach der Art des Anspruchs zu beurteilen ist, an dessen Stelle die Kondiktion tritt (vgl 8 Ob 110/16h; 7 Ob 137/18z; 9 Ob 44/21t). Es besteht insbesondere eine klare Tendenz der Rechtsprechung, die dreijährige Verjährungsfrist des § 1486 ABGB auch auf (Bereicherungs-)Ansprüche zu erstrecken, die funktionell vertraglichen Erfüllungsansprüchen ähneln oder wirtschaftlich an deren Stelle treten (ausführlich 6 Ob 112/22x [ErwGr 3.3.]; 4 Ob 181/13s; 10 Ob 62/16i; 9 Ob 2/17k). So ist nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung (8 ObA 5/13p) auf Kondiktionsansprüche aus einem ungültigen, ansonsten aber § 1486 ABGB unterliegenden Rechtsgeschäft die in dieser Bestimmung angeordnete kurze Verjährung anzuwenden (6 Ob 112/22x [ErwGr 3.3.]; RS0034137 [T6]). Diese Grundsätze wurden auch bereits im Zusammenhang mit § 1486 Z 6 ABGB judiziert (8 Ob 145/19k [Bereicherungsanspruch eines Klienten wegen überhöhter Rechtsanwaltshonorare]; 10 Ob 148/05w), welche Regelung durch § 11 MaklerG auf die Ansprüche aus dem Maklervertragsverhältnis übertragen werden sollte (vgl 3 Ob 236/22k [ErwGr 4.2.]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [21] 4.5. § 27 MRG ist im vorliegenden Fall nicht unmittelbar anwendbar (vgl § 1 Abs 4 MRG). Eine dem gewonnenen Auslegungsergebnis entgegenstehende Wertungsdivergenz zu § 27 Abs 3 MRG (so <span class="Kursiv">Prader</span>, Immobilienmaklerrecht³ § 6 Anm 4 aE) ist ebenfalls nicht zu erblicken. Denn die für den dort geregelten Sonderfall angeordnete (längere) zehnjährige Verjährungsfrist bewirkt weder eine Schlechterstellung des durch den Vollanwendungsbereich geschützten Mieters noch bedeutet die in § 27 Abs 1 Z 3 MRG verpönte und sogar mit Verwaltungsstrafe bedrohte (§ 27 Abs 5 MRG) Leistung eines offenbar übermäßigen Vermittlungsentgelts eine bloß „geringere“ Verfehlung des Maklers als ein Verstoß gegen die Hinweispflicht des § 6 Abs 4 letzter Satz MaklerG.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [22] 4.6. Zutreffend hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass für eine analoge Anwendung der Verjährungsfrist des § 27 Abs 3 MRG schon aufgrund der unmittelbaren Anwendbarkeit des § 11 MaklerG kein Raum verbleibt, weil insoweit keine zu schließende planwidrige Gesetzeslücke vorliegt (RS0008866 [T1, T2, T4, T7]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [23] 4.7. Für ein Abgehen von der Entscheidung 3 Ob 236/22k besteht daher kein Anlass.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [24] 5. § 11 Satz 2 MaklerG über die Hemmung der Verjährung (des Verjährungsbeginns) ist für den hier zu beurteilenden Rückforderungsanspruch des Auftraggebers analog anzuwenden:</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [25] 5.1. Allgemein beginnt die Verjährung mit dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem das Recht nach objektiven Gesichtspunkten erstmals geltend gemacht werden kann, grundsätzlich also mit Entstehung und Fälligkeit des Anspruchs (vgl RS0034343). Dementsprechend normiert auch § 11 MaklerG, dass die Verjährung ab Fälligkeit beginnt. Bei einem Bereicherungsanspruch nach § 1431 ABGB beginnt die Verjährungsfrist nach der Rechtsprechung grundsätzlich mit der rechtsgrundlosen Leistungserbringung (RS0020197; 3 Ob 236/22k [ErwGr 5.2.]; 8 Ob 145/19k), im vorliegenden Fall also mit der Zahlung der Provision durch den Mieter.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [26] Soweit das Gesetz keine Ausnahmen macht, hat die Kenntnis des Berechtigten vom Bestehen des Anspruchs oder der Person des Verpflichteten keinen Einfluss auf den Beginn der Verjährung (5 Ob 115/23g [ErwGr 2.]; RS0034337; RS0034343; RS0034445; RS0034248 [T7, T8, T9, T12]). Die im Regelfall irrelevante Unkenntnis des Anspruchsinhabers hindert den Beginn der Verjährungsfrist lediglich dann, wenn sie auf ein arglistiges Verhalten des Anspruchsgegners zurückzuführen ist (RS0034292). Daher tritt nach ständiger Rechtsprechung ganz grundsätzlich die Verjährung eines Rechts – außerhalb von an die Kenntnis anknüpfenden besonderen Verjährungsregeln wie insbesondere § 1489 ABGB – auch dann ein, wenn der Berechtigte keine Kenntnis von diesem Recht hatte (9 ObA 113/18k [ErwGr 2.3.]; RS0034337).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [27] 5.2. Eine solche Ausnahme sieht auch § 11 Satz 2 MaklerG vor. Nach dieser Bestimmung beginnt die Verjährung – im Sinn einer Fortlaufshemmung – erst mit Kenntnis des Maklers vom Zustandekommen des vermittelten Geschäfts, also des nach § 7 Abs 1 MaklerG anspruchsbegründenden Sachverhalts (vgl RS0127104). Dadurch soll der Makler, der vom Geschäftsabschluss nicht erfahren konnte, vor dem Verlust seines Provisionsanspruchs durch Verjährung geschützt werden. Aufgrund der gegenseitigen Interessenwahrungspflicht, speziell der Benachrichtigungspflicht gemäß § 3 Abs 3 MaklerG, muss der Auftraggeber den Makler vom Abschluss eines erfolgreich vermittelten Geschäfts informieren (3 Ob 236/22k [ErwGr 5.3.]; vgl RV 2 BlgNR 20. GP 23).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [28] 5.3. Der gegenseitigen Interessenwahrungspflicht dient aber auch die Hinweispflicht des § 6 Abs 4 Satz 3 MaklerG. Wie dem Makler vom Abschluss des erfolgreich vermittelten Geschäfts kommt auch dem Auftraggeber im Regelfall keine besondere Sachkenntnis über bestehende familiäre oder wirtschaftliche Naheverhältnisse des Maklers iSd § 6 Abs 4 MaklerG zu. Zugkräftige Gründe, weshalb der Makler vor dem Verlust seines Provisionsanspruchs durch Verjährung geschützt wird, ein solcher Schutz dem Auftraggeber hinsichtlich eines wegen der Verletzung des § 6 Abs 4 MaklerG bestehenden Rückforderungsanspruchs jedoch nicht zukommen sollte, sind nicht erkennbar. Daher ist § 11 Satz 2 MaklerG über die Hemmung der Verjährung (des Verjährungsbeginns) gleichermaßen für den hier zu beurteilenden Rückforderungsanspruch des Auftraggebers analog anzuwenden (in diesem Sinne schon 3 Ob 236/22k [ErwGr 5.4.]; insoweit zustimmend auch <span class="Kursiv">Berger</span>, Zur Verjährung der Rückforderung von Maklerprovisionen, ImmoZak 2023, 66).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [29] 5.4. Damit ist die Verjährung dieses Rückforderungsanspruchs des Auftraggebers solange gehemmt, als er vom anspruchsbegründenden Sachverhalt keine Kenntnis hatte. Der für die Begründung des Rückforderungsanspruchs nach § 6 Abs 4 MaklerG maßgebende Sachverhalt betrifft jene Umstände, die das Bestehen eines familiären oder wirtschaftlichen Naheverhältnisses begründen, und das Fehlen des diesbezüglichen Hinweises des Maklers auf dieses Naheverhältnis.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [30] 5.5. Auf einen daraus resultierenden Entfall des Provisionsanspruchs muss der Makler den Auftraggeber hingegen nicht hinweisen. Nicht entscheidend für den Beginn des Laufs der Verjährungsfrist ist auch, ob und wann der Auftraggeber neben dem anspruchsbegründenden Sachverhalt auch Kenntnis von seinem sich daraus ergebenden Rückforderungsanspruch erlangt (so im Ergebnis auch 3 Ob 236/22k [ErwGr 5.5.]). Dies ergibt sich schon aus den erörterten Grundsätzen, wonach die Verjährung eines Rechts auch dann eintritt, wenn der Berechtigte keine Kenntnis von diesem Recht hatte (Punkt 5.1.). Daran ändert eine Verbrauchereigenschaft des Berechtigen (hier des Auftraggebers) nichts (vgl 5 Ob 115/23b; 3 Ob 236/22k [ErwGr 5.5.]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [31] Der Anwendungsbereich des Unionsrechts ist im vorliegenden Fall nicht eröffnet. Schon deshalb steht der dargelegten nationalen Rechtslage die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) im Zusammenhang mit der Verjährung von aus missbräuchlichen Klauseln abgeleiteten Ansprüchen von Verbrauchern (vgl die Erwägungen in 3 Ob 236/22k [ErwGr 5.4.] unter Hinweis auf EuGH C-776/19, <span class="Kursiv">BNP Paribas Personal Finance</span>, [Rn 46]; C-80/21, <span class="Kursiv">DBP</span>, [Rn 98]) nicht entgegen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [32] 6. Es hat daher bei der vom Berufungsgericht beschlossenen Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung und Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zu bleiben. Dabei wird die Beklagte Gelegenheit haben, ihr diesbezügliches, erstmals im Rekurs vorgetragenes und damit gegen das Neuerungsverbot verstoßendes Tatsachenvorbringen zur behaupteten Kenntnis des Mieters vom Naheverhältnis der Beklagten zur Hausverwalterin zu erstatten und unter Beweis zu stellen.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [33] 7. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240920_OGH0002_0060OB00063_24V0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-14 | 2024-10-16 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240920_OGH0002_0060OB00063_24V0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240920_OGH0002_0060OB00063_24V0000_000/JJT_20240920_OGH0002_0060OB00063_24V0000_000.html | 6Ob63/24v | ECLI:AT:OGH0002:2024:0060OB00063.24V.0920.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*, Israel, vertreten durch Maitre Raphael Seidler, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei F*, vertreten durch Frimmel Anetter Schaal Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Klagenfurt am Wörthersee, wegen 209.000 EUR sA, im Verfahren über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 16. Februar 2024, GZ 3 R 263/23g-36, womit das Urteil des Bezirksgerichts Kitzbühel vom 3. August 2023, GZ 2 C 667/22a-27, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft">Die Zurückziehung der Revision dient zur Kenntnis.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p><p class="ErlText AlignLeft"> [1] Mit Schriftsatz vom 10. 6. 2024 zog die Klägerin ihre vor Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Beklagten mit Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 16. 4. 2024 zu * eingebrachte Revision zurück.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [2] Die Unterbrechung des Revisionsverfahrens nach § 7 IO steht der Wirksamkeit dieser Zurückziehung des Rechtsmittels als zur endgültigen Erledigung des Prozesses führende Parteihandlung nicht entgegen (RS0037082; <span class="Kursiv">Gitschthaler</span> in <span class="Kursiv">Rechberger/Klicka</span>, ZPO<span class="Hoch">5</span> § 163 Rz 4).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [3] Gemäß § 484 ZPO iVm § 513 ZPO ist die Zurückziehung des Rechtsmittels bis zur Entscheidung über dieses zulässig und mit deklarativem Beschluss zur Kenntnis zu nehmen (RS0110466 [T9]).</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240920_OGH0002_0060OB00112_24Z0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-09 | 2025-01-02 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240920_OGH0002_0060OB00112_24Z0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240920_OGH0002_0060OB00112_24Z0000_000/JJT_20240920_OGH0002_0060OB00112_24Z0000_000.html | 6Ob112/24z | ECLI:AT:OGH0002:2024:0060OB00112.24Z.0920.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. R*, vertreten durch Mag. Robert Haupt, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei C* GmbH, *, vertreten durch Baker McKenzie Rechtsanwälte LLP & Co KG in Wien, wegen Unterlassung, im Verfahren über die Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 17. April 2024, GZ 13 R 149/23m-40, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 11. April 2023, GZ 62 Cg 39/21t-31, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Das Verfahren wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) über den vom Bundesgerichtshof (Deutschland) am 26. September 2023 zu VI ZR 97/22 beschlossenen und zu C-655/23 des Europäischen Gerichtshofs behandelten Antrag auf Vorabentscheidung unterbrochen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft">Nach Vorliegen der Vorabentscheidung wird das Verfahren von Amts wegen fortgesetzt.</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [1] Die Beklagte betreibt das Gewerbe einer Auskunftei über Kreditverhältnisse gemäß § 152 GewO 1994 und verarbeitet zum Zweck der Ausübung dieses Gewerbes personenbezogene Daten.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [2] Der Kläger begehrt es, der Beklagten zu untersagen, Dritten weiteren Zugriff auf die von der Beklagten betriebene „Identitäts- und Bonitätsdatenbank“ hinsichtlich der personenbezogenen Daten des Klägers zu gewähren, solange diese Daten – aus im einzelnen angeführten Gründen – unrechtmäßig verarbeitet würden.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [3] Der deutsche Bundesgerichtshof legte mit Beschluss vom 26. 9. 2023 (Aktenzahl VI ZR 97/22 ) in einem Verfahren, in dem eine Mitarbeiterin der dort Beklagten unter Verletzung des Art 6 Abs 1 DSGVO über einen Messenger-Dienst eine nur für den dort Kläger bestimmte Nachricht auch an eine dritte Person versandt hatte, dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) unter anderem folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor:</span></p><p class="ErlText AlignLeft">„1.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">a) Ist Art 17 DSGVO dahingehend auszulegen, dass der betroffenen Person, deren personenbezogene Daten von dem Verantwortlichen unrechtmäßig durch Weiterleitung offengelegt wurden, ein Anspruch gegen den Verantwortlichen auf Unterlassung einer erneuten unrechtmäßigen Weiterleitung dieser Daten zusteht, wenn sie vom Verantwortlichen keine Löschung der Daten verlangt?</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">b) Kann sich ein solcher Unterlassungsanspruch (auch) aus Art 18 DSGVO oder einer sonstigen Bestimmung der DSGVO ergeben</span></p><p class="ErlText AlignLeft">2. Falls die Fragen 1a) und/oder 1b) bejaht werden:</p><p class="ErlText AlignLeft">a) Besteht der unionsrechtliche Unterlassungsanspruch nur dann, wenn künftig weitere Beeinträchtigungen der sich aus der DSGVO ergebenden Rechte der betroffenen Person zu besorgen sind (Wiederholungsgefahr)?</p><p class="ErlText AlignLeft">b) Wird das Bestehen der Wiederholungsgefahr gegebenenfalls aufgrund des bereits vorliegenden Verstoßes gegen die DSGVO vermutet?</p><p class="ErlText AlignLeft">3. Falls die Fragen 1a) und 1b) verneint werden:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Sind Art 84 iVm Art 79 DSGVO dahingehend auszulegen, dass sie es dem nationalen Richter erlauben, der betroffenen Person, deren personenbezogene Daten von dem Verantwortlichen unrechtmäßig durch Weiterleitung offengelegt wurden, neben dem Ersatz des materiellen oder immateriellen Schadens nach Art 82 DSGVO und den sich aus Art 17 und Art 18 DSGVO ergebenden Ansprüchen einen Anspruch gegen den Verantwortlichen auf Unterlassung einer erneuten unrechtmäßigen Weiterleitung dieser Daten nach den Bestimmungen des nationalen Rechts zuzusprechen?“</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [4] Der Bundesgerichtshof begründete diese Vorlagefragen damit, dass der dort Kläger nicht die Löschung seiner unter Verstoß gegen die DSGVO verarbeiteten personenbezogenen Daten begehre und daneben die Unterlassung deren neuerlicher Speicherung, sondern nur eine Wiederholung der unrechtmäßigen Verarbeitung im Wege einer Unterlassungsklage verhindern wolle. Ob der Kläger dieses Begehren auf einen aus Art 17 Abs 1 und/oder Art 18, Art 4 Abs 3 DSGVO, eventuell auch aus Art 79 DSGVO ableitbaren unionsrechtlichen Unterlassungsanspruch stützen könne, sei weder durch die Rechtsprechung des EuGH geklärt noch im Übrigen klar zu beantworten. Wenn nach den Bestimmungen der DSGVO kein unionsrechtlicher Unterlassungsanspruch in Betracht komme, stelle sich die Frage, ob insoweit über Art 84 iVm Art 79 DSGVO auf das nationale Recht zurückgegriffen werden könne oder ob dem das Ziel eines gleichmäßigen Datenschutzniveaus innerhalb der Union (vgl ErwGr 9 und 10 zur DSGVO) entgegenstehe. Auch diese Frage sei durch den EuGH bisher nicht geklärt.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [5] Das Vorabentscheidungsverfahren ist zur Zahl C-655/23 (Rs <span class="Kursiv">IP</span> gegen <span class="Kursiv">Quirin Privatbank AG</span>) vor dem EuGH anhängig. Eine Entscheidung des EuGH liegt noch nicht vor.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [6] Die Beantwortung dieser Frage ist auch für den Ausgang des vorliegenden Verfahrens präjudiziell, weil auch hier die Unterlassung der erneuten unrechtmäßigen Offenlegung personenbezogener Daten des Klägers begehrt wird, ohne die Löschung der Daten zu verlangen.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [7] Sollte der EuGH die vom Bundesgerichtshof vorgelegten Fragen 1 bis 3 dahin beantworten, dass der dort angesprochene Unterlassungsanspruch nicht besteht und auch nicht auf das nationale Recht zurückgegriffen werden kann, wäre damit auch dem Klagebegehren im vorliegenden Fall die Rechtsgrundlage entzogen.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [8] Der Oberste Gerichtshof hat von einer allgemeinen Wirkung der Vorabentscheidung des EuGH auszugehen und diese auch für andere als den unmittelbaren Anlassfall anzuwenden. Es ist daher zweckmäßig und geboten, mit der Entscheidung über die gegen die Beklagte geltend gemachten Unterlassungsansprüche bis zur Entscheidung des EuGH über das bereits gestellte Vorabentscheidungsersuchen zuzuwarten und das gegenständliche Revisionsverfahren zu unterbrechen (RS0110583 [T3]; vgl 6 Ob 89/23s; 6 Ob 201/22k).</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240920_OGH0002_0060OB00129_24Z0000_000 | Justiz | OGH | 2024-11-06 | 2025-01-03 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240920_OGH0002_0060OB00129_24Z0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240920_OGH0002_0060OB00129_24Z0000_000/JJT_20240920_OGH0002_0060OB00129_24Z0000_000.html | 6Ob129/24z | ECLI:AT:OGH0002:2024:0060OB00129.24Z.0920.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Abstammungssache des Antragstellers R*, geboren am *, vertreten durch Dax Wutzlhofer & Partner Rechtsanwälte GmbH in Oberwart, wider die Antragsgegnerin M*, geboren am * 2017, *, wegen Feststellung der Unwirksamkeit eines Vaterschaftsanerkenntnisses, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 17. Mai 2024, GZ 16 R 46/24i-10, in nichtöffentlicher Sitzung den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.</span></p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p><p class="ErlText AlignLeft"> [1] Der Antragsteller strebt die Unwirksamerklärung des von ihm abgegebenen Vaterschaftsanerkenntnisses an.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [2] Die <span class="Fett">Vorinstanzen</span> wiesen den Antrag übereinstimmend ab, weil schon nach dem Vorbringen des Antragstellers die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Unwirksamerklärung nicht vorlägen.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"> [3] Der <span class="Fett">außerordentliche Revisionsrekurs</span> des Antragsteller ist <span class="Fett">nicht</span> <span class="Fett">zulässig</span>:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [4] Nach § 66 Abs 1 Z 1 AußStrG kann im Verfahren außer Streitsachen als Revisionsrekursgrund geltend gemacht werden, dass „ein Fall der §§ 56, 57 Z 1 oder 58“ gegeben ist. Sogar der Anfechtungsgrund der Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 66 Abs 1 Z 1 iVm § 58 Abs 1 Z 1 AußStrG), bei dem eine Partei etwa gar nicht gehört wurde, ist dadurch gekennzeichnet, dass er nicht absolut – wie die Nichtigkeitsgründe der ZPO – wirkt, sondern nur dann zur Aufhebung führen kann, wenn er zum Nachteil des Rechtsmittelwerbers ausschlagen könnte (RS0120213 [bes T20, T22]). Der Rechtsmittelwerber hat daher die Relevanz dieses Verfahrensverstoßes aufzuzeigen (RS0120213 [T14, T21]). Er muss darlegen, welches konkrete (zusätzliche) Vorbringen er erstattet bzw welche konkreten weiteren Beweismittel er angeboten hätte, wenn der Gehörverstoß nicht stattgefunden hätte (RS0120213 [T9]). Anderes kann auch im vorliegenden Fall nicht gelten, zumal der Antrag als unschlüssig abgewiesen wurde. Selbst bei Berücksichtigung seines gesamten Vorbringens (also selbst aufgrund der Angaben im Revisionsrekursverfahren [vgl § 58 Abs 1 AußStrG]), wäre ihm (auch bei Nachweis der bisher behaupteten Umstände) nicht stattzugeben:</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [5] Der Antragsteller, dessen erstinstanzliches Vorbringen sich dahin zusammenfassen lässt, dass ihm bewusst gewesen sei, dass er die Vaterschaft vor dem Standesamt übernommen habe, obwohl er nicht der leibliche Vater der Antragsgegnerin und auch nicht mit der Mutter des Kindes verheiratet gewesen sei, sie („wir“) hätten damals im Familienkreis beschlossen, dass er die Vaterschaft – für das Kind der Schwester seiner Frau – übernehme, obwohl er nicht der Vater sei, um dem Kind eine Sicherheit zu geben, moniert im Revisionsrekurs, er habe (im Rekurs) unmissverständlich erklärt, dass er (von seiner Ex-Frau „mit dem Beenden der Beziehung“) unter Druck gesetzt worden sei (das Kind von deren Schwester anzuerkennen). Wäre er mündlich gehört worden (vgl § 83 Abs 1 AußStrG), wäre das Erstgericht zum Ergebnis gekommen, dass sein Vaterschaftsanerkenntnis durch ungerechte und gegründete Furcht veranlasst worden sei.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [6] Die in § 154 Abs 2 ABGB normierte Frist für die Antragstellung ist eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist (<span class="Kursiv">Höllwerth </span>in KBB<span class="Hoch">7</span> § 154 Rz 6). Wenn der Antrag nach dem Gesetzeswortlaut von einem Antragsteller „längstens bis […] gestellt werden kann“, muss er diese für seinen Standpunkt günstige Tatsache behaupten (auch in Verfahren, die vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht werden RS0106638; RS0037797 [T12]; RS0109832 [T7]). Darauf, dass ein Antrag längstens bis zum Ablauf von zwei Jahren nach Entdeckung der Täuschung, des Irrtums oder der genannten Umstände oder nach Wegfall der Zwangslage erhoben werden kann, war er vom Erstgericht nicht nur zweimal hingewiesen, sondern auch zweimalig (durch Unterstreichung optisch hervorgehoben) unter Fristsetzung dazu aufgefordert worden, entsprechendes Vorbringen für „das Vorliegen […] des Nichtablaufs der zweijährigen Frist“ zu erstatten. Eine Angabe dazu erfolgte aber dazu bis zuletzt nicht. Dem Antrag wäre daher auch noch nach den Angaben im Revisionsrekurs und ohne dass es darüber hinaus darauf ankäme, dass er zur „ungerechten und gegründeten Furcht“ wegen des Drohens „mit dem Beenden der Beziehung“ keine näheren Begleitumstände (wie etwa eine wirtschaftliche Abhängigkeit von seiner damaligen Frau) darlegte, kein Erfolg beschieden.</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240920_OGH0002_0060OB00157_24T0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-07 | 2024-11-12 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240920_OGH0002_0060OB00157_24T0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240920_OGH0002_0060OB00157_24T0000_000/JJT_20240920_OGH0002_0060OB00157_24T0000_000.html | 6Ob157/24t | ECLI:AT:OGH0002:2024:0060OB00157.24T.0920.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S* S*, vertreten durch Gottgeisl Leinsmer Weber Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei N* Ltd, *, Malta, vertreten durch Mag. Simon Wallner Rechtsanwalt GmbH in Wien, wegen 64.615 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 3. Juli 2024, GZ 4 R 102/24p-24, den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.</span></p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p><p class="ErlText AlignLeft"> [1] Die Beklagte hat ihren Sitz in Malta. Sie verfügt über keine nationale Glücksspiellizenz in Österreich, bietet aber hier auf einer von ihr betriebenen Website Online-Glücksspiele an. Die Klägerin, eine Verbraucherin, spielte zu ihrem privaten Vergnügen Slot-Spiele (Automaten-Spiele). Sie erlitt im Zeitraum Juni 2020 bis Februar 2023 Verluste in Höhe des Klagebetrags.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [2] Die <span class="Fett">Vorinstanzen</span> gaben der von der Klägerin auf die Unwirksamkeit der Glücksspielverträge gestützten Klage auf Rückersatz statt.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [3] 1. Der (inhaltlich bestätigende) Beschluss des Berufungsgerichts über die Verwerfung der Einrede der internationalen Unzuständigkeit unterliegt den Anfechtungsbeschränkungen des § 519 Abs 1 ZPO und ist somit unanfechtbar (RS0123463; <span class="Kursiv">G. Kodek</span> in <span class="Kursiv">Fasching/Konecny</span><span class="Hoch">3</span> § 261 ZPO Rz 87). Damit liegt aber eine den Obersten Gerichtshof bindende Entscheidung nach § 42 Abs 3 JN vor (4 Ob 117/22t [Rz 6]). Ein Vorabentscheidungsersuchen zur Frage der internationalen Zuständigkeit ist nicht erforderlich, weil diese Frage mangels Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht zu prüfen ist (1 Ob 118/22t [Rz 10]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [4] 2. Auf einen – hier vorliegenden – Verbrauchervertrag ist im Anwendungsbereich von Art 6 Rom I-VO grundsätzlich das Recht des Staats, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Verbraucherstaat), anzuwenden. Das Verbraucherstatut gelangt unter anderem dann zur Anwendung (Art 6 Abs 1 lit b leg cit), wenn der Unternehmer seine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit auf den Verbraucherstaat ausrichtet. Den Begriff „Ausrichten“ hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) dahin ausgelegt, dass der Unternehmer seinen Willen zum Ausdruck gebracht haben muss, Geschäftsbeziehungen zu Verbrauchern eines oder mehrerer anderer Mitgliedstaaten, darunter des Wohnsitzmitgliedstaats des Verbrauchers, herzustellen (vgl EuGH, <span class="Kursiv">Pammer </span>und<span class="Kursiv"> Hotel Alpenhof</span>, C-585/08 und C-144/09 [Rn 75, 93]), was insbesondere bei auf Österreich ausgerichteten Online-Aktivitäten – wie hier – der Fall ist (7 Ob 213/21f [Rz 5]; 7 Ob 155/23d [Rz 14]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [5] Eine Dienstleistung wird nur dann im Sinn des Ausnahmetatbestands des Art 6 Abs 4 lit a Rom I-VO „ausschließlich“ außerhalb des Mitgliedstaats erbracht, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenn dieser keine Möglichkeit hat, sie in seinem Aufenthaltsstaat in Anspruch zu nehmen und sich zu diesem Zweck ins Ausland begeben muss (EuGH <span class="Kursiv">Verein für Konsumenteninformation</span>, C-272/18, Rn 52). Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor (7 Ob 213/21f [Rz 6]; 7 Ob 155/23d [Rz 15]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [6] Nach Art 12 Abs 1 Rom I-VO sind grundsätzlich alle vertragsrechtlichen Fragen nach dem einheitlichen Vertragsstatut (hier Verbraucherstatut) zu beurteilen. Das gilt nach Art 12 Abs 1 lit e leg cit auch für die Folgen der Nichtigkeit des Vertrags. Für die Rückabwicklung nichtiger Verträge gilt somit das Recht des Vertragsstatuts (3 Ob 44/22z [Rz 15]; 2 Ob 40/22d [Rz 13]; 6 Ob 12/22s [Rz 15 f]). Das Vertragsstatut (Verbraucherstatut) verweist im Anlassfall auf österreichisches Recht (7 Ob 155/23d [Rz 16]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [7] 3. Nach ständiger Rechtsprechung steht § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB einem (bereicherungsrechtlichen) Rückforderungsanspruch hinsichtlich der Spieleinsätze für ein (verbotenes) Online-Glücksspiel nicht entgegen, weil die entsprechenden Einsätze nicht gegeben werden, um das verbotene Spiel zu bewirken, sondern um am Spiel teilzunehmen. Damit ist § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB schon seinem Wortlaut nach nicht anwendbar. Darauf, ob der Spieler durch die Teilnahme am verbotenen Spiel (selbst) einen Verwaltungsstraftatbestand erfüllt (konkret § 52 Abs 5 GspG), kommt es daher nicht an. Gegenteiliges kann auch den Entscheidungen 5 Ob 506/96 und 10 Ob 2429/96w nicht entnommen werden (zuletzt etwa 1 Ob 91/24z [Rz 5]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [8] 4. Der Oberste Gerichtshof hat – im Einklang mit der Rechtsprechung der beiden anderen österreichischen Höchstgerichte – auf Basis der einschlägigen Judikatur des EuGH in mehreren aktuellen Entscheidungen neuerlich festgehalten, dass das österreichische System der Glücksspiel-Konzessionen einschließlich der Werbemaßnahmen der Konzessionäre im hier relevanten Zeitraum nach gesamthafter Würdigung aller tatsächlichen Auswirkungen auf den Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben entspricht und nicht gegen Unionsrecht verstößt (vgl nur 1 Ob 95/23m; 1 Ob 111/23i; 1 Ob 78/24p). Die Beurteilung des Berufungsgerichts entspricht dieser Rechtsprechung.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [9] 5. Zu den Voraussetzungen der unionsrechtlichen Zulässigkeit eines Glücksspielmonopols sowie der dadurch bewirkten Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit liegt bereits umfangreiche Rechtsprechung des EuGH vor (vgl die Hinweise in 5 Ob 30/21d). Entgegen der Darstellung der Revision ergibt sich aus der Entscheidung des EuGH C-920/19, <span class="Kursiv">Fluctus</span>, kein Verbot für ein nationales Gericht, sich auf Vorentscheidungen „höherer“ (nationaler) Gerichte (hier auf in zahlreichen Parallelverfahren ergangene Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs) zu berufen. Vielmehr sprach der EuGH darin bloß aus, dass eine gegen Art 56 AEUV verstoßende Bestimmung des nationalen Rechts auch dann nicht angewendet werden dürfe, wenn ein „höheres“ nationales Gericht diese als mit dem Unionsrecht vereinbar ansah, dessen Erwägungen aber offensichtlich nicht dem Unionsrecht entsprachen (vgl insbesondere Rn 58 der genannten Entscheidung des EuGH). Dass und bei welcher nationalen Norm dies hier der Fall gewesen wäre, vermag die Revision nicht aufzuzeigen. Der Senat sieht daher keinen Anlass, das von der Beklagten angeregte Vorabentscheidungsersuchen zu stellen (vgl 2 Ob 23/23f [Rz 10]). Der behauptete Feststellungsmangel und damit eine (sekundäre) Mangelhaftigkeit der Berufungsentscheidung, weil Feststellungen „zum Thema Unionsrechtswidrigkeit“ fehlten, ist damit nicht zu erkennen. Eine neuerliche Befassung des EuGH ist im Hinblick auf dessen Entscheidungen zu C-390/12, C-79/17 und C-545/18 entbehrlich (7 Ob 199/23z; 7 Ob 204/23k).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [10] 6. Einer Unterbrechung des Verfahrens bis zur Entscheidung des EuGH über das Vorabentscheidungsersuchen zu C-440/23 bedarf es nicht, weil die dort zu klärenden unionsrechtlichen Fragen – soweit sie nicht ohnehin die spezifisch deutsche Situation betreffen – im Hinblick auf die zu Punkt 5. zuletzt angeführten Entscheidungen des EuGH bereits geklärt erscheinen (vgl etwa 7 Ob 199/23z; 7 Ob 202/23s; 7 Ob 203/23p; 7 Ob 204/23k; 4 Ob 219/23v; 9 Ob 72/23p; 8 Ob 31/24b). Die vom deutschen Bundesgerichtshof zu I ZR 90/23 an den EuGH zu C-530/24 gestellten Vorabentscheidungsfragen betreffen den Rechtsstreit schon deshalb nicht, weil die Beklagte einräumt, keine Konzession nach dem österreichischen Glücksspielrecht beantragt zu haben. Damit konnte auch kein sie betreffendes Verfahren zur Konzessionserteilung unionsrechtswidrig durchgeführt worden sein.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [11] 7. Da somit Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu beurteilen sind, ist die außerordentliche Revision zurückzuweisen.</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240920_OGH0002_0060OB00221_23B0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-18 | 2025-01-02 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240920_OGH0002_0060OB00221_23B0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240920_OGH0002_0060OB00221_23B0000_000/JJT_20240920_OGH0002_0060OB00221_23B0000_000.html | 6Ob221/23b | ECLI:AT:OGH0002:2024:0060OB00221.23B.0920.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. G*, geboren am * 1969, *, vertreten durch MMag. Dr. Susanne Binder-Novak, Rechtsanwältin in St. Pölten, wider die beklagte Partei G* Limited, Reg Nr *, *, Irland, vertreten durch Baker McKenzie Rechtsanwälte LLP & Co KG in Wien, wegen Löschung und Unterlassung sowie 5.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 23. Oktober 2023, GZ 12 R 35/23i-83, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 12. Jänner 2023, GZ 9 Cg 50/20v-78, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.</p><p class="ErlText AlignLeft">Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben.</p><p class="ErlText AlignLeft">Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.</p><p class="ErlText AlignLeft">Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p><p class="ErlText AlignLeft"> [1] Die Klägerin ist Fachärztin für Augenheilkunde und Optometrie. Die Beklagte ist eine nach irischem Recht gegründete und registrierte Gesellschaft. Sie „betreibt im europäischen Raum die angebotenen G*-Dienste“.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [2] Für die Verwendung der G*-Suchmaschine durch Nutzer in Österreich betreibt sie die Domain www.g*.at. Der von der Beklagten betriebene streitgegenständliche Dienst (G* My Business) ist ein verbraucherorientiertes Produkt, das sowohl über die G*-Suche als auch über den G*-Kartendienst (G* Maps) abrufbar ist. Er enthält Informationen über lokale Unternehmen und Sehenswürdigkeiten. Diese Informationen setzen sich aus öffentlich verfügbaren Daten (zB Name, Telefonnummer, Adresse und Öffnungszeiten) und Beiträgen einschließlich Bewertungen von Nutzern zusammen.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [3] G* My Business ermöglicht es Unternehmen in den G*-Diensten ein von ihnen selbst gestaltbares Unternehmensprofil zu erstellen. Dazu ist es erforderlich, dass sich der Unternehmer als Inhaber des Unternehmens bei G* My Business anmeldet, ein Bestätigungsverfahren durchläuft und solcherart registriert (authentifiziert) wird.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [4] Aber auch für nicht registrierte Unternehmen erfolgt durch die Beklagte auf Grundlage der von den Unternehmen selbst veröffentlichten Daten durch entsprechende Verknüpfung die automatische Erstellung eines Unternehmensprofils im G* My Business.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [5] Die Beklagte führt in den angebotenen Diensten auch ein Unternehmensprofil der Klägerin, welches neben ihrem Namen die Ordinationsanschrift, Telefonnummer, Öffnungszeiten und Lichtbilder der Ordination von innen und außen sowie eine Sterne-Bewertung aufweist. Die Authentifizierung der Klägerin erfolgte durch die H* GmbH. Dieser hatte die Klägerin den Auftrag erteilt, für einen entsprechenden Internetauftritt zu sorgen (Authentifizierung am 12. 4. 2018 Hochladen eines Fotos, Angaben und Informationen über ihre Ordination). Die „von G*“ veröffentlichten Daten der Klägerin (abseits der Bewertungen) wurden von ihr selbst auf ihrer eigenen Homepage veröffentlicht und sind auch über eine Site der für die Klägerin zuständigen Landes-Ärztekammer abrufbar.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [6] Im Rahmen der G*-Dienste kann jeder registrierte Nutzer eine Bewertung an Hand der Vergabe von ein bis fünf Sternen vornehmen und optional einen Kommentar erstellen. Für die Registrierung eines kommentierenden Nutzers sind die Angaben einer E-Mail-Adresse sowie ein frei wählbarer Vor- und Zuname notwendig. Die Beklagte speichert diese von einem Nutzer eingegebenen Informationen. Mehrfache Bewertungen kann ein und derselbe registrierte Nutzer bei einem Unternehmensprofil nicht hinterlassen. Er kann lediglich die bereits verfasste Bewertung bearbeiten. Dies soll Missbrauch verhindern.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [7] Grundsätzlich werden authentifizierte Inhaber eines Unternehmensprofils automatisch auf die von ihnen bekanntgegebene E-Mail-Adresse per Mail informiert, sobald eine neue Bewertung abgegeben wurde. Es ist jedem angemeldeten Unternehmer möglich, einzelne Bewertungen in seinem Profil durch Klicken eines Fähnchens als unzulässig zu melden, wobei im Anschluss der Grund der Meldung abgefragt wird. Unzulässige Inhalte werden von der Beklagten gelöscht.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [8] Die Klägerin, die von der Bewertungsmöglichkeit nichts gewusst hatte, kündigte ihren Vertrag mit der H* GmbH vorzeitig. Sie erhielt ihre Zugangsdaten zu G* My Business, hatte aber kein Interesse sich selbst anzumelden, um auf die entsprechenden Bewertungen zu reagieren.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [9] Zum Zeitpunkt der Klagseinbringung (22. 4. 2020) schienen 33 G*-Rezensionen auf. Am 4. 10. 2021 waren es 48 Rezensionen, wobei die Klägerin insgesamt mit 3,4 von 5 Sternen bewertet worden war (23 mal 5 Sterne, 2 mal 4 Sterne, 2 mal 3 Sterne, 4 mal 2 Sterne und 15 mal 1 Stern). 7 1-Stern-Bewertungen enthielten keine Textangaben. Bei den übrigen 1, 2 oder 3 Sterne-Bewertungen wurde beinahe ausnahmslos die lange Wartezeit bei der Klägerin kritisiert. Ein Nutzer beschwerte sich über eine grundlos „sehr unhöfliche“ Behandlung, eine andere Nutzerin über unsensibles und abweisendes Verhalten gegenüber ihrem Kleinkind, den Abbruch der Behandlung und darüber, dass deswegen Schielen und Sehschwäche des Kindes erst zwei Jahre später bei einem anderem Augenarzt entdeckt worden sei. Eine Mutter, die sich über den Ablauf einer Behandlung geärgert hatte, änderte ihre Textangaben nach anwaltlicher Intervention durch die Klägerin ab, wobei sie aber die Beschwerde über lange Wartezeit und das Fehlen einer Bestimmung der konkreten Weitsichtigkeit aufrecht hielt. Eine andere Patientin monierte den Aufenthalt zu vieler Patienten im Warteraum „während der Covid Zeit“.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [10] Es ist „grundsätzlich […] möglich“, dass der Aufenthalt von Patienten in der Ordination der Klägerin bis zu 1,5 Stunden dauert und in sehr seltenen Fällen auch zwei Stunden erreicht. In dieser Zeit finden verschiedene Untersuchungen und Behandlungen in der Diagnosestraße der Ordination statt. Die Zeit, die Patienten vor dem vereinbarten Termin eintreffen, ist in dieser Dauer nicht eingerechnet.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [11] Die <span class="Fett">Klägerin</span> begehrt (zuletzt), die Beklagte schuldig zu erkennen, die von dieser über die Klägerin veröffentlichten Rezensionen und die daraus resultierende Bewertung zu löschen und eine erneute Aufnahme und Verarbeitung von Rezensionen oder Kommentaren von dritten Personen samt Bewertung der Klägerin hinkünftig ohne deren Zustimmung zu unterlassen. Weiters fordert die Klägerin Schadenersatz in Höhe von 5.000 EUR sA.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [12] Zu ihrem Löschungs- und Unterlassungshauptbegehren stellte die Klägerin zwei Eventualbegehren. Das erste Eventualbegehren lautet auf Löschung sämtlicher gespeicherter Daten der Klägerin sowie der Rezensionen und daraus resultierenden Bewertungen sowie des dazugehörigen Ärzteprofils aus dem Dienst „G* My Business“ oder anderen Diensten, in denen dieses Profil gespeichert und abrufbar ist; das zweite Eventualbegehren ist auf Löschung von 13 in einer Beilage aufgelisteten Rezensionen und den daraus resultierenden Bewertungen gerichtet. Beide Eventualbegehren verband die Klägerin mit einem auf Unterlassung der erneuten Aufnahme und der Verarbeitung dieser Daten ohne ihre Zustimmung.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [13] Die Klägerin brachte zusammengefasst vor, es fehle an einem Vertragsverhältnis mit der Beklagten und an ihrer Zustimmung zur Verarbeitung der Daten. In den Rezensionen befänden sich zum Teil grob kreditschädigende, unrichtige Aussagen über sie bzw ihre Ordination. Sie sei in ihrem Recht auf Datenschutz sowie in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht nach § 16 iVm § 1330 ABGB beeinträchtigt. Die Beklagte sorge nicht ausreichend dafür, dass Missbrauch ausgeschlossen werden könne. Es bestehe keine Möglichkeit, auf unrichtige Rezensionen, etwa in Form eines Kommentars, zu reagieren. Mangels ausreichender Rechtfertigung für die Veröffentlichung von Bewertungen sei ihr Anspruch auf Löschung gemäß Art 17 DSGVO berechtigt. Zudem übermittle die Beklagte die Daten konzernintern an die Muttergesellschaft G* LLC und damit in die Vereinigten Staaten von Amerika (USA), wo keine Gleichwertigkeit des Schutzniveaus für Daten im Vergleich zur Europäischen Union iSd Art 45 DSGVO bestehe. Die Standardvertragsklauseln der Beklagten seien nicht geeignet, einen DSGVO-konformen Schutz zu gewährleisten, weil sie als privatrechtlicher Vertrag die US-Behörden nicht binden könnten. Auch die ergänzenden Maßnahmen seien nicht effektiv, ein entsprechendes Schutzniveau herzustellen. Die Übermittlung der Daten in die USA sei daher unzulässig, sodass das Interesse der Klägerin an der Löschung überwiege. Durch das Verhalten der Beklagten seien dieser erhebliche Aufwendungen und Verdienstentgang entstanden, um die Personen, die Rezensionen erstellt hätten, auszuforschen und auch teilweise anwaltlich zu verfolgen. Der Schaden daraus betrage 18.803,18 EUR wobei nur ein Teilschadenersatz von 5.000 EUR geltend gemacht werde.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [14] Die <span class="Fett">Beklagte</span> wendete zusammengefasst ein, die Ermöglichung der Bewertung von Ärzten auch ohne Identitätsüberprüfung der Bewertenden sei schon aus grundrechtlichen Gesichtspunkten zulässig. Die Datenverarbeitung durch die Beklagte diene insbesondere dem Interesse des bewertenden Nutzers, seine Meinung über einen Arzt äußern zu können, sowie dem Interesse der breiten Öffentlichkeit an verstärkter Transparenz im Gesundheitsbereich und an konkreten Informationen, die eine informierte Auswahl ermöglichten. Das Klagebegehren stelle einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Grundrecht der Freiheit der Meinungsäußerung dar. Auch die Ermöglichung der Verwendung eines Pseudonyms durch Nutzer sei rechtmäßig. Es bestehe keine Klarnamenpflicht als Voraussetzung für die Ausübung der Meinungsäußerungsfreiheit. Die Bewertungen seien iSd § 1330 ABGB wahre Tatsachenbehauptungen oder zulässige Werturteile und daher auch aus diesem Grunde nicht zu beanstanden. Sie hätten auch keinen ehrverletzenden Aussagegehalt. Weiters berief sich die Beklagte auf die festgestellten Reaktionsmöglichkeiten und die Maßnahmen zur Verhinderung von Missbrauch. Weiters führte die Beklagte aus, sie nehme keine Datenübermittlung iSd Art 44 ff DSGVO in die USA vor und sei auch nicht Verantwortliche iSd Art 4 Z 7 DSGVO. Wenn von einer Datenübermittlung an die Muttergesellschaft ausgegangen werde, so seien Standardvertragsklauseln abgeschlossen und angemessene ergänzende Maßnahmen implementiert worden, sodass eine allfällige Übermittlung zulässig sei. Bei den in Frage stehenden Daten würde es sich um veröffentlichte Daten handeln, an denen kein Geheimhaltungsinteresse bestehen könne. Durch die am 7. 10. 2022 erlassene Executive Order 14.086 seien zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen und Beschränkungen für US-Nachrichtendiensttätigkeiten, eine Aufsichtsbehörde für Bürgerrechte sowie ein Datenschutzüberprüfungsgericht geschaffen worden. Die Europäische Kommission habe noch am selben Tag erklärt, dass damit die Bedenken des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) im Urteil <span class="Kursiv">Schrems II</span> (C-311/18) ausgeräumt seien.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [15] Das <span class="Fett">Erstgericht</span> wies (erkennbar irrtümlich ausdrücklich bloß) das Hauptbegehren, das zweite Eventualbegehren und das Schadenersatzbegehren ab. Die Rezensionen hätten keine unwahren Tatsachen beinhaltet, sondern seien zulässige Werturteile. Eine Interessensabwägung ergebe ein Überwiegen des Informationszwecks gegenüber dem Interesse der Klägerin an der Vermeidung negativer, sich aber in einem sachlichen und – soweit einer inhaltlichen Prüfung zugänglich – richtigen Rahmen bewegender Kritik. Die Profildaten seien einer breiten Öffentlichkeit bereits zugänglich gemacht worden, sodass von einer mangelnden Schutzfähigkeit im Sinn des Datenschutzes für diese Daten auszugehen sei. Die Datenverarbeitung der Beklagten sei gemäß Art 6 Abs 1 lit f DSGVO rechtmäßig.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [16] Das Erstgericht ging in seiner rechtlichen Beurteilung weiters davon aus, dass die Beklagte Mitbetreiberin der Suchmaschine sei, und auch – ohne dazu Feststellungen getroffen zu haben – davon, dass sie Daten an die Muttergesellschaft in die USA übermittle, hielt diese aber aufgrund der Durchführungsverordnung des Präsidenten der USA am 7. 10. 2022 (Executive Order 14086), des Abschlusses von Standardvertragsklauseln, der „weitere[n] vertragliche[n], rechtliche[n] und organisatorische[n] Maßnahmen“, die die Beklagte mit der Muttergesellschaft getroffen habe, und „der Transparenzberichte“ „insgesamt“ für zulässig.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [17] Das <span class="Fett">Berufungsgericht</span> bestätigte das Ersturteil mit der Maßgabe, dass es auch das erste – vom Erstgericht inhaltlich ohnehin behandelte – Eventualbegehren ausdrücklich abwies.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [18] Es erachtete die Verfahrens- und die Tatsachenrüge als nicht berechtigt und die Anwendung österreichischen Sachrechts für unstrittig. Die Äußerungen seien im Rahmen der Ausübung der Meinungsfreiheit zulässig. Beleidigungen iSd § 1330 Abs 1 ABGB durch bloße Punktebewertungen seien von vorneherein ausgeschlossen. Sie stellten Werturteile dar. Die subjektive Einordnung auf einer Skala bis zu 5 Punkten könne nicht objektiv auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Das Vorliegen der Voraussetzungen der Art 44 ff DSGVO sei nur für die Zulässigkeit einer Datenübermittlung in ein Drittland als zusätzlichen Verarbeitungsvorgang, nicht jedoch für die Zulässigkeit der Datenverarbeitung durch einen Verantwortlichen im Geltungsbereich der DSGVO an sich zu prüfen. Die gegenständlichen Klagebegehren richteten sich nicht gegen die Übermittlung von Daten durch die Beklagte an ihre Muttergesellschaft, sondern nur gegen die Verarbeitung der Daten der Klägerin durch die Beklagte. Auch wenn die Voraussetzungen der Art 44 ff DSGVO für eine Datenübermittlung in die USA nicht vorlägen, würde dies keinen Anspruch der Klägerin auf Löschung und Unterlassung der Verarbeitung ihrer Daten durch die Beklagte an sich begründen. Die Zulässigkeit einer derartigen Datenverarbeitung richte sich vielmehr nach Art 6 DSGVO. Ob die Beklagte das Recht der Klägerin auf Datenschutz durch eine unzulässige Datenweitergabe in die USA verletzt hat, wäre zusätzlich zu prüfen, aber hier nicht klagsgegenständlich. Ob die Übermittlung von Daten, die im Internet für jedermann weltweit zugänglich sind, überhaupt dem Regime der Art 44 ff DSGVO unterlägen, könne dahinstehen.</span></p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"> [19] Die von der Beklagten beantwortete außerordentliche <span class="Fett">Revision</span> ist<span class="Fett"> zulässig</span>, weil sich der Oberste Gerichtshof bisher mit einem Anspruch auf Löschung wegen einer (behaupteten) unzulässigen Übermittlung von Daten in ein Drittland noch nicht befasst hat. Sie ist im Sinn des Eventualantrags auf Aufhebung auch<span class="Fett"> berechtigt</span>.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [20] 1. Die Klägerin stützt sich für ihre Ansprüche auf Schadenersatz, Löschung und Unterlassung auf zwei Begründungslinien: einerseits auf eine Verletzung des Datenschutzes und andererseits auf einen Eingriff in ihr Persönlichkeitsrecht (insoweit hinsichtlich „Löschung und Unterlassung“ wohl besser „Unterlassung und Beseitigung“ gereiht und benannt [siehe dazu 6 Ob 205/22y {Rz 43}]).</p><p class="ErlText AlignLeft">2. Zum Eingriff in das Persönlichkeitsrecht durch behauptetermaßen ehrverletzende und kreditschädigende Äußerungen</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [21] 2.1. Während die Beklagte noch in der Klagebeantwortung auf das Herkunftslandprinzip hingewiesen hatte, argumentierte sie später – wie auch die Klägerin von Beginn an – allein auf Basis österreichischen Sachrechts. Das Berufungsgericht hielt lediglich fest, es sei die Anwendung des österreichischen Sachrechts im bisherigen Verfahren zwar nicht thematisiert worden, zwischen den Parteien aber auch nicht strittig, und verwies auf die Rechtsprechung zur Möglichkeit einer konkludenten Rechtswahl nach Art 3 Abs 2 Rom I-VO (RS0040169 [T3]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [22] 2.2. Die von der Klägerin angesprochene Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte unterliegt aber weder der Rom I-VO (VO [EG] 593/2008) noch – aufgrund der Bereichsausnahme von Art 1 Abs 2 lit g Rom II-VO (außervertragliche Schuldverhältnisse aus der Verletzung der Privatsphäre oder der Persönlichkeitsrechte, einschließlich der Verleumdung) – der Rom II-VO (VO [EG] 864/2007).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [23] § 48 IPRG verweist für den vorliegenden Fall, weil sich die Wirkung der Verbreitung der Äußerungen vornehmlich im Inland entfaltet, in dem auch das Zentrum der sozialen Interaktion der Klägerin liegt (vgl 6 Ob 26/16s; 6 Ob 166/22p [Rz 33]), auf die Anwendung österreichischen Rechts. Zu beachten ist im vorliegenden Fall aber – wie noch zu zeigen sein wird – vorrangig, dass es um einen Dienst der Informationsgesellschaft geht, bei der der Dienstleister seinen Sitz in einem anderem Mitgliedstaat innerhalb des europäischen Wirtschaftsraums hat (§ 1 Abs 3 ECG), und von Seiten der Beklagten eine Leistung in Rede steht, die im sogenannten koordinierten Bereich (§ 3 Z 8 ECG) liegt.</span></p><p class="ErlText AlignLeft">2.4. Herkunftslandprinzip</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [24] § 20 ECG normiert, dass sich im koordinierten Bereich die rechtlichen Anforderungen an einen in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Diensteanbieter nach dem Recht dieses Staats richten (Abs 1 leg cit).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [25] Der freie Verkehr der Dienste der Informationsgesellschaft aus einem anderen Mitgliedstaat darf vorbehaltlich der §§ 21 bis 23 ECG nicht aufgrund inländischer Rechtsvorschriften eingeschränkt werden, die in den koordinierten Bereich fallen (Abs 2 leg cit).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [26] Eine Ausnahme von dem in § 20 ECG (als Umsetzung von Art 3 Abs 2 EC-RL) verankerten Herkunftslandprinzip nach den §§ 21, 22 ECG ist nicht ersichtlich, zumal die Bewertungen, deren Unterlassung und Löschung die Klägerin begehrt, nicht als die Würde eines einzelnen Menschen (§ 22 Abs 2 Z 2 ECG) antastend zu qualifizieren sind (dazu näher 6 Ob 166/22p [Rz 28 ff]). Die erkennbar der subjektiven Einschätzung unterliegenden Bewertungen über Wartezeit und Freundlichkeit betreffen den beruflichen Bereich der Klägerin, ohne in den Kernbereich der Würde einer einzelnen Person einzugreifen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [27] In seiner Entscheidung vom 25. 10. 2011, C-509/09 und C-161/10 (<span class="Kursiv">eDate Advertising GmbH</span>,<span class="Kursiv"> </span>ECLI:EU:C:2011:685 [Rz 68]) legte der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) Art 3 der EC-RL dahin aus, dass dieser keine Umsetzung in Form einer speziellen Kollisionsregel verlange, hielt aber gleichzeitig fest, dass die Mitgliedstaaten im koordinierten Bereich sicherstellen müssen, dass ein Anbieter eines Dienstes des elektronischen Geschäftsverkehrs keinen strengeren Anforderungen unterliegen darf, als sie das im Sitzmitgliedstaat dieses Anbieters geltende Sachrecht vorsieht. Er postulierte ausdrücklich, es sei den zwingenden Bestimmungen einer Richtlinie, die für die Verwirklichung der Ziele des Binnenmarkts erforderlich sind (wozu er ganz offenkundig das Herkunftslandprinzip zählt), ungeachtet einer abweichenden Rechtswahl zur Anwendung zu verhelfen (Rz 65).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [28] Die Art der Umsetzung des Herkunftslandprinzips im Sinne eines Günstigkeitsprinzips oder aber auch in Form einer kollisionsrechtlichen Regelung stand damit den Mitgliedstaaten soweit frei, als der Dienstleister im Ergebnis keinen strengeren Anforderungen als denjenigen nach dem Sachrecht seines Sitzstaats unterliegt.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [29] Aus der Genese des nach wie vor in der Stammfassung in Geltung stehenden § 20 ECG lässt sich ableiten, dass damit eine Sachnormverweisung angestrebt war. Während die Regierungsvorlage noch einen Abs 3 zu § 20 ECG enthielt, welche Bestimmung Privatrechtsverhältnisse des Dienstanbieters und privatrechtliche Ansprüche gegen diesen einer speziellen Regelung unterwerfen wollte (RV 817 BlgNR 21. GP 6), entfiel dieser Absatz im Gesetzwerdungsprozess ersatzlos. Im Justizausschussbericht (JAB 853 BlgNR 21. GP 2) wird dazu erläutert, dass die Ziele und Intentionen der Richtlinie (Förderung von grenzüberschreitenden Diensten der Informationsgesellschaft und Abbau von rechtlichen Hindernissen für den elektronischen Geschäftsverkehr) eher durch eine Regelung gefördert werden könnten, die primär auf das Herkunftslandrecht des Anbieters abstelle. Dabei wurde damals auch bedacht, dass dies im Einzelfall zum Nachteil österreichischer Anbieter im Verhältnis zu Anbietern aus anderen Mitgliedstaaten führen könne, doch wurden die Nachteile durch die damit verbundene Vereinfachung als „bei weitem aufgewogen“ angesehen. Allgemeininteressen würde durch die Ausnahme von diesem Prinzip in bestimmten Bereichen entweder allgemein oder im Einzelfall nach den §§ 21 ff ECG Rechnung getragen. Ein Fall des Abs 3 der Regierungsvorlage führe damit „nicht zwangsläufig dazu, dass in jedem Fall ausschließlich ausländisches Recht zur Anwendung kommt“. Es sei vielmehr weiterhin zu prüfen, ob die Anwendung des österreichischen Rechts aus den in §§ 21 und 22 ECG genannten Gründen geboten sei.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [30] Bei Eingriffen in das (allgemeine) Persönlichkeitsrecht einer natürlichen Person, bei der sich Überlegungen zu kollisionsrechtlichen Vorgaben durch die Rom II-VO (VO [EG] 864/2007) auf unionsrechtlicher Ebene und deren Vorrang nicht stellen (vgl dazu 4 Ob 29/13p; zuletzt 4 Ob 191/23a), bleibt angesichts des klaren gesetzgeberischen Willens und des Wortlauts in § 20 Abs 1 ECG (Abs 2 leg cit verweist nur auf die in den folgenden Paragraphen genannten Ausnahmen) kein Raum für ein Verständnis als bloßes Günstigkeitsprinzip.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [31] § 20 Abs 1 ECG enthält damit für Eingriffe in das (allgemeine) Persönlichkeitsrecht eine Sachnormverweisung auf die materiellen Rechtsvorschriften des Niederlassungsstaats (so schon 7 Ob 189/11m und die hL: <span class="Kursiv">Ciresa</span> in <span class="Kursiv">Schwimann/Kodek</span>, ABGB<span class="Hoch">5</span> § 20 ECG Rz 4; <span class="Kursiv">Klicka</span>, Der örtliche Wirkungsbereich gerichtlicher Löschungs-anordnungen im Lichte der E des EuGH C-18/18 <span class="Kursiv">Glawischnig-Piesczek/Facebook Ireland</span>, MR 2019 [270] 274; <span class="Kursiv">Cach</span>, Das Verhältnis zwischen Art 6 Rom II-VO und § 20 E-Commerce-Gesetz – Disharmonie im internationalen Privatrecht? Zugleich eine Anmerkung zu OGH 4 Ob 153/13y, ZfRV 2014/25 [ggt nur für Ansprüche wegen irreführender Werbung, die Art 6 Abs 1 Rom II-VO unterliegen]; <span class="Kursiv">Zankl</span>, E-Commerce-Gesetz² § 20 Rz 377, 402, 408; <span class="Kursiv">Zankl/Knaipp</span>, Hass im Netz: E-Commerce-rechtliche Probleme des KommunikationsplattformenG, ecolex 2021/146 [keine Rück- oder Weiterverweisung]; <span class="Kursiv">Blume/Hammerl</span>, ECG [2002] § 20 Rz 19 f, 27; <span class="Kursiv">Burgstaller/Minichmayr</span>, E-Commerce-Recht<span class="Hoch">2</span> [2011] § 20 Rz 619; <span class="Kursiv">Brenn</span>, Rechtsverletzung im Internet, ÖJZ 2012/52; [im Ergebnis auch] <span class="Kursiv">Heindler</span> in <span class="Kursiv">Rummel/Lukas/Geroldinger</span>, ABGB<span class="Hoch">4</span> § 48 IPRG Rz 37 [„soweit die E-Commerce-RL Fragen behandelt, die für den internationalen Persönlichkeitsrechtsschutz relevant sind“]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [32] 2.5. Damit kommt es im vorliegenden Fall auf das Recht des Staates an, in dem der Dienstleister seinen Sitz hat (irisches Sachrecht).</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [33] Auf die in 4 Ob 191/23a (Rz 77) geäußerten Bedenken im Hinblick auf eine Rechtsänderung durch die erst seit 17. 2. 2024 geltende und damit während des Rechtsmittelverfahrens in Kraft getretene VO (EU) 2022/2065 (Digital Services Act – DSA; zur gestaffelten Geltung siehe Art 92 f DSA) ist derzeit nicht näher einzugehen. Zwar ist eine Rechtsänderung bei einem in die Zukunft gerichteten Unterlassungstitel während des Rechtsmittelverfahrens nicht unbeachtlich, weil die Berechtigung des angestrebten Gebots auch am neuen Recht zu messen ist, zumal es seinem Wesen nach ein in der Zukunft liegendes Verhalten erfassen soll und nur dann erlassen werden bzw aufrecht bleiben kann, wenn das darin umschriebene Verhalten schon im Zeitpunkt des Verstoßes verboten war und nach neuer Rechtslage weiterhin verboten ist (vgl RS0008715 [T25]; RS0123158; jüngst 4 Ob 191/23a [Rz 73] zu einem auf Persönlichkeitsrechtsverletzungen nach den §§ 16, 1330 ABGB gestützten Unterlassungsgebot). Ob aber in Ansehung der Bewertungen, wie sie bei Schluss der Verhandlung am 7. 12. 2022 für den Zeitpunkt 21. 10. 2021 festgestellt sind, im ersten Schritt von einem damals rechtswidrig erfolgten Eingriff in ein Persönlichkeitsrecht auszugehen ist, lässt sich mangels Feststellung des irischen Rechts noch nicht beurteilen. Die Anwendung irischen Rechts, dessen Erhebung und die sich daraus ergebenden Konsequenzen wurden bisher mit den Parteien auch noch nicht erörtert.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [34] Das stellt einen Verfahrensmangel besonderer Art dar, der dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung zu unterstellen ist (RS0076880 [T1 = 6 Ob 309/01m) und die Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen zur amtswegigen Ermittlung des ausländischen Rechts bedingt (RS0116580; RS0040045; 10 ObS 50/23k [Rz 24]), weil auch hinsichtlich der zweiten das Klagebegehren denkmöglich tragenden Anspruchsgrundlage (Datenschutz) im derzeitigen Stadium – wie noch gezeigt werden wird – keine abschließende Beurteilung möglich ist.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [35] Wie sich der Richter die notwendigen Kenntnisse des fremden Rechts (samt dessen Anwendungspraxis [RS0113594]) verschafft, liegt in seinem Ermessen (RS0045163 [T11, T17]; RS0040189 [T8]; vgl zu den zulässigen Hilfsmitteln, wozu auch die Mitwirkung der Parteien zählt, 7 Ob 154/21d [Rz 20]; RS0045163).</span></p><p class="ErlText AlignLeft">3. Datenschutz</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [36] 3.1. Zeitlicher (Art 99 Abs 2 DSGVO), räumlicher (Art 3 Abs 1 DSGVO) und sachlicher (Art 2 Abs 1 DSGVO) Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung sind unstrittig eröffnet.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [37] Neben Name, akademischem Grad und anderen Identifikatoren (Adresse) unterliegen auch die über eine Person abgegebenen und ihr direkt zugeordneten Bewertungen dem Regime der DSGVO, weil es sich auch dabei um „personenbezogene Daten“ iSd Art 4 Z 1 DSGVO handelt. Dieser Begriff ist nämlich weit zu verstehen (RS0132655) und umfasst auch innere Zustände wie Meinungen, Motive, Wünsche, Überzeugungen und Werturteile sowie statistische Wahrscheinlichkeitsaussagen, die nicht bloße Prognose- oder Planungswerte darstellen, sondern subjektive und/oder objektive Einschätzungen zu einer identifizierten oder identifizierbaren Person liefern (so zu Bewertungen schon 6 Ob 129/21w [Rz 51] jusIT 2022, 73 [<span class="Kursiv">Bierbauer</span>] = ZIIR 2022, 154 [<span class="Kursiv">Thiele</span>] = Newsletter Menschenrechte NL 2022, 196 = JBl 2022, 453 [<span class="Kursiv">Grasl</span>] = ecolex 2022, 280 [<span class="Kursiv">Hafner-Thomic</span>] = SZ 2022/11 – Lehrerapp – Lernsieg II; zum Merkmal des Personenbezugs siehe zuletzt 6 Ob 19/23x [Rz 14] = jusIT 2023/67 [<span class="Kursiv">Thiele</span>]; vgl auch „alle Arten von Informationen sowohl objektiver als auch subjektiver Natur in Form von Stellungnahmen oder Beurteilungen“ EuGH C-487/21, <span class="Kursiv">F. F. </span>gegen <span class="Kursiv">Österreichische Datenschutzbehörde</span>, ECLI:EU:C:2023:369 [Rz 23]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [38] „Verarbeitung“ von Daten nach Art 4 Z 2 DSGVO ist unter anderem neben deren Erhebung, Erfassung, Organisation, Ordnung, Speicherung, Anpassung oder Veränderung, Auslesung, Verwendung auch ihre „Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder einer anderen Form der Bereitstellung“.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [39] Die Klägerin bezweifelt die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung ihrer Daten unter zwei Gesichtspunkten: wegen des Fehlens ihrer Einwilligung dazu, sich bewerten zu lassen, und wegen einer unrechtmäßigen Übermittlung in ein Drittland. Sie stützt sich dazu auf Art 17 Abs 1 lit d DSGVO, als in der DSGVO verankertes Recht als betroffene Person von dem Verantwortlichen verlangen zu können, dass sie betreffende personenbezogene Daten unverzüglich gelöscht werden, und der darin normierten Pflicht des Verantwortlichen, personenbezogene Daten unverzüglich zu löschen, sofern die personenbezogenen Daten unrechtmäßig verarbeitet wurden. Dagegen erhebt die Beklagte zwei (Haupt-)Einwände: Sie sei nicht Verantwortlicher iSd Art 4 Z 7 DSGVO, daher könne der Löschungsanspruch nicht gegen sie gerichtet werden; außerdem habe sie keine Daten in ein Drittland (die USA) übermittelt.</span></p><p class="ErlText AlignLeft">3.2. Fehlende Zustimmung</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [40] Auf eine fehlende Zustimmung der Beklagten, sich bewerten zu lassen, kommt es nicht an, weil sich die Beklagte insofern zu Recht auf Art 6 Abs 1 lit f DSGVO stützt. Anlässlich der Verarbeitung wird ein berechtigtes Interesse wahrgenommen (Information der Öffentlichkeit über ärztliche Leistungen samt dem Einblick in persönliche Erfahrungen und subjektive Einschätzungen, die der jeweilige Nutzer bei seiner eigenen Arztwahl berücksichtigen kann; dazu, dass vom Schutzbereich von Art 10 EMRK und Art 11 GRC nicht nur die Äußerung der eigenen Meinung, sondern auch die Weitergabe fremder Meinungen und Informationen geschützt sind, siehe 6 Ob 198/21t [Rz 20] Newsletter Menschenrechte NL 2022, 486 = jusIT 2022, 238 [<span class="Kursiv">Thiele</span>] = JMG 2022, 280 [<span class="Kursiv">Streit/Koukal</span>] = MR 2022, 220 [<span class="Kursiv">Kezer/Knotzer</span>] = EvBl 2023, 281 [<span class="Kursiv">Schwamberger</span>] = ecolex 2023/318 [<span class="Kursiv">Tipotsch</span>] – Ärztebewertungsportal – docfinder III). Die Verarbeitung der personenbezogenen Daten ist zur Verwirklichung des berechtigten Interesses erforderlich. Die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der Person, deren Daten geschützt werden sollen, überwiegen hier nicht, zumal es um die Bewertung der beruflichen Tätigkeit (Sozialsphäre) geht und anonyme Bewertungen und sogar ein (möglicher) Missbrauch bis zu einem gewissen Grad hinzunehmen sind (gerade zur Bewertung von Ärzten ausführlich 6 Ob 198/21t [Rz 29 ff]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [41] Mit dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung auch im Wege anonymer Bewertungen hat sich der Fachsenat des Obersten Gerichtshofs bereits eingehend befasst (6 Ob 129/21w [Rz 83 f]; 6 Ob 198/21t [Rz 35 ff]; 6 Ob 120/23z [Rz 11]).</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [42] Aus der in der Revision angeführten Entscheidung des EuGH C-460/20 (<span class="Kursiv">TU</span> <span class="Kursiv">und</span> <span class="Kursiv">RE</span> vs <span class="Kursiv">Google LLC</span>,<span class="Kursiv"> </span>8. 12. 2022, ECLI:EU:C:2022:962) ist Gegenteiliges nicht abzuleiten. Vielmehr ist eine Interessensabwägung geboten (so schon EuGH C-597/19, <span class="Kursiv">Mircom</span> vs <span class="Kursiv">Telenet</span>, ECLI:EU:C:2021:492 [Rz 106]). Diese ist Sache der nationalen Gerichte (C-597/19 [Rz 111]). Eine bloße Punktebewertung drückt lediglich den subjektiven Eindruck des (Nicht-)Gefallens des bewerteten Unternehmens als Ganzes (hier also des Ordinationsbetriebs als Ganzes, wozu auch Faktoren wie etwa die telefonische Erreichbarkeit und die Freundlichkeit der Hilfspersonen zählen können; zur Unüberprüfbarkeit von reinen Werturteilen auf ihre Richtigkeit hin siehe RS0032212 [insb T29]). Die von der Klägerin begehrte Negativfeststellung (wonach nicht festgestellt werden könne, dass fünf [nach den Nutzernamen] bezeichnete Personen Patienten der Klägerin waren) kann Missbrauch nicht dar- oder belegen (vgl 6 Ob 120/23z [Rz 22 ff]). Dass die Beklagte die vergebenen Bewertungen der Nutzer verändert oder unrichtig wiedergegeben hätte, wird nicht behauptet.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">3.3. Verantwortlicher iSd Art 4 Z 7 DSGVO</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [43] Der Verantwortliche ist in Art 4 Z 7 DSGVO definiert als „die natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung personenbezogener Daten entscheidet; sind die Zwecke und Mittel dieser Verarbeitung durch das Unionsrecht oder das Recht der Mitgliedstaaten vorgegeben, so kann der Verantwortliche beziehungsweise können die bestimmten Kriterien seiner Benennung nach dem Unionsrecht oder dem Recht der Mitgliedstaaten vorgesehen werden“.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [44] Wegen des angestrebten hohen Niveaus des Schutzes der Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Personen (C-604/22, <span class="Kursiv">IAB Europe</span> vs <span class="Kursiv">Gegevensbeschermingsautoriteit</span>, ECLI:EU:C:2024:214 [Rz 53 f]), welchen als Betroffenen ein wirksamer und umfassender Schutz gewährt werden soll (Rz 55), genügt eine Mitwirkung „an der Entscheidung über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung“, um als Verantwortlicher iSv Art 4 Z 7 DSGVO angesehen zu werden (Rz 57).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [45] Der EuGH hatte bereits die Gelegenheit klarzustellen, dass der Betreiber einer Suchmaschine als für die entsprechende Verarbeitung „Verantwortlicher“ iSv Art 4 Z 7 anzusehen ist (EuGH C-131/12 <span class="Kursiv">Google Spain SL</span> und <span class="Kursiv">Google Inc.</span>, ECLI:EU:C:2014:317). Warum die Beklagte meint, sie werde von der Klägerin gar nicht als Suchmaschinenbetreiberin in Anspruch genommen, wenn sie sich (das Eventualbegehren betreffend) zur Unzulässigkeit der Aufrechterhaltung ihrer (Profil-)Daten in G* Maps und den Betrieb dieses Dienstes durch die Beklagte stützte, wird im weiteren Verfahren zu erörtern sein, insbesondere aber auch, welches Begehren auf welche Daten in Bezug auf welchen (seit wann betriebenen) Dienst der Beklagten und für welche insoweit vorgenommene Datenverarbeitung die Klägerin abstellt. Zum Beginn des Betriebs differieren die Angaben der Parteien überdies. Während die Beklagte ausführt, sie betreibe den „streitgegenständlichen Dienst“ (gemeint dabei offenbar G* My Business) – ebenso wie die anderen G*-Dienste (ohne nähere Darlegung welche damit angesprochen sind) – seit 22. Jänner 2019, meint die Klägerin die „Webseiten unter www.g*.at“ würden von der Beklagten als Diensteanbieterin erst seit 8. 5. 2020 (also nach Klagseinbringung) betrieben.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [46] Die Beklagte steht hinsichtlich ihres Dienstes G* My Business, mit dem Unternehmensprofile erstellt und eingesehen werden können, (der die vom Hauptbegehren betroffenen Bewertungen enthält) auf dem Standpunkt, sie sei nicht (Daten-)Verantwortliche, weil die Indexierung der Profildaten durch die Muttergesellschaft erfolge, die diese Daten selbständig erhebe. Für die Bewertungen und dabei allenfalls eingegebenen Texte seien allein die Nutzer Verantwortliche; diese könnten die Bewertungen auch jederzeit wieder entfernen.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [47] Diese Auffassung ist nicht zu teilen. Die Beklagte ist – zumal die DSGVO ein funktionales Konzept des Begriffs „Verantwortlicher“ verfolgt (<span class="Kursiv">Pachinger</span>, Datenschutz-Verträge<span class="Hoch">3</span> [2024] Rz 3) – als Daten-verantwortliche einzustufen, verfolgt sie doch in Bezug auf die von ihr betriebenen Dienste ihr Eigeninteresse und handelt insoweit zu dessen Förderung. Sie nimmt aus diesem Eigeninteresse heraus Einfluss auf den von ihr vorgegebenen Zweck des Dienstes (hier im Besonderen Bewertung von Unternehmen) und die bei der Datenverarbeitung verwendeten Mittel. Sie stellt eine Verknüpfung der (wenn auch von den Nutzern eingegebenen) Bewertungen mit dem Profil/Namen des Unternehmens her und führt so diese von ihr vorgegebenen Kategorien an Informationen in ihrem Dienst zusammen, was eine Verarbeitung im Sinne der DSGVO darstellt. Sie gibt den Rahmen der Bewertung durch die Vergabemöglichkeit von bis zu 5 Sternen unter allfälliger Verknüpfung mit einem Text-Kommentar vor, reiht die Bewertungen und führt sie in eine Gesamtbewertung zusammen. Die „Technikgestaltung“ (vgl dazu etwa die an den Verantwortlichen gerichteten Vorschriften nach Art 25 DSGVO) obliegt allein ihr, nicht dem Nutzer. Sie ist im Übrigen diejenige, die – nach dem noch zu erörternden – Vorbringen der Klägerin Daten in die USA übermittelt haben soll.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [48] Der Umstand, dass Nutzer ihre verbale oder Stern-Bewertung eingeben und auch wieder löschen können, womit sie zum Betrieb des Dienstes der Beklagten beitragen, entpflichtet die Beklagte als diejenige, die die Daten verarbeitet, nicht (zumal eine Kontrolle über sämtliche Aspekte und Bereiche der Datenverarbeitung nicht notwendig ist, wenn etwa der – schon deswegen – Verantwortliche die Datensammlung organisiert; vgl EuGH C-25/17 <span class="Kursiv">Tietosuojavaltuutettu</span><span class="Kursiv">/</span><span class="Kursiv">Jehovan todistajat</span>, ECLI:EU:C:2018:551 [Rz 75]; vgl im Übrigen dazu, dass mehrere Akteure als gemeinsam Verantwortliche anzusehen sein können, EuGH C-210/16 <span class="Kursiv">Wirtschaftsakademie Schleswig-Holstein GmbH</span>, ECLI:EU:C:2018:388 [Rz 40 f], C-231/22, <span class="Kursiv">État belge</span> [<span class="Kursiv">Moniteur belge</span>], ECLI:EU:C:2024:7 [Rz 44 ff]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [49] Die von der Beklagten erwähnte Stellung-nahme 1/2010 der Artikel-29-Datenschutzgruppe zu den Begriffen „für die Verarbeitung Verantwortlicher“ und „Auftragsverarbeiter“, WP 169, angenommen am 16. 2. 2010, ist mittlerweile von den nach öffentlicher Konsultation angenommenen Leitlinien zu den Begriffen „Verantwortlicher“ und „Auftragsverarbeiter“ in der DSGVO (European Data Protection Board, Guidelines 07/2020 on the concepts of controller and processor in the GDPR, Version 2.1, adopted on 7. 7. 2021 „EDPB Guidelines 07/2020 V2.1“) abgelöst worden (EDPB Guidelines 07/2020 V2.1 Rz 4). Danach wäre nicht einmal erforderlich, dass der Verantwortliche tatsächlich Zugang zu den verarbeiteten Daten hat. Wer eine Verarbeitungstätigkeit auslagert und dabei entscheidenden Einfluss auf den Zweck und die (wesentlichen) Mittel der Verarbeitung hat (zB durch Anpassung von Parametern eines Dienstes in einer Weise, dass er beeinflusst, wessen personenbezogene Daten verarbeitet werden), ist als Verantwortlicher anzusehen, auch wenn er nie tatsächlich auf die Daten zugreifen kann, welcher Zugriff der Beklagten hier aber wohl ohnehin möglich wäre.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [50] Nach alledem kann nicht gesagt werden, dass die Beklagte „für vor- oder nachgelagerte Vorgänge in der Verarbeitungskette, für die sie weder die Zwecke noch die Mittel festlegt, nicht als im Sinne dieser Vorschrift verantwortlich angesehen werden“ könnte (vgl EuGH C-40/17, <span class="Kursiv">Fashion ID</span>, ECLI:EU:C:2019:629 [Rz 74] zum Betrieb einer Fanpage).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">3.4. Übermittlung iSd Art 44 ff DSGVO</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [51] Die zentrale datenschutzrechtliche Problematik des Verfahrens liegt in der Frage, was unter „Übermittlung an ein Drittland“ zu verstehen ist.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [52] Um den durch die DSGVO innerhalb der EU gewährten Schutz des Einzelnen nicht zu untergraben, sind Datenübermittlungen personenbezogener Daten „an ein Drittland“ (oder eine internationale Organisation) nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig (Art 44 DSGVO). Dabei geht es im Wesentlichen um die Einhaltung eines angemessenen Schutzniveaus, welches Erfordernis sich nach der Rechtsprechung des EuGH direkt aus der Grundrechte-Charta ergibt (<span class="Kursiv">Moos/Zeiter</span> in <span class="Kursiv">Moos/Schefzig/Arning</span>, Praxishandbuch DSGVO einschließlich BDSG und spezifischer Anwendungsfälle<span class="Hoch">2</span> Rz 26 [Stand 1. 4. 2021, rdb.at]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [53] Solange ein mit einem Drittland (hier den USA) geschlossenes Abkommen bestand oder besteht, zu dem ein (aufrechter) Angemessenheitsbeschluss iSd Art 45 Abs 1 DSGVO vorliegt, bedarf es für die Übermittlung keiner besonderen Genehmigung. Ohne einen solchen Angemessenheitsbeschluss (Art 45 Abs 3 DSGVO) darf nach Art 46 Abs 1 DSGVO ein Verantwortlicher oder ein Auftragsverarbeiter personenbezogene Daten an ein Drittland oder eine internationale Organisation nur übermitteln, sofern der Verantwortliche oder der Auftragsverarbeiter geeignete Garantien vorgesehen hat und sofern den betroffenen Personen durchsetzbare Rechte und wirksame Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen (vgl Art 44 ff DSGVO).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [54] Kernargument der Revision für die Unzulässigkeit der Übermittlung der Daten in die USA als Drittland ist die Aufhebung des Angemessenheitsbeschlusses zum Privacy Shield-Abkommen durch den EuGH mit sofortiger Wirkung durch das Urteil vom 16. 7. 2020 (C-311/18, <span class="Kursiv">Facebook Ireland Ltd/Schrems</span>, ECLI:EU:C:2020:559 – „<span class="Kursiv">Schrems II</span>“). Ausschlaggebend waren für diese Entscheidung vor allem weitreichende und nicht auf das unbedingt erforderliche Ausmaß beschränkte Überwachungs- und Zugriffsbefugnisse von US-amerikanischen Behörden auf personenbezogene Daten, welche im Rahmen des Privacy Shield-Abkommens in die Vereinigten Staaten übermittelt wurden. Ferner wurde vom EuGH das Fehlen von Rechtsschutzmöglichkeiten für Unionsbürger bemängelt, weil betroffenen Personen keine oder nur unzureichende Möglichkeiten zur Verfügung gestellt wurden, die gegenüber amerikanischen Behörden gerichtlich durchgesetzt werden konnten, sodass ihnen im Ergebnis keine wirksamen Rechtsbehelfe offenstanden (<span class="Kursiv">Knyrim/Gerhalter</span> in <span class="Kursiv">Knyrim</span>, DatKomm Art 45 DSGVO Rz 32 [Stand 1. 10. 2023, rdb.at]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [55] Nachdem im März 2022 die Präsidentin der Europäischen Kommission und der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika (US-Präsident) zunächst eine grundsätzliche Einigung über einen neuen transatlantischen Datenschutzrahmen verkündet hatten, erließ der US-Präsident am 7. 10. 2022 den „Executive Order on Enhancing Safeguards for United States Signals Intelligence Activites“ (Executive Order 14086). Dessen Ziel war es, die erforderlichen Garantien im Bereich des amerikanischen Nachrichtendienstes zu schaffen, um den Angemessenheits-beschluss seitens der Europäischen Kommission zum „EU-U.S. Data Privacy Framework“ zu ermöglichen (<span class="Kursiv">Knyrim/Gerhalter</span> in <span class="Kursiv">Knyrim</span>, DatKomm Art 45 DSGVO Rz 55 [Stand 1. 10. 2023, rdb.at]). Ein solcher Angemessenheitsbeschluss wurde am 10. 7. 2023 gefasst (in Kraft seit 11. 7. 2023; <span class="Kursiv">Knyrim/Gerhalter</span> in <span class="Kursiv">Knyrim</span>, DatKomm Art 45 DSGVO Rz 54 [Stand 1. 10. 2023, rdb.at]), weswegen seither der Datentransfer (hinsichtlich der zertifizierten Empfänger) wieder „ohne besondere Genehmigung“ zulässig ist.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [56] Nicht zweifelsfrei geklärt ist aber, welche Vorgänge unter „Übermittlung“ iSd Art 44 ff DSGVO überhaupt zu verstehen sind (vgl zum insoweit gegebenen „Versäumnis des europäischen Verordnungsgebers“ <span class="Kursiv">Jahnel</span>, Kommentar zur Datenschutz-Grundverordnung Art 44 DSGVO Rz 5 [Stand 1. 12. 2020, rdb.at] sowie <span class="Kursiv">Knyrim/Gerhalter</span> in <span class="Kursiv">Knyrim</span>, DatKomm Art 44 DSGVO Rz 19 [Stand 1. 10. 2023, rdb.at] und deren Hinweise auf die Übersetzung „Übermittlung“ sowohl für »transmission« in Art 4 Z 2 DSGVO als auch für »transfer« bzw »transfert« in Kapitel V der DSGVO in der englischen bzw französischen Sprachfassung sowie der ebenfalls ohne Definition bleibenden Verwendung von „Offenlegung“ an anderen Stellen der DSGVO [siehe auch <span class="Kursiv">Samuel Gail</span>, Übermittlung = Übermittlung? DSB 2021, 187]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [57] <span class="Kursiv">Gail </span>geht davon aus, dass Übermittlung iSd Art 44 DSGVO den Fall beschreibt, dass personenbezogene Daten der ausschließlichen Hoheitsgewalt des EU-Rechts entzogen und – zusätzlich – dem geltenden Recht des jeweiligen Drittlands unterworfen werden (<span class="Kursiv">Samuel Gail </span>DSB 2021, 187). Für <span class="Kursiv">Knyrim/Gerhalter</span> bedeutet „Übermittlung“, dass personenbezogene Daten über die Grenzen des Geltungsbereichs der DSGVO gebracht werden und die Endbestimmung der Daten außerhalb des Unionsgebiets liegt oder die Daten von außerhalb der EU zugänglich sind (<span class="Kursiv">Knyrim/Gerhalter</span> in <span class="Kursiv">Knyrim</span>, DatKomm Art 44 DSGVO Rz 19 [Stand 1. 10. 2023, rdb.at]). Die bloße Möglichkeit, dass eine US-Muttergesellschaft Daten einer Tochtergesellschaft anfordern könnte, stellt dagegen für <span class="Kursiv">Fritz/Kirchmair</span> noch keine nach der DSGVO relevante Übermittlung dar (<span class="Kursiv">Gernot Fritz/Verena Kirchmair</span>, Drittstaatentransfers bei Cookies – neue Entwicklungen und Lösungswege, MR 2022, 190). <span class="Kursiv">Knyrim/Gerhalter</span> (in <span class="Kursiv">Knyrim</span>, DatKomm Art 44 DSGVO Rz 19/1 [Stand 1. 10. 2023, rdb.at]) führen andererseits aber auch Literatur und Rechtsprechung in Deutschland an, wonach bereits die Zugriffsmöglichkeit aus einem Drittland genügen bzw ein internationaler Datentransfer auch dann gegeben sein soll, wenn der Server nicht dem im Drittland ansässigen Unternehmen, sondern einer europäischen Konzerntochter gehört (<span class="Kursiv">Knyrim/Gerhalter</span> in <span class="Kursiv">Knyrim</span>, DatKomm Art 44 DSGVO Rz 19/1 FN 39 ff [Stand 1. 10. 2023, rdb.at]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [58] <span class="Kursiv">Heuer</span> versteht unter „Übermittlung“ die Mitteilung an einen individuell bestimmten Adressatenkreis und meint, der Begriff „Übermittlung“, wie er in der DSGVO verwendet werde, beziehe sich nur auf gerichtete Kommunikation, nicht aber auch auf die Formen ungerichteter Kommunikation (= Bereitstellung für bestimmbaren oder unbestimmten Adressatenkreis; <span class="Kursiv">Heuer</span>, Datensicherheit im GTelG 2012: Die „Übermittlung“ im Sinne von § 3 Abs 1 GTelG 2012, jusIT 2024 [99] 100 mwN).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [59] <span class="Kursiv">Jahnel</span> verneint für folgende Fälle eine „Übermittlung“ in ein Drittland iSd Art 44 ff: Ein Verantwortlicher mit Sitz in einem Drittland erhebt selbst personenbezogene Daten in der Union, ein Verantwortlicher mit Sitz in einem Drittland zieht einen Auftragsverarbeiter in der EU zur Verarbeitung von personenbezogenen Daten heran oder ein Verantwortlicher legt gegenüber einer betroffenen Person in einem Drittland deren eigene Daten offen, zB im Rahmen einer Auskunftserteilung (<span class="Kursiv">Jahnel</span>, Kommentar zur Datenschutz-Grundverordnung Art 44 DSGVO Rz 8 [Stand 1. 12. 2020, rdb.at]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [60] Aus dem Urteil <span class="Kursiv">Lindqvist </span>(C-101/01, ECLI:EU:C:2003:596) lässt sich – allerdings zur „Vorläuferbestimmung“ der DSGVO (der RL 95/46/EG) und ausdrücklich unter den Umständen des Ausgangsverfahrens sowie des Entwicklungsstands des Internets zur Zeit der Ausarbeitung dieser Richtlinie (Rz 67) – gesichert lediglich ableiten, dass bei in der EU gespeicherten Websites zwischen „Übermittlung“ und dem bloßen „Zugänglichmachen“ (wobei durch den Abruf von verschiedenen Orten aus die auf einer Website hochgeladenen Daten auf den Rechner einer in einem Drittland befindlichen Person gelangen [Rz 58 ff]) zu unterscheiden ist.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [61] Die DSGVO selbst legt nicht fest, ob es für das Vorliegen einer Übermittlung in ein »Drittland« auf den Sitz des Empfängers und/oder den Ort der Datenverarbeitung ankommt (so auch <span class="Kursiv">Jahnel</span>, Kommentar zur Datenschutz-Grundverordnung Art 44 DSGVO Rz 11 [Stand 1. 12. 2020, rdb.at]). Nach <span class="Kursiv">Jahnel</span> soll bereits die Erfüllung eines dieser beiden Kriterien ausschlaggebend sein. <span class="Kursiv">Piltz/Martin</span> verweisen auf die Leitlinien 01/2023 zu Art 37 der JI-Richtlinien des Europäischen Datenschutzausschusses (EDSA) und entnehmen diesen, dass es dem EDSA darauf ankomme, dass sich der Importeur „in einem Drittland“ befinde (<span class="Kursiv">Carlo Piltz/Marcel Martin</span>, Was ist eine „Übermittlung“? – Ansichten des EDSA und des Generalanwalts am EuGH, DSB 2023, 272; so auch <span class="Kursiv">Knyrim/Gerhalter</span> in <span class="Kursiv">Knyrim</span>, DatKomm Art 44 DSGVO Rz 19 unter Verweis auf die Guidelines 05/21 „Importeur in einem Drittstaat ansässig“).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [62] In der Verordnung selbst wird aber – wie schon erwähnt – nur von der Übermittlung „an ein Drittland“ gesprochen (vgl auch „aus der Union an Verantwortliche, Auftragsverarbeiter oder andere Empfänger ‚in Drittländern‘ oder an internationale Organisationen“ [ErwGr 101] bzw „wenn personenbezogene Daten in ein anderes Land außerhalb der Union übermittelt werden“ [ErwGr 116]). Eine eindeutige Klarstellung lässt sich insoweit auch dem <span class="Kursiv">Schrems II</span>-Urteil des EuGH nicht entnehmen, weil – wiewohl darin auch erwähnt wurde, dass Facebook Ireland eine Tochtergesellschaft der in den USA ansässigen Facebook Inc. sei – Sachverhaltsbasis gewesen war, dass die personenbezogenen Daten der im Unionsgebiet wohnhaften Nutzer von Facebook ganz oder teilweise an Server der Facebook Inc., die sich in den USA befinden, übermittelt und dort verarbeitet werden (Rz 50 f). Nach dem Vorbringen sollen Recht und die Praxis der USA keinen ausreichenden Schutz „der in diesem Land gespeicherten“ personenbezogenen Daten gewährleistet (Rz 52) und die „E.O. 12333“ der NSA den Zugang zu Daten erlaubt haben, die „auf dem Weg“ in die USA seien (Rz 63).</span></p><p class="ErlText AlignLeft">3.5. Wirkung der Aufhebung des Angemessenheitsbeschlusses</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [63] Abgesehen von der Frage, wann überhaupt von einer Übermittlung iSd Art 44 ff gesprochen werden kann und wann von einer bloßen Offenlegung, scheint auch das diesbezügliche Vorbringen der Klägerin nicht eindeutig. Sie geht zwar einerseits selbst davon aus, dass eine „Offenlegung“ für eine rechtswidrige Übermittlung nach Art 44 DSGVO nicht ausreicht, erachtet aber andererseits trotz Einbringung der Klage im April 2020 für alle Bewertungen eine unrechtmäßige Datenverarbeitung durch „Übermittlung“ in das Drittland USA für gegeben. Die in der Klage erwähnten 33 Bewertungen mussten aber zeitlich vor Aufhebung des Angemessenheitsbeschlusses zum Privacy Shield-Übereinkommen (erst-)gespeichert bzw übermittelt worden sein (zudem war die Beklagte nach ihrem Vorbringen überhaupt erst ab 8. 5. 2020 Diensteanbieter). Das Vorbringen der Klägerin lässt sich damit – im Sinn des von ihr angestrebten Klagebegehrens – (auch) so verstehen, dass sie offenbar meint, durch das <span class="Kursiv">Schrems II</span>-Urteil des EuGH komme es rückwirkend zu einer Rechtswidrigkeit der (erst-)gespeicherten Daten.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [64] Art 45 Abs 9 DSGVO statuiert, dass von der Kommission auf der Grundlage von Art 5 Abs 6 der RL 95/46/EG erlassene Feststellungen so lange in Kraft bleiben, bis sie durch einen nach dem Prüfverfahren gemäß den Absätze 3 oder 5 des vorliegenden Artikels (Art 45 DSGVO) erlassenen Beschluss der Kommission geändert, ersetzt oder aufgehoben werden.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [65] Der EuGH sah anlässlich des <span class="Kursiv">Schrems II</span>-Urteils keine Veranlassung, die Wirkungen des Angemessenheitsbeschlusses aufrechtzuerhalten. Er begründete dies (Rz 102) mit folgender (sich jedenfalls nicht eindeutig mit Fragen einer Rückwirkung befassenden) Argumentation:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">„Zu der Frage, ob die Wirkungen dieses Beschlusses aufrechtzuerhalten sind, um die Entstehung eines rechtlichen Vakuums zu vermeiden (vgl in diesem Sinne Urteil vom 28. 4. 2016, <span class="Kursiv">Borealis Polyolefine ua</span>, C-191/14, C-192/14, C-295/14, C-389/14 und C-391/14 bis C-393/14, EU:C:2016:311 [Rn 106]), ist festzustellen, dass in Anbetracht von Art 49 der DSGVO durch die Nichtigerklärung eines Angemessenheitsbeschlusses wie des DSS-Beschlusses jedenfalls kein solches rechtliches Vakuum entstehen kann. In dieser Vorschrift ist nämlich klar geregelt, unter welchen Voraussetzungen personenbezogene Daten in Drittländer übermittelt werden können, falls weder ein Angemessenheitsbeschluss nach Art 45 Abs 3 der DSGVO vorliegt noch geeignete Garantien im Sinne ihres Art 46 bestehen.“</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [66] <span class="Kursiv">Strassemeyer/Schefzig/Moos</span> gehen offenbar nicht von einer Rückwirkung aus, wenn sie darlegen, es müssten Unternehmen nunmehr Übermittlungen in die USA über einen anderen Mechanismus (aus Art 46 Abs 2, Abs 3 DSGVO) rechtfertigen (<span class="Kursiv">Strassemeyer/Schefzig/Moos </span>in <span class="Kursiv">Moos/Schefzig/Arning</span>, Praxishandbuch DSGVO einschließlich BDSG und spezifischer Anwendungsfälle<span class="Hoch">2</span> Rz 108), ebenso wohl <span class="Kursiv">Jahnel</span>, wenn er das Urteil dahin versteht, dass damit klargestellt worden sei, dass die USA bis auf Weiteres als Drittland anzusehen seien und derzeit keine Privilegierung für die Übermittlung von personenbezogenen Daten genössen (<span class="Kursiv">Jahnel</span>, Kommentar zur Datenschutz-Grundverordnung Art 45 DSGVO Rz 17). Auch die Antwort des EDSA auf „häufig gestellte Fragen zu C-311/18“ scheint gegen eine Rückwirkung zu sprechen (<span class="Kursiv">„Ich habe Daten an einen US-amerikanischen Datenimporteur übermittelt, der dem Datenschutzschild beigetreten ist, was sollte ich jetzt tun? Übermittlungen auf der Grundlage von diesem Rechtsrahmen sind rechtswidrig. Falls Sie weiterhin Daten in die USA übermitteln möchten, müssten Sie prüfen, ob dies unter den nachstehenden Bedingungen möglich ist;</span> <span class="Kursiv">EDSA, Häufig gestellte Fragen zu C-311/18 angenommen am 23. Juli 2020, S. 2 f“</span>)<span class="Kursiv">.</span></span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [67] Die Klägerin könnte für eine Rückwirkung des <span class="Kursiv">Schrems II</span>-Urteils allerdings die Formulierung von <span class="Kursiv">Knyrim/Gerhalter</span>,<span class="Kursiv"> </span>es sei – weil der EuGH keinerlei Schon- oder Übergangsfrist für Datenübermittlungen, welche auf das Privacy Shield-Abkommen gestützt wurden, vorgesehen habe – unmittelbare Folge seiner Aufhebung, dass sämtliche allein auf dem Privacy Shield-Abkommen beruhenden Übermittlungsvorgänge mit einem Schlag rechtswidrig „wurden“ (<span class="Kursiv">Knyrim/Gerhalter</span> in <span class="Kursiv">Knyrim</span>, DatKomm Art 45 DSGVO Rz 34 [Stand 1. 10. 2023, rdb.at]), für sich haben.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [68] Insoweit ist – schon neben der Frage, was unter dem Begriff „Übermittlung“ in ein Drittland iSd Art 44 DSGVO an einen Datenimporteur zu verstehen ist (ob es auf den Sitz des Datenimporteurs und/oder den Speicherort ankommt, ob es um die erstmalige [Zwischen-]Speicherung oder eine mehrmalige Übermittlung auch derselben Daten geht oder ob die Zugänglichmachung durch Abruf und wenn ja, unter welchen Bedingungen darunterfallen kann) – auch nicht eindeutig geklärt, ob die Aufhebung des Angemessenheitsbeschlusses mit dem <span class="Kursiv">Schrems II</span>-Urteil auf bereits zuvor erfolgte Datenübermittlungen zurückwirkt und somit auch das (Weiter-)Anzeigen (oder die Speicherung) von Bewertungen, die bereits zuvor „übermittelt“ wurden, als unzulässige Übermittlung nach Art 44 DSGVO anzusehen ist.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [69] Ist eine Rückwirkung nicht völlig auszuschließen, scheint auch die Frage einer etwaigen Sanierung durch einen nachfolgenden Angemessenheitsbeschluss offen.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [70] Aus der Verwendung der Zeit „Present Perfect Continuous“ in der englischen Sprachfassung (jener Zeit, welche für Handlungen verwendet wird, die in der Vergangenheit begonnen haben und bis in die Gegenwart andauern; „have been unlawfully processed“) schließen <span class="Kursiv">Feiler/Forgó</span>,<span class="Kursiv"> </span>dass der Tatbestand nach Art 17 Abs 1 lit d DSGVO nur erfüllt ist, wenn der Zustand der Rechtswidrigkeit anhält. Sei der ursprünglich rechtswidrige Zustand inzwischen rechtmäßig, bestehe auch aus teleologischen Gründen kein Anlass, einen Löschungsanspruch, gleichsam pönaliter, zu gewähren. Ein Verstoß gegen einen der Grundsätze des Art 5 DSGVO stelle daher nur dann einen Löschungsgrund dar, wenn der Verstoß anhalte (<span class="Kursiv">Feiler/Forgó</span>, EU-DSGVO<span class="Hoch">2</span> [2022] Art 17 Rz 13). Diese Ansicht vertritt auch <span class="Kursiv">Arnig</span>, der als entscheidenden Zeitpunkt für die Beurteilung der Unrechtmäßigkeit der Verarbeitung iSd Art 17 Abs 1 lit d DSGVO auf den „jeweils gegenwärtigen Zeitpunkt“ abstellt. Ob die Verarbeitung der betroffenen Daten zu einem früheren Zeitpunkt rechtswidrig war, sei für die Löschpflichten unerheblich; insoweit komme nur eine Sanktionierung, zB durch ein Bußgeld, in Betracht (<span class="Kursiv">Arning in Moos/Schefzig/Arning, Praxishandbuch DSGVO einschließlich BDSG und spezifischer Anwendungsfälle</span><span class="Hoch">2 </span><span class="Kursiv">Kap 6 Rz 404 [Stand 1. 4. 2021, rdb.at]</span>). <span class="Kursiv">Haidinger</span> teilt zwar die einen Pönalcharakter der Vorschrift verneinende Auffassung, stellt aber für den maßgeblichen Zeitpunkt auf die Antragstellung ab (<span class="Kursiv">Haidinger </span>in <span class="Kursiv">Knyrim</span>, DatKomm [2024] Art 16, 17 DSGVO Rz 55).</span></p><p class="ErlText AlignLeft">3.6. Öffentlich verfügbare Daten</p><p class="ErlText AlignLeft"> [71] Letztlich kann auch die Kategorie der übermittelten Daten (in Ansehung des Eventualbegehrens und beschränkt auf den Teil „Profildaten“) in Betracht zu ziehen sein.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [72] Bei den Profildaten handelt es sich um allgemein verfügbare personenbezogene Daten der Klägerin (zum Begriff „allgemeine Verfügbarkeit“ als „öffentlich“ oder „öffentlich zugänglichen“ Daten siehe <span class="Kursiv">Kotschy</span>, Das Grundrecht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten [Teil I], Jahrbuch Datenschutzrecht und E-Government [2012] 27 [44]). Werden die Profildaten nicht bloß reproduziert, sondern mit einem neuen Element verknüpft (der Bewertung), werden damit „neue“ personenbezogene Daten (unter Einschluss der Profildaten) erzeugt. Die Profildaten stehen dann nicht mehr für sich (vgl <span class="Kursiv">Thiele/Wagner</span>, Praxiskommentar zum Datenschutzgesetz<span class="Hoch">2</span> § 1 [Stand 1. 2. 2022, rdb.at] Rz 117). Allerdings kann das Verlangen der Löschung der gesamten Daten als „überschießend“ angesehen werden, wenn doch eine Löschung nur der Bewertungen zur bloßen Wiedergabe der Profildaten allein dazu führen würde, diese also dann wiederum bloß reproduziert werden.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [73] Damit gälte es, das Verhältnis von § 1 Abs 1 DSG, wonach kein Schutz des Grundrechts besteht, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind, zur DSGVO auszuloten.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [74] Durch die DSGVO sind nämlich grundsätzlich alle personenbezogenen Daten geschützt. Besonderen Schutz genießen mit Art 9 DSGVO die besonderen Kategorien personenbezogener Daten („sensible“ oder „sensitive“ Daten).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [75] Art 9 Abs 2 lit e DSGVO nimmt vom Verbot der Verarbeitung sensibler Daten nach Abs 1 leg cit die von der betroffenen Person „offensichtlich öffentlich gemacht[en Daten]“ aus. Dazu gehören die im Internet frei verfügbaren Daten (<span class="Kursiv">Lurf </span>in<span class="Kursiv"> Kezer/Adametz/Lurf/Gamauf</span>, Social Media Recht 6.37 [Stand 1. 2. 2022, rdb.at]). Das Urteil des EuGH zu C-667/21 (<span class="Kursiv">ZQ </span>gegen M<span class="Kursiv">edizinischer Dienst der Krankenversicherung Nordrhein</span>,<span class="Kursiv"> </span>ECLI:EU:C:2023:1022) klärt insoweit nur, dass neben dem Erlaubnistatbestand nach Art 9 Abs 2 DSGVO auch eine der Rechtsgrundlagen nach Art 6 Abs 1 DSGVO für eine Verarbeitung gegeben sein muss (zum davor schon in der Literatur aus Art 9 DSGVO gezogenen Größenschluss, dass die Verarbeitung durch die betroffene Person offensichtlich öffentlich gemachter nicht-sensibler Daten auf Grundlage von Art 6 Abs 1 lit f grundsätzlich zulässig sei, <span class="Kursiv">Kastelitz/Hötzendorfer/Tschohl</span> in <span class="Kursiv">Knyrim</span>, DatKomm [2020] Art 9 DSGVO Rz 43). Daran anschließend ist die Frage aufzuwerfen, ob ein Anspruch auf Löschung (und Unterlassung der Wiederaufnahme solcher Daten) nach der DSGVO überhaupt besteht oder ein Begehren darauf (wegen unzulässiger Übermittlung in ein Drittland) allenfalls als rechtsmissbräuchlich anzusehen wäre, wenn der Empfänger die „nicht sensiblen“ personenbezogenen Daten, deren Löschung er (hier: auch) begehrt, selbst offensichtlich öffentlich preisgegeben hat (wie hier auf der eigenen, frei zugänglichen Homepage bzw wie sie auf einer Website der zuständigen Ärztekammer abrufbar sind), die Verarbeitung nach Art 6 Abs 1 lit f DSGVO rechtmäßigerweise erfolgte, aber (auch) eine unzulässige Übermittlung an ein Drittland stattfand. Ein schutzwürdiges Interesse könnte dann zu verneinen sein, zumal das Recht auf Schutz personenbezogener Daten kein uneingeschränktes Recht ist, sondern es im Hinblick auf seine gesellschaftliche Funktion gesehen und gegen andere Grundrechte abgewogen werden muss (C-667/21 [Rz 54] unter Verweis auf ErwGr 4 der DSGVO).</span></p><p class="ErlText AlignLeft">3.7. Anspruch auf Löschung wegen Übermittlung in ein Drittland</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [76] Nicht zuletzt wäre auch zu hinterfragen, ob – soweit von einer unzulässigen Übermittlung in ein Drittland nach Art 44 DSGVO auszugehen wäre – aus einem solchen Verstoß das Recht des Betroffenen auf Löschung seiner Daten (bzw der mit dem Hauptbegehren vorrangig angesprochenen Bewertungen) nach Art 17 DSGVO resultiert, zumal es einer Verletzung eines dem Betroffenen eingeräumten subjektiven, individuellen Rechts bedarf (<span class="Kursiv">Jahnel/Pallwein-Prettner</span>, Datenschutzrecht³ 211).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [77] Die ausschließliche Bezugnahme auf „die [der betroffenen Person] aufgrund dieser Verordnung zustehenden Rechte“ in Art 79 Abs 1 DSGVO soll – folgt man <span class="Kursiv">Feiler/Forgó</span> – den (primärrechtlich unter Umständen hinterfragbaren) Schluss nahelegen, dass eine betroffene Person nur hinsichtlich der Bestimmungen des Kapitel III der DSGVO („Rechte der betroffenen Person“; Art 12 bis Art 23) aktivlegitimiert sei. <span class="Kursiv">Feiler/Forgó </span>leiten daraus ab, dass es – um sonstige Verletzungen der DSGVO geltend zu machen – einer betroffenen Person an der Aktivlegitimation fehle (<span class="Kursiv">Feiler/Forgó</span>, EU-DSGVO<span class="Hoch">2</span> [2022] Art 79 Rz 2). <span class="Kursiv">Leupold/Schrems </span>fassen den<span class="Kursiv"> </span>Begriff der erfassten Rechte dagegen als weit zu verstehen auf. Er umfasse demnach nicht nur die Betroffenenrechte des Kapitel III (Art 12–23), sondern alle subjektiven Rechte, die die DSGVO dem Einzelnen gewährt. Jedenfalls aber falle das Recht auf Löschung unter Art 79 DSGVO (<span class="Kursiv">Leupold/Schrems</span> in <span class="Kursiv">Knyrim</span>, DatKomm [2021] Art 79 DSGVO Rz 9). Ob <span class="Kursiv">Knyrim/Gerhalter</span> in diesem Sinne zu verstehen sind, wenn sie zu Art 45 DSGVO postulieren, falls ein Verstoß (gegen diese Bestimmung) vorliege, stünden den Betroffenen sämtliche Rechtsschutzinstrumente der DSGVO zur Verfügung, ist nicht eindeutig, zumal diese Äußerung in die Erwähnung des hohen Strafrahmens nach Art 83 Abs 5 lit c DSGVO und der Möglichkeit einer Funktion von Art 62 Abs 1 Z 1 und 2 DSGVO als Auffangtatbestand für Verwaltungsstrafen eingebettet ist (<span class="Kursiv">Knyrim/Gerhalter </span>in <span class="Kursiv">Knyrim</span>, DatKomm Art 45 DSGVO Rz 4 [Stand 1. 10. 2023, rdb.at]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [78] Dem Verfahren zum <span class="Kursiv">Schrems II</span>-Urteil des EuGH lag insoweit nämlich bloß das Begehren auf Anordnung eines Verbots oder der Aussetzung der Übermittlung personenbezogener Daten an ein bestimmtes Unternehmen in den USA zugrunde (Rz 55, 77), sodass fraglich erscheint, ob die Klägerin den Anspruch auf Löschung aller Bewertungen (bzw überhaupt all ihrer Daten) als verhältnismäßige Konsequenz auf Art 17 Abs 1 lit d DSGVO stützen kann, wenn diese Daten etwa auch von der Beklagten selbst (und auf Servern in Europa) gespeichert werden.</span></p><p class="ErlText AlignLeft">3.8. Fehlende Sachverhaltsgrundlage</p><p class="ErlText AlignLeft"> [79] Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass Grundlage für die datenschutzrechtliche Beurteilung der (Eventual-)Begehren der Klägerin die Frage des Vorliegens einer „Übermittlung“ von Daten der Klägerin an ein Drittland ist. Dazu fehlt aber eine festgestellte Tatsachengrundlage.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [80] Zwar legte das Erstgericht eine Datenübermittlung zugrunde, aber ohne dazu Feststellungen getroffen zu haben. Beide Parteien monierten im Berufungsverfahren übereinstimmend das Fehlen von Feststellungen dazu, dass die Beklagte „die Daten der Klägerin an G* LLC in die USA übermittelt“. Die Beklagte bemängelte zusätzlich das Fehlen einer Befassung damit im Rahmen der Beweiswürdigung. Soweit das Berufungsgericht die Ausführungen des Erstgerichts in der rechtlichen Beurteilung als ausreichende Sachverhalts-grundlage ansah, wird diese Ansicht nicht geteilt, und zwar schon deswegen, weil keine der Vorinstanzen näher umschrieben hat, was sie unter der im Verfahren zwischen den Parteien strittigen „Datenübermittlung“ im faktisch-technischen Sinn verstand.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [81] Die Klägerin hatte dazu vorgetragen, es würden die von der Beklagten gesammelten Daten auf Servern der G* LLC in den USA gespeichert und verarbeitet. Dies stelle eine Übermittlung im Sinne der DSGVO dar. Sie sei als Datenexporteur verantwortlich. Es gehe nicht um die Tatsache, dass die Daten weltweit abrufbar gehalten würden, sondern darum, dass die Beklagte die gesammelten Daten in die USA übermittle und dort speichere sowie verarbeite. Die Beklagte bestritt aber „ausdrücklich, im Rahmen der streitgegenständlichen Datenverarbeitung Datenübermittlung iSd Art 44 ff DSGVO in die USA vorzunehmen“ und trug vor, keine Daten in Länder außerhalb des EWR zu übermitteln.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [82] Selbst wenn sich daher im vorliegenden Fall Fragen zur Auslegung der DSGVO, insbesondere dazu, was überhaupt unter Übermittlung im Sinn der DSGVO zu verstehen ist, stellen, kommt derzeit ein Vorabentscheidungsverfahren (noch) nicht in Betracht, weil eine Vorlagefrage eines nationalen Gerichts unzulässig ist, wenn der EuGH nicht über die tatsächlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (etwa EuGH C-217/05, <span class="Kursiv">Confederación Española de Empresarios de Estaciones de Servicio, </span>ECLI:EU:C:2006:784<span class="Kursiv"> </span>[Rz 17, 28]; C-101/08, <span class="Kursiv">Audiolux</span>, ECLI:EU:C:2009:626 [Rz 31]; C-82/13, <span class="Kursiv">Società cooperativa Madonna dei miracoli</span>, ECLI:EU:C:2013:655 [Rz 12]; C-558/18 und C-563/18, <span class="Kursiv">Miasto Łowicz</span>, ECLI:EU:C:2020:234 [Rz 44 ff]; C-60/22, <span class="Kursiv">UZ</span>, ECLI:EU:C:2023:373 [Rz 40]; 1 Ob 28/23h [Rz 32]). Eine mehrfache, hintereinander folgende Vorlage zu einzelnen Fragen erscheint ebenso wenig zweckmäßig. Hinzu kommt, dass noch ungeklärt ist, ob die Begehren der Klägerin nicht schon allein auf Basis irischen Rechts berechtigt wären.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [83] Vor einer allfälligen (zukünftigen) Befassung des EuGH ist jedenfalls zu klären, ob und in welcher technischen Form überhaupt eine „Übermittlung“ in welcher Weise auch immer – konkret – behauptet und bewiesen wird. Mit der Klägerin wird zu erörtern sein, ob sie – angesichts der Stellungnahmen in der Literatur – tatsächlich (überhaupt) den Standpunkt einnimmt, auch spätere Abrufe seien eine Übermittlung, bzw warum sie für die vor Aufhebung des Angemessenheitsbeschlusses bereits ersichtlichen 33 Bewertungen von einer unzulässigen Datenübermittlung ausgeht. Für die nach Klagseinbringung abgegebenen Bewertungen fehlen Feststellungen zum Zeitpunkt von deren Aufnahme in den Dienst G* My Business der Beklagten. Darüber hinaus wird die Klägerin ihr Vorbringen dazu zu präzisieren haben, in welcher Funktion und für welche Tätigkeit sie die Beklagte in Bezug auf welche Daten (Bewertungen) in Anspruch nimmt, zumal sie in den Schriftsätzen häufig ganz pauschal von der Tätigkeit von „G*“ spricht.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [84] Die Beklagte ist daran zu erinnern, dass sie im Rahmen ihrer Prozessförderungspflicht verpflichtet sein kann, an der Ermittlung des (ihr zugänglichen) technischen Ablaufs und des Umfangs ihrer Tätigkeiten mitzuwirken (vgl zur Anwendung des § 184 ZPO bei Informationsdefiziten 4 Ob 78/22g; 2 Ob 18/23w; 6 Ob 177/23g; 6 Ob 120/23z).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [85] Erst wenn überhaupt solche faktischen Vorgänge, die einer „Übermittlung“ iSd Art 44 DSGVO unterstellt werden können, feststehen, kann an solche Tatsachenfeststellungen eine weitere rechtliche Beurteilung anknüpfen. Das gilt auch für die von der Beklagten ins Treffen geführten Standardvertragsklauseln. Soweit sich das Erstgericht – ohne Feststellungen zu treffen – auf „weitere vertragliche, rechtliche und organisatorische Maßnahmen“ stützte und auf „Transparenzberichte“ bezog, bleiben deren Gehalt und Auswirkung im Dunkeln, zumal die dazu vorgelegte unscharfe und schlecht lesbare Beilage ohne jede Erklärung blieb. Welche weiteren vertraglichen Maßnahmen mit dem bloßen Verweis auf diese Beilage (./28) gemeint sind, lässt sich derzeit ebenso wenig nachvollziehen. Diese Beilage enthält Standardvertragsklauseln (sogenanntes „Set II“, alternative Standardvertragsklauseln für die Übermittlung personenbezogener Daten aus der Gemeinschaft in Drittländer [Übermittlung zwischen für die Datenverarbeitung Verantwortlichen aus der Entscheidung 2004/915/EG vom 27. 12. 2004]) und einen Vertrag vom März 2021. In diesem wird zwar als „Hintergrund“ die Absicht, im Rahmen des vorliegenden Vertrags personenbezogene Daten an die G* LLC in den USA zu übermitteln, erwähnt. Allerdings werden in der Leistungsbeschreibung immer nur die Begriffe Datenexporteur und Datenimporteur verwendet, als welche jeweils nur die Muttergesellschaft (nicht aber die Beklagte) bezeichnet wird. Ebenso hat nur die Muttergesellschaft den Vertrag als „Datenexporteur“ und als „Datenimporteur“ unterfertigt. Die Beklagte wird daher – soweit nach den Ergebnissen des weiteren Verfahrens notwendig – darzulegen haben, aus welchen Bestimmungen sich auf welche Weise eine Verpflichtung der G* LLC auf Einhaltung eines Datenschutzniveaus, wie es dem europäischen Schutzniveau gleichwertig ist, ergibt, und die sich aus dem Vertrag ergebende Rolle der Beklagten zu erklären haben. Gleiches gilt für die von ihr behaupteten „Maßnahmen“, die näher darzustellen, zu erläutern und hinsichtlich ihrer faktischen Wirksamkeit für die Erreichung eines äquivalenten Schutzniveaus (<span class="Kursiv">Pachinger</span>, Datenschutz-Verträge<span class="Hoch">3</span> [2024] Rz 338), wobei auch die tatsächliche staatliche Zugriffspraxis eine Rolle spielen kann (vgl C-311/18, <span class="Kursiv">Schrems II</span> [Rz 132 ff]; <span class="Kursiv">Knyrim/Gerhalter</span> in <span class="Kursiv">Knyrim</span>, DatKomm Art 44 DSGVO Rz 48 [Stand 1. 10. 2023, rdb.at]), zu beweisen sein werden. Dabei wird überdies auf die Behauptung der Klägerin, der privatrechtliche Vertrag könne die US-Behörden faktisch nicht binden, einzugehen sein.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [86] Die Verwendung von Standarddatenschutzklauseln allein bedeutet nämlich nach der Feststellung des EuGH im <span class="Kursiv">Schrems II</span>-Urteil nicht, dass jeglicher auf dieser Grundlage durchgeführte Drittstaatentransfer ein entsprechendes Schutzniveau iSv Art 44 ff DSGVO aufweist (vgl <span class="Kursiv">Moos/Zeiter</span> in <span class="Kursiv">Moos/Schefzig/Arning</span>, Praxishandbuch DSGVO einschließlich BDSG und spezifischer Anwendungs-fälle<span class="Hoch">2</span> Kap 9 Rz 67 ff [Stand 1. 4. 2021, rdb.at]; zum Prüfungsschema siehe <span class="Kursiv">Knyrim/Gerhalter</span> in <span class="Kursiv">Knyrim</span>, DatKomm Art 45 DSGVO Rz 40 ff [Stand 1. 10. 2023, rdb.at]; <span class="Kursiv">Pachinger</span>, Datenschutz-Verträge³ [2024] Rz 327 ff und „Unmittelbare To-dos aufgrund des EuGH-Urteils bzw Evaluierung in der Praxis“ Rz 348 ff). Zwar ist der Beklagten darin Recht zu geben, dass die Standardvertragsklauseln „grundsätzlich unverändert“ zu bleiben haben, sie können aber durchaus ergänzt werden (<span class="Kursiv">Moos/Zeiter</span> in <span class="Kursiv">Moos/Schefzig/Arning</span>, Praxishandbuch DSGVO einschließlich BDSG und spezifischer Anwendungsfälle<span class="Hoch">2</span> Kap 9 Rz 79 ff [Stand 1. 4. 2021, rdb.at]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [87] 4. Ausgehend davon, dass noch unklar ist, ob die Begehren auf Löschung (Beseitigung) und Unterlassung berechtigt sind, lässt sich auch die Berechtigung des darauf gegründeten Schadenersatzbegehrens noch nicht beurteilen. Es hat daher zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und zur aufgezeigten Verfahrensergänzung zu kommen.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [88] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240920_OGH0002_0060OB00149_24S0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-09 | 2024-10-09 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240920_OGH0002_0060OB00149_24S0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240920_OGH0002_0060OB00149_24S0000_000/JJT_20240920_OGH0002_0060OB00149_24S0000_000.html | 6Ob149/24s | ECLI:AT:OGH0002:2024:0060OB00149.24S.0920.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei MMag. V*, vertreten durch F & S Sundström/Partner Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Wien, gegen die beklagte Partei Dkfm. O*, wegen Nichtigkeitsklage, den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft">Die Nichtigkeitsklage wird zurückgewiesen.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p><p class="ErlText AlignLeft"> [1] Die Ehe der Streitteile wurde mit Urteil des Bezirksgerichts Klosterneuburg geschieden. Die dagegen von der Klägerin erhobene Berufung wies das Landesgericht Korneuburg als verspätet zurück.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [2] Das Bezirksgericht Klosterneuburg wies durch seine Vorsteherin außerdem einen Ablehnungsantrag der Nichtigkeitsklägerin gegen die zuständige Richterin des Scheidungsverfahrens erster Instanz zurück.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [3] Die gegen diese Entscheidungen erhobene <span class="Fett">Nichtigkeitsklage</span> gemäß § 529 Abs 1 Z 2 ZPO wies das Landesgericht Korneuburg mit Beschluss vom 31. Mai 2023, 6 Cg * zurück.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [4] Den dagegen erhobenen <span class="Fett">Rekurs</span> wies der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 21. 2. 2024, 6 Ob 17/24d, als verspätet zurück.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [5] Gegen diese Entscheidungen richtet sich die am 21. 8. 2024 in Papierform beim Obersten Gerichtshof eingebrachte Nichtigkeitsklage der <span class="Fett">Klägerin</span> mit der Begründung, aufgrund „unwirksamer Zustellung des Beschlusses“ liege der Nichtigkeitsklagegrund gemäß § 529 Abs 1 Z 2 ZPO vor. Dabei hat die Klägerin das Deckblatt der Klage sowie einen Beilagenordner eingebracht. In der Folge überreichte die Klagevertreterin am 6. 9. 2024 dem Obersten Gerichtshof in Papierform einen als „Nichtigkeitsklage“ bezeichneten Schriftsatz samt Beilagen, in dem sie „eine Beschwerde gemäß § 78 GOG gegen das Landesgericht Korneuburg wegen Verweigerung der Rechtspflege“ ausführte. Am 13. 9. 2024 übermittelte sie weitere Schriftsätze per Fax an den Obersten Gerichtshof, in denen sie „bestimmte Wortfolgen ihrer Beschwerde nach § 78 GOG berichtige“ und weitere Anträge stellte.</span></p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"> [6] Die Klage ist ohne Verbesserung als unzulässig zurückzuweisen.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [7] 1. Gemäß § 89c Abs 5 Z 1 GOG sind Rechtsanwälte nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten zur Teilnahme am Elektronischen Rechtsverkehr verpflichtet. Die Klagevertreterin hat nicht bescheinigt, dass ihr die Übermittlung der Klage auf elektronischem Weg aus technischen Gründen ausnahmsweise nicht möglich gewesen wäre (§ 1 Abs 1c ERV 2006; vgl auch RS0128266 [T9, T26]). Ein Verstoß gegen § 89c Abs 5 Z 1 GOG ist wie ein Formmangel zu behandeln, der (grundsätzlich) zu verbessern ist (§ 89c Abs 6 GOG).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [8] 2. Die Übermittlung des „Deckblatts“ einer Rechtsmittelklage in Papierform samt Beilagen und schriftlichen Ergänzungen, deren Bezug zum Inhalt der Nichtigkeitsklage nicht nachvollziehbar ist, durch eine Partei, die selbst Rechtsanwältin ist, ist nicht verbesserbar, weil damit das Erschleichen eines Verbesserungsauftrags und die dadurch bedingte Fristverlängerung (vgl § 534 Abs 2 Z 2 ZPO) offenkundig ist (vgl RS0036478 [insb T5, T16]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [9] 3. Die Nichtigkeitsklage ist daher zurückzuweisen.</p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240920_OGH0002_0060OB00151_24K0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-07 | 2024-10-07 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240920_OGH0002_0060OB00151_24K0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240920_OGH0002_0060OB00151_24K0000_000/JJT_20240920_OGH0002_0060OB00151_24K0000_000.html | 6Ob151/24k | ECLI:AT:OGH0002:2024:0060OB00151.24K.0920.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L*, vertreten durch Auer Bodingbauer Leitner Stöglehner Rechtsanwälte (OG) in Linz, wider die beklagte Partei K* GmbH, *, vertreten durch Huber & Dietrich Rechtsanwalts-Partnerschaft (OG) in Linz, wegen zuletzt 143.200 EUR sA und Zahlung einer Rente, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 10. Juni 2024, GZ 6 R 72/24m-92, in nichtöffentlicher Sitzung den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.</span></p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [1] 1. Es trifft zwar zu, dass sich die Wirkung der Unterbrechung der Verjährung eines Feststellungsurteils (vgl RS0034771; RS0034286; RS0034215; RS0049165) nicht auch auf bereits bekannte und fällige Ersatzansprüche, die im Zeitpunkt der Klagseinbringung mit Leistungsklage geltend gemacht hätten werden können, bezieht (vgl RS0034771 [T3, T4, T7, T8, T12]). Jedoch kann die Revision mit der Behauptung, die Fälligkeit der Verunstaltungsentschädigung sei im vorliegenden Fall schon längst – im Zeitpunkt der Einbringung der Klage im Februar 2020 – gegeben gewesen, der dafür geltend gemachte Anspruch hätte von Beginn an (nicht mit Feststellungsbegehren, sondern) mit Leistungsklage verfolgt werden müssen, nicht überzeugen:</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [2] 2. Der Kläger hatte sich – wegen einer medizinisch nicht indizierten Operation, die keiner anerkannten Methode der Behandlung seines Schlafapnoesyndroms entsprach – etlichen Folgeoperationen und zahllosen medizinischen Behandlungen unterziehen müssen. Mit ihrem Versuch einer Aufsplitterung in „Teilverunstaltungen“ in Ansehung der aus diesen zahlreichen (Folge-)Operationen resultierenden (bei der Bemessung der Höhe der zuzumessenden Verunstaltungsentschädigung aber ohnehin kaum ins Gewicht fallenden) Narben an Bein, Hals und Unterarm vermag die Revision durch Nennung bloß der Operationsdaten nicht darzustellen, in welchem Zeitpunkt dem Kläger hätte klar sein müssen, welchen Betrag er der Höhe nach aus der durch die zahlreichen Eingriffe erlittenen Beeinträchtigung seines Äußeren, deren Schwerpunkt im Tracheostoma liegt, geltend zu machen haben werde. </p><p class="ErlText AlignLeft">Wenn nach der Transplantation eines Dünndarmteils (im Mai 2021) und dessen Einheilung der im August 2021 unternommene Versuch scheiterte, das im Dezember 2019 geschaffene Tracheostoma „aufzulassen“, dieses vielmehr im Oktober 2021 wieder geöffnet werden musste und seither ein weiterer Versuch, das Tracheostoma aufzulassen, nicht mehr unternommen wurde, ist die vom Berufungsgericht vertretene Auffassung, es habe sich für den Kläger erst zu diesem Zeitpunkt herausgestellt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Aussicht auf Besserung seines Zustands habe, sodass ihm die Höhe des Anspruchs der Verunstaltungsentschädigung nicht zuvor (im Zeitpunkt der Einbringung der Klage im Februar 2020) bekannt gewesen war, nicht korrekturbedürftig. Die Argumentation in der Revision, es könne schon bei bloß vorübergehender Verunstaltung ein Anspruch auf Leistung einer Verunstaltungsentschädigung geltend gemacht werden, kann die Überlegung des Berufungsgerichts, der Kläger habe das Ausmaß der aus den Eingriffen resultierenden (verbleibenden) Verunstaltung im Zeitpunkt der Klage noch nicht abschätzen können, nicht entkräften.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [3] 3. Es begegnet daher keinen Bedenken, dass sich das Berufungsgericht auf die Rechtsprechung bezogen hat, wonach die innerhalb der Verjährungsfrist begehrte (und später – wie hier – erfolgreiche) Feststellung der Haftung für künftige Schäden auch den Anspruch auf Verunstaltungsentschädigung umfasst (RS0031425).</p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240920_OGH0002_0060OB00165_24V0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-11 | 2024-10-11 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240920_OGH0002_0060OB00165_24V0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240920_OGH0002_0060OB00165_24V0000_000/JJT_20240920_OGH0002_0060OB00165_24V0000_000.html | 6Ob165/24v | ECLI:AT:OGH0002:2024:0060OB00165.24V.0920.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E* G*, vertreten durch Breiteneder Rechtsanwalt GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Mag. S* K*, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, 2. E* GmbH & Co KG *, Deutschland, vertreten durch Dorda Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 15.114,32 EUR sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 22. Februar 2024, GZ 2 R 139/23k-37, mit dem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 24. Juli 2023, GZ 31 Cg 49/22y-27, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">I. Die Bezeichnung der zweitbeklagten Partei wird auf E* GmbH & Co KG * berichtigt.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">II. Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.</span></p><p class="ErlText AlignLeft">Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Einrede der (internationalen) Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts hinsichtlich der zweitbeklagten Partei verworfen und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens (auch) gegen die zweitbeklagte Partei unter Abstandnahme von diesem Zurückweisungsgrund aufgetragen wird.</p><p class="ErlText AlignLeft">Die zweitbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.231,40 EUR (darin enthalten 371,90 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Zwischenstreits über die internationale Zuständigkeit binnen 14 Tagen zu ersetzen.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"><span class="Unterstrichen">Ad I.</span></span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [1] Aufgrund der am 1. 2. 2024 im Handelsregister A des Amtsgerichts S* eingetragenen formwechselnden Umwandlung war die Bezeichnung der Zweitbeklagten gemäß § 235 Abs 5 ZPO wie aus dem Kopf ersichtlich zu berichtigen.</span></p><p class="ErlText AlignJustify"><span aria-hidden="true"><span class="Unterstrichen">Ad II.</span></span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [2] Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist die internationale Zuständigkeit für eine Schadenersatzklage eines österreichischen Aktionärs gegen die Zweitbeklagte als die in Deutschland ansässige Abschlussprüferin der mittlerweile insolventen deutschen W* AG (künftig: AG). Der Kläger nimmt die Zweitbeklagte zugleich mit einem in Österreich wohnhaften Aufsichtsratsmitglied der AG (Erstbeklagter) in Anspruch und beruft sich dabei auf den Deliktsgerichtsstand nach Art 7 Nr 2 EuGVVO und den Gerichtsstand der Streitgenossenschaft nach Art 8 Nr 1 EuGVVO.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [3] Der <span class="Unterstrichen">Kläger</span> stützt sein Begehren darauf, dass er zwischen 30. 4. und 20. 5. 2020 150 Stück Aktien der AG erworben und am 29. 6. 2020 mit einem Verlust von 14.423,35 EUR wieder veräußert habe. Da er bei einer alternativen Veranlagung einen Gewinn von 690,97 EUR erzielt hätte, sei ihm durch den Erwerb der ungewollten Aktien ein Schaden in Höhe des Klagebetrags entstanden, für den ihm die Beklagten solidarisch hafteten.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [4] Der Erstbeklagte sei in der Zeit von 2009 bis 2020 Mitglied des Aufsichtsrats der AG gewesen und habe in dieser Funktion die Zweitbeklagte mit der Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts der AG beauftragt. Obwohl zumindest ab 2015 wesentliche Teile des Umsatzes der AG frei erfunden gewesen seien und es bereits ab 2008 Hinweise auf Malversationen („Luftbuchungen“) gegeben habe, hätten in dieser Hinsicht weder der Erstbeklagte seine Kontrollbefugnisse als Aufsichtsrat wahrgenommen noch die Zweitbeklagte konkrete Nachforschungen angestellt. Vielmehr habe diese seit 2009 uneingeschränkte Bestätigungsvermerke erteilt, das sogar noch nach Bekanntwerden der Bilanzmanipulationen im April 2019. Sowohl die Vorstände als auch die Beklagten hätten durch bewusstes und gewolltes Täuschen über kapitalmarktrelevante Tatsachen Anleger dazu verleitet, Aktien zu erwerben, um dadurch sich oder die AG zu bereichern. Hätten die Beklagten gesetzes- und pflichtgetreu gehandelt, wäre ihm kein Schaden entstanden, weil er in diesem Fall nicht auf das Funktionieren der Kontrollmechanismen (Aufsichtsrat und Abschlussprüfer) sowie die Vollständigkeit und Richtigkeit der Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der AG vertraut und deren Aktien nicht gekauft hätte. Er hätte sein Geld vielmehr anderweitig veranlagt und dabei einen Gewinn erzielt.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [5] Der allgemeine Gerichtsstand des Erstbeklagten liege im Sprengel des angerufenen Gerichts. Die internationale Zuständigkeit hinsichtlich der Zweitbeklagten ergebe sich aus Art 7 Nr 2 und Art 8 Nr 1 EuGVVO.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [6] Die <span class="Unterstrichen">Zweitbeklagte</span> wandte die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts ein. Sowohl der Handlungs- als auch der Erfolgsort lägen in Deutschland. Mangels Übereinstimmung der anwendbaren Rechtsgrundlagen, der Haftungsmaßstäbe und der den Beklagten vorgeworfenen Pflichtverletzungen sei deren Haftung anhand einer gänzlich anderen Sach- und Rechtslage zu prüfen. Ein auf Art 8 Nr 1 EuGVVO gestützter gemeinsamer Gerichtsstand scheide daher aus. Gegen diesen spreche auch, dass es für einen Abschlussprüfer nicht vorhersehbar sei, am Wohnsitz eines jeden Aufsichtsratsmitglieds der geprüften Gesellschaft geklagt zu werden. Zudem erfolge die Berufung auf den Gerichtsstand der Streitgenossenschaft missbräuchlich, weil die Klage gegen den Erstbeklagten nur erhoben worden sei, um die Zuständigkeit eines österreichischen Gerichts für das vom Kläger eigentlich angestrebte Vorgehen gegen sie zu begründen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [7] Das <span class="Unterstrichen">Erstgericht</span> sprach aus, für die Klage gegen die Zweitbeklagte örtlich unzuständig zu sein, und wies die Klage gegen sie zurück. Der Gerichtsstand des Art 7 Nr 2 EuGVVO scheide aus, weil nach den Klageangaben weder die unerlaubte Handlung noch das schädigende Ereignis in Österreich erfolgt seien. Obwohl zwischen den Klagen gegen den Erstbeklagten und die Zweitbeklagte ein ausreichender Zusammenhang bestehe, könne der Kläger den Gerichtsstand des Art 8 Nr 1 EuGVVO ebenfalls nicht in Anspruch nehmen. Die Berufung darauf sei nämlich missbräuchlich, weil er die Klage gegen den Erstbeklagten nur deshalb erhoben habe, um für das Vorgehen gegen die in seinem eigentlichen Fokus liegende Zweitbeklagte einen Gerichtsstand in Österreich zu schaffen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [8] Das <span class="Unterstrichen">Rekursgericht</span> bestätigte diese Entscheidung mit der Maßgabe, dass das Erstgericht international unzuständig sei. Auch wenn die geltend gemachten Ansprüche gegen die Beklagten auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen beruhten, seien sie letztlich auf dasselbe Interesse, nämlich den Ersatz des Schadens durch den Erwerb der Aktien, gerichtet. Zudem stelle sich gegenüber beiden Beklagten die (Vor-)Frage, ob die von der Zweitbeklagten geprüften Abschlüsse der AG tatsächlich unrichtig gewesen seien und welches Investment der Kläger bei Kenntnis aller Umstände getätigt hätte. Der Inanspruchnahme des Gerichtsstands des Art 8 Nr 1 EuGVVO stehe daher nur ein etwaiger Missbrauch entgegen. Ein solcher sei hier anzunehmen, weil nach den als Feststellungen zu wertenden Ausführungen des Erstgerichts die Klage gegen den Erstbeklagten nur aus prozesstaktischem Kalkül erhoben worden sei, um künstlich einen Gerichtsstand für die Klage gegen die Zweitbeklagte zu schaffen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [9] Die Revision ließ das Rekursgericht unter Hinweis auf die zwischenzeitig ergangene Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 5 Ob 73/23f nachträglich zu.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"> [10] Der dagegen gerichtete <span class="Unterstrichen">Revisionsrekurs</span> des <span class="Unterstrichen">Klägers</span> ist <span class="Unterstrichen">zulässig</span>, weil die Entscheidungen der Vorinstanzen von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweichen. Er ist aus diesem Grund auch <span class="Unterstrichen">berechtigt</span>.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [11] 1. Werden mehrere Personen zusammen geklagt, kann nach Art 8 Nr 1 EuGVVO eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, vor dem Gericht des Ortes, an dem einer der Beklagten seinen Wohnsitz hat, geklagt werden, sofern zwischen den Klagen eine so enge Beziehung gegeben ist, dass eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten erscheint, um zu vermeiden, dass in getrennten Verfahren widersprechende Entscheidungen ergehen könnten.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [12] 2. Der Oberste Gerichtshof hat sich mit der Frage der internationalen Zuständigkeit für Klagen österreichischer Aktionäre gegen die Zweitbeklagte als Abschlussprüferin der AG erstmals in seiner Entscheidung 9 Ob 18/22w beschäftigt. Er kam darin nach umfassender Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) und dem Schrifttum zum Ergebnis, dass in der vorliegenden Konstellation, bei der neben der Zweitbeklagten auch ein in Österreich wohnhafter Erstbeklagter geklagt wird, die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts im Verfahren gegen die Zweitbeklagte nach Art 8 Nr 1 EuGVVO gegeben ist. Die auch hier ident vorgetragenen Argumente der Zweitbeklagten erachtete der Oberste Gerichtshof als nicht tragfähig und stellte klar, dass der erforderliche Sachzusammenhang zwischen den Klagen besteht und eine Klageführung unter Inanspruchnahme des Gerichtsstands des Art 8 Nr 1 EuGVVO für einen Schädiger auch vorhersehbar ist. Dem haben sich – ungeachtet der dazu geäußerten Kritik der Lehre – in der Folge weitere Senate angeschlossen (6 Ob 128/22z; 8 Ob 113/22h; 2 Ob 186/23a; 5 Ob 73/23f; 4 Ob 220/23s).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [13] Wenn die Vorinstanzen daher davon ausgehen, auch hier seien die in Art 8 Nr 1 EuGVVO ausdrücklich genannten Kriterien erfüllt, entspricht das der dargestellten Rechtsprechung. Die Ausführungen der Zweitbeklagten, mit denen sie lediglich ihre schon mehrfach abgelehnte Ansicht wiederholt, geben keinen Anlass, davon abzugehen. Mit der dazu ergangenen Rechtsprechung befasst sie sich zum Teil zwar im Revisionsrekursverfahren, dies aber nur im Kontext mit der von den Vorinstanzen bejahten missbräuchlichen Inanspruchnahme des Gerichtsstands der Streitgenossenschaft. Stichhaltige Gründe, die die von ihr angestrebte abweichende Beurteilung tragen könnten, legt sie damit nicht dar.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [14] 3. Die Parteien bezweifeln nicht, dass Art 8 Nr 1 EuGVVO zwar keinen ausdrücklichen Missbrauchsvorbehalt wie Art 8 Nr 2 EuGVVO enthält, eine Missbrauchskontrolle aber insofern zu erfolgen hat, als es einem Kläger nicht erlaubt ist, eine Klage gegen mehrere Beklagte allein zu dem Zweck zu erheben, einen von diesen der Zuständigkeit der Gerichte seines Wohnsitzstaats zu entziehen. Sie stellen dazu auch nicht in Abrede, dass eine Zweckentfremdung des Gerichtsstands des Art 8 Nr 1 EuGVVO nur dann vorliegt, wenn beweiskräftige Indizien den Schluss zulassen, dass der Kläger die dafür erforderlichen Voraussetzungen künstlich herbeigeführt oder aufrechterhalten hat, wie etwa durch ein kollusives Zusammenwirken mit der Ankerpartei (5 Ob 73/23f [Rz 38]; 4 Ob 220/23s [Rz 24] mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des EuGH).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [15] Dass eine Missbrauchskontrolle (auch) beim Gerichtsstand des Art 8 Nr 1 EuGVVO zu erfolgen hat, ist in der Rechtsprechung somit geklärt und im Verfahren auch unbestritten. Da die dahingehende Prüfung dem nationalen Gericht obliegt (EuGH C-352/13,<span class="Kursiv"> CDC Hydrogen Peroxide SA</span>, [Rn 32]) und sich allgemein gültige Regeln dafür, welches Verhalten als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist und daher dem Gerichtsstand der Streitgenossenschaft entgegensteht, nicht aufstellen lassen, besteht kein Anlass, vorab den EuGH zu befassen (5 Ob 73/23f [Rz 39]; 4 Ob 220/23s [Rz 25]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [16] 3.1. Nach Ansicht des Rekursgerichts kann sich ein missbräuchliches Vorgehen auch aus der subjektiven Absicht bzw der Motivlage des Klägers ergeben. Anders als in den bisher vom Obersten Gerichtshof entschiedenen Fällen stehe hier fest, dass die Klage gegen den Erstbeklagten nur erhoben worden sei, um sich gegen die Zweitbeklagte auf Art 8 Nr 1 EuGVVO berufen zu können. Dieser Unterschied rechtfertige trotz ansonsten gleicher Ausgangslage ein anderes Ergebnis der Missbrauchskontrolle.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [17] 3.2. Der Oberste Gerichtshof hat erst jüngst zu 5 Ob 73/23f und 4 Ob 220/23s – bei Identität der Parteienvertreter – ausführlich begründet, dass die Intention, mit der Klageführung gegen den in Österreich wohnhaften Erstbeklagten auch die internationale Zuständigkeit für eine (in einem sachlichen Zusammenhang mit der Klage gegen den Erstbeklagten stehende) Klage gegen die Zweitbeklagte zu bewirken, für sich allein keinen Rechtsmissbrauch darstellt (5 Ob 73/23f [Rz 42]; 4 Ob 220/23s [Rz 28]). Damit wird auch nicht – wie in der Revisionsrekursbeantwortung behauptet – die Feststellung zur Motivlage des Klägers „umgedeutet“. Vielmehr wird die prozesstaktiksche Überlegung, neben der Zweitbeklagten den in Österreich wohnhaften Erstbeklagten zu klagen, um damit die internationale Zuständigkeit eines österreichischen Gerichts zu begründen, als zulässige Inanspruchnahme des Gerichtsstands der Streitgenossenschaft gewertet, weil eine dem Kläger vorteilhaft scheinende Auswahl der Prozessgegner (und damit eines Gerichtsstands) ohne weitere Umstände keinen Rechtsmissbrauch indiziert (4 Ob 220/23s [Rz 31 f]). Die (schlüssig behauptete) Konnexität der Ansprüche ist ein ausreichend sachlicher Grund für die gleichzeitige Inanspruchnahme der Beklagten sowie des dadurch eröffneten Gerichtsstands des Art 8 Nr 1 EuGVVO und ohne zusätzliche tragfähige Indizien kein künstliches Herbeiführen (oder Aufrechterhalten) dieses Gerichtsstands.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [18] 4. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen erfolgte die Inanspruchnahme des Gerichtsstands nach Art 8 Nr 1 EuGVVO durch den Kläger somit nicht rechtsmissbräuchlich. Da der Revisionsrekurs schon deshalb berechtigt ist, kommt es nicht mehr darauf an, ob die internationale Zuständigkeit auch auf den Deliktsgerichtsstand nach Art 7 Nr 2 EuGVVO gestützt werden könnte.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [19] 5. Die Kostenentscheidung gründet auf § 52 Abs 1 Satz 3 iVm §§ 41, 50 ZPO.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [20] Die Zweitbeklagte hat dem Kläger die Kosten des Zwischenstreits über die internationale Zuständigkeit zu ersetzen (RS0035955 [T4, T8, T17]; RS0036009 [T1]), soweit sie vom allgemeinen Verfahrensaufwand klar abgrenzbar sind (RS0036009 [T3]). Kosten von Prozesshandlungen, die im fortgesetzten Verfahren verwertbar sind, sind im Rahmen der Entscheidung über die Kosten des Zwischenstreits dagegen nicht zuzusprechen (siehe bloß 4 Ob 173/19y [ErwGr 6.]; 10 Ob 36/19w [ErwGr 4.]).</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [21] Klar abgrenzbar sind hier nur die Kosten des Verfahrens zweiter und dritter Instanz (vgl 10 Ob 10/22a [Rz 19]). Für den Rekurs steht dabei nur ein Erhöhungsbetrag nach § 23a RATG (iVm BGBl II 2023/131) von 2,60 EUR zu (RS0126594); für die begehrte Verbindungsgebühr besteht keine Grundlage (vgl <span class="Kursiv">Obermaier</span>, Kostenhandbuch<span class="Hoch">4</span> Rz 1.447). Im Revisionsrekursverfahren stand der Kläger nur einer Partei gegenüber, sodass kein Streitgenossenzuschlag gebührt.</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240920_OGH0002_0060OB00127_24F0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-14 | 2024-10-14 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240920_OGH0002_0060OB00127_24F0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240920_OGH0002_0060OB00127_24F0000_000/JJT_20240920_OGH0002_0060OB00127_24F0000_000.html | 6Ob127/24f | ECLI:AT:OGH0002:2024:0060OB00127.24F.0920.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch Dr. Julius Bitter MBA, Rechtsanwalt in Kirchdorf an der Krems, wider die beklagte Partei M* AG, *, Deutschland, vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 33.927 EUR sA, über den (richtig) Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 2. Mai 2024, GZ 6 R 54/24i-39, womit das Urteil des Landesgerichts Linz vom 31. Jänner 2024, GZ 38 Cg 25/22x-33, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Rekurs wird zurückgewiesen.</p><p class="ErlText AlignLeft">Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.120,75 EUR bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p><p class="ErlText AlignLeft"> [1] Die Beklagte ist Fahrzeugherstellerin eines mit einem Dieselmotor des Typs OM 651 ausgestatteten Pkw. Der <span class="Fett">Kläger</span> begehrt von ihr (wegen einer im Fahrzeug verbauten unzulässigen Abschalteinrichtung) 33.927 EUR Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [2] Das <span class="Fett">Erstgericht</span> gab der Klage – abgesehen von der Abweisung eines Zinsenmehrbegehrens – statt. Das Abgasrückführsystem des verbauten Motors arbeite nur bei Temperaturen über 17 Grad Celsius vollständig. Es handle sich bei dem implementierten Thermofenster um eine unzulässige Abschalteinrichtung iSd Art 3 Z 10 VO (EG) 715/2007. Der Kläger habe ein Software-Update zu Recht verweigert.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [3] Das <span class="Fett">Berufungsgericht</span> hob das Ersturteil auf. Es teilte die Bedenken der Beklagten gegen die getroffenen Feststellungen über die Wirkungsweise des Software-Update. Diese seien – weil unklar und zu unpräzise – für die rechtliche Beurteilung nicht brauchbar. Der bisher festgestellte Sachverhalt lasse nicht ansatzweise erkennen, ob bei Aufspielen des Software-Update noch eine (unzulässige) Abschalteinrichtung vorhanden wäre. Da Feststellungen zur Wirkungsweise des Software-Update, auf deren Basis eine rechtliche Beurteilung vorgenommen werden könne, fehlten, könne auch noch nicht beurteilt werden, ob solche zur Motorschutzausnahme nach einem Update notwendig sein werden.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [4] Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zur Frage der zur Zumutbarkeit des Aufspielens eines behördlich geprüften Software-Update im Rahmen der Schadensminderungspflicht zulässig. Überdies sei eine Klarstellung zur Beweislastverteilung bei Einwand der Schadensminderungsobliegenheit „wünschenswert“.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [5] Der <span class="Fett">Rekurs</span> des Klägers ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig, was nur einer kurzen Begründung bedarf (§ 510 Abs 3 ZPO):</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [6] 1. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Kläger für das Vorliegen einer „Abschalteinrichtung“ iSd Art 3 Z 10 VO 715/2007/EG behauptungs- und beweispflichtig. Ist ihm dieser Nachweis gelungen, ist angesichts des grundsätzlichen Verbots von Abschalteinrichtungen (Art 5 Abs 2 Satz 1 VO 715/2007/EG) zunächst von ihrer Unzulässigkeit auszugehen. Den Fahrzeughersteller trifft sodann die Beweislast dafür, dass die Abschalteinrichtung unter eine der Ausnahmen des Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG fällt (6 Ob 177/23g [Rz 26]; 10 Ob 7/24p [Rz 14]); verbleibende Unklarheiten gehen zu seinen Lasten (6 Ob 177/23g [Rz 38]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [7] Ist im Verfahren eines Käufers gegen den Fahrzeughersteller in diesem Sinne nachgewiesen, dass sein Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung nach Art 5 VO 715/2007/EG ausgestattet wurde, hat er Anspruch auf schadenersatzrechtliche Rückabwicklung (Ersatz des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeugs unter Anrechnung eines Benützungsentgelts; zuletzt ausführlich 1 Ob 34/24t [Rz 27 ff]) oder Anspruch auf Geltendmachung eines Minderwerts (RS0134498).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [8] 2. Diesen Anspruch könnte der Fahrzeughersteller aber durch nachträglich erfolgte Beseitigung der unzulässigen Abschalteinrichtung (etwa durch ein aufgespieltes Software-Update) abwenden (vgl 6 Ob 122/23v [Rz 22 f]). Die (Behauptungs- und) Beweislast für die Beseitigung der Unzulässigkeit einer zuvor vorhandenen unzulässigen Abschalteinrichtung und Herstellung eines den Zulassungsvorschriften entsprechenden Zustands durch ein Software-Update trifft den Fahrzeughersteller. Verbleibende Unklarheiten gehen auch insoweit zu seinen Lasten (6 Ob 155/22w [Rz 66]; 8 Ob 21/23f [Rz 43]); 10 Ob 32/23s [ErwGr 1.4.4.2.]; 6 Ob 122/23v [Rz 27]; zum Übergeber siehe 1 Ob 149/22a [Rz 46]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [9] Dass anderes auch für die bloß als möglich behauptete Schadensbeseitigung bzw Schadensminderung (durch ein angebotenes, aber nicht aufgespieltes Software-Update) nicht gelten kann, liegt ganz klar auf der Hand. Eine Pflicht (Obliegenheit), den Schaden möglichst gering zu halten (§ 1304 ABGB; RS0027116; RS0027043), kann den Geschädigten nämlich überhaupt erst treffen, wenn die Möglichkeit, den Schaden zu beseitigen oder zu verringern überhaupt bestanden hat oder besteht. Die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass der Geschädigte den eingetretenen Schaden hätte vermindern können und er diese schuldhaft unterlassen hat, trifft – nach seit Jahrzehnten bestehender Rechtsprechung – den Schädiger (RS0027129; 8 Ob 67/84), was schon aus dem Grundsatz entspringt, dass jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen behaupten und beweisen muss (RS0037797; RS0039939).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [10] 3. Weder das Berufungsgericht noch eine der beiden Parteien deuten überhaupt nur an, dass oder warum dies im vorliegenden Verfahren (bei dem überdies eine Kenntnis von der Wirkungsweise des Software-Update nicht beim Kläger, sondern vielmehr bei der Beklagten zu vermuten ist) anders gesehen werden könnte. Im Gegenteil sieht auch der Kläger im Rekurs die Behauptungs- und Beweislast diesbezüglich bei der (dies auch einräumenden und auf die Entscheidung 6 Ob 122/23v verweisenden) Beklagten als Fahrzeugherstellerin gelegen und beschäftigt sich nicht weiter mit der vom Berufungsgericht als erheblich iSd § 502 Abs 1 ZPO angesehenen Frage, wen die Beweislast dafür im Rahmen des Einwands der Schadensminderungsobliegenheit trifft.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [11] 4. Der Rekurs hält die Rechtssache aber deswegen für spruchreif, weil der Zeitpunkt, bis zu dem die Beklagte dies hätte beweisen können, schon vorbei sein soll. Es sei die Frage der Verpflichtung zur Schadensminderung nämlich „ex ante“ zu beurteilen, welcher Zeitraum spätestens mit dem Schluss des Verfahrens erster Instanz beendet sei. „Festgestelltes Verfahrensergebnis“ sei, dass „für das von der Beklagten angebotene Software-Update kein vollwertiger Schadenersatz festgestellt werden“ könne. Die (Möglichkeit der) reale(n) Beseitigung der unzulässigen Abschalteinrichtung sei unklar geblieben. Fragen der subjektiven Zumutbarkeit stellten sich daher gar nicht (und werden auch im Rekurs nicht ausgeführt).</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [12] Dabei übergeht der Rekurs, dass sich ein solches „Ergebnis“, um tragfähige Beurteilungsgrundlage sein zu können, aus einem mangelfreien Verfahren und einer (auch in diesem Punkt) mangelfreien Entscheidung ableiten lassen müsste. Es wird an mehreren Stellen im Rechtsmittel offenkundig nicht zwischen unklaren Feststellungen und unklaren Tatumständen unterschieden. Gerade zum bloß unterstellten und nur angeblich „festgestellte[n] Verfahrensergebnis“ („dass für das von der Beklagten angebotene Software-Update kein vollwertiger Schadenersatz festgestellt werden“ konnte) fehlen Feststellungen. Den Tatsachenkomplex „Wirkungsweise des Software-Update“ hat das Berufungsgericht als unklar oder überhaupt teilweise fehlend festgestellt beurteilt und das Verfahren als ergänzungsbedürftig angesehen. Die vom Berufungsgericht angenommene Notwendigkeit einer Verfahrensverbreiterung auf Basis dieser unklaren/fehlenden Feststellungen greift der Rekurs bloß mit dem unrichtigen Vorbringen, es habe die Beklagte gar nicht behauptet, dass das Software-Update die Unzulässigkeit der Abschalteinrichtung beseitigt hätte, an. Wenn er davon ausgeht, es sei die (Möglichkeit der) reale(n) Beseitigung der unzulässigen Abschalteinrichtung bis zum (mit der Entscheidung des Berufungsgerichts ja beseitigten) Schluss der mündlichen Streitverhandlung „unklar“ geblieben, würdigt er bisherige Verfahrensergebnisse einfach selbst, ohne sich mit der Argumentation des Berufungsgerichts, warum Feststellungen des Erstgerichts darüber unklar/fehlend geblieben sind, auseinanderzusetzen (vgl im Übrigen RS0042179).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [13] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 iVm § 50 ZPO. Ein Kostenvorbehalt findet im Zwischenstreit über die mangels erheblicher Rechtsfrage verneinte Zulässigkeit eines Rekurses nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO nicht statt. Der Beklagten, die auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen hat, sind die Kosten ihrer Rekursbeantwortung zuzusprechen (RS0123222 [T4]).</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240920_OGH0002_0060OB00162_23A0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-14 | 2025-01-15 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240920_OGH0002_0060OB00162_23A0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240920_OGH0002_0060OB00162_23A0000_000/JJT_20240920_OGH0002_0060OB00162_23A0000_000.html | 6Ob162/23a | ECLI:AT:OGH0002:2024:0060OB00162.23A.0920.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Firmenbuchsache der zu FN * eingetragenen Ö*-Privatstiftung, *, vertreten durch Bruckmüller RechtsanwaltsgmbH in Linz, über den Revisionsrekurs der Privatstiftung gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 11. Jänner 2023, GZ 6 R 153/22w-9, womit der Beschluss des Landesgerichts Steyr vom 11. November 2022, GZ 21 Fr 3355/22a-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft">Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [1] Im Firmenbuch ist zu FN * die Ö*-Privatstiftung [idF: Stiftung] eingetragen. Gemäß § 13 Abs 1 der Stiftungsurkunde ist der Erststifter berechtigt, die Stiftungserklärung (Stiftungsurkunde und -zusatzurkunde) alleine zu ändern.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [2] Die Stiftung beantragte die Eintragung von Änderungen der Stiftungsurkunde und der Stiftungszusatzurkunde und brachte vor, der Erststifter habe von seinem Änderungsrecht Gebrauch gemacht und mit Beschlüssen vom 4. 10. 2022 die Stiftungsurkunde und die Stiftungszusatzurkunde geändert. Dazu legte die Antragstellerin neben einer aktuellen Fassung der Stiftungsurkunde auch den in Notariatsaktsform gefassten Beschluss des Erststifters über die Änderung der Stiftungsurkunde vor. Dieser Beschluss wurde vom Sohn des Erststifters als rechtsgeschäftlich bevollmächtigter Vertreter des Erststifters gefasst. Auch die Änderung der Stiftungszusatzurkunde erfolge unstrittig im Vollmachtsnamen durch den Sohn des Erststifters.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [3] Die mit dem Antrag vorgelegte und in Notariatsaktsform errichtete Vollmacht vom 23. 8. 2022 lautet auszugsweise:</p><p class="Abstand AlignLeft"></p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">„eingeschränkte</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Vollmacht und Auftrag</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">zur Ausübung der Rechte gegenüber</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">der</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter"><span class="Kursiv">[Stiftung]</span></p><p class="Abstand AlignCenter"></p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Herr <span class="Kursiv">[Erststifter]</span></p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">(Vollmachtgeber)</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">erteilt</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter"><span class="Kursiv">[Sohn des Erststifters]</span></p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">(Vollmachtnehmer)</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">hiermit gem §§ 1002 ff ABGB den Auftrag die ihm in der <span class="Kursiv">[Stiftung]</span> zukommenden Stifterrechte in seinem Namen wahrzunehmen und erteilt ihm eine auf die Wahrnehmung dieser Rechte eingeschränkte Vollmacht.</span></p><p class="Abstand AlignLeft"></p><p class="TabTextZentriert AlignCenter"><span aria-hidden="true">I. Umfang der Vollmacht</span></p><p class="Abstand AlignCenter"></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">1. Herr <span class="Kursiv">[Erststifter]</span> hat am 22.04.1996 die <span class="Kursiv">[Stiftung] </span>(im weiteren 'Privatstiftung') errichtet. Er hat sich als Stifter in den Urkunden der Privatstiftung einige wesentliche Rechte im Hinblick auf die Privatstiftung eingeräumt bzw. vorbehalten. Dies sind insbesondere, jedoch nicht abschließend, das Recht zur Bestellung der Mitglieder des Stiftungsvorstands (§ 5 der Stiftungsurkunde), das Recht zur Einrichtung eines Beirats und der Bestellung der Mitglieder des Beirats (§ 9 der Stiftungsurkunde), die Stiftungsurkunden zu ändern (§ 13 der Stiftungsurkunde) und die Privatstiftung zu widerrufen (§ 14 der Stiftungsurkunde).</span></p><p class="ErlText AlignLeft">2. Die dem Vollmachtsnehmer erteilte Vollmacht ist eine allgemeine und unbeschränkte Vollmacht zur Ausübung sämtlicher Rechte des Vollmachtgebers gegenüber der Privatstiftung, sodass der Vollmachtsnehmer berechtigt ist, den Vollmachtgeber in Angelegenheiten im Zusammenhang mit seinen Rechten gegenüber der Privatstiftung, auch solchen, die nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehören, gegenüber der Privatstiftung, vor Behörden aller Art wie auch gegenüber allen Dritten nach bestem Wissen und Gewissen zu vertreten.</p><p class="ErlText AlignLeft">3. Der Vollmachtnehmer ist insbesondere auch bevollmächtigt und ermächtigt, folgende Maßnahmen im Namen des Vollmachtgebers zu tätigen:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">a. Änderung der Stiftungsurkunde gem. § 33 PSG und gem. § 12 der Stiftungsurkunde der Privatstiftung;</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">b. Widerruf der Stiftung gem. § 34 PSG und gem. § 13 der Stiftungsurkunde der Privatstiftung;</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">c. Bestellung von Personen zu Mitgliedern des Vorstandes gem. § 5 Abs 3 der Stiftungsurkunde der Privatstiftung;</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">d. Abberufung von Mitgliedern des Vorstandes gem. § 5 Abs 5 der Stiftungsurkunde der Privatstiftung;</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">e. Bestellung von Mitgliedern des Vorstandes gem. § 5 Abs 2 der Stiftungsurkunde der Privatstiftung;</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">f. Ausübung des Zustimmungsrechtes gem. § 7 Abs 6 der Stiftungsurkunde der Privatstiftung;</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">g. Ausübung des Stellungnahmerechts gem. § 7 Abs 7 der Stiftungsurkunde der Privatstiftung;</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">h. Ausübung der Kontrollrechte gem. § 11 der Stiftungsurkunde der Privatstiftung</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">i. Ausübung gesetzlicher Begünstigtenrechte gegenüber der Privatstiftung (zum Beispiel Antragstellung gemäß § 27 PSG)</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">j. Ausübung gesetzlicher Organrechte – soweit diese zustehen – gegenüber der Privatstiftung (zum Beispiel Antragstellung gemäß § 27 PSG oder § 30 PSG)</span></p><p class="ErlText AlignLeft">4. Der Vollmachtnehmer ist überdies bevollmächtigt und ermächtigt,</p><p class="ErlText AlignLeft">a. sämtliche, wie immer gearteten Schriftstücke betreffend der Privatstiftung für den Vollmachtgeber zu übernehmen, zu öffnen und den Empfang rechtswirksam zu bestätigen […].</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">b. Der Vollmachtgeber erteilt dem Vollmachtsnehmer im Hinblick auf den oben beschriebenen Umfang der Vollmacht auch Prozessvollmacht im Sinne des § 31 ZPO […].</span></p><p class="ErlText AlignLeft">5. Vertretung vor Behörden oder vor Gericht:</p><p class="ErlText AlignLeft">Der Vollmachtnehmer ist befugt, den Vollmachtgeber im Hinblick auf den oben beschriebenen Umfang der Vollmacht vor Behörden und Gerichten und auch Dritten gegenüber nach bestem Wissen und Gewissen zu vertreten.</p><p class="Abstand AlignLeft"></p><p class="TabTextZentriert AlignCenter"><span aria-hidden="true">II. Auftrag und Annahme</span></p><p class="ErlText AlignLeft">[…]“</p><p class="Abstand AlignLeft"></p><p class="ErlText AlignLeft"> [4] Die beschlossenen Änderungen der Stiftungsurkunde lauten wie folgt (Änderungen sind unterstrichen bzw durchgestrichen dargestellt):</p><p class="Abstand AlignLeft"></p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">„§ 1</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Name, Sitz, Stifter</p><p class="ErlText AlignLeft">[…]</p><p class="ErlText AlignLeft">(2) Der Sitz der Stiftung ist in der politischen Gemeinde Enns. <span class="Unterstrichen">Eine Verlegung des Sitzes der Stiftung bedarf der Zustimmung des Erststifters. Nach dessen Ableben bedarf die Verlegung des Sitzes der Zustimmung des Stiftungsbeirats.</span></p><p class="ErlText AlignLeft">(3) Die Stifter sind:</p><p class="ErlText AlignLeft">[…]</p><p class="ErlText AlignLeft">Ing. J* H*, geboren am *1934, wird in der Folge kurz 'Erststifter' genannt. I* G*, geboren am *1992, und L* H* werden in der Folge gemeinsam kurz 'Stifter-Enkelinnen' genannt.</p><p class="ErlText AlignLeft">[…]</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter"><span aria-hidden="true">§ 5</span></p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Stiftungsvorstand</p><p class="Abstand AlignLeft"></p><p class="ErlText AlignLeft">(1) Zur Verwaltung und Vertretung der Stiftung nach außen ist ausschließlich der Stiftungsvorstand berufen, welcher aus mindestens drei und höchstens <s>fünf</s> <span class="Unterstrichen">sieben</span> Mitgliedern besteht.</p><p class="ErlText AlignLeft">[…]</p><p class="Abstand AlignLeft"></p><p class="TabTextZentriert AlignCenter"><span aria-hidden="true">§ 7</span></p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Verwaltung</p><p class="ErlText AlignLeft">[…]</p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Unterstrichen">(9) Sollte die Stiftung beabsichtigen, eine der Gesellschaften, an der die Stiftung direkt oder indirekt beteiligt ist, oder auf die sie sonst einen kontrollierenden Einfluss ausübt, zu veräußern, hat der Stiftungsvorstand seinen Einfluss in diesen Gesellschaften dahingehend geltend zu machen, dass bei Verkauf einer solchen Gesellschaft nach Möglichkeit das Liegenschaftsvermögen der zu veräußernden Gesellschaft der Stiftung oder ihren oben genannten Gesellschaftern erhalten bleibt.</span></p><p class="ErlText AlignLeft">[…]</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter"><span aria-hidden="true">§ 16</span></p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Dauer, Auflösung</p><p class="Abstand AlignCenter"></p><p class="ErlText AlignLeft">(1) Die Stiftung wurde auf unbestimmte Zeit errichtet.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">(2) Der Stiftungsvorstand beschließt im Sinne des § 35 Abs 1 Z 4 PSG einstimmig und in Anwesenheit aller Mitglieder über die Auflösung der Stiftung. Die Auflösung der Stiftung kann nur aus wichtigen Gründen und nur mit Zustimmung des Erststifters und nach dessen Ableben mit Zustimmung des Stiftungsbeirates erfolgen, insbesondere dann, wenn der Zweck der Stiftung in Ermangelung von Begünstigten bzw. Anwartschaftsberechtigten oder in Ermangelung eines ausreichenden Stiftungsvermögens nicht mehr verwirklicht werden kann. <s>Die Stiftung wird aufgelöst in den Fällen des § 35 Abs 1 Z 1 bis 5 PSG und ist aufzulösen in den Fällen des § 35 Abs 2 Z 1 bis 4 PSG.</s></span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Unterstrichen">(3) Die Stiftung ist nach dem Ableben des Erststifters, frühestens jedoch nach dem Versterben der letzten noch am Leben befindlichen Stifter-Enkelin aufzulösen. In diesem Fall hat der Stiftungsvorstand im Sinne des § 35 Abs 1 Z 4 PSG einstimmig und in Anwesenheit aller Mitglieder über die Auflösung der Stiftung zu beschließen.</span></span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Unterstrichen">(4) Die Stiftung wird aufgelöst in den Fällen des § 35 Abs 1 Z 1 bis 5 PSG und ist aufzulösen in den Fällen des § 35 Abs 2 Z 1 bis 4 PSG.</span>“</span></p><p class="Abstand AlignLeft"></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [5] Mit Note vom 24. 10. 2022 lud das <span class="Fett">Erstgericht</span> die Antragstellerin gemäß § 17 FBG unter Hinweis, es sei davon auszugehen, dass auch die Stiftungszusatzurkunde nicht durch den Erststifter persönlich, sondern durch den Sohn des Erststifters abgeändert worden sei, aus dem Notariatsakt vom 23. 8. 2022 aber keine diesbezügliche Vollmacht abgeleitet werden könne, und auch hinsichtlich der Änderung der Stiftungsurkunde die Eintragungsvoraussetzungen nicht vorlägen, zumal die vorgelegte Vollmacht die Voraussetzungen einer Spezialvollmacht nicht erfülle, ein, das Gesuch binnen 14 Tagen zurückzuziehen, widrigenfalls eine antragsabweisende Entscheidung ergehen werde.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [6] Nachdem in der Folge weder das Gesuch zurückgezogen wurde noch eine Stellungnahme der Antragstellerin einlangte, wies das Erstgericht den Antrag ab. Zusammengefasst führte es aus, der Erststifter habe keinen wirksamen Beschluss auf Änderung der gegenständlichen Urkunden gefasst, weil der vermeintliche rechtsgeschäftliche Vertreter diesbezüglich keine ausreichende Vertretungsmacht gehabt habe. Aus der vorgelegten Vollmacht vom 23. 8. 2022 könne keine Vertretungsmacht für die Änderung der Stiftungszusatzurkunde abgeleitet werden. Darüber hinaus sei diese Vollmacht auch keine Spezialvollmacht. Eine solche sei jedoch für die Ausübung des Rechts des Erststifters auf Änderung der Stiftungsurkunde durch einen Bevollmächtigten erforderlich.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [7] Das <span class="Fett">Rekursgericht</span> teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts. Für die Änderung einer Stiftungserklärung sei eine Spezialvollmacht iSd § 1008 Satz 2 ABGB erforderlich. Die dem Begehren auf Eintragung der Änderung der Stiftungsurkunde und der Stiftungszusatzurkunde beigelegte „eingeschränkte Vollmacht“ erfülle diese Voraussetzungen nicht. § 1008 Satz 3 ABGB beziehe sich nur auf Satz 1 dieser Bestimmung; die Nennung einer Gattung in einer Generalvollmacht substituiere damit das Erfordernis einer Einzelvollmacht nicht. Eine Änderung der Stiftungszusatzurkunde sei von der Vollmacht gar nicht umfasst.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [8] Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu. Es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Rechtsfrage, ob auch für die Änderung der Stiftungserklärung durch einen Vertreter eine Spezialvollmacht erforderlich sei. Außerdem habe der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 2 Ob 88/18g offengelassen, ob die Rechtsprechung, wonach dem Erfordernis einer Einzelvollmacht auch dadurch Genüge getan werden könne, dass im Rahmen einer allgemeinen Vollmacht zumindest die Gattung des Geschäfts, für das an sich Einzelvollmacht gemäß § 1008 Satz 2 ABGB erforderlich wäre, angeführt werde, auch über den Fall der Vorsorgevollmacht hinaus (noch) fortzuschreiben sei.</span></p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"> [9] Der <span class="Fett">Revisionsrekurs der Antragstellerin</span> ist <span class="Fett">zulässig</span>, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehlt, ob für die Änderung der Stiftungserklärung durch einen Vertreter eine Spezialvollmacht erforderlich ist. Er ist aber <span class="Fett">nicht berechtigt</span>.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [10] 1. Für die Änderung der Stiftungserklärung durch einen rechtsgeschäftlichen Vertreter des Stifters ist eine Spezialvollmacht erforderlich:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [11] 1.1. Während §§ 1006 ff ABGB vorsehen, dass die Vertragsparteien privatautonom grundsätzlich die Art der Geschäftsbesorgung frei vereinbaren können, enthält § 1008 ABGB zwei Einschränkungen dieses Grundsatzes. Für bestimmte in Satz 1 angeführte Geschäfte sind allgemeine Umschreibungen und insbesondere Generalvollmachten unzureichend; vielmehr muss die Vollmacht auf die Gattung des Geschäfts lauten, also die Art des Geschäfts bezeichnen (Satz 1, Gattungsvollmacht). Für die in Satz 2 aufgezählten Geschäfte reicht auch eine solche nicht aus. In diesen Fällen ist eine individuelle Benennung des vom Machthaber durchzuführenden Geschäfts im Sinne einer Spezialvollmacht (auch „Einzelvollmacht“) nötig (vgl 4 Ob 92/22s [ErwGr 2.1.]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [12] 1.2. Die besonderen Vollmachtsarten sind dabei für jene Geschäfte vorgeschrieben, die für den Geschäftsherrn typischerweise nachteilig, gefährlich, besonders ungewöhnlich oder wichtig sind. Das Gesetz führt eine Hemmschwelle für die Bevollmächtigung zu diesen Geschäften ein, um einerseits den Geschäftsherrn vor Übereilung zu schützen und andererseits den tatsächlichen Bevollmächtigungswillen zu sichern (4 Ob 92/22s [ErwGr 2.1.]; <span class="Kursiv">Baumgartner/U. Torggler</span> in Klang³ § 1008 ABGB Rz 6 ff). Der Geschäftsherr soll also dadurch, dass er in der Vollmacht die Geschäftsgattung oder das einzelne Geschäft angeben muss, darauf hingewiesen werden, dass derart wichtige, ungewöhnliche oder gefährliche Geschäfte mit inbegriffen sind (RS0019351). Außerdem sollen diese Regelungen der Gefahr begegnen, dass sich ein Machtgeber durch Erteilung einer allgemeinen Vollmacht seinem Machthaber völlig ausliefert (RS0019385 [T1]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [13] 1.3. Die Aufzählung der Geschäfte in § 1008 ABGB wird von Rechtsprechung und Lehre nicht rein taxativ verstanden (vgl <span class="Kursiv">P. Bydlinski</span> in KBB<span class="Hoch">7</span> § 1008 ABGB Rz 1; <span class="Kursiv">Perner</span> in <span class="Kursiv">Kletečka/Schauer</span>, ABGB-ON<span class="Hoch">1.01</span> § 1008 Rz 2). Vielmehr wird sie einerseits durch Spezialregelungen ergänzt und andererseits als analogiefähig angesehen (4 Ob 92/22s [ErwGr 2.2.]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [14] 1.4. Gemäß § 1008 Satz 2 ABGB bedarf die Errichtung von Gesellschaftsverträgen einer Spezialvollmacht. Als Grund dafür wird der Schutz vor Übereilung und das Entstehen erheblicher Kosten und Haftungsrisiken angesehen (<span class="Kursiv">Baumgartner/U. Torggler</span> in Klang³ § 1008 ABGB Rz 52 ff), ebenso der Gedanke, dass Gesellschaftsverträge individuell ausgestaltet werden und damit ganz unterschiedliche Erscheinungsformen aufweisen können, weshalb dem Machtgeber grundsätzlich nicht zu unterstellen sei, dass er den Machthaber zum Abschluss beliebiger Gesellschaftsverträge bevollmächtigen wolle (<span class="Kursiv">Hartlieb/Zollner</span> in <span class="Kursiv">Rummel/Lukas/Geroldinger</span>, ABGB<span class="Hoch">4</span> § 1008 ABGB Rz 36).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [15] 1.5. Das Privatstiftungsgesetz enthält keine speziellen Regelungen für die Vertretung des Stifters bei der Errichtung der Stiftung oder der Wahrnehmung seiner Stifterrechte.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [16] 1.6. Auch die Errichtung einer Privatstiftung ist für den Geschäftsherrn typischerweise nachteilig, gefährlich, ungewöhnlich und wichtig, weshalb § 1008 Satz 2 ABGB analog anzuwenden ist. Neben den oben (Punkt 1.4.) dargelegten Erwägungen sprechen für das Erfordernis einer Spezialvollmacht auch der schenkungsähnliche Rechtsvorgang der Vermögenswidmung (<span class="Kursiv">Hartlieb/Zollner</span> in <span class="Kursiv">Rummel/Lukas/Geroldinger</span>, ABGB<span class="Hoch">4</span> § 1008 ABGB Rz 39) und der Schutz vor übereilter Aufgabe des Einflusses auf das Stiftungsvermögen (<span class="Kursiv">Baumgartner/U. Torggler</span> in Klang³ § 1008 ABGB Rz 54). Die Errichtung einer Stiftungsurkunde bedarf daher nach zutreffender herrschender Meinung einer Spezialvollmacht (<span class="Kursiv">Arnold</span>, Privatstiftungsgesetz<span class="Hoch">4</span> § 3 Rz 6; <span class="Kursiv">Baumgartner/U. Torggler</span> in Klang³ § 1008 Rz 54; <span class="Kursiv">Hartlieb/Zollner</span> in <span class="Kursiv">Rummel/Lukas/Geroldinger</span>, ABGB<span class="Hoch">4</span> § 1008 ABGB Rz 39; <span class="Kursiv">Apathy/Burtscher</span> in <span class="Kursiv">Schwimann/Kodek</span>, ABGB Praxiskommentar<span class="Hoch">5</span> § 1008 ABGB Rz 5; <span class="Kursiv">Kalss</span> in <span class="Kursiv">Doralt/Nowotny/Kalss</span>, Privatstiftungsgesetz § 3 Rz 9). Das wird vom Revisionsrekurs auch nicht bezweifelt.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [17] 1.7. Die Gestaltungsrechte eines Stifters sind ebenfalls nicht vertretungsfeindlich. Sie können für diesen daher von einem rechtsgeschäftlich Bevollmächtigten ausgeübt werden (6 Ob 102/12m [ErwGr 2.]; 3 Ob 16/06h [ErwGr 2.e.]; <span class="Kursiv">Arnold</span>, Privatstiftungsgesetz<span class="Hoch">4</span> § 3 Rz 43). Die Anforderungen an die Vollmacht hängen insbesondere von der Art des Gestaltungsrechts ab. Für eine Änderung der Stiftungserklärung verlangt die herrschende Ansicht, der sich das Rekursgericht angeschlossen hat, eine Spezialvollmacht (<span class="Kursiv">Arnold</span>, Privatstiftungsgesetz<span class="Hoch">4</span> § 3 Rz 43; <span class="Kursiv">Baumgartner/U. Torggler</span> in Klang³ § 1008 Rz 55; <span class="Kursiv">Hartlieb/Zollner</span> in <span class="Kursiv">Rummel/Lukas/Geroldinger</span>, ABGB<span class="Hoch">4</span> § 1008 ABGB Rz 39; <span class="Kursiv">Csoklich</span>, Zugriff auf Vermögen der Privatstiftung durch Gläubiger der Stifter und Begünstigten, ÖBA 2008, 416 [431]; aM <span class="Kursiv">Kalss</span> in <span class="Kursiv">Doralt/Nowotny/Kalss</span>, Privatstiftungsgesetz § 3 Rz 20 [mit bloßem Verweis auf die ähnliche Rechtslage bei Änderungen eines GmbH-Gesellschaftsvertrags]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [18] 1.8. Der erkennende Senat tritt dieser herrschenden Auffassung bei:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [19] 1.8.1. Der Privatstiftung liegt der Gedanke zugrunde, dass mit einem „eigentümerlosen“ Vermögen ein bestimmter Zweck besser, zielstrebiger und auch dauerhafter verwirklicht werden kann, als wenn das Vermögen mit dem Schicksal des Stifters und dem seiner Rechtsnachfolger verbunden bliebe und etwa in eine Gesellschaft eingebracht würde, die von den Gesellschaftern beeinflussbar ist. Mit der Errichtung einer Stiftung soll daher die Verselbständigung des Vermögens erreicht und dessen Verwendung an den einmal erklärten Willen des Stifters gebunden werden (ErlRV 1132 BlgNR XVIII. GP 15).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [20] 1.8.2. Auch bei der Änderungserklärung handelt es sich um eine einseitige Willenserklärung des Stifters (<span class="Kursiv">Arnold</span>, Privatstiftungsgesetz<span class="Hoch">4</span> § 33 Rz 37). Eine Änderungsbefugnis des Stifters nach § 33 Abs 2 PSG besteht nur bei entsprechendem Vorbehalt in der Stiftungsurkunde. Die Befugnis ist grundsätzlich umfassend und erfasst selbst Änderungen des Stiftungszwecks, der Stiftungsorganisation und der Begünstigtenstellung (<span class="Kursiv">Arnold</span>, Privatstiftungsgesetz<span class="Hoch">4</span> § 33 Rz 42 ff; ErlRV 1132 BlgNR XVIII. GP 36). Dazu kommt, dass einer Privatstiftung regelmäßig bedeutende Vermögenswerte gewidmet werden (vgl § 4 PSG).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [21] 1.8.3. Dem trägt auch § 39 Abs 1 PSG Rechnung, der sowohl die Errichtung als auch Änderungen der Stiftungserklärung durch den Stifter an die Form eines Notariatsakts (§§ 52 ff NO) bindet (<span class="Kursiv">Arnold</span>, Privatstiftungsgesetz<span class="Hoch">4</span> § 33 Rz 64 und § 39 Rz 2). Diese strenge Form entspricht nicht nur dem Perpetuierungszweck der Privatstiftung. Sie ist überdies besonders geeignet, die Ernstlichkeit der Erklärung des Stifters zu bestätigen (vgl ErlRV 1132 BlgNR XVIII. GP 36).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [22] 1.8.4. Die Änderung einer Stiftungserklärung ist daher wie die Errichtung einer Privatstiftung ein Geschäft, das für den Stifter typischerweise gefährlich, ungewöhnlich und wichtig ist. Auch für die rechtsgeschäftliche Vertretung bei einer Änderung einer Stiftungserklärung ist somit in analoger Anwendung des § 1008 Satz 2 ABGB eine Spezialvollmacht notwendig.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [23] 1.9. Der Hinweis des Revisionsrekurses, wonach für die Änderung eines Gesellschaftsvertrags einer GmbH nach herrschender Meinung keine Spezialvollmacht erforderlich sei, steht dem nicht entgegen. Schon die dem gesetzlichen Grundkonzept entsprechende Erklärung des Stifters über die Änderung der Stiftungserklärung (vgl § 3 Abs 2 PSG) entspricht nicht jenem der Abstimmung in der Generalversammlung einer GmbH. Gleiches gilt für die besondere Individualität des Rechtsakts des Stifters (vgl oben Punkt 1.8.2.). Dies findet auch Niederschlag in der in § 39 Abs 1 PSG dafür angeordneten Notariatsaktspflicht (§§ 52 ff NO), während Beschlüsse über die Änderung des Gesellschaftsvertrags einer GmbH gemäß § 49 Abs 1 GmbHG (jedenfalls im Regelfall) lediglich der notariellen Beurkundung iSd § 76 NO bedürfen (vgl <span class="Kursiv">Rauter/Milchrahm</span> in <span class="Kursiv">Straube/Ratka/Rauter</span>, WK GmbHG 144. Lfg § 49 Rz 102).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [24] 1.10. Auch aus dem Umstand, dass die hier zu beurteilende Vollmacht in Notariatsaktsform errichtet wurde, ist für die Antragstellerin nichts zu gewinnen, denn gemäß § 69 Abs 1a NO bleibt davon das Erfordernis einer Spezialvollmacht unberührt (<span class="Kursiv">D. Baumgartner/Weigand</span> in <span class="Kursiv">Zib/Umfahrer</span>, NO § 69 [Stand 1. 2. 2024, rdb.at] Rz 21 ff [zur Änderung der Stiftungserklärung Rz 23 aE]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [25] 2. Die vorgelegte Vollmacht ist keine Spezialvollmacht iSd § 1008 Satz 2 ABGB:</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [26] 2.1. Aus dem Zweck des § 1008 ABGB (oben Punkt 1.2.) ergibt sich der notwendige Inhalt einer Spezialvollmacht („Einzelvollmacht“). Sie muss unzweideutig erkennen lassen, dass sie zum Abschluss des betreffenden Geschäfts ermächtigt (vgl 6 Ob 119/09g). Damit die Vollmacht auf das Geschäft selbst lautet, muss das abzuschließende Geschäft, für welches die Vollmacht erteilt wurde, individualisierbar sein (<span class="Kursiv">Hartlieb/Zollner</span> in <span class="Kursiv">Rummel/Lukas/Geroldinger</span>, ABGB<span class="Hoch">4</span> § 1008 Rz 29; vgl 6 Ob 119/09g). Das Erfordernis einer Spezialvollmacht ist daher nicht erfüllt, wenn die Vollmacht von ihr erfasste Rechtsgeschäfte nur abstrakt auflistet (<span class="Kursiv">Baumgartner/U. Torggler</span> in Klang³, § 1008 Rz 48).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [27] 2.2. Zutreffend hat das Rekursgericht erkannt, dass die gegenständliche Vollmacht diesen Voraussetzungen nicht genügt. Sie listet Rechtsgeschäfte, die von ihr umfasst sein sollen, so auch die hier relevante Änderung der Stiftungsurkunde der Stiftung, lediglich abstrakt der Art nach auf. Ein konkretes Geschäft, also im gegebenen Zusammenhang eine individualisierbare Erklärung über die Änderung der Stiftungsurkunde oder der Stiftungszusatzurkunde, lässt sie hingegen nicht erkennen.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [28] 3. Eine allgemeine Vollmacht iSd § 1008 Satz 3 ABGB liegt jedenfalls nicht vor:</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [29] 3.1. § 1006 ABGB unterscheidet hinsichtlich des Umfangs zwischen allgemeinen und besonderen Vollmachten, je nachdem, ob jemandem die Besorgung aller Angelegenheiten oder nur einiger Geschäfte anvertraut wird. Die darin enthaltenen Begriffsbestimmungen sind für § 1008 ABGB relevant (<span class="Kursiv">Hartlieb/Zollner</span> in <span class="Kursiv">Rummel/Lukas/Geroldinger</span>, ABGB<span class="Hoch">4</span> § 1006 Rz 1). Eine allgemeine Vollmacht im Sinne dieser Bestimmung liegt vor, wenn die Vollmacht auf sämtliche Geschäfte des Vollmachtgebers lautet. Eine solche Vollmacht wird als Generalvollmacht bezeichnet (<span class="Kursiv">Hartlieb/Zollner</span> in <span class="Kursiv">Rummel/Lukas/Geroldinger</span>, ABGB<span class="Hoch">4</span> § 1006 Rz 4; <span class="Kursiv">Baumgartner/U. Torggler</span> in Klang³, § 1006 Rz 8).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [30] 3.2. Gemäß § 1008 Satz 3 ABGB sind allgemeine, selbst unbeschränkte Vollmachten dann hinreichend, wenn die Gattung des Geschäfts in der Vollmacht ausgedrückt worden ist. Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung, insbesondere aus der Stellung des dritten Satzes am Ende der gesamten Norm, folgern die Rechtsprechung (vgl 5 Ob 214/09w; 4 Ob 1502/94; GlUNF 6249 [mit ausführlicher Begr]; GlUNF 2071; GlU 6322 [unbedingter Erbschaftsantritt]; für Vorsorgevollmachten 2 Ob 88/18g = RS0132334) und die ältere Lehre (<span class="Kursiv">Apathy</span> in <span class="Kursiv">Schwimann/Kodek</span>, ABGB<span class="Hoch">4</span> § 1008 Rz 1; <span class="Kursiv">Strasser</span> in <span class="Kursiv">Rummel</span>, ABGB<span class="Hoch">3</span> §§ 1006 bis 1008 Rz 12; <span class="Kursiv">Ehrenzweig</span> System I² 278; <span class="Kursiv">Stanzl</span> in Klang IV/12 812; <span class="Kursiv">Swoboda</span> in Klang II/21 798), dass dem Erfordernis der Einzelvollmacht dadurch Genüge getan werden kann, dass im Rahmen einer allgemeinen Vollmacht zumindest die Gattung des Geschäfts, für das an sich Einzelvollmacht gemäß § 1008 Satz 2 ABGB erforderlich wäre, angeführt wird (aA <span class="Kursiv">Baumgartner/U. Torggler</span> in Klang³ § 1008 Rz 19, 49 und 50; <span class="Kursiv">Perner</span> in <span class="Kursiv">Kletečka/Schauer</span>, ABGB-ON<span class="Hoch">1.01</span> § 1008 Rz 9; <span class="Kursiv">Hartlieb/Zollner</span> in <span class="Kursiv">Rummel/Lukas/Geroldinger</span>, ABGB<span class="Hoch">4</span> § 1008 ABGB Rz 6; <span class="Kursiv">Apathy/Burtscher</span> in <span class="Kursiv">Schwimann/Kodek</span>, ABGB Praxiskommentar<span class="Hoch">5</span> § 1008 ABGB Rz 6; <span class="Kursiv">P. Bydlinski</span> in KBB<span class="Hoch">7</span> § 1008 ABGB Rz 5).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [31] 3.3. Die in der Zulassungsbegründung aufgeworfene Frage, ob die hier unter Punkt 3.2. erörterte Rechtsprechung angesichts der gegenteiligen Ansicht der jüngeren Lehre fortzuschreiben ist, stellt sich im vorliegenden Fall jedoch nicht.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [32] 3.3.1. Eine allgemeine Vollmacht, die nach der erörterten Rechtsprechung zur Anwendung des § 1008 Satz 3 ABGB führte (vgl 4 Ob 92/22s; 5 Ob 214/09w; 4 Ob 1502/94; GlUNF 6249; GlU 6322), hat der Stifter gegenständlich nicht erteilt. Auch der Revisionsrekurs räumt (an anderer Stelle) ein, dass von einer allgemeinen Vollmacht zur Vertretung in sämtlichen Angelegenheiten keine Rede sein könne.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [33] 3.3.2. Die vorgelegte Vollmacht bezieht sich ausdrücklich nur auf den engen Bereich der Rechte des Vollmachtgebers gegenüber der Stiftung. Eine von § 1008 Satz 3 ABGB geforderte allgemeine Vollmacht liegt daher nicht einmal annähernd vor, sodass sich allfällige Schwierigkeiten bei der Bestimmung dieses Begriffs (vgl <span class="Kursiv">Ehrenzweig</span> System I² 278 FN 8) von vornherein nicht ergeben.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [34] 3.3.3. Schon deshalb kann die vorgelegte Vollmacht eine Spezialvollmacht iSd § 1008 Satz 2 ABGB zur Änderung der Stiftungserklärung nicht ersetzen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [35] 4. Ergänzend ist festzuhalten, dass gemäß § 69 Abs 1 NO Vollmachten, die zur Errichtung eines Notariatsakts dienen, entweder öffentliche Urkunden – also in der Regel ebenfalls Notariatsakte (<span class="Kursiv">D. Baumgartner/Weigand</span> in <span class="Kursiv">Zib/Umfahrer</span>, NO § 69 [Stand 1. 2. 2024, rdb.at] Rz 15) – oder solche Privaturkunden sein müssen, auf denen die Unterschrift des Vollmachtgebers gerichtlich, notariell oder von einer österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland beglaubigt ist. Eine Vollmacht nach § 69 Abs 1 NO genügt gemäß § 69 Abs 1a NO auch zum Abschluss aller Rechtsgeschäfte und zur Abgabe aller Rechtserklärungen, die zu ihrer Gültigkeit des Notariatsakts bedürfen, wenn in ihr sowohl der rechtsgeschäftliche Vorgang einzeln oder, sofern nicht nach anderen Vorschriften eine auf das einzelne Geschäft ausgestellte Vollmacht notwendig ist, zumindest der Gattung nach angeführt ist. Demnach muss der rechtsgeschäftliche Vorgang in der als Notariatsakt errichteten oder notariell beglaubigten Vollmacht genannt sein (vgl 4 Ob 19/01z = RS0037978; <span class="Kursiv">P. Bydlinski</span> in KBB<span class="Hoch">7</span> § 1005 ABGB Rz 2).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [36] Das ist hier lediglich betreffend die Befugnis zur Änderung der Stiftungsurkunde der Fall. Damit liegt für Änderungen der Stiftungszusatzurkunde (zur Notariatsaktspflicht siehe oben Punkt 1.8.3.) durch den Sohn des Erststifters auch aus diesem Grund keine ausreichende Vollmacht vor.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [37] 5. Dem unberechtigten Revisionsrekurs ist somit ein Erfolg zu versagen.</p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240919_OGH0002_0090OB00011_24V0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-09 | 2025-01-02 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240919_OGH0002_0090OB00011_24V0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240919_OGH0002_0090OB00011_24V0000_000/JJT_20240919_OGH0002_0090OB00011_24V0000_000.html | 9Ob11/24v | ECLI:AT:OGH0002:2024:0090OB00011.24V.0919.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hargassner, Mag. Korn, Dr. Stiefsohn und Dr. Wallner-Friedl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I*, vertreten durch Mag. Michael Wirrer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei N*, vertreten durch Dr. Michael Günther, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 4. Oktober 2023, GZ 39 R 96/23s-35, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Josefstadt vom 23. Februar 2023, GZ 7 C 104/21k-30, teilweise aufgehoben wurde, den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft">Dem Rekurs wird Folge gegeben.</p><p class="ErlText AlignLeft">Der Beschluss des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts im angefochtenen Umfang (einschließlich der Entscheidung über die Prozesskosten) wiederhergestellt wird.</p><p class="ErlText AlignLeft">Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 609,67 EUR (darin 101,61 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung sowie die mit 730,70 EUR (darin 83,78 EUR Umsatzsteuer und 228 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rekurses an den Obersten Gerichtshof binnen 14 Tagen zu ersetzen.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [1] Die Klägerin ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts nach § 1 IslamG 2015. Sie ist die Vermieterin und die Beklagte die Mieterin einer Wohnung, die sich über den zweiten Stock (rund 119 m² Wohnfläche) und das Dachgeschoß (rund 93 m² Wohnfläche) eines Hauses erstreckt. Der Mietvertrag bindet die Kündigung durch die Vermieterin an das Vorliegen eines „im MRG angeführten“ Kündigungsgrundes und zusätzlich an eine der folgenden Voraussetzungen: „Nichtbezahlung des Mietzinses (inklusive Betriebskosten) im Sinn des MRG“ oder „islamwidriges Verhalten“.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [2] Die Klägerin nutzt den Keller, das Erdgeschoß und den ersten Stock des Hauses.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [3] Derzeit arbeiten acht Personen (darunter der Präsident) ständig und weitere zwei Personen nicht ständig für die Klägerin. Eine Mitarbeiterin weicht „oft“ in den Hof aus, um ungestört zu telefonieren, weil sie sich das Büro mit anderen Personen teilt. Der Präsident beabsichtigt, die Zahl der ständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter „nach und nach“ um weitere 12 auf 20 Personen aufzustocken.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [4] Der Theologische Beratungsrat ist das Fachorgan der Klägerin für Glaubenslehre und religiöse Angelegenheiten. Er besteht aus 20 Personen und tritt alle vier Wochen zusammen, derzeit entweder in im Eigentum der Klägerin stehenden Gebäuden oder bei den Kultusgemeinden in den Moscheen. Es ist der Wunsch des Präsidenten, dem Theologischen Beratungsrat Räumlichkeiten im Haus zur Verfügung stellen zu können.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [5] Der Oberste Rat der Klägerin besteht aus 15 Personen und trifft sich alle sechs Wochen, derzeit in einem im Eigentum der Klägerin stehenden Gebäude. Die Mitglieder des Obersten Rats führen ihre Tätigkeit von der Moschee, ihrer Wohnung oder sonst ihnen zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten aus durch. Der Präsident möchte den Mitgliedern des Obersten Rats Räumlichkeiten im Haus zur Verfügung stellen können.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [6] Der Schura-Rat ist das Legislativorgan der Klägerin. Er besteht aus 72 Personen und tagt zwei Mal im Jahr. Er wird von einem Vorsitzenden geleitet, der bisher nicht im Haus arbeitete. Der Präsident plant, dass die Sitzungen des Schura-Rats von Ausschüssen vorbereitet werden. Auch der Vorsitzende und die Ausschussmitglieder des Schura-Rats sollen im Haus Platz finden.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [7] Die Klägerin gründete die Karitative Muslimische Arbeitsgemeinschaft sowie die Gemeinschaft junger Musliminnen und hat auch noch andere ehrenamtlich und extern tätige Personen. Der Präsident beabsichtigt, ihnen Räumlichkeiten im Haus zur Verfügung zu stellen.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [8] Die Klägerin bietet Seminare und Fortbildungen an, teilweise für bis zu 100 Personen, für die sie bisher externe Räumlichkeiten nutzte.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [9] Die Klägerin hat noch nicht entschieden, was aus dem Dachgeschoß „gemacht werden soll“. Eine konkrete Planung gibt es noch nicht. Das Dachgeschoß soll „bestmöglich genutzt werden“.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [10] Mit gerichtlicher Teilkündigung vom 7. 6. 2021 kündigte die <span class="Unterstrichen">Klägerin</span> den Mietvertrag der Beklagten über „das Dachgeschoß“ der Wohnung auf und begehrte die Übergabe des Dachgeschoßes geräumt von den Fahrnissen der Beklagten. Als den „im MRG angeführten“ Kündigungsgrund gab sie einen dringenden Eigenbedarf gemäß § 31 Abs 1 MRG an. Sie benötige die aufgekündigten Räumlichkeiten dringend, um ihren Zweck – Verwaltung der religiösen Belange von rund 800.000 Muslimen in Österreich – zu erfüllen. Das Wohnbedürfnis der Beklagten sei durch die Räume im zweiten Stock ausreichend gesichert. Da auch Mietzinsrückstände der Beklagten bestünden und sich die Beklagte islamwidrig verhalte, sei die Klägerin mietvertraglich zur Teilkündigung berechtigt.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [11] Die <span class="Unterstrichen">Beklagte</span> beantragte die Aufhebung der Teilkündigung und die Abweisung des Räumungsbegehrens. Sie stützte sich insbesondere darauf, dass es an einem dringenden Eigenbedarf der Klägerin fehle.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [12] Das <span class="Unterstrichen">Erstgericht</span> – das unter einem rechtskräftig eine vorangegangene gerichtliche Teilkündigung des „Dachgeschoßes“ aufhob und ein darauf gestütztes Räumungsbegehren abwies – hob die Teilkündigung auf und wies das Räumungsbegehren ab. Ein dringender Eigenbedarf der Klägerin am Dachgeschoß bestehe nicht. Die derzeitigen räumlichen Verhältnisse mögen beengt sein, reichten aber zur Erfüllung der Aufgaben der Klägerin aus. Für einzelne Besprechungen oder Veranstaltungen im größeren Rahmen stünden ihr andere Räumlichkeiten zur Verfügung, die sie bisher auch tatsächlich genutzt habe. Der Wunsch, alle für die Klägerin arbeitenden Personen an einem Ort zu zentralisieren, sei nachvollziehbar, aber nicht „unabweislich notwendig“. Das Dachgeschoß könne den Raumbedarf der Klägerin auch nicht ausreichend decken.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [13] Das <span class="Unterstrichen">Berufungsgericht</span> hob diese Entscheidung auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es bejahte den dringenden Eigenbedarf der Klägerin und davon ausgehend das Vorliegen eines „im MRG angeführten“ Kündigungsgrundes. Ausgehend davon trug es dem Erstgericht auf zu prüfen und Feststellungen dazu zu treffen, ob zusätzlich eine der Voraussetzungen „Nichtbezahlung des Mietzinses (inklusive Betriebskosten) im Sinn des MRG“ oder „islamwidriges Verhalten“ vorliege. Das Berufungsgericht ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof mit der Begründung zu, es fehle Rechtsprechung zu der Frage, ob der Kündigungsgrund des Eigenbedarfs zu verneinen sei, wenn das aufgekündigte (Teil-)Mietobjekt den Gesamtbedarf nicht decken könne und die kündigende Partei nicht konkret darlege, zur Erfüllung welchen Teilbedarfs die Aufkündigung erfolgen solle.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [14] Gegen den Beschluss des Berufungsgerichts richtet sich der <span class="Unterstrichen">Rekurs der Beklagten</span> wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag, das Ersturteil wiederherzustellen, und hilfsweise mit einem Aufhebungsantrag.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [15] Die Klägerin beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, den Rekurs zurückzuweisen und hilfsweise, ihm nicht Folge zu geben.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"> [16] Der Rekurs ist <span class="Unterstrichen">zulässig</span> und <span class="Unterstrichen">berechtigt</span>.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett"> [17] </span> <span class="Fett">1.</span> Der Mietvertrag bindet eine Kündigung durch die Klägerin an das Vorliegen eines „im MRG angeführten“ Kündigungsgrundes. Die Klägerin hat sich dafür auf jenen des § 31 Abs 1 MRG berufen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett"> [18] </span> <span class="Fett">2.1.</span> Die Teilkündigung durch den Vermieter setzt (ua) voraus, dass er einzelne Teile des Mietgegenstands für sich oder für Verwandte in gerader Linie dringend benötigt (§ 31 Abs 1 MRG). Der dringende Eigenbedarf ist im selben, strengen Sinn zu prüfen wie bei den Tatbeständen des § 30 Abs 2 Z 8 und Z 9 MRG (5 Ob 34/16k; <span class="Kursiv">Höllwerth</span> in <span class="Kursiv">Hausmann/Vonkilch</span>, Österreichisches Wohnrecht – MRG<span class="Hoch">4</span> § 31 MRG Rz 5; <span class="Kursiv">Würth/Zingher/Kovanyi</span>, Miet- und Wohnrecht<span class="Hoch">23</span> § 31 MRG Rz 1). Bei einer juristischen Person kommt nur ein eigener dringender Bedarf zur Erfüllung ihrer Zwecke in Betracht (RS0067746; RS0068576).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett"> [19] </span> <span class="Fett">2.2.</span> Bei der Beurteilung der Dringlichkeit des Eigenbedarfs ist ein strenger Maßstab anzulegen (RS0070482; zur Teilkündigung RS0069125). Erforderlich ist zumindest – auch nach dem „gemäßigteren“ Verständnis der Dringlichkeit bei der Wohnraummiete (RS0068227 [T18, T20]; RS0070482 [T24]; RS0070619 [T3, T4]) – ein wichtiges persönliches oder wirtschaftliches Bedürfnis des Aufkündigenden (oder seines Verwandten in gerader Linie), das nur durch die Benützung der aufgekündigten Räume befriedigt werden kann (RS0068227; RS0109791; RS0112714). Vage künftige Möglichkeiten begründen keinen dringenden Eigenbedarf (RS0070482 [T10]; RS0070619 [T1]).</p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett"> [20] </span> <span class="Fett">3.</span> Der Rechtsprechung zum dringenden Eigenbedarf an Geschäftsräumen sind die folgenden Grundsätze zu entnehmen:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett"> [21] </span> <span class="Fett">3.1.</span> Das „gemäßigtere“ Verständnis der Dringlichkeit wurde primär im Zusammenhang mit der Wohnraummiete entwickelt und lässt sich auf Geschäftsräume nicht ohne weiteres übertragen (6 Ob 44/18s).</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett"> [22] </span> <span class="Fett">3.2.</span> Das Bestreben des Vermieters (oder seines Verwandten in gerader Linie), die eigene wirtschaftliche Lage zu verbessern, ist nicht vom Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 9 MRG umfasst (1 Ob 111/01g; 6 Ob 44/18s). Nicht einmal ein (künftiger) wesentlicher wirtschaftlicher Vorteil fällt ins Gewicht (3 Ob 237/98v).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett"> [23] </span> <span class="Fett">3.3.</span> Will der Vermieter (oder sein Verwandter in gerader Linie) in nach § 30 Abs 2 Z 9 MRG aufgekündigten Geschäftsräumen, in denen der Mieter ein Unternehmen betreibt, ein erst neu zu gründendes Unternehmen unterbringen, fordert der Oberste Gerichtshof regelmäßig „ganz besondere Umstände“, die es dem Vermieter (oder seinem Verwandten in gerader Linie) unzumutbar machen, das neue Unternehmen an anderer Stelle zu betreiben (6 Ob 599/87; 3 Ob 536/87; 8 Ob 586/93; 3 Ob 237/98v; 1 Ob 111/01g). Dasselbe gilt für einen zusätzlichen Standort eines schon bisher vom Vermieter (oder seinem Verwandten in gerader Linie) betriebenen Unternehmens (3 Ob 237/98v).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett"> [24] </span> <span class="Fett">3.4.</span> Ein dringender Eigenbedarf an Geschäftsräumen könnte etwa dann bejaht werden, wenn der Vermieter gezwungen ist, sein schon bisher betriebenes Unternehmen in die bisher von ihm vermieteten Räumlichkeiten zu verlegen (3 Ob 237/98v; vgl 6 Ob 44/18s).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett"> [25] </span> <span class="Fett">4. </span>Sowohl bei Wohnungen als auch bei Geschäftsräumen beurteilt die Rechtsprechung den dringenden Eigenbedarf aufgrund der (Feststellungen zur) konkret beabsichtigten Nutzung der vermieteten Räumlichkeiten:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett"> [26] </span> <span class="Fett">4.1.</span> In den Entscheidungen, in denen der Oberste Gerichtshof anhand des „gemäßigteren“ Verständnisses der Dringlichkeit bei Wohnungen den dringenden Eigenbedarf bejahte oder zumindest eine den dringenden Eigenbedarf bejahende Entscheidung des Berufungsgerichts als vertretbar beurteilte, stand konkret fest, wer die Wohnung nach der Aufkündigung bewohnen sollte (vgl 4 Ob 167/99h; 1 Ob 223/02d; 6 Ob 135/04b; 1 Ob 195/04i; 5 Ob 119/05v; 7 Ob 146/06f; 3 Ob 110/09m; 2 Ob 215/09w; 5 Ob 80/20f; 2 Ob 108/22d). Auch die Verneinung des dringenden Eigenbedarfs an einer Wohnung erfolgte anhand der Feststellungen, wer die Wohnung künftig bewohnen sollte (vgl 10 Ob 318/02s; 6 Ob 203/09k; 8 Ob 134/14k).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett"> [27] </span> <span class="Fett">4.2.</span> In den Entscheidungen, in denen der dringende Eigenbedarf an Geschäftsräumen bejaht wurde, stand nicht nur konkret fest, wer die aufgekündigten Räume nutzen wollte, sondern auch, zu welchem Zweck diese Person die Räume nutzen wollte (8 Ob 586/93: Einzelhandelsgewerbe der Klägerin; 1 Ob 194/97d: Volksschulklassen der Klägerin). Dasselbe gilt für die Entscheidungen, in denen der dringende Eigenbedarf verneint wurde (3 Ob 237/98v: neues Detailgeschäft des Klägers; 6 Ob 44/18s: neue Groß- und Firmenkundenabteilung der Klägerin; in 6 Ob 599/87, 3 Ob 536/87 und 1 Ob 111/01g stand fest, wer welches konkrete neue Unternehmen in den Räumen betreiben wollte).</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett"> [28] </span> <span class="Fett">4.3.</span> Der Kläger, der sich auf den Kündigungsgrund des dringenden Eigenbedarfs stützen will, sei es nach § 30 Abs 2 Z 8, 9 MRG oder nach § 31 Abs 1 MRG, hat demnach vorzubringen und zu beweisen, welcher konkrete Bedarf nach der Aufkündigung gedeckt werden soll, also von wem und zu welchem Zweck das Objekt nach der Aufkündigung genutzt werden soll. Nur anhand von Feststellungen zu diesen Themen kann geprüft werden, ob der erforderliche dringende Eigenbedarf besteht.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett"> [29] </span> <span class="Fett">4.4.</span> Die Ansicht der Klägerin, bei der Aufkündigung müsse noch nicht feststehen, wie das betroffene Objekt künftig genutzt werde, ist vor diesem Hintergrund nicht zu teilen. Dafür spricht auch § 36 Abs 1 MRG, wonach (ua) der Vermieter, der aus den Gründen des § 30 Abs 2 Z 8, 9 MRG wegen des Eintritts eines bestimmten Bedarfs einen gerichtlichen Exekutionstitel auf Räumung des Mietgegenstands erwirkt hat, der den Mietgegenstand aber nach dessen Räumung entweder gar nicht oder anderweitig verwertet, ohne durch eine mittlerweile eingetretene Änderung der Verhältnisse dazu veranlasst zu sein, dem so ausgemieteten Mieter den durch die Ausmietung tatsächlich erlittenen Schaden zu ersetzen hat. Auch diese Bestimmung belegt, dass die Eigenbedarfskündigung, zumindest jene nach § 30 Abs 2 Z 8, 9 MRG, den Beweis des konkreten Bedarfs voraussetzt. Andernfalls käme der Ersatz des „Ausmietungsschadens“ nach § 36 Abs 1 MRG nicht in Betracht. Die Frage, ob § 36 Abs 1 MRG auf die Teilkündigung nach § 31 Abs 1 MRG analog anzuwenden ist (vorsichtig dafür <span class="Kursiv">Höllwerth</span> in <span class="Kursiv">Hausmann/Vonkilch</span>, Österreichisches Wohnrecht – MRG<span class="Hoch">4</span> § 36 Rz 2b), muss hier nicht abschließend geklärt werden. Jedenfalls gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass insofern bei Teilkündigungen eine andere Interessenlage bestünde.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett"> [30] </span> <span class="Fett">5.</span> Die Beklagte zeigt im Rekurs zutreffend auf, dass der geltend gemachte Kündigungsgrund hier nicht verwirklicht ist:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett"> [31] </span> <span class="Fett">5.1.</span> Es steht fest, dass die Klägerin noch nicht entschieden hat, was aus dem (aufgekündigten) Dachgeschoß „gemacht werden soll“, und dass es diesbezüglich noch keine konkrete Planung gibt. Es steht nur fest, dass das Dachgeschoß nach der Vorstellung ihres Präsidenten „bestmöglich“ genutzt werden soll. Kurz gefasst: Die Klägerin will durch die Teilkündigung Raum gewinnen, weiß aber noch nicht, wer den Raum letztlich nutzen soll und zu welchem Zweck er genutzt werden soll. Solange aber die konkret beabsichtigte Nutzung nicht feststeht, besteht kein dringender Eigenbedarf zu einem bestimmten Zweck: Wer noch nicht einmal weiß, wie er den zusätzlichen Raum nutzen wird, kann schon begrifflich kein (aktuelles konkretes und damit) dringendes persönliches oder wirtschaftliches Bedürfnis an diesem Raum haben. Dass das Dachgeschoß letztlich entsprechend den festgestellten Absichten und Wünschen des Präsidenten der Klägerin genutzt werden soll, etwa für „nach und nach“ einzustellende zusätzliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Klägerin und/oder einzelne Organe oder Organisationen der Klägerin, ist aufgrund der uneingeschränkt allgemeinen Negativfeststellung zur künftigen Nutzung eine bloß vage künftige Möglichkeit. Eine solche begründet nach der dargestellten Rechtsprechung keinen dringenden Eigenbedarf.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett"> [32] </span> <span class="Fett">5.2.</span> Davon abgesehen konnte die Klägerin – wie das Erstgericht richtig erkannt hat – nicht beweisen, dass es für sie unbedingt notwendig wäre, das Dachgeschoß zu nutzen, dass also ihr (allfälliger) Bedarf nur durch die Teilkündigung gedeckt werden könnte und sie insofern zur Teilkündigung gezwungen wäre. Insbesondere bieten ihr Vorbringen und die Feststellungen keine Hinweise dafür, dass sie ohne die Aufkündigung des Dachgeschoßes einer wie immer gearteten Existenzbedrohung ausgesetzt wäre. Die Klägerin hat nur die „Absicht“ des Präsidenten bewiesen, die Zahl ihrer ständigen Mitarbeiter „nach und nach“ auf 20 aufzustocken, und den „Wunsch“ ihres Präsidenten, bestimmten Organen und Organisationen Platz im Haus zu bieten. Für einige davon steht sogar fest, dass sie bereits ein anderes Gebäude nutzen, das ebenfalls im Eigentum der Klägerin steht. Auch insofern ist der Klägerin der Beweis einer unbedingten Notwendigkeit für die Nutzung des Dachgeschoßes nicht gelungen. Der bloße Wunsch nach einem einzigen Standort begründet für sich allein keinen dringenden Bedarf, der nur durch die Benützung des Dachgeschoßes befriedigt werden könnte.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett"> [33] </span> <span class="Fett">6.</span> Schon aus diesem Grund ist daher dem Rekurs Folge zu geben und das die Aufkündigung aufhebende und das Räumungsbegehren abweisende Ersturteil wiederherzustellen. Auf die weiteren Argumente des Rekurses ist nicht mehr einzugehen.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett"> [34] </span> <span class="Fett">7.</span> Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240919_OGH0002_0090OB00078_24X0000_000 | Justiz | OGH | 2024-11-09 | 2024-11-09 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240919_OGH0002_0090OB00078_24X0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240919_OGH0002_0090OB00078_24X0000_000/JJT_20240919_OGH0002_0090OB00078_24X0000_000.html | 9Ob78/24x | ECLI:AT:OGH0002:2024:0090OB00078.24X.0919.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner, Mag. Korn, Dr. Stiefsohn und Dr. Wallner-Friedl als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin N*, vertreten durch Mag. Gernot Steier, Rechtsanwalt in Neulengbach, gegen den Antragsgegner M*, wegen Unterhalt, über den „außerordentlichen Revisionsrekurs“ der Antragstellerin, gegen den Beschluss des Landesgerichts Eisenstadt als Rekursgericht vom 14. März 2024, GZ 20 R 115/23w-102, den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft">Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p><p class="ErlText AlignLeft"> [1] Die Antragstellerin ist aufgrund eines Beschlusses vom 15. 9. 2020 als Mutter des Antragsgegners zur Leistung eines monatlichen Unterhalts für ihren volljährigen Sohn von 295 EUR verpflichtet.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [2] Die Antragstellerin begehrt, ab 11. 4. 2021 von ihrer monatlichen Unterhaltsverpflichtung enthoben zu werden.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [3] Das Erstgericht wies den Unterhaltsherabsetzungsantrag der Antragstellerin in Pkt 1. seiner Entscheidung für den Zeitraum vom 11. 4. 2021 bis 31. 3. 2022 zurück. Für die Zeit vom 1. 4. 2022 bis 30. 6. 2022 enthob es die Mutter von ihrer monatlichen Unterhaltsverpflichtung (Pkt 2.), wies für die Zeit vom 1. 7. 2022 bis 30. 4. 2023 den Enthebungsantrag ab (Pkt 3.), minderte die monatliche Unterhaltsleistung auf 88 EUR, angefangen vom 1. 5. 2023 bis auf Weiteres, längstens jedoch bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit des Antragsgegners (Pkt 4.) und wies das Mehrbegehren der Antragstellerin ab (Pkt 5.).</p><p class="ErlText AlignLeft"> [4] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin gegen diesen Beschluss teilweise Folge, hob den bekämpften Beschluss in seinen Punkten 3. bis 5. auf und trug dem Erstgericht in diesem Umfang eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Im Übrigen gab es dem Rekurs nicht Folge.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [5] Weiters sprach es aus, dass, soweit dem Rekurs nicht Folge gegeben werde, der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"> [6] Gegen diesen Beschluss erhob die Antragstellerin einen „außerordentlichen Revisionsrekurs“.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [7] 1. Im Unterhaltsbemessungsverfahren ist der Entscheidungsgegenstand rein vermögensrechtlicher Natur und besteht ausschließlich in einem Geldbetrag. Der Wert des Entscheidungsgegenstands bestimmt sich nach § 58 Abs 1 JN mit dem 36-fachen des monatlichen Unterhalts. Dabei ist nach ständiger Rechtsprechung nur auf jenen monatlichen Unterhaltsbetrag abzustellen, der im Zeitpunkt der Entscheidung des Rekursgerichts noch strittig war (laufender Unterhalt), während jene Unterhaltsansprüche, die vor diesem Zeitpunkt strittig und bereits fällig waren (rückständiger Unterhalt), nicht zusätzlich zu berücksichtigen sind (RS0122735; RS0114353).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [8] 2. Nach § 62 Abs 3 AußStrG ist der Revisionsrekurs – außer im Fall des § 63 Abs 3 AußStrG – jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt 30.000 EUR nicht übersteigt und das Rekursgericht nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG den ordentlichen Revisionsrekurs – wie hier – für nicht zulässig erklärt hat. In einem solchen Fall kann eine Partei nur nach § 63 Abs 1 und 2 AußStrG einen beim Erstgericht einzubringenden Antrag an das Rekursgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch für zulässig erklärt werde. Diese Zulassungsvorstellung ist mit der Ausführung des ordentlichen Revisionsrekurses zu verbinden.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [9] 3. Im vorliegenden Fall übersteigt der Gegenstand, über den das Rekursgericht entschieden hat, nicht 30.000 EUR.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [10] 4. Das Rechtsmittel der Mutter wäre demnach nicht dem Obersten Gerichtshof, sondern vielmehr zunächst dem Rekursgericht vorzulegen gewesen; dies wird nunmehr das Erstgericht nachzuholen haben.</p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240919_OGH0002_009OBA00035_24Y0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-22 | 2024-10-22 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240919_OGH0002_009OBA00035_24Y0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240919_OGH0002_009OBA00035_24Y0000_000/JJT_20240919_OGH0002_009OBA00035_24Y0000_000.html | 9ObA35/24y | ECLI:AT:OGH0002:2024:009OBA00035.24Y.0919.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Hargassner und die Hofrätin Dr.Wallner-Friedl sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Ingomar Stupar (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Thomas Kallab (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch Gahleitner Rechtsanwältin GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Ö* AG, *, vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 1.424,38 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. März 2024, GZ 9 Ra 105/23m-45, in nichtöffentlicher Sitzung den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.</span></p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"> [1] Der Kläger war bei der Beklagten als Zusteller beschäftigt. Bei Beendigung des Dienstverhältnisses wies sein Zeitkonto Minusstunden auf, für die ihm die Beklagte in der Gehaltsabrechnung zum Ende des Dienstverhältnisses den Klagsbetrag abzog.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [2] 1. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 8 ObA 58/23x zur Auslegung der auch im vorliegenden Fall anwendbaren „Betriebsvereinbarung gemäß § 4b AZG iVm § 29 ArbVG und gemäß § 73 Abs 2 Z 2 PBVG sowie gemäß § 96 ArbVG über die Flexibilisierung der Normalarbeitszeit sowie über die Verwendung eines EDV-unterstützten Zeiterfassungssystems sowie über begleitende Entgeltregelungen in den Zustellbasen der Division 'Brief' der Ö* AG“ Stellung genommen. Diese sieht unter anderem vor, dass, wenn bis Ende des Dienstverhältnisses Zeitguthaben oder Zeitschulden offen sind, bei der Endabrechnung Zeitguthaben unter Berücksichtigung des zur Auszahlung gelangenden Mehrstunden-/Überstundenpauschales entsprechend den einschlägigen gesetzlichen und kollektivvertraglichen Regelungen auszubezahlen sind. Zeitschulden werden mit dem Normalstundensatz von auszuzahlenden Beträgen abgezogen. Der Oberste Gerichtshof ging in der zitierten Entscheidung davon aus, dass es für die Zulässigkeit eines solchen Abzugs unter Berücksichtigung der Vorgaben des § 1155 ABGB maßgeblich sei, wessen Sphäre der Grund für das Unterbleiben der Arbeitsleistung zuzurechnen sei. Da es die Beklagte durch die Einteilung der Arbeit und die Vorgabe, dass mit der Erledigung der zugewiesenen Arbeit die Arbeitszeit ende, dem Arbeitnehmer unmöglich mache, allfällige Minusstunden abzuarbeiten, seien die Minusstunden der Sphäre der Beklagten zuzurechnen. Ein wirksames Abbedingen des § 1155 ABGB sei nicht zu prüfen, da eine solche Klausel unter den vorliegenden Umständen nach § 879 Abs 1 ABGB unwirksam wäre.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [3] 2. Gegen die Richtigkeit dieser Entscheidung wendet sich die Revision der Beklagten nicht. Sie macht aber geltend, dass der Kläger zusätzlich „Mitbesorgungsstunden“, das bedeutet Zustellerdienste in anderen Rayons als dem ihm grundsätzlich zugewiesenen, geleistet habe. Diese Vertretungstätigkeiten seien während der Normalarbeitszeit erfolgt. Sie seien dennoch gesondert erfasst und mit einem Zuschlag im Ausmaß von 150 % des Normalstundenlohns ausbezahlt worden. Eine (weitere) Entlohnung für Zeiträume, die im Zeitkontingent als „Minusstunden“ erfasst seien, für die der Kläger aber bereits im Weg der „Mitbesorgung“ ein Entgelt in der dargestellten Höhe erhalten habe, stehe diesem nicht zu.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [4] 2.1. Der Oberste Gerichtshof hat dazu bereits in der Entscheidung 9 ObA 22/24m Stellung genommen und ua Folgendes ausgeführt:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">„3. Wieso eine vom Arbeitnehmer während der Normalarbeitszeit erbrachte Leistung eine </span>„<span class="Kursiv">Minusstunde</span>“<span class="Kursiv"> darstellen soll, ist nicht nachvollziehbar. Die Beklagte selbst verweist darauf, dass in diesen Fällen eine Dienstleistung erbracht wurde. Die gesonderte Entlohnung der Mitbesorgungsstunden ist in der Betriebsvereinbarung ausdrücklich vorgesehen. Ob dies bei Erbringung dieser Leistungen im Rahmen der Normalarbeitszeit einen Überbezug darstellt, kann dahingestellt bleiben, weil die Beklagte die Entlohnung für Mitbesorgung ausdrücklich nicht zurückfordert.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">4. Selbst wenn man aber der Beklagten darin folgt, dass diese Stunden im Zeitkontingent des Klägers zu Recht abgezogen wurden, ist für sie daraus nichts zu gewinnen. Sie behauptet nicht, dass, hätte der Kläger sich nicht zu Mitbesorgungsstunden bereit erklärt oder eingeteilt, er zu anderen Arbeitsleistungen herangezogen worden wäre. Wie das Berufungsgericht ausführt, hatte der Kläger auf die Menge der ihm zugewiesenen Arbeiten ebenso wenig Einfluss wie auf die Ermittlung des Zeitaufwands für seine Teamleitertätigkeit. Die Rayongrößen und damit die Menge der Zustellungen wurden ausschließlich von der Beklagten festgelegt. Die von ihr behaupteten Minusstunden sind daher ebenfalls auf ihre Rayoneinteilung und nicht auf ein Verhalten des Klägers zurückzuführen.“</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [5] 2.2. Diese Ausführungen haben auch für den hier vorliegenden Fall zu gelten. Die Beklagte behauptet auch im vorliegenden Fall nicht, dass der Kläger, wäre er nicht zu „Mitbesorgungsstunden“ eingeteilt gewesen, zu anderen Arbeitsleistungen herangezogen worden wäre.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [6] 3. Die Revisionswerberin zeigt somit keine erhebliche Rechtsfrage auf. Die außerordentliche Revision ist daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240919_OGH0002_009OBA00044_24X0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-09 | 2024-10-09 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240919_OGH0002_009OBA00044_24X0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240919_OGH0002_009OBA00044_24X0000_000/JJT_20240919_OGH0002_009OBA00044_24X0000_000.html | 9ObA44/24x | ECLI:AT:OGH0002:2024:009OBA00044.24X.0919.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Hargassner und die Hofrätin Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Ingomar Stupar (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Thomas Kallab (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch Dr. Stephan Duschel ua, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei W* GmbH & Co KG, *, vertreten durch Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. April 2024, GZ 10 Ra 17/24d-15, in nichtöffentlicher Sitzung den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.</span></p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p><p class="ErlText AlignLeft"> [1] Die Beklagte hat den bei ihr als U-Bahn-Fahrer beschäftigten Kläger wegen einer (ihrer Ansicht nach begangenen) Dienstpflichtverletzung „beanstandet“, dies im „Führungsblatt“ eingetragen und ihn vorübergehend (für rund eine Woche) vom Fahrdienst in den „Leichtdienst“, verbunden mit dem Entfall von Zulagen, versetzt.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [2] Die Vorinstanzen haben das Klagebegehren, es werde festgestellt, dass der Kläger am 30. 3. 2023 keine Dienstpflichtverletzung begangen habe, abgewiesen.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [3] Die außerordentliche Revision des Klägers zeigt keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [4] 1. Nach § 228 ZPO kann „auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder Rechts, auf Anerkennung der Echtheit einer Urkunde oder Feststellung der Unechtheit derselben Klage erhoben werden“. Feststellungsfähig sind daher – sieht man vom Spezialfall der Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde ab – nur Rechte und Rechtsverhältnisse. Nicht feststellungsfähig sind Rechtshandlungen (RS0039036 [T1]), das sind Erklärungen und Äußerungen, mit denen einem anderen etwas kundgetan werden soll, an das sich Rechtsfolgen knüpfen (<span class="Kursiv">Frauenberger-Pfeiler</span> in <span class="Kursiv">Fasching/Konecny</span><span class="Hoch">3</span> III/1 § 228 ZPO Rz 40 mwN). Auch können weder bestimmte rechtliche Eigenschaften von Tatsachen, die nur Teil eines Rechts oder Rechtsverhältnisses sind, noch Tatsachen selbst Gegenstand eines Feststellungsbegehrens sein, auch wenn sie rechtserzeugend oder sonst rechtserheblich sind, sich daran also Rechtsfolgen knüpfen (RS0113327; RS0021983 [T1]; RS0038943; RS0038947; <span class="Kursiv">Frauenberger-Pfeiler</span> in <span class="Kursiv">Fasching/Konecny</span><span class="Hoch">3</span> III/1 § 228 ZPO Rz 67 f; <span class="Kursiv">Rechberger/Klicka</span> in <span class="Kursiv">Rechberger/Klicka</span> ZPO<span class="Hoch">5</span> § 228 ZPO Rz 5). Nur ein daraus resultierendes Recht (oder Rechtsverhältnis) ist feststellungsfähig (RS0039036 [T17]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [5] 2. Letzteres macht der Kläger mit seinem Feststellungsbegehren, er habe am 30. 3. 2023 keine Dienstpflichtverletzung begangen, aber nicht geltend. Vielmehr möchte er damit die Tatsache festgestellt haben, dass er keine Handlung begangen habe, durch die er seine Dienstpflichten verletzt habe. Dies steht mit den beschriebenen Voraussetzungen des § 228 ZPO nicht im Einklang. Einer Auseinandersetzung mit der in der außerordentlichen Revision relevierten Frage der Abgrenzung zwischen einer „schlichten“ Abmahnung, deren Unwirksamkeit nicht feststellungsfähig ist (vgl 9 ObA 131/16d) und einer Disziplinarmaßnahme iSd § 102 ArbVG bedarf es in dieser Zurückweisung daher nicht.</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240919_OGH0002_009OBA00067_24D0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-09 | 2024-10-09 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240919_OGH0002_009OBA00067_24D0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240919_OGH0002_009OBA00067_24D0000_000/JJT_20240919_OGH0002_009OBA00067_24D0000_000.html | 9ObA67/24d | ECLI:AT:OGH0002:2024:009OBA00067.24D.0919.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Hargassner und die Hofrätin Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Ingomar Stupar (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Thomas Kallab (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. M*, vertreten durch Dr. Sebastian Lenz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei * Universität *, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Kündigungsanfechtung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. Juni 2024, GZ 9 Ra 30/24h-47, in nichtöffentlicher Sitzung den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.</span></p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [1] 1. § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG berechtigt den Arbeitnehmer zur Anfechtung der Kündigung, sofern der Arbeitgeber den Arbeitnehmer wegen der offenbar nicht unberechtigten Geltendmachung vom Arbeitgeber in Frage gestellter Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis durch den Arbeitnehmer kündigt.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [2] Der von § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG verfolgte Zweck des Schutzes der arbeitsrechtlichen Stellung des Arbeitnehmers bezieht sich nur auf den Schutz des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis. Das Bestreben des Arbeitnehmers, nicht gekündigt zu werden, stellt aber angesichts der im österreichischen Arbeitsrecht geltenden Kündigungsfreiheit keinen Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis dar, der durch § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG geschützt ist. Der Arbeitgeber stellt daher mit einer Eventualkündigung für den Fall des Erfolgs der Anfechtung der ersten Kündigung nicht einen offenbar nicht unberechtigten Anspruch des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis in Frage (RS0128404).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [3] 2. Diese vom Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegte Rechtsauffassung wird vom Kläger in seiner Revision nicht in Zweifel gezogen. Er argumentiert jedoch damit, dass nach der Entscheidung 8 ObA 59/23v dann, wenn Motiv für die Eventualkündigung nur die Bestätigung der ersten Beendigung des Dienstverhältnisses sei, welche zweifelhaft sei, es für die Anfechtung der Eventualkündigung wegen eines verpönten Motivs nach § 105 Abs 3 Z 1 ArbVG auf die Motivation für den Ausspruch der ersten Kündigung ankomme, wenn vom Arbeitgeber nicht iSd § 105 Abs 5 ArbVG glaubhaft gemacht werde, dass wegen zwischenzeitig aufgetretener Umstände ein anderes Motiv ausschlaggebend gewesen sei.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [4] Diese Rechtsprechung sei auf Fälle zu übertragen, in denen der Eventualkündigung keine Kündigungserklärung vorangegangen sei, jedoch eine sonstige Handlung des Dienstgebers, die auf eine Beendigung des Dienstverhältnisses gerichtet gewesen sei. Im vorliegenden Fall habe die Beklagte auf eine Beendigung des Dienstverhältnisses durch Fristablauf beharrt, obwohl tatsächlich infolge unzulässiger Kettenbefristungen bereits ein unbefristetes Dienstverhältnis vorgelegen sei.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [5] 3. Dabei übergeht der Kläger jedoch, dass die Auffassung der Beklagten, dass das Dienstverhältnis durch den vereinbarten Fristablauf endet, kein verpöntes Motiv iSd § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG darstellt. Es handelte sich um keine Reaktion auf die Geltendmachung von Rechten durch den Kläger, sondern um eine andere Rechtsauffassung darüber, ob das Dienstverhältnis durch die vereinbarte Befristung beendet wurde oder nicht.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [6] Darauf, ob der Umstand, dass der Arbeitgeber von einer Beendigung durch Fristablauf ausgeht, eine „Handlung des Dienstgebers, die auf eine Beendigung des Dienstverhältnisses gerichtet ist“, darstellt, kommt es daher nicht an.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [7] 4. Davon, dass die Beklagte die Rechtsauffassung des Klägers, dass aufgrund mehrerer unzulässiger Befristungen bereits ein unbefristetes Dienstverhältnis vorliegt, nicht teilte, sind die Vorinstanzen ohnehin ausgegangen. Ein sekundärer Verfahrensmangel liegt daher nicht vor.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [8] 5. Insgesamt gelingt es dem Kläger nicht das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision des Klägers ist daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240919_OGH0002_0150NS00065_24P0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-26 | 2024-10-26 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240919_OGH0002_0150NS00065_24P0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240919_OGH0002_0150NS00065_24P0000_000/JJT_20240919_OGH0002_0150NS00065_24P0000_000.html | 15Ns65/24p | ECLI:AT:OGH0002:2024:0150NS00065.24P.0919.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Der Oberste Gerichtshof hat am 19. September 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Riffel in der Strafsache gegen * F* wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und 4 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 17 Hv 70/24d des Landesgerichts Steyr, über die Anregung des genannten Gerichts auf Delegierung nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo 2019 den</span></p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft">Die Strafsache wird dem zuständigen Gericht abgenommen und dem Landesgericht Klagenfurt delegiert.</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Gründe:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [1] Zufolge Vorliegens der Voraussetzungen des § 39 StPO war spruchgemäß zu entscheiden.</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240919_OLG0009_00600R00235_24H0000_000 | Justiz | OLG Wien | 2024-10-29 | 2024-11-25 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240919_OLG0009_00600R00235_24H0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240919_OLG0009_00600R00235_24H0000_000/JJT_20240919_OLG0009_00600R00235_24H0000_000.html | 6R235/24h (6R247/24y) | ECLI:AT:OLG0009:2024:00600R00235.24H.0919.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Fabian als Vorsitzende, den Richter Dr. Pscheidl und die Richterin Mag. Nigl, LL.M., in der Firmenbuchsache der <span class="Fett">A* B* GmbH</span>, FN **, **, vertreten durch PHH Rechtsanwält:innen GmbH in Wien, über die Rekurse der Gesellschaft gegen den Beschlüsse des Handelsgerichtes Wien vom 20.6.2024, 73 Fr 21099/24y-8 (= 6 R 235/24h), und vom 24.7.2024, 73 Fr 24073/24x-3 (= 6 R 247/24y), in nicht öffentlicher Sitzung den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter"><span class="Fett">Beschluss</span></p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignJustify" style="text-indent:47px;"><span aria-hidden="true"><span class="Fett">I.</span> Der Rekurs gegen den Beschluss vom 24.7.2024, 73 Fr 24073/24x-3, wird <span class="Fett">zurückgewiesen</span>.</span></p><p class="ErlText AlignJustify" style="text-indent:47px;"><span aria-hidden="true"><span class="Fett">II.</span> Dem Rekurs gegen den Beschluss vom 20.6.2024, 73 Fr 21099/24y-8 wird <span class="Fett">Folge gegeben.</span></span></p><p class="ErlText AlignJustify" style="text-indent:47px;">Der angefochtene Beschluss wird ersatzlos behoben.</p><p class="ErlText AlignJustify" style="text-indent:47px;">Der Vollzug durch Löschung der Eintragung nach Rechtskraft obliegt dem Erstgericht.</p><p class="ErlText AlignJustify" style="text-indent:47px;">Der ordentliche Revisionsrekurs ist jeweils nicht zulässig.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter"><span class="Fett">Begründung</span></p><p class="ErlText AlignLeft">Die A* B* GmbH (<span class="Kursiv">Gesellschaft</span>) mit Sitz in **, vormals C*-Handelsgesellschaft m.b.H., ist seit 3.12.2002 zu FN ** im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien eingetragen. Die Gesellschaft wird seit 11.7.2024 von D*, geboren am **, als selbstständig vertretungsbefugter Geschäftsführerin vertreten. Davor war E*, geboren am **, als Geschäftsführerin im Firmenbuch eingetragen. Alleingesellschafterin mit einer zur Gänze geleisteten Stammeinlage von EUR 1.000.000,- ist seit dem Jahr 2009 die in Russland niedergelassene Public Joint Stock Company "A* Holding" (<span class="Kursiv">A* Holding</span>). </p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Mit <span class="Fett">Schreiben vom 25.4.2024</span>, 73 Fr 15129/24v-1, meldete das Bundesministerium für Inneres, Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (<span class="Kursiv">DSN</span>), gemäß § 6 SanktG folgenden Sachverhalt „<span class="Kursiv">zur weiteren Veranlassung</span>“: </span></p><p class="ErlText AlignLeft">Gemäß der Analyse-Plattform und Firmendatenbank ORBIS habe die A* Holding im Jahr 2023 1,79 Mrd US-Dollar erwirtschaftet. Auf nächster Ebene der Konzernstruktur werde dieses Unternehmen wiederum von acht Gesellschaften kontrolliert. Insgesamt befänden sich 71 Unternehmen in der Konzerngruppe. Die Gesellschaft habe im Jahr 2022 laut ORBIS 88,3 Mio US-Dollar erwirtschaftet.</p><p class="ErlText AlignLeft">Als EU-sanktionsverfangen seien innerhalb des Konzerns drei Personen festgestellt worden, die gemeinsam über die Firmenkonstruktion effektiv einen Anteil von 22,48% an der Gesellschaft halten würden. Es handle sich dabei um folgende natürliche Personen, welche gemäß der VO (EU) 269/2014 als gelistete Personen geführt seien:</p><p class="ErlText AlignLeft">G* – laut ORBIS zu 20% effektiv mittelbar beteiligt – seit 28.2.2022 zu (EU) No 269/2017 (offenbar gemeint: No 269/2014) gelistet (Nr. **);</p><p class="ErlText AlignLeft">H* - laut ORBIS zu 1,47% effektiv mittelbar beteiligt; seit 30.7.2014 zu (EU) No 269/2017 (richtig: 2014) gelistet (Nr. **);</p><p class="ErlText AlignLeft">I* – laut ORBIS zu 1,01% effektiv mittelbar beteiligt; seit 16.12.2022 zu (EU) No 269/2017 (richtig: 2014) gelistet (Nr. **).</p><p class="ErlText AlignLeft">Dem beigelegten Medienbericht folgend würden insbesondere G*s Beziehungen zu Vladimir PUTIN („Putin“) als auch K* Beziehungen zur Tochter Putins, Katarina TIKONOVA, beschrieben. Dem Medienbericht sei außerdem ein hohes politisches Engagement Putins gegenüber dem Unternehmen in den letzten zwei Jahren zu entnehmen.</p><p class="ErlText AlignLeft">Darüber hinaus würden Personen wie <span class="Kursiv">K</span>* und M* und ihre enge Verbindung mit Putin beschrieben, die bis dato zwar noch nicht (EU) sanktionsverfangen seien, aber dem engeren Umfeld Putins zugeschrieben werden könnten und laut ORBIS folgende Beteiligungen aufweisen würden:</p><p class="ErlText AlignLeft">K* – laut ORBIS zu 23,28% effektiv mittelbar beteiligt;</p><p class="ErlText AlignLeft">M* – laut ORBIS zu 1,92% effektiv mittelbar beteiligt.</p><p class="ErlText AlignLeft">Aufgrund des beschriebenen Sachverhalts stehe fest, dass sanktionierte Personen über eine komplexe Firmenkonstruktion mittelbar effektiv Kontrolle auf die Gesellschaft ausüben und sich dadurch Einkünfte verschaffen würden. In Anbetracht des engen Kontaktes zwischen zahlreichen Gesellschaftern zu Putin und des außerordentlichen Engagements des russischen Staatschefs für den A*-Konzern könne angenommen werden, dass das Unternehmen für den russischen Wirtschaftsstandort und darüber hinaus für die russische Militärindustrie von hoher Bedeutung sein müsse, was sich im Endeffekt auf die militärische Aggression gegen die Ukraine auswirke. Dies sei ausschlaggebend für die Verhängung von Sanktionen gegen Russland durch die EU-Staaten gewesen.</p><p class="ErlText AlignLeft">Bezüglich der Auslegung des Kontrollbegriffs werde auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichtes Innsbruck zu 3 R 84/22k verwiesen, wo ausgeführt worden sei, dass dieser weit auszulegen sei und nicht nur die direkte, sondern auch die mittelbar ausgeübte Kontrolle umfasse. Aufgrund der jedermann zugänglichen Nachrichtenlage über die Verschleierungspraxis der von EU-Sanktionen betroffenen Personen und Einrichtungen könne als allgemeinkundig gelten, dass trotz formal 50% nicht erreichender Beteiligung über Bestellung von abhängigen Organmitgliedern, verdeckte Stimmrechtsausübung und andere Dispositionshandlungen wirtschaftliche, dem Eigentum entsprechende Macht über Gesellschaften ausgeübt werden könne.</p><p class="ErlText AlignLeft">Beim A*-Konzern handle es sich laut OSINT-Recherchen um Russlands größtes Petrochemie-Unternehmen, was sich auch mit den Angaben der Gesellschaft auf ihrem Linkedin-Profil decke.</p><p class="ErlText AlignLeft">Das Erstgericht erteilte mit Beschluss vom 6.5.2024 einen Verbesserungsauftrag. Insbesondere sei zu konkretisieren, was genau bei welchem Rechtsträger eingetragen werden solle.</p><p class="ErlText AlignLeft">Die DSN teilte mit <span class="Fett">Verbesserungsschreiben vom 3.6.2024</span> mit, hinsichtlich der Bezeichnungs-Obliegenheit werde die Gesellschaft als Vermögenswert angeführt. Wie bereits im Bericht dargelegt, könne bei lebensnaher Betrachtung eine Kontrolle durch sanktionierte Personen über den bezeichneten Vermögenswert bzw. die daraus erzielten Gewinne nicht ausgeschlossen werden. Ein Staatsbezug sowie ein Bezug zu sanktionierten Personen sei auf Grund der Firmenstruktur sowie aufgrund der beigelegten Medien-Berichterstattung evident. Zum Kontrollbegriff sei die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Innsbruck ins Treffen geführt worden.</p><p class="ErlText AlignLeft">Mit dem angefochtenen <span class="Fett">Beschluss </span>vom<span class="Fett"> 20.6.2024</span>, 73 Fr 21099/24y-8, ordnete das Erstgericht im Firmenbuch zur Gesellschaft folgende Eintragung an (die Eintragung erfolgte am 21.6.2024 unter lfd Nr. **):</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">„<span class="Kursiv">Mitteilung des Bundesministeriums für Inneres gemäß § 6 </span> <span class="Kursiv">SanktG vom 25.4.2024, GZ DSN-S2-OE-4-2/13279/2024</span></span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">Das Vermögen ist eingefroren</span>.“</p><p class="ErlText AlignLeft">Gegen diesen Beschluss erhob die Gesellschaft <span class="Fett">Rekurs</span> aus den Rekursgründen der Nichtigkeit, der Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, diesen ersatzlos aufzuheben und dem Erstgericht den Vollzug der Löschung der bezughabenden Eintragung aufzutragen; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Bereits davor hatte die Gesellschaft am <span class="Fett">4.7.2024</span> zu 73 Fr 24073/24x-1 die <span class="Fett">amtswegige Löschung</span> der Eintragung vom 21.6.2024 <span class="Fett">gemäß § 10 FBG</span> angeregt.</span></p><p class="ErlText AlignLeft">Das Erstgericht wertete diese Anregung als Antrag und wies diesen mit weiterem <span class="Fett">Beschluss </span>vom<span class="Fett"> 24.7.2024</span>, 73 Fr 24073/24x-3, ab.</p><p class="ErlText AlignLeft">Dagegen wendet sich die Gesellschaft mit einem weiteren <span class="Fett">Rekurs</span> und beantragt, diesen Beschluss dahin abzuändern, dass ihrem Löschungsantrag stattgegeben wird; hilfsweise stellt sie auch hier einen Aufhebungsantrag.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Unterstrichen">I. Zum Rekurs gegen den Beschluss vom 24.7.2024, 73 Fr 24073/24x-3 (= 6 R 247/24y):</span></span></p><p class="ErlText AlignLeft">Der Rekurs ist <span class="Fett">unzulässig</span>.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Gemäß § 10 Abs 2 FBG kann das Gericht, wenn eine Eintragung in das Firmenbuch wegen des Fehlens einer wesentlichen Voraussetzung unzulässig ist oder wird, diese von Amts wegen löschen. Unzulässig ist eine Eintragung insbesondere dann, wenn sie sachlich unrichtig ist oder wenn gesetzliche Erfordernisse für die Eintragung fehlen, deren Mangel die Beseitigung im öffentlichen Interesse oder im Interesse der Beteiligten geboten erscheinen lässt. Gelöscht werden können nach dem klaren Gesetzeswortlaut auch von Anfang an unzulässige bzw. unrichtige Eintragungen. § 10 Abs 2 FBG ermöglicht im Interesse der Richtigkeit des Firmenbuchs auch eine Durchbrechung der Rechtskraft unrichtiger Eintragungsbeschlüsse (RS0121185).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Im Falle einer Anregung zum amtswegigen Vorgehen nach § 10 Abs 2 FBG kann nur die Vornahme einer Löschung, nicht aber die Ablehnung der Löschung angefochten werden. Wird nämlich eine Anregung zur amtswegigen Löschung nicht aufgegriffen, so hat der Anreger dagegen kein Rekursrecht, mag er auch ein rechtliches Interesse an der Beseitigung der bemängelten Eintragung vorbringen (RS0124480; vgl. jüngst 6 Ob 232/21t).</span></p><p class="ErlText AlignLeft">Dagegen führt der Rekurs nicht ins Treffen, weshalb er zurückzuweisen ist.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses beruht auf § 15 Abs 1 FBG iVm §§ 59 Abs 1 Z 2, 62 Abs 1 AußStrG. Erhebliche Rechtsfragen im Sinne der zuletzt genannten Bestimmung lagen nicht zur Beurteilung vor.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Unterstrichen">II. Zum Rekurs gegen den Beschluss vom 20.6.2024, 73 Fr 21099/24y-8 (= 6 R 235/24h):</span></span></p><p class="ErlText AlignLeft">Der Rekurs ist <span class="Fett">berechtigt</span>.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett">1.</span> Als <span class="Fett">Nichtigkeit</span> macht die Rekurswerberin geltend, der Beschluss sei gefasst worden, ohne dass ihr die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt worden sei. Damit sei ihr rechtliches Gehör gemäß § 58 Abs 1 Z 1 AußStrG verletzt worden.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Außerdem enthalte der angefochtene Beschluss keinerlei Begründung. Dieser im Außerstreitgesetz nicht ausdrücklich bezeichnete Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO sei gemäß § 57 Z 1 AußStrG von Amts wegen aufzugreifen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Eine weitere Nichtigkeit liege darin, dass die Entscheidung von einer Rechtspflegerin gefasst worden sei, obwohl die Angelegenheit verpflichtend dem Richter vorgelegt werden hätte müssen. Bei der Bearbeitung hätten sich Schwierigkeiten rechtlicher und tatsächlicher Art ergeben, sodass die Entscheidung über die Eintragung gemäß § 22 Abs 2 RPflG dem Richter vorbehalten gewesen wäre.</span></p><p class="ErlText AlignLeft">Dazu war Folgendes zu erwägen:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett">1.1.1.</span> Der Mangel des rechtlichen Gehörs im Außerstreitverfahren in erster Instanz wird behoben, wenn Gelegenheit besteht, den eigenen Standpunkt im Rekurs zu vertreten (RS0006057). Eine Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs bewirkt daher dann keine Nichtigkeit, wenn die Partei noch mit dem Rekurs wegen der Neuerungserlaubnis des § 49 AußStrG Tatsachen und Beweismittel vorbringen kann (RS0005915 [T6]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett">1.1.2.</span> Damit begründet im konkreten Fall die Gehörverletzung im erstinstanzlichen Verfahren keine Nichtigkeit, weil es der Gesellschaft - in Ermangelung der Möglichkeit, sich im erstinstanzlichen Verfahren zum Schreiben der DSN vom 25.4.2024 zu äußern - freistand, zu diesem und den darin behaupteten Tatsachen im Rekurs Stellung zu nehmen; davon hat die Gesellschaft auch Gebrauch gemacht.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett">1.2.1.</span> Auch ein qualifizierter Begründungsmangel im Sinne des § 57 Z 1 AußStrG ist nicht gegeben. Dieser liegt nur dann vor, wenn die Fassung des Beschlusses so mangelhaft ist, dass dessen Überprüfung nicht mit Sicherheit vorgenommen worden kann, der Beschluss mit sich selbst in Widerspruch steht oder keine Begründung enthält und diesen Mängeln durch eine Berichtigung des Beschlusses nicht abgeholfen werden kann. § 57 Z 1 AußStrG entspricht damit im Wesentlichen dem Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO, weshalb die in Lehre und Judikatur dazu entwickelten Kriterien herangezogen werden können (<span class="Kursiv">G. Kodek</span> in <span class="Kursiv">Gitschthaler/Höllwerth</span>, AußStrG I² § 57 Rz 14).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Demnach liegt eine Nichtigkeit aber nur bei einem völligen Fehlen einer Begründung oder bei einer bloßen Scheinbegründung vor (<span class="Kursiv">Kodek</span> in <span class="Kursiv">Rechberger/Klicka</span><span class="Hoch">5</span><span class="Kursiv"> </span>§ 477 ZPO Rz 38). Selbst eine fehlende Begründung stellt jedoch dann keinen Mangel im Sinne des § 57 Z 1 AußStrG dar, wenn die maßgeblichen Gründe für die Entscheidung aktenkundig sind (<span class="Kursiv">G. Kodek</span> in <span class="Kursiv">Gitschthaler/Höllwerth</span>, AußStrG I² § 57 Rz 16).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett">1.2.2.</span> Das Erstgericht verwies in seinem Beschluss auf die Mitteilung des Bundesministeriums für Inneres gemäß § 6 SanktG vom 25.4.2024, GZ DSN-S2-OE-4-2/ 13279/2024“. Der Verweis auf dieses Schreiben stellt eine ausreichende Begründung dar, weil das Erstgericht damit seine Rechtsansicht dokumentierte, der mitgeteilte Sachverhalt würde die Eintragung rechtfertigen. Der Beschluss ist daher ohne Weiteres überprüfbar. Dass die Rekurswerberin die darin zum Ausdruck gebrachte Rechtsansicht nicht teilt, begründet weder eine Nichtigkeit noch eine Mangelhaftigkeit des angefochtenen Beschlusses. Vielmehr stellt die Bewertung, ob der im Schreiben der DSN vom 25.4.2024 vorgebrachte Sachverhalt die angefochtene Eintragung trägt, eine im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zu prüfende Rechtsfrage dar.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett">1.3.1.</span> Dem weiteren Vorbringen der Rekurswerberin, die Rechtssache hätte verpflichtend dem Richter vorgelegt werden müssen, ist Folgendes zu erwidern:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Aus den Art 87 und 87a B-VG ergibt sich, dass die Gerichtsbarkeit grundsätzlich von Richtern auszuüben ist, wobei die Besorgung einzelner, genau zu bezeichnender Arten von Geschäften der Gerichtsbarkeit erster Instanz besonders ausgebildeten nichtrichterlichen Bundesbediensteten (Rechtspflegern) übertragen werden kann. In Durchführung dieser verfassungsrechtlichen Anordnung legen die §§ 16 ff RpflG den Wirkungskreis für Rechtspfleger fest. Der Wirkungskreis in Sachen des Firmenbuchs umfasst aufgrund der Generalklausel nach § 22 Abs 1 RpflG sämtliche mit seiner Führung zusammenhängenden Geschäfte, wenn der Rechtsträger seinen Sitz in einem EU-Mitgliedstaat hat, sofern diese nicht nach Abs 2 leg cit dem Richter vorbehalten sind.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett">1.3.2.</span> Das amtswegige Einschreiten gemäß § 6 SanktG ist in § 22 Abs 2 RpflG nicht als eine dem Richter vorbehaltene Angelegenheit genannt, sodass das Verfahren aufgrund der generellen Zuweisung der Geschäfte in Firmenbuchsachen in den Wirkungsbereich der Rechtspfleger fällt. Dies wird von der Rekurswerberin auch nicht in Frage gestellt.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett">1.3.3.</span> Bei der Besorgung der in seinen Wirkungskreis fallenden Geschäfte ist der Rechtspfleger gemäß § 8 Abs 1 RpflG nur an die Weisungen des nach der Geschäftsverteilung zuständigen Richters gebunden. Der Richter kann sich gemäß § 9 Abs 1 RpflG die Erledigung einzelner Geschäftsstücke vorbehalten oder die Erledigung an sich ziehen, wenn dies nach seiner Ansicht im Hinblick auf die tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeit der Sache oder die Wichtigkeit und die Tragweite der Entscheidung zweckmäßig ist. Eine solche Maßnahme ist im Akt zu vermerken.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Ferner regelt § 10 Abs 1 RpflG jene Fälle, in denen der Rechtspfleger einen Antrag/Akt dem nach der Geschäftsverteilung zuständigen Richter vorzulegen hat. So hat er ein Geschäftsstück, auch wenn es in seinen Wirkungskreis fällt, unter anderem dann dem Richter vorzulegen, wenn sich bei der Bearbeitung Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art ergeben (§ 10 Abs 1 Z 3 RpflG).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett">1.3.4.</span> Den Verfahrensparteien wird jedoch weder ein Antragsrecht auf Vorlage eines Geschäftsstücks an den Richter noch ein Recht auf eine Entscheidung durch den Richter anstelle des Rechtspflegers und somit eine Wahl des zuständigen Organs eingeräumt. Dies wird durch den Umstand verdeutlicht, dass die Vorlage des Geschäftsstücks an den Richter und das Ansichziehen der Erledigung durch diesen lediglich in Form eines Aktenvermerks und nicht durch eine den Verfahrensparteien zuzustellende und von ihnen bekämpfbare Entscheidung vorgesehen ist. Gegen die allenfalls unrichtige Entscheidung des Rechtspflegers steht ihnen ohnehin ein Rechtsmittel offen (RS0128570; 7 Ob 234/12f).</p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett">1.4.</span> Zusammengefasst liegen die von der Rekurswerberin behaupteten Nichtigkeiten nicht vor.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett">2.1.</span> Als <span class="Fett">Verfahrensmangel</span> rügt die Rekurswerberin, ihr sei erst am 25.7.2024 Einsicht in den Gerichtsakt gewährt worden. Obwohl sie den Antrag auf Akteneinsicht bereits am 24.6.2024 gestellt habe, sei über diesen erst kurz vor Ablauf der Rekursfrist entschieden worden. Dies komme einer gänzlichen Untersagung der Akteneinsicht gleich, weil sie ihre Verteidigungsrechte in zeitlicher Hinsicht kaum wahrnehmen habe können. Außerdem enthalte der angefochtene Beschluss keine Begründung, sodass sie bis zur Akteneinsicht nur mutmaßen habe können, welche Mitteilung und welche Unterlagen der DSN dem Firmenbuchgericht für seine Entscheidung vorgelegen seien. Hätte die Rekurswerberin vorab Zugang zum Akt erhalten, hätte aufgezeigt werden können, dass die Voraussetzungen für einen Asset Freeze nicht vorgelegen seien.</p><p class="ErlText AlignLeft">Ferner werde die fehlende Begründung auch als Verfahrensmangel geltend gemacht.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett">2.2.</span> Ein Eingehen auf die Mängelrüge erübrigt sich hier schon deshalb, weil sich, wie im folgenden aufgezeigt wird, die Rechtsrüge der Rekurswerberin als berechtigt erweist.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett">3.1.1.</span> In der <span class="Fett">Rechtsrüge</span> argumentiert die Rekurswerberin, die Österreichische Nationalbank (OeNB) habe gemäß § 2 Abs 1 SanktG die Befugnis, zur Erfüllung völkerrechtlich verpflichtender Sanktionen Maßnahmen wie das Einfrieren von Vermögenswerten mittels Bescheids anzuordnen. Ein solcher Rechtsakt der OeNB liege im konkreten Fall nicht vor.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Gemäß § 6 Abs 1 SanktG müsse der Bundesminister für Inneres (konkret die DSN) dem zuständigen Gericht mitteilen, wenn im Grundbuch oder im Firmenbuch Vermögenswerte ersichtlich seien, die aufgrund eines Rechtsakts nach § 2 Abs 1 SanktG oder aufgrund unmittelbar anwendbarer Sanktionsmaßnahmen der Europäischen Union eingefroren worden seien. Diese Mitteilung müsse den Rechtsakt oder die Sanktionsmaßnahme, die betroffene Person oder Einrichtung sowie den Vermögenswert genau bezeichnen. Diesen Anforderungen sei die DSN nicht nachgekommen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett">3.1.2.</span> Die VO (EU) 269/2014 und die dazu erlassenen Durchführungsverordnungen würden unmittelbar anwendbare Sanktionsbestimmungen in den EU-Mitgliedstaaten gegenüber bestimmten Personen und Organisationen aus Russland und Belarus enthalten. Art 2 Abs 1 der Verordnung sehe vor, dass Gelder und wirtschaftliche Ressourcen, die im Eigentum oder Besitz von im Anhang I der Verordnung (Sanktionsliste) genannten oder mit diesen in Verbindung stehenden Personen stünden, eingefroren würden (<span class="Kursiv">Asset Freeze</span>). Die Sanktionen würden aufgrund der Verordnung ex lege in Kraft treten, ohne dass eine gerichtliche oder verwaltungsbehördliche Anordnung erforderlich sei. Demnach seien alle Vermögenswerte von sanktionsunterworfenen Personen einzufrieren. Eine Definition des Vermögensbegriffs nehme die Verordnung jedoch nicht vor. Auch die Begriffe „<span class="Kursiv">Eigentum</span>“ und „<span class="Kursiv">Kontrolle</span>“ würden nicht definiert.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett">3.1.3.</span> Weder die Gesellschaft noch deren Alleingesellschafterin, die A* Holding, würden auf der Sanktionsliste aufscheinen. An der Gesellschaft sei damit keine sanktionsunterworfene Person direkt beteiligt. Auch wenn man die indirekten Beteiligungen an der Gesellschaft, also die Beteiligungen an der A* Holding, prüfe, gelange man zu keinem anderen Ergebnis.</p><p class="ErlText AlignLeft">Konkret sehe die Aktionärsstruktur an der A* Holding wie folgt aus:</p><p class="ErlText AlignLeft">a) Limited O*, die 16,4 % der Aktien der A* Holding besitze. Alleiniger Anteilseigentümer von O* LLC sei K*;</p><p class="ErlText AlignLeft">b) Limited P*, die 14,45 % der Aktien der A* Holding besitze. Alleiniger Gesellschafter der P* LLT sei G*.</p><p class="ErlText AlignLeft">c) Q* LIMITED, die 8,5 % der Aktien der A* Holding besitze; Eigentümerin sei (indirekt über mehrere Unternehmen) die R* Corporation.</p><p class="ErlText AlignLeft">d) S* LIMITED, die 8,5 % der Aktien der A* Holding halte; diese stehe im wirtschaftlichen Eigentum von T* Co. Ltd.;</p><p class="ErlText AlignLeft">e) U*, die 12,24 % der Anteile der A* Holding halte; diese sei die Verwaltungsgesellschaft des Geschlossenen Kombinierten Investmentfonds „V*“;</p><p class="ErlText AlignLeft">f) Limited O* 2, die 5,31 % der Anteile der A* Holding halte; Eigentümerin sei W*;</p><p class="ErlText AlignLeft">g) Limited O* 3, die 5,31 % der Aktien der A* Holding halte; Eigentümerin sei die X*;</p><p class="ErlText AlignLeft">h) Einige Minderheitsaktionäre, die jeweils weniger als 5 % der Aktien besitzen würden.</p><p class="ErlText AlignLeft">Informationen über diese Kleinstaktionäre könnten aufgrund von Vertraulichkeitsbeschränkungen nach russischem Recht nicht offengelegt werden.</p><p class="ErlText AlignLeft">Von den Aktionären, die jeweils mehr als 5 % der Aktien besitzen, seien nur G* und X* in der Sanktionsliste angeführt. Zusammen mit den Aktien, die von Minderheitsaktionären gehalten würden, die jeweils weniger als 5 % besitzen und auf der Sanktionsliste stünden, betrage der gesamte Aktienanteil an der Holding, der von sanktionierten Personen gehalten werde, weniger als 30 %.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett">3.1.4.</span> Irreführend sei, dass in der Mitteilung der DSN H* sowie I* als effektiv mittelbar beteiligte Personen genannt seien. Weder nach Kenntnis der Gesellschaft noch der Holding seien diese Personen Aktionäre von X*. Ebenso wenig sei eine indirekte Beteiligung bekannt. Die beiden Personen seien auch in der Firmenstruktur der DSN nicht angeführt. Selbst wenn man jedoch die Beteiligungen dieser beiden Personen hinzuzählen würde, wäre die in den einschlägigen europarechtlichen Bestimmungen verlangte 50 %ige Schwelle nicht erreicht.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett">3.1.5.</span> Der Kontrollbegriff sei in Art 1 Z 6 VO (EG) 2580/2001 definiert, doch würde keine der auf der Sanktionsliste oder in der Mitteilung der DSN angeführten Personen über Kontrollmöglichkeiten im Sinne dieser Bestimmung verfügen. Es würde auch keine der sanktionierten Personen, weder individuell noch kollektiv oder im Rahmen vertraglicher Vereinbarungen, über die rechtliche, finanzielle oder faktische Möglichkeit verfügen, die Mehrheit der Stimmrechte an der A* Holding zu kontrollieren.</span></p><p class="ErlText AlignLeft">Die DSN vermeine zwar, dass sanktionierte Personen faktische Kontrolle ausüben würden, ohne dies jedoch schlüssig zu behaupten oder auch nur ansatzweise nachzuweisen. Es werde keine konkrete Gelegenheit oder nachgewiesene Einflussnahme aufgezeigt, die diese Annahme rechtfertigen könnte. Auch das Naheverhältnis des A*-Konzerns zu Präsident Putin entbehre einer faktischen Grundlage. Eigentum oder Kontrolle durch eine sanktionsverfangene Person würden sich daraus jedenfalls nicht ergeben.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett">3.1.6.</span> Neben dem Auszug aus ORBIS sei der einzige Nachweis, auf den die DSN sich stütze, ein fragwürdiger Medienbericht von „Y<span class="Kursiv">*</span>“. Die Angaben in diesem Zeitungsartikel würden nicht den Tatsachen entsprechen, weder die Gesellschaft noch die Holding seien von Redakteuren von „Y<span class="Kursiv">*</span>“ zur Stellungnahme aufgefordert worden. Dass der Artikel auf Gerüchten beruhe und nicht auf gut recherchierten Fakten, zeige schon die Richtigstellung, die nach der Veröffentlichung im Online-Artikel aufgenommen werden habe müssen.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett">Rechtliche Beurteilung:</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett">4.1.</span> Das Sanktionengesetz 2010, BGBl I Nr. 36/2010 (<span class="Kursiv">SanktG</span>), regelt die Durchführung völkerrechtlich verpflichtender Sanktionsmaßnahmen der Vereinten Nationen oder der Europäischen Union einschließlich unmittelbar anwendbarer Sanktionsmaßnahmen der Europäischen Union, soweit diese nicht in einem anderen Bundesgesetz geregelt ist (§ 1).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett">4.2.</span> Nach § 2 Abs 1 SanktG ist die OeNB <span class="Kursiv">[Hervorhebung durch das Rekursgericht]</span>, soweit dies zur Erfüllung von völkerrechtlich verpflichtenden Sanktionsmaßnahmen der Vereinten Nationen oder der Europäischen Union erforderlich ist, ermächtigt, durch Verordnung oder Bescheid die nachstehend angeführten Maßnahmen anzuordnen:</span></p><p class="ErlText AlignJustify" style="text-indent:47px;">1. das Einfrieren von Vermögenswerten von</p><p class="ErlText AlignJustify" style="text-indent:47px;">a) Personen, die terroristische Handlungen begehen, zu begehen versuchen oder sich an deren Begehung beteiligen oder diese erleichtern sowie von sonstigen Personen oder Einrichtungen, gegen die Sanktionsmaßnahmen der Vereinten Nationen oder der Europäischen Union verhängt wurden,</p><p class="ErlText AlignJustify" style="text-indent:47px;"><span aria-hidden="true">b) Einrichtungen, die unmittelbar oder mittelbar im Eigentum oder unter der Kontrolle von Personen oder Einrichtungen gemäß lit. a) stehen,</span></p><p class="ErlText AlignJustify" style="text-indent:47px;"><span aria-hidden="true">c) Personen und Einrichtungen, die im Namen oder auf Anweisung von Personen gemäß lit. a) und oder Einrichtungen gemäß lit. a) oder lit. b) handeln,</span></p><p class="ErlText AlignJustify" style="text-indent:47px;">einschließlich der Gelder, die aus Vermögen stammen oder hervorgehen, das unmittelbar oder mittelbar im Eigentum oder unter der Kontrolle dieser Personen und mit ihnen verbundener Personen und Einrichtungen steht;</p><p class="ErlText AlignJustify" style="text-indent:47px;"><span aria-hidden="true">2. die Untersagung der direkten oder indirekten Bereitstellung von Vermögenswerten für Personen und Einrichtungen gemäß Z 1 oder zu deren Gunsten.<span class="Kursiv">[…]</span></span></p><p class="ErlText AlignJustify" style="text-indent:47px;"><span aria-hidden="true"><span class="Fett">4.3.</span> Nach § 6 Abs 1 SanktG hat der Bundesminister für Inneres, wenn im Grundbuch oder im Firmenbuch Vermögenswerte ersichtlich sind, die aufgrund eines Rechtsakts nach § 2 Abs 1 SanktG oder <span class="Unterstrichen">aufgrund unmittelbar anwendbarer Sanktionsmaßnahmen der Europäischen Union</span> <span class="Kursiv">[Hervorhebung durch das Rekursgericht]</span> eingefroren sind, diesen Umstand dem für die Liegenschaft oder den Rechtsträger zuständigen Gericht <span class="Kursiv">[…]</span> mitzuteilen. In dieser Mitteilung sind der Rechtsakt oder die Sanktionsmaßnahme, die betroffene Person oder Einrichtung sowie der Vermögenswert bestimmt zu bezeichnen.</span></p><p class="ErlText AlignJustify" style="text-indent:47px;"><span aria-hidden="true">Aufgrund einer solchen Mitteilung iSd § 6 Abs 1 SanktG hat das Gericht nach § 6 Abs 2 SanktG von Amts wegen im Grundbuch oder im Firmenbuch einzutragen, dass das Vermögen der betreffenden Person oder Einrichtung eingefroren ist. Dabei ist auch der zugrundeliegende Rechtsakt nach § 2 Abs 1 SanktG oder die zugrundeliegende unmittelbar anwendbare Sanktionsmaßnahme der Europäischen Union anzuführen. Wird der Rechtsakt nach § 2 Abs 1 SanktG oder die unmittelbar anwendbare Sanktions-maßnahme der Europäischen Union in weiterer Folge aufgehoben, so hat der Bundesminister für Inneres das zuständige Gericht auch davon zu verständigen; in diesem Fall hat das Gericht die Eintragung von Amts wegen zu löschen (Abs 3).</span></p><p class="ErlText AlignJustify" style="text-indent:47px;"><span aria-hidden="true"><span class="Fett">4.4.</span> § 6 SanktG sieht damit als Begleitmaßnahme im Grundbuch bzw Firmenbuch die Offenlegung des Umstands vor, dass ein Rechtsakt nach § 2 Abs 1 SanktG oder eine unmittelbar anwendbare Sanktionsmaßnahme der EU besteht. Solche Eintragungen können sich auf alle natürlichen und juristischen Personen (also <span class="Unterstrichen">auch auf Einrichtungen iSd § 2 Abs 1 SanktG</span>) beziehen, die im Grundbuch oder Firmenbuch als Rechteinhaber an eingefrorenen Vermögens-werten aufscheinen (zB Eigentümer einer Liegenschaft, Gesellschafter einer GmbH). Von einer Eintragung können sämtliche im Grundbuch oder im Firmenbuch aufscheinenden vermögenswerten Rechte betroffen sein. Die Initiative für entsprechende Eintragungen geht vom Bundesministerium für Inneres aus; diesem kommt nach § 6 Abs 1 die Verpflichtung zu, das zuständige Gericht zu verständigen, wenn es im Rahmen seiner Überwachungstätigkeit nach § 8 SanktG feststellt, dass eine rechtswirksam mit Sanktionen belegte Person über im Grundbuch oder im Firmenbuch eingetragene Vermögenswerte verfügt. Die Mitteilung ist an das sachlich und örtlich zuständige Gericht zu richten; der übrige Inhalt der Mitteilung ergibt sich aus Abs 1 zweiter Satz. Infolge einer solchen Mitteilung hat das zuständige Gericht gemäß Abs 2 von Amts wegen eine Eintragung vorzunehmen. Im Firmenbuch handelt es sich bei einer solchen Eintragung um eine sonstige gesetzlich vorgesehene Eintragung (§ 3 Abs 1 Z 16 FBG). Die Eintragung ist – da das gesamte Vermögen und damit auch der im Firmenbuch eingetragene Vermögenswert bereits unmittelbar aufgrund der betreffenden Maßnahme eingefroren wurde – lediglich deklarativ (ErlRV 656 Beil XXIV GP, 8).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett">4.5.</span> Ein Rechtsakt der OeNB nach § 2 Abs 1 SanktG besteht hier nicht. Zu prüfen ist daher, ob aufgrund unmittelbar anwendbarer Sanktionsmaßnahmen der Europäischen Union im Firmenbuch ersichtliche Vermögenswerte eingefroren sind.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett">5.</span> Die Verordnung (EU) Nr. 269/2014 des Rates vom 17. März 2014 über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen <span class="Kursiv">[im Folgenden kurz: </span><span class="Fett"><span class="Kursiv">VO 269/2014</span></span><span class="Kursiv">]</span>, ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Sie lautet auszugsweise (Hervorhebungen durch das Rekursgericht):</p><p class="ErlText AlignJustify" style="text-indent:47px;"><span class="Fett">„</span><span class="Kursiv">Artikel 1</span></p><p class="ErlText AlignJustify" style="text-indent:47px;"><span class="Kursiv">Für die Zwecke dieser Verordnung gelten folgende Begriffsbestimmungen:</span></p><p class="ErlText AlignJustify" style="text-indent:47px;"><span class="Kursiv">...</span></p><p class="ErlText AlignJustify" style="text-indent:47px;"><span class="Kursiv">d) „wirtschaftliche Ressourcen“ Vermögenswerte jeder Art, unabhängig davon, ob sie materiell oder immateriell, beweglich oder unbeweglich sind, bei denen es sich nicht um Gelder handelt, die aber für den Erwerb von Geldern, Waren oder Dienstleistungen verwendet werden können;</span></p><p class="ErlText AlignJustify" style="text-indent:47px;"><span class="Kursiv">e) „Einfrieren von wirtschaftlichen Ressourcen“ die Verhinderung der Verwendung von wirtschaftlichen Ressourcen für den Erwerb von Geldern, Waren oder Dienstleistungen, die auch den Verkauf, das Vermieten oder das Verpfänden dieser Ressourcen einschließt, sich aber nicht darauf beschränkt;</span></p><p class="ErlText AlignJustify" style="text-indent:47px;"><span class="Kursiv">f) „Einfrieren von Geldern“ die Verhinderung jeglicher Form der Bewegung, des Transfers, der Veränderung und der Verwendung von Geldern sowie des Zugangs zu ihnen oder ihres Einsatzes, wodurch das Volumen, die Höhe, die Belegenheit, das Eigentum, der Besitz, die Eigenschaften oder die Zweckbestimmung der Gelder verändert oder sonstige Veränderungen bewirkt werden, die eine Nutzung der Gelder einschließlich der Vermögensverwaltung ermöglichen;</span></p><p class="ErlText AlignJustify" style="text-indent:47px;"><span class="Kursiv">...</span></p><p class="ErlText AlignJustify" style="text-indent:47px;"><span class="Kursiv">Artikel 2</span></p><p class="ErlText AlignJustify" style="text-indent:47px;"><span aria-hidden="true"><span class="Kursiv">(1) Sämtliche Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen, die Eigentum oder Besitz der in Anhang I aufgeführten natürlichen oder juristischen Personen, Einrichtungen oder Organisationen oder der dort aufgeführten mit diesen in Verbindung stehenden natürlichen oder juristischen Personen, Einrichtungen oder Organisationen sind oder von diesen gehalten oder kontrolliert werden, werden eingefroren.</span></span></p><p class="ErlText AlignJustify" style="text-indent:47px;"><span aria-hidden="true">(<span class="Kursiv">2) Den in Anhang I aufgeführten natürlichen oder juristischen Personen, Einrichtungen oder Organisationen oder den dort aufgeführten mit diesen in Verbindung stehenden natürlichen oder juristischen Personen, Einrichtungen oder Organisationen dürfen weder unmittelbar noch mittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden oder zugute kommen.</span></span></p><p class="ErlText AlignJustify" style="text-indent:47px;"><span class="Kursiv">...</span></p><p class="ErlText AlignJustify" style="text-indent:47px;"><span aria-hidden="true"><span class="Kursiv">(1) In Anhang I sind aufgeführt:</span></span></p><p class="ErlText AlignJustify" style="text-indent:47px;"><span class="Kursiv">a) natürliche Personen, die für Handlungen oder politische Maßnahmen, die die territoriale Unversehrtheit, die Souveränität und die Unabhängigkeit der Ukraine oder die Stabilität oder die Sicherheit in der Ukraine untergraben oder bedrohen, verantwortlich sind, solche Handlungen oder politischen Maßnahmen unterstützen oder umsetzen oder die Arbeit von internationalen Organisationen in der Ukraine behindern;</span></p><p class="ErlText AlignJustify" style="text-indent:47px;"><span class="Kursiv">b) juristische Personen, Einrichtungen oder Organisationen, die Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine bedrohen, materiell oder finanziell unterstützen;</span></p><p class="ErlText AlignJustify" style="text-indent:47px;"><span class="Kursiv">c) juristische Personen, Einrichtungen oder Organisationen auf der Krim oder in Sewastopol, deren Inhaberschaft entgegen ukrainischem Recht übertragen wurde, oder juristische Personen, Einrichtungen oder Organisationen, die von einer solchen Übertragung profitiert haben;</span></p><p class="ErlText AlignJustify" style="text-indent:47px;"><span class="Kursiv">d) natürliche oder juristische Personen, Einrichtungen oder Organisationen, die russische Entscheidungsträger, die für die Annexion der Krim oder die Destabilisierung der Ukraine verantwortlich sind, materiell oder finanziell unterstützen oder von diesen profitieren;</span></p><p class="ErlText AlignJustify" style="text-indent:47px;"><span class="Kursiv">e) natürliche oder juristische Personen, Einrichtungen oder Organisationen, die mit den Separatistengruppen im Donezkbecken der Ukraine Geschäfte tätigen;</span></p><p class="ErlText AlignJustify" style="text-indent:47px;"><span class="Kursiv">f) natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die die Regierung der Russischen Föderation, die für die Annexion der Krim und die Destabilisierung der Ukraine verantwortlich ist, materiell oder finanziell unterstützen oder von dieser profitieren;</span></p><p class="ErlText AlignJustify" style="text-indent:47px;"><span class="Kursiv">g) in Russland tätige führende Geschäftsleute und ihre unmittelbaren Familienangehörigen, die von ihnen profitieren, oder andere natürliche Personen, die von ihnen profitieren, oder Geschäftsleute, juristische Personen, Einrichtungen oder Organisationen, die in Wirtschaftssektoren tätig sind, die für die Regierung der Russischen Föderation, die für die Annexion der Krim und die Destabilisierung der Ukraine verantwortlich ist, eine wesentliche Einnahmequelle darstellen, oder</span></p><p class="ErlText AlignJustify" style="text-indent:47px;"><span class="Kursiv">h) natürliche oder juristische Personen, Einrichtungen oder Organisationen,</span></p><p class="ErlText AlignJustify" style="text-indent:47px;"> <span class="Kursiv">i) die Verstöße gegen das Verbot der Umgehung der Bestimmungen der vorliegenden Verordnung oder der Verordnungen (EU) Nr. 692/2014, (EU) Nr. 833/2014 oder (EU) 2022/263 des Rates oder der Beschlüsse 2014/145/GASP, 2014/386/GASP, 2014/512/GASP oder (GASP) 2022/266 des Rates erleichtern oder</span></p><p class="ErlText AlignJustify" style="text-indent:47px;"> <span class="Kursiv">ii) diese Bestimmungen auf andere erhebliche Weise unterlaufen;</span></p><p class="ErlText AlignJustify" style="text-indent:47px;"><span class="Kursiv">i) im russischen IT-Sektor tätige juristische Personen, Einrichtungen oder Organisationen mit einer von der Abteilung für Genehmigung, Zertifizierung und Schutz von Staatsgeheimnissen des Inlandsgeheimdiensts der Russischen Föderation (FSB) ausgestellten Genehmigung oder einer vom russischen Ministerium für Industrie und Handel ausgestellten Genehmigung für „Waffen und militärische Ausrüstung“, oder</span></p><p class="ErlText AlignJustify" style="text-indent:47px;"><span class="Kursiv">j) in Russland niedergelassene Einrichtungen, die zuvor unter der Inhaberschaft oder Kontrolle von in der Union niedergelassenen Einrichtungen standen und die von einer erzwungenen Übertragung der Inhaberschaft an ihnen oder der Kontrolle über sie durch die Regierung der Russischen Föderation auf der Grundlage von Rechts- und Verwaltungsvorschriften, sonstigen Rechtsinstrumenten oder anderen Maßnahmen einer russischen Behörde betroffen sind, oder natürliche oder juristische Personen, Einrichtungen oder Organisationen, die von einer solchen Übertragung profitiert haben, sowie natürliche Personen, die in die Leitungsgremien dieser Einrichtungen in Russland berufen wurden, ohne dass die Einrichtungen aus der Union, unter deren Inhaberschaft oder Kontrolle diese Einrichtungen zuvor standen, dem zugestimmt hätten,</span></p><p class="ErlText AlignJustify" style="text-indent:47px;"><span class="Kursiv">und mit diesen verbundene natürliche oder juristische Personen, Einrichtungen oder Organisationen. …</span></p><p class="ErlText AlignJustify" style="text-indent:47px;"><span aria-hidden="true"><span class="Kursiv">(2) Anhang I enthält die Gründe für die Aufnahme in die Liste der betreffenden natürlichen oder juristischen Personen, Einrichtungen oder Organisationen.“</span></span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett">6. </span>In Anhang I der VO 269/2014 (Liste der natürlichen und juristischen Personen, Einrichtungen und Organisationen gemäß Art. 2; „<span class="Kursiv">Sanktionsliste</span>“) sind, soweit im vorliegenden Rekursverfahren von Interesse, die nachstehenden Personen angeführt:</span></p><p class="ErlText AlignLeft">- H*, geboren am ** (derzeit Nr. *, gelistet seit 30.7.2014);</p><p class="ErlText AlignLeft">- G*, geboren am ** (derzeit Nr. *, gelistet seit 28.2.2022);</p><p class="ErlText AlignLeft">- I*, geboren am ** (derzeit Nr. *; gelistet seit 16.12.2022). </p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett">7.</span> Die VO 269/2014 enthält keine Bestimmung der Begriffe „<span class="Kursiv">Eigentum</span>“ und „<span class="Kursiv">kontrolliert</span>“.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Art 1 der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 des Rates vom 27. Dezember 2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus, ABl. Nr. L 344 vom 28.12.2001 ist auch zur Definition von „Eigentum“ und „Kontrolle“ in § 2 Abs 1 Z 1 lit b SanktG heranzuziehen (ErläutRV 656 Beil XXIV. GP 6). Er enthält unter anderem folgende Begriffsbestimmungen:</span></p><p class="ErlText AlignLeft">„<span class="Kursiv">Z 5: „Eigentum an einer juristischen Person, Vereinigung oder Körperschaft“ ist der Besitz von mindestens 50 % der Eigentumsrechte oder eine Mehrheitsbeteiligung an der juristischen Person, Vereinigung oder Körperschaft.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Kursiv">Z 6: „Kontrolle über eine juristische Person, Vereinigung oder Körperschaft“ ist</span></span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">a) das Recht, die Mehrheit der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans der juristischen Person, Vereinigung oder Körperschaft zu bestellen oder abzuberufen;</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">b) die Tatsache, allein durch die Ausübung seiner Stimmrechte die Mehrheit der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans der juristischen Person, Vereinigung oder Körperschaft für das laufende oder das vorhergehende Geschäftsjahr bestellt zu haben;</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">c) die alleinige Verfügung über die Mehrheit der Stimmrechte der Anteilseigner bzw Mitglieder der juristischen Person, Vereinigung oder Körperschaft aufgrund einer Vereinbarung mit anderen Anteilseignern bzw Mitgliedern derselben;</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">d) das Recht, auf die juristische Person, Vereinigung oder Körperschaft einen beherrschenden Einfluss aufgrund eines mit dieser juristischen Person, Vereinigung oder Körperschaft geschlossenen Vertrages oder aufgrund einer in ihrer Gründungsurkunde oder Satzung niedergelegten Bestimmung auszuüben, sofern das Recht, dem die juristische Person, Vereinigung oder Körperschaft unterliegt, es zulässt, dass diese solchen Verträgen oder Bestimmungen unterworfen wird;</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">e) die Befugnis, von dem Recht zur Ausübung eines beherrschenden Einflusses im Sinne des Buchstaben d) Gebrauch zu machen, ohne dieses Recht selbst innezuhaben;</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">f) das Recht, alle oder einen Teil der Vermögenswerte der juristischen Person, Vereinigung oder Körperschaft zu verwenden;</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">g) die Führung der Geschäfte der juristischen Person, Vereinigung oder Körperschaft auf einer einheitlichen Grundlage mit Erstellung eines konsolidierten Abschlusses;</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">h) die gesamtschuldnerische Erfüllung der finanziellen Verbindlichkeiten der juristischen Person, Vereinigung oder Körperschaft oder das Bürgen für sie.“</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett">8.</span> Die in der Mitteilung der DSN als sanktionsverfangen bezeichneten Personen G*, H* und I* scheinen im Firmenbuch bei der Gesellschaft nicht auf. Ausgehend vom aktuellen Firmenbuchstand hat keine der sanktionierten Personen eine Organfunktion inne, noch halten sie daran Gesellschaftsanteile. Laut Mitteilung der DSN sind sie mittelbar an dieser beteiligt und halten gemeinsam 22,48 % der Geschäftsanteile. Damit steht die Gesellschaft nicht im Eigentum der sanktionsverfangenen Personen im Sinne des Art 2 Abs 1 der VO 269/2014 und § 2 Abs 1 Z 1 lit b SanktG, weil sie an ihr weder eine direkte noch eine indirekte Beteiligung von 50 % oder mehr halten. Die Geschäftsanteile der betroffenen Personen an der Gesellschaft wurden damit durch Art 2 Abs 1 der VO 269/2014 nicht eingefroren.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett">9.1.</span> Die Mitteilung der DSN vom 25.4.2024 beschränkt sich hinsichtlich der behaupteten Kontrolle auf einen beigelegten Medienbericht sowie die Auslegung des Kontrollbegriffs durch das Oberlandesgericht Innsbruck zu 3 R 84/22k. „<span class="Kursiv">Bei lebensnaher Betrachtung könne eine Kontrolle durch sanktionierte Personen über das Gesellschaftsvermögen bzw über die daraus erzielten Gewinne nicht ausgeschlossen werden. Ein Staatsbezug sowie ein Bezug zu sanktionierten Personen sei aufgrund der Firmenstruktur sowie aufgrund der beigelegten Medienberichterstattung evident.</span>“</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett">9.2.</span> Diese Ausführungen werden nicht weiter substantiiert, insbesondere enthält das Schreiben keinen Hinweis auf das Vorliegen einzelner oder mehrerer Tatbestände nach Art 1 Z 6 lit a bis h der VO (EG) Nr 2580/2001 des Rates vom 27.12.2001 oder diesen Tatbeständen entsprechende oder nahekommende Umstände. Auch das Schaubild über die Firmenstruktur verschafft darüber keine weiteren Aufschlüsse, sondern beschränkt sich auf die Darstellung der (mittelbaren) Beteiligungsverhältnisse. Ebenso sind dem beigelegten Medienartikel keine konkreten Hinweise auf das Vorliegen eines der Kontrolltatbestände zu entnehmen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett">9.3.</span> Gemäß § 6 Abs 1 zweiter Satz SanktG sind in der Mitteilung des Bundesministers für Inneres der Rechtsakt oder die Sanktionsmaßnahme, die betroffene Person oder Einrichtung sowie die Vermögenswerte bestimmt zu bezeichnen. Soweit es sich bei der im Firmenbuch - sei es als Gesellschaft oder in anderer Funktion, namentlich als Gesellschafter - eingetragenen juristischen oder natürlichen Person dabei nicht um jene handelt, die unmittelbar „<span class="Kursiv">sanktionsbehaftet</span>“ ist - damit hier nicht um jene Person, die in die Liste in Anhang I der VO 269/2014 aufgenommen wurde - ist von der Mitteilung des Bundesministers für Inneres auch zu fordern, dass die Verbindung der in der Liste aufscheinenden Personen mit dem Firmenbuchsubjekt substantiiert dargestellt und begründet wird, weil anders nicht beurteilt werden kann, ob die betroffene Person oder Einrichtung im Sinne des § 6 Abs 1 zweiter Satz SanktG von einer Sanktionsmaßnahme betroffen ist oder nicht. Diese konkrete Darstellung der notwendigen Verbindung - Eigentum und/oder Kontrolle im Sinne des Art 1 Z 5 und 6 der VO (EG) Nr 2580/2001 - der sanktionierten Personen G*, H* und I* mit der Gesellschaft oder deren Alleingesellschafterin A* Holding bzw deren Gesellschaftern enthält das Schreiben der DSN vom 25.4.2024 nicht, weshalb nicht davon ausgegangen werden kann, dass die sanktionierten Personen über Rechte oder Befugnisse im Sinne des Art 1 Z 6 der VO (EG) Nr 2580/2001 verfügen und damit Kontrolle über die Gesellschaft ausüben.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett">10.1.</span> Die von der DSN für ihre Rechtsansicht zitierte Entscheidung des Oberlandesgerichtes Innsbruck zu 3 R 84/22k ist für den vorliegenden Sachverhalt schon deshalb nicht einschlägig, weil im dortigen Fall der Asset Freeze nur hinsichtlich der sanktionierten Person selbst, nicht aber hinsichtlich der Gesellschaft, an der er als Gesellschafter beteiligt war, im Firmenbuch eingetragen wurde.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett">10.2.</span> Hingegen entspricht die vom Rekursgericht bereits in mehreren vorangegangenen Entscheidungen (6 R 138/19m ua) vertretene Rechtsauffassung der Judikatur des Obersten Gerichtshofs, der anlässlich eines Asset Freeze in einem Grundbuchverfahren ausführte, dass in den Fällen, in denen die im Grundbuch als Eigentümerin der Liegenschaft aufscheinende Person nicht diejenige sei, die unmittelbar von Sanktionsmaßnahmen betroffen sei, die Mitteilung des Bundesministeriums für Inneres sich nicht in der nicht näher begründeten Behauptung erschöpfen dürfe, dass die Liegenschaftseigentümerin von der unmittelbar betroffenen Person kontrolliert werde, sondern es konkreter Ausführungen bedürfe, inwiefern der Vermögenswert dennoch - also auch ohne offenkundigen Konnex - der sanktionierten Person zuzuordnen und daher von den Sanktionsmaßnahmen umfasst sei (5 Ob 134/19w).</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett">11.</span> Der von der Gesellschaft angefochtenen Eintragung des Einfrierens von Vermögen fehlt es daher an den in § 6 Abs 1 SanktG normierten Voraussetzungen, weil weder ein Rechtsakt der OeNB nach § 2 Abs 1 SanktG vorliegt, noch im Firmenbuch zur A* GmbH ersichtliche Vermögenswerte aufgrund unmittelbar anwendbarer Sanktionen der Europäischen Union - namentlich aufgrund Art 2 der VO 269/2014 - eingefroren sind.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett">12.</span> Damit war in Stattgebung des Rekurses der Beschluss des Erstgerichtes ersatzlos zu beheben.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Der Vollzug durch Löschung der Eintragung nach Rechtskraft der Rekursentscheidung obliegt dem Erstgericht (§§ 10 Abs 2, 20 Abs 2 FBG; vgl <span class="Kursiv">Kodek</span> in <span class="Kursiv">Kodek/Nowotny/Umfahrer</span>, FBG § 10 Rz 16, § 20 Rz 21).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Wegen des Sanktionscharakters ist der Entscheidungsgegenstand nicht rein vermögensrechtlicher Natur (vgl 6 Ob 207/08x), weshalb es keines Bewertungsausspruchs bedarf.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses beruht auf § 15 FBG iVm §§ 59 Abs 1 Z 2, 62 Abs 1 AußStrG. Erhebliche Rechtsfragen im Sinne der zuletzt genannten Gesetzesstelle lagen nicht zur Beurteilung vor.</span></p><p class="Abstand AlignLeft"></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240919_OGH0002_0090OB00064_24P0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-21 | 2025-01-15 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240919_OGH0002_0090OB00064_24P0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240919_OGH0002_0090OB00064_24P0000_000/JJT_20240919_OGH0002_0090OB00064_24P0000_000.html | 9Ob64/24p | ECLI:AT:OGH0002:2024:0090OB00064.24P.0919.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner, Mag. Korn, Dr. Stiefsohn und Dr. Wallner-Friedl als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen Kindes M*, geboren am *, wohnhaft bei der Mutter T*, diese vertreten durch Mag. Torsten Gierlinger, Rechtsanwalt in Linz, Vater: J*, geboren am *, vertreten durch Aigner Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Pasching, wegen Unterhalt, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Kindes gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 5. März 2024, GZ 15 R 58/24s-66, mit dem dem Rekurs des Kindes gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Linz vom 5. Jänner 2024, GZ 3 PU 135/19i-61, teilweise Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft">Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.</p><p class="ErlText AlignLeft">Der angefochtene Beschluss, der im Zuspruch eines monatlichen Unterhalts von 676 EUR für Juni 2022, von 575 EUR für Juli bis Dezember 2022 und von 615 EUR ab Jänner 2023 bis auf Weiteres, längstens bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes, und in seiner Verpflichtung zur Zahlung der rückständigen Unterhaltsbeträge von 2.321 EUR sA als unbekämpft unberührt bleibt, wird im darüber hinausgehenden Umfang der Abweisung des Mehrbegehrens aufgehoben. Dem Erstgericht wird insofern die neuerliche Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung aufgetragen.</p><p class="ErlText AlignLeft">Der Antrag auf Ersatz der Kosten des Revisionsrekurses wird abgewiesen.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p><p class="ErlText AlignLeft"> [1] Die minderjährige, am * 2009 geborene Tochter von T* und J*, M*, lebt im Haushalt der Mutter. Der Vater ist seit 16. 7. 2022 verheiratet. Es kann nicht festgestellt werden, dass seine Ehegattin über ein Einkommen verfügt.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [2] Das <span class="Fett">Erstgericht</span> verpflichtete den Vater zu einer monatlichen Unterhaltszahlung an die Tochter für den Monat Juni 2022 mit 676 EUR und ab Juli 2022 mit 575 EUR sowie zur Zahlung der im Zeitraum vom 1. 6. 2022 bis 31. 1. 2024 aufgelaufenen Unterhaltsrückstände von 1.801 EUR sA. Das Unterhaltsmehrbegehren der Tochter, die einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von 795 EUR ab 1. 6. 2022 begehrt, wies es ab.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [3] Mit dem angefochtenen Beschluss hat das nur von der Tochter angerufene <span class="Fett">Rekursgericht</span> in seinem antragsstattgebenden Teil den Vater zu einer Unterhaltsleistung an seine minderjährige Tochter für Juni 2022 von 676 EUR, für Juli bis Dezember 2022 von 575 EUR und ab Jänner 2023 bis auf Weiteres, längstens bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes, von 615 EUR (Spruchpunkt 1.) sowie zur Zahlung der rückständigen Unterhaltserhöhungsbeträge von insgesamt 2.321 EUR sA (Spruchpunkt 3.) verpflichtet. Das Mehrbegehren, den Vater zu einem weiteren monatlichen Unterhaltsbetrag von 119 EUR für Juni 2022, von 220 EUR für Juli bis Dezember 2022 und von 180 EUR ab 1. 1. 2023 zu verpflichten, wies es ab. Soweit für die Revisionsrekursentscheidung relevant, wurde der Unterhalt für Juni 2022 mit 20 % der Unterhaltsbemessungsgrundlage von rund 3.610 EUR festgelegt und ab Juli 2022 wegen der Unterhaltsverpflichtung des Vaters für seine einkommenslose Ehegattin mit 17 %.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [4] Der Rechtsauffassung der Rekurswerberin, es wäre unsachlich, die (freiwillige) Unterhaltsverpflichtung des Unterhaltsschuldners seiner Ehegattin gegenüber bei der Bemessung des Kindesunterhalts zu berücksichtigen, weshalb ein Abzug von 3 Prozentpunkten nicht stattzufinden habe, teilte das Rekursgericht nicht. Bei der Berücksichtigung von weiteren Sorgepflichten komme es nur auf die Tatsache des Bestehens derselben an, nicht hingegen darauf, ob, wann und wie diese tatsächlich erfüllt würden. Eine Anspannung der haushaltsführenden Ehegattin des Vaters komme auch deshalb nicht Betracht, weil zwischen dieser und dem unterhaltsberechtigten Kind kein unterhaltsrechtlich relevanter Zusammenhang bestehe. Dass der geldunterhaltspflichtige Elternteil neben seinem (ausschließlich geschuldeten) Geldunterhalt (im Rahmen seines Kontaktrechts) keinen weiteren – nicht geschuldeten – Naturalunterhalt leiste, begründe keine Erhöhung des Geldunterhalts.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [5] Das Rekursgericht hat den Rekurs nachträglich zugelassen, weil es zur Frage des unterhaltsrechtlichen Zusammenhangs zwischen der Ehegattin des Vaters und dem unterhaltsberechtigten Kind (Anspannung der einkommenslosen Ehegattin) noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung gebe.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [6] Im <span class="Fett">Revisionsrekurs</span> des Kindes wird eine Unterhaltsverpflichtung des Vaters ab 1. 6. 2022 von monatlich 795 EUR angestrebt.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [7] Der Vater beantragt in seiner <span class="Fett">Revisionsrekursbeantwortung</span>, dem Revisionsrekurs des Kindes nicht Folge zu geben.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"> [8] Der Revisionsrekurs ist zulässig und hinsichtlich des eventualiter gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [9] <span class="Fett">1.</span> Die Revisionsrekurswerberin meint zwar, ihr stünde ein Unterhaltsanspruch von 26 % der Unterhaltsbemessungsgrundlage zu, der im Revisionsrekurs angestrebte Unterhaltsbetrag von 795 EUR wird jedoch bloß mit 22 % der Unterhaltsbemessungsgrundlage von rund 3.610 EUR errechnet.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [10] <span class="Fett">2.1.</span> Die Revisionsrekurswerberin vertritt die Rechtsauffassung, dass die einkommenslose Ehegattin des Vaters, wenn sie – wie hier – aus nicht erkennbaren Gründen freiwillig kein Einkommen erwirtschafte, analog der Rechtsprechung zur Anspannungspflicht des Unterhaltspflichtigen, anzuspannen sei, „weshalb von dem dem Kind zustehenden Unterhalt nicht 3 % abzuziehen seien“.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [11] <span class="Fett">2.2.</span> § 94 Abs 2 Satz 1 ABGB gewährt dem tatsächlich den gemeinsamen Haushalt führenden Ehegatten einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch gegenüber dem verdienenden Ehegatten.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [12] <span class="Fett">2.3.</span> Nach der Rechtsprechung, die den Kindesunterhalt in Durchschnittsfällen mit der Prozent-(wert-)methode ermittelt (vgl RS0047419 [T12, T16]), sind für einen unterhaltsberechtigten Ehegatten je nach Eigeneinkommen 0 bis 3 Prozentpunkte vom jeweiligen Prozentsatz in Abschlag zu bringen (RS0053242 [T4]). Dieser Abschlag hat jedenfalls dann zu erfolgen, wenn der Unterhaltspflichtige für seine Ehegattin nach dem Gesetz sorgepflichtig ist.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [13] <span class="Fett">2.4.</span> Diese Rechtsfrage kann auf der Grundlage des bisher festgestellten Sachverhalts aber nicht abschließend beantwortet werden. Auch wenn nicht festgestellt werden konnte, „dass die Ehegattin des Vaters über ein Einkommen verfügt“, bedeutet dies noch nicht, dass der Vater für seine – allenfalls einkommenslose – Ehegattin auch gesetzlich sorgepflichtig ist.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [14] <span class="Fett">2.5.</span> Bereits jetzt kann aber gesagt werden, dass eine Anspannung des haushaltsführenden und damit nach § 94 Abs 2 Satz 1 ABGB gegenüber dem verdienenden Ehegatten unterhaltsberechtigten Ehegatten nicht in Betracht kommt (vgl Gitschthaler, Unterhaltsrecht4 [2019] Rz 555 5. Anm).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [15] <span class="Fett">3.</span> Ausgehend davon, dass der geldunterhaltspflichtige Elternteil keine Naturalleistungen, sondern ausschließlich Geldunterhalt schuldet (vgl RS0116443 [T2]), führen unterdurchschnittliche Besuchskontakte des geldunterhaltspflichtigen Elternteils mit dem Kind nicht zu einer Anhebung des Unterhaltsprozentsatzes (<span class="Kursiv">Schwimann</span>/<span class="Kursiv">Kolmasch</span>, Unterhaltsrecht<span class="Hoch">10</span> [2022], 152; RS0116443 [T7] = 1 Ob 107/19w unter ausdrücklicher Ablehnung von <span class="Kursiv">Gitschthaler</span>, Unterhaltsrecht<span class="Hoch">4</span> Rz 87).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [16] Das Erstgericht wird daher im fortzusetzenden Verfahren geeignete Feststellungen zu treffen haben, die eine Beurteilung darüber zulassen, ob der Vater gegenüber seiner Ehegattin gesetzlich sorgepflichtig ist.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [17] Da beim Verfahren über Unterhaltsansprüche eines minderjährigen Kindes ein Kostenersatz nicht stattfindet (§ 101 Abs 2 AußStrG), hat die Tochter die Kosten ihres Revisionsrekurses jedenfalls selbst zu tragen.</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240919_OGH0002_009OBA00005_24M0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-09 | 2024-10-09 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240919_OGH0002_009OBA00005_24M0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240919_OGH0002_009OBA00005_24M0000_000/JJT_20240919_OGH0002_009OBA00005_24M0000_000.html | 9ObA5/24m | ECLI:AT:OGH0002:2024:009OBA00005.24M.0919.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Hargassner und die Hofrätin Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Ingomar Stupar und Mag. Thomas Kallab als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei I*, vertreten durch Haider/Obereder/Pilz Rechtsanwält:innen GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Universität *, vertreten durch Mag. Branco Jungwirth, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung des aufrechten Bestands des Arbeitsverhältnisses, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. Oktober 2023, GZ 9 Ra 73/23f-22, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 21. März 2023, GZ 21 Cga 80/22w-16, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="Abstand AlignLeft"></p><p class="ErlText AlignLeft">Der Revision wird nicht Folge gegeben.</p><p class="ErlText AlignLeft">Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.450,40 EUR (darin enthalten 408,40 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Entscheidungsgründe:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [1] Die Klägerin ist am 26. 3. 1969 geboren. Sie ist seit 17. 2. 2004 im Ausmaß von 20,4 Wochenstunden mit einem monatlichen Bruttogehalt von 2.353,58 EUR, 14 x jährlich, bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Dienstverhältnis ist der Kollektivvertrag für die ArbeitnehmerInnen der Universitäten (idF: KV) anzuwenden. Das Dienstverhältnis wurde von der Beklagten mit folgendem Schreiben vom 24. 5. 2022 aufgekündigt:</span></p><p class="ErlText AlignLeft">„Auflösung des Dienstverhältnisses</p><p class="ErlText AlignLeft">Sehr geehrte Frau P*!</p><p class="ErlText AlignLeft">Wir sehen uns leider dazu veranlasst, das zwischen Ihnen und der Universität * ab * 2004 eingegangene Dienstverhältnis unter Einhaltung der kollektivvertraglich vereinbarten Kündigungsfrist zum 30. 9. 2022 aufzukündigen. Das Dienstverhältnis endet daher am 30. 9. 2022. Wir ersuchen Sie, Ihren offenen Resturlaub während der Kündigungsfrist zu konsumieren. Die aliquoten Sonderzahlungen werden mit der Endabrechnung ausbezahlt. Ihre Arbeitspapiere und die Endabrechnung erhalten Sie nach Beendigung des Dienstverhältnisses im Postweg übermittelt.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Im Sinne des § 105 ArbVG wurde der Betriebsrat von der Kündigung ordnungsgemäß verständigt.</span></p><p class="ErlText AlignLeft">Mit freundlichen Grüßen“</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [2] Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass ihr Arbeitsverhältnis zur Beklagten über den 30. 9. 2022 hinaus aufrecht fortbestehe, in eventu, die mit Schreiben vom 24. 5. 2022 ausgesprochene Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses für rechtsunwirksam zu erklären. Sie bringt vor, sie unterliege dem besonderen Kündigungsschutz nach § 22 KV, wonach das Arbeitsverhältnis nur unter Angabe eines Grundes gekündigt werden dürfe. Da ein solcher im Kündigungsschreiben nicht genannt sei, sei die Kündigung rechtsunwirksam. Darüber hinaus sei sie auch sozialwidrig.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [3] Die <span class="Fett">Beklagte</span> bestreitet. Sie wendet – soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz – ein, zwar müsse aufgrund der langen Betriebszugehörigkeit die Kündigung der Klägerin begründet sein, das Unterbleiben der Nennung des Kündigungsgrundes im Kündigungsschreiben mache die Kündigung jedoch nicht per se rechtsunwirksam. § 21 KV normiere zwar ein Schriftlichkeitserfordernis für die Kündigung, nicht jedoch für die Angabe des Kündigungsgrundes. Es reiche aus, wenn der Kündigungsgrund spätestens im gerichtlichen Verfahren objektiviert werde.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [4] Das <span class="Fett">Erstgericht</span> stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien über den 30. 9. 2022 hinaus aufrecht fortbesteht. Die Kündigung sei nur schriftlich zulässig und müsse der angegebene Kündigungsgrund iSd § 22 Abs 2 KV vorliegen. Daher führe die Nichtangabe des Grundes im Kündigungsschreiben zur Unwirksamkeit der Kündigung. Dies stimme auch damit überein, dass der KV im Zuge der Ausgliederung der Universitäten entstanden sei und die Kollektivvertragsparteien offensichtlich ein Surrogat für den Kündigungsschutz der Vertragsbediensteten schaffen wollten.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [5] Das <span class="Fett">Berufungsgericht</span> gab der Berufung der Beklagten gegen diese Entscheidung nicht Folge. Gemäß § 22 KV würden bestimmte ArbeitnehmerInnen, zu denen unstrittig auch die Klägerin zähle, einen erweiterten Kündigungsschutz genießen. Sie dürften nur mit Angabe eines Grundes gekündigt werden. Diese Gründe seien in § 22 Abs 2 KV (taxativ) aufgezählt. Die Kündigung bedürfe zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Für die §§ 21 und 22 KV sei das Vertragsbedienstetengesetz 1948 (VBG 1948) vorbildhaft gewesen. Auch die Kündigungstatbestände in § 22 Abs 2 KV entsprächen im Wesentlichen denen des § 32 Abs 1 VBG 1948. Gemäß § 32 Abs 1 VBG 1948 könne der Dienstgeber ein Dienstverhältnis, das ununterbrochen ein Jahr gedauert hat, nur schriftlich und mit Angabe des Grundes kündigen. Eine entgegen § 32 VBG 1948 ausgesprochene Kündigung sei rechtsunwirksam. Der Schutzzweck der Angabe des Kündigungsgrundes liege darin, dass Kündigungsgründe, die in einer schriftlichen Kündigung nicht enthalten seien, nicht nachträglich zur Rechtfertigung der Kündigung herangezogen werden könnten. Ohne Schriftlichkeitsgebot könne diesem Schutzzweck schon wegen dessen mangelnden Beweiswerts nicht ausreichend Rechnung getragen werden. Es treffe zwar zu, dass § 22 Abs 6 KV nicht auf dessen Abs 1 verweise, die Regelung in § 22 Abs 1 KV wäre aber ohne Sanktion sinnentleert. Damit sei die Kündigung der Klägerin mangels Angabe von Kündigungsgründen im Kündigungsschreiben rechtsunwirksam.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [6] Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht zugelassen, weil zur Auslegung des § 22 Abs 1 KV keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [7] Gegen dieses Urteil wendet sich die <span class="Fett">Revision der Beklagten</span> mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahingehend abzuändern, dass die Klage abgewiesen wird. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [8] Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"> [9] Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [10] 1. Auf das Dienstverhältnis ist unstrittig der Kollektivvertrag für die ArbeitnehmerInnen der Universitäten (KV) anzuwenden.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [11] Gemäß § 21 Abs 1 KV kann ein auf unbestimmte Zeit eingegangenes Arbeitsverhältnis nach den folgenden Bestimmungen durch Kündigung aufgelöst werden. Die Kündigung bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [12] § 22 KV lautet auszugsweise wie folgt:</p><p class="ErlText AlignLeft">„Abs 1: ArbeitnehmerInnen, die seit 20 Jahren bei der jeweiligen Universität beschäftigt sind, oder die das 45. Lebensjahr vollendet haben und seit 15 Jahren bei der jeweiligen Universität beschäftigt sind, oder die das 50. Lebensjahr vollendet haben und seit zehn Jahren bei der jeweiligen Universität beschäftigt sind, dürfen nur mit Angabe eines Grundes gekündigt werden. (...)</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Abs 2: Ein Grund, der die Universität zur Kündigung nach Abs 1 berechtigt liegt vor, wenn (…)</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Abs 5: Weigert sich der/die ArbeitnehmerIn, den Verpflichtungen nach Abs 4 nachzukommen, kann das Arbeitsverhältnis von der Universität nach § 21 gekündigt werden.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Abs 6: Eine entgegen Abs 2 und Abs 5 ausgesprochene Kündigung ist rechtsunwirksam. (...)“</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [13] 2. Der normative Teil eines Kollektivvertrags ist nicht nach §§ 914, 915 ABGB, sondern nach §§ 6, 7 ABGB auszulegen (RS0008807). In erster Linie ist bei der Auslegung der Wortsinn – auch im Zusammenhang mit den übrigen Regelungen – zu erforschen und die sich aus dem Text des Kollektivvertrags ergebende Absicht der Kollektivvertragsparteien zu berücksichtigen (RS0010089). Bei der Auslegung einer kollektivvertraglichen Norm darf den Kollektivvertragsparteien zumindest im Zweifel unterstellt werden, dass sie eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen und daher eine Ungleichbehandlung der Normadressaten vermeiden wollten (RS0008897).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [14] 3. Ausgehend vom Wortlaut der relevanten Bestimmungen ergibt sich zunächst aus § 21 Abs 1 KV, dass jede Kündigung zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedarf. § 22 Abs 1 KV sieht zusätzlich für bestimmte ArbeitnehmerInnen, zu denen unstrittig auch die Klägerin zählt, einen erweiterten Kündigungsschutz vor. Diese dürfen nur „mit Angabe eines Grundes“ gekündigt werden. In der Folge werden in Abs 2 die Gründe, die zu einer Kündigung berechtigen, taxativ (vgl <span class="Kursiv">Pfeil</span> in <span class="Kursiv">Pfeil/Grimm/Schöberl</span>, Personalrecht der Universitäten<span class="Hoch">2</span> § 22 KollV Rz 7) aufgezählt.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [15] Der KV verlangt daher im Rahmen des erweiterten Kündigungsschutzes nicht nur das Vorliegen eines Kündigungsgrundes, sondern ausdrücklich auch, dass die Kündigung nur unter Angabe des Grundes erfolgen darf. Richtig ist zwar, dass § 22 Abs 1 KV dafür nicht ausdrücklich die Schriftform vorsieht. Diese Bestimmung macht aber die Angabe des Kündigungsgrundes zum notwendigen Inhalt der Kündigung, die – wie ausgeführt – nach § 21 Abs 1 KV in jedem Fall schriftlich zu erfolgen hat. Entgegen der Revision ist dabei nicht zwischen (schriftlicher) Kündigungserklärung und (formloser) Begründung zu unterscheiden, vielmehr hat die (in jedem Fall) schriftlich zu erfolgende Kündigung auch eine Begründung durch Angabe des Kündigungsgrundes zu enthalten.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [16] 4. Insoweit entspricht diese Regelung § 32 Abs 1 VBG 1948, der vorsieht, dass die Kündigung schriftlich und mit Angabe eines Grundes zu erfolgen hat. Dass sich im VBG 1948 beide Voraussetzungen in derselben Bestimmung finden, im KV dagegen in unterschiedlichen Paragraphen ergibt sich aus der Regelungssystematik, ändert aber nichts am identen Inhalt beider Normen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Bestimmung des KV dem VBG 1948 nachgebildet wurde (so etwa: <span class="Kursiv">Pfeil</span> in <span class="Kursiv">Pfeil/Grimm/Schöberl</span>, Personalrecht der Universitäten<span class="Hoch">2</span> § 22 KollV Rz 2; <span class="Kursiv">derselbe</span> in <span class="Kursiv">Reissner/Tinhofer</span>, Das neue Universitätsarbeitsrecht, 172). Die im Wesentlichen übereinstimmende Regelung und der übereinstimmende Regelungszweck sprechen für eine gleichlautende Auslegung.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [17] 5. Daraus, dass der KV ausdrücklich die Angabe des Kündigungsgrundes, nicht nur dessen Vorliegen verlangt, lässt sich ableiten, dass es in den Fällen des erweiterten Kündigungsschutzes nicht nur darauf ankommt, dass ein Kündigungsgrund vorliegt, sondern der Dienstgeber den von ihm herangezogenen Kündigungsgrund auch dem Dienstnehmer mit der Kündigung bekanntzugeben hat. Sinn einer solchen Regelung kann aber nur sein, dass der Dienstgeber sich nicht nachträglich auf andere als die bekanntgegebenen Kündigungsgründe berufen kann. So hat der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt zu verschiedenen Gesetzen, die die (schriftliche) Angabe des Kündigungsgrundes fordern, ausgesprochen, dass der dem Gekündigten dienende Schutzzweck der notwendigen Angabe des Kündigungsgrundes in der schriftlichen Kündigung ist, dass andere als in der schriftlichen Kündigung geltend gemachten Kündigungsgründe nicht nachträglich zur Rechtfertigung der Kündigung herangezogen werden dürfen (RS0082181; vgl auch RS0031367).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [18] 6. Richtig ist, dass nach der Rechtsprechung zum VBG 1948 durch die Formvorschrift des § 32 Abs 1 VBG 1948 („nur schriftlich mit Angabe des Grundes“) nicht Dritte geschützt werden, sondern lediglich der Gekündigte, der Klarheit darüber erhalten soll, welcher Sachverhalt als Kündigungsgrund in Wahrheit geltend gemacht wird. Die Formvorschrift steht daher einer nur am Empfängerhorizont orientierten Auslegung der Kündigung nicht entgegen (RS0053351). Ist zweifelhaft, welcher Kündigungsgrund vom Dienstgeber in Wahrheit geltend gemacht wurde, dann ist die Auflösungserklärung so zu verstehen, wie sie der Empfänger nach ihrem Wortlaut und dem Geschäftszweck unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände bei objektiver Betrachtungsweise verstehen konnte (9 ObA 87/16h).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [19] Entgegen der Revision lässt sich daraus jedoch nicht die Gleichwertigkeit einer mündlichen Erklärung ableiten. Die Schriftform dient in der Regel nicht nur dem Übereilungsschutz, sondern auch der Beweissicherung (vgl 9 ObA 110/15i). Unabhängig von der Auslegung der Kündigungserklärung soll damit auch ermöglicht werden, deren Inhalt objektiv belegbar zu machen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [20] Hat daher eine Kündigung begründet und schriftlich zu erfolgen, entspricht es dem Zweck der Regelung, dass die Angabe des Kündigungsgrundes als Teil der Kündigungserklärung schriftlich zu erfolgen hat und so den vom Dienstgeber herangezogenen Kündigungsgrund objektiv belegbar macht.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [21] 7. Soweit sich die Revision zur Bestätigung ihrer Rechtsauffassung auf <span class="Kursiv">Pfeil</span> (in <span class="Kursiv">Pfeil/Grimm/Schöberl</span>, Personalrecht an Universitäten<span class="Hoch">2</span> § 21 Rz 5) und <span class="Kursiv">Novak</span> (in Universitätsrecht<span class="Hoch">4</span> S 199) beruft, übergeht sie, dass sich diese Kommentierungen jeweils auf § 21 KV beziehen, also auf die allgemeine Regelung der Kündigung, die anders als § 22 Abs 1 KV keine Angabe eines Kündigungsgrundes verlangt.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [22] Richtig ist zwar, dass <span class="Kursiv">Pfeil</span> (in <span class="Kursiv">Pfeil/Grimm/Schöberl</span>, Personalrecht an Universitäten<span class="Hoch">2</span> § 22 Rz 7) zur Angabe des Kündigungsgrundes nach § 22 Abs 1 KV meint, „dessen Nichtnennung im Kündigungsschreiben bleibt aber wohl ohne Folgen“, diese Auffassung wird jedoch nicht näher begründet. Dagegen vertreten <span class="Kursiv">Löschnigg/Ogriseg/Ruß</span> (Die Beendigung von Arbeitsverhältnissen zur Universität, zfhr 2014 1 [4]), das Wesen des erweiterten Kündigungsschutzes bestehe darin, dass die Kündigung nur mit Angabe eines Grundes und Vorliegen eines Kündigungsgrundes zulässig sei. Liege eine der beiden Voraussetzungen nicht vor, verfalle die Kündigung von vornherein der Rechtsunwirksamkeit (Nichtigkeit ex tunc).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [23] 8. Ist aber die Angabe des Kündigungsgrundes wie dargelegt Teil der notwendigerweise schriftlichen Kündigungserklärung, so ergibt sich bereits aus § 21 Abs 1 KV, dass ein Verstoß gegen diese Formvorschrift zur Unwirksamkeit der Kündigung führt. Dass daher § 22 Abs 6 KV, der inhaltliche und nicht formelle Mängel der Kündigung zum Gegenstand hat, nicht auf § 22 Abs 1 KV Bezug nimmt, ist aufgrund der Systematik der Regelung konsequent, ist aber für die Unwirksamkeit einer gegen § 22 Abs 1 iVm § 21 Abs 1 KV verstoßenden Kündigung ohne Bedeutung.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [24] 9. Die schriftliche Kündigung der Klägerin enthielt keine Angabe eines Kündigungsgrundes. Mangels Einhaltung der kollektivvertraglichen Formvorschrift ist die Kündigung daher unwirksam. Auf mündliche Erklärungen anlässlich der Kündigung kommt es nicht an. Feststellungen dazu waren daher nicht zu treffen.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [25] 10. Davon ausgehend haben die Vorinstanzen der Klage zu Recht stattgegeben. Der Revision der Beklagten war daher nicht Folge zu geben.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [26] 11. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240919_OGH0002_009OBA00057_24H0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-14 | 2025-01-15 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240919_OGH0002_009OBA00057_24H0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240919_OGH0002_009OBA00057_24H0000_000/JJT_20240919_OGH0002_009OBA00057_24H0000_000.html | 9ObA57/24h | ECLI:AT:OGH0002:2024:009OBA00057.24H.0919.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer, den Hofrat Dr. Hargassner und die Hofrätin Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Ingomar Stupar (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Thomas Kallab (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei W*, vertreten durch Mag. Katharina Hausmann, Rechtsanwältin in Berndorf, gegen die beklagte Partei K*, vertreten durch Mag. Niki Zaar, Rechtsanwältin in Wien, wegen 10.420,99 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse: 5.530,08 EUR) gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24. März 2023, GZ 9 Ra 7/23z-24, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Arbeits- und Sozialgericht vom 23. November 2022, GZ 6 Cga 23/22v-18, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett">I.</span> Das Verfahren wird fortgesetzt.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett">II.</span> Der Revision wird Folge gegeben.</span></p><p class="ErlText AlignLeft">Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.</p><p class="ErlText AlignLeft">Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p><p class="ErlText AlignLeft"> [1] Der Kläger war bei der Beklagten seit 20. 5. 2021 als Kellner mit einem Lohn von 1.575 EUR brutto monatlich vollzeitbeschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis gelangt der Kollektivvertrag für Arbeiterinnen und Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe (in Folge: KV) zur Anwendung. Das Arbeitsverhältnis endete durch Arbeitgeberkündigung vom 5. 10. 2021 (zugegangen dem Kläger spätestens am 7. 10. 2021) zum 21. 10. 2021.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [2] Der <span class="Fett">Kläger</span> begehrt die Zahlung von 10.420,99 EUR brutto. Darin enthalten sind – soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung – Ansprüche auf Kündigungsentschädigung für den Zeitraum vom 9. 11. 2021 bis 31. 12. 2021 in Höhe von 2.730,01 EUR brutto (ohne Überstundendurchschnitt), Urlaubsersatzleistung in Höhe von 849,67 EUR brutto (ohne Überstundendurchschnitt) und Jahresremuneration in Höhe von 1.950,40 EUR brutto. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses sei fristwidrig erfolgt. Die Beklagte betreibe keinen „Saisonbetrieb“, weshalb die gesetzliche Kündigungsfrist des § 1159 Abs 2 ABGB zur Anwendung gelange.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [3] Die <span class="Fett">Beklagte</span> wandte dagegen im Wesentlichen ein, dass die Kündigung unter Einhaltung der gemäß Pkt 21 lit a des anzuwendenden Kollektivvertrags vorgesehenen Frist von 14 Tagen zulässig erfolgt sei. Für den Fall der Geltung einer sechswöchigen Kündigungsfrist habe das Dienstverhältnis zum 30. 11. 2021 beendet werden können, weil es analog zum Kollektivvertrag für Angestellte im Hotel- und Gastgewerbe zum 15. und Letzten eines Monats kündbar sei.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [4] Das <span class="Fett">Erstgericht</span> sprach dem Kläger 8.960,77 EUR brutto sA zu. Das Mehrbegehren von 1.460,22 EUR brutto sA wies es unangefochten ab. Mangels entsprechenden Vorbringens der qualifiziert vertretenen Parteien sei davon auszugehen, dass zum Zeitpunkt der Kündigung des Klägers die Kollektivvertragsparteien keine Einigung darüber erzielt hätten, dass es sich bei den Betrieben im Bereich der Hotellerie und Gastronomie um Saisonbetriebe im Sinne des § 53 Abs 6 ArbVG handle. Daher sei keine kollektivvertragliche Abweichung von § 1159 ABGB vorgelegen, weshalb die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers nach § 1159 Abs 2 ABGB nur zum 31. 12. 2021 auflösen habe können. Das Zustandekommen einer Vereinbarung über die Kündbarkeit des Dienstverhältnisses zum 15. und Letzten eines Monats im Sinne des § 1159 Abs 3 ABGB habe die Beklagte nicht behauptet.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [5] Das <span class="Fett">Berufungsgericht</span> gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge. Es bestätigte – soweit im Revisionsverfahren relevant – das Urteil des Erstgerichts mit Teilurteil im Umfang des Zuspruchs von 5.530,08 EUR brutto sA. Das Berufungsgericht billigte die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers durch die Beklagte frühestens zum 31. 12. 2021 zulässig gewesen wäre. Die Beklagte habe sich gar nicht auf § 1159 Abs 2 letzter Satz ABGB berufen und auch nicht behauptet, dass das Dienstverhältnis zwischen den Streitteilen einer Branche angehöre, in der Saisonbetriebe im Sinne des § 53 Abs 6 ArbVG überwiegen. Eine Vereinbarung im Sinne des § 1159 Abs 3 ABGB habe die Beklagte nicht behauptet. Eine „analoge“ Anwendung von Bestimmungen des Kollektivvertrags für Angestellte im Hotel- und Gastgewerbe auf das Dienstverhältnis des Klägers käme nur dann in Betracht, wenn eine Regelung in dem auf das Dienstverhältnis sachlich und persönlich anwendbaren Kollektivvertrag fehle. Dies sei aber hier nicht der Fall. Die zum 21. 10. 2021 ausgesprochene Kündigung sei daher fristwidrig erfolgt, dem Kläger gebühre die vom Erstgericht zugesprochene Kündigungsentschädigung.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [6] Die Revision sei mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [7] Gegen das Teilurteil des Berufungsgerichts richtet sich die außerordentliche <span class="Fett">Revision</span> der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, mit der sie die Abweisung des Klagebegehrens im Umfang von 5.530,08 EUR brutto anstrebt. In eventu wird ein Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag gestellt.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [8] Mit seiner – vom Obersten Gerichtshof freigestellten – <span class="Fett">Revisionsbeantwortung</span> beantragt der Kläger, die Revision der Beklagten zurückzuweisen, hilfsweise dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"> [9] Die Revision der Beklagten wurde bereits im Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 14. 2. 2024 zu 9 ObA 38/23p für zulässig erklärt. Sie ist im Sinn des subsidiär gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [10] <span class="Fett">I.</span> Da der Oberste Gerichtshof Bedenken gegen die Verfassungskonformität der Bestimmungen des § 1159 Abs 1 bis Abs 4 ABGB idF BGBl I 2017/153, allenfalls des § 1159 Abs 2 Satz 3 und Abs 4 Satz 3 ABGB idF BGBl I 2017/153, allenfalls des § 1159 Abs 2 Satz 3 ABGB idF BGBl I 2017/153 für sich allein gesehen, hatte, stellte er mit Beschluss vom 14. 2. 2024, AZ 9 ObA 38/23p, einen entsprechenden Gesetzesprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof. Mit der Fortführung des Revisionsverfahrens wurde gemäß § 62 Abs 3 VfGG bis zur Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs innegehalten.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [11] Mit Erkenntnis vom 25. 6. 2024, G 29/2024-12, wies der Verfassungsgerichtshof diesen Antrag ab.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [12] Das Revisionsverfahren ist nun fortzuführen.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [13] <span class="Fett">II.1.</span> § 1159 ABGB idF BGBl I 2017/153 lautet:</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">„(1) Ist das Dienstverhältnis ohne Zeitbestimmung eingegangen oder fortgesetzt worden, so kann es durch Kündigung nach folgenden Bestimmungen gelöst werden.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Kursiv">(2) Mangels einer für den Dienstnehmer günstigeren Vereinbarung kann der Dienstgeber das Dienstverhältnis mit Ablauf eines jeden Kalendervierteljahres durch vorgängige Kündigung lösen. Die Kündigungsfrist beträgt sechs Wochen und erhöht sich nach dem vollendeten zweiten Dienstjahr auf zwei Monate, nach dem vollendeten fünften Dienstjahr auf drei, nach dem vollendeten fünfzehnten Dienstjahr auf vier und nach dem vollendeten fünfundzwanzigsten Dienstjahr auf fünf Monate. Durch Kollektivvertrag können für Branchen, in denen Saisonbetriebe im Sinne des § 53 Abs. 6 des</span> <span class="Kursiv">Arbeitsverfassungsgesetzes BGBl. Nr. 22/1974, überwiegen, abweichende Regelungen festgelegt werden.</span></span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">(3) Die Kündigungsfrist kann durch Vereinbarung nicht unter die im Absatz 2 bestimmte Dauer herabgesetzt werden; jedoch kann vereinbart werden, dass die Kündigungsfrist am Fünfzehnten oder am Letzten des Kalendermonats endigt.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Kursiv">(4) Mangels einer für ihn günstigeren Vereinbarung kann der Dienstnehmer das Dienstverhältnis mit dem letzten Tage eines Kalendermonats unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist lösen. Diese Kündigungsfrist kann durch Vereinbarung bis zu einem halben Jahr ausgedehnt werden; doch darf die vom Dienstgeber einzuhaltende Frist nicht kürzer sein als die mit dem Dienstnehmer vereinbarte Kündigungsfrist. Durch Kollektivvertrag können für Branchen, in denen Saisonbetriebe im Sinne des § 53 Abs. 6 des Arbeitsverfassungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1974 überwiegen, abweichende Regelungen festgelegt werden.</span></span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">(5) Ist das Dienstverhältnis nur für die Zeit eines vorübergehenden Bedarfes vereinbart, so kann es während des ersten Monats von beiden Teilen jederzeit unter Einhaltung einer einwöchigen Kündigungsfrist gelöst werden.“</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [14] § 1159 ABGB trat (nach Verschiebungen) schließlich mit 1. 10. 2021 in Kraft (§ 1503 Abs 19 ABGB idF BGBl 2021/121) und ist auf Beendigungen anzuwenden, die – wie hier – nach dem 30. 9. 2021 ausgesprochen wurden.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [15] <span class="Fett">2.</span> § 53 Abs 6 ArbVG lautet:</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">„Als Saisonbetriebe gelten Betriebe, die ihrer Art nach nur zu bestimmten Jahreszeiten arbeiten oder die regelmäßig zu gewissen Zeiten des Jahres erheblich verstärkt arbeiten.“</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [16] <span class="Fett">3.</span> Pkt 21 lit a des (Rahmen-)Kollektivvertrags für Arbeiterinnen und Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe in der ab 1. 5. 2019 geltenden Fassung abgeschlossen zwischen dem Fachverband Gastronomie und dem Fachverband Hotellerie und der Gewerkschaft vida (in der ab 1. 5. 2019 geltenden Fassung) lautet:</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">„21. Lösung des Arbeitsverhältnisses</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">a. Das unbefristete Arbeitsverhältnis kann in den ersten 14 Tagen, die als Probezeit gelten, ohne vorherige Kündigung gelöst werden. Nach Ablauf dieser Zeit kann das unbefristete Arbeitsverhältnis nur nach vorheriger 14 tägiger Kündigung gelöst werden.“</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [17] <span class="Fett">4.</span> Mit § 1159 ABGB idF BGBl I 2017/153 im Verhältnis zu Pkt 21 lit a KV hat sich der Oberste Gerichtshof in den Entscheidungen 9 ObA 116/21f und 9 ObA 137/21v, die jeweils in Verfahren gemäß § 54 Abs 2 ASGG ergingen, ausführlich auseinandergesetzt. Die wesentlichen Aussagen dieser Entscheidungen lassen sich, soweit sie Bedeutung für den vorliegenden Fall haben, wie folgt zusammenfassen:</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [18] <span class="Fett">4.1.</span> Die ursprünglich angestrebte Harmonisierung der Kündigungsfristen und -termine von Arbeitern und Angestellten ist nach dem gesetzlichen Modell nicht durchgehend verwirklicht, sondern ermöglicht nach Maßgabe des § 1159 ABGB kollektivvertragliche Abweichungen vom gesetzlichen Regelmodell, die für „Branchen, in denen Saisonbetriebe im Sinne des § 53 Abs 6 ArbVG überwiegen“, auch kürzere Kündigungsfristen enthalten können (9 ObA 116/21f Rz 19; vgl auch § 10 Abs 5 AÜG; RS0133981).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [19] <span class="Fett">4.2.</span> Eine bereits vor Inkrafttreten des § 1159 ABGB idF BGBl I 2017/153 (letztlich mit 1. 10. 2021, § 1503 Abs 19 ABGB) geschaffene kollektivvertragliche Regelung – wie Pkt 21 lit a KV – hat auch nach Inkrafttreten dieses Gesetzes weiter Bestand, sofern und soweit mit ihr die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt werden (9 ObA 116/21f Rz 25).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [20] <span class="Fett">4.3.</span> Der Begriff der „Branche“ ist gesetzlich nicht definiert. Der fachliche Geltungsbereich des KV erstreckt sich auf die Hotellerie und Gastronomie und ist als branchenbestimmend anzusehen. Das Hotel- und Gastgewerbe ist in diesem Sinn als einheitliche Branche anzusehen (9 ObA 116/21f Rz 33).</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [21] <span class="Fett">4.4.</span> Die gesetzliche Regelungsermächtigung gilt nur, wenn in der Branche „Saisonbetriebe“ (§ 53 Abs 6 ArbVG iVm § 1159 Abs 2 und 4 jeweils letzter Satz ABGB) überwiegen. Ist dies der Fall, werden auch Betriebe der Branche, die keine Saisonbetriebe sind, von der Regelungsbefugnis der Kollektivvertragspartner umfasst (9 ObA 116/21f Rz 34). Die Kollektivvertragsparteien können das Überwiegen von Saisonbetrieben zwar deklarativ festhalten, jedoch nicht normativ festlegen, weil dieser Umstand tatbestandliche Voraussetzung für ihre Regelungsbefugnis ist (Rz 35). „Überwiegen“ bedeutet quantitatives Überwiegen: es kommt – was in einem längeren Untersuchungszeitraum zu beurteilen ist – auf die Anzahl der Saisonbetriebe in Relation zur Gesamtanzahl der Betriebe einer Branche an (Rz 36 f).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [22] <span class="Fett">III.</span> Im vorliegenden Verfahren ist die Frage strittig, ob der klagende Arbeitnehmer, der sich auf die gesetzliche Kündigungsfrist des § 1159 Abs 2 Satz 2 ABGB beruft, die Unwirksamkeit der eine kürzere Kündigungsfrist normierenden Bestimmung des Pkt 21 lit a Satz 2 KV zu behaupten und die insoweit relevanten Tatsachen zu beweisen hat, oder der sich auf die kürzere kollektivvertragliche Kündigungsfrist berufende Arbeitgeber die Behauptungs- und Beweislast dafür trägt, dass die Bestimmung des Pkt 21 lit a Satz 2 KV (iVm § 1159 Abs 2 Satz 3 ABGB) und nicht die gesetzliche Bestimmung des § 1159 Abs 2 Satz 2 ABGB im konkreten Fall wegen des Vorliegens einer Saisonbranche anwendbar ist.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett">IV.</span> Dazu ist auszuführen:</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [23] <span class="Fett">1. </span>Die hier zu beurteilende Rechtsfrage hat der Oberste Gerichtshof bislang noch nicht beantwortet. Im Schrifttum finden sich dazu zahlreiche, unterschiedliche Stellungnahmen:</p><p class="ErlText AlignLeft"> [24] <span class="Fett">2.</span> Für eine Behauptungspflicht (und Beweislastverteilung zu Lasten) des Arbeitgebers sprechen sich folgende Autorinnen und Autoren aus:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [25] <span class="Fett">2.1.</span> Ausführlich beschäftigt sich <span class="Kursiv">Nunner-Krautgasser</span> (Zur Beweislastverteilung betreffend das [Nicht-]Vorliegen einer Saisonbranche, DRdA-infas 2023, 72) mit diesem Thema. Ihrer Ansicht nach beziehe sich die Richtigkeitsvermutung (besser: „Richtigkeitsgewähr“) kollektivvertraglicher Regelungen im Sinne der Judikatur darauf, dass kollektivvertraglichen Regelungen im Zweifel unterstellt werden dürfe, dem verfassungsrechtlichen Legalitätsprinzip gerecht zu werden. Damit sei jedoch keine beweisrechtlich relevante Vermutungsregelung verbunden, aus der sich eine Vermutung hinsichtlich des Anwendungsbereichs einer kollektivvertraglichen Norm im System der Rechtsordnung ableiten ließe, die durch den Beweis der Nichtigkeit der kollektivvertraglichen Norm zu entkräften wäre. Insbesondere begründe auch der Umstand, dass ein Kollektivvertrag eine ausdrückliche Regelung enthalte, nach der in den erfassten Branchen Saisonbetriebe überwiegen, keine Vermutungsbasis im Sinne des § 270 ZPO. Daher sei die Frage der Beweislastverteilung auch in Fällen, in denen der betreffende Kollektivvertrag eine ausdrückliche Regelung enthalte, nach der in den erfassten Branchen Saisonbetriebe überwiegen, stets nach der Grundregel über die Beweislastverteilung zu klären, ob eine kollektivvertragliche Norm überhaupt von der gesetzlichen Ermächtigung in § 1159 ABGB gedeckt sei. Da § 1159 ABGB regelungstechnisch die Basis, die jeweilige kollektivvertragliche Bestimmung betreffend Saisonbranchen hingegen die Ausnahmeregelung darstelle, sei der Arbeitgeber, der die Ausnahmeregelung der kürzeren kollektivvertraglichen Kündigungsfrist für sich in Anspruch nehmen wolle, behauptungs- und beweispflichtig für das Vorliegen einer Saisonbranche und die daran geknüpfte Anwendbarkeit der kürzeren kollektivvertraglichen Kündigungsfrist. Bleibe unklar, ob eine für die Anwendbarkeit der kürzeren kollektivvertraglichen Kündigungsfrist vorausgesetzte Saisonbranche vorliegt (non liquet), dann sei nach der allgemeinen Beweislastgrundregel so zu entscheiden, als wäre festgestellt worden, dass eine Saisonbranche nicht vorliege. In diesem Fall seien die gesetzlichen Kündigungsfristen und -termine des § 1159 ABGB als Entscheidungsgrundlage heranzuziehen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [26] <span class="Fett">2.2.</span> <span class="Kursiv">Grillberger</span> verweist in einer Anmerkung zu 9 ObA 116/21f (wbl 2022/114, 403 [406]) darauf, dass Bestimmungen in Kollektivverträgen, die eine ausdrückliche Regelung enthielten, wonach in deren Branchen Saisonbetriebe überwiegen, nach dieser Entscheidung nur deklarative Bedeutung hätten, weshalb sie auch nicht als Beweislastregel verstanden werden könnten. Berufe sich der Arbeitgeber auf eine kürzere kollektivvertragliche Kündigungsfrist, obliege ihm im Streitfall der Nachweis, dass der Kollektivvertrag die gesetzlichen Voraussetzungen des § 1159 Abs 2 letzter Satz ABGB erfülle.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [27] <span class="Fett">2.3.</span> <span class="Kursiv">Radlingmayr</span> (Zur Beweislast bei der Kündigungsfrist für Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe, ecolex 2023/320, 516 [517 f]) hält ebenfalls daran fest, dass in einem derartigen Leistungsstreitverfahren (Anmerkung: wie dem vorliegenden) die allgemeinen Beweislastregeln zur Anwendung kämen. <span class="Kursiv">Noga</span> (siehe Pkt IV.3.1.) hält er entgegen, dass der Arbeitnehmer die Nichtigkeit gar nicht einwenden müsse, weil sich aus der gesetzlich angeordneten, längeren Kündigungsfrist der Anspruch auf die Kündigungsentschädigung bereits zweifelsfrei ergebe. Der Arbeitnehmer müsse sich in diesem Fall keineswegs auf das Nichtvorliegen einer Saisonbranche stützen, und dementsprechend auch keinen Beweis darüber führen. Möchte der Arbeitgeber die Zahlung der Kündigungsentschädigung verhindern, müsse er sich als einzige Ausnahme von der Grundregel des § 1159 Abs 2 ABGB auf die Saisonbranchenbestimmung des letzten Satzes stützen. Hierbei handle es sich um eine für den Arbeitgeber günstigere Norm, deren Voraussetzungen ausschließlich er unter Beweis zu stellen habe, weil die Ausnahmeregelung des Abs 2 geeignet sei, den klägerischen Anspruch abzuwehren, da in diesem Fall die kürzere Kündigungsfrist des Kollektivvertrags zur Anwendung komme. Es handle sich also um einen anspruchsvernichtenden Einwand. Gelinge dem Arbeitgeber im Verfahren der Nachweis nicht, dass das Hotel- und Gastgewerbe eine Saisonbranche sei, sei der Klage auf Kündigungsentschädigung demnach stattzugeben.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [28] <span class="Fett">2.4.</span> Auch nach <span class="Kursiv">Tinhofer</span> (Längere Kündigungsfristen für Arbeiter in Hotels und Gastronomie, Der Standard 2022/19/02) ist die Klage eines Arbeitnehmers auf Kündigungsentschädigung, gestützt auf die längeren Kündigungsfristen des § 1159 ABGB, nur dann abzuweisen, wenn der Arbeitgeber nachweisen könne, dass die vom Obersten Gerichtshof in 9 ObA 116/21f geforderten Voraussetzungen für Saisonbetriebe in der Branche tatsächlich erfüllt seien.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [29] <span class="Fett">2.5.</span> <span class="Kursiv">Reissner</span> (Kündigungszeiten im Hotel- und Gastgewerbe – Überwiegen von Saisonbetrieben nicht belegt, JAS 2023, 145 [161 f]) zitiert die Ausführungen von <span class="Kursiv">Nunner-Krautgasser</span> und untersucht die dogmatischen Grundlagen der Rechtsfolgen von einschlägigen kollektivvertraglichen Regelungen. Träfen ein grundsätzlich einseitig zwingendes Gesetz und ein dem Gesetz im Stufenbau untergeordneter Kollektivvertrag aufeinander, bestimme sich das Verhältnis zwischen diesen beiden Rechtsquellen nach § 1164 Abs 1 ABGB. Demnach könnten „die Berechtigungen des Dienstnehmers“, die sich ua aus § 1159 ABGB ergeben, „durch den Dienstvertrag oder durch Normen der kollektiven Rechtsgestaltung nicht aufgehoben oder beschränkt werden“. Es sei daher zu prüfen, ob der Kollektivvertrag das Gesetz „aufhebt oder beschränkt“ oder ob dieser als für die Arbeitnehmer günstigere Rechtsquelle bestehen bleibe. Diesbezüglich sei also eine Günstigkeitsprüfung vorzunehmen, die mittels eines Günstigkeitsvergleichs durchzuführen sei. Aus (objektiver) Sicht des Arbeitnehmers sei es günstiger, wenn der Arbeitgeber kündige und die Abwicklungszeit länger andauere. Das bedeute für den Fall einer gesetzwidrigen Festlegung einer 14-tägigen Kündigungsfrist für beide Seiten durch den Kollektivvertrag, dass die Regelung im Hinblick auf die Arbeitgeberkündigung an § 1159 ABGB scheitere, während diese hinsichtlich der Kündigung von Seiten des Arbeitnehmers als günstigere Regelung gültig sei.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [30] <span class="Fett">3.</span> Hingegen treten für die Rechtsauffassung, dass der gekündigte Arbeitnehmer, der unter Berufung auf das Gesetz eine Kündigungsentschädigung fordert, jene Tatsachen zu beweisen hat, aus denen sich die Nichtigkeit einer kollektivvertraglichen Regelung über Kündigungsfristen- und termine ergibt, folgende Autorinnen und Autoren ein:</p><p class="ErlText AlignLeft"> [31] <span class="Fett">3.1.</span> <span class="Kursiv">Noga</span> (Die gerichtliche Inhaltskontrolle abweichender kollektivvertraglicher Kündigungsfristen und -termine, ASoK 2022, 281 [285 ff]) setzt zentral an der (widerlegbaren) Richtigkeitsvermutung kollektivvertraglicher Regelungen und ihrer normativen Wirkung an und verknüpft diese mit weitreichenden Folgen (auch) für die Beweislastverteilung. Insoweit geht er davon aus, dass in einschlägigen Individualprozessen die Nichtigkeit der kollektivvertraglichen Regelung nach den allgemeinen Beweislastregeln vom Arbeitnehmer zu behaupten und die insoweit erforderlichen Tatsachen von ihm zu beweisen seien. Könne das Gericht nicht feststellen, ob es sich bei einer Branche um eine Saisonbranche handelt oder nicht, so treffe den Arbeitnehmer, der die Nichtigkeit behauptet das Beweislastrisiko.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [32] <span class="Fett">3.2.</span> <span class="Kursiv">Rauch</span> (ASoK-Spezial Arbeitsrecht 2023, 2.16.1. Ist das Hotel- und Gastgewerbe eine Saisonbranche und sind daher die 14-tägigen Kündigungsfristen [nach dem Arbeiter-KV] weiterhin anwendbar?) teilt diese Ansicht ohne weitere Begründung.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [33] <span class="Fett">3.3.</span> <span class="Kursiv">Kietaibl</span> (Die Beweislastverteilung in Bezug auf das [Nicht-]Vorliegen einer Saisonbranche im Anwendungsbereich eines Kollektivvertrages mit abweichenden Kündigungsbestimmungen, ASoK 2023, 234 [237 ff]) legt seinen Ausführungen ebenfalls zugrunde, dass beweispflichtig grundsätzlich der ist, der die Gesetz- oder Sittenwidrigkeit und damit Nichtigkeit einer Abrede behauptet (Ausnahmecharakter). Bei Vorhandensein einer kollektivvertraglichen Regelung sei daher nach herrschender Lehre zunächst ebenfalls von deren Wirksamkeit auszugehen und der beweisbelastet, der die Unwirksamkeit behauptet. Zudem sei grundsätzlich von einer Richtigkeitsgewähr des Kollektivvertrags auszugehen. Übertrage man diese Grundsätze auf den Fall abweichender kollektivvertraglicher Kündigungsbestimmungen, so wäre auf Basis der dargelegten Grundsätze zur Beweislast und kollektivvertraglichen Richtigkeitsgewähr zunächst von der Wirksamkeit der abweichenden Kündigungsbestimmung im Kollektivvertrag auszugehen, sodass bei Behauptung ihrer Nichtigkeit auch die nichtigkeitsbegründenden Tatsachen zu beweisen wären, in concreto also jene für das Nichtvorliegen einer Saisonbranche, woraus dann rechtlich die Überschreitung der kollektivvertraglichen Regelungsbefugnis und die Nichtigkeit der kollektivvertraglichen Kündigungsmodalitäten wegen Gesetzwidrigkeit folgen würden. Angesichts der Anforderungen an den Nachweis der von § 1159 Abs 2 Satz 2 ABGB normierten Voraussetzungen würde eine Beweislast desjenigen, der sich auf einen vorhandenen Kollektivvertrag mit abweichenden Kündigungsbestimmungen stütze, regelmäßig dazu führen, dass die kollektivvertragliche Kündigungsbestimmung im Ergebnis allein dadurch unanwendbar (außer Kraft gesetzt) würde, dass die andere Arbeitsvertragspartei die Regelungsbefugnis des Kollektivvertrags bestreite. Dem Gesetzgeber könne aber nicht unterstellt werden, dass die gesetzliche Regelungsermächtigung in § 1159 Abs 2 Satz 2 ABGB dadurch im Individualverfahren de facto beseitigt werde.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [34] <span class="Fett">3.4.</span> <span class="Kursiv">Dehn</span> (Unbefristetes Unbestimmtes? In FS Neumayr II, 2467 [2474 ff]) argumentiert, dass die Erklärung eines Kollektivvertrags, die von ihm geregelte Branche sei eine Saisonbranche im Sinne des § 1159 ABGB, nur eine Orientierung sein, aber keine abschließende Richtigkeitsgewähr bieten könne. Die Kollektivvertragsparteien könnten im Streben um die Schaffung von Rechtsklarheit zwar auf das Überwiegen von Saisonbetrieben in der Branche hinweisen, diesen Umstand aber nicht normativ festlegen, weil ihre Regelungsbefugnis ja erst einsetze, wenn der Tatbestand tatsächlich erfüllt sei. Grundsätzlich sei eine kollektivvertragliche Regelung nicht im Hinblick auf ihre Rechtswirksamkeit, sondern auf ihre allfällige Rechtsunwirksamkeit hin zu prüfen. Im Individualprozess bedürfte es demnach nicht im Interesse der Prozesspartei, die sich auf die kollektivvertragliche Regelung berufe, der Feststellung von Tatsachen für die Annahme ihrer Wirksamkeit, sondern vielmehr im Interesse der Gegenpartei, die sich auf die gesetzliche Frist berufe, der Feststellung von Tatsachen für die Nichtigkeit der kollektivvertraglichen Frist. Daher wäre die Prozesslast im Falle einer Negativfeststellung über die zu behauptenden Tatsachen von demjenigen zu tragen, der die kollektivvertragliche Regelung nicht angewendet wissen wolle.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [35] <span class="Fett">V.</span> Den überzeugenden Rechtsausführungen von <span class="Kursiv">Dehn</span>, die der Senat teilt, sind folgende Grundsätze voranzustellen:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [36] <span class="Fett">1.</span> Gemäß § 11 Abs 1 ArbVG sind die Bestimmungen des Kollektivvertrags, soweit sie nicht die Rechtsbeziehungen zwischen den Kollektivvertragsparteien regeln, innerhalb seines fachlichen, räumlichen und persönlichen Geltungsbereichs unmittelbar rechtsverbindlich. In diesem Geltungsbereich wirken die Bestimmungen des Kollektivvertrags normativ, sie schaffen objektives Recht und sind als Gesetz im materiellen Sinn zu qualifizieren (RS0050914; <span class="Kursiv">Reissner</span> in ZellKomm³ § 11 ArbVG Rz 5 mwN; <span class="Kursiv">Pfeil</span> in <span class="Kursiv">Gahleitner/Mosler</span>, Arbeitsverfassungsrecht<span class="Hoch">12</span> § 11 ArbVG Rz 5; <span class="Kursiv">Resch</span> in <span class="Kursiv">Jabornegg/Resch</span>, ArbVG § 11 Rz 4).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [37] <span class="Fett">2.</span> Nach der Rechtsprechung ist eine mit zwingendem Recht in Widerspruch stehende Kollektivvertragsbestimmung nicht rechtsgültig und daher wirkungslos (RS0050828) bzw nichtig (vgl RS0034517 [T12, T18]; <span class="Kursiv">Mosler/Felten</span> in <span class="Kursiv">Gahleitner/Mosler</span>, Arbeitsverfassungsrecht<span class="Hoch">12</span> § 2 ArbVG Rz 23; <span class="Kursiv">Runggaldier</span> in <span class="Kursiv">Brameshuber/Tomandl</span>, Arbeitsverfassungsgesetz, § 2 ArbVG Rz 37). Auch dann, wenn die Kollektivvertragsparteien ihre vom Gesetz (§ 2 Abs 2 ArbVG) eingeräumte Ermächtigung überschritten haben, kommt der kollektivvertraglichen Regelung nicht die Normwirkung des § 11 Abs 1 ArbVG zu (vgl 8 ObA 98/02y; vgl <span class="Kursiv">Strasser</span> in <span class="Kursiv">Strasser/Jabornegg/Resch</span>, ArbVG § 2 Rz 10).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [38] <span class="Fett">3.</span> § 43 Abs 1 ASGG, wonach der Inhalt kollektivvertraglicher Normen von Amts wegen zu ermitteln ist, enthält keine Beweislastregel. Kollektivvertragliche Regelungen weisen eine „Richtigkeitsvermutung“ bzw „Richtigkeitsgewähr“ auf (vgl <span class="Kursiv">Mosler/Felten</span> in <span class="Kursiv">Gahleitner/Mosler</span>, Arbeitsverfassungsrecht<span class="Hoch">12</span>, § 2 ArbVG Rz 7). Diese stellt in der Sache eine Vermutung für die Angemessenheit, Sachlichkeit und Rechtsrichtigkeit des Kollektivvertrags dar. Den Kollektivvertragsparteien darf nämlich grundsätzlich unterstellt werden, dass sie eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen wollten, weshalb bei mehreren an sich in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten, wenn alle anderen Auslegungsgrundsätze versagen, jener der Vorzug zu geben ist, die diesen Anforderungen am meisten entspricht (RS0008828; RS0008897). Dennoch steht es den Parteien frei, im gerichtlichen Verfahren die Unwirksamkeit kollektivvertraglicher Normen, etwa wegen Überschreitung der gesetzlichen Ermächtigung, geltend zu machen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [39] <span class="Fett">4.</span> Nach den allgemeinen Beweislastregeln hat jede Partei die Voraussetzungen der ihr günstigen Norm zu behaupten und zu beweisen (RS0109832 [T1]; RS0039939 [T30]), und es trifft denjenigen die Beweislast, der behauptet, es liege eine Ausnahme von einer allgemeinen Regel vor (RS0040188; RS0109832 [T6]). Hier stellt sich nicht die Frage, ob ein konkreter Sachverhalt die Voraussetzungen einer bestimmten Norm erfüllt, sondern ob eine bestimmte Norm selbst überhaupt rechtswirksam ist. Spricht eine Prozesspartei einer kollektivvertraglichen Bestimmung die Normwirkung ab, dann hat sie die allenfalls erforderlichen Tatsachenbehauptungen aufzustellen, aus denen sich die Unwirksamkeit der Bestimmung – hier die Überschreitung der gesetzlichen Ermächtigung – ableiten lässt.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [40] <span class="Fett">5.</span> Die hier zu beurteilende Rechtsfrage kann aber nicht abschließend beantwortet werden, weil dazu Feststellungen fehlen.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [41] <span class="Fett">6.</span> Da die Parteien (unstrittig) keine Vereinbarung im Sinne des § 1159 Abs 3 zweiter Halbsatz ABGB getroffen haben, endet die Kündigungsfrist nach § 1159 Abs 2 Satz 1 ABGB jedenfalls mit Ablauf des Kalendervierteljahres.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [42] <span class="Fett">7. </span>Pkt 15 des Kollektivvertrags für Angestellte im Hotel- und Gastgewerbe, wonach das unbefristete Dienstverhältnis nach den Bestimmungen des Angestelltengesetzes mit der Maßgabe gekündigt werden kann, dass es jeweils zum 15. oder Letzten des Kalendermonats aufgekündigt werden kann (§ 20 Abs 3 AngG), ist auf Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe, die einem anderen Kollektivvertrag unterliegen, nicht analog anwendbar. Ein Analogieschluss würde eine Gesetzeslücke voraussetzen, was heißt, dass der Rechtsfall nach dem Gesetz nicht beurteilt werden kann (RS0098756 [T12]; RS0010089 [T40]). Dass dies hier der Fall wäre, behauptet aber selbst die Revisionswerberin nicht. Es ist zudem nicht Aufgabe des Gerichts vermeintlich unbefriedigende Gesetzesbestimmungen (hier Kollektivvertragsbestimmungen) zu ändern (RS0008880). Richtig ist zwar, dass der Gesetzgeber mit 1. 7. 2018 eine gewisse Angleichung der Kündigungsfristen und -termine für Arbeiter/-innen an die Systematik der Angestellten nach dem Angestelltengesetz getroffen hat (BGBl I 2017/153), eine völlige Angleichung hat der Gesetzgeber jedoch nicht vorgenommen (9 ObA 131/19h).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [43] <span class="Fett">8.</span> Die diese Entscheidung tragenden Erwägungen können wie folgt zusammengefasst werden:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [44] <span class="Fett">8.1.</span> Macht der vom Arbeitgeber unter Berufung auf die 14-tägige Kündigungsfrist des Pkt 21 lit a KV gekündigte Arbeitnehmer auf Basis der gesetzlichen Kündigungsfrist des § 1159 Abs 2 ABGB Kündigungsentschädigung geltend, so muss nicht der Arbeitgeber das Vorliegen einer Saisonbranche und damit die Rechtswirksamkeit der kollektivvertraglichen Regelung behaupten und beweisen. Vielmehr trägt der klagende Arbeitnehmer im Prozess die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass in einer Branche Betriebe, die keine Saisonbetriebe sind, überwiegen und die kollektivvertragliche Bestimmung des Pkt 21 lit a KV daher wirkungslos ist, weshalb nicht die kürzere kollektivvertragliche, sondern die längere gesetzliche Kündigungsfrist zum Tragen kommt.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [45] Der Oberste Gerichtshof verkennt nicht die – gerade auch im konkreten Fall – mit dieser Beweisführung verbundenen Schwierigkeiten. Es ist jedoch nicht Aufgabe der – ordentlichen – Gerichte, unbefriedigende Gesetzesbestimmungen zu ändern, sondern der Gesetzgebung (RS0008880).</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [46] <span class="Fett">8.2.</span> Kann nicht festgestellt werden, ob eine Saisonbranche vorliegt (non liquet), dann trifft den diesbezüglich behauptungs- und beweispflichtigen Arbeitnehmer die Beweislast. In diesem Fall sind die gesetzlichen Kündigungsfristen und -termine des § 1159 Abs 2 ABGB nicht als Entscheidungsgrundlage heranzuziehen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [47] <span class="Fett">8.3.</span> Pkt 15 des Kollektivvertrags für Angestellte im Hotel- und Gastgewerbe, wonach das unbefristete Dienstverhältnis nach den Bestimmungen des Angestelltengesetzes mit der Maßgabe gekündigt werden kann, dass es jeweils zum 15. oder Letzten des Kalendermonats aufgekündigt werden kann (§ 20 Abs 3 AngG), ist auf Arbeitnehmer, die dem Kollektivvertrag für Arbeiterinnen und Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe unterliegen, nicht analog anwendbar.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [48] <span class="Fett">9.1.</span> Die Parteien haben hier kein (ausreichendes) Vorbringen zur Beurteilung der Frage erstattet, ob Pkt 21 lit a KV mit § 1159 Abs 2 ABGB in Widerspruch steht. Insbesondere hat der behauptungs- und beweispflichtige Kläger keine Behauptungen in Ansehung des Überwiegens von Betrieben in der Branche des Hotel- und Gastgewerbes, die keine Saisonbetriebe sind, aufgestellt und dafür Beweisanbote erstattet. Dementsprechend wurden hierzu auch keine Feststellungen getroffen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [49] <span class="Fett">9.2.</span> Das Gericht darf die Parteien in seiner Entscheidung nicht mit einer Rechtsauffassung überraschen, die sie nicht beachtet haben und auf die sie das Gericht nicht aufmerksam gemacht hat (RS0037300). Das Verbot von Überraschungsentscheidungen gilt auch für den Obersten Gerichtshof (RS0037300 [T55]). Das Erstgericht wird daher im fortzusetzenden Verfahren mit den Parteien die dargestellten Grundsätze zur Behauptungs- und Beweispflicht zu erörtern und ihnen Gelegenheit zur Erstattung weiteren Vorbringens zu geben haben.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [50] In Stattgebung der Revision der Beklagten waren die Entscheidungen der Vorinstanzen daher aufzuheben.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [51] Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240919_OGH0002_0090OB00050_23B0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-16 | 2024-10-16 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240919_OGH0002_0090OB00050_23B0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240919_OGH0002_0090OB00050_23B0000_000/JJT_20240919_OGH0002_0090OB00050_23B0000_000.html | 9Ob50/23b | ECLI:AT:OGH0002:2024:0090OB00050.23B.0919.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner, Mag. Korn, Dr. Stiefsohn und Dr. Wallner-Friedl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T* GmbH, *, vertreten durch Dr. Nora Kluger, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei S*, vertreten durch Draskovits Unger Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 237.596,54 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 31. Juli 2023, GZ 13 R 6/23g-34, den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.</span></p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [1] 1.1. Beim Zwischenurteil gemäß § 393a ZPO zur (verneinten) Verjährung wird nur die allfällige Verjährung des Klagsanspruchs beurteilt und selbstständig im Instanzenzug überprüfbar, bevor ein unter Umständen umfangreiches (Beweis-)Verfahren über die übrigen Anspruchsgrundlagen des Klagsanspruchs durchgeführt werden muss (RS0127852 [T2]). Ein solches Urteil hat nur zu ergehen, wenn auch ein schlüssiges Tatsachenvorbringen des Klägers zum Anspruchsgrund vorliegt; sonst wäre die Klage – wie auch sonst erst nach Erörterung der Unschlüssigkeit (RS0117576) – abzuweisen (RS0129001). Das heißt, nur die Verjährung eines schlüssigen Anspruchs kann verneint werden. Ein Klagebegehren ist rechtlich schlüssig, wenn das Sachbegehren des Klägers materiell-rechtlich aus den von ihm zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachenbehauptungen abgeleitet werden kann (RS0037516).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [2] 1.2. Der Frage, ob eine Klage schlüssig ist, kommt im Allgemeinen – abgesehen von Fällen auffallender Fehlbeurteilung – keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (RS0116144).</p><p class="ErlText AlignLeft"> [3] 1.3. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin die Mehrkosten nach Zeiträumen und Stundenanzahl im Hinblick auf durch die Bauverzögerung entstandene „Nachverfolgungsleistungen“ aufgeschlüsselt. Diese „Nachverfolgungsleistungen“ wurden inhaltlich auch konkretisiert (Kontroll-, Koordinierungs- und Organisationsverpflichtungen, Einsicht in die Projektmanagementplattform etc). Der Sachverhalt ist mit dem der in der Revision zitierten Entscheidung 6 Ob 136/22a zugrunde liegenden nicht vergleichbar, da dort die geltend gemachten Mehrkosten nicht baustellenspezifisch, sondern lediglich anhand einer abstrakten Kalkulation berechnet wurden. Dass von den Vorinstanzen das vorliegende Begehren noch als ausreichend schlüssig angesehen wurde, wogegen sich die Beklagte im Übrigen in der Berufung auch nicht substantiiert gewendet hat, ist nicht zu beanstanden.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [4] 2.1. Gegenstand des Zwischenurteils nach § 393a ZPO ist der Einwand bzw die Frage der Verjährung des mit der Klage prozessual geltend gemachten Anspruchs oder eines von mehreren Ansprüchen. Der prozessuale Anspruch wird durch das Begehren und die diesem zugrundeliegenden rechtserzeugenden Tatsachen bestimmt (vgl 5 Ob 133/15t).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [5] 2.2. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Klagsanspruch primär auf Entgelt nach § 1168 ABGB gestützt wird. Diesen Anspruch sah es in Bezug auf die Mehrkosten als nicht verjährt an. Soweit das Klagebegehren hilfsweise auch auf Schadenersatz gestützt wurde, ging das Berufungsgericht – wie sich aus dem aufhebenden Teil der Entscheidung ergibt – allerdings sowohl von einer Unschlüssigkeit dem Grunde nach als auch einer Ergänzungsbedürftigkeit im Hinblick auf das Vorbringen der Verjährung aus. Über eine Verjährung eines allfälligen Schadenersatzanspruchs konnte vom Berufungsgericht daher nicht entschieden werden.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [6] 3.1. Punkt 8.4.2 der ÖNORM B 2110 regelt – insoweit ist der Revision zuzustimmen – zwei unterschiedliche Sachverhalte. Zum einen den hier nicht vorliegenden Fall, dass Forderungen nicht in die Schlussrechnung aufgenommen, aber nachträglich geltend gemacht werden, zum anderen den, dass die Schlusszahlung vom Rechnungsbetrag abweicht.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [7] 3.2. Punkt 8.4.2 der ÖNORM B 2110 dient im Wesentlichen dazu, möglichst rasch Klarheit über die Abrechnung zu schaffen, sodass der Auftraggeber zu einem möglichst frühen Zeitpunkt das Ausmaß seiner Verpflichtungen erfahren und überschauen kann (RS0122419 [T7]; zuletzt 8 Ob 20/23h).</p><p class="ErlText AlignLeft"> [8] 3.3. Das Unterbleiben eines nachträglichen Vorbehalts ist als nachträgliche Abstandnahme von früher erklärten Vorbehalten zu werten (RS0122419 [T5]). Bereits vor Legung der Schlussrechnung beziehungsweise vor Annahme der davon abweichenden Schlusszahlung abgegebene Erklärungen können nach dem klaren Wortlaut der Bestimmung nicht ausreichend sein (RS0122419 [T4]). Die Bestimmung könnte ihre Zielsetzung nicht erreichen, wenn jeder irgendwann im Zuge des Bauvorhabens erklärte Vorbehalt geprüft werden müsste (1 Ob 67/08x).</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [9] 3.4. Bei der Verpflichtung, den Vorbehalt schriftlich zu begründen, dürfen aber keine unnötigen, vom Normzweck nicht verlangten Hürden aufgebaut und die Anforderungen an den Werkunternehmer nicht überspannt werden, zumal der Grund seiner Forderung schon aus der gelegten Rechnung hervorgeht. Es reicht, wenn der Vorbehalt die vorbehaltenen Ansprüche in erkennbarer Weise individualisiert und – zumindest durch schlagwortartigen Hinweis – den Standpunkt des Werkunternehmers erkennen lässt. Daher kann auch im schriftlichen Vorbehalt auf frühere, dem Erklärungsempfänger bekannte schriftliche Unterlagen Bezug genommen werden (9 Ob 111/06y). Der Oberste Gerichtshof hat auch schon wiederholt, ausgesprochen, dass eine fehlende schriftliche Begründung des Vorbehalts nicht in jedem Fall zur „Ö-Norm-Verfristung“ des Werklohns führt. Demnach bewirkt eine fehlende schriftliche Begründung des Vorbehalts dann keine Verfristung des Werklohnanspruchs, wenn dem Werkbesteller klar ist, dass und warum der Werkunternehmer auf seiner Restforderung besteht, etwa weil Gespräche über die Abstriche geführt wurden (vgl 8 Ob 60/21p; 3 Ob 157/13d; 8 Ob 164/08p).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [10] 3.5. Allein durch eine schriftliche Erklärung, dass der Werkunternehmer „die Abstriche beeinspruche“ und dass „die Korrekturen falsch seien“, wird in der Regel noch kein begründeter Vorbehalt abgegeben (9 Ob 76/21y). Ein nicht näher spezifizierter Hinweis auf „den geführten Schriftverkehr betreffend der von uns nicht anerkannten Abrechnungsdifferenzen bei obigem Bauvorhaben” wurde als unzureichende Individualisierung und Konkretisierung der vorbehaltenen Ansprüche angesehen (9 Ob 81/14y; vgl auch 9 Ob 4/16b). Dagegen wurde die Bezugnahme auf ein datumsmäßig individualisiertes Schreiben als ausreichend angesehen (9 Ob 111/06y). Auch eine Abklärung der strittigen Positionen in einer Besprechung nach einem zunächst unbegründeten Vorbehalt wurde als ausreichend erachtet: „Die Positionierung der Klägerin bezüglich der vorbehaltenen Ansprüche konnte von der Beklagten danach nicht verkannt werden“ (9 Ob 76/21y).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [11] 3.6. Die Frage, ob der Auftragnehmer bzw Werkunternehmer einen ausreichenden Vorbehalt im Sinn der genannten Bestimmung erhoben hat, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden und begründet daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (9 Ob 76/21y mwN).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [12] 4. Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass neben der nicht revisionsgegenständlichen Position „Innenrollo“ – zwischen den Parteien die von der Klägerin beanspruchten Mehrkosten aus einer von ihr der Beklagten zur Last gelegten Baustellenverzögerung strittig waren. Diese waren von der Klägerin im Vorfeld mehrfach angekündigt und letztlich in die Schlussrechnung aufgenommen worden. Nach Legung der Schlussrechnung wurde in der Korrespondenz über diese Position, deren Zahlung von der Beklagten abgelehnt wurde, von der Klägerin ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie diese Kosten vorsorglich angemeldet habe und das entsprechende Schreiben auch mit der Schlussrechnung übermittelt worden sei. Die Beklagte verfasste eine Korrektur der Schlussrechnung der Klägerin und strich darin genau diese Position (sowie jene der Innenrollos). Sie überwies in weiterer Folge den verringerten Betrag. Daraufhin erklärte der Geschäftsführer der Klägerin, dass die Nichtfreigabe wesentlicher Rechnungspositionen nicht akzeptiert würde und gegen die Nichtzahlung rechtliche Schritte eingeleitet würden.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [13] Die Rechtsauffassung der Vorinstanzen, dass sich aufgrund der eingeschränkten Streitpunkte (Mehrkosten wegen Verzögerung und Innenrollos) für die Beklagte aus diesem letzten Schreiben ausreichend deutlich ergibt, dass die Klägerin gegen den Rechnungsabzug bezüglich genau dieser Positionen einen Vorbehalt erklärt, ist im konkreten Fall nicht zu beanstanden. Der Beklagten ist zwar darin zuzustimmen, dass die Erklärungen vor der Zahlung für sich allein keinen der Ö-Norm entsprechenden Vorbehalt darstellen. Im Zusammenhalt mit dem von der Klägerin nach der Zahlung ausdrücklich erklärten Vorbehalt konnte für die Beklagte schon deshalb kein Zweifel bestehen, aus welchem Grund die Klägerin auf der Zahlung beharrt, weil sie selbst die Schlussrechnung der Klägerin in Bezug auf diese wesentliche, strittige Position korrigierte. Damit ist aber dem Zweck der Bestimmung, Klarheit über die Abrechnung zu schaffen, entsprochen. Die Begründung des Vorbehalts muss, wie ausgeführt nicht im Vorbehalt selbst erfolgen. Vergleichbar wurde in der Entscheidung 8 Ob 164/08p unter Bezugnahme auf <span class="Kursiv">P. Bydlinski</span> (Die Auslegung und Anwendung von Ö-Normen, insbesondere in Bezug auf Schlussrechnung und Schlusszahlung, wbl 2008, 215 ff) darauf hingewiesen, dass die durch eine dreimonatige Verfallsfrist bewirkte erhebliche Verschlechterung der Rechtsposition des Werkunternehmers, um ein iSd § 879 Abs 3 ABGB gröblich benachteiligendes Auslegungsergebnis zu vermeiden, jedenfalls zugunsten des Werkunternehmers dazu führen muss, dass eine fehlende schriftliche Begründung des Vorbehalts dann keine „ÖNORM-Verfristung“ des Werklohnanspruchs bewirkt, wenn dem Werkbesteller klar ist, dass und warum der Werkunternehmer auf seiner Restforderung besteht. Wenn daher das Berufungsgericht davon ausgeht, dass im Zusammenhalt der E-Mails ./M, ./U und ./K, ein ausreichend begründeter Vorbehalt erfolgt ist, liegt darin keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [14] 6. Insgesamt gelingt es der Beklagten nicht das Vorliegen einer über den Einzelfall hinausgehenden Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision der Beklagten ist daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240919_OGH0002_0090OB00076_24B0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-14 | 2024-10-14 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240919_OGH0002_0090OB00076_24B0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240919_OGH0002_0090OB00076_24B0000_000/JJT_20240919_OGH0002_0090OB00076_24B0000_000.html | 9Ob76/24b | ECLI:AT:OGH0002:2024:0090OB00076.24B.0919.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner, Mag. Korn, Dr. Stiefsohn und Dr. Wallner-Friedl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E* AG, *, vertreten durch Mag. Alexander Lederer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. phil. M*, vertreten durch Celar Senoner Weber-Wilfert Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 35.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. Juni 2024, GZ 16 R 89/24m-25, den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.</span></p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"> [1] 1. Der Frage, ob eine Klage schlüssig ist, kommt im Allgemeinen vom hier nicht vorliegenden Fall auffallender Fehlbeurteilung abgesehen keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (RS0116144).</p><p class="ErlText AlignLeft"> [2] 2. Richtig ist schon das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass dann, wenn der Kläger nur pauschal einen Teilanspruch geltend macht und dabei einzelne Anspruchspositionen unterschieden werden können, die ein unterschiedliches rechtliches Schicksal haben, er klarzustellen hat, welche Teile von seinem pauschal formulierten Begehren erfasst sein sollen (RS0031014 [T25]).</p><p class="ErlText AlignLeft"> [3] 3. Wenn das Berufungsgericht den Umstand, dass die Mahnklage im Feld „Angabe der Forderung“ neben dem Code 06 den Kredit, aus dem ein Teilbetrag geltend gemacht wird, ausdrücklich mit IBAN anführt, als ausreichende Konkretisierung des Klagebegehrens ansieht, bestehen dagegen keine Bedenken.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [4] Dass auch die übrigen Kontoverbindungen, aus denen Forderungen der Klägerin gegen den Beklagten aushaften, im Vorbringen angeführt werden, ist schon deshalb nachvollziehbar und entgegen der Revision nicht „obsolet oder verfehlt“, weil sich das Zinsenbegehren auch auf diese Forderungen bezieht.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [5] 4. Insgesamt gelingt es dem Beklagten nicht das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision des Beklagten ist daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [6] 5. Der Oberste Gerichtshof hat die Beantwortung der Revision nicht freigestellt, sodass die „außerordentliche Revisionsbeantwortung“ der Klägerin gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig ist. Für diese steht daher kein Kostenersatz zu (vgl RS0043690 [T6, T7]).</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240919_OGH0002_009OBA00036_24W0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-15 | 2024-10-15 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240919_OGH0002_009OBA00036_24W0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240919_OGH0002_009OBA00036_24W0000_000/JJT_20240919_OGH0002_009OBA00036_24W0000_000.html | 9ObA36/24w | ECLI:AT:OGH0002:2024:009OBA00036.24W.0919.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Hargassner und die Hofrätin Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Ingomar Stupar (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Thomas Kallab (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei D*, vertreten durch Gahleitner Rechtsanwältin GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei P* GmbH, *, vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 1.565,75 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. Februar 2024, GZ 10 Ra 108/23k-21, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 8. Mai 2023, GZ 7 Cga 95/22y-15, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="Abstand AlignLeft"></p><p class="ErlText AlignLeft">Der Revision wird nicht Folge gegeben.</p><p class="ErlText AlignLeft">Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 453,17 EUR (darin enthalten 75,53 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Entscheidungsgründe:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [1] Zwischen dem Kläger und der Beklagten bestand von 27. 10. 2021 bis 31. 1. 2022 ein befristetes Dienstverhältnis, das durch Zeitablauf endete. Die Beklagte verfügt über die Gewerbeberechtigung zur Arbeitskräfteüberlassung und überlässt ihre Arbeitnehmer innerhalb des Postkonzerns an andere Konzernunternehmen. Der Kläger wurde von der Beklagten an die Österreichische Post Aktiengesellschaft (ÖPAG) als Logistikmitarbeiter überlassen und entsprechend dem Kollektivvertrag für Bedienstete der ÖPAG gemäß § 19 Abs 3 PTSG (Post-KV) entlohnt.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [2] Die ÖPAG hält 98,8 % der Geschäftsanteile der Beklagten. Mit der Vereinbarung über den Teilbetriebsübergang zwischen der ÖPAG und der Beklagten wurde die Übertragung des Teilbetriebs „überregionale/Gebietsspringer“ des Segments Corporate festgelegt. Geschäftsgegenstand des Teilbetriebs war die Aufnahme und der Einsatz von „überregionalen Gebietsspringern“, die bei Personalengpässen oder Spitzenkapazitätsauslastungen zum Einsatz gebracht wurden. Der Betriebsübergang wurde tatsächlich vorgenommen und die Beklagte führt diesen Geschäftszweck weiter.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [3] Der <span class="Fett">Kläger</span> begehrt die Entgeltdifferenz, die sich daraus ergebe, dass er unterkollektivvertraglich entlohnt worden sei. Infolge Zugehörigkeit der Beklagten zur Fachgruppe der gewerblichen Dienstleister sei der Kollektivvertrag für das Gewerbe der Arbeitskräfteüberlassung (KVAÜ) anzuwenden. Der Post-KV gelte für die Beklagte nicht, weil § 19 Abs 3 des Bundesgesetzes über die Einrichtung und Aufgaben der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft (Poststrukturgesetz - PTSG) dessen Anwendungsbereich auf die in § 17 Abs 1a PTSG angeführten Tochterunternehmen beschränke und es sich bei der Beklagten nicht um ein in dieser Bestimmung angeführtes Tochterunternehmen handle.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [4] Die <span class="Fett">Beklagte</span> bestreitet und bringt vor, sie sei ein Tochterunternehmen der ÖPAG, das im Weg der Rechtsnachfolge (Einbringung) aus dieser hervorgegangen sei. Ihre Kollektivvertragsangehörigkeit richte sich daher nicht nach den allgemeinen Regeln des ArbVG, sondern nach den Sonderbestimmungen des § 19 Abs 3 PTSG iVm § 17 Abs 1a PTSG. Dem Post-KV komme gemäß § 6 ArbVG Vorrang gegenüber anderen Kollektivverträgen zu. Die Tochterunternehmen seien in § 17 Abs 1a PTSG nicht im Einzelnen angeführt, sondern insofern generell umschrieben, als sie als Unternehmen, die durch Rechtsnachfolge oder Umgründung aus den in der Aufzählung genannten Unternehmen hervorgegangen seien, definiert würden.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [5] Das <span class="Fett">Erstgericht</span> wies das Klagebegehren ab. Die Beklagte sei im Wege der Rechtsnachfolge aus der ÖPAG hervorgegangen, sodass sie zu den in § 17 Abs 1a angeführten Tochterunternehmen der ÖPAG zähle. Gemäß § 19 Abs 3 PTSG gelte daher auch für den Kläger der Post-KV.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [6] Das <span class="Fett">Berufungsgericht</span> gab der gegen diese Entscheidung gerichteten Berufung des Klägers nicht Folge. Gemäß § 1 Post-KV gelte dieser für alle Mitarbeiter/innen, deren Arbeitsverhältnis entweder zur Österreichischen Post AG oder zu einem ihrer Tochterunternehmen gemäß § 17 Abs 1a PTSG ab Inkrafttreten des Post-KV begründet werde.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [7] Mit § 17 Abs 1a PTSG sei der einfache Dienstrechtsgesetzgeber ermächtigt worden, für den „PT-Konzern“ zur Dienstleistung zugewiesene Beamte dienstrechtliche Sonderregelungen zu treffen. Diese sollten sich auf den gesamten „PT-Konzern“ und nicht nur auf einzelne seiner Unternehmen beziehen, daher auch auf alle Rechtsnachfolger der ÖPAG und auf Unternehmen, die durch Maßnahmen der Umgründung im Rahmen des bestehenden Gesellschaftsrechts aus der ÖPAG hervorgegangenen seien. Mit der allgemein gehaltenen Umschreibung anstelle einer namentlichen Aufzählung werde vermieden, dass jede gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung eine Gesetzesänderung mit sich zu bringen habe. Die gesetzlichen und kollektivvertraglichen Regelungen nähmen auch nicht auf einen bestimmten Unternehmensgegenstand der Tochtergesellschaft Bezug. Der Unternehmensgegenstand der ÖPAG umfasse gemäß § 2 Abs 1 Z 6 PTSG aber ohnehin auch „andere kommerzielle Leistungen für Dritte oder zusammen mit Dritten, soweit dadurch die übrigen Aufgaben nicht beeinträchtigt würden“. Daher sei auch die Beklagte als Tochtergesellschaft der ÖPAG vom Anwendungsbereich des Post-KV erfasst. Auf das Dienstverhältnis des Klägers sei daher der Post-KV anzuwenden, weshalb die Klage zu Recht abgewiesen worden sei.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [8] Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht zugelassen, weil die zu beurteilende Rechtsfrage in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehe.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [9] Gegen diese Entscheidung wendet sich die <span class="Fett">Revision des Klägers</span> mit dem Antrag, sie dahingehend abzuändern, dass der Klage stattgegeben wird. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [10] Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"> [11] Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [12] 1. Der Kollektivvertrag für Bedienstete der Österreichischen Post AG, gemäß § 19 Abs 3 Poststrukturgesetz (PTSG) abgeschlossen zwischen der Österreichischen Post AG als Arbeitgeber/in und dem Österreichischen Gewerkschaftsbund, Gewerkschaft der Post- und Fernmeldebediensteten, als Arbeitnehmer/innenvertretung (Post-KV), gilt nach seinem § 1 lit c für Mitarbeiter/innen, deren Arbeitsverhältnis entweder zur Österreichischen Post AG oder zu einem Tochterunternehmen gemäß § 17 Abs 1a PTSG ab Inkrafttreten dieses Kollektivvertrags begründet wird.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">2. § 19 Abs 3 PTSG idgF lautet:</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Kursiv">„Die Österreichische Post Aktiengesellschaft und die Telekom Austria Aktiengesellschaft sind als Arbeitgeber, solange die Österreichische Industrieholding Aktiengesellschaft direkt einen Anteil von mehr als 25% an diesen Gesellschaften hält, und der Österreichische Gewerkschaftsbund, Gewerkschaft der Post und Fernmeldebediensteten als Arbeitnehmervertreter kollektivvertragsfähig. Der jeweilige Kollektivvertrag gilt auch für Arbeitnehmer der in § 17 Abs. 1a angeführten Tochterunternehmen der Österreichischen Post Aktiengesellschaft und der Telekom Austria Aktiengesellschaft. Der Kollektivvertrag der Österreichischen Post Aktiengesellschaft gilt auch für Arbeitnehmer der Gebühren Info Service GmbH. Der Kollektivvertragsfähigkeit der Österreichischen Post Aktiengesellschaft und der Telekom Austria Aktiengesellschaft kommt im Verhältnis zur Kollektivvertragsfähigkeit anderer Interessenvertretungen oder Berufsvereinigungen der Arbeitgeber Vorrang gemäß § 6 des Arbeitsverfassungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1974, in der geltenden Fassung zu.“</span></span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">§ 17 Abs 1a PTSG idgF lautet:</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Kursiv">„Die gemäß Abs. 1 zugewiesenen Beamten werden, wenn sie überwiegend im Unternehmensbereich</span></span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">1. der Gebühren Info Service GmbH oder der Österreichischen Post Aktiengesellschaft beschäftigt sind, letzterer,</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">2. der Telekom Austria Aktiengesellschaft beschäftigt sind, dieser, oder</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">3. der Österreichischen Postbus Aktiengesellschaft beschäftigt sind, dieser</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">auf die Dauer ihres Dienststandes zur Dienstleistung zugewiesen. Eine Verwendung der zugewiesenen Beamten bei einer Rechtsnachfolgerin eines dieser Unternehmen oder bei einem Unternehmen, das durch Maßnahmen der Umgründung im Rahmen des bestehenden Gesellschaftsrechts aus einer der Gesellschaften hervorgegangenen ist, sowie bei der Gebühren Info Service GmbH ist zulässig.“</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [13] 3. Entgegen der Ansicht des Klägers bezieht sich der Verweis des § 19 Abs 3 PTSG nicht auf die in § 17 Abs 1a PTSG namentlich genannten Gesellschaften, da es sich bei diesen entweder um die in § 19 Abs 3 PTSG ohnehin ausdrücklich genannten (Mutter-)Unternehmen handelt bzw hinsichtlich der Postbus Aktiengesellschaft um kein Tochterunternehmen. Auch für die Gebühren Info Service GmbH wird bereits in § 19 Abs 3 PTSG ausdrücklich die Anwendbarkeit des Kollektivvertrags der Österreichischen Post Aktiengesellschaft angeordnet. Damit wäre auch für sie, unabhängig davon, ob es sich bei ihr früher noch um ein Tochterunternehmen gehandelt hat, ein Verweis auf § 17 Abs 1a PTSG nicht erforderlich gewesen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [14] Damit kann sich der Verweis in § 19 Abs 3 PTSG aber richtigerweise nur auf die in § 17 Abs 1a PTSG nicht namentlich genannten („angeführten“), sondern nur allgemein umschriebenen Tochterunternehmen beziehen, die Rechtsnachfolger eines dieser namentlich genannten Unternehmen sind oder durch Maßnahmen der Umgründung im Rahmen des bestehenden Gesellschaftsrechts aus einer der Gesellschaften hervorgegangen sind.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [15] Es ist damit nicht richtig, wie die Revision meint, dass das Gesetz keine Regelung enthält, welche Tochterunternehmen dem jeweiligen Firmen-KV unterliegen sollen. Zwar hat § 17 Abs 1a PTSG grundsätzlich einen anderen Regelungsgegenstand, nämlich die Überlassung von Beamten. Das hindert aber nicht, dass die dort verwendete Begrifflichkeit auf die in § 19 Abs 3 PTSG genannten Tochterunternehmen übertragen werden kann.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [16] 4. Aus der historischen Darstellung der Entwicklung von § 19 Abs 3 PTSG in der Revision ist für den Kläger letztlich nichts zu gewinnen. Zu der von der Revision angeführten Einschränkung im Hinblick auf die Kollektivvertragsfähigkeit ergibt sich aus den Materialien, dass damit eine allzu breite Aufsplitterung der Kollektivvertragsfähigkeit auch auf kleinere Unternehmen verhindert und gleichzeitig die Möglichkeit der Kollektivvertragsfähigkeit allenfalls weiterer durch Umgründung entstehender direkter Tochterunternehmen der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft eröffnet werden sollte (AB 2025 BlgNR 20. GP 3). Beabsichtigt war daher zwar einerseits eine Konzentration der Kollektivvertragsfähigkeit auf die Muttergesellschaften, aber zugleich ein einheitliches Kollektivvertragsregime für Mutter- und Tochtergesellschaften.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [17] Dass § 17 Abs 1a PTSG von „angeführten“ Tochterunternehmen spricht, mag zwar zunächst auf die namentlich genannten Unternehmen hindeuten, diese sind aber wie dargelegt, keine Tochterunternehmen, weshalb der Verweis letztlich nur im zuvor aufgezeigten Sinn verstanden werden kann. Auch diese Unternehmen sind in § 17 Abs 1a letztlich „angeführt“, wenn auch nicht namentlich genannt. Dies ist auch im Hinblick auf zukünftige Entwicklungen und der damit erreichten Flexibilität der gesetzlichen Regelung, sinnvoll und nachvollziehbar, was bei Überlassung von Arbeitnehmern innerhalb des Konzerns nicht zweifelhaft ist.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [18] 5. Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass der Verweis in § 19 Abs 3 PTSG sich nicht auf die in § 17 Abs 1a PTSG namentlich genannten Unternehmen bezieht sondern auf Rechtsnachfolger dieser Unternehmen oder auf durch Maßnahmen der Umgründung im Rahmen des bestehenden Gesellschaftsrechts aus einer der Gesellschaften hervorgegangene Unternehmen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [19] 6. Mit den allgemein gehaltenen Ausführungen zum Ausnahmecharakter von Firmenkollektivverträgen zeigt die Revision nicht auf, aus welchen Gründen die Anwendbarkeit des PTSG im konkreten Fall unzulässig sein soll.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [20] Ausgehend von der Definition des Unternehmensgegenstands in § 2 Abs 1 PTSG ermächtigt § 2 Abs 2 PTSG die Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft ausdrücklich zu allen Maßnahmen, die im Hinblick auf den übertragenen Unternehmensgegenstand notwendig oder nützlich erscheinen, insbesondere zur Errichtung von Zweigniederlassungen und Tochtergesellschaften im In- und Ausland, zur Beteiligung an anderen Unternehmen sowie zur Durchführung von Umstrukturierungen durch Maßnahmen der Umgründung im Rahmen des bestehenden Gesellschaftsrechts.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [21] Bereits daraus ergibt sich aber, dass damit die wirtschaftliche Tätigkeit den übertragenen Unternehmens-gegenstand beinhalten und für ihn zumindest nützlich sein muss.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [22] 7. Nach den Feststellungen hält die ÖPAG 98,8 % der Geschäftsanteile der Beklagten. Mit der Vereinbarung über den Teilbetriebsübergang zwischen der ÖPAG und der Beklagten wurde die Übertragung des Teilbetriebs „überregionale/Gebietsspringer“ des Segments Corporate festgelegt. Geschäftsgegenstand des Teilbetriebs war die Aufnahme und der Einsatz von „überregionalen Gebietsspringern“, die bei Personalengpässen oder Spitzenkapazitätsauslastungen zum Einsatz gebracht wurden. Der Betriebsübergang wurde tatsächlich vorgenommen und die Beklagte führte diesen Geschäftszweck weiter.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [23] 8. Soweit daher die Revision damit argumentiert, dass es zu keiner Rechtsnachfolge gekommen ist, geht sie nicht vom festgestellten Sachverhalt, der Übertragung eines Teilbetriebs aus. Soweit die Revision damit argumentiert, dass die Übertragung eines „lediglich verschwindend kleinen Teilbetriebs“ für eine Rechtsnachfolge nicht ausreicht, da damit eine Umgehung begünstigt werde, muss darauf schon deshalb nicht eingegangen werden, weil ein entsprechendes Tatsachenvorbringen dazu in erster Instanz nicht erstattet wurde.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [24] 9. Da der Kollektivvertragsfähigkeit der Österreichischen Post Aktiengesellschaft und der Telekom Austria Aktiengesellschaft im Verhältnis zur Kollektivvertragsfähigkeit anderer Interessenvertretungen oder Berufsvereinigungen der Arbeitgeber Vorrang gemäß § 6 des Arbeitsverfassungsgesetzes zukommt (§ 19 Abs 3 PTSG), gilt der Post-KV auch für die Arbeitnehmer der Beklagten.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [25] 10. Davon ausgehend haben die Vorinstanzen die Klage zu Recht abgewiesen. Der Revision des Klägers war daher nicht Folge zu geben.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [26] 11. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240919_OGH0002_009OBA00068_24A0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-09 | 2024-10-09 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240919_OGH0002_009OBA00068_24A0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240919_OGH0002_009OBA00068_24A0000_000/JJT_20240919_OGH0002_009OBA00068_24A0000_000.html | 9ObA68/24a | ECLI:AT:OGH0002:2024:009OBA00068.24A.0919.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Hargassner und die Hofrätin Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Ingomar Stupar (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Thomas Kallab (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Parteien 1. A*, und 2. Ö*, beide vertreten durch Dr. Christoph Arbeithuber, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei K*, vertreten durch Dr. Gernot Lehner, Rechtsanwalt in Neumarkt im Hausruckkreis, wegen zu 1.a.) 24.284,52 EUR sA und b.) Feststellung (Streitwert: 5.000 EUR) sowie zu 2.a.) 23.330,90 EUR sA und b.) Feststellung (Streitwert: 5.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 3. Juli 2024, GZ 12 Ra 28/24k-41, in nichtöffentlicher Sitzung den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Die außerordentliche Revision der klagenden Parteien wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.</span></p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p><p class="ErlText AlignLeft"> [1] Am 14. 5. 2020 ereignete sich auf dem Betriebsgelände der V* GmbH & Co KG ein Arbeitsunfall, bei dem der Arbeitnehmer D* durch einen Sturz verletzt wurde. An diesem Tag führte D* ungesichert Bohr- und Schweißarbeiten an der Oberseite eines zylinderförmigen Tanks in einer Höhe von etwa 3,5 bis 4 m durch. Aufgrund eines außergewöhnlichen Störfalls, nämlich einer plötzlich entweichenden Luft aus dem von D* gebohrten Loch im Tank und des damit verbundenen Pfeifgeräuschs erschrak D*, verlor das Gleichgewicht und stürzte auf den Asphaltboden. Der Beklagte, sein Vorgesetzter, hatte wahrgenommen, dass sich der Verletzte bei den Arbeiten nicht gegen einen Absturz gesichert hatte.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [2] Die Vorinstanzen wiesen die gegen den Beklagten als im Unfallzeitpunkt Vorgesetzten des Verletzten gerichteten Leistungs- und Feststellungsbegehren der klagenden Sozialversicherungsträger nach § 334 Abs 1 iVm § 333 Abs 4 ASVG ab. Der Beklagte habe den Arbeitsunfall nicht grob fahrlässig herbeigeführt.</span></p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [3] Die außerordentliche Revision der Klägerinnen zeigt keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [4] <span class="Fett">1.</span> Nach § 334 Abs 1 ASVG hat der Dienstgeber oder ein ihm gemäß § 333 Abs 4 ASVG Gleichgestellter den Trägern der Sozialversicherung alle nach diesem Bundesgesetz zu gewährenden Leistungen zu ersetzen, wenn er den Arbeitsunfall oder die Berufskrankheit vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit verursacht hat.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [5] <span class="Fett">2.</span> In der Entscheidung 9 ObA 74/23g (Rz 7) hat der Oberste Gerichtshof zum Verschuldensgrad der groben Fahrlässigkeit ausgeführt: Grobe Fahrlässigkeit iSd § 334 Abs 1 ASVG ist dem Begriff der auffallenden Sorglosigkeit iSd § 1324 ABGB gleichzusetzen (RS0030510). Grobe Fahrlässigkeit ist immer dann anzunehmen, wenn eine außergewöhnliche und auffallende Vernachlässigung einer Sorgfaltspflicht (Pflicht zur Unfallverhütung) vorliegt und der Eintritt des Schadens als wahrscheinlich und nicht bloß als möglich voraussehbar war (RS0030644). Nicht jede Übertretung von Unfallverhütungsvorschriften bedeutet für sich allein aber bereits das Vorliegen grober Fahrlässigkeit (RS0052197; RS0026555). Andererseits kann aber auch schon ein einmaliger Verstoß gegen Schutzvorschriften grobe Fahrlässigkeit bewirken, wenn ein Schadenseintritt nach den gegebenen Umständen des Einzelfalls als wahrscheinlich voraussehbar ist (RS0030622). Bei der Beurteilung des Fahrlässigkeitsgrades ist nicht der Zahl der übertretenen Vorschriften, sondern der Schwere des Sorgfaltsverstoßes und der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts besondere Bedeutung beizumessen (RS0085332; RS0031127 [T22]). Bei der Einschätzung der Schwere des Sorgfaltsverstoßes kommt es insbesondere auch auf die Gefährlichkeit der Situation an (RS0022698). Bei der Bestimmung des jeweils nach Auffassung des Verkehrs als erforderlich zu erachtenden Maßes der Sorgfalt ist also die konkrete Situation zu berücksichtigen, sodass erhöhte Gefahr auch erhöhte Aufmerksamkeit erfordert (RS0022698 [T1]). § 334 Abs 3 ASVG schließt nicht aus, dass bei der Beurteilung der Frage, ob der auf Ersatz in Anspruch Genommene grob fahrlässig gehandelt habe, das Verhalten des Versicherten mitberücksichtigt wird (RS0085538 [T2]). An diesen Grundsätzen ist festzuhalten. Sie werden auch in der außerordentlichen Revision nicht in Frage gestellt.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [6] <span class="Fett">3.</span> Ob jemand einen Arbeitsunfall durch grobe Fahrlässigkeit verursacht hat, ist nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (RS0085228 [T1]) und stellt – von Fällen einer vom Obersten Gerichtshof im Sinne der Rechtssicherheit wahrzunehmenden Fehlbeurteilung abgesehen – keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (RS0085228 [T15]). Die angefochtene Entscheidung, die das Fehlverhalten des Beklagten als nicht grob fahrlässig beurteilte, bewegt sich im Rahmen des den Gerichten eingeräumten Beurteilungsspielraums. Damit weicht das Berufungsgericht auch nicht von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ab.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [7] <span class="Fett">4.</span> Soweit sich die außerordentliche Revision umfangreich mit dem Zweck der präventiven Sicherungspflicht des Arbeitnehmers und der Kausalität der Schadensverursachung sowie (auch im Zusammenhang mit der geltend gemachten Aktenwidrigkeit) mit Fragen einer Schutzgesetz- und Vertragspflichtenverletzung, Beweislastfragen und Fragen der Rechtswidrigkeit auseinandersetzt, ist Folgendes klarzustellen: Beide Vorinstanzen sind übereinstimmend zum Ergebnis gekommen, dass sich der Verletzte wegen der bei den Arbeiten am Tank bestandenen Absturzgefahr zumindest mit einer Schutzausrüstung gegen einen Absturz vom Tank sichern hätte müssen. Dem Beklagten ist insofern eine Verletzung der Arbeitnehmerschutzvorschrift des § 7 BauV vorzuwerfen, weil er gesehen hat, dass D* ungesichert in einer Höhe von ca 3,5 m bis 4 m gearbeitet hat, ihn aber nicht aufgefordert hat, eine Schutzausrüstung zu verwenden (eine Absturzsicherung des Standplatzes an der Oberseite des Tanks war nicht vorhanden), obwohl er dazu als dessen Vorgesetzter verpflichtet gewesen wäre. Damit steht fest, dass der Beklagte den Arbeitsunfall durch seine Unterlassung kausal, rechtswidrig und schuldhaft verursacht hat. Im Revisionsverfahren ist daher nur mehr strittig, ob der Beklagte den Arbeitsunfall grob fahrlässig verursacht hat.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [8] <span class="Fett">5.</span> Das Berufungsgericht hat im konkreten Einzelfall eine grobe Fahrlässigkeit verneint, weil D* auf der Oberseite des Tanks, die nach außen hin um etwa 20 bis 30 cm abgefallen ist, nur für etwa 10 bis 15 Minuten eine grundsätzlich statische Arbeit – nämlich das Bohren eines Lochs und Einschweißen eines Entlüftungsrohrs, wobei das Schweißgerät mit dem Gabelstapler „bereitgestellt“ worden sei – im Knien zu verrichten gehabt habe, sodass, außer am unmittelbaren Weg zum Arbeitsplatz, ein Stolpern, Ausrutschen und dergleichen auszuschließen gewesen sei. Dass der Arbeitsunfall durch einen vom Beklagten oder von D* (auch nur annähernd) voraussehbaren Umstand herbeigeführt worden wäre, werde von den Klägerinnen im Berufungsverfahren nicht (mehr) behauptet. Auszugehen sei davon, dass das zum Unfall führende Erschrecken durch die – als außergewöhnlicher Störfall zu wertende – Druckentlastung hervorgerufen worden sei. Ein Absturz vom Tank und damit der Eintritt des Schadens sei daher trotz unterlassener Sicherung wenig wahrscheinlich gewesen.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [9] <span class="Fett">6.</span> Richtig ist, dass das Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers umso höher ist, je höher die Gefahr eines Unfalls ist. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, dass hier das Risiko eines Absturzes vom Tank aufgrund der dargestellten konkreten Umstände gering war, ist nicht zu beanstanden. Schließlich war die (schräge, weil nach außen leicht abfallende) Oberfläche des Tanks zum Unfallszeitpunkt nicht rutschig und der Verletzte hatte mit seinen Sicherheitsschuhen mit trittsicheren festen Sohlen auch einen festen Stand. Richtig ist zwar, dass grundsätzlich auch mit einem ungewissen Ereignis (Erschrecken, Stolpern etc) eines Arbeitnehmers gerechnet werden muss, der Arbeiten in einer absturzgefährdeten Höhe erbringt. Genau deshalb gibt es auch entsprechende Arbeitnehmerschutzvorschriften, die hier unstrittig verletzt wurden.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [10] <span class="Fett">7.</span> Erwähnt wurde aber bereits, dass nicht jede Übertretung einer Unfallverhütungsvorschrift bereits grobe Fahrlässigkeit bedeutet. Abgesehen von der geringen Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts durch die unterlassene Absturzsicherung wiegt der Sorgfaltsverstoß des Beklagten nicht so schwer. Im Betrieb des Beklagten und des Verletzten wurde großer Wert auf die Einhaltung der laufend erfolgten Sicherheitsanweisungen und -unterweisungen gelegt. Auch der Verletzte war mehrmals darauf hingewiesen worden, bei Arbeiten in der Höhe, ua auf Behältern und Silos, eine entsprechende Höhensicherung zu verwenden. Daran hat sich der Verletzte bis zum Arbeitsunfall auch immer wieder gehalten und sich verlässlich und selbständig um die erforderliche Sicherheitsausrüstung gekümmert. Nur bei den konkreten Arbeiten am Unfallstag hielt er eine Sicherung für nicht erforderlich. Der Beklagte verließ sich erkennbar auf dessen Einschätzung, auch wenn ihn dies nicht von seinem Verschulden exkulpiert. Der auch in der Revision aufrecht erhaltene Vorwurf, der Beklagte hätte sich über den dem Arbeitsunfall vorangehenden Versuch, die noch im Tank befindliche Masse durch das Einblasen von Druckluft aus dem Tank zu leiten, informieren müssen, übergeht die – nicht angefochtenen – Feststellungen, dass die im Tank befindliche Masse kein brennbarer Arbeitsstoff und die Reaktion im Tankinneren ein außergewöhnlicher Störfall war. Wie ausgeführt ist die Unterlassung der Aufforderung an den Verletzten, bei der Arbeit auf dem Tankdeckel Schutzausrüstung zu verwenden, dem Beklagten ohnehin vorwerfbar. Welche darüber hinausgehenden „einfachen und naheliegenden Überlegungen“ (vgl RS0085228) zur Vermeidung des Unfalls der Beklagte bei Einholung der geforderten Information anstellen hätte sollen, legen die Revisionswerber nicht dar. Die gesamten Umstände der konkreten Situation lassen die Beurteilung des Berufungsgerichts daher als vertretbar erscheinen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [11] Mangels Geltendmachung einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Klägerinnen zurückzuweisen.</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240919_OGH0002_0090OB00036_24W0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-11 | 2025-01-02 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240919_OGH0002_0090OB00036_24W0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240919_OGH0002_0090OB00036_24W0000_000/JJT_20240919_OGH0002_0090OB00036_24W0000_000.html | 9Ob36/24w | ECLI:AT:OGH0002:2024:0090OB00036.24W.0919.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner, Mag. Korn, Dr. Stiefsohn und Dr. Wallner-Friedl in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. P*, 2. H*, 3. P*, 4. Mag. I*, 5. M*, 6. A*, 7. J*, 8. C*, 9. H*, 10. Mag. N*, 11. M*, 12. S*, 13. S*, 14. M*, 15. M*, 16. I*, 17. A*, 18. G*, 19. J*, 20. S*, und 21. Dr. B*, alle vertreten durch Mag. Daniel Schöpf ua, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagte Partei P*-Gesellschaft mbH, *, vertreten durch MMag. Hermann Bogensperger, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 1.) Parifizierung und Grundbuchsberichtigung (Streitwert 10.000 EUR) und 2.) Leistung 9.663,03 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 7. Februar 2024, GZ 3 R 5/24m-38, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 6. März 2024, GZ 3 R 5/24m-40, in nichtöffentlicher Sitzung den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Die außerordentliche Revision der klagenden Parteien wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.</span></p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p><p class="ErlText AlignLeft"> [1] Die Beklagte errichtete auf der klagsgegenständlichen Liegenschaft eine Wohnanlage mit vier Wohnhäusern samt Pkw-Abstellplätzen, die sie jeweils den Klägern bzw deren Rechtsvorgängern (und anderen am Verfahren nicht als Kläger auftretenden Personen) verkaufte. In den Kaufverträgen war festgehalten, dass die Nutzwerte noch nicht festgesetzt sind und das Nutzwertgutachten zur Wohnungseigentumsbegründung im Grundbuch erst von einem befugten Bausachverständigen auszuarbeiten ist.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [2] Die Parifizierung erfolgte schließlich auf der Grundlage eines am 2. 11. 1999 erstellten Nutzwertgutachtens, dem ein Lageplan vom 26. 11. 1998 zugrunde lag. Nach Vorliegen des Nutzwertgutachtens wurden entsprechende Nachträge zum Kaufvertrag und Wohnungseigentumsverträge errichtet und die Verbücherung im Grundbuch vorgenommen.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [3] Im September 2000 wurde ein weiterer – davon abweichender – Lageplan erstellt. Dieser weicht vom Lageplan aus dem November 1998 hinsichlich des Ausmaßes der Gartenfläche in der Natur und der Situierung der Parkflächen sowie der Zugangswege ab, entspricht aber den Ausführungen in der Natur und ist somit richtig.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [4] Mit der vorliegenden Klage begehren die <span class="Fett">Kläger</span> die Beklagte schuldig zu erkennen, die Neuparifizierung der Liegenschaft EZ *, KG *, BG *, gemäß § 9 Abs 6 WEG 2002 basierend auf dem Nutzwertgutachten der O* Hausverwaltung GmbH vom 2. 10. 2023 (Beilage ./Y) auf ihre Kosten herbeizuführen und den Grundbuchsstand entsprechend der Neufestsetzung der Nutzwerte zu berichtigen sowie ihnen einen Betrag von 9.663,03 EUR samt 4 % Zinsen seit 4. 5. 2022 an bereits aufgelaufenen Kosten (4.795,19 EUR für den Lageplan des DI K* vom 13. 4. 2021 und 4.867,84 EUR an Rechtsanwaltskosten) zu bezahlen. In eventu stellten die Kläger zwei Eventualbegehren, gerichtet auf die Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche bzw anteilige den Klägern aus der Neuparifizierung der Liegenschaft und der Berichtigung des Grundbuchsstandes entstehenden Kosten (soweit solche Kosten nicht ohnehin bereits durch das erhobene Leistungsbegehren geltend gemacht worden sind). Die Kläger stützen ihre Hauptbegehren auf Gewährleistung, Schadenersatz und Zuhaltung des Vertrags mit der Begründung, die Beklagte habe ihnen nicht die im Kaufvertrag zugesagte Rechtsposition verschafft. Die Behebung dieses Rechtsmangels könne nur durch Neuparifizierung und neuerliche Wohnungseigentumsbegründung erfolgen. Es sei ein neues Nutzwertgutachten (vom 2. 10. 2023) eingeholt worden, dem sich sämtliche Wohnungseigentümer notariell beglaubigt unterwerfen würden. Dann könne eine Berichtigung der Nutzwerte beantragt werden. Sämtliche Wohnungseigentümer hätten bereits schriftlich der Umsetzung der Neuparifizierung zugestimmt.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [5] Die <span class="Fett">Beklagte</span> bestritt das Klagebegehren und wandte ua ein, dass das Klagebegehren untauglich bzw unschlüssig sei. Eine Um- bzw Neuparifizierung könnten nur die Wohnungseigentümer (und zwar alle gemeinsam) vornehmen. Die Voraussetzungen für die Feststellungsbegehren lägen nicht vor.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [6] Das <span class="Fett">Erstgericht</span> gab den Hauptbegehren statt.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [7] Das <span class="Fett">Berufungsgericht</span> gab der Berufung der Beklagten Folge. Das erste, auf die Verpflichtung zur Neuparifizierung und Berichtigung des Grundbuchsstandes gerichtete Hauptbegehren sowie die Eventualbegehren wies es mit Teilurteil ab. Die Entscheidung über das zweite Hauptbegehren (Leistungsbegehren) hob es auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [8] Das erste Hauptbegehren sei schon deshalb abzuweisen, weil es für die von den Klägern bzw sämtlichen Wohnungseigentümern der Liegenschaft beabsichtigte Nutzwertneufestsetzung lediglich der (bereits erfolgten) Einholung eines neuen Nutzwertgutachtens samt schriftlicher Zustimmung sämtlicher Wohnungseigentümer zu den Ergebnissen dieses Gutachtens und einer entsprechenden Antragstellung der (betroffenen) Wohnungseigentümer bedürfe (§ 10 Abs 3 iVm § 9 Abs 6 WEG 2002). Die Beklagte sei hingegen rechtlich nicht in der Lage, die Neuparifizierung (auf ihre Kosten) herbeizuführen. Die Antragstellung beim Grundbuchsgericht könne mangels Antragslegitimation nicht durch die Beklagte erfolgen. Die Berichtigung des Grundbuchsstandes erfolge durch das Grundbuchsgericht. Zwecks Herbeiführung einer solchen Berichtigung sei ebenfalls ein Antrag der (betroffenen) Wohnungseigentümer notwendig. Die Eventualbegehren seien mangels rechtlichen Interesses an der Feststellung bereits entstandener Ersatzansprüche der Kläger nicht berechtigt. Das Leistungsbegehren sei nicht spruchreif, weil Feststellungen zur behaupteten Zession und zu den Anteilen der Kläger (jeder Miteigentümer könne nur seinen Anteil geltend machen) fehlten.</span></p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [9] Die außerordentliche Revision der Beklagten ist mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [10] <span class="Fett">1.</span> Die in der außerordentlichen Revision geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und Aktenwidrigkeit wurde vom Senat geprüft; diese Revisionsgründe liegen jedoch nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [11] <span class="Fett">2.</span> Das Klagebegehren ist so zu verstehen, wie es im Zusammenhalt mit der Klageerzählung vom Kläger gemeint ist (RS0037440). Die Frage, ob die Auslegung des Klagebegehrens durch das Berufungsgericht nach der Aktenlage zwingend ist, hat nicht die Bedeutung einer über den Einzelfall hinausgehenden erheblichen Rechtsfrage (RS0037440 [T6]).</p><p class="ErlText AlignLeft"> [12] <span class="Fett">3.</span> Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte sei rechtlich nicht in der Lage, die von ihnen mit dem Klagehauptbegehren geforderte Neuparifizierung der ihr nicht (mehr) gehörigen Liegenschaft herbeizuführen und den Grundbuchsstand zu berichtigen, ist zutreffend. Obwohl die Beklagte bereits im erstinstanzlichen Verfahren auch auf diesen Aspekt ihre Einwendungen gegen das Klagebegehren gründete, sahen sich die Kläger nicht veranlasst, ihr erstes Klagehauptbegehren anders zu formulieren. Soweit die Kläger in ihrer außerordentlichen Revision nun darauf abstellen, dass das Hauptbegehren unzweifelhaft dahin zu verstehen sei, „als die Beklagte dazu verpflichtet werden sollte, die Neuparifizierung der Liegenschaft unter Mitwirkung sämtlicher Wohnungseigentümer herbeizuführen und den Grundbuchsstand entsprechend zu berichtigen“, zeigt sie keine vom Obersten Gerichtshof im Sinne der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts auf.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [13] Mangels Darstellung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision der Beklagten zurückzuweisen.</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240919_OGH0002_0090OB00060_23Y0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-09 | 2024-10-17 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240919_OGH0002_0090OB00060_23Y0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240919_OGH0002_0090OB00060_23Y0000_000/JJT_20240919_OGH0002_0090OB00060_23Y0000_000.html | 9Ob60/23y | ECLI:AT:OGH0002:2024:0090OB00060.23Y.0919.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner, Mag. Korn, Mag. Waldstätten und Dr. Stiefsohn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Mag. J*, geboren am *, und 2. E* GmbH, *, beide vertreten durch Dr. Thomas Kainz, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. A* Gesellschaft m.b.H., *, vertreten durch die Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, 2. E* GmbH, *, vertreten durch Dr. Raimund Gehart, Rechtsanwalt in Wien, 3. V* AG, HRB *, Deutschland, vertreten durch die Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, und 4. A* AG, HRB *, Deutschland, vertreten durch die Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen Vertragsaufhebung und Zahlung, infolge Revision der erstbeklagten Partei (Revisionsinteresse 11.888,84 EUR sA) sowie der dritt- und viertbeklagten Partei (Revisionsinteresse je 14.402,88 EUR sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 26. Juli 2023, GZ 4 R 24/22m-54, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 7. Dezember 2021, GZ 22 Cg 75/20b-41, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="Abstand AlignLeft"></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett">I.</span> Die Bezeichnung der zweitklagenden Partei wird von c* GmbH, *, berichtigt auf E* GmbH, *.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett">II.1</span> Die Revision der erstbeklagten Partei wird zurückgewiesen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett">II.2</span> Den Revisionen der dritt- und viertbeklagten Partei wird Folge gegeben und das klagsabweisende Urteil des Erstgerichts gegenüber der dritt- und viertbeklagten Partei wiederhergestellt.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett">II.3</span> Die Entscheidung über die Verfahrenskosten aller drei Instanzen bleibt dem Erstgericht vorbehalten.</span></p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung<br>und<br>Entscheidungsgründe:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett">Zu I.</span></span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [1] Aus dem offenen Firmenbuch ergibt sich eine Änderung der Firma und Adresse der Zweitklägerin; deren Parteienbezeichnung war daher gemäß § 235 Abs 5 ZPO von Amts wegen zu berichtigen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett">Zu II.</span></span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [2] Gegenstand des Verfahrens ist ein von der Viertbeklagten hergestellter Audi Q3 2.0 TDI quattro, der mit einem Diesel-Motor Typ EA189 Euro 5 der Drittbeklagten ausgestattet ist und von der erstbeklagten Händlerin im Jahr 2012 fabriksneu an den Erstkläger verkauft wurde. Dieser schloss sodann einen Restwertleasingvertrag mit der (Rechtsvorgängerin der) zweitbeklagten Leasinggeberin, die daraufhin in den Kaufvertrag eintrat. Nachdem der Erstkläger sein Einzelunternehmen in die zweitklagende GmbH eingebracht hatte, deren Geschäftsführer er seitdem ist, trat diese dem Leasingvertrag bei, übernahm die Zahlung der Leasingraten und erwarb im Jahr 2016 das Fahrzeug zum vereinbarten Restwert.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [3] Mit <span class="Fett">Klage</span> vom 9. 10. 2020 machte der Erstkläger gegenüber der erstbeklagten Händlerin ihm von der zweitbeklagten Leasinggeberin abgetretene Ansprüche aus dem Kaufvertrag geltend. Gegenüber der zweit-, dritt- und viertbeklagten Partei erhoben beide Kläger ausdrücklich „aus dem Leasing resultierende“ Ansprüche.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [4] Auch in dem vom Erstkläger ausgesuchten Fahrzeug sei eine unzulässige Abschalteinrichtung iSd Art 3 Z 10 und Art 5 Abs 2 der VO 715/2007/EG verbaut gewesen, konkret eine Manipulationssoftware („Umschaltlogik“), die sichergestellt habe, dass die Emissionsgrenzwerte im Typengenehmigungsverfahren unterschritten hätten werden können, während der NOx-Ausstoß im realen Fahrbetrieb diese bei Weitem überschreite. Das am 7. 6. 2018 aufgespielte Software-Update habe daran nichts geändert, weil nach wie vor eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinn einer temperaturabhängigen Abgasrückführung vorhanden sei, die nur bei Umgebungstemperaturen von „+20°C bis +30°C bzw +15°C bis +33°C“ voll wirksam sei (Thermofenster). Eine Notwendigkeit für einen Motorschutz gemäß der VO 715/2007/EG sei nicht ersichtlich; die Beweislast liege insofern bei den Beklagten.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [5] Zum einen erklärte der Erstkläger daher den zwischen ihm und der erstbeklagten Händlerin geschlossenen und sodann von der zweitbeklagten Leasinggeberin im Wege der Vertragsübernahme übernommenen Kaufvertrag vom 20. 12. 2012 gemäß §§ 922, 932 Abs 4 ABGB zu wandeln (sowie nach § 871 ABGB anzufechten). Daraus resultierend begehrte der Erstkläger den zwischen der zweitbeklagten Leasinggeberin und der erstbeklagten Händlerin bestehenden Kaufvertrag aufzuheben und die erstbeklagte Händlerin im Sinne einer bereichungsrechtlichen Rückabwicklung zu verpflichten, ihm den vereinbarten Kaufpreis von 33.765 EUR zuzüglich 4 % Zinsen seit 20. 12. 2012 Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs zu zahlen. Hilfsweise dazu verlangte er eine Zahlung des Kaufpreises an die zweitbeklagte Leasinggeberin.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [6] Zum anderen fochten der Erstkläger den Leasingvertrag vom 21. 12. 2012 und die Zweitklägerin den Kaufvertrag vom 31. 12. 2016 jeweils gegenüber der zweitbeklagten Leasinggeberin an. Demzufolge begehrte der Erstkläger den Leasingvertrag aufzuheben und die Zweitklägerin, den in Ausübung der Kaufoption geschlossenen Kaufvertrag aufzuheben. Die zweitbeklagte Leasinggeberin habe daher ebenfalls bereicherungsrechtlich alle Zahlungen samt 4 % Zinsen seit dem jeweiligen Zahlungstag zurückzuzahlen, und zwar entsprechend der Einzahlungen an den Erstkläger und an die Zweitklägerin.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [7] Die Organe und Repräsentanten der drittbeklagten Motorenherstellerin und der viertbeklagten Fahrzeugherstellerin, einer Konzerngesellschaft, hätten die Abschalteinrichtungen den Behörden und der Öffentlichkeit arglistig und in Bereicherungsabsicht verschwiegen, um die Typengenehmigung zu erschleichen. Die Dritt- und Viertbeklagte würden daher wegen absichtlich sittenwidriger Schädigung nach § 1295 Abs 2 ABGB und wegen schweren Betrugs (§§ 146, 147 Abs 2 StGB iVm § 1311 ABGB) haften sowie wegen einer Irreführung nach § 2 UWG (iVm § 1311 ABGB). Auch die VO 715/2007/EG sei als Schutzgesetz iSd § 1311 ABGB zu qualifizieren, und die von den beiden Herstellerinnen geschlossenen Lieferverträge würden Schutzwirkungen zu Gunsten der Kläger entfalten. Schließlich sei die von der Dritt- und der Viertbeklagten im Zusammenhang mit dem Software-Update ausgestellte Bescheinigung als Garantieerklärung zu verstehen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [8] Der Schaden der Kläger bestehe darin, dass sie das Fahrzeug in Unkenntnis der unzulässigen Abschalteinrichtungen geleast bzw in Folge erworben und damit wirtschaftlich nachteilige Verträge abgeschlossen hätten, und liege in der Zahlung der Leasingentgelte bzw des Restwerts. Ohne die rechtswidrigen Handlungen der Dritt- und Viertbeklagten, nämlich das Inverkehrbringen des manipulierten Motors bzw Fahrzeugs und das Verheimlichen der Manipulation, hätte der Erstkläger den Leasingvertrag vom 21. 12. 2012 und die Zweitklägerin den Kaufvertrag vom 31. 12. 2016 nicht geschlossen. Beide Kläger hätten daher jeweils einen „naturalrestitutionsähnlichen“ Schadenersatzanspruch gegen die Dritt- und Viertbeklagte auf Ersatz sämtlicher Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Leasingvertrag und dem Kaufvertrag vom 31. 12. 2016. Die drittbeklagte Motorenherstellerin und die viertbeklagte Fahrzeugherstellerin würden sohin solidarisch mit der zweitbeklagten Leasinggeberin für die Rückzahlung haften.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [9] Die Klagsansprüche seien nicht verjährt, weil für jede Schädigung eine neue Frist zu laufen beginne, hier ab dem Software-Update vom 7. 6. 2018. Die Kläger hätten erst im Zusammenhang mit der Klagseinbringung von der „Umschaltlogik“, dem Thermofenster und der daraus resultierenden mangelnden Rechtsbeständigkeit der Typengenehmigung erfahren. Dabei handle es sich im Übrigen um einen Rechtsmangel. Soweit die Beklagten Betrug zu verantworten hätten, gelte die 30-jährige Frist.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [10] Den betrogenen Klägern ein Benützungsentgelt abzuverlangen wäre unbillig. Wenn, dann sei dieses linear bis zur Erhebung des Wandlungsbegehrens mit Klagseinbringung zu berechnen. Bis dahin seien die Kläger 160.000 km gefahren, die Gesamtlaufleistung betrage 250.000 km.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [11] Alle vier <span class="Fett">Beklagten</span> beantragten die Klage abzuweisen. Da das Verfahren gegen die zweitbeklagte Leasinggeberin bereits rechtskräftig beendet ist, wird im Folgenden jedoch nur auf das Vorbringen der übrigen (gemeinsam vertretenen) Beklagten eingegangen, soweit es für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung ist.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [12] Die Erst-, Dritt- und Viertbeklagte hätten die Kläger weder getäuscht noch Aufklärungspflichten oder Schutzgesetze verletzt. Es fehle zudem an einem Mangel, Irrtum oder Schaden und einer Kausalität, und es sei auch keine Nutzungsbeeinträchtigung und kein Wertverlust eingetreten. Jedenfalls seien die Kläger durch das Software-Update klaglos gestellt. Das Fahrzeug sei stets betriebssicher, verkehrstauglich und fahrbereit gewesen, könne uneingeschränkt im Straßenverkehr genutzt werden und verfüge über alle erforderlichen Genehmigungen.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [13] Eine temperaturabhängige Abgasrückführung, das sogenannte Thermofenster, sei stets Stand der Technik gewesen, standardmäßig in Dieselfahrzeugen enthalten und vom KBA gebilligt worden, sodass eine sittenwidrige Schädigung ausscheide. Eine temperaturabhängige Abgasrückführung, die hier in einem Bereich von +15°C und +33°C uneingeschränkt funktioniere und darüber und darunter sukzessive „abrampe“, sei – aus näher dargelegten Gründen – unverzichtbar, um den Motor vor plötzlichen und unvorhersehbaren Schäden zu schützen und einen sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten, sodass der Ausnahmetatbestand nach Art 5 Abs 2 Satz 2 lit a der VO 715/2007/EG greife.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [14] Ein Anspruch der Zweitklägerin aus dem Kaufvertrag vom 31. 12. 2016 scheide schon deswegen aus, weil sie damals bereits Kenntnis vom Abgasskandal sowie von der Betroffenheit des geleasten Fahrzeugs gehabt habe, sei sie doch mit Schreiben vom 8. 10. 2015 und 2. 12. 2016 davon verständigt worden. Es gebe aber schon grundsätzlich keinen Anlass für die Annahme, dass die Kläger das Fahrzeug nicht erworben hätten, wenn sie von der Funktionsweise der Software gewusst hätten, hätten sie dieses doch ohne Einschränkung nutzen können.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [15] Das Klagebegehren sei weiters unschlüssig, weil die Kläger als bloße Leasingnehmer den Kaufpreis gar nicht bezahlt hätten und diesen daher im Sinne der Entscheidung 9 Ob 53/20i auch nicht von der erstbeklagten Händlerin zurückverlangen könnten.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [16] Ansprüche, die die Kläger aus der Fahrzeugherstellereigenschaft ableiten würden, könnten zudem nur gegen die Viertbeklagte erhoben werden. Umgekehrt könnte ein allfälliges Wissen und sittenwidriges Verhalten von Organen der drittbeklagten Motorenherstellerin nicht der Viertbeklagten angelastet werden; eine wechselseitige Zurechnung sei unzulässig. Schließlich komme gegenüber der nicht am Vertragsschluss beteiligten Dritt- und Viertbeklagten auch keine Rückabwicklung in Betracht.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [17] Jedenfalls müssten sich die Kläger ein Benützungsentgelt anrechnen lassen, für dessen Ermittlung auf die Differenz zwischen dem konkret angemessenen Kaufpreis im Zeitpunkt des Kaufvertrags und dem Händlereinkaufspreis als Weiterverkaufspreis bei Schluss der mündlichen Verhandlung abzustellen sei. Zuletzt wurde dieses mit 26.177 EUR beziffert und als Gegenforderung eingewandt. Zinsen stünden erst ab Klagszustellung zu.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [18] Sämtliche Ansprüche seien allerdings verjährt. Wenn, dann liege ein Sach- und kein Rechtsmangel vor. Die Gewährleistungsfrist gegenüber der erstbeklagten Händlerin habe aber mit der Übergabe zu laufen begonnen und die Frist für die Irrtumsanfechtung mit Vertragsabschluss, beide sohin im Dezember 2012. Die Frist nach § 1489 Satz 1 ABGB gegenüber den dritt- und viertbeklagten Herstellerinnen sei durch das Schreiben vom 8. 10. 2015 in Gang gesetzt worden, mit dem die Kläger von der Betroffenheit des geleasten Fahrzeugs vom Abgasskandal informiert worden seien. Die 30-jährige Frist nach § 1489 Satz 2 ABGB komme mangels tatbestandsmäßigen und zurechenbaren Handelns nicht zur Anwendung.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [19] Das <span class="Fett">Erstgericht</span> gab allen drei Vertragsaufhebungsbegehren statt und hob den zwischen der erstbeklagten Händlerin und dem Erstkläger geschlossenen und von der zweitbeklagten Leasinggeberin übernommenen Kaufvertrag vom 20. 12. 2012 auf, den zwischen dem Erstkläger und der zweitbeklagten Leasinggeberin geschlossenen Leasingvertrag vom 21. 12. 2012 und den zwischen der Zweitklägerin und der zweitbeklagten Leasinggeberin geschlossenen Kaufvertrag vom 31. 12. 2016.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [20] Weiters verpflichtete es die zweitbeklagte Leasinggeberin, den Klägern die aus dem Leasing- und dem Kaufvertrag vom 31. 12. 2016 resultierenden Aufwendungen, vermindert um Gegenforderungen, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs an die erstbeklagte Händlerin zu ersetzen.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [21] Die Klagebegehren, die erstbeklagte Händlerin schuldig zu erkennen, dem Erstkläger, in eventu der zweitbeklagten Leasinggeberin, 33.765 EUR zzgl Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs zu erstatten, wies das Erstgericht ab. Ebenso wies das Erstgericht die Zahlungsbegehren gegenüber der drittbeklagten Motorenherstellerin und der viertbeklagten Fahrzeugherstellerin ab.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [22] Das Erstgericht <span class="Unterstrichen">stellte fest</span>, dass in allen Motoren der Serie EA189 – weltweit rund 11 Millionen Stück – eine Motorsteuerungssoftware mit „Umschaltlogik“ enthalten war, die auf das Emissionskontrollsystem einwirkte: Das Programm erkannte aufgrund verschiedener Parameter, wenn sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand befand, und schaltete in einen Testmodus. Das wiederum hatte zur Folge, dass die Abgasaufbereitung optimiert wurde und möglichst wenig Stickoxide (NOx) entstanden. Im echten Fahrbetrieb wechselte die Software hingegen in ein „Straßenkalibrierungsprogramm“, das die [gemeint:] Abgasrückführung ausschaltete, wodurch zwar weniger Treibstoff verbraucht und eine höhere Leistung erzielt wurde, jedoch deutlich mehr NOx freigesetzt wurde.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [23] Der damalige Vorstandsvorsitzende der drittbeklagten Motorenherstellerin, *, wusste über den Einbau der Motorsteuerungssoftware mit „Umschaltlogik“ und ihre Funktion Bescheid. Er verschwieg der Öffentlichkeit und den Behörden, insbesondere dem deutschen Kraftfahrt-Bundesamt (KBA), das Vorhandensein der Software, um die (EG-)Typengenehmigung zu erhalten, weil ihm bewusst war, dass es sich um eine Abschalteinrichtung iSd VO 715/2007/EG handelt, die nur in eingeschränkten – und im Konkreten nicht zur Anwendung gelangenden – Ausnahmen zulässig ist, und die NOx-Grenzwerte nur auf dem Prüfstand, nicht jedoch im realen Fahrbetrieb eingehalten werden.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [24] Das KBA qualifizierte diese „Umschaltlogik“ nach Bekanntwerden als unzulässige Abschalteinrichtung iSd Art 5 Abs 2 der VO 715/2007/EG und ordnete gegenüber der drittbeklagten Motorenherstellerin mit Bescheid vom 15. 10. 2015 den Rückruf sowie die Entfernung der Software aus allen betroffenen Fahrzeugen an.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [25] Weiters war nach den hier getroffenen Feststellungen in EA189-Motoren von Anfang an ein Thermofenster verbaut, das auf das Emissionskontrollsystem einwirkt und bewirkt, dass eine volle Abgasrückführung nur zwischen +15°C und +33°C stattfindet. Bei Umgebungstemperaturen darunter und darüber wird die Abgasrückführung zurückgefahren „bzw“ ganz abgeschaltet.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [26] Zum Vertragsabschluss stellte das Erstgericht fest, dass der Erstkläger im Jahr 2012 als Einzelunternehmer tätig war und sich bei der [gemeint:] erstbeklagten Händlerin das Fahrzeug aussuchte, selbst den Kaufpreis verhandelte und zunächst einen Kaufvertrag abschloss. Der (letztlich gezahlte) Kaufpreis von 33.396,84 EUR war marktüblich. Der Erstkläger wusste über den Einbau der Motorsteuerungssoftware mit „Umschaltlogik“ und das Thermofenster nicht Bescheid. „Wenn er damals gewusst hätte, dass im Fahrzeug eine Software eingebaut ist, die als unzulässige Abschalteinrichtung zu qualifizieren ist und eine Rückrufaktion bedingt, damit das Fahrzeug die Zulassung nicht verliert, hätte er ein anderes Fahrzeug ausgesucht und gekauft bzw geleast.“ Weiters stellte der Erstkläger bei der (Rechtsvorgängerin der) Zweitbeklagten einen Leasingantrag, aufgrund dessen sie in den Kaufvertrag eintrat und die Rechte und Pflichten übernahm. Die erstbeklagte Händlerin übergab das Fahrzeug am 27. 12. 2012 direkt an den Erstkläger, wodurch die Leasinggeberin Eigentümerin wurde.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [27] Es handelte sich um einen Restwertleasingvertrag mit 48 monatlichen, wertgesicherten Raten und einer Kaution von 10.000 EUR, die vom Erstkläger überwiesen wurde und auf den vereinbarten Restwert von 12.000 EUR anzurechnen war. Pkt 5.3 der AGB des Leasingvertrags lautete: <span class="Kursiv">„Die LG tritt dem LN ihre Gewährleistungsansprüche gegenüber dem Lieferanten ab und verpflichtet ihn, diese Ansprüche unbeschadet allenfalls weitergehender Gewährleistungsansprüche des LN gegenüber der LG im eigenen Namen und auf eigene Rechnung geltend zu machen. Die Abtretung umfasst auch einen allfälligen Wandlungsanspruch. Wird er vom LN erhoben, ist der LN verpflichtet, die Rückabwicklung zu begehren, das LO sofort dem Lieferanten zurückzustellen und die Rückzahlung des Kaufpreises direkt an die LG zu fordern. […]“</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [28] Bis zum Beitritt der Zweitklägerin zum Leasingvertrag per 1. 5. 2013 und der Ummeldung des Fahrzeugs hatte der Erstkläger insgesamt 12.490,56 EUR an die zweitbeklagte Leasinggeberin geleistet (Leasingentgelt, Kaution, Bearbeitungsgebühr, Vertragsgebühr).</p><p class="ErlText AlignLeft"> [29] Die Generalimporteurin für Fahrzeuge des V*konzerns in Österreich informierte mit Schreiben vom 7./8. 10. 2015 die von der EA189-Thematik betroffenen Kunden darüber, dass an ihrem Fahrzeug „Nacharbeiten“ erforderlich sein werden, das Fahrzeug technisch sicher und fahrbereit sei und an einer technischen Lösung gearbeitet werde. Sobald diese zur Verfügung stehe, werde der Kunde nochmals schriftlich informiert. Auch die Kläger erhielten dieses Schreiben spätestens Mitte/Ende Oktober 2015, wodurch der Erstkläger und Geschäftsführer der Zweitklägerin Kenntnis davon erlangte, dass auch das geleaste Fahrzeug vom Dieselskandal betroffen ist.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [30] Am 13. 12 .2016 verständigte die zweitbeklagte Leasinggeberin die Zweitklägerin über den Ablauf des Leasingvertrags per 31. 12. 2016 und die Möglichkeit, das Leasingfahrzeug zu kaufen, und zwar um 1.999,26 EUR unter Anrechnung der Kaution von 10.000,74 EUR. Der Geschäftsführer der Zweitklägerin überwies diesen Betrag als Kaufpreis; seit 1. 5. 2013 hatte die Zweitklägerin 21.421,06 EUR an Leasingentgelten bezahlt.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [31] Zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt wurde die Zweitklägerin schriftlich aufgefordert, die durch Bescheid des KBA vom 15. 10. 2015 als Nebenbestimmungen zur EG-Typgenehmigung des Fahrzeugs auferlegten Maßnahmen umsetzen zu lassen. Das Software-Update wurde am 7. 6. 2018 vorgenommen, und über die Durchführung wurde eine Bescheinigung ausgestellt.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [32] Mit dem Software-Update wurde die „Umschaltlogik“ entfernt, das Thermofenster, von dessen Existenz die Kläger erst im Zuge des Verfahrens erfuhren, ist weiterhin eingebaut. Es kann nicht festgestellt werden, dass das Fahrzeug nicht den Wert – und damit späteren Wiederverkaufswert – eines mangel- bzw manipulationsfreien Neufahrzeugs hat. Auch Beeinträchtigungen im Straßenbetrieb konnten nicht festgestellt werden.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [33] Die durchschnittliche Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs liegt bei 250.000 km, bis zur Klagseinbringung fuhren die Kläger 161.000 km, bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung am 24. 9. 2021 180.000 km.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [34] <span class="Unterstrichen">In rechtlicher Hinsicht</span> qualifizierte das Erstgericht sowohl die ursprüngliche „Umschaltlogik“, als auch die konkrete temperaturabhängige Abgasrückführung als unzulässige Abschalteinrichtungen iSd Art 3 Z 10 und Art 5 Abs 2 der VO 715/2007/EG. Angesichts der strengen Anforderungen der Verordnung und des Gerichtshofs der Europäischen Union könne dieses Thermofenster auch nicht mit der Motorschutzausnahme nach Art 5 Abs 2 lit a der VO 715/2007/EG gerechtfertigt werden, zumal Verschmutzung und Verschleiß nicht mit einer „Beschädigung“ oder einem „Unfall“ gleichgesetzt werden könnten.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [35] Da gewöhnlich vorausgesetzt werde, dass ein Fahrzeug nicht mit verbotenen Abschalteinrichtungen ausgestattet sei, liege – weiterhin – ein Mangel vor. Dieser sei, nicht zuletzt weil die Rechtsbeständigkeit der Typengenehmigung gefährdet sei, nicht bloß geringfügig und als Rechtsmangel zu qualifizieren. Da die Verbesserung durch das Software-Update gescheitert sei, könne die Wandlung des Kaufvertrags verlangt werden, und zwar aufgrund der Abtretung im Leasingvertrag durch die Kläger. Mit dem Verbesserungsversuch habe die Gewährleistungsfrist (auch bei einer Beurteilung als Sachmangel) neu zu laufen begonnen, und dabei sei die Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorschriften sogar ausdrücklich zugesichert worden, sodass die Frist mangels Erkennbarkeit der weiterhin bestehenden Mangelhaftigkeit bei Klagseinbringung noch nicht abgelaufen gewesen sei.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [36] Wegen der Rückabwicklung des Kaufvertrags zwischen der erstbeklagten Händlerin und der zweitbeklagten Leasinggeberin entfalle die Geschäftsgrundlage für den Leasingvertrag und den Kaufvertrag vom 31. 12. 2016, sodass diese ebenfalls aufzuheben seien. Diese Verträge seien rückabzuwickeln, wobei zwischen den Zahlungen des Erstklägers und der Zweitklägerin zu differenzieren und zu berücksichtigen sei, dass Empfängerin die zweitbeklagte Leasinggeberin und nicht die erstbeklagte Händlerin gewesen sei. Daher sei das Leistungsbegehren gegenüber der erstbeklagten Händlerin abzuweisen, während die zweitbeklagte Leasinggeberin die an sie bezahlten Beträge zuzüglich Vergütungszinsen Zug um Zug gegen Rückstellung des Fahrzeugs an die erstbeklagte Händlerin zurückzuerstatten habe. Die Kläger hätten im Gegenzug für die Verwendung des Fahrzeugs ein Benützungsentgelt zu leisten, das das Erstgericht nach § 273 ZPO und der „Differenzmethode“ mit 25.471,84 EUR ermittelte.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [37] Da der Erstkläger nach den Feststellungen bei Kenntnis der Abschalteinrichtung ein anderes Fahrzeug geleast hätte, eine Unangemessenheit des Leasingentgelts nicht behauptet worden sei und eine Minderwertigkeit oder Nutzungsbeeinträchtigung infolge der Abschalteinrichtungen nicht habe festgestellt werden können, stünde den Klägern hingegen kein Schadenersatzanspruch gegen die drittbeklagte Motorenherstellerin und die viertbeklagte Fahrzeugherstellerin zu. Die anlässlich des Software-Updates ausgestellte Bescheinigung könne zwar als Garantieerklärung der Viertbeklagten verstanden werden, den Klägern sei aber angesichts des bereits zuvor beendeten Leasings kein Schaden mehr entstanden.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [38] Das – ausschließlich von den Klägern angerufene – <span class="Fett">Berufungsgericht</span> gab der Berufung teilweise Folge und änderte das Ersturteil.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [39] Hinsichtlich der Haftung der erstbeklagten Händlerin und der zweitbeklagten Leasinggeberin schloss sich das Berufungsgericht im Wesentlichen der Rechtsansicht des Erstgerichts an, wobei es das Thermofenster als Rechtsmangel qualifizierte, sodass es für die Verjährung nicht auf die Übergabe, sondern die Erkennbarkeit des Mangels abstellte.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [40] Darüber hinaus bejahte es einen aus der erfolgreichen Wandlung des Kaufvertrags abgeleiteten Rückabwicklungsanspruch gegen die erstbeklagte Händlerin, allerdings im Sinne des Leasingvertrags und des Eventualbegehrens auf Leistung an die zweitbeklagte Leasinggeberin. Dieser umfasse auch nur den tatsächlich an die erstbeklagte Händlerin bezahlten Kaufpreis von 33.396,94 EUR und nicht den ursprünglich im Kaufvertrag mit dem Erstkläger genannten von 33.765 EUR.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [41] Des Weiteren ermittelte das Berufungsgericht den Gebrauchsnutzen entsprechend der jüngeren höchstgerichtlichen Rechtsprechung „linear“ und kam auf ein Benützungsentgelt von lediglich 21.508 EUR. Die erstbeklagte Händlerin schulde zudem Vergütungszinsen seit der Kaufpreiszahlung und die zweitbeklagte Leasinggeberin gestaffelt seit den jeweiligen Zahlungstagen, beide nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung jedoch nur mehr von dem um das Benützungsentgelt geminderten Betrag.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [42] Im Ergebnis verpflichtete es daher die erstbeklagte Händlerin zur Zahlung von 11.888,84 EUR sA an die zweitbeklagte Leasinggeberin Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs und die zweitbeklagte Leasinggeberin zur Zahlung von 5.321,23 EUR sA an den Erstkläger und von 9.081,65 EUR sA an die Zweitklägerin Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [43] Im Zusammenhang mit der Haftung der drittbeklagten Motorenherstellerin und der viertbeklagten Fahrzeugherstellerin bekämpften die Kläger jene Feststellung als aktenwidrig sowie mittels Beweisrüge, wonach der Erstkläger bei Kenntnis der Abschalteinrichtung ein anderes Fahrzeug gekauft bzw geleast hätte, und begehrten die Ersatzfeststellung, dass der Erstkläger das Fahrzeug nicht gekauft bzw geleast hätte und auch nicht festgestellt werden könne, dass er ein anderes Fahrzeug ausgesucht und gekauft bzw geleast hätte. Das Berufungsgericht erachtete den zweiten Teil der Feststellung zum „Alternativverhalten“ für irrelevant und übernahm diesen nicht.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [44] Die von den Klägern gegenüber den Herstellerinnen geltend gemachten Ansprüche auf Ersatz der Leasingentgelte seien auf schadenersatzrechtlicher Grundlage und gemäß Art 4 Abs 1 der Rom II-VO nach materiellem österreichischem Recht zu prüfen. Nach der Entscheidung 8 Ob 22/22a mache ein Leasingnehmer, der – wie hier – ein Neufahrzeug im eigenen Namen erworben und erst nachfolgend einen Leasingvertrag zur Finanzierung des Kaufpreises abgeschlossen habe, einen eigenen Schaden geltend. Gemäß der Entscheidung 10 Ob 2/23a vom 25. 4. 2023 könnten die Kläger auch gegen die Herstellerinnen einen auf Naturalrestitution gerichteten Schadenersatzanspruch geltend machen, wobei das Benützungsentgelt insofern als Vorteil anspruchsmindernd anzurechnen sei und nicht im Wege der Gegenforderung. Weiters stünden nur Verzugszinsen ab Fälligstellung zu, hier ab Klagszustellung.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [45] Das Berufungsgericht verpflichtete daher die drittbeklagte Motorenherstellerin und die viertbeklagte Fahrzeugherstellerin – solidarisch mit der zweitbeklagten Leasinggeberin – dem Erstkläger 5.321,23 EUR sA und der Zweitklägerin 9.081,65 EUR sA Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs zu zahlen.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [46] Die Kostenentscheidung behielt das Berufungsgericht gemäß § 52 Abs 2 ZPO vor und die Revision erklärte es für zulässig, weil es noch keine gefestigte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu den Ansprüchen von vom „Abgasskandal“ betroffenen Leasingnehmern gebe.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [47] Gegen diese Entscheidung erheben die (gemeinsam vertretenen) erstbeklagte Händlerin, die drittbeklagte Motorenherstellerin und die viertbeklagte Fahrzeugherstellerin <span class="Fett">Revision</span> mit dem Antrag, das Urteil abzuändern und die Klage ihnen gegenüber zur Gänze abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [48] Die Kläger beantragten die Revisionen als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihnen nicht Folge zu geben.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [49] Die zweitbeklagte Leasinggeberin beteiligt sich nicht am Revisionsverfahren.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett">A. Zur Revision der erstbeklagten Händlerin:</span></p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [50] Die Revision der Erstbeklagten ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts <span class="Fett">unzulässig</span>:</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [51] <span class="Fett">A.1</span> Soweit die erstbeklagte Händlerin in der Revision eine gänzliche Klagsabweisung (sie betreffend) beantragt, die Berechtigung der Begehren dem Grunde nach bestreitet und insbesondere auf die Zulässigkeit der temperaturabhängigen Abgasrückführung sowie ihren Verjährungseinwand verweist, ist ihr entgegenzuhalten, dass der Ausspruch des Erstgerichts über die Aufhebung des Kaufvertrags unbekämpft blieb und damit bereits in (Teil-)Rechtskraft erwuchs.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [52] Mit formeller Rechtskraft eines stattgebenden Rechtsgestaltungsbegehrens tritt aber auch dessen rechtsgestaltende Wirkung ein (vgl RS0085759; s weiters zu Rechtsgestaltungsbegehren und deren Rechtskraft <span class="Kursiv">Geroldinger</span> in <span class="Kursiv">Fasching/Konecny</span><span class="Hoch">3</span> § 226 ZPO Rz 55, 60, 66, 69 ff, 77; <span class="Kursiv">Klicka</span> in <span class="Kursiv">Fasching/Konecny</span><span class="Hoch">3</span> § 411 ZPO Rz 4, 9).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [53] <span class="Fett">A.2</span> In dritter Instanz ist daher nur mehr das Leistungsbegehren gegen die erstbeklagte Händlerin in dem vom Berufungsgericht stattgegebenen Umfang zu beurteilen.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [54] Dieses resultiert aber nicht aus einem Preisminderungs- oder Schadenersatzanspruch, sondern ist Folge der bereichungsrechtlichen Rückabwicklung des Kaufvertrags nach dessen Wandlung.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [55] Von den Gewährleistungsrechten selbst – wie der Wandlung – sind die durch deren erfolgreiche Geltendmachung erst ausgelösten bereicherungsrechtlichen Rückabwicklungsansprüche zu unterscheiden. Nach Fristablauf kann der Gewährleistungsberechtigte nicht mehr aktiv Gewährleistungsansprüche geltend machen. Der Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreisteiles nach Vertragsaufhebung ist jedoch als Bereicherungsanspruch ein Unterfall der condictio causa finita des § 1435 ABGB und unterliegt nach der Grundregel der 30-jährigen Verjährung des § 1478 ABGB (RS0029403; vgl auch RS0033819).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [56] Die Revision der Erstbeklagten stützt sich ausschließlich darauf, dass die Gewährleistungsfrist bereits mit Übergabe begonnen habe, zumal kein Rechtsmangel vorliege, und setzt sich weder mit der Frage der Verjährung von Kondiktionsansprüchen auseinander, noch mit dem Zinsenbegehren, sodass auf beides nicht näher einzugehen ist.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [57] <span class="Fett">A.3</span> Die weiters ins Treffen geführte erhebliche Rechtsfrage zur Höhe des von einem <span class="Kursiv">Leasingnehmer</span> zu leistenden Benützungsentgelts stellt sich bei der erstbeklagten Händlerin nicht. Ihr gegenüber werden nämlich keine originären Schadenersatzansprüche der Kläger aus dem Leasing, sondern abgetretene Gewährleistungsansprüche der <span class="Kursiv">Leasinggeberin</span> aus dem von dieser übernommenen Kaufvertrag geltend gemacht. Dass und warum das von der Leasinggeberin zu leistende Benützungsentgelt anders zu ermitteln wäre, wird in der Revision ebenso wenig thematisiert wie die Berechnung und der konkrete Leistungsausspruch des Berufungsgerichts.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [58] Auch dass die Kläger aufgrund der hier vereinbarten Abtretung berechtigt sind, Kondiktionsansprüche im eigenen Namen geltend zu machen, aber verpflichtet sind, Zahlung an die zweitbeklagte Leasinggeberin zu verlangen, wird in dritter Instanz nicht mehr in Frage gestellt (s zu Abtretungsvereinbarungen in Leasingverträgen im Übrigen 9 Ob 70/22t [Rz 38 ff]; 3 Ob 146/22z [Rz 38 ff]).</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [59] Die Revision der erstbeklagten Händlerin ist daher mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett">B. Zur Revision der drittbeklagten Motorenherstellerin und der viertbeklagten Fahrzeugherstellerin:</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [60] Die Revision ist wegen einer Fehlinterpretation der höchstgerichtlichen Rechtsprechung durch das Berufungsgericht <span class="Fett">zulässig</span> und dementsprechend auch <span class="Fett">berechtigt</span>.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [61] <span class="Fett">B.1</span> Zum einen ist der drittbeklagten Motorenherstellerin beizupflichten, dass ihre Haftung entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht auf eine Verletzung der VO 715/2007/EG als Schutzgesetz gestützt werden kann.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [62] Nach der Rechtsprechung des EuGH kann nämlich nur derjenigen Person oder Stelle eine Verletzung des Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG zur Last gelegt werden, die im Typengenehmigungsverfahren als Herstellerin des Fahrzeugs auftrat und die Übereinstimmungsbescheinigung ausstellte (RS0134616).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [63] <span class="Fett">B.2</span> Zum anderen machen die Kläger gegenüber den Herstellerinnen ausdrücklich keine Ansprüche aus dem (ursprünglichen) Kaufvertrag, sondern wegen des Abschlusses des Leasingvertrags und des darauf aufbauenden Ankaufs des Fahrzeugs zum Restwert geltend.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [64] Dies unterscheidet den Fall jedoch von jener Konstellation, die ua der vom Berufungsgericht herangezogenen Entscheidung 8 Ob 22/22a zugrunde lag (vgl auch 9 Ob 58/23d). Daher ist auch nicht relevant, ob der Kaufvertrag hier lediglich als Spezifikation des Leasinggegenstands diente.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [65] In der Entscheidung 3 Ob 189/22y erachtete der Oberste Gerichtshof die Rechtsansicht der Vorinstanzen für vertretbar, die eine auf Ersatz der Leasingraten gerichtete Klage als unschlüssig abgewiesen hatten. Ein Schadenseintritt sei nicht ausreichend dargelegt worden, zumal der Leasingvertrag bereits ordnungsgemäß erfüllt und das Fahrzeug an den Leasinggeber zurückgestellt worden war.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [66] Soweit Klagen vom Obersten Gerichtshof sonst als unschlüssig qualifiziert wurden, hatten die jeweiligen Kläger gerade keinen Schaden aus dem Leasingvertrag behauptet (vgl 9 Ob 53/20i: etwa aus überhöhten Raten, im Zusammenhang mit dem späteren Ankauf oder wegen einer sonstigen Schadensverlagerung; vgl auch 3 Ob 226/23s; 4 Ob 142/22v; 5 Ob 118/23y; 7 Ob 88/23a; 7 Ob 128/23h; 7 Ob 74/23t; 10 Ob 53/23a).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [67] <span class="Fett">B.3.1</span> Ein Kläger ist auch dann für den Eintritt eines Schadens behauptungs- und beweispflichtig, wenn er sich – wie gegenüber der viertbeklagten Fahrzeugherstellerin – auf eine Schutzgesetzverletzung stützt (vgl RS0112234; RS0022862).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [68] Hier behaupteten die Kläger, dass sie bei Kenntnis der unzulässigen Abschalteinrichtung(en) und der daraus resultierenden mangelnden Rechtsbeständigkeit den Leasingvertrag nicht geschlossen und den Ankauf zum Restwert unterlassen hätten, woraus sie einen Anspruch auf Ersatz aller mit diesen Verträgen verbundenen Aufwendungen im Wege einer „naturalrestutitionsähnlichen“ Rückabwicklung ableiten.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [69] <span class="Fett">B.3.2</span> Zwar umfasst der weite Schadensbegriff des ABGB nach ständiger Rechtsprechung jeden Zustand, der rechtlich als Nachteil aufzufassen ist, an dem also ein geringeres rechtliches Interesse als am bisherigen besteht (vgl RS0022537). Dennoch kann der Abschluss eines Leasingvertrags mangels unmittelbarer Auswirkung auf die Vermögenszusammensetzung nicht ohne Weiteres mit einem Vertrag über ein ungewolltes Anlageprodukt und die dazu ergangene Rechtsprechung verglichen werden (s dazu RS0120784). Ein Leasingvertrag vermittelt nämlich nur ein Nutzungsrecht (zumal hier auch keine Ankaufsverpflichtung bestand), und die Kläger behaupteten nie, dass und wie dieses Nutzungsrecht beeinträchtigt gewesen wäre. Weder die Nutzung des Leasingobjekts, noch die vertragliche Position gegenüber der Leasinggeberin war nach den Feststellungen bis zum Ankaufszeitpunkt eingeschränkt. Auch legten die Kläger keinen Vermögensschaden dar, etwa durch überhöhte Leasingraten oder einen überhöhten (Rest-)Kaufpreis.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [70] Soweit sich die Kläger in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Entscheidung 10 Ob 2/23a (vom 25. 4. 2023) berufen, ist ihnen entgegenzuhalten, dass der dort als ersatzfähig anerkannte Schaden, nämlich eine im Sinne der Entscheidung C-100/21, <span class="Kursiv">QB</span> gegen <span class="Kursiv">Mercedes-Benz Group AG</span>, (objektiv) eingeschränkte Nutzungsmöglichkeit, im vorliegenden Fall bei der Leasinggeberin als Käuferin eintrat, und dieser Anspruch jedoch nicht an die Kläger abgetreten wurde. Die Verschaffung der ordnungsgemäßen Nutzungsmöglichkeit ist zudem eine Kardinalpflicht des Leasinggebers, sodass grundsätzlich der Leasinggeber gegenüber dem Leasingnehmer dafür einzustehen hat, dass sich die Sache zu Beginn des Leasingverhältnisses in brauchbarem Zustand befindet (vgl RS0020735 [insb T1]). Auch der unionsrechtliche Anspruch ist primär darauf gerichtet, dem Käufer ein Fahrzeug ohne unzulässige Abschalteinrichtung zu verschaffen (vgl C-100/21 Rn 89). Aus dem Vorbringen und den Feststellungen ergibt sich nicht, inwieweit den Klägern daraus ein eigener Schaden entstanden sein soll.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [71] Im vorliegenden Fall ist sohin mangels Vorbringens und Feststellungen ein Schadenseintritt durch den Abschluss des konkreten Leasingvertrags zu verneinen, auch wenn dieser ein „abgasmanipuliertes“ Fahrzeug zum Gegenstand hatte.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [72] <span class="Fett">B.3.3</span> Was den Ankauf zum Restwert durch die Zweitklägerin betrifft, ist den Klägern entgegenzuhalten, dass sie insoweit weder eine Verpflichtung traf, noch sie einen überhöhten Kaufpreis geltend machen. Auch wurde hier nicht wegen der Abgasmanipulation auf den Ankauf eines Leasingfahrzeugs zu einem im Verhältnis zu einem sonstigen Gebrauchtfahrzeug günstigeren Restwert verzichtet. Vielmehr erlangten die Kläger nach den Feststellungen spätestens Mitte/Ende Oktober 2015 durch ein Schreiben der Generalimporteurin Kenntnis davon, dass auch das geleaste Fahrzeug vom Dieselskandal betroffen ist und „Nacharbeiten“ erforderlich sein werden, die jedoch erst im Jahr 2018 durchgeführt wurden. Bei ihrem Ankauf Ende des Jahres 2016 war ihnen sohin die durch die „Umschaltlogik“ herbeigeführte Unsicherheit zumindest dem Grunde nach bekannt. Worin der von den Herstellerinnen zu ersetzende Schaden liegen soll, wurde daher auch insoweit nicht ausreichend behauptet und nachgewiesen.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [73] So hielt der Oberste Gerichtshof etwa bereits zu 6 Ob 114/23t fest, dass angesichts einer tatsächlich festgestellten Kenntnis einer in ihren Auswirkungen noch unklaren „Betroffenheit vom Abgasskandal“ (und dem mangels weiterer Erkundigungen erfolgten In-Kauf-Nehmen der mit der Betroffenheit des Fahrzeugs vom „Abgasskandal“ verbundenen Folgen) eine Täuschung bzw eine Irreführung (und damit eine Grundlage für einen Schadenersatzanspruch) überhaupt ausscheide.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [74] <span class="Fett">B.4</span> Schon mangels Nachweises eines Schadens kommt eine schadenersatzrechtliche Haftung der Herstellerinnen nicht in Betracht.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [75] Auch eine Haftung der drittbeklagten Motorenherstellerin wegen List nach § 874 ABGB (vgl 2 Ob 5/23h) ist hier zu verneinen, weil eine solche nur in Bezug auf die „Umschaltlogik“ festgestellt wurde, die Kläger das Fahrzeug jedoch in Kenntnis der Betroffenheit vom Abgasskandal kauften, und der vorangegangene Leasingvertrag aus oben dargelegten Gründen hier nicht als ersatzfähiger Schaden verstanden werden kann.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [76] Schließlich kann auch die Behauptung, die im Zusammenhang mit dem Software-Update ausgestellte Bescheinigung sei als Garantieerklärung zu verstehen, nicht das konkrete, auf Rückabwicklung der Verträge mit der Leasinggeberin gerichtete Klagebegehren gegen die Herstellerinnen rechtfertigen.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [77] <span class="Fett">B.5</span> Im Ergebnis ist sohin der Revision Folge zu geben und das klagsabweisende Ersturteil gegenüber der drittbeklagten Motorenherstellerin und der viertbeklagten Fahrzeugherstellerin wiederherzustellen. Damit entfällt auch ihre Solidarhaftung mit der Zweitbeklagten gemäß Spruchpunkt III.3. des Berufungsgerichts.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [78] <span class="Fett">C.</span> Hat ein Gericht die <span class="Fett">Kostenentscheidung</span> vorbehalten, so ist im weiteren Rechtsgang keine Kostenentscheidung zu treffen. Über die Verpflichtung zum Kostenersatz für das gesamte Verfahren entscheidet das Gericht erster Instanz nach rechtskräftiger Erledigung der Streitsache (§ 52 Abs 3 ZPO).</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240919_OGH0002_009OBA00058_24F0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-14 | 2024-10-14 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240919_OGH0002_009OBA00058_24F0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240919_OGH0002_009OBA00058_24F0000_000/JJT_20240919_OGH0002_009OBA00058_24F0000_000.html | 9ObA58/24f | ECLI:AT:OGH0002:2024:009OBA00058.24F.0919.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer, den Hofrat Dr. Hargassner und die Hofrätin Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Ingomar Stupar (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Thomas Kallab (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei F*, vertreten durch Ganzert & Partner Rechtsanwälte OG in Wels, gegen die beklagte Partei Land Oberösterreich, Landhausplatz 1, 4021 Linz, vertreten durch Jaeger & Partner Rechtsanwälte OG in Linz, wegen 2.000 EUR brutto sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. Mai 2024, GZ 11 Ra 17/24k-16, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 25. Jänner 2024, GZ 16 Cga 65/23v-12, Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft">Die Revision wird zurückgewiesen.</p><p class="ErlText AlignLeft">Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 502,70 EUR (darin 83,78 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p><p class="ErlText AlignLeft"> [1] Der Kläger ist seit 15. 12. 1995 beim beklagten Land als Lehrpfleger in der Gesundheits- und Krankenpflegeschule * beschäftigt. Nach dem Genehmigungsbescheid des Bundesministeriums für soziale Verwaltung aus dem Jahr 1970 war die allgemeine Krankenpflegeschule dem (damaligen) Allgemeinen öffentlichen Landeskrankenhaus * angeschlossen. Die Schule ist nunmehr dem * (in der Folge: Krankenanstalt) angegliedert. Rechtsträger der Gesundheits- und Krankenpflegeschule und der Krankenanstalt ist die O* GmbH, die auch die Dienstgeberfunktion des Klägers wahrnimmt.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [2] Der Kläger verfügt über ein Diplom für allgemeine Gesundheits- und Krankenpflege. Seine Lehrtätigkeit verrichtet er überwiegend in der Gesundheits- und Krankenpflegeschule. Nur der praktische Unterricht (10 bis 15 % des Gesamtunterrichts) erfolgt am Bett des Patienten in der Krankenanstalt.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [3] Die Beklagte verweigert dem Kläger die Auszahlung des Zweckzuschusses nach § 70 Abs 4 Oö. Gehaltsgesetz 2001 iVm dem Entgelterhöhungs-Zweckzuschussgesetz (EEZG).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [4] Mit der vorliegenden Klage begehrt der <span class="Fett">Kläger</span> die Zahlung dieses Zuschusses in Höhe von 2.000 EUR brutto für das Jahr 2022. Als Angehöriger des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege nach dem GuKG sei er anspruchsberechtigt. Die Gesundheits- und Krankenpflegeschule sei Teil der Krankenanstalt. Die Nichtauszahlung des Pflegebonus sei zudem gleichheitswidrig, weil anderen Personen in der selben Situation wie er in anderen Bundesländern der Pflegebonus ausbezahlt worden sei.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [5] Die <span class="Fett">Beklagte</span> beantragte, die Klage abzuweisen. Der Kläger sei nicht anspruchsberechtigt, weil er nicht als Pflege- und Betreuungsperson in einer Krankenanstalt, sondern als Lehrender in einer Gesundheits- und Krankenpflegeschule tätig sei.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [6] Das <span class="Fett">Erstgericht</span> gab dem Klagebegehren statt. Der Kläger sei als Lehrpfleger Angehöriger des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege, der zur Ausübung von Lehraufgaben berechtigt sei. Die Gesundheits- und Krankenpflegeschule sei zwar keine Krankenanstalt im Sinne des § 2 KAKuG, aber dennoch sei der Kläger „bei“ (hier: „neben“ im Sinne der örtlichen Gegebenheiten) einer Krankenanstalt im Sinne des § 3 Abs 2 EEZG unselbständig tätig. Die Gesundheits- und Krankenpflegeschule sei zudem auch Teil der Krankenanstalt, weil sie nach dem Genehmigungsbescheid dieser angeschlossen sei.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [7] Das <span class="Fett">Berufungsgericht</span> gab der Berufung der Beklagten Folge und wies das Klagebegehren ab. Der Kläger gehöre zwar der in § 3 Abs 1 Z 1 EEZG genannten Berufsgruppe des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege gemäß dem GuKG an, er sei aber nicht als Pflege- und Betreuungsperson, sondern als Lehrpfleger tätig. Mit dem Zweckzuschuss habe der Bundes- und ihm folgend der oö Landesgesetzgeber das Ziel verfolgt, eine bessere, einheitliche Bezahlung des Personals im Pflege- und Betreuungsbereich bundesweit sicherzustellen. Der Kläger sei zudem als Lehrpfleger im ganz überwiegenden Ausmaß nicht in der Krankenanstalt, sondern an der gemäß § 95 GuKG daran angeschlossenen Gesundheits- und Krankenpflegeschule *, und damit nicht in einer in § 3 Abs 2 EEZG angeführten Einrichtung tätig. Die behauptete Gleichheitswidrigkeit liege schon deshalb nicht vor, weil hier ein zweckgebundener Zuschuss im Sinne der §§ 12 f Finanz-Verfassungsgesetz 1948 zu beurteilen sei, der bundesgesetzlich festzusetzen sei. Wenn sich einzelne Bundesländer nicht an diese bundesgesetzlichen Vorgaben hielten, dann sei das ein Umsetzungsproblem, das dem – gesetzeskonform handelnden – beklagten Land nicht zum Nachteil gereichen könne.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [8] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil der Oberste Gerichtshof zum Zweckzuschuss nach dem EEZG noch nicht Stellung genommen habe.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [9] In seiner dagegen gerichteten <span class="Fett">Revision</span> beantragt der Kläger die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Klagsstattgabe; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [10] Die <span class="Fett">Beklagte</span> beantragt, die Revision des Klägers mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [11] Die Revision ist nicht zulässig, weil das Gesetz eine klare, eindeutige Regelung trifft (vgl RS0042656).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [12] <span class="Fett">1.</span> Im Zuge der Pflegereform 2022 sollten in einem ersten Schritt als Akutmaßnahme die Einkommen für die unselbständig Beschäftigten in der Pflege erhöht werden (vgl <span class="Kursiv">Rudda</span>, Pflegereform 2022, ÖZPR 2022/44, 76 [77]). Die Grundlage dafür wurde mit dem Entgelterhöhungs-Zweckzuschussgesetz – EEZG (BGBl I 104/2022) geschaffen, mit dem der Bund den Ländern zur Erhöhung des Entgelts von Pflege- und Betreuungspersonal nach dem Gesundheits- und Krankenpflegegesetz – GuKG Zweckzuschüsse in unterschiedlicher Höhe für die Jahre 2022 und 2023 zur Verfügung stellte (§§ 1, 2 EEZG). Nach den Materialien (2656/A XXVII. GP, 3) sollte den Ländern damit die Möglichkeit geboten werden, eine bessere Bezahlung zu gewährleisten, um mehr Menschen für Pflegeberufe zu gewinnen. Die demografische Entwicklung zeige ein Ansteigen der älteren Bevölkerung, mit der erhöhte Pflege- und Betreuungsbedarfe und damit vermehrt Bedarfe an formellen Pflegeleistungen einhergehen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [13] § 3 EEZG regelt die Mittelverwendung und Widmung der Zweckzuschüsse und lautete in der hier anzuwendenden Stammfassung (vgl § 9 Abs 2 EEZG) auszugsweise:</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Kursiv">„(1) Die Zweckzuschüsse gemäß § 2 sind für Entgelterhöhungen zu verwenden, die dem Pflege- und Betreuungspersonal der folgenden Berufsgruppen gebühren:</span></span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">1. Angehörige des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege gemäß GuKG,</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">2. Angehörige der Pflegefachassistenz gemäß GuKG,</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">3. Angehörige der Pflegeassistenz gemäß GuKG,</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Kursiv">4. Angehörige der Sozialbetreuungsberufe nach der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG.</span></span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Kursiv">(2) Das Pflege- und Betreuungspersonal gemäß Abs. 1 muss</span></span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Kursiv">1. bei Krankenanstalten gemäß § 2 Abs. 1 des Bundesgesetzes über Krankenanstalten und Kuranstalten, BGBl. Nr. 1/1957,</span></span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">2. bei teilstationären und stationären Einrichtungen der Langzeitpflege nach landesgesetzlichen Regelungen,</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">3. bei mobilen Betreuungs- und Pflegediensten nach landesgesetzlichen Regelungen,</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">4. bei mobilen, teilstationären und stationären Einrichtungen der Behindertenarbeit nach landesgesetzlichen Regelungen, oder</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">5. in Kureinrichtungen nach landesgesetzlichen Regelungen</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">beschäftigt sein.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">(3) ...“</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [14] <span class="Fett">2.</span> Die bundesgesetzliche Verpflichtung des § 2 Abs 4 EEZG, entsprechende entgeltrechtliche Vorschriften vorzulegen, die die Dienstgeber zur Zahlung der vereinbarten Entgelterhöhung verpflichten, die jedem Dienstnehmer gemäß § 3 Abs 1 EEZG gebührt, hat der oö Landesgesetzgeber mit Anfügung des Abs 4 in § 70 Oö. Gehaltsgesetz 2001, mit LGBl 113/2022 umgesetzt (vgl auch 355 der Beilagen zum Oö. Landtag 29. GP, 5). Letztlich wurde in Oberösterreich für jeden im EEZG vorgesehenen (vollzeitbeschäftigten) Bediensteten des Pflege- und Betreuungspersonals im Gesundheits- und Sozialbereich für das Jahr 2022 eine Entgelterhöhung von (unstrittig) 2.000 EUR brutto als einmalige Zahlung vorgesehen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [15] <span class="Fett">3.</span> Besonders im Hinblick darauf, dass das EEZG das Ziel verfolgte, durch eine bessere Entlohnung mehr Menschen für Pflegeberufe zu gewinnen, teilt der Senat die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, dass der Kläger als Angehöriger des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege gemäß GuKG zwar der in § 3 Abs 1 Z 1 EEZG aufgelisteten Berufsgruppe zugehörig ist, aber in seiner konkret ausgeübten Tätigkeit als Lehrpfleger nicht unter den Begriff „Pflege- und Betreuungspersonal“ im Sinne des § 3 Abs 1 und 2 EEZG subsumiert werden kann. Als Lehrpfleger leistet der Kläger keine Pflege und Betreuung an einer – in einer in § 3 Abs 2 EEZG aufgezählten Einrichtung aufhältigen – pflegebedürftigen Person, auch wenn er zu einem geringen Teil seiner Tätigkeit den praktischen Unterricht am Bett des Patienten in einer Krankenanstalt erteilt.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [16] <span class="Fett">4.</span> Gegenteilige Argumente werden auch in der Revision nicht vorgetragen. Insbesondere greift die Revision die tragende Begründung des Berufungsgerichts, der Kläger gehöre nicht dem „Pflege- und Betreuungspersonal“ im Sinne des § 3 Abs 1 und 2 EEZG an, nicht an (vgl RS0043603 [T16]). Alleine die Zugehörigkeit zu der in § 3 Abs 1 Z 1 EEZG genannten Berufsgruppe macht den Kläger noch nicht zur anspruchsberechtigten Person auf den dem Pflege- und Betreuungspersonal gewidmeten Zweckzuschuss. Die weitere Frage, ob der Kläger „bei“ einer in § 3 Abs 2 EEZG aufgezählten Einrichtung beschäftigt ist, bedarf daher keiner näheren Erörterung.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [17] <span class="Fett">5.</span> Zutreffend hat das Berufungsgericht die vom Kläger behaupte Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes verneint. Anspruchsgrundlage des vom Kläger begehrten Zweckzuschusses ist das Oö. Gehaltsgesetz 2001. Dass andere Lehrpfleger, die diesem Landesgesetz unterfallen, den Zweckzuschuss für das Jahr 2022 bekommen hätten, behauptet der Kläger nicht. Mit Lehrpflegern, die anderen Landesgesetzen unterliegen, kann sich der Kläger nicht vergleichen.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [18] Da die Revision des Klägers damit insgesamt keine erhebliche Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO aufweist, ist sie zurückzuweisen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [19] Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen (RS0035979 [T16]).</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240919_OLG0009_00600R00234_24M0000_000 | Justiz | OLG Wien | 2024-10-09 | 2024-10-24 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240919_OLG0009_00600R00234_24M0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240919_OLG0009_00600R00234_24M0000_000/JJT_20240919_OLG0009_00600R00234_24M0000_000.html | 6R234/24m | ECLI:AT:OLG0009:2024:00600R00234.24M.0919.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Fabian als Vorsitzende, den Richter Dr. Pscheidl und die Richterin Mag. Nigl, LL.M., in der Rechtssache der Antragstellerin <span class="Fett">Österreichische Gesundheitskasse</span>, **, wider die Antragsgegnerin A<span class="Fett">* GmbH</span>, FN **, **, wegen Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragsgegnerin, über den Rekurs des <span class="Fett">B*</span>, **, vertreten durch MMag. Dr. Stephan Vesco, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 16.2.2024, 4 Se 60/24m-7, in nichtöffentlicher Sitzung den </p><p class="TabTextZentriert AlignCenter"><span class="Fett">Beschluss</span></p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p><p class="ErlText AlignJustify"> </p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignJustify">Dem Rekurs wird <span class="Fett">Folge</span> gegeben und der angefochtene Beschluss <span class="Fett">ersatzlos behoben</span>.</p><p class="ErlText AlignLeft">Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter"><span class="Fett">Begründung</span></p><p class="ErlText AlignLeft">Die A* GmbH (<span class="Kursiv">Antragsgegnerin</span>) ist seit 15.5.2021 zu FN ** im Firmenbuch eingetragen. B* (<span class="Kursiv">Rekurswerber</span>) war als Geschäftsführer ab 1.11.2021 gemeinsam mit einem weiteren Geschäftsführer und ab 23.3.2023 selbständig vertretungsbefugt. Seine Löschung als Geschäftsführer im Firmenbuch erfolgte am 17.11.2023. Mit Vertretungsbefugnis seit 24.10.2023 sind nunmehr DI (FH) C* und D* als Geschäftsführer im Firmenbuch eingetragen.</p><p class="ErlText AlignLeft">Am 30.1.2024 beantragte die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) unter Vorlage zweier Rückstandsausweise vom 29.1.2024 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragsgegnerin.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Mit dem <span class="Fett">angefochtenen Beschluss</span> forderte das Erstgericht den Rekurswerber als ehemaligen Geschäftsführer der Antragsgegnerin unter Verweis auf § 72a IO auf, binnen 14 Tagen einen Kostenvorschuss von EUR 4.000,- zu erlegen (Punkt 1.) bzw das angeschlossene Vermögensverzeichnis vollständig und wahrheitsgemäß ausgefüllt vorzulegen (Punkt 2.).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Gegen diesen Beschluss richtet sich der <span class="Fett">Rekurs</span> des B* mit dem Antrag, ihn ersatzlos zu beheben. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt. Er sei mit am 9.10./11.10./24.10.2023 unterfertigtem Umlaufbeschluss der Gesellschafter als Geschäftsführer abberufen worden. Spätestens seit 24.10.2023 sei er nicht mehr Geschäftsführer der Antragsgegnerin, sodass die Dreimonatsfrist des § 72a Abs 2 IO bei Antragstellung durch die ÖGK am 30.1.2024 bereits abgelaufen gewesen sei.</span></p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Rekurs ist <span class="Fett">berechtigt</span>.</p><p class="ErlText AlignJustify" style="text-indent:47px;"><span aria-hidden="true"><span class="Fett">1.</span> Die organschaftlichen Vertreter einer juristischen Person sind zur Leistung eines Kostenvorschusses für die Anlaufkosten, höchstens jedoch zu EUR 4.000,-, zur ungeteilten Hand verpflichtet (§ 72a Abs 1 IO). Zur Leistung dieses Kostenvorschusses sind auch sämtliche Personen, die innerhalb der letzten drei Monate vor der Einbringung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens organschaftliche Vertreter des Schuldners waren, verpflichtet, nicht jedoch Notgeschäftsführer (§ 72a Abs 2 IO).</span></p><p class="ErlText AlignJustify" style="text-indent:47px;"><span aria-hidden="true"><span class="Fett">2.</span> Maßgeblich ist die tatsächliche Stellung als organschaftlicher Vertreter, weil die Rechtsscheinhaftung des § 17 Abs 3 GmbHG/§ 15 UGB nicht greift <span class="Kursiv">(Schneider</span> in <span class="Kursiv">Konecny</span>, InsG § 72a IO Rz 8).</span></p><p class="ErlText AlignJustify" style="text-indent:47px;"><span aria-hidden="true">Da der Beschluss über den Erlag des Kostenvorschusses selbständig anfechtbar ist (§ 72b Abs 5 IO), kann der vermeintliche organschaftliche Vertreter seine fehlende Organstellung im Rekurs geltend machen. Dieser Einwand ist gemäß § 72b Abs 4 IO zulässig und hat – bei zutreffender Behauptung des Rekurswerbers – notwendig die Aufhebung des Erlagsauftrags zur Folge <span class="Kursiv">(Schneider</span> aaO § 72a IO Rz 10; vgl auch <span class="Kursiv">Schumacher</span> in <span class="Kursiv">KLS</span><span class="Hoch">2</span> § 72b IO Rz 20, 21). Im Insolvenzverfahren gilt gemäß § 254 Abs 5 IO der Untersuchungsgrundsatz. Dieser bedeutet zwar keine uferlose Nachforschungspflicht, sodass das Insolvenzgericht zunächst vom Firmenbuchstand ausgehen wird. Durch die Vorlage eines Gesellschafterbeschlusses über die Abberufung als Geschäftsführer trifft das Insolvenzgericht eine weitere Erhebungspflicht, sofern es Zweifel an der Richtigkeit des Beschlusses hegt <span class="Kursiv">(Schneider</span> aaO § 72a IO Rz 13). Das abberufene Organ hat freilich keine Bescheinigungspflicht, es trägt aber die Bescheinigungslast, wenn es den vom Firmenbuch abweichenden Sachstand dem Insolvenzgericht nicht nachweisen kann (<span class="Kursiv">Schumacher</span> in <span class="Kursiv">KLS</span><span class="Hoch">2</span> § 72a IO Rz 5).</span></p><p class="ErlText AlignJustify" style="text-indent:47px;"><span aria-hidden="true">Der Abberufungsbeschluss wirkt nach ganz allgemeiner Ansicht idR konstitutiv und unabhängig von der Eintragung in das Firmenbuch (<span class="Kursiv">Feltl</span>, GmbHG § 17 E9a). Dem Beschluss des Firmenbuchgerichts auf Eintragung der Abberufung kommt somit keine rechtsbegründende, sondern nur deklarative Wirkung zu (RS0006938 [T5]).</span></p><p class="ErlText AlignJustify" style="text-indent:47px;"><span class="Fett">3.</span> B* legte mit dem Rekurs den im Um- laufweg gefassten schriftlichen, jeweils beglaubigt unterfertigten Gesellschafterbeschluss über seine Abberufung vor. Die Unterschriften und Beglaubigungen datieren vom 9.10., 11.10. und 24.10.2023. Der Antrag auf Löschung des Rekurswerbers als Geschäftsführer im Firmenbuch langte beim Firmenbuchgericht am 13.11.2023 ein. Die Löschung selbst erfolgte am 17.11.2023.</p><p class="ErlText AlignJustify" style="text-indent:47px;"><span aria-hidden="true"><span class="Fett">4.</span> Der Rekurswerber verweist somit zutreffend darauf, dass die Dreimonatsfrist des § 72a Abs 2 IO bei Antragstellung durch die ÖGK am 30.1.2024 bereits abgelaufen war. Hinsichtlich des im Umlaufweg gefassten Gesellschafterbeschlusses bestehen beim Rekursgericht keine Zweifel an dessen Richtigkeit und auch dessen unmittelbarem Zugang an den Rekurswerber. Die tatsächliche Stellung des Rekurswerbers als organschaftlicher Vertreter endete somit jedenfalls vor dem 30.10.2023.</span></p><p class="ErlText AlignJustify" style="text-indent:47px;"><span class="Fett">5.</span> Infolge der fehlenden tatsächlichen Organstellung des Rekurswerbers innerhalb der letzten drei Monate vor der Antragstellung war dem Rekurs Folge zu geben und der angefochtene Beschluss ersatzlos zu beheben.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett">6.</span> Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses gründet auf § 528 Abs 2 Z 3 ZPO iVm § 252 IO. Aufträge zum Erlag eines Kostenvorschusses nach § 72b Abs 4 IO sind Kostenentscheidungen, in Ansehung derer der Rechtszug an den Obersten Gerichtshof nicht offen steht (<span class="Kursiv">Mohr</span>, IO<span class="Hoch">11</span> § 72b IO E 22).</span></p><p class="Abstand AlignLeft"></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240919_OGH0002_0090OB00044_24X0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-18 | 2024-10-18 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240919_OGH0002_0090OB00044_24X0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240919_OGH0002_0090OB00044_24X0000_000/JJT_20240919_OGH0002_0090OB00044_24X0000_000.html | 9Ob44/24x | ECLI:AT:OGH0002:2024:0090OB00044.24X.0919.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner, Mag. Korn, Dr. Stiefsohn und Dr. Wallner-Friedl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P* GmbH, *, vertreten durch Arneitz & Dohr Rechtsanwälte in Villach, gegen die beklagte Partei C*, vertreten durch Mag. Dr. Herbert Schrittesser, Rechtsanwalt in Mödling, wegen 1. Zustimmung zur Einverleibung des Eigentumsrechts (Streitwert: 350.000 EUR), in eventu Einwilligung in den Nachtrag zum Kaufvertrag, und 2. Herausgabe (Streitwert: 10.000 EUR), über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 9. Februar 2024, GZ 5 R 187/23v-50, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 30. August 2023, GZ 29 Cg 83/21f-46, Folge gegeben wurde, den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Rekurs wird zurückgewiesen.</p><p class="ErlText AlignLeft">Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.486,30 EUR (darin enthalten 581,05 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p><p class="ErlText AlignLeft"> [1] Die Klägerin hat als Käuferin mit der Beklagten als Verkäuferin einen Kaufvertrag über eine Liegenschaft abgeschlossen. In der Folge führte die hier Beklagte als Klägerin gegen die hier Klägerin als Beklagte ein Gerichtsverfahren auf Aufhebung bzw Nichtigerklärung des Kaufvertrags unter anderem gestützt auf laesio enormis. In diesem Vorverfahren erklärte die hier Klägerin für den Fall, dass laesio enormis vorliege, „die Bereitschaft zur Aufzahlung der Differenz zwischen dem gemeinen Wert und der von ihr erbrachten Leistung“. Eine Umstellung des Klagebegehrens erfolgte nicht. Dieses wurde letztlich rechtskräftig abgewiesen.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [2] Im vorliegenden Verfahren begehrt die <span class="Fett">Klägerin</span> als Hauptbegehren, die Beklagte zu verpflichten, der Einverleibung des Eigentumsrechts der Klägerin an der Liegenschaft, der Reallast einer monatlichen Leibrente zu Gunsten der Beklagten ob dieser Liegenschaft und der Dienstbarkeit des Wohnungsgebrauchsrechts zu Gunsten der Beklagten zuzustimmen. Weiters sei die Beklagte schuldig zu erkennen, die in ihrem Besitz befindlichen Rangordnungsbeschlüsse betreffend die beabsichtigte Veräußerung der Liegenschaft der Klägerin auszuhändigen. Über diese Begehren hat das Erstgericht ungerügt nicht abgesprochen.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [3] Eventualiter begehrt die Klägerin, die Beklagte zu verpflichten, in einen in das Urteilsbegehren integrierten Nachtrag zum Kaufvertrag einzuwilligen. Aufgrund der erfolgten Zuschreibung des über die Liegenschaft verlaufenden Weges aus dem öffentlichen Gut sowie der Abschreibung eines anderen Grundstücks sei der zwischen der Klägerin und der Beklagten geschlossene rechtswirksame Kaufvertrag nicht mehr unmittelbar einverleibungsfähig. Dem Einwand der laesio enormis stehe die materielle Rechtskraft der Entscheidung im Vorverfahren entgegen.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [4] Die <span class="Fett">Beklagte</span> bestreitet. Sie sei nicht verpflichtet, in den Nachtrag zum Kaufvertrag einzuwilligen. Die Klägerin habe darüber hinaus im Vorverfahren ihre Bereitschaft erklärt, in Ausübung der Ersetzungsbefugnis nach § 934 ABGB die Differenz zum gemeinen Wert aufzuzahlen. Die Beklagte habe deshalb die Klägerin aufgefordert, 2.800.000 EUR auf den gemeinen Wert aufzuzahlen. Dieser Aufforderung sei die Klägerin nicht nachgekommen. Für den Fall der nicht fristgerechten Zahlung habe die Beklagte den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt. Mangels Zahlung sei der Rücktritt wirksam geworden.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [5] Das <span class="Fett">Erstgericht</span> gab dem Eventualklagebegehren statt ohne über das Hauptbegehren zu entscheiden.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [6] Das <span class="Fett">Berufungsgericht</span> gab der gegen diese Entscheidung gerichteten Berufung der Beklagten Folge, hob das erstinstanzliche Urteil auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Durch die Erklärung der Klägerin im Vorverfahren, iSd § 934 Satz 2 ABGB zur Aufzahlung bereit zu sein, sei einerseits das Aufhebungsrecht der Beklagten zum Erlöschen gebracht und andererseits eine rechtliche Verpflichtung der Klägerin zur Aufzahlung auf den gemeinen Wert begründet worden, sofern der Tatbestand des § 934 ABGB erfüllt sei. Unter dieser Voraussetzung habe weiterhin ein klagbarer Zahlungsanspruch der Beklagten gegenüber der Klägerin bestanden bzw sei die Beklagte im Falle eines Verzugs der Klägerin mit der Zahlung der Ausgleichsleistung berechtigt gewesen, unter Setzung einer angemessenen Frist vom gesamten Vertrag zurückzutreten. Infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung habe sich das Erstgericht im angefochtenen Urteil mit dem Anspruch der Beklagten auf Aufzahlung und mit ihrem Rücktritt nicht befasst und die notwendigen Beweise nicht aufgenommen bzw die erforderlichen Feststellungen dazu nicht getroffen, weshalb das Ersturteil aufzuheben sei.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [7] Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof wurde vom Berufungsgericht zugelassen, weil keine Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob der Anspruch des verkürzten Anfechtungsklägers auf Aufzahlung bis zum gemeinen Wert erlösche, wenn er bei Ausübung der Ersetzungsbefugnis des verkürzenden Anfechtungsgegners das Klagebegehren aufrecht erhalte, die Klage nicht auf Geldzahlung umstelle und das Aufhebungsbegehren abgewiesen werde, oder ob er weiterhin berechtigt sei, Klage auf Zahlung des Ausgleichs zu erheben bzw bei Zahlungsverzug unter Setzung einer angemessenen Nachfrist vom gesamten Vertrag zurückzutreten.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [8] Gegen diese Entscheidung richtet sich der <span class="Fett">Rekurs der Klägerin</span> mit dem Antrag, das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen. In eventu wird der Antrag gestellt, die Entscheidung dahingehend abzuändern, dass dem modifizierten Hauptbegehren der Klägerin stattgegeben wird. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [9] Die Beklagte beantragt, den Rekurs zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [10] Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts ist der Rekurs der Klägerin unzulässig, weil die aufgeworfenen Rechtsfragen durch die bisherige Rechtsprechung geklärt sind.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [11] 1.1. Wurde gegen die Nichterledigung eines Sachantrags weder durch Ergänzungsantrag nach § 423 ZPO noch durch Berufung nach § 496 Abs 1 Z 1 ZPO Abhilfe gesucht, scheidet dieser Anspruch aus dem Verfahren aus (RS0041490 ua).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [12] 1.2. Die Klägerin macht geltend, dass Rechtsprechung dazu fehle, ob bei Nichtvorliegen einer Beschwer für die Einbringung einer Berufung, ein solcher Verfahrensmangel im Rahmen einer Berufungsbeantwortung zu rügen wäre.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [13] Dabei übersieht sie, dass, werden von einer Partei neben dem Hauptantrag noch Eventualanträge gestellt, der Partei das Beschwerdeinteresse nicht schon deshalb abzusprechen ist, weil sie mit einem Eventualantrag Erfolg hatte (RS0037615). Ihre formelle Beschwer liegt in der Abweisung des Hauptantrags (RS0043917 [T4]). Dies muss aber ebenso gelten, wenn über das Hauptbegehren überhaupt nicht abgesprochen wurde.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [14] 1.3. Richtig ist zwar, dass nach der Rechtsprechung, ein Kläger dann nicht durch die Abweisung des Hauptbegehrens beschwert ist, wenn ihm mit dem Eventualbegehren ohnehin all das zugesprochen wird, was Gegenstand des Hauptbegehrens war. In einem solchen Fall wurde ja in Wahrheit – ungeachtet der Formulierung des Urteilsspruchs – dem Hauptbegehren stattgegeben und – sofern das Eventualbegehren umfassender war – dem Kläger darüber hinaus noch mehr zugesprochen, das Hauptbegehren ist als minus im Eventualbegehren enthalten. Es kann aber dahingestellt bleiben, ob das vorliegend der Fall ist, da das nichts daran ändern würde, dass das gesondert gestellte Hauptbegehren aus dem Verfahren ausgeschieden ist und nur mehr das (dieses allenfalls mitumfassende) Eventualbegehren verfahrensgegenständlich ist.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [15] 2.1. § 934 ABGB räumt demjenigen, der bei zweiseitig verbindlichen Geschäften nicht einmal die Hälfte dessen, was er dem anderen gegeben hat, von diesem an gemeinem Wert erhalten hat, das Recht ein, die Aufhebung und die Herstellung in den vorigen Stand zu fordern. Nach Satz 2 leg cit kann aber der andere Teil das Geschäft dadurch aufrecht erhalten, dass er den Abgang bis zum gemeinen Wert zu ersetzen bereit ist. Er hat seine diesbezügliche Bereitschaft spätestens bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz zu erklären (RS0021626 [T1]), da bis zur Klärung des wahren Wertes von Leistung und Gegenleistung oft noch gar nicht beurteilt werden kann, ob das Aufhebungsbegehren berechtigt ist und welchen Betrag der Verkürzende anzubieten hat. Die konkrete Bezifferung des vom verkürzenden Vertragsteil angebotenen Aufzahlungsbetrags wird nach der Rechtsprechung nicht gefordert. Oft erlangt der Beklage erst mit dem Ersturteil Kenntnis vom (festgestellten) gemeinen Wert der Sache zum Verkaufszeitpunkt (9 Ob 10/20s). Wurde aber ein Vertrag wegen Verletzung über die Hälfte mit rechtskräftigem Rechtsgestaltungsurteil für aufgelöst erklärt, so könnte er durch nachträgliches Anbieten des Preisunterschieds nicht wieder Gültigkeit erlangen (6 Ob 618/92).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [16] 2.2. Macht der Verkürzende von der ihm gesetzlich eingeräumten wahlweisen Ermächtigung durch seine Erklärung Gebrauch, bringt er damit den Aufhebungs- und Sachrückübertragungsanspruch der Verkürzten zum erlöschen (6 Ob 618/92; 6 Ob 612/93; 8 Ob 567/93). Damit kann nicht mehr mit Rechtsgestaltungsurteil die Vertragsaufhebung unter Einräumung eines schon konsumierten Wahlrechts ausgesprochen werden. Dem Verkürzten steht nur mehr ein Anspruch auf Leistung des auf den gemeinen Wert fehlenden Abgangs zu (vgl 6 Ob 612/93).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [17] 2.3. Nach der Rechtsprechung hat sich der Verkürzte im Verfahren dann, wenn Verfahrensgegenstand nicht eine Leistungsklage ist, darüber zu erklären, ob er das Klagebegehren aufrecht hält oder es in eine Leistungsklage ändert. Diese Klagsänderung ist sodann, da sie materiell-rechtlich begründet ist, ohne Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 235 ZPO zuzulassen (8 Ob 567/93 mwN).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [18] 2.4. Das Wahlrecht des Verkürzenden nach § 934 Satz 2 ABGB stellt ein gesetzliches Gestaltungsrecht dar (vgl <span class="Kursiv">P. Bydlinski</span> in KBB<span class="Hoch">7</span> § 934 ABGB, Rz 4). Ein Gestaltungsrecht wird regelmäßig durch formlose empfangsbedürftige Willenserklärung ausgeübt, wird mit deren Zugang an den Empfänger wirksam und erlischt mit seiner Ausübung (RS0013923). Mit Ausübung des Gestaltungsrechts wird die andere Leistung neuer Schuldinhalt (vgl 5 Ob 139/22k zu § 906 ABGB).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [19] 2.5. Materiell-rechtlich führt daher die Erklärung zur Aufzahlung bereit zu sein, wie ausgeführt dazu, dass der Verkürzte nicht mehr mit Rechtsgestaltungsurteil die Vertragsaufhebung sondern nur noch die Zahlung des Ausgleichsbetrags fordern kann. Deshalb ist ein auf Vertragsaufhebung gerichtetes Begehren abzuweisen. Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin hat das jedoch keinen Einfluss auf den Anspruch des Verkürzten auf Zahlung des Ausgleichsbetrags, der durch die Ausübung des Gestaltungsrechts Vertragsinhalt wird. Einer Geltendmachung dieses Anspruchs steht auch keine Bindungswirkung einer solchen klagsabweisenden Entscheidung entgegen, da die Frage, ob eine Verkürzung über die Hälfte vorliegt, nur die Vorfrage für die Berechtigung des Anspruchs – sei es auf Vertragsaufhebung oder Zahlung des Ausgleichsbetrags – darstellt und keine Identität des Streitgegenstands vorliegt.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [20] Allein dass dem Kläger die Möglichkeit zu einer Umstellung der Klage einzuräumen ist, führt nicht dazu, dass mangels Umstellung nicht verfahrensgegenständliche Ansprüche wie der Anspruch auf Zahlung des Ausgleichsbetrags materiell-rechtlich erlöschen.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [21] 2.6. Soweit die Revision aus der Entscheidung 6 Ob 618/92 ableiten will, dass mangels Umstellung des Klagebegehrens abschließend über das Vorliegen von laesio enormis abgesprochen wurde, lässt sich das dieser Entscheidung nicht entnehmen. Sie verweist vielmehr nur darauf, dass bei einem auf Vertragsaufhebung gestützten Zahlungsbegehren ein gegenüber dem Aufzahlungsbetrag allfälliges Mehrbegehren abzuweisen wäre.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [22] 3. Die verjährungsrechtlichen Auswirkungen der Erklärung zur Aufzahlung müssen derzeit mangels entsprechenden Vorbringens und Feststellungen nicht geprüft werden. Auch zur Beurteilung, ob überhaupt laesio enormis vorliegt, die Klägerin zur Zahlung eines Ausgleichsbetrags verpflichtet ist, die Beklagte berechtigt unter Setzung einer Nachfrist zur Zahlung des Ausgleichsbetrags vom Vertrag zurückgetreten ist bzw ob und wann der Kaufpreis überhaupt fällig ist, fehlt jegliche Tatsachengrundlage, weshalb das Berufungsgericht auch eine Verfahrensergänzung aufgetragen hat.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [23] 4. Insgesamt gelingt es der Klägerin nicht, das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Der Rekurs der Klägerin ist daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [24] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen (RS0123222 [T8]).</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240919_OGH0002_0090OB00075_24F0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-18 | 2024-10-24 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240919_OGH0002_0090OB00075_24F0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240919_OGH0002_0090OB00075_24F0000_000/JJT_20240919_OGH0002_0090OB00075_24F0000_000.html | 9Ob75/24f | ECLI:AT:OGH0002:2024:0090OB00075.24F.0919.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner, Mag. Korn, Dr. Stiefsohn und Dr. Wallner-Friedl in den verbundenen Rechtssachen der klagenden und widerbeklagten Partei D* GmbH, *, vertreten durch Dr. Christian Perner, Rechtsanwalt in Wien, und der Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden und widerbeklagten Partei B* GmbH, *, vertreten durch Dr. Werner Loos, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten und widerklagenden Parteien 1. O*, geboren am * und 2. D*, geboren am *, beide *, beide vertreten durch Mag. Paulus Heinzl, Rechtsanwalt in Wien, wegen 148.030,14 EUR sA (führendes Verfahren 27 Cg 39/20h des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien) und 85.000 EUR sA (verbundenes Verfahren über die Widerklage 27 Cg 5/23p des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien), über die „außerordentliche Revision“ der klagenden und widerbeklagten Partei (Revisionsinteresse: 38.955,30 EUR) und die außerordentliche Revision der beklagten und widerklagenden Parteien (Revisionsinteresse: 85.000 EUR), gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. Mai 2024, GZ 5 R 11/24k-72, in nichtöffentlicher Sitzung den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Die „außerordentliche Revision“ der klagenden und widerbeklagten Partei wird als unzulässig, die außerordentliche Revision der beklagten und widerklagenden Parteien wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.</span></p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [1] Die beklagten und widerklagenden Parteien (idF: „Beklagten“) beauftragten die klagende und widerbeklagte Partei (idF:„Klägerin“) mit der Errichtung eines Hauses. Die Klägerin betreibt ein Unternehmen, das als Bauträger konzessioniert ist und die Abwicklung von Bauprojekten durchführt. Mit den Bauarbeiten hat sie die Nebenintervenientin beauftragt.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [2] Die Klägerin begehrte von den Beklagten den Klagsbetrag von 148.030,14 EUR sA an Werklohn aus der ihrer Ansicht nach fälligen 6. Teilrechnung vom 10. 4. 2020. In eventu stützte sie das Klagebegehren auf Bereicherung und hinsichtlich eines Teilbetrags von 10.000 EUR auf Schadenersatz wegen einer Urheberrechtsverletzung der Beklagten.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [3] Die Beklagten bestritten die Fälligkeit der 6. Teilrechnung, behaupteten, den Werkvertrag berechtigt aufgelöst zu haben und erhoben weitere – im Revisionsverfahren nicht relevante – Einwendungen gegen die Berechtigung des Klagsanspruchs. Darüber hinaus erhoben sie mehrere Gegenforderungen: Rückzahlung einer erlegten Barkaution von 50.000 EUR; Rückforderung einer zu Unrecht geleisteten Baukosten-Preiserhöhung von 18.000 EUR incl USt; Sanierungsaufwand wegen bestehender Mängel von 582.679,63 EUR.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [4] In ihrer Widerklage begehrten die Beklagten die Zahlung von 85.000 EUR, und zwar den Betrag von 50.000 EUR an Schadenersatz und Bereicherung aufgrund einer von ihnen geleisteten, von der Klägerin aber nicht zurückgezahlten Barkaution sowie einen Betrag von 35.000 EUR. Zum letztgenannten Betrag brachten die Beklagten zunächst vor, dass ihnen dieser Betrag als Schadenersatz aus folgenden Gründen zustehe: Mängelbehebungskosten; überhöht bezahlte, weil nicht ordnungsgemäß ausgeführte Leistungen aufgrund des sittenwidrigen Zahlungsplans (dieser Schaden werde vorerst mit 35.000 EUR beziffert, sei aber noch von einem Sachverständigen zu ermitteln); arglistiges Verleiten zum Vertragsabschluss; Minderwert des Hauses zu einem echten Architektenhaus am Immobilienmarkt; ungenügende Bauführung. Eine nähere Aufschlüsselung des Klagsbetrags erfolgte nicht. In der Folge stützten die Beklagten den Klagsbetrag auf Bereicherung „aufgrund der Nichtverrechnung der von den [Beklagten] geleisteten Anzahlung und der Überbezahlung der Leistungen der [klagenden] Partei gemäß dem sittenwidrigen Zahlungsplan“. In weiterer Folge brachten sie vor, die Klägerin hätte aus den Titeln des Schadenersatzes und der Bereicherung zumindest 52.250 EUR zurückzuzahlen. Wenn – laut gerichtlichem Sachverständigen – 47 % der Gesamtauftragssumme von 825.000 EUR von der Klägerin an Leistung erbracht worden seien, ergebe dies einen Betrag von 387.750 EUR. Die Beklagten hätten aber bereits 440.000 EUR (inkl der behaupteten Barzahlung von 50.000 EUR) gezahlt, sodass eine Überzahlung von 52.250 EUR vorliege. Schließlich bezifferten die Beklagten die Neuerstellung der nicht verwendbaren Pläne, die Neuerrichtung der Baustelle, die Beseitigung der Mängel, die Mehrkosten für die Errichtung der Garage, des Flugdaches, Pools und sonstiger Außenanlagen, sowie weiterer nicht fertig gestellter Rohbauarbeiten vorbehaltlich einer Ausmittlung durch einen Sachverständigen vorerst mit 32.750 EUR. Eine Aufschlüsselung erfolgte nicht.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [5] Die Klägerin und die Nebenintervenientin bestritten die Gegenforderungen und wandten mehrfach die Unschlüssigkeit des Widerklagebegehrens ein.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [6] Das Erstgericht erkannte im führenden Verfahren (Spruchpunkt I.) die Klagsforderung als mit 109.074,84 EUR zu Recht, die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend an und gab dem Klagebegehren mit 109.074,84 sA statt. Das Mehrbegehren von 38.955,30 EUR sA wies es ab. Im verbundenen Verfahren über die Widerklage (Spruchpunkt II.) wies das Erstgericht das Klagebegehren der Beklagten (Widerkläger) ab.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [7] Die Abweisung des Widerklagebegehrens (und das Nichtzurechtbestehen der Gegenforderung im führenden Verfahren) begründete es damit, dass die Beklagten nicht nachweisen hätten können (das Erstgericht traf in diesem Zusammenhang eine negative Feststellung), dass sie eine Barkaution von 50.000 EUR an die Klägerin geleistet hätten. Die Preiserhöhung von 18.000 EUR brutto sei ohne Bezugnahme auf bestimmte erhöhte Angebote vereinbart worden, sodass die Beklagten keinen Anspruch auf eine Rückzahlung derselben hätten. Die geltend gemachten und eingewandten Schadenersatzforderungen seien schon deshalb nicht berechtigt, weil die Beklagten unberechtigt vom Werkvertrag zurückgetreten seien und somit der Klägerin keine Gelegenheit gegeben hätten, die behaupteten Mängel zu verbessern.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [8] Das Berufungsgericht gab der Berufung beider Parteien gegen die Entscheidung im führenden Verfahren Folge, hob das Ersturteil in dessen Spruchpunkt I. zur Gänze auf und trug dem Erstgericht insofern die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Der Berufung der Beklagten gegen die Abweisung ihres Widerklagebegehrens (Spruchpunkt II. des Ersturteils) gab es nicht Folge.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [9] In seiner Entscheidung über die Widerklage teilte das Berufungsgericht die Rechtsauffassung des Erstgerichts, dass die Beklagten keinen Anspruch auf Rückzahlung einer Barkaution von 50.000 EUR hätten. Der – in der Berufung nur mehr auf Schadenersatz gestützte – Klagsbetrag von 35.000 EUR sei nicht berechtigt, weil die Beklagten diesen als Pauschalbetrag geltend gemachten Schadenersatzbetrag nie aufgeschlüsselt hätten. Da die Prozessgegner im erstinstanzlichen Verfahren mehrfach die Unschlüssigkeit des Widerklagebegehrens eingewendet hätten, habe es auch keiner richterlichen Anleitung gemäß § 182a ZPO bedurft.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [10] Die ordentliche Revision erklärte es für nicht zulässig.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [11] Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts erhoben beide Parteien eine außerordentliche Revision. Die Klägerin bekämpft die „Abweisung“ des Mehrbegehrens im führenden Verfahren und beantragt, der Klage zur Gänze stattzugeben. Die Beklagten bekämpfen die Bestätigung der Abweisung des Widerklagebegehrens und streben in diesem Umfang eine Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen an.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">I. Zur „außerordentlichen Revision“ der Klägerin:</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [12] Hat das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil aufgehoben und dem Gericht erster Instanz eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufgetragen, ist nur dann ein Rekurs (und keine Revision) zulässig, wenn es dabei ausgesprochen hat, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig ist (§ 519 Abs 1 Satz 2 ZPO). Hat das Berufungsgericht – wie hier – keinen Rechtskraftvorbehalt gesetzt, ist die aufhebende Entscheidung des Berufungsgerichts unanfechtbar (RS0043880).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [13] Die unzulässige „außerordentliche Revision“ der Klägerin ist daher zurückzuweisen.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">II. Zur außerordentlichen Revision der Beklagten:</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [14] 1. Die Beklagten begründen die Zulässigkeit ihres Rechtsmittels damit, dass dem Berufungsgericht insofern eine Fehlbeurteilung unterlaufen sei, als es nicht erkannt habe, dass dem Widerklagebegehren keine Schadenersatzansprüche aus Gewährleistung zugrunde lägen, sondern ein aus der Auflösung des Werkvertrags resultierender schadenersatzrechtlicher Differenzanspruch, der jene Schäden decken sollte, die sie in ihrem Vorbringen aufgelistet und den sie mit 35.000 EUR beziffert haben. Entgegen der ständigen Judikatur habe das Berufungsgericht bei angenommener Unschlüssigkeit der Klage keine Erörterung des Schadenersatzanspruchs verlangt.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [15] 2. Mit diesen Ausführungen zeigt die außerordentliche Revision der Beklagten keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [16] 3. Der Frage, wie ein bestimmtes Vorbringen zu verstehen ist und auf welchen Rechtstitel ein Anspruch gestützt wird, kommt regelmäßig keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (RS0042828 [T3, T24, T27]). Gegenteiliges gilt im Interesse der Wahrung der Rechtssicherheit nur dann, wenn die Auslegung des Parteivorbringens mit seinem Wortlaut unvereinbar ist oder gegen die Denkgesetze verstieße (RS0042828 [T11, T31]). Dies ist hier nicht der Fall, weil das – großteils unkonkretisiert – gebliebene Vorbringen der Beklagten verschiedene Auslegungsmöglichkeiten zulässt.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [17] 4. Abgesehen davon zielen die Revisionsausführungen darauf ab, dass ein pauschaler Schadenersatz zur Abdeckung ganz unterschiedlicher Schäden begehrt wird. Nach der Rechtsprechung ist vom Kläger aber klarzustellen, welche der einzelnen Schadenspositionen und in welchem Umfang der geltend gemachte Pauschalbetrag erfasst. Ohne Aufschlüsselung ist es nicht möglich, den Umfang der Rechtskraft einer Teilabweisung zu bestimmen und die Frage zu beantworten, über welche der eingeklagten Forderungen endgültig abgesprochen wurde (vgl 4 Ob 168/12b Pkt 1.2.; RS0031014 [T9, T31]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [18] 5.1. Die Verletzung der richterlichen Anleitungspflicht fällt nicht unter den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung (wie hier in der außerordentlichen Revision der Beklagten geltend gemacht), sondern unter jenen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens (RS0037095 [T11]). Die unrichtige Bezeichnung des Rechtsmittelgrundes schadet hier aber nicht, weil die Rechtsmittelausführungen den Beschwerdegrund deutlich erkennen lassen (vgl RS0041851). Eine erfolgreiche Geltendmachung der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens als Folge eines Verstoßes gegen die §§ 182, 182a ZPO setzt aber voraus, dass die Partei die Relevanz des Mangels darlegt und das Unterlassene nachholt (RS0037095 [T19]). Dies ist in der außerordentlichen Revision aber unterblieben.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [19] 5.2. Im Übrigen ist es zwar richtig, dass den Parteien grundsätzlich Gelegenheit gegeben werden muss, ein unschlüssiges Begehren schlüssig zu stellen (RS0037300 [T29, T36]). Nach der Rechtsprechung bedarf es jedoch dann keiner richterlichen Anleitung zur Schlüssigstellung und Erstattung eines weiteren Vorbringens, wenn der Prozessgegner auf die Unschlüssigkeit der Klage bereits hingewiesen hat (7 Ob 22/23w Rz 19 mwN; RS0122365 [T5, T8]). Angesichts solcher – hier von der Klägerin und der Nebenintervenientin erhobener – Einwendungen hätten die Beklagten ihren Prozessstandpunkt selbst überprüfen und die erforderlichen Konsequenzen ziehen müssen. Auch die Pflicht nach § 182a ZPO kann nicht bezwecken, das Gericht zur Erörterung eines Vorbringens zu zwingen, dessen Schwächen bereits der Prozessgegner aufzeigte (1 Ob 188/23p Rz 14).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [20] Mangels Darstellung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision der Beklagten zurückzuweisen.</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240919_OGH0002_009OBA00053_24W0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-11 | 2024-10-11 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240919_OGH0002_009OBA00053_24W0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240919_OGH0002_009OBA00053_24W0000_000/JJT_20240919_OGH0002_009OBA00053_24W0000_000.html | 9ObA53/24w | ECLI:AT:OGH0002:2024:009OBA00053.24W.0919.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Hargassner und die Hofrätin Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Ingomar Stupar (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Thomas Kallab (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei B*, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Stadt Wien, Thomas-Klestil-Platz 7/1, 1030 Wien, vertreten durch Dr. Alice Gao-Galler, Rechtsanwältin in Wien, wegen zuletzt 20.780,30 EUR brutto sA und Feststellung, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24. April 2024, GZ 8 Ra 1/24m-67, mit dem den Berufungen der klagenden und der beklagten Partei gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 24. März 2023, GZ 7 Cga 17/22b-54, Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft">Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.</p><p class="ErlText AlignLeft">Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p><p class="ErlText AlignLeft"> [1] Der Kläger ist seit * 1992 als Vertragsbediensteter bei der Beklagten beschäftigt und seit 2000 als diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger tätig. Von 2010 bis 2014 war er zu 50 % freigestellter Personalvertreter, seit * 2014 ist er als Personalvertreter zur Gänze vom Dienst freigestellt. Er absolvierte im Juni 2019 erfolgreich die Sonderausbildung „Basales und mittleres Pflegemanagement“. Vor seiner Freistellung war der Kläger in die Verwendungsgruppe P3 als diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger eingestuft. Mit Schreiben vom 11. 2. 2020 beantragte er die Überreihung in die Verwendungsgruppe P4 samt Chargenzulage für einen Stationsleiter Pflege zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Dem wurde seitens der Beklagten nicht entsprochen.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [2] Der <span class="Fett">Kläger</span> begehrt 20.780,30 EUR brutto sA. sowie die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, auch weiterhin Bezüge in jener Höhe zu zahlen, die sich aus einer Einstufung in die Verwendungsgruppe P4 Gehaltsstufe 15 mit nächster Vorrückung am 1. 12. 2022 samt Chargenzulage iSd Anlage 3 Z 10 lit c der Besoldungsordnung 1994 ergäben. Das Leistungsbegehren errechne sich aus der monatlichen Differenz zwischen der Einstufung in P3 und der begehrten Einstufung in P4 laut Gehaltstabelle unter Berücksichtigung der Chargenzulage für den Zeitraum Juli 2019 bis Februar 2022. Die überwiegende Mehrheit jener Bediensteten, die in einer mit ihm vergleichbaren Situation stünden, nämlich diplomierte Krankenpfleger, die aufgrund ihrer Personalvertretertätigkeit zur Gänze freigestellt und um eine Beförderung bemüht gewesen seien, seien in P4 überreiht worden. Auf Grundlage des arbeitsrechtlichen Gleichheitsgrundsatzes habe er ebenfalls Anspruch auf eine Überreihung. Vergleichsmaßstab sei nicht die Gruppe der diplomierten Krankenpfleger mit der Prüfung für das basale und mittlere Pflegemanagement unabhängig von deren Tätigkeit als Personalvertreter, sondern die Gruppe der voll freigestellten Personalvertreter.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [3] Er hätte die begehrte Überstellung aber auch bereits erhalten, wenn er nicht freigestellter Personalvertreter wäre. Ein diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger (P3) werde in der Regel als erstes in P4 zum Fachbereichskoordinator (vormals Stationsvertretung) befördert. Dann absolviere man innerhalb von 4 Jahren die Weiterbildung für „Basales und mittleres Pflegemanagement“, übernehme eine Stationsleitungsfunktion und erhalte eine Chargenzulage. Er hätte daher bereits vor der Weiterbildung in P4 befördert werden müssen. Wäre er nicht freigestellter Personalvertreter, hätte er bei einem normalen Karriereverlauf die angestrebte Beförderung erhalten.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [4] Die <span class="Fett">Beklagte</span> stellte das Klagebegehren der Höhe nach außer Streit, bestritt es jedoch dem Grunde nach und wandte im Wesentlichen ein, dass es unter Zugrundelegung der vom Kläger für die Überreihung genannten Kriterien keinen Automatismus für die Beförderung gebe. Die Absolvierung der Weiterbildung „Basales und mittleres Pflegemanagement“ sei eine grundsätzliche Voraussetzung für eine Überstellung als Stationsleiter Pfleger in P4. Weitere Voraussetzungen seien ein vakanter Dienstposten eines Stationspflegers, die Bewerbung auf denselben, die Erlangung dieser Position und die Absolvierung der sechsmonatigen Probezeit. Andere Mitglieder der Personalvertretung hätten den Posten einer Stationsleitung tatsächlich bekleidet und seien daher entsprechend ihrer Verwendung vor ihrer Freistellung mit ihrer Freistellung in P4 eingestuft geblieben. Andere seien in Bezug auf ihre dienstrechtliche Stellung nicht mit dem Kläger vergleichbar. Allein die Ablegung der Ausbildung „Basales und mittleres Pflegemanagement“ würde den diplomierten Krankenpflegern, die nicht voll freigestellt wären und die Karriere einer Stationsleitung bzw eines Fachbereichskoordinators anstrebten, nicht weiterhelfen. Eine Umreihung erfolge erst bei tatsächlicher Ausübung.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [5] Das Erstgericht sprach aus, dass die Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger ab 1. 4. 2023 Bezüge in jener Höhe zu bezahlen, die sich aus einer Einstufung in die Verwendungsgruppe P4, Gehaltsstufe 16 samt Chargenzulage iSd Anlage 3 Z 10 lit c der Besoldungsordnung 1994 ergäben. Das Leistungsbegehren wies es ab. Es traf Feststellungen zu den Karriereverläufen anderer namentlich genannter freigestellter Personalvertreter und führte rechtlich aus, dass der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz den Arbeitgeber verpflichte, einzelne Arbeitnehmer nicht willkürlich, also ohne sachliche Rechtfertigung schlechter zu behandeln als die übrigen. Voll freigestellte Personalvertreter wie der Kläger hätten im Schnitt nach acht Jahren Tätigkeit als voll freigestellte Personalvertreter nach Ablegung der entsprechenden Sonderausbildung und Antragstellung eine Überreihung erfahren. Eine sachliche Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung des Klägers liege nicht vor. Das Leistungsbegehren habe dennoch abgewiesen werden müssen, da es sich auf einen Zeitraum beziehe, in dem der Kläger noch keinen Anspruch auf Überreihung gehabt habe. Dem Feststellungsbegehren sei ab 1. 4. 2023 mit der Modifikation stattzugeben gewesen, dass zu diesem Zeitpunkt die Vorrückung in die 16. Gehaltsstufe bereits erfolgt sei.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [6] Den Berufungen des Klägers gegen den klagsabweisenden Teil dieses Urteils und der Beklagten gegen den klagsstattgebenden Teil dieses Urteils gab das <span class="Fett">Berufungsgericht</span> Folge, hob das erstgerichtliche Urteil auf und verwies es zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurück an das Erstgericht.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [7] Der arbeitsrechtliche (betriebliche) Gleichbehandlungsgrundsatz gelte grundsätzlich auch für Vertragsbedienstete, finde seine Grenzen jedoch in den – zwingenden Charakter aufweisenden – Einstufungs- und Entlohnungsvorschriften des Vertragsbedienstetenrechts. Dabei stehe die Prüfung im Vordergrund, ob der Behandlung besser gestellter Arbeitnehmer ein erkennbares generalisierendes Prinzip zugrunde liege, von dem der Arbeitgeber im Einzelfall willkürlich oder ohne sachlichen Grund abgewichen sei. Dies bedeute, dass im Rahmen des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes eine Überstellung des Klägers in die Verwendungsgruppe P4 samt Chargenzulage für einen Stationsleiter nur in Betracht komme, wenn er die diesbezüglichen gesetzlichen, auf ihn Anwendung findenden Einstufungs- und Entlohnungsvorschriften des Vertragsbedienstetenrechts dafür erfülle. Dies sei vom Erstgericht mit den Parteien zu erörtern und die Parteien seien diesbezüglich zu ergänzendem Beweisvorbringen samt Beweisanbot anzuleiten.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [8] Davon sei zu unterscheiden, dass der Kläger wegen der Ausübung seiner Funktion als zur Gänze freigestellter Personalvertreter gemäß § 35 Abs 1 2. Satz des Wiener Personalvertretungsgesetzes (W-PVG) nicht benachteiligt werden dürfe. Zur Auslegung des § 35 W-PVG könne auf die Rechtsprechung zur vergleichbaren Regelung des § 25 Bundes-Personalvertretungsgesetz (PVG) zurückgegriffen werden. Durch die Tätigkeit als Personalvertreter solle für den betreffenden Bediensteten keine besoldungsrechtliche Benachteiligung, aber auch keine Bevorzugung gegeben sein. Dabei sei zu beachten, dass der Personalvertreter selbst keinen Rechtsanspruch auf Rechtsakte habe, die seine Laufbahn nicht benachteiligen. Da die Unterlassung eines entsprechenden Rechtsaktes aber das Benachteiligungsverbot verletze, könnten bei einem Vertragsbediensteten, der als Personalvertreter tätig sei, Schadenersatzansprüche entstehen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [9] Zusätzlich könne auch die Rechtsprechung zu §§ 115 ff ArbVG herangezogen werden. Nach dieser dürften die Mitglieder des Betriebsrats in der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht beschränkt und wegen dieser, insbesondere hinsichtlich des Entgelts, der Aufstiegsmöglichkeiten und betrieblicher Schulungs- und Umschulungsmaßnahmen, nicht benachteiligt werden, aber auch aus ihrem Mandat keinen Vorteil ziehen. Referenzpersonen für die Feststellung allfälliger Benachteiligungen von Betriebsratsmitgliedern seien Arbeitnehmer im Betrieb, die hinsichtlich ihrer Verwendung (Art der Tätigkeit), Leistung und Stellung im Betrieb vergleichbar seien. Es solle nicht nur eine Verminderung der Entlohnung hintangehalten, sondern auch das „Übergehen“ des Betriebsratsmitglieds bei der lohnmäßigen und personellen Entwicklung im Betrieb verhindert werden. Dies gelte auch dann, wenn das Betriebsratsmitglied von der Arbeitspflicht freigestellt und deshalb von Veränderungen in arbeitsmäßiger Hinsicht nicht unmittelbar, aber doch in seiner künftigen Karriere- und Entgeltentwicklung berührt sei. Hinsichtlich längere Zeit zur Gänze freigestellter Betriebsratsmitglieder sei bei der Ermittlung des mutmaßlichen Verdienstes grundsätzlich die sogenannte „Fiktionsmethode“ heranzuziehen. Diese Methode gebiete es, anhand normativer, „objektivierter“ Vergleichspersonen (Arbeitnehmer, die mit dem Mandatar vor seiner Freistellung weitgehend vergleichbar gewesen seien) einen Karriereverlauf des Betriebsratsmitglieds zu fingieren. Die sich auf Grund langdauernder Freistellung kontinuierlich mindernde Qualifikation für den ursprünglich eingenommenen Arbeitsplatz müsse bei der Betrachtung ausgeklammert bleiben. Beförderungen, die eine Zusatzqualifikation erforderten, welche das Betriebsratsmitglied nicht erbringe, seien entgeltmäßig nicht mitzuvollziehen, es sei denn, das Betriebsratsmitglied – bzw hier der Kläger – wurde von der Qualifizierungsmaßnahme ausgeschlossen oder hat die Qualifizierung ohnehin erfolgreich mitgemacht.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [10] Bei der Prüfung des fiktiven Karriereverlaufs des Klägers sei demnach nicht auf den Karriereverlauf anderer freigestellter Personalvertreter abzustellen, sondern auf die Arbeitnehmer der Beklagten, die mit dem Kläger vor dessen Freistellung weitgehend vergleichbar gewesen seien. Zu betonen sei aber, dass nicht nur eine Benachteiligung des Klägers als freigestellter Personalvertreter, sondern auch dessen Bevorzugung unzulässig sei. Für den Rechtsstandpunkt des Klägers sei daher nichts gewonnen, wenn die von ihm angeführten anderen dienstfrei gestellten Personalvertreter gegenüber den „allgemeinen“ Bediensteten der Beklagten aufgrund ihrer Tätigkeit als (dienstfrei gestellte) Personalvertreter bevorzugt worden seien. Zu beachten sei aber, dass im Falle einer Benachteiligung in Bezug auf seine dienstliche Laufbahn der Kläger keinen Rechtsanspruch auf Rechtsakte habe, die seine Laufbahn nicht benachteiligen, sondern insofern (lediglich) Schadenersatzansprüche des Klägers gegen die Beklagte in Betracht kommen könnten.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [11] Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof wurde vom Berufungsgericht zugelassen, weil es keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu § 35 W-PVG und dazu gebe, ob die zu §§ 115 ff ArbVG ergangene höchstgerichtliche Rechtsprechung auch auf Personalvertreter nach dem W-PVG Anwendung finden könne.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [12] Gegen diese Entscheidung wendet sich der <span class="Fett">Rekurs des Klägers</span> mit dem Antrag, sie dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren vollinhaltlich stattgegeben wird, in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [13] Die Beklagte beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"> [14] Der Rekurs ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [15] 1. Unstrittig ist der Kläger Personalvertreter nach dem Wiener Personalvertretungsgesetz (W-PVG). Nach § 35 Abs 1 zweiter Satz W-PVG dürfen die Personalvertreterinnen und Personalvertreter in der Ausübung ihrer Funktion nicht eingeschränkt und wegen dieser nicht benachteiligt werden. Weiters ist nach § 35 Abs 4 W-PVG den Personalvertreterinnen und Personalvertretern (…) unter Fortzahlung ihres Diensteinkommens mit Ausnahme der Aufwandsentschädigungen, Tagesgelder, Auslagenersätze bzw Kostenersätze und Fehlgeldentschädigungen die zur Erfüllung ihrer Obliegenheiten notwendige freie Zeit zu gewähren.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [16] Diese Regelung entspricht inhaltlich, wie bereits das Berufungsgericht ausgeführt hat, in ihren wesentlichen Punkten § 25 PVG und § 115 ArbVG:</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [17] Nach § 25 Abs 1 PVG dürfen die Leiterinnen oder Leiter der Dienststellen die Personalvertreterinnen oder Personalvertreter in der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht beschränken und sie aus diesem Grunde auch nicht benachteiligen. Nach § 25 Abs 2 PVG darf aus ihrer oder seiner Tätigkeit als Personalvertreter einer oder einem Bediensteten bei der Leistungsfeststellung und der dienstlichen Laufbahn kein Nachteil erwachsen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [18] § 115 Abs 3 ArbVG lautet: „Die Mitglieder des Betriebsrates dürfen in der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht beschränkt und wegen dieser, insbesondere hinsichtlich des Entgelts, der Aufstiegsmöglichkeiten und betrieblicher Schulungs- und Umschulungsmaßnahmen, nicht benachteiligt werden.“</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [19] 2. Dementsprechend ist bereits das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass diesen Bestimmungen dieselben gesetzgeberischen Wertungen zugrunde liegen, weshalb die zu § 115 ArbVG ergangene Rechtsprechung und die sich mit der Auslegung dieser Bestimmung befassenden Lehrmeinungen auch für die Auslegung des § 35 W-PVG nutzbar gemacht werden können.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [20] Durch das Beschränkungs- und Benachteiligungsverbot des § 115 Abs 1 ArbVG soll einerseits verhindert werden, dass der Betriebsinhaber Mitglieder des Betriebsrats in der Ausübung ihrer Tätigkeit einschränkt und damit die Interessenvertretungsaufgabe erschwert oder unmöglich macht. Andererseits wird dem Betriebsinhaber untersagt, jene Arbeitnehmer, die ein Betriebsratsmandat haben, hinsichtlich ihrer Arbeitsbedingungen zu benachteiligen, um sie dadurch für ihr Eintreten für die Interessen der Arbeitnehmer des Betriebs zu „bestrafen“ bzw andere Arbeitnehmer davon abzuhalten, in Hinkunft die Aufgaben eines Betriebsratsmitglieds zu übernehmen (<span class="Kursiv">Schneller</span> in <span class="Kursiv">Gahleitner/Mosler</span>, Arbeitsverfassungsrecht<span class="Hoch">12</span> § 115 ArbVG, Rz 29; vgl auch <span class="Kursiv">Köck</span>, „Fiktive Karriere“ und andere Sonderprobleme der dauernden Freistellung von Betriebsratsmitgliedern, ZAS 2020/35, 210 [211]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [21] Dieselbe Wertung lässt sich dem Beschränkungs- und Benachteiligungsverbot des § 35 W-PVG bzw des § 25 PVG entnehmen, die nicht nur dem Wortlaut der Bestimmungen nach sondern auch von der ihnen immanenten Bedeutung dieses Schutzes für die unabhängige Ausübung der Vertretungstätigkeit dem ArbVG entsprechen (vgl dazu auch die Rechtsprechung des VwGH, der im Zusammenhang mit der Auslegung des § 25 PVG auf die Judikatur des Obersten Gerichtshofs zum Benachteiligungsverbot gemäß § 115 Abs 3 ArbVG Bezug nimmt, etwa VwGH 2005/12/0261 [zu § 65 Abs 3 PBVG]; 2005/12/0145 [zu § 65 Abs 3 PBVG]; 2003/12/0086 [zu § 65 Abs 3 PBVG]). Allein der Umstand, dass der Arbeitgeber ein öffentlicher Rechtsträger ist (Gemeinde Wien bzw Bund) ändert daran nichts, weshalb richtiger Weise die Rechtsprechung zu §§ 115 ff ArbVG auch für die Auslegung des § 35 W-PVG herangezogen werden kann.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [22] 3. Gemäß § 117 Abs 1 ArbVG ist den freigestellten Betriebsratsmitgliedern das Entgelt fortzuzahlen. Die Höhe dieses Entgelts richtet sich danach, was das Betriebsratsmitglied verdient hätte, wenn es während dieser Zeit gearbeitet hätte. Es gilt daher das Ausfallsprinzip. Zu ersetzen ist nur der mutmaßliche Verdienst. Dieser umfasst das, was der betreffende Arbeitnehmer, hätte er nicht eine die Freistellung erfordernde Betriebsratsfunktion bekleidet, nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge – also mit überwiegender Wahrscheinlichkeit – weiterhin bezogen hätte (9 ObA 10/21t Rz 5; 9 ObA 1/91; <span class="Kursiv">Mosler</span> in <span class="Kursiv">Neumayr/Reissner</span>, ZellKomm<span class="Hoch">3</span> § 117 ArbVG Rz 21; <span class="Kursiv">Resch</span> in <span class="Kursiv">Jabornegg/Resch/Födermayr</span>, ArbVG § 117 Rz 45).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [23] Dieses Prinzip gilt auch für die Ermittlung des mutmaßlichen Verdienstes eines länger freigestellten Betriebsratsmitglieds und dessen festzustellender mutmaßlicher betrieblicher Karriere bei länger andauernder Freistellung. Der Karriereverlauf ist anhand von Arbeitnehmern die mit dem Betriebsratsmitglied vor dessen Freistellung weitgehend vergleichbar waren, zu fingieren. Auch der fiktive Karriereverlauf muss überwiegend wahrscheinlich sein, also einer typischerweise verlaufenden betrieblichen „Durchschnittskarriere“ entsprechen (9 ObA 10/21t Rz 6; <span class="Kursiv">Köck</span>, „Fiktive Karriere“ und andere Sonderprobleme der dauernden Freistellung von Betriebsratsmitgliedern, ZAS 2020/35, 210 [213 f]).</p><p class="ErlText AlignLeft"> [24] 4. Vergleichsgruppe sind daher nicht andere freigestellte Betriebsräte, sondern Arbeitnehmer ohne Freistellung. Verglichen wird mit dem durchschnittlichen Karriereverlauf von Nichtbetriebsratsmitgliedern. Richtig hat schon das Berufungsgericht herausgestrichen, dass dies dem Beschränkungs- und Benachteiligungs- bzw dem Privilegierungsverbot entspricht. Betriebsratsmitglieder dürfen hinsichtlich des Entgelts und der Aufstiegsmöglichkeiten nicht benachteiligt werden. Andererseits ist aber auch eine höhere bzw günstigere Entgeltfortzahlung für die Betriebsratstätigkeit im Hinblick darauf unzulässig, dass die Zuwendung jeglicher materieller Vorteile aus dem Anlass der Betriebsratstätigkeit rechtswidrig ist (RS0051326; RS0051303).</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [25] 5. Der Rekurs wendet sich nicht grundsätzlich gegen die Richtigkeit dieser Rechtsauffassung, sondern dagegen, dass die Rechtsprechung zu Betriebsratsmitgliedern auf Personalvertreter übertragen werden könne, denn die Arbeits- und Dienstverhältnisse seien nicht vergleichbar. Gründe, die gegen eine Vergleichbarkeit sprechen, nennt der Rekurs jedoch nicht. Verwiesen wird nur darauf, dass einem Personalvertreter wegen der Anzahl der Dienstnehmer kein ausreichendes Datenmaterial für einen solchen Vergleich zur Verfügung stehe. Mit diesem Argument spricht der Kläger keine Frage der Auslegung des § 35 W-PVG, sondern beweisrechtliche Probleme an. Die Rechtsprechung stellt aber, wie bereits ausgeführt, für den Beweis des typischen Karriereverlaufs ohnehin auf die überwiegende Wahrscheinlichkeit ab (9 ObA 10/21t, 9 ObA 1/91).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [26] Dass § 35 W-PVG eine von §§ 115 ff ArbVG abweichende Interessenlage zugrunde liegt, wird dagegen im Rekurs nicht aufgezeigt und ist davon auch nicht auszugehen. Insbesondere hätte es bei einem Vergleich nur mit anderen Personalvertretern der Arbeitgeber in der Hand, durch Schaffung einer eigenen Entlohnungsgruppe für Personalvertreter durch besondere Begünstigungen oder einer Schlechterstellung gegenüber anderen Arbeitnehmern auf die Personalvertreter Einfluss zu nehmen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [27] 6. Zu Recht ist daher das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass das Verfahren hinsichtlich des fiktiven durchschnittlichen Karriereverlaufs, zu dem das Erstgericht keine Feststellungen getroffen hat, ergänzungsbedürftig ist. Schon aus diesem Grund hat es bei der Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils zu bleiben.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [28] Auf die Ausführungen des Berufungsgerichts zum arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz kommt der Rekurs nicht mehr zurück. Darauf muss daher nicht weiter eingegangen werden.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [29] 7. Dem Rekurs des Klägers war daher nicht Folge zu geben.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [30] 8. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240919_OGH0002_0090OB00062_23T0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-22 | 2024-10-23 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240919_OGH0002_0090OB00062_23T0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240919_OGH0002_0090OB00062_23T0000_000/JJT_20240919_OGH0002_0090OB00062_23T0000_000.html | 9Ob62/23t | ECLI:AT:OGH0002:2024:0090OB00062.23T.0919.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner, Mag. Korn, Dr. Stiefsohn und Dr. Wallner-Friedl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Land *, 2. Gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft „L*“, eingetragene Gen.m.b.H., *, 3. E*gesellschaftmbH *, 4. W* Gesellschaft m.b.H., *, 5. WS* reg.Gen.m.b.H., *, 6. N* Gemeinnützige Wohnungs- und SiedlungsgesmbH, *, 7. *, eingetragene Gen.m.b.H., *, 8. Gemeinnützige Wo*genossenschaft *, 9. *, Gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung, *, 10. *S* reg.Gen.m.b.H., *, 11. I* reg. Gen.m.b.H., *, 12. * GmbH, *, 13. * I*aktiengesellschaft, *, 14. Ge*gesellschaftmbH *, und 15. GE* Wohnungsgesellschaft m.b.H., *, alle vertreten durch Binder Grösswang Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. O* Gesellschaft mbH, *, vertreten durch bpv Hügel Rechtsanwälte GmbH in Wien, 2. S* GmbH, * GmbH, *, beide vertreten durch Baker McKenzie Rechtsanwälte LLP und Co KG in Wien, 4. K* AG, *, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, und 5. T* Gesellschaft mbH, *, vertreten durch Freshfields Bruckhaus Deringer Rechtsanwälte PartG mbB in Wien wegen Zahlung und Feststellung, aus Anlass der Revision der erstklagenden Parteien (Revisionsinteresse 367.435,61 EUR) gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien vom 7. Juli 2023, GZ 5 R 50/23v-122, den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft">Die gemeinsame Ruhensanzeige der Parteien dient zur Kenntnis.</p><p class="ErlText AlignLeft">Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"> [1] Auch im Revisionsverfahren können die Parteien Ruhen des Verfahrens vereinbaren, wodurch für die Dauer des Ruhens des Verfahrens eine Sachentscheidung des Obersten Gerichtshofs entfällt (RS0041994).</p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240919_OGH0002_0090OB00070_24W0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-15 | 2025-01-03 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240919_OGH0002_0090OB00070_24W0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240919_OGH0002_0090OB00070_24W0000_000/JJT_20240919_OGH0002_0090OB00070_24W0000_000.html | 9Ob70/24w | ECLI:AT:OGH0002:2024:0090OB00070.24W.0919.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hargassner, Mag. Korn, Dr. Stiefsohn und Dr. Wallner-Friedl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I*, Schweiz, vertreten durch die Sutterlüty Klagian Brändle Gisinger Lingenhöle Rechtsanwälte GmbH in Dornbirn, gegen die beklagte Partei E*, vertreten durch die Lerch Nagel Heinzle Rechtsanwälte GmbH in Lustenau, wegen Räumung, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom 28. März 2024, GZ 3 R 46/24y-17, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Bregenz vom 12. Jänner 2024, GZ 3 C 937/23f-7, aufgehoben wurde, den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Rekurs wird zurückgewiesen.</p><p class="ErlText AlignLeft">Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.333,25 EUR bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p><p class="ErlText AlignLeft"> [1] Die Klägerin ist die Wohnungseigentümerin mehrerer zu einer Einheit verbundener Wohnungseigentumsobjekte (in der Folge: Wohnung). Ihr 1931 geborener, an Parkinson erkrankter Vater hat an der Wohnung ein Fruchtgenussrecht. Bis 5. 9. 2023 bewohnte er sie gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin, der Beklagten. Am 5. 9. 2023 holten ihn die Klägerin und ihr Bruder aus der Wohnung ab und brachten ihn zuletzt am Ferienwohnsitz der Klägerin in Südfrankreich unter. Die Beklagte wohnt seither allein in der Wohnung. Es steht nicht fest, dass der Vater der Klägerin das „Benützungsrecht“ der Beklagten „widerrufen“ hätte.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [2] Die Klägerin begehrte von der Beklagten gestützt auf § 366 ABGB die Räumung und Übergabe der Wohnung sowie hilfsweise die Feststellung, dass zwischen dem Vater der Klägerin und der Beklagten keine Lebensgemeinschaft bestehe. Die Lebensgemeinschaft zwischen dem Vater der Klägerin und der Beklagten sei beendet. Die Beklagte sei eine neue Lebensgemeinschaft eingegangen. Der Vater der Klägerin lebe nur vorübergehend am Ferienwohnsitz der Klägerin. Er wolle in die Wohnung zurückkehren, was aber unzumutbar sei, solange sie die Beklagte nicht räume.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [3] Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und entgegnete, die Lebensgemeinschaft mit dem Vater der Klägerin sei nach wie vor aufrecht. Mangels eines Widerrufs habe sie weiterhin ein vom Vater der Klägerin abgeleitetes Benützungsrecht.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [4] Das Erstgericht wies das Räumungsbegehren mit der Begründung ab, die Beklagte sei aufgrund eines durch ihre Lebensgemeinschaft mit dem Fruchtgenussberechtigten begründeten „familienrechtlichen Wohnverhältnisses“ zur Benützung der Wohnung berechtigt. Dieses „familienrechtliche Wohnverhältnis“ werde nicht durch die (allfällige) Auflösung der Lebensgemeinschaft beendet, sondern erst durch den Widerruf seitens des Fruchtgenussberechtigten. Ein solcher stehe nicht fest. Das hilfsweise gestellte Feststellungsbegehren wies das Erstgericht begründungslos ab.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [5] Das Berufungsgericht hob das Ersturteil auf und trug dem Erstgericht die Verfahrensergänzung zur Frage auf, ob die Lebensgemeinschaft zwischen dem Vater der Klägerin und der Beklagten beendet worden sei oder weiterhin aufrecht bestehe. Das aus der Lebensgemeinschaft abgeleitete Benützungsrecht ende mit der Auflösung der Lebensgemeinschaft, ohne dass es eines Widerrufs bedürfe. Das Erstgericht habe zur entscheidungswesentlichen Frage des aufrechten Bestands der Lebensgemeinschaft keine Feststellungen getroffen. Bei neuerlicher Abweisung des Räumungsbegehrens sei die Entscheidung über das hilfsweise gestellte Feststellungsbegehren zu begründen.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [6] Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Es gebe keine einheitliche Rechtsprechung zur Frage, ob es vom wirksamen Bestand des vom Vertragspartner des Eigentümers abgeleiteten, die Mitbenützung rechtfertigenden Rechtsverhältnisses abhänge, ob der Eigentümer direkt mit Räumungsklage gegen den Dritten vorgehen könne. Weiters fehle Rechtsprechung zur Frage, ob das aus einer Lebensgemeinschaft abgeleitete Mitbenützungsrecht mit Auflösung der Lebensgemeinschaft automatisch erlösche oder ob es zusätzlich eines gesonderten Widerrufs des Mitbenützungsrechts durch den ehemaligen Lebensgefährten bedürfe.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"> [7] Der Rekurs der Beklagten ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [8] 1. Die Parteien ziehen nicht in Zweifel, dass der Vater der Klägerin im Rahmen seines Fruchtgenussrechts zur Aufnahme einer Lebensgefährtin in die Wohnung berechtigt ist und dass eine aufrechte Lebensgemeinschaft der Beklagten mit dem Vater der Klägerin dem Räumungsbegehren entgegenstehen würde.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [9] 2. Die Beklagte meint aber, das Berufungsgericht sei insofern von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen, als ein „prekaristisch eingeräumtes Wohnrecht“ nicht mit – der von ihr bestrittenen – Beendigung der Lebensgemeinschaft erlösche, sondern „widerrufen“ werden müsse. Sie steht auf dem Standpunkt, sie wäre auch im Fall der Beendigung der Lebensgemeinschaft zur (weiteren) Benützung der Wohnung berechtigt, weil der Vater der Klägerin ihr „Benützungsrecht“ nicht „widerrufen“ habe. Damit zeigt sie keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf:</p><p class="ErlText AlignLeft"> [10] 2.1. Nach der gefestigten Rechtsprechung entstehen allein mit der Aufnahme einer Lebensgemeinschaft weder dingliche noch obligatorische noch familienrechtliche Beziehungen (RS0011874; 3 Ob 65/21m). Der (ehemalige) Lebensgefährte, der zur Nutzung eines Hauses oder einer Wohnung berechtigt ist, kann daher vom anderen (ehemaligen) Lebensgefährten, der bei ihm wohnt, jederzeit die Räumung des Hauses oder der Wohnung verlangen (RS0011874; RS0010337; 3 Ob 65/21m). Das gilt nur dann nicht, wenn der andere (ehemalige) Lebensgefährte behauptet und beweist, dass das Räumungsbegehren schikanös wäre (RS0010345) oder dass er ein von der Lebensgemeinschaft unabhängiges Benützungsrecht hat (RS0011874; 3 Ob 65/21m).</p><p class="ErlText AlignLeft"> [11] 2.2. Ein Prekarium dagegen ist nach der ebenso gefestigten Rechtsprechung ein Vertrag (RS0019212), dessen entscheidendes Kriterium die Gestattung der Benützung gegen jederzeitigen Widerruf ist (RS0019221). Im Gegensatz zur Lebensgemeinschaft begründet das Prekarium also eine obligatorische Beziehung, deren wirksame Beendigung einen Widerruf voraussetzt.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [12] 2.3. Die Annahme der Beklagten, allein durch die Aufnahme einer Lebensgemeinschaft in einem Haus oder einer Wohnung eines Lebensgefährten werde dem anderen Lebensgefährten „prekaristisch“ ein Wohnrecht eingeräumt, das erst dann erlösche, wenn es der Bittleihgeber widerrufe, ist mit der Rechtsprechung nicht vereinbar. Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts dagegen, das aus der Lebensgemeinschaft mit dem Vater der Klägerin abgeleitete Benützungsrecht der Beklagten ende auch im Verhältnis zur Klägerin mit der Auflösung der Lebensgemeinschaft, ohne dass es eines Widerrufs durch ihren Vater bedürfe, hält sich im Rahmen dieser Rechtsprechung. Eine erhebliche Rechtsfrage ist insofern nicht zu erkennen.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [13] 2.4. Die vom Berufungsgericht und im Rekurs angeführten Entscheidungen (8 Ob 540/93; 3 Ob 278/04k; 1 Ob 106/19y [vom 19. 11. 2019]) können die Zulässigkeit des Rekurses schon deshalb nicht begründen, weil die dort Beklagten nicht vorgebracht hatten, aufgrund einer Lebensgemeinschaft mit dem Nutzungsberechtigten zur weiteren Benützung eines Objekts berechtigt zu sein.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [14] 3. Andere Argumente dafür, dass die den Aufhebungsbeschluss tragende Begründung des Berufungsgerichts – die Entscheidung über das Räumungsbegehren hänge davon ab, ob eine Lebensgemeinschaft der Beklagten mit dem Vater der Klägerin bestehe, weshalb das Erstgericht das Beweisverfahren und Feststellungen zu dieser Frage nachzutragen habe – eine erhebliche Rechtsfrage aufwerfen würde, sind dem Rekurs nicht zu entnehmen.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [15] 4. Der Rekurs ist daher zurückzuweisen.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [16] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat in der Rekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen. Ihr Kostenverzeichnis ist aber um die verzeichnete Umsatzsteuer zu kürzen: Die in der Schweiz ansässige Klägerin hat für die Leistungen ihrer Vertreterin – aus deren Tätigkeit als Rechtsanwälte GmbH mit Sitz in Österreich – kommentarlos 20 % Umsatzsteuer verzeichnet. Nach § 3a Abs 6, Abs 7 und Abs 14 Z 3 UStG unterlägen die Leistungen der Klagevertreterin nur dann der österreichischen Umsatzsteuer, wenn die Klägerin eine Nichtunternehmerin im Sinne des § 3a Abs 5 Z 3 UStG wäre und außerdem einen Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Gemeinschaftsgebiet hätte (§ 3a Abs 14 Z 3 UStG e contrario). Andernfalls unterlägen die Leistungen der Klagevertreterin der schweizerischen Umsatzsteuer, deren Höhe nicht gerichtsbekannt ist (vgl RS0114955 [T13]). Die Klägerin hat weder die Voraussetzungen dafür behauptet und bescheinigt, dass für die Leistungen ihrer Vertreterin die österreichische Umsatzsteuer anfiele, noch die Höhe der schweizerischen Umsatzsteuer. Sie hat daher insofern keinen Kostenersatzanspruch (vgl § 54 Abs 1 ZPO).</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240919_OGH0002_009OBA00037_24T0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-09 | 2024-10-09 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240919_OGH0002_009OBA00037_24T0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240919_OGH0002_009OBA00037_24T0000_000/JJT_20240919_OGH0002_009OBA00037_24T0000_000.html | 9ObA37/24t | ECLI:AT:OGH0002:2024:009OBA00037.24T.0919.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Hargassner und die Hofrätin Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Ingomar Stupar (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Thomas Kallab (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. A*, vertreten durch lawpoint Hütthaler-Brandauer & Akyürek Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Stadt Wien, Rathausstraße 4, 1082 Wien, vertreten durch Mag. Dieter Kieslinger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Kündigungsanfechtung, in eventu Feststellung (Streitwert: 53.389,06 EUR) über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. Februar 2024, GZ 9 Ra 109/23z-48, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 12. Oktober 2023, GZ 26 Cga 25/21t-44, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="Abstand AlignLeft"></p><p class="ErlText AlignLeft">Der Revision wird nicht Folge gegeben.</p><p class="ErlText AlignLeft">Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.685,48 EUR (darin enthalten 447,58 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Entscheidungsgründe:</p><p class="ErlText AlignLeft"> [1] Der Kläger war bei der Beklagten ab 14. 1. 2019, zunächst befristet bis 13. 1. 2020, ab 14. 1. 2020 unbefristet beschäftigt. Auf das Dienstverhältnis ist das Wiener Bedienstetengesetz (W-BedG) anzuwenden.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [2] Am 10. 1. 2019 wurde die Tochter des Klägers geboren. Der Kläger beantragte am 3. 10. 2019 einen Karenzurlaub gemäß § 68 W-BedG vom 16. 12. 2019 bis 14. 2. 2020 zur Betreuung seiner Tochter, der ihm auch gewährt wurde.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [3] Am 27. 7. 2020 beantragte der Kläger eine Teilzeitbeschäftigung gemäß § 59 W-BedG ab 1. 11. 2020 zur Betreuung seiner Tochter im Ausmaß von 32 Wochenstunden bei einer 4-Tage-Woche von Dienstag bis Freitag. Mit Mail vom 23. 10. 2020 teilte die Dienststellenleitung dem Kläger mit, dass „wie bereits mitgeteilt“ sein Antrag auf Teilzeitbeschäftigung „aus dienstlichen Gründen in der vorliegenden Form nicht genehmigungsfähig“ sei. Es werde „daher für Anfang November ein Termin unter Einbindung der Stabstelle Personal angesetzt werden“. Ab 3. 11. 2020 befand sich der Kläger mit Ausnahme des 20. 11. 2020 durchgehend im Krankenstand.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [4] Mit Schreiben vom 9. 4. 2021, dem Kläger zugegangen am 16. 4. 2021, kündigte die Beklagte das Dienstverhältnis zum 30. 6. 2021.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [5] Grund für die Kündigung war weder der Antrag des Klägers auf Karenzurlaub, noch der Antrag des Klägers auf Elternteilzeit, sondern alleine der Umstand, dass der Kläger der Beklagten aufgrund seines mehrmonatigen Krankenstands nicht zur Verfügung stand und die Beklagte erst nach Beendigung des Dienstverhältnisses mit dem Kläger den Dienstposten nachbesetzen konnte.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [6] Der <span class="Fett">Kläger</span> begehrt die Kündigung für rechtsunwirksam zu erklären, in eventu das aufrechte Fortbestehen des Dienstverhältnisses über den 30. 6. 2021 hinaus festzustellen. Er bringt – soweit für das Revisionsverfahren noch von Relevanz – vor, die Kündigung sei aufgrund des von ihm in Anspruch genommenen Karenzurlaubs gemäß § 68 W-BedG, der de facto eine Eltern-Karenz iSd § 53 W-BedG gewesen sei, erfolgt. Darin liege eine Diskriminierung wegen des Geschlechts, die zur Anfechtung der Kündigung berechtige.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [7] Er habe einen Antrag auf Elternteilzeit gestellt und daher Kündigungsschutz gemäß § 129 Abs 6 und 7 W-BedG. Die dreijährige Wartefrist für den Anspruch auf Elternteilzeit gelte gemäß § 59 Abs 2 W-BedG nicht, wenn der Bedienstete für das Kind, für das er die Teilzeitbeschäftigung beantrage, Anspruch auf Eltern-Karenz gemäß § 53 W-BedG gehabt habe. Auf die tatsächliche Inanspruchnahme der Eltern-Karenz gemäß § 53 W-BedG komme es nicht an. Der Kündigungsschutz habe mit der Einbringung des Antrags begonnen und laufe bis 10. 2. 2024, also einen Monat nach Ablauf des vierten Lebensjahres des Kindes. Das W-BedG regle nicht, was im Fall eines Anspruchs auf Elternteilzeit, dem vom Dienstgeber nicht entsprochen werde, zu geschehen habe. Es sei jedoch davon auszugehen, dass die beantragte Elternteilzeit zustehe, wenn die Beklagte deren Ablehnung nicht gerichtlich durchsetze. Überdies werde das Klagebegehren „auch auf § 22 iVm § 119 W-BedG gestützt“.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [8] Mit Schriftsatz vom 16. 3. 2023 (ON 33) brachte der Kläger vor, er sei wegen seines Krankenstands gekündigt worden. Darin liege eine Diskriminierung bei der Beendigung des Dienstverhältnisses wegen einer Behinderung iSd § 22 Abs 1 Z 7 W-BedG. Der lang dauernde Krankenstand des Klägers erfülle die Voraussetzungen des § 22 Abs 2 W-BedG.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [9] Die <span class="Fett">Beklagte</span> bestreitet und wendet zusammengefasst ein, die Kündigung sei weder wegen des Karenzurlaubs noch wegen des Antrags auf Elternteilzeit, sondern wegen einer mangelhaften Arbeitsleistung des Klägers erfolgt. Die vom Kläger beantragte Teilzeitbeschäftigung von 32 Wochenstunden sei aus dienstlichen Gründen abgelehnt und dem Kläger eine Reduktion der Arbeitszeit auf 20 Wochenstunden angeboten worden. Diesen Vorschlag habe er abgelehnt. Daraufhin sei eine schriftliche Ablehnung der beantragten Teilzeitbeschäftigung erfolgt. In der Folge habe sich der Kläger durchgehend im Krankenstand befunden.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [10] Der Kläger habe keinen Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung zur Betreuung seines Kindes gemäß § 59 W-BedG. Die dreijährige Wartefrist des § 59 Abs 2 W-BedG entfalle nur, wenn der Bedienstete für das Kind, für das Elternteilzeit begehrt werde, Anspruch auf Eltern-Karenz gemäß § 53 W-BedG gehabt habe. Mangels Antragstellung habe der Kläger einen solchen Anspruch nicht gehabt.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [11] Eine Diskriminierung wegen einer Behinderung sei erstmals mit Schriftsatz vom 16. 3. 2023 und damit nicht in der vierwöchigen Anfechtungsfrist geltend gemacht worden. Es werde daher Verfristung eingewendet. Darüber hinaus liege keine Behinderung des Klägers vor. Die Kündigung sei für den Fall des Vorliegens einer Behinderung jedenfalls auch gerechtfertigt. Der Kläger sei für die dienstvertragliche Tätigkeit gesundheitlich ungeeignet.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [12] Das <span class="Fett">Erstgericht</span> wies das Klagebegehren ab. Der Kläger könne sich zwar auf den Entfall der dreijährigen Wartefrist des § 59 Abs 2 W-BedG berufen, weil es nach dem zweiten Fall dieser Bestimmung nur auf den Anspruch auf Eltern-Karenz gemäß § 53 W-BedG ankomme, den der Kläger gehabt, wenn auch nicht in Anspruch genommen habe. Daraus folge ein Anspruch des Klägers auf Elternteilzeit. Der Kündigungsschutz des § 129 Abs 7 W-BedG beginne mit der Einbringung des Antrags auf Elternteilzeit und ende einen Monat nach Ende der Elternteilzeit, spätestens aber einen Monat nach Ablauf des vierten Lebensjahres des Kindes. Ein früheres Ende des Kündigungsschutzes trete ein, wenn keine Einigung über die Bedingungen der Teilzeitbeschäftigung zustande komme und der Arbeitnehmer dagegen keine rechtlichen Schritte unternehme. Der Kläger sei gegen die Ablehnung seines Antrags bis zu der am 16. 4. 2021 zugegangenen Kündigung nicht vorgegangen. Obwohl das W-BedG keine entsprechenden Vorgaben enthalte, sei davon auszugehen, dass der Kläger gegen die Ablehnung seines Antrags im Sinne einer Aufgriffsobliegenheit hätte gerichtlich vorgehen müssen. Da er dies über mehr als sechs Monate nicht getan habe, könne er sich nicht auf den Kündigungsschutz des § 129 Abs 7 W-BedG berufen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [13] Das Erstgericht verneinte weiters sowohl eine unmittelbare als auch eine mittelbare Beendigungsdiskriminierung aufgrund einer Behinderung. Die Kündigung wegen der Krankenstände des Klägers sei gemäß § 22 Abs 4 W-BedG gerechtfertigt. Darüber hinaus habe er eine Diskriminierung wegen Behinderung erst nach Ablauf der vierwöchigen Anfechtungsfrist des § 123 W-BedG geltend gemacht.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [14] Das <span class="Fett">Berufungsgericht</span> gab der gegen diese Entscheidung gerichteten Berufung des Klägers nicht Folge. Gemäß § 59 Abs 2 W-BedG in der anzuwendenden Fassung vor der 2. Dienstrechts-Novelle 2023, LGBl 16/2023, bestehe ein Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung nur, wenn das Dienstverhältnis zum Zeitpunkt des Antritts der Teilzeitbeschäftigung ununterbrochen drei Jahre gedauert habe. Diese Wartefrist gelte nur dann nicht, wenn der Bedienstete für dieses Kind Anspruch auf Eltern-Karenz gemäß § 53 W-BedG gehabt habe. Der vom Kläger in Anspruch genommene Karenzurlaub gemäß § 68 W-BedG unterscheide sich von einer Eltern-Karenz gemäß § 53 Abs 1 W-BedG und erfülle damit diese Voraussetzung nicht. Der Anspruch auf Eltern-Karenz sei nicht an eine Mindestbeschäftigungsdauer geknüpft. Offenbar deshalb normiere der Landesgesetzgeber analog zu § 12 VBO 1995 auch in § 59 Abs 2 W-BedG eine Ausnahme von der dreijährigen Wartefrist.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [15] Übe der Bedienstete sein Gestaltungsrecht nicht aus, stelle er also keinen entsprechenden Antrag, entstehe auch der Anspruch auf Eltern-Karenz nicht. Die bloße Möglichkeit, Eltern-Karenz erfolgreich geltend machen zu können, genüge nicht für einen Anspruch auf Elternteilzeit. Ob eine beantragte Eltern-Karenz auch tatsächlich konsumiert worden sein müsse, um zum Entfall der Wartefrist zu führen, könne dahingestellt bleiben. Der Kläger erfülle diese Voraussetzungen nicht, weshalb auch kein Kündigungsschutz nach § 129 Abs 6 und 7 W-BedG bestehe.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [16] Ein Nachschieben von Anfechtungsgründen nach Ablauf der Anfechtungsfrist sei unzulässig. Dagegen könne ein fristgerecht vorgebrachter Anfechtungsgrund auch noch nach Fristablauf konkretisiert werden. Zwar werde in der Klage das Klagebegehren auch auf „§ 22 iVm § 119 W-BedG“ gestützt, weder das sonstige Klagsvorbringen an sich noch die Systematik der Darstellung gäben jedoch einen Hinweis darauf, dass das als Hauptbegehren erhobene Anfechtungsbegehren nicht nur auf eine Diskriminierung wegen des Geschlechts (§ 3 Z 7 W-GBG) gestützt werde. Auch könne der Klage nicht entnommen werden, auf welches geschützte Merkmal und auf welchen in § 22 W-BedG genannten Diskriminierungstatbestand der Kläger sich berufen wolle. Erstmals im Schriftsatz ON 33 habe er ein Vorbringen erstattet, das erkennen lasse, dass er sich auch aufgrund einer Behinderung als diskriminiert erachte. Damit habe der Kläger den Anfechtungsgrund der Diskriminierung wegen Behinderung aber verspätet geltend gemacht.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [17] Die Revision wurde vom Berufungsgericht zugelassen, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu § 59 Abs 2 W-BedG vorliege.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [18] Gegen diese Entscheidung richtet sich die <span class="Fett">Revision des Klägers</span> mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahingehend abzuändern, dass der Klage stattgegeben wird. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [19] Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"> [20] Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [21] 1. Voranzustellen ist, dass die vom Kläger in erster Instanz relevierten Mobbingvorwürfe nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens sind. Darauf muss daher nicht weiter eingegangen werden.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [22] 2. Nach § 59 Abs 2 W-BedG in der hier anzuwendenden Fassung vor der 2. Dienstrechts-Novelle 2023, LGBl 2023/16, hat die bzw der Bedienstete einen Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung nach Abs 1 dieser Bestimmung, wenn das Dienstverhältnis zum Zeitpunkt des Antritts der Teilzeitbeschäftigung ununterbrochen drei Jahre gedauert hat; diese Wartefrist gilt nicht, wenn die bzw der Bedienstete für dieses Kind Anspruch auf Eltern-Karenz gemäß § 53 W-BedG gehabt hat.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [23] 3. Im Revisionsverfahren ist nicht mehr strittig, dass der vom Kläger in Anspruch genommene Karenzurlaub nach § 68 W-BedG diese Voraussetzung nicht erfüllt und eine Eltern-Karenz iSd § 53 W-BedG von ihm nicht beantragt und nicht in Anspruch genommen wurde. Weiters erfüllte der Kläger zum Zeitpunkt des beabsichtigten Antritts der Teilzeitbeschäftigung die dreijährige Wartefrist nicht.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [24] Zu prüfen bleibt daher, wie die Formulierung „wenn die bzw der Bedienstete für dieses Kind Anspruch auf Eltern-Karenz gemäß § 53 W-BedG gehabt hat“, zu verstehen ist und ob der Kläger diese Voraussetzung erfüllt.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [25] 4. Nach § 53 Abs 1 W-BedG idF LGBl 2017/33 gebührt der bzw dem Bediensteten auf Antrag eine Eltern-Karenz (gegen Entfall der Bezüge) bis zum Ablauf von zwei Jahren nach der Geburt des Kindes. Die Eltern-Karenz kann einmalig in der Dauer von einem Monat aus Anlass des Wechsels der Betreuungsperson durch beide Elternteile gleichzeitig in Anspruch genommen werden; dies gilt auch, wenn der Anspruch auf (Eltern-)Karenz eines Elternteiles auf einer gleichartigen Rechtsvorschrift beruht.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [26] Abs 4 leg cit sieht vor, dass die Eltern-Karenz gemäß Abs 1 und 2 frühestens acht Wochen nach der Geburt des Kindes beginnt und mindestens zwei Monate betragen muss.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [27] Nach Abs 5 ist der Antrag auf Eltern-Karenz</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">1. bei einer Eltern-Karenz gemäß Abs 1 und 2 spätestens acht Wochen nach der Geburt des Kindes,</span></p><p class="ErlText AlignLeft">…</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">3. wenn die Gemeinde Wien oder die Arbeitgeberin bzw der Arbeitgeber des anderen Eltern-, Adoptiveltern- oder Pflegeelternteiles eine Teilzeitbeschäftigung gemäß § 59 dieses Gesetzes oder anderen gleichartigen Rechtsvorschriften ablehnt, spätestens acht Wochen nach der Ablehnung zu stellen. Möchte die bzw der Bedienstete im Anschluss an eine nach Abs 1 bis 3 oder nach anderen gleichartigen Rechtsvorschriften in Anspruch genommene (Eltern-)Karenz des anderen Elternteiles oder im Anschluss an eine nach § 59 oder nach anderen gleichartigen Rechtsvorschriften in Anspruch genommene Teilzeitbeschäftigung des anderen Elternteiles Eltern-Karenz nach Abs 1 bis 3 in Anspruch nehmen, kann sie bzw er diese bis spätestens drei Monate, dauert die (Eltern-)Karenz oder die Teilzeitbeschäftigung jedoch weniger als drei Monate, bis spätestens zwei Monate vor Ende der (Eltern-)Karenz oder der Teilzeitbeschäftigung des anderen Elternteiles beantragen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [28] 5. Die Regelung zur Teilzeitbeschäftigung zur Betreuung eines Kindes nach § 59 W-BedG sollte nach den Gesetzesmaterialien „weitgehend“ § 12 VBO 1995 entsprechen (Beilage 19/2017 zu LGBl 2017/33 15). Eine § 12 VBO 1995 im Wesentlichen wörtlich entsprechende Bestimmung findet sich auch in § 28 DO 1994. Dabei sollte jeweils eine Anpassung der für die Wiener Gemeindebediensteten geltenden Rechtslage an jene des Bundes (Beilage 37/2005 zu LGBl 2006/14 11) und damit an das MSchG und VKG erfolgen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [29] 6. Nach herrschender Ansicht handelt es sich beim Anspruch auf Karenz nach dem MSchG bzw VKG, denen § 53 W-BedG nachgebildet ist, um ein einseitiges Gestaltungsrecht (vgl RS0133605; <span class="Kursiv">Bauer</span> in <span class="Kursiv">Burger-Ehrnhofer/Schrittwieser/Bauer</span>, Mutterschutzgesetz und Väter-Karenzgesetz<span class="Hoch">3</span> [2020] § 15 MSchG Rz 27, § 2 VKG Rz 3, 11). Gestaltungsrechte verleihen ihrem Inhaber die Rechtsmacht, durch einseitige (außergerichtliche oder gerichtliche) Willenserklärung ohne Mitwirkung eines anderen eine Veränderung der bestehenden Rechtslage herbeizuführen, Rechte zum Entstehen oder zum Erlöschen zu bringen oder zu ändern (RS0013908).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [30] Das Gestaltungsrecht wird in diesem Fall durch das an den Arbeitgeber gerichtete Verlangen auf Karenzierung ausgeübt (8 ObA 115/20z). Das Gesetz ist in diesem Umfang einseitig zwingend, da die Ausübung des Gestaltungsrechts und die Bestimmung über Ausmaß und Dauer der Karenz im Ermessen der Arbeitnehmerin/des Arbeitnehmers liegt (vgl <span class="Kursiv">Bauer</span> in <span class="Kursiv">Burger-Ehrnhofer/Schrittwieser/Bauer</span>, Mutterschutzgesetz und Väter-Karenzgesetz<span class="Hoch">3</span> [2020] § 15 MSchG Rz 28). Diese Grundsätze gelten auch für die Eltern-Karenz nach § 53 W-BedG.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [31] 7. Das bedeutet aber, dass der „Anspruch auf Eltern-Karenz“ nach § 53 W-BedG erst mit der Ausübung des Gestaltungsrechts entsteht. Dem entspricht auch, dass der Antrag auf Eltern-Karenz nur in einem engen zeitlichen Rahmen gestellt werden kann. Wird die Frist nicht eingehalten oder konnte sie etwa im Fall des § 53 Abs 5 Z 1 W-BedG, weil das Kind mehr als acht Wochen vor Beginn des Dienstverhältnisses geboren wurde, von vorneherein nicht eingehalten werden, hat der Dienstnehmer keinen Anspruch auf Eltern-Karenz auch wenn die übrigen Voraussetzungen erfüllt wären.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [32] Wenn die Revision damit argumentiert, dass der Anspruch von dessen Inanspruchnahme zu unterscheiden ist, so trifft das grundsätzlich zu. Sie übersieht dabei jedoch, dass bei einem einseitigen Gestaltungsrecht, der Anspruch erst durch die Ausübung des Gestaltungsrechts entsteht. Ob dieser durch die Ausübung des Gestaltungsrechts entstandene Anspruch dann in weiterer Folge auch „in Anspruch genommen werden muss“, um die Ausnahme von der Wartefrist nach § 59 Abs 2 W-BedG in der Fassung vor der 2. Dienstrechts-Novelle 2023, LGBl 2023/16, zu begründen, ist, worauf das Berufungsgericht bereits hingewiesen hat, im vorliegenden Fall nicht zu prüfen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [33] 8. Im Übrigen wäre bei einer anderen Auslegung die dreijährige Wartefrist weitestgehend sinnlos, da die theoretische Möglichkeit zur Inanspruchnahme einer Eltern-Karenz jedenfalls für sämtliche nach Begründung des Dienstverhältnisses geborene Kinder und über die Möglichkeit der geteilten Karenz auch für die meisten innerhalb von zwei Jahren vor Begründung des Dienstverhältnisses geborenen Kinder besteht. Demgegenüber wollte der Gesetzgeber offenbar den Eltern, die bereits eine Eltern-Karenz in Anspruch genommen haben, durch die leichtere Möglichkeit der Inanspruchnahme einer Elternteilzeit die Wahrnehmung von Betreuungspflichten bei gleichzeitigem Wiedereinstieg ins Arbeitsleben erleichtern.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [34] Entgegen der Rechtsansicht des Revisionswerbers ist diese Auslegung durch den äußerst möglichen Wortsinn (RS0016495) des § 59 Abs 2 Satz 1 zweiter Halbsatz W-BedG gedeckt. Diese Bestimmung stellt nämlich nicht bloß darauf ab, dass die bzw der Bedienstete einen Anspruch auf Eltern-Karenz gemäß § 53 W-BedG „hat“, sondern formuliert, dass sie bzw er einen solchen Anspruch „gehabt hat“. Diese Formulierung steht im Einklang mit dem dargestellten Wesen des Gestaltungsrechts, mit dessen Ausübung der Anspruch auf Eltern-Karenz entstanden ist, sodass ihn die oder der Bedienstete (erst dadurch) „gehabt hat“.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [35] 9. Wenn die Revision darauf hinweist, dass das Gesetz in § 59 Abs 5 W-BedG im Zusammenhang mit der aufgeschobenen Eltern-Karenz den Begriff „Inanspruchnahme“ verwendet und damit selbst eine Unterscheidung zwischen dem Recht und dessen Inanspruchnahme trifft, übergeht sie die Regelung des § 55 Abs 5 W-BedG, der die Anzeige der Absicht, aufgeschobene Eltern-Karenz in Anspruch zu nehmen, von der Inanspruchnahme unterscheidet. Es bedarf daher auch in diesem Fall einer Ausübung des Gestaltungsrechts vor einer Inanspruchnahme des damit entstandenen Rechts.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [36] 10. Dem Argument des Revisionswerbers, nach den Regelungen des MSchG und des VKG sei die Inanspruchnahme von Elternteilzeit unabhängig davon möglich, ob zuvor Karenz in Anspruch genommen wurde, ist entgegenzuhalten, dass dies auch im Anwendungsbereich des § 59 W-BedG so ist. Bedienstete, die zuvor Eltern-Karenz in Anspruch genommen haben, werden jedoch durch den Entfall der Wartezeit begünstigt, wodurch der Landesgesetzgeber den Wiedereinstieg in das Arbeitsleben nach einer Karenz erleichtern will. Die in diesem Zusammenhang behauptete Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes liegt nicht vor.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [37] 11. Das bedeutet, dass es zu einem Entfall der dreijährigen Wartefrist nur kommt, wenn die Voraussetzungen einer Eltern-Karenz nach § 53 W-BedG vorlagen und der Dienstnehmer eine solche auch beantragt hat. Das trifft auf den Kläger unstrittig nicht zu. Damit hatte der Kläger keinen Anspruch auf Teilzeit nach § 59 W-BedG und daher auch keinen Kündigungsschutz nach § 129 Abs 6 und 7 W-BedG.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [38] 12. Auf die Einhaltung der Aufgriffsobliegenheit kommt es daher nicht mehr an.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [39] 13. Nach § 123 Abs 1 W-BedG ist eine Kündigung, die unter Verletzung des Diskriminierungsverbots ausgesprochen wurde, innerhalb von vier Wochen nach Zugang derselben bei Gericht anzufechten. Das Nachschieben von Anfechtungsgründen nach Ablauf der Anfechtungsfrist ist unzulässig und eine Klagsänderung durch Geltendmachung eines neuen Anfechtungsgrundes ausgeschlossen. Es ist aber in dem Rahmen, in dem eine erweiterte Anleitung und Belehrung durch das Gericht zu erfolgen hat, eine Konkretisierung der fristgebundenen Anfechtungsgründe zulässig, wenn diese von dem allgemeinen Anfechtungsvorbringen umfasst sind (RS0106300).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [40] 14. Unstrittig hat der Kläger ein konkretes Vorbringen zu einer Diskriminierung wegen einer Behinderung erst nach Ablauf der vierwöchigen Frist erstattet. Dieses Vorbringen kann entgegen der Rechtsauffassung des Klägers aber auch nicht als Konkretisierung eines schon in der Klage erstatteten Vorbringens angesehen werden.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [41] Zwar enthält die Klage den Satz: „Das Klagebegehren wird auch auf § 22 iVm § 119 Wiener Bedienstetengesetz gestützt.“ Der Kläger hat sich dessen ungeachtet in seiner Klagserzählung nur auf eine Diskriminierung wegen des Geschlechts gestützt. Dass mit der Klage daher auch eine Anfechtung wegen einer Diskriminierung aufgrund einer Behinderung beabsichtigt war, lässt sich dem nicht entnehmen. Die bloße Nennung einer gesetzlichen Bestimmung, die mehrere Tatbestände aufweist, reicht zur Einhaltung der Frist für die Geltendmachung eines Diskriminierungstatbestands nicht aus, wenn gleichzeitig ein umfassendes Tatsachenvorbringen erstattet wird, das mit diesem Diskriminierungstatbestand in keinem Zusammenhang steht.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [42] Die inhaltliche Berechtigung eines solchen Anspruchs war daher wegen verspäteter Geltendmachung nicht zu prüfen.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [43] 15. Der insgesamt nicht berechtigten Revision des Klägers war daher nicht Folge zu geben.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [44] 16. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240919_OGH0002_009OBA00097_23I0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-15 | 2024-10-15 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240919_OGH0002_009OBA00097_23I0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240919_OGH0002_009OBA00097_23I0000_000/JJT_20240919_OGH0002_009OBA00097_23I0000_000.html | 9ObA97/23i | ECLI:AT:OGH0002:2024:009OBA00097.23I.0919.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Hargassner und die Hofrätin Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Ingomar Stupar (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Thomas Kallab (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei P* GmbH, *, vertreten durch Mag. Ulrich Berger und Mag. Christof Pusswald, Rechtsanwälte in Bruck an der Mur, gegen die beklagte Partei R*, vertreten durch Haider|Obereder|Pilz Rechtsanwält:innen GmbH in Wien, wegen Zustimmung zu einer Kündigung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22. August 2023, GZ 7 Ra 6/23s-51, mit der der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom 26. Juli 2022, GZ 22 Cga 21/19a-48, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="Abstand AlignLeft"></p><p class="ErlText AlignLeft">Der Revision wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahingehend abgeändert, dass sie zu lauten haben:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">„Das Klagebegehren, der klagenden Partei die Zustimmung zur Kündigung der beklagten Partei gemäß § 121 Z 3 ArbVG zu erteilen, wird abgewiesen.“</span></p><p class="ErlText AlignLeft">Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.883,40 EUR (darin enthalten 313,90 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Entscheidungsgründe:</p><p class="ErlText AlignLeft"> [1] Die Klägerin beschäftigt rund 90 Arbeiter:innen und 90 Angestellte. Der Beklagte ist seit 1. 7. 1997 bei der Klägerin im 3 Schicht-Modell vollzeitbeschäftigt. Er ist seit 20. 11. 2008 als (nicht freigestellter) Arbeiterbetriebsratsvorsitzender tätig.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [2] Die <span class="Fett">Klägerin</span> begehrt mit der am 18. 7. 2019 eingebrachten Klage die gerichtliche Zustimmung zur Kündigung des Beklagten. Sie bringt stark zusammengefasst vor, der Beklagte verletze seit Jahren – trotz mehrfacher Verwarnungen – beharrlich seine arbeitsvertraglichen Pflichten. Bei der Betriebsratstätigkeit handle es sich um ein Ehrenamt. Lediglich für jene Obliegenheiten als Betriebsratsmitglied, welche zwingend während der Arbeitszeit erfüllt werden müssten, habe der Beklagte einen Anspruch auf Freistellung unter Fortzahlung des Entgelts. Neben früheren Vorfällen sei der Beklagte auch 2019 wiederholt seiner Arbeitspflicht unter Verweis auf betriebsrätliche Tätigkeit nicht nachgekommen und verwarnt worden. Zuletzt habe er am 29. 6. 2019 (Samstag) um 3:49 Uhr den Betriebsleiter per E-Mail informiert, dass er am 1. 7. 2019 ab 13:00 Uhr „Betriebsratsstunden nehmen“ werde, da am 2. 7. 2019 in der Dauer von mindestens 8 Stunden eine Betriebsratssitzung stattfinde, welche eventuell am 3. 7. 2019 fortzusetzen sei. Der Beklagte habe dieses Vorhaben in die Tat umgesetzt, obwohl der Betriebsleiter ihn ausdrücklich aufgefordert habe, ordnungsgemäß zur Arbeit zu erscheinen. Am 8. 7. 2019 sei der Beklagte der ihm zugewiesenen Schicht erneut mit der Begründung einer „betriebsrätlichen Pflichtenerfüllung“ ferngeblieben und habe nach Aufforderung eine Bestätigung über ein Beratungsgespräch bei der Gewerkschaft vorgelegt. Auch dieses sei nicht zwingend während der Arbeitszeit zu führen gewesen.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [3] Beim Beklagten seien 2018 861 gearbeiteten Stunden 692 Stunden Arbeitszeit für Betriebsratstätigkeiten gegenüber gestanden, 2019 bis einschließlich 10. 7. bei 993 Sollstunden 454 Betriebsratsstunden. Dies könne nicht mehr mit einer gesetzeskonformen Betriebsratstätigkeit in Einklang gebracht werden, sondern stelle eine grundlegende Arbeitsverweigerung dar.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [4] Außerdem beschimpfe und beleidige der Beklagte mitunter Kolleg:innen und schüchtere diese auch ein. In diesem Zusammenhang sei er zuletzt am 18. 3. 2021 verwarnt worden. Schließlich habe der Beklagte gegenüber der Geschäftsleitung und auch Dritten den Vorwurf erhoben, seitens der Klägerin sei es zu Prämienmanipulationen und illegalen Machenschaften auf dem Rücken der Belegschaft gekommen. Dies habe sich zwischenzeitig als unrichtig und haltlos erwiesen.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [5] Die dargestellten Vorfälle veranschaulichten, dass der Beklagte – trotz zahlreicher Verwarnungen – seinen arbeitsvertraglichen Pflichten nicht nachkomme und dienstliche Anweisungen beharrlich missachte. Daher sei der Klägerin die Weiterbeschäftigung des Beklagten nicht zumutbar, weshalb die Voraussetzungen für die gerichtliche Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung gemäß § 121 Z 3 ArbVG vorlägen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [6] Eine Verfristung der Klage werde bestritten. Die Klägerin habe auf die zahlreichen Verfehlungen des Beklagten zuerst mit schriftlichen Verwarnungen und in der Folge mit Entgeltkürzungen reagiert; als der Zustand durch die Fortsetzung des renitenten Verhaltens des Beklagten untragbar geworden sei, habe sie sich unverzüglich entschlossen, die Klage auf Zustimmung zur Kündigung einzubringen.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [7] Der <span class="Fett">Beklagte</span> bestreitet das Klagebegehren. Er bringt zusammengefasst vor, aufgrund seiner umfangreichen Aufgaben als Vorsitzender des Betriebsrats der Arbeiter:innen sei es sehr oft unumgänglich, dass er Betriebsratstätigkeiten auch während der Arbeitszeit vornehme. Er sei nie unentschuldigt der Arbeit ferngeblieben. Selbst wenn man von einer Verständigungspflicht ausgehe, habe der Beklagte die Klägerin jedenfalls nur „in groben Umrissen“ über den Grund und die voraussichtliche Dauer der Abwesenheit zu informieren gehabt. Ein Verstoß dagegen stelle maximal eine Ordnungswidrigkeit dar. Falls er tatsächlich seine Freizeitansprüche „überschritten“ habe, hätte dies lediglich eine Entgeltkürzung zur Folge. Am 29. 6. 2019 habe er den Betriebsleiter schriftlich über die für 2. 7. 2019 anberaumte Betriebsratssitzung informiert. Am 8. 7. 2019 habe er keine arbeitsvertragsrechtliche Verfehlung begangen, sondern eine dringend notwendige Betriebsratstätigkeit wahrgenommen. Insgesamt lägen daher die Voraussetzungen für eine Zustimmung zur Kündigung des Beklagten wegen beharrlicher Pflichtenverletzung nicht vor. Eine entsprechende Klage sei im Übrigen auch dann abzuweisen, wenn das Fehlverhalten des Betriebsratsmitglieds in Ausübung seines Mandats gesetzt worden und unter Abwägung der Umstände des Falls entschuldbar sei.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [8] Die Klage sei auch verspätet. Die letzte Verwarnung datiere vom 13. 6. 2019 und der letzte vorgebrachte Vorfall vom 8. 7. 2019. Bei der Zeitspanne von 10 Tagen bis zur Klagseinbringung könne nicht mehr von einer unverzüglichen Geltendmachung des Kündigungsrechts gesprochen werden. Dieses sei somit verwirkt. Aufgrund des Zuwartens mit der Klagserhebung sei auch nicht von einer Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung des Beklagten auszugehen.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [9] Das <span class="Fett">Erstgericht</span> gab der Klage statt.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [10] Neben detaillierten Feststellungen zu früheren von der Klägerin angeführten Vorfällen, ging es hinsichtlich der Vorwürfe nach der letzten Ermahnung von folgendem Sachverhalt aus:</p><p class="ErlText AlignLeft"> [11] Fünf Tage vor dem 17. 6. 2019 informierte der Beklagte den Betriebsleiter der Klägerin darüber, dass er sich vom 17. bis 19. 6. 2019 bei einer Schulungsveranstaltung befinden werde. Der Beklagte wurde aufgefordert, eine Teilnahmebestätigung und ein Seminarprogramm vorzulegen. Dieser Aufforderung kam der Beklagte am 18. 6. 2019 nach. Für die Teilnahme an dieser Veranstaltung bezahlte die Klägerin dem Beklagten kein Entgelt. In einem diesbezüglich vom Beklagten eingeleiteten Gerichtsverfahren, wurde ein Vergleich geschlossen.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [12] Am 2. 7. 2019 fand eine Betriebsratssitzung statt. Davon und von beanspruchten „Betriebsratsstunden“ am 1. 7. 2019 ab 13:00 Uhr informierte der Beklagte den Betriebsleiter erst am 29. 6. 2019. Die Dringlichkeit dieser Sitzung – und damit die Notwendigkeit, sie während der Arbeitszeit des Beklagten abzuhalten und sehr kurzfristig anzukündigen – steht nicht fest (Anm.: dislozierte Feststellung). Mit Schreiben vom 3. 7. 2019 teilte der Beklagte der Geschäftsführung der Klägerin mit, dass in der Betriebsratssitzung am 2. 7. 2019 festgestellt worden sei, dass die Vorgehensweise der Prämienberechnung der Klägerin rechtswidrig sei. Im Zusammenhang mit der Prämienberechnung der Klägerin sprach der Beklagte gegenüber Dritten von „illegalen Machenschaften“ und dem Verdacht eines strafbaren Verhaltens, unter anderem auch noch in einem E-Mail vom 18. 12. 2019. Letztlich wurde in einer Sitzung von Betriebsrat und Geschäftsführung festgehalten, dass die Prämien korrekt sind.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [13] Am 8. 7. 2019 blieb der Beklagte der ihm zugewiesenen Schicht mit der Begründung einer betriebsrätlichen Pflichterfüllung fern. Über Aufforderung der Geschäftsführung legte er ein Schreiben der Gewerkschaft vor, wonach er wegen eines Beratungsgesprächs in G* anwesend gewesen sei. Welche Beratung der Beklagte bei diesem Termin in Anspruch nahm, kann nicht festgestellt werden.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [14] Der Beklagte zeigte gegenüber Arbeitskolleg:innen häufig in Ton- und Wortwahl ein Fehlverhalten. Im Jahr 2021 verhielt sich der Beklagte gegenüber dem Arbeitnehmer M* aggressiv am Arbeitsplatz.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [15] Im Jahr 2018 arbeitete der Beklagte als Betriebsschlosser 861 Stunden. Dem stehen 692 Stunden für Betriebsratstätigkeiten gegenüber. Im Jahr 2019 leistete der Beklagte bis einschließlich 10. 7. 2019 454 Betriebsrats-stunden und 451 Arbeitsstunden.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [16] Das <span class="Fett">Erstgericht</span> gab der Klage statt. Es beurteilte den Sachverhalt rechtlich dahin, dass dem Beklagten in den von der Klägerin beanstandeten Fällen der Nachweis nicht gelungen sei, dass die Betriebsratstätigkeiten außerhalb der Arbeitszeit nicht oder nur unverhältnismäßig erschwert möglich gewesen wären. Damit habe er trotz mehrfacher Verwarnungen die Grundsätze der Mandatsausübung und die ihn treffende Arbeitspflicht wiederholt missachtet. Dieses Verhalten machten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für die Klägerin unzumutbar. Schließlich sei er noch am 8. 7. 2019 der ihm zugewiesenen Schicht ferngeblieben. Eine Verletzung des Unverzüglichkeitsgebots könne der Klägerin nicht vorgeworfen werden.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [17] Der dagegen erhobenen Berufung des Beklagten gab das <span class="Fett">Berufungsgericht</span> nicht Folge. Grundsätzlich müsse der Betriebsinhaber „dem Grunde nach“ überprüfen können, ob die Voraussetzungen für die Gewährung von Freizeit zur Erfüllung der Betriebsratsobliegenheiten vorliegen und somit entsprechende Arbeitsfreistellungen zu Recht in Anspruch genommen werden. Über die Anordnung zu einer rechtzeitigen Information habe der Beklagte Bescheid gewusst. Darüber hinaus sei er mehrfach davon in Kenntnis gesetzt worden, dass er Betriebsratstätigkeiten grundsätzlich nicht während der Arbeitszeit verrichten dürfe und sich – falls er dies dennoch für erforderlich halte – unter Bekanntgabe des Grundes (in groben Umrissen) und der voraussichtlichen Dauer beim Betriebsleiter abzumelden habe. Eine damit verbundene nennenswerte Erschwerung seiner Betriebsratstätigkeit sei nicht ersichtlich. Der Beklagte sei generell der Ansicht gewesen, dem nicht nachkommen zu müssen und habe damit die ihm aufgrund des Arbeitsverhältnisses obliegenden Pflichten – insbesondere jene zur weisungsgemäß frühzeitigen Information der Klägerin über beabsichtigte Abwesenheiten und zur Erbringung der Arbeitsleistung in jenen Fällen, in denen er Freistellungen ohne nachvollziehbare Interessenabwägung in Anspruch genommen habe – beharrlich verletzt. Da sich der Beklagte bis zuletzt trotz mehrfacher Verwarnungen immer wieder weigere, die Klägerin über seine Abwesenheiten wegen betriebsrätlicher Tätigkeiten frühzeitig und ausreichend zu informieren, sei von einer beharrlichen schuldhaften Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten auszugehen.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [18] Auch der Antrag auf Zustimmung zur Kündigung eines Betriebsratsmitglieds habe „unverzüglich“ zu erfolgen. Wenn die Klägerin ab dem Vorfall vom 8. 7. 2019 noch 10 Tage mit der Klagseinbringung zugewartet habe, sei zu berücksichtigen, dass die Willensbildung bei juristischen Personen – wie der Klägerin – umständlicher ist als bei physischen und dass sie dem Beklagten erkennbar noch die Möglichkeit gegeben habe, sein Fernbleiben von der Schicht am 8. 7. 2019 zu rechtfertigen. Der Klägerin sei angesichts der rechtlichen Komplexität des Sachverhalts auch zuzubilligen, juristischen Rat einzuholen. Unter Berücksichtigung dieser besonderen Umstände des vorliegenden Falls sei mit dem Erstgericht davon auszugehen, dass die Klagseinbringung am 18. 7. 2019 rechtzeitig erfolgte.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [19] Die Revision wurde vom Berufungsgericht zugelassen, weil zu den Fragen, inwieweit Mitglieder des Betriebsrats zulässigerweise angewiesen werden dürfen, Betriebsratstätigkeiten möglichst früh unter „grober“ Bekanntgabe des Grundes sowie der voraussichtlichen Dauer bekanntzugeben, ob Verstöße gegen eine solche Weisung nur „Ordnungswidrigkeiten“ darstellten, ob im Fall der in Ermangelung eines Freistellungsanspruchs gemäß § 116 ArbVG ungerechtfertigten Unterlassung der Arbeitsleistung als Sanktion lediglich eine Entgeltkürzung in Betracht komme und ob unter Bedachtnahme auf die Mandatsschutzklausel bereits der bloße Nachweis betriebsrätlicher Tätigkeiten während der Abwesenheit vom Arbeitsplatz einer (Zustimmung zur) Kündigung entgegenstehe, eine Klarstellung erforderlich erscheine.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [20] Gegen diese Entscheidung richtet sich die <span class="Fett">Revision des Beklagten</span> mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahingehend abzuändern, dass die Klage abgewiesen wird. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [21] Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"> [22] Die Revision ist zulässig und auch berechtigt.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [23] 1. Voranzustellen ist, dass – ausgehend vom Vorbringen der Klägerin – unmittelbarer Anlass für die Klagseinbringung der Vorfall vom 8. 7. 2019 (Montag) war. Die Klage langte am 18. 7. 2019 (Donnerstag) bei Gericht ein. Der Beklagte erhob den Einwand, dass die Klage verspätet sei, weil sie nicht unverzüglich nach Bekanntwerden des Kündigungs- oder Entlassungsgrundes erfolgt sei. Dazu brachte die Klägerin lediglich vor, dass auf die Verfehlungen des Beklagten zuerst mit schriftlichen Verwarnungen reagiert worden sei, in der Folge sei ihm das Entgelt gekürzt worden und als er sein Verhalten fortgesetzt habe, habe sich die Klägerin unverzüglich und sofort entschlossen, die Klage auf Zustimmung zur Kündigung einzubringen.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [24] Die Vorinstanzen gingen wie ausgeführt davon aus, dass die Klage fristgerecht erhoben wurde. Auch in der Revision hält der Beklagte seinen Einwand der verspäteten Geltendmachung aufrecht.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [25] 2. Gemäß § 120 Abs 1 ArbVG darf ein Mitglied des Betriebsrats bei sonstiger Rechtsunwirksamkeit grundsätzlich nur nach vorheriger Zustimmung des Gerichts gekündigt oder entlassen werden. Sowohl die Klage des Betriebsinhabers auf Zustimmung zur Kündigung eines Betriebsratsmitglieds als auch jene auf Entlassung muss unverzüglich erfolgen, nachdem dem Arbeitgeber der Grund, der zur Kündigung oder Entlassung berechtigt, bekannt geworden ist (vgl 8 ObA 1/23i). Ob dem entsprochen wurde, ist jeweils nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [26] 3. Richtig hat das Berufungsgericht dazu die allgemeinen Grundsätze dargestellt: Bei Beurteilung der Rechtzeitigkeit ist bei juristischen Personen darauf Bedacht zu nehmen, dass die Willensbildung umständlicher ist als bei physischen Personen; es müssen solche Verzögerungen anerkannt werden, die in der Natur des Dienstverhältnisses oder sonst in den besonderen Umständen des Falls sachlich begründet sind (RS0029328). Dem Dienstgeber muss eine Überlegungsfrist sowie die Möglichkeit zur Einholung einer Rechtsauskunft zugebilligt werden (RS0031587 [T5]).</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [27] Der Unverzüglichkeitsgrundsatz darf generell nicht überspannt werden (RS0029273 [T16]; vgl RS0031587 [T1]). Dem Dienstgeber ist das Recht zuzubilligen, bei einem undurchsichtigen Sachverhalt bis zur einwandfreien Klarstellung aller wesentlichen Tatumstände in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht mit dem Kündigungsausspruch zuzuwarten (RS0029297 [T12]). Vorläufige Maßnahmen, etwa die bis zur Klärung der tatsächlichen oder rechtlichen Lage vorgenommene Suspendierung eines Arbeitnehmers, können die Annahme eines Verzichts des Arbeitgebers auf die Ausübung des Kündigungsrechts verhindern (RS0028987 [T2]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [28] Nicht aus jeder Verzögerung kann auf einen Verzicht des Dienstgebers auf die Ausübung des Beendigungsrechts geschlossen werden. Es ist dabei auch den Erfordernissen des Wirtschaftslebens und den Betriebsverhältnissen Rechnung zu tragen (RS0031789).</p><p class="ErlText AlignLeft"> [29] 4. Im vorliegenden Fall sind zwischen dem Vorfall, der Anlass für die Klagsführung war, und der Klagseinbringung 10 Tage verstrichen. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass mangels anderer Feststellungen nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Beklagte in diesem Zusammenhang seine Pflicht zur rechtzeitigen Information missachtet hätte. Eine (offenbar von der Klägerin geforderte) Bestätigung der Gewerkschaft datiert ebenfalls vom 8. 7. 2019.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [30] Dafür, warum die Klägerin mit der Klagseinbringung 10 Tage zugewartet hat, sind weder nach dem Vorbringen der Klägerin noch nach den Feststellungen ansatzweise Gründe ersichtlich.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [31] Wie ausgeführt ist es richtig, dass das Einholen von Rechtsauskünften oder komplexe Unternehmensstrukturen eine ausreichende Rechtfertigung für das Verstreichen eines solchen Zeitraums darstellen können. Das gilt aber nur dann, wenn sich diese Umstände im konkreten Einzelfall auch tatsächlich verwirklicht haben, wofür aber bei einem objektiv zu langem Zeitraum zwischen Bekanntwerden des Kündigungs-/Entlassungsgrundes und seiner Geltendmachung der Arbeitgeber behauptungs- und beweispflichtig ist.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [32] Macht der Arbeitgeber daher – wie hier die Klägerin – solche Gründe garnicht geltend, können sie nicht abstrakt zu seinen Gunsten gewertet werden. Insbesondere kündigte die Klägerin bereits in der letzten vorangehenden Ermahnung an: „Dies stellt zugleich die letztmalige Verwarnung dar und wird im Wiederholungsfalle wegen andauernder Pflichtverletzung das Kündigungs- oder Entlassungsverfahren gemäß ArbVG eingeleitet“, hatte also schon zu diesem Zeitpunkt entsprechende Überlegungen angestellt. Der Beklagte legte über Aufforderung eine entsprechende Bestätigung der Gewerkschaft vor. Ein aufklärungsbedürftiger Sachverhalt lag danach nicht mehr vor und die Klägerin legt auch in der Revisionsbeantwortung nicht dar, welche Entscheidungsgrundlagen ihr gefehlt hätten.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [33] Dessen ungeachtet wurde bei dem Vorfall vom 8. 7. 2019 auch nach Vorlage der Bestätigung der Gewerkschaft bis 18. 7. 2019 zugewartet. Der Beklagte musste aber nach über einer Woche und Entsprechung des Auftrags der Klägerin nicht mehr damit rechnen, dass die Klägerin seine Abwesenheit am 8. 7. 2019 noch zum Anlass für die Einleitung eines Kündigungsverfahrens nehmen wird.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [34] Irgendeine Rechtfertigung für das Zuwarten wurde – wie ausgeführt – nicht vorgebracht. Dem Beklagten ist daher darin zuzustimmen, dass von einer Verfristung des Anspruchs auf Zustimmung zur Kündigung gestützt auf den Vorfall vom 8. 7. 2019 auszugehen ist.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [35] 5. Während des Verfahrens hat die Klägerin zwar weiteres Vorbringen zum Verhalten des Beklagten gegenüber Kollegen geltend gemacht, dieses Verhalten nach eigenen Behauptungen aber nur zum Gegenstand einer weiteren Ermahnung gemacht.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [36] 6. Auf die Vorwürfe des Beklagten gegenüber der Geschäftsleitung in Zusammenhang mit den Prämien wurde die Kündigung ebenfalls nicht gestützt. Dieses Vorbringen wurde nur in Replik auf die Behauptung des Beklagten, dies sei das Motiv für die Kündigung, erstattet.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [37] 7. Da somit von einer Verfristung der Geltendmachung des Kündigungsgrundes auszugehen ist, war der Revision Folge zu geben und die Entscheidungen der Vorinstanzen dahingehend abzuändern, dass die Klage abgewiesen wird.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [38] 8. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 58 Abs 1 ASGG iVm §§ 41, 50 ZPO.</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240919_OGH0002_0090OB00050_24D0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-16 | 2024-10-16 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240919_OGH0002_0090OB00050_24D0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240919_OGH0002_0090OB00050_24D0000_000/JJT_20240919_OGH0002_0090OB00050_24D0000_000.html | 9Ob50/24d | ECLI:AT:OGH0002:2024:0090OB00050.24D.0919.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden sowie die Hofrätin und Hofräte Dr. Hargassner, Mag. Korn, Dr. Stiefsohn und Mag. Dr. Sengstschmid als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S* G*, vertreten durch die Poduschka Partner Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, gegen die beklagte Partei M* AG, *, vertreten durch die CMS Reich-Rohrwig Heinz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 5.400 EUR und Feststellung, über die Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse: 4.500 EUR) gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Berufungsgericht vom 9. November 2023, GZ 21 R 200/23v-56, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Klosterneuburg vom 31. Juli 2023, GZ 14 C 660/20t-51, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft">Die Revision wird zurückgewiesen.</p><p class="ErlText AlignLeft">Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 502,12 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p><p class="ErlText AlignLeft"> [1] Der Kläger erwarb am 22. 5. 2020 von einem Fahrzeughändler einen gebrauchten Mercedes Benz E 220 CDI Cabrio, Baujahr 2014, zu einem Kaufpreis von 18.000 EUR. Im Dieselmotor des Typs OM 651 der Abgasklasse Euro 5 ist unstrittig eine Abschalteinrichtung im Sinne der Verordnung (EG) 715/2007 verbaut. Die Beklagte installierte am 7. 5. 2019 ein vom deutschen Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) freigegebenes Software-Update am Fahrzeug, sodass das Thermofenster nunmehr in einem Temperaturbereich von unter 0 Grad Celsius sowie über 40 Grad Celsius aktiviert ist, wobei sich daraus keine sofortige Deaktivierung der Abgasrückführung (AGR) ergibt, sondern diese schleichend zurückgefahren wird. Das Fahrzeug verfügt über eine aufrechte Zulassung und eine aufrechte EG-Typengenehmigung. Es ist aktuell von keinem Rückruf durch das deutsche KBA betroffen.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [2] Das Fahrzeug hatte für den Fall, dass darin zwar eine unerlaubte Abschalteinrichtung verbaut ist, aber kein Entzug der Betriebsgenehmigung droht, zum Zeitpunkt der Herstellung einen Marktwert, der 10 % bis 30 % unter dem Kaufpreis lag. Bei drohender Typengenehmigungsentziehung aufgrund einer ungültigen Abschalteinrichtung hatte das Fahrzeug keinen Marktwert. Der aktuelle Marktwert liegt über dem damaligen Einkaufspreis.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [3] Der Kläger begehrte 5.400 EUR sA an Schadenersatz und die Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Schäden aus dem Kauf des Fahrzeugs und des darin verbauten Dieselmotors. Der Schaden bestehe in einem objektiv-abstrakt zu berechnenden Minderwert, weil das Fahrzeug zum Ankaufszeitpunkt um 30 % weniger an Wert aufgewiesen habe.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [4] Die Beklagte beantragte Klagsabweisung.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [5] Das Berufungsgericht änderte das klagsstattgebende Urteil des Erstgerichts über Berufung der Beklagten dahin ab, dass es die Beklagte zur Zahlung von 900 EUR sA an den Kläger verpflichtete. Das darüber hinausgehende Zahlungs- und das Feststellungsbegehren wies es ab. Es bejahte das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung und erachtete das Vorbringen der Beklagten zu einem entschuldbaren Rechtsirrtum für unzureichend. Den Schaden setzte es nach § 273 ZPO mit 5 % des Kaufpreises an. Habe das Fahrzeug den Erwartungen des Klägers – der es nach den Feststellungen bei Kenntnis der tatsächlichen Umstände nicht erworben hätte – nicht entsprochen, verlange es der unionsrechtliche Effektivitätsgrundsatz, einen objektiv-abstrakt zu berechnenden Schadenersatz zuzusprechen, der sich im Ausmaß von 5 % bis 15 % des Kaufpreises zu bewegen habe. Dass der Wert des Fahrzeugs auch nach Kenntnis der Öffentlichkeit zum gleichen Preis gehandelt werde, habe lediglich dazu zu führen, dass der Schadenersatz im unteren Bereich der Bandbreite festzusetzen sei.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [6] Die Revision ließ das Berufungsgericht zur Frage zu, ob eine allgemeine Berufung der Beklagten auf eine vertretbare Rechtsansicht als Vorbringen ausreiche.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [7] Die von der Beklagten beantwortete Revision, mit der der Kläger einen weiteren Zuspruch von 4.500 EUR anstrebt, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) mangels des Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [8] 1.1. Der Revisionswerber erachtet die in der Zulassungsbegründung genannte Rechtsfrage als vom Berufungsgericht zutreffend gelöst. Er erblickt eine erhebliche Rechtsfrage aber darin, dass das Berufungsgericht von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung insofern abgewichen sei, als der Käufer bei exakter Feststellung der Wertminderung den Ersatz derselben verlangen könne (8 Ob 109/23x Rz 22 ua; RS0134498 [T6]).</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [9] 1.2. Die Revision geht dabei jedoch zu Unrecht davon aus, dass das Erstgericht die Wertminderung zum Ankaufszeitpunkt exakt mit 30 % festgestellt hätte. Vielmehr handelt es sich bei den zitierten Ausführungen des Erstgerichts um rechtliche Beurteilung, nämlich um die Ausmittlung des Entschädigungsbetrags nach § 273 ZPO, dies basierend auf der Sachverhaltsfeststellung, wonach die Wertminderung im Herstellungszeitpunkt 10 % bis 30 % unter dem Kaufpreis lag. Da sich die vom Erstgericht getroffene Feststellung auf den Herstellungs- und nicht auf den Kaufzeitpunkt bezieht, liegt auch keine Feststellung einer Mindest-Wertminderung zum Kaufzeitpunkt vor.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [10] 1.3. Da die Rechtsrüge demnach nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgeht, ist sie nicht gesetzmäßig ausgeführt (RS0043312 [T14]).</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [11] 2. Im Übrigen zeigt die Revision nicht auf, weshalb das Berufungsgericht bei der Ausmittlung des Ersatzbetrags nach § 273 ZPO den ihm eingeräumten Ermessensspielraum überschritten hätte. Eine erhebliche Rechtsfrage ist auch insofern zu verneinen (RS0007104 [T4]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [12] Die Revision ist daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [13] Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Der Zuschlag nach TP 3 Anm 5 RATG zu den Kosten der Revisionsbeantwortung gebührt nur bei einer eingehend rechtlich begründeten und notwendigen Anregung zur Einholung einer Vorabentscheidung (3 Ob 89/17k mwH; <span class="Kursiv">Obermaier</span>, Kostenhandbuch<span class="Hoch">4</span> Rz 1.462 mwH) und war daher nicht zuzusprechen.</span></p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">1</p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240919_OGH0002_0090OB00067_24D0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-16 | 2024-10-16 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240919_OGH0002_0090OB00067_24D0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240919_OGH0002_0090OB00067_24D0000_000/JJT_20240919_OGH0002_0090OB00067_24D0000_000.html | 9Ob67/24d | ECLI:AT:OGH0002:2024:0090OB00067.24D.0919.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner, Mag. Korn, Dr. Stiefsohn und Dr. Wallner-Friedl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E*, vertreten durch Poduschka Partner Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, gegen die beklagten Parteien 1. P* GmbH & Co KG, *, und 2. V* AG, *, beide vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 1.) Aufhebung eines Kaufvertrags und 2.) 12.910,80 EUR, über die Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse: 6.680,08 EUR) gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr als Berufungsgericht vom 25. April 2024, GZ 1 R 41/24h-49, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts Steyr vom 27. Februar 2024, GZ 13 C 535/18x-45, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="Abstand AlignLeft"></p><p class="ErlText AlignLeft">Der Revision wird Folge gegeben.</p><p class="ErlText AlignLeft">Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts unter Einschluss der in Rechtskraft erwachsenen Teile wie folgt zu lauten hat:</p><p class="ErlText AlignLeft">„1. Der zwischen der klagenden Partei und der erstbeklagten Partei abgeschlossene Kaufvertrag vom 11. August 2010 über den Kauf des Skoda Fabia Ambiente Elegance-Paket TDI CR, FahrgestellNr: *, um 15.900 EUR wird aufgehoben.</p><p class="ErlText AlignLeft">2. Die Klageforderung besteht mit 12.910,80 EUR zu Recht.</p><p class="ErlText AlignLeft">3. Die Gegenforderung besteht mit 1.062,12 EUR zu Recht.</p><p class="ErlText AlignLeft">4. Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen einen Betrag in Höhe von 11.848,68 EUR, die zweitbeklagte Partei samt 4 % Zinsen seit 24. 8. 2018, die erstbeklagte Partei samt 4 % Zinsen aus 15.900 EUR vom 13. 10. 2010 bis 8. 7. 2018, aus 12.910,80 EUR vom 9. 7. 2018 bis 4. 7. 2019 und aus 11.848,68 EUR ab 5. 7. 2019 Zug um Zug gegen Rückgabe des Kraftfahrzeugs Skoda Fabia Ambiente Elegance-Paket TDI CR, Fahrgestellnummer: * zu zahlen.</p><p class="ErlText AlignLeft">5. Das Mehrbegehren, die beklagten Parteien seien darüber hinaus schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen 1.062,12 EUR samt Zinsen zu zahlen, wird abgewiesen.</p><p class="ErlText AlignLeft">Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 10.537,98 EUR (darin 1.185,14 EUR USt und 3.427,14 EUR Barauslagen) bestimmten Prozesskosten zu ersetzen.“</p><p class="ErlText AlignLeft">Die beklagten Parteien sind weiters zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 1.874,22 EUR (darin 200,72 EUR USt und 669,90 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 1.665 EUR (darin 137,80 EUR USt und 838,20 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Entscheidungsgründe:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [1] Die Klägerin erwarb am 11. 8. 2010 von der erstbeklagten Fahrzeughändlerin einen Neuwagen („Tageszulassung“) der Marke Skoda Fabia Ambiente Elegance-Paket TDI CR um 15.900 EUR. Im Fahrzeug ist ein von der Zweitbeklagten entwickelter Dieselmotor des Typs EA189 (mit Umschaltlogik) verbaut gewesen, der auch nach einem Software-Update mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung (Thermofenster) nach Art 5 Abs 2 Satz 1 VO 715/2007/EG ausgestattet ist.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [2] Zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz (12. 1. 2024) hatte die Klägerin mit diesem Fahrzeug 63.700 km zurückgelegt.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [3] Mit ihrer, unter anderem auf Gewährleistung gestützten Klage begehrt die <span class="Fett">Klägerin</span> mit ihrem Hauptbegehren die Aufhebung des Kaufvertrags sowie die Zahlung von letztlich 12.910,80 EUR sA (Kaufpreis minus 2.989,20 EUR an Benützungsentgelt) Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [4] Die <span class="Fett">Beklagten</span> bestritten, beantragten Klagsabweisung und wendeten eine Gegenforderung von 10.500 EUR an Benützungsentgelt ein.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [5] Das <span class="Fett">Erstgericht</span> hob den Kaufvertrag auf und erkannte die Klageforderung mit 12.910,80 EUR, die eingewandte Gegenforderung mit 7.742,20 EUR als zu Recht bestehend an und verpflichtete die Beklagten, dem Kläger 5.168,60 EUR sA Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs zu zahlen. Die Wandlung sei berechtigt. Die Berechnung des Benützungsentgelts, das sich die Klägerin auf ihren Geldanspruch anrechnen lassen müsse, sei nach der Rechtsprechung grundsätzlich nach der „linearen Berechnungsmethode“ zu errechnen. Diese Berechnungsmethode führe aber dann nicht zu einem dem verschafften Nutzen angemessenen Ergebnis, wenn – wie hier – ein Fahrzeugkäufer nur vergleichsweise wenige Kilometer im Jahr fahre. Dann sei der lineare Berechnungsweg im Sinne des § 273 ZPO anzupassen. Beim Fahrzeug der Klägerin sei von einer realistischen Behaltedauer von 20 Jahren auszugehen. Bei der zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz vorhandenen Laufleistung von 63.700 km nach 13,5 Jahren errechne sich eine jährliche Laufleistung von 4.719 km. Multipliziere man diese jährliche Kilometerleistung mit der möglichen Behaltezeit von 20 Jahren, errechneten sich 94.380 km. Setze man nun diese Gesamtlaufleistung in die übliche Berechnungsformel Kaufpreis 15.900 EUR x tatsächliche Kilometerleistung von 63.700 km : (durch) die Gesamtlaufleistung von 94.380 km ein, errechneten sich 10.731,40 EUR an Benützungsentgelt bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung. Da sich die Klägerin bereits 2.989,20 EUR an Benützungsentgelt in der Klage angerechnet habe, bestehe die von der Beklagten eingewendete Gegenforderung noch mit 7.742,20 EUR zu Recht.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [6] Das <span class="Fett">Berufungsgericht</span> gab der Berufung der Klägerin, die sich ausschließlich gegen das vom Erstgericht berechnete Benützungsentgelt richtete, nicht Folge. Das Erstgericht habe das Benützungsentgelt im Sinne der Entscheidung des Oberlandesgerichts Linz zu 2 R 102/23t richtig errechnet. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil zur Frage der Berechnung des Benützungsentgelts bei einer geringen jährlichen Laufleistung des Klagsfahrzeuges für eine Vielzahl an ähnlichen Parallelfällen noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [7] In ihrer dagegen gerichteten <span class="Fett">Revision</span> beantragt die Klägerin die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne eines weiteren Zuspruchs von 6.680,08 EUR.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [8] Die Beklagten beantragen in ihrer <span class="Fett">Revisionsbeantwortung</span>, die Revision der Klägerin als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr keine Folge zu geben.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"> [9] Die Revision der Klägerin ist zulässig und berechtigt.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett"> [10] </span> <span class="Fett">1.</span> Die vom Oberlandesgericht Linz in seinem Urteil zu 2 R 102/23t vertretene Rechtsauffassung, auf das die Vorinstanzen ihre von der herrschenden Rechtsprechung zur linearen Berechnung des Benützungsentgelts abweichende rechtliche Beurteilung stützen, wurde im Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 16. 4. 2024 zu 10 Ob 41/23m, nicht geteilt. Dazu wurde in den Rz 23 ff ausgeführt:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">„2. Seit der Entscheidung zu 10 Ob 2/23a vom 21. Februar 2023 entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass der Gebrauchsnutzen des Käufers eines Fahrzeugs, der die Rückabwicklung nicht zu vertreten hat, in Abhängigkeit von den gefahrenen Kilometern linear zu berechnen ist. Der Nutzen ist ausgehend vom Kaufpreis anhand eines Vergleichs zwischen tatsächlichem Gebrauch und voraussichtlicher Gesamtnutzungsdauer zu bestimmen (</span>„<span class="Kursiv">lineare Berechnungsmethode</span>“<span class="Kursiv">; RS0134263 [insb T2]; 8 Ob 42/23v Rz 31 ua).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Kursiv">3. Zwar kann im Einzelfall auch § 273 ZPO zur Ausmittlung herangezogen werden (6 Ob 84/23f Rz 35; 3 Ob 146/22z vom 6. September 2023 Rz 30 ua), was vor allem dann angezeigt ist, wenn der Käufer nach der </span>„<span class="Kursiv">linearen Berechnungsmethode</span>“<span class="Kursiv"> nur einen Betrag erhielte, der deutlich unter dem aktuellen Zeitwert liegt (4 Ob 171/23k Rz 48; RS0134263 [T3]).</span></span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Kursiv">3.1. Der Oberste Gerichtshof hat aber schon wiederholt betont, dass der Gebrauchsvorteil pro gefahrenem Kilometer unabhängig davon zu bemessen ist, ob der konkrete Nutzer eine schonende oder beanspruchende Fahrweise an den Tag gelegt hat und das Fahrzeug daher im Einzelfall eine höhere als die übliche Gesamtlaufleistung erreichen kann (8 Ob 42/23v Rz 32; 10 Ob 2/23a vom 21. Februar 2023 Rz 114 ua). Ebenso wenig gibt eine vergleichsweise geringe Nutzung des Fahrzeugs Anlass dazu, von der grundsätzlich als sachgerecht erachteten </span>„<span class="Kursiv">linearen Berechnungsmethode</span>“<span class="Kursiv"> abzugehen (2 Ob 108/23f Rz 12; 2 Ob 82/23g Rz 11); so etwa, wenn eine Klägerin das Fahrzeug so selten benützt hat, dass es die durchschnittlich zu erzielende Gesamtlaufleistung erst nach einem unrealistischen Betrieb über 45 Jahre erreichen würde (8 Ob 76/23v Rz 37). Denn durch das Benützungsentgelt soll der durch den Gebrauch des Fahrzeugs verschaffte Nutzen, primär also die Transportleistung, angemessen ausgeglichen werden (2 Ob 241/22p Rz 38; RS0019850). Dieser lässt sich am ehesten anhand der tatsächlich gefahrenen Kilometer im Verhältnis zur Gesamtlaufleistung abbilden. Bloß erzielbare, tatsächlich aber nicht erfolgte Nutzungen (wie hier der weitgehend unterlassene Gebrauch des Fahrzeugs) sind vom Bereicherungsschuldner nicht abzugelten, solange ihm nicht iSv § 335 ABGB Unredlichkeit zur Last fällt (vgl 5 Ob 231/98a; 3 Ob 190/04v Mader in Schwimann/Kodek, ABGB</span><span class="Hoch"><span class="Kursiv">4</span></span><span class="Kursiv"> IV § 1437 Rz 35; Lurger in Kletečka/Schauer, ABGB-ON</span><span class="Hoch"><span class="Kursiv">1.09</span></span><span class="Kursiv"> § 1437 Rz 6 ff). Bei einer nur zum Eigengebrauch bestimmten Sache besteht auch keine Obliegenheit, sie wirklich zu benutzen (vgl auch Almeroth in Reinking/Eggert, Der Autokauf</span><span class="Hoch"><span class="Kursiv">15</span></span><span class="Kursiv"> [2024] Kap 9 Rz 339).</span></span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Kursiv">3.2. Die Ansicht des Berufungsgerichts läuft im Ergebnis hingegen darauf hinaus, den mittleren Wertverlust zu erstatten, indem die Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs auf Basis der vom Kläger durchschnittlich pro Jahr zurückgelegten Kilometer ermittelt wird. Dem Berufungsgericht ist dabei zwar zuzustimmen, dass das Fahrzeug aufgrund der konkreten Nutzung die durchschnittliche Gesamtlaufleistung dieses Fahrzeugtyps wahrscheinlich nicht erreichen wird. Das rechtfertigt es aber nicht, dem Käufer, der die Wandlung nicht zu vertreten hat, den Wertverlust zuzuordnen. Schon zu 10 Ob 2/23a vom 21. Februar 2023 hat der Oberste Gerichtshof betont, dass der abzugeltende konkrete Nutzen mit dem zeitablauf-abhängigen Wertverlust eines Fahrzeugs in keinem unmittelbaren Zusammenhang steht (Rz 108). Der Wertverlust des Fahrzeugs bleibt zwar nicht gänzlich außer Betracht, weil er über den wertbildenden Faktor der Laufleistung mittelbar in die </span>„<span class="Kursiv">lineare Berechnungsmethode</span>“<span class="Kursiv"> einfließt (so auch BGH VI ZR 252/19 Rz 82). Damit ist er aber auch im Fall von </span>„<span class="Kursiv">Wenigfahrern</span>“<span class="Kursiv"> ausreichend berücksichtigt.</span></span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">4. Darauf aufbauend ist das Benützungsentgelt so wie vom Erstgericht zu berechnen: Gebrauchsvorteil = vereinbarter Kaufpreis (25.000 EUR) x gefahrene Kilometer in der Nutzungsphase (29.500) : erwartete Restlaufleistung zum Kaufzeitpunkt (250.000 km), was 2.950 EUR ergibt. Da der Kläger bereits ein Benützungsentgelt von 2.950,30 EUR (auf Basis einer Nutzung vom 29.503 km) angerechnet hat, steht der Beklagten aus diesem Titel daher keine weitere (Gegen-)Forderung mehr zu.“</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett"> [11] </span> <span class="Fett">2.</span> Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsauffassung an. Überzeugende Argumente, die eine gegenteilige Beurteilung zuließen, vermag die Revisionsbeantwortung nicht aufzuzeigen.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett"> [12] </span> <span class="Fett">3.</span> Das Benützungsentgelt errechnet sich daher im Anlassfall wie folgt: Gebrauchsvorteil = vereinbarter Kaufpreis (15.900 EUR) x gefahrene Kilometer in der Nutzungsphase (63.700) : erwartete Restlaufleistung zum Kaufzeitpunkt (250.000 km) = 4.051,32 EUR. Die von der Klägerin ihrer (schon) in der Klage vorgenommenen Berechnung des Nutzungsentgelts zugrunde gelegte erwartbare (Rest-)Gesamtlaufleistung von 250.000 km, die im Übrigen auch der dem Verfahren beigezogene Sachverständige annahm, wurde von den Beklagten im Verfahren erster Instanz nicht substantiiert bestritten. Dieser Wert kann daher als im Sinne der §§ 266, 267 ZPO schlüssig zugestandene Tatsache (vgl RS0039941 [T6]) auch im Rechtsmittelverfahren zugrunde gelegt werden (vgl RS0040101 [T1]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [13] Der Revision der Klägerin war daher Folge zu geben und die Beklagten zur Zahlung von 11.848,68 EUR sA Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs zu verpflichten. Soweit das Benützungsentgelt von 4.051,32 EUR jenen Betrag übersteigt, den sich die Klägerin auf ihren Rückforderungsanspruch im Verfahren bereits durch Abzug vom Kaufpreis angerechnet hat (2.989,20 EUR), verbleibt eine zu Recht bestehende Gegenforderung der Beklagten von 1.062,12 EUR.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [14] Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Im erstinstanzlichen Verfahren hat die Klägerin mit rund 90 % obsiegt. Die Anregung zur Unterbrechung des Verfahrens vom 28. 9. 2018, der das Erstgericht nicht nachkam, war nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig. Für die Klage gebührt mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 23 Abs 6 RATG lediglich der einfache Einheitssatz. Der Streitwert für die Berufung vom 21. 3. 2024 beträgt richtig (wie im Revisionsverfahren) 6.680,08 EUR. Der ERV-Zuschlag nach § 23a RATG beträgt 2,60 EUR, da es sich bei Rechtsmittelschriftsätzen nicht um verfahrenseinleitende Schriftsätze handelt (RS0126594).</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240919_OGH0002_009OBA00011_24V0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-09 | 2024-10-09 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240919_OGH0002_009OBA00011_24V0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240919_OGH0002_009OBA00011_24V0000_000/JJT_20240919_OGH0002_009OBA00011_24V0000_000.html | 9ObA11/24v | ECLI:AT:OGH0002:2024:009OBA00011.24V.0919.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Hargassner und die Hofrätin Mag. Korn in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei O*, vertreten durch Hauswirt-Kleiber Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. W*, vertreten durch Dr. Thomas Hofer-Zeni, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, im Verfahren über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19. Dezember 2023, GZ 9 Ra 25/23x-36, in nichtöffentlicher Sitzung den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft">Das Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 23. Juli 2024, AZ 9 ObA 11/24v, wird dahin berichtigt, dass</p><p class="ErlText AlignLeft">1. der Kostenausspruch zu lauten hat:</p><p class="ErlText AlignLeft">„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 453,17 EUR (darin 75,53 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.“ und</p><p class="ErlText AlignLeft">2. die beiden Sätze der Randzahl 35 zu lauten haben:</p><p class="ErlText AlignLeft">„Das Berufungsgericht hat der Berufung des Beklagten daher im Ergebnis zu Recht nicht Folge gegeben; der Revision des Beklagten ist somit nicht Folge zu geben.“ Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 34,03 EUR (darin enthalten 5,67 EUR USt) bestimmten Kosten des Berichtigungsantrags binnen 14 Tagen zu ersetzen.</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"> [1] Mit Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 23. 7. 2024, 9 Ob 11/24v, wurde der Revision der beklagten Partei nicht Folge gegeben, im Kostenausspruch jedoch irrtümlich die Bezeichnung der Parteien vertauscht.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [2] Irrtümlich wurde in der Randzahl 35 der Entscheidung festgehalten, dass das Berufungsgericht die Klage daher im Ergebnis zu Recht abgewiesen hätte, der Revision des Klägers somit nicht Folge zu geben sei.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [3] Dies ist als offenbare Unrichtigkeit zu berichtigen (§ 419 ZPO).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [4] Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO iVm TP 1 II lit g RATG.</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240919_OGH0002_009OBA00043_24Z0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-16 | 2024-10-16 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240919_OGH0002_009OBA00043_24Z0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240919_OGH0002_009OBA00043_24Z0000_000/JJT_20240919_OGH0002_009OBA00043_24Z0000_000.html | 9ObA43/24z | ECLI:AT:OGH0002:2024:009OBA00043.24Z.0919.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Hargassner und die Hofrätin Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Ingomar Stupar (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Thomas Kallab (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ing. S*, vertreten durch Gerlach Rechtsanwälte in Wien gegen die beklagte Partei U* AG, *, vertreten durch Engelbrecht Rechtsanwalts GmbH in Wien, wegen Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses (Streitwert 35.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. April 2024, GZ 9 Ra 107/23f-27, in nichtöffentlicher Sitzung den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.</span></p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [1] 1. Nach ständiger Rechtsprechung stellt die Beurteilung, ob im Einzelfall ein Kündigungs- oder Entlassungsgrund verwirklicht wurde, keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (RS0106298), es sei denn, das Berufungsgericht hätte bei seiner Entscheidung den Beurteilungsspielraum überschritten, was vorliegend nicht der Fall ist.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [2] 2. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Äußerung als erhebliche Ehrverletzung und damit als Entlassungsgrund iSd § 27 Z 6 3. Fall AngG zu qualifizieren ist, kommt es darauf an, ob die Äußerung objektiv geeignet ist, ehrverletzend zu wirken und in concreto auch diese Wirkung gehabt hat (RS0029845). Dies ist aus der Reaktion des Betroffenen zu schließen (RS0029845 [T7]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [3] 3. Nach den Feststellungen fühlte sich der von der inkriminierten Äußerung des Klägers betroffene Vorgesetzte weder beleidigt noch diskreditiert. Wenn die Beklagte nunmehr argumentiert, dass „sehr wohl“ eine Reaktion erfolgte, nämlich der Ausspruch der Entlassung durch sie, so übergeht sie, dass sie nicht das Tatbestandsobjekt der Äußerung des Klägers und damit nicht die Betroffene einer möglichen Ehrverletzung war. Auf ihre Reaktion kommt es demnach nicht an.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [4] 4. Da schon aus diesem Grund das Vorliegen des Entlassungsgrundes nach § 27 Z 6 3. Fall AngG zu verneinen war, muss auf die Frage der Beweislastverteilung im Hinblick auf den Wahrheitsgehalt der dem Kläger vorgeworfenen Äußerung nicht weiter eingegangen werden.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [5] 5. Bei der Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit kommt es vor allem darauf an, ob für den Dienstgeber vom Standpunkt vernünftigen kaufmännischen Ermessens die gerechtfertigte Befürchtung bestand, dass seine Belange durch den Angestellten gefährdet seien, wobei nicht das subjektive Empfinden des Dienstgebers entscheidet, sondern an das Gesamtverhalten des Angestellten ein objektiver Maßstab anzulegen ist, der nach den Begleitumständen des einzelnen Falls und nach der gewöhnlichen Verkehrsauffassung angewendet zu werden pflegt (RS0029833). Entscheidend ist, ob das Verhalten des Angestellten als so schwerwiegend angesehen werden muss, dass das Vertrauen des Arbeitgebers derart heftig erschüttert wird, dass ihm eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann (RS0029323).</p><p class="ErlText AlignLeft"> [6] 6. Die Revision argumentiert zusammengefasst im Wesentlichen damit, dass der Kläger mit der ihm vorgeworfenen Äußerung die Gewährung eines Vorruhestandsmodells erreichen wollte, auf das er keinen Anspruch habe. Daraus ergebe sich seine Vertrauensunwürdigkeit. Zwar habe das Erstgericht zur Motivlage des Klägers eine Negativfeststellung getroffen, das Berufungsgericht habe allerdings den diesbezüglich geltend gemachten Verfahrensmangel nicht behandelt, weil es von der rechtlichen Irrelevanz dieser Feststellung ausgegangen sei. Es liege damit eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens vor.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [7] 7. Der Kläger hat in einem Verfahren, in dem er Mobbing/Bossing geltend machte, ausgesagt, der Geschäftsführer habe ihm gegenüber geäußert, es werde zukünftig für ihn „wie die Hölle auf Erden“. Ob der Geschäftsführer dies tatsächlich gesagt hat, konnte nicht festgestellt werden.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [8] Aus dieser Aussage lässt sich aber, unabhängig davon, was die Motivation des Klägers war, weder eine Forderung noch eine Drohung im Hinblick auf bestimmte Leistungen durch die Beklagte ableiten. Daran ändert sich auch nichts, wenn man sie in Zusammenhang mit den anderen von der Beklagten angeführten Teilen der Aussage des Klägers (der Beschäftiger sei „eine Minitochter“ [des Überlassers], er „müsse sich fast genieren, über das Verhalten und den Umgangston“, der Beschäftiger sei eine „seltsame Tochter“, dort habe er „ein Niveau kennengelernt, das er sonst nicht von der Bank her kenne“) betrachtet.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [9] 8. Soweit die Beklagte sich auf Rechtsprechung beruft, nach der die Drohung mit einer – für sich allein betrachtet – rechtmäßigen Handlung nicht eingesetzt werden dürfe, um einen unverhältnismäßigen Vorteil zu erzielen oder einen nicht konnexen Anspruch durchzusetzen, ist für sie daher nichts zu gewinnen. Der Kläger hat mit der inkriminierten Äußerung eine gerichtliche Aussage getätigt, nicht mit einer rechtmäßigen oder unrechtmäßigen Handlung gedroht.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [10] 9. Ob der Kläger die Schadenersatzklage wegen Mobbings einbrachte, um damit unzulässig Ansprüche durchzusetzen, war nicht zu prüfen, da die Beklagte die Rechtmäßigkeit der Entlassung darauf nicht gestützt hat. Zu einem solchen Entlassungsgrund mussten daher auch keine Feststellungen getroffen werden. Ein sekundärer Verfahrensmangel liegt nicht vor.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [11] 10. Insgesamt gelingt es der Beklagten daher nicht das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision der Beklagten ist daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240919_OGH0002_009OBA00056_24M0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-09 | 2024-10-09 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240919_OGH0002_009OBA00056_24M0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240919_OGH0002_009OBA00056_24M0000_000/JJT_20240919_OGH0002_009OBA00056_24M0000_000.html | 9ObA56/24m | ECLI:AT:OGH0002:2024:009OBA00056.24M.0919.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Hargassner und Dr. Stiefsohn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Ingomar Stupar (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Thomas Kallab (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Arbeiterbetriebsrat der G* GmbH & Co KG, *, vertreten durch die HAIDER OBEREDER PILZ Rechtsanwält:innen GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei G* GmbH & Co KG, *, vertreten durch die ATTYS 05 Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung (§ 54 Abs 1 ASGG), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. Mai 2024, GZ 7 Ra 39/23v-36, mit dem das Urteil des Landesgerichts Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom 13. Juli 2023, GZ 25 Cga 66/22w-28, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:</span></p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="Abstand AlignLeft"></p><p class="ErlText AlignLeft">Der Revision wird teilweise Folge gegeben.</p><p class="ErlText AlignLeft">Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin geändert, dass die Entscheidung zu lauten hat:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">„1. Es wird zwischen den Parteien festgestellt, dass</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Kursiv">1.1. für Mehr- oder Überstunden, die bei Arbeiten in Wechselschichten in Form von Zusatzschichten oder Einspringschichten in einer zweiten Schicht geleistet werden, Schichtzulagen für die zweite Schicht (gemäß Abschnitt XIV Punkt 6 des Kollektivvertrags für die eisen- und metallerzeugende und -verarbeitende Industrie) zu zahlen sind, und für Überstunden, die bei Arbeiten in </span><span class="Kursiv">Wechselschichten in Form von Zusatzschichten oder Einspringschichten in einer dritten Schicht geleistet werden, Schichtzulagen für die dritte Schicht (gemäß Abschnitt XIV Punkt 6 des Kollektivvertrags für die eisen- und metallerzeugende und -verarbeitende Industrie) zu zahlen sind, und</span></span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Kursiv">1.2. für Schichtzulagen bei Wechselschichten während Mehrarbeit die gesetzliche dreijährige Verjährungsfrist, wie in Abschnitt XX Punkt 1 des Kollektivvertrags für die eisen- und metallerzeugende und -verarbeitende Industrie geregelt, Anwendung findet.</span></span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">2. Das Mehrbegehren, es werde zwischen den Parteien festgestellt, dass</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Kursiv">2.1. für Mehrstunden, die bei Arbeiten in Wechselschichten in Form von Zusatzschichten oder Einspringschichten in einer dritten Schicht geleistet werden, Schichtzulagen für die dritte Schicht (gemäß Abschnitt XIV Punkt 6 des Kollektivvertrags für die eisen- und metallerzeugende und -verarbeitende Industrie) zu zahlen seien,</span></span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">2.2. für Mehr- oder Überstunden, die bei Arbeiten in Wechselschichten vor oder nach einer zweiten Schicht geleistet werden, Schichtzulagen für die zweite Schicht zu zahlen seien, und für Mehr- oder Überstunden, die bei Arbeiten in Wechselschichten vor oder nach einer dritten Schicht geleistet werden, Schichtzulagen für die dritte Schicht zu zahlen seien,</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Kursiv">2.3. für Schichtzulagen bei Wechselschichten während Überstundenarbeit die gesetzliche dreijährige Verjährungsfrist, wie in Abschnitt XX Punkt 1 des Kollektivvertrags für die eisen- und metallerzeugende und -verarbeitende Industrie geregelt, Anwendung finde,</span></span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Kursiv">2.4. Schichtzulagen bei Wechselschichten während Mehrarbeit oder Überstundenarbeit nicht unter den Begriff der Überstundenvergütung gemäß Abschnitt XX Punkt 2 des Kollektivvertrags für die eisen- und metallerzeugende und -verarbeitende Industrie subsumiert werden, und</span></span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Kursiv">2.5. für die Differenzansprüche bei Einbeziehung der Schichtzulagen in die kollektivvertraglichen Sonderzahlungen sowie in die kollektivvertraglichen und gesetzlichen Entgeltschnitte ebenfalls die gesetzliche Verjährungsfrist, wie in Abschnitt XX Punkt 1 des Kollektivvertrags für die eisen- und metallerzeugende und -verarbeitende Industrie geregelt, Anwendung finde,</span></span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">sowie das Eventualbegehren, es werde zwischen den Parteien festgestellt,</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">2.6. dass die von der klagenden Partei vertretenen Arbeitnehmer rückwirkend drei Jahre ab Klageeinbringung Anspruch auf Nachzahlung der Schichtzulagen laut Kollektivvertrag bei Wechselschichten während Mehrarbeit oder Überstundenarbeit haben,</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">werden abgewiesen.“</span></p><p class="ErlText AlignLeft">Über die Verpflichtung zum Kostenersatz für das gesamte Verfahren entscheidet das Gericht erster Instanz.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Entscheidungsgründe:</p><p class="ErlText AlignLeft"> [1] Die Beklagte betreibt ein Gießereiunternehmen. Auf die Arbeitsverhältnisse ihrer Arbeiterinnen und Arbeiter ist der Kollektivvertrag für die eisen- und metallerzeugende und -verarbeitende Industrie anzuwenden (zitierte Fassung: 1. 11. 2021; aktuelle Fassung: 1. 11. 2023 [im Wesentlichen unverändert]). Der Kollektivvertrag enthält die folgenden Bestimmungen:</p><p class="ErlText AlignLeft">„<span class="Fett"><span class="Kursiv">VI. ARBEITSZEIT</span></span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett"><span class="Kursiv">Wöchentliche Arbeitszeit</span></span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett"><span class="Kursiv">1.</span></span><span class="Kursiv"> Die wöchentliche Normalarbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen 38,5 Stunden.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">[…]</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett"><span class="Kursiv">Schichtarbeit</span></span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett"><span class="Kursiv">21.</span></span><span class="Kursiv"> Bei mehrschichtiger oder kontinuierlicher Arbeitsweise ist aufgrund einer Betriebsvereinbarung ein Schichtplan zu erstellen. Die Arbeitszeit ist so einzuteilen, dass […] im Durchschnitt die wöchentliche Normalarbeitszeit innerhalb eines Schichtturnusses nicht überschritten wird.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">Für Arbeitnehmer/innen in vollkontinuierlichen Betrieben kann die wöchentliche Normalarbeitszeit in einzelnen Wochen auf bis zu 56 Stunden ausgedehnt werden, wenn am Wochenende eine oder zwei Schichten von 10 bis 12 Stunden Dauer im Schichtplan vorgesehen sind und mindestens 2 von 3 Wochenenden vollkommen arbeitsfrei sind.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">Wenn es die Betriebsverhältnisse erfordern, kann die wöchentliche Normalarbeitszeit innerhalb des Schichtturnusses ungleichmäßig so verteilt werden, dass sie im Durchschnitt des Schichtturnusses 40 Stunden nicht überschreitet.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">Die sich daraus ergebenden Über- oder Unterschreitungen der kollektivvertraglichen Normalarbeitszeit sind innerhalb eines 26 Stunden nicht übersteigenden Durchrechnungszeitraums auszugleichen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">Ein längerer Durchrechnungszeitraum […] ist nur durch Betriebsvereinbarung und mit Zustimmung der Kollektivvertragspartner rechtswirksam.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">[…]</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett"><span class="Kursiv">VIa. MEHRARBEIT</span></span></span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">Das Ausmaß der ab November 1986 durchgeführten Verkürzung der wöchentlichen Normalarbeitszeit (bei vorher 40 Stunden Normalarbeitszeit, 1 1/2 Stunden pro Woche) ist Mehrarbeit.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">[…]</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett"><span class="Kursiv">VII. ÜBERSTUNDEN </span></span><span class="Kursiv">[…]</span></span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett"><span class="Kursiv">Überstunden</span></span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett"><span class="Kursiv">1.</span></span><span class="Kursiv"> Als Überstunde gilt jede Arbeitszeit, welche außerhalb der auf Grundlage der geltenden wöchentlichen Normalarbeitszeit, Abschnitt VI, Punkt 1, sowie der Mehrarbeit gemäß Abschnitt VIa vereinbarten täglichen Arbeitszeit liegt.</span></span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">[…]</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett"><span class="Kursiv">XIV. ZULAGEN UND ZUSCHLÄGE</span></span></span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">[…]</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett"><span class="Kursiv">Nachtarbeitszulage</span></span></p><p class="ErlText AlignLeft"> <span class="Fett"><span class="Kursiv">5.</span></span><span class="Kursiv"> Für jede in der Zeit zwischen 22 und 6 Uhr geleistete Arbeitsstunde wird, sofern es sich nicht um Überstunden handelt, eine Zulage</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">ab 1.11.2021 von mindestens </span> <span class="Kursiv">€ 2,524</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">ab 1.11.2022 von mindestens </span> <span class="Kursiv">€ 2,770</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">ab 1.11.2023 von mindestens </span> <span class="Kursiv">€ 3,016</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">ab 1.11.2024 von mindestens</span> <span class="Kursiv">€ 3,262</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">ab 1.11.2025 von mindestens</span> <span class="Kursiv">€ 3,508</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">ab 1.11.2026 von mindestens</span> <span class="Kursiv">€ 3,754</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">ab 1.11.2027 von mindestens</span> <span class="Kursiv">€ 4,000</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">bezahlt. Besteht Anspruch auf Nachtarbeitszulage, gebührt eine Zulage nach Punkt 6 nicht.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett"><span class="Kursiv">Schichtzulage bei Arbeiten in Wechselschichten</span></span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett"><span class="Kursiv">6.</span></span><span class="Kursiv"> Die Arbeitnehmer/innen erhalten bei Schichtarbeit für die</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">2. Schicht pro Stunde</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> <span class="Kursiv">ab 1.11.2021 mindestens </span> <span class="Kursiv">€ 0,670</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> <span class="Kursiv">ab 1.11.2022 mindestens </span> <span class="Kursiv">€ 0,837</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> <span class="Kursiv">ab 1.11.2023 mindestens</span> <span class="Kursiv">€ 1,004</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> <span class="Kursiv">3. Schicht pro Stunde</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> <span class="Kursiv">ab 1.11.2021 mindestens </span> <span class="Kursiv">€ 2,524</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> <span class="Kursiv">ab 1.11.2022 mindestens </span> <span class="Kursiv">€ 2,770</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> <span class="Kursiv">ab 1.11.2023 mindestens</span> <span class="Kursiv">€ 3,016</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> <span class="Kursiv">ab 1.11.2024 mindestens</span> <span class="Kursiv">€ 3,262</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> <span class="Kursiv">ab 1.11.2025 mindestens</span> <span class="Kursiv">€ 3,508</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> <span class="Kursiv">ab 1.11.2026 mindestens</span> <span class="Kursiv">€ 3,754</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> <span class="Kursiv">ab 1.11.2027 mindestens</span> <span class="Kursiv">€ 4,000</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> <span class="Kursiv">[…]</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett"><span class="Kursiv">Überstundenzuschläge</span></span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett"><span class="Kursiv">9.</span></span><span class="Kursiv"> Für jede Überstunde […] ist ein Zuschlag in Höhe von 50 Prozent zu bezahlen. Die dritte und die folgenden Überstunden an einem Tag werden mit einem Zuschlag von 100 Prozent entlohnt.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">Abweichend davon gebührt an einem sonst arbeitsfreien Tag der 100%ige Zuschlag erst ab der 11. Arbeitsstunde an diesem Tag, soweit nicht ohnedies Anspruch auf einen höheren Zuschlag besteht (z.B. Überstundenarbeit nach der 50. Stunde, Sonn- und Feiertagsentlohnung, Nachtarbeit etc.).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">Bei mehrschichtiger Arbeit hingegen gebührt der 100%ige Zuschlag für die dritte und folgenden Überstunden an einem sonst arbeitsfreien Tag erst für Arbeitsleistungen, die in Verlängerung der betriebsüblich ersten Schicht geleistet werden, soweit nicht ohnedies Anspruch auf einen höheren Zuschlag besteht (z.B. Überstundenarbeit nach der 50. Stunde, Sonn- und Feiertagsentlohnung, Nachtarbeit etc.).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">Werden in einer Arbeitswoche mehr als 50 Stunden gearbeitet, so gebührt ab der 51. Arbeitsstunde, sofern es sich um eine Überstunde handelt, ein Zuschlag in Höhe von 100 Prozent. […]</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">Jedenfalls ist für Überstunden zwischen 20 und 6 Uhr früh ein Zuschlag von 100 Prozent zu bezahlen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">Ein Zuschlag von 100 Prozent gebührt auch für Stunden, die nach Beendigung der Nachtschicht nach 6 Uhr geleistet werden.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">Für am 24. und 31. Dezember nach der Normalarbeitszeit geleistete Überstunden gebührt ein Zuschlag von 100 Prozent.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">Überstunden an Feiertagen – das sind Arbeitsleistungen, die außerhalb der für den entsprechenden Wochentag vereinbarten normalen Arbeitszeit erbracht werden – sowie Überstunden an Sonntagen sind ab der ersten Stunde mit einem Zuschlag von 100 Prozent zu entlohnen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">Wird der/die Arbeitnehmer/in nach Verlassen des Betriebes bzw. der Arbeitsstätte zur Leistung von Überstunden zurückberufen, so sind diese in jedem Fall mit einem Zuschlag von 100 Prozent zu vergüten. Bestehen im Betrieb für solche Einsätze insgesamt günstigere Regelungen, so gelten diese anstatt des obigen Satzes.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett"><span class="Kursiv">Sonntagszuschlag</span></span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett"><span class="Kursiv">10.</span></span><span class="Kursiv"> […]</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett"><span class="Kursiv">Feiertagsentlohnung</span></span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett"><span class="Kursiv">11.</span></span><span class="Kursiv"> […]</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett"><span class="Kursiv">12.</span></span><span class="Kursiv"> Bei Zusammentreffen mehrerer Zuschläge der Punkte 9 bis 11 sowie 14 gebührt nur der jeweils höchste Zuschlag.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett"><span class="Kursiv">13.</span></span><span class="Kursiv"> Die Überstunden- bzw. Mehrarbeitsgrundvergütung und die Grundlage für die Berechnung der Zuschläge gemäß Punkte 9 bis 11 bzw. Abschnitt VIa […] beträgt 1/143 des Monatslohnes (bei 38,5 Wochenstunden Normalarbeitszeit); […]</span></span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett"><span class="Kursiv">Zuschläge für Wochenend- bzw. Feiertagsarbeiten bei einem vorübergehend auftretenden besonderen Arbeitsbedarf </span></span><span class="Kursiv">[…]</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett"><span class="Kursiv">14. </span></span><span class="Kursiv">[…]</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett"><span class="Kursiv">XX. VERFALL VON ANSPRÜCHEN</span></span></span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett"><span class="Kursiv">1.</span></span><span class="Kursiv"> Für die Verjährung und den Verfall aller Ansprüche zwischen Arbeitgeber/in und Arbeitnehmer/in gelten ausschließlich die gesetzlichen Vorschriften. Auch für die Rückforderung zu Unrecht geleisteter Entgelte gilt die 3-jährige Verjährungsfrist.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett"><span class="Kursiv">2.</span></span><span class="Kursiv"> Abweichend davon müssen</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">- Überstundenvergütungen, Sonn- und Feiertagszuschläge,</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">- Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen,</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">- Reiseaufwandsentschädigungen und Wegzeitvergütungen</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">bei sonstigem Verfall binnen 6 Monaten nach ihrer Fälligkeit bzw. Bekanntwerden mündlich oder schriftlich geltend gemacht werden; […]“</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [2] Mindestens drei Arbeiterinnen und Arbeiter der Beklagten arbeiten in Wechselschichten (erste Schicht: von 6:00 bis 14:00 Uhr; zweite Schicht: von 14:00 bis 22:00 Uhr; dritte Schicht: von 22:00 bis 6:00 Uhr). Es kommt vor, dass Arbeiterinnen und Arbeiter im Schichtplan nicht vorgesehene Zusatzschichten leisten. Es kommt auch vor, dass Arbeiterinnen und Arbeiter bei Bedarf schon vor ihrer Schicht zu arbeiten beginnen („Hineinarbeiten in die Schicht“) oder nach ihrer Schicht weiterarbeiten („Herausarbeiten aus der Schicht“). Dabei fallen Mehr- und Überstunden an. Die Beklagte zahlt die kollektivvertragliche Schichtzulage nur für Normalarbeitsstunden, nicht aber für Mehr- und Überstunden. Sie beruft sich auf den Verfall der Schichtzulage bei Überstunden vor und nach einer Schicht, wenn sie nicht binnen sechs Monaten nach Fälligkeit oder Bekanntwerden mündlich oder schriftlich geltend gemacht wird.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [3] Der <span class="Unterstrichen">Kläger</span> stellte, gestützt auf die zitierten Bestimmungen des Kollektivvertrags und § 54 Abs 1 ASGG, die aus dem Spruch ersichtlichen Feststellungsbegehren und brachte vor, die Bestimmungen des Kollektivvertrags seien in diesem Sinne auszulegen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [4] Die <span class="Unterstrichen">Beklagte</span> beantragte die Zurückweisung der Klage und hilfsweise die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger habe kein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung. Die gebotene Auslegung des Kollektivvertrags stehe dem Klagebegehren entgegen.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [5] Das <span class="Unterstrichen">Erstgericht</span> gab dem Hauptbegehren statt und legte die Kollektivvertragsbestimmungen in dem vom Kläger gewünschten Sinn aus.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [6] Das <span class="Unterstrichen">Berufungsgericht</span> änderte das Ersturteil und wies das Klagebegehren ab. Nach der Wertung des Kollektivvertrags verdrängten der höhere Überstundenzuschlag und die günstigere Berechnungsart der Überstundenentlohnung nicht nur die Nachtarbeitszulage, sondern auch die Schichtzulage. Die Zahlung „schichtfremder“ Schichtzulagen scheide nach dem Kollektivvertrag aus. Den Feststellungsbegehren betreffend die Verfallsbestimmungen fehle es mangels eines Anspruchs auf Schichtzulage für Mehr- und Überstunden am rechtlichen Interesse. Die Revision sei mangels einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [7] In seiner <span class="Unterstrichen">außerordentlichen Revision</span> macht der Kläger eine unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und beantragt die Wiederherstellung des Ersturteils.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [8] Die Beklagte beantragt in ihrer – vom Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 2 ZPO freigestellten – Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen und hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.</span></p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"> [9] Die Revision ist <span class="Unterstrichen">zulässig</span>, weil die Auslegung der fraglichen Kollektivvertragsbestimmungen durch die Vorinstanzen einer Korrektur bedarf. Sie ist aus diesem Grund auch <span class="Unterstrichen">teilweise berechtigt</span>.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett"> [10] </span> <span class="Fett">1.</span> Der normative Teil eines Kollektivvertrags ist gemäß den §§ 6 und 7 ABGB nach seinem objektiven Inhalt auszulegen; maßgeblich ist, welchen Willen des Normgebers der Leser dem Text entnehmen kann (RS0010088). In erster Linie ist dabei der Wortsinn – auch im Zusammenhang mit den übrigen Regelungen – zu erforschen und die sich aus dem Text des Kollektivvertrags ergebende Absicht der Kollektivvertragsparteien zu berücksichtigen (RS0010089). Führt der Wortsinn der Bestimmung zu keinem eindeutigen Ergebnis, so ist mittels objektiv-teleologischer Interpretation nach dem Sinn und Zweck zu fragen, den die Regelung vernünftigerweise haben kann (9 ObA 141/17a; 9 ObA 108/23g). Da den Kollektivvertragsparteien unterstellt werden darf, dass sie eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen wollten, ist bei mehreren an sich in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten, wenn alle anderen Auslegungsgrundsätze versagen, jener der Vorzug zu geben, die diesen Anforderungen am meisten entspricht (RS0008828).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett">2.</span> <span class="Unterstrichen">Zur Schichtzulage (Abschnitt XIV Punkt 6 des Kollektivvertrags) für Mehrarbeit und Überstunden:</span></span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett"> [11] </span> <span class="Fett">2.1.</span> Die Schichtzulage gebührt wörtlich „bei Arbeiten in Wechselschichten“ (Überschrift des Abschnitts XIV Punkt 6) bzw „bei Schichtarbeit“ (Abschnitt XIV Punkt 6). In seinen Regelungen über die Arbeitszeit bezeichnet der Kollektivvertrag „Schichtarbeit“ auch als „mehrschichtige Arbeitsweise“ (Abschnitt VI Punkt 21). Nach der Rechtsprechung ist „Schichtarbeit“ bzw „mehrschichtige Arbeitsweise“ eine Arbeitszeiteinteilung, bei der an einem oder mehreren Arbeitsplätzen innerhalb eines Tages verschiedene Arbeitnehmer in zeitlicher Aufeinanderfolge ihre Tagesarbeitszeit absolvieren (RS0051396; vgl auch 9 ObA 191/88). Dabei muss nicht jede Schicht aus der gleichen Anzahl von Arbeitnehmern bestehen (RS0051396). Ein „Schichtwechsel“ wiederum liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn sich die Lage der Schicht nach dem Schichtplan ändert (vgl § 4a Abs 3 AZG; 10 ObS 104/17t). Die Parteien sind sich darüber einig, dass die betroffenen Arbeiterinnen und Arbeiter der Beklagten diese Voraussetzungen erfüllen, also „Schichtarbeit“ in diesem Sinn leisten. Der Kollektivvertrag bietet keine Anhaltspunkte für ein abweichendes Begriffsverständnis der Kollektivvertragsparteien: Dass die Arbeitszeit im „Schichtplan“ nach Abschnitt VI Punkt 21 so einzuteilen ist, dass im Durchschnitt die wöchentliche Normalarbeitszeit innerhalb eines Schichtturnusses nicht überschritten wird, lässt entgegen der Ansicht der Beklagten für sich allein nicht den Schluss zu, nach dem Kollektivvertrag werde „Schichtarbeit“ nur in der Normalarbeitszeit geleistet.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett"> [12] </span> <span class="Fett">2.2.</span> Abschnitt XIV Punkt 6 regelt einen allgemeinen Anspruch auf Schichtzulage ohne Bezugnahme auf die arbeitszeitrechtliche Qualifikation der geleisteten Arbeitsstunde. Er differenziert insbesondere nicht zwischen der Normalarbeitszeit einerseits sowie Mehrarbeit und Überstunden andererseits, sondern stellt nur darauf ab, dass „Arbeiten in Wechselschichten“ bzw „Schichtarbeit“ geleistet werden bzw wird. Der isoliert betrachtete Wortlaut von Abschnitt XIV Punkt 6 erweckt damit den Eindruck, eine Schichtzulage gebühre für jede Arbeitsstunde in einer zweiten oder dritten Schicht, unabhängig von ihrer genauen zeitlichen Lage und ihrer arbeitszeitrechtlichen Qualifikation (als Normalarbeitszeit, Mehrarbeit oder Überstunde). Allgemein folgt aus Punkt 6: Wird eine Arbeitsstunde (laut Schichtplan) in einer ersten Schicht geleistet, gebührt keine Schichtzulage; wird sie in einer zweiten Schicht geleistet, gebührt eine Schichtzulage für die zweite Schicht; wird sie in einer dritten Schicht geleistet, gebührt eine Schichtzulage für die dritte Schicht. Eine abweichende Beurteilung der Höhe der Schichtzulage bei „Hineinarbeiten in eine Schicht“ oder „Herausarbeiten aus einer Schicht“ ist Punkt 6 nicht zu entnehmen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett"> [13] </span> <span class="Fett">2.3.</span> Die systematische Zusammenschau von Abschnitt XIV Punkt 6 („Schichtzulage bei Arbeiten in Wechselschichten“) mit seinen Punkten 5 („Nachtarbeitszulage“), 9 („Überstundenzuschläge“) und 13 bestätigt diese Auslegung mit einer Ausnahme betreffend Normal- und Mehrarbeitsstunden zwischen 22:00 und 6:00 Uhr:</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett"> [14] </span> <span class="Fett">2.3.1.</span> Punkt 5 gibt allen Arbeiterinnen und Arbeitern – unabhängig davon, ob sie Arbeiten in Wechselschichten leisten – einen Anspruch auf Nachtarbeitszulage für jede zwischen 22:00 und 6:00 Uhr geleistete Arbeitsstunde, „sofern es sich nicht um Überstunden handelt“. Eine Nachtarbeitszulage gebührt daher für Normal- und Mehrarbeitsstunden zwischen 22:00 und 6:00 Uhr, nicht aber für Überstunden in diesem Zeitraum. Einen vergleichbaren Ausschluss der Schichtzulage für Überstunden gibt es in Punkt 6 nicht.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett"> [15] </span> <span class="Fett">2.3.2.</span> Der Hintergrund des Ausschlusses der Nachtarbeitszulage für Überstunden ergibt sich aus der systematischen Zusammenschau mit weiteren Regelungen des Abschnitts XIV: Nach Punkt 9 gebührt für Überstunden zwischen 20:00 und 6:00 Uhr (darin enthalten der gesamte Zeitraum, für den Nachtarbeitszulage zustehen kann) ein Zuschlag von 100 %. Nach Punkt 13 betragen die Überstunden- bzw Mehrarbeitsgrundvergütung und die Grundlage für die Berechnung (ua) der Mehrarbeits- und Überstundenzuschläge (bei 38,5 Wochenstunden Normalarbeitszeit) 1/143 des Monatslohns. Der Kollektivvertrag normiert also (auch) für die Zeit, für die die Nachtarbeitszulage gebühren kann, einen höheren als den gesetzlichen Überstundenzuschlag (§ 10 Abs 1 Z 1 AZG: 50 %) und eine günstigere „andere Berechnungsart“ iSd § 10 Abs 3 S 3 AZG. Im Gegenzug gebührt für Überstunden zwischen 22:00 und 6:00 Uhr keine Nachtarbeitszulage. Für die Schichtzulage gibt es diese Wertung in Wortlaut und Systematik der Punkte 5, 6, 9 und 13 nicht.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett"> [16] </span> <span class="Fett">2.3.3.</span> Punkt 5 enthält eine einzige Einschränkung für die Schichtzulage, und zwar im letzten Satz: „Besteht Anspruch auf Nachtarbeitszulage, gebührt eine Zulage nach Punkt 6 nicht.“ Die (allgemeine) Nachtarbeitszulage geht also der (besonderen) Schichtzulage vor – Arbeiterinnen und Arbeiter, die eine Nachtarbeitszulage beanspruchen können, erhalten keine Schichtzulage. Finanziell hat das für sie keine Auswirkungen, weil die Nachtarbeitszulage nach dem Kollektivvertrag genauso hoch ist wie die höchste Schichtzulage – jene für die dritte Schicht. Im Umkehrschluss folgt aus dem letzten Satz von Punkt 5: „Besteht kein Anspruch auf eine Nachtarbeitszulage, gebührt unter den Voraussetzungen von Punkt 6 eine Schichtzulage.“ Da es für Überstunden generell keine Nachtarbeitszulage gibt (arg: „sofern es sich nicht um Überstunden handelt“), bleibt der Anspruch auf die Schichtzulage für Überstunden zwischen 22:00 und 6:00 Uhr bestehen. Für Arbeitsstunden zwischen 22:00 und 6:00 Uhr, die der Normalarbeitszeit oder der Mehrarbeit zuzuordnen sind, besteht aber ein Anspruch auf Nachtarbeitszulage – und damit kein Anspruch auf Schichtzulage.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett"> [17] </span> <span class="Fett">2.3.4.</span> Eine allgemeine Reihung, wie von der Beklagten gewünscht – eine Schichtzulage sei nur zu zahlen, wenn weder eine Überstunde vorliege noch ein Anspruch auf Nachtarbeitszulage bestehe –, ist Wortlaut und Systematik der Punkte 5 und 6 nicht zu entnehmen. Eine solche Reihung ergibt sich auch nicht aus Abschnitt XIV Punkt 12, wonach bei Zusammentreffen mehrerer Zuschläge nur der jeweils höchste Zuschlag gebühre: Diese Bestimmung bezieht sich ausdrücklich nur auf das Verhältnis von Zuschlägen „der Punkte 9 bis 11 sowie 14“ (Überstundenzuschläge, Sonntagszuschlag, Feiertagsentlohnung sowie Zuschläge für Wochenend- bzw Feiertagsarbeiten bei einem vorübergehend auftretenden besonderen Arbeitsbedarf).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett"> [18] </span> <span class="Fett">2.4.</span> Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten: Nach Wortlaut und Systematik von Abschnitt XIV Punkte 5 und 6 des Kollektivvertrags gebührt für im Betrieb der Beklagten geleistete Arbeitsstunden in der dritten Schicht (zwischen 22:00 und 6:00 Uhr), die als Normalarbeitszeit oder als Mehrarbeit zu qualifizieren sind, keine Schichtzulage (sondern eine Nachtarbeitszulage in der Höhe der Schichtzulage für die dritte Schicht). Von dieser Ausnahme abgesehen besteht der Anspruch auf Schichtzulage unabhängig von der arbeitszeitrechtlichen Einordnung der im Betrieb der Beklagten geleisteten Arbeitsstunde – insbesondere auch für Mehr- und Überstunden. Der Anspruch hängt (nur) davon ab, zu welcher Zeit die Arbeitsstunde geleistet wird (keine Schichtzulage zwischen 6:00 und 14:00 Uhr [erste Schicht], Schichtzulage für die zweite Schicht von 14:00 bis 22:00 Uhr und Schichtzulage für die dritte Schicht von 22:00 bis 6:00 Uhr).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett"> [19] </span> <span class="Fett">2.5.</span> Zu prüfen bleibt, ob der Text des Kollektivvertrags Anhaltspunkte für eine abweichende Absicht der Kollektivvertragsparteien als Normgeber bietet:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett"> [20] </span> <span class="Fett">2.5.1.</span> Oben wurde dargelegt, dass der Kollektivvertrag die Belastung durch eine Überstunde Nachtarbeit (zwischen 20:00 und 6:00 Uhr früh) allein durch die günstigere Höhe und Berechnungsart des Überstundenzuschlags abgegolten wissen will. Die Normgeber gewichteten nun die Belastung der Arbeiterin und des Arbeiters durch eine Stunde Nachtarbeit iSd Pkt XIV.5 KV genau gleich wie die Belastung durch eine Stunde in der dritten Schicht (erkennbar durch die gleiche Höhe der Nachtarbeitszulage sowie der Schichtzulage für die dritte Schicht) und höher als die Belastung durch eine Stunde der zweiten Schicht (erkennbar durch die höheren Beträge der Nachtarbeitszulage). Dazu passt die feststehende Praxis im Betrieb der Beklagten, wonach sich die Zeit der dritten Schicht mit der kollektivvertraglichen Zeit der Nachtarbeit iSd Pkt XIV.5 KV deckt (22:00 bis 6:00 Uhr). Das wirft zwei Fragen auf: Sollte nach der Absicht der Normgeber die Regelung für die Nachtarbeitszulage gleichermaßen auch für die Schichtzulage für die dritte Schicht gelten (nach den Beträgen gleich belastend wie Nachtarbeit; nach den Feststellungen im vorliegenden Fall zur selben Zeit wie Nachtarbeit)? Und sollte das nach ihrer Absicht auch für die Schichtzulage für die – nach den Beträgen als weniger belastend angesehene – zweite Schicht gelten, zumindest insofern, als es für die Überstunden einen 100%igen Zuschlag und eine günstigere Berechnungsart gibt (so zB in der hier festgestellten zweiten Schicht immer von 20:00 bis 22:00 Uhr; oder ab der dritten Überstunde an einem Tag; oder am 24. oder 31. Dezember; usw)?</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett"> [21] </span> <span class="Fett">2.5.2.</span> Im äußersten Wortsinn des Abschnitts XIV fände eine solche Absicht der Kollektivvertragsparteien aber keine Deckung: Die Punkte 5 und 6 stellen Nachtarbeitszulage und Schichtzulage nebeneinander. Punkt 5 ordnet nur insofern eine Subsidiarität (einen Entfall) der Schichtzulage an, als eine Nachtarbeitszulage gebührt. Punkt 5 schließt die Nachtarbeitszulage, nicht aber die Schichtzulage für Überstunden aus; auch in Punkt 6 gibt es keinen Ausschluss der Schichtzulage für Überstunden. Sollte also der Normgeber tatsächlich die in 2.5.1. angesprochene Regelungsabsicht gehabt haben und deshalb die gleichen Beträge für die Nachtarbeitszulage und die Schichtzulage für die dritte Schicht vorgesehen haben, käme sie im äußersten Wortsinn der Punkte 5 und 6 nicht ausreichend zum Ausdruck. Die gleiche Höhe der Beträge allein reicht dafür nicht aus.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett"> [22] </span> <span class="Fett">2.5.3.</span> Für eine abweichende Ansicht des Normgebers mit dem Inhalt, der Anspruch auf Schichtzulage bei „Hineinarbeiten in eine Schicht“ oder „Herausarbeiten aus einer Schicht“ richte sich nach der Schicht, in die hineingearbeitet oder aus der herausgearbeitet werde, gibt es jedenfalls keinen Anhaltspunkt im Kollektivvertrag.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett"> [23] </span> <span class="Fett">2.6.</span> Es bleibt daher bei folgendem Auslegungsergebnis: Für im Betrieb der Beklagten geleistete Arbeitsstunden in der dritten Schicht (zwischen 22:00 und 6:00 Uhr), die als Normalarbeitszeit oder Mehrarbeit zu qualifizieren sind, gebührt keine Schichtzulage (sondern eine Nachtarbeitszulage in der Höhe der Schichtzulage für die dritte Schicht). Von dieser Ausnahme abgesehen besteht der Anspruch auf Schichtzulage unabhängig von der arbeitszeitrechtlichen Einordnung der Arbeitsstunde – also auch für Mehr- und Überstunden, und zwar je nachdem, wann die Stunde geleistet wird (keine Schichtzulage zwischen 6:00 und 14:00 Uhr [erste Schicht], Schichtzulage für die zweite Schicht von 14:00 bis 22:00 Uhr und Schichtzulage für die dritte Schicht von 22:00 bis 6:00 Uhr).</p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett"> [24] </span> <span class="Fett">2.7.</span> Dieses Ergebnis hat folgende Auswirkungen auf die Berechtigung der Feststellungsbegehren betreffend den Anspruch auf Schichtzulage: Das erste Feststellungsbegehren ist abzuweisen. Weder der Kollektivvertrag noch die Revision bieten Anhaltspunkte dafür, dass sich die Höhe der Schichtzulage nicht nach der Zeit richten würde, zu der die Mehr- oder Überstunde geleistet wird, sondern nach der eingeteilten Schicht der Arbeiterin oder des Arbeiters, in die „hineingearbeitet“ oder aus der „herausgearbeitet“ wird. Dem zweiten Feststellungsbegehren ist dagegen mit Ausnahme der Mehrarbeit in der Zeit von 22:00 bis 6:00 Uhr (für die eine Nachtarbeitszulage in der Höhe der Schichtzulage für die dritte Schicht) gebührt, stattzugeben.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett">3.</span> <span class="Unterstrichen">Zu den Begehren betreffend den Verfall des Anspruchs auf Schichtzulage (Abschnitt XX Punkt 2):</span></span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett"> [25] </span> <span class="Fett">3.1.</span> Abschnitt XX Punkt 2 stellt nach seinem klaren Wortlauf auf die „Überstundenvergütung“ ab. Dazu gehört schon rein begrifflich das gesamte Entgelt, das die Arbeiterin oder der Arbeiter für die Überstunde bezieht, also auch eine für die Überstunde auszuzahlende Schichtzulage. Auch für Schichtzulagen für Überstunden gilt daher die sechsmonatige Verfallsfrist ab Fälligkeit oder Bekanntwerden (und nicht die gesetzliche Verjährungsfrist). Auf Mehrarbeit dagegen bezieht sich Punkt 2 nicht. Für Schichtzulagen für Mehrstunden gilt daher nicht die sechsmonatige Verfallsfrist, sondern die gesetzliche Verjährungsfrist.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett"> [26] </span> <span class="Fett">3.2.</span> Dieses Ergebnis hat folgende Auswirkungen auf die Berechtigung der Feststellungsbegehren betreffend den Verfall des Anspruchs auf Schichtzulage: Soweit sie sich auf Schichtzulagen für Überstunden beziehen, sind sie abzuweisen. In Bezug auf Schichtzulagen für Mehrstunden ist festzustellen, dass die gesetzliche dreijährige Verjährungsfrist Anwendung findet. Ein gesondertes rechtliches Interesse an der Feststellung, dass die Schichtzulagen für Mehrstunden nicht unter den Begriff der Überstundenvergütung fallen, und an der Feststellung des Anspruchs auf Nachzahlung für drei Jahre ist im Hinblick darauf nicht mehr zu erkennen. Die darauf gerichteten Feststellungsbegehren (Haupt- und Eventualbegehren) sind daher abzuweisen. Dasselbe gilt für das die Differenzansprüche betreffende Feststellungsbegehren; hier bietet schon das Vorbringen keine Hinweise für eine Bestreitung der Beklagten und damit ein rechtliches Interesse des Klägers.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett"> [27] </span> <span class="Fett">4.</span> Der Ausspruch über die Kosten gründet auf § 52 Abs 3 ZPO. Das Berufungsgericht hat die Kostenentscheidung bis zur rechtskräftigen Erledigung der Streitsache vorbehalten (§ 52 Abs 1, 2 ZPO). Das Erstgericht hat nun über die Verpflichtung zum Kostenersatz für das gesamte Verfahren zu entscheiden.</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240918_OGH0002_0040OB00176_23W0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-07 | 2025-01-03 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240918_OGH0002_0040OB00176_23W0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240918_OGH0002_0040OB00176_23W0000_000/JJT_20240918_OGH0002_0040OB00176_23W0000_000.html | 4Ob176/23w | ECLI:AT:OGH0002:2024:0040OB00176.23W.0918.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie den Vizepräsidenten Hon.-Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Waldstätten und den Hofrat Dr. Stiefsohn als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen 1. * und 2. *, beide geboren am * 2019, beide vertreten durch die Mutter * Wien, diese vertreten durch Mag. Franz Kellner, Rechtsanwalt in Wien, wegen einstweiligen Unterhalts nach § 382 Z 8 lit a EO, aus Anlass des Revisionsrekurses des Vaters *, Polen, vertreten durch Mag. Gülay Aydemir, Rechtsanwalt in Wien als Verfahrenshelfer, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 14. Juni 2023, GZ 42 R 11/23p-41, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 19. September 2022, GZ 83 Pu 137/21y-31, bestätigt wurde, den</span></p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft">1. Das beim Gerichtshof der Europäischen Union zu C-361/24, <span class="Kursiv">Grecniaka</span>, anhängige Ersuchen um Vorabentscheidung vom 26. April 2024 wurde zurückgezogen.</p><p class="ErlText AlignLeft">2. Das Verfahren über den Revisionsrekurs der klagenden Partei wird fortgesetzt.</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [1] 1. Das Stadtgericht Krakau hat sich im vom unterhaltspflichtigen Vater der Minderjährigen, *, eingeleiteten Scheidungsverfahren XI C 2299/21, das auch den Kindesunterhalt zum Gegenstand hatte, bereits für eine Entscheidung über den Unterhalt der Minderjährigen für unzuständig erklärt, indem es den entsprechenden Entscheidungsantrag zurückgewiesen hat. Dieser Beschluss ist vom Berufungsgericht Krakau zu I Acz 465/22 unwiderruflich bestätigt worden.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [2] Auch der Vater hat bereits die Fortsetzung des österreichischen Unterhaltsverfahrens beantragt.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [3] Die zur Vorabentscheidung vorgelegten Rechtsfragen zur internationalen Zuständigkeit sind daher nicht mehr zu lösen, sodass das Vorabentscheidungsersuchen zurückzuziehen ist (§ 90a Abs 2 GOG; 5 Ob 110/23x mwN).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [4] 2. Aufgrund des Wegfalls der Grundlage für die Verfahrensunterbrechung ist das Revisionsrekursverfahren fortzusetzen (vgl § 90a Abs 1 GOG).</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240917_OLG0009_03300R00050_24A0000_000 | Justiz | OLG Wien | 2024-10-22 | 2024-10-22 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240917_OLG0009_03300R00050_24A0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240917_OLG0009_03300R00050_24A0000_000/JJT_20240917_OLG0009_03300R00050_24A0000_000.html | 33R50/24a | ECLI:AT:OLG0009:2024:03300R00050.24A.0917.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hinger als Vorsitzenden, die Richterin Mag. Tscherner und die Kommerzialrätin Ing. Mag. Übellacker in der Rechtssache der klagenden Partei <span class="Fett">*****</span>, vertreten durch die Gheneff – Rami – Sommer Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, gegen die beklagte Partei <span class="Fett">*****</span>, vertreten durch die Ploil Boesch Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung (EUR 30.000), Zahlung von EUR 3.000 und Veröffentlichung (EUR 2.000) über die Berufung der beklagten Partei (Berufungsinteresse EUR 33.000) gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 16.3.2024, 43 Cg 27/23b-12, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Berufung wird nicht Folge gegeben.</p><p class="ErlText AlignLeft">Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 3.400,32 (darin enthalten EUR 566,72 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.</p><p class="ErlText AlignLeft">Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.</p><p class="ErlText AlignLeft">Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter"><span class="Fett">Entscheidungsgründe</span></p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Kläger ist freier Fotojournalist in Wien und Urheber eines Lichtbilds, das Personen bei einer politischen Versammlung zeigt. Der Kläger stellt seine fotografischen Werke dem „Presseservice Wien“, einem Medienprojekt von Journalisten zur Dokumentation sozialer Bewegungen und (extrem) rechter Mobilisierungen in Zentral- und Osteuropa, zur Verfügung. Das „Presseservice Wien“ hat das Lichtbild auf seiner eigenen Website veröffentlicht und ermöglicht Medien auf Grundlage einer „Creative Commons“-Lizenz und unter der Voraussetzung der Namensnennung unentgeltlich seine nicht kommerzielle Nutzung.</p><p class="ErlText AlignLeft">Die Beklagte ist Medieninhaberin des privaten Rundfunksenders „*****“ und des Abrufdiensts auf der Website „www.*****.at“ und der App „*****“.</p><p class="ErlText AlignLeft">Am 28.9.2022 nutzte die Beklagte das Lichtbild des Klägers in der ab 20:15 Uhr ausgestrahlten Sendung „*****“. Das Lichtbild wurde innerhalb von zwei Minuten fünf Mal eingeblendet, teilweise den gesamten Bildschirm ausfüllend. Das Lichtbild war in weiterer Folge für den Abrufdienst der Website „www.*****.at“ und für die App „*****“ verfügbar. Als Quelle des Lichtbilds wurde immer „Presseservice Wien“ ausgewiesen. Die Sendung wurde insgesamt vier Mal für Werbeeinschaltungen unterbrochen. Auch auf der Website www.*****.at und in der App ***** wurden Werbebanner eingeblendet.</p><p class="ErlText AlignLeft">Der Kläger begehrte, gestützt auf das UrhG, die Unterlassung, Zahlung von angemessenem Entgelt und Schadenersatz und die Urteilsveröffentlichung. Er sei alleiniger Urheber des Lichtbildwerks, und die Beklagte habe das Werk ohne seine Zustimmung und damit rechtswidrig vervielfältigt, gesendet und im Internet zur Verfügung gestellt. Dabei habe die Beklagte auch schuldhaft gehandelt. Die Nutzung durch die Beklagte sei kommerziell erfolgt; einer kommerziellen Nutzung habe der Kläger nicht zugestimmt.</p><p class="ErlText AlignLeft">Die Beklagte brachte im Wesentlichen und soweit für das Berufungsverfahren relevant vor, der Kläger habe der Veröffentlichung durch die Beklagte zugestimmt. Er habe das Lichtbild der Website „Presseservice Wien“ zur Verfügung gestellt. Die Beklagte habe sich des Lichtbilds im Rahmen des vom „Presseservice Wien“ erklärten Zwecks, der „Dokumentation sozialer Bewegungen und (extrem) rechter Mobilisierungen in Zentral- und Osteuropa“ bedient und das „Presseservice Wien“ als Quelle angegeben. Der gesamte Inhalt der Seite des „Presseservice Wien“ sei unter einer „Creative Commons“-Lizenz lizenziert. Diese räume ein Recht der Nutzung und Vervielfältigung des Werks für nicht kommerzielle Zwecke ein. Die Nutzung durch die Beklagte sei nicht kommerziell gewesen.</p><p class="ErlText AlignLeft">Das Erstgericht traf über den eingangs dargestellten Sachverhalt hinaus die auf den Seiten 7 und 8 der Urteilsausfertigung ersichtlichen Feststellungen.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Rechtlich kam das Erstgericht zum Ergebnis, dass Dritte das dem „Presseservice Wien“ zur Verfügung gestellte Lichtbild im Rahmen einer „Creative Commons“-Lizenz vervielfältigen, bearbeiten und öffentlich wiedergeben und verbreiten dürften. Die hier erfolgte kommerzielle Nutzung durch die Beklagte sei von dieser Rechteeinräumung jedoch nicht umfasst, sodass die Nutzung rechtswidrig gewesen sei. Das Erstgericht gab daher dem Unterlassungsbegehren (§ 81 UrhG) und dem Begehren auf Urteilsveröffentlichung (§ 85 UrhG) statt und sprach dem Kläger einen Schadenersatz nach § 87 Abs 3 UrhG von EUR 1.000 zu. Das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer EUR 2.000 wies das Erstgericht ab.</span></p><p class="ErlText AlignLeft">Gegen den der Klage stattgebenden Teil des Urteils richtet sich die Berufung der Beklagten aus dem Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Sie beantragt, das gesamte Klagebegehren abzuweisen, in eventu, das Urteil aufzuheben und zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.</p><p class="ErlText AlignLeft">Der Kläger beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft">Die Berufung ist nicht berechtigt.</p><p class="ErlText AlignLeft">1. Das „Presseservice Wien“ stellte das Lichtbild im Einvernehmen mit dem Kläger auf Grundlage einer „Creative Commons“-Lizenz unentgeltlich zur nicht kommerziellen Nutzung zur Verfügung.</p><p class="ErlText AlignLeft">2. Die Beklagte wendet sich in der Berufung gegen die Beurteilung des Erstgerichts, die festgestellte Nutzung durch die Beklagte sei als kommerziell zu qualifizieren und damit nicht von der Rechteeinräumung aufgrund der „Creative Commons“-Lizenz umfasst.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">3. Die Beklagte legte als Beilage ./4 den Lizenzvertrag („Creative Commons“-Lizenz CC BY-NC 4.0) vor, dessen Inhalt das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde legt (vgl RS0121557): Dieser definiert die kommerzielle Nutzung in Abschnitt 1 i. wie folgt: <span class="Kursiv">„Nicht kommerziell meint nicht vorranging auf einen geschäftlichen Vorteil oder eine geldwerte Vergütung gerichtet.“</span> Die Definition deckt sich mit der allgemeinen Bedeutung des Begriffs „kommerziell“, etwa als geschäftlich, auf Gewinn bedacht oder Geschäftsinteressen wahrnehmend (vgl etwa www.duden.de). Damit im Einklang normiert das UrhG im Rahmen der „Schulbuchfreiheit“ nach § 45 UrhG eine freie Werknutzung zur Verfolgung nicht kommerzieller Zwecke, dh nicht in Gewinnerzielungsabsicht (vgl <span class="Kursiv">Ciresa</span> in <span class="Kursiv">Ciresa,</span> Österreichisches Urheberrecht [2019] § 45 UrhG Rz 11).</span></p><p class="ErlText AlignLeft">4. Dem Erstgericht ist zuzustimmen, dass die Beklagte das Lichtbild des Klägers kommerziell und damit nicht im Rahmen der vom „Presseservice Wien“ erteilten Nutzungsbewilligung verwendet hat:</p><p class="ErlText AlignLeft">4.1. Die Beklagte führt nicht nur allgemein ein auf die Erwirtschaftung von Gewinn ausgerichtetes Unternehmen; aus den Feststellungen ergibt sich, dass sie das Mittel der Erwirtschaftung von Einnahmen durch Werbeeinschaltungen im Zuge der Verwendung des Lichtbilds in einer Fernsehsendung, auf ihrer Website und auf ihrer App eingesetzt hat. Damit bediente sie sich unmittelbar der durch den Sendungsinhalt und damit auch das Lichtbild erzeugten Aufmerksamkeit zur Schaffung von für Werbekunden attraktiven Voraussetzungen.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">4.2. Die Beurteilung dieser Nutzung als kommerziell beruht nicht auf einer extensive Auslegung der über den „Presseservice Wien“ ermöglichten nicht kommerziellen Nutzung: Die in den Nutzungsbedingungen festgeschriebene nicht kommerzielle Nutzung bietet keinen Raum für eine Interpretation, nach der auch die Nutzung des Lichtbilds im Rahmen von Sendungen und Veröffentlichungen umfasst ist, die gleichzeitig auch eine Plattform für die Erzielung von Werbeeinnahmen bieten. Wie das Erstgericht richtig darlegte, hat das Oberlandesgericht Wien in einem vergleichbaren Fall die Veröffentlichung von Lichtbildern in einer kostenpflichtigen Zeitungsausgabe, die „Werbeentscheidungen“ entgeltlich anbot, als vorrangig kommerzielle Nutzung beurteilt (OLG Wien 30 R 5/15y; vgl auch <span class="Kursiv">Borbas,</span> Creative-Commons-Lizenzen: Recht und Praxis, MR 2017, 231).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Entgegen der Behauptung der Beklagten bedingt die vom Berufungsgericht geteilte Auslegung der nicht kommerziellen Nutzung laut Lizenzvertrag durch das Erstgericht nicht, dass <span class="Kursiv">jede </span>Lichtbildnutzung im Rahmen journalistischer Berichterstattung kommerziell wäre. Es sind verschiedene Arten nicht kommerzieller Medienberichterstattung denkbar, die mit dem deklarierten Ziel des „Presseservice Wien“ (vgl Beilage ./3) vereinbar sind, <span class="Kursiv">„... Fotos politischer Kundgebungen einem größerem Publikum zugänglich zu machen“, </span>wobei die Lizenz nicht-kommerziellen Projekten die kostenfreie Verwendung der Fotos ermögliche und für eine kommerzielle Nutzung um Kontaktaufnahme ersucht werde.</span></p><p class="ErlText AlignLeft">4.3. Umgekehrt wird die Nutzung des Fotos durch die Verwendung im Rahmen einer kritischen Informationssendung nicht automatisch zu einer „nicht kommerziellen“. Kein Raum bleibt für die Interpretation, <span class="Kursiv">jede </span>Nutzung der Fotos, die inhaltlich dem Zweck entspricht, (extrem) rechte Mobilisierungen zu dokumentieren und diesbezüglich Bildmaterial zur Verfügung zu stellen, um zu verhindern, dass Medien auf Fotomaterial rechter Gruppierungen zurückgreifen und deren Selbstinszenierung unterstützen, sei <span class="Kursiv">nicht </span>kommerziell. Auch in Unterstützung des inhaltlichen Ziels des „Presseservice Wien“ kann ein Medium ein Lichtbild gleichzeitig kommerziell, und damit nicht im Rahmen der mit der „Creative Commons“-Lizenz erteilten Werknutzungsbewilligung, nutzen. Der von der Beklagten in diesem Zusammenhang behauptete sekundäre Feststellungsmangel, das Erstgericht habe den Zweck der Lizenz nicht festgestellt, liegt nicht vor.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">5. Angesichts der klaren Bedeutung des Begriffs der nicht kommerziellen Nutzung in den Lizenzbedingungen bleibt kein Raum für die Anwendung der Unklarheitenregel nach § 915 Satz 2 ABGB. Schon deshalb kommt eine Auslegung des Begriffs „zum Nachteil des Klägers“ nicht in Betracht.</span></p><p class="ErlText AlignLeft">6. Das Erstgericht nahm zu Recht eine Urheberrechtsverletzung an, die die von der Beklagten im Berufungsverfahren nicht weiter bestrittenen Rechtsfolgen nach sich zieht.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">7. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.</span></p><p class="ErlText AlignLeft">8. Die Bewertung des Entscheidungsgegenstands ist eine Folge der aus Sicht des Berufungsgerichts unbedenklichen Bewertung des Unterlassungs- und Veröffentlichungsbegehrens durch den Kläger.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Der Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision gründet auf die §§ 500 Abs 2 Z 3, 502 Abs 1 ZPO. Die Bedeutung der Sache geht nicht über den Einzelfall hinaus.</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240913_OGH0002_0120NS00062_24Z0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-18 | 2024-10-18 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240913_OGH0002_0120NS00062_24Z0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240913_OGH0002_0120NS00062_24Z0000_000/JJT_20240913_OGH0002_0120NS00062_24Z0000_000.html | 12Ns62/24z | ECLI:AT:OGH0002:2024:0120NS00062.24Z.0913.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Der Oberste Gerichtshof hat am 13. September 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Oshidari und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner in der Strafsache gegen * D* und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 16 Hv 65/21x des Landesgerichts Feldkirch, über die Anzeige der Ausgeschlossenheit der Hofrätin des Obersten Gerichtshofs * gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo 2019 den</span></p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft">Hofrätin des Obersten Gerichtshofs * ist von der Entscheidung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten * D*, * P* und * C* sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 13. November 2023, GZ 16 Hv 65/21x-492, ausgeschlossen.</p><p class="ErlText AlignLeft">An ihre Stelle tritt Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Gründe:</p><p class="ErlText AlignLeft"> [1] Der Oberste Gerichtshof hat zu AZ 14 Os 26/24s über die im Spruch genannten Rechtsmittel zu entscheiden.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [2] Hofrätin des Obersten Gerichtshofs * ist Mitglied des zuständigen Senats 14. Sie war im Verfahren allerdings bereits als Richterin des Oberlandesgerichts Wien an der Beschlussfassung über eine Haftbeschwerde des Angeklagten D* beteiligt (Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 30. Jänner 2019, AZ 19 Bs 20/19h). Auch das nunmehr anhängige Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof behandelt Vorwürfe, die Gegenstand der genannten Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien waren (vgl zuvor bereits 12 Ns 159/20h).</span></p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [3] Nach § 43 Abs 3 zweiter Fall StPO ist ein Richter der ersten Instanz ausgeschlossen, wenn er im Verfahren als Richter eines übergeordneten Gerichts tätig gewesen ist. Aus einer – unter Berücksichtigung der ratio legis gebotenen – analogen Anwendung dieser Bestimmung folgt die Ausgeschlossenheit auch eines Richters des Rechtsmittelgerichts, wenn er im Verfahren über eine Haftbeschwerde und damit unter anderem über die Dringlichkeit der Verdachtslage entschieden hat (vgl <span class="Kursiv">Lässig</span>, WK-StPO § 43 Rz 30 mwN).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [4] Hofrätin des Obersten Gerichtshofs * ist daher von der Entscheidung über die im Spruch genannten Rechtsmittel ausgeschlossen.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [5] Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski tritt aufgrund der laufenden Vertretungsregelung der Geschäftsverteilung des Obersten Gerichtshofs an ihre Stelle (§ 45 Abs 2 StPO).</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240912_OGH0002_0110NS00064_24M0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-18 | 2024-10-18 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240912_OGH0002_0110NS00064_24M0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240912_OGH0002_0110NS00064_24M0000_000/JJT_20240912_OGH0002_0110NS00064_24M0000_000.html | 11Ns64/24m | ECLI:AT:OGH0002:2024:0110NS00064.24M.0912.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Der Oberste Gerichtshof hat am 12. September 2024 durch den Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Fürnkranz in der Strafvollzugssache des * H*, AZ 75 BE 110/24k des Landesgerichts Klagenfurt, über den Antrag des H* auf Delegierung nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo 2019 den</span></p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft">Die Strafvollzugssache wird dem zuständigen Gericht abgenommen und dem Landesgericht für Strafsachen Wien delegiert.</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Gründe:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [1] Zufolge Vorliegens der Voraussetzungen des § 39 StPO war spruchgemäß zu entscheiden.</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240912_OGH0002_0020NC00053_24B0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-25 | 2024-10-25 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240912_OGH0002_0020NC00053_24B0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240912_OGH0002_0020NC00053_24B0000_000/JJT_20240912_OGH0002_0020NC00053_24B0000_000.html | 2Nc53/24b | ECLI:AT:OGH0002:2024:0020NC00053.24B.0912.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofräte MMag. Sloboda, Dr. Thunhart und Dr. Kikinger und die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei 1. M*, und 2. M*, beide vertreten durch Mag. Dieter Koch, Rechtsanwalt in Bruck am der Mur, gegen die beklagte Partei B*, vertreten durch die DSC Doralt Seist Csoklich Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 273.672 CHF sA, aufgrund der Ausgeschlossenheitsanzeige der Hofrätin * im Revisionsverfahren des Obersten Gerichtshofs zu AZ * den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft">Die Hofrätin * ist als Mitglied des * Senats in der zu AZ * anhängigen Rechtssache ausgeschlossen.</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"> [1] Die Kläger machen Ansprüche aus der Rückabwicklung eines Fremdwährungskredits geltend. Das Berufungsgericht hat das klagsabweisende Urteil des Erstgerichts bestätigt. Über die in dieser Sache erhobene außerordentliche Revision hat der * Senat des Obersten Gerichtshofs zu entscheiden. Hofrätin * ist Mitglied dieses Senats und zeigt an, dass ihr langjähriger Lebensgefährte geschäftsführender Gesellschafter der Vertreterin der Beklagten sei. Sie sei daher ausgeschlossen.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [2] Die Ausgeschlossenheitsanzeige ist begründet.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [3] Nach § 20 Abs 1 Z 2 JN ist ein Richter von der Ausübung des Richteramts unter anderem in Sachen seines Lebensgefährten ausgeschlossen. Dies gilt analog auch dann, wenn der Lebensgefährte des Richters Gesellschafter oder Geschäftsführer einer Rechtsanwalts-Gesellschaft in Form einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach § 21e RAO ist und eine Partei des vom Richter zu führenden Verfahrens dieser Rechtsanwalts-Gesellschaft Vollmacht erteilt hat, und zwar auch dann, wenn der Lebensgefährte in diesem Verfahren tatsächlich nicht als Vertreter der Rechtsanwalts-Gesellschaft tätig wurde beziehungsweise wird (RS0046076 [T7]).</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240912_OGH0002_0210DS00012_23M0000_000 | Justiz | OGH | 2024-09-26 | 2024-09-26 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240912_OGH0002_0210DS00012_23M0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240912_OGH0002_0210DS00012_23M0000_000/JJT_20240912_OGH0002_0210DS00012_23M0000_000.html | 21Ds12/23m | ECLI:AT:OGH0002:2024:0210DS00012.23M.0912.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 12. September 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler als weiteren Richter und durch die Rechtsanwälte Dr. Fetz und Dr. Leb MBA als Anwaltsrichter in Gegenwart der Schriftführerin OKontr Schaffhauser in der Disziplinarsache gegen *, Rechtsanwalt in *, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt über die Berufung des Disziplinarbeschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien vom 30. Mai 2022, GZ D 117/18, 120/19, 109/20-36, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Stani, des Kammeranwalts Dr. Klemm und des Disziplinarbeschuldigten sowie seines Verteidigers Dr. Grass zu Recht erkannt:</span></p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="Abstand AlignLeft"></p><p class="ErlText AlignLeft">Der Berufung wegen Schuld wird nicht Folge gegeben.</p><p class="ErlText AlignLeft">Hingegen wird der Berufung wegen Strafe Folge gegeben und über den Beschuldigten unter weiterer Bedachtnahme auf das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien vom 27. September 2021, AZ D 238/19, eine Zusatzgeldbuße von 3.000 Euro verhängt.</p><p class="ErlText AlignLeft">Dem Disziplinarbeschuldigten fallen auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Gründe:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [1] Mit dem angefochtenen – auch einen Freispruch von weiteren Vorwürfen enthaltenden – Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien wurde * mehrerer Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt schuldig erkannt und hiefür unter Bedachtnahme auf das Erkenntnis des Disziplinarrats der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer vom 8. Jänner 2020, AZ D 13/17, nach § 31 Abs 1 StGB iVm § 16 Abs 5 DSt zu einer Zusatzgeldbuße von 8.000 Euro verurteilt.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [2] Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er</p><p class="ErlText AlignLeft">A./1./ zu D 117/18 im Zuge der Vertretung von DI I* T* beauftragte und bereits im November 2017 vorab bezahlte Leistungen im Zusammenhang mit der Eigentumsübertragung von Liegenschaften nach einem Aufteilungsverfahren nach dem EheG im Zeitraum von 28. November 2017 bis 10. April 2018 nicht erbracht;</p><p class="ErlText AlignLeft">A./2./ zu D 117/18 entgegen den standesrechtlichen Gepflogenheiten die Schreiben der neuen Rechtsvertretung von DI I* T*, Rechtsanwältin Dr. M* B*, vom 22. Jänner 2018, 7. Februar 2018 und 21. Februar 2018 verspätet, nämlich erst am 6. März 2018, beantwortet;</p><p class="ErlText AlignLeft">A./3./ zu D 109/20 es zu verantworten, dass mit seinem Schreiben vom 21. Oktober 2019 eine inhaltlich verfälschte Ausfertigung des Protokolls über die Verhandlung vom 30. September 2019 im Verfahren AZ * des Landesgerichts Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht an seinen Mandanten L* H* übermittelt wurde.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [3] Der Disziplinarbeschuldigte bekämpft dieses Erkenntnis mit einer Nichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO relevierenden (vgl RIS-Justiz RS0128656 [T1]) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld und die Strafe.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [4] Voranzustellen ist, dass soweit im Rechtsmittel gleichzeitig und ununterschieden auf mehrere Nichtigkeitsgründe Bezug genommen oder pauschal auf andere Beschwerdepunkte verwiesen wird, jegliche Unklarheiten, die durch diese Art der Rechtsmittelausführung bedingt sein könnten, zu Lasten des Berufungswerbers gehen (RIS-Justiz RS0100183).</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [5] Tatsachenfeststellungen sind nur insoweit mit Mängelrüge (Z 5) anfechtbar, als sie die Frage nach der rechtlichen Kategorie einer oder mehrerer strafbarer Handlungen beantworten und solcherart im Sinn der Z 5 entscheidend sind (RIS-Justiz RS0117499).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [6] Wie lange genau der Disziplinarbeschuldigte mit der vereinbarten und von der Klientin bereits bezahlten grundbücherlichen Durchführung der Eigentumsübertragung an den Liegenschaften säumig war, spricht keine entscheidende Tatsache an, nahm er diese doch bis zur Beendigung des Vollmachtsverhältnisses nicht vor (ES 5). Da der Disziplinarrat beim Schuldspruch A./1./ von fahrlässigem Handeln des Disziplinarbeschuldigten selbst ausging (ES 5), betreffen – bei verständiger Lesart auf den Schuldspruch A./2./ bezogene – Erwägungen zu einem diesem anzulastenden Organisationsverschulden (ES 9) in diesem Zusammenhang keine entscheidende Tatsache.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [7] Soweit der Berufungswerber eine „Vermengung von Feststellungen, rechtlicher Beurteilung und Beweiswürdigung“ behauptet, spricht er keinen Nichtigkeitsgrund an. Denn es ist unmaßgeblich, an welcher Stelle im Rahmen der Entscheidungsgründe Feststellungen getroffen worden sind, genügt doch der für das Rechtsmittelgericht unzweideutig feststehende Wille der Tatrichter, etwas festzustellen (vgl <span class="Kursiv">Mayerhofer</span>, StPO6 § 270 E 103).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [8] Mit dem pauschalen Hinweis auf „die Beweisergebnisse in der Disziplinarverhandlung“ und auf mittels einer „Verteidigungsschrift“ vorgelegte Urkunden wird kein Nichtigkeitsgrund deutlich und bestimmt angesprochen. Der in diesem Zusammenhang erhobene Einwand von Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) verkennt, dass eine solche nur bei einer (erheblich) unrichtigen oder unvollständigen Wiedergabe des Inhalts einer Urkunde oder einer Aussage vorliegt (RIS-Justiz RS0099547). Ein derartiges Fehlzitat wird vom Berufungswerber aber nicht behauptet.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [9] Der weiteren Kritik (Z 5 dritter Fall) zuwider besteht zwischen der Annahme, wonach die „Auslackung“ im Protokoll des Landesgerichts Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht im Verfahren AZ * über die Verhandlung vom 30. September 2019 in der Kanzlei des Disziplinarbeschuldigten erfolgte (ES 7), und der Konstatierung, wonach nicht festgestellt werden konnte, ob der Disziplinarbeschuldigte „selbst oder ein:e Mitarbeiter:in seiner Kanzlei diese Verfälschung vorgenommen hat“ (ES 10), kein logischer Widerspruch (RIS-Justiz RS0099651).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [10] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zum Schuldspruch A./2./ bestreitet eine disziplinäre Verantwortlichkeit des Disziplinarbeschuldigten, erklärt jedoch nicht, weshalb kein Organisationsverschulden vorliegen solle, wenn der Ausfall eines Rechtsanwalts der Rechtsanwaltsgesellschaft bürgerlichen Rechts zum Verlust des Zugriffs auf den E-Mail-Account der Wiener Niederlassung der Gesellschaft führt.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [11] Soweit der Disziplinarbeschuldigte zum Schuldspruch A./2./ einwendet, die Schreiben von Rechtsanwältin Dr. B* seien nicht unbeantwortet geblieben, legt er nicht dar, inwiefern im Antwortschreiben vom 6. März 2018 eine Beantwortung innerhalb angemessener Frist (<span class="Kursiv">Lehner</span> in <span class="Kursiv">Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek</span>, RAO<span class="Hoch">11</span> § 1 DSt Rz 71) zu erblicken sei. Die Argumentation, die Verpflichtung zur Beantwortung des Briefs eines Kollegen entspreche „nur“ dem Grundgedanken der kollegialen Höflichkeit, verkennt, dass es sich dabei um eine anerkannte Standespflicht handelt (RIS-Justiz RS0055211).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [12] Auch der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld des Disziplinarbeschuldigten war ein Erfolg zu versagen, hat sich der Disziplinarrat doch im Rahmen seiner empirisch nachvollziehbaren Beweiswürdigung mit allen entscheidungswesentlichen Umständen der Taten auseinandergesetzt und seine Feststellungen überzeugend begründet (ES 8 ff), wobei er sich insbesondere auch auf die vorliegenden Urkunden stützen konnte.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [13] Das (auf die eigene Verantwortung verweisende) Vorbringen in der Schuldberufung, wonach im fraglichen Zeitraum ausschließlicher Vertreter von DI I* T* der Kanzleikollege Mag. Z* gewesen sei, vermag keine Bedenken an der in freier Beweiswürdigung getroffenen Lösung der Schuldfrage durch den Disziplinarrat und dessen anderslautenden Feststellungen, wonach weder eine Vollmachtsbeendigung durch die Rechtsanwaltsgesellschaft bürgerlichen Rechts noch eine Übernahme des Mandats durch Rechtsanwalt Mag. Z* erfolgte (ES 4), zu erwecken. Lediglich der Vollständigkeit halber sei auf die Angaben des Disziplinarbeschuldigten in der Disziplinarverhandlung vom 30. Mai 2022 verwiesen, wonach „nach außen hin in der GesbR weitergemacht wurde“ (ON 35 PS 6).</p><p class="ErlText AlignLeft"> [14] Ebenso wenig werden mit dem Einwand, „das Chaos im Zuge der Verhaftung des Kollegen Z*“ habe eine schnellere Erledigung der Schreiben Dr. B* nicht zugelassen, Umstände aufgezeigt, die Zweifel an der Beweiswürdigung des Disziplinarrats zu wecken geeignet wären, zumal dies ohnehin berücksichtigt wurde (ES 4, 6).</p><p class="ErlText AlignLeft"> [15] Der Berufung des Disziplinarbeschuldigten * wegen des Ausspruchs über die Schuld war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung der Verteidigung – nicht Folge zu geben.</p><p class="ErlText AlignLeft">Zur Berufung wegen Strafe:</p><p class="ErlText AlignLeft"> [16] Als mildernd für die Strafzumessung wurde vom Disziplinarrat die Tatsache gewertet, dass es zu keiner Schadensverursachung gekommen ist und sich der Disziplinarbeschuldigte seit den Tatzeitpunkten wohlverhalten hat. Die vom Disziplinarbeschuldigten als Milderungsgrund reklamierte „überlange Verfahrensdauer“ wurde vom Disziplinarrat ohnehin berücksichtigt. Als erschwerend wurden die Begehung mehrerer Dienstpflichtverletzungen, <span class="Unterstrichen">eine</span> Vorverurteilung, was sich der Rüge zuwider zweifelsfrei aus den Feststellungen ergibt (ES 3), sowie ein verwerflicher Vertrauensbruch zu A./3./ gewertet.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [17] Insoweit weist der Beschwerdeführer jedoch zutreffend darauf hin, das ihm lediglich ein fahrlässig zu verantwortendes Organisationsverschulden zur Last liegt (ES 7), sodass der zuletzt genannte Erschwerungsgrund zu Unrecht in Anschlag gebracht wurde. Ferner hat der Disziplinarrat zwar die prekäre kanzleiinterne Situation für den Beschuldigten nach der Verhaftung seines Kanzleikollegen berücksichtigt, ihr jedoch zu wenig Gewicht beigemessen.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [18] Insgesamt war die als Bedachtnahme auf die im obgenannten Verfahren der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer, in dem eine Geldbuße von 5.000 Euro, verhängt worden war, ausgesprochene Sanktion auch unter Berücksichtigung der nunmehr infolge Rechtskraft und der Tatzeitpunkte gebotenen weiteren Bedachtnahme auf den zu AZ D 238/19 des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien ergangenen Schuldspruch wegen des Vorwurfs, einen Kollegen in den Streit gezogen zu haben (Geldbuße von 1.500 Euro), angemessen auf 3.000 Euro zu reduzieren.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [19] Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 54 Abs 5 DSt.</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240912_LG00119_02200R00148_24F0000_000 | Justiz | LG Korneuburg | 2024-11-04 | 2024-11-04 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240912_LG00119_02200R00148_24F0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240912_LG00119_02200R00148_24F0000_000/JJT_20240912_LG00119_02200R00148_24F0000_000.html | 22R148/24f | ECLI:AT:LG00119:2024:02200R00148.24F.0912.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter"><span class="Fett">Im Namen der Republik</span></p><p class="Abstand AlignLeft"></p><p class="ErlText AlignLeft">Das Landesgericht Korneuburg als Berufungsgericht hat durch die Richter Mag. Iglseder als Vorsitzenden sowie Mag. Jarec, LL.M. und Mag. Rak in den verbun-denen Rechtssachen der klagenden Parteien (zu 26 C 468/23b:) [1] <span class="Fett">H***** P*****</span>, (zu 26 C 531/23t:) [2] <span class="Fett">K***** B*****</span>, [3] <span class="Fett">M***** B*****</span>, und (zu 26 C 532/23i:) [4] <span class="Fett">H***** R*****</span>, alle vertreten durch Skribe Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei <span class="Fett">A***** A***** AG</span>, vertreten durch MMag. Christoph Krones, Rechtsanwalt in Wien, wegen <span class="Fett">EUR 250,--</span> (zu 26 C 468/23b), <span class="Fett">EUR 500,--</span> (zu 26 C 532/23i) bzw <span class="Fett">EUR 250,--</span> (zu 26 C 532/23i), infolge Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Schwechat vom 28.05.2024, 26 C 468/23b-13, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:</p><p class="Abstand AlignLeft"></p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Berufung wird <span class="Fett">nicht</span> <span class="Fett">Folge</span> gegeben.</p><p class="ErlText AlignLeft">Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien jeweils ein Viertel der mit EUR 403,56 (darin EUR 67,26 USt.) bestimmten Kosten der Berufungsbeant-wortung binnen 14 Tagen zu Handen der Klagevertreterin zu ersetzen.</p><p class="ErlText AlignLeft">Die Revision ist jedenfalls unzulässig.</p><p class="Abstand AlignLeft"></p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett">Entscheidungsgründe:</span></p><p class="ErlText AlignLeft">Die Kläger verfügten jeweils über eine bestätigte Buchung für von der Beklagten am 02.12.2022 durchzuführenden Flüge, und zwar</p><p class="ErlText AlignLeft">[a] der Erstkläger: OS 514 ab Mailand-Malpensa 17:45 Uhr, an Wien 19:15 Uhr;</p><p class="ErlText AlignLeft">[b] die Zweitklägerin und der Drittkläger: OS 513 ab Wien 15:35 Uhr, an Mailand-Malpensa 17:00 Uhr</p><p class="ErlText AlignLeft">[c] der Viertkläger: OS 512 ab Mailand-Malpensa 10:15 Uhr, an Wien 11:45 Uhr.</p><p class="ErlText AlignLeft">Die Beklagte erhielt am 30.11.2022 eine Streikankündigung, wonach es am 02.12.2022 für 24 Stunden zu einem "Nationalstreik" in Italien kommen werde. Sie annullierte die Flüge am 01.12.2022, und zwar den Flug OS 512 um 08:54 Uhr und die Flüge OS 513 und OS 514 um 16:18 Uhr. Sie buchte die Fluggäste um, und zwar</p><p class="ErlText AlignLeft">[a] den Erstkläger auf den Flug OS 516, mit dem er Wien am 02.12.2022 um 23:52 Uhr erreichte; das Erstgericht konnte nicht feststellen, dass diese Ersatzbeförderung die schnellstmögliche war.</p><p class="ErlText AlignLeft">[b] die Zweitklägerin und den Drittkläger auf den Flug OS 517, mit dem sie [richtig] Mailand-Malpensa am 02.12.2022 erreicht hätten (sie entschieden sich, diesen Flug nicht anzutreten); das Erstgericht konnte nicht feststellen, dass diese Ersatzbeförderung die schnellstmögliche gewesen wäre.</p><p class="ErlText AlignLeft">[c] den Viertkläger auf die Flugverbindung EW 9827 / EW 9750 von Mailand-Malpensa über Düsseldorf nach Wien, mit dem er Wien am 02.12.2022 um 14:00 Uhr erreichte. Dies war die schnellstmögliche Ersatzbeförderung. Die Flugstrecke nach Mailand nach Wien beträgt gemäß Großkreisberechnung weniger als 1.500 km.</p><p class="ErlText AlignLeft">Die <span class="Fett">Kläger</span> begehrten jeweils den Zuspruch von EUR 250,-- zuzüglich Zinsen; und zwar der Erstkläger mit der beim Erstgericht am 13.06.2023 eingebrachten und zu 26 C 486/23b registrierten Klage; die Zweitklägerin und der Drittkläger mit der beim Erstgericht am 26.06.2023 eingebrachten und zu 26 C 531/23t registrierten Klage; und der Viertkläger mit der ebenfalls am 26.06.2023 eingebrachten und zu 26 C 532/23i registrierten Klage. Sie brachten vor, dass die Beklagte die Flüge aufgrund der Streikankündigung vorsorglich aufgrund einer wirtschaftlichen Entscheidung annulliert habe. Tatsächlich seien alle Starts und Landungen von bzw. am Flughafen Mailand auch im Zeitfenster des angekündigten Streiks – allenfalls mit geringfügiger Verspätung – möglich gewesen. Das für die Rotation OS 513 / OS 514 vorgesehene Fluggerät sei anderweitig auf der Rotation OS 115 / OS 116 eingesetzt worden. Weder von der Eurocontrol noch vom Flughafen in Mailand habe es Auflagen gegeben, die zur Einschränkung des Flugbetriebs aufgrund des angekündigten Streiks geführt hätten; insbesondere sei es nicht zur Reduktion der An- und Abflugrate am Flughafen Mailand-Malpensa gekommen.</p><p class="ErlText AlignLeft">Die <span class="Fett">Beklagte</span> stellte den (eingeschränkten) Beginn des Zinsenlaufes außer Streit, bestritt im Übrigen das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach, beantragte die Abweisung der Klagen und brachte vor, es sei ein außergewöhnlicher Umstand vorgelegen. Sie sei von ihrer Vertretung am Flughafen in Mailand am 01.12.2022 darüber informiert worden, dass der Streik am Flughafen Mailand-Malpensa voraussichtlich von 07:00 Uhr bis 10:00 Uhr und von 18:00 Uhr bis 21:00 Uhr stattfinden werde. Am 02.12.2022 sei es zu einem landesweiten Generalstreik gekommen, der den Flug- und Bahnverkehr betroffen hätte. Der Streik habe alle italienischen Flughäfen betroffen und sei von allen großen italienischen Gewerkschaften organisiert worden. Aufgrund der Situation am Flughafen Mailand-Malpensa sei der gesamte Flugplan durcheinander gebracht worden. Da derartige Streiks aber zeitlich nicht beschränkt würden und jederzeit ausgewertet werden könnten, sei ihr von ihrer Vertretung am Flughafen Mailand-Malpensa empfohlen worden, die Flüge zu annullieren. Aus diesem Grund und da die Flugsicherung in Mailand bzw. der Flughafen Mailand-Malpensa von einer sehr großen Teilnehmerzahl an diesem Streik ausgegangen sei, hätten die Flüge am 02.12.2022 annulliert werden müssen. Sie habe am Vormittag des 01.12.2022 die Flüge annulliert und die Kläger umgebucht. Die Zweitklägerin und der Drittkläger hätten die umgebuchte Flugverbindung nicht angetreten und sich die Ticketkosten rückerstatten lassen. Die jeweils vorgenommenen Umbuchungen hätten die erst- und schnellstmögliche Beförderung der Kläger an ihr Endziel dargestellt.</p><p class="ErlText AlignLeft">Mit dem <span class="Fett">angefochtenen Urteil</span> gab das Erstgericht den Klagebegehren aller Kläger statt und traf die auf Seiten 4 bis 6 der Urteilsausfertigung ON 13 ersichtlichen Feststellungen. Daraus ist hervorzuheben:</p><p class="ErlText AlignLeft">"Es wäre der Beklagten möglich gewesen, sich über die Empfehlung des Vertreters der L*****-Gruppe in Italien hinwegzusetzen.</p><p class="ErlText AlignLeft">[...]</p><p class="ErlText AlignLeft">An diesem Streik beteiligten sich Mitarbeiter der Abfertigung am Flughafen.</p><p class="ErlText AlignLeft">[...]</p><p class="ErlText AlignLeft">Es kann nicht festgestellt werden, dass es streikbedingt zu Restriktionen durch die Flugsicherung gekommen ist.</p><p class="ErlText AlignLeft">[...]</p><p class="ErlText AlignLeft">Es kann nicht festgestellt werden, dass die Flüge OS 512, OS 513 und OS 514 aufgrund eines Generalstreiks in Italien nicht durchgeführt werden konnten."</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">In rechtlicher Hinsicht folgerte das Erstgericht, dass nach Art 5 Abs 1 lit c iVm Art 7 Abs 1 lit a EU-FluggastVO einem Fluggast bei der Annullierung eines Fluges über eine Entfernung von weniger [<span class="Kursiv">richtig: </span>nicht mehr] als 1.500 km eine Ausgleichsleistung von EUR 250,-- gebühre. Diese sei nach Art 5 Abs 3 EU-FluggastVO jedoch nicht zu leisten, wenn das ausführende Luftfahrtunternehmen nachweisen könne, dass die Annullierung […] auf außergewöhnliche Umstände zurückgehe, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Unter Umständen könne ein Streik einen außergewöhnlichen Umstand darstellen. Lägen einem Streik des eigenen Personals Forderungen zugrunde, die nicht vom Luftfahrtunternehmen, sondern nur von staatlichen Stellen erfüllt werden könnten, und die für das Luftfahrtunternehmen insoweit tatsächlich nicht beherrschbar seien, so könne es sich um einen außergewöhnlichen Umstand handeln. Der Streik von Mitarbeitern eines nicht zum Konzern gehörenden Drittunternehmen, die vom ausführenden Luftfahrtunternehmen mit der Erfüllung bestimmter eigenen Aufgaben beauftragt seien, könne dem Luftfahrtunternehmen zugerechnet werden. Es habe nicht festgestellt werden können, dass die Flüge aufgrund eines Generalstreikes in Italien nicht hätten durchgeführt werden können. Es sei von einer betriebswirtschaftlichen Entscheidung der Beklagten auszugehen, die Flüge zu annullieren. Ihr sei der Beweis dafür, dass die Annullierung der Flüge auf einen außergewöhnlichen Umstand zurückzuführen seien, nicht gelungen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft">Gegen dieses Urteil richtet sich die <span class="Fett">Berufung</span> der Beklagten aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, dieses dahin abzuändern, dass die Klagebegehren abgewiesen werden; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.</p><p class="ErlText AlignLeft">Die Kläger beantragen jeweils, der Berufung nicht Folge zu geben.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft">Die Berufung ist nicht berechtigt.</p><p class="ErlText AlignLeft">[a] Die Berufungswerberin vermisst die Feststellung, dass die Flüge OS 513 bzw. OS 514 aufgrund außergewöhnlicher Umstände hätten annulliert werden müssen. Die Beklagte habe durch die Umbuchungen alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen.</p><p class="ErlText AlignLeft">Dabei handelt es sich allerdings jeweils um keine Tatsachen, sondern um rechtliche Erwägungen, die das Erstgericht zu Recht nicht zum Gegenstand seiner Feststellungen gemacht hat.</p><p class="ErlText AlignLeft">[b] Im Rahmen ihrer Rechtsrüge ieS tritt die Berufungswerberin einerseits der Rechts-ansicht des Erstgerichtes entgegen, dass ein außergewöhnlicher Umstand nicht vorgelegen sei, und vertritt die Ansicht, dass der Streik des Abfertigungs- bzw. Bodenpersonals (unter anderem) am Flughafen Mailand-Malpensa sowie die Reduzierung des Flugaufkommens infolge des Streiks jeweils als außergewöhnlicher Umstand zu qualifizieren seien; zum anderen nimmt sie den Standpunkt ein, sämtliche ihr zumutbaren Maßnahmen ergriffen zu haben.</p><p class="ErlText AlignLeft">Die Beklagte erstattete dazu im erstinstanzlichen Verfahren das Vorbringen, dass ein landesweiter Generalstreik stattfinden werde (Seite 2 in ON 6); welche zur Durchführung der gegenständlichen Flüge erforderlichen Berufsgruppen von diesem Streik betroffen gewesen seien, brachte die Beklagte nicht vor. Das Erstgericht stellte dazu (nur) fest, dass sich am Streik Mitarbeiter der Abfertigung am Flughafen beteiligt hätten (Seite 4 in ON 13).</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senates gehört ein Vorkommnis, das in der Bodenabfertigung liegt, seiner Natur oder Ursache nach zur normalen Ausübung der Tätigkeit des Luftfahrtunternehmens. Die Auslagerung der Abfertigung an ein drittes Unternehmen berührt die Natur der Tätigkeit nicht (beginnend mit LG Korneuburg 22 R 61/19d; zuletzt 22 R 45/24h). Diese Ansicht wird im Schrifttum geteilt (<span class="Kursiv">Jarec</span>, Kein Strom in Atlanta, RRa 2019, 153 [154]; <span class="Kursiv">Schmid </span>in Schmid, Beck-OK FluggastrechteVO [31. Edition, Stand 01.07.2024] Art 5 Rn 164).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Da somit weder ein Vorkommnis, das einen außergewöhnlichen Umstand nach Art 5 Abs 3 EU-FluggastVO begründen könnte, festgestellt wurde, noch feststeht, dass ein von der Beklagten behaupteter Umstand – möge er als außergewöhnlich iSd dieser Bestimmung anzusehen seien oder nicht – für die Annullierung kausal wurde, erübrigt es sich, auf die in der Berufung aufgeworfene Frage einzugehen, ob die Beklagte sämtliche ihr zumutbaren Maßnahmen (zur Vermeidung der unerwünschten Folgen der Annullierung) gesetzt hat.</span></p><p class="ErlText AlignLeft">Der Berufung war daher der Erfolg zu versagen.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Die <span class="Fett">Kostenentscheidung</span> beruht auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Die <span class="Fett">Revision</span> ist gemäß § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig.</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240911_OGH0002_0030OB00082_23I0000_000 | Justiz | OGH | 2024-11-02 | 2024-11-02 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240911_OGH0002_0030OB00082_23I0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240911_OGH0002_0030OB00082_23I0000_000/JJT_20240911_OGH0002_0030OB00082_23I0000_000.html | 3Ob82/23i | ECLI:AT:OGH0002:2024:0030OB00082.23I.0911.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn (Vorsitzender), die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Fitz in der Erwachsenenschutzsache der betroffenen Person M*, geboren * 1968, *, Erwachsenenvertreter Mag. Tino Angkawidjaja, Rechtsanwalt in Wien, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Betroffenen gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 18. Oktober 2022, GZ 44 R 384/22d-254, mit dem der Rekurs gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Hernals vom 1. September 2022, GZ 36 P 78/17z-249, zurückgewiesen wurde, den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p><p class="ErlText AlignLeft"> [1] Das Erstgericht nahm mit Beschluss vom 1. September 2022 den Lebenssituationsbericht des Erwachsenenvertreters des Betroffenen zur Kenntnis, bestätigte die von diesem für den Zeitraum 3. November 2020 bis 30. April 2022 vorgelegte Pflegschaftsrechnung und erteilte ihm die Entlastung.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [2] Da der am 20. September 2022 von einem Rechtsanwalt im Namen des Betroffenen erhobene Rekurs auch vom Betroffenen selbst unterschrieben war und den Hinweis darauf enthielt, dass „der Rekurs auch als von mir persönlich erhoben zu gelten“ habe, stellte der Senat mit Beschluss vom 21. Juni 2023 die Akten dem Rekursgericht mit dem Auftrag zurück, auch über den vom Betroffenen selbst erhobenen Rekurs abzusprechen.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [3] Das Rekursgericht gab daraufhin dem Rekurs des Betroffenen Folge, hob den angefochtenen Beschluss auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [4] Das Erstgericht entschied nach den aufgetragenen Ergänzungen (neuerlich) mit Beschluss vom 12. Jänner 2024 und genehmigte damit die (ergänzte) Pflegschaftsrechnung des gerichtlichen Erwachsenenvertreters für den Zeitraum 3. November 2020 bis 30. April 2022. Mit Beschluss vom 23. Mai 2024 zu AZ 45 R 252/24b gab das Rekursgericht dem Rekurs dagegen nicht Folge. Dieser Beschluss wurde dem Betroffenen am 6. Juni 2024 und dem Erwachsenenvertreter am 5. Juni 2024 zugestellt. Die Entscheidung ist damit rechtskräftig.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"> [5] Der außerordentliche Revisionsrekurs ist mangels Beschwer zurückzuweisen.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [6] Nach ständiger Rechtsprechung ist auch im Außerstreitverfahren nur derjenige rechtsmittellegitimiert, der durch die bekämpfte Entscheidung (formell oder materiell) beschwert ist. Materielle Beschwer liegt vor, wenn die rechtlich geschützten Interessen des Rechtsmittelwerbers in der Entscheidung beeinträchtigt werden (RS0041868).</p><p class="ErlText AlignLeft"> [7] Die Beschwer muss zur Zeit der Entscheidung über das Rechtsmittel noch fortbestehen; andernfalls ist es von Amts wegen als unzulässig zurückzuweisen. Dies gilt auch für den Revisionsrekurs (RS0041868 [T24]; RS0041770 [T68, T75]). Der Mangel der Beschwer ist in jeder Lage des Verfahrens vom Amts wegen zu beachten (RS0041770 [T67]).</p><p class="ErlText AlignLeft"> [8] Da die im Rechtsmittel aufgeworfenen Fragen inzwischen rechtskräftig entschieden wurden, fehlt es für dieses nun an der Beschwer.</p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240911_OGH0002_0030OB00116_24S0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-09 | 2025-01-09 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240911_OGH0002_0030OB00116_24S0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240911_OGH0002_0030OB00116_24S0000_000/JJT_20240911_OGH0002_0030OB00116_24S0000_000.html | 3Ob116/24s | ECLI:AT:OGH0002:2024:0030OB00116.24S.0911.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat durch die Hofrätin Dr. Weixelbraun-Mohr (Vorsitzende), den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn, die Hofrätin Dr. Kodek, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Fitz in der Pflegschaftssache der minderjährigen S*, geboren am * Mai 2012, wohnhaft bei ihrer Mutter D* S*, vertreten durch Dr. Helene Klaar und Mag. Norbert Marschall, Rechtsanwälte in Wien, wegen Obsorge und Kontaktrecht, über den Revisionsrekurs des Vaters DI (FH) G* H*, vertreten durch preslmayr.legal Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 3. Mai 2024, GZ 43 R 102/24d-95, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 16. Jänner 2024, GZ 32 Ps 72/22d-86, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft">Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.</p><p class="ErlText AlignLeft">Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p><p class="ErlText AlignLeft"> [1] Die Lebensgemeinschaft der Eltern von S* wurde nach rund 20 Jahren im Mai 2022 aufgelöst.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [2] Der <span class="Fett">Vater</span> stellte den Antrag, ihm die alleinige Obsorge für das Kind zu übertragen.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [3] Die <span class="Fett">Mutter</span> sprach sich gegen diesen Antrag aus.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [4] Das <span class="Fett">Erstgericht</span> betraute beide Eltern mit der Obsorge und legte den hauptsächlichen Aufenthalt des Kindes bei der Mutter fest. Zudem regelte es die laufenden Besuchskontakte und die Ferienkontakte des Vaters zum Kind. Derzeit sei die Gesprächsbasis der Eltern schwierig, weil diese im Hinblick auf das gerichtliche Verfahren damit beschäftigt seien, sich selbst in ein gutes Licht zu rücken. Die Zukunftsprognose betreffend die Gesprächsbasis der Eltern sei jedoch positiv, weil die Eltern nach Abschluss des Verfahrens aller Voraussicht nach wieder in der Lage sein werden, im Sinn des Kindes zu kooperieren.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [5] Das <span class="Fett">Rekursgericht</span> gab dem Rekurs der Mutter teilweise Folge und änderte den angefochtenen Beschluss dahin ab, dass der Antrag des Vaters, ihm die alleinige Obsorge für das Kind zu übertragen, abgewiesen wurde; im Ergebnis lehnte es damit die beiderseitige Obsorge der Eltern ab. Zudem modifizierte es das laufende Kontaktrecht und das Ferienkontaktrecht des Vaters zum Kind. Für das Kind wäre es zweifellos günstig, wenn die Eltern eine Gesprächsbasis finden könnten. Eine gemeinsame Obsorge liege aber nicht im Interesse des Kindes, weil die Sichtweise der Eltern zu den Bedürfnissen des Kindes auseinanderklafften und die Konflikte der Eltern im Vordergrund stünden. Es wäre an den Eltern gelegen, ihre Konflikte hintanzustellen. Bis ihnen dies gelinge, müssten die Konflikte auf ein Minimum reduziert werden, was gegen eine gemeinsame Obsorge spreche.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [6] Gegen diese Entscheidung betreffend die Obsorge richtet sich der <span class="Fett">Revisionsrekurs</span> des Vaters, mit dem er insoweit die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses anstrebt.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [7] Mit ihrer – vom Obersten Gerichtshof freigestellten – <span class="Fett">Revisionsrekursbeantwortung</span> beantragt die Mutter, den Revisionsrekurs des Vaters zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"> [8] Der Revisionsrekurs ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts zulässig; er ist auch berechtigt.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [9] <span class="Fett">1.</span> Der Vater erblickt eine erhebliche Rechtsfrage vor allem darin, dass das Rekursgericht die Sachverhaltsgrundlage in wesentlichen Teilen außer Acht gelassen habe und diesem insbesondere zur angeblich unzureichenden Gesprächsbasis der Eltern eine grobe Fehlbeurteilung unterlaufen sei.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [10] Den Überlegungen des Vaters kommt im Ergebnis Berechtigung zu.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [11] <span class="Fett">2.1</span> Maßstab für die Entscheidung über die Obsorge und die Frage, in wessen Haushalt das Kind hauptsächlich betreut wird (§ 180 Abs 2 ABGB), ist das Wohl des Kindes (3 Ob 154/21z). Seit dem KindNamRÄG 2013 soll die Obsorge beider Eltern (eher) der Regelfall sein (RS0128811 [T1]; 1 Ob 119/21p). Auch für die Anordnung oder Belassung der beiderseitigen Obsorge ist maßgebend, ob die Interessen des Kindes auf diese Weise am Besten gewahrt werden können (3 Ob 154/21z; RS0128812 [T13]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [12] Die beiderseitige Obsorge setzt eine Beteiligung beider Eltern an der Betreuung des Kindes voraus (RS0130248). Dementsprechend erfordert die Teilnahme an den Betreuungsaufgaben einen Mindestkontakt des jeweiligen Elternteils zum Kind (8 Ob 152/17m; RS0128812 [T23]).</p><p class="ErlText AlignLeft"> [13] <span class="Fett">2.2</span> Im Anlassfall ist die Beteiligung beider Eltern an der Betreuung des Kindes gegeben. Zudem ist die Erziehungsfähigkeit beider Eltern an sich nicht beeinträchtigt. Sie zeigen derzeit aber Persönlichkeitsakzentuierungen, aufgrund derer sie die jeweils eigenen Bedürfnisse und Sichtweisen in den Vordergrund stellen und das Kind dadurch einem Loyalitätskonflikt aussetzen.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [14] <span class="Fett">2.3</span> Die Obsorge beider Eltern entspricht an sich auch dem Kindeswohl. Das Kind wünscht sich die Umgebungs- und Betreuungskontinuität bei der Mutter und gleichzeitig eine harmonische Beziehung zu beiden Eltern. Die gemeinsame Obsorge wäre für das Kind auch ein wichtiges Zeichen dahin, dass beide Eltern die vom Kind gewünschte Verantwortung tragen.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [15] <span class="Fett">3.1</span> Eine sinnvolle Ausübung der Obsorge durch beide Eltern setzt nach der Rechtsprechung ein gewisses Mindestmaß an Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit beider Eltern voraus. Um Entscheidungen gemeinsam im Sinn des Kindeswohls treffen zu können, ist es erforderlich, in entsprechend sachlicher Form Informationen auszutauschen und Entscheidungen zu treffen (3 Ob 154/21z). Es ist notwendig, dass Erziehungs- und Betreuungsmaßnahmen besprochen werden, die Bedürfnisse und Wünsche des Kindes möglichst übereinstimmend beurteilt werden und sich die darauf beziehenden Entscheidungen der Elternteile nicht regelmäßig widersprechen (8 Ob 152/17m). Es ist daher erforderlich, dass eine ausreichende Gesprächsbasis und Gesprächsbereitschaft zwischen den Eltern vorhanden ist oder eine solche zumindest in absehbarer Zeit hergestellt werden kann (3 Ob 154/21z; 6 Ob 147/23w mwN).</p><p class="ErlText AlignLeft"> [16] <span class="Fett">3.2</span> Nach der vom Erstgericht ermittelten Tatsachengrundlage und der Aktenlage ist die Kommunikationsfähigkeit der Eltern im Hinblick auf das Gerichtsverfahren herabgesetzt. Die Kommunikation zwischen den Eltern ist derzeit daher schwierig und von gegenseitigen Vorbehalten geprägt. Es finden aber dennoch regelmäßige Kontakte zwischen den Eltern statt und es besteht – ungeachtet ihrer Konflikte – durchaus das Bemühen, sich einigermaßen sachlich um die Interessen des Kindes zu kümmern. Die Eltern kommunizieren vor allem über E-Mail und WhatsApp und kommen in schulischen und medizinischen Belangen auch zu gemeinsamen Entscheidungen.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [17] <span class="Fett">3.3</span> Nach diesem Tatsachensubstrat besteht ein Mindestmaß an sachlicher Kommunikation, das die Eltern in die Lage versetzt, im Interesse des Kindes einvernehmlich vorzugehen. Schwierigkeiten im gegenseitigen Umgang und gewisse Probleme in der Kommunikation sind für einen Obsorgestreit mehr oder weniger typisch (vgl 8 Ob 146/15a). Zudem ist davon auszugehen, dass sich in Zukunft die Konflikte verringern und die Gesprächsbasis zwischen den Eltern verbessert, weil die aktuellen Probleme vom vorliegenden Verfahren beeinflusst sind.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [18] Das Erstgericht gelangte daher zutreffend zum Ergebnis, dass die beiderseitige Obsorge lebbar ist. In dieser Hinsicht ist zu beachten, dass sich beide Eltern um eine funktionierende Kommunikation aktiv bemühen müssen und kein Elternteil die Kooperation schuldhaft verweigern oder erschweren darf, weil er es ansonsten in der Hand hätte, die Anordnung oder Beibehaltung der beiderseitigen Obsorge einseitig zu verhindern (8 Ob 152/17m).</p><p class="ErlText AlignLeft"> [19] Entgegen der Ansicht des Rekursgerichts lässt sich somit die Herstellung einer für die beiderseitige Obsorge erforderlichen Gesprächsbasis zwischen den Eltern erwarten. Die beiden objektiv durchaus kooperationsfähigen Eltern müssen sich darum ernsthaft bemühen und dementsprechend ihre bestehenden Konflikte lösen oder im Interesse des Kindes zumindest in den Hintergrund stellen. In dieser Hinsicht geht selbst das Rekursgericht davon aus, dass es den Eltern in Hinkunft gelingen kann, ihre Konflikte hintanzustellen und diese auf ein Minimum zu reduzieren.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [20] <span class="Fett">4.</span> Zusammenfassend besteht in Erziehungs- und Betreuungsfragen bereits derzeit ein Mindestmaß an Kooperation und Kommunikation zwischen den Eltern und in absehbarer Zeit ist eine Verbesserung der Situation im Interesse des Kindes zu erwarten. Es war daher in Stattgebung des Revisionsrekurses des Vaters der die beiderseitige Obsorge anordnende Beschluss des Erstgerichts wiederherzustellen.</p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240911_OGH0002_0030OB00123_24W0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-07 | 2024-10-07 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240911_OGH0002_0030OB00123_24W0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240911_OGH0002_0030OB00123_24W0000_000/JJT_20240911_OGH0002_0030OB00123_24W0000_000.html | 3Ob123/24w | ECLI:AT:OGH0002:2024:0030OB00123.24W.0911.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn (Vorsitzender), die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Fitz in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. P*, vertreten durch Aigner Rechtsanwalts-GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei E* AG, *, vertreten durch ScherbaumSeebacher Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen 2.275.870,03 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 24. April 2024, GZ 3 R 158/23m-30, den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.</span></p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [1] 1. Das Bestehen und der Umfang von Schutz- und Sorgfaltspflichten, wie etwa von Beratungs- und Aufklärungspflichten von Banken, ist grundsätzlich eine Frage des Einzelfalls (vgl RS0106373 [T4]; RS0111165 [T7]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [2] 2. Die Auffassung des Berufungsgerichts, wonach die beklagte Bank vor Durchführung der vom Kläger (dem vormaligen Erstkläger) beauftragten Überweisungen auf Konten von Kryptobörsen über den sich aus dem von ihr implementierten Warnsystem ergebenden (wie sich später herausstellen sollte, berechtigten) Betrugsverdacht nur ihn selbst und nicht auch seine während des Berufungsverfahrens verstorbene Gattin (die vormalige Zweitklägerin, deren Gesamtrechtsnachfolger der Kläger ist) informieren musste, stellt keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung dar:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [3] 2.1. Der Kläger und seine Gattin waren bezüglich ihres gemeinsamen Girokontos bei der Beklagten jeweils einzelzeichnungsberechtigt; es handelte sich daher um ein sogenanntes „Oder-Konto“. Bei diesem kann jeder Kontoinhaber im eigenen Namen über das gesamte Guthaben aus dem Konto verfügen, wobei das Zuvorkommen („Angehen“ iSd § 892 ABGB) entscheidet (9 Ob 26/98h).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [4] 2.2. Der Girovertrag ist ein Geschäftsbesorgungsvertrag, nach dem die Bank Verfügungen des Kunden (etwa Überweisungsaufträge) im Rahmen seines Guthabens für seine Rechnung in aller Regel bis zur Beendigung der Geschäftsverbindung ausführen <span class="Unterstrichen">muss</span> (RS0032986). Auf den Girovertrag sind die Regeln über den Auftrag mitanzuwenden (RS0019656). Überweisungsaufträge sind einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärungen, zu deren Ausführung sich das Geldinstitut im Giroverkehr verpflichtet hat. Ihr Zugang löst die Ausführungsverpflichtung aus (RS0019656 [T1]). Aus der dem Auftragsverhältnis immanenten Interessenwahrungspflicht resultiert allerdings unter anderem die Pflicht zur Sorgfalt oder zur Rückfrage bei unklarem oder zu unbestimmtem Auftrag (RS0019656 [T4]).</p><p class="ErlText AlignLeft"> [5] 2.3. Es trifft zu, dass die Beklagte angesichts des von ihrem internen Warnsystem gemeldeten Verdachts einer gerichtlich strafbaren Handlung (nämlich des Betrugs zu Lasten der Kontoinhaber) zur Information darüber verpflichtet war; daraus folgt aber entgegen der Ansicht des Klägers nicht, dass sie nicht nur ihn selbst (als Auftraggeber der betreffenden Überweisungen), sondern auch die zweite Einzelzeichnungsberechtigte warnen hätte müssen. Jedenfalls ohne Hinzutreten besonderer, hier gerade nicht vorliegender Umstände (wie etwa Zweifel an der Geschäftsfähigkeit des Klägers) war die Beklagte, dazu verpflichtet, die Überweisungsaufträge, die der Kläger trotz Hinweises auf den Betrugsverdacht bekräftigt hatte, durchzuführen. Sie war daher weder berechtigt noch gar verpflichtet, die Gattin des Klägers gesondert auf den bestehenden Betrugsverdacht hinzuweisen, um auf diese Weise den Kläger – entgegen seinem von ihm klar erklärten Willen – allenfalls indirekt von den problematischen Überweisungen abzuhalten.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [6] 3. Es begründet auch keine erhebliche Rechtsfrage, dass das Berufungsgericht die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten dahin auslegte, dass die (bloße) Reaktivierung des (anlässlich der ersten aufgrund des internen Warnsystems eingestoppten Überweisung) gesperrten Online-Verfügers des Klägers ohne Zustimmung der Mitkontoinhaberin zulässig war, weil es sich dabei um keine Disposition über das Konto an sich handelte, sondern dieser Vorgang nur die Art des Zugriffs auf das Konto betraf.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [7] 4. Der Kläger wiederholt in seinem Rechtsmittel zwar auch seinen Standpunkt, die Beklagte hätte ihn selbst angesichts der Vielzahl von Überweisungen an Kryptobörsen in einem relativ kurzen Zeitraum öfter als bloß zweimal (zu Beginn der Überweisungen) auf den Betrugsverdacht aufmerksam machen müssen. Damit kann er allerdings schon deshalb keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigen, weil er sich mit der Argumentation des Berufungsgerichts, wonach sich am Grundsachverhalt, der die ersten beiden Warnungen ausgelöst habe, im Wesentlichen nichts geändert habe, es sich um Konten großer durchaus seriöser Kryptobörsen gehandelt habe und das Geld in der Folge aufgrund betrügerischer Handlungen dritter Personen „verloren gegangen“ sei, inhaltlich gar nicht auseinandersetzt.</p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240911_OGH0002_0030OB00126_24M0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-03 | 2024-10-03 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240911_OGH0002_0030OB00126_24M0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240911_OGH0002_0030OB00126_24M0000_000/JJT_20240911_OGH0002_0030OB00126_24M0000_000.html | 3Ob126/24m | ECLI:AT:OGH0002:2024:0030OB00126.24M.0911.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn (Vorsitzender), die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Fitz in der Rechtssache der klagenden Partei C*, vertreten durch Prutsch-Lang & Damitner Rechtsanwälte OG in Graz, gegen die beklagte Partei S*gesellschaft m.b.H., *, vertreten durch Dr. Uwe Niernberger, Dr. Angelika Kleewein, Rechtsanwälte in Graz, und deren Nebenintervenientin Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Landesstelle *, vertreten durch Dr. Peter Schaden, Mag. Werner Thurner, Rechtsanwälte in Graz, wegen restlicher 29.873,60 EUR sA, über die Revision der Nebenintervenientin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 18. April 2024, GZ 5 R 30/24g-57, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 3. Jänner 2024, GZ 12 Cg 89/22x-49, bestätigt wurde, den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft">Die Revision wird zurückgewiesen.</p><p class="ErlText AlignLeft">Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.261,40 EUR (hierin enthalten 376,90 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p><p class="ErlText AlignLeft"> [1] Aufgrund eines rechtskräftigen Urteils steht fest, dass die beklagte Krankenhausträgerin der Klägerin für alle künftigen Schäden aufgrund einer ärztlichen Fehlbehandlung nach einer unfallbedingten Handverletzung haftet.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [2] Im Hinblick auf das im Vorprozess erstattete unfallchirurgische Sachverständigengutachten, wonach die Klägerin wegen der bestehenden Dauerfolgen ihren erlernten Beruf als Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigerin nicht mehr ausüben könne, und die damit im Einklang stehende gutachtliche Einschätzung eines berufskundlichen Sachverständigen des von der Klägerin kontaktierten Beruflichen Bildungs- und Rehabilitationszentrums entschied sich die Klägerin für eine (vom Arbeitsmarktservice durch Gewährung eines Stipendiums in Form von Arbeitslosengeld geförderte) Umschulung zur Diplomsozialbetreuerin.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [3] Tatsächlich wäre die Klägerin trotz ihrer von der Beklagten zu verantwortenden körperlichen Einschränkungen in der Lage (gewesen), als Raumpflegerin für Büroräumlichkeiten sowie als Reinigungskraft in der sogenannten Unterhaltsreinigung zu arbeiten, weil mit diesen Tätigkeiten maximal leichte bis mittelschwere körperliche Anforderungen verbunden sind. Dabei hätte sie zumindest so viel ins Verdienen bringen können wie eine Reinigungstechnikerin laut Kollektivvertrag für Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereiniger.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [4] Im Vergleich zu diesem hypothetischen Verdienst entstand der Klägerin durch den Bezug von Krankengeld, Arbeitslosengeld und Notstandshilfe im Zeitraum März 2019 bis Juni 2022 ein Verdienstentgang von 29.873,60 EUR netto.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [5] Die Vorinstanzen gaben dem auf Ersatz des Verdienstentgangs gerichteten Klagebegehren statt.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [6] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nachträglich mit der Begründung zu, dass eindeutige Rechtsprechung dazu fehle, unter welchen besonderen Umständen die Folgen eines unrichtigen medizinischen Gutachtens dem ursprünglichen Schädiger anzulasten seien.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [7] Die Revision der Nebenintervenientin ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [8] 1. Die geltend gemachten Revisionsgründe der Aktenwidrigkeit und der Mangelhaftigkeit des zweitinstanzlichen Verfahrens wurden geprüft; sie liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [9] 2.1. Ein Umstand ist für einen Erfolg ursächlich, wenn er ihn herbeiführt, ihn bewirkt hat. Nach der Formel der conditio sine qua non ist zu fragen, ob der Erfolg auch ohne den zu prüfenden Umstand eingetreten wäre. Dieser ist ursächlich für einen Erfolg, wenn er nicht weggedacht werden kann, ohne dass dann der Erfolg entfiele (RS0128162). An der Kausalität der Fehlbehandlungen der Ärzte der Beklagten für den der Klägerin im Zusammenhang mit der Umschulung entstandenen Verdienstentgang kann angesichts der getroffenen Feststellungen kein Zweifel bestehen.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [10] 2.2. Nach der Theorie von der adäquaten Kausalität ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem schädigenden Umstand und dem eingetretenen Schaden nicht nur dann anzunehmen, wenn der Umstand den eingetretenen Schaden unmittelbar verursacht hat: ein adäquater Kausalzusammenhang liegt vielmehr auch dann vor, wenn eine weitere Ursache für den entstandenen Schaden hinzugetreten ist und dieses Hinzutreten nicht außerhalb der allgemeinen menschlichen Erfahrung steht. Es kommt nur darauf an, ob nach den allgemeinen Kenntnissen und Erfahrungen das Hinzutreten des weiteren Umstands, wenn auch nicht normal, so doch nicht ganz außergewöhnlich ist (RS0022546). Der Schädiger haftet für alle, auch zufällige Folgen, mit deren Möglichkeit abstrakt zu rechnen gewesen ist, nur nicht für einen atypischen Erfolg (vgl RS0022944). Auch wenn eine weitere Ursache für den entstandenen Schaden dazu tritt, ist die Adäquanz zu bejahen, wenn nach den allgemeinen Erkenntnissen und Erfahrungen das Hinzutreten der weiteren Ursache, wenn auch nicht gerade normal, so doch wenigstens nicht gerade außergewöhnlich ist (vgl RS0022918). An der Adäquanz fehlt es, wenn die Möglichkeit eines bestimmten Schadenseintritts so weit entfernt liegt, dass nach der Lebenserfahrung vernünftigerweise eine solche Schädigung nicht in Betracht gezogen zu werden brauchte (RS0022918 [T17]). Das Dazwischentreten eines Dritten durchbricht den Kausalzusammenhang (nur), wenn mit einem derartigen Handeln und mit dem dadurch bedingten Geschehnisablauf nach der Lebenserfahrung nicht zu rechnen war (RS0022918 [T19]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [11] 2.3. Wegen der Einzelfallbezogenheit kann die Beurteilung der Adäquanz nur dann die Zulässigkeit der Revision begründen, wenn das Berufungsgericht seinen Beurteilungsspielraum, der sich in dieser Wertungsfrage aus den Leitlinien der genannten Rechtsprechung ergibt, überschritten hat (vgl RS0110361; 2 Ob 58/23b).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [12] 2.4. Die Vorinstanzen haben ihren Beurteilungsspielraum nicht überschritten, indem sie zum Ergebnis kamen, die (teilweise) Unrichtigkeit des im Vorprozess eingeholten unfallchirurgischen Gutachtens (wie auch der damit übereinstimmenden nachfolgenden Begutachtung durch einen Arbeitsmediziner) liege nicht völlig außerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung, sodass die Adäquanz zu bejahen sei, weshalb die Beklagte für den mit der Umschulung verbundenen Verdienstentgang einzustehen habe (vgl 2 Ob 58/23b [überschießende Sanierungsempfehlung eines Sachverständigen]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [13] 3. Aufgrund der der Klägerin erteilten medizinischen Informationen, wonach ihr eine Tätigkeit in ihrem erlernten Beruf nicht mehr möglich sei, entschloss sich diese für eine Ausbildung zur Diplomsozialbetreuerin, was vom Beruflichen Bildungs- und Rehabilitationszentrum und vom Arbeitsmarktservice unterstützt wurde. Die Einschätzung des Berufungsgerichts, dass die Klägerin insbesondere aufgrund der aus der Fehlbehandlung resultierenden Beschwerden bei der Tätigkeit als Raumpflegerin das ihr mitgeteilte medizinische Kalkül nicht bezweifeln musste und insoweit keine Verletzung der Schadensminderungspflicht vorliegt, ist ebenfalls nicht korrekturbedürftig.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [14] 4. Die Revision ist daher zurückzuweisen.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [15] Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Für die Kosten der Beantwortung eines erfolglosen Rechtsmittels des Nebenintervenienten haftet die von ihm unterstützte Hauptpartei (vgl RS0036057 [T3, T5, T11]), weil es an einer gesetzlichen Bestimmung mangelt, den unterlegenen Nebenintervenienten zum Kostenersatz zu verpflichten (vgl RS0036057 [T2, T7]). Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Der verzeichnete Streitgenossenzuschlag gebührt jedoch nicht, weil der Klägerin bei Verfassung der Revisionsbeantwortung nur die Nebenintervenientin als Prozessgegnerin gegenüber stand (vgl 4 Ob 70/23g mwN).</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240911_OGH0002_0030OB00137_24D0000_000 | Justiz | OGH | 2024-09-25 | 2024-09-30 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240911_OGH0002_0030OB00137_24D0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240911_OGH0002_0030OB00137_24D0000_000/JJT_20240911_OGH0002_0030OB00137_24D0000_000.html | 3Ob137/24d | ECLI:AT:OGH0002:2024:0030OB00137.24D.0911.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat durch die Hofrätin Dr. Weixelbraun-Mohr (Vorsitzende), den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn, die Hofrätin Dr. Kodek, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Fitz in der Rechtssache der klagenden Partei S* K*, vertreten durch Poduschka Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, gegen die beklagte Partei V* AG, *, Deutschland, vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 9.389,70 EUR sA und Feststellung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 5. Juli 2023, GZ 22 R 109/23t-34, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 2. März 2023, GZ 34 C 576/21z-26, bestätigt wurde, den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">I. Das Verfahren wird fortgesetzt.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Art 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">1. Ist Art 2 Nr 6 und Anhang III Abs 3.13.4. Durchführungs-VO 692/2008/EG (iVm Art 3 Nr 10 VO 715/2007/EG) dahin auszulegen, dass eine emissionsmindernde Einrichtung (Steuerprogramm zur Regenerierung des Speicherkatalysators im Vorbereitungszyklus), die als kontinuierlich arbeitendes Regenerationssystem gilt, weil eine Regeneration (Reinigungsvorgang) mindestens einmal während einer Prüfung Typ I erfolgt, nachdem sie bereits mindestens einmal während des Zyklus zur Vorbereitung des Fahrzeugs stattgefunden hat (Precon bzw Vorkonditionierung), eine Abschalteinrichtung im Sinn des Art 3 Nr 10 VO 715/2007/EG ist?</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">2. a) Ist Art 5 Abs 2 lit c VO 715/2007/EG (iVm Art 3 Nr 10 VO 715/2007/EG sowie Art 2 Nr 6 und Anhang III Abs 3.13.4. Durchführungs-VO 692/2008/EG) dahin auszulegen, dass (gegebenenfalls) eine solche Abschalteinrichtung zulässig ist, weil die Bedingungen im maßgebenden Verfahren zur Prüfung der Emissionen im Wesentlichen eingehalten sind?</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">b) Ist Art 5 Abs 1 VO 715/2007/EG (iVm Art 3 Nr 10 VO 715/2007/EG sowie Art 2 Nr 6 und Anhang III Abs 3.13.4. Durchführungs-VO 692/2008/EG) dahin auszulegen, dass (gegebenenfalls) eine solche Abschalteinrichtung zulässig ist, wenn die emissionsrelevante Wirkungsweise, die sie im Prüfverfahren (Zulassungstest) aufweist, in der überwiegenden Zahl der Fälle auch unter normalen Betriebsbedingungen (im Realbetrieb) gegeben ist?</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">3. Ist Abs 2.20 und Anhang 13 Abs 3 UNECE (iVm Anhang III Abs 3.13.1. und Art 2 Nr 6 Durchführungs-VO 692/2008/EG) dahin auszulegen, dass die in Anhang 13 Abs 3 Satz 2 UNECE normierte Anordnung, wonach der Schalter (zur Verhinderung oder Ermöglichung des Regenerierungsvorgangs) während der Vorkonditionierungszyklen nur betätigt werden darf, um die Regenerierung zu verhindern, nur für das besondere Prüfverfahren nach Anhang 13 UNECE und damit für die Emissionsprüfung<br>bei einem Fahrzeug mit einem periodischen Regenerierungssystem, nicht aber auch für ein Fahrzeug mit einem kontinuierlichen Regenerationssystem maßgebend ist?</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">III. Das Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof wird bis zum Einlangen der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union gemäß § 90a Abs 1 GOG ausgesetzt.</span></p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Unterstrichen">Zu I.:</span></span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [1] Der Oberste Gerichtshof hat die Vorlagefragen bereits mit Beschluss vom 6. 9. 2023 zu 3 Ob 33/23h an den EuGH (C-592/23, <span class="Kursiv">Volkswagen</span>) herangetragen. Da in diesem Verfahren die Revision zurückgezogen wurde, musste der Oberste Gerichtshof auch das dortige Vorabentscheidungsersuchen zurückziehen, weshalb dieses nunmehr im hier vorliegenden Verfahren, das mit Beschluss vom 5. 10. 2023 unterbrochen wurde, eingebracht werden muss.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [2] Aufgrund des Wegfalls der Grundlage für die Verfahrensunterbrechung ist das vorliegende Verfahren fortzusetzen (vgl § 90a Abs 1 GOG).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Unterstrichen">Zu I<span class="Fett">I.:</span></span></span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett">A. Sachverhalt</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [3] Der Kläger erwarb am 26. 1. 2016 bei einem KFZ-Händler einen PKW Skoda Octavia Combi 4x4 Scout TDI um den Kaufpreis von 31.299 EUR. Das Fahrzeug ist mit einem Motor vom Typ EA288 (EU-6 NSK) ausgestattet; für das Fahrzeug ist die Abgasnorm Euro 6 maßgebend. Die EU-Typengenehmigung für das Fahrzeug ist nach wie vor aufrecht.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [4] Der Motor des Fahrzeugs verfügt über eine „Precon“ (Vorkonditionierung). Dabei handelt es sich um ein Steuerprogramm zur Fahrkurvenerkennung mit prüfzyklusabhängiger Regeneration des NOx-Speicherkatalysators. Dieser Katalysator kann einen bestimmten Anteil der Stickoxyde während der Normalfahrt chemisch speichern. Er muss durch Verbrennung regelmäßig regeneriert werden, um seine Funktionsfähigkeit zu erhalten. Die Regenerierung erfolgt nach einer bestimmten Fahrstrecke bzw bei vollständiger Sättigung des Katalysators während des laufenden Betriebs.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [5] Zudem ist im Zusammenhang mit dem Speicherkatalysator eine Precon (Vorkonditionierung) mit Fahrkurvenerkennung implementiert. Bei Prüfung der Abgaswerte am Prüfstand wird entsprechend den europäischen Prüfvorschriften durch einen genormten Prüfzyklus (NEFZ) ein bestimmtes Fahrverhalten des Fahrzeugs simuliert, das über einen Zeitraum von 1.180 Sekunden und einer Strecke von etwa 11 km Phasen der Beschleunigung, des konstanten Fahrens und der Verzögerung im städtischen und außerstädtischen Bereich entspricht. Durch die Precon wird der Prüfzyklus erkannt und eine Regenerierung des NOx-Speicherkatalysators durchgeführt. Der Prüfzyklus beginnt daher mit frisch regeneriertem NOx-Speicherkatalysator. Dies führt dazu, dass es während der etwa elf Kilometer langen Fahrkurve in den 1.180 Sekunden des Prüfzyklus zu zwei Regenerierungen des NOx-Speicherkatalysators kommt und nicht – wie dies ohne Regenerierung in der Vorkonditionierungsphase der Fall wäre – zu möglichen drei Regenerierungen. Rein rechnerisch kann es im Realbetrieb mehr als zweimal zu einer Regenerierung kommen, was mit einer kurzfristigen Schadstofferhöhung verbunden ist.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett">B. Prozessstandpunkte der Parteien und bisheriges Verfahren</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [6] Der <span class="Fett">Kläger</span> begehrte Schadenersatz aus deliktischer Schädigung durch die Beklagte. Der Schaden liege darin, dass im Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut sei. Bei Kenntnis der wahren Umstände hätte er das Fahrzeug nicht um den gezahlten Kaufpreis erworben. Vielmehr hätte er um 30 % des Kaufpreises weniger gezahlt.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [7] Die <span class="Fett">Beklagte</span> entgegnete, dass der vorliegende Motortyp EA288 mit keiner unzulässigen Abschalteinrichtung versehen sei. Um vergleichbare Messwerte zu erzielen, bewirke die Precon, dass die sonst fahrstreckenabhängige Regenerierung des NOx-Speicherkatalysators während der Vorkonditionierung stattfinde, damit der Prüfzyklus repräsentativ sei.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [8] Das <span class="Fett">Erstgericht</span> wies das Klagebegehren ab, weil der Kläger keinen Schaden erlitten habe. Sollte der Kläger das Fahrzeug am Gebrauchtwagenmarkt verkaufen wollen, so drohe ihm aufgrund des Abgasskandals kein Preisabschlag.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [9] Das <span class="Fett">Berufungsgericht</span> bestätigte diese Entscheidung. Der Erwerber eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Fahrzeugs könne nach der Rechtsprechung auch den objektiven Minderwert verlangen. Das geringere rechtliche Interesse bestehe in einem solchen Fall – den unionsrechtlichen Vorgaben entsprechend – in der objektiv eingeschränkten Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeugs. Die Ansicht des Erstgerichts, dass dem Kläger kein Schaden entstanden sei, könne daher nicht aufrecht erhalten werden. Damit sei für den Kläger aber nichts gewonnen, weil die beanstandete Fahrkurvenerkennung (Precon) nicht als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinn des Art 5 der VO 715/2007/EG zu qualifizieren sei. Diese führe nämlich nicht zwingend dazu, dass die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten seien, verringert werde, weil auch im Realbetrieb eines Fahrzeugs denkbar sei, dass der Katalysator am Ende einer vorangegangenen Fahrt regeneriert werde, sodass die anschließende Realfahrt mit gereinigtem Katalysator beginne. Die Vorkonditionierung stelle daher sicher, dass die Werte der einzelnen NEFZ-Messungen vergleichbar seien.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [10] Gegen diese Entscheidung richtet sich die <span class="Fett">Revision </span>des Klägers, die auf eine Stattgebung des Klagebegehrens abzielt.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"> [11] Mit ihrer <span class="Fett">Revisionsbeantwortung</span> beantragt die Beklagte, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett">C. Relevante Rechtsvorschriften</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett">VO 715/2007/EG über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge:</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">„Art 3 Nr 10:</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">Im Sinne dieser Verordnung und ihrer Durchführungsmaßnahmen bezeichnet der Ausdruck:</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">'Abschalteinrichtung' ein Konstruktionsteil, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl (UpM), den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlasskrümmer oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird.“</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett">VO 692/2008/EG der Kommission zur Durchführung und Änderung der VO 715/2007/EG (kurz Durchführungs-VO):</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">„Art 2 Nr 6:</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck:</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">'periodisch arbeitendes Regenerationssystem' Katalysatoren, Partikelfilter oder andere emissionsmindernde Einrichtungen, bei denen nach weniger als 4000 km bei normalem Fahrzeugbetrieb ein periodischer Regenerationsvorgang erforderlich ist.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett"><span class="Kursiv">Anhang III: Prüfung der durchschnittlichen Abgasemissionen bei Umgebungsbedingungen</span></span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">...</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">3. Technische Vorschriften</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">...</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">3.13. Technische Vorschriften für ein Fahrzeug mit einem periodisch arbeitenden Regenerationssystem</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">3.13.1. Die technischen Vorschriften entsprechen denen von Anhang 13 Absatz 3 der UNECE-Regelung Nr 83 mit den in den Absätzen 3.13.2. bis 3.13.4. beschriebenen Ausnahmen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">…</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">3.13.4. Bei einer periodisch arbeitenden Regenerationseinrichtung können die Emissionsgrenzwerte während der Zyklen überschritten werden, in denen eine Regeneration erfolgt. Erfolgt bei einer emissionsmindernden Einrichtung eine Regeneration mindestens einmal während einer Prüfung Typ 1, nachdem sie bereits mindestens einmal während des Zyklus zur Vorbereitung des Fahrzeugs stattgefunden hat, so gilt das System als kontinuierlich arbeitendes Regenerationssystem, für das kein besonderes Prüfverfahren erforderlich ist.“</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett">Regelung Nr 83 der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa [UNECE] – Einheitliche Bedingungen für die Genehmigung der Fahrzeuge hinsichtlich der Emission von Schadstoffen aus dem Motor entsprechend den Kraftstofferfordernissen des Motors (kurz UNECE):</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">„Abs 2.20.:</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">Für die Zwecke dieser Verordnung bedeutet</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Kursiv">'System mit periodischer Regenerierung' eine emissionsmindernde Einrichtung (z. B. einen Katalysator oder einen Partikelfilter), bei der nach weniger als 4 000 km bei normalem Fahrzeugbetrieb ein periodischer Regenerierungsvorgang erforderlich ist. Während der Zyklen, in denen eine Regenerierung erfolgt, können die Emissionsgrenzwerte überschritten werden. Erfolgt bei einer emissionsmindernden Einrichtung eine Regenerierung mindestens einmal während einer Prüfung Typ I, nachdem sie bereits mindestens einmal während des Zyklus zur Vorbereitung des Fahrzeugs vorgenommen wurde, dann gilt das System als System mit kontinuierlicher Regenerierung, für das kein besonderes Prüfverfahren erforderlich ist. Anhang 13 dieser Regelung gilt nicht für Systeme mit kontinuierlicher Regenerierung.</span></span></p><p class="Abstand AlignLeft"></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett"><span class="Kursiv">Anhang 13: Verfahren für die Emissionsprüfung an einem Fahrzeug mit einem System mit periodischer Regenerierung</span></span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">…</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">3. Prüfverfahren</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">In dem Fahrzeug darf ein Schalter vorhanden sein, mit dem der Regenerierungsvorgang verhindert oder ermöglicht wird, allerdings darf dies keine Auswirkungen auf die ursprüngliche Motoreinstellung haben. Dieser Schalter darf nur dann betätigt werden, wenn die Regenerierung während der Beladung des Regenerierungssystems und während der Vorkonditionierungszyklen verhindert werden soll. Bei der Messung der Emissionen während der Regenerierungsphase darf er jedoch nicht betätigt werden; in diesem Fall ist die Emissionsprüfung mit dem unveränderten Erstausrüster-Steuergerät durchzuführen.“</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett">D. Vorbemerkungen</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [12] Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt maßgebend von der Auslegung von Art 3 Nr 10, Art 5 Abs 1 und 2 VO 715/2007/EG, Art 2 Nr 6 und Anhang III Abs 3.13.1. und 3.13.4. Durchführungs-VO sowie Abs 2.20. und Anhang 13 Abs 3 UNECE ab. Nach der Beurteilung des Obersten Gerichtshofs besteht im Hinblick auf die Vorlagefragen kein „acte clair“, weshalb die Vorlage an den Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung geboten ist.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [13] Im Verfahren ist nicht strittig, dass im Fahrzeug des Klägers ein Dieselmotor vom Typ EA288 verbaut ist, für den die Abgasnorm Euro 6 maßgebend ist. Im Verfahren ist vor allem fraglich, ob es sich bei der implementierten Precon mit Fahrkurvenerkennung (Steuerprogramm zur Regenerierung des Katalysators im Vorbereitungszyklus) um eine <span class="Unterstrichen">unzulässige</span> Abschalteinrichtung im Sinn des Art 3 Nr 10 iVm Art 5 VO 715/2007/EG handelt.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett">E. Begründung der Vorlage</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett"> [14] </span> <span class="Fett">1.1 </span>Frage 1 bezieht sich darauf, ob ein kontinuierlich arbeitendes Regenerationssystem (im Unterschied zu einem bloß periodisch arbeitenden Regenerationssystem) überhaupt eine Abschalteinrichtung sein kann. Der Oberste Gerichtshof geht nämlich davon aus, dass es sich bei der in Rede stehenden Precon (Steuerprogramm zur Regenerierung des Speicherkatalysators im Vorbereitungszyklus, sodass der eigentliche Prüfzyklus Typ I mit regeneriertem Katalysator beginnt) um ein kontinuierlich arbeitendes Regenerationssystem handelt. Nach den Feststellungen sind sowohl die Voraussetzungen nach Art 2 Nr 6 Durchführungs-VO als auch jene nach Anhang III Abs 3.13.4. Durchführungs-VO für ein kontinuierlich arbeitendes Regenerationssystem erfüllt.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett"> [15] </span> <span class="Fett">1.2 </span>Art 2 Nr 6 Durchführungs-VO (inhaltsgleich mit Abs 2.10. Satz 1 UNECE) definiert das <span class="Unterstrichen">periodisch</span> arbeitende Regenerationssystem. An diese Bestimmung knüpft Anhang III Abs 3.13.4. Durchführungs-VO an; Satz 1 entspricht dabei Abs 2.10. Satz 2 UNECE. Satz 2 (inhaltsgleich mit Abs 2.10. Satz 3 UNECE) definiert das <span class="Unterstrichen">kontinuierlich</span> arbeitende Regenerationssystem als besondere Form eines periodisch arbeitenden Regenerationssystems und normiert, dass für ein kontinuierlich arbeitendes Regenerationssystem kein besonderes Prüfverfahren erforderlich ist.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [16] Es ist somit zwischen einem <span class="Unterstrichen">periodisch</span> arbeitenden und einem <span class="Unterstrichen">kontinuierlich</span> arbeitenden Regenerationssystem zu unterscheiden. Die Besonderheit eines kontinuierlich arbeitenden Regenerationssystems besteht darin, dass eine Regeneration mindestens einmal während einer Prüfung Typ 1 erfolgt, nachdem sie bereits mindestens einmal während des Zyklus zur Vorbereitung des Fahrzeugs stattgefunden hat.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [17] Die Anordnung, dass für ein kontinuierlich arbeitendes Regenerationssystem kein besonderes Prüfverfahren erforderlich ist, bedeutet, dass Anhang 13 Abs 3 UNECE (iVm Anhang III Abs 3.13.1. Durchführungs-VO) nicht anzuwenden ist. Das Prüfverfahren nach Anhang 13 Abs 3 UNECE gilt daher nur für Fahrzeuge mit einem periodisch arbeitenden Regenerationssystem, nicht aber für Fahrzeuge mit einem kontinuierlich arbeitenden Regenerationssystem. Diese Zusammenhänge werden zweifelsfrei durch (die inhaltsgleichen Regelungen des) Abs 2.20. UNECE bestätigt. Darin wird explizit festgehalten, dass Anhang 13 UNECE für Systeme mit kontinuierlicher Regenerierung nicht gilt. Für ein kontinuierlich arbeitendes Regenerationssystem gilt damit das Prüfverfahren nach Anhang 4A UNECE. In diesem Fall erfolgen die Abgasmessungen nur im eigentlichen Prüfzyklus. Demgegenüber gibt es bei periodisch arbeitenden Regenerationssystemen weitere Prüfzyklen (Vorbereitungszyklus; Regenerationszyklus).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett"> [18] </span> <span class="Fett">1.3 </span>Aufgrund der rechtlichen Fiktion nach Anhang III Abs 3.13.4. Satz 2 Durchführungs-VO, wonach die beschriebene besondere Form eines periodisch arbeitenden Regenerationssystems als kontinuierlich arbeitendes Regenerationssystem gilt, ist für den Prüfbetrieb (am Prüfstand) zu unterstellen, dass sich das Regenerationssystem laufend (durchgehend) in Funktion befindet. Die Steuerung des Regenerationsvorgangs ist für die Abgasmessung damit unberücksichtigt zu lassen, sodass nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs von einer gleichbleibenden (einheitlichen) messrelevanten Funktionsweise (und Wirkungsweise) des Motors auszugehen ist.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [19] Wenn die einheitliche Funktionsweise des Motors aufgrund der beschriebenen rechtlichen Fiktion für den Prüfbetrieb gilt, muss dies auch für den Realbetrieb gelten, weil ein aussagekräftiger Vergleich zum Realbetrieb (mit nachteiligen rechtlichen Konsequenzen bei emissionsrelevanten Veränderungen) nur bei Vorliegen derselben Ausgangsbedingungen in Bezug auf die Funktionsweise des Emissionskontrollsystems möglich ist. Aus diesem Grund liegt es nahe, bei einem kontinuierlich arbeitenden Regenerationssystem auch für den Realbetrieb von einem durchgehend in Funktion befindlichen Regenerationssystem auszugehen.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [20] Dies würde bedeuten, dass durch ein kontinuierlich arbeitendes Regenerationssystem kein Teil des Emissionskontrollsystems in seiner Funktion aktiviert, verändert, verzögert oder deaktiviert wird, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems im Realbetrieb verringert wird. Folgt man diesem Ansatz, so würde es sich bei einem solchen kontinuierlichen Regenerationssystem um keine Abschalteinrichtung im Sinn des Art 3 Nr 10 VO 715/2007/EG handeln.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Fett"> [21] </span> <span class="Fett">2.1 </span>Die Fragen 2. a) und b) betreffen das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes, selbst wenn vom Vorliegen einer Abschalteinrichtung ausgegangen werden sollte.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett"> [22] </span> <span class="Fett">2.2 </span>Art 5 Abs 2 lit c VO 715/2007/EG sieht einen ausdrücklichen (geschriebenen) Rechtfertigungsgrund vor, wenn trotz Abschalteinrichtung die Bedingungen für das jeweilige Prüfverfahren im Wesentlichen eingehalten sind. Anhang III Abs 3.13.4. Durchführungs-VO sieht die Verwendung einer Precon (Steuerprogramm zur Regenerierung des Katalysators im Vorbereitungszyklus) ausdrücklich vor und normiert, dass unter bestimmten, im Anlassfall gegebenen Voraussetzungen das Regenerationssystem als kontinuierlich arbeitendes Regenerationssystem gilt, was dazu führt, dass eine Prüfung Typ 1 stattzufinden hat. Die hier fraglichen Prüfungsbedingungen sehen demnach für die Anwendbarkeit eines bestimmten Zulassungstests (Typ 1) vor, dass während des Vorbereitungszyklus mindestens einmal eine Regeneration der emissionsmindernden Einrichtung (Katalysator) stattfinden muss. Wenn diese Bedingung in den Normen für das maßgebende Prüfverfahren vorgeschrieben ist, so muss auch der Ausnahmetatbestand nach Art 5 Abs 2 lit c VO 715/2007/EG erfüllt sein.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett"> [23] </span> <span class="Fett">2.3 </span>Nach Art 5 Abs 1 VO 715/2007/EG müssen die das Emissionsverhalten beeinflussenden Bauteile sicherstellen, dass das Fahrzeug auch unter normalen Betriebsbedingungen der VO 715/2007/EG entspricht, insbesondere also die Grenzwerte eingehalten werden. In diesem Zusammenhang hat der Europäische Gerichtshof in der Entscheidung zu C-693/18, <span class="Kursiv">CLCV</span>, Rn 99, ausgesprochen, dass Art 3 Nr 10 VO 715/2007/EG dahin auszulegen ist, dass eine Software, die die Höhe der Fahrzeugemissionen anhand der von ihr ermittelten Fahrbedingungen verändert und die Einhaltung der Emissionsgrenzwerte nur unter Bedingungen gewährleistet, die denen der Zulassungstests entsprechen, eine Abschalteinrichtung ist, und zwar auch dann, wenn die Verbesserung der Leistung des Emissionskontrollsystems <span class="Unterstrichen">punktuell</span> auch unter normalen Nutzungsbedingungen des Fahrzeugs beobachtet werden kann. Dies bedeutet e contrario, dass eine Abschalteinrichtung zulässig sein muss, wenn das Emissionsverhalten, das im Prüfzyklus vorliegt, zum überwiegenden Teil bzw in der Mehrzahl der Fälle auch im Realbetrieb gegeben ist.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [24] Dies ist bei der zu beurteilenden Precon der Fall, weil während des eigentlichen Prüfzyklus eine zweimalige Regenerierung stattfindet, während im Realbetrieb rein rechnerisch mehr als zweimal eine Regenerierung erfolgen kann. In der Mehrzahl der Fälle erfolgt allerdings auch im Realbetrieb eine Regenerierung des Katalysators derart, dass die Verhältnisse gleich wie im Prüfzyklus sind.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [25] Bei einer überwiegend gleichen Wirkungsweise der emissionsmindernden Einrichtung (Katalysator) im Realbetrieb wie im Prüfbetrieb kann nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs nicht davon gesprochen werden, dass die Emissionsminderung lediglich punktuell auch im Realbetrieb beobachtet werden kann.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Fett"> [26] </span> <span class="Fett">3. </span>Frage 3 bezieht sich auf den Einwand, dass es sich bei der Precon um kein kontinuierlich arbeitendes Regenerationssystem handle, weil der vorhandene Schalter zur Verhinderung oder Ermöglichung des Regenerationsvorgangs während des Vorbereitungszyklus betätigt werde, um die Regeneration des Katalysators auszulösen und nicht nur dazu, um diese zu verhindern (vgl Anhang 13 Abs 3 UNECE; siehe auch Abs 3.2.3.).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [27] Anhang 13 Abs 3 UNECE gilt zwar für ein periodisch arbeitendes Regenerationssystem (mit den besonderen Prüfverfahren nach Anhang 13 UNECE), nicht aber für ein kontinuierlich arbeitendes Regenerationssystem (Prüfung Typ I nach Anhang 4A UNECE). Für ein kontinuierlich arbeitendes Regenerationssystem ist nach Anhang III Abs 3.13.4. Durchführungs-VO (inhaltsgleich mit Abs 2.20. Satz 3 UNECE) nämlich ausdrücklich vorgesehen, dass auch im Vorbereitungszyklus mindestens einmal eine Regeneration des Katalysators stattfinden muss. Dass diese Regeneration bewusst ausgelöst wird und der eigentliche Prüfzyklus daher mit leerem Katalysator beginnt, ist daher vorgeschrieben und nicht schädlich.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"><span class="Unterstrichen">Zu I<span class="Fett">II.:</span></span></span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [28] Der Ausspruch über die Aussetzung des Verfahrens bis zur Erledigung des Vorabentscheidungsersuchens gründet sich auf § 90a Abs 1 GOG.</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240911_OGH0002_0130OS00026_24H0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-03 | 2024-10-03 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240911_OGH0002_0130OS00026_24H0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240911_OGH0002_0130OS00026_24H0000_000/JJT_20240911_OGH0002_0130OS00026_24H0000_000.html | 13Os26/24h | ECLI:AT:OGH0002:2024:0130OS00026.24H.0911.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Der Oberste Gerichtshof hat am 11. September 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. Wachter in der Strafsache gegen * W* und einen weiteren Angeklagten wegen Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten * L* sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 25. September 2023, GZ 37 Hv 148/18a-232, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:</span></p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="Abstand AlignLeft"></p><p class="ErlText AlignLeft">Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch, demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und es wird die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck verwiesen.</p><p class="ErlText AlignLeft">Mit ihren Rechtsmitteln werden der Angeklagte * L* und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Gründe:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit hier von Bedeutung – * L* des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB schuldig erkannt.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [2] Danach hat er vom Dezember 2016 bis zum Jänner 2017 mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Verfügungsberechtigte von sieben im Urteil genannten Medienunternehmen durch Vortäuschung der Zahlungsfähigkeit der Unternehmen „k*“ und G* GmbH sowie seiner Zahlungswilligkeit als deren Verantwortlicher zur Ausstrahlung und Einspielung von Werbeschaltungen für ein von der „k*“ angebotenes Finanzprodukt verleitet, die diese Medienunternehmen in dem 300.000 Euro übersteigenden Betrag von insgesamt 658.857,55 Euro an ihrem Vermögen schädigten.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [3] Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten * L*.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [4] Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof in Übereinstimmung mit dem Hinweis der Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme, dass dem angefochtenen Urteil nicht geltend gemachte materielle Nichtigkeit (nach § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO) anhaftet, die dem Angeklagten * L* zum Nachteil gereicht und daher von Amts wegen wahrzunehmen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [5] Bei Tatmehrheit verjähren die einzelnen Taten – abgesehen vom Fall des § 58 Abs 2 StGB – grundsätzlich jeweils für sich, woran auch deren Zusammenfassung zu einer Subsumtionseinheit nach § 29 StGB nichts ändert (<span class="Kursiv">Marek</span> in WK² StGB § 57 Rz 12, <span class="Kursiv">Ratz</span> in WK² StGB § 29 Rz 7, RIS-Justiz RS0090586 [T9 und T10]). Es ist daher jede einzelne Tat als historisches Geschehen anhand im Urteil getroffener Feststellungen einer (oder mehreren) strafbaren Handlung(en) zu unterstellen und auf dieser Basis der Eintritt der Verjährung zu beurteilen (vgl erneut <span class="Kursiv">Marek</span> in WK² StGB § 57 Rz 12, RIS-Justiz RS0128998).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [6] Nach dem Urteilssachverhalt (US 10 f) erteilte der Angeklagte * L* die inkriminierten Aufträge über Leistungen im Wert von</p><p class="ErlText AlignLeft">- 12.185,16 Euro im Oktober 2016,</p><p class="ErlText AlignLeft">- 108.915,50 Euro im Dezember 2016,</p><p class="ErlText AlignLeft">- 33.372 Euro im Dezember 2016,</p><p class="ErlText AlignLeft">- 207.777,26 Euro ab 21. Dezember 2016,</p><p class="ErlText AlignLeft">- 29.856,46 Euro ab 22. Dezember 2016,</p><p class="ErlText AlignLeft">- 214.050,46 Euro ab 12. Jänner 2017,</p><p class="ErlText AlignLeft">- 40.545 Euro ab 10. Jänner 2017 sowie</p><p class="ErlText AlignLeft">- 12.155,92 Euro am 19. Jänner 2017.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [7] Da diese Taten (ausgehend von den Konstatierungen zur objektiven und zur subjektiven Tatseite) – bei isolierter Betrachtung – jeweils §§ 146, 147 Abs 2 StGB zu subsumieren sind, trat unter Berücksichtigung des § 58 Abs 2 StGB (und der fehlenden Determinierung eines Endzeitpunktes zu jenen Aufträgen, die nach den Feststellungen „ab“ einem bestimmten Datum ergangen sind) zufolge der fünfjährigen Verjährungsfrist des § 57 Abs 3 dritter Fall StGB hinsichtlich sämtlicher Taten mit Ablauf des 19. Jänner 2022 Verjährung ein.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [8] Feststellungen zu verjährungshemmenden Umständen wurden im angefochtenen Urteil nicht getroffen.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [9] Machen fehlende Feststellungen die (implizite rechtliche) Annahme der Beseitigung eines (nach dem Urteilssachverhalt gegebenen) Ausnahmesatzes (vorliegend mit Ablauf des 19. Jänner 2022 eingetretene Verjährung) unschlüssig, liegt ein (hier aus § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO relevanter) Rechtsfehler mangels Feststellungen vor (RIS-Justiz RS0122332 [T1, T6 und T11]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [10] Dies führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils wie aus dem Spruch ersichtlich bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 285e StPO). In diesem Umfang war die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck zu verweisen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [11] Mit Blick auf den zweiten Rechtsgang bleibt hinzuzufügen, dass ein die österreichische Strafgerichtsbarkeit begründender inländischer Tatort (§ 62 StGB) vorliegt, wenn der Ort, an dem der Täter gehandelt hat oder handeln hätte sollen, im Inland liegt; im Fall von Erfolgsdelikten (hier: § 146 StGB) auch, wenn ein dem Tatbild entsprechender Erfolg (hier: Vermögensschaden) ganz oder zum Teil im Inland eingetreten ist oder nach der Vorstellung des Täters hätte eintreten sollen (§ 67 Abs 2 StGB). Ein (bloßer) Zwischenerfolg oder das Setzen (schon) eines Teils der Handlung in Österreich genügt (RIS-Justiz RS0092073 und RS0091861, jüngst 15 Os 147/21p; <span class="Kursiv">Salimi</span> in WK<span class="Hoch">2</span> StGB § 67 Rz 15, 21 ff und 29 ff).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [12] Mit ihren Rechtsmitteln waren der Angeklagte * L* und die Staatsanwaltschaft auf die Aufhebung zu verweisen.</p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240911_OGH0002_0130OS00038_24Y0000_000 | Justiz | OGH | 2024-09-24 | 2024-09-24 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240911_OGH0002_0130OS00038_24Y0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240911_OGH0002_0130OS00038_24Y0000_000/JJT_20240911_OGH0002_0130OS00038_24Y0000_000.html | 13Os38/24y | ECLI:AT:OGH0002:2024:0130OS00038.24Y.0911.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Der Oberste Gerichtshof hat am 11. September 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Wachter in der Strafsache gegen * P* wegen Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen sowie im Verfahren zur strafrechtlichen Unterbringung des Genannten in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Schöffengericht vom 20. März 2024, GZ 38 Hv 75/23d-109.2, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den</span></p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft">Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.</p><p class="ErlText AlignLeft">Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.</p><p class="ErlText AlignLeft">Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Gründe:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * P* jeweils mehrerer Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB (I und II) und nach § 107 Abs 1 StGB (III und „V“) schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Unter einem wurde (aus Anlass der vom Schuldspruch I und II umfassten Taten) seine strafrechtliche Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 2 StGB angeordnet.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [2] Nach den Konstatierungen zum Schuldspruch hat er in K* folgende Personen teils mit dem Tod (I und II), teils mit einer Verletzung am Körper (III und „V“) gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er ihnen unter im angefochtenen Urteil beschriebenen Umständen jeweils eine (mit dort wiedergegebenem Text versehene) Postkarte zukommen ließ, und zwar</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">(I) Familie S* im August 2020, im August 2021 und im Juli 2022,</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">(II) * Sa* im Dezember 2017 und im Dezember 2018,</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">(III) * Si* im Oktober 2018, im Jänner 2019 und im Juli 2019 sowie</span></p><p class="ErlText AlignLeft">(„V“) * J* in den Jahren 2017 bis 2023.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [3] Dagegen richtet sich die auf Z 4, 9 lit a und lit b, 10 und 11 jeweils des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [4] Nach den Urteilsfeststellungen verbüßte der Beschwerdeführer zu den Tatzeiten eine langjährige Freiheitsstrafe, die (unter anderem) wegen eines Verbrechens des Mordes über ihn verhängt worden war. Die zu I bis „V“ genannten Personen sind Verwandte und Bekannte des damaligen Mordopfers, die im (seinerzeit) gegen den Beschwerdeführer geführten Strafverfahren als Zeugen ausgesagt hatten. Mit der Zusendung der – in ihrem Wortlaut scheinbar unverfängliche, handschriftliche Textbotschaften tragenden – Postkarten (jeweils um den Jahrestag des Mordes oder um Weihnachten) wollte er den Genannten „demonstrieren“, „dass er sie nicht vergessen hat“ und ihnen „auf diese Weise Racheakte bis hin zu deren Tötung ankündigen“ (US 1 f, 4 ff und 8).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [5] Das Schöffengericht ging davon aus, dass entweder der Beschwerdeführer selbst oder ein Dritter in seinem Auftrag die betreffenden – teils mit bildlichen Darstellungen nackter oder bloß mit Unterwäsche bekleideter Frauen versehenen – Postkarten besorgte, beschriftete und an die Opfer versandte (US 1, 6 und 8). Außerdem erachtete es als gerichtsnotorisch, dass es Strafgefangenen, die in Justizanstalten angehalten werden, faktisch möglich ist, Gegenstände (wie die fraglichen Postkarten) auch auf andere Weise als durch ordnungsgemäße Überlassung (vgl § 33 Abs 1 StVG) zu erlangen (US 8).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [6] Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) verfielen die in der Hauptverhandlung am 20. März 2024 gestellten Anträge (ON 109.1, 17) des Angeklagten auf</span></p><p class="ErlText AlignLeft">- Einholung eines „grafologischen“ (gemeint schriftenvergleichenden) Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, „dass der Angeklagte die Postkarten nicht verfasst hat“, sowie</p><p class="ErlText AlignLeft">- „Ausforschung und Einvernahme eines Mitarbeiters der Justizanstalt St*, der über den Verkauf von Gebrauchsgegenständen in der Justizanstalt Auskunft geben kann,“ zum Beweis dafür, „dass der Angeklagte die Postkarten, insbesondere diejenige, welche erotische Motive zeigen, gar nicht hätte beschaffen können“,</p><p class="ErlText AlignLeft">zu Recht der Abweisung (ON 109.1, 17).</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [7] Denn was den ersten Antrag betrifft, brachte das Schöffengericht – wie zuvor dargelegt – zum Ausdruck, dass es die Schuldfrage auch bei Erwiesenheit des Beweisthemas nicht anders gelöst hätte (vgl RIS-Justiz RS0099135 [insbesondere T4, T8 und T10] sowie <span class="Kursiv">Ratz</span>, WK-StPO § 281 Rz 342).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [8] Der zweite Antrag wiederum ließ nicht erkennen, weshalb die begehrte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erwarten lasse, und trug solcherart reinen Erkundungscharakter (RIS-Justiz RS0118444).</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [9] Die – schon mangels Behauptung einer auf das angebliche „Beweisergebnis“ bezogenen Antragstellung (RIS-Justiz RS0099250) verfehlt – aus Z 4 erhobene Kritik, bei der Urteilsfällung seien „Ergebnisse einer graphologischen Untersuchung“ (durch einen „Gutachter“ von im Rechtsmittel bezweifelter „Qualifikation“ und „Unabhängigkeit/Unbefangenheit“) berücksichtigt (§ 258 Abs 1 StPO) worden, ist nach Maßgabe der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) des angefochtenen Urteils schlicht unzutreffend.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [10] Die weitere Beschwerde verneint (aus Z 9 lit a) die Tatbestandsmäßigkeit der vom Schuldspruch umfassten Taten (schon) nach § 107 Abs 1 StGB und strebt (aus Z 10) – gleichsam eventualiter – den Wegfall der Qualifikation nach § 107 Abs 2 StGB im Schuldspruch I und II an.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [11] Indem sie dabei nicht vom in tatsächlicher Hinsicht festgestellten (RIS-Justiz RS0092448 [T5]), mit Blick auf den konstatierten Kontext gerade nicht auf den jeweiligen Wortlaut reduzierten Bedeutungsinhalt (US 5 f iVm US 1 f und US 10) der in Rede stehenden Äußerungen in seiner Gesamtheit ausgeht, sondern diesen beweiswürdigend bestreitet, verfehlt sie den – im Urteilssachverhalt gelegenen – Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [12] Gleiches gilt für den – auf der prozessordnungswidrigen Argumentation der Subsumtionsrüge aufbauenden – Einwand (Z 9 lit b), bei „Verneinung der Qualifikation“ wäre „von Verjährung der überwiegenden Anzahl an Fakten auszugehen.“ Er lässt überdies offen, weshalb die neuerliche gleichschädliche Tatbegehung (§ 58 Abs 2 StGB, dazu <span class="Kursiv">Marek</span> in WK<span class="Hoch">2</span> StGB § 58 Rz 6) während der (jeweiligen) Verjährungsfrist (§ 57 Abs 3 StGB) deren Ablauf nicht jedenfalls gehemmt hätte (siehe aber RIS-Justiz RS0116565).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [13] Die Sanktionsrüge beanstandet die Heranziehung des Gutachtens des beigezogenen psychiatrischen Sachverständigen (ON 75.2) als Erkenntnisgrundlage für die Feststellungen zu einer schweren und nachhaltigen psychischen Störung sowie zu deren Einfluss (§ 21 Abs 2 StGB) auf die Anlasstaten (Z 11 erster Fall iVm Z 5). Dazu ist auf der Basis der Aktenlage festzuhalten, dass der Angeklagte, nachdem das Gutachten in der Hauptverhandlung erörtert worden war (ON 109.1 S 12 ff), weder eine Mangelhaftigkeit (§ 127 Abs 3 StPO) desselben aufgezeigt noch eine Überprüfung von Befund und Gutachten durch einen weiteren Sachverständigen beantragt (<span class="Kursiv">Ratz</span>, WK-StPO § 281 Rz 351) hat. Mit (bloß) gegen die materielle Überzeugungskraft einer – im Sinn des § 127 Abs 3 StPO mängelfreien – Expertise gerichtetem Vorbringen wird ein unter dem Aspekt der Nichtigkeitsgründe relevanter Mangel einer auf das betreffende Gutachten gestützten Urteilsbegründung aber nicht behauptet (RIS-Justiz RS0097433 und RS0099508).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [14] Soweit sich die Kritik gegen die vom Gericht angestellte Gefährlichkeitsprognose richtet, wird der Sache nach ein Berufungsvorbringen erstattet.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [15] Indem die Rüge das Fehlen einer tauglichen Anlasstat (§ 21 Abs 3 StGB) behauptet und dazu auf „die Ausführungen oben zu Z 9 und Z 10“ verweist (siehe aber RIS-Justiz RS0115902), geht sie nicht vom diesbezüglichen Schuldspruch (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) aus.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [16] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [17] Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [18] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240911_OGH0002_0130OS00048_24V0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-02 | 2024-10-02 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240911_OGH0002_0130OS00048_24V0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240911_OGH0002_0130OS00048_24V0000_000/JJT_20240911_OGH0002_0130OS00048_24V0000_000.html | 13Os48/24v | ECLI:AT:OGH0002:2024:0130OS00048.24V.0911.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Der Oberste Gerichtshof hat am 11. September 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. Wachter in der Strafsache gegen * C* wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 7. Mai 2024, GZ 23 Hv 22/24v-79, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den</span></p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft">Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.</p><p class="ErlText AlignLeft">Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.</p><p class="ErlText AlignLeft">Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Gründe:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * C* des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [2] Danach hat er am 23. April 2023 in L* * O* mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs und dem Beischlaf gleichzusetzender geschlechtlicher Handlungen genötigt, indem er sie mit einer Hand an der Hüfte packte und ihr mit der anderen Hand den Slip auszog, ihr trotz körperlicher Gegenwehr und mehrfacher verbaler Ablehnung wiederholt drei Finger und sodann die ganze Hand in die Vagina einführte, ihr in der Folge seinen erigierten Penis in den Mund drückte, wobei er sie an beiden Waden festhielt und nach unten drückte, sich erneut auf sie legte und zuerst mit seinen Fingern und dann mit seinem erigierten Penis in ihre Vagina eindrang, und sie, als O* flüchten wollte, wiederum packte und abermals von hinten vaginal penetrierte.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [4] Entgegen der Kritik der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung (ON 78 S 16) des Antrags auf zeugenschaftliche Vernehmung des Vaters der * O* zum Beweis dafür, dass „die Zeugin sehr wohl im Sinne der geschilderten Verhaltensweise durch die Mutter es mit der Wahrheit nicht so genau nimmt und diesbezüglich in der Vergangenheit auffällig geworden ist“ (ON 78 S 15), Verteidigungsrechte nicht geschmälert. Dieser ersichtlich auf die Erschütterung der Glaubwürdigkeit des Opfers zielende Beweisantrag war zwar grundsätzlich auf erhebliche Tatsachen gerichtet, weil die Beweisführung zur Beweiskraft von – wie hier – schulderheblichen Beweismitteln ihrerseits für die Schuldfrage von Bedeutung ist (RIS-Justiz RS0028345; <span class="Kursiv">Ratz</span>, WK-StPO § 281 Rz 340 und 350), er gab jedoch keine konkreten Anhaltspunkte dafür an, dass die Genannte in Bezug auf eine entscheidende Tatsache die Unwahrheit gesagt hätte (siehe aber RIS-Justiz RS0120109 [T3]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [5] Im Rechtsmittel nachgetragenes, den Antrag ergänzendes Vorbringen ist ebenso unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618) wie die Kritik an der Begründung des abweislichen Zwischenerkenntnisses (RIS-Justiz RS0116749).</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [6] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [7] Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [8] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240911_OGH0002_0130OS00055_24Y0000_000 | Justiz | OGH | 2024-09-26 | 2024-09-26 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240911_OGH0002_0130OS00055_24Y0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240911_OGH0002_0130OS00055_24Y0000_000/JJT_20240911_OGH0002_0130OS00055_24Y0000_000.html | 13Os55/24y | ECLI:AT:OGH0002:2024:0130OS00055.24Y.0911.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Der Oberste Gerichtshof hat am 11. September 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. Wachter in der Strafsache gegen * N* wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 und Abs 4 Z 1 und 3 SMG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 26. März 2024, GZ 64 Hv 2/24t-87.3, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:</span></p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="Abstand AlignLeft"></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Subsumtion der vom Schuldspruch umfassten Taten nach § 28a Abs 2 Z 1 SMG und nach § 28a Abs 4 Z 1 SMG, demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung), sowie im Verfallsausspruch aufgehoben und es wird die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft">Die Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen wird zurückgewiesen.</p><p class="ErlText AlignLeft">Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte auf die Aufhebung des Strafausspruchs verwiesen.</p><p class="ErlText AlignLeft">Der Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Gründe:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * N* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 und Abs 4 Z 1 und 3 SMG schuldig erkannt.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [2] Danach hat sie vom 23. Mai 2020 bis zum 7. Juni 2021 in W* (in auf den US 10 bis 16 im Einzelnen beschriebenen Fällen) als Mitglied einer kriminellen Vereinigung, nämlich eines auf längere Zeit angelegten Zusammenschlusses von mehr als zwei Personen, der darauf ausgerichtet war, dass von einem oder mehreren Mitgliedern der Vereinigung Verbrechen nach dem Suchtmittelgesetz ausgeführt werden, und der neben ihr unter anderem die abgesondert verfolgten * Z*, * B*, * R*, * M* und * Be* sowie der „UT Br*“ angehörten, vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich insgesamt 273.920 Gramm Cannabiskraut mit einem durchschnittlichen Reinheitsgrad von 11,18 % THCA und 0,85 % Delta-9-THC sowie 2.760 Gramm Kokain mit einem durchschnittlichen Reinheitsgrad von zumindest 64,01 % Cocain, in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen (§ 12 erster Fall StGB) und andere Personen dazu bestimmt (§ 12 zweiter Fall StGB), die jeweils gewünschten Suchtgiftmengen an Dritte zu übergeben.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [3] Nach § 20 Abs 1 und 3 StGB wurden 60.304 Euro für verfallen erklärt.</span></p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [4] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3, 5, 10 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten.</span></p><p class="Abstand AlignLeft"></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Unterstrichen">Zum berechtigten Teil der Nichtigkeitsbeschwerde:</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [5] Nach den Feststellungen des Erstgerichts ist die Angeklagte bisher gerichtlich unbescholten (US 7).</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [6] Die Subsumtionsrüge (Z 10) zeigt zutreffend auf, dass schon diese Konstatierung einer Subsumtion nach § 28a Abs 2 Z 1 und Abs 4 Z 1 SMG entgegensteht.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [7] Im Recht ist auch die Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall iVm Z 5 [richtig] vierter Fall), soweit sie einwendet, dass das Erstgericht die den Verfallsbetrag determinierende Urteilsannahme, wonach die Angeklagte „zu ihrer persönlichen Verwendung […] insgesamt sohin 60.304 Euro“ erhielt (US 17), mit dem Verweis (US 24) auf die in der Hauptverhandlung getätigten Angaben der Angeklagten offenbar unzureichend begründet habe. Die Urteilsannahme findet nämlich in der Verantwortung der Angeklagten, wonach sie kein Geld bekommen, sondern die Schulden ihres Ex-Lebensgefährten abgearbeitet und die jeweiligen Beträge auf einer Liste abgestrichen habe (dazu ON 87.2 S 4 ff, 8, 31, 55), keine Deckung (zum Begriff des Erlangens siehe RIS-Justiz RS0129964).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [8] Die aufgezeigten Fehler führten – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – zur Aufhebung des angefochtenen Urteils wie aus dem Spruch ersichtlich bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e StPO).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [9] Ein Eingehen auf das weitere die Qualifikationstatbestände betreffende Vorbringen der Nichtigkeitsbeschwerde erübrigt sich.</p><p class="Abstand AlignLeft"></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Unterstrichen">Im Übrigen ist die Nichtigkeitsbeschwerde nicht berechtigt:</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [10] Vor dem Eingehen auf das Vorbringen der Mängelrüge (Z 5) ist – mit Blick auf die in der Urteilsausfertigung anders verwendeten Rechtsbegriffe – bezüglich der Täterschaftsformen klarzustellen:</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [11] Unmittelbarer Täter (§ 12 erster Fall StGB) ist, wer eine dem Wortlaut des Tatbestands entsprechende Ausführungshandlung setzt (RIS-Justiz RS0117320 [T1]). Für die Begründung der Mittäterschaft ist der Umstand wesentlich, dass der einzelne Täter – im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit mindestens einem anderen – eine dem Tatbild entsprechende Ausführungshandlung setzt (RIS-Justiz RS0089835 [T1]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [12] Bestimmungstäter nach § 12 zweiter Fall StGB ist, wer vorsätzlich einen anderen zur Ausführung einer strafbaren Handlung veranlasst, also den Anstoß zur Tatausführung durch einen anderen gibt (RIS-Justiz RS0089717).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [13] Beitragstäterschaft (§ 12 dritter Fall StGB) erfordert ein für den Tatablauf kausales Verhalten, das die Ausführung der strafbaren Handlung durch einen anderen ermöglicht, erleichtert, absichert oder in anderer Weise fördert (RIS-Justiz RS0090508).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [14] Überlassen von Suchtgift im Sinn (des § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall SMG und) des § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG setzt die Weitergabe an einen „anderen“, also eine vom Täter verschiedene Person voraus und besteht in der Übertragung der Verfügungsgewalt über das Suchtgift durch den Täter an eine andere Person, die vorher noch keinen Gewahrsam an der Substanz hatte (RIS-Justiz RS0132558, <span class="Kursiv">Schwaighofer</span> in WK<span class="Hoch">2 </span>SMG § 27 Rz 39).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [15] Mitgliedschaft an derselben kriminellen Vereinigung begründet nicht per se (von Anfang an bestehenden) Mitgewahrsam, der die Möglichkeit wechselseitigen Überlassens ausschlösse (RIS-Justiz RS0088010 [T8]). Erlangt bei einem von mehreren Mitgliedern einer kriminellen Vereinigung betriebenen Suchtgiftankauf vorerst nur eines der Mitglieder Gewahrsam am Suchtgift, so stellt auch die Abgabe eines angekauften Suchtgifts an ein anderes Mitglied der kriminellen Vereinigung ein Überlassen im Sinn (des § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall SMG und) des § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG dar (RIS-Justiz RS0115882 [insbesondere T9], jüngst 13 Os 24/24i; <span class="Kursiv">Matzka/Zeder/Rüdisser</span>, SMG<span class="Hoch">3 </span>§ 27 SMG Rz 18).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [16] Nach den Feststellungen des Erstgerichts hatte vor den Suchtgiftübergaben keiner der von der Angeklagten oder von Dritten Suchtgift übernehmenden Personen Gewahrsam am Suchtgift (dazu US 10 bis 16). Demzufolge liegt auf der Basis des – im Übrigen mit dem Referat der entscheidenden Tatsachen in Bezug auf die Tathandlung der Übergabe oder der Bestimmung zur Übergabe von Suchtgift teilweise nicht übereinstimmenden – Urteilssachverhalts nicht Beitragstäterschaft nach § 12 dritter Fall StGB, sondern in jenen Fällen, in denen die Angeklagte das Suchtgift selbst übergeben hat (A 4, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 20, 22, 23, 24, 25, 27, 28, 30, 31 und 33; B 1, 2, 3 und 5), unmittelbare Täterschaft nach § 12 erster Fall StGB und in jenen Fällen, in denen sie die Übergabe von Suchtgift durch einen anderen veranlasst hat (A 1, 3, 5, 6, 7, 9, 19, 20, 21, 26, 28 und 32), Täterschaft durch Bestimmung nach § 12 zweiter Fall StGB vor.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [17] Dass das Erstgericht hier verfehlt teils von Beitragstäterschaft (§ 12 dritter Fall StGB) ausgegangen ist, kann mit Blick auf die Gleichwertigkeit der Täterschaftsformen (RIS-Justiz RS0117604, RS0089433 und RS0090765) dahinstehen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [18] Soweit die Mängelrüge (Z 5) einwendet, „um eine Beitragshandlung setzen zu können, muss es aber eine Tat eines unmittelbaren Täters geben“, stellt sie keinen Bezug zum Ausspruch über eine entscheidende Tatsache her (dazu RIS-Justiz RS0117264 und RS0106268).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [19] Die Herleitung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 16) aus dem objektiven Tatgeschehen (US 23) ist unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) keineswegs zu beanstanden (RIS-Justiz RS0098671 und RS0116882).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [20] Die Kritik behaupteter Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) der Feststellungen zur inneren Tatseite verfehlt mangels Orientierung an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (US 23 f) die prozessordnungsgemäße Darstellung (RIS-Justiz RS0119370).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [21] In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten daher – ebenfalls in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [22] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240911_OGH0002_0130OS00065_24V0000_000 | Justiz | OGH | 2024-09-26 | 2024-09-26 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240911_OGH0002_0130OS00065_24V0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240911_OGH0002_0130OS00065_24V0000_000/JJT_20240911_OGH0002_0130OS00065_24V0000_000.html | 13Os65/24v | ECLI:AT:OGH0002:2024:0130OS00065.24V.0911.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Der Oberste Gerichtshof hat am 11. September 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Wachter in der Strafsache gegen * U* wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 41 Hv 30/23g des Landesgerichts Wiener Neustadt, über den Antrag der Generalprokuratur auf außerordentliche Wiederaufnahme des Strafverfahrens in nichtöffentlicher Sitzung den</span></p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft">In Stattgebung des Antrags der Generalprokuratur wird im außerordentlichen Weg die Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens verfügt, das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 22. Mai 2024, AZ 22 Bs 104/24s, (ON 81.3) aufgehoben und die Sache an dieses Gericht zur neuerlichen Entscheidung über die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 6. Februar 2024 (ON 63.4) verwiesen.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Gründe:</p><p class="ErlText AlignLeft"> [1] Mit Urteil des Einzelrichters des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 6. Februar 2024 (ON 63.4) wurde * U* mehrerer strafbarer Handlungen schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [2] Gegen dieses Urteil meldete der Angeklagte (durch seinen Verteidiger) rechtzeitig Berufung wegen vorliegender Nichtigkeitsgründe sowie wegen der Aussprüche über die Schuld und die Strafe an (ON 66).</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [3] Der Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung über die Berufung wurde vom Oberlandesgericht Wien zu AZ 22 Bs 104/24s am 19. April 2024 für den 22. Mai 2024 anberaumt. Dabei verfügte das Berufungsgericht die Zustellung der Ladung zu eigenen Handen (§ 21 ZustG) des Angeklagten. Ein Versuch, sie an der im Melderegister als Hauptwohnsitz des Angeklagten aufscheinenden Adresse im Postweg zuzustellen, schlug fehl. Die Sendung wurde mit dem Vermerk „Ortsabwesenheit bis 14. 4. 2025“ retourniert.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [4] Daraufhin ordnete das Oberlandesgericht Wien mit Verfügung vom 7. Mai 2024 per Telefax die nachweisliche Ausfolgung der Ladung an den Angeklagten durch die Polizeiinspektion B* an.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [5] Zum Gerichtstag am 22. Mai 2024 erschien U* unentschuldigt nicht. Sein Verteidiger erklärte keinen Verzicht auf die Teilnahme des Angeklagten an der Berufungsverhandlung. Nach telefonischer Rücksprache mit einem Beamten der Polizeiinspektion B* hielt der Rechtsmittelsenat im Protokoll über die Berufungsverhandlung fest, dass die Ladung dem Angeklagten (nach Auskunft des Beamten) am 8. Mai 2024 persönlich ausgefolgt worden sei (ON 81.6, 2).</p><p class="ErlText AlignLeft"> [6] Die Berufungsverhandlung wurde daraufhin in Abwesenheit des Angeklagten durchgeführt. Mit dem anschließend verkündeten Urteil (ON 81.3) wies das Oberlandesgericht Wien die Berufung wegen vorliegender Nichtigkeitgründe zurück und gab jener wegen der Aussprüche über die Schuld und die Strafe nicht Folge.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [7] Erst mit (am 6. Juni 2024 beim Oberlandesgericht Wien eingelangtem) Schreiben vom 1. Juni 2024 gab die Polizeiinspektion B* bekannt, dass – entgegen der telefonisch erteilten Auskunft – die Ladung des Angeklagten trotz mehrerer Versuche nicht habe zugestellt werden können. Eine Nachbarin des Angeklagten habe angegeben, diesen schon „seit längerem“ nicht mehr gesehen zu haben.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [8] Bei der Prüfung der Akten ergeben sich – wie die Generalprokuratur in ihrem nach § 362 Abs 1 Z 2 StPO (per analogiam) gestellten Antrag zutreffend aufzeigt – erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit einer der Durchführung der Berufungsverhandlung und der Fällung des Urteils am 22. Mai 2024 zugrunde gelegten Tatsachenannahme:</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [9] Gemäß § 489 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 471 StPO gelten für die Anberaumung und die Durchführung des Gerichtstags zur öffentlichen Verhandlung über Berufungen gegen Urteile des Einzelrichters des Landesgerichts – unabhängig vom Gegenstand der Berufung – § 286 Abs 1 StPO und § 294 Abs 5 StPO sinngemäß. Der (wie hier) nicht verhaftete Angeklagte ist daher – gegebenenfalls zusätzlich zu einem Verteidiger (§ 294 Abs 5 zweiter Satz StPO als lex specialis zu § 83 Abs 4 erster Satz StPO), mangels Erzwingbarkeit seiner Anwesenheit (vgl § 83 Abs 1 und 3 erster Satz StPO) jedoch ohne das Erfordernis eines Zustellnachweises – vorzuladen (12 Os 69/23y [Rz 9] und <span class="Kursiv">Ratz</span>, WK-StPO § 294 Rz 14). Ohne gehörige Ladung des auf freiem Fuß befindlichen Angeklagten ist die Durchführung der Berufungsverhandlung im Fall seines Ausbleibens (vgl § 286 Abs 1 letzter Satz StPO) nur dann zulässig, wenn er durch seinen Verteidiger ausdrücklich auf die Teilnahme am Gerichtstag verzichtet hat (vgl RIS-Justiz RS0124107 [T2] sowie <span class="Kursiv">Ratz</span>, WK-StPO § 296 Rz 2 und § 471 Rz 2).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [10] Da Letzteres hier nicht der Fall war, hätte die Zulässigkeit der Durchführung der Berufungsverhandlung in Abwesenheit des unentschuldigt ferngebliebenen Angeklagten demnach vorausgesetzt, dass diesem die Ladung zur Berufungsverhandlung wirksam zugestellt worden ist.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [11] Gegen die Richtigkeit der den rechtlichen Schluss tragenden Tatsachenannahme, dies sei hier in Bezug auf U* der Fall gewesen, bestehen aufgrund des – erst nach der Fällung des Berufungsurteils aktenkundig gewordenen – Inhalts der zuletzt erwähnten Bekanntgabe der Polizeiinspektion B* erhebliche Bedenken im Sinn des § 362 Abs 1 Z 2 StPO.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [12] Denn danach ist indiziert, dass dem Genannten die Ladung – entgegen der telefonischen Auskunft vom 22. Mai 2024, auf welcher die betreffende Tatsachenannahme des Berufungssenats fußte – mangels persönlicher Ausfolgung durch die um Zustellung ersuchte (§ 82 Abs 3 zweiter Satz StPO) Kriminalpolizei nicht tatsächlich zugekommen (vgl § 7 ZustG) ist (sodass im Gegenstand – insgesamt – keine gehörige Ladung erfolgt wäre).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [13] Hiervon ausgehend ist eine (nicht vom Obersten Gerichtshof selbst getroffene) letztinstanzliche Entscheidung eines Strafgerichts auf einer in tatsächlicher Hinsicht objektiv falschen Verfahrensgrundlage ergangen, ohne dass dem betreffenden Gericht ein Rechtsfehler (vgl § 23 Abs 1 StPO, RIS-Justiz RS0125225) unterlaufen wäre.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [14] Dies war – weil die so entstandene Benachteiligung des U* auf anderem Weg nicht beseitigt werden kann – durch Verfügung der außerordentlichen Wiederaufnahme in analoger Anwendung des § 362 Abs 1 Z 2 StPO auf die im Spruch ersichtliche Weise zu sanieren (RIS-Justiz RS0117416 [insbesondere T4] und RS0117312; <span class="Kursiv">Ratz</span>, WK-StPO § 362 Rz 4).</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240911_OGH0002_0030OB00104_24A0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-09 | 2025-01-15 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240911_OGH0002_0030OB00104_24A0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240911_OGH0002_0030OB00104_24A0000_000/JJT_20240911_OGH0002_0030OB00104_24A0000_000.html | 3Ob104/24a | ECLI:AT:OGH0002:2024:0030OB00104.24A.0911.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn (Vorsitzender), die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Fitz in der Exekutionssache der betreibenden Partei F* M*, vertreten durch Dr. Bernhard Birek, Rechtsanwalt in Schlüßlberg, gegen die verpflichtete Partei H* T*, vertreten durch Mag. Dr. Franz Hafner und Dr. Karl Bergthaler, Rechtsanwälte in Altmünster, wegen 72.161,29 EUR sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluss das Landesgerichts Leoben als Rekursgericht vom 16. April 2024, GZ 32 R 41/23h-15, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Liezen vom 6. September 2023, GZ 4 E 1858/23d-8, abgeändert wurde, den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft">Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.</p><p class="ErlText AlignLeft">Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.</p><p class="ErlText AlignLeft">Die betreibende Partei ist schuldig, der verpflichteten Partei die mit 5.627,46 EUR (hierin enthalten 835,91 EUR USt und 612 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rekurs- und Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p><p class="ErlText AlignLeft"> [1] Der Verpflichtete erklärte und bestätigte mit Schuldanerkenntnis vom 20. 9. 2000, dem Betreibenden einen fälligen Betrag von 992.961 ATS schuldig zu sein, und verpflichtete sich mit vollstreckbarem Notariatsakt vom selben Tag zu dessen Bezahlung.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [2] Mit insolvenzgerichtlichem Beschluss vom 31. 1. 2014 wurde über das Vermögen des Verpflichteten ein Schuldenregulierungsverfahren eröffnet. Nach dem von ihm angebotenen und in der Folge angenommenen Zahlungsplan sollten die Insolvenzgläubiger 9,94 % ihrer Forderung durch Zahlung von sieben Jahresraten erhalten. Mit unangefochten in Rechtskraft erwachsenem insolvenzgerichtlichen Beschluss vom 7. 4. 2014 wurde der Zahlungsplan bestätigt und ausgesprochen, dass das Insolvenzverfahren mit Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses aufgehoben ist. Das Ende der Zahlungsfrist war der 1. 4. 2021; der Verpflichtete leistete an diesem Tag die letzte Rate.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [3] Der Betreibende begehrte mit dem am 24. 5. 2023 beim Erstgericht erstmals und am 8. 8. 2023 in verbesserter Form eingelangten Exekutionsantrag, ihm gegen den Verpflichteten aufgrund des vollstreckbaren Notariatsakts vom 20. 9. 2000 zur Hereinbringung der Forderung von (umgerechnet) 72.161,29 EUR sA und der Kosten des Exekutionsverfahrens die Fahrnis- und Forderungsexekution nach §§ 294 f EO zu bewilligen. Ein weiteres Vorbringen erstattete er nicht, insbesondere nahm er auf das Insolvenzverfahren oder die IO nicht Bezug.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [4] Das Erstgericht bewilligte die Exekutionsführung am 9. 8. 2023 mit Stampiglienerledigung antragsgemäß. Ein Rekurs wurde dagegen nicht erhoben.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [5] Der <span class="Fett">Verpflichtete</span> beantragte am 23. 8. 2023 die Einstellung der Exekution. Zur Begründung führte er aus, der Betreibende habe die in Exekution gezogene Forderung, die eine Konkursforderung sei, im Schuldenregulierungsverfahren nicht angemeldet. Weil dieses zur Restschuldbefreiung geführt habe, lägen die Voraussetzungen für eine Einstellung des Exekutionsverfahrens gemäß § 197 Abs 3 letzter Satz IO vor.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [6] Der <span class="Fett">Betreibende</span> sprach sich gegen den Einstellungsantrag aus. Er sei vom Verpflichteten nicht von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verständigt worden, obwohl diesem bewusst gewesen sei, dass er eine erhebliche und titulierte Forderung gegen ihn habe. Da das Verschulden an der Nichtberücksichtigung der Forderung im Zahlungsplan allein den Verpflichteten treffe, sei dieselbe gemäß § 156 Abs 4 (iVm § 197) IO von der Wirkung des Zahlungsplans ausgenommen und könne unbeschränkt betrieben werden.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [7] Das <span class="Fett">Erstgericht</span> stellte die Exekution ein, hob alle schon vollzogenen Exekutionsakte auf, sprach aus, dass dem Betreibenden die gesamten Kosten des Exekutionsverfahrens gemäß § 75 EO aberkannt werden, und verpflichtete ihn zum Kostenersatz. Mit der Erfüllung des Zahlungsplans sei hinsichtlich aller Gläubiger Restschuldbefreiung eingetreten, auch hinsichtlich jener, die ihre Forderung nicht anmeldeten. Der Betreibende habe eine Beschlussfassung nach § 197 Abs 2 IO weder behauptet noch bescheinigt. Seit Einführung der elektronischen Insolvenzdatei begründe die Unkenntnis des Gläubigers von der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens und die dadurch bedingte Unterlassung der Forderungsanmeldung in der Regel ein die Anwendung des § 156 Abs 4 IO ausschließendes Mitverschulden des Gläubigers.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [8] Das <span class="Fett">Rekursgericht</span> änderte die Entscheidung dahin ab, dass der Einstellungsantrag des Verpflichteten abgewiesen und ausgesprochen wurde, dass dieser die Kosten seines Antrags selbst zu tragen hat. Bei der geltend gemachten Forderung handle es sich unstrittig um eine Insolvenzforderung, die als solche im Schuldenregulierungsverfahren des Verpflichteten anzumelden gewesen wäre. Der Betreibende habe in seiner Äußerung zum Einstellungsantrag des Verpflichteten jedoch behauptet, er sei von diesem, dem die Existenz der erheblichen Forderung aufgrund des vollstreckbaren Notariatsakts bewusst sein hätte müssen, nicht von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verständigt worden. Nach dem Grundsatz „negativa non sunt probanda“ müsse nicht der Betreibende unter Beweis stellen, dass er keine Unternehmereigenschaft aufweise und daher auf ihn die strenge Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Vorwerfbarkeit der unterlassenen Einsichtnahme in die Insolvenzdatei keine Anwendung finde. Vor Beschlussfassung durch das Erstgericht hätten sich aus dem Akteninhalt keine Anhaltspunkte für eine Unternehmereigenschaft des Betreibenden respektive dafür ergeben, dass er von einer Insolvenz des Verpflichteten ausgehen hätte müssen und diesbezüglich zumutbare Nachforschungen unterlassen habe. Somit habe das Tatsachenvorbringen der Streitteile keinen Schluss auf ein schuldhaftes Unterbleiben der Anmeldung der Forderung im Schuldenregulierungsverfahren erlaubt.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [9] Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu. Die Frage, ob ausreichendes Vorbringen im Sinne des § 197 IO iVm § 156 Abs 4 IO erstattet wurde, betreffe nur den Einzelfall und habe keine darüber hinausgehende Bedeutung.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [10] Gegen den rekursgerichtlichen Beschluss richtet sich der aus den Rechtsmittelgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene <span class="Fett">außerordentliche Revisionsrekurs</span> des Verpflichteten mit einem auf die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses abzielenden Abänderungs- und hilfsweise einem Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [11] Der Betreibende beantragt in der ihm vom Senat freigestellten <span class="Fett">Revisionsrekursbeantwortung</span> – das Rechtsmittelverfahren ist hier nach § 65 Abs 3 Z 2 EO zweiseitig – die Zurückweisung des Rechtsmittels, hilfsweise diesem den Erfolg zu versagen.</span></p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [12] Der außerordentliche Revisonsrekurs ist <span class="Unterstrichen">zulässig</span>, weil das Rekursgericht von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zur Behauptungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 156 Abs 4 IO abgegangen ist. Er ist auch <span class="Unterstrichen">berechtigt</span>.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [13] 1. Wie im Zivilprozess herrscht auch im Exekutionsverfahren vor dem Rekursgericht Neuerungsverbot (RS0002371). Das Rekursgericht hat den angefochtenen Beschluss aufgrund der Sach- und Rechtslage zu überprüfen, wie sie zur Zeit der Beschlussfassung bestanden hat (RS0043329). Prinzipiell ist dabei von der Aktenlage zum Zeitpunkt des angefochtenen Beschlusses auszugehen (3 Ob 147/16p [Pkt 1.1.]).</p><p class="ErlText AlignLeft"> [14] Der Verpflichtete erstattete zur Äußerung des Betreibenden zum Einstellungsantrag eine Gegenäußerung, in der er vorbrachte, der Betreibende sei Unternehmer. Das Rekursgericht ging davon aus, dass die Gegenäußerung erst nach Fassung des erstgerichtlichen Beschlusses beim Erstgericht eingegangen und deshalb nicht zu beachten sei. Dass die Gegenäußerung erst nach dem genannten Zeitpunkt beim Erstgericht einlangte, wird im Revisionsrekurs nicht in Abrede gestellt. Damit muss aber die Überprüfung der rekursgerichtlichen Entscheidung unter Ausblendung des Vorbringens des Verpflichteten in der Gegenäußerung erfolgen.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [15] 2. Der Verpflichtete bekämpft in seiner Rechtsrüge die Ansicht des Rekursgerichts, der Betreibende habe seiner Behauptungs- und Beweispflicht in Hinsicht auf ein Alleinverschulden des Verpflichteten im Sinn des § 156 Abs 4 IO entsprochen. Da er sich – wie unter Punkt 3. gezeigt werden wird – damit im Recht befindet und sich bereits deshalb sein auf Stattgebung des Einstellungsantrags abzielender Rechtsmittelantrag als berechtigt erweist, erübrigt sich ein Eingehen auf die im Revisionsrekurs auch ausgeführte Verfahrensrüge.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [16] 3. Gemäß § 283 Abs 4 IO ist § 197 IO in der Fassung des Restrukturierungs- und Insolvenz-Richtlinie-Umsetzungsgesetzes (RIRUG, BGBl I 2021/147) auf Zahlungspläne anzuwenden, wenn der Antrag auf Annahme nach dem 16. 7. 2021 bei Gericht einlangt ist. Weil dies hier nicht der Fall ist (der Zahlungsplan wurde bereits im Jahr 2014 angenommen), findet für den vorliegenden Fall § 197 IO noch in der Fassung des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes 2010 (IRÄG 2010, BGBl I 2010/29) Anwendung.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [17] Nach § 197 Abs 1 IO idF IRÄG 2010 haben Insolvenzgläubiger, die ihre Forderungen bei Abstimmung über den Zahlungsplan nicht angemeldet haben, Anspruch auf die nach dem Zahlungsplan zu zahlende Quote nur insoweit, als diese der Einkommens- und Vermögenslage des Schuldners entspricht (Satz 1). § 156 Abs 4 IO bleibt unberührt (Satz 2).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [18] Nach der verwiesenen, seit dem IRÄG 2010 unveränderten (und vor dem IRÄG 2010 in Abs 6 des § 156 [damals:] KO bzw § 53 Abs 6 AO verankerten) Bestimmung des § 156 Abs 4 IO können Gläubiger, deren Forderungen nur aus Verschulden des Schuldners im Sanierungsplan unberücksichtigt geblieben sind, nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens die Bezahlung ihrer Forderungen im vollen Betrag vom Schuldner verlangen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [19] 3.1. Durch den Verweis in § 197 Abs 1 IO auf § 156 Abs 4 IO ist klargestellt, dass Forderungen, die nur aus Verschulden des Schuldners im Zahlungsplan unberücksichtigt blieben, von der Restschuldbefreiung nicht erfasst sind. Gläubiger solcher Forderungen können daher nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens deren Bezahlung im vollen Betrag verlangen (<span class="Kursiv">I. Faber</span> in KLS<span class="Hoch">2</span> [2023] § 197 Rz 13 mwN).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [20] 3.2. Aus den Worten „nur aus Verschulden des Schuldners“ in § 156 Abs 4 IO geht hervor, dass bereits ein leichtes Mitverschulden des Gläubigers die Anwendung der Vorschrift ausschließt. Die Nichtberücksichtigung der Forderung im Sanierungs- oder Zahlungsplan muss daher ausschließlich durch ein zumindest fahrlässiges Verhalten des Schuldners verursacht worden sein (3 Ob 189/14m [Pkt 5.2.] = ÖBA 2016, 915 [<span class="Kursiv">Posani</span>]; 17 Ob 5/21s [Rz 29] = EvBl 2022/1 [<span class="Kursiv">Posani</span>]; RS0052293).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [21] 3.3. Nach Rechtsprechung und Literatur handelt ein Gläubiger grundsätzlich fahrlässig, wenn er die öffentliche Bekanntmachung der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht beachtet. Einem besonders strengen Maßstab unterliegen große Banken; die ihnen obliegende Sorgfaltspflicht gebietet es, sich über den letzten Stand der Insolvenzen durch – laufende – Einsicht in die Insolvenzdatei Kenntnis zu verschaffen. Gleiches gilt für Sozialversicherungsträger. Aber auch von Mittel- und Kleinunternehmern ist grundsätzlich eine Einsicht in die Insolvenzdatei zu fordern. Demgegenüber sind Nichtunternehmer (Verbraucher) abseits besonderer, die Annahme einer Insolvenz nahelegender Verdachtsmomente nicht verpflichtet, in die Insolvenzdatei Einsicht zu nehmen. Ob einem Gläubiger die Nichtanmeldung seiner Forderung in einem Insolvenzverfahren zum Vorwurf zu machen ist, richtet sich auch nach der Höhe der Forderung und der Dauer ihres Bestehens sowie danach, wie viel Zeit zwischen der Verfahrenseröffnung und der Annahme des Sanierungs- oder Zahlungsplans verstrich, somit wie lange der Gläubiger Gelegenheit gehabt hätte, sich durch Einsichtnahme in die Insolvenzdatei Kenntnis vom Verfahren zu verschaffen und sodann seine Forderung anzumelden, sodass diese im Sanierungs- oder Zahlungsplan berücksichtigt worden wäre. Gegebenenfalls kann somit selbst einem Gläubiger, der Nichtunternehmer ist, vorgeworfen werden, seine Forderung nicht rechtzeitig angemeldet zu haben (17 Ob 5/21s [Rz 30] mwN).</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [22] 3.4. Allgemein wird die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass der Tatbestand des (nunmehr) § 156 Abs 4 IO verwirklicht ist, dem Gläubiger zugewiesen (6 Ob 209/97x; RS0052293 [T2]; Lovrek in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze [31. Lfg 2008] § 156 KO Rz 142; <span class="Kursiv">Fruhstorfer</span>, Die Erfüllung des Sanierungsplanes, RdW 2011, 70 [71]; <span class="Kursiv">Nunner-Krautgasser/Anzenberger</span> in KLS, IO<span class="Hoch">2</span> [2023] § 156 Rz 7; <span class="Kursiv">I. Faber</span> ebenda § 197 Rz 14). Daran ist jedenfalls dann nicht zu zweifeln, wenn – wie hier – der Schuldner im Exekutionsverfahren bereits auf sein Insolvenzverfahren und die von ihm erlangte Schuldbefreiung hingewiesen hat. In einem solchen Fall muss der Betreibende spätestens in einer Äußerung dazu einen konkreten Sachverhalt vortragen, dessen Beurteilung I.) ein Verschulden des Schuldners an der Nichtberücksichtigung seiner Forderung im Sanierungs- oder Zahlungsplan ergibt, sowie II.), dass er selbst an der Nichtberücksichtigung der Forderung keine Schuld hatte, etwa weil a) ihm wegen einer Erkrankung die öffentliche Bekanntmachung der Insolvenzeröffnung verborgen blieb (vgl 5 Ob 308/80 [unveröff]); oder b) ihn der Schuldner durch arglistige Täuschung von Nachforschungen über die Zahlungsunfähigkeit abhielt (1 Ob 452/54 = SZ 27/173; 3 Ob 110, 111/72 [unveröff]; <span class="Kursiv">Mohr</span>, Wann ist die Einsicht in die Insolvenzdatei geboten? ZIK 2000, 3 [5]); oder c) der Schuldner sich über viele Jahre im Ausland verborgen hielt, heimlich nach Österreich zurückkehrte und hier schnell und für den Betreibenden nicht erwartbar das Insolvenzverfahren durchzog. Jede Unklarheit des Sachverhalts geht zu Lasten des Gläubigers, etwa wenn offenbleibt, ob der Schuldner ihm vom Insolvenzverfahren Mitteilung machte (5 Ob 762/81 [unveröff]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Unterstrichen">3.5. Dies bedeutet für den vorliegenden Fall:</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [23] Der Betreibende bringt für die Schuld des Verpflichteten an der Nichtberücksichtigung der Forderung im Zahlungsplan allein vor, der Verpflichtete habe ihn nicht über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens verständigt, obwohl diesem bewusst gewesen sei, der Betreibende habe eine erhebliche und titulierte Forderung gegen ihn. Dieses Vorbringen reicht jedoch nicht zur Dartuung der in Rede stehenden Schuld des Verpflichteten. Ein Schuldner hat im Insolvenzverfahren nämlich zwar – gegenüber dem Insolvenzgericht – seine (Insolvenz-)Gläubiger anzuführen (vgl insb § 100a Abs 1 Satz 2 IO und § 169 Abs 1 Z 1 lit e [iVm § 75 Abs 1 Z 1 und § 145 Abs 2 Satz 2] IO – „Gläubigerliste“), deren Verständigung vom Verfahren bzw Ladung zu Tagsatzungen obliegt aber dem Gericht (vgl § 75 Abs 1 Z 1 IO und § 145 Abs 2 Satz 2 IO). Ein Schuldner ist nach Insolvenzrecht somit nicht verpflichtet, selbst einen Gläubiger vom Insolvenzverfahren in Kenntnis zu setzen. Dass der Verpflichtete seine Forderung gegenüber dem Insolvenzgericht verheimlichte und er deshalb vom Insolvenzgericht nicht kontaktiert wurde, behauptete der Betreibende nicht.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [24] Aus dem Sachverhalt ergibt sich zudem – was gleichfalls der Anwendung des § 156 Abs 4 IO entgegensteht – eine eigene Nachlässigkeit des Betreibenden an der Nichtberücksichtigung seiner Forderung im Zahlungsplan. Er verfügte nämlich im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bereits seit rund 14 Jahren über einen Exekutionstitel in beträchtlicher Höhe. Die Höhe der Forderung und die Dauer ihres (fälligen) Bestehens bildeten gemeinsam einen massiven Insolvenzindikator (17 Ob 2/20y [Pkt 2.1.] = ZFR 2020/269 [<span class="Kursiv">Trenker</span>]), der klar dafür spricht, dem Betreibenden – selbst wenn er kein Unternehmer sein sollte – als Fahrlässigkeit anzulasten, nicht regelmäßig in die Insolvenzdatei Einsicht genommen und in weiterer Folge seine Insolvenzforderung angemeldet zu haben (vgl 17 Ob 5/21s [Rz 30]). Dass ausnahmsweise aufgrund bestimmter Umstände – etwa auch aufgrund seines eigenen Betreibungsverhaltens (vgl <span class="Kursiv">Trenker</span> aaO 630) – ungeachtet des genannten Insolvenzindikators keine Insolvenz(-gefahr) anzunehmen war, hat der Betreibende nicht vorgebracht. Ebensowenig hat er behauptet, dass ihn der Verpflichtete von der Anmeldung dolos abgehalten und er deshalb ausnahmsweise keine Nachlässigkeit an der Nichtanmeldung zu vertreten habe (vgl 1 Ob 452/54 und 3 Ob 110, 111/72), oder dass aus einem bestimmten anderen Grund ausnahmsweise kein Verschulden seinerseits vorlag.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [25] Zusammengefasst ist dem Betreibenden nicht der Beweis gelungen, einzig aufgrund eines Verschuldens des Verpflichteten seine Forderung nicht im Insolvenzverfahren angemeldet zu haben. Der Ausnahmefall des § 156 Abs 4 IO (iVm § 197 Abs 1 <span class="Unterstrichen">Satz 2</span> IO idF IRÄG 2010) kommt ihm folglich nicht zugute.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [26] 4. Eine Exekution könnte im vorliegenden Fall somit nur im Rahmen des § 197 Abs 1 <span class="Unterstrichen">Satz 1</span> IO (idF IRÄG 2010) stattfinden. Eine solche – auf die Zahlungsplanquote beschränkte und zudem von der Einkommens- und Vermögenslage des Schuldners abhängige – Exekutionsführung hätte nach § 197 Abs 3 IO zur Voraussetzung, dass der Betreibende mit dem Exekutionsantrag einen Beschluss vorlegte, mit dem das Insolvenzgericht vorläufig entschied, ob die zu zahlende Quote der nachträglich hervorgekommenen Forderung der Einkommens- und Vermögenslage des Schuldners entspricht. Liegt – wie hier – kein solcher Beschluss vor, so ist die Exekutionsführung e contrario § 197 Abs 3 IO unzulässig. Die dennoch bewilligte Exekution ist nach § 197 Abs 3 letzter Satz IO (auch) auf Antrag einzustellen. Der Revisionsrekurs erweist sich daher als berechtigt.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [27] 5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 EO iVm §§ 41 und 50 ZPO.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [28] Dem Verpflichteten sind auch die Kosten seiner erst mit dem Revisionsrekurs vorgelegten Rekursbeantwortung zu ersetzen:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [29] Bei Eingaben im Elektronischen Rechtsverkehr, die offenkundig fehlerhaft oder unvollständig sind, ist nach jüngerer Judikatur darauf abzustellen, ob Anhaltspunkte dafür bestehen, dass rechtsmissbräuchlich ein Verbesserungsauftrag und damit eine Fristverlängerung erschlichen werden soll (<span class="Kursiv">Sloboda</span> in <span class="Kursiv">Fasching/Konecny</span>, Zivilprozessgesetze<span class="Hoch">3</span> IV/1 [2019] § 520 ZPO Rz 34 mwN). Ist dies nicht der Fall, ist ein Verbesserungsauftrag zu erteilen (<span class="Kursiv">G. Kodek</span> in <span class="Kursiv">Fasching/Konecny</span>, Zivilprozessgesetze<span class="Hoch">3</span> II/2 [2016] § 85 ZPO Rz 172). Entgegen der Annahme des Rekursgerichts lag hier keine „leere Rekursbeantwortung“ des Verpflichteten vor, sondern ein verbesserungsbedürftiges Formgebrechen, war doch der als „Rekursbeantwortung“ bezeichneten Eingabe („ERV-Deckblatt“) die Rekursbeantwortung nicht angeschlossen. Indizien dafür, dass sich der Verpflichtete eine Verlängerung der Rekursbeantwortungsfrist erschleichen wollte, liegen nicht vor. Das Rekursgericht wäre daher verhalten gewesen, ihm zur Vorlage der Rekursbeantwortung einen Verbesserungsauftrag zu erteilen (§§ 84 f ZPO). Dass er tatsächlich eine Rekursbeantwortung verfasst hatte, hat der Verpflichtete durch deren Vorlage als Anhang zum Revisionsrekurs bescheinigt.</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240911_OGH0002_0030OB00125_24I0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-07 | 2024-10-07 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240911_OGH0002_0030OB00125_24I0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240911_OGH0002_0030OB00125_24I0000_000/JJT_20240911_OGH0002_0030OB00125_24I0000_000.html | 3Ob125/24i | ECLI:AT:OGH0002:2024:0030OB00125.24I.0911.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn (Vorsitzender), die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Fitz in der Rechtssache der klagenden Partei K*, vertreten durch Mag. Martin J. Moser, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1. S* S.p.A., *, vertreten durch bpv Hügel Rechtsanwälte GmbH in Wien, 2. F* S.p.A., *, vertreten durch Thurnher Wittwer Pfefferkorn & Partner Rechtsanwälte GmbH in Dornbirn, wegen 14.040 EUR sA und Feststellung, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 23. April 2024, GZ 3 R 53/24z-31, womit der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 6. März 2024, GZ 44 Cg 107/23f-22, bestätigt wurde, den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.</p><p class="ErlText AlignLeft">Die klagende Partei ist schuldig, der erstbeklagten Partei und der zweitbeklagten Partei jeweils die mit 1.333,25 EUR bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p><p class="ErlText AlignLeft"> [1] Der in Österreich wohnhafte Kläger erwarb mit Kaufvertrag vom 3. Februar 2021 von einem in Deutschland ansässigen (vormals drittbeklagten) Verkäufer ein Wohnmobil um einen Gesamtkaufpreis von 46.800 EUR. Die in Italien ansässige Erstbeklagte ist Herstellerin des Basisfahrgestells der Marke Fiat, die ebenfalls in Italien ansässige Zweitbeklagte hat den Motor hergestellt. Das Wohnmobil wurde dem Kläger am Sitz des Verkäufers in Deutschland übergeben.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [2] Der <span class="Unterstrichen">Kläger</span> begehrt von den Beklagten aus dem Titel des Schadenersatzes zur ungeteilten Hand den Betrag von 14.040 EUR sA sowie die Feststellung ihrer Haftung für sämtliche Schäden „aus der Manipulation“ des Fahrzeugs, in dem eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut sei. Zur internationalen Zuständigkeit beruft er sich, soweit in dritter Instanz noch von Interesse, auf Art 7 Nr 2 und auf Art 17 EuGVVO 2012. Beim Typenschein bzw dem COC-Papier handle es sich um eine Garantie iSd § 9b KSchG, die zwischen den Parteien eine Sonderbeziehung begründe.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [3] Die <span class="Unterstrichen">Beklagten</span> erhoben die Einrede der internationalen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts. Zwischen den Streitteilen bestehe kein Vertragsverhältnis, weshalb der Verbrauchergerichtsstand nach Art 17 EuGVVO 2012 ausscheide. Der Erfolgsort nach Art 7 Abs 2 EuGVVO 2012 knüpfe nicht an den Ort der Kaufpreisleistung, sondern an jenen der Übergabe des Fahrzeugs an.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [4] Das <span class="Unterstrichen">Erstgericht</span> wies die Klage wegen internationaler Unzuständigkeit zurück.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [5] Das <span class="Unterstrichen">Rekursgericht</span> gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge. Eine Anknüpfung der internationalen Zuständigkeit an Art 17 EuGVVO 2012 scheide mangels Vertragsbeziehung zwischen dem Kläger und den Beklagten aus. Der EuGH habe jüngst in seiner Entscheidung vom 22. Februar 2024, C-81/23, ausgesprochen, dass der Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs iSd Art 7 Nr 2 EuGVVO 2012 jener der Übergabe des Fahrzeugs sei, während der Ort des Kaufvertragsabschlusses nicht ausschlaggebend sei. Das schädigende Ereignis sei somit in Deutschland eingetreten. Dass der Kläger den Kaufpreis zuvor von seinem bei einer österreichischen Bank geführten Konto an den Verkäufer überwiesen habe, sei ohne Bedeutung.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [6] Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige, und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil bisher Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur – durch den EuGH zu C-81/23 geklärten – Frage des Orts der Verwirklichung des Schadenserfolgs fehle.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"> [7] Der <span class="Unterstrichen">Revisionsrekurs</span> des Klägers ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts mangels erheblicher Rechtsfrage <span class="Unterstrichen">nicht zulässig</span>.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">1. Zu Art 7 Nr 2 EuGVVO 2012</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [8] 1.1. Das Fehlen von Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer Frage des Unionsrechts begründet für sich allein noch keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung. Bei unbestimmten Gesetzesbegriffen reicht es aus, wenn sich aus der Rechtsprechung des EuGH Leitlinien zu deren Auslegung ergeben. Die Anwendung dieser Leitlinien auf den Einzelfall kann in weiterer Folge – wie auch in rein nationalen Fällen, in denen die Leitfunktion dem Obersten Gerichtshof zukommt – nur dann eine erhebliche Rechtsfrage begründen, wenn das Gericht zweiter Instanz seinen Beurteilungsspielraum überschritten hat, also eine gravierende Fehlbeurteilung vorliegt (vgl RS0117100; 9 Ob 75/22b).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [9] 1.2. Solche Leitlinien sind im vorliegenden Fall der vom Rekursgericht zitierten Vorabentscheidung des EuGH vom 22. Februar 2024, C-81/23, <span class="Kursiv">FCA Italy und FPT Industrial</span>, zu entnehmen, in der in Beantwortung des zu 3 Ob 206/22y gestellten Vorabentscheidungsersuchens Folgendes ausgeführt wurde:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Kursiv">„Art 7 Nr 2 EuGVVO 2012 ist dahin auszulegen, dass sich in einem Fall, in dem ein Fahrzeug, das von seinem Hersteller in einem ersten Mitgliedstaat mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgerüstet worden sein soll, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringert, Gegenstand eines in einem zweiten Mitgliedstaat abgeschlossenen Kaufvertrags war und dem Erwerber in einem dritten Mitgliedstaat übergeben wurde, der Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs im Sinn dieser Bestimmung im letztgenannten Mitgliedstaat befindet.“</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [10] 1.3. Abgesehen davon, dass das Rekursgericht von den Leitlinien dieser Vorabentscheidung nicht abgewichen ist, hat der Oberste Gerichtshof ohnehin bereits zu 3 Ob 46/24x und zu 3 Ob 47/24v festgehalten, dass es in einer Konstellation wie der hier zu beurteilenden für die internationale Zuständigkeit nach Art 7 Nr 2 EuGVVO 2012 (nur) auf den – hier in Deutschland liegenden – Ort ankommt, an dem das Fahrzeug an den Endabnehmer übergeben wurde.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [11] 1.4. Dass der Kläger den Kaufpreis zuvor von seinem bei einer österreichischen Bank geführten Konto an den Verkäufer überwiesen hat, ist in der vorliegenden Konstellation ebenfalls ohne Bedeutung, weil es hier – anders als etwa in dem der Vorabentscheidung des EuGH vom 12. September 2018, C-304/17, <span class="Kursiv">Löber</span>, zugrunde liegenden Fall einer auf Prospekthaftung gestützten Klage gegen den Emittenten – nicht um einen bereits unmittelbar mit der Tätigung einer Überweisung vom Bankkonto des Anlegers verwirklichten Schaden geht, sondern um den Erwerb einer mangelhaften körperlichen Sache (3 Ob 24/21g).</p><p class="ErlText AlignLeft"> [12] 1.5. Auf die vom Kläger vermisste Feststellung, wonach der Kaufpreis für das Fahrzeug von seinem österreichischen Konto überwiesen worden sei und hier auch die österreichische USt und die NOVA bezahlt worden seien, kommt es daher nicht an.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">2. Zu Art 17 EuGVVO 2012</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [13] 2.1. Deliktische Ansprüche fallen nicht unter Art 17 EuGVVO 2012. Voraussetzung für die Anwendung des Verbrauchergerichtsstands ist vielmehr eine vertragliche Beziehung zwischen den Streitteilen. Dafür ist eine direkte Beziehung erforderlich (6 Ob 18/17s = RS0131536).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [14] 2.2. Der Kläger setzt sich in seinem Revisionsrekurs mit der Argumentation des Rekursgerichts, wonach keine Vertragsbeziehung zwischen den Parteien bestehe und die Ausstellung eines Typenscheins oder COC-Papiers keinen Garantievertrag begründe, weil in diesen Papieren lediglich technische Daten festgehalten würden und durch ihre Ausstellung keine Verpflichtung entstehe, die mit dem zwischen dem Kläger und dem Fahrzeugverkäufer (der vormaligen Drittbeklagten) geschlossenen Vertrag in Zusammenhang stünde, inhaltlich überhaupt nicht auseinander und vermag schon deshalb auch insoweit keine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [15] 3. Der Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [16] Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagten haben auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen. Zuzusprechen war allerdings nur der Nettobetrag, weil Leistungen eines österreichischen Rechtsanwaltes für einen ausländischen Unternehmer nicht der österreichischen Umsatzsteuer unterliegen und die Höhe des (nicht gerichtsbekannten, mit 22 % verzeichneten) italienischen Umsatzsteuersatzes nicht bescheinigt wurde (vgl RS0114955).</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240911_OGH0002_0030OB00133_24S0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-09 | 2024-10-09 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240911_OGH0002_0030OB00133_24S0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240911_OGH0002_0030OB00133_24S0000_000/JJT_20240911_OGH0002_0030OB00133_24S0000_000.html | 3Ob133/24s | ECLI:AT:OGH0002:2024:0030OB00133.24S.0911.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn (Vorsitzender), die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Fitz in der Rechtssache der klagenden Partei C*, vertreten durch Mag. Stephan Gappmaier, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei F*, vertreten durch Dr. Christian Schubeck, Dr. Michael Schubeck, Rechtsanwälte in Salzburg, und ihre Nebenintervenientin M* OG, *, vertreten durch Dr. Leopold Hirsch, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 367.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 4. Juni 2024, GZ 2 R 68/24v-48, den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.</span></p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"> [1] 1. Die durch die materielle Rechtskraft bewirkte Maßgeblichkeit der Entscheidung äußert sich in einer inhaltlichen Bindung an diese, wenn der rechtskräftig entschiedene Anspruch Vorfrage, also bedingendes Rechtsverhältnis für den im zweiten Prozess erhobenen Anspruch ist (RS0041251). Die Bindungswirkung schließt die Verhandlung, Beweisaufnahme und neuerliche Prüfung jenes Anspruchs aus; der zweite Richter hat von dem rechtskräftig festgestellten Anspruch auszugehen und ihn ohne weiteres seiner neuen Entscheidung zugrunde zu legen (RS0041251 [T1]). Als Teil der Bindungswirkung ist die Präklusionswirkung anerkannt. Dementsprechend wird durch die Rechtskraft der Entscheidung auch das Vorbringen aller Tatsachen ausgeschlossen, die zur Begründung oder Widerlegung des entschiedenen Anspruchs rechtlich erforderlich waren und schon bei Schluss der mündlichen Verhandlung (hier: vor Fällung des Teilurteils) bestanden haben (RS0041321 [T8]).</p><p class="ErlText AlignLeft"> [2] 2. Von den Grundsätzen dieser Rechtsprechung sind die Vorinstanzen nicht abgewichen:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [3] 2.1. Der Kläger begehrte ursprünglich die Aufhebung des mit dem Beklagten geschlossenen Baurechtsvertrags und des Nachtrags hiezu wegen Nichtigkeit sowie des Vergleichs vom 30. Juli 2019, in dem (unter Bezugnahme auf den Nachtrag zum Baurechtsvertrag) sämtliche wechselseitigen Forderungen der Parteien als bereinigt und verglichen erklärt wurden, wegen laesio enormis (nämlich wegen Nichtigkeit des ihm vom Beklagten eingeräumten Baurechts), sowie die Zahlung von 367.000 EUR sA aus dem Titel der Bereicherung (§ 1435 ABGB analog). Das Rechtsgestaltungsbegehren wies das Berufungsgericht mit – vom Obersten Gerichtshof zu 3 Ob 137/23b bestätigtem – Teilurteil ab, wobei es sämtliche Argumente, die der Kläger für die Nichtigkeit des Baurechtsvertrags (einschließlich des Nachtrags) und des Vergleichs (insbesondere laesio enormis wegen der behaupteten Nichtigkeit des dem Kläger eingeräumten Baurechts) ins Treffen geführt hatte, verneinte.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [4] 2.2. Im fortgesetzten Verfahren wiesen die Vorinstanzen das Zahlungsbegehren des Klägers unter Verweis auf die Bindungswirkung des Teilurteils über das Rechtsgestaltungsbegehren ab; das vom Kläger nach Rechtskraft des Teilurteils ergänzte/konkretisierte Vorbringen zur Nichtigkeit des Baurechtsvertrags wegen Verstoßes gegen § 1 Abs 3 BauRG sei präkludiert.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [5] 2.3. Es trifft zwar zu, dass sich die Rechtskraft- und Bindungswirkung auf den vom Gericht zur Abweisung herangezogenen Sachverhalt beschränkt (vgl RS0039843 [T13]), weshalb von dieser Vorentscheidung dann und soweit abgegangen werden kann, als sich der zu Grunde liegende Sachverhalt geändert hat (vgl RS0039843 [T11]). Eine solche Konstellation liegt hier entgegen der Ansicht des Klägers nicht vor, weil er sich im fortgesetzten Verfahren gerade nicht auf einen neuen Rechtsgrund für die Nichtigkeit (insbesondere) des Baurechts gestützt, sondern lediglich sein dazu bereits erstattetes Vorbringen – vor allem im Hinblick darauf, dass zu 3 Ob 137/23b sein Vorbringen zu einem Verstoß gegen § 1 Abs 3 BauRG als nicht ausreichend konkretisiert bewertet wurde – ergänzt hat.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [6] 2.4. Soweit der Kläger inhaltlich eine Überraschungsentscheidung des Berufungsgerichts im Teilurteil moniert, wonach er kein ausreichendes Vorbringen zur bautechnischen Unselbständigkeit (§ 1 Abs 3 BauRG) erstattet habe, genügt der Hinweis, dass er die damit behauptete Mangelhaftigkeit des (ersten) Berufungsverfahrens (vgl RS0037095) in seiner Revision gegen das Teilurteil des Berufungsgerichts nicht gerügt hat.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [7] 2.5. Einer Stattgebung des Zahlungsbegehrens steht damit bereits der Umstand entgegen, dass mit dem – im Hinblick auf die rechtskräftige Abweisung des Rechtsgestaltungsbegehrens nach wie vor aufrechten – Vergleich vom 30. Juli 2019 sämtliche damals bestehenden Ansprüche zwischen den Parteien, wozu insbesondere der hier eingeklagte bereicherungsrechtliche Anspruch zählt, bereinigt und verglichen wurden.</p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240911_OGH0002_0030OB00140_24W0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-09 | 2024-10-09 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240911_OGH0002_0030OB00140_24W0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240911_OGH0002_0030OB00140_24W0000_000/JJT_20240911_OGH0002_0030OB00140_24W0000_000.html | 3Ob140/24w | ECLI:AT:OGH0002:2024:0030OB00140.24W.0911.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn (Vorsitzender), die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Fitz in der Rechtssache der klagenden Partei M* A*, vertreten durch die Poduschka Partner Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, gegen die beklagte Partei V*, vertreten durch die Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 10.398 EUR sA, über die Rekurse beider Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts Ried im Innkreis als Berufungsgericht vom 24. April 2024, GZ 6 R 51/24b-44, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Mattighofen vom 20. Februar 2024, GZ 2 C 655/22a-40, aufgehoben wurde, den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft">Die Rekurse werden zurückgewiesen.</p><p class="ErlText AlignLeft">Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.024,29 EUR (darin 163,54 EUR an 19 % USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.</p><p class="ErlText AlignLeft">Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.032,90 EUR (darin 172,15 EUR an 20 % USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p><p class="ErlText AlignLeft"> [1] Der Kläger erwarb im Jahr 2012 einen – seinem Prozessstandpunkt nach vom sogenannten Dieselskandal (Abgasskandal) betroffenen – Neuwagen, in dem ein von der Beklagten hergestellter Motor verbaut war. Die Beklagte ist nicht Herstellerin des Fahrzeugs.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [2] Der <span class="Fett">Kläger</span> begehrt von der Beklagten aus dem Titel des Schadenersatzes nach §§ 874 und 1295 Abs 2 ABGB 10.398,02 EUR samt Zinsen. In dem Motor des Fahrzeugs sei von der Beklagten bzw deren Repräsentanten arglistig eine unzulässige Abschalteinrichtung iSv Art 5 VO (EG) 715/2007 verbaut worden. Bei Kenntnis dessen hätte der Kläger vom Kauf des Fahrzeugs – jedenfalls zum vereinbarten Preis – Abstand genommen. Er begehre an ersatzfähigem Schaden den Betrag, der sich – jeweils zum Zeitpunkt des Ankaufs – aus einem Gesamtvermögensvergleich mittels der Differenzmethode bzw aus der relativen Berechnungsmethode ergebe.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [3] Die <span class="Fett">Beklagte</span> bestritt das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung sowie schuldhaft iSd §§ 874 und 1295 Abs 2 ABGB agiert zu haben und wandte unter anderem Verjährung sowie Vorteilsausgleich aufgrund der langjährigen Benützung des Fahrzeugs durch den Kläger ein.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [4] Das <span class="Fett">Erstgericht</span> wies die Klage ab. Soweit für das Verständnis dieses Beschlusses von Bedeutung traf es folgende Feststellungen: <span class="Kursiv">„Der Kläger hätte auch dann, wenn er gewusst hätte bzw davon ausgegangen wäre, dass das Fahrzeug die zum Ankaufszeitpunkt geltenden Abgasnormen nicht einhalten würde, das Fahrzeug dennoch gekauft. Es kann nicht festgestellt werden, ob er es diesfalls nur zu einem geringeren Preis gekauft hätte.“</span> Rechtlich vertrat das Erstgericht die Ansicht, im Verhältnis zwischen einem Fahrzeugkäufer und dem bloßen Motorenhersteller komme eine Schutzgesetzverletzung als Haftungsgrundlage nicht in Betracht. Damit gebe es gegenüber der Beklagten als bloßer Herstellerin des im Fahrzeug verbauten Motors keinen Haftungsanknüpfungspunkt für das im Fahrzeug befindliche „Thermofenster“.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [5] Das <span class="Fett">Berufungsgericht</span> hob dieses Urteil über Berufung des Klägers auf und ordnete eine neuerliche erstgerichtliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung an. Die gegen die Feststellungen zum hypothetischen Kaufverhalten des Klägers in Kenntnis der wahren Sachlage in der Berufung erhobene Tatsachenrüge ließ es unbehandelt. Der Kläger sei durch diese Feststellungen nämlich nicht beschwert. Das Ersturteil leide an zahlreichen sekundären Feststellungsmängeln, die die Notwendigkeit der Aufhebung des Ersturteils und die Fällung einer neuerlichen erstgerichtlichen Entscheidung nach sich sich zögen. So fehlten Feststellungen zum von der Beklagten erhobenen Verjährungseinwand, zur Frage des Vertrauens der Beklagten in die unionsrechtliche Zulässigkeit der verbauten Abschalteinrichtung, zur Frage, ab welchem Temperaturbereich und ab welcher geodätischen Höhe eine Reduktion bzw gänzliche Unterbindung der Abgasrückführung erfolgt, zur Frage des vorsätzlichen Verhaltens der Beklagten iSd §§ 874 und 1295 Abs 2 ABGB und letztlich auch zum von der Beklagten eingewendeten Vorteilsausgleich. Das Berufungsgericht ließ den Rekurs gegen seinen Beschluss nach § 519 Abs 2 ZPO mit der Begründung zu, zur Frage des Vorteilsausgleichs liege noch keine gesicherte oberstgerichtliche Rechtsprechung vor.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [6] Gegen den Beschluss des Berufungsgerichts richten sich die<span class="Fett"> Rekurse</span> beider Parteien, jener des Klägers mit einem auf gänzliche Klagestattgebung, jener der Beklagten mit einem auf Wiederherstellung des klageabweisenden Ersturteils gerichteten Abänderungsantrag.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [7] In den Rekursbeantwortungen wird jeweils die Zurückweisung des gegnerischen Rechtsmittels beantragt, hilfsweise diesem den Erfolg zu versagen.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [8] Beide Rekurse sind mangels Geltendmachung einer Rechtsfrage von der in § 519 Abs 2 (iVm § 502 Abs 1) ZPO geforderten Qualität nicht zulässig.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Unterstrichen">Zum Rekurs des Klägers:</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [9] Der Kläger tritt der Begründung des Berufungsgerichts für die Zulässigkeit des Rekurses bei.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [10] Zur Begründung der Zulässigkeit eines Rechtsmittels nach § 502 Abs 1 (hier iVm § 519 Abs 2) ZPO bedarf es der Voraussetzung, dass die Entscheidung von der Lösung der angeführten Rechtsfrage abhängt (RS0088931). Dabei ist der Oberste Gerichtshof nicht gehalten, zu bloß unter Umständen möglichen, aber noch nicht feststellungsmäßig gesicherten Fallgestaltungen Stellung zu nehmen (RS0088931 [T3]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [11] Die vom Berufungsgericht und vom Kläger als erheblich iSd § 519 Abs 2 ZPO angesehene Rechtsfrage des Vorteilsausgleichs betrifft die Schadenshöhe. Sie stellt sich erst, wenn die Beurteilung der Feststellungen ergibt, dass keine Verjährung eintrat und der Schadenersatzanspruch dem Grunde nach besteht. Beides ist derzeit mangels hinreichender Feststellungen ungewiss. Der Frage des Vorteilsausgleichs kommt im derzeitigen Verfahrensstadium damit keine erhebliche Bedeutung zu (vgl 10 Ob 2/18v [Pkt 3]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Unterstrichen">Zum Rekurs der Beklagten:</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [12] Soweit die Beklagte die Zulässigkeit ihres Rekurses mit Fragen der Vorteilsanrechnung begründet, ist auch sie darauf hinzuweisen, dass dieser Thematik im derzeitigen Verfahrensstadium noch keine Entscheidungsrelevanz zukommt.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [13] Die Beklagte führt weiters ins Treffen, nicht sie, sondern den Kläger treffe die Beweislast dafür, dass er das Fahrzeug bei Kenntnis der wahren Sachlage nicht oder nur zu besseren Konditionen erworben hätte. Nach allgemeinen Regeln müsse im deliktischen Bereich nämlich der Kläger beweisen, dass das dem Beklagten angelastete Verhalten für seinen Schaden ursächlich war. Aufgrund der – oben wiedergegeben – Feststellungen sei die Rechtssache im klageabweisenden Sinn spruchreif.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [14] Richtig ist, dass die vom Berufungsgericht auf Seite 7 seines Beschlusses erwähnte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, den Beklagten treffe die Beweislast dafür, dass ein den objektiven Verkehrserwartungen nicht genügendes Fahrzeug dennoch konkret dem Willen des Käufers entsprochen habe (6 Ob 133/23m [Rz 7]; 6 Ob 197/23y [Rz 18 f]), allein die Konstellation betrifft, dass sich die Klage gegen den Fahrzeughersteller richtet. Nur diesen, nicht auch den bloßen Motorenhersteller fällt das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung als eine Schutzgesetzverletzung zur Last (3 Ob 40/23p [Rz 32 ff] uva). Die Beklagte unterliegt, wie in ihrem Rekurs grundsätzlich zutreffend ausgeführt, einer rein deliktischen Haftung, bei der es am Geschädigten liegt, zu behaupten und zu beweisen, dass das ihr nach §§ 874 bzw 1295 Abs 2 ABGB angelastete Verhalten für den Ankauf des Fahrzeugs ursächlich war.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [15] Der Frage der Beweislast kommt – was die Beklagte in ihrem Rekurs übersieht – hier aber noch keine Entscheidungsrelevanz zu. Richtet sich nämlich die Klage gegen den Motorenhersteller, so bedarf es nach gesicherter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs Feststellungen, aus denen sich ergibt, ob der Kläger das Fahrzeug auch gekauft hätte, wenn er gewusst hätte, dass im Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung vorhanden ist, die der Typengenehmigungsbehörde nicht offen gelegt wurde, sodass nur deshalb die EG-Typengenehmigung erteilt wurde, sowie ob der Kläger die daraus resultierende Unsicherheit über die Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeugs in Kauf genommen und dieses dennoch erworben hätte (4 Ob 202/23v [Rz 37]; 5 Ob 159/23b [Rz 12]; 10 Ob 16/23k [Rz 45]; 10 Ob 36/23a [Rz 36] ua). Die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen gehen an diesen Themen vorbei, sodass – wie vom Berufungsgericht auf Seite 7 seines Urteils zutreffend ausgeführt wird – auch insoweit sekundäre Feststellungsmängel vorliegen.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [16] Mangels einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 519 Abs 2 ZPO ist auch der Rekurs der Beklagten zurückzuweisen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span class="Unterstrichen">Zur Kostenentscheidung:</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [17] Beide Parteien haben auf die Unzulässigkeit des jeweils gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen und damit im Zwischenstreit über die Zulässigkeit des jeweiligen Rekurses nach §§ 41, 50 ZPO Anspruch auf Ersatz der Kosten ihrer Rechtsmittelbeantwortung (RS0123222).</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240911_OGH0002_0030OB00147_24Z0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-03 | 2024-10-03 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240911_OGH0002_0030OB00147_24Z0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240911_OGH0002_0030OB00147_24Z0000_000/JJT_20240911_OGH0002_0030OB00147_24Z0000_000.html | 3Ob147/24z | ECLI:AT:OGH0002:2024:0030OB00147.24Z.0911.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn (Vorsitzender), die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Fitz in der Rechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch Summer Schertler Kaufmann Rechtsanwälte GmbH in Bregenz, gegen die beklagte Partei R* Limited, *, vertreten durch Dr. Christian Rapani, Rechtsanwalt in Graz, wegen 5.988 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 29. April 2024, GZ 18 R 25/24s-19, den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft">Die Revision wird zurückgewiesen.</p><p class="ErlText AlignLeft">Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 751,92 EUR (hierin enthalten 125,32 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p><p class="ErlText AlignLeft"> [1] Die Klägerin begehrt von der in Malta ansässigen Beklagten, die über eine gültige Lizenz der Malta Gaming Authority, nicht aber auch über eine Konzession nach dem österreichischen Glücksspielgesetz verfügt, die Rückzahlung der von ihr erlittenen Spielverluste.</p><p class="ErlText AlignLeft"> [2] Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren statt.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [3] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nachträglich mit der Begründung zu, dass höchstgerichtliche Rechtsprechung zu den in der Berufung konkret aufgeworfenen Fragen fehle, ob die bisher nicht ausgeübte Ermächtigung gemäß § 56 Abs 3 GSpG, durch Verordnung den Maßstab für verantwortungsvolle Werbung festzulegen, in Verbindung mit fehlenden Durchsetzungs- oder Sanktionierungsmaßnahmen einerseits und die unterbliebene Ausschreibung dreier zusätzlicher Spielbankenkonzessionen nach der Aufhebung der diesbezüglichen Konzessionsbescheide andererseits im Sinn der gesamthaften Würdigung aller tatsächlichen Auswirkungen des Regelungsrahmens auf den Glücksspielmarkt zum Ergebnis führe, dass das österreichische System der Glücksspielkonzessionen einschließlich der Werbemaßnahmen der Konzessionäre gegen das Unionsrecht verstoße.</span></p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [4] Die <span class="Unterstrichen">Revision</span> der Beklagten ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts <span class="Unterstrichen">nicht zulässig</span>. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [5] 1. Der Oberste Gerichtshof judiziert in nunmehr ständiger Rechtsprechung, dass das österreichische System der Glücksspielkonzessionen nach gesamthafter Würdigung aller tatsächlichen Auswirkungen auf den Glücksspielmarkt und auch unter Bedachtnahme auf die Werbemaßnahmen der Konzessionäre im Sinn der Rechtsprechung des EuGH und der vom Gerichtshof aufgezeigten Vorgaben nicht gegen Unionsrecht verstößt (RS0130636 [T7]; vgl nur jüngst 9 Ob 66/24g und 1 Ob 91/24z je mwN). Der von der Beklagten vermissten detaillierten Feststellungen zu den Vorgaben des Bundesministeriums für Finanzen für Werbemaßnahmen des Monopolisten bedurfte es daher ebenso wenig wie jener zur Nichtausschreibung dreier zusätzlicher Spielbankenkonzessionen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [6] 2. Eine Unvereinbarkeit der ständigen österreichischen Rechtsprechung zum GSpG mit dem Maltesischen Glücksspielgesetz, das der Förderung der Niederlassung von Glücksspielanbietern in Malta dienen soll, kann entgegen der Ansicht der Beklagten nicht dazu führen, dass die Anwendung der österreichischen Vorschriften „gemäß dem ordre public [gemeint: von Malta] unzulässig“ wäre.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [7] 3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240911_OGH0002_0130OS00018_24G0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-09 | 2024-10-09 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240911_OGH0002_0130OS00018_24G0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240911_OGH0002_0130OS00018_24G0000_000/JJT_20240911_OGH0002_0130OS00018_24G0000_000.html | 13Os18/24g | ECLI:AT:OGH0002:2024:0130OS00018.24G.0911.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Der Oberste Gerichtshof hat am 11. September 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. Wachter in der Verbandsverantwortlichkeitssache der I* Gesellschaft m.b.H. und anderer belangter Verbände wegen Verbrechen des Abgabenbetrugs nach §§ 33 Abs 1, 39 Abs 1 lit b und Abs 3 lit b FinStrG sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 26. September 2023, GZ 128 Hv 14/23a-251, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den</span></p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft">Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Gründe:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [1] Mit dem im gemeinsam geführten Verfahren gemäß § 22 Abs 1 VbVG gefällten Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 26. September 2023 (ON 250), wurden * S* und * L* – soweit hier von Bedeutung – von den gegen sie erhobenen Vorwürfen freigesprochen, sie hätten jeweils vorsätzlich unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflichten als faktische und auch die abgabenrechtlichen Agenden wahrnehmende Geschäftsführer der Unternehmen I* Gesellschaft m.b.H., A*gesellschaft m.b.H., K* Gesellschaft m.b.H. und R* Gesellschaft m.b.H. sowie anderer Unternehmen „an den jeweiligen gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkten im Zuständigkeitsbereich der Finanzstrafbehörde Wien“ im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 11 erster Fall FinStrG) betreffend die Jahre 2009 bis 2016 Abgabenverkürzungen bewirkt, dies in den Jahren 2011 bis 2016 unter Verwendung von Scheingeschäften oder anderen Scheinhandlungen (§ 23 BAO), wobei sie den Abgabenbetrug (2011 bis 2016) mit einem 500.000 Euro übersteigenden strafbestimmenden Wertbetrag begingen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [2] Über die dagegen erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird zu 13 Os 17/24k entschieden.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [3] Sogleich nach der Verkündung des Freispruchs der Entscheidungsträger * S* und * L* beantragte die Staatsanwaltschaft gemäß § 22 Abs 3 VbVG, dass hinsichtlich der belangten Verbände über die Verhängung einer Verbandsgeldbuße entschieden werden soll (ON 249 S 21).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [4] Mit dem angefochtenen – gesondert verkündeten und ausgefertigten – Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 26. September 2023 (ON 251) wurde – soweit hier von Bedeutung – der gegen die belangten Verbände I* Gesellschaft m.b.H., A*gesellschaft m.b.H., K* Gesellschaft m.b.H. und R* Gesellschaft m.b.H., gerichtete, auf die Begehung eingangs umschriebener Straftaten ihrer Entscheidungsträger * S* und * L* gestützte Antrag der Staatsanwaltschaft auf Verhängung einer Verbandsgeldbuße abgewiesen, wobei in den Entscheidungsgründen zahlreiche Negativfeststellungen (insbesondere US 29, 31, 32 und 33) getroffen wurden.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [5] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, „in eventu iVm Z 5 vierter Fall“ StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, der keine Berechtigung zukommt.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [6] Soweit die Beschwerdeführerin neben einer Urteilsaufhebung und Zurückverweisung eine Verurteilung der Verbände wegen „§ 305 Abs 1 und 3 zweiter Fall, i.e. § 306 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB“ anstrebt, bezeichnet sie keinen Nichtigkeitsgrund deutlich und bestimmt.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [7] Der Vorsitzende verkündete – nach insgesamt neun Verhandlungstagen, an welchen von den Verteidigern und der Staatsanwaltschaft zahlreiche Anträge gestellt worden waren – in der am 26. September 2023 durchgeführten Hauptverhandlung, in welcher von der Staatsanwaltschaft kein neuer Beweisantrag gestellt worden war und in der sich ein Verteidiger einem Beweisantrag eines anderen Verteidigers vom 22. September 2023 angeschlossen hatte, den Beschluss auf „Abweisung sämtlicher offener Beweisanträge wegen Spruchreife“ (ON 249 S 6).</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [8] Soweit die Verfahrensrüge (Z 4) die Abweisung eines am 22. September 2023 gestellten Antrags (ON 245 S 45 ff) moniert, scheitert sie bereits daran, dass die Beschwerdeführerin durch die unbestimmt gebliebene Erklärung in der Hauptverhandlung am 26. September 2023, sich im Umfang der „beiden abgewiesenen Beweisanträge“ die Nichtigkeitsbeschwerde vorzubehalten (ON 249 S 6), ihrer Rügeobliegenheit (§ 281 Abs 3 zweiter Satz StPO, RIS-Justiz RS0133791; <span class="Kursiv">Ratz</span>, WK-StPO § 281 Rz 735) nicht hinreichend deutlich nachgekommen ist.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [9] Behaupteten Verstößen gegen die Vorschriften des § 238 StPO hätte die Beschwerdeführerin aus dem Blickwinkel des § 281 Abs 1 Z 4 StPO durch gerade darauf bezogene (hier nicht erfolgte) Antragstellung in der Hauptverhandlung begegnen müssen (RIS-Justiz RS0121628; <span class="Kursiv">Ratz</span>, WK-StPO § 281 Rz 315 f).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [10] Gründet das Gericht (hier) die Abweisung eines Antrags auf Verhängung einer Verbandsgeldbuße auf (Negativ-)Feststellungen, nach denen mehrere Tatbestandsmerkmale nicht erfüllt sind, ist es für den Erfolg der Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen notwendig, alle die Tatbestandsverwirklichung ausschließenden (negativen) Konstatierungen deutlich und bestimmt als mangelhaft begründet (Z 5) oder unter Geltendmachung darauf bezogener Anträge (Z 4) zu bekämpfen (RIS-Justiz RS0127315 [T4]), was die Beschwerdeführerin hier ebenfalls unterließ.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [11] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240911_OGH0002_0130OS00033_24P0000_000 | Justiz | OGH | 2024-09-23 | 2024-09-23 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240911_OGH0002_0130OS00033_24P0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240911_OGH0002_0130OS00033_24P0000_000/JJT_20240911_OGH0002_0130OS00033_24P0000_000.html | 13Os33/24p | ECLI:AT:OGH0002:2024:0130OS00033.24P.0911.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Der Oberste Gerichtshof hat am 11. September 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. Wachter in der Strafsache gegen * O* wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und 2 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen sowie im Verfahren zur strafrechtlichen Unterbringung des * O* in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 27. November 2023, GZ 318 Hv 9/23b-267.4, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den</span></p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft">Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.</p><p class="ErlText AlignLeft">Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.</p><p class="ErlText AlignLeft">Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Gründe:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * O* jeweils mehrerer Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB idF BGBl 1996/762 (I) und der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB (III) sowie jeweils mehrerer Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und 2 erster Fall StGB und nach § 201 Abs 1 StGB idF BGBl I 2004/15 (IV A und IV B), nach § 201 Abs 1 StGB idF BGBl I 2013/116 (IV C) und nach § 201 Abs 1 StGB idgF (IV D) schuldig erkannt.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [2] Aus Anlass der vom Schuldspruch IV umfassten Taten (US 78) wurde die strafrechtliche Unterbringung des * O* in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 2 StGB angeordnet.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [3] Nach den Urteilsfeststellungen hat er</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">I) vom Frühjahr 2005 bis zum Frühjahr 2007 in W* seine damalige Freundin * S* wiederholt am Körper verletzt, indem er sie im Zuge von Auseinandersetzungen an den Handgelenken und den Armen packte und ihr Stöße versetzte, wodurch sie regelmäßig Hämatome erlitt,</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">III) während aufrechter Beziehung gegen nachgenannte Personen eine längere Zeit hindurch fortgesetzt Gewalt ausgeübt, und zwar</span></p><p class="ErlText AlignLeft">1) vom Jänner 2011 bis zum Oktober 2011 und vom Jänner 2012 bis zum Mai 2013 in W* und G* gegen * L* (vormals P*), indem er sie etwa wöchentlich schlug, durch die Wohnung schleuderte, gegen Möbelstücke stieß und fast bis zur Bewusstlosigkeit würgte, wodurch die Genannte regelmäßig Hämatome und Prellungen erlitt, sowie</p><p class="ErlText AlignLeft">2) vom Anfang des Jahres 2017 bis zum Oktober 2019 in W* gegen * F*, indem er ihr anfangs etwa ein Mal pro Monat und ab Anfang 2018 etwa zwei bis vier Mal pro Monat Stöße, Ohrfeigen und (teilweise mit der Faust) Schläge versetzte und sie mit beiden Händen würgte, wodurch sie regelmäßig Hämatome und Prellungen sowie einmal einen Bruch einer Zehe erlitt und bei einem anderen Vorfall bewusstlos wurde (US 15 f), weiters</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">IV) nachfolgende Personen mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs und dem Beischlaf gleichzusetzender geschlechtlicher Handlungen genötigt, und zwar</span></p><p class="ErlText AlignLeft">A) vom Frühjahr 2006 bis zum Ende des Jahres 2009 in W* seine damalige Freundin * S*, indem er</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">1) sie vom Frühjahr 2006 bis zum Frühjahr 2007 mehrfach gewaltsam gegen ihren Willen auszog, an den Handgelenken festhielt und am Bett fixierte, während er den Beischlaf an ihr vollzog, wobei die Tat in einem Fall eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB), nämlich eine posttraumatische Belastungsstörung, zur Folge hatte, sowie</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">2) im Jahr 2009 ihre Badezimmertür versperrte, ihr dort gegen ihren erklärten Willen (US 9) gewaltsam ihre Hose und Unterhose hinunterzog und vaginal in sie einzudringen trachtete, was ihm aufgrund ihrer heftigen Gegenwehr nicht gelang, sodass es beim Versuch (§ 15 StGB) blieb,</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">B) vom Jänner 2011 bis zum Oktober 2011 und vom April 2012 bis zum Mai 2013 in W* seine damalige Lebensgefährtin * L*, indem er ihr nach den unter III 1 angeführten Gewalthandlungen etwa wöchentlich die Kleider vom Leib riss und sie durch Festhalten oder durch sein Körpergewicht fixierte, während er den Beischlaf an ihr vollzog, wobei die Tat in einem Fall eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB), nämlich eine posttraumatische Belastungsstörung, zur Folge hatte,</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">C) vom Anfang des Jahres 2017 bis zum Oktober 2019 in W* seine damalige Lebensgefährtin * F* in zumindest acht Angriffen, indem er ihr, teilweise nach den unter III 2 angeführten Gewalthandlungen, die Unterwäsche herunterriss und sie durch Festhalten an den Armen oder durch sein Körpergewicht fixierte, während er den Beischlaf an ihr vollzog, zudem</span></p><p class="ErlText AlignLeft">D) Personen, indem er ihnen ohne ihr Wissen die bewusstseinsbeeinträchtigende Substanz Gamma-Hydroxybuttersäure (GHB) in Form von sogenannten K.O.-Tropfen verabreichte und dann durch die solcherart erfolgte Ausschaltung ihrer Willensbildung oder Willensbetätigung den Beischlaf oder eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung mit ihnen durchführte, wobei sie derart beeinträchtigt waren, dass sie sich gegen die geschlechtlichen Handlungen nicht zur Wehr setzen konnten, und zwar</p><p class="ErlText AlignLeft">1) am 11. Juli 2021 in M* * B*, indem er an ihr den Vaginalverkehr vornahm,</p><p class="ErlText AlignLeft">2) am 8. oder am 9. Oktober 2021 in M* * S*, indem er ihr die Hose und Unterhose hinunterzog und sodann seine Finger und seinen Penis in ihre Vagina einführte,</p><p class="ErlText AlignLeft">3) * K*</p><p class="ErlText AlignLeft">a) Mitte September 2021 in W*, indem er sich zu ihr legte, ihr die Kleidung auszog, ihre Brüste betastete, seine Finger in ihre Vagina einführte und anschließend an ihr den Vaginalverkehr vornahm, und</p><p class="ErlText AlignLeft">b) am 19. oder am 20. Oktober 2021 in M*, indem er sich zu ihr legte, sie auszog, ihren unbekleideten Körper und ihren Vaginalbereich betastete, seine Finger in ihre Vagina einführte und an ihr den Vaginalverkehr vornahm, sowie</p><p class="ErlText AlignLeft">4) am 4. oder am 5. November 2021 in M* * E*, indem er an ihr den Analverkehr vornahm.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="Abstand AlignLeft"></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [4] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a, 9 lit b und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Zum Vorbringen „betreffend den Ausspruch über die Unterbringung in ein forensisch-therapeutischen Zentrum gemäß § 21 Abs 2 StGB“:</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [5] Die aus Z 4 erhobene Beschwerde ist als Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall iVm Z 4) zulässig, soweit sie sich auf einen auf die Annahme einer schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung und deren Einfluss auf die Anlasstaten gerichteten Antrag bezieht (vgl <span class="Kursiv">Haslwanter</span> in WK<span class="Hoch">2 </span>StGB Vor §§ 21–25 Rz 9 sowie RIS-Justiz RS0118581). Soweit eine Antragsabweisung die Gefährlichkeitsprognose betrifft, ist sie hingegen nur mit Berufung bekämpfbar (<span class="Kursiv">Haslwanter</span> in WK<span class="Hoch">2</span> StGB Vor §§ 21–25 Rz 11).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [6] Der Beschwerde zuwider wurden die auf Enthebung des (im Ermittlungsverfahren) von der Staatsanwaltschaft und (im Hauptverfahren) vom Gericht beigezogenen psychiatrischen Sachverständigen Univ.-Doz. Dr. * H* und auf Bestellung eines „neuen“ Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Psychiatrie samt Einholung eines „neuen“ Gutachtens abzielenden Anträge des Angeklagten (ON 208.3 S 4 ff und S 18 ff; ON 236.4 S 3 ff; ON 242.2 S 94 ff; ON 267.3 S 5 ff) ohne Verletzung von Verteidigungsrechten abgewiesen (ON 208.3 S 10 f, ON 212.3 S 13, ON 236.4 S 11, ON 242.2 S 99 und ON 267.3 S 7):</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [7] Dem Angeklagten ist es im Ermittlungsverfahren offengestanden, gemäß § 126 Abs 5 erster Satz StPO die Bestellung eines Sachverständigen im Rahmen gerichtlicher Beweisaufnahmen zu verlangen. Da er dies trotz entsprechender Information (ON 1.22) unterließ, kann die im Antrag behauptete „strukturelle“ Befangenheit des Sachverständigen (ON 208.3 S 5 f) im Hauptverfahren im Hinblick auf den durch dieses Unterlassen (der Sache nach) abgegebenen Grundrechtsverzicht nicht mehr geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0131744, RS0130055 [T5] und RS0130056 [T3]; <span class="Kursiv">Hinterhofer</span>, WK-StPO § 126 Rz 78 mwN).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [8] Liegt – wie hier – ein dem Angeklagten nachteiliges (schriftliches) Gutachten bereits vor, werden Mängel an der Sachkunde unter dem Aspekt subjektiver Rechte speziell von § 127 Abs 3 StPO erfasst. Die Beiziehung eines weiteren Sachverständigen kommt daher insoweit nur dann in Betracht, wenn sich dort beschriebene Mängel von Befund oder Gutachten durch Befragung des bereits bestellten Experten nicht beseitigen lassen (vgl RIS-Justiz RS0117263 und RS0120023 [T1]; <span class="Kursiv">Danek/Mann</span>, WK-StPO § 221 Rz 23/3; <span class="Kursiv">Hinterhofe</span>r, WK-StPO § 126 Rz 163 und § 127 Rz 31; <span class="Kursiv">Ratz</span>, WK-StPO § 281 Rz 373). Ein diesbezüglicher Antrag muss somit in § 127 Abs 3 erster Satz StPO angeführte Mängel im Befund oder im Gutachten (vgl dazu RIS-Justiz RS0127941 und RS0127942 sowie <span class="Kursiv">Hinterhofer</span>, WK-StPO § 127 Rz 35 ff) <span class="Unterstrichen">unter substantiierter Auseinandersetzung mit den vom Sachverständigen vorgenommenen Modifikationen und Ergänzungen schlüssig darlegen</span> (RIS-Justiz RS0117263 [T17], RS0115712 [T10] und RS0102833).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [9] Soweit sich die Verfahrensrüge – wie hier – auf vor der Vernehmung des Sachverständigen in der Hauptverhandlung gestellte Anträge bezieht, vermag sie einen solchen Mangel naturgemäß nicht darzutun.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [10] Den dargelegten Erfordernissen haben aber auch die nach der ausführlichen Befragung des Sachverständigen (auch durch die vom Angeklagten beigezogene Person mit besonderem Fachwissen) in der Hauptverhandlung am 28. September 2023 gestellten Anträge (ON 242.2 S 94 ff) nicht entsprochen, weil sie sich mit der Replik des Sachverständigen gerade nicht auseinandersetzten (vgl dazu auch US 37 ff).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [11] Der Antrag auf Vernehmung der vom Angeklagten beigezogenen Person mit besonderem Fachwissen Prof. Dr. * U* als Zeugen zum Beweis dafür, „dass das Gutachten Dris. H* aufgrund der gravierenden Mängel im Sinne des § 127 Abs 3 StPO nicht lege artis erstattet wurde“ und „die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens unbedingt erforderlich“ sei (ON 208.3 S 18), ging daran vorbei, dass nur sinnliche Wahrnehmungen über Tatsachen (§ 154 Abs 1 StPO) Gegenstand einer Zeugenaussage sind (RIS-Justiz RS0097545 und RS0097540 [T8]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [12] Gleiches gilt für den Antrag auf Vernehmung des Dr. * Z* als Zeugen zum Beweis dafür, „dass der Angeklagte weder unter einer schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung noch an einer sexuellen Devianz iSd § 21 Abs 2 StGB leidet“ (ON 208.3 S 25).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [13] Auch die vom Angeklagten angestrebte Einholung eines psychologischen Sub-Gutachtens zielte bloß auf eine Überprüfung der Beurteilung des vom Gericht beigezogenen Experten aus dem Fachgebiet der Psychiatrie (vgl dazu § 430 Abs 1 Z 2 StPO) in der nicht indizierten Erwartung eines für den Angeklagten günstigeren Ergebnisses und damit auf eine unzulässige Erkundungsbeweisführung (RIS-Justiz RS0117263 [T17]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [14] Zu Recht unterblieb auch die zur Erschütterung der Glaubhaftigkeit belastender Aussagen angestrebte Vernehmung von * E* (ON 208.3 S 12 f), * O* (ON 208.3 S 14), * P* (ON 208.3 S 14 f) und * H* (ON 208.3, S 15) als Zeugen. Unmittelbare Wahrnehmungen dieser Personen zum hier in Rede stehenden Geschehen behaupten die diesbezüglichen Anträge nicht. Ebenso wenig enthielt das Antragsvorbringen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass * B*, * F* oder * L* in Bezug auf eine entscheidende Tatsache die Unwahrheit gesagt hätten (dazu RIS-Justiz RS0120109 [insbesondere T3]). Davon, dass * L*, * S* und * F* in Kontakt standen, über die Anzeigen sprachen und das „durchziehen wollten“, sowie dass * L* bereits seit längerer Zeit eine Therapie gemacht habe, ging das Gericht ohnehin aus (US 14 und 51; ON 222.4,3). Die Gewichtung dieser Umstände im Rahmen der Prüfung der Beweismittel auf ihre Glaubwürdigkeit und Beweiskraft kommt allein dem erkennenden Gericht zu (§ 258 Abs 2 StPO).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [15] Die Einholung eines aussagepsychologischen Gutachtens bezüglich der Zeugin * S* (ON 212.3 S 6 ff) unterblieb schon deshalb zu Recht, weil im Antrag nicht behauptet wurde, dass die Genannte die erforderliche Zustimmung zu einer Exploration erteilt hätte oder erteilen würde (RIS-Justiz RS0118956 [T5]).</p><p class="ErlText AlignLeft"> [16] Im Rechtsmittel nachgetragenes, den Antrag ergänzendes Vorbringen ist ebenso unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618) wie Kritik an der Begründung des abweislichen Zwischenerkenntnisses (RIS-Justiz RS0116749).</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [17] Entgegen dem Vorwurf offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen des Erstgerichts, wonach es der Angeklagte zumindest für möglich gehalten und sich billigend damit abgefunden habe, * S* und * L* durch sein Verhalten eine schwere Körperverletzung zuzufügen (US 9 und 13), ist die Ableitung dieser Konstatierungen aus dem objektiven Tatgeschehen (dazu RIS-Justiz RS0098671 und RS0116882) in Verbindung mit dem vom Erstgericht für schlüssig befundenen (US 37) Gutachten des Sachverständigen Univ.-Doz. Dr. * H*, wonach es für die Annahme, dass der Angeklagte zu den jeweiligen Tatzeitpunkten nicht in der Lage gewesen wäre, den Unrechtsgehalt seiner Handlungen zu erkennen und dementsprechend zu handeln, keine medizinischen Anhaltspunkte gebe (US 41), unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [18] Dem weiteren Vorwurf (Z 5 zweiter Fall) zuwider ließ das Erstgericht die Angaben der Zeuginnen * B* und * E* beim Ausspruch über entscheidende Tatsachen nicht unberücksichtigt, sondern führte deren fehlende oder nur bruchstückhaft vorhandene Erinnerungen an die vom Schuldspruch IV D 1 und 4 erfassten Vergewaltigungen auf ihre Betäubung mit den vom Angeklagten verabreichten „K.O.-Tropfen“ zurück (US 57, 67 und 69). Dass das Erstgericht aus diesen Verfahrensergebnissen nicht die vom Angeklagten gewünschten Schlüsse zog, begründet keine Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0098400 und RS0099438).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [19] Aktenwidrig im Sinn der Z 5 fünfter Fall ist ein Urteil nur dann, wenn es den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (RIS-Justiz RS0099431 [T1]). Mit der Kritik, wonach getroffene Feststellungen von Depositionen der Zeugin * B* abweichen würden, wird kein solches Fehlzitat aufgezeigt (RIS-Justiz RS0099431 [T17]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [20] Mit dem Hinweis auf die bereits von der Mängelrüge angesprochenen Angaben der Zeuginnen * B* und * E* weckt die Tatsachenrüge (Z 5a) beim Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [21] Die Rechtsrüge (Z 9 lit b, nominell verfehlt auch Z 10) legt nicht aus dem Gesetz abgeleitet dar (siehe aber RIS-Justiz RS0116565), weshalb auf der Basis des Urteilssachverhalts zum Schuldspruch IV A 2, wonach der Angeklagte * S* zum Geschlechtsverkehr zwingen wollte, aber aufgrund ihrer heftigen Gegenwehr nicht in sie eindringen konnte (US 9), kein fehlgeschlagener Versuch (zum Begriff <span class="Kursiv">Bauer/Plöchl</span> in WK<span class="Hoch">2</span> StGB §§ 15, 16 Rz 158) anzunehmen sein sollte, der strafbefreienden Rücktritt (§ 16 Abs 1 StGB) von vornherein ausschließt (dazu RIS-Justiz RS0090229).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [22] Die Subsumtionsrüge (Z 10) strebt die rechtliche Unterstellung aller vom Schuldspruch III umfassten Taten nach § 83 Abs 1 StGB an. Soweit sie Feststellungen zur Eignung der Tathandlungen, die Opfer in ihrer freien Lebensführung schwerwiegend oder gravierend zu beeinträchtigen, vermisst, erklärt sie aber nicht, weshalb die erstgerichtlichen – eingangs referierten – Konstatierungen (US 11 f und US 15 f) für die Bejahung der – als Rechtsfrage zu beurteilenden (RIS-Justiz RS0132824) – Eignung der gesetzten Gewalthandlungen, die Lebensführungsfreiheit der Opfer gravierend zu beeinträchtigen (<span class="Kursiv">Schwaighofer</span> in WK<span class="Hoch">2</span> StGB § 107b Rz 8 mwN, vgl RIS-Justiz RS0127377), nicht ausreichen sollten (RIS-Justiz RS0116565).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [23] Ebenso wenig leitet die Rüge aus dem Gesetz ab, weshalb über die zum Schuldspruch III getroffenen Feststellungen hinaus auch Konstatierungen zum tatsächlichen Vorliegen eines permanenten Angstzustands der Opfer bei dem als abstraktes Gefährdungsdelikt angelegten Vergehen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB erforderlich sein sollten (12 Os 93/19x, jüngst 13 Os 129/21a).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [24] Die gebotene Ableitung aus dem Gesetz vermissen lässt auch die Behauptung, die etwa dreimonatige Unterbrechung der Tathandlungen zum Nachteil der * L* (III 1, vgl dazu US 11) und die bloße Reduzierung der vom Jänner 2011 bis zum Oktober 2011 und vom Jänner 2012 bis zum Mai 2013 andauernden und zumindest wöchentlichen (auch Würge-)Angriffe (vgl dazu US 52) ab der Schwangerschaft Ende 2012 (US 12) stünden – trotz der konstatierten Dauer, Dichte und Intensität der Tathandlungen während der verbleibenden Tatzeiträume – der rechtlichen Annahme einer fortgesetzten Gewaltausübung entgegen. Unter dem Aspekt des § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO sei hinzugefügt, dass die insoweit von der Beschwerde vertretene Rechtsansicht nicht zutrifft (vgl dazu RIS-Justiz RS0129716 [T2]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [25] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [26] Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [27] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240911_OGH0002_0130OS00053_24D0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-02 | 2024-10-02 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240911_OGH0002_0130OS00053_24D0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240911_OGH0002_0130OS00053_24D0000_000/JJT_20240911_OGH0002_0130OS00053_24D0000_000.html | 13Os53/24d | ECLI:AT:OGH0002:2024:0130OS00053.24D.0911.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Der Oberste Gerichtshof hat am 11. September 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. Wachter in der Strafsache gegen C* B* wegen des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 15. März 2024, GZ 79 Hv 2/24m-23, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den</span></p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft">Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Gründe:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde C* B* gemäß § 259 Z 3 StPO von den wider ihn erhobenen Vorwürfen freigesprochen, er habe am 27. Mai 2023 in D*</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">I) * K* außer den Fällen des § 201 StGB mit Gewalt zur Vornahme einer geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er sie festhielt, ihre Hand nahm, kraftvoll an dieser zog und sie über der Kleidung gegen seinen erigierten Penis presste, sowie</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">II) andere widerrechtlich gefangen gehalten oder ihnen auf andere Weise die persönliche Freiheit entzogen, und zwar</span></p><p class="ErlText AlignLeft">A) * K*, indem er sie durch Festhalten an den Oberarmen für zumindest 30 Minuten daran hinderte, seine Wohnung zu verlassen, und</p><p class="ErlText AlignLeft">B) Ce* B*, indem er sie durch Versperren einer Verbindungstüre für etwa eine Stunde in einem Teil seiner Wohnung einsperrte.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [2] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [3] Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurde der Antrag auf Vernehmung der Zeugin Mag. * M* „zu den Erzählungen des Kindes, zum Vorfall des Einsperrens, zur Verhaltensänderung des Kindes und dass es Schlüssel für die Türen gab und der Angeklagte sie zu diesem Zeitpunkt schon hatte“ (ON 22 S 7) vom Schöffensenat zu Recht abgewiesen, ließ er doch die Relevanz des Beweisthemas für die Lösung der Schuld- oder der Subsumtionsfrage nicht unmissverständlich erkennen (<span class="Kursiv">Ratz</span>, WK-StPO § 281 Rz 321 und 327; vgl auch RIS-Justiz RS0118444 [insbesondere T3 und T4]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [4] Im Rechtsmittel nachgetragenes, den Antrag ergänzendes Vorbringen hat mit Blick auf das aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot auf sich zu beruhen (RIS-Justiz RS0099618).</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [5] Die Mängelrüge (Z 5) zum Schuldspruch I richtet sich gegen die Feststellungen, wonach die Anwendung von Gewalt weder auf der objektiven noch auf der subjektiven Tatseite konstatiert werden konnte (US 3 und 8).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [6] Die diesbezüglichen Angaben der Zeugin * K* hat das Erstgericht eingehend dargestellt und entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin, wonach es sich insoweit lediglich um ein „kommentarlose(s) Anführen“ handle, in ihrer Gesamtheit dahin bewertet, dass diese nicht geeignet seien, die leugnende Verantwortung des Angeklagten zu widerlegen (US 5 ff).</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [7] Die insoweit erhobenen Beschwerdeeinwände der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) und der offenbar unzureichenden Begründung (Z 5 vierter Fall) gehen daher ins Leere.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [8] Zum Schuldspruch II B orientiert sich die Mängelrüge mit der Kritik, die Tatrichter hätten die Feststellung, wonach der Angeklagte „keine innere Tatseite hatte, seine Tochter Ce* B* wegzusperren“ (US 9), einzig aus dem objektiven Geschehen abgeleitet, nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (vgl aber RIS-Justiz RS0119370), wonach die Tatrichter insoweit primär der leugnenden Verantwortung des Angeklagten Glauben schenkten (vgl US 3 f und 10).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [9] Da bereits die solcherart erfolglos bekämpfte Negativfeststellung zur subjektiven Tatseite der Verwirklichung des Tatbestands des § 99 Abs 1 StGB entgegensteht, war auf das weitere Vorbringen der Mängelrüge zum Schuldspruch II B nicht einzugehen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [10] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) beschränkt sich darauf, mit eigenen beweiswürdigenden Erwägungen zu den Verfahrensergebnissen andere als die von den Tatrichtern getroffenen Feststellungen zu fordern und ihre Argumentation auf deren Grundlage zu entwickeln (vgl aber RIS-Justiz RS0099810).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [11] Die Kritik, es seien – „obwohl geboten“ – keine (von der Beschwerde nicht näher dargestellten) „Feststellungen sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht zu einer subsidiären Nötigung“ getroffen worden, weshalb „der Sachverhalt zumindest unter den subsidiären Tatbestand der Nötigung nach § 105 Abs 1 StPO zu subsumieren“ sei, lässt keinen Bezug zu den Kriterien der Nichtigkeitsgründe erkennen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [12] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240911_OGH0002_0130OS00060_24H0000_000 | Justiz | OGH | 2024-11-14 | 2024-11-14 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240911_OGH0002_0130OS00060_24H0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240911_OGH0002_0130OS00060_24H0000_000/JJT_20240911_OGH0002_0130OS00060_24H0000_000.html | 13Os60/24h (13Os61/14f,13Os62/24b,13Os63/24z) | ECLI:AT:OGH0002:2024:0130OS00060.24H.0911.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Der Oberste Gerichtshof hat am 11. September 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. Wachter in der Strafsache gegen * A* wegen des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 StGB, AZ 56 Hv 115/23z des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die Anträge des Verurteilten auf Erneuerung des Strafverfahrens und auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den</span></p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignJustify">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft">Die Anträge werden zurückgewiesen.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Gründe:</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [1] Mit Urteil des Einzelrichters des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 22. November 2023 (ON 32.2) wurde * A* des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Einer dagegen erhobenen Berufung des Genannten wegen vorliegender Nichtigkeitsgründe sowie wegen der Aussprüche über die Schuld, die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche gab das Oberlandesgericht Wien mit Urteil vom 2. April 2024, AZ 31 Bs 23/24w, nicht Folge.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [2] Mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 11. Jänner 2024, AZ 332 HR 284/23m, (ON 36) wurden (in demselben Verfahren eingebrachte) Einsprüche des Genannten wegen Rechtsverletzung (§ 106 StPO) abgewiesen. Dessen dagegen erhobener Beschwerde gab das Oberlandesgericht Wien mit Beschluss vom 11. März 2024, AZ 31 Bs 33/24s, nicht Folge.</span></p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [3] In seiner Eingabe vom 1. Juli 2024 beantragt der Verurteilte mit Bezug auf „die gesamten Urteile des Landesgerichts und des Oberlandesgerichts“ sowie die „damit verbundenen Beschlüsse“, somit die oben angeführten Entscheidungen, unter Abstützung auf § 363a StPO (gemeint) die Erneuerung jenes Strafverfahrens (zur grundsätzlichen Zulässigkeit der Ergreifung dieses Rechtsbehelfs, ohne sich auf eine Feststellung einer Verletzung der MRK oder eines ihrer Zusatzprotokolle durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu berufen, nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs siehe RIS-Justiz RS0122228).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [4] Die Eingabe ist entgegen der zwingenden Anordnung des § 363b Abs 2 Z 1 StPO nicht von einem Verteidiger (im Sinn des § 48 Abs 1 Z 5 StPO [vgl RIS-Justiz RS0116566]) unterschrieben, weshalb der Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens ohne meritorische Prüfung zurückzuweisen war.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [5] Dem Betroffenen steht nur ein Erneuerungsantrag in Betreff ein und derselben Sache zu (RIS-Justiz RS0123231). Bei Fehlen einer Verteidigerunterschrift (§ 363b Abs 2 Z 1 StPO) sieht das Gesetz kein Verbesserungsverfahren vor (RIS-Justiz RS0122736 [T8] und RS0122737 [T30]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"> [6] Demzufolge kann weder das angesprochene Formgebrechen saniert werden noch ist die (formgerechte) Einbringung eines weiteren Erneuerungsantrags in derselben Sache zulässig.</p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [7] Soweit der – der Eingabe angeschlossene, erkennbar auf den (zugleich aber schon erhobenen) Erneuerungsantrag bezogene – „Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe“ als ein solcher auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers (§ 61 Abs 2 StPO) zur Vornahme einer dieser (demnach von vornherein aussichtslosen) Prozesshandlungen aufzufassen ist, war er ebenso zurückzuweisen (vgl RIS-Justiz RS0127077 [insbesondere T3]).</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240911_OGH0002_0030OB00118_24K0000_000 | Justiz | OGH | 2024-10-09 | 2024-10-09 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240911_OGH0002_0030OB00118_24K0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240911_OGH0002_0030OB00118_24K0000_000/JJT_20240911_OGH0002_0030OB00118_24K0000_000.html | 3Ob118/24k | ECLI:AT:OGH0002:2024:0030OB00118.24K.0911.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn (Vorsitzender), die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Fitz in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. C* D*, und 2. Ing. G* H*, beide vertreten durch Mag. Peter Mayerhofer, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, gegen die beklagte Partei B* AG, *, vertreten durch Dr. Anton Ehm und Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in Wien, wegen 255.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. April 2024, GZ 4 R 26/24h-30.1, den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.</span></p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [1] Eine Unterlassung ist dann für den Schadenserfolg kausal, wenn die Vornahme einer <span class="Unterstrichen">bestimmten</span> aktiven Handlung das Eintreten des Erfolgs verhindert hätte (RS0022913). Die Beweislast, dass bei gebotenem Verhalten der Schaden nicht eingetreten wäre, trifft den Geschädigten (RS0022900 [T11]). Ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, ist eine Frage des Einzelfalls, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung – zumindest grundsätzlich – keine erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zukommt (RS0042828 [T1]).</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [2] Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Kläger hätten kein konkretes Vorbringen erstattet, bei welcher Information durch die Beklagte sie zu welchem Zeitpunkt eine Kreditkonvertierung beauftragt hätten und welcher Schaden sich dadurch errechnen würde, wird in der außerordentlichen Revision nicht – auch nicht als überraschend (vgl RS0037300) – angefochten. Selbst noch in der Revision stellen die Kläger nur die Behauptungen auf, die Beklagte sei ihren „Verpflichtungen im Sinne des § 39 Bankwesengesetz […] in keiner Weise nachgekommen“ (ohne dies zu konkretisieren), und dass sie „natürlich vorher ihren Konvertierungsauftrag erteilt [hätten]“, wenn die Beklagte „ihrer Verpflichtung nachgekommen [wäre]“. Bei welchem konkreten von § 39 BWG geforderten Verhalten der Beklagten die Kläger wann einen Konvertierungsauftrag erteilt hätten und zu welchen Konditionen diese Konvertierung erfolgt wäre, bleibt auch hier offen.</span></p><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true"> [3] Da in der außerordentlichen Revision keine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität aufgezeigt wird, ist sie als unzulässig zurückzuweisen.</span></p></div></div></body></html> | null |
JJT_20240911_OGH0002_0030OB00124_24T0000_000 | Justiz | OGH | 2024-09-30 | 2024-09-30 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20240911_OGH0002_0030OB00124_24T0000_000 | https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20240911_OGH0002_0030OB00124_24T0000_000/JJT_20240911_OGH0002_0030OB00124_24T0000_000.html | 3Ob124/24t | ECLI:AT:OGH0002:2024:0030OB00124.24T.0911.000 | null | null | null | <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Transitional//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-transitional.dtd"><html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"><body bgcolor="#FFFFFF"><div class="paperw"><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Kopf</h1><p class="ErlText AlignLeft">Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn (Vorsitzender), die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Fitz in der Pflegschaftssache der Minderjährigen 1. S*, geboren am * 2010, 2. A*, geboren am * 2011, *, in Unterhaltsangelegenheiten vertreten durch das Land Vorarlberg (Bezirkshauptmannschaft Bregenz, 6900 Bregenz, Bahnhofstraße 41) als Kinder- und Jugendhilfeträger, wegen Unterhaltserhöhung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters E*, vertreten durch Mag. Manuel Dietrich, Rechtsanwalt in Hard, gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 7. Mai 2024, GZ 10 R 52/24g-34, den</p><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Beschluss</p><p class="ErlText AlignLeft">gefasst:</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Spruch</h1><p class="ErlText AlignLeft"><span aria-hidden="true">Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.</span></p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Text</h1><p class="TabTextZentriert AlignCenter">Begründung:</p><p class="ErlText AlignLeft"> [1] Das Rekursgericht wies den Rekurs des Vaters als verspätet zurück und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu.</p></div><div class="contentBlock"><h1 class="Titel AlignJustify">Rechtliche Beurteilung</h1><p class="ErlText AlignLeft"> [2] In seinem außerordentlichen Revisionsrekurs gelingt es dem Vater nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen:</p><p class="ErlText AlignLeft"> [3] 1. Nach ständiger Rechtsprechung beginnt im Fall der Berichtigung der angefochtenen Entscheidung die Rechtsmittelfrist zwar grundsätzlich erst mit Zustellung der Ausfertigung der berichtigten Entscheidung (neu) zu laufen (RS0041797). Dies gilt jedoch insbesondere dann nicht, wenn die Berichtigung die Stellung des Rechtsmittelwerbers nicht zu seinem Nachteil verändert (RS0041797 [T4]).</p><p class="ErlText AlignLeft"> [4] 2. Von dieser Rechtsprechung ist das Rekursgericht nicht abgewichen. Die Berichtigung des erstgerichtlichen Beschlusses (ausschließlich) dahin, dass die erhöhten Unterhaltsbeiträge nicht ab 1. Jänner 2020, sondern, dem Begehren der Minderjährigen entsprechend, erst ab 1. April 2020 zu leisten sind, war nämlich – entgegen der nicht näher begründeten Behauptung im Rechtsmittel – ausschließlich zum Vorteil des Vaters und konnte deshalb keine neue Frist für die Anfechtung des Unterhaltserhöhungsbeschlusses in Gang setzen.</p></div></div></body></html> | null |
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